Beziehungsreichtum
Bibelhermeneutische, sozialanthropologische und kulturgeschichtliche Erkundungen
0814
2013
978-3-7720-5495-2
978-3-7720-8495-9
A. Francke Verlag
Bernhard Mutschler
Warum sind nicht alle deutschen Bibeln gleich? Weshalb unterscheiden sich ihre Inhalte, ihr Umfang, ihr Wortlaut? Wie einheitlich, fest - stehend und zuverlässig ist eigentlich die Bibel? Kann ein biblischer Text zeitgemäß ausgelegt werden - ernst genommen und doch nicht verabsolutiert? Im Anschluss an Fragen des Bibelverständnisses und der Bibelauslegung kommt der schier unermessliche Beziehungsreichtum zur Sprache und wird in sensibler und nachvollziehbarer Weise beleuchtet.
<?page no="0"?> Beziehungsreichtum Bibelhermeneutische, sozialanthropologische und kulturgeschichtliche Erkundungen Bernhard Mutschler <?page no="1"?> 068313 Mutschler_068313 Mutschler Titelei 24.07.13 09: 46 Seite 2 <?page no="2"?> Bernhard Mutschler Beziehungsreichtum Bibelhermeneutische, sozialanthropologische und kulturgeschichtliche Erkundungen 068313 Mutschler_068313 Mutschler Titelei 24.07.13 09: 46 Seite 3 <?page no="3"?> Umschlagabbildung: „Der Träumer / Le Rêveur“ von Karin Scheithe-Kühnbach Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2013 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem und säurefreiem Werkdruckpapier. Internet: www.francke.de E-Mail: info@francke.de Printed in Germany ISBN 978-3-7720-8495-9 068313 Mutschler_068313 Mutschler Titelei 24.07.13 09: 46 Seite 4 <?page no="4"?> Gewidmet ist dieses Buch Menschen, die anderen Menschen den Weg ins Leben zeigen, weiten, ebnen und sie begleiten auf ihrem Weg in Liebe und Gerechtigkeit. <?page no="6"?> Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Einführung .....................................................................................................15 1 So wurde Bibel. Kanon und Kanonbildung der christlichen Bibel .................................................................................18 1.1 Die Bibel - eine Vielfalt an aktuellen Übersetzungen und Übertragungen. Hermeneutische Einsichten zur Bibelentstehung und Kanonbildung ................................20 1.1.1 Mehrere neue Übersetzungen in den zurückliegenden Jahren..........................................................................................21 1.1.2 Hermeneutische Konsequenzen zur Bibelentstehung und Kanonbildung....................................................................22 1.1.3 Ergebnis......................................................................................24 1.2 Festschreibungen und Veränderungen des biblischen Kanons in der Reformationszeit ...............................................25 1.2.1 Katholische Festschreibung des Kanons auf dem Trienter Konzil 1545 .................................................................25 1.2.2 Entkanonisierung alttestamentlicher Spätschriften und Marginalisierung von neutestamentlichen Schriften bei Martin Luther ab 1522 ..............................................................26 1.2.3 Grundentscheidungen im reformierten Protestantismus und im Anglikanismus.............................................................28 1.2.4 Ergebnis......................................................................................30 1.3 Einige Stationen der Kanonbildung im frühen Christentum .......................................................................................30 1.3.1 Der 39. Osterfestbrief des Athanasius von Alexandrien als Beispiel für Schriftenverzeichnisse des 3. und 4. Jahrhunderts .....................................................................................31 1.3.2 Faktische Kanonizität in der biblischen Theologie des Irenäus von Lyon als Antwort auf markionitische Schriftenreduktion und valentinianische Schriftenexpansion............33 1.3.2.1 Impliziter Kanon bei Irenäus von Lyon .....................33 1.3.2.2 Markioniten, Valentinianer und Montanisten als Herausforderung an die Kirche ab der Mitte des 2. Jahrhunderts n.Chr. ...................................................33 1.3.2.3 Der Vierevangelienkanon als Beispiel........................35 1.3.2.4 Kanonbildung im zweiten Jahrhundert .....................36 <?page no="7"?> Inhaltsverzeichnis 8 1.3.3 Ergebnis......................................................................................37 1.4 Die Bibel - einheitlich, feststehend, zuverlässig? Zusammenfassende Perspektiven .............................................38 2 Warum wir heutzutage Ehebrecherinnen und Ehebrecher nicht mehr steinigen. Grundlagen einer zeitgemäßen biblischen Hermeneutik ...................................42 2.1 Das biblische Gebot, Ehebrecherinnen und Ehebrecher zu steinigen ................................................................43 2.2 Bibelauslegung zwischen Relativismus und Fundamentalismus, beliebiger Wahl und unerträglicher Qual ...........45 2.3 Gotteswort oder Menschenwort - ist die Bibel als „göttlich” oder als „menschlich” zu betrachten? ................47 2.4 Revisions- und Auslegungsprozesse innerhalb der Bibel .......................................................................................................50 2.5 Verschiedene Schriftauslegung im Laufe der Kirchengeschichte ............................................................................52 2.6 Was bedeutet „historisch-kritische Bibelauslegung“? ......54 2.7 Eine oder mehrere Grundlagen der Ethik? ...........................57 2.8 Was also tritt an die Stelle von Steinigung? ..........................58 2.9 Zusammenfassung ..........................................................................59 3 Beziehungen zwischen Mann und Frau im Alten Testament, vertieft am Beispiel von Isaak und Rebekka .62 3.1 Rechtliche, soziale und gesellschaftliche Differenzen zur Gegenwart ..................................................................................63 3.2 Rahmenbedingungen und ungleiche Möglichkeiten für Männer und Frauen im Alten Testament ........................64 3.2.1 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen....................................65 3.2.2 Rechtliche Rahmenbedingungen ............................................66 3.2.2.1 Eheschließung .................................................................67 3.2.2.2 Ehescheidung...................................................................69 3.2.2.3 Ehebruch...........................................................................71 3.2.2.4 Polygamie/ Polygynie ....................................................73 3.2.2.5 Ehemann/ Eheherr ..........................................................75 <?page no="8"?> Inhaltsverzeichnis 9 3.2.3 Persönliche Bedingungen wie Herkunft, Erziehung, Begabung, Charakter, Kontingenz .........................................76 3.3 Beziehungen zwischen Mann und Frau im Überblick .....77 3.4 Die Beziehungsgeschichte von Isaak und Rebekka ...........82 3.4.1 Weshalb Isaak und Rebekka? ..................................................82 3.4.2 Wer war Isaak? ..........................................................................83 3.4.3 Wer war Rebekka? ....................................................................83 3.4.4 Wie lernten sie sich kennen und lieben? ................................85 3.4.5 Was waren ihre Herausforderungen auf der weiten Fahrt durch das Leben? .................................87 3.4.6 Blieb ihnen die Liebe erhalten? ...............................................90 3.4.7 Versuch eines Resümees ..........................................................90 3.5 Zusammenfassung ..........................................................................90 4 Bildung und Erziehung von Kindern in der Bibel .........93 4.1 Die Begriffe „Bildung“ und „Erziehung“ ..............................93 4.2 Kinder, Erziehung, Bildung im ersten Testament ..............96 4.2.1 Kinder als Verheißung, Segen, Gabe ......................................96 4.2.2 Bildung und Erziehung der Kinder im Deuteronomium....99 4.2.2.1 Die doppelte Aufgabe der Unterweisung in der religiösen Tradition ............................................99 4.2.2.2 Allgemeine Unterweisung im öffentlichen Raum .100 4.2.2.3 Besondere Unterweisung im Raum der Familie ....100 4.2.2.4 Die Einbindung in die dreifache Verheißung an die Erzväter und der ethische Monotheismus ........101 4.2.3 Bildung und Erziehung der Kinder im Proverbienbuch ...102 4.2.3.1 Vater, Mutter und „mein Sohn“ ................................102 4.2.3.2 Die religiöse Ausrichtung weisheitlicher Erziehung.............................................104 4.2.3.3 Mūsār/ rcvm und die Frage nach der „Züchtigung“................................................105 4.2.3.4 Die Bewährung von Bildung und Erziehung im Leben.............................................107 4.3 Kinder im Neuen Testament .....................................................108 4.3.1 Kinder im älteren neutestamentlichen Schrifttum (Paulusbriefe) und in den späteren Briefen.........................108 4.3.1.1 „Kind“/ „Sohn“ als zentrale anthropologischsoteriologische Metapher ............................................109 4.3.1.2 Kindsein als vorläufige und defiziente Form des Menschseins..............................109 <?page no="9"?> Inhaltsverzeichnis 10 4.3.1.3 Kinder und Erwachsene in den übrigen neutestamentlichen Briefen .................110 4.3.2 Kinder in den Evangelien ......................................................111 4.3.2.1 Kinder in verschiedenen Zusammenhängen ..........111 4.3.2.2 Vater, Kinder, Gott .......................................................112 4.3.2.3 Kinder als Muster und Modell für Erwachsene .....112 4.3.2.4 Gott als Anwalt und Begleiter der Kinder...............113 4.3.2.5 Beispiele für Erwachsene in kindgemäßer Erwartung ........................................114 4.4 Zusammenfassung ........................................................................115 5 Frauen, Kinder, Sklaven und Männer. Die neutestamentlichen Haustafeln als älteste christliche Sozialordnungen .......................................118 5.1 Die doppelte Verwendung des Begriffs Haustafeln - reformationsgeschichtliche und neutestamentliche Perspektiven ....................................................................................119 5.1.1 Reformationszeit .....................................................................119 5.1.2 20. Jahrhundert und Gegenwart ...........................................121 5.1.3 Ergebnis....................................................................................122 5.2 Wurzeln neutestamentlicher Haustafeln im antiken literarischen und im frühchristlichen theologischen Kontext ...............................................................................................122 5.2.1 Politisch-ökonomische Lehrschriften ...................................123 5.2.2 Ethisch-philosophische Pflichtenkataloge ...........................123 5.2.3 Jüdisch-hellenistische Paränese ............................................124 5.2.4 Selbstfindungsprozesse im frühen Christentum ................125 5.2.5 Ergebnis....................................................................................126 5.3 Haustafeln als älteste christliche Sozialordnungen in den Briefen an die Kolosser und an die Epheser ..........126 5.3.1 Kol 3,18-4,1 als Prototyp und Muster einer Haustafel ......127 5.3.2 Eph 5,21-6,9 als Ausbau und Erweiterung von Kol 3,18-4,1 ..............................................................................131 5.3.3 Ergebnis....................................................................................132 5.4 1 Petr 2,13-3,7 und die Frage nach weiteren Haustafeln im frühen Christentum ...........133 5.4.1 Erster Petrusbrief ....................................................................133 5.4.2 Neutestamentliche und frühchristliche Texte .....................134 5.4.3 Ergebnis....................................................................................135 <?page no="10"?> Inhaltsverzeichnis 11 5.5 Die neutestamentlichen Haustafeln vor dem Hintergrund der antiken Literatur. Theologische Akzente, Ansätze zu einer Gesamtinterpretation und Versuch einer gegenwärtigen Würdigung ............................................135 5.5.1 Haustafeln als Literatur .........................................................135 5.5.2 Theologische Akzentsetzungen ............................................137 5.5.3 Ansätze zu einer Gesamtinterpretation ...............................138 5.5.4 Versuch einer gegenwärtigen Würdigung ..........................141 5.5.5 Ergebnis....................................................................................143 5.6 Zusammenfassung ........................................................................144 5.6.1 Martin Luthers Haustafel und die Unklarheit des Begriffs Haustafeln im Zusammenhang christlicher und antiker Texte ....................................................................144 5.6.2 Zum antiken Kontext neutestamentlicher Haustafeln.......145 5.6.3 Neutestamentliche Haustafeln - Texte ................................147 5.6.4 Neutestamentliche Haustafeln - Theologische und ethische Aspekte .....................................................................149 5.6.5 Zur Frage der Gegenwartsrelevanz neutestamentlicher Haustafeln .............................................151 6 Perspektiven eines evangelischen Verständnisses von Familie .............................................................................................153 6.1 Eine biblische Spurenlese als Ausgangspunkt für die Suche nach Perspektiven eines evangelischen Verständnisses von Familie .......................................................153 6.1.1 Großfamiliärer Sippenverband .............................................154 6.1.2 Ehe(n), Kinder, Wirtschaftsgemeinschaft ............................155 6.1.3 Schutz der traditionellen Familie..........................................157 6.1.4 Afamiliarität aus Gründen der Nachfolge...........................159 6.1.5 Gemeinde übernimmt Familienfunktionen.........................160 6.1.6 Ergebnis....................................................................................162 6.2 Gegenwärtige Perspektiven eines evangelischen Verständnisses von Familie .......................................................164 6.2.1 Grenzen des Familiendenkens und -lebens.........................165 6.2.2 Die größere Familie - die Gemeinde ....................................166 6.2.3 Die eigene Familie...................................................................167 6.2.4 Familie unter Druck................................................................168 6.2.5 Familie evangelisch.................................................................170 6.2.6 Familie als Lebensgewinn, Last und Freude .......................172 6.3 Zusammenfassung ........................................................................173 <?page no="11"?> Inhaltsverzeichnis 12 7 Welchen Diakonat braucht die Kirche? Zugleich ein Kapitel Biblische Theologie, Gemeindediakonie und Kirchentheorie ausgehend von Act 6,1-7 .........177 7.1 Hinführung: Der Dienst der Liebe an jedermann im Auftrag der Gemeinde ..........................................................178 7.1.1 Die zweifache Verantwortung von Kirchengemeinderätinnen und Kirchengemeinderäten..................178 7.1.2 Martin Luthers doppelte Bestimmung eines „Christenmenschen“.....................................................179 7.1.3 Eine aktuelle Begriffskontroverse: Was bedeutet „Diakonie“ im Neuen Testament? ...............180 7.2 Die Konstituierung eines Jerusalemer Siebenergremiums nach Act 6,1-7 und die Frage nach der Bedeutung von Diakonia ..............................................................182 7.2.1 Die Konstituierung eines Jerusalemer Siebenergremiums nach Act 6,1-7 ........................................183 7.2.1.1 „Hellenisten“ und „Hebräer“ in Jerusalem.............183 7.2.1.2 Ein Versorgungsproblem der frühen Jerusalemer Gemeinde ...................................186 7.2.1.3 Die Lösung des Konflikts durch die Etablierung eines Siebenergremiums .......................189 7.2.2. Was bedeuten Diakonia und diakonein in Act 6,1-7? ............192 7.2.2.1 „Tägliche Diakonia“ an Witwen, Act 6,1...................192 7.2.2.2 „An Tischen Diakonia ausführen“, Act 6,2...............194 7.2.2.3 „Diakonia des Wortes“, Act 6,4, und die übrigen Diakonia-Belege in Act ...........................196 7.2.3 Ein Negativbefund: Das Fehlen von Diakonos im Lukanischen Doppelwerk ................................................197 7.3 Aspekte eines evangelischen Verständnisses des Diakonats auf dem Hintergrund von Act 6,1-7 .................199 7.3.1 Zum Verhältnis von Kirche, Diakonie und Diakonat ........200 7.3.2 Act 6,1-7 und die gegenwärtige Gestaltung des Diakonats ..........................................................................202 7.4 Zusammenfassung ........................................................................209 7.4.1 Einführende Gedanken zum „Dienst der Liebe an jedermann“ .........................................209 7.4.2 „Hebräer“, „Hellenisten“ und der Weg zur Etablierung eines Jerusalemer Siebenergremiums .............210 7.4.3 Diakonie, „Diakonie ausführen“ und Diakon in der Apostelgeschichte ........................................................211 <?page no="12"?> Inhaltsverzeichnis 13 7.4.4 Kirche, Diakonie und Diakonat ............................................212 7.4.5 Lernen aus Act 6,1-7 im Blick auf heute ..............................214 8 Die Bergpredigt Jesu, strophenweise neu übersetzt. Evangelium nach Matthäus, Kapitel 5 bis 7 ......................217 Hinführung im Evangelium und Stand der Entwicklung ........218 Exposition ...........................................................................................219 Seligpreisungen...................................................................................219 Salz und Licht......................................................................................219 Gesetz und Gerechtigkeit ..................................................................220 Sechs Auslegungen der Mosetora ....................................................220 Almosen tun, beten, fasten ................................................................223 Schätze sammeln und sorgen............................................................224 Vom Richten, vom Heiligen, vom Beten, Goldene Regel..............225 Provokation zum Tun: Tore, Früchte, Hausbau .............................226 Abschluss .............................................................................................227 Stand der Entwicklung.......................................................................228 Literaturverzeichnis ................................................................................229 1 Quellen und Übersetzungen .....................................................229 2 Hilfsmittel ........................................................................................233 3 Sekundärliteratur ..........................................................................235 Nachweis von Erstveröffentlichungen .......................................272 <?page no="14"?> Einführung Einführung „Der Gott entsprechende Mensch ist (…) der unter Menschen bleibende, durch sie und für sie, so aber menschlicher werdende Mensch: Homo homini homo, der Mensch dem Menschen ein Mensch.” 1 Einatmen und ausatmen, in Beziehung treten und sich auf sich selbst zurückziehen - manchmal wie ein Träumer - sind Grundvollzüge menschlichen Lebens. Beide sind erforderlich, damit Menschen leben können. Bereits von klein auf stehen sie in mehreren Beziehungen (Mutter, Vater, Geschwister, Großeltern, Nachbarn usw.), und der Beziehungsreichtum nimmt im Laufe der Entwicklung fast stetig zu. Menschsein ist ein „Sein-in-Beziehung” 2 . Dieses ist in vier elementaren Dimensionen zu begreifen und zu gestalten, zu entwickeln und zu denken: (1) als Beziehung zu sich selbst, (2) als Beziehung zu(m) Mitmenschen, (3) als Beziehung zu Mitgeschöpfen und zur Schöpfung sowie (4) als Beziehung zum transzendenten Grund allen Seins, d.h. zu Gott 3 . Für das christliche Denken und Reden vom Menschen, eine theologische Anthropologie, sind Beziehungsfähigkeit und Angewiesenheit auf Beziehungen grundlegend: „Dass Relationalität ein Spezifikum christlichen Menschenbildes - und darüber des christlichen Wirklichkeitsverständnisses insgesamt - ist, wird von kaum irgendjemandem bestritten und hat inzwischen fast den Charakter einer Trivialität angenommen. Dabei lohnt es sich jedoch durchaus, diesem allgemeinen Charakteristikum genauer nachzudenken und es differenziert zu entfalten.” 4 Letzteres wird im Rahmen dieses Buches von einer praxisorientierten Seite des Lebens aus versucht. Im Mittelpunkt steht dabei der Beziehungsreichtum des Menschen in seiner allernächsten Umgebung: Mann und Frau, Kinder, Haus und Familie, Gemeinde. All diesen Aspekten sind jeweils eigene Kapitel gewidmet. Drei Bemerkungen sind zum Verständnis sinnvoll: (1) Obwohl der Fokus auf der Sozialität des Menschen liegt, spielt das Verhältnis zu Gott durchgängig eine wichtige Rolle. Dahinter steht die Überzeugung, dass Gott den Menschen sucht und ihn durch die Anrede mit seinem Wort zu einem ihm entsprechenden Menschen macht 5 : zum 1 E. J ÜNGEL , Gott, 317. 2 Vgl. Ch. S CHWÖBEL , Menschsein; ähnlich W. H ÄRLE , Menschsein in Beziehungen. 3 In ähnlicher Weise unterscheidet H.-J. F RAAS , Bildung, 212-229 die Ebenen Leiblichkeit, Sozialität und Transzendentalität bzw. Religion, s. ebd., 212.215.221. 4 W. H ÄRLE , Mensch, 372 (im Original „angekommen“ statt „angenommen“). 5 E. J ÜNGEL , Gott, 314-316. <?page no="15"?> Einführung 16 Gott entsprechenden Menschen. Die Suche nach dem Humanum kann darum von einem christlichen Standpunkt aus nur so erfolgen, dass sie die Spur Gottes (die mehr ist als eine unbestimmte Gottesdimension) inmitten alles Menschlich-Allzumenschlichen nicht aus den Augen verliert 6 . (2) Es wird deshalb vorausgesetzt, dass biblische Texte als Ursprungszeugnisse der Spuren Gottes auch heute noch mit Gewinn gelesen und ausgelegt, erforscht und bedacht werden. Sie haben zur Erschließung der Sozialität des Menschen Wichtiges und Wesentliches beizutragen, auch wenn bei weitem nicht alles erstrebens- oder nachahmenswert ist, was in ihnen zu finden ist. Eine Auslegung sollte deshalb relevant (im Blick auf die Gegenwart verantwortbar), methodisch reflektiert und notwendigerweise kritisch erfolgen. Die immer wieder neu zu erhebenden und zu diskutierenden biblischen Befunde 7 sind bereits für sich betrachtet mehr als spannend! (3) Dass sie jedoch letztlich nicht in der Sphäre des Historischen und Gewesenen verbleiben, dafür sorgt das Interesse an orientierenden und gegenwartsrelevanten Aussagen für die Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit, Pädagogik und Diakonie. Aus diesen Arbeitsfeldern sind durchweg die Anstöße für die einzelnen Kapitel gekommen. Die theologische Ausarbeitung dieser Anstöße anhand von biblischen Texten mit Blick auf die Gegenwart hat bibelhermeneutische, sozialanthropologische und kulturwissenschaftliche Beiträge zur Sozialen Arbeit, Pädagogik und Diakonie hervorgebracht. Das Nachdenken über Beziehungsreichtum beginnt mit einer als äußerlich erscheinenden Sachfrage, die die Quellenbasis für alles Folgende bestimmt: So wurde Bibel. Kanon und Kanonbildung der christlichen Bibel. Dieses erste Kapitel, das auf Anregung der evangelischen Erwachsenenbildung in Bietigheim-Bissingen entstand (Werkstatt Theologie, Die Bibel entdecken), unternimmt gleichsam eine Reise von der Gegenwart in die Vergangenheit: von der gegenwärtigen Vielfalt an Übersetzungen über die Frage, was eine „evangelische Bibel” ist, bis hin zur Kanonbildung im frühen Christentum. Von dieser Tiefenschärfung ausgehend werden im zweiten Kapitel Grundlagen eines zeitgemäßen, methodisch angeleiteten Verständnisses der jahrtausendealten Heiligen Schrift erschlossen: Warum wir heutzutage Ehebrecherinnen und Ehebrecher nicht mehr steinigen. Grundlagen einer zeitgemäßen biblischen Hermeneutik. Dabei ermöglicht das unumstrittene, aber konkrete Beispiel insbesondere Anfängerinnen und Anfängern im Bereich wissenschaftlich verantworteter Bibelauslegung ein leichteres Sich-Eindenken in die zunächst nicht einfachen, aber hermeneutisch notwendigen Abstraktions-, Differenzierungs- und Übertragungsprozesse. Das Beispiel leitet zugleich über zur Betrachtung einer grundlegenden sozialen Beziehung zwischen Menschen, wahrscheinlich der 6 Für eine neuere systematische Gesamtdarstellung s. G. S AUTER , Leben. 7 Einen knappen Überblick gibt C. F REVEL , Art. Anthropologie. <?page no="16"?> Einführung 17 spannendsten überhaupt: derjenigen zwischen Mann und Frau. Bei der Behandlung dieses durch eine Kirchlich-theologische Arbeitsgemeinschaft im Dekanat Vaihingen/ Enz und einen Ludwigsburger Nachteulengottesdienst initiierten Themas wird aus der Fülle biblischer Überlieferung geschöpft: Beziehungen zwischen Mann und Frau im Alten Testament, vertieft am Beispiel von Isaak und Rebekka. Eine weitere menschliche Grundrelation ist diejenige zwischen Eltern und Kindern, wobei hier verständlicherweise pädagogische Aspekte in den Fokus rücken. Auf die Beziehungen zwischen Mann und Frau folgt daher ein Kapitel zu Bildung und Erziehung von Kindern in der Bibel, das eine erweiterte Fassung meiner Ludwigsburger Antrittsvorlesung ist. Während dieses Thema aus beiden Testamenten der Bibel erarbeitet wird, weisen die folgenden vier Kapitel einen eindeutig neutestamentlichen Schwerpunkt auf. Zunächst werden die aufgrund ihres Inhalts oft als schwer zugänglich oder sperrig (von „überholt” bis „reaktionär”) empfundenen Haustafeln einer eingehenden Betrachtung unterzogen: Frauen, Kinder, Sklaven und Männer. Die neutestamentlichen Haustafeln als älteste christliche Sozialordnungen. Anschließend folgen ein Versuch zu Perspektiven eines evangelischen Verständnisses von Familie, der durch eine Fachtagung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD angestoßen wurde („Familien stärken in evangelischer Perspektive”, 2012), sowie die gereifte Fassung meines Ludwigsburger Bewerbungsvortrags: Welchen Diakonat braucht die Kirche? Zugleich ein Kapitel Biblische Theologie, Gemeindediakonie und Kirchentheorie ausgehend von Act 6,1-7. Den Abschluss bildet eine Neuübersetzung des faszinierendsten, aber auch wohl anspruchsvollsten ethischen Impulstextes: Die Bergpredigt Jesu, strophenweise neu übersetzt. Evangelium nach Matthäus, Kapitel 5 bis 7. Vieles wäre zu ergänzen. Alle werden gewiss nicht alles finden, was sie zum Thema Beziehungsreichtum suchen, aber jede und jeder vielleicht etwas. Möge das Buch auch zu eigenen Entdeckungen provozieren, den Weg der Liebe und der Gerechtigkeit im eigenen Leben zu gehen. Ein Hauptgebäude der Karlshöhe in Ludwigsburg trägt unterhalb einer Sonnenuhr die Aufforderung aus Sir 51,38: Tut, was euch geboten ist, solange ihr Zeit habt! Die Bibel wird im Folgenden nach der Übersetzung der Zürcher Bibel zitiert. Danken möchte ich zahlreichen Studierenden für Gespräch und Austausch, der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg für die Gewährung eines Forschungs- und Fortbildungssemesters, Herrn Dr. Bernd Villhauer und Frau Karin Burger vom Verlag Narr Francke Attempto für ihre Hilfe bei der Publikation, der Künstlerin Karin Scheithe-Kühnbach für ihren „Träumer/ rêveur” sowie meiner Familie für Geduld, Verständnis und Verzicht. Die Drucklegung wurde ermöglicht mit Hilfe der Steuerberatung Sibylle Mutschler in Metzingen. Ludwigsburg, 1. Juli 2013 Bernhard Mutschler <?page no="17"?> 1 So wurde Bibel. Kanon und Kanonbildung der christlichen Bibel Einleitung „Alles, was ich euch gebiete, sollt ihr halten und danach handeln; du sollst nichts dazutun und nichts davon wegnehmen.” 1 Fragt man nach biblischen Aspekten zu einem sozialen, gesellschaftlichen oder auch x-beliebigen Thema, dann ist vorab die Frage zu klären, inwiefern die Bibel bzw. die biblischen Schriften eine einheitliche und fest stehende Größe bilden, und wie verlässlich diese Größe aus wissenschaftlicher Sicht ist. Denn Wert und Gewicht möglicher Hinweise (Antworten), die in biblischen Texten gefunden werden, hängen erheblich von der Zuverlässigkeit und dem Gewicht der Texte selbst ab. In vielen Fällen, zumal in kirchlichen, diakonischen oder religionspädagogischen Kontexten, wird stillschweigend davon ausgegangen, dass Texte der Bibel zwar durchaus verschieden interpretiert werden können, sie als Texte oder als Textsammlung insgesamt aber eine durchaus feststehende und einheitliche Größe darstellen, an der nicht gerüttelt werden kann. Unter diesen Voraussetzungen gilt die Bibel als absolut - in Teilen wie als Ganze - verlässlich. Sprachlich zeigt sich dies an stark vereinfachenden, singularischen Formulierungen wie „die Bibel sagt, lehrt, verheißt“, die sich eher dem Stil bestimmter amerikanischer Erweckungsprediger verdanken 2 als sachkundiger und reflektierter eigener Meinungsbildung. Allerdings stellte und stellt die Bibel niemals in Geschichte und Gegenwart eine absolut einheitliche und fest stehende Größe dar. Vier Beispiele in verschiedene Richtungen mögen dies schlaglichtartig verdeutlichen: (1) In den Jahrhunderten vor und nach Christi Geburt entwickelten sich verschiedene Fassungen ein- und derselben biblischen Schrift, die bis heute nebeneinander bestehen und jeweils ihr Recht ha- 1 So genannte Kanonformel nach Dtn 13,1, vgl. bereits 4,2. 2 Einige zufällig gewählte Beispiele: The Bible tells us to love our neighbors. What does the Bible tell us about jealousy, depression, self-worth, flirting, the age of the earth? What the Bible says about smoking; for the Bible tells me so etc. Auffällig an Formulierungen dieser Art ist eine beträchtliche Diskrepanz zwischen lebens- und glaubensrelevanten Auswirkungen einerseits und einem unbedarften und schlichten, fast naiv zu nennenden Zugriff auf „die Bibel“ andererseits. Dieser Bibel werden Begründungen für allerlei Fragen und persönliche Entscheidungen oft allzu leichtfertig auferlegt. <?page no="18"?> Einleitung 19 ben. Beispielsweise verfügt die hebräische Fassung des Jeremiabuches über einige Textabschnitte, die die griechische Übersetzung nicht kennt; dadurch ergeben sich erhebliche Unterschiede in Wortlaut, Länge und Aufbau der beiden Textfassungen 3 . (2) Für einige Jahrhunderte im frühen Christentum wurde die Zugehörigkeit einzelner Bücher zum Kanon 4 durchaus kontrovers diskutiert und entschieden, so etwa bei der Schrift An die Hebräer 5 , die früher im Osten akzeptiert wurde, oder der Johannesapokalypse, die im Westen zuerst als kanonisch galt 6 . Im Fall der Letzteren war die Auslegung im Hinblick auf die Gegenwart durch alle Jahrhunderte der Kirchengeschichte hindurch heftig umstritten, und sie ist es vielfach bis heute. (3) In der Reformationszeit wurden mehrere Bücher des bis dahin üblichen Kanons entkanonisiert und Bücher innerhalb des Kanons umgestellt. Die Ergebnisse dieser Reformprozesse sind für die Kirchen der Reformation bis heute von Bedeutung, wie am offiziellen Stellenwert etwa der Lutherbibel oder der Zürcher Bibel abzulesen ist. (4) Schließlich begegnen Bibeln heute nicht nur in den verschiedensten Formen und Farben, sondern auch in einer schier unübersehbaren, oft geradezu verwirrenden Vielfalt von Übersetzungen, Übertragungen und Versuchen einer Aktualisierung in gegenwärtige Sprachen. Dies wird auch dadurch verstärkt, dass die Bibel das meistübersetzte und am häufigsten vervielfältigte Buch aller Zeiten ist 7 . Nicht einmal in den Bibelsprachen Hebräisch, Aramäisch und Griechisch liegt der Wortlaut einzelner biblischer Bücher (geschweige denn der gesamten Bibel) unveränderlich fest oder einfach statisch vor, ist also nicht einfach „gegeben“. Die wissenschaftliche Edition der beiden Bibelteile Altes und Neues Testament ist vielmehr ein langer, mühsamer und für neue Ergebnisse und Sichtweisen offener Prozess. 3 Ausführlich s. F.-J. B ACKHAUS / I. M EYER , Buch Jeremia, 453-457. Nach O. K AISER , Einleitung, 247 verdient der griechische „Kurztext“ „in den meisten Fällen den Vorzug“ gegenüber dem über ein Siebtel längeren hebräischen „Langtext“. 4 Zu Hintergrund und Entwicklung des Wortes Kanon s. knapp B.M. M ETZGER , Kanon, 272-276: „Etwa seit Mitte des vierten Jahrhunderts wird das Wort in Bezug auf die heiligen Schriften des Alten und Neuen Testaments verwendet“, ebd. 276. In dieser Funktion bezeichnet es auch ganz formal die „Liste“ kanonischer Bücher. Zu Kanon und Testament (Diatheke) s. ausführlich C. M ARKSCHIES , Haupteinleitung, 11-17.21-24; zu Verwendung und Bedeutung des frühchristlichen Kanonbegriffs s. ausführlich H. O HME , Kanon. 5 So genannter Hebräerbrief. 6 Vgl. die Überblicke bei W.G. K ÜMMEL , Einleitung, 438f.441f. 7 Übersetzungen liegen bislang (2011) in 2538 Sprachen vor, vgl. BRep 3/ 2012, 13 (2008 waren es „erst“ 2479 Sprachen, s. BRep 2/ 2009,7). Die ganze Bibel (Vollbibel) ist in 475 Sprachen übersetzt, vgl. BRep 3/ 2012, 13. Die Sprachen haben sehr verschiedene Relevanz: So decken die 389 häufigsten Sprachen rund 94 % der Weltbevölkerung ab; insgesamt werden etwa 6900 Sprachen weltweit gezählt, BRep 2/ 2010, 8. <?page no="19"?> 1 So wurde Bibel. Kanon und Kanonbildung der christlichen Bibel 20 Dies alles zeigt, dass die Bibel weder insgesamt noch in ihren einzelnen Büchern eine feststehende, gleichsam metaphysische Größe darstellt. Ihre Gestalt war zu allen Zeiten vielfachen Veränderungsprozessen in Auswahl und Anordnung, Länge, Wortlaut und Relevanz der einzelnen Bücher unterworfen, und sie ist es bis heute. Es ist also sinnvoll und aus Gründen einer transparenten Kommunikation geradezu erforderlich, stets zu erklären, auf welche Bibel - auf welche Ausgabe der Bibel - man sich bezieht, wenn man sich auf die Bibel bezieht. Mit diesem allerersten Eindruck von der Verschiedenheit der so genannten Heiligen Schrift 8 der Kirche wird deutlich, dass sowohl eine Auseinandersetzung mit ihrer Gestaltwerdung insgesamt als auch mit der Entstehung ihrer einzelnen Teile notwendig und lohnend ist. Die Entstehung ihrer einzelnen Teile ist an anderer Stelle zu betrachten 9 und kann als präformative Phase der Kanonbildung bezeichnet werden. Die formative Phase beginnt im zweiten nachchristlichen Jahrhundert und dauert in gewissem Sinn, wie noch zu zeigen ist, bis in die Gegenwart. Im Gegensatz zu den allermeisten Darstellungen, die historisch fortschreiten, wird hier die umgekehrte Wegrichtung beschritten und in der Gegenwart bei der (1) Vielfalt an aktuellen Übersetzungen und Übertragungen begonnen. Von da aus wird in zwei Schritten zurückgeblickt auf (2) Festschreibungen und Veränderungen des Kanons in der Reformationszeit und schließlich auf (3) Phasen der Kanonbildung im frühen Christentum. Am Ende wird eine zusammenfassende Antwort auf die Ausgangsfrage gegeben: (4) Inwiefern bildet die Bibel bzw. bilden die biblischen Schriften eine einheitliche und feststehende Größe, und wie verlässlich ist diese Größe aus wissenschaftlicher Sicht? 1.1 Die Bibel - eine Vielfalt an aktuellen Übersetzungen und Übertragungen. Hermeneutische Einsichten zur Bibelentstehung und Kanonbildung Nahm man noch vor wenigen Jahrzehnten „die Bibel“ zur Hand, so war je nach konfessionellem Milieu (zumal im Protestantismus) klar, welche Bibelausgabe das war. Inzwischen ist jedoch unübersehbar ein manchmal hart umkämpfter Markt an Bibelausgaben entstanden, der sich gerade in den letzten Jahren in zuvor ungekannter Weise pluralisiert hat. Wir befinden uns mitten in einem Pluralisierungsprozess, so scheint es, 8 Dazu u. S. 57f. 9 Für eine erste Einführung s. etwa D. D IECKMANN / B. K OLLMANN , Bibel; zur Entstehung s. die Überblicke von M. K ÖHLMOOS , Entstehung, 146-259; S. G ILLMAYR - B UCHER , Altes Testament; T. S ÖDING , Neues Testament. <?page no="20"?> 1.1 Die Bibel - eine Vielfalt an aktuellen Übersetzungen und Übertragungen 21 von Angeboten, die Bibel neu und anders zu lesen. Dies fördert die unumgängliche Erkenntnis, dass konkret eine ganz andere Bibel wahrgenommen wird je nachdem, welche Bibelausgabe man zur Hand nimmt. Diese These wird in zwei Schritten erschlossen. Zunächst werden (1) einige neue Übersetzungen in den Blick genommen. Anschließend werden (2) hermeneutische Konsequenzen zur Bibelentstehung und zur Kanonbildung bedacht. Ein (3) Ergebnis schließt den Abschnitt ab. 1.1.1 Mehrere neue Übersetzungen in den zurückliegenden Jahren Nach einigen innovativen und wegweisenden Übersetzungen vor etwa einer Generation (Gute Nachricht, Einheitsübersetzung, Hoffnung für alle 10 ) ist es in den 90-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts etwas ruhiger geworden hinsichtlich neuer Übersetzungen der christlichen Bibel oder eines ihrer beiden Testamente ins Deutsche 11 . Gleichzeitig handelt es sich um eine Experimentierphase in Fragen der Textauswahl. Drei ganz verschiedene Beispiele seien für diese These angeführt: (1) Der Stuttgarter Pfarrer Jörg Zink erweitert nach 33 Jahren seine Übertragung des Neuen Testaments zur „Bibel neu in Sprache gefasst“ (1998). Dabei strebt er ausdrücklich keine Vollständigkeit an: Zink bietet „aus dem Alten Testament eine Auswahl dessen, was uns am dringlichsten angeht“ (so im Vorwort), dafür jedoch auch Abschnitte „Aus dem Buch Jesus Sirach“ sowie „Aus dem Buch Weisheit Salomos“. Beide fehlen sonst häufig in Bibelausgaben evangelischer Provenienz, da sie den alttestamentlichen Spätschriften angehören (so genannte Apokryphen). Ferner sind einige Abschnitte nach sachlichen Gesichtspunkten umgestellt 12 . (2) K. Berger/ C. Nord, Das Neue Testament und frühchristliche Schriften (1999), bieten weitaus mehr als neutestamentliche Schriften aus dem frühen Christentum, die sie in einer ungewöhnlichen, chronologisch verantworteten Anordnung präsentieren. (3) Mit einer Äquivokation des Begriffs „Bibel“ spielen G. Lüdemann/ M. Janssen, Bibel der Häretiker (1997), in ihrer deutschen Übersetzung der Schriften von Nag Hammadi. Eine solche „Bibel“ ist nicht be- 10 Gute Nachricht (NT 1971, AT 1977, rev. 1997), Einheitsübersetzung (NT 1979, AT 1980, Psalmen und Neues Testament werden auch von der Evangelischen Kirche mit verantwortet); Hoffnung für alle (NT 1983 [AT 1996]); erwähnenswert sind auch „Das Neue Testament“ von Ulrich Wilckens (1970), „Münchener Neues Testament“ (1988) sowie „Das Neue Testament“ von Fridolin Stier (1989, postum). Als Vorbote fungierte Jörg Zinks „Übertragung“ des Neuen Testaments (1965). 11 Das 1997 (Evangelien und Apostelgeschichte) bzw. 2004 erschienene Neue Testament von Albert Kammermayer in einer „Übersetzung, die unsere Sprache spricht“ (so der Untertitel) schließt nach eigenem Bekunden eng an die Übersetzung „Hoffnung für alle“ an. 12 Z.B. finden sich leicht gekürzte Fassungen von Jer 21,1-10; 37,3-38,12; 32,1f.6-44; 39,1f im Anschluss an 2 Kö 25,2. <?page no="21"?> 1 So wurde Bibel. Kanon und Kanonbildung der christlichen Bibel 22 legbar; sie stellt in historischer, kanongeschichtlicher und theologischer Hinsicht eine Fiktion dar 13 . Seit wenigen Jahren erscheinen neue Übersetzungen in auffällig kurzen Abständen nacheinander. Zu nennen sind hier beispielsweise so grundverschiedene Übersetzungen wie die „Bibel in gerechter Sprache“ (2006), „Neues Leben“ (2006), die „Bibel für Schwoba“ (Rudolf Paul, 2008) oder die „Neue evangelistische Übersetzung“ (Karl-Heinz Vanheiden, 2010). Auch die überaus gelungene Revision der Zürcher Bibel (2007) ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Übersetzungen des Neuen Testaments erschienen zuletzt dichter als im Jahresrhythmus, wie die Reihe aus „Volxbibel 3.0“ (Martin Dreyer, 2008), „Arbeitsübersetzung NT“ (Gerd Lüdemann/ Frank Schleritt, 2008), „Das Buch“ (Roland Werner, 2009), „Willkommen daheim“ (Fred Ritzhaupt, ebenfalls 2009), „BasisBibel“ (2010) und „Neue(r) Genfer Übersetzung“ (2011) zeigt, und es ist gut möglich, dass einige dieser Editionen in absehbarer Zeit durch eine Übersetzung des Alten Testaments vervollständigt werden. Im selben Zeitraum (seit 2006) ist lediglich eine Übersetzung zu erwähnen, die sich auf das Alte Testament beschränkt. Ihr kommt jedoch die Rolle eines Löwen 14 unter den Bibelübersetzungen ins Deutsche zu, denn die „Septuaginta Deutsch“ (2009) ist von herausragender wissenschaftlicher und geradezu historischer Bedeutung: Erstmals wird damit eine durchgängige Übersetzung der griechischen Fassung des Alten Testaments (= Septuaginta/ LXX) ins Deutsche geboten. Da der Septuagintatext für einige Jahrzehnte die Bibel des frühen Christentums bildete und ihre Bedeutung im weiteren Verlauf von Theologie- und Kirchengeschichte kaum überschätzt werden kann, ist die Septuaginta Deutsch eine wichtige und willkommene Hilfe für eigene Beobachtungen beispielsweise zur Theologie und zum Schriftgebrauch im Neuen Testament, ohne dass griechische Sprachkenntnisse dafür notwendig sind. 1.1.2 Hermeneutische Konsequenzen zur Bibelentstehung und Kanonbildung Der eindrucksvollen Menge an aktuellen Übersetzungen und Übertragungen könnte man die unüberschaubare Anzahl kunstvoller, erklärender oder betrachtender Bibelausgaben aller Arten und Formate an 13 Nämlich „eine Sammlung von Schriften, die erahnen läßt, wie die Bibliothek eines gnostischen Häretikers ausgesehen haben könnte“, so G. L ÜDEMANN / M. J ANSSEN , Bibel, 11. Nicht antike Texte, sondern Vorträge über solche beinhaltet H.-J. K LAUCK , Die apokryphe Bibel (2008). 14 Nach einer Tierfabel des antiken Fabelsammlers Äsop entgegnete die Löwin auf die Schmährede der Füchsin, die mehrere Junge gebar, selbstbewusst: e9na, a1lla4 le3onta, „eines, aber ein Löwenjunges! “ <?page no="22"?> 1.1 Die Bibel - eine Vielfalt an aktuellen Übersetzungen und Übertragungen 23 die Seite stellen 15 . Spätestens dann wird deutlich, dass bei einer solchen Vielfalt gegenwärtig verfügbarer Übersetzungen, Übertragungen und (Teil-) Ausgaben der Bibel bereits der individuell gewählte Zugriff auf biblische Traditionen deren Bestand, Erscheinung und Wahrnehmung wesentlich mit bestimmt. Nicht nur in Auswahl und Anordnung, Länge, Wortlaut und Relevanz der Texte und Bücher, sondern auch in den theologischen, ästhetischen, literarischen sowie den nicht zu unterschätzenden emotionalen und assoziativen Dimensionen dieser Texte und Bücher entsteht eine Abhängigkeit vom gewählten Zugriff. Dieser Abhängigkeit ist auch mit aller Sorgfalt und Reflexion kaum zu entkommen. Die Konsequenz liegt auf der Hand: Bereits in der Frage des selbst gewählten und selbst verantworteten Zugriffs auf biblische Traditionen verlängern sich Fragen der Entstehung der Bibel und ihrer Kanonbildung (des Gesamtbildes) unweigerlich bis in die eigene Arbeit, Lebensgeschichte und Gegenwart hinein. Durch die unhintergehbare Multioptionalität eines ständig sich erweiternden Bibelangebots ist eine gewisse Bildung zum christlichen Schriftenkanon sowie zu Prozessen seiner Kanonisierung und Entstehung eine notwendige Voraussetzung dafür, um die Wahl einer bestimmten Bibelübersetzung nicht allein dem Zufall zu überlassen und die Konsequenzen der eigenen Wahl zumindest ansatzweise überblicken zu können. Fragen der Kanonbildung erhalten dadurch erhöhtes Gewicht und werden zugleich zu Themen der Kanon-Bildung und der je selbst verantworteten Bibel-Entstehung. Denn Kanonbildung und Bibelentstehung (im Sinne einer Rekonstituierung durch eine bestimmte Übersetzung) sind unweigerlich mit dem gewählten Zugriff auf biblische Texte und Traditionen verknüpft. Diesem hermeneutischen Zusammenhang kann man sich nicht entziehen: Es ist mitunter ein gravierender Unterschied, ob man beispielsweise in einer überkommenen Form der Lutherbibel, der Septuaginta Deutsch, der „Bibel in gerechter Sprache“, einer kommentierten Ausgabe der Bibel (einer so genannten Studienbibel 16 ), einer (der längst vielen) Chagall-Bibel(n) oder einem Bibel-Comic ein- und denselben Textzusammenhang wahrnimmt. Je nachdem erhält man von Text, Kontext und Gesamtbild einen ganz unterschiedlichen Eindruck. Insofern entsteht ein anderer Leseeindruck - zugespitzt formuliert: eine andere Bibel - je nachdem, welche Bibelausgabe man zur Hand nimmt. Durch die Be- 15 Vgl. BRep 3/ 2012, 13: „In der deutschen Sprache gibt es die vollständige Bibel in über 35 Übersetzungsvarianten von urtextnahen Versionen bis hin zu umgangssprachlichen Übertragungen. Das ist Luxus. Nur in ganz wenigen anderen Sprachen gibt es mehr als nur eine Übersetzung.“ 16 Erwähnt seien: Erklärt - Der Kommentar zur Zürcher Bibel (2010); E. Z ENGER / H. M ERKLEIN , Stuttgarter Neues Testament (2000); E. Z ENGER , Stuttgarter Altes Testament (2004); Stuttgarter Erklärungsbibel (1992); Gute Nachricht erklärt (1987). <?page no="23"?> 1 So wurde Bibel. Kanon und Kanonbildung der christlichen Bibel 24 wusstmachung dieses unhintergehbaren hermeneutischen Zusammenhangs wird die Bedeutung sorgfältiger historischer und literarischer Arbeit am Entstehungsprozess der biblischen Schriften (Einleitungswissenschaft, wissenschaftliche Bibelauslegung) und ihrer Zusammenstellung als Kanon (Kanonforschung) keineswegs geschmälert oder relativiert. Wohl aber werden dadurch der Stellenwert und die daraus resultierende Verantwortung bei der Wahl des Zugriffs auf biblische Traditionen deutlich. Aufgrund ihrer weit reichenden Konsequenzen kann diese Wahl nicht der Beliebigkeit überlassen werden. Sachliche Kriterien bei der Wahl des Zugriffs auf biblische Traditionen sind der intendierte Zweck, zur Absicht, der Beschäftigung mit biblischen Traditionen einerseits und die eigene theologische (philologische, literarische, historische, ästhetische) Bildung andererseits. Fragen der Bibelentstehung und der Kanonbildung verbleiben dann nicht im historischen oder theoretischen Bereich, sondern sind auch hinsichtlich der gewählten Bibelausgaben wissenschaftlich und persönlich zu reflektieren und zu verantworten. Zugespitzt kann man sagen: Die Geschichte der Kanonbildung erfordert ein Mindestmaß an Kanon-Bildung, an Bildung zu Hintergründen und Konsequenzen der Kanonbildung. 1.1.3 Ergebnis Alternativ zu den bisherigen Bibelübersetzungen - allen voran denjenigen mit kirchenamtlichem Rang (Lutherbibel, Zürcher Bibel, Einheitsübersetzung) - haben sich in den vergangenen Jahren zahlreiche weitere Leseangebote eröffnet, deren Existenz auf einen unhintergehbaren hermeneutischen Zusammenhang verweist: Mit der Wahl des Zugriffs auf biblische Traditionen wird das von ihnen zu erwartende Bild bereits mitbestimmt. Oder kürzer formuliert: „Die Bibel“ entsteht je nachdem, welche Bibelausgabe verwendet wird. Daraus ergeben sich zwei Konsequenzen: Erstens gebührt der Entscheidung, welche Bibelausgabe verwendet wird, besondere Sorgfalt; sie orientiert sich praktischerweise einerseits an den Möglichkeiten des Rezipienten (Vorkenntnisse, Verfügbarkeit, Zeit) und andererseits an der Zielsetzung des Bibelbezugs. Als zweite Konsequenz sollte bei einem Bezug auf die Bibel zumal in wissenschaftlichem Kontext oder bei kontroversen Themen transparent gemacht werden, auf welche Bibelausgabe man sich bezieht. Der zunehmende Pluralismus angebotener Übersetzungen nötigt also mehr als bisher sowohl zu sorgfältiger Rechenschaftslegung als auch zu Transparenz, beides jeweils nach innen und nach außen, für sich selbst und für die jeweiligen Adressaten oder Gesprächspartner. Wenn Kanones als <?page no="24"?> 1.2 Festschreibungen und Veränderungen des biblischen Kanons 25 „geschlossene Gedächtnisspuren Gottes“ begreifbar sind 17 , trägt eine Vielfalt angebotener Übersetzungen dazu bei, „geschlossene Spuren“ durch mehrere Interpretations- und Verständnismöglichkeiten für die Gegenwart zu öffnen, d.h. (wieder) aufzuschließen und zu erschließen. Neben die aktuelle Kanonbildung, die durch die Wahl einer Bibelübersetzung erfolgt, treten klassische Perspektiven der Geschichte der Kanonbildung. Insofern stellt die historisch gewordene Kanonbildung bereits von sich aus die Aufgabe einer eigenen, grundlegenden Bildung zur (historisch gewordenen) Kanonbildung. Kanonbildung verlangt also nach Kanon-Bildung. Zu diesem Zweck wechselt nun der Blick weg von rezeptionsorientierten und hermeneutischen Überlegungen hin zu historischen, literarischen und theologischen Perspektiven der Kanonbildung, beginnend mit dem 16. Jahrhundert. 1.2 Festschreibungen und Veränderungen des biblischen Kanons in der Reformationszeit 1.2 Festschreibungen und Veränderungen in der Reformationszeit Die abendländische Kirchenspaltung des 16. Jahrhunderts in evangelisch und katholisch wirkt sich - so merkwürdig es klingen mag - auch auf den Kanon der Bibel aus: auf seinen Umfang und seine Anordnung. Deshalb sind hier die (1) katholische Festschreibung des bis dahin traditionellen Kanons auf dem Trienter Konzil und die (2) durch Martin Luther angestoßenen Veränderungen dieses Kanons zu betrachten. Danach wird ein Blick auf (3) Grundentscheidungen im reformierten Protestantismus und im Anglikanismus geworfen, ehe ein (4) Ergebnis die Entwicklungen überblickt. 1.2.1 Katholische Festschreibung des Kanons auf dem Trienter Konzil 1545 Für die römisch-katholische Kirche wurden die Bücher der Heiligen Schrift erst auf dem Trienter Konzil (1545-1563) mit dem Dekret über die Annahme der heiligen Bücher und der Überlieferungen vom 8. April 1546 (= 4. Sitzung der ersten Trienter Konzilsperiode) in einem detaillierten „Verzeichnis der heiligen Bücher“ festgelegt 18 . Die Liste umfasst 45 Bücher für das Alte Testament und 27 für das Neue. Gegenüber der heute üblichen Zählweise werden die Klagelieder nicht eigens genannt, son- 17 K.-P. J ÖRNS , Abschiede, 158 (-161). 18 Sacrorum … librorum indicem (DH 1501), s. H. D ENZINGER / P. H ÜNERMANN , Kompendium, 496. <?page no="25"?> 1 So wurde Bibel. Kanon und Kanonbildung der christlichen Bibel 26 dern stillschweigend unter Jeremia subsumiert 19 , so dass insgesamt 46 alttestamentliche Schriften gemeint sind. Wie bei Konzilsbeschlüssen üblich, schließt sich eine förmliche Verfluchung der Abweichler an: „Wer aber diese Bücher nicht vollständig mit allen ihren Teilen, wie sie in der katholischen Kirche gelesen zu werden pflegen und in der alten lateinischen Vulgata-Ausgabe enthalten sind, als heilig und kanonisch anerkennt und die vorher erwähnten Überlieferungen wissentlich und absichtlich verachtet: der sei mit dem Anathema [= Fluch] belegt.“ 20 Mit der Verfluchung in Trient sollten die neu entstandenen reformatorischen Kirchen getroffen werden, initiiert durch die Reformatoren. Denn die Festschreibung auf dem Konzil von Trient ist eine Antwort sowohl auf Veränderungen des biblischen Kanons als auch auf Übersetzungen in die jeweilige Landessprache durch die Reformatoren. Auf deren Verhältnis zum biblischen Kanon ist als nächstes der Blick zu richten. 1.2.2 Entkanonisierung alttestamentlicher Spätschriften und Marginalisierung von neutestamentlichen Schriften bei Martin Luther ab 1522 Martin Luther ist wenige Wochen vor dem Konzilsdekret am 18. Februar 1546 verstorben (die zeitliche Koinzidenz ist zweifellos zufällig). In seiner Bibelausgabe letzter Hand von 1545 21 sind bestimmte Bücher des Alten Testaments entkanonisiert und andere in ihrem Stellenwert gemindert. Entkanonisiert und als Apokryphen - wörtlich „Verborgene [Bücher]“ 22 - in den Anhang zum Alten Testament verwiesen wurden die später in Trient bestätigten sieben Bücher Judith, Weisheit, Tobias, Jesus Sirach, Baruch sowie die beiden Makkabäerbücher. Bis heute ent- 19 So auch in dem 1993 erschienenen K ATECHISMUS DER K ATHOLISCHEN K IRCHE , 67 (Abschn. 120) sowie zuvor bereits beim Konzil von Florenz in der Bulle über die Union mit den Kopten und Äthiopiern Cantate Domino, Dekret über die Jakobiten, vom 4. Februar 1442, s. H. D ENZINGER / P. H ÜNERMANN , Kompendium, 462 (DH 1335). Abweichend davon werden nach ebd., 90 (DH 179), im so genannten Decretum Damasi die Klagelieder ausdrücklich genannt (sogar mit dem hebräischen Gattungsbegriff: Cinoth/ tvnyq , „Totenklagen“, vgl. 2 Chr 35,25; talmudische Belegstellen bei H. L ISS , Tanach, 359), während dort Baruch stillschweigend unter Jeremia subsumiert wird. 20 H. D ENZINGER / P. H ÜNERMANN , Kompendium, 497 (DH 1504). Die „alte(n) lateinische(n) Vulgata-Ausgabe“ geht auf den Kirchenvaters Hieronymus (347-420) zurück. Die kirchenamtliche Ausgabe wurde 1592 durch die Vulgata (Sixto-) Clementina und 1979 durch die Neovulgata abgelöst. 21 Teilausgaben des Alten Testaments erschienen bereits ab 1523, Vollbibeln ab 1534, s. zu beidem H. V OLZ , Bibel, 112f.154-156. 22 Zum Begriff apokryph s. C. M ARKSCHIES , Haupteinleitung, 18-21; G. B RAY , Faith, 47: „They are not hidden at all! They are better referred to as the ‚deuterocanonical books’“. <?page no="26"?> 1.2 Festschreibungen und Veränderungen in der Reformationszeit 27 hält das Alte Testament der Lutherbibel 23 daher nur 39 statt 46 Bücher. Ebenfalls in die Apokryphen verwiesen wurden die Zusatzkapitel zu den Büchern Ester und Daniel. Apokryphen sind nach Luthers Bibelvorreden diejenigen „Bücher, so der heiligen Schrifft nicht gleich gehalten und doch nützlich und gut zu lesen sind“ 24 . Als Argumente gegen die Kanonizität der Apokryphen führt Luther (1) historische und literarische Beobachtungen, (2) die „alten Väter“ als Zeugen und zumal (3) das Fehlen jener Schriften in der Hebräischen Bibel ins Feld 25 . Letzteres war ein besonders schwer wiegendes Argument, wie seine Vorrede zum ersten Makkabäerbuch zeigt: Dieses ist zwar in theologischer, ethischer und parakletischer (pastoraler) Hinsicht „ein sehr nötig und nützlich Buch“ und formuliert „wie andere Bücher der heiligen Schrift“. Der Umstand aber, dass „man [es] nicht in die hebräische Bibel zählet“, gibt den Ausschlag für eine Entfernung aus dem alttestamentlichen Kanon 26 . Nicht förmlich entkanonisiert, aber doch in ihrem Stellenwert gemindert werden die neutestamentliche Schriften An die Hebräer, Jakobusbrief, Judasbrief und die Offenbarung des Johannes. Folgerichtig werden sie (darin den alttestamentlichen Apokryphen durchaus vergleichbar) an das Ende des neutestamentlichen Kanons verschoben; der Judasbrief und die Johannesapokalypse stehen freilich ohnehin schon dort. Die vier genannten Schriften gehören zwar auch für Luther zum Kanon des Neuen Testaments, werden aber am Beginn der Vorrede zur Schrift An die Hebräer deutlich in ihrem Stellenwert gemindert: „Bisher haben wir die rechten gewissen Heubtbücher des newen Testaments gehabt. Diese vier nachfolgende aber / haben vor zeiten ein ander ansehen gehabt.“ 27 Als Argumente gegen eine Einordnung als „Hauptbücher“ des Neuen Testaments führt Luther (1) literarische und theologische Bedenken, wiederum 23 H. S CHILLING , Luther, 273 präzisiert: Die so genannte „‚Lutherbibel‘, wie die deutsche Übersetzung der Heiligen Schrift bald allenthalben genannt wurde, war (…) eine Kollektivarbeit und müsste eigentlich die Wittenberger Reformatorenbibel heißen“. 24 M. L UTHER , Biblia (1545/ 1983), CLVI r (Paginierung ab Jesaja). 25 Zu (1) s. die Vorreden zu Jud, Tob, Bar, 2 Makk; zu (2) s. die Vorreden zu Weish (SapSal), Sir, Bar, 2 Makk; zu (3) s. die Vorreden zu 1 Makk, Stücke zu Est/ Dan; vgl. H. B ORNKAMM , Vorreden, 147-163. 26 Zit. nach H. B ORNKAMM , Vorreden, 159. 27 M. L UTHER , Biblia (1545/ 1983), CCCLXXXV v (Paginierung ab Jesaja); ebenso, jedoch orthographisch verschieden, bereits im „Septembertestament“ von 1522, s. DERS ., Das newe Testament Deutzsch, LXV v . Die abfällige, aber weithin bekannte Wertung des Jakobusbriefs als „eyn[er] rechte[n] stro[h]ern Epistel“ findet sich am nicht paginierten Beginn des Septembertestaments (auf dem Recto des Inhaltsverzeichnisses); der Abschnitt wird ab 1534 nicht mehr abgedruckt. <?page no="27"?> 1 So wurde Bibel. Kanon und Kanonbildung der christlichen Bibel 28 (2) die „alten Väter“ und zumal (3) den nicht apostolischen Charakter der zurückgesetzten Schriften an 28 . Apostolizität ist für Luther weniger eine historische als vielmehr eine theologische, genauer gesagt: eine christologische Relation. Sowohl das Gewicht eines Apostels als auch der Stellenwert biblischer Bücher hängen für Luther an der Frage des Christusbekenntnisses und der Christusverkündigung. Das Resümee des Reformators lautet: „Denn das Amt eines rechten Apostels ist, daß er von Christi Leiden und Auferstehung und Amt predige und lege desselbigen Glaubens Grund (…). Und darin stimmen alle rechtschaffenen heiligen Bücher überein, daß sie allesamt Christum predigen und treiben [= behandeln, lehren]. Auch ist das der rechte Prüfstein, alle Bücher zu tadeln, wenn man siehet, ob sie Christum treiben oder nicht, sintemal alle Schrift Christum zeiget (…) und S. Paulus nichts als Christum wissen will (…). Was Christum nicht lehret, das ist nicht apostolisch, wenn’s gleich S. Petrus oder S. Paulus lehrete. Wiederum, was Christum predigt, das ist apostolisch, wenn’s gleich Judas, Hannas, Pilatus und Herodes täte.“ 29 Umgekehrt rückt Luther das Johannesevangelium, den ersten Johannesbrief, die Paulusbriefe, namentlich den Römer-, Galater- und Epheserbrief, sowie den ersten Petrusbrief ausdrücklich in den Vordergrund: „das sind die Bücher, die dir Christus zeigen und alles lehren, was dir zu wissen not und selig ist, obschon du kein ander Buch und Lehre nimmer sehest noch hörest“ 30 . Auch hier spielt die Vermittlung der Lehre von Christus die entscheidende Rolle. Auf diesem Hintergrund sind die vier Schriften An die Hebräer, Jakobusbrief, Judasbrief sowie die Offenbarung des Johannes bis heute in der Lutherbibel und in der Tradition der Bibelausgaben Luthers an das Ende gestellt 31 , während die entkanonisierten Bücher des Alten Testaments nur dann der Lutherbibel beigegeben sind, wenn sie ausdrücklich „mit Apokryphen“ ausgeliefert wird. 1.2.3 Grundentscheidungen im reformierten Protestantismus und im Anglikanismus Bereits fünf Jahre vor Erscheinen der ersten Vollbibel aus der Wittenberger Übersetzerwerkstatt 32 (1534) war die Zürcher Bibel vollständig ins 28 Zu (1) s. die Vorreden zu Hebr, Jak, Apk; zu (2) s. die Vorreden zu Jak, Jud, Apk; zu (3) s. die Vorreden zu Hebr, Jak, Apk; vgl. H. B ORNKAMM , Vorreden, 214-219. 29 Vorrede zum Jakobus- und Judasbrief, zit. nach H. B ORNKAMM , Vorreden, 216f. 30 Septembertestament 1522, zit. nach H. B ORNKAMM , Vorreden, 174. 31 Dies betrifft die Bibel für Schwoba sowie die Volxbibel 3.0. 32 Bei der Übersetzung alttestamentlicher Bücher rang Luther gemeinsam mit Gleichgesinnten um den besten deutschen Text, während die Apokryphen aufge- <?page no="28"?> 1.2 Festschreibungen und Veränderungen in der Reformationszeit 29 Deutsche übersetzt (1529) und als Vollbibel erhältlich (1531). Sie erschien seit 1524 und knüpfte zunächst an den aus Wittenberg vorliegenden Übersetzungen an. Erst allmählich, „als die Prophetenübersetzung zu lange auf sich warten ließ“ 33 , ging sie zu einer selbständigen Übersetzung über, die ebenfalls nicht das alleinige Werk eines Einzelnen war, sondern z.B. durch die regelmäßig stattfindende Prophezey, namentlich durch Zwinglis Freund (und Pfarrkollegen an der unweit des Großmünsters gelegenen Zürcher Kirche St. Peter) Leo Jud mit erarbeitet wurde 34 . Während die Veränderungen des alttestamentlichen Kanons der Lutherbibel, die Entkanonisierung der Spätschriften, von der Zürcher Bibel mit vollzogen werden, bleiben die Schrift An die Hebräer und der Jakobusbrief an ihrem bisher angestammten Platz zwischen dem Philemonbrief und dem ersten Petrusbrief, werden also weder verschoben noch in ihrem Stellenwert gemindert. Damit bleibt die Schrift An die Hebräer weiterhin am Rand des Corpus Paulinum (eine Art Ehrenmitglied), und die so genannten katholischen Briefe 35 beginnen mit dem Jakobusbrief und halten damit die in Gal 2,9 genannte Reihenfolge der „Säulen“ der Jerusalemer Gemeinde, nämlich Jakobus, Petrus (Kephas) und Johannes, ein. Nur noch angedeutet sei in diesem Zusammenhang, dass sich auch die Anglikanische Kirche im sechsten ihrer 39 Artikel von 1563 dem Verzicht auf die Apokryphen im Kanon verbindlich anschloss - sie haben demzufolge nur exemplarischen und ethischen Wert 36 - und ihnen lediglich „secondary status“ zusprach 37 . Was dies bedeutete, resümiert der Alttestamentler Otto Kaiser zutreffend: „Damit verloren die Apokryphen im Protestantismus ihre Bedeutung für die kirchliche Lehre und Verkündigung und dienten, abgesehen von den ihnen zuteil werdenden wissenschaftlichen Untersuchungen, allenfalls noch der privaten Erbauung und Belehrung“ 38 . Praktisch wirkte sich dies beispielsweiteilt wurden: Weish (SapSal), Sir und 1 Makk wurden von Luther übersetzt, Jud, Tob, Bar, 2 Makk sowie Stücke zu Est hingegen von Melanchthon und Justus Jonas, s. H. V OLZ , Bibel, 154. Den zeitlichen Verlauf skizziert im Überblick H. S CHILLING , Luther, 272-275. 33 U. G ÄBLER , Zwingli, 94f (95); ein Stemma der Zürcher Bibelausgaben zwischen 1524 und 1531 bei H.R. L AVATER -B RINER , Froschauer-Bibel, 88f, ausführlich s. T. H IMMIGHÖFER , Bibel. 34 Zu beiden s. ausführlich T. H IMMIGHÖFER , Bibel, 45-56.213-235.349-353. 35 „Katholisch“ im Sinn von „allgemein“ (universalis), da diese Briefe nicht an eine konkrete, namentlich genannte Person oder Gemeinde gerichtet sind. 36 „But yet doth it not apply them to establish any doctrine“ (illos tamen ad dogmata confirmanda non adhibet), s. E.J. B ICKNELL / H.J. C ARPENTER , Introduction, 126. 37 G. B RAY , Faith, 41f.47(f); zusammenfassend ebd., 47: „The apocryphal books are still occasionally read in Anglican churches, but this practice is marginal“. 38 O. K AISER , Apokryphen, 8. <?page no="29"?> 1 So wurde Bibel. Kanon und Kanonbildung der christlichen Bibel 30 se darin aus, dass die Britische Bibelgesellschaft seit 1826 die Württembergische Bibelanstalt - allerbesten persönlichen Kontakten zum Trotz - nicht mehr bei Druck und Verbreitung von Bibeln unterstützte, da sich die Württembergische Bibelanstalt „mit Verbreitung der apokryphen Bücher befasse“ 39 . 1.2.4 Ergebnis Die explizite Festschreibung der kanonischen Bücher in Trient erfolgt als Antwort auf die Entkanonisierung und Umgewichtung einzelner Schriften in den Neuaufbrüchen der Reformation. Beide Entwicklungen sind verschieden autorisiert: Die reformatorischen Veränderungen des überlieferten Kanons gehen letztlich auf Entscheidungen Martin Luthers zurück, die dieser auf historische, literarische und theologische Beobachtungen stützt („was Christum predigt“), während die katholischen Festschreibungen des bisherigen Kanons der Kirche von einem gemeinsamen Konzil verantwortet und getragen werden. In den 25 Jahren zwischen 1522 und 1546 werden somit die Weichen für die (römisch-) „katholische Bibel“ und für „evangelische Bibeln“ verschieden gestellt. Die Nachwirkungen davon sind bis heute in den verschiedenen Bibelausgaben feststellbar. Eine Verseinteilung fehlt übrigens in allen erwähnten Bibelausgaben aus der Reformationszeit; Versangaben werden erst gegen Ende des Jahrhunderts üblich (1589 z.B. erstmalig in der Zürcher Bibel 40 ; die Kapiteleinteilung entstammt dagegen bereits dem Hochmittelalter 41 ). Von den mitteleuropäischen Entwicklungen des 16. Jahrhunderts 42 wechselt der Blick nun in den Vorderen Orient bzw. nach Südeuropa, zeitlich in die ersten Jahrhunderte von Christentum und Kirche. 1.3 Einige Stationen der Kanonbildung im frühen Christentum Nicht nur während des Mittelalters, sondern auch im gesamten antiken Christentum gibt es keine offizielle und allgemein verbindliche Festle- 39 H. E HMER , Bibelanstalt, 14; die Württemberger entschieden sich für die Beibehaltung der Apokryphen anstatt für den britischen Zuschuss, s. ebd., 15. 40 Erstmalig finden sich Versangaben in der durch Robert Estienne besorgten Ausgabe des griechischen Neuen Testaments, Genf 1551. 41 Sie wurde erstmals vom Erzbischof von Canterbury, Stephen Langton, 1205 in die lateinische Bibelausgabe (Vulgata) eingeführt. Zuvor waren allenfalls Sinnabschnitte oder liturgische (Lese-) Abschnitte üblich. 42 Für eine ausführlichere Darstellung s. B.M. M ETZGER , Kanon, 228-235. <?page no="30"?> 1.3 Einige Stationen der Kanonbildung im frühen Christentum 31 gung des biblischen Kanons der Kirche. Aus der Fülle der Entwicklungen werden im Folgenden zwei bemerkenswerte Stationen bedacht: (1) Athanasius als Beispiel für Schriftenverzeichnisse des 3. und 4. Jahrhunderts sowie (2) Irenäus als ersten und zentralen biblischen Theologen des zweiten Jahrhunderts. Der Abschnitt schließt wieder mit einem (3) Ergebnis. 1.3.1 Der 39. Osterfestbrief des Athanasius von Alexandrien als Beispiel für Schriftenverzeichnisse des 3. und 4. Jahrhunderts Einen Meilenstein stellt im Rückblick der 39. Osterfestbrief des Bischofs Athansius von Alexandrien (Ägypten) aus dem Jahr 367 n.Chr. dar 43 . Athanasius warnt davor, sich so genannten apokryphen Schriften zuzuwenden 44 und gibt „der Reihe nach die kanonisierten, überlieferten und als göttlich geglaubten Schriften“ an 45 . Namentlich führt er 41 alttestamentliche und 27 neutestamentliche Schriften auf. Interessanterweise ist diese Aufstellung mit dem Kanon der evangelischen Kirchen identisch bis auf zwei Einschränkungen: Einerseits nennt Athanasius für das Alte Testament auch den „Brief Jeremias“ und das Buch Baruch 46 ; andererseits gibt er die Schriften insgesamt in einer anderen Reihenfolge an. Wie vielfach im Altertum (und bis in die Neuzeit) üblich, werden „14 Briefe des Apostels Paulus“ - unter Einschluss der Schrift An die Hebräer - gezählt; die übrigen sieben Briefe werden ebenfalls als „Briefe der Apostel“ bezeichnet. Beides findet sich analog z.B. in der zitierten Trienter Aufstellung von 1546 wieder 47 . Die eindeutig bezeichneten und klar abgegrenzten Schriften sind für den ägyptischen Kirchenvater „die Quellen des Heils“: „Nur in diesen [Büchern] wird die göttliche Lehre verkündet. Keiner soll dem hinzufügen, und es soll nichts davon weggenommen werden“ 48 , schreibt er. Der Umgang mit den „als göttlich bestätigten“ Schriften scheint dies zu bestätigen. Denn diese werden im Altertum vielfach durch einen Kommentar ausgelegt und erklärt, während apokryphe Schriften zwar gelesen und gelegentlich auch zitiert werden, aber nirgends der Mühe einer selbständigen Kommentierung gewürdigt. 43 Für eine deutsche (Teil-) Übersetzung s. Ath., ep. fest. 39 (95-107 M ERENDINO ). Interessanterweise entwickelt sich etwa zeitgleich Analoges im Judentum, s. H. L ISS , Tanach, 6: „Unser heutiger (masoretischer) Kanon ist erst im 3./ 4. Jh. d.Z. nachzuweisen“; ferner den Überblick bei J. M AIER , Art. Kanon/ Kanonizität. 44 Dazu ausführlich A. C AMPLANI , Lettere, 275-279. 45 C. M ARKSCHIES , Haupteinleitung, 159; vgl. Ath., ep. fest. 39 (102 M ERENDINO ). 46 Deshalb sind es 41 statt 39 Schriften. Beide Schriften gehören zur griechischen Bibel (Septuaginta), Baruch auch zur lateinischen (Vulgata). 47 S. H. D ENZINGER / P. H ÜNERMANN , Kompendium, 497 (DH 1503). 48 Zit. nach B.M. M ETZGER , Kanon, 294; vgl. Ath., ep. fest. 39 (102 M ERENDINO ). <?page no="31"?> 1 So wurde Bibel. Kanon und Kanonbildung der christlichen Bibel 32 Ähnlich wie von Athanasius sind eine Reihe von Listen oder Aufzählungen aus der Feder von Amtsträgern, Privatgelehrten oder regionalen Synoden im frühen Christentum seit dem dritten Jahrhundert erhalten 49 . Diesen Bibelverzeichnissen sind drei Charakteristika gemeinsam: (1) Sie stammen zwar von hervorgehobenen Personen, aber sie formulieren keinen umfassenden, offiziell gültigen, geschweige denn „oikoumenischen“ (reichsweiten) Konsens. Ihre Reichweite endet oft an den Grenzen des jeweiligen Bistums. Dies gilt auch für die erhaltenen synodalen Beschlüsse. (2) Sodann handelt es sich um „Schriftenverzeichnisse“ und nicht um Inhaltsverzeichnisse eines Buches. Es fällt auf, dass die gelisteten „Bücher“ oder „Schriften“ im Plural genannt werden. Dabei fehlt die Vorstellung, dass sie alle zusammen ein Buch bilden. Erst ab dem Mittelalter wird „die Bibel“ bzw. „die heilige Schrift“ als ein Buch verstanden. Gewiss hat die additive Vorstellung auch buchtechnische Gründe: Komplettausgaben der Bibel wie der Codex Vaticanus oder der seit 2009 Seite für Seite im Internet 50 einsehbare Codex Sinaiticus, beide aus dem vierten Jahrhundert, gab es zwar, aber sie waren sehr aufwändig (allein für die Pergamentvorbereitung mussten Hunderte von Ziegenhäuten bearbeitet werden! ) und demzufolge auch sehr teuer. Um „fünfzig Bände von den göttlichen Schriften“ für die neue Reichshauptstadt Konstantinopel in Auftrag zu geben, bedurfte es beispielsweise eines förmlichen Befehls des römischen Kaisers 51 ; zweifellos handelte es sich aber auch um regelrechte „Prachtbibeln“ 52 . (3) Schließlich verzeichnen die Kanonverzeichnisse zwar einen gemeinsamen Grundbestand, weichen an den Rändern des Kanons jedoch in vielfältiger Weise voneinander ab. Dies ist auch wahrscheinlich in einem Umfeld, in dem die christlichen Schriften einzeln oder bestenfalls gruppenweise in den einzelnen Gemeinden vorhanden waren. Eine „volle“ Bibel in unserem Sinn ist allenfalls an hervorgehobenen Bischofssitzen zu erwarten, freilich nicht als ein Buch, sondern unabhängig voneinander oder in mehreren Büchern. Es ist daher verständlich, dass diejenigen Schriften, die nicht zum inneren Kern des christlichen Überlieferungsbestands zählten, zwischen den einzelnen Gemeinden verschieden vorhanden und in Gebrauch waren. Sie waren demzufolge auch verschieden bekannt und wurden dementsprechend verschieden geschätzt. So 49 Eine Auswahl in deutscher Übersetzung findet sich bei B.M. M ETZGER , Kanon, 285-297. 50 S. http: / / codexsinaiticus.org/ de (24.08.2012). Abbildungen beider Codices finden sich auch bei K. A LAND / B. A LAND , Text, 23.25. Für eine bebilderte Einführung in den Codex Sinaiticus s. D.C. P ARKER , Codex. 51 Eus., v.C. IV 36 (GCS Eusebius I/ 1, 133,27-134,21 [134,7f.9] W INKELMANN ; Übersetzung BKV I/ 9, 167 B IGELMAIR ); um 330 n.Chr. 52 So zu Recht E. M ÜHLENBERG , Gottes Wort, 73. <?page no="32"?> 1.3 Einige Stationen der Kanonbildung im frühen Christentum 33 unterschied der Bibelwissenschaftler Origenes (gest. etwa 253) beispielsweise „allgemein anerkannte“, „unechte“ und „umstrittene“ Schriften 53 . 1.3.2 Faktische Kanonizität in der biblischen Theologie des Irenäus von Lyon als Antwort auf markionitische Schriftenreduktion und valentinianische Schriftenexpansion Datieren die Verzeichnisse und Listen des christlichen Kanons frühestens erst ab dem 3. Jahrhundert, so stellt sich die Situation um 185 n.Chr. noch einmal anders dar, wie der südgallische Bischof Irenäus von Lyon zeigt, den man „mit Recht den biblischen Theologen des zweiten Jahrhunderts nennen kann“ 54 . 1.3.2.1 Impliziter Kanon bei Irenäus von Lyon Zwar bietet Irenäus keine explizite Kanonliste, aber er zitiert und paraphrasiert so intensiv biblische Schriften, dass man daraus einen impliziten Kanon rekonstruieren kann. Das Frappierende ist: Irenäus hält sich verblüffend genau an die erst später als solche markierten Kanongrenzen. Er treibt deshalb eine „biblische Theologie innerhalb der künftigen Kanongrenzen“ 55 . Bei seinen weit über tausend Bezugnahmen auf das Alte Testament greift er nur 29-mal auf alttestamentliche Spätschriften zurück (Apokryphen). In analoger Weise fallen von den nahezu 2000 Bezugnahmen auf frühchristliche Literatur ganze sechs nicht in den Bereich des späteren Neuen Testaments 56 . Dies bedeutet, dass Irenäus mit Fug und Recht als erster kanonischer Theologe der Kirche zu betrachten ist 57 . Man kann also bei ihm durchaus von einer „faktischen Kanonizität“ der biblischen Schriften sprechen 58 . 1.3.2.2 Markioniten, Valentinianer und Montanisten als Herausforderung an die Kirche ab der Mitte des 2. Jahrhunderts n.Chr. Weshalb schränkt Irenäus seine zitierte christliche Literatur so sehr auf wirklich sichere, d.h. weithin anerkannte Schriften, die das Potential zur Kanonisierung haben, ein? M.E. hilft hier ein Blick auf Irenäus’ Hauptgegner, gegen die er literarisch ankämpft: platonisierende Chri- 53 Für Einzelnachweise s. H. von C AMPENHAUSEN , Entstehung, 370f. 54 B. M UTSCHLER , Corpus Johanneum, 493. 55 Dazu B. M UTSCHLER , Corpus Johanneum, 504-506 (504). 56 B. M UTSCHLER , Irenäus, 35f.71f. 57 S. ausführlich B. M UTSCHLER , Irenäus, 15-117.239-241. 58 B. M UTSCHLER , Irenäus, 239 (Hervorheb. i.O.). H. von C AMPENHAUSEN , Entstehung, 237 sieht in Irenäus „den ersten katholischen Theologen … der ein Neues Testament dem Sinne und der Sache nach kennt und anerkennt“. <?page no="33"?> 1 So wurde Bibel. Kanon und Kanonbildung der christlichen Bibel 34 sten, „die von Valentin herkommen“ 59 , einerseits und Markioniten andererseits. Hinter beiden stehen theologische Entwicklungen, die der Bischof rundherum ablehnt und bekämpft: entweder den einen Gott in eine Vielheit zerlegen und damit letztlich - so stellt es sich für Irenäus dar - viele Götter erfinden (Valentinianer) oder den einen Gott in einen guten und einen richtenden teilen (Markioniten) 60 . In beiden Varianten sieht Irenäus die größten Herausforderungen für die Kirche seiner Zeit, und er hält entschlossen daran fest, dass die in der Kirche gebräuchlichen Schriften stets vom einen, einzigen und wahren Gott handeln 61 . Wer sind Markioniten und Valentinianer? Markioniten sind nach einem reichen Reeder benannt, Markion, der um 138 von Sinop(e), der auf einer Halbinsel gelegenen nördlichsten türkischen Stadt am Schwarzen Meer, über das westliche Kleinasien nach Rom kam, dort die römische Gemeinde aufmischte und 144 aus ihr verstoßen wurde 62 ; er gründete eine Gegenkirche nach seinen Grundsätzen, die etwa drei Jahrhunderte lang nachweisbar ist. Markion zog den Kreis zu eng: Er lehnte die Vorstellung eines richtenden jüdischen Schöpfergottes radikal ab. Dabei stützte er sich nur auf das Lukasevangelium und Paulusbriefe und entfernte aus diesen vermeintliche Einfügungen und judaisierende Verfälschungen. Markion arbeitete zwar philologisch genau, aber er zog den Kreis der heiligen Schriften aus theologischen Gründen zu eng 63 . Irenäus wörtlich: Markion „trennt sich selbst vom Evangelium und rühmt sich, (bloß) einen Bruchteil des Evangeliums zu besitzen“ 64 . Einen anderen Weg der Reduzierung von Schriften geht der Syrer Tatian: Seine Evangelienharmonie (Diatessaron, to4 dia4 tessa3rwn eu1agge3lion) stellt eine Vereinfachung und Zusammenfassung der vier Evangelien zu einem einzigen dar 65 . Irenäus von Lyon erwähnt ihn freilich diesbezüglich nicht und schont ihn insofern 66 . 59 Die Gruppe wird etwa zwanzigmal so bezeichnet, s. B. M UTSCHLER , Corpus Johanneum, 192 Anm. 318. 60 Vgl. dazu Iren., Haer. III 24,2-25,1.6 (FC 8/ 3, 298-301.304-307 B ROX ) bzw. 25,2-5 (300-305 B ROX ); ferner B. M UTSCHLER , Corpus Johanneum, 59.63. 61 Dazu B. M UTSCHLER , Corpus Johanneum, 25-28. 62 Vgl. U. S CHMID , Marcion, 305-308; nach ebd., 307 vertrat Markion eine „Fraktion radikaler Heidenchristen exklusiv paulinischer Prägung“. 63 Noch immer lesenswert ist die glänzende Darstellung von H. L IETZMANN , Geschichte I, 265-281; s. auch I. B ROER , Einleitung II, 693f. 64 Iren., Haer. III 11,9 (FC 8/ 3, 117 B ROX ). 65 Vgl. M. H ENGEL , Evangelien, 45-48; deutsche Übersetzung des Diatessaron s. E. P REUSCHEN , Diatessaron, 62-241. 66 Erwähnt wird Tatian nur als derjenige, der die Rettung Adams als erster geleugnet hat, s. Haer. I 28,1 (FC 8/ 1, 324f B ROX ); III 23,8 (FC 8/ 3, 294f B ROX ). <?page no="34"?> 1.3 Einige Stationen der Kanonbildung im frühen Christentum 35 Die Valentinianer wurden angeregt durch Valentin 67 , einen freien christlichen Lehrer aus Ägypten, der etwa zur gleichen Zeit wie Markion nach Rom kam und rund 15 Jahre lang dort lehrte. Nach seiner Abreise entfalteten seine Schüler ein ausgeklügeltes System von Funktionen Gottes - oder waren es Götter? So zumindest urteilt Irenäus. Die Valentinianer lehnten Schöpfung und Welt ab und darum folgerichtig ebenfalls die Vorstellung eines jüdischen Schöpfergottes. Über jegliche Materie hinaus strebten sie nach „Erkenntnis“, auf Griechisch: nach Gnosis 68 . Deshalb legten sie die jüdisch-christlichen Schriften eher großzügig und spekulativ aus und erweiterten sie durch weitere Schriften. Ähnlich wie die Valentinianer führten auch die Montanisten, eine prophetische Bewegung, die sich seit dem letzten Drittel des zweiten Jahrhunderts von Kleinasien (Phrygien) aus ausbreitete, „neue Schriften“ ein 69 . In Bezug auf den Kanon zogen sowohl Montanisten als auch Valentinianer den Kreis zu weit. Wiederum Irenäus wörtlich: „Die Anhänger Valentins … bringen Schriften von eigener Hand heraus und prahlen damit, mehr Evangelien zu besitzen als es gibt.“ 70 In der Frage, welche Texte für das Christentum normativen Charakter haben sollen, verhalten sich Valentinianer und Markioniten wie Skylla und Charybdis. Beiden tritt der gallische Bischof und Kirchenvater des zweiten Jahrhunderts, Irenäus von Lyon, mit seinem entschiedenen Festhalten an den anerkannten apostolischen Schriften entgegen. 1.3.2.3 Der Vierevangelienkanon als Beispiel Im Blick auf die vier Evangelien frägt Irenäus z.B.: „Warum sollte die Zahl der Evangelien größer oder kleiner sein? “ 71 In der Folge verteidigt er den Vierevangelienkanon variantenreich als „das Evangelium in vierfacher Gestalt …, aber zusammengehalten vom einen Geist“ 72 . Neben diese theologische Argumentation unter Zuhilfenahme der Lehre vom Heiligen Geist 73 tritt eine historische. Demnach ist die Apostolizität 67 Zu beiden s. knapp C. M ARKSCHIES , Gnosis, 89-95. 68 Zur Auseinandersetzung um den entsprechenden Gnosisbegriff s. B. M UTSCH - LER , Pistis, 348-353. 69 So Eus., H.e. VI 20,3 (GCS Eusebius II/ 2, 566,17 S CHWARTZ ); zur Auseinandersetzung um den Montanismus in Bezug auf die Kanonfrage s. B.M. M ETZGER , Kanon, 104-110. 70 Iren., Haer. III 11,9 (FC 8/ 3, 117.119 B ROX ). 71 Iren., Haer. III 11,8 (FC 8/ 3, 109 B ROX ). 72 Iren., Haer. III 11,8 (FC 8/ 3, 111 B ROX ); ausführlich dazu B. M UTSCHLER , Corpus Johanneum, 42.254-264 (249-273.280). 73 Ähnlich argumentiert das Muratorische Fragment bezüglich der vier Evangelien: „durch den einen und elementaren Geist [wird] in allen alles erklärt“, s. Muratorisches Fragment 19f (Antike christliche Apokryphen I/ 1, 119 M ARKSCHIES ). <?page no="35"?> 1 So wurde Bibel. Kanon und Kanonbildung der christlichen Bibel 36 - der apostolische Charakter - einer Schrift ein Gütekriterium für diese. Deshalb haben für Irenäus alle Evangelisten eine lebendige Verbindung zu einem der Apostel oder sind sogar selbst Apostel. Er schreibt: „So hat Matthäus unter den Hebräern in ihrer Sprache eine Evangelienschrift herausgegeben, während Petrus und Paulus in Rom das Evangelium verkündigten und die Kirche gründeten. Aber nach deren Tod hat Markus, der Schüler und Übersetzer des Petrus, auch selbst das, was Petrus verkündigt hat, uns schriftlich überliefert. Aber auch Lukas, der Begleiter des Paulus, hat das, was von jenem als Evangelium verkündigt worden ist, in einem Buch niedergelegt. Danach gab Johannes, der Schüler des Herrn, der auch an seiner Brust lag, auch selbst das Evangelium heraus, als er in Ephesus in Asien weilte.“ 74 Das von Irenäus in dieser „literarhistorische(n) Basiserklärung“ 75 gezeichnete Bild von den Evangelisten ist auf die Apostel hin orientiert: Matthäus und Johannes - beide haben hebräische Namen - seien selbst Apostel bzw. Herrnjünger, Markus dagegen sei ein Schüler des Jüngers und Apostels Petrus, Lukas ein Begleiter des Apostels Paulus. Inwiefern diese Angaben historisch wahrscheinlich sind, ist hier nicht zu diskutieren 76 . Auffällig ist aber, dass bereits die bis heute in den Bibeln geläufige Reihenfolge Mt-Mk-Lk-Joh verwendet wird 77 . Dies erhält umso mehr Gewicht, wenn der Abschnitt, was sehr wahrscheinlich ist, um einiges älter ist als Irenäus selbst und bereits um 120-135 n.Chr. in Rom verfasst wurde 78 . 1.3.2.4 Kanonbildung im zweiten Jahrhundert Dies alles zeigt: In den rund 70 Jahren zwischen den jüngsten neutestamentlichen Schriften und Irenäus von Lyon, also ungefähr zwischen 115 n.Chr. und 185, vollziehen sich vielleicht die spannendsten Entwicklungen in Bezug auf den neutestamentlichen Kanon. Kleinere Sammlungen wie der Vierevangelienkanon oder einzelne Briefsammlungen entwickeln sich und erfahren zunehmende Akzeptanz durch die Gemeinden 79 . Am Beginn des zweiten Jahrhunderts gibt es noch kein Bewusst- 74 z Iren., Haer. III 1,1 (FC 8/ 3, 24f B ROX ; Übersetzung B.M.). 75 Zu diesem Begriff s. B. M UTSCHLER , Irenäus, 170. 76 Sie sind keineswegs durchgängig als historisch wahrscheinlich zu betrachten. Z.B. hat Paulus nicht die Kirche in Rom gegründet, wie aus seinem Römerbrief bereits zu Beginn klar hervorgeht (Röm 1,8-15). Zu den Angaben über Johannes s. ausführlich B. M UTSCHLER , Irenäus, 154-172; DERS ., Corpus Johanneum, 95-100. 77 Dazu ausführlich B. M UTSCHLER , Corpus Johanneum, 65-80. 78 Vgl. C.-J. T HORNTON , Zeuge, 45.55.62; s. außerdem M. H ENGEL , Frage, 15f; B. M UTSCHLER , Irenäus, 158-161.170; DERS ., Corpus Johanneum, 66. 79 Zum Vierevangelienkanon s. B. M UTSCHLER , Corpus Johanneum, 249-280.503f; zur Paulusbriefsammlung s. G. T HEISSEN , Entstehung, 136-145, ausführlich D. T ROBISCH , Entstehung. <?page no="36"?> 1.3 Einige Stationen der Kanonbildung im frühen Christentum 37 sein für so etwas wie heilige Bücher in Bezug auf Jesus oder die frühchristliche Mission; an seinem Ende steht ein zumindest faktischer, wenn auch noch nicht explizierter Kanon der biblischen Schriften 80 . Bei Irenäus ist er erstmals nachweisbar, und er entspricht fast vollständig unserem heutigen Bibelkanon 81 . Deshalb ist das zweite Jahrhundert nach Christus das mit Abstand interessanteste für die Herausbildung des biblischen Schriftenkanons, auch wenn er noch für Jahrhunderte offene Ränder hat. Etwa zeitgleich oder kurz vor Irenäus datiert das älteste überlieferte christliche Verzeichnis der hebräischen Bücher des Alten Testaments. Es stammt von Melito, Bischof der kleinasiatischen Stadt Sardes, und stimmt bis auf das bei Melito nicht genannte Esterbuch mit dem Kanon der Hebräischen Bibel überein 82 . Mit dem zweiten Jahrhundert kommt der hier gegebene Rückblick zu Kanonbildung und Bibelentstehung zu einem gewissen Abschluss. Denn von einem Kanon oder einer Kanonisierung der christlichen Bibel kann frühestens im zweiten Jahrhundert n.Chr. gesprochen werden. Alles Vorausgehende gehört nicht zur formativen, sondern zur präformativen Phase des Kanons, und mit dem Übergang vom ersten zum zweiten nachchristlichen Jahrhundert ist die Phase der Entstehung einzelner biblischer Schriften, z.B. der Pastoralbriefe, des Johannesevangeliums oder des zweiten Petrusbriefs, erreicht 83 . 1.3.3 Ergebnis Im ersten Drittel des zweiten Jahrhunderts kristallisiert sich ein Vierevangelienkanon der Kirche heraus, bestehend aus Mt-Mk-Lk-Joh. Analog bildet sich bereits zuvor eine Sammlung der Paulusbriefe, die jedoch 80 Vgl. B. M UTSCHLER , Irenäus, 239f (239): „(…) hätte Irenäus bereits das Bewusstsein einer abgeschlossenen neutestamentlichen Schriftensammlung voraussetzen können, dann hätte er dieses Argument sicherlich vorgetragen“. Die Haltung des Irenäus zeigt, dass zwischen Kleinasien, Rom und Lyon in dieser Frage offenbar Übereinkunft besteht. Offen bleiben „Erscheinungsort, -zeit und Herausgeberkreis“ der Endredaktion des Neuen Testaments, s. D. T ROBISCH , Endredaktion, 124. Kritische Fragen gegenüber einer kanonischen Edition bereits im zweiten Jahrhundert formuliert G. T HEISSEN , Entstehung, 303-308. 81 Ausführlich B. M UTSCHLER , Irenäus, 61-80(-98). Irenäus’ bezieht sich vergleichsweise wenig auf frühchristliche Schriften, die nicht zum neutestamentlichen Kanon zählen; alle zusammen entsprechen „nicht einmal einem halben Prozentpunkt“, ebd., 74. 82 S. Mel., Fr. bei Eus., H.e. IV 26,14 (GCS Eusebius II/ 1, 388,1-7 S CHWARTZ ); E.E. E LLIS , Testament, 10-12. Ester fehlt auch in einigen späteren Verzeichnissen, so z.B. bei Athanasius von Alexandrien, Gregor von Nazianz und Leontinus von Byzanz. 83 Für die implizite Kanonhermeneutik des Neuen Testaments s. H.-J. E CKSTEIN , Evangelium; für das Alte Testament s. H. G ESE , Gestaltwerdung. <?page no="37"?> 1 So wurde Bibel. Kanon und Kanonbildung der christlichen Bibel 38 mehrfach erweitert wird 84 . Irenäus von Lyon hat einen faktischen Kanon, aber offenbar noch kein Bewusstsein von diesem. Beschleunigt wird die Entwicklung durch verschiedene Gruppen in Rom und Kleinasien, die entweder mehr oder weniger Schriften als die übrige Kirche im Gebrauch haben. Für das dritte und vierte Jahrhundert sind eine Reihe von Kanonlisten belegt. Die von Athanasius von Alexandrien 367 n.Chr. verbreitete Liste umfasst nahezu exakt denselben Kanon wie die Lutherbibel. Ähnliches gilt für die Liste Melitos von Sardes zum „Alten Testament“ 85 , die um 160-180 n.Chr. datiert. Die Ränder des Kanons sind noch für längere Zeit offen; aber seine Hauptschriften stehen spätestens seit der Mitte des zweiten Jahrhunderts fest. Aus Kostengründen und wegen der offenen Kanonränder hatte kaum eine Gemeinde alle Schriften in ihrem Bestand. Bereits der älteste neutestamentliche Papyrus (P 52, um 125) lässt auf die Verwendung der Buchform, den Kodex, schließen 86 , während das Judentum weiterhin an der Rollenform festhält. Bis heute unterscheiden sich Judentum und Christentum bereits äußerlich durch die Form ihrer in Synagoge bzw. Kirche vorgelesenen heiligen Texte. 1.4 Die Bibel - einheitlich, feststehend, zuverlässig? Zusammenfassende Perspektiven 1.4 Zusammenfassung Einige zusammenfassende Perspektiven formulieren Antwortversuche auf die Ausgangsfrage: Inwiefern bildet die Bibel bzw. bilden die biblischen Schriften eine einheitliche und feststehende Größe, und wie verlässlich ist diese Größe aus wissenschaftlicher Sicht? 1. Der alttestamentliche Kanon wird von den Christen zunächst und für längere Zeit in Form der Septuaginta (der griechischen Übersetzung des Alten Testaments) übernommen, da sich in der hellenistischen Welt der Antike weit überwiegend griechischsprachige Ortskirchen entwickeln. Erst später, im dritten bis fünften (Origenes, Hieronymus) sowie im 16. Jahrhundert (Luther) erfolgt eine Orientierung an der Hebräischen Bibel, da die allermeisten Dokumente des Alten Testaments auf Hebräisch verfasst sind. 84 S. dazu knapp G. T HEISSEN , Testament, 88f; zu den Anfängen auch H.-J. E CKSTEIN , Evangelium, 55-58. 85 Ta4 th5 V palaia5 V diaqh3khV bibli3a, „die Bücher der alten Setzung/ Verfügung“, Mel., Fr. bei Eus., H.e. IV 26,14 (GCS Eusebius II/ 1, 388,1f S CHWARTZ ). Wenig später taucht erstmals der Begriff „neue Setzung/ Verfügung“ auf (Klemens von Alexandrien, Origenes von Caesarea). 86 K. A LAND / B. A LAND , Text, 85f (86). Gegenüber der herkömmlichen Buchrolle beträgt die Kostenersparnis gut ein Viertel, s. T.C. S KEAT , Length, 70; ferner H.R. S EELIGER , Buchrolle. <?page no="38"?> 1.4 Zusammenfassung 39 Die alttestamentlichen Apokryphen sind nicht Bestandteil der Hebräischen Bibel, wohl aber ihrer einflussreichen Übersetzung ins Griechische (Septuaginta). 2. Der neutestamentliche Kanon entwickelt sich in kleineren Sammlungen (Paulusbriefe, Evangelien) und liegt in wesentlichen Grundzügen erstaunlich schnell und früh fest (Mitte 2. Jh.). Bereits in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts gibt es eine sehr klare Vorstellung davon, welche Schriften in der Kirche normativen Charakter haben und welche nicht (Irenäus von Lyon für das Neue Testament, Melito von Sardes für das Alte). Die allermeisten christlichen Apokryphen kommen aus historischen Gründen für eine Aufnahme in den Kanon nicht in Frage, da sie überwiegend erst nach den später als kanonisch geltenden Schriften entstanden sind 87 . Die Ränder des Kanons bleiben noch für einige Jahrhunderte weich und offen. 3. Die biblischen Schriften sind besser und zahlreicher überliefert als alle übrigen Schriften, die wir aus der Antike erhalten haben. Religiöse Texte werden an vielen Orten gleichzeitig gebraucht. Sie werden daher schon verhältnismäßig früh in großer Zahl sorgfältig kopiert und weitergegeben. Von Anfang an - soweit sich das heute noch nachvollziehen lässt - verwenden Christen die neuere Form des Buches anstatt der traditionellen Rolle. Aus buchtechnischen und vor allem aus Kostengründen verfügte kaum eine Gemeinde über alle wesentlichen Schriften. Eine „Vollbibel“, wie sie heute bereits im Konfirmandenalter selbstverständlich ist, ist vielfach nur an Bischofssitzen (verteilt auf mehrere Bände) vorhanden. 4. Luther und in seinem Gefolge die reformatorischen Kirchen sowie die Anglikanische Kirche setzen die alttestamentlichen Spätschriften aufgrund einer Orientierung am Kanon der Hebräischen Bibel vom bisherigen Kanon der Kirche ab und weisen diesen Schriften sekundären Status zu. Fortan gelten sie als Apokryphen und führen (außer in wissenschaftlichem Kontext und zur privaten Erbauung) ein Nischendasein. Im Neuen Testament werden die Schrift An die Hebräer und der Jakobusbrief nach hinten verschoben und gemeinsam mit dem Judasbrief und der Apokalypse des Johannes aufgrund ihres Christuszeugnisses in ihrem Stellenwert zwar gemindert, aber nicht entkanonisiert. Die Zürcher Bibel sieht von der zuletzt genannten Umstellung ab. 5. Kirchenrechtlich wird der biblische Kanon erstaunlich spät festgelegt: auf Seiten der katholischen Kirche erst in Trient 1546; auf evangelischer Seite gibt es bis heute keinen allgemein anerkannten formellen Be- 87 Einen Überblick über frühchristliche Schriften, die lokal oder zeitweilig, aber schlussendlich nicht kanonisch rezipiert wurden, gibt H. VON L IPS , Kanon, 103- 110. <?page no="39"?> 1 So wurde Bibel. Kanon und Kanonbildung der christlichen Bibel 40 schluss. Etabliert hat sich ein Kanon aus 46 bzw. (ohne Apokryphen) 39 Schriften im Alten und 27 Schriften im Neuen Testament. Bereits diese Zahlen zeigen, dass die Bibel in vielen Fällen schwerlich mit einer Zunge spricht. Eine bibliothekarische Zusammenstellung mit über fünf Dutzend Einzelschriften, die an verschiedenen Orten der Alten Welt insgesamt über tausend Jahre lang entstanden und teilweise jahrhundertelang weiterentwickelt und umgearbeitet wurden, weist zu nahezu jedem Thema verschiedene und teilweise auch widersprüchliche Stellungnahmen auf. 6. Sowohl im Altertum bei der Kanonbildung als auch in der Reformationszeit bei seiner Umgestaltung sind ähnliche Motive wirksam: Ein Kanon entwickelt sich und pflanzt sich fort durch den Gebrauch in den Gemeinden. Er befriedigt sowohl Bedürfnisse nach Abgrenzung als auch nach Bewahrung. Durch die Verschiedenheit der Schriften bietet er eine gewisse Pluralisierung, schränkt diese allerdings auf ein bestimmtes Maß ein. Insbesondere dient er dem Rückbezug auf die Ursprünge (Apostel, Propheten) und auf das Zentrum des Glaubens. Letzteres liegt für den christlichen Kanon ohne Zweifel in der Verkündigung und Person Jesu Christi aus Nazareth 88 . 7. Die Variabilität und Pluralität gegenwärtiger Übersetzungs- und Aktualisierungangebote der Bibel ins Deutsche zeigt nicht nur einen weit genutzten Spielraum beim Übersetzen und Übertragen 89 , sondern auch die Notwendigkeit zu gründlicher Information und gewissenhafter Auswahl der verwendeten Bibelübersetzung. Für eine sachgemäße Auswahl ist ein gewisses Maß an Wissen über Entstehungsprozesse und Entwicklungen des christlichen Schriftenkanons unumgänglich. Notwendig und hilfreich ist aber auch eine Reflexion des Zwecks der Beschäftigung mit biblischen Texten und der daraus erwachsenden Kommunikationssituation. Ein methodisch kontrollierter Übersetzungsvergleich kann weitere Gesichtspunkte bieten. Nach einer sorgfältigen Auswahl ist diese zu erklären und ggf. auch zu begründen. Die Bibel „entsteht“ insofern bis heute durch Vorentscheidungen des Rezipienten, und zwar ungeachtet aller nachfolgenden Interpretationen. 88 Zu Faktoren und Kriterien im Prozess der Kanonisierung s. zusammenfassend auch H. VON L IPS , Kanon, 110-116. 89 Mitunter wird dieser Spielraum auch überzogen. Wenn Übersetzungen und Übertragungen sehr verschieden sind und in besonders hohem Maß von anderen abweichen, könnte dies ein Hinweis darauf sein, dass sie aus wissenschaftlicher Perspektive wenig zuverlässig sind. Man könnte mit G. T HEISSEN , Methodenkonkurrenz, 133 von „Spezialausgaben der Bibel“ sprechen. Aber auch diese können als Leseangebote verstanden werden, die zu neuen und möglicherweise produktiven Einsichten verhelfen. <?page no="40"?> 1.4 Zusammenfassung 41 8. Die Bibel - einheitlich, feststehend, zuverlässig? Eigene Antworten sollten grundlegende Einsichten berücksichtigen: Der christliche Kanon stellt zwar eine gewisse Klarheit und Traditionskonstanz her, aber er schließt gleichzeitig Pluralität und Weiterentwicklungen in sich ein. Nach jahrtausendelangen Entwicklungen liegt er in mehreren Ausgaben vor, was sich in Anordnung, Länge, Wortlaut und Relevanz einzelner Bücher und des jeweiligen Kanons zeigt. Gleichzeitig erschwert eine bislang nie gekannte Vielfalt an Übersetzungen und Übertragungen 90 einen schnellen und einfachen Zugriff auf biblische Texte. 9. Noch vor Beginn jeder Interpretation entscheidet sich daher bereits bei der Auswahl des Buches, welche Bibel entsteht und auf welchen Kanon man sich bezieht. Die Frage der Kanonbildung wird damit unerwartet aktualisiert: Der christliche Kanon bildet sich durch die Wahl einer bestimmten Bibelausgabe jeweils konkret. Die Frage der Kanonbildung (Welcher Kanon bildet sich aus? ) wird somit auch zu einer Frage der Kanon-Bildung (Welche Gründe sprechen für eine bestimmte Bibelausgabe, und welche Implikationen bringt diese mit sich? ). Auf diese Weise entsteht die Bibel und bildet sich der Kanon bis heute. Bibelentstehung und Kanonbildung sind auch aktuelle Prozesse. 10. Einheitlich, feststehend und zuverlässig ist die Bibel nur bis zu einem gewissen Grad. Sie ist in sich vielfältig, und sie ist das Ergebnis einer jahrtausendelangen Entwicklung. Ihre einzelnen Schriften und damit auch der biblische Kanon insgesamt sind zuverlässig überliefert, aber in verschiedenen Varianten und Traditionen. So wurde Bibel. Eine Kenntnis der verschiedenen Stränge und Entwicklungen ist sinnvoll, um nicht die Orientierung zu verlieren. Aber die Bibel wurde nicht nur, sie wird vielmehr in den Spuren bestimmter Kanontraditionen und im Rahmen verfügbarer Leseangebote (Bibelausgaben) stets neu. In ihrem Zentrum stehen aus christlicher Sicht Person und Verkündigung Jesu Christi aus Nazareth. 90 Allenfalls die handschriftliche Vielfalt mittelalterlicher Textüberlieferung stellt eine Analogie dazu dar. Aber erstens verfügten nur große, vermögende Bibliotheken oder Klöster über viele verschiedene Handschriften (zu der in der Regel nur umfassend gebildete Gelehrte Zugang hatten), und zweitens gab es stets eine offizielle und praktisch allgemein anerkannte Hierarchie der verschiedenen Textüberlieferungen von Seiten der Kirche. Beides hat sich in der Gegenwart verändert: Verschiedenste Textfassungen sind viel leichter zugänglich, und Entscheidungen in Fragen der Textwahl sind nahezu vollständig dem Individuum überlassen. <?page no="41"?> 2 Warum wir heutzutage Ehebrecherinnen und Ehebrecher nicht mehr steinigen. Grundlagen einer zeitgemäßen biblischen Hermeneutik „Nur Fundamentalisten verrammeln die Türen der Bibel gegen die moderne Welt. Bibeltreue sieht anders aus.“ 1 „Ehebrecherinnen und Ehebrecher sollen getötet werden! Kinder, die man liebt, sollen schon früh mit dem Stock (der Rute) geschlagen werden! Alkoholiker und Menschen, die ihr Geld sinnlos verschwenden (anstatt es einzuteilen) sollen am Stadttor zu Tode gesteinigt werden! “ Diese Anweisungen stammen nicht von einem radikalen und mitleidlosen Prediger in einer saudi-arabischen oder iranischen Freitagsmoschee, sondern mitten aus dem Alten Testament und damit aus der - oder soll ich sagen: aus unserer - christlichen Bibel 2 . Wie oft haben Sie, verehrte Leserin, verehrter Leser, schon Ehebrecher mit getötet, Kinder mit dem Stock (der Rute) geschlagen oder Alkoholiker und Verschwender am Stadttor zu Tode gesteinigt? Vermutlich haben Sie all dies noch nie getan, und das ist auch richtig und - theologisch betrachtet - christlich so. In der so genannten zivilisierten Welt ist es weithin verboten, Kinder zu schlagen oder Ehebrecher und Asoziale zu töten. Wer dies dennoch tut, riskiert, dafür bestraft zu werden; dies durchaus zu Recht, denn es geht um den Schutz und die Würde des Lebens und jedes Menschen unabhängig von seinem Verhalten oder seiner sozialen Stellung. Damit steht man jedoch mitten in einem Normenkonflikt: Soll man sich an die bürgerlichen Gesetze halten oder an das biblische Gesetz? Kann man „christlich“ sein und zugleich bewusst einer biblischen Weisung zuwiderhandeln? Gilt nicht im Zweifel das Wort des Petrus „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (Act 5,29)? Wäre das Gehorsam gegenüber Gott, wenn man einen Ehebrecher und eine Ehebrecherin zu Tode bringt? Dieser Frage wird im Folgenden in grundsätzlicher Weise nachgegangen. Unlösbar sind damit grundsätzliche Fragen des Bibelverständnisses und 1 G. T HEISSEN , Glaubenssätze, 23. 2 Für diese Textcollage s. zu Satz 1: Dtn 22,22; Lev 20,10; zu Satz 2: Prov 13,24; 22,15; 23,13; Jer 2,30 (30,14); zu Satz 3: Dtn 21,18-21. Bibelzitate im Folgenden nach der Zürcher Bibel. <?page no="42"?> 2.1 Das biblische Gebot, Ehebrecherinnen und Ehebrecher zu steinigen 43 der Bibelauslegung verbunden. Wir beginnen mit einem (1) Blick auf das biblische Gebot, Ehebrecherinnen und Ehebrecher zu steinigen, wenden uns dann (2-7) Fragen der Hermeneutik und Schriftauslegung zu, um am Ende bei der Frage, (8) was an die Stelle der Steinigung tritt, anzukommen. Eine (9) Zusammenfassung resümiert abschließend die einzelnen Schritte. 2.1 Das biblische Gebot, Ehebrecherinnen und Ehebrecher zu steinigen In Dtn 22,22 steht eine klare Anweisung: Wenn ein Mann dabei ertappt wird, dass er mit einer verheirateten Frau schläft, dann sollen beide sterben, der Mann, der mit der Frau geschlafen hat, und die Frau. So sollst du das Böse aus Israel ausrotten. In einem späteren alttestamentlichen Gesetz, dem so genannten Heiligkeitsgesetz (Lev 17-26), wird diese Anweisung wiederholt (20,10): Wenn jemand mit der Frau eines andern Ehebruch begeht (…), müssen der Ehebrecher und die Ehebrecherin getötet werden. 3 Weshalb müssen Ehebrecher und Ehebrecherin gesteinigt werden 4 ? Anders gefragt: Wer „profitiert“ von einer so harten Strafe (cui bono)? Man könnte zunächst an den Ehemann denken, der mit der „Ehebrecherin“ rechtmäßig verheiratet ist 5 , oder an seine Sorge vor illegitimen Erben 6 . Denn im Fall von Vaterschaftsdiskrepanz könnten illegitime Erben die rechtmäßigen Erben (biologischen Kinder) möglicherweise um einen Teil ihres Erbes bringen; dies liegt nicht im Interesse von Sippe und Familie 7 . Als nächstes profitiert die Gesellschaft: Eine Bestrafung von Ehebrecher und Ehebrecherin dient der zukünftigen Verbrechensprävention und der Stärkung des Vertrauens in die Rechtsordnung. Der unmittelbare Kontext weist jedoch auf die ethnisch-religiöse Größe Israel (Dtn 22,22): „So sollst du das Böse aus Israel ausrotten.“ Diese so genannte „Ausrotte-Formel“ kommt im Deuteronomium - ausschließlich dort - insgesamt neunmal vor, und zwar jeweils bei schwerwiegenden Vergehen 8 . Demnach kann „sich Israel nur dadurch 3 Zu den Rechtsfolgen des Ehebruchs in anders gelagerten Fällen s.u. S. 71-73. 4 Nach G. B RAULIK , Deuteronomium II, 167 war die in Dtn 22,22 gebotene Tötung „höchstwahrscheinlich durch Steinigung“ vorzunehmen; dies belegt auch Joh 8,5.7. 5 Vgl. die in Lev 20,10 eingefügte Präzisierung „wenn er mit der Frau seines Nächsten Ehebruch begeht“. 6 Landläufig „Kuckuckskinder“ genannt, da der Kuckuck seine Eier gewöhnlich in fremde Nester legt; vgl. das englische Sprichwort „Mother’s baby, father’s maybe“. 7 Zur alttestamentlichen Vorstellung von Haus und Familie s.u. S. 154-156. 8 Dtn 13,6; 17,7.12; 19,(13)19; 21,21; 22,21.22.24; 27,7; dazu G. B RAULIK , Deuteronomium II, 158. <?page no="43"?> 2 Warum wir heutzutage Ehebrecherinnen und Ehebrecher nicht mehr steinigen 44 selbst schützen“ 9 , dass es Schwerstkriminelle durch eine Todesstrafe vollkommen und physisch beseitigt. Die (Theo-) Logik dabei lautet, dass Gottes Bundesvolk Israel „einzelne für schweres Unrecht“ bestraft, „damit nicht Gottes S.[trafe] über das ganze Volk kommt. So wird der Frevler am Gottesbund durch Steinigung aus der Heilsgemeinde verstoßen, von der er sich durch sein Tun schon gelöst hatte.“ 10 So betrachtet ist die Steinigung die physische Konsequenz der bösen Tat, die gegen Gottes heiliges Gebot verstieß (Ex 20,14; Dtn 5,18). Indem Böses als im Täter personalisiert verstanden wird, kann es - durch Eliminierung des Täters - leichter entfernt werden als ohne eine solche Personalisierung. Die Umgebung der Täter kann dadurch weiterhin als integer betrachtet werden. Darum ist es konsequent, wenn Ehebruch „nicht mehr privatrechtlich geordnet“ und sanktioniert wird, sondern „Sache der Ortsgemeinde“ ist, die dabei ganz Israel vertritt und repräsentiert 11 . Sowohl eine persönliche Rache des gehörnten Ehemannes - wie sonst im Alten Orient üblich 12 - als auch Verzeihung und Begnadigung sind damit ausgeschlossen. „Zuständig ist allein das öffentliche Gericht.“ 13 Mit dem öffentlichen Vollzug der Todesstrafe ist nicht nur eine Abschreckung erreicht 14 , sondern zugleich die Gefahr einer Wiederholungstat oder eines Rückfalls abgewendet. Da Tote gewöhnlich keine Berufung einlegen, ist durch ihren Tod zugleich eine Rechtssicherheit auf Dauer hergestellt. Die Androhung der Todesstrafe für beide am Ehebruch Beteiligten dient also dem Schutz vor gefährlichen Menschen, vor illegitimen Erben, vor Anarchie, in besonderer Weise aber vor dem „Bösen in Israel“ und der deshalb befürchteten Strafe. Die so rigide Strafandrohung sagt jedoch überhaupt nichts über ihre Durchsetzung in der Praxis: Faktisch ist keine einzige, konkrete Steinigung aus dem antiken Israel überliefert 15 . 9 G. B RAULIK , ebd. 10 A. S TEIN , Art. Strafe, Sp 3526. Zur Logik „einer für alle“ (pars pro toto) s. auch in Joh 11,50; 18,14. Die alttestamentliche Todesstrafe „erfolgte weitgehend durch die Steinigung“, s. J. T RACK , Art. Todesstrafe, Sp. 2463. 11 G. B RAULIK , Deuteronomium II, 167. 12 Tötung des Liebhabers, finanzielle Entschädigung, Verstoßung der Ehefrau, vgl. G. B RAULIK , Deuteronomium II, 167; ähnlich Prov 6,32-35. Zum Verbot der Rache s. Dtn 32,35; Röm 12,19; Hebr 10,30; ferner die Anrufung an den „Gott der Vergeltung“, Ps 94,1. 13 F. C RÜSEMANN , Tora, 299; ähnlich ebd., 302. 14 So explizit in Dtn 21,21b im Anschluss an die „Ausrotte-Formel“. 15 Nach B. L ANG , Art. Todesstrafe, Sp. 890 wird bei der Steinigung „der Verurteilte von einer Anhöhe rückwärts herabgestoßen und, sofern er nicht bereits tot war, durch Steinwürfe des Volkes getötet (so nach mSanh 6,1-4).“ Vgl. dazu Lk 4,29; anders Joh 8,5.7. R. K ESSLER , Sozialgeschichte, 37 unterscheidet auch methodisch zwischen einem (Gesetzes-) „Programm“ und einem „direkte[n] Rückschluss auf die wirklichen Verhältnisse“. <?page no="44"?> 2.2 Bibelauslegung zwischen Relativismus und Fundamentalismus 45 Von der historischen Frage zu trennen ist sodann die hermeneutische: Inwiefern bestimmen historische und theologische Hintergründe eines biblischen Textes seine Auslegung für die Gegenwart? Hier dürfen ebenfalls keine vorschnellen Schlussfolgerungen gezogen werden. Stattdessen muss grundsätzlich über Eigenart und Herkunft der biblischen Tradition nachgedacht werden. 2.2 Bibelauslegung zwischen Relativismus und Fundamentalismus, beliebiger Wahl und unerträglicher Qual Jegliche moderne Bibelauslegung positioniert sich irgendwo zwischen den beiden Polen von Beliebigkeit und Zwanghaftigkeit, Relativismus und Fundamentalismus 16 . Beliebigkeit bedeutet, dass biblische Texte ausgewählt und ausgelegt werden nach eigenem, beliebigem Geschmack. Welche Texte maßgeblich sind und welche nicht, wird durch äußere, persönliche Setzungen festgelegt. Dies wäre weder überzeugend noch der Heiligen Schrift einer Religion angemessen. Zwanghaftigkeit setzt dagegen die Annahme voraus, dass die biblischen Texte insgesamt und bis ins Detail ein sinnvolles und spannungsfreies Ganzes ergeben, das aus sich heraus klare Perspektiven und Anweisungen für die Gegenwart gibt. Dabei würde jedoch übersehen, dass alle biblischen Texte zusammengenommen niemals ein sinnvolles und spannungsfreies Ganzes ergeben. Sieht man genau hin, dann werden sie auch von denjenigen ausgewählt herangezogen, die sie nach eigener Aussage „ganz wörtlich“ verstehen möchten 17 und vielleicht sogar als „verbal inspiriert“ betrachten. Dies erklärt die Vielfalt und Vielgestaltigkeit fundamentalistischer und biblizistischer Bibelauslegungen. Vertreterinnen und Vertreter der Verbalinspiration berufen sich sehr häufig auf 2 Tim 3,16f: 16 Jede von Gott eingegebene Schrift ist auch nützlich zur Belehrung, zur Zurechtweisung, zur Besserung und zur Erziehung in der Gerechtigkeit. 17 So wird der Mensch Gottes vollkommen sein, befähigt zu jedem guten Werk. Die Fehlerlosigkeit und Perfektion des Menschen entstünde demnach durch eine entschiedene und kompromisslose Orientierung an der ebenso 16 Ähnlich K. B ERGER , Hermeneutik, IX: „zwischen Fundamentalismus und Rationalismus“. Nach R. H EMPELMANN , Glaube, 12 ist Fundamentalismus im Deutschen ein „Bewertungsbegriff“, der „Schattenseiten protestantischer Erweckungsfrömmigkeit“ bezeichnet. S. auch A. B EHRENS / P.-B. S MIT / R. L EONHARDT , Art. Bibelhermeneutik(en); S. Z IMMER , Bibelwissenschaft, 23-27. 17 Nach U. R IEGEL / H.-G. Z IEBERTZ , Bibel, 273 trifft dies nur auf „eine kleine Minderheit heutiger Jugendlicher“ von 2,5 % zu. <?page no="45"?> 2 Warum wir heutzutage Ehebrecherinnen und Ehebrecher nicht mehr steinigen 46 fehlerlosen und widerspruchsfreien Heiligen Schrift. Beides entspricht freilich nicht dem Sinn des Textes an dieser Stelle 18 . Dass die biblischen Texte insgesamt kein spannungsfreies und harmonisches Ganzes ergeben, ist im Blick auf ihre lange Entstehungszeit und ihren verschiedenen Entstehungshintergrund gut verständlich. Man kann z.B. nicht sowohl Ehebrecherinnen und Ehebrecher steinigen, wie in Dtn 22,22 verlangt, als auch gleichzeitig mit Verweis auf die eigene Sündhaftigkeit von einer Steinigung absehen, die in flagranti erwischten Schuldigen am Leben lassen und verzeihen, wie von Jesus in Joh 8,2-11 bewirkt und vorgelebt. Oder: Nach Ex 35,2 soll „sterben“, wer am Sabbat, dem wöchentlichen Ruhetag (entspricht dem Samstag) arbeitet. Aber wie passt dies mit den Geboten des Verzeihens und der Liebe zusammen? Oder auch damit, dass nach Jesus „der Sabbat um des Menschen willen geschaffen [ist], nicht der Mensch um des Sabbats willen“ (Mk 2,27)? Ähnliche Beispiele ließen sich in großer Zahl beibringen. All dies zeigt: Eine biblizistische (nur am Buchstaben orientierte) oder fundamentalistische Bibelauslegung ist ein Zeichen von historischer und literarischer Realitätsverweigerung, von theologischer Denkmüdigkeit (oder gar Denkfaulheit), von unzulässiger Verabsolutierung aufgrund fehlender hermeneutischer Reflexion 19 , von menschlich bis zu einem gewissen Grad verständlicher Ängstlichkeit und von geistiger Enge. Sie führt in aller Regel in entsetzliche Verworrenheiten und Aporien (Ausweglosigkeiten), geradewegs - wenn das verbreitete Bild hier erlaubt ist - in Teufels Küche 20 . Gewissensqualen und Zwang sind dann vorprogrammiert 21 . Wenn aber sowohl Beliebigkeit als auch Biblizismus (Fundamentalismus) in der Bibelauslegung einerseits in eine beliebige Wahl, andererseits 18 S. H.I. M ARSHALL , Pastoral Epistles, 790-796; L.T. J OHNSON , Letters to Timothy, 420- 425; R.F. C OLLINS , Timothy and Titus, 263-265; ferner Th. S ÖDING , Schriftinspiration, 186-189. Allzu unkritisch beruft sich m.E. die dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum 11 der Römisch-Katholischen Kirche auf 2 Tim 3,16f. Sie stellt dies in den Kontext, dass „alles, was die inspirierten Verfasser oder Hagiographen aussagen, als vom Heiligen Geist ausgesagt zu gelten hat“ und folgert daraus, „von den Büchern der Schrift zu bekennen, dass sie sicher, getreu und ohne Irrtum die Wahrheit lehren, die Gott um unseres Heiles willen in heiligen Schriften aufgezeichnet haben wollte“, s. K. R AHNER / H. V ORGRIMLER , Konzilskompendium, 373f. Irrtumslosigkeit der Schrift zu behaupten, ist - nach allem, was wir gegenwärtig wissen - hermeneutisch, historisch, exegetisch, dogmatisch und theologisch unverantwortlich. Einen historischen Überblick über die Inspirationstheologie von 2 Tim 3,16f bis zum Zweiten Vaticanum gibt H. G ABEL , Bibel, 15-54. 19 Für eine kurz gefasste historische Skizze der Bibelhermeneutik s. G. B AUMANN , 73-83. 20 Vgl. H. G ESE , Schriftverständnis, 29 am Beispiel des Walfischs im Jonabüchlein. 21 In einer ganz anderen Weise „von einer Inspiration der Schrift zu sprechen“, führt M. W ELKER , Geist, 254-258 (256) vor. Demzufolge bringt der Heilige Geist die vielfachen und fragmentarischen Schriftzeugnisse dazu, „auf die Präsenz und auf die Realität Gottes hinzuweisen“, ebd., 256. S. auch K. B ERGER , Hermeneutik, 129-136. <?page no="46"?> 2.3 Die Bibel - Gotteswort oder Menschenwort? 47 in unerträgliche Qualen münden 22 , sind beide Wege für eine ehrliche und verantwortungsvolle Bibelauslegung in der Gegenwart nicht gangbar. Beide beschreiben gegensätzliche Extrempositionen, zwischen denen sich eine zeitgemäße Bibelauslegung irgendwie einfinden muss, ohne einer von beiden zu erliegen. Daher stellt sich in grundsätzlicher Weise die methodische Frage: Wie ist die Bibel eigentlich auszulegen? Um geeignete Grundsätze dafür zu finden, wie die Bibel verantwortungsvoll zu lesen und auszulegen ist, stellen wir als nächstes die Frage nach ihrer Herkunft und ihrem Charakter. 2.3 Gotteswort oder Menschenwort - ist die Bibel als „göttlich” oder als „menschlich” zu betrachten? 2.3 Die Bibel - Gotteswort oder Menschenwort? Ist das in einem übertragenen Sinn oft Heilige Schrift genannte Buch eine göttliche Schöpfung, so dass das Menschliche ganz und gar vom Göttlichen in Besitz genommen wäre? Oder ist es eine riesige Sammlung von Glaubens-, Vertrauens- und Anfechtungszeugnissen, in denen Menschen mit ihrer gesamten Fehlbarkeit und Fehlerhaftigkeit nach Gott fragen, ihre Erfahrungen mit ihm erzählen und zu ihm beten? Kürzer gefragt: Handelt es sich um „Gottes Wort“ oder um „Menschenwort“? So klar diese Alternative wiederum scheint, auch sie vereinfacht nach beiden Seiten hin zu sehr und ist deshalb falsch. Weder ist die Bibel sozusagen als göttliche Offenbarung vom Himmel gefallen noch kommen ausschließlich Menschen und irdische Wahrheiten darin zu Wort. Sie ist vielmehr „zugleich menschliches Wort und Gottes Wort“ und eben darum Heilige Schrift 23 . Würde sie dagegen nur als Gottes Wort verstanden, dann würde sie an die Stelle Gottes selbst gesetzt und wäre so etwas wie ein „Papiergott“ 24 . Würde sie nur als menschliches Wort verstanden, dann würde ihr theologischer Anspruch ignoriert. Sie ist aber beides: „zugleich menschliches Wort und Gottes Wort“. Dies erklärt, weshalb einerseits Glaubensgewissheit („ewige Gewissheiten“), göttlicher Trost und Antworten auf die den menschlichen Horizont übersteigenden Fragen nach Leben und Tod, nach dem Woher, dem Wohin und dem Sinn des Ganzen aus ihr entnommen und gehört werden können und sie andererseits fast Seite für Seite 22 F. M ILDENBERGER , Dogmatik I, 64 weist analog auf die Gefahr einer „Magisierung der Texte“ im Gegensatz zu einer „Profanisierung“ biblischer Texte hin. Weitere Argumente gegen „ein ideologisches Konstrukt, das die Realität der Bibeln ignoriert“ führt S. A LKIER , Testament, 61-63(61) auf. 23 J. R INGLEBEN , Bibel, 15. 24 Zur Sache s. S. Z IMMER , Bibelwissenschaft, 52f. <?page no="47"?> 2 Warum wir heutzutage Ehebrecherinnen und Ehebrecher nicht mehr steinigen 48 voller menschlicher Widersprüche, Fragen und Zweifel ist. Diesbezüglich formuliert Joachim Ringleben mit Recht 25 : „Weil sie überall und immer Menschenwort ist, darum ist es unvermeidlich, dass sie Widersprüche enthält, Ungereimtheiten, ja Anstößiges, Überholtes, Abseitiges, Relikte barbarischer Urzeiten, weltanschauliche Voraussetzungen, die überholt, und legendäre oder mythische Elemente, die für uns obsolet sind, sprachliche, soziale, psychologische, moralische, rituelle Anschauungen aus uns fern gerückten Zeiten, irritierende Gegensätze von urtümlichem Opferdenken und vergeistigter Religiosität, von Moralischem und höchst Unmoralischem, unentwirrbar Dunkles und auch wieder hochgeistige Partien. Alles Glück und Unglück von Menschen, alle nur möglichen religiösen Aufschwünge und abgründigen Verirrungen, alle Lebensdimensionen vom Niedrigsten bis zum Höchsten, die ganze vieldeutige Fülle des Menschen, seines Glanzes und seines Elends, seiner Beirrtheit und Verfallenheit an die Welt und das Böse und seiner Sehnsucht nach Erlösung und Befreiung, seine Frömmigkeit und sein Unglaube, kurz: die unendliche Fülle dessen, was der Mensch ist und sein kann, dies Alles hat an der tausendjährigen Geschichte der Entstehung der Bibel mitgewoben und ist in ihr zu finden.“ Da die beiden Testamente der christlichen Bibel 26 eine Entstehungsgeschichte von rund 700 bzw. 70 Jahren haben 27 - zusammen etwa ein Millenium - und die verschiedenen Schriften beider Testamente an vielen Orten zwischen dem Zweistromland, Palästina, Kleinasien, Griechenland und Rom durch Menschenhand geschrieben wurden, ist die Verschiedenheit ihrer historischen und literarischen Prägungen mehr als verständlich 28 . Diese können erforscht, beschrieben und interpretiert werden, was in den exegetischen Wissenschaften fortwährend geschieht. Dadurch erschließt sich die Bibel nach und nach einer sachgemäßen Interpretation. Der theologische Anspruch dabei ist, dass die menschlichen Worte der Bibel die Güte und Liebe Gottes widerspiegeln wie Edelsteine, die im Licht der Sonne glitzern. Es wäre ein fataler Irrtum, diese Edelsteine als die Sonne selbst zu behandeln. Güte und Liebe Gottes strahlen durch die Bibel nicht unvermittelt (direkt) in Herz und Verstand eines Menschen, sondern vermittelt durch Schrift und Sprache, durch die die Erfahrungen früherer Menschen mit Gott überliefert und verdichtet sind. Die literarische Verarbeitung 29 dieser 25 J. R INGLEBEN , Bibel, 15f. 26 Zu Fragen ihrer Kanonisierung und (durchaus verschiedenen) Zusammensetzung s.o. S. 18-41. 27 Das Alte Testament etwa vom 9.-2. Jahrhundert v.Chr., das Neue Testament etwa von 50-120 n.Chr. 28 Zur „Bibel und ihre(r) Welt“ s. knapp G. B AUMANN , Bibel, 51-65. 29 Es handelt sich um „story“, nicht um „history“ (auch nicht um natural history), wie G. S ELLIN , Texte, 283 mit Recht betont. Als „Lehrstück über die Verkennung einer Ge- <?page no="48"?> 2.3 Die Bibel - Gotteswort oder Menschenwort? 49 Erfahrungen - die Bibel - spiegelt Gottes Güte und Liebe wider, ist aber nicht selbst Gott. Damit ist die Annahme einer absoluten Unfehlbarkeit und Irrtumslosigkeit der Bibel weder berechtigt noch sachgemäß, sondern vielmehr von Grund auf verfehlt. Denn die Bibel gehört theologisch betrachtet zur geschaffenen, entstandenen Welt; sie ist geschichtlich geworden 30 . Die Einsicht in den literarischen und historischen Charakter der Bibel zwingt zu der Folgerung, dass in ihr Gottes Wort im Menschenwort anzutreffen ist 31 . Dann aber muss dieses Menschenwort methodisch sorgfältig und verantwortungsvoll ausgelegt und interpretiert werden, vielleicht gelegentlich auch revidiert und ihm energisch widersprochen werden. Nur so kann Gottes Wort immer deutlicher und klarer durch die vielen menschlichen Worte hindurch scheinen und sich in und für die Gegenwart je und je zur Sprache bringen. Natürlich stellt sich dann in aller Deutlichkeit die Frage, woran denn Gottes Wort als solches innerhalb der Bibel erkennbar ist. Sie wird hier noch zurückgestellt, im weiteren Verlauf aber erneut aufgegriffen 32 . Zuvor ist hier auf eine andere Beobachtung hinzuweisen, die den geschichtlichen Charakter der christlichen Bibel innerhalb dieser selbst klar und deutlich zeigt. Angesichts der langen Entstehungszeit der 66 einzelnen biblischen Schriften 33 vom neunten Jahrhundert v.Chr. bis zum frühen zweiten Jahrhundert n.Chr. ist damit zu rechnen, dass bereits innerhalb dieser Schriften Spuren eines Revisions- und Auslegungsprozesses zu finden sind. Wenn sich dies als wahr erweist, bezeugt die Bibel selbst, dass sie ihrem Selbstverständnis nach bzw. dem ihrer Autoren weder nur als göttlich (Gotteswort) noch nur als menschlich (Menschenwort) zu betrachten ist, sondern Gottes Wort im Menschenwort ist. schichte (story) als reale Geschichte (history)“ nennt J. E BACH , Sinne, 155 die Erzählung von der Eroberung Jerichos (Jos 6), s. ebd., 155f. Vielmehr gilt: „Die Texte der Bibel sind literarische Werke, die Bibel ist Literatur! “, ebd., 152 (Hervorheb. im Original). 30 Werden biblische Texte „für allgemeine, zeitlos gültige Aussagen verwendet, liegt die Gefahr ihrer ideologischen Nutzung nahe”, so E. R EINMUTH , Anthropologie, 39. 31 Vgl. den gleichnamigen Artikel von J. R AHNER , Gotteswort im Menschenwort. 32 Zu Jesus Christus als Mitte der Schrift s.u. S. 56. 33 Nach der Lutherbibel handelt es sich um 39 alttestamentliche und 27 neutestamentliche Schriften. Die mit dem Alten Testament identische Hebräische Bibel zählt insgesamt 24 Schriften (z.B. werden die zwölf kleinen Propheten als ein Buch gezählt), während Septuaginta (= griechische Übersetzung des Alten Testaments) und die Bibel der Römisch-katholischen Kirche durch Hinzunahme einiger kleinerer Spätwerke insgesamt 46 Schriften zählen. Zu Kanon und Kanonisierung s. auch o. S. 18-41. <?page no="49"?> 2 Warum wir heutzutage Ehebrecherinnen und Ehebrecher nicht mehr steinigen 50 2.4 Revisions- und Auslegungsprozesse innerhalb der Bibel Tatsächlich befinden sich die biblischen Schriften seit ihrer Entstehung in einem fortwährenden Selbstauslegungsprozess. Dabei erfahren frühere Aussagen Widerspruch, werden revidiert oder sogar kritisiert 34 . Einige Beispiele zeigen, dass sich der Selbstauslegungs- und Revisionsprozess durch beide Testamente hindurch zieht. Obwohl Gott selbst in den Opfergesetzen der Tora Opfer gebot und diese im Tempel von Jerusalem geopfert wurden, lehnte er durch den Propheten Amos mit unglaublicher Schärfe diese Opfer und das Opfern überhaupt ab: 21 Ich hasse, ich verabscheue eure Feste, und eure Feiern kann ich nicht riechen! - 22 Und eure Speiseopfer - sie gefallen mir nicht! Und das Heilsopfer von eurem Mastvieh - ich sehe nicht hin! 23 Weg von mir mit dem Lärm deiner Lieder! Und das Spiel deiner Harfen - ich höre es mir nicht an! 35 Was hier geschieht, steht im Gegensatz zu weiten Teilen der Tora: „Amos spricht als Bote Jahwes die generelle Nichtanerkennung aller kultischen Darbringungen seiner Hörer aus“ 36 , also auch der Gesänge, Lieder und Musikstücke. Dass dies kein Einzelfall ist, zeigen ähnliche Stellen bei den Propheten Hosea oder Jesaja 37 , und der exilische Prophet Ezechiel geht noch weiter, indem er Gott sagen lässt (Ez 20,25): Da habe ich selbst ihnen Satzungen gegeben, die nicht gut waren, und Rechtssätze, durch die sie nicht am Leben bleiben konnten. Gott erklärt hier „gerade sein Gebot (…) zum Anlass des Verderbens“ 38 . Eine so scharfe Torakritik würde man wohl eher bei einem religiösen Konvertiten wie Paulus 39 erwarten als bei einem der großen Propheten Israels. Wird der alttestamentliche Sinaibund nicht entwertet, wenn Jeremia ihn als 34 Ähnlich N. S CHOLL , Bibel, 11: „Dieser Prozess schloss Veränderungen, Korrekturen, Ergänzungen und Auslassungen ein.“ 35 Am 5,21-23 ohne V. 22aa; zur Begründung s. H.W. W OLFF , Dodekapropheton 2, 303f. 36 H.W. W OLFF , Dodekapropheton 2, 307. 37 Am 4,4f; 5,5; Hos 6,6; 8,11-13; Jes 1,11-15; ferner Ps 50,8-13; 51,18; 69,32; zur Opferkritik s. F. S IEGERT , Synagoge, 338-341. 38 W. Z IMMERLI , Ezechiel 1, 449; zur Auslegung s. auch H. G ESE , Ezechiel 20,25f. 39 Zur Kritik an einem als tyrannisch, ritualistisch, unerfüllbar oder sekundär eingestuften Gesetz im 1. Jahrhundert n.Chr. - außer bei Paulus auch z.B. bei Philo und Josephus - s. jetzt I. P OLLMANN , Motive. <?page no="50"?> 2.4 Revisions- und Auslegungsprozesse innerhalb der Bibel 51 „gebrochen“ betrachtet und stattdessen einen neuen, im Herzen (intrinsisch) verankerten Bund verheißt? 31 Sieh, es kommen Tage, Spruch des H ERRN , da schließe ich einen neuen Bund mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda, 32 nicht wie der Bund, den ich mit ihren Vorfahren geschlossen habe, an dem Tag, da ich sie bei der Hand nahm, um sie herauszuführen aus dem Land Ägypten; denn sie, sie haben meinen Bund gebrochen, obwohl doch ich mich als Herr über sie erwiesen hatte! Spruch des H ERRN . 33 Dies ist der Bund, den ich mit dem Haus Israel schließen werde nach jenen Tagen, Spruch des H ERRN : Meine Weisung habe ich in ihr Inneres gelegt, und in ihr Herz werde ich sie ihnen schreiben. Und ich werde ihnen Gott sein, und sie, sie werden mir Volk sein. 40 Wird hier nicht die Mosetora vom Sinai als von außen an das Volk herangetragen kritisiert? Das Neue Testament („neuer Bund“) knüpft sachlich und begrifflich an die Verheißung dieses neuen Bundes an 41 . Dieser Revisions- und Selbstauslegungsprozess der Bibel geht im Neuen Testament weiter. Dass Jesus die nach dem Mosegesetz rechtmäßige und gebotene Steinigung einer Ehebrecherin verhindert hat (Joh 8,1-11), wurde bereits erwähnt. Ähnlich stellt er sich gegen eine überspitzte Einschärfung des Sabbatgebotes, indem er sich als „Herr auch über den Sabbat“ bezeichnet (Mk 2,23-28; 28). Paulus wendet sich gegen Beschneidung und Toraobservanz 42 , und der Hebräerbrief argumentiert entgegen der Mosetora, dass Tieropfer gar nicht sündentilgend wirksam sein können (Hebr 10,4): Denn es ist unmöglich, dass das Blut von Stieren und Böcken Sünden hinwegnimmt. Durch beide Testamente hindurch zieht sich eine Spur der Torakritik 43 , die oft von inhaltlichen Aspekten wie Barmherzigkeit, Treue, Recht und Gerechtigkeit aus argumentiert anstatt vom Wortlaut der Schrift 44 . Zusammenfassend postuliert K.-P. Jörns: „Religionsinterner und interreligiöser Pluralismus sind biblisches Erbe und wollen theologisch ernstgenommen werden” 45 . 40 Jer 31,31-33. 41 2 Kor 3,6.14; Hebr 10,15-17; s. ferner Gal 4,22-26(28-31). 42 Gal 2,16-18; 5,2f.11f. Nach Paulus ist Christus „Ziel und Ende des Gesetzes“, Röm 10,4. 43 Zur Frage der Verzehntung s. Mt 23,23 gegenüber Lev 27,30; Dtn 14,22; Lk 18,12. Zum „differenzierte(n) Nein zum Gesetz“ im Neuen Testament s. R. S MEND / U. L UZ , Gesetz, 86-128. 44 S. neben Mt 23,23 etwa Jes 1,17; Hos 2,21f; 6,6; Am 5,24; Mi 6,8; Sach 7,9; Ps 40,7; Prov 15,8f; 21,3. 45 K.-P. J ÖRNS , Abschiede, 103(-111). <?page no="51"?> 2 Warum wir heutzutage Ehebrecherinnen und Ehebrecher nicht mehr steinigen 52 Nach alledem ist überdeutlich, dass bereits in der Bibel selbst ein Revisions- und Auslegungsprozess zu erkennen ist: im Alten und im Neuen Testament. Das bedeutet aber, dass die Heilige Schrift bereits Schriftkritik durch sich selbst übt. Bereits in biblischer Zeit wird sie nicht als irrtumslos betrachtet, aber umso mehr als auslegungsbedürftig 46 und für ihre Rezipienten sozusagen auslegungspflichtig. Sie ist Gottes Wort im Menschenwort. Um beides sachgemäß zur Geltung zu bringen, sind auch heutzutage alle Mühen zur Interpretation, alle methodische Sorgfalt und alle Auslegungskunst notwendig. Ein sachgemäßes Verständnis erfordert darum einige Anstrengung 47 . 2.5 Verschiedene Schriftauslegung im Laufe der Kirchengeschichte Auch im Laufe der Kirchengeschichte wurde die Bibel in sehr verschiedener Hinsicht ausgelegt 48 . Neben die wörtliche Auslegung (Wortsinn) traten insbesondere drei weitere Auslegungsperspektiven. Sie sind bekannt unter der Bezeichnung vierfacher Schriftsinn 49 oder quadriga. Bereits im fünften Jahrhundert ist diese Art der Auslegung nachweisbar 50 , und sie ist die meistverwendete Auslegungsmethode während des gesamten Mittelalters, insgesamt mehr als tausend Jahre lang 51 . Ihre Methodik wurde in folgendem Merkvers in Hexametern zusammengefasst 52 : 46 Bereits das Alte Testament spiegelt „das Bewusstsein, daß der Text der Offenbarung von Anfang an Missverständnissen ausgesetzt, erklärungsbedürftig, dem Leser oder Hörer der eigenen Zeit nicht mehr klar ist“, so zusammenfassend C. D OHMEN / G. S TEMBERGER , Hermeneutik, 29. Zur „innerbiblische(n) Auslegung“ s. ebd., 24-29. 47 Ebenso E. H ARTLIEB , Schrift, 124: „Die Bibel als ‚Heilige Schrift‘ ist nicht identisch mit Gottes Wort, sondern ist Gottes Wort im Menschenwort. Als solches provoziert und braucht sie die Mühe und den Streit um ihre Auslegung.“ 48 Für einen ersten Überblick s. z.B. J. R OLOFF , Autorität, 89-95. 49 Präziser sollte man von vier „Einsichten“, „Deutungen“, „Verstehensweisen“ oder „Verständnisperspektiven“ (intelligentia) sprechen anstatt von verschiedenen „Sinnen“ (sensus); darauf insistiert mit Recht M. R EISER , Allegorese und Metaphorik, 139- 145. Demgegenüber ist nach U. L UZ , Bedeutung, 40(-42) eine „Vielzahl der Schriftsinne“ nicht grundsätzlich abzulehnen, ebd.: „Die Auslegung der Kirchenväter entspricht der durch heutige Leserforschung neu entdeckten Offenheit der Texte für vielfältige Lektüren.“ 50 Bei Johannes Kassian, gest. 432, s. K.S. F RANK , Cassian, 301f. Zur Allegorese innerhalb des Neuen Testaments s. den Überblick von M. R EISER , Biblische und nachbiblische Allegorese, 100-107. 51 Erst bei Luther wird sie aufgegeben und preisgegeben, s. G. E BELING , Evangelienauslegung, 289. 52 Durch den Dominikanerprior Augustinus de Dacia (Acho/ Åge von Dänemark, gest. 1285) in einem theologischen Handbuch, s. A. W ALZ , Rotulus, 256. <?page no="52"?> 2.5 Verschiedene Schriftauslegung im Laufe der Kirchengeschichte 53 (1) Littera gesta docet, (2) quid credas allegoria, (3) moralis quid agas, (4) quid speres (sive quo tendas) anagogia. Sinngemäß bedeutet dies: (1) Der Buchstabe (Litteralsinn) lehrt, was geschehen ist, (2) die allegorische (übertragene) Deutung (lehrt), was du glauben sollst, (3) die moralische (Deutung) (lehrt), was du tun sollst, (4) die anagogische (Deutung) (lehrt), was du hoffen sollst (wohin du streben sollst). Was damit gemeint ist, wird an einem Beispiel anschaulich. Der Satz „Jesus zog hinauf nach Jerusalem“ 53 kann in verschiedener Weise ausgelegt werden. (1) Im Litteralsinn zog Jesus in die religiöse Metropole seiner Zeit, die Stadt Jerusalem. (2) Die allegorische Deutung sucht nach der Glaubenswahrheit in Bezug auf Christus und die Kirche: Demzufolge kommt Jesus zu seiner Kirche. (3) Die ethische Perspektive sucht nach einer Verhaltensanweisung für den Einzelnen: Jesus kommt unter diesem Blickwinkel zu einer einzelnen menschlichen Seele. (4) Schließlich sucht der endzeitliche Sinn nach einem Bezug auf das Reich Gottes: Dann steht „Jerusalem“ für die himmlische Herrlichkeit, in die Jesus kommt. Jerusalem, Kirche, Seele oder Herrlichkeit: So verschieden wird „Jerusalem“ ausgelegt durch die Methode des vierfachen Schriftsinns (quadriga). Die drei geistlichen Deutungsperspektiven - Allegorie, Ethik und Eschatologie - stehen zugleich für die so genannten christlichen Tugenden nach 1 Kor 13 (V. 13): Glaube, Liebe und Hoffnung. Neben der wörtlichen Auslegung werden die Texte also „geistlich“ durch drei verschiedene christliche Brillen betrachtet: Glauben an Christus, Liebe zum Menschen und Hoffnung auf das ewige Leben. Es ist nicht erstaunlich, dass diese Methode in der neuzeitlichen protestantischen Theologie nicht mehr befriedigt 54 und man nach weiteren, besseren Auslegungsmethoden suchte. Die wissenschaftliche Methodik, die sich besonders seit der Aufklärung entwickelt hat, wird heute als historisch-kritische Methodik bezeichnet 55 . Ihr wenden wir uns im nächsten Schritt zu. 53 Mt 20,17; Joh 2,13; s. auch Lk 19,28. 54 Faktisch auch in der römisch-katholischen Theologie, wenngleich sie ausdrücklich daran festhält, s. im K ATECHISMUS DER K ATHOLISCHEN K IRCHE , 66f (Nr. 115-119). Durch die „römische(n) Anerkennung der historisch-kritischen Methoden“ entsteht freilich ein Spagat, so dass Exegese unter diesen entgegengesetzten Voraussetzungen „etwas Zweideutiges und fast möchte man sagen: Zwielichtiges“ bekommt, so M. R EISER , Prinzipien, 267. Für einen ganz anderen, „neuen vierfachen Schriftsinn“ tritt jetzt G. T HEISSEN , Exegese, ein. Demnach soll die Schrift „kritisch“, „existenziell“, „kanonisch“ und „kerygmatisch“ ausgelegt werden, ebd., 188-190. 55 Ihre Anfänge skizziert M. R EISER , Prinzipien, 238-245; zur Verbindung „historischkritisch“ s. ebd., 241f. <?page no="53"?> 2 Warum wir heutzutage Ehebrecherinnen und Ehebrecher nicht mehr steinigen 54 2.6 Was bedeutet „historisch-kritische Bibelauslegung“? Auf der Suche nach einer präzisen und genauen Auslegungsmethodik der Bibel hat sich bis heute ein offener Strauß von Methoden entwickelt 56 , der auch für andere Texte der Vergangenheit herangezogen wird. Zunächst wurde deutlich: Die drei Methoden der „geistlichen“ (spirituellen) Lesarten des vierfachen Schriftsinns lassen der Phantasie und den Intentionen des Auslegers 57 sowie der Kontingenz geschichtlicher Situationen (der Ausleger) zu viel Raum 58 . Umgekehrt erhalten die Texte zu wenig Platz: Sie bleiben allzu vieldeutig, auch vielfältig missbrauchbar und darum allzu uneindeutig. Für eine verlässliche, wissenschaftliche Exegese bleibt darum nichts anderes übrig, als den Wortsinn (Litteralsinn) möglichst präzise herauszufinden. Das Beispiel „Jesus zog hinauf nach Jerusalem“ bedeutet dann, er zog damals in seiner Zeit in die religiöse Metropole seiner Zeit, nämlich in die Stadt Jerusalem. Dabei wird deutlich: Der Wortsinn ist nicht von sich aus überzeitlich, sondern immer historisch konkret verankert. Theologisch entspricht dies dem Charakter der Inkarnation Gottes, der Menschwerdung des Wortes Gottes in dieser Welt. Die historische Rückfrage ergibt sich also aus der theologischen Grundüberzeugung, dass Gott in seinem Handeln die jeweils historische Situation nicht unberücksichtigt lässt. Jesus zieht nicht zu allen Zeiten in ein beliebig symbolisch gedeutetes „Jerusalem“. Er zog damals in die damalige, konkrete Stadt Jerusalem in Judäa bzw. Palästina. Dies bedeutet für die Auslegung, dass man so weit wie möglich eintauchen soll in die Welt der Texte. Es ist sorgsam darauf zu achten, dass Auslegungen nicht aus der Gegenwart oder anderen Zeiten mitgetragen werden, die zur Zeit der Abfassung und Veröffentlichung eines Textes gar nicht gemeint waren. Damit eine Textauslegung gelingt, die die Texte als solche hinreichend ernst nimmt, muss man sich also mit sich selbst entsolidarisieren und der Spur des Textes folgen 59 . In welche Zeit soll man sich also eindenken? Hier ist es nötig, sich die Eigenheit von Texten klar zu machen. Texte sind meistens nicht plötzlich einfach „da“. Vielfach haben sie eine Entste- 56 Eine knappe Skizze bei M. O EMING , Schriftauslegung, 199-201. 57 Ähnlich M. R EISER , biblische und nachbiblische Allegorese, 145: „Gefahr willkürlicher oder absurder Deutungen und Applikationen“. 58 Beispielsweise fällt in Luthers Evangelienauslegung „die auffallend starke Preisgabe der Allegorese um das Jahr 1524/ 5“ mit dem Höhepunkt „seines Kampfes gegen die Schwärmer, mit den Schriften gegen Karlstadt und Erasmus“ zusammen, s. G. E BE - LING , Evangelienauslegung, 357. 59 H. G ESE , Grundsätze, 249 geht aus vom „einfachen hermeneutischen Fundamentalsatz“: „Ein Text ist so zu verstehen, wie er verstanden sein will, d.h. wie er sich selbst versteht.“ Zwar dürfte sich ein Text kaum „selbst“ verstehen, aber er ist als Text und in seinem Textzusammenhang zu lesen, zu entschlüsseln und zu interpretieren. <?page no="54"?> 2.6 Was bedeutet „historisch-kritische Bibelauslegung“? 55 hungsgeschichte. Sie schreiben frühere Texte fort oder zielen auf eine bestimmte Wirkung bei ihren ersten Leserinnen und Lesern. Daher ist nach der Zeit der Veröffentlichung eines Textes zu fragen: Wie haben ihn die ersten Leser aufgefasst? Andererseits muss man auch hinter diese ersten Leserinnen und Leser zurückgehen, soweit dies möglich ist. Denn die Veröffentlichung eines Textes bildet den Abschluss seines Entstehungsprozesses. Wissenschaftliche Textauslegung ist deshalb eine historische Aufgabe. Sie erfordert ein Eindenken in historische Zusammenhänge zur (mutmaßlichen) Zeit der Textentstehung und in die intendierte Wirkung eines Textes. Genau dies bedeutet historisch-kritische Bibelauslegung: Dass man sich eindenkt in den Entstehungsprozess eines Textes, in die Situation seiner Fertigstellung und in die Wirkung auf seine ersten Leserinnen und Leser. „Kritisch“ bedeutet nicht, dass man in jedem Fall die Texte kritisieren möchte; es bedeutet vielmehr, dass man genau hinsieht 60 , wann, von wem, unter welchen Umständen, mit welchen Quellen, in welcher Gattung und mit welcher Wirkung ein Text verfasst wurde. Dabei wird vorausgesetzt, dass auch religiöse Texte nicht mit anderen Mitteln gedeutet werden als nicht-religiöse. Es gibt also keine besondere hermeneutica sacra (ars), keine besondere „fromme“ Textauslegungsmethode 61 . Vielmehr bedient man sich allgemeiner Methoden, die grundsätzlich für alle Texte gelten 62 . Thukydides, Cicero, Vergil, Dante, Cervantes, Shakespeare, Molière oder Goethe werden nicht anders ausgelegt als das Deuteronomium, die Psalmen oder das Markusevangelium. Dementsprechend gelten bei der historisch-kritischen Bibelauslegung die Prämissen von Kritik, Analogie und Korrelation 63 . Kritik bedeutet: Kein Text ist aus sich heraus so sakrosankt, dass er nicht ohne Denkbarrieren bedacht und ausgelegt werden dürfte. Analogie bedeutet: Kein Text ist so einzigartig, dass sich nicht irgendwo in einem anderen Text Ähnliches - zwar nicht genau dasselbe, aber doch Ähnliches oder in einzelnen Zügen Vergleichbares - wiederfände. Korrelation schließlich bedeutet: Jeder Text hat „Textnachbarn“, Nachbartexte, eine historische, literarische oder religiöse Umgebung, von denen her bestimmte Lichter auf einen Text fallen. Kein Text steht unverbunden und für sich allein. Nimmt man all dies zusam- 60 Das griechische kri3nein bedeutet: sichten, scheiden, sondern, unterscheiden usw. Es beruht auf einem genauen Hinsehen. 61 Dies ist geradezu eine Voraussetzung für den Sinn historisch-kritischer Bibelauslegung, vgl. J. R OLOFF , Autorität, 97: „Historisch-kritische Schriftauslegung hat ihre theologisch wichtige Funktion gerade darin, dass sie die unaufhebbare Distanz der Schrift zu uns immer wieder bewußt macht.“ Darum gilt (ebd.): „Keinesfalls kann die Kirche auf die historisch-kritische Schriftauslegung verzichten.“ 62 S. etwa M. O EMING , Hermeneutik, 31-174; G. T HEISSEN , Methodenkonkurrenz. 63 Ausführlich E. T ROELTSCH , Methode, 731-734. <?page no="55"?> 2 Warum wir heutzutage Ehebrecherinnen und Ehebrecher nicht mehr steinigen 56 men, dann wird historisch-kritische Bibelauslegung als überprüfbare, zeitgemäße und verantwortliche Auslegung des literarischen Textsinns verstanden. Die mit den Mitteln historischer Kritik und mit literarischen Interpretationsmethoden gewonnenen Ergebnisse werden in eine offene Diskussion eingebracht. Sie sind stets vorläufig und hinterfragbar. Daneben sind die überwiegend diachronen Methoden wissenschaftlicher Textauslegung offen für Ergänzung und nicht in sich abgeschlossen. Sie werden seit geraumer Zeit ergänzt durch synchrone Methoden, auf die hier nicht näher eingegangen wird 64 , z.B. die kanonische Bibelauslegung 65 . Im Rahmen kirchlicher Textauslegung spielt die Ausrichtung an den Bekenntnissen der Kirche eine wichtige Rolle. Wie passt das in den Texten Entdeckte zum Nizänischen Glaubensbekenntnis, wie zum Apostolischen, wie zu grundlegenden Bekenntnissen der Reformation wie der Confessio Augustana (1530) oder dem Heidelberger Katechismus (1563)? Für eine evangelische Theologie im Gefolge des Reformators Martin Luther und anderer liegt die Mitte der Heiligen Schrift in Jesus Christus, darin, „was Christum treibet“. Dieses Kriterium ist klassisch formuliert in Martin Luthers Vorrede zum Jakobusbrief: „Auch ist das der rechte Prüfstein, alle Bücher zu tadeln, wenn man siehet, ob sie Christum treiben oder nicht, sintemal alle Schrift Christum zeiget, Röm. 3 (21), und S. Paulus nichts als Christum wissen will, 1. Kor. 2 (2). Was Christum nicht lehret, das ist nicht apostolisch, wenn’s gleich S. Petrus und S. Paulus lehrete. Wiederum, was Christum predigt, das ist apostolisch, wenn’s gleich Judas, Hannas, Pilatus und Herodes täte.“ 66 Christus als sensus principalis scripturae 67 ist die Zentralperspektive der Schriftauslegung im christlichen Kontext. Dieses inhaltliche Kriterium zur Relevanz der Auslegungsergebnisse ist nicht nur sachlich notwendig, sondern auch theologisch angemessen. Denn die Autorität des Bibeltextes ist nicht als plan, flach oder gleichmäßig eben zu betrachten. Vielmehr bezeugt die Heilige Schrift Jesus Christus als Mensch gewordenen Sohn Gottes, und hier liegt seit den Anfängen der Kirche ihre Mitte 68 . Von dem in 64 Zur Einführung s. A. L EINHÄUPL , Methoden; ausführlicher W. E GGER / P. W ICK , Methodenlehre, 105-219. 65 Zur Einführung s. etwa M. O EMING , Schriftauslegung. 66 M. L UTHER , Vorrede, WA DB 7, 384, 26-32, zit. nach H. B ORNKAMM , Bibelvorreden, 216f. Zur Auslegung s. H.-M. B ARTH , Theologie, 154-159; W. H ÄRLE , Dogmatik, 135- 139; O. B AYER , Theologie, 73-75; ferner E. L OHSE , Bibel, 17-23. S. auch bereits 1 Kor 3,11; Act 4,11f; Joh 14,6; 20,30f u.a. 67 Hauptsinn der Schrift, dazu A. B EUTEL , Theologie, 445-447 (446). Zur Frage einer „Mitte der Schrift“ s. den gleichnamigen, grundlegenden Sammelband von M. K LOP - FENSTEIN / U. L UZ et al.; ausführlich auch P. S TUHLMACHER , Theologie II, 304-321. 68 Bereits für die Kirchenväter ist die christologische Mitte trotz verschiedener Bibelauslegung entscheidend, s. U. L UZ , Bedeutung, 45-50. Darin besteht „eine tiefe Konver- <?page no="56"?> 2.7 Eine oder mehrere Grundlagen der Ethik? 57 Christus durch Gott gestifteten Frieden her und auf ihn hin ist darum zu denken, auszulegen, zu leben und zu handeln. 2.7 Eine oder mehrere Grundlagen der Ethik? Der christologische Verstehensansatz der Bibel wird für die Überlegungen zu einer christlichen Ethik grundsätzlich beibehalten. Eine zeitgemäße christliche Ethik kann jedoch niemals auf einer einzigen Erkenntnis-, Werte- und Textgrundlage beruhen, auch nicht auf der Heiligen Schrift 69 . Wenn die Bibel Gottes Wort im Menschenwort ist, bedeutet dies auch, dass ihre Heiligkeit weder aus sich selbst noch aufgrund ihrer Herkunft besteht. Als heilig wird sie nur im übertragenen Sinn (metonymisch) bezeichnet 70 , weil sie Erfahrungen, die Menschen mit dem einen, heiligen Gott gemacht haben, erzählt, deutet und reflektiert. Infolgedessen wurde die Schriftensammlung als Kanon der Kirche akzeptiert und bildet die Heilige Schrift 71 . Die Bezeichnung Heilige Schrift ist deshalb sehr missverständlich, wenn man den Charakter der Metonymie (Begriffsübertragung) nicht mehr mithört. Dinge an sich, auch Bücher, sind nicht heilig. Würde man eine Ethik allein auf biblischen Texten aufbauen, so würde dies einen unhistorischen und unsachgemäßen Umgang mit diesen Texten bedeuten. Denn die Texte sind zwar aufgrund ihrer Kanonisierung für die Gegenwart relevant, aber nicht in unmittelbarem Sinn für die Gegenwart verfasst. Für zeitgemäße ethische Beurteilungen müssen notwendigerweise auch außerbiblische Aspekte berücksichtigt werden 72 : Vernunft, Erfahrung, Intuition, Gefühl, Gewissen, Eigeninteresse, Kontext, wissenschaftliche Perspektiven, Wissen über geschichtliche Kontexte der biblischen Texte. Diese zusätzlichen Grundlagen der Ethik zu ignorieren, hieße, einem einfachen (ignoranten) Biblizismus, der dem Geist der Bibel widerspricht, zu erliegen genz zwischen dem christologischen Verstehensansatz der Alten Kirche und demjenigen Luthers“, ebd., 48. Zu Letzterem formuliert G. E BELING , Evangelienauslegung, 452 außerst prägnant: „Die Logik der Hermeneutik ist keine andere als die Logik der Christologie.“ 69 Zu hermeneutischen Fragen der Bibelauslegung im Blick auf Ethik s. den Sammelband von M. H EIMBACH -S TEINS / G. S TEINS , Bibelhermeneutik. 70 Die Vorstellung stammt aus dem Judentum, s. J. M AIER , Art. Kanon/ Kanonisierung, 315: „Als ‚heilig’ galten ursprünglich Schriftrollen des Heiligtums (kitve ha-kodesh).“ 71 S. ausführlich o. S. 25-38. 72 Dazu ausführlich W. H ÄRLE , Ethik, 102-133. Bereits für John Wesley (1703-1791) gilt nach G. T HEISSEN , Glaubenssätze, 19: „Glaube hat als Quellen Bibel und Tradition, Erfahrung und Vernunft.“ Zu „Erkenntnisquellen der Ethik“ s. einführend A. H ECK , Grundkurs, 237-261. <?page no="57"?> 2 Warum wir heutzutage Ehebrecherinnen und Ehebrecher nicht mehr steinigen 58 mit fatalen Folgen 73 . Konsequenterweise müsste man dann Ehebrecherinnen und Ehebrecher auch heute noch im Namen der Religion steinigen - allerdings um den Preis jeglicher Humanität und Christlichkeit. 2.8 Was also tritt an die Stelle von Steinigung? Unter der Prämisse „was Christum treibet“ ist vergleichsweise einfach deutlich zu machen, was für Jesus an die Stelle von Steinigung trat: Nach Joh 7,53-8,11 hat Jesus zwar nicht das Gesetz außer Kraft gesetzt, aber doch wirksam „verhindert, daß eine Sünderin von Menschen gerichtet wird, die selbst Sünder sind und unter dem Gericht Gottes stehen“ 74 . Aus heutiger Sicht ist die Freiheit zu leben, sein Leben nach eigenem Ermessen zu gestalten und selbst zu bestimmen, ein Menschenrecht, das nicht durch eine religiöse Norm abgesprochen werden kann. Die Wahrung der Freiheit der Person und der Gleichberechtigung von Mann und Frau sind rechtlich festgelegt. Dies alles bedeutet: Ehebruch kann niemals durch die Todesstrafe sanktioniert werden. Nicht einmal dann, wenn es im Alten Testament geboten und im Neuen nicht außer Kraft gesetzt wird. Vom Alten und Neuen Testament her stehen vielmehr die Sorge um das Leben, das Wohlergehen und das Heil des Menschen im Zentrum. Daher treten Verständnis, Solidarität und Schutz, wie von Jesus beispielhaft vorgelebt, an die Stelle der Steinigung: Von Steinigung oder einer anderen Form der Todesstrafe bedrängten Menschen ist zu helfen, und Ehebrecherinnen und Ehebrecher oder andere an einem Gesetz schuldig Gewordene sollen nicht sterben. Das bedeutet nicht, dass deren Verhalten gebilligt und gelobt wird. Aber es hemmt die tödlichen Konsequenzen, die das mosaische (oder ein anderes) Gesetz vorsieht. Im Sinne Jesu ist Betroffenen mit dem Willen zur Versöhnung, mit Einsicht in die Problematik von Beziehungen, mit eigenem eindeutigem Verhalten und mit Selbstdisziplin zu begegnen. In jedem Fall steht die Liebe zu sich selbst und zum Nächsten, die bereits alttestamentlich geboten ist (Lev 19,18) und im Neuen Testament erneuert wird 75 , über der Anweisung, einen Menschen zu töten. Stark verkürzt könnte man daher formulieren: Segnung statt Steinigung, Heilung statt Verdammung. Ein Handeln in der Nachfolge und im Sinne Jesu 73 Z.B. der Erfüllung von Speisevorschriften, Opfervorschriften und letztlich dem Ziel eines historischen Stillstands. Wissen und Fähigkeiten z.B. in den Bereichen moderner Medizin, Technik, Infrastruktur, Kommunikation, Versorgungssicherheit, Lebensstandard usw. haben sich gegenüber alt- und neutestamentlichen Zeiten enorm fortentwickelt, und wohl kaum jemand würde darauf verzichten. 74 G. B RAULIK , Deuteronomium, 167. 75 G. T HEISSEN , Glaubenssätze, 374-377; G. G UTTENBERGER , Nächstenliebe, 51-108. <?page no="58"?> 2.9 Zusammenfassung 59 weiß sich einem lebensdienlichen, zukunftsweisenden Impuls verpflichtet, der Sünde nicht am Sünder festbindet (Joh 8,11): Da sprach Jesus: „Auch ich verurteile dich nicht. Geh, und sündige von jetzt an nicht mehr! ” 2.9 Zusammenfassung Wir versuchen, den bisherigen Gang unserer Überlegungen zusammenzufassen: 1. Die Anweisung, Ehebrecherinnen und Ehebrecher zu steinigen (Dtn 22,22) kann innerhalb der alttestamentlichen Texte, der alttestamentlichen Theologie und der alttestamentlichen Welt erklärt werden. Vom Ehemann, von Familieninteressen, von der Gesellschaft und von der religiösen Größe Israel aus gedacht ist es konsequent, „das Böse aus Israel auszurotten“ (Dtn 22,22). Die so rigide Strafandrohung diente in alttestamentlicher Zeit der Heiligung des Volkes Israel. 2. Eine ganz andere Frage ist diejenige nach der Relevanz dieses Textes in heutiger Zeit. Sie kann nur im Zusammenhang von Grundentscheidungen, wie die Bibel für heutige Zeit verantwortlich und transparent ausgelegt wird, beantwortet werden. Fundamentalismus und Biblizismus sind aus verschiedenen Gründen kein gangbarer Weg. Sie entsprechen auch nicht den Hauptrichtungen innerhalb des Alten und Neuen Testaments 76 . 3. Ihrer Herkunft und ihrem Charakter nach ist die Bibel eine von vielen Menschen geschriebene Bibliothek, die darin ihre Erfahrungen mit Gott widerspiegeln. In diesen menschlichen Brechungen und durch sie hindurch kommt Gottes Zuspruch und Anspruch zur Geltung. In einem Bild ausgedrückt: Das Wort Gottes fällt nicht unmittelbar wie Sonnenstrahlen vom Himmel, sondern kommt mittelbar über menschliche Worte zu uns. Grundfragen der Bibelauslegung sind deshalb auch theologische Grundsatzfragen. 4. Bereits innerhalb des Alten und Neuen Testaments finden sich vielfältige Revisions- und Auslegungsprozesse, in denen spätere Texte frühere Texte fortschreiben, präzisieren, revidieren und sogar korrigieren. Darin ist eine „Selbstauslegung“ der Bibel zu erkennen 77 . Daher ist die Bibel keinesfalls irrtumslos, wohl aber auslegungsbedürftig. Auslegerinnen und Ausleger tragen eine hohe Verantwortung und schulden dieser Aufgabe alle Mühe und alle methodisch kontrollierte Auslegungskunst. 76 Mit J. E BACH , Schrift, 163 könnte man skizzieren (Hervorheb. im Original): „ Klassische Texte bedürfen des gebildeten Publikums, das sie goutiert, heilige der Priester, die sie zu Gehör bringen, kanonische der Schriftgelehrten, die sie auslegen.” 77 Scriptura sacra sui ipsius interpres; zur Interpretation s. W. M OSTERT , Scriptura. <?page no="59"?> 2 Warum wir heutzutage Ehebrecherinnen und Ehebrecher nicht mehr steinigen 60 5. Auch im Laufe der Kirchengeschichte gibt es verschiedene Methoden (Formen) der Schriftauslegung. Neben die wörtliche Auslegung (Buchstabensinn) traten z.B. Auslegungen unter den Aspekten von Glaube, Liebe und Hoffnung als geistliche Verständnisperspektiven (spirituelle Auslegung). 6. Historisch-kritische Bibelauslegung setzt voraus, dass die Texte innerhalb einer bestimmten historischen Situation entstanden sind und in diese gesprochen haben. Welchen Sinn sie in dieser hatten, gilt es nachvollziehbar zu erhellen. Dazu bedient man sich einer methodisch geleiteten wissenschaftlichen Auslegung, die im Laufe der neueren Wissenschaftsgeschichte entstanden ist und ständig fortentwickelt wird. Maßgeblich dafür sind das Recht zur Kritik früherer Auslegungsergebnisse und der überlieferten Texte und Textsinne selbst sowie die Berücksichtigung von Analogien und Korrelationen des Textes. Einer kirchlich zu verantwortenden Auslegung ist zudem die Berücksichtigung der Bekenntnisaussagen vorgegeben. 7. Angesichts dieser Voraussetzungen kommen keinesfalls die Bibeltexte allein als Grundlagen gegenwärtiger ethischer Entscheidungen in Frage. Vielmehr sind z.B. auch aktuelle Rechtslagen in der Geschichte der Humanisierung des Menschen, technische und zivilisatorische Entwicklungen, das Wissen über geschichtliche Kontexte der Bibel sowie ganz allgemein Vernunft, Erfahrung und Gewissen mit einzubeziehen, wenn zeitgemäße ethische Entscheidungen getroffen werden sollen. 8. Eine Steinigung von Ehebrecherinnen und Ehebrechern ist demzufolge heute nicht mehr geboten, im Gegenteil! Die Freiheit und das Recht auf Selbstbestimmung der eigenen Person und des eigenen Lebens überwiegen bei weitem eine vergleichsweise archaische Rechtsvorschrift. Auch die biblischen Bücher geben die Erhaltung und Förderung des Lebens als sehr hohes und schützenswertes Rechtsgut vor. Was hier an einem einzigen Fall beispielhaft vorgeführt wurde, ist jedoch in vielen anderen Fällen analog zu bedenken und abzuwägen. Eine bloße Berufung auf „die Bibel“ war und ist 78 missverständlich und irreführend. Die Ergebnisse der Bibelauslegung und letztlich auch die Aussagen der Bibel selbst sind vielmehr zu messen an dem, was Jesus Christus lebte und lehrte 79 . 9. Ein Ergebnis unserer Überlegungen von grundsätzlicher Bedeutung lautet daher: Der Heiligen Schrift kommt keine allgemeine, durchgängige Autorität zu, sondern eine konkrete und gewichtete, und ihr Gewicht ist aus christlicher Perspektive ausschließlich und allein Jesus Christus (solus 78 Vgl. bereits das Handeln Jesu in Joh 7,53-8,11. 79 S. M. L UTHER , Vorrede, WA DB 7, 384, 26f.29-31: „Christum predigen und treyben“, „ob sie Christum treyben“, „was Christum nicht leret“, „was Christum predigt“. <?page no="60"?> 2.9 Zusammenfassung 61 Christus; Joh 1,18) 80 . Zwischen Fundamentalismus und Relativismus (Beliebigkeit) im Umgang mit der Heiligen Schrift liegt als goldener Mittelweg der Schriftauslegung die Orientierung an ihrer Christusgemäßheit. 10. Dies alles bedeutet: Auch wenn in der Bibel, wie eingangs sinngemäß erwähnt, steht: „Ehebrecherinnen und Ehebrecher sollen getötet werden! Kinder, die man liebt, sollen schon früh mit dem Stock (der Rute) geschlagen werden! Alkoholiker und Menschen, die ihr Geld sinnlos verschwenden (anstatt es einzuteilen) sollen am Stadttor zu Tode gesteinigt werden! “, auch wenn dies biblisch belegbar ist, ist es dennoch höchst problematisch für die Gegenwart, mehr noch: irreführend und falsch. Wie kann man mit diesen und vergleichbaren Anweisungen umgehen? Nach alledem ist eine Konsequenz unumgänglich: Vergleichbare Anweisungen sind in ihrer unerbittlichen und lebensfeindlichen Schärfe zu erkennen, sachgemäß historisch und literarisch zu interpretieren, theologisch zu gewichten und einzuordnen - und dann entschlossen und energisch zurückzuweisen. Man soll keinesfalls danach handeln. 11. Warum wir heutzutage Ehebrecherinnen und Ehebrecher nicht mehr steinigen: weil es allem, was Jesus tat und lehrte, widerspricht (theologisch-kirchliche Ebene), weil es einer willkürlichen Bibelauslegung Tür und Tor öffnen würde (wissenschaftlich-methodische Ebene) und weil wir uns durch solche Gewalt an anderen an diesen dauerhaft und schwer schuldig machen würden (juristisch-anthropologische Ebene). Aus gutem, nicht zuletzt aus theologischem Grund sind solche Gebote nicht in bürgerliche Gesetzbücher der Moderne übernommen worden. Christinnen und Christen haben mit darauf zu achten, dass dies auch so bleibt. 80 Vgl. die Thesen von W. J OEST , Fundamentaltheologie, 167f. <?page no="61"?> 3 Beziehungen zwischen Mann und Frau im Alten Testament, vertieft am Beispiel von Isaak und Rebekka „Das ist schwer: Ein Leben zu zwein. Nur eins ist noch schwerer: Einsam sein.“ 1 Von einer gegenwärtigen und zudem anwendungsorientierten Perspektive aus betrachtet, würde man vielleicht eher zugespitzt formulieren: Paare der Bibel - was können wir daraus für unsere Beziehungen und Beziehungskrisen lernen? Gegenüber einer solch verkürzten Themenformulierung wären jedoch zwei Modifikationen nötig: zunächst eine Beschränkung auf das Alte Testament, weil im Neuen Testament - sieht man von wenigen Paaren ab (z.B. Maria und Josef, Zacharias und Elisabeth, Prisca und Aquila 2 ) - einige Sonderbedingungen zu berücksichtigen wären (Stichworte: afamiliäres Ethos bei Jesus 3 , Paulus und die Frauen 4 , kurz: Zurückhaltung in puncto Paare und Paargeschichten). Realistischerweise sollten „Paare“ sodann zu „Beziehungen zwischen Mann und Frau“ erweitert werden 5 . Denn neuzeitliche Vorstellungen von einem „Paar“ würden den Blickwinkel auf das Thema m.E. zu sehr einschränken. Daher werden zuerst (1) rechtliche, soziale und gesellschaftliche Differenzen zur Gegenwart skizziert, ehe in einem längeren Abschnitt (2) Rahmenbedingungen und ungleiche Möglichkeiten für Männer und Frauen im Alten Testament in den Blick genommen werden. Anschließend werden (3) Beziehungen zwischen Mann und Frau im Überblick und (4) am Beispiel von Isaak und Rebekka fokussiert. Abschließend folgt eine kurze (5) Zusammenfassung. 1 Schlusszeilen von K. T UCHOLSKY , Ehekrach. 2 Letztere in dieser bemerkenswerten Reihenfolge, s. Röm 16,3; Act 18,18.26; Aquila zuerst in 1 Kor 16,19 und Act 18,2. 3 Für Jesu Verhalten gegenüber Frauen nach den synoptischen Überlieferungen s. ausführlich H. M ELZER -K ELLER , Jesus. 4 Aus der Fülle der Literatur sei pars pro toto D.B. M ARTIN , Paul, genannt; ferner S. H EI - NE , Art. Frau/ Mann, 178f. 5 Die Liebesbeziehung ist nach M. W ELKER , Beziehung, 547(-549) „das ideale Beispiel eines interpersonalen, reziproken ‚Verhältnisses’“. <?page no="62"?> 3.1 Rechtliche, soziale und gesellschaftliche Differenzen zur Gegenwart 63 3.1 Rechtliche, soziale und gesellschaftliche Differenzen zur Gegenwart Grundlegende Unterschiede zwischen unserem Kulturkreis und der Zeit des Alten Testaments liegen auf der Hand. Sie bestehen zwischen einer agrarisch-vorindustriellen Gesellschaft und einer Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft, zwischen einer mythisch-religiösen und einer empirisch-wissenschaftlichen Geisteshaltung, zwischen einem altorientalischen und einem globalen Bewusstsein von Geographie und Bevölkerung sowie zwischen einer alttestamentlichen und einer christlich umgeformten und weitergebildeten Daseins- und Handlungsorientierung 6 . Der historische Wandel ist durchaus gravierend: Im Verhältnis zwischen den Geschlechtern sprechen wir heute von Gleichberechtigung und Teilhabe, jedenfalls von einer theoretischen Chancengleichheit. Praktisch sieht es leider noch anders aus, wie z.B. am jährlich wiederkehrenden equal-pay-day abzulesen ist, der angesichts diskriminierend verschiedener Lohntüten zu mehr Gerechtigkeit mahnt. So lag 2008 „der Gender Pay Gap, das heißt der prozentuale Unterschied im durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von Frauen und Männern, wie bereits in den Vorjahren konstant bei 23%“ in Deutschland 7 . Noch ungleicher ist die Situation in den Familien. Hier liegt die zeitliche Belastung von Frauen „fast doppelt so hoch wie die der Männer“ 8 . Theoretische Chancengleichheit besteht heutzutage im häuslich-familiären, beruflichen, kirchlichen und im öffentlichen Bereich 9 . Mitbestimmungen sind in all diesen Bereichen gleichberechtigt durch Mann und Frau möglich. Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts wurden in den letzten hundert Jahren Schritt für Schritt abgebaut und sind inzwischen in aller Form - gesetzlich - verboten. Die programmatisch und gewissermaßen offiziell überlebenden Domänen männlicher Dominanz werden heute eher als Kuriosum betrachtet und müssen sich rechtfertigen; vielfach befinden sie sich im Bereich der Religion 10 . Männern und Frauen, Frauen und Männern stehen heute dieselben Menschenrechte zu und das Recht auf Unversehrtheit ihrer Person. Als weiteres Merkmal unseres Kulturkreises sind die weitgehenden Freiheitsrechte in der Entfaltung der eigenen Möglichkeiten zu nennen. Es gibt - wiederum zumindest theoretisch - eine Wahl- 6 Vgl. E.S. G ERSTENBERGER / W. S CHRAGE , Frau und Mann, 54. 7 S. www.equalpayday.de/ 10.html (15.03.2011). 8 M. D OMSGEN , Familie ist, Sp. 472; ebd.: „In den Familien dominiert also weiterhin das traditionelle Rollenmodell.“ 9 Nach D. Bonhoeffer, Ethik, 220 nennt die Heilige Schrift „vier solcher Mandate: Die Arbeit, die Ehe, die Obrigkeit, die Kirche“, ausführlich ebd., 222-224; umgestellt und leicht erweitert ebd., 303.308: Kirche, Ehe und Familie, Kultur, Obrigkeit. 10 Z.B. im Bereich von Leitung und Ämtern in Kirchen und Glaubensgesellschaften. <?page no="63"?> 3 Beziehungen zwischen Mann und Frau im Alten Testament 64 freiheit gegenüber verschiedenartigsten Lebensentwürfen 11 . Der so genannte westliche Kulturkreis hat sich nicht nur von Sklaverei, Leibeigenschaft, Berufs- und Standesbarrieren verabschiedet; es besteht darüber hinaus ein wachsender ideeller und gesellschaftlicher Konsens über die grundsätzliche Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung von Männern und Frauen 12 , der in der konkreten Ausgestaltung des Alltags immer wieder durchzubuchstabieren und einzulösen ist. Die - zumindest als Anspruch festgeschriebene - rechtliche, soziale und gesellschaftliche Gleichberechtigung und Freiheit von Männern und Frauen stellt einen zivilisatorischen Fortschritt in der Geschichte dar. Sie galt weder in früheren Jahrhunderten 13 noch (verständlicherweise) im Alten oder Neuen Testament. Der Rahmen unserer Vorstellungen von Mann und Frau hat sich daher grundlegend verändert. 3.2 Rahmenbedingungen und ungleiche Möglichkeiten für Männer und Frauen im Alten Testament 3.2 Ungleiche Möglichkeiten für Männer und Frauen im Alten Testament Blicken wir nun auf den Kulturkreis der biblischen Bücher, so verfügen dort Männer und Frauen über verschiedene Möglichkeiten ihrer Entwicklung, die ausgesprochen ungleich sind. Sie werden durch (1) wirtschaftliche, (2) rechtliche und (3) persönliche Bedingungen bestimmt. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die beiden Schöpfungserzählungen (Gen 1f), anthropologische Grundlagentexte von erstem Rang, ein durchaus anderes Bild zeichnen: Demnach erschafft Gott „den Menschen als sein Bild (…) als Mann und Frau“ (Gen 1,27). Frau und Mann sind hier in gleicher Weise Bild Gottes. In ähnlicher Weise bildet Gott in der zweiten, älteren Schöpfungserzählung „den Menschen“ (Gen 2,7), der erst in seiner Zweigeschlechtlichkeit „Mann“ und „Frau“ genannt wird (2,23) 14 . Diese für den „Anfang“ (Gen 1,1) skizzierte Gleichwertigkeit beider Geschlechter geht mit dem Sündenfall (Gen 3) offenbar verloren 15 . Sie ist angesichts der 11 Erneut ist diese nicht überall im Bereich der Religion angekommen, wie z.B. die Kontroversen um das Wohnen gleichgeschlechtlicher Paare im (evangelischen) Pfarrhaus zeigen. Gegen den entsprechenden § 39 des Pfarrdienstgesetzes der EKD wandten sich im Januar 2011 acht evangelische Altbischöfe in einem offenen Brief; s. ferner die Leserbriefe in F ÜR A RBEIT UND B ESINNUNG Nr. 1-4/ 2011. 12 Vgl. bereits die D ENKSCHRIFT ZU F RAGEN DER S EXUALETHIK (1971), 148: „Es gibt keine von Gott geschaffene Herrschaftsstruktur im Verhältnis der Geschlechter zueinander.“ 13 S. jetzt zum antiken Griechenland T.S. S CHEER , Geschlechtergeschichte. 14 S. A. S CHELLENBERG , Mensch, 131-134.221-224; ferner ebd., 383-386. Zum Ganzen s. auch M. N AVARRO P UERTO , Abbild. 15 C. F REVEL , Art. Frau/ Mann, 189: „Das partnerschaftliche Gegenüber von M.[ann] und F.[rau] ist das schöpfungsgemäße Verhältnis der Geschlechter, die patriarchale <?page no="64"?> 3.2 Ungleiche Möglichkeiten für Männer und Frauen im Alten Testament 65 ausgeprägten Ungleichheit der Rahmenbedingungen für Mann und Frau in der alttestamentlich-altorientalischen Welt besonders eindrücklich. 3.2.1 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen Rahmenbedingungen werden zunächst durch die spezifische Einbindung von Frauen in das Wirtschaftsleben einer Gesellschaft gesetzt, die ganz überwiegend bäuerlich geprägt ist. Lagen die Vertretung des Hauses nach außen sowie die außerhäusliche Produktion durch Feldarbeit oder Handwerk hauptsächlich und verantwortlich in den Händen von Männern, so ist das Haus der primäre und eigentliche Wirtschaftsraum von Frauen 16 . Dazu gehörte die tägliche Nahrungsversorgung der Familie - Getreide mahlen, Brot backen, warme Mahlzeiten zubereiten und Milchverarbeitung - sowie die Produktion von Textilwaren für die Familie und zum Verkauf: Wolle spinnen, färben und weben 17 . Zusammen mit der Versorgung und Erziehung der Kinder 18 sind das die wichtigsten, häufigsten und genuinen Tätigkeitsbereiche von Frauen. Gerade „die in Israel übliche rollenspezifische Arbeitsteilung“ begründet dabei „die Selbständigkeit der Frau im Haushalt“ 19 . In jedem Fall war es die Frau, die die Verantwortung, das „Controlling“, den Überblick über die Vorgänge im Haus behielt 20 . Hinzu kam die Sorge für das im Haushalt und bei der Kinderversorgung notwendige Wasser, das die Frauen üblicherweise selbst holten: „Der Gang zum Brunnen stellte somit die für Frauen grundlegende Möglichkeit für Außenkontakte dar.“ 21 Einander fremde Männer und Frauen konnten sich hier treffen und in Kontakt miteinander treten - spätere Hochzeit nicht ausgeschlossen 22 . Asymmetrie ist Folge der Sünde.“ Dazu auch W. B ÜHLMANN , Liebe, 88: „Wie Gen 2 bestätigt das Hohelied auch die Gleichwertigkeit der Geschlechter.“ 16 Vgl. W. Z WICKEL , Frauenalltag, 72; so auch in neutestamentlicher Zeit, s. E.W. S TEGE - MANN / W. S TEGEMANN , Sozialgeschichte, 317-319. Für E.S. G ERSTENBERGER / W. S CHRAGE , Frau und Mann, 54 ergab sich diese Arbeitsteilung „ganz natürlich aus den Notwendigkeiten der Feldarbeit und der Kinderaufzucht“; vgl. auch bereits Gen 3,16. 17-19. 17 F. C RÜSEMANN , Herr, 37; ähnlich ebd., 39; wichtige Erläuterungen geben W. Z WICKEL , Frauenalltag, 62-72; I. P ENNER et al., Leben, 15-29; ferner J. D ÖLLER , Weib, 57-61. Zum grundsätzlichen Quellenwert von Archäologie s. C. M EYERS , Archäologie. 18 Dazu s.u. S. 102-107. 19 F. C RÜSEMANN , Herr, 39; vgl. „ihr Haus“, Prov 31,15.21.27. In Prov 31 übernimmt die Frau weibliche und männliche Rollen, s. J. M ALDONADO , Family, 38. 20 Nach S. S CHROER , Kompetenzen, 25 stellt im alten Israel zwar „das Haus als Gebäude keine genderrelevante Trennlinie“ dar. Es kann „in seiner sozialen Bedeutung aber zu Klärungen beitragen“, s. ebd., ausführlich ebd., 9-12.26-28. 21 S. W. Z WICKEL , Frauenalltag, (69-)70. 22 Eliëser und Rebekka, Gen 24,11-61; Mose und Zippora, Ex 2,16-21; s. auch 1 Sam 9,11; Joh 4,5-42 (Jesus und die Samaritanerin). <?page no="65"?> 3 Beziehungen zwischen Mann und Frau im Alten Testament 66 Fraglich ist, inwiefern Frauen „ganz aus eigenem Entschluss Felder kaufen und Weinberge anlegen“ konnten, wie es das Schlusskapitel des Proverbienbuches erwähnt (31,16) 23 . Dabei dürfte es sich eher um Einzelfälle oder um eine literarische Idealisierung handeln als um Normalität 24 . „In der Grundtendenz“ - so die Gesamtbeurteilung des Mainzer Biblischen Archäologen Wolfgang Zwickel - „lässt sich jedoch festhalten, dass Frauen weitgehend bei ihren Tätigkeiten auf das Haus beschränkt waren, während Männer die Familie nach außen vertraten und auch vornehmlich außerhalb des Hauses arbeiteten. Je jünger die Texte sind, umso mehr wurde diese Grundtendenz aufgelöst, und je höher die gesellschaftliche Klasse war, um so eher wurden solche Grundnormen aufgegeben.“ 25 3.2.2 Rechtliche Rahmenbedingungen Rahmenbedingungen für das Zusammenleben von Mann und Frau werden sodann durch Rechtsnormen gesetzt, die ihrerseits Werte, Denken und Traditionen der alten Welt widerspiegeln. Die Verschiedenheit zwischen Frauen und Männern ist auch hier ausgesprochen grundsätzlicher Natur. „Alle grundbesitzenden, also freien und erwachsenen Männer“ waren rechtsfähig, Frauen jedoch nicht 26 : „Praktisch ihr ganzes Leben lang stand die Frau unter der Rechtsvormundschaft eines Mannes.“ 27 Dies wirkte sich z.B. bei der Möglichkeit zu erben aus: Eine Frau wurde bei der Erbfolge in aller Regel übergangen 28 . Besonders drastische Konsequen- 23 F. C RÜSEMANN , Herr, 38. Bei dem durch Prov 31,10-31 gegebenen „Einblick in die Alltagsarbeit der israelitischen Frau“ (C RÜSEMANN , ebd., 34) dürfte es sich „am ehesten (…) um eine nicht besonders wohlhabende, aber auch nicht unmittelbarem wirtschaftlichem Druck ausgesetzte freie israelitische Bauernfamilie der persischen Periode handeln“, also der Spätzeit innerhalb der Geschichte Israels. 24 Zur Rechtsfähigkeit von Frauen s. F. C RÜSEMANN , Tora, 292-294. Demnach bezieht z.B. das Deuteronomium Frauen „in das angeredete Du mit ein“, ebd., 294. 25 W. Z WICKEL , Frauenalltag, 73. 26 S. F. C RÜSEMANN , Herr, 21: „Im Prinzip sind also nur Männer rechtsfähig, alle Rechtssätze sind von Männern für Männer geschrieben. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, tritt die Frau dabei nur als Rechtsobjekt auf.“ G. B RAULIK , Deuteronomium I, 114 verweist anhand von Dtn 15,12.17 darauf, dass im Deuteronomium „auch die Frau rechts- und grundbesitzfähig ist“. Zu den familienrechtlichen Bestimmungen in den großen Gesetzessammlungen des Pentateuch s. den Überblick bei F. C RÜ - SEMANN , Herr, 22-25. Zur eingeschränkten Rechtsfähigkeit von Frauen im altorientalischen Umfeld s. S. D ÉMARE -L AFONT , Stellung; zu den Verhältnissen im antiken Griechenland s. W. S CHMITZ , Haus, 27-32.48-52.59-62.97-103.127-132.142-147. 27 F. C RÜSEMANN , Herr, 26; ähnlich ebd., 25. 28 Vgl. den Überblick bei C. G ERBER / D. V IEWEGER , Art. Erbe, 114. Num 27,1-11 (Zelofhads Töchter) versteht sich als Präzedenzfall, ist ein später Text und ermöglicht ein Erben nur für den Fall, dass keine Söhne vorhanden sind. <?page no="66"?> 3.2 Ungleiche Möglichkeiten für Männer und Frauen im Alten Testament 67 zen hatte diese Ungleichheit jedoch auf dem Gebiet des Eherechts. Deshalb werden im Folgenden nacheinander (1) Eheschließung, (2) Ehescheidung, (3) Ehebruch, (4) Polygamie bzw. Polygynie und die Vorstellungen von (5) Ehemann und Eheherr thematisiert. 3.2.2.1 Eheschließung Partnerlosigkeit war in Israel ein „Ausnahmefall“ 29 . Eine Eheanbahnung in Form eines Arrangements durch zwei Familienvorstände erfolgte „oft noch im Kindesalter der Betroffenen“ 30 . Bei der Eheschließung wechselte dann ein junges Mädchen aus der Gewalt des Vaters in den Besitz ihres Ehemannes. Ein Weisheitslehrer rät (Sir 7,25[27]): Gib eine Tochter (zur Heirat), und ein großes Werk wird vollendet sein; gib sie einem einsichtigen Mann. Der Ehemann zahlte einen Brautpreis, eine Art „Kompensationsgeld“ 31 oder „Ablösesumme“ für die ihrer Herkunftsfamilie fehlende „Leistungsträgerin“ 32 und holte sie dann verschleiert zu sich heim 33 . Zwar handelte es sich nicht um einen Kauf 34 , und die Frau wurde „nicht einfach als Ware angesehen“ 35 ; sie wurde aber „sozusagen an den Mann und seine Familie ausgeliehen“ und war deshalb „Eigentum des Mannes“ 36 . Dabei hatte er jedoch bestimmte Grenzen zu respektieren. Z.B. durfte eine im Krieg gefangen genommene Frau, die als Braut ausersehen wurde, nicht „als sexuelles Freiwild betrachtet“ werden, sondern musste insoweit „in ihrer Würde hoch geachtet“ werden 37 , als ihr eine einmonatige Trauer- und Karenzzeit zum Be- 29 H.-F. R ICHTER , Geschlechtlichkeit, 49-51. 30 A. B ERLEJUNG , Art. Ehe, 135. 31 F. C RÜSEMANN , Herr, 27; ausführlicher ebd., 26f. 32 W. Z WICKEL , Frauenalltag, 49f. Nach ebd., 50 dürfte „der Brautpreis eine wesentliche Rolle bei der Alterssicherung [sc. der zurückbleibenden Eltern; BM] gespielt haben“ Zum Brautgeld oder „Morgengabe“ s. auch O. D YMA , Art. Ehe, 1.3.3. 33 Dtn 20,7; vgl. bereits J. D ÖLLER , Weib, 42f. 34 Folglich darf sie auch nicht vom Ehemann verkauft werden, so H. S CHULTE , Frauengestalten, 27. 35 F. C RÜSEMANN , Herr, 27. 36 S CHULTE , Frauengestalten, 26f. F. C RÜSEMANN , Herr, 32: „Es ist nur konsequent, wenn die Dekalogfassung Ex 20,17 die Frau als Bestandteil seines Hauses, d.h. seines Besitzes aufzählt.“ Problematisch ist die Beurteilung von P. S CHMIDT , Vater, 106, nach der eine Frau „weniger Person als Sache“ war. Zweifellos wurde sie als Person angesehen (und nicht als Sache), zugleich aber als Besitz. Grundrechte auf Freiheit der Person oder freie Persönlichkeitsentfaltung, wie sie beispielsweise das Bonner Grundgesetz von 1949 formuliert (Art. 2), standen ihr hingegen nicht zu. 37 W. Z WICKEL , Frauenalltag, (52-)53. <?page no="67"?> 3 Beziehungen zwischen Mann und Frau im Alten Testament 68 weinen ihrer Eltern zustand 38 . Erst anschließend durfte sie geehelicht werden. Wenn dagegen besondere Vermögensverhältnisse zu beachten waren - die Braut z.B. vermögender war als ihr Bräutigam -, wurde sogar ein Ehevertrag aufgesetzt, wie er im Judentum bis heute üblich ist 39 . Im Ehevertrag (ketuba) waren die Vermögensverhältnisse detailliert aufgeführt. Als Beispiel blicken wir in den ältesten erhaltenen Vertragstext, der aus Oberägypten (von der Nilinsel Elephantine) etwa zur Zeit Nehemias stammt 40 . Was ist darin geregelt? Nach der Feststellung des Datums 41 und der beteiligten Parteien - ein königlicher Architekt als Bräutigam und ein Heeresangehöriger als Brautvater - wird die Braut namentlich genannt und eine Vermählungsformel angeschlossen: „Sie ist meine Frau, und ich bin ihr Mann von diesem Tag an bis in Ewigkeit“. Anschließend werden Brautpreis und Mitgift genau bestimmt mit dem Zusatz: „Dies (alles) ist bei dir (mir) eingetroffen, und dein (mein) Herz war damit zufrieden.“ Als Brautpreis wurden umgerechnet 43 g Silber bestimmt. Im Gegenzug brachte die Braut Bargeld in Höhe von etwa 100 g Silber mit sowie folgende Mitgift: zwei Wollkleider, Schal, Spiegel, Becher, Krug, Bett, Tablett, zwei Löffel, eine neue Schminkdose 42 , fünf Handvoll Rizinusöl sowie Sandalen. Alles in allem wurde diese Aussteuer auf einen Wert von knapp 500 g Silber beziffert. Diese Verbindung erscheint als ziemlich ungleich: Der Bräutigam erhielt gegen 43 g Silber die erbetene Frau mit einer Mitgift von rund 600 g Silber. Er zahlte also einen eher symbolischen Brautpreis, damit er heiraten konnte. Daher ist verständlich, dass diese Braut durch einen Ehevertrag geschützt wurde mit eindeutigen Bestimmungen zu ihren Gunsten. So wurden die beiden Ehegatten wechselseitig als Erben eingesetzt, sofern keine Kinder zu berücksichtigen waren, und auch die Frau hatte das ungewöhnliche Recht auf Scheidung 43 : „Wenn Miptahyah morgen oder an einem anderen Tag aufsteht und sagt: Ich trenne mich von meinem Mann Eschor, dann geht die auf die Scheidung stehende Geldstrafe zu ihren Lasten. Sie soll auf die Waage legen und ab- 38 Vgl. Dtn 21,10-13; der Abschied wurde durch das Ablegen der Kleider und das Abschneiden von Haaren und Nägeln anschaulich. 39 Für die Eheschließung im Judentum sind drei Akte konstitutiv, s. mQid 1,1 (405 S CHLESINGER ): „Eine Frau wird durch drei Arten erworben (…). Sie wird erworben durch Geld, Urkunde und Beischlaf.“ Zu Eheverträgen s. auch J.J. C OLLINS , Marriage, 107-112. 40 Übersetzungstext bei W. Z WICKEL , Frauenalltag, 53-55. 41 11. Oktober 435 v.Chr., d.h. innerhalb der 27., so genannten ersten Perserdynastie. 42 Zu Körperpflege und Kosmetik s. ausführlich W. Z WICKEL , Frauenalltag, 87-97; M. F EINBERG V AMOSH , Frauen, 77-82; zu Kleidung und Schmuck s. S.A. K ERSKEN , passim; ferner zum Ganzen bereits J. D ÖLLER , Weib, 62-72. 43 Zur rechtlichen Situation in rabbinischer Zeit s. M.L. S ATLOW , Marriage, 352f. <?page no="68"?> 3.2 Ungleiche Möglichkeiten für Männer und Frauen im Alten Testament 69 wägen für Eschor Silber, sieben Schekel und zwei Viertelschekel [65,02 g]. Und alles, was sie in ihrer Hand eingebracht hat, wird sie hinwegtragen, bis auf den letzten Faden. Und sie darf gehen, wohin sie will, und zwar ohne Gerichtsverhandlung und ohne Prozess.“ Bei dieser weitreichenden Regelung konnte ihr Mann keinerlei Interesse an einer Scheidung haben. Er durfte außerdem weder eine weitere Frau noch Kinder von einer weiteren Frau haben und musste ihr die Mitgift belassen und erhalten. Da Zuwiderhandlung mit einer sehr hohen Geldstrafe belegt war (etwa 1666,6 g Silber), genoss diese vermögende Frau einen beachtlichen Schutz in ihrer Ehe. Zwar war es der Mann, der diesen Vertrag mit seinem Schwiegervater schloss; aber im Vehältnis zu seiner Braut war er eindeutig der schwächere Part. Was in diesem Ehevertrag fehlt, ist irgendeine Form religiöser Anrufung oder Sanktionierung. Es handelt sich um einen nüchternen juristischen Vertragstext 44 . Etwas anders - religiöser - liest sich die Eheschließung bereits im Büchlein Tobit, das gut 200 Jahre später datiert (um 225-175 v.Chr.): 15 Und er (Raguël als Schwiegervater) nahm die rechte Hand seiner Tochter und legte sie Tobias in die rechte Hand und sprach: Der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs sei mit euch! Er gebe euch zusammen und schenke euch seinen Segen! 16 Und sie nahmen eine Schriftrolle und schrieben den Ehevertrag; 17 und sie lobten Gott und hielten das Mahl. 45 Demnach gehörten eine Art Ehesegen und ein Hochzeitsschmaus zur Eheschließung dazu. Bereits für die Frühzeit Israels wird von einem einwöchigen Fest erzählt 46 . 3.2.2.2 Ehescheidung Dass die Ehe als Metapher für den Bund Gottes mit seinem Volk dient 47 , zeigt die sehr hohen Erwartungen an ihre Festigkeit und Unauflösbarkeit 48 . 44 Man fühlt sich als Protestant (evangelischer Christ) unwillkürlich erinnert an Luthers Ehelehre: „Es kann ja niemand leugnen, dass die Ehe ein äußerlich weltlich Ding ist, wie Kleider und Speise, Haus und Hof weltlicher Obrigkeit unterworfen“, M. L UTHER , WA 30/ III, 205,12f; vgl. dazu K. S UPPAN , Ehelehre, 36-40; K.-H. S ELGE , Ehe, 84-87. 45 Tob 7,15-17. 46 Sieben Tage: Gen 29,22.27; Ri 14,10.12; vierzehn Tage: Tob 8,22; E.S. G ERSTENBERGER / W. S CHRAGE , Frau und Mann, 38; weitere Einzelheiten bei P. V OLZ , Altertümer, 335- 339. Zu den antiken jüdischen Heiratsgepflogenheiten s. H. T IEDEMANN , Erfahrung, 142-152; P. B ILLERBECK , Kommentar II, 372-399. <?page no="69"?> 3 Beziehungen zwischen Mann und Frau im Alten Testament 70 Die Lebenspraxis verlangte freilich nach Ehescheidungen, und es gab sie in geregelter Form. Ähnlich wie die Hochzeit kein öffentlich-rechtlicher, sondern ein privatrechtlicher Akt war - bis heute ist dies in Israel so 49 -, war auch die Ehescheidung, genauer gesagt: die Entlassung der Ehefrau, privatrechtlich geregelt. Als Grund genügte nach dem fünften Buch Mose, dass ein Mann „keinen Gefallen mehr“ an seiner Frau fand (Dtn 21,14). Auch Ungehorsam wurde als Scheidungsgrund genannt (Sir 25,34): „Will sie dir nicht folgen, so scheide dich von ihr.“ 50 Ein Mann konnte grundsätzlich seiner Frau einen „Scheidebrief“ schreiben, den er ihr aushändigen musste; dann durfte er sie „aus seinem Haus“ verstoßen (24,1 51 ). Die Frau war daraufhin wieder frei, und sie bekam ihre Mitgift zurück, wie ein Scheidebrief aus Masada im Jahr 71 oder 72 n.Chr. belegt: „Ich (…) entlasse und verstoße heute aus freiem Willen dich, meine Frau Mirjam (…), so dass du Verfügungsgewalt über dich selbst hast, zu gehen und die Frau für jeden jüdischen Mann zu werden, den du willst. Und dann bekommst du von mir ein Dokument der Verstoßung und einen Scheidebrief. Dann gebe ich den gesamten Anteil heraus. Und alles, was zerstört ist, und alle Schäden und Verluste werde ich dir zahlen, wie es als Rechtsentscheid festgelegt sein wird; die Auszahlung aber geschieht in vier Raten.“ 52 Leider sind keine Entlass- oder Scheidebriefe aus alttestamentlicher Zeit erhalten 53 . Deutlich ist aber das Ungleichgewicht zwischen Mann und Frau: „Die Scheidung konnte (…) nur vom Mann ausgesprochen werden. Die Frau hatte dagegen keinerlei rechtliche Möglichkeiten, sich von ihrem Mann zu lösen.“ 54 Ebenso wie immer nur ein Mann eine Frau „heiratet“ 55 , kann nur 47 S. nur Hos 2; Jes 54,4f; Jer 2,2; 3,20; zu „Geschlechtermetaphorik und Gottesverhältnis“ s. ausführlich die gleichnamige Monographie von R. Z IMMERMANN . 48 Sie werden im Neuen Testament eher noch verstärkt, s. K.-H. S ELGE , Ehe, 14-17.17-36. 49 Nach S. B EN -C HORIN , Tafeln, 133 gibt es „im Staat Israel kein weltliches Standesamt“, und das Eherecht gehört nach wie vor „zu den Prärogativen des orthodoxen Rabbinats“ - mit allen Konsequenzen z.B. für religionsverschiedene Ehen. 50 „Wenn sie nicht gemäß deinen Händen wandelt, schneide sie von deinem Leib ab“ (Übersetzung nach Septuaginta Deutsch). Vgl. im Gegensatz dazu „ein Fleisch“, Gen 2,24. 51 Zur Begründung „weil er etwas Schändliches an ihr gefunden hat“ s. F. C RÜSEMANN , Herr, 30: „Am ehesten ist Abstoßendes im sexuellen Bereich gemeint, womit wohl Krankheiten, Anomalien und sexuelle Vergehen umschlossen sind. 52 I. K OTTSIEPER , Texte, 271, orthographisch modifiziert nach W. Z WICKEL , Frauenalltag, 60. 53 Nach F. C RÜSEMANN , Herr, 30 „wissen wir für die alttestamentliche Zeit überhaupt nichts über die konkrete Praxis“. In Jes 50,1 und Jer 3,8 liegt ein metaphorisches Verständnis vor. 54 W. Z WICKEL , Frauenalltag, 60. In 1 Sam 25,44 geht die Initiative vom Schwiegervater, der zugleich König war, aus: „Saul aber hatte Michal, seine Tochter, die Frau Davids, <?page no="70"?> 3.2 Ungleiche Möglichkeiten für Männer und Frauen im Alten Testament 71 von ihm die Scheidung ausgehen: Es ist jeweils der Mann, der sich eine Frau „nimmt“, über sie „herrscht“ bzw. sie „wegschickt“ oder „verstößt“ 56 . Der jüdische Weisheitslehrer Pseudo-Phokylides rät sicherheitshalber: „Gehe nicht nach einer Ehe noch eine zweite ein - (du häufst ja nur) Unglück auf Unglück“ 57 . 3.2.2.3 Ehebruch Bereits für eine Braut konnte es lebensgefährlich sein, wenn sie überführtermaßen nicht als Jungfrau in die Ehe ging: „die Männer der Stadt sollen sie zu Tode steinigen, weil sie eine Schandtat in Israel begangen“ hat 58 . Sowohl das Risiko eines vorehelichen Geschlechtsverkehrs als auch die Aufgabe, sich davor zu schützen, und die Beweislast lagen bei der Frau. Nach Dtn 25 konnte eine verlobte Jungfrau bei einem versuchten Übergriff innerhalb der Stadt um Hilfe rufen und dadurch die Schande und die Gefahr für ihr Leben abwenden. Wenn sie außerhalb der Stadt vergeblich um Hilfe rief, dann „soll[te] der Mann (…) allein sterben“ (Dtn 22,25-27; 25). Wenn sie jedoch innerhalb der Stadt nicht um Hilfe rief, dann sollte man beide steinigen, „das Mädchen, weil es in der Stadt nicht geschrien hat, und den Mann, weil er die Frau seines Nächsten gedemütigt hat“ (22,23f; 24). Eine verlobte Frau war also genauso geschützt wie eine verheiratete. Denn wenn jemand Ehebruch mit einer verheirateten Frau begangen hatte, sollten ebenfalls beide gesteinigt werden (22,22; Lev 20,10) 59 . Bei solchen rechtlichen Regelungen ist jedoch zu berücksichtigen, dass sie „nie einfach Realität abbilden“ 60 . Sie enthalten vielmehr „ein Idealbild, ein Programm“, wie Beziehungen zwischen Mann und Frau geregelt und Zuwiderhandlungen rechtlich sanktioniert sein sollten, „ohne dass von da ein direkter Rückschluss auf die wirklichen Verhältnisse möglich wäre“ 61 . Weitaus weniger war ein Mädchen geschützt, das noch nicht verlobt war (Ex 22,15f; ähnlich Dtn 22,28f): Palti gegeben, dem Sohn des Lajisch, der aus Gallim war.“ David revidierte dies mit Erfolg, s. 2 Sam 3,13; 6,16-23. Neben 1 Kor 7,10-16 setzt auch Mk 10,12 eine Scheidungsinitiative von Seiten der Frau als möglich voraus, wie es hellenistischem Recht entspricht. 55 Nach J. S CHARBERT , Art. Ehe, 311 kennt das „Hebräische … keinen Terminus für ‚Ehe’ oder ‚heiraten’“. 56 S. xql , lib , xlw , und wrg ; dazu G. B AUMANN , Liebe, 49. 57 PsPhok 205 (214 W ALTER ). 58 Dtn 22,(13-)21. 59 Vgl. dazu o. S. 43f.58f. 60 R. K ESSLER , Sozialgeschichte, 37. 61 Ebd. <?page no="71"?> 3 Beziehungen zwischen Mann und Frau im Alten Testament 72 15 Wenn jemand eine Jungfrau, die nicht verlobt ist, verführt und mit ihr schläft, soll er das Brautgeld für sie entrichten und sie zur Frau nehmen. 16 Weigert sich ihr Vater, sie ihm zu geben, soll er Geld bezahlen in der Höhe des Brautgeldes für Jungfrauen. In diesem Fall lag es am Mann, ob er sich zu der aufgenommenen Verbindung bekannte und sie im Nachhinein zu legitimieren suchte. Das bedeutet: Das Risiko des Mannes bestand in der Zahlung eines Brautpreises und einer möglicherweise damit neu eingegangenen Ehe, für die er ab da zu sorgen hatte. Nach Dtn 22,19 darf zwar eine solche Ehe lebenslang nicht mehr aufgelöst werden; aber gerade diese spätere Regelung zeigt, dass eine unwillkommene Ehe in der Praxis schnell wieder gelöst wurde 62 . Das Risiko der Frau oder des Mädchens war ungleich höher: Ihr drohten entweder (1) Zwangsehe, wenn ihr Vater sie diesem Mann gab, oder (2) Lebensgefahr und Todesstrafe, wenn der Mann sich nicht zu ihr bekannte, sie keinen glaubhaften Beweis führen konnte, aus welchen Gründen auch immer das Geschehene verschwieg - und dann in der Hochzeitsnacht „entdeckt“ wurde (Dtn 22,13-21). Zwischen Zwangsehe, Lebensgefahr und Todesstrafe hatte eine Jugendliche wohl nur in seltenen Fällen eine Wahl, da diese Entscheidung von den für sie zuständigen Männern gefällt wurde. Viele Eltern zogen aus dieser misslichen Rechtslage die Konsequenz, ihre Tochter möglichst frühzeitig einem Mann zu verloben: Im antiken Judentum galt „als normale Verlobungszeit“ das Alter „zwischen 12 und 12½ Jahren“ 63 . Die Grenze eines Mannes war offenbar da, wo ein anderer Mann, ein „Nächster“ 64 , einen Anspruch hatte. Deshalb ist Ehebruch für einen Mann nur gefährlich, wenn die Frau verheiratet oder - was rechtlich gleichbedeutend ist - verlobt ist: „Der Mann bricht die Ehe nicht, wenn er ein außereheliches Verhältnis hat, aber seine Frau bricht sie, wenn sie sich mit einem anderen Mann einlässt. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen.“ 65 Die zehn Gebote verbieten deshalb einem Mann, in eine andere Ehe einzubrechen (Ex 20,14; Dtn 5,18). Seine eigene - oder genauer: eine seiner eigenen Ehen - kann jedoch nur von seiner Frau bzw. einer seiner Frauen gebrochen werden. Nach dem zehnten Gebot gehört sie zu seinen Besitztümern und nimmt dort eine Vorrangstellung ein: In Dtn 5 wird sie vor dem 62 Wenn die Frau „nicht mehr gefällt“, s. Dtn 21,14; 24,1. 63 S. P. B ILLERBECK , Kommentar II, 373-375 (374). „Aber auch Verheiratungen von Mädchen vor vollendetem 12. Lebensjahr scheinen nicht selten gewesen zu sein“, ebd.; s. auch ebd., 146f. Der um die Zeitenwende wirkende jüdische Weisheitslehrer Pseudo- Phokylides rät zum Einschließen einer jungfräulichen Tochter „bis zur Hochzeit“ (216; 215 W ALTER ). 64 Ex 20,17; Dtn 5,21; dazu M. K ÖCKERT , Gebote, 84. 65 R. G OEDEN , Stellung, 27. <?page no="72"?> 3.2 Ungleiche Möglichkeiten für Männer und Frauen im Alten Testament 73 Haus des Mannes genannt (5,21), in Ex 20 danach und vor Knecht und Magd (20,17). Aufgrund dieser Einseitigkeit im Verständnis von ehelicher Treue und von Ehebruch waren für den Mann „Beziehungen zu Sklavinnen 66 und weithin wohl auch zu Prostituierten“ 67 straffrei (z.B. Juda und Tamar, Gen 38). Sklavinnen wurden nach dem Bundesbuch im Gegensatz zu Sklaven nicht im siebten Jahr freigelassen (Ex 21,1-6.7-11), sondern „in der Regel zu einer Nebenfrau ihres Besitzers gemacht“, d.h. „in eine Ehe oder eheähnliche Beziehung gezwungen“ 68 . In Bezug auf Prostituierte kalkuliert ein Weisheitslehrer im Buch der Sprüche Kosten und Risiko für einen Mann folgendermaßen (Prov 6,26, s. ferner 6,32-35): Eine Hure kostet nicht mehr als einen Laib Brot, die Frau eines anderen Mannes aber trachtet nach dem kostbaren Leben. Dass Ehebruch tatsächlich durch Steinigung bestraft wurde, ist im Alten Testament nicht belegt; in Joh 7,53-8,11 im Neuen Testament wendet Jesus eine entsprechende Bedrohung ab 69 . Bekanntlich geht der Mann dort von vornherein straffrei und unentdeckt aus. Nur die Frau wird in die Öffentlichkeit, in Schimpf und Schande und zur Steinigung gezerrt. 3.2.2.4 Polygamie/ Polygynie Grundsätzlich durfte ein Mann mehrfach heiraten, eine Frau nicht. Kinderlosigkeit war ein häufiges Motiv für eine zweite oder weitere Ehe des Mannes. Allerdings durfte er keiner seiner Frauen Nahrung, Kleidung oder ehelichen Verkehr vorenthalten (Ex 21,10). Tat er es doch, dann hatte er sie „ohne Lösegeld“ freizugeben (21,11). Verheiratete Frauen sollten also in jedem Fall gut versorgt sein, auch wenn sie, wie die Beispiele von Jakob oder Elkana zeigen 70 , nicht in derselben Intensität geliebt wurden. Entsprechend durfte der erstgeborene Sohn beim Erbe keinesfalls übergangen werden, auch wenn er von der „ungeliebten“ Frau stammte (Dtn 21,15-17). Üblich war in Israel entweder Monogamie oder Bigamie; genauer müsste man von Bigynie sprechen. Mehr als zwei Frauen sind nur von besonders hochge- 66 Zur geringen Rechtsstellung von Sklavinnen s. F. C RÜSEMANN , Herr, 32-34; K. F IN- STERBUSCH , Frauen, 382-388. Töchter wurden zuerst - vor den Söhnen - in die Sklaverei weggegeben (Neh 5,5). 67 F. C RÜSEMANN , Herr, 29. „Meist trieb das Schicksal die Frauen in die Prostitution“, so W. Z WICKEL , Frauenalltag, 124-127 (126). Ohne Ehemann, Erbe und Sohn fehlte einer Frau der Lebensunterhalt. 68 F. C RÜSEMANN , Herr, 33. 69 Steinigung wird ferner in Mt 21,35; 23,37 par Lk 13,34; 20,6; Joh 10,31; Act 7,59; 14,19 (von Paulus überlebt) erwähnt. 70 Gen 29f; 1 Sam 1. <?page no="73"?> 3 Beziehungen zwischen Mann und Frau im Alten Testament 74 stellten Personen wie Königen oder sehr Reichen bekannt 71 . Allerdings gab es für jeden freien Mann die Möglichkeit, dass den Hauptfrauen Nebenfrauen an die Seite gestellt wurden. Sie waren „deutlich auf einer sozial niedrigeren Stufe als die Hauptfrauen“ 72 ; teilweise handelte es sich um Sklavinnen. Der Erzvater Jakob z.B. hatte zwei Haupt- und zwei Nebenfrauen 73 . Der Begriff „Polygamie“ ist genau genommen also als „Polygynie“ zu verstehen, die im Alten Testament keine negative Wertung erfährt 74 und im Alten Orient insgesamt den Normalfall darstellt 75 . Haupt- und Nebenfrauen waren mehr als auf ihren Mann auf Nachkommenschaft hin ausgerichtet, wobei vor allem Söhne im Mittelpunkt des Interesses standen 76 . In diesem Zusammenhang ist auch die so genannte Schwager- oder Leviratsehe zu erwähnen. Sie bedeutet: Verstirbt ein Israelit kinderlos, so fällt dessen Bruder die Aufgabe zu, die Witwe zu ehelichen und anstelle seines Bruders für diesen einen ersten Sohn zu zeugen (Dtn 25,5-10). Kinder gehörten grundsätzlich und auch bei Scheidung der Familie des Mannes an. „Ein Stück weit rechtsmündig“ war die Frau „nur in wenigen Fällen als Mutter“ 77 . Als Witwe genoss sie sozialen und wirtschaftlichen Schutz 78 . 71 R. G OEDEN , Stellung, 12f. 72 F. C RÜSEMANN , Herr, 29; ausführlich K. E NGELKEN , Frauen, 74-126; A. P ODLECH , Sex, 86-91. Zu einer „Rangordnung der alttestamentlichen Frauen“ in fünf Gruppen s. ebd., 185. 73 Ein Überblick mit den jeweiligen Söhnen in Gen 35,23-26. Zu triangulierten Beziehungen mit Blick auf ihre Nachkommenschaft s. B.S. J ACKSON , Observations, bes. 46- 49. 74 S. die Übersichten bei K. E NGELKEN , Frauen, 119-124. So waren die Rabbinen beispielsweise der Meinung, „Polygamie sei erlaubt, da es nirgends in der Tora verboten ist“, s. D.R. S CHWARTZ , Bedeutung, 96 Anm. 5. „Eindeutige Kritik“ erfährt Polygamie hingegen in den Qumranschriften, und im Neuen Testament „ist ausschließlich von der Einehe die Rede“, s. H. L ICHTENBERGER , Schöpfung, 288. Freilich ist zu fragen: Werden in der Perikope der so genannten Sadduzäerfrage (Mk 12,18-23 parr. Mt 22,23-28 und Lk 20,27-33) nicht implizit polygame Verhältnisse vorausgesetzt, zumal der Aspekt eines Nachkommens nur für den ältesten der sieben Brüder thematisiert wird? Da der Gefragte - erwartungsgemäß - keinen Anstoß daran nimmt, scheint die Akzeptanz von Polygamie an dieser Stelle für Jesus vorauszusetzen zu sein. Zusammen mit der in Mk 10,6-8 implizit bezeugten Monogamie wäre eine Pluralität ehelicher Formen dann nicht nur im ersten Testament der Heiligen Schrift, sondern auch bei Jesus von Nazareth selbst gut möglich. 75 G. B AUMANN , Liebe, 49 betont, „daß die Ehe im Alten Orient prinzipiell die polygyne Ehe gewesen ist“. 76 Vgl. insgesamt B. L ANG / W. K IRCHSCHLÄGER , Art. Ehe, Sp. 477f (I. 4f); R. G OEDEN , Stellung, 14-17. Sehr nüchtern bilanziert A. P ODLECH , Sex, 24f: „Ehe war in frühen Zeiten für den Mann das exklusive Verfügungsrecht über die Sexualeigenschaften einer Frau, um aus ihr erbberechtigte, die Sippe fortführende Söhne zu zeugen.“ 77 F. C RÜSEMANN , Herr, 26. Das bekannteste Schutzgebot für eine Mutter ist das Elterngebot, Ex 20,12; Dtn 5,16. In Dtn 21,18-21 verstärkt die Hinzuziehung der Mutter die Vermeidung der äußersten Konsequenz (Steinigung) für einen missratenen Sohn. <?page no="74"?> 3.2 Ungleiche Möglichkeiten für Männer und Frauen im Alten Testament 75 3.2.2.5 Ehemann/ Eheherr Alle diese rechtlichen Ungleichheiten hatten weit reichende Folgen für die Stellung von Mann und Frau zueinander. Es handelte sich um ein Verhältnis der Unterordnung, wie bereits der Begriff für „Ehemann“ - ba c ál, „Herr, Besitzer“ 79 - unumwunden ausdrückt; analog dazu heißt „Ehefrau“ im Hebräischen „die von einem (Ehe-)Herrn Beherrschte“ 80 . Die Ungleichstellung zeigt sich sehr deutlich im gesamten Bereich des Eherechts: Eheschließung, Ehescheidung, Ehebruch und Polygamie. Auf einen Nenner gebracht: In diesen für das Zusammenleben zwischen Mann und Frau besonders sensiblen Bereichen, aber auch hinsichtlich Prostitution und den Rechtsfolgen von Vergewaltigung 81 , endete das Recht des Mannes in der Regel beim Recht eines anderen Mannes und nicht bei einem Recht einer Frau, seiner Frau oder einer seiner Frauen. Eheliche Treuepflicht war also durchaus einseitig bestimmt. Die ausgeführten rechtlichen Rahmenbedingungen legen eine unausweichliche Schlussfolgerung nahe, die charakteristischerweise bereits in der so genannten Urgeschichte 82 anklingt: „Dass der Mann über die Frau herrscht, wie es Gen 3,16 als göttlicher Strafspruch über die Frau formuliert, kann als knappste Zusammenfassung aller Rechtsaussagen des Alten Testamentes über das Verhältnis der Geschlechter angesehen werden.“ 83 Erneut formuliert der Weisheitslehrer prägnant: Lass deiner Frau keine Gewalt über dich, damit sie nicht über dich Herr wird. 84 An dieser Stelle ist als notwendiger Kontrast zum skizzierten cantus firmus alttestamentlicher Rechts-, Weisheits- und Erzähltexte an die theologische Äquivalenz von Mann und Frau in den ersten Kapiteln der Bibel (Gen 1-3) 78 F. C RÜSEMANN , Herr, 31f. Witwen bildeten zusammen mit Waisen und Fremden die Trias der personae miserae. 79 Vgl. J. K ÜHLEWEIN , Art. lib , 327. Während lib 84-mal im Alten Testament belegt ist, finden sich nur vier Formen für die Femininform hlib . In der Bedeutung „Ehemann“ begegnet das Wort 15-mal, als Gottesbezeichnung („Baal“) etwa 60-mal. Der neuhebräische Begriff für „Ehemann“ lautet ebenfalls lib . 80 Vgl. M. K ÖCKERT , Dekalog, 78. 81 Zur Prostitution s. W. Z WICKEL , Frauenalltag, 124-127; zur Vergewaltigung s. die verstreuten Hinweise bei A. P ODLECH , Sex, 16.19.21.23.29.31.39.46.50.52.54.59.72f.78.85. 119. 82 Nicht prägnanter, aber wesentlich genauer ist m.E. die Bezeichnung „Grundlagenerzählungen“ (Gen 1-11). 83 So F. C RÜSEMANN , Herr, 21; s. zusammenfassend auch E.S. G ERSTENBERGER / W. S CHRAGE , Frau und Mann, 60f; 1 Petr 3,6 in Aufnahme von Gen 18,12. 84 Sir 9,2 innerhalb einer Reihe von Warnungen zum Umgang mit Frauen, 9,1-13. <?page no="75"?> 3 Beziehungen zwischen Mann und Frau im Alten Testament 76 zu erinnern 85 . Sie - und nur sie - kann mit guten Gründen für eine zeitgemäße biblische Orientierung maßgeblich sein. Bereits für die ältere der beiden Erzählung in Gen 2f gilt nämlich: „Entgegen späteren Versuchen, die Frau zu dämonisieren, und entgegen neuesten Versuchen, aus der Frau eine ursprüngliche Göttin zu machen, ist dies zu betonen: Die Frau ist keine Göttin, und der Mann ist kein kleiner Herr-Gott. Gegen die Erfahrungen seiner Zeit und gegen alle späteren Verunglimpfungen zeigt dieser biblische Theologe die Frau als gleichwertige und gleich-menschliche Partnerin des Mannes. Beide, Frau und Mann, sind von Gott unmittelbar geschaffen, beide, Mann und Frau sind fehlbar.“ 86 Dementsprechend ist für eine gegenwärtige theologische Orientierung mit Nachdruck daran festzuhalten, „daß es kein schöpfungsgemäßes Gefälle zwischen den Geschlechtern gibt” 87 . 3.2.3 Persönliche Bedingungen wie Herkunft, Erziehung, Begabung, Charakter, Kontingenz Wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen dürfen freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass individuelle Möglichkeiten für Männer und Frauen dadurch keinesfalls abschließend festgelegt sind. Vielmehr richten sich diese auch nach weiteren Faktoren wie sozialer Herkunft, individueller Entwicklung innerhalb der Gesellschaft (Chancenverwertung oder performance), nach Bildung, Begabung und Charisma, Charakter, Kommunikationspotential, Netzwerk, Gunst der Stunde oder auch nach Männern und Frauen im Umfeld. Die Bedeutung und Wirkung dieser verschiedenen Faktoren könnte anhand von konkreten Beispielen jeweils aufgezeigt werden 88 . Zugänge zu Ressourcen wie Macht, Bildung, Adel, Geld oder Schönheit 89 (Abigajil, Batseba, Ester) entscheiden zweifellos mit über die Möglichkeiten von Männern und Frauen. Allerdings ist auch das Vorhanden- 85 Vgl. o. S. 64. 86 H. S CHÜNGEL -S TRAUMANN , Mann, 161. 87 C. F REVEL / O. W ISCHMEYER , Menschsein, 43. 88 So z.B. für den Faktor soziale Herkunft: die Priestertochter Zippora und Mose, die ehemalige Prostituierte Gomer und Hosea; für individuelle Entwicklung innerhalb einer Gesellschaft (Chancenverwertung, performance): David und seine acht Frauen bzw. zehn Nebenfrauen; für Bildung: die nicht namentlich genannte Königin von Saba und Salomo; für Begabung/ Charisma: Jakob und Rahel, Debora und Barak; für Charakter: Elkana und Hanna; für Kommunikationspotential: Ester und ihr Großkönig; für ein Netzwerk: David und Sauls Kinder (Michal: Liebe; Jonathan: Freundschaft); für die Gunst der Stunde: Abigajil und David; für Männer und Frauen im Umfeld: ebenfalls Abigajil und Nabal bzw. David, die einander feindlich gegenüber stehen. 89 Die physische Ausstattung ist gegenüber den bei G. E NDRUWEIT / W. G EORG , Art. Schicht, 467 genannten Merkmalen zu ergänzen. <?page no="76"?> 3.3 Beziehungen zwischen Mann und Frau im Überblick 77 sein dieser Ressourcen keine Garantie für die erfolgreiche Umsetzung von Möglichkeiten in Fragen der Beziehung. So erzählt das Alte Testament z.B. trotz der Machtfülle wenig vom Glück zwischen der Frau des Potiphar und Josef, trotz aller Bildung wenig vom Glück zwischen der namenlosen Prophetin und Jesaja, trotz der königlichen Herkunft nichts vom dauerhaften Glück zwischen Michal und David, trotz des Wohlstands wenig von einem Glück zwischen der Schunemiterin und Elisa und trotz Schönheit und Liebe wenig vom ehelichen Glück zwischen Simson und seiner philistäischen Braut. Ein im Alten Testament bemerkenswerter, für unser Empfinden eher befremdlicher Einfluss auf die Möglichkeiten von Beziehungen kommt dem generativen Erfolg der betreffenden Beziehung oder Frau zu. So hängen Glück, Bedeutung und Ansehen einer Beziehung - besonders der Frau - in nicht unerheblichem Umfang an der Anzahl der Kinder, genauer: der Söhne, die sie hervorgebracht hat. Dementsprechend gilt Kinderlosigkeit als schwer wiegender Makel und die Überwindung von Unfruchtbarkeit als wichtiges Lebensziel. Männer konnten zu ihrer Überwindung weitere Ehen eingehen 90 , für Verstorbene bestand das Institut der Schwager- oder Leviratsehe (Dtn 25,5-9). Die Möglichkeiten von Frauen werden von Sara, Rahel und Lea (Leihmutterschaft auf Kosten ihrer Sklavinnen), Lea (Liebesäpfel) oder Hanna (Gelübde, Gebet) genutzt. Das Motiv der Unfruchtbarkeit und ihrer Überwindung ist sehr verbreitet in den Paarbeziehungen des Alten Testaments, wie die Beispiele von Abraham und Sara, Isaak und Rebekka, Jakob und Rahel, Manoach und seiner Frau, Elkana und Hanna, die Schunemiterin und ihr Mann zeigen 91 . Weder der generative Erfolg noch individuelle Umstände von Beziehungen oder rechtliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen üben freilich den entscheidenden Einfluss auf Glück und Erfolg einer Beziehung aus, sondern die beiden betroffenen Personen selbst. Sie sind es, die die ihnen gegebenen Möglichkeiten mehr oder weniger gut auszuloten und zu nützen verstehen. Deshalb werden im Folgenden konkrete Beziehungen betrachtet. 3.3 Beziehungen zwischen Mann und Frau im Überblick Die Beziehungen zwischen Mann und Frau sind im Alten Testament sehr vielgestaltig. Ob zur Nomadenzeit oder zur Königszeit, ob Israelitin oder Ausländerin, ob Sklavin, Freie oder Prinzessin, ob eine historische Person 90 In rabbinischer Zeit war nach zehn Jahren Wartezeit auch Ehescheidung eine Option, s. mJev 6,6 (33 P ETUCHOWSKI ). 91 S. auch Ps 113,9; 127,3; 128,3-6; Ruth 4,13. Bei David und Michal wird Kinderlosigkeit nicht überwunden. <?page no="77"?> 3 Beziehungen zwischen Mann und Frau im Alten Testament 78 oder eine fiktive, nur erzählte Gestalt, ob legitim oder illegitim, ob Mono-, Bi- oder Polygamie, ob mehr oder weniger ebenbürtig oder äußerst ungleich: Bereits diese unvollständige Aufzählung zeigt, dass die Variationsbreite erheblich größer ist als sie in unserem Kulturkreis möglich wäre oder auch im Neuen Testament. Im Folgenden wird ein Überblick über konkrete alttestamentliche Beziehungen zwischen Mann und Frau gegeben, an den sich einige Beobachtungen anschließen. Folgende Beziehungen werden in den Blick genommen 92 : Adam - Eva Lot - seine Frau Lot - seine Töchter Abraham - Sara Abraham - Hagar Abraham - Ketura Isaak - Rebekka Jakob - Lea Jakob - Rahel Jakob - Bilha Jakob - Silpa Sichem - Dina Juda - Tamar Josef - Frau des Potiphar Mose - Zippora Israelit (Dtn) - Israelitin/ Kriegsgefangene Barak - Debora Sisera - Jaël Manoach - seine Frau Simson - seine Braut (Nicht-Frau) Simson - Dalila Boas - Ruth Elkana - Hanna Elkana - Peninna David - Michal Nabal - Abigajil David - Abigajil Uria - Batseba David - Batseba David - Abischag Amnon - Tamar Salomo - Königin von Saba Ahab - Isebel Ehemann der - Schunemiterin 92 Die Liste beansprucht keine Vollständigkeit. <?page no="78"?> 3.3 Beziehungen zwischen Mann und Frau im Überblick 79 Elisa - Schunemiterin Jesaja - Prophetin Hosea - Gomer Hiob - seine Frau Liebender (Hhld) - Liebende Ahasveros - Waschti Ahasveros - Ester 41 Paare sind aufgelistet. Sie reichen von der Frühzeit Israels bis in die Spätzeit 93 . Ein Schwerpunkt liegt in der frühen Geschichte Israels: Nicht weniger als 13 Paare gehören in die Nomadenzeit und weitere zehn in die übrige vorstaatliche Zeit (Exodus/ Richterzeit). Wiederum 13 Paare entfallen auf die Königszeit die meisten im Umfeld des Königshauses; drei von ihnen betreffen einen Propheten (Elisa, Hosea und Jesaja). Auffälligerweise wird aus der Exilszeit überhaupt kein Paar genannt, und aus der nachexilischen Periode sind es insgesamt nur vier. Interessanterweise ist bei sechs von sieben Personen dieser vier Paare 94 zumindest zu fragen, ob sie überhaupt je gelebt haben: Hiob und seine Frau, die Liebenden aus dem Hohenlied sowie Königin Ester und ihre Vorgängerin Vasti haben sehr wahrscheinlich keine realen Personen der Geschichte im Blick. Analoges gilt bereits für Adam und Eva 95 . Insgesamt finden sich also die allermeisten Paare im Buch Genesis, das hauptsächlich Familienerzählungen enthält, in der Richterzeit und in der älteren Königszeit, dem zehnten und neunten Jahrhundert v.Chr. Die Anzahl von Männern und Frauen ist aufschlussreich: Unter den 41 Paaren befinden sich 39 verschiedene Frauen, aber nur 29 verschiedene Männer. Wie ist das zu erklären? Jakob und David kommen jeweils mit vier Beziehungen vor, Abraham immerhin mit drei. Doppelt aufgeführte Männer sind Lot (der nur von einer Beziehung selbst wusste, obgleich drei von ihm erzählt werden), Simson, Elkana und Ahasveros. Zum Vergleich: Drei Frauen kommen in unserer Aufstellung mit zwei verschiedenen Männern vor, nämlich Abigajil, Batseba und die Schunemiterin. Eine Polyan- 93 Die beiden in den apokryphen Schriften genannten Paare bleiben in den folgenden Betrachtungen außen vor. 94 Ahasveros ist doppelt vertreten, deshalb sind es nur sieben Personen. 95 Vgl. H. S CHULTE , Frauengestalten, 154: Eva „ist eine rein fiktive Frau, ein Symbol, ist ‚die’ Frau, nicht eine Frau, die einmal gelebt hat. Bei Ester werde ich den Verdacht nicht los, dass sie ebenfalls eine ‚Erfindung’ ist.“ Ihr Mann Ahasveros hingegen wird meist mit König Xerxes (486-465 v.Chr.) gleichgesetzt, während eine persische Königin Waschti außerbiblisch nicht überliefert ist. Analog dazu resümiert K. S CHMID , Hiobproblem, 30: „Mit Elie Wiesel gesagt: Hiob hat nie gelebt, aber er hat sehr gelitten.“ Das beträfe dann auch Hiobs Frau. Die Liebenden aus dem Hohenlied können historisch ebensowenig verortet werden wie die idealisierte, tüchtige Frau in Prov 31,10-31. <?page no="79"?> 3 Beziehungen zwischen Mann und Frau im Alten Testament 80 drie liegt jedoch bei keiner von ihnen vor. Von Abigajil und Batseba wird serielle Monogamie erzählt, während der Charakter des Verhältnisses zwischen der Schunemiterin und Elisa nicht genau genug bestimmbar ist. Erzählte „Polygynie“ liegt dagegen bei Abraham, Jakob, Elkana und David vor 96 . Deren Mehrfachbeziehungen sind ganz verschieden institutionalisiert. Bei Elkana sind die Verhältnisse am einfachsten: Bigamie. Bei Abraham liegt eine Monogamie mit einem zur Unterstützung der Reproduktion angebahnten Nebenverhältnis mit der Magd der Ehefrau vor. Jakob kombiniert beides: Bigamie und zwei Nebenverhältnisse zur Unterstützung der Reproduktion. David als Jüngster schließlich übertrifft alle vor ihm Gewesenen: Polygamie mit insgesamt „acht Frauen und zehn Nebenfrauen“ 97 . Auch die Verteilung der Namen ist interessant: Von den 29 verschiedenen Männern werden 26 namentlich genannt (90 %), von den 39 verschiedenen Frauen dagegen nur 28 (72 %). Bei allen namentlich genannten Frauen sind auch die Männer namentlich bekannt. Umgekehrt sind bei acht namentlich genannten Männern die Frauen nicht namentlich aufgeführt 98 . Männern, so ist zu resümieren, stand eine breitere Beziehungsvielfalt offen, und die Überlieferung hatte tendenziell ein stärkeres Interesse an ihnen als an den Frauen. Als selbstbewusst und stark könnte man mehrere Frauen bezeichnen 99 . Besondere Initiativkraft liegt z.B. bei Eva, Sara, Lea, Hanna, der Königin von Saba, Isebel, Hiobs Frau oder Ester vor. Drei Frauen erscheinen als bestimmend in der Ehe und nach außen: Manoachs Frau (Ri 13), Abigajil gegenüber Nabal (1 Sam 25) und die Schunemiterin (2 Kö 4) 100 . Weibliche Dominanz innerhalb von Beziehungen findet sich - sieht man von der Grausamkeit etwa einer Jaël ab 101 - bei der Frau des Potiphar gegenüber Josef und bei Debora gegenüber Barak 102 . Eine auffällig große Anzahl der Beteiligten - insgesamt ein knappes Drittel - stammt nicht aus Israel. Praktisch die ganze Nachbarschaft Palä- 96 Bezogen auf die Auflistung. Dadurch kommt z.B. Salomo nicht in den Blick. 97 Nach K. E LLIGER , Paare, 129. 98 Nämlich bei Lot, Josef, Manoach, Simson, Salomo, Elisa, Jesaja und Hiob. 99 Eine Anspielung auf diese „Stärke“ kommt in der gegenwärtigen Forschung vielfach bereits im Titel vor (bei den genannten Büchern handelt es sich durchweg um Autorinnen, was kaum auf einem Zufall beruhen dürfte), so z.B. I. N OWELL , Evas starke Töchter; K.D. S AKENFELD , Just Wives? Stories of Power (…); A. K IESOW , Löwinnen von Juda; I. F ISCHER , Gottesstreiterinnen; H. S CHULTE , Dennoch gingen sie aufrecht. 100 Vgl. E.S. G ERSTENBERGER / W. S CHRAGE , Frau und Mann, 45f. 101 Simsons philistäische Braut sowie Dalila handelten zwar ebenfalls grausam („Liebesfalle“ und Verrat), jedoch mehr oder weniger unter Zwang und damit fremdbestimmt, s. Ri 14,15 (kollektive Lebensbedrohung); 16,5 (überwältigende Bestechung). 102 Zwischen Debora und Barak liegt nur politisch-militärische Kooperation vor; als Deboras Ehemann wird der ansonsten nicht näher bekannte Lappidot (Hapaxlegomenon) erwähnt, Ri 4,4. <?page no="80"?> 3.3 Beziehungen zwischen Mann und Frau im Überblick 81 stinas sowie das Land Kanaan selbst sind unter den Männern und Frauen vertreten 103 . Auffällig ist freilich, dass nur fünf Männer (entspricht 17 %), aber 16 Frauen (entspricht 41 %) als Migrantinnen bzw. Migranten zu betrachten sind. Dabei wird deutlich, dass in so früher Zeit nicht von einer klaren Abgrenzung des Volkes nach außen gesprochen werden kann. Wesentliche identity markers wie Beschneidung und Sabbat erhielten ihre hohe theologische Relevanz erst in exilischer Zeit (6. Jahrhundert v.Chr.), und so genannte Mischehen wurden erst in nachexilischer Zeit deutlich abgelehnt. Eine kleine hermeneutische Phantasiereise schließt diese Beobachtungen ab und leitet zugleich zum folgenden Teil über. Man stelle sich einen Moment lang vor, eine überschaubare Konferenz in Palästina zu besuchen, auf der etwa drei Dutzend Beziehungen zwischen Männern und Frauen zugegen wären. Unter ihnen wären Vertreter nahezu der gesamten alten Welt 104 mit teilweise recht abenteuerlichen oder sogar abstrusen Familiengeschichten und Beziehungskisten. Die Konferenz hätte nicht nur ökumenischen und multiethnischen Charakter, sondern wäre auch ein Querschnitt aus allen Gesellschafts- und Vermögensschichten und sozusagen ein Lazarett von in Mann-Frau-Beziehungen Versehrten. - Wer wollte daran zweifeln, dass Bibeltexte auch in einer globalisierten Welt geradezu frappierend aktuell sein können? Sie sprechen in die Gegenwart und in die eigene persönliche Beziehungssituation hinein, wenn man ihnen freundlicherweise Gehör schenkt, wenn man bereit ist, wieder mit diesen Texten zu leben (so wie viele Generationen im Verlauf der Kirchengeschichte und doch anders als sie), wenn man die exegetische Handwerkskunst in den Dienst der Vermittlung zwischen jenen Texten und der Gegenwart stellt. In dieser Hinsicht ist der folgende Abschnitt ein Versuch, exemplarisch einige Brücken in die Gegenwart zu bauen. Denn die besonders facettenreich erzählte Beziehungsgeschichte von Isaak und Rebekka ermöglicht vielfache Brückenschläge in heutige Beziehungsgeschichten. Wir beschränken uns daher auf Grundlinien. 103 Im Uhrzeigersinn, beginnend im Norden: aus Phönizien/ Sidon: Isebel; aus Mesopotamien: Abraham/ Sara, Rebekka, Lea, Rahel, Bilha, Silpa, Hiob? ; aus Persien: Ahasveros, Waschti? ; aus Moab: Ruth; aus Saba: Königin von Saba; aus Ägypten: Hagar sowie die Frau des Potiphar; aus Midian: Zippora; Keniter: Jaël; Philister: Simsons Braut; Hiwiter: Sichem; Hetiter: Uria; möglicherweise Kanaanäerin: Tamar. 104 Vgl. Lk 13,29: „Sie werden kommen von Osten und Westen und von Norden und Süden und bei Tisch sitzen im Reich Gottes“, zugleich Wochenspruch am dritten Sonntag nach Epiphanias (Jesu Zuwendung zu den Heiden). <?page no="81"?> 3 Beziehungen zwischen Mann und Frau im Alten Testament 82 3.4 Die Beziehungsgeschichte von Isaak und Rebekka Der Erzvater Isaak fällt unter seinesgleichen dadurch auf, dass er sich als einziger auf eine Frau konzentrierte: Rebekka. Allein schon dieser Umstand macht ihn für eine gegenwärtige Betrachtung interessant. Aber auch in gesamtbiblischen Zusammenhängen ist das 24. Kapitel der Genesis spannend: Es gelangt „bei der ersten Liebe zwischen Mann und Frau in der Bibel“ an und enthält „eine der am ausführlichsten erzählten biblischen Geschichten“ 105 . 3.4.1 Weshalb Isaak und Rebekka? Isaak und Rebekka sind das monogame Paar unter den Patriarchen und vielleicht „das am liebevollsten geschilderte Paar der Genesis“ 106 . Von Nebenbeziehungen ist an keiner Stelle die Rede. Darin unterscheiden sich Isaak und Rebekka von Sara (Frau des ägyptischen Pharao) oder von Abraham (gemeinsames Kind mit der Magd Hagar) und erst recht von Jakob, Lea und Rahel mit ihrer unübersichtlichen Familienkonstellation und ihren vielen Kindern aus viererlei Beziehungen. Nach heutigem Empfinden hatten Isaak und Rebekka keinen leichten Start. Denn sie gingen eine arrangierte, angebahnte Ehe ein, wohlgemerkt: ohne sich vorab zu kennen. Wahrscheinlich handelte es sich um „die erste Paarvermittlung seit Menschengedenken“ 107 . Während Abraham zusammen mit seiner Frau eingewandert war und Jakob sich wenigstens eineinhalb Jahrzehnte in der Heimat seiner künftigen Frauen aufgehalten hatte, hatte es Isaak je nach Blickwinkel ganz leicht und doch ganz schwer. Frauenimport aus der Heimat seiner Eltern war ihm beschieden, einer Heimat im Osten, die er freilich nur aus Erzählungen kannte. Es könnte einem Angst um das Paar werden, wenn man gleich mehrfach liest 108 , dass es sich um die Tochter seines Cousins handelte. Unzeitgemäß betrachtet: ein Fall von Frauenimport aus Anatolien, aus Richtung der aufgehenden Sonne. Weshalb lohnt sich eine genauere Betrachtung der Beziehung zwischen Isaak und Rebekka? Um es abschließend zu begründen: Weil sie erdrückend normal war und dadurch heutigen Konstellationen möglicherweise sehr ähnlich, und weil sie keinen leichten Start hatte, auch darin heutigen Ausgangskonstellationen möglicherweise ähnlich. 105 M. S HALEV , Anfang, 28f.27. 106 E. W ACHTER , Paare, 19. 107 B. P IEL , Lebensliebe, 42. 108 Gen 22,20-23; 24,47f. <?page no="82"?> 3.4 Die Beziehungsgeschichte von Isaak und Rebekka 83 3.4.2 Wer war Isaak? Die biblische Erzählung stellt zuerst Isaak vor: Er war der Erbetene, lange Erwartete, erst sehr spät Geborene. Sein Name wurde mit „Lachen“ in Verbindung gebracht, weil es wie ein Witz anmutete, dass er noch geboren werden sollte. Er war ein Einzelkind und wuchs schon deshalb sehr behütet auf. Wo konnte er streiten lernen, wo sich auseinandersetzen, wo sich behaupten? Vor Isaaks Geburt hatte sein Vater Abraham noch Angst, dass der Knecht Eliëser von Damaskus statt eines Sohnes ihn beerben und „sein Haus besitzen“ werde (Gen 15,2). Dieser Eliëser sollte nach dem Osten in die ehemalige Heimat geschickt werden, um - und das ist leider kein Witz - eine Frau für Isaak zu besorgen. Von Abraham aus betrachtet, war das nachvollziehbar und verständlich. Aber welche Zumutung für den alten Eliëser, den Ewig-Zweiten und Fast-Erben! Viel schlimmer noch: Welche Zumutung für den jungen Isaak! Ausgerechnet Eliëser, der „älteste Knecht“, der „allen Gütern“ Abrahams vorstand (Gen 24,2), ging auf Brautschau für Isaak. Wie verletzend, dass der alte Hausverwalter nun auch über Isaaks intime Zukunft mitbestimmte! Wie entwürdigend, dass sich die beiden alten Herren offenbar über Isaaks Zukunft einig waren! Dass Abraham seinen bewährten Vertrauten anstatt seinen Sohn losschickte, dürfte Isaak verunsichert haben 109 . Isaak schien zwar wichtig für Abraham: Aber er vertraute weniger ihm, dem Sohn, wenn es um dessen Zukunft ging, sondern seinem altgedienten, treuen Knecht. Offenbar wusste Abraham, „dass er seit der Opferung nicht mehr mit ihm“ - seinem Sohn Isaak - „reden konnte, weder darüber noch über sonst etwas“ 110 . Es war ähnlich wie bei der Bindung Isaaks, seiner initiierten Opferung (Gen 22): Isaak ließ mit sich machen, was sein Vater für gut hielt. War er überhaupt ein richtiger Mann? Oder war er zögerlich und unsicher, antriebsarm und duckmäuserig? Zu alledem noch gebrochen 111 ? Das Bild von Isaak ist getrübt: ein Einzelkind, das kaum wusste, was es wollte, nach heutigem Ermessen allzu fügsam und wenig kämpferisch. Ein eher langweiliger Mann. 3.4.3 Wer war Rebekka? Rebekka schien aus anderem Holz geschnitzt. Sie entstammte einer riesigen Großfamilie und zählte allein väterlicherseits zwölf Onkel (Gen 22,20- 109 Eine Generation später bricht Jakob selbst nach Osten auf, wenn auch nicht aus eigenem Entschluss, s. Gen 27,41-28,5. 110 M. S HALEV , Anfang, 25. Zum Aspekt der Gewalt gegen Jungen und Männer s. D. D IECKMANN , Männer, 46f. 111 Vgl. Y. E GGEHORN , Lachen, 38: „Er wirkt gebrochen.“ <?page no="83"?> 3 Beziehungen zwischen Mann und Frau im Alten Testament 84 24). Rebekka war spontan, freundlich und konnte auch einem offenbar vermögenden Fremden noch etwas geben und ihm helfen. Sie schöpfte nicht nur für Eliëser, sondern tränkte auch dessen zehn Kamele 112 . Ob sie es aufregend fand - vielleicht sogar gespannt war - oder einfach nur höflich sein wollte, bleibt unklar. Jedenfalls wirkte sie entschlossen und zugleich geduldig. Wie man sieht, konnte sie richtig zupacken und hatte auch vor harter Arbeit keine Angst. Zum Tränken von zehn Kamelen - „bis sie alle genug getrunken haben“ (Gen 24,19) - war nämlich bis zu einem Kubikmeter (1000 Liter) Wasser nötig 113 . Mag sein, dass hier ein orientalisch übertriebener Zug in der Erzählung steckt, für Rebekka dürfte es eine Empfehlung gewesen sein 114 . Als ob dies nicht genug wäre, bot sie dem Fremden mit seinen zehn Kamelen auch noch „viel Stroh und Futter“ und eine Herberge an (Gen 24,25). Der noch am Brunnen erhaltene Goldschmuck (Gen 24,22.47) schien ihr durchaus zu gefallen. Rebekka wurde von ihrer Familie sehr unterstützt. Dies zeigt sich darin, dass die am Brunnen ausgesprochene Einladung an den fremden Alten von ihrem Bruder Laban bekräftigt und dann in die Tat umgesetzt wurde (Gen 24,28-33). Mehr noch: Ehe Eliëser und seine Begleiter zu essen begannen (24,33.54), trugen sie ihren Wunsch nach einer Verschwägerung, den alleinigen Zweck ihrer Reise, vor (24,34-49), und postwendend wurde ihnen dieser Wunsch gewährt (24,50-53), so dass die Verschwägerung bereits an diesem allerersten Abend festgelegt wurde. Auch am nächsten Morgen zeigte Rebekka ihre Spontaneität und Entschlossenheit. Sie ging sofort mit in die Fremde, als Eliëser zum Aufbruch drängte 115 . Damit setzte sie den Entschluss ihres Bruders und ihres Vaters - „sie soll die Frau des Sohnes deines Herrn werden“ (Gen 24,51) - schneller um, als der Familie lieb war (24,54-59). Erstaunlich ist, dass die Männer ihrer Familie sie auch selbst gefragt haben, was „in der Bibel sonst unüblich“ ist 116 (Gen 24,57f): 57 Sie sprachen: Wir wollen das Mädchen rufen und sie selbst fragen. 58 So riefen sie Rebekka und sprachen zu ihr: Willst du mit diesem Mann gehen? Sie sprach: Ja, ich will. 112 Erstkontakte am Brunnen sind geradezu klassisch, vgl. Mose und seine spätere Frau Zippora, Ex 2,16-21; Jesus und die Samaritanerin, Joh 4,5-42. 113 Vgl. E. G RITTMANN , Ernährung, 28: „Nach langen Durststrecke trinkt ein Kamel bis zu 140 Liter Wasser in zehn Minuten.“ 114 M. S HALEV , Anfang, 26 spricht von „langwierige(r) Knochenarbeit“ und charakterisiert Rebekka als „großzügig, zupackend, stark, gutherzig und selbstbewusst“. 115 Bereits am Vorabend hatte Eliëser eilig gedrängt, Gen 24,33. 116 M. S HALEV , Anfang, 27. Bereits am Vorabend wurde sie freilich ungefragt versprochen, s. Gen 24,50f. Dagegen wurden Lea und Rahel weder von ihrem künftigen Mann Jakob noch von ihrem Vater Laben gefragt, s. Gen 28,1f mit 29,14b-30. In frühislamischer Zeit wird um das Verhältnis zwischen dem „Sachwalter” einer Frau und ihrem Einverständnis gerungen, s. A.D. K HOURY , Hadīth, 28f. <?page no="84"?> 3.4 Die Beziehungsgeschichte von Isaak und Rebekka 85 Mit ihrer Kurzentschlossenheit wechselte die Enkelin Nahors, eines Bruders Abrahams, mental, aber auch rechtlich und religiös 117 (theologisch) in die vor Jahrzehnten ausgezogene Abraham-Gruppe 118 , obgleich sie bislang nur deren alten Hausknecht kennen gelernt hatte. Lässt man diese atemberaubende Geschwindigkeit Revue passieren, die aus neutestamentlicher Perspektive nur mit einer Jüngerberufung vergleichbar ist 119 , dann kommt Rebekka sicher nicht in den Verdacht von Antriebsarmut oder Zögerlichkeit, im Gegenteil 120 ! Vorerst zum letzten Mal wurde Rebekka von ihrer Familie unterstützt, als sie zum Abschied nicht etwa im Zorn, sondern samt ihren Mägden gesegnet entlassen wurde (Gen 24,60). Noch kannte sie ihren Bräutigam nur vom Hörensagen 121 . 3.4.4 Wie lernten sie sich kennen und lieben? Wie kommen Rebekka und Isaak zueinander? Eine Beziehung entsteht nur dann, Liebende kommen nur dann zusammen - auch immer wieder zusammen -, wenn sich beide auf den Weg machen. Beide sind sich selbst nicht mehr genug und suchen das Fremde im anderen. Das mehr oder weniger gefestigte Eigene wird als so ergänzungsbedürftig erkannt, dass der Weg in die Fremde zu einem anderen Menschen führt 122 . Rebekka ließ ihre Familie, Heimat und Verwandtschaft hinter sich wie Petrus und die Fischer ihre Netze. Isaak war ebenfalls gewissermaßen außer sich und unterwegs. Nicht nur war er innerlich gespannt auf Eliësers Rückkehr und das Ergebnis von dessen Brautwerbung; in einem seltsamen Fernweh trieb es ihn weg von den eigenen Zelten (Gen 24,63f): 117 Bethuëls Familie schien den Gott seines Onkels, Abrahams, als „Herrn“ zu kennen, Gen 24,50f. 118 E. W ACHTER , Paare, 19 bezeichnet sie deshalb als „Abrahams würdige Schwiegertochter“. Zur familiären Einbindung Rebekkas s. die Familienaufstellung bei J. M AL - DONADO , Legacy, 17. 119 Dazu jetzt P. W ICK , Nachfolge. 120 Treffend bemerkt A. K UNZ -L ÜBCKE , Rebekka, 54 angesichts der Darstellung: „Der Leser kann gar nicht anders, er muss sie mögen, wenn nicht sogar lieben.“ Nach W. B ÜHLMANN , Frauen 1, 36 ist Rebekka „wahrscheinlich die brillanteste Gestalt der ganzen Genesis“. Freilich dürften dafür Josef, Jakob oder Abraham ebenfalls in Frage kommen. 121 In der gegenwärtigen westlichen Kultur lautet die Reihenfolge genau umgekehrt, s. M. M C G OLDRICK , Spurensuche, 272: „Eine Heirat verwandelt die intime Zweisamkeit eines Paares in die formelle Verbindung zwischen zwei Familien.“ 122 „Gegensätze ziehen sich bekanntlich an. Die eine hat, was dem anderen fehlt“, vgl. M. Z WACK , Liebesgeschichten, 111. Ähnlich W. B ÜHLMANN , Frauen 1, 36: „Rebekka, die starke Frau an der Seite eines profillosen Mannes“. <?page no="85"?> 3 Beziehungen zwischen Mann und Frau im Alten Testament 86 63 Eines Abends ging Isaak hinaus, um sich auf dem Feld umzusehen. Und er blickte auf und schaute hin, und sieh, da kamen Kamele daher. 64 Rebekka aber blickte auf und sah Isaak. Isaak sah Kamele kommen, Rebekka sah Isaak. Sie, die den weiteren Weg hinter sich hatte, sah ihn zuerst. Es ist wohl in Wahrheit häufig so, dass viele Begegnungen zwischen Mann und Frau so beginnen: „Sie“ sieht „ihn“ zuerst. Die an sich nicht zögerliche Rebekka agierte geschickt und konsequent, um Isaaks Aufmerksamkeit zu erregen. Indem sie Zurückhaltung und Distanz pflegte, wahrte sie ihr Gesicht und das des Mannes, dem sie begegnete (Gen 24,64f): 64 Da ließ sie sich schnell vom Kamel herunter 65 und sprach zum Diener: Wer ist der Mann dort, der auf dem Feld uns entgegenkommt? Der Diener sprach: Das ist mein Herr. Da nahm sie den Schleier und verhüllte sich. Rebekka wusste um den Mann, aber sie fiel nicht mit der Tür ins Haus. Auch Isaak brauchte seine Zeit und manche Information, um die Lage einzuschätzen und zu verstehen (Gen 24,66f): 66 Der Diener aber erzählte Isaak alles, was er getan hatte. 67 Da führte Isaak sie in das Zelt seiner Mutter Sara. Und er nahm Rebekka, und sie wurde seine Frau, und er gewann sie lieb. So tröstete sich Isaak nach dem Tod seiner Mutter. Dem freien Entschluss Rebekkas, dem Fremden mutig und erwartungsvoll entgegenzugehen, tritt der freie Entschluss Isaaks an die Seite, die von wem auch immer ausgewählte Braut auch von sich aus zu begehren. Der Erzähler von Gen 24 sieht nicht Eliëser, Abraham oder einen Zufall am Werk, sondern Gott. Für Isaak freilich ist zweitrangig, wer ausgewählt hat: Er muss nun von sich aus den Mut finden, auf die fremde Frau zuzugehen und sich ihr zu öffnen. Für ihn und für Rebekka kam der oder die andere genau zum richtigen Zeitpunkt: nach dem Tod der Mutter (Isaak) bzw. auf dem Höhepunkt des jugendlichen Wagemuts, als die Bereitschaft zum Abschied von zuhause vorhanden war (Rebekka). Kritisch wäre zu fragen, ob Rebekka nicht „psychologisch gesehen eher die Rolle einer Ersatzmutter zugewiesen [bekommt] denn die einer Ehefrau“ 123 . Dafür spricht, dass Isaak sie „in das Zelt seiner Mutter Sara“ führte. Insofern trifft in gewissem Sinn zu: „Rebekka übernimmt die Stelle Saras.“ 124 Umgekehrt übernimmt Isaak in gewisser Hinsicht die Rolle Betuëls, Rebekkas Vater. Allen Gedanken an Kontinuität zum Trotz handelt es sich jedoch um zwei andere, jüngere Menschen in einer neuen Konstellation, so 123 I. P ABST , Szenen, 99. 124 I. F ISCHER , Gottesstreiterinnen, 81; ähnlich M. S HALEV , Anfang, 29f. <?page no="86"?> 3.4 Die Beziehungsgeschichte von Isaak und Rebekka 87 dass das Neue überwiegt. Sie müssen ihren gemeinsamen Weg Schritt für Schritt noch finden. 3.4.5 Was waren ihre Herausforderungen auf der weiten Fahrt durch das Leben? Isaak und Rebekka begannen ihren gemeinsamen Weg. Von nicht weniger als neun Stationen ihres Ehe- und Beziehungslebens erzählen die Texte. Eine breite Palette von Lebenskonflikten sowie falschen und richtigen Antworten darauf wird sichtbar. (1) Der erste Stein, an den die Jungvermählten stießen, war die Unfruchtbarkeit. Beide nahmen dies aber nicht zum Anlass, Mägde oder weitere Frauen - man müsste aus heutiger Sicht ergänzen: oder weitere Männer - ins Spiel zu bringen, so wie es damals offenbar üblich war (Abraham, Jakob). Unfruchtbarkeit bringt, auch wenn sie zeitlich befristet erlebt wird, erhebliche Belastungen für eine Beziehung mit sich 125 . Isaak wandte sich an Gott, „und der HERR ließ sich von ihm erbitten, und seine Frau Rebekka wurde schwanger“ (Gen 25,21). Der Satz aus dem Predigerbuch wird oft in Hochzeitspredigten bemüht: „Eine dreifache Schnur reißt nicht leicht entzwei“ (Koh 4,12b). Ein anderer knüpft an den oft fragilen Beziehungs-Lebenswerken verborgen mit. (2) Schwangerschaftsprobleme blieben dem Paar nicht erspart. Kaum zu fassen, dass das Glück der Schwangerschaft so schnell getrübt wurde. Wenn Fragen wie „warum bin ich schwanger geworden? “ oder „wozu lebe ich noch? “ aufkommen 126 , bleibt einem die Vorfreude auf ein Kind im Halse stecken. Depression, Krise und Bedrohung werden erneut erfahren und wieder leidet eine Beziehung sehr darunter. Nur Einigkeit, Solidarität und Geduld machen in solchen Situationen stark: Zum Glück für Isaak und Rebekka kamen beide in ihrer Not zu Gott. Diesmal heißt es von Rebekka: „Sie ging, um den HERRN zu befragen“ (Gen 25,22). Das sind schnellere Lebensumschwünge, als man sie begreifen kann. (3) Und dann kam die Geburt der Zwillinge, ganz verschiedener Kinder (Gen 25,24-26). Rebekka brauchte jetzt ihre Fähigkeit zu Entschlossenheit, zu Geduld und zu harter Arbeit. Wenn Mütter sich auf ihre Kinder konzentrieren, verändert sich auf einen Schlag vieles. Als Mann steht man plötzlich abseits, vielleicht heute weniger als damals. Säuglinge - gleich zwei - brachten viele Einschränkungen für Rebekka und für Isaak. 125 Darunter Schlaflosigkeit, Heulkrämpfe, Depressionen, Liebe nach Kalender, Arztbesuche, Eingriffe in die Intimsphäre, chronisch wiederkehrende Selbstentwertung, Berufs- und Lebensunlust, Kontaktvermeidung mit Müttern und kleinen Kindern, kurz: Verunsicherung auf allen Ebenen und Leben zwischen Hoffen und Bangen. 126 Gen 25,22 nach der Lutherübersetzung, anschließend nach der Zürcher Bibel. <?page no="87"?> 3 Beziehungen zwischen Mann und Frau im Alten Testament 88 (4) Letzterer war 60 Jahre alt, als er zum ersten Mal mit kleinen Kindern konfrontiert war (Gen 25,26). Er, der selbst ohne Geschwister aufgewachsen war, dürfte wirklich große Augen gemacht und sich gewundert haben. Wenn das keine Belastungsprobe für eine doch ungleiche Beziehung war: für den Sechzigjährigen und die deutlich jüngere Mutter. (5) Dann kam es, wie es kommen musste: Zwei Eltern, zwei grundverschiedene Kinder, und jeder hatte seinen Liebling (Gen 25,28). Die Koalition mit der nächsten Generation anstatt mit dem geliebten Partner ist regelrecht Gift für eine Beziehung 127 . Der Lehrsatz aus der christlichen Trinitätslehre kann insofern auch auf eine Ehe übertragen werden: opera ad extra sunt indivisa, „nach außen“ sollten „die Werke ununterscheidbar sein“. Beide Ehepartner sind so lange stark, wie sie gemeinsam auftreten. Koalitionen weg vom geliebten Anderen sind kein Ausdruck einer wertschätzenden und immer wieder aufeinander zugehenden Haltung; sie sollten ausgeschlossen sein, sozusagen ein Tabu. Im konkreten Fall hätte ein Enkelschüler von Sigmund Freud (Stichwort: Ödipuskomplex) seine kleine Freude daran, wie Mutter und Sohn miteinander koalieren 128 . Die väterliche und mütterliche Selbstdisziplin, auf eine Bevorzugung unter den Kindern zu verzichten, gehört zu den Grundgeboten guter Elternschaft. (6) Auch außerhalb der Familie kann man als Paar uneins auftreten. Isaak ließ seine Rebekka im Stich und bekannte sich nicht zu ihr, und das ausgerechnet in der Fremde (gegenüber Abimelech von Gerar, Gen 26,1-11). Wahrscheinlich begehen Männer diesen Fehler öfter als Frauen; aber auch er ist Gift für eine Beziehung. Was Beziehungen stark macht, ist Einigkeit: Einigkeit macht stark! Sie wird z.B. dadurch erreicht, dass man sich einander mitteilt und Dinge miteinander bespricht. Möglicherweise muss dann auch diskutiert werden. Vielfach wird die Einigkeit aber auch in wechselseitigem Einverständnis stillschweigend einfach gelebt. Im Laufe eines Lebens sind beide Partner einer Beziehung - eine hübsche Frau, ein stattlicher Mann - auch Gefährdungen in Gestalt von attraktiven Konkurrenzangeboten ausgesetzt. Eine intakte Beziehung überlebt dies. Ist sie nicht völlig intakt, dann wäre eine umso entschiedenere Abwehr gut: durch ein klares Bekenntnis zur Ehepartnerin oder zum Ehepartner. Feigheit, Neugier, Unentschlossenheit, Passivität oder - im Fall von Isaak - Ängstlichkeit werden bestraft. Isaak hätte es wissen können: Von Abraham und Sara ist diese Le- 127 Vgl. E. A SEN , Familie, 45: „Verbünden sich (…) zwei Familienmitglieder dauerhaft gegen ein drittes, sprechen wir von einer toxischen Allianz.“ 128 Nach I. P ABST , Szenen, 128 verkörpert Rebekka (ebenso wie Rahel oder Lea) „den Typ der ‚mother of the great men’, die bereit sind, alles für ihre Söhne zu tun“. Das dadurch „fragmentarische Frauenbild“ stehe eher für „ideale Mütter“ anstatt für „loyale Ehefrauen“, ebd., 126-129 (128; 126). <?page no="88"?> 3.4 Die Beziehungsgeschichte von Isaak und Rebekka 89 benserfahrung zweimal überliefert 129 . Konkurrenzangebote schmeicheln kurzfristig. Aber Ehepartner stehen in der Pflicht, einander beizustehen. Treue ist kein Opfer, sondern ein Schutz vor eigenen wie fremden Verletzungen und vor Herzens- und Beziehungschaos. (7) Auch vom Schwiegerkinderproblem blieben Isaak und Rebekka nicht verschont. Die zwei Frauen Esaus, zwei Halb-Hetiterinnen, „waren für Isaak und Rebekka ein schwerer Kummer“ (Gen 26,35), sie „machten Isaak und Rebekka lauter Herzeleid“ (Lutherübersetzung). Es ist nicht überliefert, wie die beiden damit umgingen. Aber vielleicht verstärkte dies Rebekkas Lust, ihren zweitgeborenen, noch unverheirateten Liebling Jakob zu bevorzugen. (8) Endlich der Betrug mit dem Erstgeburtssegen (Gen 27,1-40). Vorsätzlich und sehenden Auges haben Rebekka und Jakob den sehschwachen Isaak samt dessen Liebling, den Erstgeborenen, Esau, ausgebootet. Ein ungeheuerlicher Konventionsbruch, dem ein ungeheuerlicher Loyalitätsbruch - oder soll man es „Untreue“ nennen? - in der Beziehung zwischen Rebekka und Isaak vorausging 130 ! Der Respekt zwischen den einstmals Liebenden und in Freiheit zueinander „Ja“ Sagenden war offenbar verloren und damit auch Anstand und Ehrlichkeit im Umgang miteinander. Rebekka warf sich rückhaltlos für ihren Nachwuchs in die Bresche und scheute nicht davor zurück, sich wohl wissend, was sie tat, bereits vorsorglich selbst zu verfluchen: „Auf mich komme dein Fluch, mein Sohn“ (Gen 27,13). Beim Verteilen und Erben werden Menschen aus derselben Familie einander zu Wölfen. Der letzte Streit um Hinterlassenschaften wird oftmals erst mit dem Ableben der Beteiligten beendet. Ein Leben endet, so scheint es, beim Erben entweder im Frieden oder in zerstörerischen Beziehungskriegen. (9) Ob Isaak und Rebekka noch zu Lebzeiten wieder zueinander gefunden haben, ist nicht überliefert. Im Erbbegräbnis von Machpela aber, „dort hat man Isaak und Rebekka, seine Frau, begraben“, überliefert die Genesis im vorletzten Kapitel 131 . Spätestens im Tod sind die Liebenden wieder vereint. Ob man dazu erst die gemeinsame Endstation erreichen muss, ist eine schwierige, manchmal auch eine traurige Frage. 129 Dass am Ende ein Freundschaftsbund (eine Geschäftspartnerschaft, eine Netzwerk- Koalition) mit demselben Abimelech von Gerar steht, gleicht einem Wunder, Gen 26,26-31). Zum Verhältnis der drei Preisgabeerzählungen s. ausführlich I. F ISCHER , Erzeltern, 117-258. 130 B. P IEL , Lebensliebe, 42 sieht darin einen „Eheskandal erster Güte“. Vgl. auch N. A SCHKENASY , Woman, 103-106. 131 Gen 49,31, vgl. bereits 35,28f (Isaak). <?page no="89"?> 3 Beziehungen zwischen Mann und Frau im Alten Testament 90 3.4.6 Blieb ihnen die Liebe erhalten? Neun Stationen im Ehe- und Beziehungsleben von Isaak und Rebekka wurden in schneller Folge abgeschritten. Vergleichsweise viele Elemente einer Beziehungsbiographie sind dabei begegnet. Auch deshalb lohnt sich eine Betrachtung von Isaak und Rebekka. Ob ihre Liebe ein gutes Ende fand, musste offen bleiben. 3.4.7 Versuch eines Resümees Die teils recht verworrene Beziehungsgeschichte zwischen Isaak und Rebekka ist nicht einfach zu resümieren: (1) Isaak und Rebekka haben einige Fehler vermieden, und (2) sie haben schlimme Fehler gemacht (in Bezug auf Konkurrenzangebote, Kinder, Erbschaft). (3) Sie blieben einander treu. (4) Sie blieben beieinander. (5) Sie bezogen Gott in ihre Beziehung mit ein. (6) Sie haben beide am selben Projekt gearbeitet, sozusagen am selben Familienband gewoben. (7) Sie haben in Freiheit zueinander „ja“ gesagt - leider nicht bis zum Ende. (8) Mit zunehmendem Alter lebten sie sich offenbar auseinander. (9) Aber sie wurden beieinander begraben. Liebe, Anstand, Ehrlichkeit, Respekt sind in der Beziehung auf das Engste miteinander verflochten. Nach außen ist eine Beziehung stark durch ihre Einigkeit, nach innen dadurch, dass beide immer wieder in Freiheit „ja“ zueinander sagen. Dazu muss jede und jeder immer wieder auf den anderen Partner zugehen. An Isaak und Rebekka ist außerdem zu sehen, dass überzogene Kinderliebe blind machen kann. Rebekkas und Jakobs Verschlagenheit schlug später auf Jakob zurück durch Rebekkas Bruder Laban (Gen 29,15-30). 3.5 Zusammenfassung Einige wichtige Ergebnisse werden abschließend festgehalten: 1. Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung, faire Teilhabe und Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen sind heutzutage im öffentlichen, kirchlichen, beruflichen und häuslich-familiären Bereich gesetzlich geschützt und festgelegt. Sie bestehen jedoch in vielen Fällen, zumal im Arbeitsleben und in den Familien, nur theoretisch, nicht aber praktisch. Das Einlösungsdefizit bleibt eine dauerhafte Gestaltungsaufgabe für Frauen <?page no="90"?> 3.5 Zusammenfassung 91 und Männer in der Gegenwart und wohl auch in Zukunft. Gegenüber biblischen Zeiten (Alter Orient und klassische Antike) ist jedoch ein klarer Fortschritt in der Geschichte zu feststellbar. 2. Das Alte Testament spiegelt ausgesprochen ungleiche Entwicklungsmöglichkeiten für Männer und Frauen wider. Dies ist durch eine traditionelle Rollenverteilung im Familien- und Wirtschaftsleben einerseits (Wasserbeschaffung, Milch- und Wollverarbeitung sowie Kinderpflege und -erziehung sind Aufgaben von Frauen) und durch ein Rechtsdenken und Rechtstraditionen, in denen im Wesentlichen nur Männern die Qualität von Rechtssubjekten zukommt, andererseits bedingt. Wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen verstärken sich in vielen Fällen gegenseitig, so z.B. beim Erbrecht. 3. Besonders drastisch wirkten sich Ungleichheiten im Eherecht aus: Ehen wurden privatrechtlich (vertraglich) zwischen Männern arrangiert, und eine Frau wechselte als Besitz des Ehemannes (Eheherrn) in dessen Familie. Eine Ehescheidung erfolgte durch Entlassung (Verstoßung) der Ehefrau gegen Aushändigung eines Scheidebriefs und stand in der Regel nur Männern offen, auch ohne triftige Gründe; Kinder blieben dabei in der Familie des Mannes. Außerehelicher Geschlechtsverkehr war für eine Frau stets gefährlich (Zwangsheirat 132 , Steinigung), für einen Mann nur dann, wenn die betreffende Frau verheiratet oder verlobt war, also das Recht eines anderen Mannes tangiert wurde; Sklavinnen und Prostituierte waren in dieser Hinsicht rechtlos. Polygamie blieb Männern vorbehalten. 4. Normativ und in den meisten Fällen auch faktisch existierte ein rechtliches Verhältnis der Unterordnung von Frauen unter einen Mann. Gen 3,16 drückt dies unumwunden aus. Umso erstaunlicher ist, dass nach beiden Schöpfungserzählungen in Gen 1 und 2 der „Mensch“ geschaffen wird in seiner Zweigeschlechtlichkeit als Mann und Frau (Gen 1,27; 2,7.23). Die Gleichwertigkeit der Geschlechter „im Anfang“ (Gen 1,1) geht mit dem Sündenfall aber offenbar verloren (Gen 3), und an ihre Stelle tritt ab da die Unterordnung von Frauen unter einen Mann. 5. Neben wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen entscheiden weitere Ressourcen und persönliche Faktoren über die Bezie- 132 Was oft als allgemein überwunden geglaubt wird, ist manchmal von geradezu bedrückender Aktualität. So meldet die Tagesschau am 29.12.2012 (http: / / tagesschau.de/ ausland/ indien-demonstrationen112.html): „Erst vor wenigen Tagen hatte eine junge Frau im Norden Indiens Selbstmord begangen, weil sie nach einer Vergewaltigung von der Polizei gedrängt worden war, die Anzeige zurückzunehmen und stattdessen ihren Vergewaltiger zu heiraten.“ An vielen Stellen wird im Alten Testament kulturelles Wissen aufbewahrt, das beim Blick über den kulturellen Tellerrand überraschend aktuell wird und dadurch einen Beitrag zur Verbalisierung, Solidarisierung über kulturelle und religiöse Grenzen hinweg und letztlich zu einer wachsenden Humanisierung leisten kann. <?page no="91"?> 3 Beziehungen zwischen Mann und Frau im Alten Testament 92 hungsmöglichkeiten von Frauen und Männern. Dazu zählen die Teilhabe an Macht, Bildung, sozialer Herkunft (Adel), Geld oder Schönheit, aber auch Charakter, Charisma, individuelle Entwicklung (Chancenverwertung), Kommunikationspotential, Netzwerk, Gunst der Stunde oder Tüchtigkeit in einem umfassenden Sinn. Trotz aller Bedingungen, Ressourcen und Möglichkeiten entscheiden jedoch Mann und Frau wesentlich selbst über Glück und Erfolg ihrer Beziehung. Als wichtiger Indikator dafür gilt reicher Kindersegen, zumal in Form von Söhnen. 6. Die Variationsbreite alttestamentlicher Beziehungen zwischen Mann und Frau ist erheblich größer als im gegenwärtigen Kulturkreis. Rund 40 Paaren wurden untersucht: Nomaden-, Richter- und ältere Königszeit bilden die Schwerpunkte. Polygynie, aber keine Polyandrie, ein ungleich höherer Migrationsanteil bei Frauen und ein stärkeres Interesse an Namen und Geschichten der Männer sind weitere Ergebnisse dieses Beziehungssurveys. Dennoch mangelt es keineswegs an herausragenden Frauen in verschiedenster Hinsicht. 7. Die einzige monogame Beziehung unter den Patriarchen wird facettenreich und liebevoll erzählt und bietet mannigfache Identifikationsmöglichkeiten mit heutigen Beziehungsnöten. Nach einer über große Distanzen hinweg arrangierten Verwandtenehe zwischen dem zögerlich wirkenden, älteren Isaak und der resolut wirkenden, jungen Rebekka lernen sich beide lieben und sagen in Freiheit zueinander „ja“. Unfruchtbarkeit, Schwangerschaftsprobleme, gegensätzliche Zwillinge, dauerhafte Koalitionen zwischen einem Elternteil und einem Kind, Verleugnung des Ehepartners aus Ängstlichkeit, Schwiegerkinderprobleme und ein handfester Erbbetrug sind weitere Stolpersteine auf dem Weg, den sie mehr oder minder gemeinsam bewältigen, bis zum gemeinsamen Grab in der Höhle Machpela. 8. Im Hinblick auf heutige Beziehungsnöte kann die Beziehungsgeschichte von Isaak und Rebekka zeigen, dass Liebe, Anstand, Ehrlichkeit, Versöhnungsbereitschaft und Respekt in einer Beziehung zwischen Mann und Frau aufs Engste miteinander verflochten sind. Nach außen ist eine Beziehung stark durch ihre Einigkeit, nach innen dadurch, dass das verständnis- und liebevolle Gespräch auch in schwierigen Zeiten nicht abreißt und beide immer wieder in Freiheit „ja“ zueinander sagen. Bevorzugung unter den Kindern, dauerhafte (offene oder verborgene) Koalitionen mit Dritten und Unaufrichtigkeit schaden hingegen dem gemeinsamen Glück. Nicht zuletzt haben Isaak und Rebekka gerade an entscheidenden Stellen Gott in ihre Beziehung mit eingebunden (vgl. Koh 4,12b). <?page no="92"?> 4 Bildung und Erziehung von Kindern in der Bibel „Bejahte Angewiesenheit, Offenheit und Hoffnung qualifizieren für die Gottesherrschaft.“ 1 Das Interesse an frühkindlicher Bildung und Erziehung boomt. Seit wenigen Jahren werden entsprechende Studiengänge landauf landab eingerichtet, an vielen Orten in Hochschulkooperationen 2 . Im Hinblick darauf werden im Folgenden Aspekte zu einer biblischen Grundlegung der frühkindlichen Bildung und Erziehung von Kindern erarbeitet. Dabei geht es zunächst um Begriffsbestimmungen zu (1) Bildung und Erziehung. Anschließend werden (2) Kinder, Erziehung und Bildung im ersten Testament untersucht, sodann (3) Kinder im Neuen Testament. Am Ende steht eine (4) Zusammenfassung. 4.1 Die Begriffe „Bildung“ und „Erziehung“ „Bildung“ ist nach Wolfgang Pfeifers Etymologischem Wörterbuch des Deutschen „der Vorgang des Entfaltens der geistigen Anlagen, des Erziehens sowie dessen Ergebnis“ 3 . Damit kommt eine starke Sinnverwandtschaft - vielleicht sogar Bedeutungsgleichheit - zwischen den Begriffen „Bildung“ und „Erziehung“ zum Ausdruck. Die zugrunde liegende Vorstellung ist freilich verschieden. „Bilden“ bedeutet „formen, gestalten, hervorbringen, darstellen, sein“ 4 und wird bereits „im Sprachgebrauch der Mystiker“ auch „auf den geistigseelischen Bereich“ angewendet 5 . So schreibt Heinrich Seuse im 14. Jahrhundert etwa: „Ein gelassener Mensch muss entbildet werden von der Kreatur, gebildet werden mit Christus und überbildet in der Gottheit“ 6 . 1 H.K. B ERG , Art. Kind, 736. 2 In der Barockstadt Ludwigsburg werden z.B. gemeinsam von der Pädagogischen Hochschule (PH) und der Evangelischen Hochschule (EH) ab WS 2008/ 09 150 Studienplätze angeboten (BA), ab WS 2010/ 11 um 30 MA-Studienplätze ergänzt. 3 W. P FEIFER , Wörterbuch, 138. 4 W. P FEIFER , Wörterbuch, 137. 5 Ebd. 6 „Ein gelassener mensch můss entbildet werden von der creatur, gebildet werden mit Cristo, und úberbildet in der gotheit“, s. H. S EUSE (Hg. Bihlmeyer), Schriften, 168,9f; <?page no="93"?> 4 Bildung und Erziehung von Kindern in der Bibel 94 Unüberhörbar liegt das Wort „Bild“ zugrunde, das bereits althochdeutsch als bilidi belegt ist und „Abbild, Vorbild, Gestalt“ bedeutet 7 . „Bildung“ ist also ein Prozess, in dem sich jemand in Richtung auf eine bestimmte Gestalt hin entwickelt, eine Gestaltwerdung und Formierung. Der Begriff hat „ursprünglich theologischen Charakter“ 8 . Zweifellos steht dabei implizit der Gedanke der Gottebenbildlichkeit gemäß Gen 1,26 im Hintergrund 9 : jene imago (griech. ei1kw3n, hebr. ,lj / zælæm), die zwar keinesfalls mit Gott gleichgesetzt werden darf, sondern gerade aufgrund ihrer „Ähnlichkeit“ (similitudo, o2moi3wsiV, tvmd / demút 10 ) immer zugleich eine Unähnlichkeit mit Gott impliziert, die aber gleichzeitig nicht (stark verkürzt formuliert: alttestamentlich, Gen 1-3) einen ursprünglichen und paradiesischen Zustand schildert, sondern (sozusagen neutestamentlich: 2 Kor 3,18; Röm 8,29) „vielmehr zur Bestimmung des Menschen“ wird 11 . Eine so verstandene Bildung wird im Englischen sowie in einigen romanischen Sprachen analog durch die Begriffe formation oder cultivation ausgedrückt 12 , und es handelt sich in der Tat um ein Hineinwachsen in eine dadurch angeeignete Kultur 13 . Sie fördert die Ausbildung und Entfaltung sowohl von menschlicher als auch von individueller Identität. Das Wort „Erziehung“ gehört ganz und gar in die Nähe von „Bildung“. „Erziehen“ bedeutet „jmdn., bes. ein Kind, geistig und charakterlich formen, seine Neigungen und Fähigkeiten entfalten“ 14 . Bei „erziehen“ liegt jeim Haupttext zit. nach H. S EUSE (Hg. Heller), Schriften, 155 (Erstes Buch: Seuses Leben, Zweiter Teil, Kap. 49); DERS ., Mystische Schriften, 73; ferner DERS ., Deutsche mystische Schriften, 174 (neuhochdeutsche Übertragung). Ähnliche Gedanken mit Bezug auf Meister Eckart entfaltet K.E. N IPKOW , Bildung als Lebensbegleitung, 53-56; zur Geschichte des Bildungsbegriffs seit der deutschen (genauer dominikanischen) Mystik s. H.J. F RAAS , Bildung, 44-105. 7 W. P FEIFER , Wörterbuch, 136. 8 W. P ANNENBERG , Gottebenbildlichkeit, 210; im selben Beitrag wird „Bildung“ als Gegensatz zur Entfremdung begriffsgeschichtlich entfaltet. 9 S. auch Gen 5,1. Zur Vorstellung der Gottebenbildlichkeit auf dem Hintergrund des Verbots jeglicher Gottesbilder s. grundlegend G. H ENTSCHEL , Mensch, 10-18; zur Auslegung von Gen 1,26 s. jetzt ausführlich A. S CHELLENBERG , Mensch, 68-127. 10 Beide Begriffe kennzeichnen in Gen 5,3 das Verhältnis zwischen Adam und seinem Sohn Set, den Vater von Enosch („Mensch“, Gen 4,26). 11 W. P ANNENBERG , Gottebenbildlichkeit, 218; s. auch J. M OLTMANN , Gott, 222-235. 12 Französisch formation, culture, Italienisch formazione, cultura, Spanisch formación, figuración; s. auch K.-H. H ILLMANN , Wörterbuch (Art. Bildung), 101: „Formung des Menschen“. 13 Sowohl im Sinn einer gleichsam nachträglichen Akkulturation als auch einer primären, oft unmerklichen Enkulturation, s. dazu K.-H. H ILLMANN , Wörterbuch (Art. Akkulturation; Enkulturation), 14.183f. Für wichtige Differenzierungen zum Bildungsbegriff s. K.E. N IPKOW , Bildung - pädagogisch, 16-22; zur „metaphorischen Tiefengrammatik“ von Bildung s. DERS ., Maße, 82-88. 14 W. P FEIFER , Wörterbuch, 1609. <?page no="94"?> 4.1 Die Begriffe „Bildung“ und „Erziehung“ 95 doch etymologisch und semantisch - anders als bei „bilden“ - die Vorstellung einer Fortbewegung zugrunde: Educare (education) kommt von lat. ducere 15 , „führen“, und in ähnlicher Weise ist der paidagwgo3V (Pädagoge) jemand, der „das Kind führt“ oder „bringt“. Der „Erzieher“ „zieht“ den „Zögling“ nach und nach an den Ort, an dem er sich als Erzieher bereits befindet. Ganz deutlich handelt es sich dabei um zwei verschiedene Personen oder Rollen. Blickt man zudem sprachgeschichtlich zurück, so beinhaltet das althochdeutsche irziohan mindestens zwei verschiedene Aspekte. Es bedeutet: „ziehen, [im Sinne von] aufziehen, erziehen“ 16 . Drei verschiedene Bedeutungsnuancen von „Bildung“ und „Erziehung“ können damit voneinander unterschieden werden: (1) „erziehen“ im Sinne von „großziehen“, „aufziehen“, „ernähren“, (2) „erziehen“ im Sinne einer geistigen oder moralischen Ortsveränderung eines Zöglings und schließlich (3) „Bildung“ als intransitiver Prozess einer Selbstkonzeption, die sich an einem bestimmten Bildungsideal orientiert. Während „erziehen“ im Sinne von „aufziehen“ physisch und biologisch gedacht ist, eignet dem Erziehungshandeln eines Erziehungsberechtigten eine soziale Dimension; „Bildung“ hingegen bewegt sich in den weiten Räumen der Kultur und führt in diese hinein 17 . Als vorläufiges Fazit ist somit festzuhalten: „Erziehung“ beschreibt tendenziell ein sozialisierendes Handeln, das eher, aber nicht ausschließlich in familiärer und weniger in öffentlicher Verantwortung geschieht 18 . Sie hat „ihre Grundlage, wie schon Schleiermacher betont hat, im Generationenverhältnis“ 19 . „Bildung“ zielt dagegen tendenziell auf Hineinwachsen in die Kultur (sei es als kulturverbindende Akkulturation oder als primär erfolgende Enkulturation) und dies wiederum eher, aber nicht ausschließlich in öffentlicher Verantwortung. Zugespitzt formuliert: Erziehung macht einen Menschen gesellschaftsfähig und angenehm, Bildung macht ihn kun- 15 Vgl. die analogen Wortbildungen bei dux oder „Herzog“, dazu W. P FEIFER , Wörterbuch, 537; e-ducare ist nach H. VON H ENTIG , Bildung, 142 (unter Rekurs auf Varro) ein Verbum intensivum von ducere: „Herausführen aus der Schwäche und bloßen Animalität“. 16 W. P FEIFER , Wörterbuch, 1609 (Klammer von mir, B.M.); ähnlich F. K LUGE / E. S EE- BOLD , Wörterbuch, 233: „aufziehen, großziehen“. 17 Zu „Standards“ evangelischer Bildungsarbeit s. A. R ÖSENER , Standards, 135-146. 18 „Die Familie bildet den sozialen Mutterschoß, in dem das Kind bis zu seiner zweiten, soziokulturellen Geburt (…) heranwächst“, so H.-J. F RAAS , Glaube, 228. M. W INKLER , Erziehung, 83 fasst familiäre Erziehung als „Moderation zwischen sozialer Außenwelt- und familiärer Innenwelt“. Zum Verhältnis zwischen familiärer und schulischer Bildung s. Ch. O ELSCHLÄGEL , Familie. 19 W. P ANNENBERG , Gottebenbildlichkeit, 222. <?page no="95"?> 4 Bildung und Erziehung von Kindern in der Bibel 96 dig und kompetent. Erziehung sozialisiert 20 , Bildung kultiviert 21 . Beides z.B. in Gestalt von Sozialpädagogik und Schulpädagogik zusammenzuführen, ist eine genuine Aufgabe Evangelischer Hochschulen 22 . 4.2 Kinder, Erziehung, Bildung im ersten Testament Wendet man sich biblischen Aspekten zu, dann stehen vor allem die theologische Bedeutung von Kindern im Zentrum des Interesses 23 und die daraus erwachsenden Konsequenzen für Bildung und Erziehung. Weithin ausgeblendet werden im Folgenden der sehr häufige metaphorische Gebrauch des Wortes „Kind“ 24 sowie ein breites Spektrum konkreter Lebensumstände von Kindern. Dabei ist z.B. an Gefährdungen und Bedrohungen von Kindern zu denken, die im Alten und Neuen Testament keineswegs bagatellisiert werden: Stellvertretend seien etwa die Gefährdung von Babys (sei es Jesus, sei es Mose), Kindersterblichkeit sowie die Bedrohungen durch Hunger, Kriege, Verpfändung und Frondienst genannt 25 . Einem ersten Abschnitt über (1) Kinder als Verheißung, Segen und Gabe folgen Blicke auf (2) Bildung und Erziehung der Kinder im Deuteronomium und (3) im Proverbienbuch. 4.2.1 Kinder als Verheißung, Segen, Gabe Neben der Landverheißung und der Verheißung des Mitseins Gottes gehört die Verheißung einer Nachkommenschaft zu den drei großen Verhei- 20 Nach K.-H. H ILLMANN , Wörterbuch (Art. Erziehung), 197 ist Erziehung „ein Unterbegriff von Sozialisation“, so auch bereits K.E. N IPKOW , Bildung als Lebensbegleitung, 32. 21 Noch zugespitzter formuliert P. W INTERHOFF -S PURK , Menschen, 121: „Was den Menschen zum Menschen macht. Sozialisation und Bildung“. 22 K.E. N IPKOW , Maße, 70f. 23 Dieser Focus ist keineswegs selbstverständlich, wie die vergebliche Suche nach einem Artikel „Kind“ in dem weit verbreiteten pädagogischen Wörterbuch von J.A. K EL- LER / F. N OVAK zeigt. 24 S. etwa Dtn 14,1; 32,5.8.20. In Dtn 21,18-21 handelt es sich zwar um keine metaphorische Verwendung, jedoch um einen Sohn, der bereits im Übergang zur Adoleszenz steht. Darauf weisen die Begriffe „Prasser“ und „Trunkenbold“ hin. Eine typologische Verwendung liegt in Dtn 8,5 vor. Zur Metaphorik der Gotteskindschaft im Neuen Testament s. P. M ÜLLER , Kinder. 25 Beispiele für die Gefährdung von Babys: Ex 2,1-10; Mt 2,13-23; für Kindersterblichkeit: 2 Sam 12,14-23; 1 Kö 3,16-28; 14,12; 17,17-24; Mk 5,21-24.35-43; Lk 7,11-17; für Hunger: Thr 2,11f; Krieg: 1 Sam 15,33; 2 Kö 8,12; Verpfändung: Lev 25,39-43; 2 Kö 4,1; Jes 50,1; Am 2,6; Neh 5,1-5; Mt 18,25; Frondienst: 1 Sam 8,11-13; s. ferner I. B REITMAI - ER , Kinder, 1f; ausführlich A. M ICHEL , Gott. Dass Gott bereits im Alten Testament als Anwalt hinter Kindern steht, zeigt F. C RÜSEMANN , Gott; s. als Überblick auch C. E TTL , Gott. <?page no="96"?> 4.2 Kinder, Erziehung, Bildung im ersten Testament 97 ßungen an die Erzväter 26 . Dementsprechend gilt Kinderlosigkeit als Unglück und Schande 27 , die im ersten Testament an vielen Stellen - so etwa bei allen „Erzmüttern“ - exemplarisch überwunden wird 28 , am schönsten und eindrücklichsten wohl bei Hanna und ihrem Sohn Samuel 29 . Es ist Teil der Barmherzigkeit Gottes, dass er eine kinderlose Frau zur „fröhlichen Kindermutter“ macht, wie etwa Ps 113,6-9 zeigt: 5 Wer ist dem H ERRN gleich, unserem Gott, der hoch droben thront? 6 Der tief hinunterschaut auf Himmel und Erde, 7 der aus dem Staub den Geringen aufrichtet, aus dem Kot den Armen erhöht, 8 um ihn neben Edle zu setzen, neben die Edlen seines Volkes. 9 Der der Unfruchtbaren Hausrecht gibt als fröhliche Mutter von Kindern. Hallelujah. Mann und Frau werden hier jeweils mit einer damals für ihn bzw. sie „typischen Not“ vorgestellt 30 . Dabei wird die Überwindung der Unfruchtbarkeit als zweites und damit als Steigerung gegenüber einem sozialen Aufstieg von ganz unten nach ganz oben vor Augen geführt. Bei der Frau geht es um mehr als um biologisches oder emotionales Mutterglück: Denn eine kinderlose Frau konnte zurückgesetzt und sogar entlassen werden. Lange vor den Forschungen zu honour and shame in der Exegese 31 wies Claus Westermann darauf hin, dass es in Ps 113 sowohl beim Mann als auch bei der Frau um die „Wiederherstellung der Ehre“ geht 32 . Kinder sind, so formuliert Ps 127,3 kurzerhand, „eine Gabe des Herrn“ 33 : 26 S. beispielhaft Gen 28,13-15. 27 H.-J. K RAUS , Psalmen 2, 777: „als eine besondere Schande“; Gen 15,2; 16,1f; 29,31f; 30,1f; Hi 3,7f; 15,34; 24,20f. Als Strafe oder im Rahmen von Strafandrohungen: Jer 15,7; 17,6 (metaphorisch); 18,21; Ez 5,17; Hos 9,11f. Eine Ausnahme in der Bewertung bildet Sap 3,13(-19). 28 S. zu Sara Gen 21,1f (vgl. 18,10-15; Hebr 11,11); zu Rebekka Gen 25,21; zu Lea Gen 29,31-35; 30,17-21; zu Rahel Gen 30,22f; 35,16-19. Ferner zu Elisabeth Lk 1,25. S. außerdem die so genannte Schwagerehe, Dtn 25,5-10, oder Leihmutterschaft, Gen 16,1- 4; 30,1-13; ferner Gen 19,30-38; Jes 4,1; o. S. 77. 29 1 Sam 1,1; 2,3; s. auch Ri 13,2-24; 2 Kö 2,19-22; als Ansage zukünftiger Heilszeit: Jes 49,20f; 54,1; sodann Lk 1,7.36. 30 Vgl. C. W ESTERMANN , Psalmen, 148. F.L. H OSSFELD / E. Z ENGER , Psalmen 101-150, erkennen hier einen „armentheologischen Akzent“. 31 S. etwa B.J. M ALINA , Welt, 40-67. 32 C. W ESTERMANN , Loben, 89. 33 L UTHERBIBEL ; Z ÜRCHER B IBEL : „Sieh, das Erbteil des H ERRN sind Söhne, ein Lohn ist die Frucht des Leibes.“ Dazu zusammenfassend P. M ÜLLER , Mitte, 125-129. <?page no="97"?> 4 Bildung und Erziehung von Kindern in der Bibel 98 Siehe, Kinder sind eine Gabe des H ERRN , und Leibesfrucht ist ein Geschenk. Es gibt freilich keineswegs ein Recht auf Kinder. Kinderlosigkeit trifft sowohl Frauen als auch Männer sehr hart. Innerhalb der späten Weisheit wird dies theologisch reflektiert und zurechtgerückt: 13 Denn selig ist die Unfruchtbare, die (sich) unbefleckt (hielt), die sich nicht unter Gesetzesübertretung in ein Bett begab. Sie wird nämlich Frucht haben bei der Heimsuchung der Seelen. 14 Und (selig) der Kinderlose, der durch sein Handeln keinen Gesetzesverstoß bewirkte und in seinem Denken dem Herrn nicht Schlechtes zuschrieb: Ihm wird nämlich für seine Treue ausgewählte Gnade gegeben werden und ein mehr als erfreuliches Erbe im Tempel des Herrn. 34 Die religiöse, eschatologisch verheißene Kompensierung von Kinderlosigkeit vermag hier Schmerzen und mangelndes Ansehen für die Betroffenen zu mildern 35 . Da Kinder kein menschliches Verdienst sind, sondern allemal ein Geschenk des Schöpfers, verdanken sie sich letztlich allein dem Segen Gottes 36 . Der Liederdichter Paul Gerhardt formuliert deshalb mit Recht: „Segnen und mehren, Unglück verwehren sind seine Werke und Taten allein“ 37 . Die in den Schriften des ersten Testamentes durch und durch theologisch zu nennende Hochschätzung von Kindern wird dadurch verständlich, dass Kinder einmal „als Erben der Verheißung … in den Bund Gottes mit seinem Volk“ eintreten 38 . Auch wegen dieser Hochschätzung kommt Kindesaussetzung im Alten Testament nicht vor 39 . In die Bundesverpflichtungen 34 Weish 3,13f, Übersetzung nach der S EPTUAGINTA D EUTSCH ; der Abschnitt endet erst in Weish 4,6, s. ausführlich H. H ÜBNER , Weisheit, 55-60. 35 Nach S. S CHROER , Buch, 405 ist hier zugleich „im Keim die Gefahr der Jenseitsvertröstung angelegt“. 36 Ex 23,26; Dtn 7,14; Ps 128,3-6; Mal 3,10f (metaphorisch). 37 E VANGELISCHES G ESANGBUCH (Ausgabe für Württemberg), Nr. 449,4. 38 P. M ÜLLER , Art. Kind/ Kindheit II, Sp. 968; ausführlich DERS ., Mitte, 129-133. 39 S. jedoch Gen 21,8-21 und Ex 2,1-10. Ez 16,4f zeigt, dass Kindesaussetzung durchaus bekannt war; interessanterweise spielt im Kontext, Ez 16,1-14, der Bund eine wichtige Rolle, s. 16,8. In der Antike war die Aussetzung von Kindern weit verbreitet, s. U. S CHÖPS -S CHEMBERA , Kindesaussetzung, 11-44, im Judentum und Christentum jedoch verboten: „Alle Kinder aufzuziehen, hat es [sc. das Gesetz] angeordnet“, Jos., c.Ap. II, 202 (I, 198 S IEGERT ; Klammer von mir, B.M.); Übersetzung auch bei C. G ERBER , Bild, 404; ähnlich PsPhok 184f (213 W ALTER ); Did 2,2 (SUC 2, 68 W ENGST ; SQS II 1/ 1, 2,13 F UNK / B IHLMEYER = 6,13 L INDEMANN / P AULSEN ); Barn 19,5 (SUC 2, 188 W ENGST ; SQS II 1/ 1, 31,29-32,1 F UNK / B IHLMEYER = 68,29-70,1 L INDEMANN / P AULSEN ). Für eine ausführliche Darstellung s. C. T UOR -K URTH , Kindesaussetzung, passim. <?page no="98"?> 4.2 Kinder, Erziehung, Bildung im ersten Testament 99 wachsen Kinder jedoch nicht von selbst hinein, sondern mit Hilfe von Erziehung, Lernen und Bildung. Das wird insbesondere im fünften Buch Mose (Deuteronomium) und im Buch der Sprüche (Proverbienbuch) deutlich. 4.2.2 Bildung und Erziehung der Kinder im Deuteronomium Im Deuteronomium erfüllt die Unterweisung in der religiösen Tradition einen (1) doppelte Aufgabe. Sie geschieht (2) allgemein im öffentlichen Raum und (3) speziell im Raum der Familie. Damit erfolgt eine (4) Einbindung der Kinder in die dreifache Verheißung an die Erzväter und in den ethischen Monotheismus. 4.2.2.1 Die doppelte Aufgabe der Unterweisung in der religiösen Tradition Um die Aufgabe von Bildung und Erziehung der Kinder nach dem Deuteronomium zu erfassen 40 , werden zwei Texte in den Blick genommen: (1) Vor der eigentlichen Gesetzesverlesung im fünften Buch Mose werden die Israeliten an ihre eigene Geschichte mit Gott, den Auszug und die Ereignisse seit dem Auszug, erinnert (Dtn 11,2-7): 2 Heute nun sollt ihr erkennen, denn nicht mit euren Kindern rede ich, die die Erziehung (mūsār/ rcvm ) durch den H ERRN , euren Gott, nicht kennen und die seine Größe nicht erfahren haben, seine starke Hand und seinen ausgereckten Arm (…). 7 Ihr aber habt mit eigenen Augen die großen Taten gesehen, die der H ERR getan hat. 41 (2) Nach der (zweiten) Gesetzesverlesung (Deuteronomium) wird deren Bedeutung eingeschärft (Dtn 29,28): Was noch verborgen ist, steht beim H ERRN , unserem Gott, was aber offenbar ist, gilt uns und unseren Kindern auf ewig, so dass wir nach allen Worten dieser Weisung handeln können. Die beiden Texte lassen eine doppelte Aufgabe zur Unterweisung in der religiösen Tradition erkennen: Es geht zum einen um die Weitergabe eigener religiöser Erfahrung mit Gott (Dtn 11,2-7), zum anderen um die Weitergabe und Erfüllung der grundlegenden normativen Tradition, der Lebensordnung Israels in Form der Tora (Dtn 29,28). Diese wird im Judentum bis heute vielfach laut gelesen (rezitiert) und auch dadurch auswendig gelernt 42 . 40 Zur ersten Einführung s. K. F INSTERBUSCH , Kind; zur Einführung in das Deuteronomium s. DIES ., Deuteronomium. 41 Dazu ausführlich K. F INSTERBUSCH , Weisung, 256-259. 42 Zum Learning by heart bzw. Apprendre par cœur, einer heute oft geschmähten Methode, s. G. B ÜTTNER , 40-48. <?page no="99"?> 4 Bildung und Erziehung von Kindern in der Bibel 100 4.2.2.2 Allgemeine Unterweisung im öffentlichen Raum Die Kinder werden einerseits öffentlich in kultischem Rahmen in der religiösen Tradition unterwiesen. Sie werden aber weder durch besondere Gottesdienste liturgisch noch durch eigenen Unterricht religionspädagogisch separiert, sondern vielmehr als Teil des ganzen Volks mit angesprochen. Dementsprechend lautet die Anweisung für ein alle sieben Jahre im Herbst zu feierndes Bundeserneuerungsfest (Dtn 31,12f): 12 Versammle das Volk, Männer, Frauen und Kinder, und die Fremden an deinen Ort, damit sie [das Gesetz] hören und lernen und damit sie den H ERRN , euren Gott, fürchten und alle Worte dieser Weisung halten und danach handeln. 13 Und ihre Kinder, die sie noch nicht kennen, sollen sie hören, und sie sollen lernen, den H ERRN , euren Gott, zu fürchten, solange ihr auf dem Boden lebt, auf den ihr über den Jordan zieht, um ihn in Besitz zu nehmen. 43 Nicht nur bei der Bundeserneuerung, sondern auch beim Moabbund, der vor der Einnahme des Landes durch Mose mit dem Volk Israel geschlossen wurde, sind Kinder, Jungen und Mädchen 44 , ein integrativer und eigens erwähnter Teil des gesamten Volks. Entsprechend hatte Mose das Volk angesprochen (Dtn 29,9-11): 9 Ihr alle steht heute vor dem H ERRN , eurem Gott, die Häupter eurer Stämme, eure Ältesten und eure Amtleute, alle Männer von Israel, 10 eure Kinder, eure Frauen und der Fremde in deinem Lager, vom Holzfäller bis zum Wasserschöpfer. 11 Du sollst eintreten in den Bund mit dem H ERRN (…). Kleine und Große, obere und untere Gesellschaftsschichten werden hier in gleicher Weise angesprochen. Ganz Israel besinnt sich miteinander auf die religiösen Grundlagen seiner Existenz. 4.2.2.3 Besondere Unterweisung im Raum der Familie Der allgemeinen öffentlich-kultischen Unterweisung einerseits tritt andererseits eine besondere Weitergabe an die Kinder an die Seite. Von ihr ist mehrfach etwa im Umfeld des Hauptbekenntnisses Israels, des Sch e ma c Israel ( larsy imw ), die Rede. So heißt es unmittelbar nach dem Bekenntnis (Dtn 6,6f): 6 Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollen in deinem Herzen bleiben, 7 und sollst sie deinen Kindern einschärfen, und du sollst davon reden, 43 S. ebd., 287-294. 44 K. F INSTERBUSCH , Weisung, 294: „Mädchen sind in die Lehr- und Lernkultur, die das Dtn vorschreibt, ausdrücklich einbezogen“; ferner DIES ., Identität, 100-102. <?page no="100"?> 4.2 Kinder, Erziehung, Bildung im ersten Testament 101 wenn du in deinem Haus sitzt und wenn du auf dem Weg gehst, wenn du dich niederlegst und wenn du dich erhebst. 45 Vergleichbare Formulierungen finden sich an weiteren Stellen im Deuteronomium 46 . Auffällig ist daran dreierlei: (1) Auf das eigene „Zu-Herzen- Nehmen“ folgt sofort der Auftrag zur Weitergabe an die Kinder. (2) Dies geschieht keinesfalls durch einen separaten Unterricht mit klar definierten Unterrichtszeiten beispielsweise in einer Toraschule (dem bejt ha-midrasch/ wrdymh tyb , einer Art jiddischen Schuel), sondern schlichtweg immer und überall, keineswegs beschränkt auf Schabbat, Festtag oder Kult. Insbesondere auch der König soll in der Lebensweisung (tōrā/ hrvt ) „lesen sein Leben lang, damit er lernt, den H ERRN , seinen Gott, zu fürchten, und damit er alle Worte dieser Weisung und diese Satzungen hält und danach handelt“ 47 . (3) Da das ganze Leben uneingeschränkt von der Tora bestimmt sein soll, ist die Familie die geeignete Institution zur Weitergabe an die nächste Generation 48 . Charakteristisch sind also der hohe Stellenwert der Kinder, das alle Lebensvollzüge umfassende Zeugnis und die selbstverständliche Weitergabe innerhalb der Familie 49 . 4.2.2.4 Die Einbindung in die dreifache Verheißung an die Erzväter und der ethische Monotheismus Das Lernen der Gesetze und Gebote bindet die nachwachsende Generation in die kulturelle und religiöse Tradition Israels ein. Ausdrücklich wird eine Verbindung zur Verheißung an die Väter hergestellt: Die Nachkommenschaft wird das Land besitzen, „du und deine Kinder und deine Kindeskinder“, wie es in Dtn 6,2 heißt, wenn sie ein Leben lang Gott fürchtet und „seine Satzungen und Gebote“ hält 50 . Hier sind die drei großen Verheißungen an die Erzväter wieder versammelt: Nachkommenschaft, Land und das Mitsein Gottes, das jetzt als Gemeinschaft zwischen Gott und Volk im Rahmen des Bundes formuliert wird. Innerhalb dieses Bundes ist es Aufgabe des Volkes, „das Gesetz mit den Satzungen und Rechten“ Gottes (Dtn 6,1) zu „hören“, zu „halten“ und danach zu „handeln“ (6,3). Alle drei Aspekte sind 45 Vgl. K. F INSTERBUSCH , Weisung, 239-248. 46 S. Dtn 11,18f; 32,45-47 als Moses letzte Mahnung an das Volk; vgl. wiederum die Kommentierungen bei K. F INSTERBUSCH , Weisung, 259-263.300-303. 47 Dtn 17,19; dazu K. F INSTERBUSCH , Weisung, 271-274. 48 Ebenso G. W ANKE , Erziehung, 56: „in erster Linie die Familie“. S. auch H. D ELKURT , Erziehung (2002), 242f. Nach G. B ÜTTNER , Schule, 38 ist „schulische Erziehung auch im Palästina der hellenistisch-römischen Zeit eher eine situativ ausgeweitete Familienerziehung“. 49 Zu Grundlinien des biblischen Familienverständnisses s. auch u. S. 153-164. 50 Dtn 6,1-3, dazu K. F INSTERBUSCH , Weisung, 170-174; ähnlich Dtn 30,1-3 aus einer Exilsperspektive mit der Aussicht auf Rückkehr zu Gott (Umkehr, Bekehrung). <?page no="101"?> 4 Bildung und Erziehung von Kindern in der Bibel 102 wichtig: hören 51 , halten und danach handeln. Mit Fug und Recht kann man in diesem Zusammenhang von einem ethischen Monotheismus sprechen, wie abschließend anhand von Dtn 4,39f deutlich wird: 39 Und heute sollst du erkennen und dir zu Herzen nehmen, dass der H ERR allein Gott ist oben im Himmel und unten auf der Erde und sonst keiner, 40 und sollst seine Satzungen und Gebote halten, die ich dir heute gebe, damit es dir und deinen Kindern nach dir gut geht und du lange lebst auf dem Boden, den dir der H ERR , dein Gott, gibt für alle Zeit. Eine praktische und eine pädagogische Verantwortung für das Wohlergehen auch der nächsten Generation ist hier und an einigen weiteren Stellen mit Händen zu greifen 52 . 4.2.3 Bildung und Erziehung der Kinder im Proverbienbuch Im Proverbienbuch werden in bemerkenswerter Weise (1) Vater, Mutter und „mein Sohn“ genannt. Sodann fällt die (2) religiöse Ausrichtung weisheitlicher Erziehung ins Auge. Anschließend geht es um (3) mūsār/ rcvm und die Frage nach der „Züchtigung“. Zuletzt wird ein Blick auf die (4) Bewährung von Bildung und Erziehung im Leben geworfen. 4.2.3.1 Vater, Mutter und „mein Sohn“ Neben den Gesetzestexten ist der alttestamentliche Wertekanon wohl am deutlichsten im Proverbienbuch (Buch der Sprüche) enthalten. Schon auf den ersten Blick fällt auf, dass bei über der Hälfte der Belege für „Vater“ auch die „Mutter“ eigens genannt wird 53 . In vielen Fällen geht es dabei aber letztlich um das Elterngebot und um einen erwachsenen oder zumindest herangewachsenen Sohn 54 . Ganz anders lautet der Befund bei „Kind“, „Sohn“ oder „Tochter“: „Tochter“ kommt nur zweimal vor, einmal zur Bezeichnung von erwachsenen Frauen (Prov 31,29) - am Ende des Gedichts über die tüchtige Frau, das traditionell unter der Bezeichnung „Loblied der tüchtigen Hausfrau“ bekannt ist - und einmal in wenig schmeichelhaftem Kontext im übertragenen Sinn (Prov 30,15): „Der Blutegel hat zwei Töchter: 51 Zu schama c / imw (hören) im Deuteronomium s. ausführlich I. B REITMAIER , Lehren, 157-161. 52 S. Dtn 5,29; 11,20f; 12,23-25.28. 53 Vater: 26 Belege, Mutter: 14 Belege. Das gesamte AT enthält demgegenüber 220 Belege für „Mutter“ und 1224 für „Vater“. 54 S. etwa Prov 15,20; 19,26; 23,22.25; 28,24; 30,11; wahrscheinlich auch 30,17, vgl. O. P LÖGER , Sprüche, 363: V. 17 ist „inhaltlich in die Nähe von V. 11 zu stellen“ und eine „originelle Variation“ zu diesem. Von einem Herangewachsenen handeln auch Prov 4,3; 6,20; 10,1; 17,25; 31,1. Zum Elterngebot in der Spruchweisheit s. auch die umfassende Untersuchung von H. J UNGBAUER , Vater, 107-115. <?page no="102"?> 4.2 Kinder, Erziehung, Bildung im ersten Testament 103 Gib her, gib her! “ Die mit Abstand häufigste aller Familienbezeichnungen ist mit annähernd 50 Nennungen der „Sohn“, und zwar meist im Singular 55 . Hierher gehören auch die im deutschen Bibeltext enthaltenen Belege für „Kind“ oder „Kindeskind“ 56 . Dies alles zeigt, wer typischerweise das lernende und zu erziehende Kind im Proverbienbuch ist: der Sohn. Grammatischen Inklusionsüberlegungen zum Trotz dürfte sich in dieser Typisierung letztlich auch eine strukturelle Ungleichheit zwischen Jungen und Mädchen im Hinblick auf pädagogische Rahmenbedingungen verbergen. Für die frühkindliche Erziehung und Bildung sind zuallererst die Eltern als Erziehungsberechtigte verantwortlich (Prov 1,8f 57 ): 8 Höre, mein Sohn, auf die Zucht deines Vaters, und lass nicht fahren die Weisung deiner Mutter! 9 Denn sie sind ein anmutiger Kranz für dein Haupt und eine Schmuckkette für deinen Hals. Demnach legen „die Eltern gemeinsam für die spätere Lebensführung das Fundament“ 58 . Der „Erziehung“ (mūsār/ rcvm ) durch den Vater wird die als milder empfundene „Weisung“ (tōrā/ hrvt ) durch die Mutter an die Seite gestellt. Die „Weisung“ kann auf drei Aspekte hin ausgelegt werden: Sie umfasst zunächst „elterliche Unterweisung“ 59 , sodann im Sinne des Sprüchebuches weisheitlich geprägte Bildung. Schließlich führt sie schon durch den Begriff, nämlich Tora, über die elterliche Prägung hinaus „in den Bereich der priesterlichen Anweisungen“ 60 , d.h. der religiösen Lebensweisungen Gottes, die aus neutestamentlicher Perspektive etwas missverständlich und sehr juridisch oft als „das Gesetz des Mose“ bezeichnet werden. An dem durch die Eltern gelegten Fundament festzuhalten, empfiehlt der Sprecher nachdrücklich. Dieser Sprecher ist nicht zwangsläufig identisch mit dem Vater oder der Mutter des angesprochenen Zöglings. Vielmehr könnte es sich auch um einen Weisheitslehrer, gewissermaßen einen Bildungsexperten, handeln, der die typisierende Anrede „mein Sohn“ beibehält. Denn diese Anrede ist auch in ägyptischen und besonders in mesopotamischen Weisheitstexten, die sich bei weitem nicht nur an Kinder richten, wiederholt bezeugt 61 . Sie hat zwar „einen fiktiven Adressaten im Au- 55 Pluralbelege für bēn/ ]b (Sohn) liegen vor in Prov 4,1; 8,32; 13,22; 17,6; 31,28. 56 „Kind“: Prov 14,26; 17,6; 20,7; „Kindeskind“ (b e nēj bānīm/ ,ynb ynb ): 17,6. Die Lutherbibel enthält zudem „Kind“ in Prov 4,3 und „Kindeskind“ in 13,22. 57 Übersetzungen richten sich im Folgenden nach O. P LÖGER , Sprüche, allerdings mit „H ERR “ anstelle von „Jahwe“. Zu Prov 1,8f s. auch K. F INSTERBUSCH , Weisung, 87-89. 58 O. P LÖGER , Sprüche, 14. 59 Ebd., 15. 60 Ebd. 61 Nachweise bei A. M EINHOLD , Sprüche 1, 52f. <?page no="103"?> 4 Bildung und Erziehung von Kindern in der Bibel 104 ge, gleichsam das Modell eines Schülers, aber sie ist der Wirklichkeit abgelauscht“ 62 . 4.2.3.2 Die religiöse Ausrichtung weisheitlicher Erziehung Dass diese „weisheitliche Erziehung“ 63 nicht nur religiös konnotiert, sondern letztlich religiös motiviert und orientiert ist, zeigt der Prov 1,8f unmittelbar vorausgehende Vers Prov 1,7: Die Furcht vor dem H ERRN ist der Beginn der Erkenntnis, Weisheit und Zucht (mūsār/ rcvm ) missachten die Törichten. 64 Der antithetische Parallelismus der Vershälften stellt „Weisheit und Zucht“ (Unterwiesenheit) parallel zu „Erkenntnis“. Wie diese sind sie durch die „Furcht vor dem H ERRN “ bestimmt. Obwohl „Weisheit und Zucht“ - oder sagen wir: „Bildung und Erziehung“ - im weiteren Verlauf des Proverbienbuches auch allgemeine Weisheit, Weltwissen und Humanität umfassen, wird ihre religiöse Rückbindung, die religiöse Letztbegründung - der „Beginn“ bei der „Furcht vor dem H ERRN “ -, hier deutlich artikuliert und benannt. Dabei geht es keineswegs um Angst, sondern um „Ehrfurcht, gepaart mit Vertrauen, Liebe, Sehnsucht und Gehorsam“ 65 . Der eindeutige Rekurs auf Gott zeigt sich auch darin, dass das Verhältnis Gottes zum Menschen als analog zum Verhältnis eines Vaters zu seinem Sohn beschrieben wird (Prov 3,11f): 11 Des HERRN Zurechtweisung (mūsār/ rcvm ), mein Sohn, verachte nicht, und sei nicht aufgebracht über seine Züchtigung. 12 Denn wen der HERR liebt, züchtigt er wie ein Vater den Sohn, an dem er Gefallen hat.“ 66 Die Liebe eines Vaters zu seinem Sohn wird hier gleichnisfähig für das Verhältnis Gottes zum Menschen 67 . Wie ein Vater „Gefallen“ an seinem Sohn hat (und wer das Glück hat, weiß: bei mehreren Söhnen empfindet man Gefallen an jedem Einzelnen), so ist das Verhältnis Gottes zum geliebten Menschen grundsätzlich durch „Gefallen“, Akzeptanz und Annahme, bestimmt. 62 O. P LÖGER , Sprüche, 14; ähnlich bereits H. R INGGREN , Sprüche, 14. 63 O. P LÖGER , Sprüche, 15. 64 Anstatt „Zucht“ (mūsār/ rcvm ) übersetzt K. F INSTERBUSCH , Weisung, 84 durch „Erziehung“, während sie dasselbe Wort in Prov 1,8 durch „Lehre“, in 3,11 durch „Zucht“ und in 4,1 wiederum durch „Lehre“ wiedergibt, s. K. F INSTERBUSCH , Weisung, 87.91. 94. 65 A. M EINHOLD , Sprüche 1, 51. 66 S. dazu K. F INSTERBUSCH , Weisung, 91-94. 67 Diesen Gedanken verdeutlicht und verstärkt Jesus in der Parabel Lk 15,11-32. <?page no="104"?> 4.2 Kinder, Erziehung, Bildung im ersten Testament 105 4.2.3.3 Mūsār/ rcvm und die Frage nach der „Züchtigung“ „Gefallen“ und „Liebe“ bilden nach Prov 3,12 zwar die Grundlage des Verhältnisses zum Zögling. Zur konkreten Ausgestaltung gehört jedoch noch mehr, und hier stoßen wir auf einen problematischen Aspekt (Prov 13,24): Wer seine Rute zurückhält, hasst seinen Sohn, wer ihn aber liebt, sucht ihn früh heim mit Züchtigung (mūsār/ rcvm ). „Züchtigung“ (mūsār/ rcvm ) kann körperliche Züchtigung - das Schlagen von Kindern - bedeuten. Darauf weist auch die Erwähnung der „Rute“ oder des „Stocks“ (schævæt/ tbw ) hin 68 . Nach dem Theologischen Wörterbuch zum Alten Testament ist mit mūsār/ rcvm allerdings „auch - und zwar öfter - eine ‚Züchtigung’ durch Worte im Sinne von ‚zurechtweisen’“ gemeint 69 . Entsprechend zu mūsār/ rcvm umfasst dessen griechische Übersetzung paideúein/ paideu3ein drei Aspekte: „erziehen/ unterweisen/ bilden“, „Zucht üben“ und „züchtigen“ 70 . Zwar sollte man Letzteres nicht übersehen; aber man darf es weder für den Kern des Wortes halten noch den biblischen Befund diesbezüglich überinterpretieren. Denn es handelt sich um einen speziellen Teilaspekt des breiteren Bedeutungshorizontes von mūsār/ rcvm oder paideía/ paidei3a. Beide bezeichnen sowohl den zurückzulegenden Weg der „Erziehung u[nd] Bildung“ als auch „das zu erreichende Ziel“ 71 . Wenn dabei als Mittel zur Zielerreichung eigens ein „Stock“ genannt wird, handelt es sich um einen Teilaspekt von mūsār/ rcvm oder paideía/ paidei3a, der erst durch die Funktion als Erziehungsmittel seine Eindeutigkeit erhält. Was mūsār/ rcvm zunächst und hauptsächlich bedeutet, zeigt Prov 13,1: Der „weise Sohn“ liebt sie nämlich. Ein weiser Sohn liebt mūsār (Zurechtweisung/ rcvm ) aber der Spötter hört nicht auf Schelten. 72 Wenn der „weise Sohn mūsār/ rcvm liebt“ 73 , kann es sich nur um „Zurechtweisung“, erzieherischen Rat, modern ausgedrückt: Begleitung und Förde- 68 S. außerdem Prov 10,13; 22,15; 23,13; 26,3; 29,15; ferner Jer 2,30; 30,14; vgl. auch Prov 17,10; 18,6; 19,29; 20,30; Sir 7,23(25); 30,1.12; theologische Überhöhung in Ps 94,12; Dtn 8,5; Hebr 12,5-11; Apk 3,19. S. auch P. V OLZ , Altertümer, 352: „Die Schulzucht war gewiß nicht milder als die im Elternhaus; schon der Zusammenhang von lamad ‚lernen‘, ‚anstacheln‘ und malmād ‚Ochsenstecken‘ läßt tief blicken.“ 69 M. S ÆBØ , Art. rcy , Sp. 739. 70 G. S CHNEIDER , Art. paideu3w/ paideuō, Sp. 7f. 71 G. B ERTRAM , Art. paideu3w ktl., 596 (ThWNT V); ähnlich M. Sæbø, Art. rcy / jsr, Sp. 739. 72 Prov 13,24 ist analog dazu aus der Sicht des Erziehers formuliert. <?page no="105"?> 4 Bildung und Erziehung von Kindern in der Bibel 106 rung, kritisches Feed-back, kurz: Erziehung handeln 74 . Luther übersetzt mit „Zucht“ und die Zürcher Bibel mit „Unterweisung“. Letzteres empfinde ich als sehr passend. Keinesfalls ist hier von körperlicher „Züchtigung“ die Rede, sondern von einer „Anleitung zur Selbstleitung“ 75 . An dieser Stelle ist eine hermeneutische Überlegung sinnvoll und notwendig: Dass sich die Wahl der Erziehungsmittel gegenüber vorchristlicher Zeit und dem Alten Orient weiterentwickelt und verändert hat, sollte weder bezweifelt noch kritisiert warden: „Unsere Gegenwart sieht zu Recht in der körperlichen Bestrafung kein angemessenes Erziehungsmittel mehr.“ 76 Das grundlegend Wichtige dazu hat bereits vor über einer Generation die Kinderbuchautorin Astrid Lindgren in ihrer eindrücklichen und viel beachteten, damals freilich von manchen als skandalös beurteilten Ansprache anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels in der Frankfurter Paulskirche gesagt 77 . Astrid Lindgren bezog sich damals ausdrücklich auf das biblische Buch der Sprüche und resümierte „als Mah- 73 O. P LÖGER , Sprüche, 156 liest „mit der Mehrzahl der Ausleger“ rcvm bha („liebt mūsār“) anstatt wie vom masoretischen Text bezeugt ba rcvm („mūsār des Vaters“, so auch in Prov 4,1); die LXX stützt mit u2ph3kooV patri3 („dem Vater gehorsam“) die hebräische Überlieferung, zur entsprechenden Auslegung s. A. M EINHOLD , Sprüche 1, 217f. Vgl. aber rcvm bha („wer mūsār liebt“), Prov 12,1. 74 Vgl. analog das Verständnis von mūsār/ rcvm in Prov 19,27. 75 So H.F. F UHS , Buch, 215. 76 H. D ELKURT , Erziehung (2001), 26; ähnlich N. M ETTE , Kinder, 80-82 ausgehend von Sir 30,12; s. ferner www.ndr.de/ regional/ niedersachsen/ gaefgentrack103.html (24. 08.2012); im Gegensatz dazu s. z.B. J. M AC A RTHUR , Kindererziehung, 37-57 („Die Eltern als Zuchtmeister“); ebd., 117-120 („Gedanken zur körperlichen Züchtigung“); www.gotquestions.org/ Deutsch/ Kinder-zuchtigen.html (24.08.2012): „Angemessene und maßvolle physische Züchtigung ist der Bibel nach (…) eine gute Sache. Sie trägt zum Wohlergehen des Kindes bei und ist Teil einer guten Kinderziehung.“. Aufgrund einer neueren empirischen Untersuchung zieht der Leiter des Kriminologischen Instituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, „das Fazit: ‚Die Aussage, je gläubiger, desto mehr wird zugeschlagen, gilt erfreulicherweise nur für die evangelischfreikirchlichen Gemeinden, nicht für die katholischen, nicht für die evangelischen Gemeinden.’ Auf der anderen Seite zeige die Studie, je gläubiger evangelische und katholische Jugendliche seien, desto lebensfroher seien sie auch. Dies gelte für die evangelisch-freikirchlichen Jugendlichen leider nicht, so Pfeiffer“, zit. nach T. Z EMMRICH , Eltern. Nach Pfeiffer gehört „ein knappes Prozent“ der Kinder in Deutschland diesem Milieu an, während beispielsweise in den Südstaaten der USA eine knappe Hälfte von diesen Erziehungsmitteln betroffen sei. 77 Am 22. Oktober 1978, als Online-Ressource: www.zeus.zeit.de/ text/ reden/ die_historische_rede/ friedenspreis_lindgren (24.08.2012). Die etwa zeitgleichen Umsetzungshinweise zur „Züchtigung“ von G.A. G ETZ , Familie, 94-98 (stellvertretend für viele) sind hingegen trotz ihrer insgesamt humanisierenden Tendenz aus historischen, hermeneutischen, pädagogischen und juristischen Gründen grundsätzlich abzulehnen. <?page no="106"?> 4.2 Kinder, Erziehung, Bildung im ersten Testament 107 nung für uns und für die Kinder: NIEMALS GEWALT! “ Aus Historiker möchte man ergänzen: Auch unsere Ernährungsgewohnheiten, unsere medizinische Versorgung und viele kulturelle Standards, etwa die Vorstellungen von Ehe und Familie 78 , wurden seit altorientalischer Zeit glücklicherweise grundlegend verändert, fortentwickelt und verbessert. Wer wollte heute im Ernst leben oder erziehen wie vor zweieinhalb Jahrtausenden? Wie man zeitgemäßes Lernen arrangieren kann, zeigt das jüdische Leben unserer Tage, wenn etwa die Tora mit Honigbuchstaben einverleibt wird 79 . 4.2.3.4 Die Bewährung von Bildung und Erziehung im Leben Dass Lernen, Bildung und Erziehung letztlich dem Leben dienen, hält ein Vater oder Weisheitslehrer im Rückblick auf seine eigene Erziehung in fast anrührender Weise fest (Prov 4,1-4): 1 Hört, ihr Söhne, auf die Zucht (mūsār/ rcvm ) des Vaters, und merkt auf, um Einsicht zu lernen! 2 Denn eine gute Lehre habe ich euch gegeben. Meine Weisung verlasst nicht! 3 Denn ein Sohn war ich für meinen Vater, zart und einzig vor meiner Mutter. 4 Er unterwies mich und sprach zu mir: ‚Dein Herz möge meine Worte behalten. Bewahre meine Gebote, dann wirst du leben! ’ 80 Der noch kleine und einzige Sohn seiner Mutter erfuhr erklärtermaßen selbst eine „gute Lehre“, die er nun an die nächste Generation weitergibt. Sie war weisheitlich geprägt, ging ihm zu Herzen und begleitete ihn sicher in das weitere Leben hinein 81 . Gerade dieser sensible Rückblick zeigt: Die Zeit für gut ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher, für gute Lehrerinnen und Lehrer, kann gar nicht früh genug beginnen. In diesem Sinn handelt es sich bei Frühkindlicher Bildung und Erziehung um mehr als um ein Interessensgebiet einiger aufgeweckter Studierender und einiger innovativer Hochschulen. Es ist eine eigentlich selbstverständliche gesellschaftliche Gesamtverpflichtung, die im ureigensten Interesse erfolgt 82 . Denn Kinder ha- 78 Dazu ausführlich o. S. 42-61, ferner u. S. 153-176. 79 S. G. B USI , Buchstaben; zur religionspädagogischen Praxis des Toralernens s. D. K ROCHMALNIK -S TEIN , Worte, 558-562; ferner das „Kompendium zur interreligiösen Kompetenzbildung“ von K. B AUR , Gast. Rabbinische Perspektiven des Toralernens erläutert G. S TEMBERGER , Kinder; s. ferner J. S CHOFER , Life-Stages, 331f. 80 S. dazu K. F INSTERBUSCH , Weisung, 94-96. 81 Zur Erziehung im Proverbienbuch s. weiter H. D ELKURT , Erziehung (2002), 229-240. 82 Eine Aufgabenbeschreibung für den Elementarbereich skizziert K.E. N IPKOW , Bildungsaufgaben. <?page no="107"?> 4 Bildung und Erziehung von Kindern in der Bibel 108 ben ein Recht auf Bildung und Religion, das ihnen nicht vorenthalten werden sollte 83 . 4.3 Kinder im Neuen Testament Im zweiten oder Neuen Testament gibt es bei weitem nicht so viele Texte zu Kindern wie im vorausgehenden und viel umfangreicheren Testament 84 . Programmatische Texte, die sich im engeren Sinn mit Bildung und Erziehung befassen - sieht man von Einzelanweisungen etwa der Haustafeln ab 85 - gibt es im Neuen Testament nicht. Dafür sind einzelne Texte vielfach besser erschlossen. So sind etwa die Auslegungen zur Kindersegnung nach Mk 10,13-16 inzwischen fast unübersehbar geworden 86 . Auch deshalb erfolgt hier eine Beschränkung auf einen knappen Gesamtüberblick und ein sehr wichtiges, geradezu entscheidendes theologisches Detail. Dazu wird zunächst die Verwendung des Wortes (1) „Kind“ in den neutestamentlichen Briefen betrachtet und anschließend (2) in den Evangelien. Vorab sei darauf verwiesen, dass das Griechische über ein Dutzend verschieden nuancierte Begriffe kennt, die „Kind“ bedeuten können 87 . 4.3.1 Kinder im älteren neutestamentlichen Schrifttum (Paulusbriefe) und in den späteren Briefen Grundzüge in den Paulusbriefen sind (1) „Kind“ bzw. „Sohn“ als zentrale anthropologisch-soteriologische Metapher sowie der Umstand, dass (2) Kindsein als vorläufige und defiziente Form des Menschseins betrachtet wird. Schlaglichtartig wird sodann auf (3) die übrigen Briefe geblickt. 83 Zu den wichtigsten juristischen Grundaussagen des deutschen, europäischen und internationalen Rechts s. R. J OEDT , Recht; auf theologische und pädagogische Begründungen rekurrieren D. B ENEKE / F. H ARZ / F. S CHWEITZER / M. S PENN , Arbeit. Inhaltliche Hinweise zu Profil und Entwicklungsmöglichkeiten evangelischer Arbeit mit Kindern geben im selben Band M. S PENN / Ch.Th. S CHEILKE , Arbeit, 204-210. S. außerdem F. S CHWEITZER , Kinder. 84 Zur Einführung s. J.N. N EUMANN / M. S IGISMUND , Geburt. 85 Vgl. A. L INDEMANN , Kinder; B. M UTSCHLER , Art. Haustafel. 86 Pars pro toto seien M. E BNER , „Kinderevangelium“ oder U. H ECKEL , Kindersegnung genannt; ferner der Sammelband von G. K RAUSE , Kinder. Für eine zusammenfassende Darstellung zu Kindern im Neuen Testament s. etwa B. E LTROP , Kinder; S. Z IM - MER , Kinder, 68-78; H. F RANKE / H. H ANISCH , Erziehung, 9-36; W. R EBELL , Urchristentum, 60-68; K.M. W OSCHITZ , Kind; G. H AUFE , Kind. 87 To4 bre3foV, qhla3zwn, h2 quga3thr, to4 quga3trion, to4 kora3sion, nh3pioV, to4 paida3rion, to4 paidi3on, h2 paidi3skh, o2/ h2 pai5V, to4 te3knion, to4 te3knon, o2 ui2o3V. S. auch die Überblicke bei H.R. W EBER , Jesus, 88-96. <?page no="108"?> 4.3 Kinder im Neuen Testament 109 4.3.1.1 „Kind“/ „Sohn“ als zentrale anthropologisch-soteriologische Metapher In den Briefen des Apostels Paulus ist „Kind“ bzw. „Sohn“ die zentrale Metapher zur Beschreibung des Verhältnisses zwischen den Gliedern der christlichen Gemeinden und Gott (Gal 4,7): So bist du nun nicht mehr Sklave, sondern Sohn; bist du aber Sohn, dann auch Erbe - durch Gott. Durch die übertragene Bezeichnung als „Sohn“ (oder allgemeiner als „Kind“) wird das würdevolle und direkte Verhältnis der neu gewonnenen Christen zum Schöpfer und Vater Jesu Christi konkret und anschaulich ausgedrückt. Wenn „Kind“ (bzw. „Sohn“) - als „Kinder Gottes“, Abrahams, Jerusalems, der Freien, des Lichts oder des Tages 88 - nicht nur zu einer häufigen, sondern zur zentralen Metapher für die Relation zwischen Mensch und Gott wird, dann ist darin zweifellos eine hohe Würdigung des Kindes zu erkennen. Ebenso verhält es sich, wenn Paulus seine Adressaten in den von ihm mitgegründeten Gemeinden als „meine Kinder“ anspricht 89 . Mit Paul Ricœur ist zu betonen, dass ein Sachverhalt erst durch die Verwendung einer Metapher besonders präzise ausgedrückt ist. Allerdings darf dies für unsere Fragestellung nicht darüber hinwegtäuschen, dass man beim metaphorischen Gebrauch wenig oder gar nichts über die realen Lebensverhältnisse von Kindern erfährt, da es nicht um Kinder im Wortsinn geht. 4.3.1.2 Kindsein als vorläufige und defiziente Form des Menschseins Das ist anders, wenn Paulus autobiographisch zurückblickt (1 Kor 13,11): Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind, überlegte wie ein Kind; als ich aber erwachsen [wörtlich: ein Mann] war, hatte ich das Wissen des Kindes abgelegt. Kindsein wird hier als Gegensatz zum Erwachsensein, insbesondere zum Mannsein konstruiert. Die Kindlichkeit in Rede, Denken und Überlegen wird hervorgehoben. Die Kindheit war demnach eine vorübergehende Phase auf dem Weg zum Mensch- oder Mannsein, in dem dieses noch nicht ausgereift war. Dass die Vorstellung vom Kindsein hier wesentlich über seine Defizite bestimmt ist, zeigen auch die im Kontext dazugehörigen Bestimmungen „Stückwerk“, „durch einen Spiegel“ und „in rätselhafter Gestalt“. 88 S. Röm 8,17; 9,7f.11; Gal 3,7.29; 4,6.25.28.31; 1 Thess 5,5.8. 89 1 Kor 4,14; 2 Kor 6,13; 11,22; 12,14 (indirekt, in gnomischer Verfremdung); Gal 4,19; indirekt auch 1 Thess 2,7.11. Zur metaphorischen Verwendung von „Kind“ bei Paulus s. knapp M. W OLTER , Paulus, 298; ausführlich Ch. G ERBER , Paulus; P. B ALLA , Relationship, 182-198. <?page no="109"?> 4 Bildung und Erziehung von Kindern in der Bibel 110 In 1 Kor 13,11 zeigt Paulus demzufolge die Reife des erwachsenen Menschen auf, indem er auf die biographisch vorausliegende Unzulänglichkeit seines eigenen Kindseins verweist. Als vorläufiges und unmündiges Wesen wird das Kind auch an weiteren Stellen bestimmt, etwa wenn Paulus zu den Korinthern spricht (1 Kor 3,1f) „wie zu solchen, die auf das Irdische beschränkt sind, mit in Christus noch unmündigen Kindern“, die bislang nur Milch und noch keine „feste Speise“ vertragen oder wenn er Kindsein als Unbedarftsein bestimmt (1 Kor 14,20). Die Konstruktion des Kindseins über seine Vorläufigkeit und Unvollkommenheit gegenüber dem Erwachsensein lässt der Apostel auch an jenen Stellen erkennen, an denen Kinder und Eltern aufeinander bezogen werden 90 . Dabei bewegt er sich nicht in einem spezifisch jüdischen oder christlichen, sondern in einem allgemein griechischen Rahmen, wie eine Berufung auf eine allgemeine Sentenz am Ende des zweiten Korintherbriefs abschließend zeigt (2 Kor 12,14de): Nicht die Kinder sind verpflichtet, für ihre Eltern etwas zur Seite zu legen, sondern umgekehrt die Eltern für die Kinder. 91 Es handelt sich dabei um „eine Grundregel des Familienlebens“ 92 . 4.3.1.3 Kinder und Erwachsene in den übrigen neutestamentlichen Briefen Der bisher im älteren neutestamentlichen Schrifttum - bei Paulus - erhobene Befund wurde für die deuteropaulinischen Briefe und das Corpus Pastorale prägend 93 . Neu sind dort freilich eine Reihe konkreter ethischer Anweisungen, die gegenüber Kindern zu erfüllen sind oder die Kinder zu erfüllen haben 94 , so etwa gebären, versorgen, gehorsam sein. In der Gesamttendenz folgen die „bestrittenen Briefe“, die Antilegomena, des Corpus Paulinum jedoch den frühen und „unbestrittenen“, den Homologoumena (d.h. Röm, 1/ 2 Kor, Gal, Phil, 1Thess, Phlm). Dasselbe gilt für den Hebräer- 90 1 Thess 2,7.11; Phil 2,22. Ein Sonderfall liegt in 1 Kor 7,14 vor: Zweifellos geht es um reale Kinder im Wortsinn. Sie werden hinsichtlich ihrer Heiligkeit dem gläubigen Elternteil gleichgestellt: „Das Heiligsein der Kinder steht völlig außer Zweifel“, s. F.F. S PENGLER , Kindsein, 163-165 (165). Im Zentrum stehen hier die Zugehörigkeit von Kindern und ihre Annahme durch Gott, nicht ihre Vorläufigkeit und Unvollkommenheit. Ein seelsorglicher Grundton ist deutlich vernehmbar. 91 Nach R. B ULTMANN , Der zweite Brief an die Korinther, 236 „ist der Satz wie ein Sprichwort als eine allgemeine Wahrheit gedacht“. 92 Ch. W OLFF , Der zweite Brief des Paulus an die Korinther, 254. 93 Zum metaphorischen Gebrauch s. Eph 1,5; 2,2f; 3,15; 5,1.6.8; Kol 3,6. Eine biographische Note liegt in 2 Tim 3,15 vor. 94 S. Eph 6,1.4; Kol 3,20f; 1 Tim 3,4.12; 5,4.10.14; 2 Tim 1,15; Tit 1,6; 2,4. Zur Eltern-Kind- Relation s. ausführlich P. B ALLA , Relationship, 202-228. <?page no="110"?> 4.3 Kinder im Neuen Testament 111 brief und die beiden Petrusbriefe 95 . In den drei Johannesbriefen wird die Anrede als „Kinder“, „meine Kinder“ oder „liebe Kinder“ zum rhetorischen Stilmittel; allerdings liegt dabei wiederum ein übertragener Wortgebrauch zugrunde 96 . 4.3.2 Kinder in den Evangelien Der bisherige Befund wird durch einen Blick auf die Evangelienliteratur und damit zugleich auf Jesus von Nazareth um einen spannenden und entscheidenden Aspekt erweitert. Kinder tauchen dort (1) in verschiedenen Zusammenhängen auf, aber auch (2) in Bezug auf Gott. Sie sind (3) Muster und Modell für Erwachsene, und (4) ihr Anwalt ist Gott. An einigen Stellen gibt es (5) Erwachsene in kindgemäßer Erwartung. 4.3.2.1 Kinder in verschiedenen Zusammenhängen Natürlich gibt es auch in den Evangelien, zumal in der Verkündigung Jesu, Beispiele für einen metaphorischen (übertragenen) Gebrauch von „Kind“ 97 . Sodann werden von den Vorgeschichten bei Matthäus und Lukas angefangen, über die Verkündigung Jesu bis hinein in die Passionserzählungen entweder Verhaltensweisen von Kindern oder Kinder als solche genannt 98 . Neu gegenüber der Briefliteratur ist das Thema Kinder im Zusammenhang der Nachfolgethematik und der Eschatologie: Endzeitliche Verwerfungen machen demzufolge nicht zwischen Kindern und Eltern Halt 99 , und über den Verlust eigener Kinder „um des Evangeliums willen“ wird durch den Hinweis auf die zur Gemeinde gehörenden Kinder getröstet 100 . Besondere Erwähnung verdient die einzigartige Erzählung vom zwölfjährigen Jesus im Tempel, Lk 2,41-52. Lukas stellt den Zwölfjährigen idealtypisch als torakundig dar. Beachtlich scheint mir aber auch das Verhalten der Eltern Jesu auf dem Heimweg von Jerusalem: Es lässt auf eine liebevolle Erziehung schließen, die zwar viel Freiraum lässt, aber auch Sorge, Verantwor- 95 S. Hebr 2,10.14.16; 7,5; 12,5.7f; 1 Petr 1,14; 2 Petr 2,14. Hebr 5,12f knüpft durch „Milch“ und „feste Speise“ an 1 Kor 3,1f an. 96 S. 1 Joh 2,1.12.14.18.28; 3,7.18; 4,4; 5,21; 2 Joh 1,1.4.13; 3 Joh 4. Ein metaphorischer Gebrauch liegt in 1 Joh 3,10 vor. Zum Motiv der Gotteskindschaft, auch über die Johannesbriefe hinaus, s. D. R USAM , Gemeinschaft, 15-169. In der Johannesapokalypse ist ebenfalls nicht von Kindern im Wortsinn die Rede, s. Apk 2,23; 12,4f; ferner D. R U- SAM , ebd., 164f. 97 Mk 10,24; Mt 5,45; 8,12; 13,38; 23,15.31; 23,37 par Lk 13,34; Lk 6,35; 16,8. 98 Vorgeschichten: Mt 2,16; 3,9 par Lk 3,8; Lk 2,12.16f.21.27.40; aus der Verkündigung Jesu: Mk 10,35 par Mt 20,20; Mk 12,19-21 parr Mt 22,24 und Lk 20,28(f).31; Mt 11,16; 17,25f; 18,25; Passionserzählung: Mt 21,15f; 27,15. S. auch B. E LTROP , Himmelreich. 99 Mk 13,12 par Mt 10,21. 100 Mk 10,29f parr. Mt 19,29 und Lk 18,29; Lk 14,26; s. auch Joh 19,26. <?page no="111"?> 4 Bildung und Erziehung von Kindern in der Bibel 112 tung und Fürsorge beinhaltet. Übrigens ist Jesus geht zur Schule ein Motiv in der mittelalterlichen Kunstgeschichte, z.B. auf einem Schlussstein der Nürnberger Frauenkirche 101 . Es wäre ferner höchst seltsam, wenn der galiläische Wunderheiler Jesus nicht auch Kinder in seinem Patientenkreis hätte. Tatsächlich heilt er einen Sohn, der von Kind auf sprachlos ist und durch Anfälle geplagt wird 102 . Ähnlich wie Elia erweckt er ein Kind zum Leben: die Tochter des Synagogenvorstehers Jairus in Israel 103 . In der Nähe von Tyrus heilt er die Tochter einer recht schlagfertigen Heidin von ihrem Leiden 104 . In den matthäischen Versionen der Speisungsgeschichten werden Kinder jeweils als Letztes nach den Frauen erwähnt (Mt 14,21; 15,38). 4.3.2.2 Vater, Kinder, Gott Ähnlich wie im Proverbienbuch ist auch in der Verkündigung Jesu das Verhalten eines Vaters gegenüber seinen Kindern gleichnisfähig für Gott (Mt 7,11 par Lk 11,13): Wenn also ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird euer Vater im Himmel denen, die ihn bitten, Gutes geben. „Den Kindern gute Gaben geben“ knüpft auch an die zitierte Sentenz aus 2 Kor 12,14 an. Es zeigt, dass sich die durch die Paulusbriefe breit belegte metaphorische Redeweise gut an die Verkündigung Jesu angeschlossen haben könnte. Das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern ist gleichnisfähig für das Verhältnis Gottes zu den Gläubigen. Am bekanntesten ist diesbezüglich die Gleichniserzählung Jesu von den beiden Söhnen und der Liebe des Vaters in Lukas 15,11-32. 4.3.2.3 Kinder als Muster und Modell für Erwachsene Die eigentliche Pointe (der angekündigte spannende Aspekt) der Verkündigung Jesu liegt freilich in der umgekehrten Blickrichtung zwischen Eltern und Kindern. Man kommt diesem Detail auf die Spur unter der Leitfrage: In welchem Verhältnis stehen Kinder zur Königsherrschaft Gottes? Eine geradezu normativ zu nennende Antwort darauf gibt Jesus in der bekannten Perikope von der Kindersegnung (Mk 10,14-16 105 ): 101 S. www.johanneum-lueneburg.de/ index/ menuid/ 32 (24.08.2012). 102 Mk 9,21.24(14-29) parr. Mt 17,14-21 und Lk 9,37-43a, s. auch 17,6. 103 Mk 5,23.35.39-42(21-24.35-43) parr. Mt 9,18f.23-26 und Lk 8,40-42.49-56. 104 Mk 7,27f.30(24-30) par Mt 15,21-28. Hingegen dürfte es sich bei dem „Jungen“ (pai5V) des Hauptmanns von Kafarnaum eher um einen Adjutanten oder Burschen als noch um ein Kind handeln, Mt 8,6.8.13(5-13) par Lk 7,1-10 (pai5V, 7,7; dou5loV, 7,2f.10). 105 Parr. Mt 19,13-15 (18,3f) und Lk 18,15-17. <?page no="112"?> 4.3 Kinder im Neuen Testament 113 14 Lasst die Kinder zu mir kommen, hindert sie nicht, denn solchen gehört das Reich Gottes. 15 Amen, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, wird nicht hineinkommen. 16 Und er schließt sie in die Arme und legt ihnen die Hände auf und segnet sie. In der markinischen Fassung handelt es sich bekanntlich um den einzigen Text, der „davon erzählt, dass der irdische Jesus segnet“ 106 . Ungeachtet breiter und gelehrter exegetischer Diskussionen wird hier gleichsam nur ein einziger Punkt beleuchtet: Was Jesus hier in Bezug auf Kinder lehrt, ist im Grunde eine Umkehr des gesamten vorausliegenden und gemeinantiken Paradigmas. Kindsein wird hier nämlich nicht als ein vorläufiges, in gewissem Sinn defizitäres Durchgangsstadium auf dem Weg zum Erwachsensein und damit zum vollen Menschsein beschrieben, sondern als diejenige Haltung, die von Gott alles erwartet und nimmt: „Kindsein meint existentiell bedürftig sein und deshalb radikal auf die Annahme durch Gott angewiesen sein.“ 107 Zu diesem bedingungslosen Gottvertrauen, das durch die kindlichen Tätigkeiten „kommen“ und „nehmen“ bestimmt ist (Mk 10,14f), müssen Erwachsene erst wieder zurückfinden, gewissermaßen in einer Art zweiten Naivität 108 . Hinsichtlich der Königsherrschaft Gottes ist das Kindsein also kein durch irgendwelche Erziehung und Bildung - und sei es die beste, durch PISA-Untersuchungen am meisten gelobte und bei weitem menschenfreundlichste - zu überwindendes Stadium, sondern der Modellfall und das Muster für Menschsein schlechthin 109 . Eine vergleichbare theologische Würdigung von Kindern ist bislang weder außerhalb der Evangelien noch in der übrigen antiken Literatur bekannt 110 . 4.3.2.4 Gott als Anwalt und Begleiter der Kinder 111 Hier ist ein zweiter Text aus dem Markusevangelium zu nennen. In einem Haus in Kafarnaum sagt Jesus zu seinen Jüngern (Mk 9,35-37 112 ): 106 U. H ECKEL , Kindersegnung, 327. 107 So P. S CHMIDT , Vater, 83. Vgl. auch Mt 18,3: umkehren und werden wie die Kinder. 108 Nach Ilse Aichinger handelt es sich um „das vielleicht härteste Gebot der Bibel“, s. H. A LBERTZ , Gebote, 87. F. R ICHERT , Komik, 245 weist darauf hin, dass „Kinder am Tag durchschnittlich 400mal“ lachen, „während Erwachsene im Schnitt nur 15mal lachen“. 109 Vgl. H. U LONSKA , Jesus, 142: „Kinder werden Erwachsenen als Vorbild hingestellt! “; G. H AUFE , Kind, Sp. 633: „das Kind als Urbild des Jüngers“ (zu Mt 7,9-11 par); P. S CHMIDT , Vater, 83: „das Wesen des Kindes als Vorbild für den Christen“; ebd., 84: „für Erwachsene ein Vorbild der Jüngerschaft Jesu“. 110 Sehr bekannt ist dagegen der Song „Kinder an die Macht“ von Herbert Grönemeyer (1986), s.www.letzte-version.de/ songbuch/ spruenge/ kinder-an-die-macht (24.08.12). 111 Bereits im Alten Testament obliegen Waisen dem besonderen Schutz durch Gott, s. N. M ETTE , Kinder, 83. <?page no="113"?> 4 Bildung und Erziehung von Kindern in der Bibel 114 35 Wenn jemand der Erste sein will, dann soll er der Letzte von allen und der Diener aller sein. 36 Und er nahm ein Kind, stellte es in die Mitte, schloss es in die Arme und sagte zu ihnen: 37 Wer in meinem Namen ein Kind aufnimmt wie dieses, nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, nimmt nicht mich auf, sondern den, der mich gesandt hat. Der Evangelist Lukas fügt hinzu (Lk 9,48): Denn wer der Geringste ist unter euch allen, der ist groß. Hier findet eine geradezu aufregende Fortführung des Gedankens statt. Ein Kind ist nicht nur Muster und Modell für Erwachsene, sondern vertritt zugleich - mit Dorothee Sölle gesprochen - „Gott bei uns“ 113 . Für das Studienfach und das Handlungsfeld Frühkindliche Bildung und Erziehung liegt darin ebenso wie für Religionspädagogik, Gemeindepädagogik, Diakoniewissenschaft, Soziale Arbeit, Inklusive Pädagogik und Heilpädagogik eine immense Verheißung, die hier nur noch angedeutet, aber nicht einmal annähernd entfaltet werden kann: Auch in der liebevollen Zuwendung zu Kindern, im „Aufnehmen in Jesu Namen“, kann sich eine Begegnung mit Christus und mit Gott selbst ereignen. Kinder sind nicht nur Muster, Modell und Vorbild dafür, wie Erwachsene vor Gott treten möchten, sondern zugleich die anvertrauten bedürftigen Geschwister, in denen und durch die Gott sich selbst aufnehmen lassen möchte (vgl. Mt 25,31-46). Der Evangelist Matthäus betont das Verhältnis zwischen Kindern und Gott mit einem besonders schönen Bild (Mt 18,10): Ihre Engel im Himmel schauen allezeit das Angesicht meines Vaters im Himmel 114 . 4.3.2.5 Beispiele für Erwachsene in kindgemäßer Erwartung Nach zwei klassischen Texten zum Thema Kind werden zum Schluss noch zwei eher unerwartete Texte angeführt. Der Evangelist Markus zeigt an zwei Beispielen, dass sogar Erwachsene in der Haltung des Empfangens und kindlicher Bereitschaft zum Vertrauen vor Gott oder seinen Gesandten treten können. Das eine Beispiel ist jene am Blutfluss leidende Frau, die sich durch bloße Berührung des Gewandes Jesu ihre Heilung erhofft - und sie erfährt. Durch sein Entlasswort setzt Jesus ihre kindgemäße Haltung vor allen Umstehenden ins Recht (Mk 5,34 115 ): 112 Parr. Mt 18,1-5 und Lk 9,46-48. Der Abschnitt beginnt in Mk 9,33. 113 D. S ÖLLE , Stellvertretung, 175, ausführlich ebd., 184-192. 114 Zur „besondere(n) Würde des Kindes“ s. auch F. S CHWEITZER , Menschenwürde, 66- 70. 115 Parr. Mt 9,22 und Lk 8,48. <?page no="114"?> 4.4 Zusammenfassung 115 Tochter, dein Glaube hat dich gerettet. Geh in Frieden und sei geheilt von deiner Plage. Das andere Beispiel, wie Erwachsene in der Erwartungshaltung von Kindern vor Gott „treten“ können - oder genauer: gebracht werden -, findet sich im Begrüßungswort Jesu, das dieser jenem Gelähmten entbietet, der mit Hilfe seiner Freunde auf dem Umweg über das Dach vor Jesu Füße gelegt wurde (Mk 2,5 116 ): Und als Jesus ihren Glauben sieht, sagt er zu dem Gelähmten: Kind, dir sind die Sünden vergeben! Sich bringen lassen wie der Gelähmte und alles von Jesus erwarten wie die leidende Frau: Welcher Erwachsene könnte das nicht auch noch in fortgeschrittenem Alter lernen? Von den Kindern lernen ist der vielleicht spannendste theologische Lesegewinn, wenn man biblische Aspekte des Themas Bildung und Erziehung von Kindern überblickt 117 . 4.4 Zusammenfassung Die Untersuchung biblischer Aspekte des Themas Bildung und Erziehung von Kindern erbrachte einige lohnende Ergebnisse: 1. Das Wort Bildung kann theologisch betrachtet als Selbstentwicklungsprozess verstanden werden, für den sowohl die Gottebenbildlichkeit des Menschen nach Gen 1,26 als auch die Angleichung an Christus (Überbildung mit Christus) nach Röm 8,29 und 2 Kor 3,18 maßgeblich sind. Zugleich handelt es sich um ein formierendes Hineinwachsen in eine bestimmte Kultur (primär als Enkulturation, sekundär als Akkulturation), die vielfach in öffentlicher Verantwortung wahrgenommen wird. Bildung kultiviert. 2. Im Gegensatz dazu impliziert das Wort Erziehung die Fortbewegung (educare) eines Zöglings gemäß seinen Neigungen und Fähigkeiten an einen bestimmten, vom Erzieher (Pädagogen) vorgegebenen Ort. Sprachgeschichtlich stehen sowohl der physisch-biologische Aspekt im Sinne von „aufziehen“ oder „großziehen“ als auch das sozialisierende, in eine Gesellschaft hineinführende Handeln im Vordergrund, das vielfach in familiärer Verantwortung wahrgenommen wird. Erziehung sozialisiert. An Evangelischen Hochschulen werden Bildung und Erziehung z.B. auch durch die Verbindung von Schulpädagogik und Sozialpädagogik zusammengeführt. 116 Par Mt 9,2; Lk 5,20 „verbessert“ die Anrede in „Mensch“. 117 Zur Weiterführung einer historischen Betrachtung des Kindes s. etwa H. C UNNING- HAM , Geschichte, passim; Ph. A RIÈS , Geschichte; deutlich kürzer H. F RANKE / H. H A- NISCH , Erziehung, 37-66. <?page no="115"?> 4 Bildung und Erziehung von Kindern in der Bibel 116 3. Kinder zählen im Alten Testament neben der Landverheißung und der Verheißung des Mitseins Gottes zu den drei großen Verheißungen an die Erzväter. Daher gilt Kinderlosigkeit als vielfach exemplarisch überwundenes Unglück, und Kinder gelten als Segen und Gabe Gottes. Für Mütter und Väter sind sie eine Ehre (Mehrungsverheißung und Mehrungsauftrag, Gen 1,28). Die Hochschätzung von Kindern wird theologisch betrachtet dadurch verständlich, dass auch sie Erben der Verheißungen sind und einmal in den Bund Gottes mit seinem Volk eintreten. Erziehung, Lernen und Bildung bereiten sie darauf vor. Deshalb sind sie von immenser Bedeutung, zumal im Deuteronomium und im Proverbienbuch. 4. Nach dem Deuteronomium dient die Unterweisung in der religiösen Tradition sowohl der Weitergabe religiöser Erfahrung der Elterngeneration an die Kinder als auch der Weitergabe der Tora als der maßgeblichen Lebensordnung Israels. Die Unterweisung geschieht sowohl öffentlich zusammen mit dem ganzen Volk, z.B. durch Gottesdienst und religiöse Feste, als auch tagtäglich bei allen Lebensvollzügen innerhalb der Familie, in- und außerhalb des Hauses. Dadurch werden die Kinder in die Tradition der Verheißungen Gottes eingeführt: Nachkommenschaft, Land und Mitsein Gottes. Sie sollen alles, was zum Leben im Bund Gottes gehört, hören, selbst festhalten und ebenfalls tun. Die Rechte und Weisungen der Tora helfen dabei, im Strom der Verheißungen und des Segens zu bleiben. 5. Das alttestamentliche Proverbienbuch wendet sich in der Tradition altorientalischer Weisheitstexte an den „Sohn“ als Typ und Modell eines Schülers. Elterliche Unterweisung hat einen hohen Stellenwert und umfasst sowohl Erziehung als auch religiöse Bildung. Beide sind letztlich in der Achtung vor Gott religiös motiviert und orientiert, denn Gott selbst wird als ihr Geber verstanden. Problematisch sind aus heutiger Sicht Texte, die zum Schlagen der Kinder raten (z.B. 13,24). Aus hermeneutischen, historischen, theologischen, juristischen und anthropologischen Gründen sind sie im Sinne Astrid Lindgrens abzulehnen: „NIEMALS GEWALT! “ Kinder haben stattdessen ein Recht auf Erziehung, Lernen, Weltwissen, Herzensbildung, weisheitliche Bildung und Religion, die sie stark machen und ins Leben hineinführen. 6. Bildung und Erziehung spielen im Neuen Testament eine viel geringere Rolle als im Alten. „Kind“ bzw. „Sohn“ ist in den Paulusbriefen einerseits eine zentrale anthropologisch-soteriologische Metapher für die Zugehörigkeit der Christen zu Gott. Darin und in der paulinischen Anrede „meine Kinder“ an Gemeindeglieder ist eine hohe Würdigung des Kindes zu erkennen. Auf der anderen Seite kommt Kindsein bei Paulus als vorläufige, unmündige und unvollkommene Form des Menschseins in den Blick. In den übrigen neutestamentlichen Briefen finden sich konkrete ethische Einzelanweisungen gegenüber Kindern. In den Johannesbriefen wird die Anrede als „Kinder“ zum rhetorischen Stilmittel. <?page no="116"?> 4.4 Zusammenfassung 117 7. In den Evangelien kommen Kinder in vielfacher Weise vor: metaphorisch, real, konkret, allgemein, in der Verkündigung Jesu, in Wundergeschichten und in einer Legende über den zwölfjährigen Jesus. Das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern ist gleichnisfähig für das Verhältnis Gottes zu den Gläubigen (Lk 15,11-32). 8. Spannend ist, dass Kinder auch Muster und Modell für Erwachsene sind, da sie alles von Gott erwarten und nehmen. Diese theologische Würdigung des Kindseins ist innerhalb der antiken Literatur einmalig. Auch Erwachsene, die zu Christus kommen, können sich in die Haltung des Empfangens und in kindliche Bereitschaft zum Vertrauen einüben. Schließlich kann sich in der liebevollen Zuwendung zu Kindern, gerade zu den Geringsten, eine Begegnung mit Christus und Gott ereignen. Insofern können Kinder in gewissem Sinn Gott repräsentieren. 9. Was ist darüber hinaus aus den biblischen Kinder-Welten für unsere Gegenwart von herausragender Bedeutung? Ein Impuls aus dem Alten Testament könnte sein, die heute vielfach gegebene Unterrepräsentanz der Väter in Fragen von Bildung und Erziehung wenigstens an einigen Punkten zu beheben. Mit Prov 17,6b ist den Vätern gleichsam zuzurufen: „Väter sind der Stolz ihrer Kinder.“ Kinder freuen sich und sind überglücklich (fast ein wenig stolz), wenn ihre Väter Zeit für sie haben. Es tut beiden gut! Wo Mütter und Väter im Verbund mit Erzieherinnen und Erziehern, Lehrerinnen und Lehrern ihre Verantwortung wahrnehmen, da können gemeinsam verantwortete Erziehung und Bildung Kinder stark machen und hilfreich ins Leben begleiten 118 . 10. Ein Impuls aus dem Neuen Testament könnte sein: Bildung und Erziehung sind keine Einbahnstraße und keine Einbahnkommunikation. Erwachsene haben die Chance, sich auch durch Kinder zu bilden, wenn sie die dafür nötige Sensibilität und Selbstentfaltungskraft finden 119 . Dass Kinder ihre Eltern erziehen (Studierende ihre Dozierenden usw.), kann eine sehr beglückende Erfahrung sein, wenn man die Größe hat, sie zuzulassen. Kinder sind vollwertige und ganze Menschen, die Vorbild und Muster für das Menschsein sein können bis hin zur Begegnung mit Gott. Frühkindliche Bildung und Erziehung bezeichnet ebenfalls einen gemeinsamen Weg, auf dem ältere und jüngere Menschen miteinander auf dem Weg sind, gemeinsam leben und glauben lernen. 118 Dazu grundlegend H. VON H ENTIG , Gebote; A KTION H UMANE S CHULE B AYERN , Gebote. 119 Für die Bibelauslegung beispielsweise bedeutet dies, Kinder als Ausleger der Bibel wahrzunehmen; dazu F. S CHWEITZER , Recht, 98-108. <?page no="117"?> 5 Frauen, Kinder, Sklaven und Männer. Die neutestamentlichen Haustafeln als älteste christliche Sozialordnungen 5 Neutestamentliche Haustafeln als älteste christliche Sozialordnungen „Die Haustafelethik stellt eine der ersten und wichtigsten Antworten auf die Frage dar, wie die Glieder der christlichen Gemeinde auf dem Boden dieser Welt, in ihren gesellschaftlichen Funktionen leben und sich verhalten sollten.“ 1 Die neutestamentlichen Haustafeln werden manchmal als spröde, anspruchsvolle oder schwierige Texte empfunden. Dies liegt einerseits an der zwar eingängigen, aber inhaltlich oft unklaren und daher verschieden gebrauchten Bezeichnung Haustafeln, andererseits an der Abgeschlossenheit der damit bezeichneten Texte, ihrem als gewichtig oder feierlich erscheinenden Stil und wahrscheinlich auch an ihrem aus heutiger Perspektive nicht leicht bekömmlichen Inhalt. Dabei zeigt sich ein Paradox: Gerade ethische Texte des Neuen Testaments bieten oft wegen ihrer klaren Handlungsanweisungen einen scheinbar verlockend leichten Zugriff, werden aber ungefähr genauso häufig wegen der damit verbundenen Erwartungen an Konsens (Eindeutigkeit), der damit verbundenen Konsequenzen im Lebensalltag und ihres fordernden, aber zugleich als fremd erscheinenden Inhalts trotz ihrer angeblich leichten Verständlichkeit kontrovers interpretiert und diskutiert. M.a.W.: Ihre Auslegung wird zum Gegenstand eines Streits. Im Fall der neutestamentlichen Haustafeln geht dieser so weit, dass zwei Gruppen entstehen: „Befürworter“ halten an der realen Möglichkeit einer Übertragbarkeit und Anwendungsfähigkeit der inhaltlichen Weisungen in der Gegenwart fest und schätzen die Haustafeln durchaus, während „Kritiker“ sie als unzeitgemäß, veraltet, patriarchalisch und letztlich frauenfeindlich empfinden und für ihre Undurchführbarkeit plädieren. Eine Folge davon ist, dass die Texte leidenschaftlich kritisiert und mehr oder weniger freundlich beiseite gelegt werden. Ist diese Polarisierung notwendig, angemessen und letztlich unüberwindlich? Welche Spielräume für eine angemessene Interpretation könnte es geben? In diesem Beitrag soll nichts weiter versucht werden, als die überlieferten Haustafeln begrifflich, literarisch, inhaltlich und theologisch besser zu verstehen und dadurch eine verlässliche Grundlage für eine zeitgemäße Würdigung zu erhalten. Dazu wird zuerst (1) die doppelte Verwendung des Begriffs Haustafeln erläutert. Anschließend werden (2) Wurzeln neute- 1 H.-D. W ENDLAND , Bedeutung, 35. <?page no="118"?> 5.1 Die doppelte Verwendung des Begriffs Haustafeln 119 stamentlicher Haustafeln im antiken literarischen und im frühchristlichen theologischen Kontext freigelegt und (3) die ältesten christlichen Sozialordnungen in den Briefen an die Kolosser und an die Epheser in den Blick gerückt. Danach werden (4) Texte aus dem ersten Petrusbrief betrachtet sowie die Frage nach weiteren Haustafeln im frühen Christentum gestellt, ehe (5) die neutestamentlichen Haustafeln vor dem Hintergrund der antiken Literatur eingeordnet, Ansätze zu einer Gesamtinterpretation aufgezeigt und der Versuch einer gegenwärtigen Würdigung gewagt wird. Jeder der genannten Schritte wird durch eine Zusammenfassung resümiert. Am Ende erfolgt eine ausführlichere (6) Zusammenfassung zu den Ergebnissen und Überlegungen zu diesen oft als schwierig empfundenen Texten. Eine erste, vorsichtige Bestimmung lautet 2 : Unter Haustafeln wird eine Art Standes-, Rollen- oder Funktionsträgerparänese für die Glieder eines antiken christlichen Hauses verstanden. Der aus der Reformationszeit stammende Begriff wird heute meist auf Kol 3,18-4,1 sowie den davon abhängigen Text Eph 5,21-6,9 bezogen, gelegentlich auch auf weitere Texte wie z.B. 1 Petr 2,18-3,7. Unter grammatischen Gesichtspunkten ist der Begriff Haustafeln ein Determinativkompositum, das aus dem Grundwort (Determinatum) „Tafeln“ und dem Bestimmungswort (Determinans) „Haus“ zusammengesetzt ist. Demnach handelt es sich um Tafeln im Hinblick oder in Bezug auf ein Haus. 5.1 Die doppelte Verwendung des Begriffs Haustafeln - reformationsgeschichtliche und neutestamentliche Perspektiven 5.1 Zwei Verwendungsweisen des Begriffs „Haustafeln“ Der in der Reformationszeit wirkungsmächtig gewordene Begriff Haustafel ist äußerlich betrachtet derselbe wie in der Bibelwissenschaft der Gegenwart, sachlich jedoch deutlich zu unterscheiden. Denn im einen Fall handelt es sich um einen Florilegientext des 16. Jahrhunderts, im anderen um verschiedene Abschnitte aus den späteren neutestamentlichen Briefen. Einer Betrachtung aus der Perspektive der (1) Reformationszeit ist deshalb jene aus der Perspektive des (2) 20. Jahrhunderts und der Gegenwart gegenüberzustellen. 5.1.1 Reformationszeit Der Begriff „Haustafel“ wurde durch Martin Luthers gleichnamige Zusammenstellung biblischer Texte als Anhang zum Kleinen Katechismus (1529) 2 Für eine erste Annäherung s. auch B. M UTSCHLER , Art. Haustafel. <?page no="119"?> 5 Neutestamentliche Haustafeln als älteste christliche Sozialordnungen 120 im evangelischen Raum verbreitet 3 , zugleich ist er hier zum ersten Mal belegt 4 . Er bezeichnet eine Kompilation aus neutestamentlichen Texten, die Pflichten und Verantwortlichkeiten „für allerlei heilige Orden und Stände“ bestimmt und dazu ermahnt 5 . „Tafel“ bezeichnet in diesem Sinn eine Zusammenstellung von Anweisungen (Geboten) analog zu den beiden mosaischen Tafeln (Ex 24,12; 31,18; 32,15; Dtn 9,9-11.15), auf denen die Zehn Gebote geschrieben sind. Auf der durch Luther zusammengestellten „Haustafel“ (Singular) werden nacheinander Bischöfe, Pfarrer und Prediger (mit Verweis auf 1 Tim 3,2-6 und Tit 1,6-9), Christen gegenüber ihren Lehrern und Seelsorgern (Lk 10,7; 1 Kor 9,14; Gal 6,6f; 1 Tim 5,17f [Dtn 25,4]; Lk 10,7; 1 Thess 5,12f; Hebr 13,17), weltliche Obrigkeit (Röm 13,1f.4), Untertanen gegenüber ihrer Obrigkeit (Mt 22,21; Röm 13,1.5-7; 1 Tim 2,1f; Tit 3,1; 1 Petr 2,13f), Ehemänner (1 Petr 3,7; Kol 3,19), Ehefrauen (1 Petr 3,1.6), Eltern (Eph 6,4), Kinder (Eph 6,1-3), Knechte, Mägde, Tagelöhner und Arbeiter (Eph 6,5-8), Hausherren und Hausfrauen (Eph 6,9), die Jugend insgesamt (1 Petr 5,5f), Witwen (1 Tim 5,5f) und schließlich alle zusammen (Röm 13,9; 1 Tim 2,1) angesprochen. Die neutestamentlichen Texte werden dabei weder systematisch ausgeschöpft noch zusammenhängend zitiert. Der Zugriff erfolgt allein über die jeweilige kirchliche, gesellschaftliche oder familiäre Rolle oder Funktion der Personengruppen. Im Hintergrund dieser Konzeption steht deutlich die Dreiständelehre: Nacheinander folgen die Bereiche Kirche, Gesellschaft („Obrigkeit“) und Haus, die dem ordo ecclesiasticus, politicus bzw. oeconomicus entsprechen 6 . Zu diesen drei Lebensbereichen werden jeweils rollenspezifische Belehrungen aus dem Neuen Testament zusammengestellt. Im Anschluss an Luther werden sie in einer Blütezeit der Haustafelliteratur (16. Jahrhundert) nicht nur als Teil des Kleinen Katechismus, sondern auch in Predigten, Gedichten und Liedern, teilweise sogar in Dramen, dem evangelischen Teil des kollektiven Bewusstseins eingeprägt 7 . Die Dreiteilung der Haustafel wurde noch in der Rezeption des 19. Jahrhunderts 3 BSLK, 523-527. 4 Vgl. A. P ETERS , Kommentar, 94. Es ist wohl „‚das im Hause aufzuhängende’ bzw. ‚das für die zu unterrichtende Hausgemeinde bestimmte Verzeichnis’“ gemeint, s. ebd. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt W. B EHRENDT , Lehr-, Wehr- und Nährstand, (19-)23: „Es handelt sich also um Vorschriften, die in jedes Haus gehören und die man sich wie einen Teil des Katechismus regelmäßig vor Augen halten soll.“ 5 Die Anregung dazu dürfte auf Johannes Gersons (1363-1429) Tractatus de modo vivendi omnium fidelium, der 1513 in Wittenberg gedruckt wurde, zurückgehen, s. A. P E- TERS , Kommentar, 102f; ferner W. B EHRENDT , Lehr-, Wehr- und Nährstand, 81-87. 6 Luther knüpft dabei an spätmittelalterliche Standeslehren an, s. A. P ETERS , Kommentar, 101-104; ferner K.-H. B IERITZ / C. K ÄHLER , Art. Haus III, 481f. 7 Dazu knapp A. P ETERS , Kommentar, 104-109; ausführlich A. B EHRENDT , Lehr-, Wehr- und Nährstand, 111-338. <?page no="120"?> 5.1 Zwei Verwendungsweisen des Begriffs „Haustafeln“ 121 beibehalten 8 . Zwei Bibeltexte der Lutherbibel tragen seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert (und damit im doppelten Sinn nach Luther: post und secundum) die Zwischenüberschrift Haustafel: Kol 3,18-4,1 und Eph 5,21-6,9. Hier liegt ein Ansatzpunkt für die moderne exegetische Forschung. 5.1.2 20. Jahrhundert und Gegenwart Die in Martin Luthers „Haustafel“ enthaltenen Bibeltexte (Mt 22,21; Lk 10,7; Röm 13,1f.4-7.9; 1 Kor 9,14; Gal 6,6f; Eph 6,1-9; Kol 3,19; 1 Thess 5,12f; 1 Tim 2,1f; 3,2-6; 5,5f.17f; Tit 1,6-9; 3,1; 1 Petr 2,13f; 3,1.6f; 5,5f; Hebr 13,17) sind disparat und einer einheitlichen exegetischen Bestimmung nicht zugänglich 9 . In der neueren exegetischen Diskussion 10 wird der Begriff Haustafeln einerseits im Plural verwendet, da er in diesem Zusammenhang kein Dokument des 16. Jahrhunderts bezeichnet, sondern mehrere zusammenhängende Textstellen im neutestamentlichen Schrifttum zusammenfasst 11 , andererseits enger gefasst als in der Tradition Martin Luthers. Haustafeln werden in der Regel auf das Haus, manchmal auch auf die Gemeinde (als „Haus Gottes“, 1 Tim 3,15), aber nicht mehr auf den gesellschaftlichen und politischen Bereich bezogen 12 . Dieser wird heute als Verhältnis zum Staat oder als politische Ethik zusammengefasst, während der innergemeindliche und innerkirchliche Bereich innerhalb der Lehre von Kirche und Gemeinde (Ekklesiologie umfasst beide Horizonte) angesiedelt wird und mitunter als „Gemeindetafel“ bezeichnet wird 13 . Nur hingewiesen sei auf einen weiteren, ethnographischen Begriffsgebrauch von „Haustafeln“, der hier nicht näher beleuchtet wird. Demnach erinnern Haustafeln „an Persönlichkeiten oder an Ereignisse von historischer Bedeutung. Eine große Reihe berühmt gewordener Personen gaben Anlaß, an den Stätten ihrer Geburt oder ihrer Wirksamkeit Tafeln des ehrenden Gedenkens anzubringen.“ 14 Haustafeln in diesem Sinn „sind meist 8 S. W. H OFFMANN , Haustafel (1859-1863). 9 Ebenso F.-R. P ROSTMEIER , Handlungsmodelle, 182. 10 Zur Forschungsgeschichte s. J.P. H ERING , Haustafeln, 14-60; K. L EHMEIER , Oikos, 19-26; J. W OYKE , Haustafeln, 12-16; U. W AGENER , Ordnung, 18-65; M. G IELEN , Tradition, 24-67; G. S TRECKER , Haustafeln, 350-356; K. M ÜLLER , Haustafel, 280-285; J.E. C ROUCH , Origin, 18-31. 11 Mit verschiedener Durchführung: So handelt es sich nach U. L UZ , Brief an die Kolosser, 234 bei den Abschnitten Kol 3,18-4,1 und Eph 5,21-6,9 um (zwei) „Haustafeln“, während im selben Band an anderer Stelle für Eph 5,21-6,9 von „drei ‚Tafeln’“ ausgegangen wird, s. U. L UZ , Brief an die Epheser, 170; ähnlich ebd., 174. 12 Eine gewisse Ausnahme stellt hier 1 Petr 2,13-17 dar, das sich mit der Frage des Verhältnisses von Christen allgemein zu ihrer Umgebungsgesellschaft befasst. 13 L. G OPPELT , Der erste Petrusbrief, 164. 14 K. W IENINGER , Haustafeln, 135. <?page no="121"?> 5 Neutestamentliche Haustafeln als älteste christliche Sozialordnungen 122 Zeugen der Ehre eines Hauses, oftmals des Ansehens einer Gemeinde“ 15 . Es handelt sich genau genommen um Erinnerungs- oder Gedenktafeln. Eine moderne Bestimmung neutestamentlicher Haustafeln geht entweder aus von strukturellen Überlegungen - beispielsweise einer paränetischen Aufreihung zu bestimmten Personengruppen in ihrem (hierarchischen) Verhältnis zu anderen Personengruppen 16 - oder von der Konzentration auf die antike soziale und wirtschaftliche Basiseinheit der Gesellschaft in Form des Hauses: Es stellt die kleinste, funktional gegliederte Zelle dar 17 . „Denn jeder Staat besteht aus Haushalten“ 18 . Ein lohnender Weg zu einer sinnvollen Begriffsbestimmung geht aus vom antiken Kontext in Form seiner literarischen Hinterlassenschaft und sucht nach inhaltlichen und formalen Parallelen und Merkmalen. 5.1.3 Ergebnis Der von Luther als Florilegium neutestamentlich-paränetischer Texte konzipierten Haustafel nach dem Schema der Dreiständelehre steht die unter der Pluralbezeichnung Haustafeln geführte wissenschaftliche Erforschung neutestamentlicher Texte der letzten knapp hundert Jahre gegenüber. Letztere befasst sich vorrangig mit den auf den antiken Sozialraum eines Hauses - gelegentlich auch der Gemeinde - bezogenen Paränesen, die gewisse Formmerkmale erfüllen. Verschließen sich die von Luther als Belegstellen gewählten Texte einem einheitlichen literarischen Zugriff, so wird ein solcher in der wissenschaftlichen Erforschung neutestamentlicher Haustafeln gerade gesucht. 5.2 Wurzeln neutestamentlicher Haustafeln im antiken literarischen und im frühchristlichen theologischen Kontext 5.2 Wurzeln neutestamentlicher Haustafeln im antiken Kontext Im hellenistisch-römischen Kulturkreis sind drei literarische Wurzeln für die Herausbildung neutestamentlicher Haustafeln zu identifizieren: (1) politisch-ökonomische Lehrschriften über das wohlgeordnete Hauswesen, (2) ethisch-philosophische Pflichtenkataloge und schließlich eine (3) Tradition jüdisch-hellenistischer Paränese 19 . Den literarischen Wurzeln tritt ein theo- 15 Ebd. S. außerdem A. S TOIS , Haustafeln, passim mit Beispielen für bäuerliche Kunst. 16 J. W OYKE , Haustafeln, 18. 17 Dazu grundlegend C. G ERBER / D. V IEWEGER , Art. Haus. 18 So bereits Arist., Pol., 1253b (14,32 S CHÜTRUMPF ). 19 Für eine neuere Diskussion von Vergleichstexten s. J.P. H ERING , Haustafeln, 203-262. Paralleltexte zu Struktur- oder Formmerkmalen neutestamentlicher Haustafeln listet G. S TRECKER , Haustafeln, 356 auf. <?page no="122"?> 5.2 Wurzeln neutestamentlicher Haustafeln im antiken Kontext 123 logisch motivierter Schub innerhalb von (4) Selbstfindungsprozessen im frühen Christentum an die Seite. 5.2.1 Politisch-ökonomische Lehrschriften In seiner Politik nennt Aristoteles als „die ersten und kleinsten Teile des Haushalts aber Herr und Sklave, Ehemann und Ehefrau, Vater und Kinder“ 20 . Entsprechend behandelt er erstens „das despotische Verhältnis, zweitens das durch Heirat begründete (…) und drittens das beim Aufziehen von Kindern“ 21 . Alle drei bilden die „drei Teilbereiche der Leitung eines Haushaltes“ 22 . Sie sind traditionell und bereits vor Aristoteles bei Homer, Herodot, Aristophanes und Platon belegt 23 . In der Konzentration auf diese drei Abhängigkeitsverhältnisse eines freien Mannes - als Ehemann, Vater und Herr (Besitzer) - liegt eine enge Parallele zu den in Frage kommenden neutestamentlichen Texten. 5.2.2 Ethisch-philosophische Pflichtenkataloge Dieselben drei Abhängigkeitsverhältnisse nennt Seneca, wenn er auf ethisch-philosophische Spezialliteratur verweist, die „den Menschen nicht insgesamt“ bildet, sondern nur konkret rät: „dem Ehemann, wie er sich verhält gegenüber seiner Frau, dem Vater, wie er erzieht die Kinder, dem Herrn, wie er seine Sklaven anleitet“ 24 . Der römische Philosoph lehnt solche Spezialunterweisungen jedoch „als eine unerfüllbare Aufgabe“ ab 25 . Im Gegensatz dazu gibt Epiktet konkrete Hinweise, was als Mensch, als Welt- 20 Arist., Pol., 1253b (14,38f S CHÜTRUMPF ). 21 Arist., Pol., 1260a (14,41-15,2 S CHÜTRUMPF ). In der Folge erklärt der Stagirite, „daß es von Natur mehrere Arten von Herrschenden und Beherrschten gibt; denn auf eine andere Weise herrscht der Freie über den Sklaven und das Männliche über das Weibliche und der Vater über das Kind“, ebd., 1253b (32,4-7 S CHÜTRUMPF ); s. auch ebd., 1259b (30 S CHÜTRUMPF ): „Denn von Natur hat das Männliche eher die Führung als das Weibliche“; ähnlich ebd., 1254b (17 S CHÜTRUMPF ). 22 Arist., Pol., 1259a (30,17f S CHÜTRUMPF ). Zur Oikonomia-Literatur s. ausführlich K. L EHMEIER , Oikos, 53-218; D.L. B ALCH , Wives, 21-62. 23 Oi1kh5sai a1loco3n te fi3lhn kai4 nh3pion ui2o3n, Hom., Il. 6,365f (M ONROE / A LLEN ); ta3V te gunai5kaV kai4 ta4 te3kna kai4 ta4 crh3mata kai4 tou4V oi1ke3taV, Herod., Hist. I 176,1 (162 F EIX ); e6peita th4n gunai5ka kai4 ta4 paidi3a, e6peita tou4V qera3pontaV, Aristoph., Plut. 1104f (I, 322 W ILSON ); kai4 gunai5ka kai4 pai5daV (…) meta4 th5V a6llhV ou1si3aV te kai4 tw5n oi1ketw5n, Plat., Rep. VIII 578e (B URNET ); s. ferner Plat., Men. 71e (B URNET ). Dass Besitz (Habe) bei Herodot und Platon vor den Sklaven genannt wird, zeigt den Stellenwert und die Zugehörigkeit von Letzteren. Verbindungen zur „späthellenistischen ‚Ökonomik‘“ (bes. Columella) behandelt K. T HRAEDE , Hintergrund, 363-367 (362). 24 Sen., Ep. 94,1 (416f R OSENBACH ). 25 Incomprehensibile opus, Sen., Ep. 94,14 (424f R OSENBACH ). <?page no="123"?> 5 Neutestamentliche Haustafeln als älteste christliche Sozialordnungen 124 bürger, als Staatsbürger, als Sohn, Bruder und Ratsherr zu tun sei 26 . Grundsätzlicher überlegt Cicero, „welchen Leuten gegenüber das meiste an Verpflichtungen abzuleisten ist“ und kommt zu folgendem Gegenüber: „vorrangig Vaterstadt und Eltern“, sodann „die Kinder und die ganze Familie“, schließlich „in gutem Einvernehmen mit uns stehende Verwandte“ 27 . Ebenfalls lebenspraktisch orientiert, lehrt bereits vier Jahrhunderte zuvor der griechische Tragödiendichter Aischylos in sentenzartiger, fast archaisch anmutender Verdichtung, dass man den Fremden ihr Recht, althergebrachten Göttern ihre Verehrung und Eltern die ihnen gebührende Achtung zu erweisen habe 28 . Deutlich weiter zieht Plutarch den Kreis, der der Philosophie als einziger „Seelenmedizin“ 29 die Aufgabe zu lehren zuschreibt und eine kurz gefasste Beziehungsethik vom Größeren zum Kleineren fortschreitend aufstellt: „daß man die Götter fürchten, die Eltern ehren, den Greisen Ehrerbietung, den Gesetzen Gehorsam erweisen muß, daß man der Obrigkeit folgen, die Freunde lieben und Frauen sittsam, Kinder zärtlich und Sklaven ohne Gewaltsamkeit behandeln muß“ 30 . Trotz wiederholter Nennung von Frauen, Kindern und Sklaven (exklusiv bei Seneca, am Ende einer Aufzählung bei Plutarch) und trotz mehrfacher Nennung von drei Gruppen oder Gliedern (Aischylos, Cicero, Seneca) ist die Tradition ethisch-philosophischer Schriften insgesamt breiter ausgerichtet als frühchristliche Aufstellungen 31 . Beiden ist gemeinsam, dass der freie Mann als Adressat im Mittelpunkt steht. 5.2.3 Jüdisch-hellenistische Paränese Eine kaum zu überschätzende Rolle in der Vermittlung griechisch-römischer Traditionen an das frühe Christentum kommt der jüdisch-hellenistischen Paränese zu, wie sie z.B. in Sir 7,18-28(20-30) an einen jüdischen Mann in Bezug auf seinen Freund, seine Frau, Sklaven, Vieh, Söhne, Töchter, Vater und Mutter ergeht. Ethische Überlegungen in Bezug auf bestimmte 26 Epikt., Diss. 2,10 (172-177 N ICKEL ). 27 Patria et parentes, liberi totaque domus, bene convenientes propinqui, vgl. Cic., Off. I 17,58 (54 f G UNERMANN ). 28 Aisch., Suppl. 701-709 (530f W ERNER ). 29 Tw5n de4 th5V yuch5V a1rrwsthma3twn kai4 paqw5n h2 filosofi3a mo3nh fa3rmako3n e1sti, Plut., Mor. 7d (13,29-14,1 G ÄRTNER ). 30 Plut., Mor. 7e (117 S NELL ). 31 Vgl. die katalogartige Übersicht bei D. S CHROEDER , Haustafeln, 193f. Derselbe wendet sich ebd., 27f gegen eine formgeschichtliche Abhängigkeit der frühchristlichen Texte von stoischen Pflichtenreihen, wie sie zuvor K. W EIDINGER , Haustafeln, 50-73 (als Schüler von Martin Dibelius) aufgewiesen hatte. <?page no="124"?> 5.2 Wurzeln neutestamentlicher Haustafeln im antiken Kontext 125 Gruppen finden sich auch bei Philo von Alexandrien 32 . Ausführlicher sind die bei Josephus überlieferten Anweisungen zum Umgang mit Ehefrau, Kindern, Verstorbenen, Eltern, Fremden, jedermann (auch Feinden) und sogar Tieren 33 . Sie unterstreichen Bedeutung und Wert der Tora ad maiorem Dei gloriam, denn dadurch wird Gott als Gesetzgeber geehrt. Spezifischer behandelt die weisheitlich geprägte paränetische Dichtung von Pseudo- Phokylides (erstes Jahrhundert v. Chr. bis zum Anfang des ersten Jahrhunderts n.Chr. 34 ) am Ende der „Mysterien der Gerechtigkeit“ 35 nacheinander Ehefragen, Fragen der Kindererziehung und des Umgangs mit Sklaven 36 . Eingefügt sind nur wenige Verse mit Ratschlägen zum Verhalten gegenüber Freunden, Verwandten und Senioren 37 . Nach Philo von Alexandrien gehört es zu den Aufgaben eines Mannes, die Toragesetze zu erklären: als Mann seiner Frau, als Vater seinen Kindern und als Herr seinen Sklaven 38 . Gruppenspezifische Anweisungen sind im hellenistischen Judentum gang und gäbe; bei Pseudo-Phokylides und Philo von Alexandrien richten sie sich an Männer im Verhältnis zu ihren Frauen, Kindern und Sklaven. 5.2.4 Selbstfindungsprozesse im frühen Christentum Quer zu den geltenden antiken Gesellschafts- und Sozialordnungen wird im frühen Christentum durch die Taufe eine „in Christus“ egalitäre geschwisterliche Existenz der Gläubigen etabliert (Gal 3,28; 1 Kor 12,13; Kol 3,11. 25b; Eph 6,9d). Gleichzeitig geht mit der Behauptung einer „neuen Schöpfung“ ein radikaler und programmatischer Bruch mit bisherigen Ordnungen und Mustern einher (2 Kor 5,17; Röm 6,3f; Gal 6,15). Damit werden Fragen nach einer angemessenen sozialen Ordnung und Neugestaltung virulent. Sind alle überkommenen Beziehungen zu ändern, und was soll unter welchen Gesichtspunkten beibehalten werden? Ein enthusiastisches Missverständnis liegt nahe. Dieses wird bearbeitet durch die bewusste Fortführung von tradierten Sozialgestalten unter Berücksichtigung von Akzentverschiebungen, m.a.W.: durch klare Vorgaben in Form von 32 Philo, Decal. 165-167 (406f C OHN ); Poster. 181 (52 H EINEMANN ). 33 Jos., c.Ap. II, 190-210 (194-200 S IEGERT ); Übersetzung auch bei C. G ERBER , Bild, 402- 406. Zur Interpretation s. ebd., 183-203; J.M.G. B ARCLAY , Apion, 275-292. 34 Vgl. G.S. O EGEMA , Schriften, 67; zum Bezug auf die Noachitischen GEbote s. ebd., 69. 35 Ps-Phok 229 (216 W ALTER ; 18 D ERRON ). 36 Ebd. 175-206.207-217.223-227 (213-216 W ALTER ; 14-18 D ERRON ). Zur Abhängigkeit von einer mit Philo, Hyp. 7,1-9 und besonders mit Jos., c.Ap. II 190-219 gemeinsamen Quelle s. M. K ÜCHLER , Weisheitstraditionen, 211-215.223-226.281-283. 37 Ps-Phok 218-222 (215 W ALTER ; 17 D ERRON ). 38 Kai4 a1nh4r gunaiki4 kai4 paisi4 path4r kai4 dou3loiV despo3thV, Philo, Hyp. 7,14 = Eus., Praep. VIII 7,14 (74 S CHROEDER / DES P LACES ). Die Relationen Mann-Frau (gunaiko4V a1nh3r), Vater-Sohn (path4r ui2wü 5), Herr-Sklave (a6rcwn twü 5 u2phko3wü) werden bereits zuvor genannt, s. Philo, Hyp. 7,5 = Eus., Praep. VIII 7,5 (71 S CHROEDER / DES P LACES ). <?page no="125"?> 5 Neutestamentliche Haustafeln als älteste christliche Sozialordnungen 126 Haustafeln. Die Schwierigkeit ist: Prozesse dieser Art sind literarisch kaum mehr fassbar, aber historisch höchst wahrscheinlich (nahezu evident) und theologisch äußerst brisant. Wichtige theologische Voraussetzungen dafür werden von Paulus vorgedacht und formuliert 39 . Ein Gesamtentwurf einer christlichen Hausordnung, wie er in den Haustafeln vorliegt, findet sich jedoch nicht in den Paulusbriefen und bleibt der Zeit nach Paulus vorbehalten. Er findet erst im Deuteropaulinismus seinen literarischen Niederschlag 40 . Sehr wahrscheinlich ist ein gewisses Maß an Sesshaftigkeit notwendig für einen systematisierenden sozialen Entwurf, wie er in den Haustafeln vorliegt 41 . 5.2.5 Ergebnis Die verschiedenen Aufstellungen in literarischen Traditionen der Antike lehren, reflektieren oder raten zu richtigem, angemessenem oder pflichtgemäßem Verhalten eines Menschen in seinem persönlichen Umfeld. Sie sind im Rahmen antiker Haushaltsordnung patriarchal formuliert und beziehen sich androzentrisch auf soziale Relationen eines idealtypisch gedachten freien Mannes. Die Vielfalt der Beziehungen wird häufig auf drei Relationen oder Bereiche reduziert (Trikolon). Viele antike Autoren - darunter namhafte wie Homer, Herodot, Aristophanes, Platon, Aristoteles, Seneca, Pseudo-Phokylides und Philo von Alexandrien - nennen oder behandeln zusammenhängend das Verhältnis eines freien Mannes zu Frauen, Kindern und Sklaven. Von „Haustafeln“ oder dergleichen ist dabei an keiner Stelle die Rede. Der aus dem 16. Jahrhundert stammende Begriff kann als solcher keine allgemeine Pflichtenlehre bezeichnen, sondern impliziert eine Beschränkung auf das Haus als ökonomische und soziale Basiseinheit. Möglicherweise kann dieser Begriff aber metaphorisch ausgeweitet werden auf ein größeres Sozialgefüge als ein einzelnes Haus (Gemeinde, Staat, Welt). 5.3 Haustafeln als älteste christliche Sozialordnungen in den Briefen an die Kolosser und an die Epheser 5.3 Haustafeln in Kol 3,18-4,1 und Eph 5,21-6,9 Reihungen in der Art von Haustafeln finden sich im neutestamentlichen Schrifttum erst in Briefen der zweiten Generation (Deuteropaulinen). Die beiden unstrittigen Belege, jeweils ein Abschnitt aus dem Kolosserbrief und dem Epheserbrief, schließen an Wurzeln neutestamentlicher Hausta- 39 Zur Frage der Aufrechterhaltung von Sklaverei s. z.B. 1 Kor 7,21-24; Phlm 10-12.15f. 40 Zum Begriff des Deuteropaulinismus s. B. M UTSCHLER , Glaube, 94f. 41 Ähnlich K. B ERGER , Theologiegeschichte, 523 (§ 372): „Diese Aspekte waren dem Wanderapostel Paulus verborgen geblieben.“ <?page no="126"?> 5.3 Haustafeln in Kol 3,18-4,1 und Eph 5,21-6,9 127 feln an: Wie bei Aristoteles, Seneca und Pseudo-Phokylides 42 geht es in beiden Fällen um das Verhältnis zwischen Ehemann und Ehefrau, Eltern und Kindern, Sklaven und ihren Herren. In beiden Fällen stimmt die Reihenfolge der drei Relationen mit der vom römischen Philosophen und vom jüdischen Weisheitslehrer genannten überein. Offenbar wird in der zweiten christlichen Generation auf „bewährte(n) und im Grunde auch humane(n) Ordnungsmodelle aus der Umwelt“ zurückgegriffen, und „christl.[iche] Akzente werden [dabei] nur sehr verhalten angebracht“ 43 . Die beiden Texte finden sich in (1) Kol 3,18-4,1 und in (2) Eph 5,21-6,9. 5.3.1 Kol 3,18-4,1 als Prototyp und Muster einer Haustafel Der Abschnitt Kol 3,18-4,1 ist in sich abgeschlossen 44 und enthält eine Dreierreihe (Trikolon) von paarweise vorgetragenen Anweisungen an aufeinander angewiesene Personengruppen (vgl. u. S. 128). Daher liegt eine Beziehungsethik vor 45 . Im Unterschied zum Kontext, der sich an die gesamte Gemeinde richtet (Kol 3,5-17; 4,2-6), handelt es sich dabei um drei elementare Beziehungen innerhalb des Lebensraums Haus, dessen Bedeutung nicht überschätzt werden kann. Der Aufbau aller drei Paare ist sprachlich stereotyp: Auf eine Anrede (Nominativ Plural mit Artikel 46 ) folgen zunächst ein Imperativ (zweite Person Plural) und dann eine Begründung zur Motivierung des Tuns 47 . Die Paare werden chiastisch präsentiert und stehen in einem reziproken Verhältnis zueinander: Frauen-Männer, Männer- Frauen; Kinder-Eltern, Väter-Kinder; Sklaven-Herren, Herren-Sklaven. Beim Wechsel von „Eltern“ auf „Väter“ (V.20f) handelt es sich um eine Stilfigur (variatio, pars pro toto) ebenso wie um eine Beschreibung des Faktischen (patria potestas). Die Reihung ist ihrer Bedeutung im Haus entsprechend geordnet: zuerst Frauen und Kinder (= Freie), dann Sklaven 48 . 42 Zum Vergleich mit Kol 3,18-4,1 s. J. T HOMAS , Phokylides, 378-390. 43 H.-J. K LAUCK , Art. Haustafel, 59. 44 Für L. G OPPELT , Jesus, 95 mit Anm. 6 ist Kol 3,18-4,1 ein „Traditionsstück“. Denn „4,2 würde ohne Bruch an 3,17 anschließen“; ebenso R.W. G EHRING , Hausgemeinde, 400. Auch K. M ÜLLER , Haustafel, 280 ist Kol 3,18-4,1 „ein originär in sich geschlossener und abgerundeter Abschnitt“ mit dem „Image einer ursprünglich separaten literarischen Einheit“. Aus sprachlichen Gründen ist bei Kol 3,22b-25 an eine Erweiterung zu 3,18-4,1 zu denken. 45 Vgl. L. G OPPELT , Jesus, 105: „ein spezifisch christlicher Ansatz der Sozialethik“. 46 In der Funktion eines Vokativ, s. A. B LASS et al., Grammatik, 121 (§ 147,2). 47 Vgl. das Bauschema bei M. G IELEN , Tradition, 110; ferner K. M ÜLLER , Haustafeln, 268; J. W OYKE , Haustafeln, 20f. Zur einzigen Ausnahme in Kol 3,19 s.u. Anm. 52 S. 130 48 Vgl. Arist., Polit., 1253b: „ein vollständiger Haushalt wird aus Sklaven und Freien gebildet“ (14,35f S CHÜTRUMPF ). Aufgrund ihrer ökonomischen Bedeutung nennt Aristoteles Sklaven in der Regel zuerst. Zur Sklaverei in antiken Gesellschaften s. P. M ÜL - LER , Brief an Philemon, 54-65; auch im Alten Testament ist sie selbstverständlich, s. ebd., 65-67; H.-F. R ICHTER , Geschlechtlichkeit, 131-142; P. V OLZ , Altertümer, 353-356. <?page no="127"?> 5 Neutestamentliche Haustafeln als älteste christliche Sozialordnungen 128 Kol 3,18-4,1 Frauen und Männer 18 Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter, wie es sich im Herrn geziemt! 19 Ihr Männer, liebt eure Frauen und lasst eure Bitterkeit nicht an ihnen aus! Kinder und Eltern 20 Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern in allen Dingen, denn das findet Gefallen beim Herrn. 21 Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht, damit sie den Mut nicht verlieren. Sklaven und Herren 22 Ihr Sklaven, gehorcht euren irdischen Herren in allen Dingen, nicht aus Liebedienerei, als wolltet ihr Menschen gefallen, sondern mit lauterem Herzen; denn ihr fürchtet den Herrn. 23 Was ihr auch tut, tut es mit Leib und Seele, so als wäre es für den Herrn und nicht für Menschen, 24 im Wissen, dass ihr dafür vom Herrn das Erbe empfangen werdet. Dient Christus, dem Herrn! 25 Wer Unrecht tut, wird bekommen, was er an Unrecht getan hat, ohne Ansehen der Person. 4 1 Ihr Herren, gewährt euren Sklaven, was recht und billig ist. Denn ihr wisst: Auch ihr habt einen Herrn im Himmel. Die Haustafeln nach Kol 3,18-4,1 und Eph 5,21-6,9 im synoptischen Vergleich <?page no="128"?> 5.3 Haustafeln in Kol 3,18-4,1 und Eph 5,21-6,9 129 Eph 5,21-6,9 Frauen und Männer 21 Wir wollen uns einander unterordnen, in der Ehrfurcht vor Christus: 22 Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter wie unserem Herrn, 23 denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Kirche ist, er, der Retter des Leibes. 24 Also: Wie die Kirche sich Christus unterordnet, so sollen sich die Frauen in allem den Männern unterordnen. 25 Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat, 26 um sie zu heiligen und rein zu machen durch das Bad im Wasser, durch das Wort. 27 So wollte er selbst die Kirche vor sich hinstellen: würdig, ohne Flecken und Falten oder dergleichen, denn heilig und makellos sollte sie sein. 28 So sollen auch die Männer ihre Frauen lieben wie den eigenen Leib. Wer seine Frau liebt, liebt sich selbst. 29 Denn noch nie hat jemand sein eigenes Fleisch gehasst, nein, jeder nährt und pflegt es, wie auch Christus die Kirche, 30 weil wir Glieder seines Leibes sind. 31 Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und die zwei werden ein Fleisch sein. 32 Dies ist ein grosses Geheimnis; ich spreche jetzt von Christus und der Kirche. 33 Doch das gilt auch für jeden Einzelnen von euch: Er liebe seine Frau so wie sich selbst, die Frau aber respektiere den Mann. Kinder und Eltern 6 1 Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern im Herrn; denn das ist recht und gut. 2 Eh re deinen Vater und deine Mutter - dies ist das erste Gebot, das eine Verheissung enthält -, 3 damit es dir gut gehe und du lange lebest auf Erden. 4 Und ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn, sondern lasst sie aufwachsen in der Erziehung und Zurechtweisung des Herrn. Sklaven und Herren 5 Ihr Sklaven, gehorcht euren irdischen Herren mit Furcht und Zittern, mit ungeteiltem Herzen, als gehorchtet ihr Christus! 6 Dient ihnen nicht aus Liebedienerei, als wolltet ihr Menschen gefallen, sondern als Sklaven Christi, die den Willen Gottes von Herzen tun. 7 Seid ihnen wohlgesinnt und dient ihnen, als dientet ihr dem Herrn und nicht einem Menschen. 8 Ihr wisst, dass jeder, der etwas Gutes tut, es vom Herrn zurückbekommen wird, sei er nun Sklave oder Freier. 9 Und ihr Herren, verhaltet euch euren Sklaven gegenüber ebenso: Lasst das Drohen, denn ihr wisst, dass euer und ihr Herr im Himmel ist und dass es bei ihm kein Ansehen der Person gibt. <?page no="129"?> 5 Neutestamentliche Haustafeln als älteste christliche Sozialordnungen 130 In allen drei Paaren wird jeweils der schwächere Teil zuerst und direkt angesprochen. Dabei wird dasselbe verlangt: Unterordnung (V. 18) und Gehorsam (V. 20.22) bilden nicht nur sprachlich eine Assonanz (u2pota3ssesqe, u2pakou3esqe), sondern sind auch semantisch gleichbedeutend 49 . Die Begründung erfolgt mit Hinweis auf Christus als „Herrn“: Es „ziemt sich im Herrn“ (V. 18), „ist wohlgefällig im Herrn“ (V. 20), „fürchtet den Herrn“ (V. 22). Auffällig ist, dass die Unterordnung unter den Ehemann, Vater oder Sklavenherrn als christusgemäß qualifiziert wird. Außerdem ist die an Sklaven gerichtete Begründung deutlich verlängert. Sie umfasst beinahe die Hälfte der gesamten Haustafel (47 Worte von 107), enthält vier von sieben Bezugnahmen auf Christus als Herrn 50 , bildet in sich ein Trikolon (V. 22b.23f.25) und beinhaltet einen sprachlich-stilistischen Wechsel. Dieses Achtergewicht spiegelt einen offenbar massiven Begründungsbedarf wider, z.B. im Gegenüber zu der in Christus liegenden Egalität nach Kol 3,11 51 . Liest man den letzten Satz der Begründung (3,25) nach beiden Seiten hin (a1po4-koinou5), dann wirkt er rhetorisch zweischneidig und strahlt auch auf die „Herren“ (4,1) aus. Die Erweiterung reicht zumindest implizit über die Sklaven hinaus (Kol 3,23-25): Diese werden zwar angesprochen, aber das Ausgeführte hat allgemeinen Charakter und betrifft alle Christen. In diesem Sinn weist Kol 3,23 eine Nähe zu 3,17 auf. Jeweils an zweiter Stelle innerhalb der drei Paare wird der stärkere Part genannt: „Männer“ in ihrer Funktion als Gatte, Vater und Sklavenherr. Dieser gemeinsame Bezug auf den freien Mann gibt dem gesamten Abschnitt seine Mitte, Einheit und Struktur. Die Aufforderungen an die Männer enthalten rollenspezifisch Naheliegendes: Frauen lieben, Kinder nicht reizen, Sklaven das Gerechte und Gleiche gewähren. Die angeschlossenen Begründungen 52 bilden eine Klimax: Nicht bitter (d.h. tyrannisch, gewalttätig) sein gegenüber Frauen (V. 19) ist vom Mann aus gedacht, während Kinder nicht entmutigen (V. 21) das Kindeswohl als Wohl des anderen im Blick hat. Beide Begründungen sind nicht spezifisch christlich und tragen den Charakter eines allgemeinen Rats. Erst die dritte Begründung verweist auf den himmlischen Herrn (Kol 4,1) und relativiert damit die Machtentfaltung der Männer im Haus. Analog zu Kol 3,22b-25 ist diese dritte Begrün- 49 M. W OLTER , Brief an die Kolosser, 201. 50 Da der gesamte Brief vierzehn Bezüge auf den Kyrios enthält, entfällt genau die Hälfte auf diese Haustafel, dazu W. S CHRAGE , Ethik, 206: „Auch im Haus lebt der Christ nicht nach einer aus den Strukturen der Welt abgeleiteten Eigengesetzlichkeit, sondern nach dem Willen des Herrn.“ 51 Dazu R.W. G EHRING , Hausgemeinde, 427f; s. außerdem 1 Kor 12,13; Gal 3,28; o. S. 125f. Nach M. E BNER , Stadt, 179 wird mit der Sklavenparänese „eine besonders sensible Stelle der antiken Gesellschaft berührt“. 52 V. 19 enthält als einziger zwei Imperative, die einen antithetischen Parallelismus bilden. Eine Begründung fehlt hier und in der Folge in Eph 6,4. <?page no="130"?> 5.3 Haustafeln in Kol 3,18-4,1 und Eph 5,21-6,9 131 dung inhaltlich (Christusbezug) und sprachlich (18 Worte gegenüber jeweils zehn in Kol 3,19.21) achtergewichtig. Systematik und Prägnanz von Kol 3,18-4,1 sind eindrücklich, auch die Kürze 53 , sieht man von der ausführlichen Begründung für Sklaven einmal ab (V. 22b-25 54 ). Der ganze Abschnitt enthält zwei äquivok mit „Herr“ (ku3 ýrioV) bezeichnete Gestalten. In singularischer Verwendung ist der himmlische Herr (3,18.20.22f.24bis; 4,1), nämlich Christus (3,24), gemeint 55 ; im Plural werden die irdischen Herren als Hausherren angesprochen (3,22; 4,1; „Männer“ in 3,18f). Die Äquivokation verstärkt das hierarchische Gefüge und limitiert es zugleich: Die irdischen Herren finden beim Anspruch des himmlischen Herrn ihre Grenze. Sie sind zwar nur „Herren nach dem Fleisch“ (Kol 3,22); aber innerhalb der hierarchisch gegliederten Hausgemeinschaft ist ihnen niemand vergleichbar. Trotzdem bilden sie nicht die Spitze der Pyramide, sondern nur eine Zwischeninstanz. Kol 3,18-4,1 ist „ganz pragmatisch an der Stabilität und Funktionsfähigkeit des Hauses als einer elementaren Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft orientiert“ 56 . Mit vollem Recht wird der Abschnitt daher als „Haustafel“ bezeichnet. 5.3.2 Eph 5,21-6,9 als Ausbau und Erweiterung von Kol 3,18-4,1 Da der Epheserbrief „sozusagen eine editio secunda des Kol“ darstellt 57 , handelt es sich dort um dieselben drei Paare in derselben Reihenfolge, derselben reziproken Angewiesenheit und derselben chiastischen Anordnung (vgl. o. S. 129). Dennoch ist Eph 5,21-6,9 etwa dreimal so lang wie die Vorlage Kol 3,18-4,1 58 . Dies liegt weniger an Variationen und Erweiterungen der Anreden oder der Imperative, sondern vor allem an erheblich ausgebauten und erweiterten Begründungen zur Motivierung 59 . Inhaltlich sind sowohl die Imperative als auch der Christusbezug insgesamt verstärkt; die Autorität der irdischen „Herren nach dem Fleisch“ (Eph 6,5) wird enger an die des himmlischen Herrn gebunden 60 . Der Aufruf zur „gegenseitigen Unterordnung in Ehrfurcht vor Christus“ wird als gemeinsamer Grundtenor 53 Vgl. die tabellarische Darstellung bei K. M ÜLLER , Haustafel, 267. 54 Zur Situation von Sklavinnen s. B.J. B ROOTEN , Schatten, 492-498. 55 Mit Recht verweist K. M ÜLLER , Haustafel, 273f mit Anm. 42f darauf, dass die Aufforderung zur „Furcht des Herrn“ in Kol 3,22 genuin alttestamentlich ist. 56 M. W OLTER , Brief an die Kolosser, 197. 57 H. H ÜBNER , An die Kolosser, 110; ähnlich E. L OHSE , Ethik, 88: „eine durch kommentierende Ergänzungen erweiterte Parallele“; s. auch die beide Texte verbindende Auslegung bei G. S TRECKER , Haustafeln, 360-375. 58 Einen detaillierten synoptischen Vergleich unternimmt J.P. H ERING , Haustafeln, 137- 156; s. auch die Gegenüberstellungen bei G. S ELLIN , Brief an die Epheser, 426.432. 59 Zu den kommentierenden Ergänzungen s. M. G ESE , Vermächtnis, 91f.207f. 60 Vgl. Eph 5,22 mit Kol 4,18; Eph 6,1 mit Kol 5,20; Eph 6,5f mit Kol 4,22. <?page no="131"?> 5 Neutestamentliche Haustafeln als älteste christliche Sozialordnungen 132 dem Abschnitt überschriftartig vorangestellt (Eph 5,21) 61 . Da diese Überschrift nicht zum vorausgehenden, sondern nur zum folgenden Text gut passt, sollte sie zum Text der Haustafeln hinzugezählt werden. Die in Kol 3,18f eher knappe Ausführung zu Frauen und Männern wird durch eine theologisch und wirkungsgeschichtlich problematische Begründung ergänzt: „Der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Kirche ist“ (Eph 5,23). Die Unterordnung von Frauen „in allem“ unter Männer (5,24) wird dadurch christologisch überhöht und in anschaulicher Weise theologisch sanktioniert. In der reziproken Anweisung für Männer wird die Liebe zur (Ehe-) Frau zusätzlich durch Eigennutz und Selbstliebe motiviert (5,28f.33) sowie mit der Hingabe Christi und der Reinigung der Kirche durch Wort und Sakrament parallelisiert (5,25-27). Nach Eph 5,33 soll das Verhältnis zwischen Mann und Frau durch Liebe bestimmt sein, dasjenige zwischen Frau und Mann hingegen durch Furcht. Eine weitere Begründungsdimension wird durch Verankerungen in alttestamentlichen Texten eingeführt 62 . Damit wird der zunächst oberflächliche Gottesbezug biblisch unterlegt. 5.3.3 Ergebnis Kol 3,18-4,1 und Eph 5,21-6,9 sind strukturell gleich aufgebaut: Frauen, Kinder und Sklaven sind die wichtigsten häuslichen Interaktionspartner von freien Männern. Zwischen Frauen, Kindern, Sklaven auf der einen und Männern auf der anderen Seite bestehen wechselseitige ethische Verbindlichkeiten mit asymmetrischem Charakter. Männern ist um Christi willen Gehorsam zu erweisen. Die Macht der irdischen Herren wird aber begrenzt durch den himmlischen Herrn. Eph 5,21-6,9 verstärkt die christologischen Begründungen erheblich. Enthält bereits Kol 3,18-4,1 eine (wahrscheinlich in eine Vorlage integrierte) ausführliche theologisch argumentierende Motivation für Sklaven, so ergänzt Eph 5,21-6,9 diese für Frauen, Männer und Kinder unter Rückgriff auf biblische Texte und frühchristliche Vorstellungen. Beide Haustafeln stellen die ältesten erreichbaren explizit häuslichen Sozialordnungen des frühen Christentums dar. Sie stehen sowohl in der Tradition jüdisch-hellenistischen 63 als auch nichtjüdischen Denkens. Wegen seiner theologisch steilen Begründungen scheint Eph 5,21-6,9 insgesamt problematischer als Kol 3,18-4,1. 61 Vgl. R.W. G EHRING , Hausgemeinde, 416: „Leitsatz“; U. L UZ , Brief an die Epheser, 170: „Titel“. 62 Gen 2,24 in Eph 5,31; Ex 20,12 und Dtn 5,16 in Eph 6,2f. 63 Dazu K. M ÜLLER , Haustafel, 274f. <?page no="132"?> 5.4 1 Petr 2,13-3,7 und die Frage nach weiteren Haustafeln 133 5.4 1 Petr 2,13-3,7 und die Frage nach weiteren Haustafeln im frühen Christentum Texte aus dem ersten Petrusbrief, den Pastoralbriefen oder den so genannten Apostolischen Vätern werden immer wieder als Beispiele für Haustafeln genannt. Keiner dieser Texte kann im eigentlichen Sinn ohne Schwierigkeiten als solche betrachtet werden. Im Mittelpunkt des Interesses stehen zunächst Texte aus dem (1) ersten Petrusbrief, ehe weitere (2) neutestamentliche und frühchristliche Texte in den Blick genommen werden. 5.4.1 Erster Petrusbrief Ob in 1 Petr 2,13-3,7 eine Haustafel vorliegt, ist in der neueren Forschung umstritten. Anstatt sechs Anweisungen an bestimmte, jeweils reziprok aufeinander bezogene Personengruppen enthält der Abschnitt nur drei, nämlich an Sklaven 64 (2,18-25), Frauen (3,1-6) und Männer (3,7). Nur die letzten beiden sind paarweise zusammengeordnet und reziprok, und nur diejenige an Männer ist einigermaßen bündig formuliert. Mit Anrede, Imperativ und Begründung zur Motivierung des Tuns ist der Aufbau der Passagen wiederum stereotyp: Die Anreden erfolgen ebenfalls im Nominativ Plural mit Artikel, während die Imperative nicht als solche, sondern in Form pluralischer Partizipien formuliert sind 65 . Die Begründung im Sklavenabschnitt verallgemeinert und transzendiert die Situation der Angeredeten von Anfang an. Hier wird theologisch Grundsätzliches zu Gnade (1,19f), Nachfolge Christi (2,21) Christologie und Soteriologie (2,22-25) entfaltet 66 . Beim zuletzt genannten Abschnitt, einem Christushymnus, dürfte es sich um ein Überlieferungsstück handeln. Die Begründung im Abschnitt zu Frauen ist missionstheologisch zugespitzt (1 Petr 3,1f), inhaltlich jedoch traditionell (3,3f) und midraschartig erweitert (3,5f) 67 . Der an Männer gerichtete Auftrag, Frauen Achtung und Ehre entgegenzubringen, ist durch die Gleichheit von Mann und Frau vor Gott motiviert: Frauen sind genauso wie Männer „Miterben der lebensschaffenden Gnade Gottes“ (3,7). Da die Formmerkmale innerhalb der paränetischen Reihe zum Thema Unterordnung, 1 64 Oder „Hausdiener“, so G. L ÜDEMANN / F. S CHLERITT , Arbeitsübersetzung, 500. Oi1ke3thV bezeichnet im Zusammenhang mit despo3tai (1 Petr 2,18) nicht jegliche Hausangehörigen (Hausgenossen), sondern zunächst im Haus beschäftigte Sklaven, pars pro toto aber auch Sklaven allgemein, vgl. W. B AUER / K. und B. A LAND , Wörterbuch, 1129. 65 Zu ergänzen ist „seid! “ (e6ste), s. A. B LASS et al., Grammatik, 396f mit Anm. 2 (§ 468,2b). 66 N. B ROX , Der erste Petrusbrief, 130 sieht in V. 19-25 einen „Exkurs über den Lebens- und Leidenszusammenhang mit Christus“. 67 1 Petr 3,1-6 verfolgt eine „Beschwichtigungsstrategie“, dazu G. G UTTENBERGER , Passio, (34-) 38-43; s. analog ebd., 34-38 zu 1 Petr 2,13-16. <?page no="133"?> 5 Neutestamentliche Haustafeln als älteste christliche Sozialordnungen 134 Petr 2,13-3,7, weitaus weniger ausgeprägt sind als in Kol 3,18-4,1 und Eph 5,21-6,9, wird der Abschnitt heute nicht mehr allgemein als Haustafel betrachtet 68 . Auch vermittelnde Betrachtungen sind möglich, sei es, dass man in 1 Petr 2,13-3,7 „keine HT [Haustafel] stricte dictum mehr findet“, sondern „eine Weiterentwicklung urchristlicher HT-Ethik mit einer veränderten Funktion“ 69 , sei es, dass man „den merkwürdigen Torso einer Haustafel in 2,18-3,7“ sieht 70 . Der Abschnitt 1 Petr 2,13-17 befasst sich mit der Frage des Verhältnisses von Christen allgemein zu ihrer Umgebungsgesellschaft (ad extra). Hier geht es nicht um das Binnenverhältnis innerhalb eines Hauses oder der Gemeinde (ad intra). Gelegentlich wird auch 1 Petr 5,1-5 als Haustafel eingeordnet 71 ; allerdings fehlen diesem Text wesentliche Formmerkmale 72 . 5.4.2 Neutestamentliche und frühchristliche Texte Abgesehen von 1 Petr 2,13(18)-3,7 werden seit Martin Dibelius oft auch 1 Tim 2,8-15; 6,1f; Tit 2,1-10 als Haustafeln angeführt 73 . Darüber hinaus werden manchmal 1 Tim 2,1f; 5,1-8; Tit 3,1f und 1 Joh 2,12-14 genannt. Diesen Abschnitten fehlen allerdings vielfach wesentliche Formmerkmale wie Reziprozität, Nennung der untergeordneten Gruppe an erster Stelle, Unterordnung als inhaltlicher Hauptbestandteil oder eine Orientierung an innerhäuslichen personalen Beziehungen von Hausherren. Sie beschreiben keinen allgemein gesellschaftlichen (weltlichen) Stand und sind nicht auf ein Haus konzentriert. Stattdessen sprechen sie „Gruppen der Gemeinde“ an 74 und sind innerhalb der Pastoralbriefe 75 Teil einer umfassenden Gemeindeordnung. Die Adressierung an Funktions- oder Rollenträger in Gemeinden macht deutlich, dass hier der Bereich von Häusern oder Hausgemeinden überschritten wird. Deshalb sind diese späteren Texte kaum als Haustafeln anzusprechen. Sie stellen eher eine Fortentwicklung von jenen dar. Gelegentlich ist in diesem Zusammenhang von „Ständetafeln“ oder von „Ge- 68 Für eine Einordnung als Haustafel plädieren J.G. B IRD , Abuse, 26-36; J.P. H ERING , Haustafeln, 1; J. W OYKE , Haustafeln, 19; K. T HRAEDE , Hintergrund, 359; J. E RNST , Briefe, 231; dagegen votieren P. B ALLA , Relationship, 168; G. S TRECKER , Haustafeln, 350; K. M ÜLLER , Haustafel, 317. 69 M. G IELEN , Tradition, 375f; ähnlich U. L UZ , Brief an die Kolosser, 234: „Elemente einer Haustafel in allerdings schon erweiterter Form“. 70 N. B ROX , Der erste Petrusbrief, 141; ähnlich bereits ebd., 126. 71 J. W OYKE , Haustafeln, 19; dagegen E. S CHWEIZER , Brief an die Kolosser, 162. 72 Vgl. J.P. H ERING , Haustafeln, 10. 73 M. D IBELIUS / H. G REEVEN , An die Kolosser, 48; M. D IBELIUS , An die Kolosser, 36. 74 L. G OPPELT , Jesus, 94. 75 Zu diesem Begriff s. B. M UTSCHLER , Glaube, 79-87.96f. <?page no="134"?> 5.5 Theologische Akzente und Ansätze zu einer Gesamtinterpretation 135 meindetafeln“ die Rede 76 . Weitere Fortführungen in der frühchristlichen Literatur unter vielfacher Bezugnahme auf neutestamentliche Texte finden sich in 1 Clem 1,3; 21,6-9; Did 4,9-11; IgnPol 4,1-6,2; Polyc 4,2-6,3; Barn 19,5-7. Keiner dieser Texte stellt jedoch eine Haustafel im Sinn von Kol 3,18-4,1 oder Eph 5,21-6,9 dar. 5.4.3 Ergebnis 1 Petr 2,13-3,7 kann nur mit erheblichen Schwierigkeiten als weitere neutestamentliche Haustafel betrachtet werden. Möglicherweise ist der Abschnitt 1 Petr 2,18-3,7 das Resultat einer zugleich wesentlich gekürzten und stark überarbeiteten Haustafel. Als eigentliche Haustafel bleibt der Text in jedem Falls umstritten. Auch weitere neutestamentliche Texte - größtenteils aus den Pastoralbriefen - oder weitere Texte aus den Apostolischen Vätern sind aus inhaltlichen, historischen und nicht zuletzt formkritischen Gründen nicht als Haustafel zu bezeichnen. Damit erweist sich die Beschränkung der Bezeichnung Haustafel in der Lutherbibel auf die beiden Texte Kol 3,18-4,1 und Eph 5,21-6,9 aus verschiedenen, insbesondere formkritischen Gründen als insgesamt zutreffend. 5.5 Die neutestamentlichen Haustafeln vor dem Hintergrund der antiken Literatur. Theologische Akzente, Ansätze zu einer Gesamtinterpretation und Versuch einer gegenwärtigen Würdigung 5.5 Theologische Akzente und Ansätze zu einer Gesamtinterpretation Vor dem Hintergrund der knapp dargestellten Aspekte kann nun eine Gesamtperspektive entworfen werden. Sie geht aus von (1) literarischen Beobachtungen zu Haustafeln, schließt Beobachtungen zu (2) theologischen Akzentsetzungen und (3) Ansätze für eine Gesamtinterpretation an und mündet schließlich in den (4) Versuch einer gegenwärtigen Würdigung, der zugleich als Testfall der Bibelhermeneutik betrachtet werden kann. 5.5.1 Haustafeln als Literatur Frauen, Kinder, Sklaven - und Männer, so könnte man schlaglichtartig die Beziehungsdynamik der neutestamentlichen Haustafeln beschreiben. Äußerlich unterliegen die Texte einer Dreigliederung in die Personengruppen Frauen, Kinder und Sklaven 77 . In den Blick kommen diese Gruppen aber 76 Vgl. M. G IELEN , Tradition, 6: „weiteres Entwicklungsstadium (‚Gemeindetafeln’)“; ferner L. G OPPELT , Der Erste Petrusbrief, 164. 77 Zu den alttestamentlichen Vorgaben s. nach wie vor die Überblicke von P. V OLZ , Altertümer, 339-346.346-353.353-356. <?page no="135"?> 5 Neutestamentliche Haustafeln als älteste christliche Sozialordnungen 136 nicht an und für sich selbst, sondern jeweils in ihrer Beziehung zum zugehörigen Mann, Vater oder Besitzer bzw. Sklavenherrn. Frauen, Kinder und Sklaven werden jeweils im Hinblick auf den zugehörigen Mann thematisiert, der in Personalunion in allen drei Fällen derselbe ist. Insofern stellt der freie Mann innerhalb seines Hauses bzw. seiner Familie die meistgenannte und zentrale Person der Haustafeln dar. Auf ihn laufen alle Fäden zu. Das Verhältnis von Frauen, Kindern und Sklaven zu ihrem Hausherrn ist grundlegend von Unterordnung und Gehorsam geprägt; im Gegenzug schuldet der Hausherr den Frauen, Kindern und Sklaven eine zugewandte, tendenziell als milde zu bezeichnende, zumindest aber faire Behandlung. Die bisher genannten Charakteristika kommen bereits - und zwar mehrfach - in der vorausliegenden Literatur der Antike vor: bei griechischen, jüdisch-hellenistischen und römischen Autoren. Insofern fügen sich die neutestamentlichen Haustafeln gut in ihre literarische Umgebung ein. Wodurch unterscheiden sie sich aber von dieser? Was ist das Spezificum neutestamentlicher Haustafeln? Welche Formmerkmale und welche inhaltlichen Gesichtspunkte unterscheiden sie von der übrigen antiken Literatur? Am auffälligsten ist die schematische, insgesamt sechsmal wiederholte Dreigliederung jeder Blickrichtung bzw. jeder gruppenspezifischen Ermahnung. Sie erfolgt als Anrede im Nominativ Plural, als Imperativ der zweiten Person Plural und als Begründung oder Motivation dazu. Frauen, Kinder und Sklaven auf der einen und Männer auf der anderen Seite werden streng reziprok betrachtet und aufeinander bezogen. Dabei wird mit Frauen, Kindern und Sklaven das schwächere Glied stets zuerst genannt. Kürze und Prägnanz ist ein weiteres Kennzeichen neutestamentlicher Haustafeln; auch deshalb können sie leicht vom Kontext unterschieden werden. Die Formulierungen von an Männer gerichteten Anweisungen und diejenigen an Frauen, Kinder und Sklaven sind in ihrem Umfang vergleichbar. Die Machtentfaltung von Männern als irdischen Herren wird verstärkt und kontrastiert (ausbalanciert und begrenzt) durch den Verweis auf den himmlischen Herrn. Theologische Argumente spielen eine wichtige Rolle. Der häusliche Bereich steht also weder für sich selbst absolut noch in rein innerweltlichem Bezug. Die Vielfalt an unterscheidenden Merkmalen neutestamentlicher Haustafeln zeigt, dass diese nicht beliebig kopierbar sind. Es handelt sich bei einer auch nur einigermaßen präzisen Beschreibung um Texte sui generis, genau genommen um nur einen einzigen Text sui generis, Kol 3,18-4,1, und eine zweite, ausgearbeitete und weiter theologisierte Version desselben, Eph 5,21-6,9. Literarisch markiert die älteste christliche Sozialordnung für Haus und Familie also ein Ausrufezeichen, das gleichzeitig in den Verhältnissen von Anknüpfung und spezifisch christlicher Weiterentwicklung zu den vorausliegenden Texten steht. Eigener Betrachtung wert sind theologische Akzentsetzungen innerhalb dieser Texte. <?page no="136"?> 5.5 Theologische Akzente und Ansätze zu einer Gesamtinterpretation 137 5.5.2 Theologische Akzentsetzungen Die den neutestamentlichen Haustafeln vorausliegenden Texte sind, soweit nichtjüdischen Ursprungs, meist entweder politisch-ökonomisch oder ethisch-philosophisch orientiert. Theologische Dimensionen spielen dabei keine oder nur eine marginale Rolle. Im Gegensatz dazu sind die jüdischen Texte zentral an der Tora orientiert und damit dezidiert theologisch. An diese Tradition schließen die Haustafeln insgesamt an, wenngleich die Theologisierung in Kol 3,18-4,1 noch als oberflächlich erscheint und weniger ausgearbeitet ist als in Eph 5,21-6,9. In Kol 3,18-4,1 werden Frauen, Kinder, Sklaven und Männer (letztere in ihrer Eigenschaft als Sklavenbesitzer) mit Verweis auf den himmlischen Herrn motiviert, nicht jedoch Männer in ihrer Eigenschaft als Ehemänner und Väter. Die Sklavenbesitzer werden nur sehr zurückhaltend an den „Herrn im Himmel“ erinnert (Kol 4,1), während die Aufforderung zu Gehorsam und Unterordnung an Frauen, Kinder und Sklaven christologisch sanktioniert wird und dadurch unangreifbar gemacht wird (3,18.20.22-24). Das Begründungsdesiderat gegenüber Ehemännern und Vätern ist in der viel stärker theologisierten Fassung des Epheserbriefs beseitigt 78 . Anstatt durch Herrschaft wird hier das Verhalten eines Mannes gegenüber seiner Frau einerseits durch das Vorbild der Liebe und Hingabe Christi gegenüber der Kirche und andererseits durch Eigeninteresse und Selbstliebe des Mannes motiviert 79 . Durch die Parallelisierung mit dem Verhältnis Christi zur Kirche erhält die auf Dauer angelegte Beziehung (Ehe) zwischen Mann und Frau einen im frühen Christentum unvergleichlich hohen Stellenwert; umgekehrt betrachtet wird das Verhältnis zwischen Christus und der Kirche mit einer ehelichen Beziehung verglichen, was eine engste Verbindung zum Ausdruck bringt (Eph 5,31f). Anders als in Kol 3,18-4,1 sind in Eph 5,21-6,9 die wechselseitigen Beziehungen durch einen Transzendenzbezug (= Theologisierung) vollständig trianguliert, so dass nicht zwei, sondern jeweils drei verschiedene Interaktionspartner eine Beziehung miteinander bilden: a) Frauen, Kinder, Sklaven, b) Männer in ihrer Eigenschaft als Ehemänner, Väter, Sklavenbesitzer und c) Christus als himmlischer Herr. Durch diese Triangulierung ist die Ethik der ältesten christlichen Sozialordnungen vollständig theologisiert. Im Mittelpunkt stehen nicht Ideale eines ethisch wertvollen, philosophisch geprägten Lebensstils, sozialpolitische Funktionalität oder ökonomisch orientierte Ertragsmaximierung wie in den paganen Texten des Umfelds, sondern gestaltete Beziehungen zwischen den verschiedenen Gruppen eines Hauses. Die neu- 78 Vgl. Eph 5,25-33 mit Kol 4,19; Eph 6,4 mit Kol 3,21. 79 Vgl. Eph 5,25-33 (mit Rekurs auf Gen 2,24). G. T HEISSEN , Testament, 88 spricht „von einem durch Liebe gemilderten Patriarchalismus“. <?page no="137"?> 5 Neutestamentliche Haustafeln als älteste christliche Sozialordnungen 138 testamentlichen Haustafeln repräsentieren daher eine relationale Ethik oder Beziehungsethik. Die konkrete Ausgestaltung der zwischenmenschlichen Beziehungen unterliegt jeweils auch theologischen Einflüssen: Sie ist der eigenen Beziehung zu Christus als himmlischem Herrn unterworfen (vgl. Kol 3,17a). Nach Eph 5,21-6,9 sollen die verschiedenen Gruppen von Menschen im Haus so miteinander umgehen, wie es der jeweils anderen gegenüber angemessen ist und dem eigenen Verhältnis zu Christus entspricht 80 . Man könnte dies als doppelte Adäquanz ethischen Verhaltens bezeichnen. Diese in den Haustafeln sichtbare doppelte Adäquanz ethischen Verhaltens entspricht in einer wesentlich verallgemeinerten Form (nämlich ihres institutionellen Zusammenhangs und ihres Gruppenzusammenhangs entkleidet) dem Doppelgebot der Liebe 81 . Mit der doppelten Orientierung an einer Gruppe im Haus und am himmlischen Herrn eröffnet sich für die Verfasser der Haustafeln kein Spannungsverhältnis. Vielmehr werden hier allgemeine Verhaltensweisen wie Unterordnung, Gehorsam, liebevolle Zugewandtheit, Milde oder Fairness harmonisch mit dem Bezug auf den himmlischen Herrn verbunden. Charakteristisch für diese Art der Beziehungsethik auf der Basis eines frühchristlichen Transzendenzbezugs (Christologie) ist die Voranstellung der jeweils schwächeren Gruppe - Frauen, Kinder, Sklaven - mit einer Weisung an sie. Beides ist in den jüdisch-hellenistischen Texten und in den übrigen griechisch-römischen Texten nicht üblich, da diese primär Handlungsratgeber für Männer (Hausherren) sind und sich entsprechend nur an diese richten. Eine weitere Theologisierung wird durch die Rückbindung an zentrale alttestamentliche Traditionen erreicht (Eph 5,31; 6,1f). Die frühchristlichen Haustafeln erscheinen dadurch als anwendungsbezogene und legitime Fortsetzung alttestamentlicher Tradition. Sie stehen in der großen monotheistischen Tradition des Glaubens Israels. 5.5.3 Ansätze zu einer Gesamtinterpretation Auf dem Hintergrund von literarischen und theologischen Gesichtspunkten werden Ansätze für eine Gesamtinterpretation der neutestamentlichen Haustafeln sichtbar. Sie ist zugleich eine Zwischenstation auf dem Weg zu und mit dem Ziel einer gegenwärtigen Würdigung der Texte. Eine positive gegenwärtige Würdigung der neutestamentlichen Haustafeln droht an verschiedenen Klippen zu scheitern. Sätze wie „Der Mann ist 80 Nach W. S CHRAGE , Ethik, 206 soll die „Herrschaft Jesu Christi (..) eben auch im Haus Wirklichkeit werden“. Nach Z. G ERÉB , Familie, 70 besteht die „geistliche Eigenart (…) darin, dass alle Adressaten der Haustafeln in Christus sind“. 81 Vgl. Mk 12,28-32 par Mt 22,37-39(40); Lk 10,27. <?page no="138"?> 5.5 Theologische Akzente und Ansätze zu einer Gesamtinterpretation 139 das Haupt der Frau“ (Eph 5,22), „Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter! “ (Kol 3,18) oder „Ihr Kinder (bzw. Sklaven), gehorcht euren Eltern (bzw. euren irdischen Herren) in allen Dingen“ (Kol 3,20.22) geben, zumal wenn sie aus dem Zusammenhang gerissen ‚zitiert‘ werden, mehr als genügend Anlass zur Kritik. Eine verkürzende oder ahistorische Interpretation wird in den neutestamentlichen Haustafeln besonders den Versuch einer göttlichen Legitimierung und Sanktionierung männlicher Herrschaft und Unterdrückung sehen. Das aber wäre eindeutig zu kurz gedacht. Denn diese Interpretation würde weder dem Text an sich 82 noch seinem kulturellen, religiösen und sozialen Umfeld gerecht; stattdessen setzt sie sich dem Verdacht eines gewissen Populismus und der gesuchten Bestätigung von Vorurteilen aus. Texte aus anderen Zeiten dürfen nicht aus heutiger Sicht vorschnell verurteilt werden. Gleichsam auf der anderen Seite des Pferdes droht hinabzufallen, wer den anhand bloßer Buchstaben erhobenen vermeintlichen Sinn der Texte ohne hermeneutische Zwischenschritte auf die Gegenwart übertragen möchte 83 . Zu Recht wurde betont, dass die neutestamentlichen Haustafeln nicht „absolute, zeitlos gültige Gesetze (…), welche situationsbedingte gesellschaftliche Ordnungen für immer sanktionieren wollen“, enthalten 84 . Zumindest die auf Sklaven bezogenen Abschnitten Kol 3,22-4,1 und Eph 6,5-9 laufen andernfalls ins Leere. Denn Sklaverei ist abgeschafft, geächtet und verboten 85 . Texte aus anderen Zeiten dürfen nicht vorschnell auf die Gegenwart übertragen und für verbindlich erklärt werden. Ein Ansatzpunkt für eine zeitgemäße Würdigung der neutestamentlichen Haustafeln, die diese weder aufgrund ihrer Fremdheit verurteilt noch trotz ihrer Fremdheit bekräftigt, liegt in der im frühen Christentum entdeckten Gleichheit aller Menschen in Christus, die zumal im paulinischen Missionsgebiet verkündigt wird 86 . Zwischen der bisherigen, alten Welt und der neu entdeckten schrankenlosen Freiheit in Christus öffnet sich ein riesiges Spannungsfeld, das die Gefahr in sich birgt, christliche Gemeinden von Grund auf zu diskreditieren. Die Verfasser der Haustafeln navigieren daher zwischen der Skylla einer für antike Verhältnisse unvorstellbaren weltlichen Gleichheit und Freiheit aller Menschen, die nach antiken Vorstellungen zwangsläufig in Chaos und Untergang münden würde (Beispiele gab es immer wieder), und der Charybdis des Verharrens beim Überkommenen, in der alles beim Alten bleibt und das Neue (2 Kor 5,17; 82 In Kol 3,20.22; 4,1 sowie in Eph 5,25-33; 6,1.9 ist nicht von Herrschaft die Rede. 83 Zur historischen Dimension der Bibelhermeneutik s. bereits ausführlich o. S. 48-57. 84 S. bereits J. E RNST , Briefe, 233. 85 S. das Z USATZÜBEREINKOMMEN über die Abschaffung der Sklaverei, des Sklavenhandels und sklavereiähnlicher Einrichtungen und Praktiken, das in Genf am 07.09.1956 abgeschlossen wurde. Deutschland ist diesem Abkommen am 14.01.1959 beigetreten. 86 S. Gal 3,28; 1 Kor 12,13; Kol 3,11.25b; ferner Eph 2,11-13; 6,9d; Kol 4,25b. <?page no="139"?> 5 Neutestamentliche Haustafeln als älteste christliche Sozialordnungen 140 Gal 6,15) nicht wahrnehmbar ist. So wird einerseits der enthusiastische Entfaltungsraum eingedämmt durch bewussten Anschluss an überkommene Sozialstrukturen und Werte (was auch gut gelungen scheint 87 ); andererseits werden überkommene Ordnungen begrenzt und vermenschlicht 88 . Für beide Absichten ist die Vereinbarkeit mit dem christologischen Bekenntnis von vitaler Bedeutung. Mehr noch: Was nicht auf der Basis des Christusbekenntnisses begründet werden kann und also nicht auf dem Fundament kirchlicher Christologie steht, kann nicht auf Dauer aufrecht erhalten werden. Christologische Konformität (Glaubenskonformität) wird zu einem wichtigen, ja entscheidenden Kriterium für die Überzeugungskraft einer Sozialordnung. Daher werden beide Absichten christologisch unterstützt: die Forderung nach Gehorsam und Unterordnung an Frauen, Kinder und Sklaven 89 ebenso wie der Aufruf zu liebevoller Zugewandtheit, Milde und Fairness an Männer 90 . Letzterer zeigt, dass beide Haustafeln gerade keine Unterdrückungsethik formulieren, wie sie immer wieder im Laufe der Kirchengeschichte aus ihnen herausgelesen wurde und bis heute mitunter herausgelesen wird. Stattdessen wird ein christologisch stabilisierter Balanceakt zwischen den Extremen versucht. Indem hinter und über den irdischen Herren ein himmlischer Herr aufgezeigt wird, werden Stellung und Funktion der irdischen Herren sowohl als göttlich gewollt bekräftigt als auch als göttlich begrenzt relativiert 91 . Letzteres ist keineswegs selbstverständlich in antiken Texten. Begrenzung und Vermenschlichung des überkommenen Herrschaftsdenkens in den Haustafeln werden in einem Vergleich deutlich. Für Aristoteles beispielsweise erscheint „der Haushalt in erster Linie als eine wirtschaftliche Institution mit der Aufgabenstellung Erwerb und Besitz“ 92 . Folgerichtig behandelt der Philosoph nur das Sklavenverhältnis gründlich und verweist für die beiden übrigen Bereiche (Frauen und Kinder) auf anderweitige Untersuchungen 93 . Im Gegensatz dazu ist in den Haustafeln nicht von Erwerb und Besitz die Rede, stattdessen aber von einem reziproken Verhältnis zwischen Frauen, Kindern und Sklaven auf der einen und Männern auf der anderen Seite. Während die Haustafeln jede Beziehung 87 Dennoch werden keineswegs einfach „die Gegebenheiten der Welt als Schöpfungsordnungen sanktioniert“, s. W. S CHRAGE , Ethik, 203. 88 Nach M. E BNER , Stadt, 179 nehmen die Haustafeln eine Mittelposition zwischen Paulus und den Pastoralbriefen ein: „sie lavieren zwischen dem radikalen Gleichheitsaxiom des Paulus (Gal 3,28) und der restaurativen Lösung der Pastoralbriefe“. 89 Kol 3,18.20.22-24; Eph 5,21-24; 6,1.5-8. 90 Kol 4,1; Eph 5,25-27; 6,4.9. 91 Grundlegende Aspekte des neutestamentlichen Verständnisses von Dienst entfaltet R. F ELDMEIER , Macht, 45-79. 92 E. S CHÜTRUMPF , Politik, 228 (Kommentar zu Arist., Pol., 1253b2). 93 S. ebd. <?page no="140"?> 5.5 Theologische Akzente und Ansätze zu einer Gesamtinterpretation 141 mit der untergeordneten Seite zu beleuchten beginnen, spielt deren Perspektive beim Stagiriten überhaupt keine Rolle. Denn bei ihm steht das Leitungshandeln im Interesse einer zielgerichteten Ökonomie im Mittelpunkt. Daher dominiert bei Aristoteles die Perspektive des Mannes als Sklavenbesitzer alles Übrige. Statt einer ökonomischen oder idealistisch-philosophischen Ethik liegt in den Haustafeln eine Beziehungsethik vor. Sie strebt tendenziell danach, das wechselseitige Verhalten innerhalb einer zwischenmenschlichen Beziehung von Christus her und auf Christus hin zu durchdringen und zu begründen. Eph 5,21-6,9 ist in dieser Hinsicht weiter entwickelt als Kol 3,18- 4,1. Dass der jüngere Abschnitt ausdrücklich damit schließt, „dass es bei ihm [sc. Christus] kein Ansehen der Person gibt“, lässt den Basisimpuls christologischer Egalität in den paulinischen Missionsgebieten noch einmal durchscheinen 94 . Beide Anweisungen, sowohl der Aufruf zur Unterordnung als auch derjenige zu Verpflichtung, Angemessenheit und Mäßigung, sind im Sinn der Haustafeln „aus dem Geist Jesu Christi erwachsen“ 95 . Inhaltlich (materialethisch) entsprechen beide Aufrufe im Rahmen antiker Ethik insgesamt „einer humanisierenden Mittelposition“ 96 . 5.5.4 Versuch einer gegenwärtigen Würdigung Ist die innere Logik der Haustafeln aus der Situation des frühen Christentums (zumal paulinischer Gemeinden) innerhalb der griechisch-römischen Antike erkannt und interpretiert, dann bedeutet dies im Blick auf die Gegenwart: Ehe, Familie und Arbeit sind ein Gestaltungsraum für christliche Ethik 97 . Das alltägliche Leben in Christus kann vom Glauben an Christus nicht getrennt werden. Einer christlich begründeten Weltflucht wird durch die Haustafeln kein Vorschub geleistet, im Gegenteil. Praxis und Bewährung des Glaubens im Leben beginnen im Kleinen und vor Ort. Zu diesem Zweck werden alle Personengruppen eines Hauses, das „ganze Haus“ 98 , innerhalb ihres Zusammenhangs betrachtet. Ihre Verschiedenheit wird ernst genommen. Die Wahrnehmung einer Binnendifferenzierung beginnt allerdings nicht soziologisch betrachtet oben, sondern gewissermaßen unten bei den Schwächeren oder schwächer Gestellten. Auch der 94 Kai4 proswpolhmyi3a ou1k e6stin e1n au1twü 5, Eph 6,9d; vgl. Kol 3,15d und o. Anm. 86 S. 139. 95 J. Z MIJEWSKI , Weisungen, 78; „es handelt sich primär um pragmatische Anordnungen“, ebd. 96 K. M ÜLLER , Haustafel, 318 mit Belegen (Hervorheb. im Original). 97 Damit kommen zwei der vier biblischen Mandate nach D. Bonhoeffer in den Blick, vgl. bereits o. Anm. 9 S. 63. 98 Dazu u. S. 154f; ferner B. M UTSCHLER , Art. Hausgemeinde. <?page no="141"?> 5 Neutestamentliche Haustafeln als älteste christliche Sozialordnungen 142 schwächere und scheinbar unmündige Andere, für den wie selbstverständlich Verantwortung übernommen wird, ist „vollwertiges Subjekt ethischen Handelns“ 99 . Daher wird die Situation von Frauen, Kindern und Sklaven gesondert und jeweils zuerst in den Haustafeln betrachtet. Die Verhältnisbestimmungen in Haus und Familie erfolgen aus allen Perspektiven und sind grundsätzlich reziprok. Dass Frauen (Kol 3,18; Eph 5,22-24) zur Unterordnung gegenüber ihren Männern aufgefordert werden - und zwar einseitig, pauschal und bedingungslos, wie es scheint -, entspricht in keiner Weise den kulturellen und sozialen Vorstellungen der Gegenwart, sondern im konkreten Fall denjenigen der Antike. Wenn damals freilich „das Heiratsalter der Mädchen bei 13 bis 15 Jahren lag und dem Mann schon deswegen ein erhebliches Quantum an Führung und Bildung der Ehefrau zufallen mußte“ 100 , so hat sich dies inzwischen grundlegend verändert und verbessert. Aus Gründen wie diesem entspricht heutzutage ein partnerschaftliches Miteinander der Grundsituation innerhalb einer Ehe und nicht einseitige Unterordnung 101 . Im Fall der Kinder (Kol 3,20; Eph 6,1-3) wird man heute weniger an Gehorsam gegenüber ihren Eltern denken (wiewohl gehorsame Kinder nicht als unangenehm empfunden werden), sondern eher an Werte wie Achtung, Respekt, Neugier und Interesse, selbständiges Mitdenken, Freundlichkeit, Hör-, Gesprächs- und Dialogfähigkeit von Kindern. Die an Sklaven gerichteten Abschnitte (Kol 3,22-25; Eph 6,5-8) haben als solche ihre Bedeutung für die Gegenwart verloren 102 . Wirtschaft und Arbeitswelt kennen jedoch, wenngleich in den meisten Fällen außerhäuslich, eine Vielzahl anderweitig definierter Dienst-, Loyalitäts- und Abhängigkeitsverhältnisse, so dass die ethischen und theologischen Gedanken der Sklavenparänese auf die heutigen Dienst-, Loyalitäts- und Abhängigkeitsverhältnisse hin bedacht und ausgelegt werden können. Freilich sollte dies mit Maß und Ziel geschehen: Gehorsam, Loyalität, Dienstbeflissenheit oder Auftragsbefolgung „in allen Dingen“ 103 , d.h. in jedem Bereich und vollständig, wären gänzlich unangemessen. Mehr noch: Ein unbedingter Gehorsam wäre gewissen- und verantwortungslos und würde möglicherweise Rechtsnormen und bestehende Gesetze übertreten. Auch abhängig Beschäftigte sollten daher mitdenken und abwägen sowie die eigene Verantwortung und das Humanum im Blick behalten 104 . 99 E. S CHWEIZER , Brief an die Kolosser, 162 (Hervorheb. im Original). 100 S. K. M ÜLLER , Haustafel, 318. 101 Zu den Anweisungen in Bezug auf Frauen, Kinder und Sklaven s. auch W. S CHRAGE , Ethik, 207-210. 102 S. bereits o. Anm. 85 S. 139. 103 Kata4 páa3nta, Kol 3,22, vgl. bereits 3,20. 104 Anschaulich und knapp bestimmt H. K ÜNG , Humanum, dasselbe durch vier positive Leitsätze: „Hab Ehrfurcht vor dem Leben! “, „Handle ehrlich und fair! “, „Rede und <?page no="142"?> 5.5 Theologische Akzente und Ansätze zu einer Gesamtinterpretation 143 Im Blick auf Männer schließlich (Kol 3,19.21; 4,1; Eph 5,25-33; 6,4.9) ist nicht vom Ausüben von Herrschaft und dem Empfang von Gehorsam die Rede, sondern von liebevoller Zugewandtheit, Hingabe und Akzeptanz gegenüber Ehefrauen (Kol 3,19; Eph 5,25-33), von Einfühlsamkeit, Milde und pädagogischer Beauftragung gegenüber Kindern (Kol 3,21; Eph 6,4) und von Fairness, Einhaltung des Rechts und Verantwortungsbewusstsein gegenüber Sklaven als Untergebenen (Kol 4,1; Eph 6,9). Aufs Ganze gesehen werden (temporäre) Überlegenheit und Macht begrenzt, vermenschlicht und an ethische Standards gebunden. Männern als offenkundig oder vermeintlich stärkerer Gruppierung wird gegenüber allen drei Bezugsgruppen eingeschärft, „wie sehr der Blick für den anderen, besonders für den Schwächeren, entscheidend wird“ 105 . Dies alles zeigt: Die neutestamentlichen Haustafeln enthalten keine verantwortungslose, repressive, überholte, verbürgerlichte, frauenfeindlichmachistische Ethik - oder wie auch immer die Vorurteile und Kampfbegriffe sonst lauten. Genauso wenig sind ihre Anweisungen heute 1: 1 zu befolgen oder vorschnell auf die Gegenwart übertragbar. Eine unreflektierte und historisch nicht differenzierende Lesart wird diesen Texten und ihren Anliegen nicht gerecht. Stattdessen rufen die neutestamentlichen Haustafeln im Interesse eines funktionierenden Ganzen zu Kooperation, Rücksicht, Verhältnismäßigkeit, Recht und Liebe auf, dies alles mit Sinn für Verantwortung (Kol 3,25; 4,1; Eph 6,8f), Gegenseitigkeit, theologische Reflexion und für ein pragmatisches, menschliches Zusammenleben. Die ältesten christlichen Sozialordnungen sind als solche bleibend wichtige Gesprächspartner für ethische Fragen des Zusammenlebens. Es handelt sich daher um respektable und bis heute anregende Grundtexte christlicher Ethik, mit denen sich eine Beschäftigung lohnt. 5.5.5 Ergebnis Frauen, Kinder, Sklaven - und Männer: Diese Grundgliederung innerhalb eines Hauses verbindet die Haustafeln mit vielen weiteren Texten vor und neben ihnen. Nur in den Haustafeln wird aber eigens die Perspektive von Frauen, Kindern und Sklaven betrachtet, denen ein Mann verschiedenes schuldig ist: seiner Frau liebevolle Zuwendung, seinen Kindern Milde und seinen Sklaven Fairness. Trotz eines gewissen materialethischen und formalen Anschlusses an vorausliegende Texte ist Kol 3,18-4,1 aber ein Text sui generis, sozusagen ein Original. Von dieser ältesten frühchristlichen Sozialordnung geht die weitere Entwicklung aus. Die theologische Akzentuhandle wahrhaftig! “ sowie „Respektiert und liebet einander! “ Zum ethischen Programm einer Ehrfurcht vor dem Leben s. W. H ÄRLE , Leben. 105 E. S CHWEIZER , Brief an die Kolosser, 162. <?page no="143"?> 5 Neutestamentliche Haustafeln als älteste christliche Sozialordnungen 144 ierung der einzelnen Beziehungsrichtungen wird in Eph 5,21-6,9 komplettiert. Dadurch entsteht eine triangulierte Relation zwischen a) Frauen, Kindern, Sklaven, b) Männern als irdischen Hausherrn und c) dem himmlischen Herrn. Die dieser Triangulierung entsprechende Beziehungsethik richtet sich sowohl nach dem menschlichen Gegenüber als auch nach dem himmlischen Herrn. Eine solchermaßen doppelte Adäquanz ethischen Verhaltens steht eindeutig und klar in der ethischen und theologischen Tradition Israels. Christologische Begründungen und Motivationen dämmen in den Haustafeln auf der einen Seite frühchristlich-enthusiastische Spielräume ein und vermenschlichen (zugleich begründen und begrenzen) auf der anderen Seite überkommene Ordnungen und Werte. Auf die Gegenwart dürfen die Anweisungen der Haustafeln nicht unreflektiert übertragen werden; denn die moderne Lebenswirklichkeit ist grundverschieden von derjenigen der Antike. Jedoch kann die in den Haustafeln gewiesene Richtung von Kooperation, Zugewandtheit, Milde und Fairness (oder theologischer formuliert: Versöhnung, Liebe, Gnade und Gerechtigkeit) auf dem Fundament eines persönlich verantworteten Christusglaubens auch für eine gegenwärtige ethisch orientierte Beziehungsgestaltung eine wichtige Rolle spielen. 5.6 Zusammenfassung Abschließend können einige Ergebnisse und Überlegungen zusammenfassend festgehalten werden. Sie beleuchten zunächst (1) Martin Luthers Haustafel und die Unklarheit des Begriffs Haustafeln (Nr. 2-5) und dann den (2) antiken Kontext neutestamentlicher Haustafeln (Nr. 6-11). Anschließend werden die Haustafeln als (3) Texte (Nr. 12-20) und (4) unter theologischen und ethischen Aspekten in den Mittelpunkt gestellt (21-29). Am Schluss finden sich Bemerkungen (5) zur Frage der Gegenwartsrelevanz neutestamentlicher Haustafeln (Nr. 30-35). 1. Haustafeln stellen die ältesten christlichen Sozialordnungen dar. Begriff, zugehörige Texte und ihre Interpretionen sowie die Frage ihrer Relevanz für die Gegenwart stellen jedoch vor vielfältige Verständigungsschwierigkeiten: Was sind Haustafeln? Welche Texte des Neuen Testaments zählen dazu? Was sind ihre Merkmale? Wie können sie aus heutiger Perspektive angemessen gewürdigt werden? 5.6.1 Martin Luthers Haustafel und die Unklarheit des Begriffs Haustafeln im Zusammenhang christlicher und antiker Texte 2. Der Begriff Haustafel stammt aus einem Anhang zum Kleinen Katechismus Martin Luthers von 1529. Dort bezeichnet er eine Kompilation <?page no="144"?> 5.6 Zusammenfassung 145 neutestamentlicher Texte mit standesbezogenen Anweisungen. Die „Tafel“ (ähnlich den beiden Tafeln mit den zehn Geboten) richtet sich nacheinander an den geistlichen Stand, die Obrigkeit und schließlich verschiedene Gruppen wie Männer, Frauen, Kinder, Knechte, Mägde und Witwen im Haushalt. Nach dem Schema der Dreiständelehre (kirchlich, politisch, ökonomisch bzw. Kirche, Gesellschaft, Haus) werden neutestamentliche Anweisungen ins Gedächtnis gerufen. 3. In den folgenden Jahrhunderten werden die standesbezogenen Anweisungen als solche mit verschiedenen religionspädagogischen Mitteln dem kollektiven evangelischen Bewusstsein Generation für Generation eingeprägt. Seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert erhalten zwei Texte in der Lutherbibel selbst die Überschrift Haustafel: Kol 3,18-4,1 und Eph 5,21-6,9. Hier liegt die moderne Verwendung des Begriffs Haustafeln bereits im Ansatz vor. 4. Innerhalb der exegetischen Forschung des vergangenen und dieses Jahrhunderts wird nicht eine Zusammenstellung neutestamentlicher Texte als Haustafel, sondern werden kleinere frühchristliche Textabschnitte selbst als Haustafeln - jetzt meist im Plural - bezeichnet. Die Anzahl der neutestamentlichen Textabschnitte variiert dabei zwischen zwei und bis etwa zehn; hinzu kommen gelegentlich bis zu einem halben Dutzend weitere Abschnitte aus der übrigen frühchristlichen Literatur. Die Verschiedenheit der als Haustafeln subsumierten Texte verlangt nach einer genaueren Bestimmung dieses Begriffs. 5. Allen in Frage kommenden Texten ist gemeinsam, dass sie Anweisungen für das Zusammenleben enthalten, die an bestimmte Gruppen im Haus oder in der Gemeinde gerichtet sind (ausnahmsweise auch an Christen allgemein in der Gesellschaft, 1 Petr 2,13-17). Eine erhebliche Schwierigkeit für eine präzise Begriffsbestimmung ist der Umstand, dass der Begriff Haustafel selbst gar nicht in der Antike vorkommt und diese auch keine umschreibende Bezeichnung dafür bereithält. 5.6.2 Zum antiken Kontext neutestamentlicher Haustafeln 6. Suchbewegungen nach mehr Klarheit nehmen den historisch vorausliegenden antiken Kontext möglicher neutestamentlicher Haustafeln in den Blick. Dabei kommen drei literarische und eine theologische Wurzel in den Blick: politisch-ökonomische Lehrschriften über das wohlgeordnete Hauswesen, ethisch-philosophische Pflichtenkataloge, Traditionen jüdisch-hellenistischer Paränese und schließlich Selbstfindungsprozessen im frühen Christentum, besonders im Einflussbereich paulinischer Mission. 7. Nach Aristoteles ist der Staat aus Haushalten zusammengesetzt. In diesen gibt es drei grundlegende Dimensionen der Leitung und Steuerung: diejenige des Herrn zu seinen (Sklavinnen und) Sklaven, diejenige des Ehe- <?page no="145"?> 5 Neutestamentliche Haustafeln als älteste christliche Sozialordnungen 146 mannes zu seiner Ehefrau und diejenige des Vaters zu seinen Kindern. Diese drei Teilbereiche der Leitung eines antiken Haushalts sind traditionell und vor Aristoteles z.B. auch bei Homer, Herodot, Aristophanes und Platon belegt. Da Aristoteles Handlungswissen zur ökonomischen Steuerung eines Haushalts bereitstellen möchte, steht das Verhältnis eines Hausherrn zu seinen Sklaven ganz und gar im Mittelpunkt seiner Darlegungen. 8. Handlungsanweisungen für verschieden typisierte Beziehungen werden von antiken Philosophen, Lebenskundigen und Dichtern gegeben. Epiktet und Plutarch geben Leitlinien für viele Relationen. Dabei geht Epiktet vom Akteur aus (z.B. als Weltbürger, Sohn, Bruder), während Plutarch im Blick auf Adressaten formuliert (z.B. gegenüber Göttern, Frauen, Kindern). Aischylos, Cicero und Seneca beschränken sich auf drei Relationen. Der Philosoph Seneca lehnt solche Ratschläge allerdings wegen ihres Umfangs als undurchführbar ab. 9. Ähnlich wie Plutarch formulieren auch Ben Sira (Jesus Sirach), Philo von Alexandrien und Flavius Josephus Handlungsanweisungen zum sozialen Umgang. Ausführlicher befasst sich Pseudo-Phokylides mit Fragen der Ehe, der Kindererziehung und des Umgangs mit Sklaven. Die Tradition jüdisch-hellenistischer Paränese ist auf die Tora ausgerichtet und damit primär religiös orientiert. Dies unterscheidet sie von den beiden zuvor genannten Wurzeln neutestamentlicher Haustafeln. Für die Vermittlung zu diesen ist sie von hoher Bedeutung. 10. Im frühen Christentum wird durch die Taufe das Menschsein vollständig auf Christus hin ausgerichtet. Von Christus her wird eine egalitäre, geschwisterliche Existenz der Gläubigen etabliert (Gal 3,28; 1 Kor 12,13; Kol 3,11.25b; Eph 6,9d). Die Neuschöpfung in Christus bedeutet einen radikalen Bruch mit bisherigen Ordnungen (2 Kor 5,17; Röm 6,3f; Gal 6,15). Daher stellen sich Gestaltungsfragen des Lebens in grundlegender und geradezu explosiver Weise. Die Herausforderung durch ein enthusiastisches Missverständnis als Folge des Christusbekenntnisses ist enorm. Fragen des Zusammenlebens verlangen jetzt nach glaubenskonformen Antworten. 11. Der nichtchristliche antike Kontext neutestamentlicher Haustafeln ist durchgängig und vollständig auf einen freien Mann hin ausgerichtet. Seine Beziehungen zu weiteren Akteuren des sozialen Lebens werden reflektiert. Dabei kristallisiert sich als literarisch-stilistisches Formmerkmal Dreigliedrigkeit (Trikolon) heraus 106 . Inhaltlich konkretisiert sich diese auf das Verhältnis zu Frauen, Kindern und Sklaven 107 . Während Religion in 106 So z.B. bei Homer, Aischylos, Herodot, Aristophanes, Platon, Aristoteles, Cicero, Seneca, Pseudo-Phokylides und Philo von Alexandrien. 107 Bezeugt bei Homer, Herodot, Aristophanes, Platon, Aristoteles, Seneca, Pseudo-Phokylides, Philo von Alexandrien und (am Ende einer längeren Aufzählung) Plutarch. Die Reihenfolge der drei Glieder variiert: Sklaven werden entweder vor Frauen und Kindern genannt (Homer, Aristoteles) oder nach diesen (Herodot, Aristophanes, Pla- <?page no="146"?> 5.6 Zusammenfassung 147 den paganen Vergleichstexten nur eine untergeordnete Rolle spielt, sind die jüdisch-hellenistischen Traditionen primär religiös ausgerichtet. Dadurch, aber auch aus historischen und traditionsgeschichtlichen Gründen stehen sie den frühchristlichen Haustafeln am nächsten. 5.6.3 Neutestamentliche Haustafeln - Texte 12. In den Briefen der zweiten Generation im Einflussbereich paulinischer Mission finden sich im frühen Christentum Texte, die ebenfalls Grundlinien einer dreigliedrigen relationalen Ethik für einen freien Mann gegenüber seiner Frau, seinen Kindern und seinen Sklaven skizzieren. Zugleich gestalten sie diesen formal beschriebenen Rahmen aus, vertiefen und theologisieren ihn. Legt man diese Anforderungen für eine Suche im frühen Christentum zugrunde, dann richtet sich der Blick wie von selbst auf Kol 3,18-4,1 und Eph 5,21-6,9. 13. In einer regelmäßig gebauten und dadurch zugleich nüchtern und fast anmutig wirkenden Weise werden in Kol 3,18-4,1 nacheinander Frauen und Männer, Kinder und Väter, Sklaven und Herren zur Gestaltung der jeweils reziproken Beziehung aufgefordert. Zusätzliche Formmerkmale sind eine paarweise Anordnung der Anweisungen, die reziprok in beide Richtungen verlaufen, eine Voranstellung des schwächeren Glieds und eine Dreigliederung jeder Anweisung, die aus Anrede (Nominativ Plural), Imperativ (2. Person Plural) und Begründung oder Motivierung besteht. 14. Inhaltlich verlangt Kol 3,18-4,1 vom schwächeren Glied jeweils Unterordnung bzw. Gehorsam und begründet dies mit der Entsprechung eines Lebens „im Herrn“. Umgekehrt ergehen an Männer die Aufforderungen, ihre Frauen zu lieben, ihre Kinder nicht zu reizen und ihren Sklaven das ihnen Zustehende zu gewähren. Christologisch begründet wird die Anweisung im Verhältnis zu Sklaven mit einem Hinweis auf den himmlischen Herrn. 15. Eine (oder mehrere) Erweiterung(en) zu dem ansonsten schlank gehaltenen Text liegt in der an Sklaven gerichteten Begründung vor (Kol 3,22-25). Die Durchbrechung des Formschemas zeigt ihren sekundären Charakter. Offenbar gibt es erheblichen Begründungsbedarf zur Gesinnung und zum Handeln von Sklaven im Einflussbereich des paulinischen Missionsgebiets (vgl. 1 Kor 7,21-24; Phlm 10-12.15f). Implizit gilt die Erweiterung Kol 3,23-25 allen Christen „ohne Ansehen der Person“ (3,25b). 16. Für die innerhalb ihres Formschemas ergehenden Anweisungen an Frauen, Kinder, Sklaven und Männer leistet die Christologie keinen konstiton, Seneca, Pseudo-Phokylides, Philo von Alexandrien). Letzterem schließen sich Kol 3,18-4,1 und Eph 5,21-6,9 an, während 1 Petr 2,18-3,7 Sklaven, Frauen und Männer aneinanderreiht. <?page no="147"?> 5 Neutestamentliche Haustafeln als älteste christliche Sozialordnungen 148 tutiven Beitrag. Materialethisch sind die Imperative genauso gut in einer allgemeinen Ethik ohne religiösen Bezug möglich. Die Haustafel-Ethik partizipiert insofern an der allgemeinen Ethik ihrer Zeit. Sie ist an der Stabilität und der praktischen Funktionsfähigkeit eines Hauses interessiert. Gegenüber jeder Gruppe, Frauen, Kindern, Sklaven und Männern, wird das Gebotene einmal nachträglich christologisch begründet oder motiviert. 17. Durch die traditionsgeschichtlich gegebene Äquivokation mit „Herr“ wird die in einem antiken Haus patriarchal verteilte Macht balanciert: Auch den irdischen, „vergänglichen Herren“ 108 steht ein „Herr im Himmel“ (Kol 4,1) gegenüber. Hinsichtlich der Letztverantwortung im Leben verschiebt sich das Machtzentrum für alle gleichermaßen auf ihn (Kol 3,25; 4,1b). Dennoch wird die irdische Instanz des Ehemannes, Vaters oder Hausherrn dadurch nicht gleichgültig. Denn das christliche Leben findet weiterhin immanent (diesseitig) statt, verfügt jedoch über einen sehr weiten, transzendenten Horizont. Alle sind letztlich vor Gott verantwortlich. 18. Liegt im Kolosserbrief der Prototyp und das Muster einer neutestamentlichen Haustafel vor, so enthält der Epheserbrief eine in den vorgezeichneten Bahnen und Strukturen stark ausgearbeitete und weiter theologisierte zweite Auflage derselben. Dazu sind alle Begründungen überarbeitet, ausgebaut und theologisiert, so dass sich der Textbestand von Eph 5,21-6,9 gegenüber Kol 3,18-4,1 verdreifacht. Erstmals findet an mehreren Stellen eine explizite Verknüpfung mit alttestamentlichen Texten statt. Insgesamt erhält die jüngere Version der Haustafeln eine enorme theologische Aufladung. 19. Auch 1 Petr 2,18-3,7 enthält Formmerkmale einer Haustafel. Anrede (Nominativ Plural), periphrastisch formulierte Anweisung und Begründung zur Motivierung des Tuns finden sich allerdings nur dreimal (nicht sechsmal), und die Reziprozität ist nur in einem Fall gegeben (Frauen/ Männer). Ein Teil der nach dem Kontext an Sklaven gerichteten Begründung bildet ein theologisches Kernstück des gesamten Briefes und richtet sich an alle Christen (1 Petr 2,21-25). Ausdrücklich werden Frauen als gleich berechtigte „Miterben der Gnade zum Leben“ bezeichnet (3,7). 20. 1 Petr 2,18-3,7 stellt eine paränetische Reihe, aber keine Haustafel im Sinn von Kol 3,18-4,1 und Eph 5,21-6,9 dar. Das dort klar erkennbare Haustafelschema ist im ersten Petrusbrief nur fragmentarisch und in Ansätzen erkennbar. Noch deutlicher gilt dies von den übrigen neutestamentlichen und frühchristlichen Texten, die gerne im Zusammenhang mit Haustafeln angeführt werden: 1 Petr 5,1-5; 1 Tim 2,1f.8-15; 5,1-8; 6,1f; Tit 2,1-10; 3,1f; 1 Joh 2,12-14; 1 Clem 1,3; 21,6-9; Did 4,9-11; IgnPol 4,1-6,2; Polyc 4,2-6,3; Barn 19,5-7. Im Unterschied zu diesen Texten ist eine Haustafel eine weit entwickelte Sonderform einer paränetischen Reihung. 108 Vgl. toi5V kata4 sa3rka kuri3oiV, Kol 3,22; ebenso Eph 6,5. <?page no="148"?> 5.6 Zusammenfassung 149 5.6.4 Neutestamentliche Haustafeln - Theologische und ethische Aspekte 21. Männer - und Frauen, Kinder, Sklaven: Äußerlich betrachtet bilden neutestamentliche Haustafeln dieselbe Grundstruktur im Haus ab wie viele andere antike Texte. Sie enthalten eine Ethik, die sich gut in das Spektrum antiker Ethik einfügt: Unterordnung gegenüber Männern, liebevolle Zuwendung gegenüber Frauen, Milde gegenüber Kindern und Fairness gegenüber Sklaven. Die frühchristlichen Haushalte und die frühchristliche Ethik sind nicht grundverschieden von der sie umgebenden Mehrheitsgesellschaft. Im selben Rahmen setzen sie jedoch eigene Akzente. 22. Drei Akzente neutestamentlicher Haustafelethik sind: a) Ethik wird als Beziehungsethik konzipiert mit einem reziproken Charakter. Menschen in Beziehung sind wechselseitig aufeinander angewiesen und verwiesen. Niemand wird übersehen. Auch Sklaven - in der Antike als Sache und Besitz betrachtet - steht etwas zu. b) Das schwächere Glied wird vorangestellt. Nicht nur durch Beachtung, sondern auch durch die Positionierung wird das symbolische Kapital 109 von Frauen, Kindern und Sklaven gestärkt. c) Die Machtentfaltung von Männern im ohnehin patriarchalen Umfeld der Antike ist begrenzt und gleichsam eingerahmt durch einen transzendenten Horizont, in dem die Verschiedenheit von Rang, Rolle, Stand, Funktion und Person egalisiert wird (Kol 3,25b; Eph 6,9d). 23. Mit diesen Merkmalen sind die beiden neutestamentlichen Haustafeln einzigartige Sozialordnungen, denen sowohl davor als auch danach kein vergleichbarer Text an die Seite gestellt werden kann. Alle übrigen paränetischen Reihen der Antike unterscheiden sich von den Haustafeln durch mindestens eines, meistens jedoch zwei der folgenden Merkmale: Sie betrachten nicht exklusiv das Zusammenleben im Haus; sie durchbrechen grundlegende Formmerkmale der Haustafeln (wie Reziprozität, Vorordnung der schwächeren Seite, Dreigliedrigkeit, Kürze); eine theologische Akzentuierung fehlt. 24. Der mit paränetischen Texten der jüdisch-hellenistischen Tradition gemeinsame hohe Stellenwert eines transzendenten, theologischen Horizontes ist in Kol 3,18-4,1 noch vergleichsweise knapp und oberflächlich ausgeführt, in Eph 5,21-6,9 jedoch wesentlich ausgearbeitet und konsequent durchgeführt. Hier sind alle reziproken Beziehungen um eine christologische Dimension erweitert, so dass durchgängig triangulierte Konstellationen entstehen: Zum menschlichen Miteinander tritt das Erfordernis einer Konvergenz mit der Christusdimension. 25. In diesem Sinn ist die Beziehungsethik der Haustafeln an einer doppelten Adäquanz orientiert: sowohl innerhalb der reziproken (oder hori- 109 Verstanden als Summe der drei Arten von Kapital nach Pierre Bourdieu: soziales Kapital, kulturelles Kapital, ökonomisches Kapital, vgl. T. K UTSCH , Kapital, 263. <?page no="149"?> 5 Neutestamentliche Haustafeln als älteste christliche Sozialordnungen 150 zontalen, zwischenmenschlichen, immanenten) Relation als auch innerhalb der christologischen (oder vertikalen, göttlich-menschlichen, transzendenten). Die so beschriebene doppelte Adäquanz kann als lebensraum- und gruppenspezifische Anwendung des jüdisch-christlichen Doppelgebots der Liebe unter den Bedingungen eines antiken Haushalts verstanden werden. Theologie und Lebenswirklichkeit treffen hier aufeinander und werden durch die Haustafeln überbrückt. 26. In der Haustafel-Ethik werden die innerweltliche und die transzendente Dimension als materialiter miteinander harmonierend vorgestellt. Die grundsätzliche Unterordnung von Frauen, Kindern und Sklaven unter den pater familias als Hausherrn wird zwar beibehalten; aber sie wird verbunden mit einer Verpflichtung des pater familias zu einem menschenfreundlichen und christusgemäßen Handeln, d.h. einem sowohl von den Bedürfnissen des anderen als auch von der Liebe Christi angeregten Handeln. Eine so konzipierte Alltagsethik steht ausdrücklich in der prosozialen Tradition des Alten Testaments, die ihrerseits bereits eine doppelte Adäquanz zu immanent und transzendent begründeten Erfordernissen zu verwirklichen sucht. 27. Der von Frauen, Kindern und Sklaven zu erbringenden Unterordnung unter den Hausherrn korrespondiert auf dessen Seite nicht Überordnung (sie ist ohnehin im antiken Kontext selbstverständlich und ergibt sich aus der geforderten Unterordnung), sondern eine je nach Bezugsgruppe differenzierte Anweisung: a) liebevolle Zugewandtheit, Hingabe und Akzeptanz gegenüber Ehefrauen, b) Einfühlsamkeit, Milde und pädagogische Beauftragung gegenüber Kindern und c) Fairness, Einhaltung des Rechts und Verantwortungsbewusstsein gegenüber Sklaven. Das Verhalten gegenüber Untergebenen ist nicht programmatisch durch Herrschaft bestimmt 110 . 28. Die Doppelstrategie einer grundsätzlichen Beibehaltung der Forderung nach Unterordnung unter den zuständigen Hausherrn (pater familias) einerseits und einer Begrenzung und am Gegenüber und Christus orientierten Vermenschlichung von dessen patria potestas, der jedenfalls theoretisch uneingeschränkten Verfügungsgewalt des männlichen Familienoberhaupts, andererseits reguliert einen frühchristlichen Zielkonflikt: ein häuslich-familiäres Zusammenleben unter den Bedingungen antiker Gesellschafts-, Sozial- und Wirtschaftsverhältnisse zu ermöglichen bzw. fortzuführen und die in Christus propagierte Gleichheit und Humanisierung wenn nicht gleichsam utopisch zu verwirklichen, dann jedenfalls im Alltag tendenziell erfahrbar zu machen. 110 Darin entspricht die Haustafelethik jedenfalls teilweise, wenn auch keineswegs vollständig dem in Lk 22,25f (parr. Mk 10,42-44; Mt 20,25-27) formulierten Anspruch Jesu; s. dazu B. M UTSCHLER , Antworten, 36-39. <?page no="150"?> 5.6 Zusammenfassung 151 29. Die als solche erkennbare Doppelstrategie ist ein erster, systematisch auf den Lebensraum des Hauses ausgearbeiteter Antwortversuch auf die Frage nach dem spezifisch Christlichen innerhalb der Ethik. Er versucht einen Mittelweg zwischen Anpassung und Enthusiasmus. Die durchgängige christologische Bezugnahme sichert in der Folge die Überzeugungskraft der propagierten Sozialordnungen. Zugleich dürften sie eine Entwicklung hin zu einer Vielzahl weiterer Texte hauptsächlich innerhalb des Deuteropaulinismus mit angeregt haben 111 , ohne dass diesen ebenfalls das Gewicht und der Rang von Haustafeln zukäme. 5.6.5 Zur Frage der Gegenwartsrelevanz neutestamentlicher Haustafeln 30. Aus der Gegenwartsperspektive ist weder ein Ignorieren noch eine Verurteilung oder eine vorschnelle Übertragung neutestamentlicher Haustafelethik ratsam. Alle drei Varianten würden weder der Bedeutung dieser Texte noch der historischen Differenz zwischen der Gegenwart und dem kulturellen, sozialen und religiösen Umfeld des antiken Christentums gerecht. Welche Aspekte könnten für die Gegenwart Relevanz beanspruchen? 31. Seit frühester Zeit entspricht dem christlichen Glauben nach dem Zeugnis der Haustafeln ein zugewandtes Weltverhältnis. Die gegebenen Lebensräume sind nicht zu meiden, sondern zu gestalten. Zwei leitende Gesichtspunkte werden dafür gegeben: was dem jeweiligen Menschen entspricht und was dem Verhältnis zu Gott in Christus entspricht. 32. Was dem Menschen entspricht, kann wiederum differenziert werden: Erstens gibt es ein allgemeines menschliches Humanum, das jedem Menschen gegenüber ungeachtet seiner Stellung und Verfassung zu wahren ist. Daher kommt allen Menschen Aufmerksamkeit und Bedeutung im Sinn einer unantastbaren Menschenwürde zu. Zweitens leben Menschen in konkreten Räumen, Rollen und Beziehungen. Diese zu berücksichtigen, gehört ebenfalls zum ethischen Diskurs. Nach den Haustafeln sind eine allgemeine Orientierung am Humanum und eine konkrete, auf den Einzelnen, seine Person und Situation (inkl. Recht, Begabung, Funktion) ausgerichtete Angemessenheit Kriterien christlicher Ethik. Geschöpflichkeit, Individualität und eine bestimmte gesellschaftliche Verortung, die anvertraute Aufgaben enthält, sind grundlegende Koordinaten einer christlichen Ethik. 33. Was dem Verhältnis zu Gott entspricht, wird von Christus her als Herrn und Heiland deutlich 112 . Das Herrsein Christi setzt überzogenen 111 Zu nennen sind 1 Petr 2,28-3,7; 5,1-5; 1 Tim 2,1f.8-15; 5,1-8; 6,1f; Tit 2,1-10; 3,1f; 1 Joh 2,12-14; 1 Clem 1,3; 21,6-9; Did 4,9-11; IgnPol 4,1-6,2; Polyc 4,2-6,3; Barn 19,5-7. 112 Zum Herrsein Christi s. Kol 3,18.20.22-24; 4,1; Eph 5,22; 6,1.4.7-9; s. ferner Gott in Eph 6,6; zu Christus als Heiland s. Kol 3,24; Eph 5,21.23-25.29.31; 6,5f; s. ferner die Hingabe aus Liebe, Eph 5,25-29. <?page no="151"?> 5 Neutestamentliche Haustafeln als älteste christliche Sozialordnungen 152 menschlichen Ansprüchen an den anderen ebenso wie der Behauptung menschlicher Statusdifferenzen göttliche Grenzen (Eph 6,9): Denn ihr wisst, dass euer und ihr Herr im Himmel ist und dass es bei ihm kein Ansehen der Person gibt.“ Christus als Heiland weist auf die Art und Weise eines christusgemäßen Umgangs miteinander hin: Wahrnehmung des anderen, Beziehung zu ihm und Begegnung mit ihm (Reziprozität) gehören ebenso dazu wie das Prae in der Betrachtung des gesellschaftlich schwächer gestellten Parts 113 . 34. Die materialethische Konkretisierung der leitenden Gesichtspunkte im Blick auf die Gegenwart sollte grundsätzlich in der Gegenwart erfolgen. Bleibend bedenkenswert sind m.E. zwei Aspekte: a) die Bereitschaft zu Hingabe und Unterordnung 114 . Diese Haltung gilt allen Menschen in der Nachfolge Jesu. Sie darf jedoch nicht zu einseitigen Aufforderungen führen, wie sie innerhalb des antiken Kontextes in den Haustafeln gegenüber Frauen, Kindern und Sklaven formuliert werden. Bleibend bedenkenswert sind außerdem b) bestimmte Aufforderungen, nämlich (b 1 ) zu liebevoller Zugewandtheit, Hingabe und Akzeptanz innerhalb von Ehe und Partnerschaft, (b 2 ) zu Einfühlsamkeit, Milde und pädagogischer Beauftragung insbesondere gegenüber Kindern und Jugendlichen (darüber hinaus freilich gegenüber allen Menschen: lebenslanges Lernen) sowie (b 3 ) zu Fairness, Einhaltung des Rechts und Verantwortungsbewusstsein gegenüber jedermann und besonders gegenüber Untergebenen und Schutzbefohlenen. 35. Die beiden neutestamentlichen Haustafeln, Kol 3,18-4,1 und Eph 5,21-6,9, rufen auch in der Gegenwart zu einer wechselseitigen, achtsamen, sozialen, rücksichts- und liebevollen sowie rechtsbewussten, fairen Beziehungsgestaltung innerhalb der kleinsten wirtschaftlichen Einheit von Personen, nämlich Hausgemeinschaft und Familie, auf. Sie richten dabei gleichzeitig den Blick auf Christus als himmlischen Herrn über das All und auf die jeweiligen Menschen in ihrer geschichtlichen Situation. Insoweit sind die ältesten christlichen Sozialordnungen richtungsweisend für eine christliche Ethik bis heute, auch wenn ihre materialethischen Anweisungen aufgrund der kulturellen und sozialen Differenz zur Antike nicht als Blaupause geeignet sind. 113 Vgl. W. H ÄRLE , Ethik, 340: „Aufruf zur geschuldeten Rücksichtnahme“ (Hervorheb. im Original). 114 Vgl. Kol 3,22-24; Eph 5,25-31.33ab; 6,6-8; s. ferner Mk 10,43f parr. Lk 22,26 und 20,26f. <?page no="152"?> 6 Perspektiven eines evangelischen Verständnisses von Familie „Die Ethik Jesu mag fremd sein. sie verbindet nicht Familiensolidarität mit Aggression gegen Fremde, sondern umgekehrt: den Bruch mit der Familie mit Liebe zu den Feinden.” 1 Αn langjähriger, reichhaltiger und vielfältiger Familienerfahrung mangelt es wohl kaum jemals einem Menschen 2 . Wohl aber suchen Protestanten zu Recht immer wieder nach Sprachfähigkeit, Klarheit und Orientierungsvermögen in der Frage, was grundlegende und charakteristische Perspektiven eines evangelischen Verständnisses von Familie sind und wie Familien wirksam in evangelischer Perspektive unterstützt und gestärkt werden können. Im Folgenden wird zunächst eine kleine (1) biblische Spurenlese unternommen, ehe in einem zweiten Schritt (2) Perspektiven eines heutigen evangelischen Verständnisses von Familie bestimmt und zur Diskussion gestellt werden. Abschließend hält eine (3) Zusammenfassung die wichtigsten Ergebnisse fest. 6.1 Eine biblische Spurenlese als Ausgangspunkt für die Suche nach Perspektiven eines evangelischen Verständnisses von Familie Die Familienverhältnisse der biblischen Schriften als verbindlich (normativ) oder zumindest vorbildlich für die Gegenwart zu betrachten, ist in nahezu keiner einzigen Hinsicht wünschenswert. Sie entstammen einem anderen, uns heute weithin fremden historischen, kulturellen, sozialen und religiösen Kontext 3 . Ein Verharren in antiken Maßstäben wäre hier ebenso wie auf anderen Feldern alles andere als wünschenswert oder klug. Neben kulturellen und historischen sprechen auch theologische Erwägungen da- 1 G. T HEISSEN , Glaubenssätze, 251. 2 Aus natürlichen Gründen haben alle eine Familie, s. W. H UBER , Familie, 8-10. 3 Vgl. das Fazit von L.G. P ERDUE , Household, 254: „To attempt to transplant gender roles, the roles of parents and children, polygamy, monogamy, celibacy, and a host of other specific features of the Israelite family into contemporary cultures would be naive.“ Ähnlich bereits H. H ALTER , Bibel, 9-11. <?page no="153"?> 6 Perspektiven eines evangelischen Verständnisses von Familie 154 gegen 4 . Der Begriff Familie ist biblisch nicht belegt; er kommt „erst im 18. Jh.“ im Deutschen auf und „verdrängt den alten umfassenden Begriff des ‚Hauses’“ 5 . Mit aus diesen Gründen scheint es nahe liegend, die Suche nach Perspektiven eines evangelischen Verständnisses von Familie ohne biblische Wahrnehmungen des Themas Familie zu unternehmen 6 . Aber eine der Reformation und damit in hohem Maß der Heiligen Schrift verpflichtete christliche Theologie kann auf eine biblische Spurenlese nicht verzichten. Sie erfolgt unter den Aspekten (1) großfamiliärer Sippenverband, (2) Ehe(n), Kinder, Wirtschaftsgemeinschaft, (3) Schutz der traditionellen Familie, (4) Afamiliarität aus Gründen der Nachfolge sowie (5) Gemeinde übernimmt Familienfunktionen; am Ende enthält sie ein (6) Ergebnis mit ersten Schlussfolgerungen im Blick auf die Gegenwart. 6.1.1 Großfamiliärer Sippenverband Der wohl deutlichste Unterschied zwischen einem orientalisch-antiken und einem westlich-modernen Familienverständnis liegt in Größe und Abgrenzung dessen, was als eine Familie verstanden wird. Nach alttestamentlichem Verständnis umfasst eine Familie mehrere Generationen. Noah beispielsweise betritt die Arche mit seiner Frau, den Söhnen und ihren Frauen - vermutlich waren auch Kinder dabei - kurz: mit seinem „ganzen Haus“ 7 . Bei Gideon kommen vier Generationen in den Blick 8 . Das „Haus Jakobs“ umfasste bei seinem Zug nach Ägypten 70 Personen, selbst wenn man sich auf seine „leiblichen Nachkommen“ beschränkte 9 . Das nach dem Familienoberhaupt benannte „Vaterhaus“ (beit Av/ tyb ba ) 10 schloss in der Regel auch Sklavinnen und Sklaven, Knechte, Mägde, Bedienstete sowie unverheiratete oder unversorgt verwitwete Töchter, Schwestern und Verwandte der Familie des Vaters mit ein; sie lebten sozusagen im selben Haushalt und bildeten eine wirtschaftliche Einheit 11 . Mehrere generationenübergreifende Großfamilien bildeten eine „Sippe“ (mischpachá/ hxpwm ), mehrere Sippen einen „Stamm“ (sch ǣ v æt / ubs ) 12 . 4 Nach K. B ARTH , Dogmatik III/ 4, 271 etwa „ist der Begriff der Familie bestimmt kein für die christliche Theologie interessanter Begriff“. 5 H.-G. K RÜSSELBERG , Art. Familie, Sp. 469. 6 In diese Richtung z.B. R. A NSELM , Verständnis, 39f; mehr noch G. R OBBERS , Ehe. 7 Gen 7,1.7, vgl. Hebr 11,7. 8 Ri 6,11 und 8,22. 9 Gen 46,(8-)26f, vgl. Ex 1,5. 10 L.G. P ERDUE , Household, 253: „the ancestral household was the typical form of the Israelite and early Jewish family.“ Vgl. das eindrückliche Schema bei D.I. B LOCK , Marriage, 42. 11 Dazu C. M EYERS , Family, 13-21; J. B LENKINSOPP , Family, 53-57. 12 S. die Reihung in Jos 7,14; ausführlich L.G. P ERDUE , Family, 174-178. <?page no="154"?> 6.1 Eine biblische Spurenlese als Ausgangspunkt 155 In ähnlicher Weise ist im Neuen Testament vom „Haus“ in einem umfassenden Sinn die Rede, etwa wenn Paulus „das Haus des Stephanas“ tauft oder wenn in der Apostelgeschichte das „Haus“ der Lydia getauft wird 13 . Das „Haus“ (oi8koV) eines Menschen umfasst auch im frühen Christentum „all seine Angehörigen“ 14 , und die so genannten Haustafeln entfalten dies im Hinblick auf Frau und Mann, Kinder und Eltern, Sklaven und Herren 15 . Verschiedene Personen werden durch eine gemeinsame Wohnstätte integriert. Daher bezeichnet das Wort Haus im biblischen Schrifttum „nicht allein das ‚Gebäude’, sondern auch die soziologische Größe ‚Familie’, die als Haushalt in einem Gebäude lebt“ 16 . All dies zeigt: Bei den in der Bibel sichtbaren antiken, orientalischen Familien handelt es sich nicht um Kleinfamilien, sondern um großfamiliäre Sippenverbände (mischpachá/ hxpwm , beit Av/ ba tyb , oi8koV, oi1ki3a, domus, familia), die in verschiedener Weise abhängige Personen einschließen und keineswegs vollständig durch Verwandtschaftsbeziehungen integriert werden. Sie sind nicht normativ verfasst, sondern werden „von der Erfahrungs- und Lebenswirklichkeit her“ konzipiert 17 : dem „Haus von (…)“. Ihre Organisation erfolgt jedoch patrilinear, patrilokal und patriarchal 18 . 6.1.2 Ehe(n), Kinder, Wirtschaftsgemeinschaft Nicht weniger als drei der Zehn Gebote beabsichtigen einen Schutz der Familie: die Ehrung der Eltern, das Verbot des Ehebruchs und das Verbot, der Familie „die wirtschaftliche Grundlage zu entziehen“ 19 . Das Elterngebot zielt bekanntlich nicht nur auf Respekt, sondern auch auf Alimentation und Fürsorge der alt gewordenen Eltern 20 . In einer Gesellschaft ohne Altersrente, Versicherungen und Rückstellungen sind Kinder im Regelfall die einzige Form der Altersvorsorge. Mit aufgrund dieser elementaren Abhängigkeit scheinen Misshandlung und Herabsetzung der älteren Generation (als Elterngeneration) durch Erwachsene weit verbreitete Übel gewesen zu sein 21 . 13 1 Kor 1,16, vgl. 16,15; Act 16,15; s. ferner 10,2; 11,14-16; 16,31-34; 18,8; ausführlich P. W EIGAND , Art. oi8koV, Sp. 1226-1229; ferner H.-J. K LAUCK , Familie, 27f. 14 Oi2 au1tou5 pa3nteV, Act 16,33(31-34). Zu oi8koV s. ausführlich K. L EHMEIER , Oikos. 15 Kol 3,18-4,1; Eph 5,21-6,9; als Fortentwicklungen s. auch 1 Tim 6,1f; Tit 2,2-10; 1 Petr 2,18-3,7, ferner das vorige Kapitel Kapitel, o. S. 118-152. 16 C. G ERBER / D. V IEWEGER , Art. Haus, 249. 17 H.J. K LAUCK , biblische Familie, 81. 18 C. M AIER / K. L EHMEIER , Art. Familie, 131. 19 S. Ex 20,12.14.17; Dtn 5,16.18.21; dazu A. L EMAIRE , Art. Familie, Sp. 657f. 20 Ganz gegensätzlich dazu wird es in Eph 6,2f interpretiert, nämlich als Gehorsam von Schutzbefohlenen gegenüber ihren Eltern. 21 S. nur die Warnungen in Ex 21,15.17; Lev 20,9; Dtn 27,16; Prov 19,26; 20,20; 23,22; 28,24; 30,17; ferner Mk 7,10-13; P. B ALLA , Relationship, 117-130. <?page no="155"?> 6 Perspektiven eines evangelischen Verständnisses von Familie 156 Besonders erläuterungsbedürftig ist das Verbot des Ehebruchs. Heutzutage wird es meist paritätisch gehört und ausgelegt. Historisch ist das nicht zutreffend. Denn ähnlich wie bei den Themen Eheschließung und Ehescheidung liegen weitaus mehr Risiken und Gefahren auf Seiten der Frau als auf Seiten des Mannes 22 . „Der Mann bricht die Ehe nicht, wenn er ein außereheliches Verhältnis hat, aber seine Frau bricht sie, wenn sie sich mit einem anderen Mann einlässt. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen.“ 23 Der Tatbestand des Ehebruchs war für einen Mann in der Welt der biblischen Schriften nur dann gefährlich, wenn die Frau verheiratet oder verlobt war; denn nur dann verletzte er den Anspruch eines „Nächsten“, eines Mannes 24 . Durfte also eine Frau niemals ihre Ehe brechen, so durfte ein Mann nur nicht in eine andere, fremde Ehe einbrechen. Seine oder eine seiner eigenen Ehen (ganz zu schweigen vom Verhältnis zu so genannten Nebenfrauen) brach er damit nicht. Für ihn waren auch „Beziehungen zu Sklavinnen und weithin wohl auch zu Prostituierten“ 25 straffrei. Ein großfamiliärer Sippenverband war die am weitesten verbreitete Form einer Wirtschaftsgemeinschaft. Land und Vieh, Haus und Gesinde, Segen und Erbe gehörten in die Gemeinschaft der Familie 26 . Als Wirtschaftsgemeinschaft wird die Familie am Ende des Dekalogs ausdrücklich geschützt. In Dtn 5,21 beispielsweise eröffnet „die Frau deines Nächsten“ vor Haus und Acker die Reihe des geschützten Guts, in Ex 20,17 wird sie zwischen Haus und Knecht genannt. Die allen - vom Familienoberhaupt über den „Fremden“ bis zum niedrigsten Nutztier - verordnete und zugewiesene Ruhezeit an jedem siebten Tag 27 , dem Sabbat, dient auch dem Erhalt der Leistungskraft und Arbeitsfähigkeit aller Beteiligten und damit letztlich dem Wohl der gesamten Wirtschaftsgemeinschaft. Diese Auszeit schließt die gesamte Familie, das gesamte Haus, zusammen als Arbeitsgemeinschaft und Ruhegemeinschaft, als Werktagsgemeinschaft und Feiertagsgemeinschaft, d.h. auch als religiöse und kultische Gemeinschaft. All dies zeigt: In einem großfamiliären Sippenverband war genug Raum für Menschen mit verschiedensten Fähigkeiten, Bedürfnissen und Lebenslagen. Sie bilden eine Einheit und sind in gewissem Sinn alle aufeinander angewiesen. Ihnen allen standen ein bestimmter Schutz und bestimmte Rechte bis hin zu gemeinsamen Ruhezeiten zu. 22 Zur Ungleichheit zwischen Mann und Frau im Bereich der Ehe insgesamt s.o. S. 66- 76. 23 R. G OEDEN , Stellung, 27. 24 Vgl. Ex 20,17; Dtn 5,21; Lev 20,10; Dtn 22,22. 25 F. C RÜSEMANN , Herr, 29. Dazu o. S. 71-73. 26 Ausführlicher C. M AIER / K. L EHMEIER , Art. Familie, 131-133. 27 Ex 20,10; Dtn 5,14. <?page no="156"?> 6.1 Eine biblische Spurenlese als Ausgangspunkt 157 6.1.3 Schutz der traditionellen Familie Die traditionelle jüdische Familie als natürlicher Lebens- und Entfaltungsraum für Eltern und Kinder wird im Neuen Testament hoch geachtet und weiterhin geschützt. Jesus von Nazaret war der älteste Sohn einer religiösen galiläischen Handwerkerfamilie und wuchs inmitten einer stattlichen Zahl von Geschwistern auf 28 . In seiner Lehre spricht sich Jesus für einen verstärkten und vertieften Schutz der institutionalisierten Ehe aus, die er über Mose hinaus bis an den „Anfang der Schöpfung“ zurückführt, für die Unauflöslichkeit der Ehe und gegen Ehescheidung „außer wegen Untreue“ 29 . Dass er an der auf Fortpflanzung und Versorgung angelegten, verpflichtenden Schwagerehe (Leviratsehe) keinen Anstoß nimmt 30 , zeigt, dass Jesus von Nazaret die Möglichkeit einer Bi- oder Polygynie, die durch die Leviratsehe entstehen kann, nicht ausschließt. Auch sonst steht der Galiläer auf dem Boden des althergebrachten mosaischen Gesetzes, allerdings in einer auf Leben und Lebenserhaltung zielenden Interpretation und nicht in einer am Buchstaben der Toraweisung klebenden Erfüllung. So verhinderte Jesus nach dem Johannesevangelium eine Steinigung, obwohl Anlass und Rechtsgrund, nämlich ein erwiesener Ehebruch und glasklare Anweisungen der Tora, unstrittig waren 31 . Die Bedeutung des familiären Zusammenhalts für Jesus zeigt sich auch darin, dass er vehement für den von Mose geforderten Unterhalt der alt gewordenen Eltern durch erwachsene und leistungsfähige Kinder eintritt 32 . Komplementär dazu kommen Rücksicht auf Kinder und elterliche Fürsorge für Kinder mehrfach in seiner Verkündigung vor, sei es im Gleichnis vom bittenden Freund oder in mehreren Heilungswundergeschichten 33 . Der elterlichen Liebe kommt jedoch nicht 28 S. zu seiner Geburt Lk 2,4-7.16; Darstellung im Tempel: 2,21-24; Pilgerfahrt mit dem Zwölfjährigen nach Jerusalem zum Passafest: 2,41-52; Geschwister und Familie: Mk 3,31f parr. Mt 12,46f und Lk 8,19f; Mk 6,3 parr. Mt 13,55f und Lk 4,22. Zum sozialgeschichtlichen und archäologischen Hintergrund s. S. G UIJARRO , Family. 29 S. zum Schutz der Ehe Mt 5,27-30; Scheidungsverbot: 5,31f („außer wegen Untreue“) par Lk 16,18; Mk 10,2-12 („Anfang der Schöpfung“, 10,6) par Mt 19,3-9; R.F. C OLLINS , Divorce, passim; Ablehnung wechselnder Partnerschaften und von Untreue: Joh 4,16-18; 8,3.11. Zu Jesu Eheweisungen s. ausführlich J. Z MIJEWSKI , Weisungen, 33-69. 30 Mk 12,18-25 parr. Mt 22,23-30 und Lk 20,27-36, ausgehend von Dtn 25,5-10. Zur biblischen Polygamie, die faktisch eine Polygynie war, s. auch o. S. 73f. 31 Vgl. Joh 8,2-11 gegenüber Dtn 22,22; Lev 20,10; dazu ausführlich o. S. 43f.58f. 32 Mk 7,10-13. Auf Fürsorge für Eltern weist auch die Heilung der Schwiegermutter des Petrus hin, s. Mk 1,29-31 parr. Mt 8,14f und Lk 4,38f. 33 S. zur Rücksicht auf die Kinder Lk 11,5-7; Sohn eines Synagogenvorstehers: Mk 5,22- 24.35-43; Tochter der Syrophönizierin: Mk 7,24-30 par Mt 15,21-28; besessener Sohn eines Vaters: Mk 9,14-27 parr. Mt 17,14-18 und Lk 9,38-43 (einziger Sohn, 9,38); einziger Sohn einer Witwe von Nain: Lk 7,12-15; Sohn eines königlichen Beamten: Joh 4,46-53. In Lk 7,1-10 wird für einen Adjutanten gebeten, s.o. Anm. 104 S. 112. <?page no="157"?> 6 Perspektiven eines evangelischen Verständnisses von Familie 158 nur Eigenwert zu. Sie ist auch gleichnisfähig für Gottes Verhalten gegenüber Menschen 34 . Mehr noch: „Das familiale Miteinander bietet eine direkte Anschlussfähigkeit für explizit theologische Aussagen. Es kann geradezu als hermeneutischer Schlüssel zur Gotteslehre bezeichnet werden.“ 35 Auch sonst macht sich der Nazarener vertraute Situationen des Familienlebens für seine Verkündigung zunutze, so etwa das Hochzeitsmahl als Metapher für das Reich Gottes, die Anwesenheit des Bräutigams als Grund für das ausbleibende Fasten seiner Jünger, Geburtswehen als Bild für Bedrängnis und Abschied vor einer dauerhaften Freude, der Sohn als kostbarer und einzigartiger Gesandter im Gleichnis von den bösen Weingärtnern 36 . Die Rede vom Sohn wird in der johanneischen Theologie zum Ausdruck des engsten Bezuges zwischen Vater und Sohn fast stereotyp, während mit dem Begriff „Menschensohn“ eine traditionelle jüdische Redeweise aufgegriffen wird 37 . Jesus hat selbst keine Familie gegründet; er war nicht einmal verheiratet, obwohl Eheschließung „im Judentum als göttliches Gebot“ galt 38 . Zumindest Jesu Mutter und einer seiner Brüder, Jakobus, blieben ihm aber auch nach seinem Tod verbunden 39 . Ehe und Familie genießen auch in den Paulusbriefen einen hohen Stellenwert 40 . Der in baldiger Erwartung des wiederkommenden Jesus lebende Paulus knüpft an das afamiliäre Ethos Jesu an 41 . Im Unterschied zum Apostel pflegten Petrus und weitere Apostel ihre Familienbeziehung auch auf ihren Missionsreisen (1 Kor 9,5). In den Pastoralbriefen wird eine bestimmte Form der traditionellen Familie ebenfalls hoch geachtet: Sie wird als monogam, patriarchal, vertrauenswürdig, vorzeigbar und von innerer Loyalität und innerem Zusammenhalt (Harmonie) gekennzeichnet charakterisiert 42 . 34 Mt 7,9-11 par Lk 11,11-13; Lk 15,11-32. Zu Familienrollen als Metaphern der Gottesbeziehung s. C. G ENNERICH , Familie, 1f; M. D OMSGEN , Familie und Religion, 266-269. 35 So das Fazit von M. D OMSGEN , Familie und Religion, 269. Insofern „kommt der Familie durchaus eine besondere theologische Dignität zu“, ebd., 275. 36 S. zum Hochzeitsmahl Mt 22,1-14 (par Lk 14,15-24, ferner bereits 14,7-11); Apk 19,9; vor dem Hochzeitsmahl: Mt 25,1-13; Anwesenheit des Bräutigams: Mk 2,18-20 parr. Mt 9,14f und Lk 5,33-35 (ferner Joh 3,28-30; 2,1-11); Geburtswehen: Joh 16,21f; Tötung des gesandten Sohnes: Mt 21,37-41. 37 Aus der Fülle an Literatur sei lediglich verwiesen auf G. T HEISSEN / A. M ERZ , Jesus, 470-480; G. T HEISSEN , Jesusbewegung, 91-98; V. H AMPEL , Menschensohn. 38 H.-J. K LAUCK , Familie, 18. 39 S. zu Maria: Joh 19,25-27; Act 1,14; Jakobus: 1 Kor 15,7; Gal 1,19; 2,9; Act 12,17; 15,13; 21,18; weitere Geschwister Jesu: Act 1,14; 1 Kor 9,5. 40 S. P. B ALLA , Relationship, 160-165 (164): „a high view of marriage“. 41 1 Kor 7,7.26.32.38.40. Für einen enthaltsam lebenden, aber verheirateten Paulus tritt D. T ROBISCH , Paulus, 93-98 ein (Phil 4,3), romanhaft verdichtet bei DEMS ., Clown. 42 1 Tim 3,2-5.12; Tit 1,6, dazu ausführlich B. M UTSCHLER , Glaube, 237-240. In dieselbe Richtung weisen die Haustafeln in Kol 3,18-4,1; Eph 5,22-6,9, dazu o. S. 126-132. <?page no="158"?> 6.1 Eine biblische Spurenlese als Ausgangspunkt 159 6.1.4 Afamiliarität aus Gründen der Nachfolge Grenzen familiärer Bindung sind im Neuen Testament beim Thema Nachfolge erreicht. Jesu Ruf in die Nachfolge weg von Arbeit, Haus und Fischernetz gilt nicht nur den zwölf Jüngern 43 , sondern einem weiteren Kreis von Anhängern 44 . Den Gerufenen ist ein persönlicher Rückblick, ein Abschied von Lebenden und von Toten, verwehrt 45 . Für sie gilt stattdessen (Lk 9,62): Niemand, der die Hand an den Pflug legt und zurückschaut, taugt für das Reich Gottes. Mehr noch: Das Bekenntnis zu Jesus bringt erklärtermaßen keinen Frieden, sondern „Entzweiung“ und „Schwert“ mitten in Familien und Häuser, wie Jesus explizit betont 46 . Nachfolge Jesu setzt ein afamiliäres Verhalten frei, das falsch verstanden sogar als lebensverachtend interpretiert werden kann: Wer zu mir kommt und nicht Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern und dazu auch sein eigenes Leben hasst, kann nicht mein Jünger sein. 47 Freilich müssen familiäre Beziehungen „nicht prinzipiell zerbrechen unter dem Ruf in die Nachfolge Jesu; sie dürfen aber auch nicht aufhalten“ 48 . All dies zeigt: Einerseits vertritt Jesus eine traditionell orientierte, eher „moderate(r) Familienethik“, andererseits verpflichtet er Einzelne zu „asketischem Wanderradikalismus“ 49 und einer Absage an die eigene Familie 43 S. Mk 1,16-20 parr. Mt 4,18-22 und Lk 5,1f.10f; Mk 2,14 parr. Mt 9,9 und Lk 5,27f; Mk 3,13-19 parr. Mt 10,1-4 und Lk 6,12-16. 44 Als Beispiel s. Lk 9,57-62 par Mt 8,18-22. Zur Auslegung s. P. B ALLA , Relationship, 130-156. 45 S. für Lebende Lk 9,61f; Tote: Mt 8,21 par Lk 9,59f; Ehefrau: Lk 14,15-17.20f. 46 Mt 10,34 (ma3caira) par Lk 12,51-53 (diamerismo3V); vgl. EvThom 16. Letzteres stellt nach M. F IEGER , Thomasevangelium, 80 „ein deutliches Mischzitat“ aus beiden dar, während R. N ORDSIECK , Thomasevangelium, 84 an „eine selbständige parallel zu Q laufende Überlieferung“ denkt. Zu Jesu Bruch mit der Familie s. G. T HEISSEN , Jesusbewegung, 38-41; ferner ebd., 67-70. 47 Lk 14,26 par Mt 10,37; vgl. EvThom 55, nach M. F IEGER , Thomasevangelium, 166 wiederum „ein Mischzitat“, während R. N ORDSIECK , Thomasevangelium, 221 in diesem Fall an „unabhängige Überlieferung“ denkt, die möglicherweise „älter als die Q- Überlieferung“ ist. Inhaltlich liegt eine Übertreibung vor, s. W. E CKEY , Lukasevangelium II, 670f (671): „Das Wort ‚hassen‘ kann (…) nur als ein provozierend übertreibender, in seiner Mißverständlichkeit zu Rückfragen herausfordernder sprachlicher Ausdruck für den in der Regel nur unter Schmerzen zu erringenden inneren und im Ernstfall auch äußeren Abstand von nahen Angehörigen, die Macht über mich haben und diese in einer die Verbundenheit mit Jesus bedrohenden Weise ausüben, gedeutet werden. Es kann aber durchaus sein, daß Jünger Jesu ihren natürlichen Angehörigen wegen der Lösung aus der Familienbindung als Hasser erschienen.“ 48 S. www.theologie.uni-hd.de/ predigten/ 050821.pdf (24.08.2012). 49 G. T HEISSEN , Erleben, 436. <?page no="159"?> 6 Perspektiven eines evangelischen Verständnisses von Familie 160 um des Reiches Gottes willen 50 . An dieses afamiliäre Ethos knüpft der Apostel Paulus zwar an; aber „in den nachpaulinischen Briefen“ des Neuen Testaments wird es eher „zurückgedrängt“ 51 . Die „familienstützenden Tendenzen in Jesu Botschaft“ dagegen werden im frühen Christentum insgesamt fortgesetzt 52 . 6.1.5 Gemeinde übernimmt Familienfunktionen Die christliche Gemeinde übernimmt allmählich sowohl programmatisch als auch faktisch einzelne Familienfunktionen. Initiiert wurde diese Entwicklung wiederum durch Jesus, der damit an alttestamentliche Muster anknüpft 53 . Jesus lebte in Distanz zu seiner eigenen Familie. Dies deutet sich bereits in der Erzählung vom Zwölfjährigen im Tempel an, wo er seinen Eltern, nachdem sie ihn drei Tage lange gesucht hatten, entgegnet: Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich im Haus meines Vaters sein muss? 54 In ähnlicher Weise brüskiert er seine Mutter und seine Geschwister, als sie ihn aus dem Verkehr ziehen möchten 55 . Anstelle der natürlichen, leiblichen Familie proklamiert er neue, bislang unerhörte Verwandtschaftsformen. Kriterium für die Zugehörigkeit zu dieser neuen Familie ist das Tun des Willens Gottes: Wer den Willen Gottes tut, der ist mir Bruder und Schwester und Mutter. 56 Dieser Satz verbindet die Wertschätzung familiärer Bande mit dem Ruf in die Nachfolge als einem dem Reich Gottes gemäßen Leben. Die natürliche 50 Mit M. D OMSGEN , Familie und Religion, 274 ist festzuhalten: „Die Wahrnehmung beider Tendenzen bewahrt vor einseitigen Schwerpunktsetzungen“, wie sie vielfach im Laufe der Kirchengeschichte aufgekommen sind und wohl zu allen Zeiten im Christentum wahrnehmbar sind. Zu familienfreundlichen und familienkritischen Zügen Jesu s. auch H.-J. K LAUCK , Familie, 14-24. 51 G. T HEISSEN , Erleben, 449. 52 Op. cit., 437, vgl. auch insgesamt ebd., 434-455. 53 „Für das Dtn ist das gesamte Volk (inklusive Sklaven, Fremden, Leviten, Witwen) F.[amilie] Jhwhs“, so A. B ERLEJUNG , Art. Familie, 180; s. ferner Fremdlingschaft in Lev 25,23; 1 Chr 29,15; Ps 39,13; zum Verständnis s. ausführlich R. F ELDMEIER , Christen, 39-54. 54 Lk 2,41-52(49). In Nazaret angekommen, ist er den Eltern wieder gehorsam, s. 2,51. 55 Mk 3,21: Jesu Verwandte „machten (…) sich auf, um sich seiner zu bemächtigen, denn sie sagten: Er ist von Sinnen.“ S. auch Joh 7,5. 56 Mk 3,(31-)35 parr. Mt 12,(46-)50 und Lk 8,(19-)21; vgl. EvThom 99, das nach M. F IEGER , Thomasevangelium, 250-252 von den synoptischen Evangelien abhängig ist - möglicherweise durch eine „Evangelien-Harmonie“ (ebd., 252) -, während R. N ORDSIECK , Thomasevangelium, (345-)347 für „zwei ursprüngliche Überlieferungsstränge“ plädiert. <?page no="160"?> 6.1 Eine biblische Spurenlese als Ausgangspunkt 161 Familie wird erklärtermaßen substituiert durch die Gemeinde. Der Riss durch Familien und Häuser um Jesu und um Gottes willen wird gemildert und in gewissem Sinn geheilt durch die Vielzahl neu gewonnener „Schwestern und Brüder“. Die ganze Gemeinde wird zur neuen Familie. Auf den Hinweis des Petrus „ 28 Wir hier haben alles verlassen und sind dir gefolgt“ antwortet Jesus: 29 Da ist keiner, der um meinetwillen und um des Evangeliums willen Haus, Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder oder Äcker verlässt 30 und der nicht hundertfach empfängt, jetzt in dieser Zeit Häuser, Brüder und Schwestern, Mütter und Kinder und Äcker inmitten von Verfolgungen, und in der kommenden Welt ewiges Leben. 57 Tatsächlich trafen sich im frühen Christentum die Christen zwischen Jerusalem, Kleinasien und Rom zum Brotbrechen „in ihren Häusern“ 58 . Damit geschieht etwas Entscheidendes: In den Häusern kommen Menschen zusammen, die - insofern sie Leib Christi und Gemeinde sind - „als eine Art F.(amilie) aufgefaßt“ werden 59 . Neben die Begründung in der Lehre Jesu (ethisch: den Willen Gottes tun) stützt eine ekklesiologische Begründung (sakramental: ein Leib Christi) die Interpretation der Gemeinde als Familie. Der dissoziierenden Wirkung des Christseins wird somit eine sozialisierende Funktion der Hausgemeinden gegenübergestellt, die historisch als Anlehnung an jüdische Haussynagogen plausibel sind 60 . Die sozialen und in vielen Fällen auch familiären Kosten der Nachfolge werden dadurch zwar nicht vollständig kompensiert (dies dürfte nur in Ausnahmefällen der Fall gewesen sein), aber doch gemildert oder zumindest gedämpft 61 . All dies zeigt: Seit seinen Anfängen verfügt der christliche Glaube über verbindende Kräfte, die zunächst einander ganz fremde Menschen mittels gemeinsamer Zugehörigkeit zum Leib Christi zu einer neuen, familienähnlichen Verbundenheit führen. In der Gemeinde können nach Bedarf und Möglichkeiten Väter und Mütter, Schwestern und Brüder, Söhne und Töchter, Enkel und Großeltern gefunden werden. Denn die ganze Gemeinde kann im Sinne Jesu als die eine Hausgemeinschaft Gottes, als die eine, neue Familie Gottes, verstanden werden (1 Tim 3,15 62 ). Für eine Zeit, in der sich Familien beinahe schneller auflösen als sie entstehen, liegen hier jeweils vor Ort Potentiale, die kreativ und ideenreich ausgeschöpft und genutzt werden könnten. 57 Vgl. Mk 10,28-30 parr. Mt 19,27-29 und Lk 18,28-30. In Mk 10,29f wird der „pater familias im wahrsten Sinn des Wortes eliminiert“, s. M. E BNER , Haus, 177f. 58 S. Act 2,46; 1 Kor 16,19 (Ephesus); Kol 4,15 (Kolossä); Phlm 2; Röm 16,5; H.-J. K LAUCK , Familie, 24-27; ausführlich R.W. G EHRING , Hausgemeinde. 59 A. L EMAIRE , Art. Familie, Sp. 658. 60 C. C LAUSSEN , Hausgemeinde, 77. 61 Vgl. B. M UTSCHLER , Art. Hausgemeinde; ferner P. M ÜLLER , Brief an Philemon, 43-48. 62 S. außerdem 1 Petr 2,5; 4,17; Hebr 3,6; 10,21; Joh 14,2. <?page no="161"?> 6 Perspektiven eines evangelischen Verständnisses von Familie 162 6.1.6 Ergebnis Wir beenden an dieser Stelle unseren exegetischen und historischen Streifzug 63 und ziehen einige Konsequenzen mit Blick auf die Gegenwart: 1. Familie ist in der Bibel fast niemals eine Kleinfamilie, bestehend aus einem Elternpaar und Kindern. Meist handelt es sich um einen größeren, teilweise sogar viel größeren Verband, der selbstverständlich generationenübergreifend ist und verschiedenste Formen von ein- oder wechselseitigen Abhängigkeiten einschließt. Konstitutiv für die Leitung ist in den biblischen Familien das Familienoberhaupt - in der Regel ein Patriarch - oder (im Blick auf die frühchristlichen „Häuser“) eine Patronin wie Lydia 64 bzw. ein Patron. Leitung und Letztverantwortung für getroffene Entscheidungen sind notwendige Rollen in jeder Familie. Wie sie jedoch besetzt und verteilt werden, bestimmt jede Zeit und jede Familie im Rahmen ihres Umfelds und ihrer Möglichkeiten selbst. Heutzutage ist die Familie die wohl häufigste und kleinste demokratische Zelle. Das vielerorts selbstverständliche Gremium eines Familienrats oder einer Familienkonferenz z.B. (die Beratungen können informell oder formell, spontan und nach Bedarf oder regelmäßig einberufen werden) leistet wichtige Beiträge zu Partizipation, Transparenz, Fairness, Abwägung von Alternativen, Entscheidungsfindung und gemeinschaftlicher Übernahme von Verantwortung 65 ; weitere Themenfelder wie Geschäftsordnungsfragen, Sitzungsdynamik, achtsamer Umgang miteinander oder Respekt können dadurch bearbeitet und eingeübt werden. 2. In erster Linie scheint Familie in biblischen Zeiten eine Solidargemeinschaft zu sein, die allen ihren Gliedern Rückhalt, Sicherheit, Fürsorge und Schutz im Leben gibt 66 . Lange vor neuzeitlichen Errungenschaften wie Freiheit der Person, allgemeinen Menschenrechten, Bürgerrechten, Grundrechten oder Sozialversicherungen war die Zugehörigkeit zu einer Familie, einem „Haus“, weitaus mehr eine notwendige Voraussetzung für das physische und soziale Überleben als es heute der Fall ist. Im Blick auf die Gegenwart ist der Zugewinn an Freiheit, Rechten und gesellschaftlicher Solidarität ein Fortschritt gegenüber biblischen und antiken Verhältnissen und 63 Für detailliertere Informationen s. etwa S.A. P ANIMOLLE , Famiglia; F. B IANCHI et al., Matrimonio; R.S. H ESS / M.D. C ARROLL , Family in the Bible; H. M OXNES , Family; C. O SIEK / D.L. B ALCH , Families; H.-J. K LAUCK , Familie; J. M ALDONADO , Families; D. J A- COBS -M ALINA , Patriarchy; G. B ARBAGLIO et al., Famiglia; B. and J. N ORRIS , Bible; T.B. M ASTON / W.M. T ILLMAN , Bible. 64 Act 16,14f.40; s. ferner Maria, Mutter des Johannes Markus, Act 12,12; Nympha, Kol 4,15; zu frühchristlichen Patroninnen s. C. O SIEK / M.Y. M ACDONALD , Woman, 194-219. 65 Bei wichtigen Fragen, z.B. Investitionsentscheidungen, sind Erweiterungen zum Verwandtschaftsrat möglich. Unterausschüsse in Form der Familiengruppenkonferenz sind ebenso möglich. 66 Detailliert entfaltet bei L.G. P ERDUE , Family, 192-203. <?page no="162"?> 6.1 Eine biblische Spurenlese als Ausgangspunkt 163 keinesfalls ein beklagenswerter Zustand. Insofern manche Familienkrise auch eine Emanzipation von überkommenen Abhängigkeiten widerspiegelt, ist sie als Chance zu mehr Teilhabe und zu größerer Verantwortung zu begrüßen. 3. Die Wirtschaftsgemeinschaft Familie hatte in biblischen Zeiten einen gemeinsamen Arbeits- und Festkalender im Jahreslauf. Sie teilte dabei Arbeits- und Ruhezeiten, Alltag und Feste, Not und Brot. Sie teilte aber auch gemeinsame religiöse Anschauungen, ethische Vorstellungen und kultische Erfahrungen. Sie bildete entweder selbst eine Religionsgemeinschaft oder war Teil einer solchen, wobei sich die Zugehörigkeit in der Regel am Familienoberhaupt orientierte 67 . Die Mitglieder einer Familie blickten im Leben und im Sterben auf denselben Horizont; um es modern zu formulieren: Sie teilten denselben Glauben und dieselbe Weltanschauung 68 . Im Blick auf die Gegenwart ist hier eine unglaubliche Pluralisierung eingetreten. Alle Familienmitglieder sind mündiger und selbständiger in ihren Entscheidungen geworden. 4. Trotz eines Verhältnisses der Treue, Fürsorge und Verantwortung bis hin zu gegenseitiger Haftung und Hilfe in den Notlagen des Lebens, trotz der Gewährleistung von sozialer und persönlicher Sicherheit und trotz der Schaffung eines Raumes der Geborgenheit hatte das Organisationsmodell Familie auch nach dem biblischen Zeugnis klare Grenzen. Die Familie durfte nicht an die Stelle Gottes oder in Konkurrenz zu Gott treten. Dies war aus theologischer Perspektive die entscheidende Grenze für die Entfaltung von Familien und Häusern 69 . Wenn Gott einen Propheten berief, wenn Jesus einen Jünger oder eine Jüngerin berief, wenn der auferstandene Christus einen Apostel als Zeugen in seinen Dienst rief, dann durften familiäre Bindungen davon nicht abhalten. Der biblische Leitsatz „Man muss 67 Vgl. Gen 21,3; Ex 12,4; G. L ANCZKOWSKI , Art. Haus I, 475. Zur alttestamentlichen Familienreligiosität s. R. A LBERTZ / R. S CHMITT , Family, passim; E. H ODOSSY -T AKÁCS , Families, 42-45; J. B LENKINSOPP , Family, 78-82; L.G. P ERDUE , Family, 203-207; ferner o. S. 100f. Darüber hinaus dienten familiäre Rollen und Funktionen vielfach als Metaphern innerhalb der Hochreligion, s. DERS ., Household, 225-234. L.G. P ERDUE , Household, 254 resümiert daher: „The social reality of the family household, in addition to the monarchy, provides one of the major paradigms for theologizing in the Old Testament.“ Zur religiösen Funktion der Familie im Judentum und frühen Christentum s. J.M.G. B ARCLAY , Family, 68-78. 68 Bereits P. S CHMIDT , Vater, 116 verweist darauf, dass „Einheit und Geschlossenheit in Lebensauffassung und Erziehung“ meist um den Preis der „Unterdrückung der Einzelpersönlichkeit, meistens der Frau und der Kinder, die zu einer unmündigen Anpassung an die jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse führten“, erkauft wurden. Zur spezifischen religiösen Praxis von Frauen s. Ph.A. B IRD , Frauenarbeit, 27-35; ferner Th. S EIDL , Tänzerinnen. 69 S. A. M ERZ , Art. Familie, 181: „Rechte wie Pflichten aller Familienmitglieder finden ihre Grenze an dem übergeordneten Willen Gottes, der im Konfliktfall F.[amilien] zerbricht und eine neue F.[amilie] konstituiert“. <?page no="163"?> 6 Perspektiven eines evangelischen Verständnisses von Familie 164 Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (Act 5,29) wendete sich also nicht nur gegen staatliche und religiöse Autoritäten, sondern auch gegen familiäre Beharrungskräfte und die hinter diesen stehenden Patriarchate (meist waren es in biblischen Zeiten Patriarchate). Stattdessen bildete sich in der Nachfolge Jesu und im Tun des Willens Gottes eine neue Familie, ein neues Haus Gottes, die Gemeinde. Im Blick auf die Gegenwart liegt in der Ortsgemeinde ein vielfach ungehobener Schatz: ein immenses gemeindefamiliäres Potential, das es liturgisch, gemeindepädagogisch, diakonisch und sozial zu heben und zu fördern gilt. 5. All dies zeigt mit Blick auf die Gegenwart: Obgleich sich die bürgerliche Kleinfamilie bislang als erstaunlich robust und erfolgreich erweist 70 , handelt es sich nach unserer Überzeugung weder um die einzig mögliche Form christlichen Zusammenlebens noch um eine unberührbare oder gar sakrosankte Form. Im Verhältnis zu dem immensen Reservoir biblischer Familienerfahrungen 71 stellt die Kleinfamilie sowohl eine Ausnahme als auch eine Engführung dar. Im Blick auf die Gegenwart handelt es sich um eine Vereinfachung, eine Idealisierung (Ideale sind in der Regel einfach) und eine Wunschvorstellung. Aber das Leben ist in vielen Fällen weder ideal noch einfach, auch nicht in Kleinfamilien. Die Evangelische Kirche wäre daher aus zwei Gründen schlecht beraten, ihren Familienbegriff einseitig auf die Form der traditionellen Kleinfamilie festzulegen oder nur daran auszurichten: Denn dieses Modell funktioniert erwiesenermaßen in vielen Fällen nicht, und es stellt nur eine, wenngleich besonders beliebte und häufige Ausprägung familiären Zusammenlebens dar 72 . 6.2 Gegenwärtige Perspektiven eines evangelischen Verständnisses von Familie Fragt man nach den gegenwärtigen Perspektiven eines evangelischen Verständnisses von Familie, dann kann eine biblische Spurenlese hilfreich sein, da sie selbst ein eindrucksvolles Zeugnis „von der Buntheit, der Vielfalt, der Verworrenheit, aber auch menschlichem Versagen, unlauteren Interessen und der Schuldhaftigkeit“ innerhalb von Familien und des Umgangs damit darstellt 73 . Im Einzelnen stiftet eine biblische Spurenlese zu einer 70 S. knapp K. B ÖLLERT , Familie, 78; ferner K. S CHRÖDER / C. W ALDECK , Danke, 77-99. 71 S. auch aus philosophischer Perspektive bei J. N EWMAN , Religion, 33-193. 72 Zur Vielfalt gegenwärtig rechtlich möglicher Familienformen s. R. N AVE -H ERZ , Familie, 16f (18 Typen). Diese Vielfalt wächst weiter, s. M. D OMSGEN , Familie und Religion, 50-61; ebd., 275: „Nicht eine bestimmte Form der Familie ist theologisch relevant.“ 73 B. M UTSCHLER , Jakob, 13. S. nur exemplarisch o. S. 82-90. <?page no="164"?> 6.2 Gegenwärtige Perspektiven eines evangelischen Verständnisses von Familie 165 Reihe verschiedener Überlegungen an 74 . Sie werden im Folgenden unter den Aspekten (1) Grenzen des Familiendenkens und -lebens, (2) Gemeinde als größere Familie, (3) die eigene Familie, (4) Familie unter Druck, (5) Familie evangelisch und (6) Familie als Lebensgewinn, Last und Freude dargestellt. 6.2.1 Grenzen des Familiendenkens und -lebens Ein vom Evangelium herkommendes Verständnis von Familie weiß um die Grenzen dieses Modells. Theologisch können sie in drei Hinsichten bestimmt werden: durch Gott, durch Menschen und durch die Zeit gesetzt. Grenzen der Familie sind dort erreicht, wo Menschen sich offenbar entscheiden müssen zwischen einer fortgesetzten engen Zugehörigkeit zu ihrer Familie und einem neuen Weg, auf den Gott einen Menschen weist. Wo Gott einen Menschen unüberhörbar ruft, hat das Familienleben seinen Anspruch auf einen Menschen verloren. Das Doppelgebot der Liebe, das Jesus mit Schriftgelehrten seiner Zeit teilt, beginnt stets mit der Liebe zu Gott 75 . Grenzen der Familie sind dort erreicht, wo Menschen sich offenbar so weit entzweien, dass sie durch „Zorn, Zank, Hass, Neid und Streit“ 76 schuldig aneinander werden. Im Kleinen wird das Familienleben dann intern beschädigt, im Großen kann es auch für andere sichtbar auseinander führen oder sogar beendet werden. Aneinander schuldig zu werden, ist Teil der menschlichen Lebensbedingung (condicio humana). Diese ist aber gleichsam eingebettet in den göttlichen Trost des neuen Anfangs und in den Aufruf zu einer von Christus her ermöglichten Versöhnung. Grenzen der Familie sind schließlich dort erreicht, wo Menschen offenbar so lange als Familie zusammenleben, bis sie aus natürlichen Gründen hinauswachsen - durch Erwachsenwerden, Eheschließung oder Tod. Diese Grenzen sind letztlich von Gott gesetzt, denn er hält alle Zeit in seinen Händen 77 . Ein vom Evangelium herkommendes Verständnis von Familie kennt und respektiert die von Gott gesetzten oder von Menschen verursachten Grenzen des Familienlebens und widersteht der Versuchung einer Glorifizierung oder Verabsolutierung dieses Modells des Zusammenlebens. 74 Für eine reformatorische Spurenlese s. z.B. E. K RAMP -F RANKE , Ehe- und Hausstand, 119-158 zu „Luthers Lehre vom christlichen Ehe- und Hausstand“. 75 Mk 12,28-34 parr. Mt 22,34-40 und Lk 10,25-28. In der Markusversion bestätigt der Schriftgelehrte Jesus, in der lukanischen Version Jesus den Gesetzeslehrer. 76 Vgl. die siebte Strophe des Pfingstliedes „Zieh ein zu deinen Toren“, Evangelisches Gesangbuch, Nr. 133,7. 77 Vgl. nur das Kirchenlied „Der du die Zeit in Händen hast“, Evangelisches Gesangbuch, Nr. 64. <?page no="165"?> 6 Perspektiven eines evangelischen Verständnisses von Familie 166 6.2.2 Die größere Familie - die Gemeinde Was kommt jenseits der Grenzen des Familiendenkens und -lebens? Ein vom Evangelium herkommendes Verständnis von Familie ist getragen vom Wissen und von der Zuversicht der „neuen Familie“ Jesu, des „Hauses Gottes“ 78 , nämlich der Gemeinde als der weltweiten, ökumenischen Gemeinde ebenso wie der konkreten örtlichen Kirchengemeinde. Dies hat viele erfreuliche Konsequenzen, von denen ich lediglich vier andeute: Gelassenheit, Gemeinschaft, Egalität und Potential sind ihre Stichworte. Wenn die Gemeinde als Familie Gottes verstanden wird, werden Menschen von Fragen der Familiengestaltung und des Familienstandes entlastet. Sie werden psychisch entlastet, da nicht alle Glückserwartungen (erst recht nicht jene, die ohnehin überspannt sind) innerhalb der eigenen Familienkonstellation unbedingt erfüllt werden müssen, sondern ein Austausch und Ausgleich mit anderen Menschen stattfinden kann; und sie werden faktisch entlastet, da zahlreiche Angebote kirchlicher Diakonie, kirchlicher Bildungs- und Gemeindearbeit der eigenen Familiensituation - vom Kleinkind über Jugendarbeit bis hin zu Pflege und Hospiz - zugute kommen können. Wenn die Gemeinde als Familie Gottes verstanden wird, gibt es in ihr keine Afamiliarität im strengen Sinn mehr. Die Zugehörigkeit zum selben Leib Christi und die Feier desselben Heiligen Abendmahls stiften Gemeinschaft und verbinden Menschen verschiedener Prägung und Herkunft miteinander, ungeachtet ihres Familienstandes und ihrer familiären Situation. Sie alle sind Schwestern und Brüder. Auch für Alleinstehende und vermeintlich „Afamiliäre“ unterhalten Kirchen, Diakonie und Gemeinden zahlreiche Angebote, die für alle offen sind, und neue, innovative Angebote können nach Bedarf jederzeit eingerichtet werden. Wenn die Gemeinde als Familie Gottes verstanden wird, wird eine weitere defizitorientierte Betrachtung und Sprache zurechtgerückt. In der Familie Gottes gibt es nicht Ledige, Verheiratete, Kinderlose, getrennt Lebende, Geschiedene oder Verwitwete, sondern Menschen in verschiedenen Lebenssituationen, die zur geschwisterlichen Begegnung untereinander aufgerufen sind. Der Gedanke der Gleichheit (Egalität) ist dabei grundlegend. Lediglich das „Haupt“ 79 dieser Familie ist herausgehoben. Es ist der gekreuzigte und auferstandene Jesus: ein „Herr“, der allen Mitgliedern dient. Darum ist der Gedanke des selbst gewählten Dienens maßgeblich für das Leben in dieser Familie 80 . Schließlich gibt es, wenn die Gemeinde als Familie Gottes verstanden wird, in dieser ein immenses Potential, um die bestehenden Familien mit 78 Nach 1 Tim 3,15 ist das „Haus Gottes (…) die Gemeinde des lebendigen Gottes, Pfeiler und Fundament der Wahrheit“. 79 Eph 1,22; 4,15; 5,23; Kol 1,18; 2,10.19. 80 S. z.B. Lk 22,24-30, dazu B. M UTSCHLER , Antworten, passim. <?page no="166"?> 6.2 Gegenwärtige Perspektiven eines evangelischen Verständnisses von Familie 167 ihren vielfachen, manchmal hoch komplexen Herausforderungen zu begleiten, mit zu tragen und zu unterstützen. Für ein vom Evangelium herkommendes Verständnis von Familie ist die Gemeinde die größere Familie, innerhalb der sich alle ihre Glieder und Familien entfalten können und getragen wissen. Die Gemeinde übernimmt Familienfunktionen. Dies vermag Familien an vielen Stellen zu entlasten 81 . 6.2.3 Die eigene Familie Familie ist eine überaus persönliche Angelegenheit. Ein vom Evangelium herkommendes Verständnis von Familie sucht den Zugang zur eigenen Biographie „im Glauben“, d.h. im Vertrauen auf Gottes Güte und Verheißung. Die eigene Familiensituation wird dabei gleichsam nach rückwärts in die Vergangenheit beleuchtet und interpretiert und nach vorwärts in die Zukunft entworfen und immer wieder neu durchgespielt. Dazu einige wenige Erläuterungen: „Familie haben alle“ 82 . Vater und Mutter stehen am Lebensbeginn jedes Menschen, und zwar unabhängig davon, welche Erfahrungen jemand mit ihnen macht und ob sie bekannt sind. Ebenso wächst jeder Mensch in einem Haushalt auf, der insofern seine Familie ist oder dazu wird. Aufwachsen ist ohne eine Verbindung zu irgendeiner Familie nicht möglich 83 . Insofern haben alle eine Familie. Es ist eine Vorfindlichkeit des Lebens jedes Menschen, Teil einer Familie zu sein. Diese gilt es auch vom Evangelium her zu entdecken und zu deuten, z.B. mit den Augen der Barmherzigkeit und des Staunens, aber auch des Verständnisses und des Verzeihens. Spätestens wenn ein Mensch erwachsen wird, sucht er nach dem eigenen, weiteren Weg. Vom Evangelium herkommend, erfolgt diese Suche ergebnisoffen. Im Vertrauen auf Gottes Güte und Verheißung könnte der eigene Weg zwar im Alleinsein liegen, genauso gut aber auch in einer Partnerschaft oder der Gründung einer eigenen Familie. Dabei liegt auf der Ehe ein ganz besonderer Segen - „Vater und Mutter verlassen und ein Fleisch 81 Zu den Entwicklungsmöglichkeiten einer familienorientierten Gemeinde s. Arbeiten von M. D OMSGEN , Gemeinden; Gemeinde; Gemeindeentwicklung; Beziehungen; Kirche, 7-12. Einen neueren Überblick über die familienbezogene Arbeit der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Hessen-Nassau und Württemberg gibt S. J O- HANN , Familie, 21-63; zu Württemberg s. außerdem das Schwerpunktthema E VANGE - LISCHER O BERKIRCHENRAT , Jahresbericht, 10-35; daneben gibt es praxisorientierte Leitfäden zur Gemeindeentwicklung, z.B. K IRCHENGEMEINDEN - O RTE . 82 So der vollständige Titel eines Buches von W. H UBER . 83 Zur Entdeckung von Eltern und Geschwistern können familientherapeutische Anregungen nützlich sein, s. M. M C G OLDRICK , Spurensuche, 197-268. Familiengeschichten zu erzählen, hat wichtige Funktionen, s. R. W ELTER -E NDERLIN , Familiengeschichten, 19-21. <?page no="167"?> 6 Perspektiven eines evangelischen Verständnisses von Familie 168 sein“ 84 - ebenso wie auf eigenen Kindern: „Seid fruchtbar und mehrt euch! “ 85 Im Vertrauen darauf legt sich für ein evangelisches Familienverständnis ein auch für Umfeld und Gemeinde erkennbar geregelter Umgang mit Partnerschaft und Kind bzw. Kindern nahe. Freilich ist das „Abenteuer Leben“ mit der Entscheidung für oder gegen die Gründung einer eigenen Familie noch lange nicht bestanden, im Gegenteil! Stürmisch wird das Leben einer Familie fast von selbst. Aber sie bleibt auch selbst auf Dauer fragil: Größere, auch unfreiwillige Lebenskurven und Wechselbäder sind fast durchgängig möglich. Das Vertrauen auf Gottes Güte und Verheißung findet hier ein tägliches Feld der Bewährung - und manchmal täglich ein neues. Letztlich bleibt jede Familiensituation nach vorne offen. Dies tut jedoch einer doppelten Geborgenheit aller ihrer Glieder keinen Abbruch: derjenigen in Gott (im Glauben) und derjenigen in „Gottes Haus“, d.h. der Gemeinde Jesu Christi (in der Liebe) 86 . Ein am Evangelium orientiertes Verständnis von Familie wagt die Auseinandersetzung mit der eigenen Familienbiographie in beide Blickrichtungen: in die Vergangenheit und in die Zukunft, aber jeweils vom Evangelium her. Beide Blickrichtungen ergänzen und erweitern die Gestaltung und Fortentwicklung der eigenen familiären Situation in der Gegenwart, die ebenfalls von Jesu im Evangelium gegebenen Zuspruch und Anspruch her erfolgen. 6.2.4 Familie unter Druck Ein am Evangelium orientiertes Verständnis von Familie nimmt den auf Familien lastenden Druck sensibel wahr, spricht ihn aus und sucht gemeinsam mit Familien, Politik und anderen gesellschaftlichen Kräften diesen Druck zu vermindern. Dabei sind ausdrücklich auch staatlich verantwortete Gestaltung und Fürsorge gefordert. Denn Familien bauen sich (ähnlich wie Universitäten) ihren Nachwuchs selber auf; der Fortbestand einer Gesellschaft und eines Staates hingegen ist unhintergehbar auf das generative Potential von Familien angewiesen. Das zunächst familiäre Faktum der Generativität kommt daher im Ergebnis wesentlich dem Staat zugute. In gemeinsamen Anstrengungen sind insbesondere diejenigen Familien, die mit 84 Gen 2,24, von Jesus zitiert in Mk 10,7f par Mt 19,5, ferner in Eph 5,31; s. außerdem 1 Kor 6,16. 85 Gen 1,28, aufgegriffen in 9,1.7, ferner in 47,27; Ex 1,7; s. außerdem Gen 6,1. 86 Vgl. dazu M. L UTHER , Freiheit, WA 38,6-10 bzw. 263 (Insel-Ausgabe): „Aus dem allen folgt der Satz, daß ein Christenmensch nicht in sich selbst lebt, sondern in Christus und seinem Nächsten - in Christus durch den Glauben, im Nächsten durch die Liebe. Durch den Glauben steigt er über sich hinaus zu Gott; aus Gott steigt er unter sich hinab durch die Liebe und bleibt doch immer in Gott und in der göttlichen Liebe“. <?page no="168"?> 6.2 Gegenwärtige Perspektiven eines evangelischen Verständnisses von Familie 169 immer neuen Schwierigkeiten besonders hart konfrontiert sind, auf ihrem Weg zu begleiten sowie Möglichkeiten der Druckminderung und Angebote des Erlernens von Bewältigungsstrategien zur Verfügung zu stellen. Der Druck lastet zunächst auf den Eltern, und er kann sozial, beruflich oder pädagogisch begründet sein. Die Möglichkeiten dafür sind Legion. Daher seien einige Beispiele genannt: Wohnraumnot oder ungünstige Wohnlage, Arbeitslosigkeit und Jobangst, Abstiegsangst, Einkommensnöte, erhöhte Ausgaben aufgrund besonderer Herausforderungen, Karriereknick aufgrund von Familienzeiten, nüchterne eigene Lebensbilanz und damit verbunden wenig Selbstvertrauen, Disharmonie, Betreuungsengpässe, vermindertes Zeitbudget 87 , pädagogische Verantwortung für Kinder über viele Jahre hinweg, Erwartungen der Kirche bzw. von Kirchenmitgliedern, Überforderung durch moderne Medien, ungebetene Miterzieher, frühe Abnabelung, enge Zeitfenster auch von Seiten der Kinder aus, fehlende Rekreation, nicht zuletzt der Vorbildcharakter für Kinder 88 . Der Druck lastet aber auch auf den Kindern. Er kann u.a. ausgelöst sein durch mangelnde Zeiten und Räume zum Spielen, fehlende oder nicht kindgemäße Frühförderung, schulische Verdichtung (achtjähriges Gymnasium), Leistung- und Konkurrenzdenken, außerschulische sportliche, musische, ehrenamtliche Engagements, Begrenzung der Zeiten und Räume zur Selbstfindung, Konsum- und Markendruck, mediale Dauerberieselung, Bewegungsmangel, Abwesenheit oder Überlastung der Eltern, keine stabilen oder zu häufig wechselnde Bezugpersonen. Wird der Druck, der auf Eltern lastet, auf ihre Kinder umgeleitet, dann entstehen unsichere und wahrhaft explosive Familienräume, die weder die notwendige Geborgenheit noch den zu einem gesunden Wachstum notwendigen Rückhalt bieten. Dann werden die persönlichen, familiären und beruflichen Risiken von morgen bereits heute bestmöglich vorbereitet und sozusagen vorbestellt. Besondere Risikopotentiale liegen in den Bereichen Armut, Umzug, Migration und Integration, Mehrkulturalität, Beschleunigung, gesundheitliche und familiäre Einschränkungen sowie Disharmonie. Ein evangelisches Verständnis von Familie hat die Aufgabe, diese vielfältigen Belastungen auch in den Zusammenhang eines gemeinsamen religiösen Lebens zu stellen, im Rahmen der religiösen Erziehung auf den auf der Familie lastenden Druck einzugehen und selbst produktive Möglichkeiten des Umgangs mit belastenden Umständen vorzuleben. Dabei kann eine Reihe von Bewältigungsstrategien oder Gegenkräften Familien unter Druck helfen. Wiederum seien einige Beispiele genannt: eine Neuentde- 87 S. dazu G EMEINSCHAFTSWERK DER E VANGELISCHEN P UBLIZISTIK , Familien, passim. 88 Für ausführliche Untersuchungen zu Bedürfnissen und Befindlichkeiten von Eltern s. zuletzt H. B ERTRAM / C.K. S PIESS , Eltern; T. M ERKLE / C. W IPPERMANN , Eltern. Zu dem auf Familien insgesamt lastenden Druck s. auch M. W INKLER , Erziehung, 105-131. <?page no="169"?> 6 Perspektiven eines evangelischen Verständnisses von Familie 170 ckung der Großfamilie oder eine Entwicklung von Wahlverwandtschaft, Vernetzungen zwischen Gemeinde und Familie, Ganztagesbetreuung auch durch Schulen, Reduktion auf das Bewältigbare, Formulierung und Neuentdeckung von Herausforderungen und Möglichkeiten für ein gemeinsames Familienleben, Begrenzung der beruflichen Laufbahn (Ehrgeiz zähmen), Entschleunigung, vermehrt gemeinsame Zeiten, keine Weitergabe von selbst erfahrenem Druck an Familienmitglieder. Familien stehen heute vor der besonderen Herausforderung, eigene Bewältigungsstrategien und Unterstützungen aktiv zu suchen, mit zu entwickeln und unter Berücksichtigung von Fairness für sich selbst zu nutzen. 6.2.5 Familie evangelisch Ein evangelisches Verständnis von Familie hat (im Unterschied zum römisch-katholischen) keine lehramtlichen Vorgaben und kaum kirchenrechtliche 89 . Hauptsächlich vier Anforderungen sind aus evangelischer Perspektive an das Familienrecht zu stellen, nämlich die „Gewährleistung strukturell kinderfreundlicher Lebens- und Entwicklungsbedingungen“, die „Förderung von Familie und familiärer Erziehung“, der „Abbau von Barrieren für die Vereinbarkeit von Beruf, Ausbildung und Familie“ sowie der „Primat des elterlichen Erziehungsrechts“ 90 . Vor allem ist ein evangelisches Verständnis von Familie in Aufnahme biblisch-christlicher und evangelischer Traditionen selbst zu entwickeln, immer wieder neu zu durchdenken und zur Diskussion zu stellen. Als Kernwörter dafür wähle ich Verantwortung, Freiheit, religiöse Erziehung und Offenheit. Ein evangelisches Familienverständnis ist durch ein hohes Maß an gemeinsam und persönlich wahrgenommener Verantwortung geprägt. Leitmaximen dafür sind „Verlässlichkeit, Wechselseitigkeit und Kontinuität“ 91 , öffentliche Sichtbarkeit, aber auch „Grundhaltungen des Respekts, der Offenheit, des Vertrauens und der Treue, der Verantwortung und des gegenseitigen Verzeihens“ 92 . Die Gemeinschaft einer Familie ist durch Verantwortung geprägt. Der Gemeinschaftsaspekt ist dabei sehr vielfältig: Familie ist nicht nur eine Lebens-, Bedarfs- und Einkommenssowie eine Ressourcengemeinschaft, sondern auch eine Streitgemeinschaft, Leidensgemein- 89 Beispielsweise erklärt die E HEKOMMISSION DER E VANGELISCHEN K IRCHE IN D EUTSCH- LAND , Erwägungen, 53 grundsätzlich: Die evangelischen Kirchen kennen „kein allgemeines, überzeitlich gültiges Ehebild, an dem jede Ehe zu messen wäre“. Analoges gilt vom Familienverständnis. 90 Nach G. R OBBERS , Ehe, 88f.90. 91 Vgl. die vom Rat der EKD herausgegebene Stellungnahme Gottes Gabe und persönliche Verantwortung, 66. 92 B. M UTSCHLER , Jakob, 13. <?page no="170"?> 6.2 Gegenwärtige Perspektiven eines evangelischen Verständnisses von Familie 171 schaft, Entfaltungsgemeinschaft, Kulturgemeinschaft, Bildungsgemeinschaft, Festgemeinschaft und nicht zuletzt eine Trostgemeinschaft. Ein evangelisches Familienverständnis ist als evangelisches Familienverständnis durch Freiheit geprägt 93 : Freiheit von den gesellschaftlich verordneten und kirchlicherseits vielfach erwarteten Formen. Die Ausgestaltung des Familienlebens kann sich nicht von Erwartungen leiten lassen 94 (dann würde es allzu oft mehr getrieben als geleitet), sondern ist letztlich sehr persönlich vor sich selbst, vor den Betroffenen und vor Gott zu verantworten. Was dem Leben dient könnte ein Kriterium zum richtigen Gebrauch der Freiheit sein 95 . Ein evangelisches Familienverständnis ist nach biblischer und reformatorischer Überzeugung 96 einem Auftrag zur religiösen Erziehung von Kindern verpflichtet, wie sie beispielsweise bei der Taufe eines Kindes öffentlich erklärt wird. Das Angebot einer religiösen Sozialisation ist kein donum superadditum (keine eigentlich unnötige Zugabe), sondern ein „Recht des Kindes“ 97 . Sprachfähigkeit im Glauben 98 und ein gewisses Maß an biblischer, historischer, theologischer und ethischer Bildung sind für Heranwachsende unersetzlich und können zu einem wichtigen Resilienzfaktor werden. Aller Vorsicht und allem selbst empfundenen Ungenügen zum Trotz sollten daher mit den Kindern gemeinsam konkrete Schritte auf dem Weg der religiösen Erziehung unternommen werden 99 . Religiöse Erziehung im Rahmen der Familie ist nicht fordernd, sondern von Güte und Annahme charakterisiert, weil Gott selbst auch Ja zu jedem Erwachsenen gesagt hat (und täglich sagt) und dies in der Taufe feierlich versprochen hat. 93 „Die Wahrheit wird euch frei machen“, Joh 8,32, zugleich Leitspruch der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau; s. auch Joh 8,36. 94 Weder von gesellschaftlichen noch von kirchlichen: „Familie darf also nicht funktionalisiert werden“, so M. D OMSGEN / M. S PENN , Kirche, 19. 95 Der R AT DER E VANGELISCHEN K IRCHE IN D EUTSCHLAND , Ehe, 10 nennt „Annahme“, „Würde des Menschen“ und „Lebensmut“ als Stichworte. 96 Vgl. nur Ex 12,26f; 13,8.14-16; Dtn 6,20-25 (vgl. 26,5-9); Jos 4,6f; ferner Luthers Aufgabenzuweisung an den „Hausvater“ (paedagogus) im Kleinen Katechismus: M. L U- THER , Katechismus, 507,36; 510,26; 512,16; 515,21; 519,375; 522,23 (nach BSLK). S. auch T. K OCH , Eheverständnis, 58: „Nicht selten formuliert Luther so, als sei ihm die christliche Kindererziehung das Allerwichtigste an der Ehe.“ 97 Ein engagiertes Plädoyer und zugleich eine Anleitung dafür legt F. S CHWEITZER , Recht, passim vor. 98 Zu Familie als „Lernort des Glaubens“ s. M. D OMSGEN , Kirche, 3-5 (3); Familie, 284- 293.303-305. 99 Dazu B. S CHRÖDER , Religionspädagogik, 430-442; M. D OMSGEN , Familie und Religion, 306-331; DERS ., Familie ist, Sp. 477-486. Zum Ineinandergreifen von Kindertheologie und Elementarisierung s. knapp F. S CHWEITZER , Kindertheologie, 44-81. Zu neuen Herausforderungen und Perspektiven religiöser Erziehung in Familien s. F. S CHWEITZER / A. B IESINGER , Erziehung, passim; ferner M. D OMSGEN , Familie und Religion, 331-337. <?page no="171"?> 6 Perspektiven eines evangelischen Verständnisses von Familie 172 Entsprechend ist ein Grundton des offenen, ehrlichen und solidarischen Umgangs miteinander sachlich angemessen. Eine wichtige und kaum zu überschätzende Rolle spielen ein offenes Ansprechen von Familienproblemen, gemeinsame Suche nach Lösungen zum Besten der Einzelnen und zum Wohle aller oder Rituale wie z.B. im Tageslauf fest verankerte Gebete. Aber auch biblische Texte und Traditionen laden zu immer neuen Entdeckungsreisen in verschiedenen Altersstufen und Familiensituationen ein und bieten breite Identifikationsflächen und jede Menge an Identifikationsfiguren für alle Familienmitglieder. Daher bietet die religiöse Dimension für ein evangelisches Familienleben unverzichtbare Entfaltungs- und Gestaltungsräume. Schließlich ist ein evangelisches Familienverständnis durch eine Art Offenheit nach vorne, in die Zukunft hinein, gekennzeichnet. Weder eine Familie an sich noch irgendeines ihrer Mitglieder ist zu Lebzeiten jemals fertig mit der eigenen Entwicklung. Dabei liegen Segensströme und Erfahrungen des Scheiterns auf dem Weg. Die Offenheit und der Blick in die Zukunft sind aber vom Vertrauen auf Gottes Zusage umschlossen, dass er selbst mitgeht auf der weiten Fahrt durch das Leben (Mt 28,20). Um die Kernwörter und Perspektiven abschließend ganz traditionell zu formulieren: Ein evangelisches Familienverständnis ist durch christliche Liebe (Kernwort Verantwortung), christliche Freiheit, christlichen Glauben (religiöse Erziehung) und christliche Hoffnung (Offenheit) charakterisiert. 6.2.6 Familie als Lebensgewinn, Last und Freude Drei kurze Gedanken zum Schluss: (1) Zweifellos ist Familie ein Lebensgewinn. Nach meinem Eindruck ist sie eine Voraussetzung zur Entfaltung des Menschen als Person. Gerade das Unverfügbare hat seinen besonderen Reiz. „Es muss doch mehr als alles geben“ 100 . (2) Die eigene Familie ist nicht nur ein unverfügbares Geschenk, sondern auch eine Last. Verzicht, Kompromisse, Sorgen - all dies gehört offenbar zur Indienstnahme durch Gott hinzu. (3) Aufs Ganze gesehen bedeutet eine Familie immense Freude! Vielfalt der Kommunikation, Austausch zwischen verschiedenen Generationen, zugleich in Eltern und/ oder Kindern mitleben - welch sinnstiftende Herausforderung und welch enorme Befriedigung wird uns durch die Familie geschenkt 101 ! 100 So ein Buchtitel von D. S ÖLLE (1992). Ermutigungen zur Familie formuliert Th. S ORG , Ehe, 44f. 101 Von Lee Iacocca, dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden und „Retter“ von Chrysler ist das Bonmot überliefert: „Ja, ich habe Karriere gemacht. Aber neben meiner Familie erscheint sie mir unbedeutend.“ <?page no="172"?> 6.3 Zusammenfassung 173 6.3 Zusammenfassung Wie könnten heutige Perspektiven eines evangelischen Verständnisses von Familie aussehen? Dazu sind einige Ergebnisse festzuhalten: 1. Biblische Familienvorstellungen und Familienverhältnisse sind dem heutigen Leben fremd, weil sie aufgrund der historischen, kulturellen, sozialen und religiösen Distanz gleichsam aus einer anderen Welt stammen. Sie sind nicht reproduzierbar. Dies wäre aus verschiedenen Gründen auch weder möglich noch wünschenswert. Beim gegenwärtigen Nachdenken über Familie werden biblische Erfahrungen auch deshalb oft außer Acht gelassen. Allerdings ist dies für eine evangelische Theologie kaum möglich, da sie in besonders hervorgehobener Weise der biblischen Tradition verpflichtet ist. Abseits einer Phänomenologie sind deshalb ex- oder implizite Wertsetzungen sowie theologische Gesichtspunkte von besonderem Interesse für ein heutiges Nachdenken über Familie. 2. Im Verhältnis zu den heutigen eher eng abgegrenzten und kleinen Familien sind biblische Familienverbände wesentlich größer und wesentlich weiter. Man könnte eher von einem großfamiliären Sippenverband sprechen, das Gesinde, darunter auch Sklavinnen und Sklaven, Bedienstete und alle mögliche anderweitig unversorgte, auch entfernt Verwandte mit einschließt. Statt „Familie“ ist deshalb von einem in der Regel patrilinearen, patrilokalen und patriarchal organisierten „Vaterhaus“, „Haus des oder der N.N.“ oder einer Sippe (mischpachá) die Rede, die über ein Dutzend oder sogar mehrere Dutzend Personen einschließt. 3. Diese „Häuser“ (Sippen) sind durch Gebote nach innen und außen geschützt. Das Elterngebot sichert Versorgung und Respekt der Altgewordenen. Das Verbot des Ehebruchs sichert erkennbare und klare Grenzen zwischen Häusern und Sippen, wenngleich es nicht paritätisch gilt; in der Regel werden die Rechte von Männern weitaus besser geschützt als diejenige von Frauen. Das Verbot des Begehrens sichert die wirtschaftliche Eigenständigkeit von Häusern und Sippen gegen ein Ausspannen gleich welcher Art durch Außenstehende. Diese Gebote sowie weitere Ordnungen und Satzungen unterstreichen die Abgeschlossenheit, Unverletzbarkeit und Selbständigkeit von Häusern und Sippen. 4. Jesus von Nazareth lebte in den traditionellen jüdischen Verhältnissen eines galiläischen Vaterhauses. Obgleich er selbst keine Familie gründete, trat er gegen eine verbreitete Praxis der Ehescheidung „außer wegen Untreue“ ein und für das Wohlergehen von Kindern und ihre Achtung. In seiner Reich-Gottes-Verkündigung machte er sich Begriffe des häuslich-familiären Lebens vielfach zunutze. In den späteren Briefen des Neuen Testaments wird die traditionelle Vorstellung von Häusern und Sippen hoch geachtet. <?page no="173"?> 6 Perspektiven eines evangelischen Verständnisses von Familie 174 5. Ein Zug der „Afamiliarität“ aus Gründen der Nachfolge geht ebenfalls von Jesus aus: Jünger werden von ihren Häusern und Sippen wegberufen, das Tun des Willens Gottes wird über die Loyalität gegenüber Verwandten gestellt, das Bekenntnis zu Jesus bringt Entzweiung in Häuser und Sippen. Die Absage an das eigene Vaterhaus ist durch den Ruf Gottes in die Nachfolge legitimiert und manchmal unumgänglich. Menschen werden dadurch aber nicht nur ihren Herkunftshäusern und -sippen entfremdet, sondern in eine neue, größere Gemeinschaft geführt: das „Haus Gottes“ in Form der christlichen Gemeinde (1 Tim 3,15), die nach Jesu Tod den „Leib Christi“ bildet. Dieser hat eine ökumenische (weltweite) Reichweite. Seine Verbundenheit wird im Abendmahl erneuert und gefeiert. 6. Im Blick auf heute werden vielfältige Differenzen deutlich: Biblische Häuser und Sippen beschreiben keine Kleinfamilie, sind patriarchal oder durch einen Patron (ausnahmsweise auch eine Patronin) organisiert, auf den hin sie hierarchisch aufgebaut sind, bilden im Regelfall das einzige soziale Netz für ihre Glieder, beinhalten deshalb viele interne Abhängigkeiten, gewähren wirtschaftliche Sicherheit, teilen Alltag, Feste, Arbeits- und Ruhezeiten, bilden eine Religionsgemeinschaft oder sind alle Teil einer solchen und werden allenfalls durch Ansprüche Gottes begrenzt. Das allermeiste davon ist in heutigen Familien nicht mehr der Fall und erst recht nicht selbstverständlich, geschweige denn wünschenswert. Biblische Häuser und Sippen sind mit modernen Vorstellungen von Familie nicht vereinbar. 7. Trotzdem und gerade deshalb stellen die biblischen Traditionen über Häuser und Sippen ein immenses und wertvolles Erfahrungspotential dar. Sie geben ein eindrucksvolles Zeugnis von der Buntheit, Vielfalt und Verworrenheit, aber auch von menschlichem Versagen, unlauteren Interessen und der Schuldhaftigkeit innerhalb menschlichen Zusammenlebens. Einige theologische Gesichtspunkte sowie anthropologische Grundlinien können für die heutige Suche nach Perspektiven eines evangelischen Familienverständnisses fruchtbar gemacht werden. Das Evangelium selbst und seine Konsequenzen spielen dabei jedoch eine größere Rolle als die biblischen Traditionen über Häuser und Sippen. 8. Ein evangelisches Verständnis von Familie hat und respektiert gewisse Grenzen. So werden Familien durch Ansprüche Gottes begrenzt, wo diese vernehmbar sind und befolgt werden; sie werden durch Ansprüche von Menschen begrenzt, wo diese unüberwindbar zu Trennung und neuen Selbständigkeiten führen; schließlich werden sie dadurch begrenzt, dass es Zeit gibt „für jedes Vorhaben unter dem Himmel“ (Koh 3,1). Ungeachtet ihres immensen Wertes für das Wohlergehen und Lebensglück von Mann und Frau (zwei erwachsenen Menschen) sowie Kindern, möglicherweise auch Großeltern und weiteren Mitgliedern (meist Verwandten), wird Familie vom Evangelium her weder glorifiziert noch verabsolutiert. <?page no="174"?> 6.3 Zusammenfassung 175 9. Ein evangelisches Verständnis von Familie weiß und achtet den größeren Horizont des „Hauses Gottes“, der weltweiten Gemeinde Jesu Christi (1 Tim 3,15). Dies schenkt neue Gemeinschaft, entlastet von überzogenen Erwartungen innerhalb der eigenen Kleinfamilie, unterstützt diese wirksam bei der Wahrnehmung ihrer vielfältigen Aufgaben (besonders in Zeiten der Krise und Not) und schenkt einen unverstellten Blick für Menschen in verschiedenen Lebenssituationen. Die familia Dei - dieser Begriff wird durch vielfältige, romantisierende Projektionen oft idealisiert und unterkomplex gedacht - erweitert somit den Raum sowie die Lebens- und Handlungsmöglichkeiten einer Herkunftsfamilie um die Dimensionen Gemeinschaft, Gelassenheit, Potential und Egalität. 10. Ein evangelisches Verständnis von Familie gestaltet nicht nur die eigene familiäre Situation in der Gegenwart von dem im Evangelium gegebenen Zuspruch und Anspruch Jesu her, sondern wagt den nüchternen und mutigen Blick auf die eigene Familie in beide Richtungen, in Vergangenheit und Zukunft. Nach rückwärts wird die eigene familiäre Situation mit den Augen der Barmherzigkeit und des Staunens, des Verständnisses und des Verzeihens beleuchtet; nach vorwärts wird die eigene (familiäre) Entwicklung immer wieder ergebnisoffen immer wieder im Vertrauen auf Gottes Güte und Verheißung durchgespielt. Die eigene Familienbiographie ist stets eingebettet in das „Haus Gottes“ und in seine Leben erhaltenden und gnädigen Neuschöpfungen. 11. Ein evangelisches Verständnis von Familie weiß um ihre Fragilität und nimmt den auf Familien lastenden Druck sensibel wahr. Einerseits lastet er auf Eltern, andererseits auf Kindern, und oft verstärken sich beide Lasten zu einer unsicheren Basis oder einer explosiven Atmosphäre bis hin zu einem lebensfeindlichen Gemenge. Hier sind gesellschaftliche Kräfte, Politik, christliche Gemeinde und die betroffene Familie selbst gefordert, nach Bewältigungsstrategien, Gegenkräften, Unterstützung oder Möglichkeiten der Druckminderung Ausschau zu halten und sie Familien zugute kommen zu lassen. Eine Entschleunigung und Reduzierung auf das Notwendige und Machbare können bereits hilfreich sein. 12. Ein evangelisches Verständnis von Familie ist durch ein hohes Maß an gemeinsam und persönlich wahrgenommener Verantwortung geprägt. Stichworte dafür sind Verlässlichkeit und Verbindlichkeit, Wechselseitigkeit und Kontinuität, Klarheit und Erkennbarkeit für andere, aber auch Respekt, Offenheit, Treue und Verzeihen. Hier konkretisiert sich christliche Liebe. Ein evangelisches Verständnis von Familie ist durch Freiheit anstatt das Befolgen von Konventionen um ihrer selbst willen geprägt. Leitkriterium könnte sein, was dem Leben dient, Gott ehrt und auch dem Nächsten hilft. Hier konkretisiert sich christliche Freiheit, die allein der Wahrheit und Wahrhaftigkeit verpflichtet ist. <?page no="175"?> 6 Perspektiven eines evangelischen Verständnisses von Familie 176 13. Ein evangelisches Verständnis von Familie weiß um die Notwendigkeit, das Recht und den Wert einer religiösen Sozialisation und einer christlichen Erziehung. Ein Bewusstsein um Dimensionen der Transzendenz, Sprachfähigkeit im Glauben und biblische, theologische und ethische Bildung können zu einem wichtigen Resilienzfaktor im Leben werden. Daher kommt religiöser Erziehung, die von Güte und Annahme geprägt ist, auch ungeachtet des Taufversprechens ein besonders hoher Stellenwert zu. Hier konkretisiert sich christlicher Glaube. Ein evangelisches Verständnis von Familie weiß schließlich um die Augenblicklichkeit und Vorläufigkeit aller familiären Konstellationen und bewahrt sich eine dauerhafte Entwicklungsoffenheit nach vorne. Hier konkretisiert sich christliche Hoffnung. 14. Da die Familie eine notwendige Voraussetzung zur Entfaltung des Menschen als Person ist, ist sie einerseits ein Lebensgewinn und ein unverfügbares Geschenk durch Gottes Schöpfermacht. Andererseits bringt Familienleben ebenso selbstverständlich Verzicht, Kompromisse und Sorgen mit sich, weil Gott Menschen in Dienst nimmt. Die Erfahrung freilich zeigt: Anteilnahme und Austausch, Beziehung und Kommunikation, Geben und Empfangen überwiegen den Einsatz bei Weitem, so dass eine unglaubliche Befriedigung und eine unverfügbare Freude im Familienleben entstehen. Auch das Bewusstsein für übergroße, gottgeschenkte Freude kann als evangelische Perspektive auf Familie verstanden werden. <?page no="176"?> 7 Welchen Diakonat braucht die Kirche? Zugleich ein Kapitel Biblische Theologie, Gemeindediakonie und Kirchentheorie ausgehend von Act 6,1-7 „Unser Christsein wird heute nur in zweierlei bestehen: im Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen.“ 1 Der Diakonat 2 ist eine der wunderbarsten Entdeckungen und Einrichtungen evangelischer Kirchen und Gemeinden. An Reichtum, Vielfalt und Gestaltungsmöglichkeiten ist er (allen allgemeinen Vorgaben zum Trotz) kaum zu überbieten! Diese Vielfalt in der konkreten Ausgestaltung bringt es mit sich, dass immer wieder nach Ursprung und Charakter des Diakonats zu fragen ist und von da aus wieder neu Brücken in die Gegenwart zu schlagen sind. Im Folgenden wird dies anhand eines neutestamentlichen Abschnitts versucht. Eine (1) Hinführung lenkt den Fokus auf die Aufgabe des Dienstes der Liebe an jedermann im Auftrag der Gemeinde. Anschließend wird (2) die Konstituierung eines Jerusalemer Siebenergremiums nach Apostelgeschichte 6,1-7 rekonstruiert und in diesem Zusammenhang nach der Bedeutung von Diakonia gefragt. Auf diesem Hintergrund werden sodann (3) Aspekte eines evangelischen Verständnisses des Diakonats formuliert. (4) Eine Zusammenfassung rekapituliert die wichtigsten Gedanken. Das gesamte Kapitel kann zugleich als Beispiel für die Verschränkung von Biblischer Theologie, Gemeindediakonie und Kirchentheorie ausgehend von Act 6,1-7 gelesen werden. 1 D. B ONHOEFFER , Widerstand, 152 (aus den „Gedanken zum Tauftag“ vom Mai 1944). Im Kontext äußert Bonhoeffer den Wunsch, dass die Kirche wieder in der Lage ist, „Träger des versöhnenden und erlösenden Wortes für die Menschen und für die Welt zu sein“. 2 Nach dem Duden ist sowohl „das Diakonat“ als auch „der Diakonat“ möglich, s. www.duden.de/ rechtschreibung/ Diakonat (30.04.2013). Analogien aus dem Christlich-religiösen Bereich gibt es für beide Optionen: der Primat, der Zölibat; das Vikariat, das Ordinariat usw. Entscheidend für maskulinen Gebrauch ist m.E. die Herkunft des Wortes aus dem Lateinischen: diaconatus, -ūs, s. K.-E. G EORGES , Georges I, Sp. 1642. <?page no="177"?> 7 Welchen Diakonat braucht die Kirche? 178 7.1 Hinführung: Der Dienst der Liebe an jedermann im Auftrag der Gemeinde Wer ist eigentlich für den Dienst der Liebe an jedermann im Auftrag der Gemeinde zuständig, und was umfasst oder bedeutet dieser Dienst unter neutestamentlichen Vorzeichen? Um an diese Fragen heranzuführen, werden drei verschiedene Aspekte nacheinander in den Blick genommen: Zunächst wird die (1) zweifache Verantwortung von Kirchengemeinderäten (bzw. Gemeindekirchenräten, Kirchenältesten, Presbytern oder dergleichen) vergegenwärtigt; daran anschließend wird an (2) Luthers doppelte Bestimmung eines „Christenmenschen“ erinnert, ehe grundsätzlicher nach der (3) Bedeutung von „Diakonie“ im Neuen Testament zurückgefragt wird. 7.1.1 Die zweifache Verantwortung von Kirchengemeinderätinnen und Kirchengemeinderäten Die Einführung des Gremiums „Kirchengemeinderat“ - z.B. in Württemberg gegen Ende des 19. Jahrhunderts - bedeutete nicht nur eine Erhöhung von Demokratisierung und Beteiligung innerhalb von Kirche und Gemeinden, sondern auch einen unverzichtbaren Kompetenzgewinn für alle Beteiligten. Viele Tausende Christinnen und Christen kommen landauf landab aufgrund von Wahlen in einem bestimmten Turnus 3 neu oder wieder in dieses kirchliche Amt. Schätzungsweise handelt es sich allein im Bereich der Evangelischen Landeskirche in Württemberg um rund 12000 Kirchengemeinderätinnen und -räte 4 . Diese Damen und Herren tragen kraft Amt jeweils vor Ort Verantwortung nach § 16 der Kirchengemeindeordnung 5 : „Kirchengemeinderat und Pfarrerinnen und Pfarrer leiten gemeinsam die Gemeinde. Getreu ihrem Amtsversprechen sind sie dafür verantwortlich, dass das Wort Gottes verkündigt und der Dienst der Liebe an jedermann getan wird.“ Dass sie Verantwortung für die Verkündigung mit schultern, ist den allermeisten Kirchengemeinderätinnen und -räten zumindest aus einem überaus praktischen Grund klar, der sich zyklisch wiederholt: wenn sie nämlich die Pfarrstelle mit einer geeigneten und passenden Person neu zu besetzen haben. Aber ist den Verkündigungs-Mitverantwortlichen ebenso bewusst, 3 In Baden und Württemberg sechsjährig, also 2001, 2007, 2013 usw. 4 Überschlagsrechnung: etwa 1400 Kirchengemeinden mit 4-18 Mitgliedern, mehrheitlich freilich Gremien bis zehn Personen. Nach www.kirchenwahl2007.elk-wue. de/ cms/ startseite/ der-kirchengemeinderat/ (26.10.2007) handelt es sich um „über 10.000 Kirchengemeinderätinnen und Kirchengemeinderäte“. 5 K IRCHENGEMEINDEORDNUNG , 298 (§ 16,1). <?page no="178"?> 7.1 Hinführung: Der Dienst der Liebe an jedermann im Auftrag der Gemeinde 179 dass sie kraft Amt auch Gemeindediakonie-Mitverantwortliche sind? Dass sie Sitz und Stimme im örtlichen Diakonie-Kuratorium haben, das sie mit ihrem Gremium bilden (wenn nicht Aufgaben an einen eigens eingerichteten Diakonieausschuss delegiert sind), und also Kuratorinnen und Kuratoren gemeindlicher Diakonie sind? Kurator heißt „Pfleger“, und sie sind - mit einem Bild ausgedrückt - auf dem einen Bein „Verkündigungs-Pflegerinnen und -pfleger“ und auf dem anderen zuständig für Diakonie: als „Pflegerinnen und Pfleger für Soziales, Beratung, Erziehung, Bildung und Gemeinschaft“ 6 innerhalb der Gemeinde - wahrlich nicht wenig! Das bedeutet nicht, dass sie das alles selbst geschweige denn alleine oder hauptsächlich tun müssen. Wohl aber sind Kirchengemeinderätinnen und -räte „verantwortlich [dafür], dass (das Wort Gottes verkündigt und) der Dienst der Liebe an jedermann getan wird“ 7 . Zugespitzt formuliert: Sie sind Sozialpflege-Pfleger 8 , Beratungsdienst-Pfleger, Gemeinschaftspflege-Pfleger, Bildungsangebots-Pfleger; oder sehr traditionell ausgedrückt: nicht Armenpfleger, sondern Armenpflege-Pfleger. 7.1.2 Martin Luthers doppelte Bestimmung eines „Christenmenschen“ Diese doppelte Verantwortung von Kirchengemeinderätinnen und Kirchengemeinderäten spiegelt die doppelte Bestimmung eines Christenmenschen nach Martin Luther wider. In seiner Freiheitsschrift von 1520, einer Denk- und Programmschrift evangelischer Theologie von bleibender Aktualität, fasst er im letzten, 30. Absatz zusammen 9 : „Aus dem allen folgt der Satz, daß ein Christenmensch nicht in sich selbst lebt, sondern in Christus und seinem Nächsten - in Christus durch den Glauben, im Nächsten durch die Liebe. Durch den Glauben steigt er über sich hinaus zu Gott; aus Gott steigt er unter sich hinab durch die Liebe und bleibt doch immer in Gott und in der göttlichen Liebe“. 6 Die Bereiche orientieren sich in etwa an der von der Kammer für Theologie der EKD vorgenommenen Beschreibung der Aufgabengebiete des Diakonats: „Pflege und Fürsorge“, „Beratung und Seelsorge“, „Erziehung und Gemeindepädagogik“, s. K IR - CHENAMT DER EKD, Der evangelische Diakonat, 11f. Diese Zusammenstellung kritisiert O. H AHN , Diakonat, 9f als defizitär, da sie die Verwurzelung im Gemeindeleben nicht hinreichend erkennen lasse: Mitwirken bei Gottesdiensten, diakonischer Gemeindeaufbau, Leitungsaufgaben auf allen Ebenen. Ordnet man dem Diakonat aber die Verantwortungen für Einzelfall-Assistenz, Sozialleben und Pädagogik innerhalb einer Gemeinde generell zu, dann wird eine Kompetenzüberlagerung zum Pfarrdienst sichtbar. Konzeptionell betrachtet liegt hier Konfliktpotential. 7 K IRCHENGEMEINDEORDNUNG , S. 298 (§ 16,1, Klammern und Hervorheb. von mir, B.M.). 8 Genauer: „Sozialpflege-Pflegerinnen und Pfleger“ etc. 9 M. L UTHER , Freiheit eines Christenmenschen, WA 38,6-10 bzw. 263 (Insel-Ausgabe). <?page no="179"?> 7 Welchen Diakonat braucht die Kirche? 180 Das also steht im Stammbuch der reformatorischen Kirchen: Ein Christenmensch lebt nicht sich selbst, sondern „in Christus und seinem Nächsten - in Christus durch den Glauben, im Nächsten durch die Liebe“. Glaube und Liebe sind nach Luther die beiden Zentren des persönlichen Christseins. Hier schlägt das Herz jeder Christin und jedes Christen - ganz gleich ob gewöhnliches Gemeindeglied oder zugleich Funktionsträger - voller Leben und Wärme. Analog zum „allgemeinen Priestertum aller Gläubigen“ wird hier - zwar nicht auf der Bekenntnisebene, aber doch als Konsequenz der Liebe (vgl. 1 Kor 13,13) - ein „allgemeines Diakonentum aller Gläubigen“ 10 festgestellt und formuliert. 7.1.3 Eine aktuelle Begriffskontroverse: Was bedeutet „Diakonie“ im Neuen Testament? Weist man die hauptamtliche Verkündigung des „Glaubens“ mit CA 5 „dem Predigtamt“ zu 11 , so sieht man die professionelle Wahrnehmung des Dienstes der „Liebe“ im Diakonenamt aufgehoben: dem Diakonat. Gerne verweist man dabei auf die in der Lutherbibel so genannte „Wahl der sieben Armenpfleger“ 12 in Act 6 als der Gründungsgeschichte des Diakonats, ähnlich wie man in der Pfingsterzählung von Act 2 die Geburtsstunde der Kirche erblickt. Beinahe „urchristlich“ 13 mutet es dann an, wenn der „Dienst der Liebe“ mit dem wohlklingenden griechisch-biblischen Wort „Diakonie“ bezeichnet wird. Stellt man sich die Frage: Welchen Diakonat braucht die Kirche? , dann ist aus biblisch-theologischer und aus gemeindediakonischer Sicht mit berechtigten Erwartungen Act 6,1-7 zu befragen, das beinahe ätiologischen Charakter für den Diakonat erhalten hat 14 . 10 S. dazu u. Anm. 115 S. 200. 11 Wörtlich: „dem Predigamt“ (sic! ), vgl. BSLK 58: institutum est ministerium docendi evangelii et porrigendi sacramenta. Dieses Bekenntnis aus dem 16. Jahrhundert ist zwar grundlegend für die Evangelische Landeskirche in Württemberg, aber inzwischen an manchen Punkten auch problematisch. Dies zeigt eine Auseinandersetzung darüber, ob bei der Ordination von Pfarrerinnen und Pfarrern auf „die Bekenntnisse der Reformation“ ein besonderer, expliziter Hinweis auf die Confessio Augustana erfolgen soll (er wurde 1950 abgeschafft); s. in diesem Sinn G. H ENNIG , Bekenntnis. Kritische Einwände dagegen formuliert J. V OLLMER , Ergänzung, der dies weder für theologisch noch für hermeneutisch ausgereift hält, s. ebd., 20: „An Flickschustereien haben wir keinen Bedarf.“ 12 So die Überschrift in der Lutherbibel (Revision von 1984); ähnlich K IRCHENAMT DER EKD, Der evangelische Diakonat, 10: „Berufung der Diakone als Armenpfleger“. Aber in Act 6,1-7 ist weder von „Armenpflegern“ noch von „Diakonen“ die Rede. 13 Zur geistesgeschichtlichen Herkunft und Kritik dieses Begriffs sowie zu seiner idealisierenden und romantisierenden Tendenz s. S. A LKIER , Urchristentum, passim, bes. 261-267. 14 Der Text war beispielsweise in der Hannoverschen Agende bis 1987 „die erste Lesung bei der Einsegnung eines Diakons“, s. G. S CHILLE , Konfliktlösung, 243. <?page no="180"?> 7.1 Hinführung: Der Dienst der Liebe an jedermann im Auftrag der Gemeinde 181 Eine Rückfrage ist gegenwärtig nötiger denn je: Seit einigen Jahren ist in grundlegender Weise umstritten, was der Begriff „Diakonie“ im Neuen Testament bedeutet. Dazu sind Diskussionen, Aufsätze und Bücher entstanden 15 . John Neil Collins argumentiert in seiner erst verzögert publizierten und dann anfangs kaum rezipierten Dissertation 16 , dass Diakonia (diakoni3a) im Neuen Testament und seiner Umwelt inhaltlich nicht als Liebesdienst, Tischdienst oder Barmherzigkeit bestimmt werden könne 17 , sondern weitaus formaler als auf einer Weisung beruhende Beauftragung 18 . Wenn das zutreffend wäre, dann würde das neutestamentliche Verständnis von Diakonie viel eher dem römisch-katholischen Verständnis eines in die Ämterhierarchie eingebundenen „Diakons“ entsprechen 19 , während man das Anliegen evangelischer Diakonie dann zutreffender als „Nächstenliebe“ oder caritas bezeichnen sollte. In diesem Sinn formuliert auch Anni Hentschel in einer umfangreichen Untersuchung: „Doch das, was in den deutschen protestantischen Kirchen unter der Bezeichnung diakonisches Profil lobend herausgestellt wird, findet seine biblische Grundlage viel mehr in Texten zum Thema Nächstenliebe als bei den neutestamentlichen Belegen der griechischen Wortgruppe diakoni3a ktl, welche grundsätzlich weder ein niedriges Dienen noch die fürsorgende 15 Zum „Versuch einer Neubestimmung“ s. H.-J. B ENEDICT , Diakonie, passim; ferner DERS ., Anspruch, passim; zur Diskussion s. den Sammelband von V. H ERRMANN / R. M ERZ / H. S CHMIDT , Diakonische Konturen, darin besonders die Beiträge von S. D IET- ZEL , Entstehung; I. D UNDERBERG , Vermittlung; D. S TARNITZKE , Bedeutung. Zu wenig gewürdigt sind bisher die acht Belege der Septuaginta, s. dazu nur J.N. C OLLINS , Diakonia, 358. An der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg fand am 30. Juni 2005 eine Diskussion statt: „Eine internationale Debatte zu: Diakonia - Diakonie - Diakon/ innen“, s. www.efh-reutlingen-ludwigsburg.de/ efh/ presse/ PM_diakonie_2005 0630.pdf (26.10.2007); rückblickend Ch. R OSE , Jahresbericht 04/ 05, 42. Für einen weiteren Leserkreis bestimmt ist die Klarstellung von A. N OLLER , Grundlage. 16 Die Dissertation wurde im Sommer 1976 am King’s College in London angenommen unter dem Titel „Diakonei5n and Associated Vocabulary in Early Christian Tradition“. Die Veröffentlichung erfolgte vierzehn Jahr später (1990): J.N. C OLLINS , Diakonia. Weitere fünfzehn Jahre später, im Sommer 2005, formuliert der Autor im Rückblick: „Für ein Jahrzehnt sei es ‚das Buch gewesen, das niemand gelesen hat’“, s. M.E. W AHL , Diakonia, 2. 17 Ein Teilergebnis dieser semantischen Untersuchung von diakoni3a ktl. lautet: „Care, concern, and love (…) are just not part of their field of meaning“, s. J.N. C OLLINS , Diakonia, 254. 18 Vgl. zuletzt ausführlich A. H ENTSCHEL , Diakonia, 21-24: „Diakone als Mittelsmänner“ (Hervorheb. im Original). S. zuvor bereits A. N OLLER , Pfarrer/ innen, passim mit einer Übersicht über Antworten auf Collins’ These. Nach H. F RISK , Wörterbuch I, 384f weist die Etymologie von dia3konoV jedoch durchgängig auf die Bedeutung „Diener“, „Dienst“ oder „dienen“; synonym dazu ist a1mfi3poloV, s. dazu ebd., 99. 19 Zum Diakonenamt und dem im Zweiten Vaticanum wieder eingeführten Ständigen Diakonat s. die grundlegenden Daten bei J. W EIER / G. G RESHAKE / G.L. M ÜLLER : Art. Diakon, Sp. 181-184; s. außerdem Th. S TROHM , Erneuerung, 326f. <?page no="181"?> 7 Welchen Diakonat braucht die Kirche? 182 Barmherzigkeit ausdrückt. Die Bezeichnung ihres Wohlfahrtsverbandes mit dem Titel Caritas durch die römisch-katholische Kirche ist der Sache, um die es dort geht, wesentlich angemessener.“ 20 Jedoch sind Texte wie Mt 22,13; Mk 1,31 (parr.); Lk 10,40; 12,37; 17,8; 22,26f; Act 6,2; Joh 2,5.9; 12,2; außerdem Mt 25,44; Mk 1,13 (par.); 15,41 (par.) und Lk 8,3 für eine anderslautende Interpretation durchaus offen. Dessen ungeachtet kommt für ein biblisch-christliches Verständnis der Wortfamilie Diakonia dem Blick auf Jesus von Nazareth zentrale Bedeutung zu: „Die Wurzel der ntl. Sinngehalte von diakone3w, -i3a, -oV liegt im Wort und Verhalten Jesu selbst.“ 21 Damit sind zwei Leitfragen für die nächsten Schritte vorgezeichnet: (1) In welchem Sinn wird „Diakonie“ in der so genannten Erzählung von der „Wahl der sieben Armenpfleger“ verwendet und beschrieben? (2) Welche Aspekte kann dies zu einem evangelischen Verständnis des Diakonats beitragen, und wie fügen sich diese Aspekte zu den gegenwärtigen Überlegungen der evangelischen Kirchen zum Diakonat? - Zunächst blicken wir also auf einen Autor, der jedenfalls literarisch in der Mitte des Neuen Testaments steht 22 . 7.2 Die Konstituierung eines Jerusalemer Siebenergremiums nach Act 6,1-7 und die Frage nach der Bedeutung von Diakonia Dass Act 6,1-7 eine grundlegende Erzählung für das Verständnis von Diakonie geworden ist, ist nicht nur durch den Inhalt des Abschnitts motiviert. Es lässt sich auch sprachlich begründen: In diesen wenigen Versen finden sich drei von insgesamt zehn Belegen der Wortfamilie Diakonia (diakoni3a) in der Apostelgeschichte 23 . Im Folgenden wird zunächst (1) die Konstituierung eines Jerusalemer Siebenergremiums nach Act 6,1-7 untersucht, ehe sodann (2) nach der Bedeutung von Diakonia (diakoni3a) und diakonein (dia- 20 A. H ENTSCHEL , Diakonia, 1, s. dazu Mk 10,45 (parr. Lk 22,27; Mt 20,28); Joh 12,26 im Zusammenhang mit 13,1-11; Mt 25,31-40(-46). 21 A. W EISER , Art. diakone3w, Sp. 728. 22 Die Frage von Zentrum und Peripetie bzw. einer sachlichen „Mitte“ kann natürlich nur perspektivisch beantwortet werden. Mit seinem Doppelwerk steuert Lukas aber so viel wie kein anderer Autor zum Corpus der 27 neutestamentlichen Schriften bei, nämlich 27 % des Textes. Historisch steht er zwischen den frühen und den späten Schriften (80-er Jahre), und seine Perspektive verbindet Evangelien (Jesus) und paulinische Mission. 23 S. diakonei5n in Act 6,2; 19,22; diakoni3a in 1,17.25; 6,1.4; 11,29; 12,25; 20,24; 21,19; dia3konoV ist nicht belegt. <?page no="182"?> 7.2 Die Konstituierung eines Jerusalemer Siebenergremiums nach Act 6,1-7 183 konei5n) in diesem Text gefragt wird. Abschließend wird (3) das auffällige Übergehen des Begriffs Diakonos (dia3konoV) im Lukanischen Doppelwerk thematisiert. 7.2.1 Die Konstituierung eines Jerusalemer Siebenergremiums nach Act 6,1-7 Die in den ersten Kapiteln herausgestellte Einmütigkeit innerhalb der frühen nachösterlichen Gemeinde (Act 1-5) wird am Beginn des sechsten Kapitels jäh unterbrochen 24 : „ 1 In diesen Tagen, als sich die Jünger mehrten, entstand ein Murren der Hellenisten gegen die Hebräer, weil ihre Witwen bei der täglichen Versorgung übersehen wurden. 2 Die Zwölf aber riefen die Menge der Jünger herbei und sagten: ‚Es ist nicht passend, dass wir das Wort Gottes vernachlässigen und bei Mahlzeiten dienen. 3 Seht euch aber, Brüder, nach sieben Männern aus eurer Mitte um, die einen guten Ruf haben und voll Geist und Weisheit sind; die werden wir für diese Aufgabe einsetzen. 4 Wir wollen aber beim Gebet und beim Dienst des Wortes verharren.’ 5 Die Rede gefiel der ganzen Menge, und sie erwählten Stephanus, einen Mann voll Glauben und heiligem Geist, und Philippus und Prochorus und Nikanor und Timon, Parmenas und Nikolaus, einen Proselyten aus Antiochia. 6 Diese stellten sie vor die Apostel und unter Gebet legten sie ihnen die Hände auf. 7 Und das Wort Gottes wuchs, und es mehrte sich die Zahl der Jünger in Jerusalem gewaltig, auch eine große Schar von Priestern wurde dem Glauben gehorsam.“ 25 Die im ersten Vers enthaltene Exposition wirft seit langem zwei kontrovers diskutierte Fragen auf: (1) Wodurch unterscheiden sich die „Hebräer“ von den „Hellenisten“, und (2) welches Problem liegt der Unruhe in der Gemeinde zugrunde? anschließend ist wahrzunehmen, (3) auf welchem Weg und mit welchem Ergebnis das Gemeindeproblem gelöst wurde. 7.2.1.1 „Hellenisten“ und „Hebräer“ in Jerusalem Die Differenzierung zwischen „Hebräern“ und „Hellenisten“ verweist auf die geographisch-kulturelle Mittelposition des antiken Palästina, das als „ein sprachliches Grenzgebiet“ zu betrachten ist 26 . 24 Nach M. H ENGEL , Jesus, 4 beginnt der „2. Abschnitt des dreigeteilten Werkes“ in Act 6,1 und reicht bis 15,35; ebenso G. S CHNEIDER , Apostelgeschichte I, 65-68, besonders 66.68. J. R OLOFF , Apostelgeschichte, 13f sieht weitere Zäsuren nach Act 9,31 und nach 19,20. Act 6,1 ist nach M. H ENGEL , Ursprünge, 26 „die entscheidende Bruchstelle“. 25 Übersetzung nach J. J ERVELL , Apostelgeschichte, 214. 26 Vgl. W. S MELIK , Languages, 122: „Sandwiched between two international languages, Aramaic in the East and Greek in the West, Roman Palestine was a linguistic border area.“ Zu dieser sprachlichen Polarität s. ausführlich ebd., 126-131. <?page no="183"?> 7 Welchen Diakonat braucht die Kirche? 184 Von den zahlreichen Versuchen, die so genannten „Hellenisten“ von den so genannten „Hebräern“ hinsichtlich ihrer religiösen Herkunft, ihrer theologischen Akzentuierung oder ihrer sozialen Schicht zu unterscheiden 27 , konnte sich in der exegetischen Fachliteratur bisher keiner als erfolgreich durchsetzen. Die einzige zuverlässige Unterscheidung scheint in der Sprache zu liegen: „Hellenisten“ sind Menschen, „die (als Muttersprache) Griechisch sprechen“ 28 , während die Jerusalemer „Bevölkerungsmehrheit als Muttersprache Aramäisch“ spricht 29 . „Hellenist“, so resümiert der frühere Tübinger Neutestamentler Martin Hengel, hat „einen konzentrierten sprachlichen Sinn“ 30 . Dasselbe gilt für den Ausdruck „Hebräer“. Er bezeichnet Menschen, die aus Palästina oder Jerusalem stammen und als Muttersprache Aramäisch sprechen 31 . „Hebräer“ wird wie „Hellenist“ als sprachliches Merkmal verwendet. Wie auch sonst oft im Neuen Testament bezeichnet „Hebräisch“ näherhin die aramäische Sprache 32 , die in Galiläa und Judäa zur Zeit Jesu gesprochen wurde. Außenstehenden war die Differenz zwischen Aramäisch und Hebräisch in vielen Fällen nicht bewusst: „Für den Griechen, ja selbst für den Diasporajuden bestand zwischen Hebräisch und Aramäisch kaum ein Unterschied.“ 33 Der sprachliche Unterschied lässt auf eine verschiedene geographische Herkunft zurückschließen: „Hellenisten“ sind „zurückgewanderte(n) Diasporajuden“ 34 , also Remigranten. Vergleichbar Migrantinnen und Migran- 27 Vgl. die Skizze von Positionen und Personen bei G. T HEISSEN , Hellenisten, 324f; eine „Palette von Meinungen“ präsentiert auch M. H ENGEL , Jesus, 7-11 (11). N. S CHOLL , 40f weist zusätzlich auf eine Ehescheidungspraxis hin, die Frauen diskriminiert; dazu ausführlich o. S. 69-71. Hellenistischem Recht entspricht die Möglichkeit einer Scheidungsinitiative von Seiten der Frau, s. 1 Kor 7,10-16; Mk 10,12. 28 So M. H ENGEL , Jesus, 11 (Hervorheb. und Klammer im Original) in Anlehnung an Chrys., Hom. 21 in Act 9,26f (PG 60, 164 M IGNE ): Lukas „nennt die Griechisch Sprechenden Hellenisten“, 2Ellhnista4V tou4V 2Ellhnisti4 fqeggome3nouV le3gei. 29 M. H ENGEL , Jesus, 15; ebenso bereits L. G OPPELT , Zeit, 35; E. H AENCHEN , Apostelgeschichte, 213f. 30 M. H ENGEL , Jesus, 16; zu den Hellenisten s. ausführlich M. Z UGMANN , Hellenisten; W. K RAUS , Jerusalem. 31 Vgl. M. H ENGEL , Jesus, 20; ähnlich ebd., 19: „den aus Palästina - d.h. dem Heiligen Land - stammenden oder mit Palästina besonders verbundenen Juden“ (Hervorheb. im Original). 32 Vgl. th5 ü e2braiä 3di diale3ktwü, Act 21,40; 22,2; 26,14; e2braiästi3, Joh 5,2; 19,13.17.20; s. aber auch Act 20,16; Apk 9,11; 16,16. Anders urteilt R. R IESNER , Tempel, 80: Demnach „bedeuten Begriffe wie 2Ebrai5oV, 2Ebraiästi3 usw. wirklich Hebräisch und nicht Aramäisch“. Zur judäischen Sprachenvielfalt s. ferner S. R OCCA , Judaea, 240-247. 33 M. H ENGEL , Jesus, 19. Zu „eine(r) zweisprachige(n), aramäisch und griechisch verfaßte(n) Inschrift“ im Zusammenhang der stadtrömischen „Synagoge der Hebräer“ (sunagwgh4 tw5n 2Ebrew5n) s. C. C LAUSSEN , Versammlung, 109. 34 M. H ENGEL , Jesus, 21. <?page no="184"?> 7.2 Die Konstituierung eines Jerusalemer Siebenergremiums nach Act 6,1-7 185 ten heutiger Zeit waren sie teilweise noch in der zweiten oder dritten Generation griechischsprachig, wie eine Stifterinschrift einer Jerusalemer Synagoge eindrücklich belegt 35 . Inschriften lassen auch einen Rückschluss über die relative Verteilung von „Hebräern“ und „Hellenisten“ in Jerusalem zu: Demnach ist mit einer sehr starken griechischen Bevölkerungsgruppe zu rechnen, die fast ein Drittel der Bevölkerung umfasst 36 . Man hat daher mit Recht von „dem einzigartigen jüdisch-hellenistischen Milieu Jerusalems vor 70“ n.Chr. gesprochen 37 . „Hebräer“ und „Hellenisten“ bezeichnet also Juden, die in Jerusalem ansässig waren, sich aber einer verschiedenen Muttersprache bedienten. Wahrscheinlich verfügten ziemlich viele „Hebräer“ über Grundkenntnisse in der internationalen Verwaltungs- und Geschäftssprache Griechisch, während umgekehrt wohl deutlich weniger „Hellenisten“ zu einer wirklichen Verständigung auf Aramäisch fähig waren 38 . Dies gilt in besonderem Maß für jene „Hellenisten“, die erst in vorgerücktem Alter und als Vorbereitung für eine Bestattung im „Land der Väter“ aus der Diaspora nach Jerusalem umzogen. Denn „Ziel vieler Rückwanderer war, in der Heiligen Stadt ihren Lebensabend zu verbringen und dort begraben zu werden.“ 39 Dass dabei auch nichtjüdische Ehefrauen mit nach Jerusalem gezogen sind, ist sehr wahrscheinlich 40 . Gerade ihre Fähigkeit, Aramäisch zu sprechen (Aramaïzität), dürfte sehr niedrig oder so gut wie gar nicht vorhanden gewesen sein, ihre potentielle soziale Bedürftigkeit nicht zuletzt 35 Die Theodotosinschrift ist zweisprachig zitiert bei C. C LAUSSEN , Versammlung, 186f; M. H ENGEL , Jesus, 34 mit Anm. 119. Zur Datierung s. ebd., 61 mit Anm. 175; C. C LAUSSEN , op. cit., 187-191. 36 Von den 233 in Jerusalem und seiner Umgebung gefundenen Ossuarinschriften aus der Zeit zwischen Herodes und dem Jahr 70 n.Chr. sind 143 aramäisch (entspricht 61,4 %), 73 griechisch (31,3 %), fünfzehn zweisprachig (6,4 %), zwei lateinisch (0,8) und eine palmyrenisch geschrieben, vgl. die Nachweise bei M. H ENGEL , Jesus, 60f, ähnlich ebd., 23f mit Anm. 85. Zu einem ähnlichen Fazit gelangt G. T HEISSEN , Hellenisten, 329 Anm. 16: „In der Oberschicht Jerusalems waren also mindestens 44 % griechischsprachig, d.h. die „Hellenisten“ waren in ihr überrepräsentiert.“ 37 M. H ENGEL , Jesus, 60 (Hervorheb. im Original). 38 Vgl. M. H ENGEL , Jesus, 22. Nach ebd., 21 ist bei den Rückkehrern nach Jerusalem nur eine geringe Bereitschaft „zur Erlernung des Aramäischen“ zu erwarten: „Wer die griechische Weltsprache beherrschte, gab sich kaum mehr die Mühe, sich eine ‚barbarische’ Sprache anzueignen.“ Genau umgekehrt gibt G. T HEISSEN , Hellenisten, 325 Anm. 4 zu bedenken: „Wer aus religiösen Gründen zu den Ursprüngen zurückkehrt, wird auch ein Motiv gehabt haben, ‚sprachlich’ den Ursprüngen nahe zu sein! “ Der niedrige Anteil zweisprachiger Ossuarinschriften von etwa sechs Prozent (s. vorvorige Anm.) zeigt, dass das kulturelle Selbstverständnis nur in wenigen Fällen zweisprachig war. 39 Vgl. M. H ENGEL , Jesus, 31. Tatsächlich enthalten die griechischen Ossuarinschriften „besonders viele Frauennamen“, s. ebd., 31 mit Anm. 109. 40 Vgl. W. E CKEY , Apostelgeschichte I, 151: „Der eine oder andere von ihnen könnte aus der Diaspora eine nichtjüdische Ehefrau mitgebracht und als Witwe in Jerusalem hinterlassen haben.“ <?page no="185"?> 7 Welchen Diakonat braucht die Kirche? 186 aufgrund geringen oder mangelnden familiären Anschlusses dagegen hoch. Es entspricht gut dem Bild zweier jüdischer Bevölkerungsgruppen in Jerusalem, wenn Lukas bereits von der ältesten nachösterlichen Gemeinde erzählt, dass sie aus „Hebräern“ und „Hellenisten“ besteht. Da die erzählte Begebenheit „kirchengeschichtlich“ (wenn man dies bereits so bezeichnen möchte) in die allerersten Jahre gehört 41 , sind wahrscheinlich in beiden Gruppen Auferstehungszeugen vorauszusetzen 42 . 7.2.1.2 Ein Versorgungsproblem der frühen Jerusalemer Gemeinde Worin bestand der Regelungsbedarf innerhalb der aus „Hellenisten“ und „Hebräern“ bestehenden frühen judenchristlichen Gemeinde? Was war der Anlass zum „Murren“? Lukas berichtet von einem Versorgungsproblem: Die Witwen der „Hellenisten“ wurden bei der täglichen Versorgung „regelmäßig nicht berücksichtigt“ 43 . Die Umstände und Voraussetzungen dieses Versorgungsproblems werden in der neutestamentlichen Exegese verschieden beschrieben. Nach dem Heidelberger Neutestamentler Gerd Theissen verhielt es sich so: Die rasch wachsende judenchristliche Gemeinde unterhielt einen „innergemeindlichen Sozialausgleich“ 44 , der insbesondere durch die Spenden der nach Jerusalem umgezogenen und deshalb vermögenderen „Hellenisten“ finanziert wurde. Deren eigene Witwen jedoch „waren als relativ Bessergestellte bei der Verteilung nicht berücksichtigt worden“. Das verletzte die Maxime eines freundschaftlich gleichberechtigten Gütergebrauchs. Nach einer anderen Meinung verhielt sich die Bedürftigkeit genau umgekehrt: Gerade die Witwen der häufig erst im Alter nach Jerusalem übergesiedelten „Hellenisten“ waren am neuen Wohnort auf sich gestellt, da sie 41 M. H ENGEL , Jesus, 22 setzt die anschließende Stephanusverfolgung auf die Zeit „zwischen 32 und 34 n.Chr.“ an, wobei er vom Jahr 30 als Todesjahr Jesu ausgeht; ähnlich N. W ALTER , Apostelgeschichte, 196 Anm. 31: „ein sehr frühes Stadium der Geschichte der Urgemeinde“. 42 Dies legt 1 Kor 15,6f nahe: „Danach ist er gesehen worden von mehr als 500 Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen. Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln.“ 43 So eine Übersetzung von pareqewrou5nto, Act 6,1, die den iterativen Aspekt des Imperfekt zum Ausdruck bringt; einen durativen Aspekt profiliert G. T HEISSEN , Hellenisten, 329: „sie pflegten nicht berücksichtigt zu werden“. Nach C. C OLPE , Gemeinde, (65-)67 war die Witwenversorgung „die dritte Institutionalisierung” nach der Einführung der Taufe und dem Herrentag mit Herrenmahl. 44 G. T HEISSEN , Hellenisten, 329f (329), dort auch das folgende Zitat. Lukas suggeriert ein äußerst rapides Wachstum: 120 Männer nach Act 1,15, 3000 Personen „hinzugefügt“ nach 2,41, 5000 Männer nach 4,4, ferner 6,1.7. <?page no="186"?> 7.2 Die Konstituierung eines Jerusalemer Siebenergremiums nach Act 6,1-7 187 dort keine Familie hatten; das machte „ihre Lage schwierig“ 45 . Wenn man annimmt, „dass die Gruppe der Hebräer für den täglichen Dienst verantwortlich war“, wird das „Murren der Hellenisten gegen die Hebräer“ (Act 6,1) verständlich. Der Vorschlag der überwiegend galiläischen, d.h. aramäischsprachigen Zwölf (6,2-4), zu ihrer Entlastung Verantwortung auf griechischsprachige Judenchristen zu übertragen, scheint zu belegen, dass bis zu diesem Zeitpunkt die Verantwortung für den täglichen Dienst wirklich bei den aramäischsprachigen Judenchristen lag. Noch einmal anders kontextualisiert die folgende Überlegung: „Ältere Frauen aus der Diaspora“ waren wegen einer fehlenden Großfamilie am Ort „ganz auf die Unterstützung der Gemeinde angewiesen“ 46 . Dies verschärfte sich in existenzbedrohender Weise dann, „wenn sie ihren Besitz großzügig verschenkt hatten“ (Act 2,44f; 4,32-5,11). Im Zeichen der Naherwartung des Herrn war dies nicht ungewöhnlich 47 . Ein Leben von der Hand in den Mund wurde zusätzlich durch Jesu Nachfolge- und Vertrauensethik sowie durch seine Lehre gefördert, etwa im Verbot des Sorgens für den morgigen Tag (Mt 6,34) oder in der Bitte um das „tägliche“ Brot (Lk 11,3; Mt 6,11). Die Existenzbedrohung der Witwen könnte unter diesen Umständen als „Folge“ der Etablierung einer zweiten, „hellenistisch“ geprägten judenchristlichen Gemeinde in Jerusalem, die aufgrund von Sprache und Zahl notwendig geworden war, verstanden werden 48 . Wie können diese verschiedenen Interpretationsansätze in einen Zusammenhang gebracht werden? Drei Gedankengänge versuchen dies: 45 J. J ERVELL , Apostelgeschichte, 216, dort auch das folgende Zitat. In dieselbe Richtung weist J. R OLOFF , Apostelgeschichte, 109. Mit zwölf von 27 neutestamentlichen Belegen ist ch5ra eine Vorzugsvokabel des Lukas, s. Lk 2,37; 4,25f; 7,12; 18,3.5; 20,47; 21,2f; Act 6,1; 9,39.41. 46 Vgl. M. H ENGEL , Jesus, 32, dort auch zum Folgenden. Dieser Interpretation folgt in weiten Strecken W. E CKEY , Apostelgeschichte I, 149-151, allerdings mit Inkonsistenzen: Handelte es sich bei den so genannten Hellenisten „überwiegend um relativ wohlhabende Leute“, ebd., 149 (ähnlich 151: „durchweg relativ wohlhabende[n] ‚Hellenisten’“)? Oder gilt genau das Gegenteil, wie ebd., 150 nahelegt: „Speziell unter den ‚Hellenisten’ dürfte es relativ viele auf die Gemeindediakonie angewiesene verwitwete Frauen gegeben haben“? 47 Vgl. Mk 10,17-27 par Lk 18,18-27; Mt 19,16-26. Mk 12,41-44 par Lk 21,1-4 fokussiert ausdrücklich die Gaben einer „armen Witwe“. Auch eine unverschuldete Verarmung von Witwen war möglich, wie Jesu Anklage gegen diejenigen, die „die Häuser der Witwen verzehren“, zeigt: oi2 katesqi3onteV (Lk: oi0 katesqi3ousin) ta4V oi1ki3aV tw5n chrw5n, Mk 12,40 par Lk 20,47. Zu den Gefahren des Reichtums s. ferner Lk 6,24; 12,16- 21; 16,(1-)9.19-31. 48 Vgl. M. H ENGEL , Jesus, 26f (Hervorheb. im Original); ähnlich DERS ., Ursprünge, 26: „Die Schwierigkeiten in der Armenversorgung waren die leicht erklärbare Folge.“ Dagegen H. F RANKEMÖLLE , Judentum, 244: „Es gab keine zwei Jerusalemer Gemeinden, vielmehr gab es in der einen Urgemeinde Christen, die Aramäisch sprachen, und andere, die Griechisch sprachen.” <?page no="187"?> 7 Welchen Diakonat braucht die Kirche? 188 (1) Trotz ihrer aufs Ganze gesehen besseren Ausgangslage fühlten sich hellenistische Witwen 49 durch die Nicht-Berücksichtigung bei der täglichen Versorgung benachteiligt. Eine Armut an familiären Vertrauenspersonen vor Ort, wie sie bei (Re-) Migranten nicht untypisch gewesen sein dürfte, verstärkte dieses Gefühl. Kurz, es mangelte an „Sozialkitt“. Durch Unachtsamkeit und Ungleichbehandlung wurde jedenfalls eine symbolische Statusverletzung bewirkt. Allerdings wäre eine Erklärung des Konflikts allein durch den Mangel an Anerkennung (im antik-mediterranen Rahmen von honour and shame), durch eine Verletzung von Versorgungsprinzipien, eines systematisch auf Ausgleich bedachten Programms oder des Selbstbewusstseins (Selbstwertgefühls) einer Gemeindegruppe aus historischer Perspektive unzureichend und widerspräche literarisch dem zuvor geschilderten „idealen“ Zustand der Jerusalemer Gemeinde. Zum konkreten Ausbrechen eines Konfliktes bedurfte es mehr. Daher ist ein realer Hintergrund sehr wahrscheinlich: Eine finanzielle, existenzbedrohende Not lag in einer namhaften Zahl von Fällen zusätzlich vor 50 . (2) Obwohl das Spendenaufkommen auf „hellenistischer“ Seite größer als auf „aramäischer“ gewesen sein dürfte 51 , waren mit der täglichen Witwenversorgung offensichtlich die einheimischen, aramäischsprachigen Judenchristen betraut 52 . Sonst wäre das „Murren gegen die Hebräer“ 53 nicht verständlich. Der Ausdruck zeigt außerdem, dass die trennende Wirkung der beiden Sprachen in erheblicher Weise im Bewusstsein präsent war. (3) Ob die Gottesdienste der griechischbzw. aramäischsprachigen Judenchristen noch gemeinsam (Theissen) oder bereits getrennt (Hengel) gefeiert wurden, kann nicht eindeutig erwiesen werden. Abgesehen von den 49 Vgl. G. T HEISSEN , Hellenisten, 329: „Kurz: es fehlt ein expliziter Hinweis auf ihre Bedürftigkeit. Externe Daten weisen eher darauf hin, daß die nach Jerusalem zurückgekehrten Diasporajuden nicht zu den ärmsten Schichten gehörten.“ Ähnlich ebd., Anm. 16: „so ist der Schluß erlaubt: Die Hellenisten gehörten zu den bessergestellten Kreisen“. 50 Zwar belegt die häufige Nennung von Frauennamen bei den griechischen Ossuarinschriften einen gewissen Wohlstand, s. M. H ENGEL , Jesus, 31 mit Anm. 109. Aber die namentliche Dokumentation durch archäologische Belege sagt gerade nichts über Vorhandensein und Anzahl von aus verschiedensten Gründen verarmten griechischsprachigen Witwen aus. Denn Arme leisten sich keine steinernen Inschriften. 51 So mit Recht G. T HEISSEN , Hellenisten, 330. 52 Bei der täglichen (! ) Witwenversorgung handelte es sich nicht um die „wohlorganisierte wöchentliche Armenversorgung der jüdischen Gemeinden“, s. M. H ENGEL , Jesus, 32; gegen J. R OLOFF , Apostelgeschichte, 109: „die wohlorganisierte Armenpflege der jüdischen Gemeinde“. Zur jüdischen Sozialfürsorge s. noch immer J. J EREMIAS , Jerusalem, 142-150. 53 Act 6,1. Das „Murren“ richtet sich nicht allein gegen prominente Jünger oder gegen die Zwölf. Dass die aramäischsprachigen Judenchristen ein Problembewusstsein haben, zeigt ihre einhellige und tatkräftige Zustimmung zu den Vorschlägen der Zwölf, vgl. h6resen o2 lo3goV e1nw3pion panto4V tou5 laou5, Act 6,4f. <?page no="188"?> 7.2 Die Konstituierung eines Jerusalemer Siebenergremiums nach Act 6,1-7 189 üblichen (gemeinsamen) Tempelgottesdiensten dürfte ein gemeinsamer, überwiegend aramäischer (Haus-) Gottesdienst nur wenigen „Hellenisten“ verständlich gewesen sein. Auch das rapide Wachstum der nachösterlichen Jerusalemer Gemeinde und ihre innerjüdische Zugehörigkeit zu mehreren Synagogen 54 macht die Existenz mehrerer, griechischbzw. aramäischsprachiger Hausgemeinden wahrscheinlich 55 . Zu den Problemen um Sprache und Tradition gesellte sich ein logistisches: „Man kann sich keinen Raum vorstellen, der die ganze Gemeinde hätte fassen können, und so werden die Herrentag- und -mahlfeiern in verschiedenen Häusern gleichzeitig stattgefunden haben.” 56 Der wahrgenommene Konflikt scheint jedoch von grundsätzlichem Charakter und wird dementsprechend zentral reguliert. 7.2.1.3 Die Lösung des Konflikts durch die Etablierung eines Siebenergremiums Bei der Lösung des Konflikts werden zwei Institutionen der Gemeindeleitung aktiv: die Jüngerversammlung und die Zwölf. Bei Letzteren liegt die Initiative: Sie berufen eine Gemeindeversammlung ein und unterbreiten einen Lösungsvorschlag (Act 6,2-4). Die Verantwortung 57 für den „Essensdienst“ soll abgegeben werden an ein Siebenergremium, das als weitere, neu zu errichtende Gemeindeinstitution eingeführt wird. Dieser Vorschlag findet allgemeine Zustimmung und wird realisiert (Act 6,5f). Die Namensliste zeigt: Alle sieben Personen sind griechischsprachige Judenchristen 58 . 54 „In Wirklichkeit gab es sicher mehrere griechischsprechende Synagogengemeinden in Jerusalem“, so M. H ENGEL , Jesus, 32 (Hervorheb. im Original); s. auch Act 6,9; 9,29; 24,12. Nach C. C LAUSSEN , Versammlung, (94-) 98 dienten „die Synagogen in Jerusalem vor allem Diasporajuden, Pilgern und Rückwanderern“; er rechnet mit der „Möglichkeit zahlreicher, vielleicht hunderter von Synagogenversammlungen in den Privathäusern Jerusalems“. 55 S. außerdem Act 2,46: „Jeden Tag hielten sie sich einmütig im Tempel auf und brachen das Brot (da und dort) in Häusern“, kaq’ h2me3ran te proskarterou5nteV o2moqumado4n e1n twü 5 i2erwü 5, klw5nte3V te kat’ oi8kon a6rton, ferner Act 12,12. 56 C. C OLPE , Gemeinde, 69, der „von höchstens 55000 Einwohnern” ausgeht, die sich an Festzeiten „auf etwa das Dreifache erhöhte”. 57 Vgl. J. J ERVELL , Apostelgeschichte, 217: „Dass die Apostel früher für die Unterstützung der Armen bei den Mahlzeiten sorgten“, ist „nicht direkt gesagt“; sie waren aber „mindestens dafür verantwortlich“. 58 Letzteres erhellt aus dem expliziten Zusatz „den antiochenischen Proselyten“ beim letzten Namen: to4n prosh3luton 1Antioce3a, Act 6,5. Das Substantiv 1Antioceu3V ist neutestamentliches Hapaxlegomenon und stellt eine dosierte Prolepse zu den Entwicklungen ab Act 11,19-30 dar (in 11,19 umgekehrt ein Rückverweis auf 8,1). Die Namen der Sieben verweisen fast ausnahmslos (Philippus, nach Joh 1,44 in Betsaida belegt) auf das jüdisch-hellenistische Milieu: „sowohl die typischen Judennamen wie Dositheos, Theodoros, Jason, Sabbataios etc. wie auch heidnische theophore Namen fehlen“, vgl. M. H ENGEL , Jesus, 25f (25) mit Anm. 89. <?page no="189"?> 7 Welchen Diakonat braucht die Kirche? 190 Sie werden „vor die Apostel“ gestellt und unter Gebet und Handauflegung in ihren Dienst eingesetzt 59 . Dass das neue Gremium sieben Personen umfasst, ist kein Zufall. Sieben ist die Zahl der Größe eines jüdischen Ortsvorstands 60 . Waren sie nur für einen Teil der schnell wachsenden Jerusalemer judenchristlichen Gemeinde zuständig oder für die ganze Gemeinde? Dies ist nicht sicher zu entscheiden und hängt an den Fragen, ob man sich aufgrund der Einsetzung des „hellenistischen“ Siebenergremiums die Einstellung der „Hebräer“ in der Versorgung der „hebräischen“ Witwen vorstellen möchte (eher nicht; weder ist davon die Rede noch wäre dies folgerichtig) und wie selbständig der griechischsprachige Teil der Gemeinde gedacht wird 61 (mit steigender Zahl und steigendem Organisationsgrad wohl auch zunehmend). Parallel dazu ist damit auch die Frage „eine(r) gewisse(n) Unterordnung der Sieben unter die Zwölf“ verbunden 62 . Die Zwölf beanspruchten „wohl für alle Gemeinden in Judäa und Galiläa Autorität“ 63 . Sie repräsentierten „das eschatologische Israel“ 64 . Nach der 59 Vgl. die alttestamentlichen Einsetzungserzählungen in Gen 41,29-46; Ex 18,13-26; Num 11,1-25; 27,16-23; Dtn 1,9-18; dazu H. B RAUN , Geschichte, 122-124. Exakt auf dieselbe Weise, nämlich „mit Gebet und Handauflegung“ findet auch „die erste evangelische Ordination“ im Mai 1525 in Wittenberg statt, s. M. K RARUP , Ordination, 308. Georg Rörer trat damals seinen „Dienst als Hilfsgeistlicher (diaconus) an der Stadtkirche“ an, ebd., 309. Zur forma electionis durch Gebet und Handauflegung s. ebd., 62- 65, zu Luthers Wittenberger Ordinationsformular s. ebd., 247-263. Nach S. S ANDERS , Amt, 42 bilden „Wahl und Bestellung durch die Gemeinde (praesentatio), Handauflegung und Gebet (ordinatio) und Anerkennung (acclamatio)” „eine Einheit und sind konstitutiv für das Geschehen”. In Act 6,6 dürfte es sich kaum um eine „Weihe“ handeln, gegen G. H AMMANN , Geschichte, 25. Zur Handauflegung in der Bibel s. auch Exkurs 9 bei J. Z MIJEWSKI , Apostelgeschichte, 289. 60 Ähnlich J. J ERVELL , Apostelgeschichte, 218 Anm. 621: „‚Sieben’ als feste Bezeichnung bei Ortsvorständen jüdischer Gemeinden“; eine Fülle von Belegen nennt G. T HEISSEN , Hellenisten, 327; s. auch H ENGEL , Jesus, 30f mit Anm. 106. Nach Act 21,8 hieß das Gremium „die Sieben“, oi2 e2pta3. 61 Für M. H ENGEL , Jesus, 25 waren die Sieben „das Führungskollegium einer selbständigen Gemeindegruppe, eben der ‚Hellenisten’“ (Hervorheb. im Original); ähnlich E. S CHWEI - ZER , Struktur, 171: „Leiter der hellenistischen Gruppe“. Die Bildung einer neuen Gemeinde war nicht analogielos, s. M. H ENGEL , Jesus, 30: „Für jüdische Verhältnisse waren derartige Konstituierungen neuer gottesdienstlicher Gemeinden durchaus nichts Besonderes.“ Für G. T HEISSEN , Hellenisten, 327f bedeutet die Einsetzung des Siebenergremiums „keine Spaltung der Urgemeinde in zwei Gemeinden“. 62 Vgl. M. H ENGEL , Jesus, 30. Von einer Unterordnung geht auch G. T HEISSEN , Hellenisten, 328 aus, da die Zwölf „z.T. gar nicht in Jerusalem anwesend“ waren. A. H ENT - SCHEL , Diakonia, 329 vertritt „die grundsätzliche These, dass Apg 6,1-7 eine Konstruktion darstellt, um die Sieben den Zwölf unterzuordnen“. Jedoch zu welchem Zweck? Benötigt der ehemalige Zwölferkreis Jesu eine solche und so späte Legitimationsbestätigung? 63 Vgl. M. H ENGEL , Jesus, 30. <?page no="190"?> 7.2 Die Konstituierung eines Jerusalemer Siebenergremiums nach Act 6,1-7 191 Verheißung Jesu werden sie an seinem Tisch in seinem Reich „essen und trinken“ „und auf Thronen sitzend die zwölf Stämme Israels richten“ (Lk 22,30) 65 . Repräsentieren die Sieben analog dazu „das eschatologische Jerusalem“, und zwar die ganze Gemeinde aus griechischsprachigen und aramäischsprachigen Judenchristen? Dann könnte man die Etablierung der sieben griechischsprachigen Judenchristen als örtliche Gemeindeleitung mit verschiedenen Akzenten deuten: als einen gewissen lokalen Ausgleich für die überörtlich hervorgehobene Stellung des aramäischsprachigen Zwölferkreises, als Annäherung an die realen, auch zahlenmäßigen Verhältnisse der örtlichen Gemeinde, als Ausdruck des spezifischen und einmaligen jüdisch-hellenistischen Milieus in Jerusalem oder als mutigen Entwicklungsschritt (Modernisierungsschub) der jungen judenchristlichen Gemeinde. Denn die so genannten „Hellenisten“ sind nicht nur sprachlich als weltläufiger zu betrachten; sie waren sehr wahrscheinlich auch insgesamt vermögender und verfügten über eine gute Bildung. Wahrscheinlich sind mehrere der genannten Deuteperspektiven berechtigt, die sich gegenseitig verstärken und nicht ausschließen. In einem Fall ist sogar der Übergang aus dem auf Judäa und Galiläa bezogenen Zwölferkreis in den auf Jerusalem bezogenen Siebenerkreis nicht auszuschließen: Philippus könnte nacheinander beiden Kreisen angehört haben, zunächst den Zwölf und dann den Sieben 66 . Dann wäre das Siebenergremium mit dem „Hellenisten“ Stephanus und dem „Hebräer“ Philippus „ausgeglichener besetzt“ 67 . Sofern die Sieben nicht die ganze Gemeinde repräsentieren, wird mit ihnen zumindest eine „kollegiale Leitung” für die „Hellenisten” etabliert 68 ; auch das wäre kein geringer Fortschritt auf dem Weg der Gemeindeentwicklung. 64 G. T HEISSEN , Hellenisten, 327; ähnlich D. D ORMEYER / F. G ALINDO , Apostelgeschichte, 102: „Der Zwölferkreis repräsentiert (…) weiterhin das erneuerte Israel für alle.“ 65 S. dazu B. M UTSCHLER , Antworten, 42f. 66 Vgl. M. H ENGEL , Jesus, 27f mit Anm. 95: „Bei der relativen Häufigkeit des Namens lässt sich die Frage nicht mehr entscheiden.“ Analoge Fälle des Übertritts vom aramäischsprachigen in das weltläufigere griechische Milieu wären Barnabas, Paulus oder auch Kephas-Petros. Allerdings sollte gerade die Häufigkeit eines Namens zur Vorsicht mahnen. Das Beispiel des „Johannes“ zeigt, wie möglicherweise bis zu vier verschiedene Personen gegen Ende des zweiten Jahrhunderts als eine einzige miteinander identifiziert werden, s. ausführlich B. M UTSCHLER , Was weiß Irenäus, 725- 729.741f. Zwischen „Johannes“ und „Philippus“ besteht eine Analogie, s. ebd., 724 Anm. 110: „Auch von Polykrates bzw. der ihm vorliegenden Tradition werden der Philippus aus dem Zwölferkreis mit dem aus dem Siebenerkreis vermischt.“ 67 Darauf verweist G. T HEISSEN , Hellenisten, 331f (332). Aufgrund des fehlenden Beinamens, der eine klare Differenzierung zwischen beiden Gestalten erzwingen würde, hält er die Identität zwischen beiden für „wahrscheinlich“, ebd., 332. 68 Th. S ÖDING , Sozialdienst, 55. Ähnlich beurteilt A. H ETSCHEL , Diakonat, 303 die Sieben „historisch wohl als von den zwölf Aposteln unabhängiges Leitungsgremium des griechischsprechenden Gemeindeteils in Jerusalem”. <?page no="191"?> 7 Welchen Diakonat braucht die Kirche? 192 Die Einsetzung der Sieben unter Gebet und Handauflegung hat den konkreten Konflikt zwischen den griechischsprachigen und den aramäischsprachigen Christen in Jerusalem zunächst erfolgreich gelöst. Darauf weist die abschließende Bemerkung vom beeindruckenden Wachstum der „Zahl der Jünger“ hin 69 . 7.2.2. Was bedeuten Diakonia und diakonein in Act 6,1-7? Diakonia (diakoni3a) oder diakonein (diakonei5n) kommen im Erzählabschnitt an drei Stellen vor: (1) Die griechischsprachigen Witwen werden regelmäßig „in der täglichen Diakonia übersehen“ 70 . (2) Die Zwölf bezeichnen es als „unpassend“, wenn sie „das Wort Gottes vernachlässigen“ und stattdessen „an Tischen diakonein“ (= Diakonia ausführen) 71 . (3) Nach der Übertragung dieses „notwendigen Dienstes“ 72 auf die Sieben wollen die Zwölf selbst „beim Gebet und bei der Diakonia des Wortes verharren“ 73 . Im Folgenden werden die drei Stellen nacheinander genauer betrachtet. 7.2.2.1 „Tägliche Diakonia“ an Witwen, Act 6,1 Die „tägliche Diakonia“ an Witwen (Act 6,1) impliziert wahrscheinlich keine Unterstützung durch Geld 74 , sondern durch Naturalgaben. Beide For- 69 Act 6,7 rahmt den Erzählabschnitt zusammen mit 6,1: plhquno3ntwn tw5n maqhtw5n, 6,1; hu6xanen kai4 e1plhqu3neto o2 a1riqmo4V tw5n maqhtw5n, 6,7. Im nachgestellten sfo3dra („heftig“, „gewaltig“), 6,7, liegt eine Steigerung gegenüber 6,1 vor. Die Act 6,7 abschließende Notiz vom „Glaubensgehorsam“ vieler Priester bereitet die nächste Szene vor: Angehörige einer Diasporasynagoge (oder mehrerer? , vgl. C. C LAUSSEN , Versammlung, 94f) erkennen im griechischsprachigen Stephanus einen Gegner und bringen den Fall vor das Synhedrium, s. Act 6,9.12. Diesem kann der „Glaubensgehorsam“ vieler Priester kaum gleichgültig sein; vgl. analog das nächtliche (= heimliche) Erscheinen des Pharisäers Nikodemus bei Jesus, Joh 3,1(-21). 70 Pareqewrou5nto e1n th5 ü diakoni3aü kaqhmeri3nhü, Act 6,1. 71 Ou1k a1resto3n e1stin h2ma5V katalei3yanteV to4n lo3gon tou5 qeou5 diakonei5n trape3zaiV, Act 6,2. 72 Crei3a bedeutet nach W. B AUER / K. und B. A LAND , Wörterbuch, Sp. 1764f „Bedürfnis“, „Notwendigkeit“, speziell „Bedarf“, „Mangel“ oder „Not“ „an Lebensmitteln u.ä.“ (crei3a 2a, Hervorheb. im Original), ferner „Amt“, „Pflicht“ oder „Dienst“ (crei3a 4). 73 Thü 5 proseuch5 ü kai4 thü 5 diakoni3aü tou5 lo3gou proskarterh3somen, Act 6,4. 74 Zu dieser Interpretationsoption s. A. H ENTSCHEL , Diakonia, 322 mit Anm. 108. Um Güterausgleich kümmern sich nach der Darstellung in Act 2,45 alle Gemeindeglieder; erst in 4,35.37; 5,2 wird das Geld „den Aposteln zu Füßen“ gelegt. Eine Diakonia durch Geld liegt dagegen bei der von Barnabas und Saulus von Antiochien nach Jerusalem überbrachten Unterstützung vor, die eine bevorstehende Hungersnot lindern soll, s. „zur Unterstützung schicken“, ei1V diakoni3an pe3myai, Act 11,(28-)30; „den Dienst“ (oder: Auftrag, Kollektenreise, Unterstützungsreise) „zu Ende ausführen“, plhrw3santeV th4n diakoni3an, 12,25 (inclusio); dazu auch D. J ONAS , Diakonein, 115f. <?page no="192"?> 7.2 Die Konstituierung eines Jerusalemer Siebenergremiums nach Act 6,1-7 193 men sozialer Unterstützung sind im antiken Judentum bekannt 75 . In Act 6 ist am ehesten an das Brotbrechen „da und dort in den Häusern“ zu denken 76 . Vom gemeinsamen Brotbrechen ausgehend 77 ist die Unterstützung auf zweierlei Weise denkbar: Entweder erhalten die Witwen ihre Unterstützung bei der Zusammenkunft, oder man bringt sie ihnen anschließend in die Häuser. Es spricht m.E. vieles dafür, in diesem Zusammenhang auch an Witwen mit eingeschränkter Mobilität zu denken, sei es aufgrund von Krankheit oder von Altersgebrechen. Ein Assistenzbedarf wegen mangelnder Mobilität wird zwar nicht eigens erwähnt, zog aber damals nicht weniger als heute einschneidende Versorgungsschwierigkeiten nach sich. Armut 78 und Immobilität mögen in einzelnen Fällen zusammengekommen sein. Auf ein Versorgungsproblem mit Lebensmitteln weisen sowohl der Begriff „Tische“ (Act 6,2) hin als auch das Wort „Murren“: Es erinnert an die Murrgeschichten des alttestamentlichen Gottesvolkes nach der großen Heilstat Gottes (Ex 16 79 ). Die Nicht-Berücksichtigung bei der Witwenversorgung betrifft aber nicht nur den Aspekt des Essens 80 . Weitere Dimensionen kommen hinzu: „Brotbrechen“ umschließt auch die Dimensionen der Gemeinschaft (Act 2,42, koinwni3a) und der Teilhabe am Herrenmahl (1 Kor 10,16f). Insofern bedeutet eine anhaltende Nicht-Berücksichtigung auch einen Ausschluss von der Gemeinschaft und vom Abendmahl. Das „Murren“ wendet sich also gegen eine sozialkaritative Unterlassung, die darüber hinaus sozial diskriminierend wirkt und von der gottesdienstlichen Gemeinschaft, der leibhaften Gemeinschaft mit dem „Herrn“, ausschließt 81 . 75 Dazu G. S CHNEIDER , Apostelgeschichte I, 424. 76 Vgl. klw5nte3V te kat’ oi8kon a6rton, Act 2,46; diakonei5n trape3zaiV, Act 6,2. 77 H.W. B EYER , Art. diakone3w ktl., 84,36f möchte den Streitpunkt darauf verengen, „ob die hellenistischen Frauen überhaupt zu dieser Tischgemeinschaft und damit zur Gemeinde gehören oder nicht“. Diese Auslegung versteht jedoch zu allgemein „Frauen“ als Auslöser des „Murrens“ und nicht „Witwen“, s. ai2 ch5rai au1tw5n, Act 6,1. 78 Dass nicht nur das subjektive Gefühl einer Zurücksetzung den Konflikt auslöste, sondern in jedem Fall eine reale Bedürftigkeit vorlag, zeigt auch der durchgängig sorgfältige und sparsame Gebrauch von crei3a in Act, s. Act 2,45; 4,35; 6,3; 20,34; 28,10. 79 Das lautmalerische Wort goggusmo3V, Act 6,1, kommt mit fünf von elf Belegen der Septuaginta in Ex 16 vor, s. 16,7.8(bis).9.12; ferner diagoggu3zein, 16,2.7.8; s. auch goggusmo3V, Num 17,20.25; ferner Ch. Z ETTNER , Amt, 148f. R. N EUBERTH , Demokratie, 70-77 (73) verweist auf das Murren, die Machtübertragung, die Zahl 70 und das „Motiv gestufter Kompetenzen“ in Num 11; für weitere mögliche Bezugnahmen auf die Septuaginta s. ebd., 56-64. Zu den durch Bezugnahmen auf Ex 16 und Num 11 geweckten Erwartungen s. H. B RAUN , Geschichte, 104f.113f. 80 Vgl. metela3mbanon trofh5V, Act 2,46. 81 Diese Aspekte werden übersehen von E. S CHWEIZER , Struktur, 172: „Gibt es also einen höherstehenden Dienst am Wort und einen weniger wichtigen an den Tischen? In einem gewissen Sinn ist das richtig.“ <?page no="193"?> 7 Welchen Diakonat braucht die Kirche? 194 Mit Begriffen aus der Kirchentheorie formuliert 82 : In die Kritik gerät eine Praxis, die drei Grunddimensionen der Kirche betrifft, nämlich Diakonia (diakoni3a), Koinonia (koinwni3a) und Leiturgia (leitourgi3a), Dienst am Nächsten, Gemeinschaft untereinander und Gottes Dienst am Einzelnen und an der Gemeinschaft. Alle drei Dimensionen sind durch Diakonia in Act 6,1 impliziert. 7.2.2.2 „An Tischen Diakonia ausführen“, Act 6,2 Die Verantwortung für den Missstand tragen letztlich die Zwölf 83 . Sie ergreifen die Initiative, weil sie die Autorität zur Durchsetzung von Veränderungen haben und weil sie die Verantwortung für die Organisation der Gemeinde tragen. Der Fortgang der Erzählung zeigt, dass die Umsetzung ihres Lösungsvorschlags eine „Arbeitsentlastung“ für sie bedeutet 84 . Sie bezeichnen es als „unpassend“, wenn sie „das Wort Gottes vernachlässigen“ und stattdessen „an Tischen Diakonia ausführen“. Was bedeutet diakonei5n trape3zaiV (Act 6,2)? Zweifellos handelt es sich nicht um Geldwechseltische 85 , sondern um Esstische 86 . Wie bereits angeklungen, dient das Essen nicht allein der Nahrungsaufnahme (Lk 16,21; Act 16,34) 87 , sondern auch - wie sich anhand der Verwen- 82 Zugrunde gelegt wird etwa die Definition von N. M ETTE , Art. Diakonia, Sp. 184: „Diakonia“ bildet demnach „neben Martyria (Verkündigung), Leiturgia (Gottesdienst) u. Koinonia (Gemeindebildung) eine der Grundfunktionen v. Kirche. Dabei stehen diese Grundfunktionen nicht additiv nebeneinander u. bilden etwa je eigene Bereiche kirchlichen Handelns, sondern sie bedingen und durchdringen sich gegenseitig.“ Bündiger kann man es nicht sagen! Dagegen unterscheidet Ch. R OSE , Hecken, 54 drei „Wesensmerkmale einer Kirchengemeinde“ (Hervorheb. im Original): „Ich erinnere an die klassische Trias: Leiturgia - Martyria - Diakonia.“ Die Formulierung dieser „klassisch“ genannten Trias durch griechische Begriffe stammt von Oskar Planck, dem ersten Hausvater des Berneuchener Hauses im Kloster Kirchberg und wurde „wohl im Jahre 1935 auf einer Probebrüderwoche der Evangelischen Michaelsbruderschaft“ erstmals verwendet, s. H.-Ch. S CHMIDT -L AUBER , Martyria. D ERS ., ebd., erwägt „eine Erweiterung unserer triadischen Formel durch den Begriff Koinonia“. Diese versteht er als „die Beziehung des erhöhten Herrn zu seiner Gemeinde, die sich in der eucharistischen Mahlzeit vollzieht und deshalb notwendigerweise die Teilhabe der Gemeinde einschließt“. Aber ist es nicht klarer, das Verhältnis zwischen Gott und Mensch insgesamt als „Leiturgia“ zu fassen, Verkündigung als „Martyria“, Handeln als „Diakonia“ und die Gemeinschaft untereinander (sanctorum communio) als „Koinonia“? S. auch J. Z IMMERMANN , Gemeinde, 140-142. 83 So auch A. H ENTSCHEL , Diakonia, 329; J. J ERVELL , Apostelgeschichte, 217. 84 D. J ONAS , Diakonein, 111 spricht von einer „Arbeitsentlastung der Apostel“. 85 Tra3peza ist in diesem Sinn im Corpus Lucanum nur in Lk 19,23 belegt. 86 B. W ANDER , Trennungsprozesse, 127 weist auf TestJob X,2 (X,1-11,4) hin: „Auch hatte ich zwölf andere Tische (trape3zaV) aufstellen lassen für die Witwen.” 87 Ausdrücklich für eine Beschränkung auf den Sinn „für Mahlzeiten sorgen“ treten L. G OPPELT , Art. tra3peza, 212,33-213,6 (213,6, Hervorheb. im Original) und ähnlich zu- <?page no="194"?> 7.2 Die Konstituierung eines Jerusalemer Siebenergremiums nach Act 6,1-7 195 dung des Wortes „Tisch“ im Lukanischen Doppelwerk zeigen ließe - der Gemeinschaft der Gläubigen (Act 16,34), der Erinnerung an die Nacht des Verrats und des letzten Mahls Jesu (Lk 22,21) und dem Ausblick auf das Essen im Reich Gottes (Lk 22,30). Dies bedeutet: „Den Tischdienst wahrnehmen“ 88 bedeutet nach Lukas nicht allein die Mitwirkung bei einem Sättigungsmahl. Es impliziert darüber hinaus einen symbolischen Mehrwert, der die Aspekte der Gemeinschaft im Glauben, des Bewusstseins menschlicher Schuld und der eschatologischen Hoffnung umfasst 89 . Diese Aspekte heißen in einer traditionellen, aber theologisch zugespitzteren Formulierung „Gemeinschaft der Gläubigen, Vergebung der Sünden (…) und das ewige Leben“ 90 . „Tischdienst“ impliziert also nach Lukas nicht nur Unterstützung (diakoni3a), sondern auch Gemeinschaft (koinwni3a) sowie Freude an Gott und seinem Reich (leitourgi3a). Damit wird deutlich: Die Verkündigung (marturi3a) wird zwar vom „Tischdienst“ abgesetzt; dieser enthält aber nicht weniger symbolische, geistliche Dimensionen als jene. Im Kontext der durch Act 6 geschilderten Situation besteht ein wichtiger Unterschied jedoch darin, dass die Verkündigung stark auf die Gewinnung weiterer Jüngerinnen und Jünger abzielt 91 , während der „Tischdienst“ eine Aufgabe innerhalb der bereits bestehenden Gemeinde darstellt. „Diakonia ausführen“ (diakonei5n) kommt nur an einer weiteren Stellen in Act vor: Von Ephesus aus sendet Paulus „zwei von denen, die ihm Diakonia ausführten“ nach Mazedonien voraus (Act 19,22 92 ). Die Ausführung dieser Form von Diakonie (Gemeindediakonie in einer frühen Form) zeigt in ähnlicher Weise eine selbständig wahrzunehmende Aufgabe wie der „Tischdienst“ in der Jerusalemer Gemeinde. An beiden Stellen steht der Charakter des Dienstes m.E. im Vordergrund gegenüber demjenigen der Beauftragung: „Diakonia an Tischen ausführen“ (Act 6,2) ist ebenso adressaten- und dienstorientiert wie „ihm - gemeint ist Paulus - Diakonia ausvor H.W. B EYER , Art. diakone3w ktl., 84,22-27 (84,22: „für die Mahlzeit sorgen“, Hervorheb. im Original) ein. 88 So die Übersetzung von diakonei5n trape3zaiV W. B AUER / K. und B. A LAND , Wörterbuch, Sp. 368 (diakonei5n 3). 89 Zum metaphorischen Mehrwert des Tischdienstes s. außerdem Lk 12,35-48; 17,7-10; 22,24-30. 90 Vgl. sanctorum communionem, remissionem peccatorum (…) et vitam aeternam, BSLK 21,20-23. 91 Vgl. to4n lo3gon tou5 qeou5, Act 6,2, mit o2 lo3goV tou5 qeou5, 6,7, im Zusammenhang der Nachricht vom „heftigen“ Wachsen der Gemeinde. 92 1Apostei3laV de4 ei1V th4n Makedoni3an du3o tw5n diakonou3ntwn au1tw5 ü, Timo3qeon kai4 1Eraston, Act 19,22. D. J ONAS , Diakonein, 92 legt diese Stelle nicht eigens aus, weil sie „von den anderen zu behandelnden Texten her eine theologische Dimension“ gewinne. Offen bleibt, worin sie besteht und was Act 19,22 zum Verständnis von diakonei5n beiträgt. <?page no="195"?> 7 Welchen Diakonat braucht die Kirche? 196 führen“ (Act 19,22). Die konkrete Beauftragung, nach Mazedonien zu gehen, erfolgt dagegen durch das Wort „senden“ 93 (a1poste3llein, daher „Apostel“). 7.2.2.3 „Diakonia des Wortes“, Act 6,4, und die übrigen Diakonia-Belege in Act Im weiteren Verlauf des Textes wird die Verkündigung durch die Zwölf als „Diakonia des Wortes“ bezeichnet (Act 6,4). Aus dem Zusammenhang geht klar hervor, dass es sich um das „Wort Gottes“ handelt 94 . Diese Diakonia wird bereits im ersten Kapitel zweimal mit dem Zwölferkreis verbunden: Auch Judas hatte „das Los dieser Diakonia empfangen“ (Act 1,17), und nach seinem schriftgemäßen Tod trat Matthias „an den Platz dieser Diakonia und des Apostolats“ (Act 1,25) 95 . An beiden Stellen ist die Diakonia von Gott verliehen 96 . Von Gott verliehen wurde sie nach Lukas auch dem Paulus als „dreizehntem Zeugen“ 97 . Er hat „vom Kyrios Jesus die Diakonia empfangen“ (Act 20,24). In Paulus’ Abschiedsrede an die ephesinischen Gemeindeältesten wird Lukas inhaltlich konkret: Die Diakonia bestehe darin, „das Evangelium von der Gnade Gottes zu bezeugen“ (20,24). Dieser Diakonia fühlt sich Paulus verpflichtet. Er will sie, wie er zum Abschied sagt, „vollenden“ 98 . Durch die Diakonia des Paulus handelt Gott unter den Heiden (Act 21,19). Somit ergibt sich: Fünf von acht Diakonia-Belege in Act (1,17.25; 6,4; 20,24; 21,19) bezeichnen den Zeugnis- und Verkündigungsdienst, der sich stark nach außen richtet und eine Mission Gottes zunächst nur unter Juden, später auch unter Heiden, erfüllt. Diese Art der Diakonia ist Werbung für das „Evangelium von der Gnade Gottes“ (Act 20,24). Sie wird heutzutage als kirchliche Grunddimension der „Martyria“ (marturi3a), der Verkündi- 93 Dies hebt J.N. C OLLINS , Diakonia, 223f in seiner Behandlung der Stelle nicht eigens hervor. 94 S. to4n lo3gon tou5 qeou5, Act 6,2; o2 lo3goV tou5 qeou5, 6,7. Inkonzinn dazu wird o2 lo3goV in 6,5 gebraucht: Rede, Wort, Vorschlag. 95 Formal bedeutet Diakonia hier einen Platz im Zwölferkreis. In dieselbe Richtung weist das Zitat aus Ps 109,8 (= 108,8 LXX): „Sein Aufsichtsamt soll ein anderer bekommen“, th4n e1piskoph4n au1tou5 labe3tw (LXX: la3boi) e9teroV. Zur inhaltlichen Näherbestimmung von diakoni3a in Act 1,17.25 s. ausführlich D. J ONAS , Diakonein, 105-110. Über den Hinweis auf die Schrifterfüllung in Act 1,16, der sich höchstwahrscheinlich auf Ps 41,10 (= 40,10 LXX) bezieht, besteht ein Zusammenhang zur gemeinsamen Mahlzeit: „Auch mein Freund, dem ich vertraute, der mein Brot aß, tritt mich mit Füßen“. 96 Dies wird durch die Rede vom „Los“ oder „Anteil“ ausgedrückt, s. e6lacen to4n klh5ron th5V diakoni3aV, Act 1,17; e6dwkan klh3rouV au1toi5V kai4 e6pesen o2 klh5roV, 1,26. 97 Vgl. den gleichnamigen Buchtitel von Ch. B URCHARD . Zu den folgenden beiden Belegen s. ausführlich D. J ONAS , Diakonein, 116-118. 98 2WV teleiw5sai to4n dro3mon mou kai4 th4n diakoni3an h0n e6labon para4 tou5 kuri3ou 1Ihsou5, diamartu3rasqai to4 eu1agge3lion th5V ca3ritoV tou5 qeou5, Act 20,24. <?page no="196"?> 7.2 Die Konstituierung eines Jerusalemer Siebenergremiums nach Act 6,1-7 197 gung und des Zeugnisses, bezeichnet 99 , in Act dagegen auch durch Diakonia. Die anderen drei Diakonia-Belege (Act 6,1; 11,29; 12,25) bezeichnen eine konkrete Unterstützung in Form von Geld- oder Sachmitteln, konkret Nahrungsmitteln. Über die tatsächliche Hilfe hinaus spielen dabei auch die Aspekte der Solidarität über eine weite Distanz (Antiochien-Jerusalem, Act 11,29; 12,25) bzw. - wie gezeigt - der Gemeinschaft (koinwni3a) und der gottesdienstlichen Verbundenheit (leitourgi3a, Act 6,1) eine Rolle 100 . 7.2.3 Ein Negativbefund: Das Fehlen von Diakonos im Lukanischen Doppelwerk An dieser Stelle ist ein Negativbefund auffällig: Lukas vermeidet im ganzen Doppelwerk das Substantiv Diakonos (dia3konoV), und zwar offensichtlich absichtlich. Indizien dafür sind: (1) Die markinisch vorgegebenen Belege für Diakonos lässt Lukas entweder aus (vgl. Mk 9,35 mit Lk 9,47) oder ersetzt sie durch ein Partizip (Mk 10,43; diakonw3n, Lk 22,26). (2) Dia3konoV ist beispielsweise in allen anderen neutestamentlichen Schriften vom Matthäusevangelium bis zum Kolosserbrief - in den meisten Fällen mehrfach - belegt. Bei der Größe des Corpus Lucanum und angesichts der insgesamt 19 Belege von diakonei5n oder diakoni3a in diesem ist das Fehlen von dia3konoV kaum anders als durch schriftstellerische Absicht zu erklären. Wie ist die lukanische Vermeidung von dia3konoV zu erklären? Dass Lukas den Begriff Diakonos im Zusammenhang des christlichen Gemeindelebens kannte, steht außer Frage 101 . Wahrscheinlich hatte er in den 80-er Jahren des ersten Jahrhunderts sogar bereits eine relativ feste Vorstellung von dem, was ein Diakonos ist. Genau diese projiziert er aber nicht um ein halbes Jahrhundert zurück, obwohl dies sicher möglich gewesen wäre 102 . 99 Vgl. die grundlegende und bereits in drei geographische Bereiche vorstrukturierende Beauftragung in Act 1,8: kai4 e6sesqe3 mou ma3rtureV e6n te 1Ierousalh4m kai4 [e1n] pa3shü th5 ü 1Ioudai3aü kai4 Samarei3aü kai4 e9wV e1sca3tou th5V gh5V. 100 Zum lukanischen Gebrauch der Wortfamilie diakons. auch knapp H. R ÜEGGER / Ch. S IGRIST , Diakonie, 83f. 101 Vorsichtiger G. H AMMANN , Geschichte, 25: „Es läßt sich nicht mit Sicherheit sagen“. Dagegen stehen jedoch Texte wie der „Diakonenspiegel“ in 1 Tim 3,8-13. Zu diakoni3a ktl. im Corpus Pastorale s. den Überblick bei B. M UTSCHLER , Glaube, 241 sowie verschiedene Einzelexegesen z.St. 102 So mit Recht G. H AMMANN , Geschichte 25: „Die Existenz eines diakonischen Dienstes in Form eines besonderen und personifizierten Amtes konnte nicht ohne weiteres zurückprojiziert werden, weil dieses Amt in seiner späteren Eigenart noch nicht bestand.“ Ähnlich bereits A. W EISER , Apostelgeschichte, 102. Inwieweit sich trotz der sprachlichen Askese in Act 6,1-7 „Nachrichten aus der Frühzeit und die eigenen kirchlichen Verhältnisse zur Zeit des Lukas vermischen“, kann nicht sicher geklärt werden, s. U. L UZ , Grundlagen, 33. <?page no="197"?> 7 Welchen Diakonat braucht die Kirche? 198 Durch sein Schweigen scheint Lukas zu sagen: Sowohl Jesus als auch die Sieben und nach ihnen Paulus 103 sind nicht vergleichbar mit dem, was man sich unter einem Diakonos gegen Ende des ersten Jahrhunderts vorstellt. Für die Anfänge der christlichen Gemeinde in Jerusalem kennt Lukas als Gemeindeleitungsinstanzen nur den Zwölferkreis aus der Zeit des irdischen Jesus, den Siebenerkreis als Konstituierung eines lokalen Ortsvorstandes der Gemeinde und natürlich die Gemeindeversammlung. Durch den bewussten Verzicht auf das Wort Diakonos nimmt Lukas Rücksicht auf seine ersten Leser, die ebenfalls den Diakonat von Männern und Frauen als Gemeindeamt bereits kennen und dadurch eine geprägte Vorstellung davon haben. Diese trägt Lukas nicht in die Frühzeit der „Kirchengeschichte“ zurück. Eine andere Erklärungsmöglichkeit ist, dass Lukas „die Bezeichnung offenbar in der Tradition von Apg 6,1-6 nicht vorgefunden hat” 104 . Nicht nur aus terminologischen, sondern auch aus historischen und literarischen Gründen war der ersten Leserschaft des Lukas bewusst, dass eine Gleichsetzung zwischen der Jerusalemer Diakonia des Siebenerkreises und dem Amt einer Diakonin oder eines Diakons in der Zeit des Lukas, also zwischen der erzählten Zeit und der Erzählzeit, nicht möglich ist: Den ersten jüdisch-römischen Krieg hat die Jerusalemer Gemeinde nicht überlebt 105 , und der Siebenerkreis wird bereits durch die Erzählung von einer „großen Verfolgung“ gesprengt und „über die Länder Judäa und Samaria“ zerstreut (Act 8,1). Im weiteren Verlauf der frühen Kirchengeschichte wurden Diakone und Act 6,1-7 bald miteinander verbunden 106 . Eine zum Diakonos analoge „Vermeidungsstrategie“ könnte für den „Aufseher“ (eine weitere Generation später entwickelt sich daraus der Bischofstitel) vorliegen: Nur in Act 20,28 kommt e1pi3skopoV innerhalb des Corpus Lucanum vor 107 . Die „Aufseher“ werden als vom Heiligen Geist eingesetzt betrachtet und stellen wachsame Hirten der Rechtgläubigkeit gegen die in die Herde einfallenden „Wölfe“ dar (Act 20,29f); nach dem Vorbild des Paulus sorgen sie für sich selbst und nehmen sich dadurch der Schwachen an (20,33-35). Mit Recht wurde bemerkt, dass Act 6,1-7 auf subtile Weise „an die Arbeitsteilung im Stil der späteren Episkopos-Diakonos-Ordnung“ erinnern 103 S. etwa 1 Kor 3,5; 2 Kor 3,6; 6,4; 11,23. 104 Dafür plädiert J. Z MIJEWSKI , Apostelgeschichte, 287. 105 Vgl. G. S CHILLE , Konfliktlösung, 251: „Zum Modell erheben lässt sich eigentlich nur, was nicht mehr besteht.“ 106 Für Ch. W ESSELY , Diakonat, 318 aufgrund „der Sachlogik” „sehr naheliegend”. 107 Zum Aspekt der providentiellen Konfliktbewältigung in Act 20,28 s. G. S CHILLE , Konfliktlösung, 247f. Ein „Aufseheramt“ (e1piskoph3) haben nach Act 1,20 durch das Zitat von Ps 109,8 (= 108,8 LXX) auch die Zwölf erhalten. Dagegen bezeichnet e1piskoph3 in Lk 19,44 ebenso wie e1piske3ptesqai in 1,68.78; 7,16 die heilvolle Heimsuchung durch Gott. <?page no="198"?> 7.3 Aspekte eines evangelischen Verständnisses des Diakonats 199 könnte 108 . Es ist eine Stärke in der Erzählung des Lukas, dass er sich dieser naheliegenden Assoziation terminologisch verweigert: Wie leicht (aber auch: wie unhistorisch) hätte er die Reaktionen auf das „Murren“ zur Gründungsätiologie einer späteren Ordnung ausgestalten können. Für uns ist an diesem Negativbefund wichtig: Obgleich Act 6,1-7 „traditioneller- und fälschlicherweise gern als Einsetzung der ersten Diakone verstanden wird“ 109 , erzählt dies Lukas gerade nicht. Stattdessen verweigert er in Act 6,1-7 gerade ein Bild, ein Jerusalemer „Urbild“ oder Vorbild vom Diakonat, von den Aufgaben und Funktionen von Diakoninnen oder Diakonen 110 . Genau dies - und nicht sein Gegenteil - macht diesen Text so interessant für die Frage nach dem Diakonat 111 . Denn er schildert einen frühen Gemeindeentwicklungsprozess und frühe Formen der Konfliktlösung unter mehrfacher Verwendung des Wortes Diakonia, aber ohne dieses definitorisch oder einengend festzulegen. Gerade der Historiker Lukas scheint durch sein beredtes „Diakonos“-Schweigen ein Bewusstsein dafür lebendig halten zu wollen, dass sich ein solches Gemeindeamt nicht von einem Tag auf den anderen entfaltet. 7.3 Aspekte eines evangelischen Verständnisses des Diakonats auf dem Hintergrund von Act 6,1-7 Auf der Grundlage der erfolgten Auslegung wendet sich nun der Blick zur Gegenwart. Dabei wird zunächst nach dem (1) Verhältnis von Kirche, Diakonie und Diakonat gefragt, ehe (2) in einem zweiten Schritt Perspektiven zum Charakter und zur gegenwärtigen Gestaltung des Diakonats von Act 108 So G. S CHILLE , Konfliktlösung, 252 Anm. 24; ähnlich G. T HEISSEN , Liebeskommunismus, 695: „Lk spricht zwar nicht ausdrücklich von ‚Diakonen’, aber wahrscheinlich hat er bei dieser ersten Aufgliederung urchristlicher Ämter das Verhältnis von ‚Bischöfen’ und ‚Diakonen’ vor Augen.“ In diesem Sinn auch E. S CHWEIZER , Struktur, 171: „im Licht der späteren Unterscheidung von Bischöfen und Diakonen“; ähnlich J. R OLOFF , Dimension, 195. Für A. H ENTSCHEL , Diakonia, 345 ist es eine „wahrscheinliche Annahme, dass die Sieben historisch sehr wohl den Titel dia3konoi beansprucht und sich somit als von Jesus beauftragte Botschafter des Reiches Gottes verstanden haben“. Gegen eine Bezeichnung als „Diakone“ wendet sich Ch. Z ETTNER , Amt, 198- 204. 109 H. R ÜEGGER / Ch. S IGRIST , Diakonie, 76 Anm. 86. 110 Zu den in 1 Tim 3,11 genannten Diakoninnen s. jetzt B. M UTSCHLER , Glaube, 319-323. Eine engagierte Sicht auf Diakoninnen im Neuen Testament unternimmt L. S CHOTT - ROFF , DienerInnen. 111 Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt bereits G. S CHILLE , Konfliktlösung, 243: „Trotzdem bleibt Apg 6,1ff für die Diskussion um Wesen und kirchliche Zuordnung der Diakonie grundlegend, allerdings in einem tieferen und nicht ohne weiteres ablesbaren Sinne.“ <?page no="199"?> 7 Welchen Diakonat braucht die Kirche? 200 6,1-7 her skizziert werden. Es liegt in der Natur der Sache, dass dabei auch gemeindepädagogische Perspektiven in den Blick kommen. 7.3.1 Zum Verhältnis von Kirche, Diakonie und Diakonat Blickt man nun von den Anfängen der Jerusalemer Gemeinde wieder in die Gegenwart, so stehen wir historisch an einem ganz anderen Ort: nicht am Beginn einer neuen, sich rasant entwickelnden religiösen Bewegung, sondern nach einer jahrhunderte- und jahrtausendelangen Entwicklung, in der sich diese Bewegung ausdifferenziert, konsolidiert und transformiert hat. In Bezug auf das Verhältnis zwischen der Kirche, die Jesus Christus als ihren Herrn bekennt, und der Diakonie als dem „gelebten Glauben der christlichen Gemeinde in Wort und Tat“ 112 ist klar, dass beide bleibend aufeinander angewiesen sind, wenn sie als lebendig und christlich gelten möchten. Christian Rose hat es abgekürzt so formuliert: „Diakonie ist Kirche und Kirche ist Diakonie“ 113 . Das bedeutet nicht, dass beide Begriffe deckungsgleich sind: Diakonie ist eine der vier Grunddimensionen der Kirche 114 und deshalb auch jeder christlichen Gemeinde. Aus diesem Grund sind alle Christinnen und Christen je nach ihren Gaben und Möglichkeiten zum Gottesdienst (Leiturgia) und zur Gemeinschaft (Koinonia), zum Zeugnis (Martyria) und zum Dienst (Diakonia) gerufen 115 . Es hat sich im Laufe der Kirchengeschichte insgesamt bewährt, besonders befähigte und ausgebildete Menschen mit der regelmäßigen Wahrnehmung anspruchsvoller oder notwendiger Aufgaben zu beauftragen - gleichsam als funktionale Virtuosen innerhalb der Gemeinde oder der Kirche. Klassisch geworden ist in den evangelischen Kirchen das Berufsbild des Pfarrers und der Pfarrerin, das durch das Augsburger Bekenntnis als 112 Vgl. den ersten Satz der Präambel des D IAKONEN - UND D IAKONINNENGESETZES : „Diakonie ist gelebter Glaube der christlichen Gemeinde in Wort und Tat.“ 113 Ch. R OSE , Hecken, 55. Vgl. auch den siebten Satz im L EITBILD D IAKONIE , zit. nach D IAKONIE -D ENKSCHRIFT , 79: „Wir sind Kirche.“ Analog im L EITBILD DES D IAKONISCHEN W ERKS W ÜRTTEMBERG . Zur historischen Perspektive von der Mitte des 19. zur Mitte des 20. Jahrhunderts s. J.-Ch. K AISER , Diakonie, passim; zum wechselseitigen Verhaltnis zwischen christlicher Theologie und Sozialer Arbeit s. A. N OLLER , Theologie. 114 S. dazu N. M ETTE , Art. Diakonie bzw. o. Anm. 82 S. 194. K. D ÖRNER prägte den Satz Kirche ohne Diakonie verliert die Erde, Diakonie ohne Kirche verliert den Himmel! 115 Die Abschlusserklärung D AS DIAKONISCHE A MT IN DEN LUTHERISCHEN K IRCHEN (LWB 2005), 5 spricht deshalb „aus gutem Grund vom ‚Diakonentum aller Gläubigen’“, analog dem allgemeinen Priestertum aller Gläubigen. Vgl. H. R ÜEGGER / Ch. S IGRIST , Diakonie, 76: „Diakonie als allgemeine christliche Berufung“ (Hervorheb. im Original). Erfahrungen zur Stärkung und Vernetzung der Gemeindediakonie liegen inzwischen aus fünf Kirchenbezirken in Württemberg vor, s. D IAKONISCHES H ANDELN IN K IR - CHENGEMEINDE UND K IRCHENBEZIRK . <?page no="200"?> 7.3 Aspekte eines evangelischen Verständnisses des Diakonats 201 Verkündigungsamt (Martyria) und Verwalteramt für die Sakramente (Leiturgia) konzipiert ist (CA 5 116 ). Bereits sieben Jahre vor dem Verlesen dieses Bekenntnisses vor Kaiser und Reich in Augsburg denkt Martin Luther vernehmbar in einer Predigt am Stephanustag über die Etablierung eines weiteren Virtuosenamtes nach 117 : „Es wäre wohl gut, damit anzufangen - wenn die Leute entsprechend wären -, dass eine Stadt wie diese geteilt würde in vier oder fünf Bezirke und man jedem (sc. dieser Bezirke) einen Prediger und einen Diakon gäbe, die Güter austeilten, Kranke versorgten und darauf sähen, wer Mangel leidet. Wir haben aber nicht die Personen dazu, deshalb traue ich mich so lange nicht, damit anzufangen, bis unser Herr Gott Christen macht.“ Ebenso wie die erst im Pietismus aufgenommenen regelmäßigen Versammlungen derjenigen „die mit Ernst Christen sein“ wollen 118 , gehört die Ausstattung der Stadt mit Diakonen zu den unrealisierten Ideen des Reformators 119 : 116 Ut hanc fidem consequamur, institutum est ministerium docendi evangelii et porrigendi sacramenta, BSLK 58. Diese Bestimmungen nimmt der Kirchenartikel auf (CA 7): Est autem ecclesia congregatio sanctorum, in qua evangelium pure docetur et recte administrantur sacramenta, BSLK 61. Während die Dimension der Koinonia im Begriff der congregatio sanctorum erkannt werden kann, ist für die Diakonia auf CA 6 zu verweisen: quod fides illa debeat bonos fructus parere et quod oporteat bona opera mandata a Deo facere propter voluntatem Dei, BSLK 60. 117 Predigt vom 26. Dezember 1523 (Übertragung ins Neuhochdeutsche von mir, B.M.), vgl. WA 12, 693,33-38: „Es wer wol guot, das mans noch anfieng, wenn leut darnach weren, da ein statt als diße hie geteylt wuerd in vier oder fuenff stueck, geb yeglichem ein prediger und Diaconum, die da gueter außteylten und versorgten kranck lewt und drauff sehen, wer da mangel leyde. Wir haben aber nicht die person dartzu, darumb traw ichs nicht anzufahen, so lang, biß unser herr gott Christen macht.“ S. ferner ebd., 694,8f: „Die diacon aber, das ist die diener soellen das register haben ueber arm lewt, das die versorget werden.“ 118 Vgl. M. L UTHER , Messe, 75,5(3-23): „so mit Ernst Christen wollen seyn“. Analog zum Diakonat lautet die Begründung auch hier: „Denn ich habe noch nicht leute und personen dazu“, ebd., 75,20. 119 Zu Beginn des 16. Jahrhunderts hatte Wittenberg etwa 2000 Einwohner, um 1523 dürften es rund 3000 gewesen sein, s. http: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Lutherstadt_ Wittenberg#Einwohnerentwicklung (05.11.2007), davon nach M. K RARUP , Ordination, 325 knapp 200 Studenten an der jungen, rasch aufblühenden Universität (gegr. 1502). Auf einen Diakon kämen somit etwa 550 bis 700 Personen. Zum Diakonat bei den Wittenberger Reformatoren s. jetzt M. K RARUP , Ordination, 97-100 (98): „‚Diakon’ meint nun den Kaplan, bisweilen auch den Prediger“. In Johannes Bugenhagens Kirchenordnungen von 1528 (Braunschweig) und 1529 (Hamburg) waren Diakone wiederum „Armenpfleger und hatten überdies die Aufsicht über den Gemeinen Kasten“; sie versahen ihren Dienst im Ehrenamt und waren von der Gemeinde zu wählen, s. ebd., 99. Zu Luthers Haltung gegenüber dem Diakonat s. auch G. H AMMANN , Geschichte, 190-214. <?page no="201"?> 7 Welchen Diakonat braucht die Kirche? 202 „Die Erfüllung dieses Traums von einer diakonischen Gemeinde steht noch nach 500 Jahren aus.” 120 Analog zu Luther postuliert auch der Gemeindeentwurf von Johannes Calvin die ständige Einsetzung von Diakonen 121 . Beide, Luther und Calvin, berufen sich dabei ausdrücklich auf den Anfang von Act 6 122 . Welche Aspekte trägt Act 6 zur heutigen Diskussion um die Gestaltung des Diakonats bei? 7.3.2 Act 6,1-7 und die gegenwärtige Gestaltung des Diakonats Act 6,1-7 ist weder eine Entstehungsgeschichte noch ein „Jerusalemer Urbild“, ein gegenwärtiges Vorbild oder auch nur ein historisches Beispiel für den Diakonat. Aber es enthält und erzählt einige gemeindediakonisch höchst lehrreiche Einzelzüge. Im Folgenden wird eine Reihe von diesen ausgeführt. Das „Murren“ der Witwen wurde nicht übergangen 123 . Es wurde gehört, auf seine Berechtigung geprüft und dann eine Lösungsmöglichkeit entwickelt. Zu den „Professionsmerkmal(en) des Sozialdiakons“ zählt nach Hans-Jürgen Benedict „das Konturieren, gegebenenfalls das Protestieren, das Dazwischengehen (…) und das Koalieren“ 124 . Die Wachsamkeit der Verantwortlichen hat sich zum Wohl der Betroffenen und der ganzen Gemeinde gelohnt. Gemeindediakonie verfügt hier über einen reichen und zukunftsfähigen Schatz: 120 S. A. W IEFEL -J ENNER , Aufbruch, 216; als ausgeschmückter Traum ebd., 215f. 121 J. C ALVIN , Unterricht IV, 3,9 (720 W EBER ): „Obwohl nun der Ausdruck ‚Diakonie’ eine sehr weitgehende Bedeutung hat, bezeichnet die Schrift doch in besonderer Weise solche Leute als ‚Diakonen’, die die Kirche als Vorsteher bei der Verteilung der Almosen und der Fürsorge für die Armen einsetzt und gleichsam zu Verwaltern des öffentlichen Armenvermögens bestellt.“ Neben dieses Ideal treten die Realität im frühen Christentum, s. ebd., IV, 4,1.5 (725.727f W EBER ), unliebsame Entwicklungen in Form von Aufgabenverschiebungen, 5,4f (738f W EBER ), und die Auseinandersetzung mit der Papstkirche, 5,15f (745 W EBER ); 19,32f (1028 W EBER ). Der Diakonat (Diakon, diacre) ist für Calvin eines von vier Gemeindeämtern - neben Hirten (Pastoren, pasteurs), Lehrern (Doktoren, docteurs) und Ältesten (Presbytern, anciens); s. dazu ausführlich G. H AMMANN , Geschichte, 263-293. 122 Luthers Predigt am Stephanustag (! ) geht von Act 6,1-5 aus, s. WA 12, 692,8-16; ähnlich J. C ALVIN , Unterricht IV, 3,9 (720 W EBER ): „Ursprung, Einweisung und Amtsaufgabe dieser Diakonen werden von Lukas in der Apostelgeschichte beschrieben (Apg. 6,3).“ 123 Vgl. G. S CHILLE , Konfliktlösung, 255: „Ideal ist nicht das Überhören, daß man die Schwierigkeiten unter den Teppich kehrt oder den Fall auf die lange Bank schiebt, sondern die sofortige Behandlung der Sachfrage.“ Vom lange nicht erhörten Rufen einer einzelnen Witwe erzählt Lk 18,2-5. 124 H.-J. B ENEDICT , Kongruieren, 263. Vielleicht geht es zu weit, in diesem Zusammenhang von einem stellvertretend wahrgenommenen „Wächteramt“ zu sprechen; die Funktion einer sozialen Seismographie liegt aber durchaus vor. <?page no="202"?> 7.3 Aspekte eines evangelischen Verständnisses des Diakonats 203 „Die Tradition einer eigenständigen gemeindlichen Sozialarbeit reicht in die Ursprünge der Kirchen zurück, sie bringt auch heute innovative Impulse in die Arbeit der Wohlfahrtsverbände ein und erhöht Qualität und Konfliktfähigkeit kirchlicher Sozialer Arbeit.” 125 Eine neue soziale Situation fördert und initiiert neue Lösungen. Entsprechend wird im Leitbild Diakonie formuliert: „Wir begegnen neuen Herausforderungen kreativ und innovativ.“ 126 Manchmal muss das Rad aber nicht neu erfunden werden, sondern - im selben Bild gesprochen - nur ein passendes Rad gefunden und „kongruiert“ werden 127 . Das Siebenergremium war keine neue Erfindung, sondern ein in der Antike bekanntes Leitungsmodell. Es ermöglichte nicht nur eine neue Binnendifferenzierung innerhalb der einen Gemeinde 128 , sondern organisierte die Leitung der Gemeinde so, „dass die Diakonie eine erstrangige Bedeutung im Interesse der Armen” gewann 129 . Um auf dieses Leitungsmodell zu kommen, mussten die Zwölf die mehr oder minder versteckt an sie herangetragene Erwartung, einen zusätzlichen Dienst mit zu übernehmen, enttäuschen und verweigern. Die Zwölf handeln darin verantwortlich und ressourcenorientiert, dass sie genügend auf sich selbst achten und das Ansinnen abweisen mit den Worten „Es ist nicht passend“ (Act 6,2). Eine Konkurrenz zwischen Verkündigung und Tisch-Diakonie, zwischen Wort und Tat 130 , wurde nicht akzeptiert. Diakonia ist nicht nur die „vornehmste Lebensäußerung“ 131 oder ein sichtbares Liebesmerkmal der Kirche, sondern gleichzeitig „Wesens- und Lebensäußerung der evangelischen Kirchen“ 132 . Kirche ohne Diakonie ist nicht denkbar, und Diakonie 125 U. K LEINERT , Gemeinschaft, 243. 126 So in der Erläuterung zum vierten Satz im L EITBILD D IAKONIE , zit. nach D IAKONIE - D ENKSCHRIFT , 78. 127 Zum „diakonischen Kongruieren“ s. ausführlich R. M ERZ , Suche, 308-322. 128 Für C. C OLPE , Gemeinde, 53 beurteilt die Einteilung der Jerusalemer Gemeinde „in Subsysteme” als „eine gute und geschickte Lösung”. Nach T. S ELAND , Hellenists, 183 handelt es sich um einen Modellfall für „conservative change”. 129 Th. S ÖDING , Sozialdienst, 55. Armenfürsorge gehört demnach „zum Kernbereich der Kirche und mithin zum Kerngeschäft dessen (…), was dann ‚Amt’ genannt werden kann (obwohl der neutestamentliche terminus technicus Diakonia ist”, s. ebd. 130 Dass beide Aspekte miteinander verschränkt sind, zeigt anschaulich das Motto des Verbandes Evangelischer Diakonen- und Diakoninnengemeinschaften in Deutschland e.V. (VEDD): „Unser Tun will reden, unser Wort arbeiten“, s. www.vedd.de/ (30.04.2013). 131 K IRCHENAMT DER EKD, Der evangelische Diakonat, 9 (Hervorheb. im Original); ähnlich bereits ebd., 3: „vornehmste Lebensäußerung“. 132 S. die Erläuterung zum siebten Satz im L EITBILD D IAKONIE , zit. nach D IAKONIE -D ENK - SCHRIFT , 79 (Hervorheb. von mir, B.M.). S. ferner ebd., 67 (142): „Diakonie ist eine Wesensäußerung und Sozialgestalt der Kirche.“ <?page no="203"?> 7 Welchen Diakonat braucht die Kirche? 204 ohne Kirche genauso wenig. Der „allgemeinen Zeugnispflicht der Christenheit“ 133 steht eine „eigenständige Wurzel im Liebesgebot“ zur Seite 134 . Zeugnispflicht wie Liebesgebot gründen im Wort bzw. im Dienst Jesu Christi 135 . Glaube und Liebe treten zusammen hervor und stehen zueinander wie zwei Seiten ein- und derselben Medaille 136 . Martyria und Diakonia können und sollen nicht gegeneinander ausgespielt werden 137 . Das lehrt die Jerusalemer Weigerung der Zwölf. Tatsächlich ist Gemeindediakonie nichts Zweites, Sekundäres, das seinen Platz fernab des Gottesdienstes irgendwo „draußen” in der Welt hätte. Im Gegenteil: Der symbolische Mehrwert des Tischdienstes im Corpus Lucanum 138 zeigt die Zusammengehörigkeit von Diakonia mit Leiturgia (Gottes Dienst, Gottesdienst) und Koinonia (Gemeinschaft) auf. Man kann daher zeigen: Gemeindediakonie hat ekklesiologisch betrachtet ihren Ursprung in dem von Christus gestifteten Herrenmahl. Im Abendmahl entspringen Einsicht in und Lösung eines sozialen Missstandes der Gemeinde. Kurz: Das Abendmahl ist Quelle, Grund- und Ursprungssituation der Diakonie 139 und damit ein (wenn nicht das) Zentrum der diakonischen Motiva- 133 K IRCHENAMT DER EKD, Der evangelische Diakonat, 10. 134 Ebd., 11. 135 Zur „Diakonie Jesu“ s. die Skizze von H. S EIBERT , Gedanken, 150-158; außerdem F.- W. H ORN , Leitlinien, passim. 136 Die kirchenamtliche Stellungnahme bleibt dahinter zurück, s. K IRCHENAMT DER EKD, Der evangelische Diakonat, 10: „Während das Predigtamt in der allgemeinen Zeugnispflicht der Christenheit und in dem Gemeinschaft stiftenden Wort des Herrn seine Begründung erfährt, ist der Diakonat als geordnetes Amt in der allgemeinen Liebespflicht der Christen begründet“. Während das Predigtamt letztlich im „Wort des Herrn seine Begründung erfährt“, wird der Diakonat aber nur - analog zur „allgemeinen Zeugnispflicht der Christenheit“ - durch eine „allgemeine(n) Liebespflicht der Christen“ fundiert und damit nur mittelbar begründet. Eine Letztbegründung muss aber analog zum „Wort des Herrn“ in der geschenkten und erfahrenen „Liebe des Herrn“ liegen. Mit anderen Worten: Diakonie erfährt ihre Begründung im Dienen Christi, s. etwa Mk 10,45. Ob „die Evangeliumsverkündigung als Begründung des rechtfertigenden Glaubens Existenzgrund der Kirche Jesu Christi“ ist, „der Liebesdienst am Nächsten“ dagegen nur „ihre vornehmste Lebensäußerung“, wie K IRCHEN - AMT DER EKD, Der evangelische Diakonat, 9 feststellt, wäre deshalb eine Diskussion wert. Möglicherweise liegen hier schiefe Alternativen vor. Können Glaube und Liebe in ein Früher und Später getrennt werden? Und kann das konkret erfahrene Tatzeugnis von der Liebe Gottes nicht in ähnlicher Weise ein Wortzeugnis als „vornehmste Lebensäußerung“ auslösen? Schließlich: Was wäre Glaube ohne Liebe (1 Kor 13,2)? Was wäre das Zeugnis Jesu Christi des Wortes ohne sein messianisches Zeugnis der Tat? Wort und Tat gründen in analoger Weise im Wirken Jesu von Nazareth. 137 Gal 5,6 handelt vom „Glaube(n), der sich durch die Liebe als wirksam erweist”. 138 S.o. S. 195. 139 „Solidarität untereinander erwächst aus der Mitte der Mahlfeier”, so S. S ANDERS , Amt 41. Ähnlich P.-H. Z ELLFELDER -H ELD , Gemeinde, 26: Das Abendmahl bzw. die <?page no="204"?> 7.3 Aspekte eines evangelischen Verständnisses des Diakonats 205 tion: „Eucharistie und Diakonie gehören zusammen. Dafür stehen die ‚Sieben’.” 140 Act 6,1-7 lehrt auch dies auf eine unprätentiöse Weise. Wenn das Bisherige theologisch richtig ist, dann stimmt auch, dass es für das Amt des Diakonats „keiner irgendwie gearteten Ableitung aus dem Predigtamt“ bedarf 141 . Wenn dann freilich Kirchen der Reformation lange Zeit nach der Reformation „den Liebesdienst (…) in einem besonderen ordo oder geordneten Amt institutionalisiert“ wissen wollten 142 , dann wäre dies theologisch konsequent und entspräche der parallelen Höchstschätzung von Glaube und Liebe, deren Quelle der dreieinige Gott in Christus durch den Heiligen Geist ist 143 . Das Jerusalemer Siebenergremium wurde durch die Apostel eingesetzt. Auf diese Weise wurden die Sieben in ein „geordnetes Amt“ ihrer Gemeinde eingeführt 144 . Wenn die Einsetzung des Jerusalemer Siebenergremiums durch Gebet und Handauflegung nicht als Einsetzung von untergebenen „Diakonen“ (im Sinn eines frühchristlichen Diakonenamts) verstanden wird 145 , sondern als Einsetzung in ein „geordnetes Gemeindeamt“ 146 , dann stellt sich die Frage nach der Rechtfertigung und Notwendigkeit einer gewissen Einsetzungs- Eucharistie ist „die diakonische Grundsituation schlechthin”; ähnlich ebd., 29. Es ist zugleich „Schnittstelle zwischen Individualität und Sozialität”, ebd., 33. 140 So Th. S ÖDING , Sozialdienst, 77. 141 K IRCHENAMT DER EKD, Der evangelische Diakonat, 11. 142 Vgl. K IRCHENAMT DER EKD, Der evangelische Diakonat, 9: „Im Unterschied zum Verkündigungsdienst haben die Kirchen der Reformation den Liebesdienst zunächst nicht in einem besonderen ordo oder geordneten Amt institutionalisiert, obwohl Luther und Calvin die Einrichtung eines Diakonenamtes gemäß Apg 6,2.3 ins Auge gefaßt hatten.“ 143 Die Frage nach dem „Ineinander“ oder „Nacheinander“ von Glaube und Liebe könnte auch am Dekalog auf dem Hintergrund der (von Luther abgetrennten) Präambel diskutiert werden. Dabei wäre zu diskutieren, ob die ratio essendi von befreiender Heilstat und Lebenszeugnis nicht ein Ineinander ist („indem“), das aber denkerisch bzw. nach dem modus cognoscendi nur nacheinander entfaltet werden kann (Hinweis Pfr. i.R. Dr. Jochen Vollmer, Reutlingen). Mit Verweis auf Joh 6,28f formuliert M. L U- THER , Werke, 204,25f gelegentlich sogar umgekehrt: „Tzum andern, Das erste und hochste aller edlist gut werck ist der glaube in Christum“. 144 Vgl. K IRCHENAMT DER EKD, Der evangelische Diakonat, 10(-13): „Der Diakonat als geordnetes Amt“. Dies entspricht sachlich dem nisi rite vocatus nach CA 14, vgl. BSLK 69. 145 Lukas lässt den Begriff Diakonos (dia3konoV) in auffälliger Weise weg. Nach G. S CHIL - LE , Konfliktbewältigung, 256 werden in Act 6,1-7 „Verkündigung und Diakonie auf die gleiche Ebene gestellt“. Im Gegensatz dazu bringt die Überschrift des Abschnitts in der Zürcher Bibel eine Unterordnung der Gewählten unter die Apostel zum Ausdruck: „Wahl von sieben Gehilfen der Apostel zur täglichen Versorgung der Bedürftigen“. Diese Unterordnung widerspricht aber auch dem weiteren Erzählverlauf der Apostelgeschichte. 146 „Ordination eines bestehenden Kreises durch einen anderen festen Kreis“, so G. S CHILLE , Konfliktbewältigung, 257 für die literarische Ebene von Act 6,1-7. <?page no="205"?> 7 Welchen Diakonat braucht die Kirche? 206 hierarchie in unseren Tagen. Mit anderen Worten, sollte der „Ordination ins Pfarramt“ nicht eine „Ordination in den Diakonat“ 147 an die Seite treten können? Wie im Vorigen dargestellt, ist die Ausstattung von Gemeinden mit Diakonen nicht erst eine Entwicklung des 19. Jahrhunderts. Sie wurde vielmehr sondern bereits von Luther und Calvin angedacht, aber nicht realisiert. Die Aufgaben von Diakoninnen und Diakonen sind heutzutage in einem anderen Umfeld 148 nach Aufgabengebiet und Details sicher anders zu beschreiben 149 als in der Reformationszeit, aber der Auftrag bleibt dasselbe: „gelebter Glaube der christlichen Gemeinde in Wort und Tat“ 150 . Wenn protestantische Kirchen heute die Einführung eines Diakonats nach und nach in Angriff nehmen 151 , dann wäre zu erwägen, ob CA 5 nicht zeitgemäß in Richtung einer „Ordination in den Diakonat“ weitergedacht werden sollte 152 . Kirche ist da, wo die christliche Gemeinde in Wort und Tat ihren Glauben lebt 153 . 147 Bzw. „Ordination zum Dienst im Diakonat“, s. V ERBAND E VANGELISCHER D IAKONEN - UND D IAKONINNENGEMEINSCHAFTEN IN D EUTSCHLAND , Diakonat, 7 (2.5). Das Ziel ist eine „gleichwertige Anerkennung mit dem pastoralen Amt“, so in der Abschlusserklärung D AS DIAKONISCHE A MT IN DEN LUTHERISCHEN K IRCHEN (LWB 2005), 6. S. bereits J.H. W ICHERN , Gutachten, 158: „Unmöglich konnte man an der Berechtigung zur Ordination zweifeln“. Konsequent erwägt erwägt M.E. K OHLER , Diakonie, 264 (vor dem Hintergrund der kirchlichen Verhältnisse in der deutschsprachigen Schweiz) in Analogie zum VDM (Verbi divini minister bzw. ministra) eine „diakonische Ordination” zum CDM (Caritatis divini minister bzw. ministra), s. ausführlich ebd. 263-273. 148 D.h. nach dem Ausbau des Sozialstaats, dem Zerbrechen einer Gesellschaft, die sich als Corpus Christianum versteht, in einer zunehmend multireligiösen, multiethnischen, wirtschaftlich und kulturell globalisierten Welt. Aber standen nicht die „Hellenisten“ aus Act 6 ebenfalls für eine engere kulturelle und wirtschaftliche Vernetzung innerhalb der damaligen Vorstellung von „der bewohnten“ Welt (h2 oi1koume3nh [gh5])? Zu den „Veränderungen in Sozialstaat, Kirche und Diakonie“ s. auch H.-J. B ENEDIKT , Aufgaben, 206-210. 149 Dazu H.-J. B ENEDIKT , Aufgaben, 210-222. 150 Vgl. § 1 Abs. 2 der S ATZUNG DES D IAKONISCHEN W ERKS DER EVANGELISCHEN K IRCHE IN W ÜRTTEMBERG . 151 Zu den Anfängen einer Realisierung innerhalb der EKD s. K.-D. P FISTERER , Chronologie; W. B RANDT , Diakonie, 87-89. 152 Vgl. die Abschlusserklärung D AS DIAKONISCHE A MT IN DEN LUTHERISCHEN K IRCHEN (LWB 2005), 4: „Wir glauben, dass die Ordination der mit den diakonischen Leitungsaufgaben Betrauten die Überzeugung wiedergeben würde, dass das diakonische Amt ein integraler Bestandteil des einen kirchlichen Amtes ist.“ Ähnlich ebd., 2: „Das diakonische Amt ist ein spezifischer Ausdruck des einen Amtes der Kirche (ministerium ecclesiasticum, Augsburgisches Bekenntnis, Art. 5).“ 153 Auch im Kirchenartikel beschränkt sich das Augsburger Bekenntnis auf die Dimensionen der Martyria und der Leiturgia (CA 8), s. BSLK 61. Ist eine Kirche ohne Diakonia überhaupt denkbar? Sollte dann eine Minimalbeschreibung nicht konsequenterweise um die Dimension der Diakonia ergänzt werden? Eine andere Möglichkeit, Diakonie als nota ecclesiae zu verankern, stellt eine entsprechende Auslegung von <?page no="206"?> 7.3 Aspekte eines evangelischen Verständnisses des Diakonats 207 Aufgrund der professionellen Ausbildung in den Bereichen Soziale Arbeit (Gemeinwesenarbeit) mit Religionspädagogik/ Gemeindepädagogik oder Diakoniewissenschaft 154 ist eine Konkurrenz zwischen Diakonat und Pfarrdienst nicht zu befürchten 155 . Die verantwortlichen Zuständigkeiten für Diakonia (diakoni3a) bzw. Leiturgia (leitourgi3a) und Martyria (marturi3a) bleiben ohnehin bestehen: als Dimensionen der Gemeindearbeit, nicht als Sektoren mit starren Grenzen 156 . Vollends unwahrscheinlich sind wesentliche Überschneidungen zwischen Pfarrdienst und Pflegediakonie oder Abschlüssen in Heilpädagogik, Inklusiver Pädagogik, Frühkindlicher Bildung und Erziehung oder weiteren denkbaren Spezialisierungen im Diakonat. Dies alles zeigt, dass der Diakonat insbesondere human- und sozialwissenschaftlich wesentlich breiter aufgestellt ist als der Pfarrdienst. Es ist aufregend zu sehen, wie die in Act 6,1-7 zum Tischdienst Eingesetzten im weiteren Verlauf durch Wunder und Verkündigung hervortraten, insbesondere Stephanus und Philippus 157 . Kirchentheoretisch gewendet: Es gibt eine Vielzahl von Querverbindungen unter den vier verschiedenen Dimensionen 158 . Besonders gilt das für die Koinonia (koinwni3a), die Martyria dar, s. D IAKONISCHES W ERK DER EKD, Richtlinie, 4 (§ 2 Abs. 1): „Diakonie ist als Teil dieses Zeugnisses Kennzeichen der Kirche.“ 154 S. dazu M. H ORSTMANN , Kompetenzorientierung, 234-247; ferner die „Kompetenzmatrix“: S TÄNDIGE K ONFERENZ DER A USBILDUNGSLEITER UND - LEITERINNEN IM VEDD, Diakone, passim, bes. 8f; A RBEITSKREIS D IAKONIK IM VEDD, Lernfeld, passim; zu den verschiedenen Bildungswegen s. V ERBAND E VANGELISCHER D IAKONEN - UND D IAKON- INNENGEMEINSCHAFTEN IN D EUTSCHLAND , Bildungswege, 8-16. Speziell zum Bereich der Gemeindediakonie s. auch die empirische Erhebung („Rauhhäusler“) von U. K LEINERT , Sozialarbeit, 40-43. 155 Zu Recht verweist M. H ORSTMANN , Kompetenzorientierung, 246 auf „zwei verschiedene Methodologien innerhalb der Ausbildungswege“. Auch Inhalte unterscheiden sich trotz gleicher Studiengebiete, s. exemplarisch B. M UTSCHLER , Jesus, passim (zum Fach Neues Testament). 156 Unter dem deutlichen Vorbehalt, dass die Dimensionen ineinander übergehen, ließe sich stark verkürzt sagen: Die vertikale Achse (Aufgabengebiete Leiturgia und Martyria) liegt eher in der Gesamtverantwortung des Pfarramts, die horizontale (Aufgabengebiete Koinonia und Diakonia) in derjenigen des Diakonats. 157 Zu beiden vgl. Act 6,1-8,3; 8,4-40. Nach W. R EINBOLD , Propaganda, (240-) 252 ist es nur Philippus, für den „wohl mit einigem Recht von einer missionarischen Tätigkeit die Rede sein” kann. 158 Zwei Beispiele: (1) Das professionelle Handeln einer Diakonin oder eines Diakons kann aufgrund des beruflichen „setting“ zum sprechenden Glaubenszeugnis werden, ohne dass ein religiös gestimmtes Wort gewechselt wird. (2) Oft genug werden Pfarrerinnen oder Pfarrer an ihren „Taten“ gemessen. Die stille Begleitmusik einer Predigt wird durch die gesamte Gemeindearbeit (Koinonia) einschließlich des privaten Lebens einer Pfarrerin oder eines Pfarrers (und der Familienangehörigen) gemacht. Normativ für die öffentliche Verkündigung kann aber nicht ein individuelles Leben sein, sondern nur das Evangelium von der freien Gnade Gottes, wie es mit Hilfe von <?page no="207"?> 7 Welchen Diakonat braucht die Kirche? 208 die übrigen Dimensionen der Leiturgia (leitourgi3a), Martyria (marturi3a) und Diakonia (diakoni3a) in besonderer Intensität durchdringt 159 . Mehrdimensionale Wirkungen aufgrund des professionellen Handelns von Diakoninnen oder Diakonen, Pfarrerinnen oder Pfarrern sind deshalb nicht nur unvermeidlich, sondern geradezu erwünscht und ein Zeichen der heute so oft geforderten Synergie 160 . Konzeptionelle Fortentwicklungen dieser Art bedeuten freilich das allmähliche Ende einer jahrhundertealten protestantischen „Monokultur“ des Pfarramts. Aber zeigt nicht bereits die Einführung von Kirchengemeinderäten am Ende des 19. Jahrhunderts 161 , dass eine Verteilung der Gemeindearbeit und Gemeindeleitung auf mehr als zwei Schultern sinnvoll und möglich ist? Das Ergebnis kann sich bis heute sehen lassen. Sollte für Kirchengemeinderat, Pfarramt und Diakonat innerhalb einer Ortsgemeinde nicht dasselbe gelten können, was der Reutlinger Prälat Theophil Askani (1923-1982) von den drei ganz unterschiedlich geprägten Pfarrern der Stuttgarter Markuskirchengemeinde im Rückblick schreibt? „[Es] hatte jeder seinen Part, und jeder sang und spielte ihn so, dass des anderen Melodie zur Geltung kam.“ 162 Exegese, Systematik und Predigtvorbereitung auf eine konkrete Gemeindesituation bezogen wird. 159 In ähnlicher Weise durchdringen nach antiker und mittelalterlicher Tugendlehre die Kardinal- oder Prinzipaltugenden andere Tugenden. In diesem Sinn ist auch eine Zuordnung von Kardinaltugenden zu den vier Dimensionen der Kirche erwägenswert: Liebe (die größte! , 1 Kor 13,13) zur Diakonia, Glaube zur Martyria, Hoffnung zur Leiturgia und Gerechtigkeit zur Koinonia. Auch ein Bezug zur klassischen quadriga virtutum (Tapferkeit/ Mut, Weisheit, Besonnenheit/ Maß, Gerechtigkeit) ist reizvoll. 160 Ein Beispiel für eine geradezu programmatische Überschneidung des professionellen Handelns von Diakonat und Pfarramt ist die Seelsorge. Mit Recht wird sie einerseits dem Diakonat zugeordnet. So behandelt etwa D. R ÖSSLER , Grundriß, 154-198 Seelsorge insgesamt unter „Diakonie“; ähnlich werden „Beratung und Seelsorge“ auch im EKD-Papier zum Aufgabengebiet des Diakonats gerechnet, s. K IRCHENAMT DER EKD, Der evangelische Diakonat, 12 (nach ebd., 21 führte den Kommissionsvorsitz D. Rössler); s. ferner das H ANDBUCH FÜR K IRCHENGEMEINDERÄTE UND K IRCHENGEMEINDE - RÄTE , 95f. Zugleich ist Seelsorge mit den übrigen Dimensionen der Kirche verbunden, insbesondere Kasualseelsorge, gehört also andererseits in den Bereich pfarramtlicher Arbeit. Für eine weitere Synergie, nämlich „Zur diakonischen Dimension und Bedeutung von Gottesdienst und Herrenmahl“, s. den gleichnamigen Artikel von J. R OLOFF . 161 Durch Gesetz vom 4. Juni 1887, vgl. G. S CHÄFER , Heil, 277f. 162 Zitiert nach M. H AUFF , Askani, 93. Das Trio bestand neben dem Jüngsten, Theophil Askani (an der Markuskirche 1957-1963), aus Pfarrer Rudolf Daur (1892-1976, an der Markuskirche 1939-1962) und dem ehemaligen Banater Bischof Franz Hein (1901- 1986, an der Markuskirche 1947-1967), s. ausführlich M. H AUFF , Askani, 79-97. In inhaltlicher Hinsicht vgl. Phil 2,3f; M.E. K OHLER , Diakonie, 262f: „collaboration dans la complémentarité”, „als Komplementäre kooperieren”. <?page no="208"?> 7.4 Zusammenfassung 209 7.4 Zusammenfassung Welchen Diakonat braucht die Kirche? Ausgehend von Act 6,1-7 sind einerseits Ergebnisse festzuhalten, andererseits manche Punkte weiter zu erläutern und zu systematisieren. Dadurch ergeben sich Ansatzpunkte für das weitere Gespräch. Nach (1) einführenden Gedanken zum „Dienst der Liebe an jedermann“ (Nr. 1-5) werden im Folgenden Ergebnisse zu den Begriffen (2) „Hebräer“, „Hellenisten“ sowie zum Weg zur Etablierung eines Jerusalemer Siebenergremiums zusammengefasst (Nr. 6-10). Anschließend wird der Fokus auf (3) „Diakonie“, „Diakonie ausführen“ und „Diakon“ in der Apostelgeschichte gerichtet (Nr. 11-13), ehe ein Lerngewinn zum Themenfeld (4) Kirche, Diakonie und Diakonat zur Sprache kommt (Nr. 14- 18). Am Schluss wird das (5) Lernen aus Act 6,1-7 im Blick auf heute resümiert (Nr. 19-24). 7.4.1 Einführende Gedanken zum „Dienst der Liebe an jedermann“ 1. Der diakonische Dienst innerhalb einer Kirchengemeinde wird von den Kirchenältesten (Kirchengemeinderäten, Presbytern) mit verantwortet und gestaltet. Als gewählte Vertreterinnen und Vertreter ihrer Gemeinde sind sie letztlich für Überlegungen und Planungen zuständig, dass und wie der Dienst der Liebe an jedermann im Bereich der eigenen Gemeinde getan wird. Keineswegs müssen sie diesen primär selbst leisten; sie tragen aber die entscheidende Verantwortung dafür. 2. Glaube und Liebe verhalten sich - abgekürzt formuliert - wie zwei Seiten derselben Medaille. Martin Luther stellt am Ende seiner Programmschrift De libertate christiana (Von der Freiheit eines Christenmenschen) von 1530 fest: „Aus dem allen folgt der Satz, daß ein Christenmensch nicht in sich selbst lebt, sondern in Christus und seinem Nächsten - in Christus durch den Glauben, im Nächsten durch die Liebe. Durch den Glauben steigt er über sich hinaus zu Gott; aus Gott steigt er unter sich hinab durch die Liebe und bleibt doch immer in Gott und in der göttlichen Liebe.“ 3. Demzufolge gibt es eine allgemeine Zuständigkeit für den Dienst der Liebe an jedermann im Sinn eines allgemeinen Diakonentums aller Gläubigen. Denn zur Liebe am Nächsten sind alle Christen gerufen ähnlich wie zur Weitergabe des Evangeliums. Alle Christen empfangen Glaube und Liebe (von Gott) und sind zu ihrer Weitergabe an ihre Mitmenschen beauftragt. Sie sind zur Teilhabe am christlichen Zeugnis und Dienst in Wort und Tat berufen. 4. Inmitten der Gemeinde gibt es jedoch besonders begabte und für den diakonischen Dienst ausgebildete Frauen und Männer; sie werden zum öf- <?page no="209"?> 7 Welchen Diakonat braucht die Kirche? 210 fentlichen Dienst der Liebe an jedermann berufen und eingesetzt. Die ihnen zugewiesenen Aufgabenfelder sind oft schwieriger und setzen erhöhte Fachkenntnis und eine vielseitige Ausbildung voraus. Diakoninnen und Diakone stehen daher sozusagen im Verhältnis eines Virtuosen den übrigen „Orchestermusikern“ (Gemeindegliedern) gegenüber. Dessen ungeachtet bleibt Diakonie eine Lebens- und Wesensäußerung der ganzen Kirche. 5. Was Diakonia im Neuen Testament bedeutet, ist gegenwärtig umstritten. Bedeutet es „Liebesdienst“ (im Sinn von caritas) und ist daher mit „Werken der Barmherzigkeit“ zu verbinden, oder ist eher formal an eine „Beauftragung“ zu denken? Die Diskussion ist derzeit offen. Umso notwendiger ist ein immer wieder erneuter Blick auf biblische Texte. Innerhalb des Neuen Testaments kommt Act 6,1-7 eine herausragende Bedeutung für das Verständnis von Diakonia zu. 7.4.2 „Hebräer“, „Hellenisten“ und der Weg zur Etablierung eines Jerusalemer Siebenergremiums 6. Mit drei von zehn Belegen zur Wortfamilie Diakonia innerhalb der Apostelgeschichte lädt Act 6,1-7 zur Nachfrage ein. „Hellenisten“ und „Hebräer“ sind weder hinsichtlich ihrer religiösen Herkunft (Heidenbzw. Judenchristen; beide Gruppen sind Judenchristen) noch ihrer theologischen Akzentuierung (z.B. hinsichtlich der fortdauernden Geltung des Ritualgesetzes) noch ihrer sozialen Schicht (wohlhabend versus arm) zu unterscheiden, sondern hinsichtlich ihrer Muttersprache Griechisch oder Aramäisch. „Hellenisten“ sind nach Jerusalem zurückgewanderte Diasporajuden, „Hebräer“ stammen aus Jerusalem. Mit über einem Drittel „Hellenisten“ war die Stadt vor 70 n.Chr. in einzigartiger Weise jüdisch-hellenistisch und somit „international“ geprägt. 7. Obgleich Rückwanderer in aller Regel wirtschaftlich stärker als die einheimische Bevölkerung gewesen sein dürften, gab es auch unter Remigranten und insbesondere Remigrierten Bedürftige 163 . Die wirtschaftliche und soziale Situation von Witwen konnte sich aufgrund des mangelnden Familienanschlusses vor Ort, von Krankheit, Altersgebrechen, kultureller Fremdheit (wenn die Witwe Nichtjüdin war), des Wegbrechens bisheriger Einkunftsquellen oder allzu großzügigen Verschenkens aus religiösen Motiven (Naherwartung, radikale Jesusnachfolge, Vertrauensethik, Übertragung auf die Gemeinschaft) besonders schnell zuspitzen. Zugewanderte gelangten dann schneller an ihre Belastungsgrenzen als ortskundige Einheimische. 163 Ein verbreiteter Kalauer illustriert: Wie gelangt man in Jerusalem (im Land Israel) zu einem „kleinen Vermögen“? - Indem man mit einem großen einreist. <?page no="210"?> 7.4 Zusammenfassung 211 8. Das Versorgungsproblem der hellenistischen Witwen durch die „Hebräer“ bezog sich äußerlich betrachtet auf die tägliche Versorgung mit Essen; es implizierte damit aber weitere Aspekte wie eine symbolische Statusverletzung oder einen Ausschluss von der Gemeinschaft der Gemeinde (Exklusion). Die Bezeichnung durch die Begriffe „Hellenist“ und „Hebräer“ weist zudem auf eine kulturelle Dimension des Konfliktes hin. 9. Der entstandene Gemeindekonflikt wird paradigmatisch und in einvernehmlicher Weise zentral gelöst. Auf Initiative des (galiläischstämmigen, überwiegend „hebräischen“) Zwölferkreises wird eine Gemeindeversammlung in Jerusalem einberufen und dieser die Bildung eines neu einzurichtenden Siebenergremiums vorgeschlagen. Beides wird realisiert. Ausgewählt werden ausschließlich griechischsprachige Judenchristen („Hellenisten“) mit hoher Kompetenz und ausgeprägt christlicher Gesinnung („voll Geist und Weisheit“, „voll Glauben und heiligem Geist“). Diese werden vor den Aposteln unter Gebet und Handauflegung in ihren Dienst eingesetzt. 10. Die Teamgröße von sieben Personen entspricht der Größe eines jüdischen Ortsvorstandes und dürfte damit letztlich dem Zwölferkreis als der Repräsentation des eschatologischen Israel untergeordnet sein. Für die Jerusalemer Gemeinde bedeutete die Einsetzung eines Siebenergremiums einen großen Entwicklungsschritt in Richtung Verselbständigung: Eine örtliche Gemeindeleitung stand nun dem landesweit agierenden Zwölferkreis gegenüber. Im Fall des „Philippus“ ist sogar ein Übergang eines Mitglieds vom Zwölferkreis in den Siebenerkreis nicht auszuschließen; es könnte aber auch nur eine Namensgleichheit (Äquivokation) vorliegen. 7.4.3 „Diakonie“, „Diakonie ausführen“ und „Diakon“ in der Apostelgeschichte 11. Was bedeuten die Belege von Diakonia oder diakonein (= Diakonia ausführen oder tun) in Act 6,1-7? In 6,1 ist mit der „täglichen Diakonia“ eine organisierte, sozial karitative Unterstützung bedürftiger Witwen mit Naturalgaben im Blick. Ob es sich dabei teilweise oder sogar überwiegend um aufsuchende Arbeit handelte, muss offen bleiben. Über eine Grundversorgung hinaus wurden durch „tägliche Diakonia“ auch die Gemeinschaft mit Gott (Leiturgia) und untereinander (Koinonia) gestärkt. Dieselben Aspekte kommen durch die Wendung „an Tischen diakonein“ (= Diakonia ausführen) in Act 6,2 in den Blick. Geistliche Dimensionen sind bei der in Act 6,1f geschilderten Diakonia unabdingbar, stehen aber vordergründig nicht im Zentrum des Tuns. 12. Mit der „Diakonia des Wortes“, Act 6,4, wird dagegen die Verkündigung des Wortes Gottes durch den Zwölferkreis bezeichnet. Diese Diakonia ist von Gott verliehen (vgl. 1,17.25; 20,24) und schließt Gottes Handeln un- <?page no="211"?> 7 Welchen Diakonat braucht die Kirche? 212 ter Nichtjuden ein (21,19). „Diakonia des Wortes“ bezeichnet den Zeugnisdienst (Martyria). Demgegenüber bezieht sich „Diakonia“ in Act 11,29 und 12,25 ähnlich wie in 6,1 primär auf eine konkrete Unterstützung (Transferleistung) durch Geld- oder Sachmittel. 13. Im Gegensatz zu Diakonia und diakonein (= Diakonia ausführen) fehlt Diakonos (Diakon) im gesamten Lukanischen Doppelwerk. Dies geschieht offenbar absichtlich, da Lukas auch entsprechende Vorlagen aus dem Markusevangelium verändert oder umgeht. Mit seiner Vermeidung des Begriffs Diakonos könnte er zum Ausdruck bringen, dass das Amt eines Diakonos, wie es gegen Ende des Jahrhunderts in den Gemeinden bekannt war (= Erzählzeit), keineswegs in der frühen Jerusalemer Gemeinde bekannt war (= erzählte Zeit). Der Siebenerkreis hat demzufolge andere Funktionen und Aufgaben als ein gemeindlicher Diakonos zwei Generationen später. In Act 6,1-7 wird nach Lukas kein „Urbild“ für das Amt eines Diakonos gezeichnet. 7.4.4 Kirche, Diakonie und Diakonat 14. Obgleich der Begriff „Diakon“ im gesamten Corpus Lucanum fehlt, ist Act 6,1-7 für die heutige Frage nach dem Diakonat interessant. Denn unter mehrfacher Verwendung eines Mitglieds der Wortfamilie Diakonwerden die Lösung eines gemeindlichen Konflikts sowie ein Gemeindeentwicklungs-, -ausdifferenzierungs- und -modernisierungsprozess erzählt. Dies alles kann im Blick auf die Gegenwart gelesen und reflektiert werden, um daraus zu lernen. Dabei kann nicht das Ziel sein, das antike (biblische, näherhin lukanische) Verständnis von Diakonia Punkt für Punkt zu kopieren oder zu repristinieren. 15. Diakonie und Kirche (Gemeinde) sind engstens aufeinander bezogen. Dies zeigt ein Blick auf die Kirchentheorie (Ekklesiologie): Kirche und Gemeinde (für beides steht e1kklhsi3a/ ecclesia) sind dort, wo das Wort Gottes rein verkündigt (Martyria), die Sakramente recht verwaltet (Leiturgia), Gemeinde gebaut (Koinonia) und der Dienst der Liebe an jedermann getan wird (Diakonia) 164 . Diese vier Dimensionen des Kircheseins entfalten die eine Sendung Gottes in die Welt und werden konkret auch als Auftrag und Dienst. Alle vier Dimensionen sind allen Christen in ihrem jeweiligen Umfeld anvertraut 165 , wenngleich es funktionale Virtuosen (Haupt- oder Ehrenamtliche) des ministerium ecclesiasticum auf einzelnen Feldern gibt: Pfarramt, Diakonat, Kantorat, Erzieher/ in oder Lehramt, Leitung. Entsprechen- 164 Vgl. dazu Act 2,42: „Sie aber blieben fest an der Lehre der Apostel und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und am Gebet.“ 165 Für die Gläubigen bedeutet dies: allgemeines Priestertum (Martyria), allgemeines Diakonentum (Diakonia), allgemeine Ermächtigung zum Lobpreis (Leiturgia), allgemeine Zugehörigkeit als Glied am Leib Christi, der Gemeinde (Koinonia). <?page no="212"?> 7.4 Zusammenfassung 213 de Berufe stehen in einer evangelischen Kirche Männern und Frauen in gleicher Weise offen. 16. Werden ungetrübte Evangeliumsverkündigung und stiftungsgemäße Sakramentsverwaltung durch den fünften Artikel der Confessio Augustana, des Augsburger Bekenntnisses (1530), klar bezeichnet, so fehlen entsprechende Begründungen besonders für den Diakonat. Unter diesem Argumentum e silentio (bzw. ad ignorantiam, wie es auch heißt 166 ) haben die Einrichtung und die Legitimation des Diakonats in manchen Diskussionen bis heute zu leiden. Es ist allerdings gleich aus mehreren Gründen (darunter historischen, bekenntnishermeneutischen und nicht zuletzt theologischen) fraglich, ob die Ausgestaltung des kirchlichen Lebens (ad intra) - zumal deren soziale Aspekte - von einem in einer bestimmten Situation vor Kaiser und Reich (ad extra) vorgetragenen Bekenntnistext weitgehend erwartet werden darf. Was wäre einzuwenden, wenn sich die Kirche auf ihrem Weg durch die Zeit einer weiteren Entwicklung und treffenderen Erfüllung ihres Auftrags nicht verschließt, sondern mit Blick auf das Mögliche ihr gegebene Chancen ergreift und bisherige Visionen besser realisiert? 17. Diakonische Visionen und Entwürfe gibt es in der Reformationszeit, in der Grundlagen einer evangelischen Kirche erstmals diskutiert und formuliert werden, allerdings sehr wohl. Tatsächlich äußert Martin Luther bereits 1523 den Gedanken, Gemeindebezirke jeweils gleichmäßig mit einem Prediger und einem Diakon zu versehen. Letzteren ordnet er soziale Arbeit, Krankenversorgung und das Erkennen von Bedürftigkeiten (ein soziales Gewissen, Wächteramt) als Aufgaben zu. Die Gemeindeordnung Johannes Calvins sieht neben Hirten (pasteurs), Lehrern (docteurs) und Ältesten (anciens) auch Diakone (diacres) als Gemeindeämter vor. Beide stützen sich dabei auch auf Act 6,1-7. Was Luther zu seiner Zeit nicht für realisierbar hielt, bekommt im 19. Jahrhundert neuen Schwung mit Johann Hinrich Wichern und der Einrichtung eines Diakonats, der Einsetzung von Brüdern und Schwestern: „Die Liebe hat das scharfe Auge, alles zu sehen“ (Wichern 1848 in Wittenberg 167 ). 18. Wie diese Anstrengungen zur Realisierung eines evangelischen Diakonats bekenntnishermeneutisch verstanden und eingefügt werden, ist eine zwar legitime und notwendige, allerdings erst nachgeordnete Frage. Denn Bekenntnisse haben nicht den Rang einer norma normans, sondern einer norma normata. Biblische Zeugnisse vom Dienst der Liebe an jedermann durch Jesus von Nazareth oder in den frühchristlichen Gemeinden können 166 Eine Leerstelle dient als Beleg, Nichtwissen („Schweigen“) wird zum Argument gedreht. 167 S. J.H. W ICHERN , Werke I, 160. <?page no="213"?> 7 Welchen Diakonat braucht die Kirche? 214 weder vom Wirken Jesu noch vom Leben der Gemeinden abgetrennt werden; darum stehen sie (im Sinn einer norma normans) über jedem Bekenntnis. Aber auch den historisch überkommenen Bekenntnissen z.B. der Reformationszeit sind diakonische Aspekte nicht fremd: Wie anders sollte eine congregatio sanctorum gedacht werden (CA 7), wenn nicht als diakonische und diakonisch sensible Kirche? Oder was bedeutet konkret und in soziale Realitäten übersetzt, dass der Glaube „gute Früchte hervorbringen“ müsse (debeat bonos fructus parere, CA 6)? 7.4.5 Lernen aus Act 6,1-7 im Blick auf heute 19. Act 6,1-7 ist weder ein normatives („Urbild“) noch ein historisches Beispiel (Vorbild) für ein gegenwärtiges Verständnis des Diakonats, enthält aber einige gemeindediakonisch höchst lehrreiche Einzelzüge. Zu ihnen gehört, dass das „Murren“ einer Gruppe der Gemeinde nicht überhört wurde, sondern ernst genommen. Dazu sind Wachsamkeit und Zuhören-Können notwendig sowie das Vertrauen, dass Abhilfe oder zumindest Besserung möglich sind. Diakonisches Handeln ist aufmerksam, kreativ, selbstbewusst und schließt das Streben nach voller Partizipation aller mit ein. 20. Die frühchristliche „Innovation“ bestand aus einem Rückgriff auf ein bereits vorhandenes Instrument: das Siebenergremium. Um diese Lösung als passend zu entdecken, war zunächst eine Absage derjenigen Menschen notwendig, von denen die Lösung des Problems erhofft worden war. Die Zwölf handelten darin achtsam auch gegenüber sich selbst. Soziale Bedürfnisse und Evangeliumsverkündigung (Unterricht, Lehre, Seelsorge) dürfen nicht in einen Gegensatz gebracht werden; beides ist für das Wohl einer christlichen Gemeinde wichtig. Martyria, Diakonia, Leiturgia und Koinonia sind notwendige Dimensionen der Kirche, die nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Sie bilden einen am Wirken Jesu und den frühchristlichen Gemeinden orientierten Zusammenhang. 21. Aus diesem Grund hat der Diakonat seinen Grund und seine Berechtigung nicht durch einen anderen Aspekt des Kircheseins (z.B. Verkündigung, Mission, Gottesdienstgemeinschaft), sondern in sich selbst. Er ist selbst Teil der Sendung Gottes (missio Dei). Eine communio sanctorum (wie die Kirche nach dem Apostolischen Glaubensbekenntnis bezeichnet wird) ohne eine faire, professionell sachkundige und letztlich von den Grundsätzen Christi her inspirierte Sozialgestalt wäre keine „Gemeinschaft der Heiligen“, wenn überhaupt eine solidarische Gemeinschaft. Rücksicht auf soziale, diakonische Belange sowie ihre bewusste Gestaltung und durch die Augen der Liebe geschärfte Wahrnehmung gehören zum unverhandelbaren Kernbestand einer christlichen Kirche. „Gott ist Liebe, und wer in der Liebe <?page no="214"?> 7.4 Zusammenfassung 215 bleibt, bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm“ (1 Joh 4,16b). Ubi caritas et amor, Deus ibi est 168 . 22. Fragen der Einsetzung und öffentlichen Beauftragung sind von dieser Gleichberechtigung und Gleichursprünglichkeit (und darum Gleichwertigkeit) von Glaube, Liebe, Feier und Gemeinschaft 169 her nach den Möglichkeiten der jeweiligen Kirche und Zeit zu ordnen und zu gestalten. Wie die Begriffe Ordination, Beauftragung, Einsegnung, Einsetzung, Mandat oder Vokation/ vocatio (= kirchliche Lehrerlaubnis) dabei arrangiert und verwendet werden, ist keine Frage einer höheren geistlichen Würdigung oder einer Vorordnung einzelner Bereiche, sondern eine von der Kirchengemeinschaft als Ganzer zu vereinbarende und zu gestaltende Konvention. Alle in den verschiedenen Dimensionen des Kircheseins haupt- oder ehrenamtlich Arbeitenden haben Teil am kirchlichen Amt, dem ministerium ecclesiasticum. In dieses sind sie gemäß ihrer Begabung, Ausbildung und Beauftragung durch die Kirche (oder Ortsgemeinde) für bestimmte Arbeitsgebiete eingesetzt. 23. Gegenwärtig wird an Berufsbild(ern), Charakter und der Beschreibung eines evangelischen Diakonats intensiv gearbeitet, probiert und entwickelt. Abgesehen von der Tatsache, dass in einer immer schnelllebigeren Zeit an allen als zukunftsfähig erachteten Berufsbildern nahezu ständig weiter entwickelt wird, sind es hauptsächlich zwei Gründe, die den Diakonat besonders in den Fokus beruflicher Entwicklung rücken: Einerseits sind soziale Not und ihre Ursachen in einer zunehmend globalisierten Welt beständigen Veränderungen unterworfen; die Kirche kann mit ihrem mehr oder weniger offen zum Generalismus bestimmten Berufsbild Diakonat kaum schnell genug darauf reagieren und ist insofern mit Recht am Neukongruieren und Weiterentwickeln dieses Berufsbilds. Andererseits hat der evangelische Diakonat als geordnetes Amt der Kirche (und damit Teil des gemeinsamen kirchlichen Amtes, ministerium ecclesiasticum) eine wesentlich kürzere Geschichte als beispielsweise das evangelische Pfarramt, Kantorat oder Lehramt, die bereits seit dem 16. Jahrhundert dem ständigen Praxistest unterliegen und kontinuierlich neuen Anforderungen angepasst werden. 24. Leider zeigt die kirchliche Realität immer wieder Konkurrenzen zwischen haupt- oder ehrenamtlichen Amtsträgerinnen und -trägern sowohl in denselben als auch in verschiedenen Arbeitsfeldern. Sie sind nicht 168 Wo (die) Liebe wohnt und Güte, da ist (unser) Gott. 169 Vgl. Martyria, Diakonia, Leiturgia, Koinonia. Sie bezeichnen Verkündigungs- und Zeugnisdienst, Liebesdienst (Dienst der Liebe an jedermann), Gottesdienst (als Dienst Gottes am Einzelnen und der Gemeinde) und Gemeinschaft. Alle vier Dimensionen gehen auf Jesus und frühchristliche Gemeinden zurück. <?page no="215"?> 7 Welchen Diakonat braucht die Kirche? 216 ungewöhnlich, solange Menschen irgendwo zusammenarbeiten 170 . Aber sie sollten beherrschbar sein. Dazu tragen eine klare Stellenbzw. Aufgabenbeschreibung (ergänzt durch Absprachen), eine immer wieder neu überdachte Professionsethik und ein respektvoller, kollegialer Umgang bei, der von den gemeinsam zu bewältigenden Aufgaben und von der trinitarischen Selbstexplikation Gottes in der Welt her denkt (missio Dei). Bildung und Herzensbildung der Beteiligten können die Vermeidung von Konkurrenzdenken begünstigen. Das Evangelium nach Lukas enthält ein Jesuswort, das zur Bescheidenheit einlädt und vor grellem Selbstdarstellungsstreben warnt (Lk 17,10): So sollt auch ihr, wenn ihr alles getan habt, was euch aufgetragen ist, sagen: Wir sind weiter nichts als Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren. In der frühen Jerusalemer Gemeinde wurde der wahrgenommene Konflikt durch Beten und Tun des Gerechten gelöst (Act 6,4-6); anschließend war das Feld für weiteres Wachstum bestellt (Act 6,7). 170 Erfahrungsgemäß spielen nichttheologische Faktoren eine größere Rolle als theologische. Erstere werden häufig kaschiert. <?page no="216"?> 8 Die Bergpredigt Jesu, strophenweise neu übersetzt. Evangelium nach Matthäus, Kapitel 5 bis 7 Ethischer Impuls, Mt 5-7 „Was dir nicht lieb ist, das tu auch deinem Nächsten nicht. Das ist die ganze Tora, und alles andere ist nur die Erläuterung; geh und lerne sie.” 1 Unter den ethischen Texten der biblischen Tradition stellt die Bergpredigt Jesu, Mt 5-7, ohne Zweifel den zentralen und stärksten christlichen Impulstext dar. Nach den friedenspolitischen Kontroversen in den 80-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts 2 ist es im öffentlichen Raum wieder sehr ruhig geworden um eine aktualisierende Auslegung dieses Textes. Während die Zehn Gebote (Ex 20,1-16; Dtn 5,6-21) als Teil des Katechismus bereits im Konfirmandenunterricht auswendig gelernt werden, findet eine Beschäftigung mit der Bergpredigt vergleichsweise wenig Raum im kirchlichen und schulischen Unterricht. Eine grundlegende Auseinandersetzung mit den Zumutungen dieses zentralen Textes der Verkündigung Jesu, wie sie vom Evangelist Matthäus gestaltet und überliefert wurde, hat jedoch auch heute für jüngere wie für ältere Menschen nichts von ihrer Faszination verloren. Für jede Generation ist die eingehende Beschäftigung mit der Bergpredigt gesellschaftlich und persönlich herausfordernd und daher wieder neu sinnvoll. Sie ist ein ethischer Impulstext von höchstem Rang. In Bibeln und Kommentaren stehen für eine Beschäftigung sehr viele verschiedene Übersetzungen zur Verfügung 3 . Eine strophenweise Übersetzung nach den Gesetzen der hebräischen Poesie ist jedoch, soweit mir bekannt, bisher nicht veröffentlicht worden. Obgleich Entscheidungen an einigen Stellen bis zu einem gewissen Grad arbiträr sind, ergeben sich 1 Rabbi Hillel zu einem Nichtjuden als Antwort auf dessen Bitte: „Mache mich zum Proselyten unter der Bedingung, daß du mich die ganze Tora lehrst, während ich auf einem Fuße stehe“, s. bShab 31a (I, 521 Goldschmidt). Zu einer Sachparallele Jesu in Mt 7,12 s. ausführlich M. B AUSCHKE , Regel. 2 Allein das Buch von F. A LT , Frieden, erschien zwischen 1983 und 1989 in 25 Auflagen! Mit der 27. Auflage 1991 und insgesamt fast 920.000 gedruckten Exemplaren haben sich die Nachdrucke erschöpft, was auch als Folge der veränderten geostrategischen Lage nach 1989 zu interpretieren sein dürfte. 3 Für neuere Bibelübersetzungen s.o. S. 21f. Einige Kommentare aus neuerer Zeit sind K. W ENGST , Regierungsprogramm; M. K ÖHNLEIN , Bergpredigt; F. Z EILINGER , Himmel; M. S TIEWE / F. V OUGA , Bergpredigt. Ältere, immer noch lesenswerte Kommentare sind in ihnen erwähnt. <?page no="217"?> 8 Die Bergpredigt Jesu, strophenweise neu übersetzt 218 durch eine strophenweise Darstellungsform der Übersetzung besondere Einsichten. In strophischer Schreibung sind meist zwei Zeilen jeweils eng aufeinander bezogen und legen sich als Teilaussagen gegenseitig aus (Parallelismus membrorum). Sie stehen in einem synonymen, antithetischen oder synthetischen, d.h. explizierenden Verhältnis zueinander. Eine Doppelung im Ausdruck entspricht antikem Bedürfnis und antiker Gewohnheit. Besonders gilt dies für Texte, die von weisheitlichen Traditionen des antiken Judentums herkommen: „Erst Doppelheit ist nach früher antiker Anschauung Ganzheit.” 4 Manchmal ist die Doppelheit erweitert zur Dreiheit, indem eine Teilaussage in zwei Einzelaussagen zerlegt wird: a + (b 1 +b 2 ) bzw. (a 1 +a 2 ) + b. Durch Beziehungen zwischen den Satzteilen a und b ergeben sich in oft verblüffender Weise Sinndimensionen mit klaren, gut verständlichen Aussagen: Eine (oder mehrere) linksbündig gedruckte Zeile(n) und die nachfolgende(n) eingerückte(n) Zeile(n) sind daher zusammen zu lesen und zu interpretieren. Zeitgemäßheit und Verständlichkeit, aber auch sprachliche Klarheit und philologische Genauigkeit sind die angestrebten, nicht immer leicht zu vereinbarenden Ziele der hier vorgelegten Übersetzung. Zur besseren Verständlichkeit enthält die Übersetzung einzelne gliedernde Hinweise, z.B. Abstände zwischen Sinneinheiten, und Zwischenüberschriften. Am Beginn der Übersetzung steht eine Hinführung aus dem vorausgehenden Kontext des Evangeliums; an ihrem Ende finden sich Hinweise zur Einfügung der Bergpredigt in den nachfolgenden Kontext des Evangeliums. Hinführung im Evangelium und Stand der Entwicklung Das Matthäusevangelium beginnt mit einer Vorgeschichte (1,1-4,11). Auf diese folgen das erste Auftreten Jesu (4,12-17), die Berufung der ersten Jünger (4,18-22) und eine summarische Beschreibung, die die Entfaltung der Lehre Jesu (Kapitel 5-7) und seiner (Wunder-) Taten (Kapitel 8-9) einrahmt (Kapitel 4,23-25 und 9,35-38). Diese beiden Einbindungen korrespondieren miteinander und werden im Folgenden mit abgedruckt. 4 23 Er (Jesus) zog in ganz Galiläa umher, lehrte in ihren Bethäusern (Synagogen), verkündigte die Frohbotschaft (das Evangelium) vom Reich und heilte jede Krankheit und jedes Gebrechen im Volk. 24 Die Nachricht von ihm ging durch ganz Syrien; man brachte alle Kranken zu ihm, die von verschiedenen Gebrechen und Beschwerden gezeichnet waren: Besessene, Mondsüchtige, Gelähmte - und er heilte sie. 25 Es folgten ihm viele Scharen 4 So H. G ESE , Johannesprolog, 160; zu den Grundgesetzen hebräischer Poesie s. ebd., 161. <?page no="218"?> Ethischer Impuls, Mt 5-7 219 von Menschen aus Galiläa, dem Zehnstädtegebiet (Dekapolis), aus Jerusalem, Judäa und Transjordanien. Exposition 5 1 Als er aber die Menschenscharen sah, stieg er auf den Berg. Nachdem er sich gesetzt hatte, gingen seine Jünger zu ihm. 2 Er öffnete seinen Mund, lehrte sie und sagte: Seligpreisungen 5 3 Selig die Armen im Geist, denn ihnen gehört das Himmelreich. 4 Selig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden. 5 Selig die Milden, denn sie werden das Land erben. 6 Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, denn sie werden gesättigt werden. 7 Selig die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. 8 Selig die mit reinem Herzen, denn sie werden Gott schauen. 9 Selig die Friedensbringer, denn sie werden Kinder Gottes genannt werden. 10 Selig die um der Gerechtigkeit willen Verfolgten, denn ihnen gehört das Himmelreich 11 Selig seid ihr, wenn sie euch um meinetwillen schmähen und verfolgen und alles Böse sagen gegen euch und dabei lügen. 12 Freut euch und jubelt, denn euer Lohn im Himmel ist groß. So haben sie nämlich auch die Propheten vor euch verfolgt. Salz und Licht 5 13 Ihr seid das Salz der Erde. Wenn aber das Salz fade wird, womit soll man salzen? Es taugt zu nichts mehr als dass es hinausgeworfen wird und zertreten wird von den Menschen. <?page no="219"?> 8 Die Bergpredigt Jesu, strophenweise neu übersetzt 220 14 Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die oben auf Bergen liegt, kann nicht verborgen werden. 15 Genausowenig zündet man ein Licht an und stellt es unter einen Eimer, sondern auf den Leuchter; dann leuchtet es allen im Haus. 16 So soll euer Licht leuchten vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen. Gesetz und Gerechtigkeit 5 17 Meint nicht, dass ich gekommen bin, um das Gesetz oder die Propheten aufzulösen. Ich bin nicht gekommen, um aufzulösen, sondern um zu erfüllen. 18 Amen, ich sage euch nämlich: Bis Himmel und Erde vergehen, vergeht ganz gewiss nicht ein Buchstabe (Iota) vom Gesetz oder ein Häkchen, bis alles geschieht. 19 Wer also eines dieser kleinsten Gebote auflöst und so die Menschen lehrt, wird der Kleinste heißen im Himmelreich. Wer sie aber tut und lehrt, der wird groß heißen im Himmelreich. 20 Ich sage euch nämlich: Wenn eure Gerechtigkeit nicht reichlicher überfließt als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, geht ihr ganz gewiss nicht in das Himmelreich hinein. Sechs Auslegungen der Mosetora 5 1. 21 Ihr habt gehört, dass zu den Vorfahren gesagt wurde: Morde nicht! (Ex 20,13; Dtn 5,17) 5 Die sechs Argumentationsgänge in Mt 5,21-48 werden eher als Fortführung und Auslegung denn als (autoritativ aufgestellter) Gegensatz und Widerspruch interpretiert, s. bereits E.E. E LLIS , Testament, 128-130; ebd., 138: „there is never any suggestion in the Gospels of Jesus opposing the Torah, the law of God, the Old Testament“. Deshalb wird der Abschnitt mit „Auslegungen der Mosetora“ statt mit „Antithesen“ - wie traditionell üblich - überschrieben. <?page no="220"?> Ethischer Impuls, Mt 5-7 221 Wer aber mordet, soll vor Gericht gestellt werden. 22 Dazu sage ich euch, dass jeder, der seinem Bruder oder seiner Schwester zürnt, vor Gericht gestellt werden soll. Wer aber zu seinem Bruder oder seiner Schwester „Du Dummkopf! “ sagt, soll vor das Oberste Gericht (Sanhedrin) gestellt werden. Wer aber „Du Depp! “ sagt, soll in die Feuerhölle überstellt werden. 23 Wenn du nun deine Opfergabe zum Altar bringst und dir dort einfällt, dass dein Bruder oder deine Schwester etwas gegen dich hat, 24 dann lass dort deine Opfergabe vor dem Altar und starte: Versöhne dich zuerst mit deinem Bruder oder deiner Schwester, und danach komm und bringe deine Opfergabe dar! 25 Gehe auf deinen Gegner zügig zu, solange du noch mit ihm unterwegs bist, damit der Gegner dich nicht dem Richter übergibt - und der Richter dem Vollzugsbeamten (Gerichtsdiener) - und du ins Gefängnis geworfen wirst. 26 Ich sage dir allen Ernstes: Du wirst von dort auf keinen Fall herauskommen, bis du den letzten Cent bezahlt hast. 2. 27 Ihr habt gehört, dass gesagt wurde: Brich in keine Ehe ein! (Ex 20,14; Dtn 5,18) 28 Dazu sage ich euch, dass jeder, der eine Frau mit begehrlichem Blick ansieht, schon in ihre Ehe eingebrochen ist in seinem Herzen. 29 Wenn dich also dein rechtes Auge verleitet, dann reiß es aus und wirf es von dir! Es ist nämlich besser für dich, dass eines deiner Glieder zugrunde geht als dass dein ganzer Leib in die Hölle geworfen wird. 30 Und wenn dich deine rechte Hand verleitet, hau sie ab und wirf sie von dir! Es ist nämlich besser für dich, dass eines deiner Glieder zugrunde geht als dass dein ganzer Leib in die Hölle fährt. 3. 31 Ferner wurde gesagt: Wer seine Frau entlässt, soll ihr eine Scheidungsurkunde geben! (Vgl. Dtn 24,1) 32 Dazu sage ich euch, dass jeder, der seine Frau entlässt - außer wegen Untreue -, sie in den Ehebruch treibt. <?page no="221"?> 8 Die Bergpredigt Jesu, strophenweise neu übersetzt 222 Wer eine Entlassene heiratet, treibt Ehebruch. 4. 33 Weiter habt ihr gehört, dass zu den Vorfahren gesagt wurde: Schwöre keinen Meineid (brich keinen Eid), (Lev 19,12) sondern erfülle dem Herrn deine Eide! (Vgl. Num 30,3; Dtn 23,22) 34 Dazu sage ich euch: Schwört überhaupt nicht! Weder beim Himmel - denn er ist Gottes Thron (Ps 11,4) - 35 noch bei der Erde - denn sie ist der Schemel seiner Füße (Ps 99,5) - noch bei Jerusalem - denn es ist die Stadt des großen Königs (Ps 48,3) - 36 noch bei deinem Kopf sollst du schwören. Denn du kannst kein einziges Haar weiß oder schwarz machen. 37 Euer Wort aber sei: ‚ja’ - ein Ja, ‚nein’ - ein Nein. Was aber darüber hinausgeht, ist übel. 5. 38 Ihr habt gehört, dass gesagt wurde: ein Auge für ein Auge und einen Zahn für einen Zahn. (Ex 21,24) 39 Dazu sage ich euch: Stellt euch nicht dem Bösen entgegen! Sondern wer immer dich auf deine rechte Wange schlägt, dem halte auch die andere hin. 40 Und demjenigen, der dich vor Gericht ziehen will, um dein Gewand zu nehmen, dem lass auch den Mantel. 41 Und wer immer dich zu einer Meile zwingen wird (ca. 1,5 km), mit dem geh zwei. 42 Demjenigen, der dich bittet, gib, und von dem, der sich etwas von dir entleihen will, wende dich nicht ab. 6. 43 Ihr habt gehört, dass gesagt wurde: Du sollst deinen Nächsten lieben, (Lev 19,18) und du sollst deinen Feind hassen. 44 Dazu sage ich euch: Liebt eure Feinde, und betet für die, die euch verfolgen, 45 damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet. Denn er lässt seine Sonne über Bösen und Guten aufgehen und lässt regnen über Gerechten und Ungerechten. 46 Wenn ihr nämlich diejenigen liebt, die euch lieben, welches Verdienst habt ihr? Machen nicht auch die Zöllner dasselbe? <?page no="222"?> Ethischer Impuls, Mt 5-7 223 47 Und wenn ihr nur eure Brüder und Schwestern grüßt, was macht ihr Besonderes? 48 Seid ihr nun vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist. Almosen tun, beten, fasten 6 1 Habt nun acht, dass ihr eure Gerechtigkeit nicht vor den Menschen ausbreitet, um von ihnen gesehen zu werden. Andernfalls habt ihr keinen Lohn bei eurem Vater, der im Himmel ist. 1. 2 Wenn du also ein Almosen tust, posaune es nicht vor dir aus, wie es die Heuchler tun in den Synagogen und in den Gassen, damit sie gepriesen werden von den Menschen. Amen, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon bekommen. 3 Sondern wenn du ein Almosen tust, soll deine Linke nicht wissen, was deine Rechte tut, 4 damit dein Almosen im Verborgenen geschieht und dein Vater, der im Verborgenen sieht, es dir vergelten wird. 2. 5 Und wenn ihr betet, seid nicht wie die Heuchler, die zum Beten gern in den Synagogen und an den Straßenecken stehen, damit sie sich den Menschen zeigen. Amen, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon bekommen. 6 Sondern wenn du betest, geh in dein (Hinter-) Zimmer und schließe deine Tür zu, um zu deinem Vater zu beten, der im Verborgenen ist, und dein Vater, der im Verborgenen sieht, wird es dir vergelten. 7 Wenn ihr nun betet, plappert nicht wie die Heiden. Denn sie meinen, dass sie ihres Wortschwalls wegen Erhörung finden werden. 8 Gleicht ihnen also nicht! Euer Vater weiß nämlich, was ihr nötig habt, bevor ihr ihn darum bittet. 9 So also sollt ihr beten: Unser Vater im Himmel! geheiligt werde dein Name, 10 es komme dein Reich, <?page no="223"?> 8 Die Bergpredigt Jesu, strophenweise neu übersetzt 224 es geschehe dein Wille wie im Himmel so auch auf Erden. 11 Unser Brot, das wir nötig haben, gib uns heute! 12 Und erlass’ uns unsere Schulden, wie auch wir unseren Schuldnern erlassen haben! 13 Und führe uns nicht in Versuchung, sondern löse uns von dem Bösen! 14 Wenn ihr nämlich den Menschen ihre Fehler vergebt (Fehltritte erlasst), wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben. 15 Wenn ihr aber nicht den Menschen vergebt, dann wird euer Vater auch nicht eure Fehler vergeben. 3. 16 Wenn ihr nun fastet, macht nicht wie die Heuchler ein trübsinniges Gesicht! Sie entstellen nämlich ihre Gesichter, damit sie den Menschen zeigen, dass sie fasten. Amen, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon bekommen. 17 Sondern trotz Fasten parfümiere deinen Kopf und wasche dein Gesicht, 18 damit du nicht den Menschen zeigst, dass du fastest, sondern deinem Vater, der im Verborgenen ist, und dein Vater, der im Verborgenen sieht, wird es dir vergelten. Schätze sammeln und sorgen 6 19 Sammelt euch nicht Schätze auf Erden, wo Motte und Wurm sie vernichten und wo Diebe einbrechen und stehlen! 20 Sammelt euch vielmehr Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Wurm sie vernichten und wo Diebe nicht einbrechen und nicht stehlen! 21 Wo nämlich dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein. 22 Das Auge ist die Lampe des Körpers. Wenn nun dein Auge aufrichtig ist, wird dein ganzer Körper voller Licht sein. 23 Wenn aber dein Auge böse ist, wird dein ganzer Körper finster (krank) sein. Wenn nun das Licht in dir finster ist, wie große Finsternis ist dann! 24 Niemand kann zwei Herren dienen. Er wird nämlich entweder den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird sich an einen hängen und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und Mammon (= dem Besitz). <?page no="224"?> Ethischer Impuls, Mt 5-7 225 25 Deswegen sage ich euch: Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr esst oder was ihr trinkt, und nicht um euren Körper, was ihr anzieht! Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Körper mehr als die Kleidung? 26 Seht auf die Vögel des Himmels: Sie säen nicht, und sie ernten nicht, und sie sammeln nicht in Scheunen, - und euer himmlischer Vater ernährt sie. Seid ihr nicht mehr wert als sie? 27 Wer nun von euch kann durch sein Sorgen sein Leben (oder: seine Körpergröße) um eine einzige Elle verlängern? 28 Und was sorgt ihr euch um die Kleidung? Beobachtet die Lilien des Feldes, wie sie wachsen: Sie mühen sich nicht ab, und sie spinnen nicht. 29 Dazu sage ich euch: Nicht einmal Salomo in all seiner Herrlichkeit war gekleidet wie eine von ihnen. 30 Wenn Gott nun das Gras des Feldes - das heute da ist und morgen in den Ofen geworfen wird - so umkleidet, dann nicht viel mehr euch, ihr Kleingläubigen? 31 Sorgt also nicht und sagt: Was sollen wir essen? Oder: Was sollen wir trinken? Oder: Was sollen wir anziehen? 32 Das alles erstreben nämlich die Heiden. Euer himmlischer Vater weiß doch, dass ihr das alles benötigt. 33 Strebt nun zuerst nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit, und das alles wird euch hinzugegeben werden. 34 Sorgt euch also nicht um das Morgen. Denn das Morgen sorgt für sich selbst: Es reicht, dass jeder Tag seine eigene Plage hat. (Wörtlich: Es reicht dem Tag sein eigenes Unheil.) Vom Richten, vom Heiligen, vom Beten, Goldene Regel 7 1 Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! 2 Mit dem Urteil nämlich, das ihr fällt, werdet ihr gerichtet werden, und mit dem Maß, mit dem ihr zumesst, wird euch zugemessen werden. 3 Warum siehst du eigentlich den Splitter im Auge deines Bruders oder deiner Schwester, den Balken in deinem Auge bemerkst du aber nicht? 4 Oder wie kannst du zu deinem Bruder oder zu deiner Schwester sagen: Lass mich den Splitter aus deinem Auge ziehen, - und sieh: In deinem Auge ist ein Balken? 5 Du Heuchler! Entferne zuerst aus deinem Auge den Balken, <?page no="225"?> 8 Die Bergpredigt Jesu, strophenweise neu übersetzt 226 und dann wirst du klar sehen, um den Splitter aus dem Auge deines Bruders oder deiner Schwester zu entfernen! 6 Gebt das Heilige nicht den Hunden, und werft eure Perlen nicht vor die Schweine, 7 damit sie sie nicht mit ihren Füßen zertreten und sie umkehren und euch zerreißen! 7 Bittet, und euch wird gegeben werden! Sucht, und ihr werdet finden! Klopft an, und euch wird geöffnet! 8 Denn jeder, der bittet, empfängt und wer sucht, findet, und dem, der anklopft, wird geöffnet werden. 9 Oder welcher Mensch ist unter euch, den sein Sohn (oder seine Tochter) um Brot bittet, - und er gäbe ihm einen Stein? 10 Oder er bittet um einen Fisch, und er gäbe ihm eine Schlange? 11 Wenn nun ihr, obwohl ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, um wie viel mehr wird euer Vater im Himmel denen Gutes geben, die ihn bitten? 12 Alles also, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, tut genauso auch ihr ihnen! Darin nämlich besteht das Gesetz und die Propheten. Provokation zum Tun: Tore, Früchte, Hausbau 7 13 Geht durch das enge Tor hinein! Denn breit ist das Tor und geräumig der Weg, der ins Verderben führt, und es sind viele, die dadurch hineingehen. 14 Wie eng ist das Tor und wie eingezwängt der Weg, der zum Leben führt, und es sind wenige, die ihn finden. 15 Hütet euch vor den falschen Propheten, die zu euch kommen in Schafspelzen. Von ihrem Inneren her sind sie jedoch reißende Wölfe. 16 An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Liest man etwa von Dornen Trauben oder von Disteln Feigen? 17 So trägt jeder gute Baum gute Früchte, <?page no="226"?> Ethischer Impuls, Mt 5-7 227 jeder morsche Baum hingegen trägt schlechte Früchte. 18 Ein guter Baum kann nicht schlechte Früchte tragen, und ein morscher Baum kann nicht gute Früchte tragen. 19 Jeder Baum, der nicht gute Frucht trägt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. 20 Folglich gilt: An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. 21 Nicht jeder, der „Herr, Herr“ zu mir sagt, wird in das Himmelreich hineingehen, sondern derjenige, der den Willen meines Vater im Himmel tut. 22 Viele werden an jenem Tag zu mir sagen: „Herr, Herr, haben wir nicht in deinem Namen prophetisch geredet, in deinem Namen Dämonen ausgetrieben und in deinem Namen viele Wunder vollbracht? “ 23 Doch dann werde ich ihnen frei heraus sagen: „Niemals habe ich euch gekannt! Geht weg von mir, die ihr gegen Gottes Gebot handelt! “ (Ps 6,9) 24 Jeder also, der diese meine Worte hört und sie tut, wird einem klugen Mann ähnlich werden, der sein Haus auf den Felsen gebaut hat. 25 Der Regen fiel herab, die Flüsse kamen, die Winde wehten, sie drückten gegen jenes Haus, - und es stürzte nicht ein. Es war nämlich auf einem Felsen gegründet. 26 Jeder aber, der diese meine Worte hört und sie nicht tut, wird einem dummen Mann ähnlich werden, der sein Haus auf Sand gebaut hat. 27 Der Regen fiel herab, die Flüsse kamen, die Winde wehten, sie schlugen gegen jenes Haus, - und es stürzte ein. Es krachte und war ein Trümmerhaufen. Abschluss 7 28 Als Jesus diese Worte beendete, geschah es, dass die Menschenscharen außer sich waren angesichts seiner Lehre. 29 Denn er lehrte sie wie mit Vollmacht und nicht wie ihre Schriftgelehrten. Im Anschluss an den Messias des Wortes (Kapitel 5-7) wird in Kapitel 8,1- 9,34 der Messias der Tat vorgestellt. Beide Abschnitte werden durch einen <?page no="227"?> 8 Die Bergpredigt Jesu, strophenweise neu übersetzt 228 Blick auf den Stand der Entwicklung zusammengeschlossen und gerahmt (vgl. dazu Kapitel 4,23-25). Stand der Entwicklung 9 35 Jesus zog in allen Städten und Dörfern umher, lehrte in ihren Bethäusern (Synagogen), verkündigte die Frohbotschaft (das Evangelium) vom Reich und heilte jede Krankheit und jedes Gebrechen. 36 Als er aber die Menschenscharen sah, taten sie ihm leid, denn sie waren erschöpft und lagen am Boden wie Schafe, die keinen Hirten haben (Num 27,17; 2 Chr 18,16). 37 Da sagt er zu seinen Jüngern: Die Ernte ist groß, aber es sind wenige Arbeiter. 38 Darum bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte aussende. <?page no="228"?> Literaturverzeichnis Abkürzungen richten sich nach Siegfried M. Schwertner: Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete. 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Erster Teil: Didache, Barnabas, Klemens I und II, Ignatius, Polykarp, Papias, Quadratus, Diognetbrief. 3. Auflage. Unveränderter Nachdruck der mit einem Nachtrag von Wilhelm Schneemelcher versehenen 2. Auflage (SQS 2/ 1, 1). Tübingen 1970. Aristophanes: Aristophanis Fabulae recognovit brevique adnotatione critica instruxit N.G. Wilson (SCBO). 2 Bde. Oxford: Oxford University Press 2007. Aristoteles: Politik. Buch I: Über die Hausverwaltung und die Herrschaft des Herrn über Sklaven. Übersetzt und erläutert von Eckart Schütrumpf (Aristoteles Werke in deutscher Übersetzung 9/ 1). Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1991. Athanasios: Osterfestbriefe des Apa Athanasios. Aus dem Koptischen übersetzt und erläutert von Pius Merendino. Düsseldorf: Patmos 1965. Babylonischer Talmud: Der Babylonische Talmud nach der ersten zensurfreien Ausgabe unter Berücksichtigung der neueren Ausgaben und handschriftlichen Materials neu übertragen durch Lazarus Goldschmidt. 12 Bde. 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April 2012, 16-21 (Fachtagung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD in Kooperation mit Diakonie, Evangelischer Arbeitsgemeinschaft für Familienfragen und Kirchenamt der EKD, Eisenach, 02./ 03.02.2012). 7 Welchen Diakonat braucht die Kirche? Zugleich ein Kapitel Biblische Theologie, Gemeindediakonie und Kirchentheorie ausgehend von Act 6,1-7 Unveröffentlicht. 8 Die Bergpredigt Jesu, strophenweise neu übersetzt. Evangelium nach Matthäus, Kapitel 5 bis 7 Unveröffentlicht. <?page no="272"?> Ein verantwortungsvoller, zeitgemäßer Umgang mit biblischen Texten ist alles andere als einfach. Besonders bedeutsam wird dies bei den grundlegenden Fragen menschlichen Miteinanders: Mann und Frau, Kinder, Haus, Familie, Gemeinde. Nach einer Einführung in Fragen der Bibelübersetzung und der Geschichte des Bibelkanons werden Grundfragen zeitgemäßen Bibelverständnisses und zeitgemäßer Bibelauslegung beleuchtet. Im Anschluss daran kommen Grundtexte und Grundthemen eines beziehungsreichen Lebens in den Blick. Kulturgeschichtliche, hermeneutische und anthropologische Einsichten bereichern das Gespräch und zeigen Orientierungsräume für ein beziehungsreiches Leben heute. Zum Verfasser: Bernhard Mutschler, geb. 1967, ist seit 2008 Professor für Biblische Theologie/ Gemeindediakonie an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg.
