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Rabindranath Tagore

Ein anderer Blick auf die Moderne - Un autre regard sur la modernité

1211
2013
978-3-7720-5499-0
978-3-7720-8499-7
A. Francke Verlag 
Gabriele Fois-Kaschel

So wie die Vertreter der westlichen Moderne ihren eigenen Standpunkt dem fremden gegenüberstellten, ohne dass die verschieden gearteten Ansichten zwangsläufig zur Deckung kamen, machte sich Rabindranath Tagore (1861-1941) die fremde Kultur zu eigen, indem er sie als das notwendige Andere der Modernität in einem grenzüberschreitetenden globalen Kontext sichtete. Tagores Alterität erfüllt somit alle wichtigen Voraussetzungen für die Annäherung zwischen verschiedenen Welten. An seinem Werk und Wirken lässt sich beispielhaft zeigen, wie der Dialog, genauer gesagt der Polylog der Kulturen in Gang kommt und was er zu leisten fähig ist. Das Programm der historischen Avantgardebewegungen des 20. Jahrhunderts, durch die Erschließung und performative Aneignung des Fremden das Bewusstsein für das mögliche Eigene zu schärfen, würde auf diese Weise zu unverhoffter Aktualität gelangen.

<?page no="0"?> Rabindranath Tagore Ein anderer Blick auf die Moderne Un autre regard sur la modernité Gabriele Fois-Kaschel (Hrsg.) <?page no="1"?> Rabindranath Tagore <?page no="3"?> Gabriele Fois-Kaschel (Hrsg.) Rabindranath Tagore Ein anderer Blick auf die Moderne Un autre regard sur la modernité <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Maquette : Bureau Transversal des Colloques, de la recherche et des publications Katia Dick, Sabine Tangapriganin Illustration de couverture : ©Fotolia Réalisation : Bureau Transversal des Colloques, de la recherche et des publications Faculté des Lettres et Sciences Humaines UNIVERSITÉ DE LA RÉUNION, 2013 Campus universitaire du Moufia 15, avenue René Cassin CS 92003 - 97744 Saint-Denis cedex 9 phone : 02 62 938585 - copie : 02 62 938500 Site web : http: / / www.univ-reunion.fr La loi du 11 mars 1957 interdit les copies ou reproductions destinées à une utilisation collective. Toute reproduction, intégrale ou partielle faite par quelque procédé que ce soit, sans le consentement de l’auteur ou de ses ayants cause, est illicite. © 2013 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem und säurefreiem Werkdruckpapier. Internet: www.francke.de E-Mail: info@francke.de Printed in Germany ISBN 978-3-7720-8499-7 <?page no="5"?> Inhaltsverzeichnis - Table des matières Gabriele Fois-Kaschel Einleitung ............................................................................................................. 7 Dank ................................................................................................................... 15 Martin Kämpchen Rabindranath Tagores Rezeption in Deutschland, Österreich und der Schweiz 1913-2013 .......................................................... 17 Fabien Chartier Visites de Tagore en France (1920-1921) : Mystification d’un penseur populaire au service d’une élite .................... 37 Catherine Repussard L’Allemagne et l’Inde : jeux et enjeux d’une rencontre Rabindranath Tagore als Mensch, Dichter und Philosoph d’Emil Engelhardt (1921) ................................................................................. 57 Julie Dumonteil Rabindranath Tagore et la Reformpädagogik .................................................. 73 Matthew Pritchard Wege aus dem Systemzwang der Moderne: Eine vergleichende Perspektive auf Tagores Begriff des „Überschusses“ ................................. 87 Vilasnee Tampoe-Hautin Lumière d’Asie (1925), l’œuvre de Himansu Rai et de Franz Osten. Le cinéma comme art pluriel ........................................................................ 103 Thomas Koebner Das Erwachen der Träumer Tagore und das indische Kino ...................................................................... 115 Annamaria Motrescu-Mayes Abjection et zèle patriotique dans le roman Char Adhyay de Tagore ......................................................................................................... 135 Elisabeth Foïs Affinités poétiques entre Hermann Hesse et Rabindranath Tagore ..................................................................................... 153 <?page no="6"?> Inhaltsverzeichnis - Table des matières 6 Angelika Führich Der Indien/ Europa-Diskurs in ausgewählten Texten von Lion Feuchtwanger und Rabindranath Tagore während der Zeit des Ersten Weltkriegs ..................................................... 167 Sylvia Boyer La transmission du Gitanjali : entre traduction et réécriture .................... 181 Rolf-Peter Janz Stefan Zweig und Alexander Zemlinsky lesen Rabindranath Tagore ..................................................................................... 197 Petra Neuenhaus Max Weber und Rabindranath Tagore: eine Annäherung ....................... 211 Gabriele Fois-Kaschel / Martin Kämpchen L’air de famille entre deux grandes figures de la littérature-monde : Johann Wolfgang Goethe et Rabindranath Tagore ................................... 227 Autorenverzeichnis ........................................................................................ 239 <?page no="7"?> Gabriele Fois-Kaschel Einleitung Über die Persönlichkeiten, die einen Paradigmenwechsel in der Philo sophie und Wissenschaft der Moderne bewirkt haben, herrscht auch heute noch weitgehend Übereinstimmung. Sigmund Freud (1856-1939) legte mit seiner Trieb- und Sexualtheorie den Grundstein für ein neues Menschen- und Weltbild. Mit Albert Einstein (1879-1955) erfolgte der Aufbruch in die moderne Physik und eine grundsätzliche Infragestellung der phänomenologischen Erscheinungswelt. Schwieriger ist es, sich auf einen Namen zu einigen, wenn es den einschneidenden Wandel im Umgang mit Kunst und Kultur am Anfang des 20. Jahrhunderts zu erklären gilt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass Rabindranath Tagore (1861-1941) zur näheren Auswahl gehören würde. Dabei mangelt es nicht an guten Gründen, den indischen Zeitgenossen von Freud und Einstein in den Kreis der großen Pioniere der Moderne einzuschließen. Insbesondere wäre daran zu erinnern, dass Tagore außer mit dem Begründer der Psychoanalyse und dem Entdecker der Relativitätstheorie mit nahezu allen wichtigen Vertretern der geistigen und künstlerischen Elite der westlichen und erst recht der fernöstlichen Welt in persönlicher Verbindung stand. Ausschlaggebend für das plötzlich erwachte Interesse an einem bis dahin vor allem in seinem Herkunftsland bekannten Dichter war zweifellos die Verleihung des Literaturnobelpreises im Jahre 1913. Die geschichtliche Tragweite dieses Ereignisses lässt sich bereits an seiner für die damalige Zeit eher außergewöhnlichen Mediatisierung bemessen und erschließt sich noch deutlicher vom heutigen Standpunkt aus. Gerade hundert Jahre ist es her, dass der kulturelle Hegemonialanspruch des Abendlandes durch die Auszeichnung eines Nicht-Europäers mit dem Literaturnobelpreis zumindest in Ansätzen revidiert wurde. Angesichts des Bedeutungsverlusts der klassischen Kolonialmächte lässt sich diese Entscheidung nicht unbedingt als Ausdruck eines ideologiekritischen Denkens und veränderten okzidentalen Selbstverständnisses deuten. Obwohl also auch strategische Überlegungen eine wesentliche Rolle gespielt haben mögen, sind die emanzipatorischen Bestrebungen, die den Rahmen der kolonialen Diskurse und der binären Zuschreibungen sprengen, nicht zu übersehen. Ab diesem Punkt wendet sich die Blickrichtung vom kolonisierenden Subjekt zum kolonisierten, aus diskursiven Machträumen bis dahin ausgeschlossenen subalternen Subjekt. All die offiziellen Ehrungen und Preise konnten die Schriftsteller aus den Kolonialländern, darunter Tagore, der sich als einer der ersten zeitgenössischen Inder im britischen Mutterland einen Namen machte, <?page no="8"?> Gabriele Fois-Kaschel 8 schließlich doch nicht davon abbringen, ihren eigenen Weg zu gehen. Statt unterwürfiger Dankbarkeit entwickelten sie ein Bewusstsein der Andersheit, das sich vornehmlich in hybriden Erzählweisen und synkretistischen Kompositionsprinzipien widerspiegelt. In diesem Prozess, der in der postkolonialen Kritik am Eurozentrismus und hierarchischen Kategorisierungen jeglicher Art gipfelt, verflechten sich persönliche Erlebnisse mit geschichtlichen Vorgängen. Zwischen der Bekanntgabe des Literaturnobelpreisträgers 1913 und Tagores Dankesrede 1921 in Stockholm wütete der Erste Weltkrieg und mündete in eine Zivilisationskatastrophe nie gekannten Ausmaßes. Aus Tagores Sicht war die Ursache hierfür weniger im Versagen okzidentaler Kultur- und Werteordnungen als solcher zu sehen als in den Widersprüchen der westlich-materialistischen Ideologie und Lebensart. Insofern bildete die Annahme des Literaturnobelpreises keinen prinzipiellen Widerspruch zu Tagores politischem und gesellschaftskritischem Engagement, das er immer wieder neu unter Beweis stellte. Besonders rückhaltlos äußerte er beispielsweise seine Unbeugsamkeit und seine Protesthaltung gegenüber willkürlicher kolonialer Gewalt, indem er unmittelbar nach dem im Jahre 1919 von britischen Soldaten an der indischen Zivilbevölkerung verübten Massaker von Amritsar den durch Ritterschlag 1915 erworbenen Adelstitel wieder ablegte. Diese beiden Begebenheiten aus Tagores Leben illustrieren paradigmatisch die dringliche Neuorientierung im Umgang mit der unbewältigten, durch Widersprüche und Unfrieden geprägten Vergangenheit. Hier eröffnet sich ein anderer Blick auf die Moderne, der erst durch einen grundlegenden Perspektivenwechsel nachvollziehbar wird. So wie die Vertreter der westlichen Moderne ihren eigenen Standpunkt dem fremden gegenüber stellten, ohne dass die verschieden gearteten Ansichten zwangsläufig zur Deckung kamen, machte sich Tagore die fremde Kultur zu eigen, indem er sie als das notwendig Andere der Modernität in einem grenzüberschreitenden, globalen Kontext sichtete. Tagores Alterität erfüllt somit alle wichtigen Voraussetzungen für die Annäherung zwischen verschiedenen Welten. An seinem Werk und Wirken lässt sich beispielhaft zeigen, wie der Dialog, genauer gesagt der Polylog der Kulturen in Gang kommt und was er zu leisten fähig ist. Dass Tagore die Grenzen des ihm zugewiesenen Betätigungsfeldes und Wirkungskreises überschritt, zeigt sich paradoxerweise sowohl an den Sanktionen und Zensurmaßnahmen, die in den 30er Jahren von nationalistischen Regimen gegen seine Person und seine Schriften ergriffen wurden, als auch an den zahlreichen Jubiläen, Gedenkfeiern, Kongressen und Ausstellungen der jüngsten Zeit, die ihn der Vergessenheit entreißen und seiner Botschaft in der Gegenwart zu neuem Leben verhelfen wollen. Gerade heute, im Zeitalter der Globalisierung, wo verstärkt das Bedürfnis nach kollektiven, transnationalen Identitäten laut wird, erweist sich <?page no="9"?> Einleitung 9 Tagores unzeitgemäßer Blick auf sein Jahrhundert als zukunftsträchtige Alternative zu den sozialen Realitäten der westlichen und östlichen Welt. Der Versuch, zumindest ansatzweise eine Antwort darauf zu finden, wie das Prinzip der Gleichheit und die Anerkennung der Differenz, universalistische Ethik und partikularistische Praxis miteinander zu vereinbaren sind, war auch der Anlass für ein interdisziplinäres Symposium, das im November 2012, also genau im Übergangsjahr zwischen den Feierlichkeiten zu Tagores 150. Geburtstag und zum 100. Jahrestag der Nobelpreisverleihung, an der Universität von La Réunion im Indischen Ozean stattfand. Ergebnis dieses Symposiums, an dem Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus Europa und Übersee beteiligt waren, ist der vorliegende Sammelband, der neben den gehaltenen Vorträgen ergänzende Einzelstudien von namhaften Spezialisten zu besagtem Thema enthält. Die inhaltlichen Schwerpunkte werden aus der Reihenfolge der Artikel ersichtlich. Im Fokus steht zunächst die Wirkung von Tagores Werk und Person im deutsch- und französischsprachigen Raum Europas. Anschließend richtet sich das Augenmerk auf eine kritische Standortbestimmung der Moderne im Schnittpunkt von Ost und West. Zum Schluss rücken intertextuelle und performative Fragestellungen in den Mittelpunkt, die erlauben, den Bogen zwischen Tradition, Moderne und Postmoderne zu schlagen. Die weitgespannte und detailreiche Untersuchung zur Rezeption von Rabindranath Tagore in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz von Martin Kämpchen unternimmt es, nach den Ursachen für die drastischen Schwankungen in Tagores Popularitätskurve zu forschen. Fabien Chartier ergänzt diese Analyse durch wertvolle Informationen über die widersprüchliche und wechselhafte Haltung der französischen Eliten gegenüber Tagore. Trotz des unterschiedlichen kulturellen und geographischen Hintergrunds lassen sich aus dem Vergleich der Forschungsergebnisse beider Beiträge wichtige Schlüsse über Tagores widersprüchliche Wirkung bei seinem Publikum ziehen. Während er bei den geistigen Größen der 20er Jahre sehr gemischte Reaktionen auslöste, die zwischen Begeisterung, Gleichgültigkeit und Ablehnung schwankten, verzeichnete er in den breiteren, sogenannten bildungsfernen Bevölkerungskreisen, vor allem aber bei jungen Menschen einen unerwarteten und nachhaltigen Erfolg. Wer war mit seinem Urteil auf der Höhe der Zeit oder sogar seiner Zeit voraus, die anonyme Masse oder einige wenige Auserwählte? Zu berücksichtigen ist, dass die bürgerliche westliche Welt zwischen den zwei Weltkriegen in einer tiefen Zivilisationskrise steckte, welche die Einen durch Kulturkonservatismus zu überwinden suchten, die Anderen durch antibürgerlichen Vitalismus. Diese Problematik erörtert Catherine Repussard in ihrem Artikel zu der von Emil Engelhardt verfassten und 1921 erstmals erschienenen Monographie über Rabindranath Tagore. Was sich als Vermittlungsversuch zwischen Okzident und Orient, Erbe und Moderne, Eigenem und <?page no="10"?> Gabriele Fois-Kaschel 10 Fremdem präsentiert, enthüllt sich bei genauerer Prüfung als ideologische Konstruktion einer rückwärtsgewandten Utopie. Die Verklärung der Vergangenheit dient dazu, der Gesellschaft der Zukunft eine glaubwürdige Legitimationsbasis zu verschaffen. Dennoch stellt ein solcher Gesellschaftsentwurf, wie er auch von den Reformbewegungen um die Jahrhundertwende vorangetrieben wird, trotz seiner antimodernistischen Merkmale durchaus eine ernst zu nehmende Alternative zu den herrschenden Verhältnissen dar. Im Umkreis solcher gesellschafts- und zivilisationskritischen Projekte sind auch Reformpädagogik und Lebensreform anzusiedeln. Anhand des Vergleichs zwischen reformpädagogischen Einrichtungen in Deutschland und dem alternativen Erziehungsmodell, das Tagore mit seiner Schule in Santiniketan in die Praxis umsetzte, wirft Julie Dumonteil die Frage nach der Revidierbarkeit kulturell bedingter Erwartungshaltungen und eingeschliffener Interpretationsschemata auf. Ihre Darstellung macht deutlich, dass das deutsche Indienbild von romantisch verklärenden Projektionen des 19. Jahrhunderts geprägt ist. Um diesem Umstand Abhilfe zu verschaffen und ein besseres Verständnis für die sozialen Wirklichkeiten in der eigenen und in der fremden Umwelt herbeizuführen, erstrebte Tagore den Kulturtransfer im Zeichen der persönlichen Begegnung und des interkulturellen Dialogs. Seine zahlreichen Reisen in allen fünf Weltteilen, aber auch sein Schaffen in Santiniketan bezeugen sein nie erlahmendes Interesse am kommunikativen Austausch, am kreativen Gestalten und an sozialer Interaktion. Wie Matthew Pritchard überzeugend darzustellen weiß, suchte Tagore den Brückenschlag zwischen Ost und West auf sämtliche Bereiche künstlerischer Praxis auszudehnen, indem er die Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften den nicht funktionalen Variablen menschlicher Interaktionsprozesse gegenüberstellt. Für die Theoretisierung der Differenz zwischen zweckmäßigem und zwecklosem Handeln erweist sich der Begriff des Überschusses als grundlegend. Hier ist der Ursprung des ästhetischen Sinns und eine Alternative zu den Systemzwängen zu suchen, die alle Manifestationen gesellschaftlichen Lebens durchdringen, die Theorie wie die Praxis, die Kunst wie die Kultur, die performativen wie auch die kommunikativen Ausdrucksformen. Kultur- und Zivilisationskritik, ob in Indien oder in Europa, wendete sich hier wie dort gegen die Instrumentalisierung der Vernunft und einen ausschließlich ökonomisch verstandenen Rationalitätsbegriff. Die Hinterfragung dieser verinnerlichten, automatisierten Denk- und Hand lungsm uster kam einem Angriff auf die ideologischen Grundfesten der bürgerlichen Gesellschaft gleich. Konsequenterweise breitete sich die bedrohliche Untergangsstimmung zuerst unter den bürgerlichen Intellektuellen und Künstlern aus. Zusätzliche Nahrung fanden deren Ängste in zwei charakteristischen Zeiterscheinungen: der Entstehung der Film und Kulturindustrie einerseits, andererseits dem von der <?page no="11"?> Einleitung 11 antibürgerlichen Avantgarde betriebenen kulturellen Kahlschlag. Gemeinsam ist diesen beiden Phänomenen, dass sie aus der Sicht des Bildungsbürgertums das Ende der Kunst ankündigen. Massenkultur und Anti- Kunst zielen zwar nicht auf das gleiche Publikum ab, überschneiden sich aber im Endeffekt in der ästhetischen Enteignung der bürgerlichen Schichten. Dass Film und Kunst sich durchaus auf einen Begriff bringen lassen, dokumentiert Vilasnee Tampoe-Hautin sehr ausführlich in ihrer Studie über die Gemeinschaftsproduktionen deutscher und indischer Filmregisseure in den Geburtsstunden der siebten Kunst. Besonders bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang, dass die Filmemacher aus dem kolonialen Indien des frühen 20. Jahrhunderts den technischen Vorsprung ihrer Kollegen aus Europa und Amerika innerhalb kürzester Zeit aufholen, ohne dass sie dabei ihre eigenen künstlerischen - und kommerziellen - Zielsetzungen aus den Augen verlieren. Es ist auch kein Zufall, dass die sozial- und gesellschaftskritischen Texte von Rabindranath Tagore den Stoff für eine Reihe von Filmen lieferten, die mittlerweile international Karriere gemacht haben. Besondere Erwähnung verdient in diesem Zusammenhang zweifellos die bengalische Filmproduktion der 50er und 60er Jahre, die im Gegensatz zur Bollywood-Ästhetik, wie Thomas Koebner deutlich macht, die Folgen des gesellschaftlichen Wandels im modernen Indien kritisch beleuchtet. Die Themenwahl, die sich oft auf literarische Vorlagen, vorzüglich auf Texte von Tagore stützt, mag einer der Gründe gewesen sein, weshalb Satyajit Ray und Tapan Sinha über die indischen Landesgrenzen hinaus weltweit berühmt geworden sind. Noch ausschlaggebender als die filmische Nacherzählung von fiktiven Inhalten, so das Ergebnis von Koebners präzisen und feinsinnigen Filmanalysen, erweist sich allerdings die Multiplikation der Perspektiven mittels der Kameraführung, die zum einen die Durchbrechung der linearen Ordnung der Narrativen, zum anderen die Verwischung der Grenzen zwischen Produktion und performativer Rezeption bewirkt. Solche medienästhetischen Überlegungen verbindet Annamaria Motrescu mit einem psychoanalytischen Ansatz, indem sie sich insbesondere auf Julia Kristevas Konzept des Abjekten und der Abjektion beruft, um die subliminale Botschaft von Tagores Roman Char Adhyay und dessen Verfilmung unter der Regie von Kumar Shahani zu entziffern. Neben den politischen und emanzipatorischen Bestrebungen rücken von Natur aus mehrdeutige körperliche Vorgänge und Handlungen ins Blickfeld. Im Anschluss an die künstlerischen Experimente, die zum Ziel haben, Kunst ins Leben und Leben in die Kunst zu bringen, steht die Untersuchung literaturgeschichtlicher Zusammenhänge und intertextueller Bezüge im Vordergrund. Elisabeth Foïs behandelt die zahlreichen Anklänge an die klassische indische Philosophie und Symbolik in <?page no="12"?> Gabriele Fois-Kaschel 12 Hermann Hesses lyrischem Werk, indem sie anhand von Gedichtanalysen Rabindranath Tagores Bildwelten und Gedankenverkettungen mit Hermann Hesses Poetologie parallelisiert. Mit den klassischen Narrativen der westlichen Moderne beschäftigt sich auch Angelika Führich mittels der Gegenüberstellung von Lion Feuchtwangers Kolonialdrama Warren Hastings. Gouverneur von Indien (1916) und Rabindranath Tagores philosophischen und politischen Schriften Nationalism und Sadhana (1916). Diese gleichzeitig entstandenen Werke zeugen von teilweise konträren Auffassungen von Fortschritt und Moderne. So zeigt sich, dass Feuchtwanger, indem er dem Westen eine zivilisatorische und kulturelle Überlegenheit zuspricht, zur Festschreibung abendländischer, auf binären Oppositionen basierenden Denktraditionen beiträgt. Ganz anders Tagore, der dem nationalstaatlich geprägten Gemeinwohlverständnis und Kollektivbewusstsein die Rückbesinnung auf künstlerisch-kreative, performative Aktions- und Erkenntnismodi überordnet. Seine Überlegungen gehen bereits in eine Richtung, die zu postmodernen Positionen und Verfahren wie Dekonstruktion, Segmentierung und Collage führt. Den Prozess des Umschreibens, im doppelten Sinne zu verstehen als Transposition und Auslassung, beleuchtet Sylvia Boyer aus einer übersetzungswissenschaftlichen Perspektive. Rabindranath Tagore, der sein eigener Übersetzer war, indem er als Erster sein Gedichtwerk Gitanjali aus dem Bengalischen ins Englische übertrug, schuf damit nicht nur einen neuen Text, sondern auch eine verschobene Sicht des Weiblichen. Die späteren französischen und deutschen Übersetzungen sind wertvolle Belege für die Konstruktion von Weiblichkeit und die postmoderne Dekonstruktion von Geschlechterrollen in der westlichen Welt. Rolf-Peter Janz verknüpft die frappierende Tagore-Begeisterung der 20er Jahre mit einer deutlich erkennbaren Tendenz zur Sakralisierung und Mythisierung des Geschlechtlichen. Den Umweg über das fremde Indien führt er auf das mehr oder weniger bewusste Bedürfnis zurück, die verschütteten Inhalte der eigenen Kultur neu zur Geltung und im Gespräch - wie bei Stefan Zweig - oder auch in der Musik - von Alexander Zemlinsky - zum Klingen zu bringen. Unabhängig vom eingesetzten Medium, in diesem Falle der Dichtung und der Tonkunst, treten das eigene und das fremde Material in ein kompositorisches Spannungsverhältnis, das sich als konstitutiv für eine neue Ästhetik des Performativen erweist. Die modernen und postkolonialen Aspekte von Tagores Oeuvre bilden den abschließenden Teil des Sammelbands. Petra Neuenhaus stellt sich zur Aufgabe, die Brauchbarkeit der theoretischen Instrumente Max Webers und insbesondere seiner Religionssoziologie für interkulturelles Philosophieren zu prüfen. In Übereinstimmung mit Max Webers Kritik an der modernen Industriegesellschaft fordert Tagore in Crisis in Civilization die westliche Zivilisation zum Dialog mit östlichem Denken und einer Ethik heraus, die ihr eigenes Verständnis des Universellen behauptet. <?page no="13"?> Einleitung 13 Am Begriff des Universellen, dem Anspruch auf allgemeingültige Wahrheit, entzündet sich nicht ohne Grund die postmoderne Kritik. In ihrer Gemeinschaftsarbeit setzen sich Gabriele Fois-Kaschel und Martin Kämpchen mit dem Begriff des Universalgenies auseinander, der immer wieder herhalten muss, um die hervorragenden Leistungen einzelner Menschen zu rühmen. Als Universalgenies gelten auch Rabindranath Tagore und Johann Wolfgang Goethe. Ein Vergleich ihrer Biographien legt erstaunliche Gemeinsamkeiten und Familienähnlichkeiten - im Sinne von Ludwig Wittgenstein - frei. Beide waren bemüht, sich das Wissen ihrer Zeit anzueignen, um es den spezifischen Umständen entsprechend für die Zukunft der Menschheit fruchtbar zu machen. In diesem Sinne sind sie nicht nur Vorreiter ihrer Epoche, sondern auch Vermittler zwischen Tradition und einer ständig neu und anders zu gestaltenden Gegenwart. Den verschiedenen, in manchen Fällen wohl eher unerwarteten Annäherungen zwischen Rabindranath Tagore und prominenten Vertretern der abendländischen Geistesgeschichte liegt die Auseinandersetzung mit einem universalistischen Kulturbegriff zugrunde. Natürlich kann keine Rede davon sein, westliche Kultur zum universalen Maßstab zu erheben, wie es lange der Fall war und in vielerlei Hinsicht sicher auch heute noch der Fall ist. Nichtsdestoweniger musste die kulturelle Dominanz der ehemaligen Kolonialmächte erst gebrochen werden, bevor sich ein Weg eröffnete, die Pluralität der Lebenswelten mit dem utopischen Anspruch der Moderne auf individuelle und kollektive Selbstbestimmung im Zeichen interkultureller, herrschaftsfreier Kommunikation zu verbinden. Die postkoloniale Kritik an in sich geschlossenen Weltbildern, die den Beginn einer neuen Epoche, der Postmoderne, einläutet, trägt dem Blickpunktwechsel vom Betrachtenden zum Betrachteten meist nur ungenügend Rechnung und verwirft deshalb prinzipiell die Möglichkeit eines universellen Kulturverständnisses. Der andere Blick auf die okzidentale Moderne, den wir aus der Perspektive eines Außenstehenden in der Person von Rabindranath Tagore gewinnen, beweist hingegen, dass die je eigene kulturelle Identität sich durch fremde Impulse nicht nur ausdifferenziert, sondern in den Entwurf einer universellen kulturellen Identität einschreibt. Das Programm der europäischen Avantgarde des 20. Jahrhunderts, durch die Erschließung und performative Aneignung des Fremden das Bewusstsein für das mögliche Eigene zu schärfen, würde auf diese Weise zu unverhoffter Aktualität gelangen. <?page no="15"?> Dank Dieser Sammelband wäre ohne die finanzielle Unterstützung der Forschungsföderation OSOI (Observatoire des Sociétés de l’Océan Indien) und der Forschungsabteilung CCLC-CRLHOI (Contacts de Cultures, Littératures et Civilisations - Centre de Recherches littéraires et historiques de l’Océan Indien) der Universität von La Réunion nicht zustande gekommen. Eine noch ausschlaggebendere Bedeutung für die Erreichung des gesetzten Ziels hatte die unermüdliche und kompetente Hilfe von Marlene Tolède, Elisabeth Foïs, Vilasnee Tampoe-Hautin und Catherine Repussard bei der Übersetzung von Beiträgen aus dem Englischen, bei der Textgestaltung und der Durchsicht der Manuskripte, an der sich in kollegialer Zusammenarbeit auch Julie Dumonteil, Mireille Habert, Myriam Kissel und Chantale Meure beteiligt haben. Ihnen allen gilt mein herzlicher Dank. <?page no="17"?> Martin Kämpchen Rabindranath Tagores Rezeption in Deutschland, Österreich und der Schweiz 1913-2013 1 1. Einleitung Auf kulturgeschichtlicher Ebene fand der erste Kontakt zwischen Deutschland und Indien am Anfang des 19. Jahrhunderts statt, als die Romantiker Indien als ihr Leit- und Wunschbild entdeckten. Der europäischen Zivilisation und des aufklärerischen Utilitarismus’ überdrüssig, sahen sie in Indien eine alternative Kultur mit einfachen, schlichten Menschen, die in Harmonie mit der Natur leben. Diese romantische Sicht ist bis heute ein Leitmotiv der deutschen Rezeption der gesamten indischen Kultur geblieben. Auf wissenschaftlicher Ebene führte dies zum Studium der indischen Sprachen, der Philosophie und der Mythologie. 1818 wurde der erste Lehrstuhl für Sanskrit in Bonn geschaffen, was die Einführung der Indologie an deutschen Universitäten zur Folge hatte. August Wilhelm Schlegel war der erste Lehrstuhlinhaber. Diese Hinwendung zu indischen Studien hatte auch einen großen Einfluss auf die Rezeption von Tagore im deutschen Sprachraum. Für viele verkörperte er die Vollendung der deutschen Romantik, die sich nach dem idealen Menschen und einer vollkommenen Kultur sehnte. So erklärte der Philosoph Hermann von Keyserling begeistert: „Rabindranath Tagore ist der größte Mensch, den ich die Ehre hatte kennen zu lernen [...] Es hat nirgendwo jemanden wie ihn auf Erden gegeben viele, viele Jahrhunderte lang.“ 2 Tagore bemühte sich um Verständnis für die übersteigerte Schwärmerei der Deutschen für Indien. Helmuth von Glasenapp, ein renommierter Indologe, schrieb dazu: „Deutschland ist ihm [Tagore] nicht nur das Land der Dichter und Denker, das Land eines Goethe und Kant, sondern vor allem auch das Land, das von jeher dem Studium der indischen Sprachen und Religionen das größte Interesse in uneigennützigster Weise entgegengebracht hat.“ 3 1 Martin Kämpchen: Rabindranath Tagore’s Reception in Germany, Austria and Switzerland 1913-2013. Unveröffentlichter Buchbeitrag, Goethe-Institut in Kalkutta 2012. Übersetzung aus dem Englischen von Marlene Tolède. 2 Ramananda Chatterjee (Hg.): The Golden Book of Tagore. A Homage to Rabindranath Tagore from India and the World in Celebration of his Seventieth Birthday. Calcutta 1931, p. 127. 3 Helmut von Glasenapp: Rabindranath Tagore in Berlin. In: Deutsche Allgemeine Zeitung, 30.5.1921. <?page no="18"?> Martin Kämpchen 18 Im 19. Jahrhundert beschränkte sich die Beziehung zu Indien auf frühe Übersetzungen hinduistischer oder buddhistischer heiliger Schriften oder Reiseberichte. Da Deutschland und die Habsburgermonarchie nicht an der Kolonisierung des indischen Subkontinents beteiligt waren, war das Interesse deutschsprachiger Entdecker, Geschäftsleute und Gelehrten an Indienreisen nicht besonders ausgeprägt. Zur Jahrhundertwende und am Anfang des 20. Jahrhunderts zogen dafür zuerst Diplomaten, oft aus dem deutschen Adel, und wohlhabende Entdecker und Reisende, und dann Intellektuelle und Schriftsteller in Scharen nach Indien. Deren Schriften, die vielseitiger und anspruchsvoller als die phantastischen Beschreibungen der älteren Generationen waren, haben zu einer vertieften, auf persönlichen Erfahrungen gründenden Kenntnis des Landes beigetragen. Unter den Schriftstellern, die Indien besucht haben, sind zu nennen: Waldemar Bonsels (Indienreise im Jahre 1904), Max Dautendey (1905-06 und auch später), Rudolf Kassner (1908), Stefan Zweig (1908-09), Hanns Heinz Ewers (1910), Hermann Hesse (1911), Hermann von Keyserling (1911-12), Melchior Lechter (1910-11), Karl Wolfskehl (1910), René Schickele (1913). Hermann von Keyserlings Reisetagebuch eines Philosophen (1918) wurde ein viel gelesenes Buch, dessen Erfolg durch Hermann Hesses Erzählung Siddhartha. Eine indische Dichtung (1922), die den Indien- Enthusiasmus der späteren Hippie-Generation mitprägte, noch weit und nachhaltiger übertroffen wurde. Deutschland war in jenen Jahren durch den Versailler Vertrag harten wirtschaftlichen Einschränkungen unterworfen. Dies führte nicht nur zu einer Wirtschaftskrise, sondern verursachte auch eine stark empfundene Demütigung, die sich zu einer geistigen und kulturellen Krise vertiefte. Tagore brachte in seinen Vorträgen immer wieder sein tiefes Mitgefühl für das entmutigte deutsche Volk zum Ausdruck und versuchte durch seine Besuche spirituellen Trost zu spenden. Das geistige und kulturelle Vakuum im Nachkriegs-Deutschland löste eine Welle messianischer Bewegungen aus. Spirituelle Lehrmeister, aufrichtige und weniger aufrichtige, und unterschiedliche esoterische Bewegungen, die sich durch Naturverbundenheit, Freikörperkultur und Spiritismus auszeichneten, gewannen an Bedeutung. Die Flucht aus der Realität ins Innenleben oder in einen imaginären Orient gehörte zu den beliebtesten Alternativen. Nicht nur Schriftsteller und Wissenschaftler, die Indien am Anfang des 20. Jahrhunderts besuchten, äußerten ein verstärktes Interesse an der indischen Weltanschauung, sondern ein erweiterter Kreis von deutschsprachigen Intellektuellen. Tagores Philosophie, seine Person und seine Lesungen fanden in diesem Umfeld großen Anklang. 4 4 Rita Panesar: Der Hunger nach dem Heiland. Das Bild des indischen Dichters und Philosophen Rabindranath Tagore in Deutschland während der Weimarer Zeit. Hamburg (masch.) 1997. <?page no="19"?> Rabindranath Tagores Rezeption in Deutschland, Österreich und der Schweiz 19 2. Tagore-Rezeption vor und nach dem Empfang des Nobelpreises Rabindranath war nahezu unbekannt, bevor ihm am 14. November 1913 der Nobelpreis für Literatur verliehen wurde. Ein gewisser O.E. Lessing hatte allerdings in Urbana (Illinois, USA), wo Tagore den Winter 1912-13 verbracht hatte, einen kurzen Essay verfasst, der am 1. Juni 1913 5 veröffentlicht wurde. Lessing beschrieb den indischen Lyriker mit Worten, die sich bald zum Leitmotiv entwickeln sollten: „Vom Spätherbst an sah man einen schönen, hochgewachsenen Mann, mit grauem Haar und Bart, in einem fremdartigen Kostüm durch die Straßen gehen ...“ Lessing besuchte Tagores Lesungen in Urbana und sprach von dessen „freundlichernster Gelassenheit“, seinen „dunklen Augen“, seiner „innere[n] Glut“; er sah in ihm „eine Legende“ schon bevor die Verleihung des Nobelpreises eine Vielzahl von unglaublichen Geschichten über Tagores Leben in Umlauf brachte. Von da an haftete Tagore die Aura des Weisen aus dem Morgenlande an. Zwei bedeutende Persönlichkeiten unter den deutschen und öster reichischen Intellektuellen verehrten Tagore bereits, bevor sich dessen Ruhm über Nacht verbreitet hatte. Es waren der schon erwähnte Kulturphilosoph Hermann von Keyserling (1880-1946) und Rainer Maria Rilke (1875-1926). 1911-12 ging Keyserling auf Weltreise und schrieb daraufhin seinen viel gelesenen philosophischen Reisebericht über Indien. In Kalkutta nimmt er im Haus der Tagore-Familie an einem Musikabend teil. Unter den zahlreichen Familienmitgliedern zieht insbesondere Rabindranath seine Aufmerksamkeit auf sich. Über diese Begegnung schreibt Keyserling: „Rabindranath, der Poet, beeindruckte mich gar wie ein Gast aus einer höheren, geistigeren Welt. Nie vielleicht habe ich so viel vergeistigte Seelensubstanz in einem Manne verdichtet gesehen.“ 6 Nach seiner Rückkehr aus Indien stand Keyserling weiterhin in Briefkontakt mit Tagore und unterbreitete ihm verschiedene Vorschläge, welche Persönlichkeiten Tagore auf seiner im Sommer 1913 geplanten Deutschland-Reise treffen könne. Ebenso machte er Vorschläge, als Tagore eine Japan-Reise ins Auge fasste. Diese Korrespondenz 7 zeugt von der aufrichtigen Bewunderung des deutschen Grafen für den indischen Dichter. 5 O.E. Lessing: Rabindra Nath Tagore. In: Literarisches Echo, 15, Nr. 17, 1.6.1913, Sp. 1184. Diesem Essay sind die drei folgenden Zitate entnommen. 6 Hermann Graf Keyserling: Das Reisetagebuch eines Philosophen. Frankfurt, Berlin 1990, S. 359. 7 Keyserlings Briefe an Tagore liegen im Archiv des Rabindra-Bhavan. Visva-Bharati- Universität, Santiniketan. <?page no="20"?> Martin Kämpchen 20 Die erste Äußerung von Rainer Maria Rilke zu einem Aufsatz über Tagore befindet sich in einem Brief vom 30.09.1913 an Lou Andreas- Salomé. 8 Zwei Monate später, im Dezember 1913, begeistert sich Rilke für André Gides Übersetzung des Gitanjali ins Französische 9 und fasst daraufhin Kurt Wolffs Vorschlag, Gitanjali ins Deutsche zu übersetzen, ernsthaft ins Auge. Schließlich lehnt er aber den Vorschlag ab, weil er seine Kenntnisse des Englischen für unzulänglich hielt. 10 Laut einem Gerücht, das bis heute im Umlauf ist, soll Kurt Wolff, Tagores späterer deutscher Verleger, sich zuerst gegen den Druck von Gitanjali ausgesprochen haben. Das Manuskript zu diesem Gedichtband war Wolff entweder vom englischen Verleger Macmillan oder von der deutschen Übersetzerin Marie-Luise Gothein übermittelt worden. Wolff gab in Briefen und in einem Radio-Essay an, die Veröffentlichung von Tagores Schriften schon vor der Bekanntgabe des Nobelpreisträgers geplant zu haben. Verschiedenen Zeitungsberichten zu Folge soll Wolff das Manuskript hingegen erst nachträglich angenommen haben. 11 Nachdem Tagore überraschend nominiert worden war, rühmte sich der Verleger, den deutschen Lesern mit einem Nobelpreisträger aufwarten zu können und verzeichnete damit einen wesentlichen Werbeerfolg für den erst kürzlich gegründeten Verlag. Die Reaktion der Leserschaft erfolgte in zwei Phasen: unmittelbar nach der Verleihung des Nobelpreises und dann erst wieder im Jahre 1921 bei Tagores erstem Besuch in Deutschland. Die in der deutschen und österreichischen Presse debattierten Themen waren sich ziemlich ähnlich. An erster Stelle bekundete die Presse ihre Enttäuschung darüber, dass nicht Peter Rosegger (1843-1918), ein österreichischer Schriftsteller, der als Favorit für den Nobelpreis gegolten hatte, den Preis erhalten hatte. Ferner zeichnete die Presse ein Bild von Tagore, das auf Klischees aufbaut, die bis heute fortbestehen. Die Verantwortung für die verfälschte Vorstellung von Tagore trägt zum Teil auch das Nobelpreiskomitee, das nur wenige biografische Daten veröffentlichte. Tagore wurde als ein „Heiliger“ angesehen, ein „Einsiedler“ 12 , der in „stiller Abgeschlossenheit und Versenkung“ 13 wie ein Mystiker lebt. Man sah in ihm eine Christusähnliche Gestalt. In anderen Beschreibungen wurde er im Gegenteil als ein Aristokrat von sagenhaftem Reichtum und Ruhm hingestellt. Manche 8 Rainer Maria Rilke/ Lou Andreas-Salomé: Briefwechsel. E. Pfeiffer (Hg.). Frankfurt 1975, S. 300. 9 Rainer Maria Rilke/ Helene von Nostitz: Briefwechsel. E. Zinn (Hg.). Zürich 1951, Bd. 1, S. 336. 10 Kurt Wolff: Briefwechsel eines Verlegers 1911-1963. B. Zeller/ E. Otten (Hg.). Frankfurt 1966, S. 138-9. 11 Siehe auch Martin Kämpchen: The Legend: Kurt Wolff’s Version / The other Versions. In: Rabindranath Tagore in Germany: Four Responses to a Cultural Icon. Shimla 1999, S. 67-74. 12 Der Einsiedlerpreis. In: Neue Freie Presse. Wien, 15.11.1913. 13 Rabindra Nath Tagore, der Nobelpreisträger. In: Tagblatt. Prag, 16.11.1913. <?page no="21"?> Rabindranath Tagores Rezeption in Deutschland, Österreich und der Schweiz 21 Artikel zitierten Tagores britischen Freund William Rothenstein oder mit besonderer Vorliebe auch Frederik van Eeden (1860-1932), einen holländischen Dichter und Tagore-Übersetzer, der Vorträge über Tagore in Deutsch 14 hielt und bei jeder Gelegenheit behauptete, er persönlich habe das Nobelpreiskomitee auf Tagore aufmerksam gemacht. Van Eeden würdigte insbesondere Tagores „religiöse Weisheit, die Beschaulichkeit, das Zusammenleben mit der Gottheit, das uns so fremd geworden ist“ 15 . Weitere Artikel im selben Stil erschienen Anfang 1914 nach der Veröffentlichung der deutschen Buchfassung von Gitanjali. Zur selben Zeit kam auch die deutsche Tagore-Biografie von Paul Cremer heraus. 16 Sie gilt als die erste Biografie in einer europäischen Sprache, die der ersten englischen Biografie von Ernest Rhys um ein ganzes Jahr vorausgeht. Das mag als Erklärung dafür gelten, dass die knappe deutsche Studie oberflächlich und fehlerhaft bleibt. In den folgenden Jahren veröffentlichte Kurt Wolff sämtliche Bücher von Tagore in deutscher Übersetzung, sobald sie auf Englisch erschienen waren. In der kurzen Zeitspanne von 1914 bis 1925 brachte der Verlag 24 Ausgaben von Tagore und 1921 seine Gesammelten Werke in 8 Bänden heraus. In seiner Monographie zum Kurt Wolff Verlag schreibt Wolfram Göbel, dass Ende 1923 mehr als eine Million Exemplare 17 von Tagores Schriften auf dem Markt waren. Tagore wurde somit zu einem frühen Bestsellerautor in der deutschen Verlagsgeschichte. Im Jahr 1923 gingen allerdings aufgrund der Nachkriegsinflation die Auflagenzahlen schlagartig zurück. Als letztes Buch erschien 1925 Tagores Roman Gora. 3. Übersetzungen aus dem Englischen und dem Bengalischen Kurt Wolff beschäftigte verschiedene Übersetzer. Gitanjali, Tagores erster englischer Gedichtband, wurde von Marie-Luise Gothein übersetzt, die mit ihrem Sohn Percy dem George-Kreis angehörte. Kurt Wolffs Frau, Elisabeth Merck (1890-1970), übersetzte das Theaterstück Chitra. Ihre Schwester, Annemarie von Puttkamer (1899-1921), übertrug mehrere frühe Prosabände. Unter den Übersetzern sind weiterhin Hans Effenberger, Hedwig Lachmann, Gustav Landauer und Emil Engelhardt zu erwähnen. Die wichtigste Tagore-Übersetzerin war Helene Meyer-Franck (1873- 1946), eine Hamburger Lehrerin, die ab 1919 für sämtliche Übersetzungen 14 Fredrik van Eeden: Rabindra Nath Tagore: Der indische Nobelpreisträger. In: Die neue Literatur, 1. Juni 1916, S. 1. 15 Neue Freie Presse. Wien, 30.1.1914. 16 Paul Cremer: Rabindranath Tagore. Berlin 1914. 17 Wolfram Göbel: Der Kurt Wolff Verlag 1913-1930. Expressionismus als verlegerische Aufgabe. Frankfurt 1977, Sp. 640. <?page no="22"?> Martin Kämpchen 22 zuständig war und insgesamt 17 Bände veröffentlichte. 18 An der Herausgabe der Gesammelten Werke in 8 Bänden wirkte auch ihr Mann Heinrich Meyer-Benfey mit. Helene Meyer-Franck, die sich Tagore und seinen Ideen zutiefst verbunden fühlte, stand von 1920 bis 1938 19 mit ihm in Briefwechsel. Sie war die erste, die den Lyriker aus dem bengalischen Originaltext ins Deutsche übertrug. Nachdem Kurt Wolff keine Aufträge für Übersetzungen aus dem Englischen mehr bestellte, hatte sie aus eigener Initiative Bengalisch gelernt und im Laufe der Jahre drei Novellen 20 und eine Gedichtsammlung ins Deutsche übersetzt. 21 Diese beiden kleinen Bände blieben allerdings ohne nachhaltige Wirkung. In den frühen Übersetzungen aus dem Englischen herrscht eine sentimentale, lyrisch-elegische Ausdrucksweise vor, die einen vermeintlich romantischen, volkstümlichen Stil imitiert, der heute veraltet wirkt. Nach 1945 war die deutsche Leserschaft wenig geneigt, sich für gefühlsbetonte Literatur zu begeistern. Als der Nachfolger des Kurt Wolff Verlags, der Hyperion Verlag, mit Neuauflagen der alten Übersetzungen begann, entstanden auch einige Bearbeitungen in einer aktualisierten Sprache. Die modernen Übersetzer heißen F. Fiedler, Winfried Zillig, Gabriele Maria Muncker, Adam Haas, Karlernst Ziem, Gisela Petersen, Hella Rymarovicz, Joachim Marten und Dieter Dunkel. Alles in allem erreichten Tagores Werke jedoch nicht mehr denselben Grad der Beliebtheit wie zwischen den zwei Weltkriegen. Hermann Hesse, der um eine Erklärung zu diesem Absturz in die Vergessenheit gebeten wurde, äußerte sich wie folgt: „Die Berühmtheit von heute gerät nach ihrem Tod in eine Versenkung und Vergessenheit, und erst nach langer, oft sehr langer Zeit nimmt die Welt sich die Mühe, sowohl den einstigen Ruhm wie die jetzige Vergessenheit nachzuprüfen und richtigzustellen. […] So steht es mit dem Ruhm Tagores im Westen. Tagore war in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg eine zeitlang in Europa nicht nur berühmt, sondern er war große Mode, und die Welt ist nun einmal so, daß sie ihre Lieblinge gern für die ihnen gewährte Gunst bestraft und büßen läßt. […] Im Fall Tagore, finde ich, ist das kein Grund zu Klage und Bitterkeit. Er verdankt einen Teil seines Ruhms der reichen Erbschaft an altindischem Geist, den er für eine Weile im Westen wieder zu Ehren gebracht hat. In manchen Köpfen und Herzen hat diese Wirkung 18 Siehe Martin Kämpchen: Rabindranath Tagore and Germany: A Bibliography. Santiniketan 1997. 19 My dear Master. Briefwechsel zwischen Helene Meyer-Frank/ Heinrich Meyer- Benfey und Rabindranath Tagore. Martin Kämpchen/ Prasanta Kumar (Hg.). Kolkata 2 2010. Deutsche Übersetzung: Rabindranath Tagore und Helene Meyer- Franck/ Heinrich Meyer-Benfey: Mein lieber Meister. Briefwechsel 1920-1938. Martin Kämpchen/ Prasanta Kular Paul (Hg.). Aus dem Englischen übersetzt von Ingrid von Heiseler. Heidelberg 2011. 20 Rabindranath Tagore: Aus indischer Seele. Übers. Helene Meyer-Franck. Nachw. Heinrich Meyer-Benfey. Leipzig [1930? ]. 21 Rabindranath Tagore: Mit meinen Liedern habe ich dich gesucht. Gedichte. Übers. Helene Meyer-Franck. Hamburg 1946. <?page no="23"?> Rabindranath Tagores Rezeption in Deutschland, Österreich und der Schweiz 23 fortgedauert und Früchte getragen, und diese unpersönliche, stille Fortwirkung, die mit Ruhm und Mode nichts zu tun hat, passt im Grunde vielleicht zu einem indischen Weisen besser als Ruhm und Persön lichkeitskult.“ 22 Im Jahre 1961, anlässlich des hundertsten Geburtstags von Tagore, nahm die Zahl der Übersetzungen aus dem Bengalischen sprunghaft zu. Die ehemalige DDR feierte offiziell den Dichter als einen Internationa listen und Vorkämpfer der Völkerverständigung. Eine Anthologie mit Erzählungen, Aphorismen und Gedichten, teilweise aus dem Englischen und teilweise aus dem Bengalischen 23 ins Deutsche übersetzt, machte den Anfang. Im Laufe der Zeit brachte der Verlag Volk und Welt, damals der Staatsverlag für außereuropäische Literatur, vier Bände von Tagore 24 heraus. Besonders zu erwähnen ist hier Gisela Leistes Übertragung des Romans Gora aus dem Bengalischen, der später auch in West- Deutschland 25 neu verlegt wurde. Besonders ungewöhnlich erscheinen die Übertragungen der Briefe über Russland 26 aus dem Russischen 27 und der Weihnachtsansprachen Khrishta 28 (Christus) aus dem Italienischen ins Deutsche. 29 Die von Aurobindo Bose und Ilse Krämer 30 besorgte Schweizer Übersetzung von Gedichten aus dem Bengalischen ins Deutsche verdient ebenfalls Erwähnung. Bei dem deutschen Text handelt es sich allerdings um eine recht freie Übersetzung, der es an philologischer Präzision mangelt. Der nächste Schritt war mit Lothar Lutzes und Alokeranjan Dasguptas deutschen Übersetzung von Gedichten aus dem Bengalischen getan. Der Lyrikband ist mit kurzen Anmerkungen versehen und bemüht sich, das Original philologisch genau und poetisch angemessen zu übersetzen. 31 Der 22 Hermann Hesse: An einen Inder, der mich bat, etwas für die Fortdauer von Tagores Ruhm zu tun. In: Antworten. St-Gallen 1958, S. 29-30. 23 Rabindranath Tagore: Kabuliwallah, O Kabuliwallah. Karlernst Ziem (Hg.). Aus dem Bengalischen von Sushanta Kumar Sinha in Zusammenarbeit mit Karlernst Ziem. Berlin 1961. 24 Rabindranath Tagore: Ausgewählte Werke: Sandkörnchen im Auge, Roman 1968; Gora, Roman 1982; Das letzte Poem, 1985; Kurzromane: Die goldene Gazelle, Kurzgeschichten, 1987. 25 Rabindranath Tagore: Gora. Roman. Aus dem Bengalischen von Gisela Leiste. München 1988. Gisela Leiste beteiligte sich mit Christiane Agricola und Gisela Petersen auch an Direktübersetzungen anderer Bände. 26 Rasiyarcithi. Bengalische Erstausgabe 1931. 27 Rabindranath Tagore: Briefe über Russland. Übers. Arnold Boetcher. Leipzig [1961]. 28 Khristha. Bengalische Erstausgabe 1959. 29 Rabindranath Tagore: Jesus, die Große Seele. Victor Mendes (Hg.). München, Zürich, Wien 1995. 30 Rabindranath Tagore: Schwingen des Todes. Übers. Aurobindo Bose/ Ilse Krämer. Bern 1961 [Gedichte aus den Jahren 1937 bis 1941]. 31 Rabindranath Thakur: Der andere Tagore. Eine Werkauswahl. Übers. Lothar Lutze/ Alokeranjan Dasgupta. Freiburg 1987. Diese Übersetzung ist enthalten in: Das goldene Boot. Lyrik, Prosa, Dramen. Martin Kämpchen (Hg.). Aus dem Bengalischen <?page no="24"?> Martin Kämpchen 24 Titel Der andere Tagore verweist auf die Absicht der Übersetzer, sich von dem „mystischen“ und „sentimentalen“ Lyriker zu distanzieren und seine realistische, existentielle, manchmal illusionslose Poesie der späteren Jahre vorzustellen. Danach begann Martin Kämpchen, Tagores Lyrik aus dem Bengalischen zu übersetzen, und zwar in einem breiten Spektrum, das außer den verschiedenen Schaffensperioden von der Frühlyrik bis zu den letzten auf dem Sterbebett geschriebenen Gedichten auch Tagores unterschiedliche Stimmungen und Schreibstile wiedergibt. Kämpchens erste vier Übersetzungsbände wurden unter dem Titel Das goldene Boot zusammengefasst, das außerdem zwei Theaterstücke, einen Kurzroman, zwei Erzählungen, Essays, Briefe und Tagores Gespräche mit Einstein enthält. Tagores 150. Geburtstag 2011 war Anlass für einen neuen Band mit bisher unübersetzter Lyrik. 32 Kämpchen hatte sich zum Ziel gesetzt, Tagore als einen Dichter der Weltliteratur bekannt zu machen. Auf dem historischen Höhepunkt seiner Popularität in Deutschland waren vier von Tagores Theaterstücken mit großem Erfolg auf die Bühne gebracht worden. Chitra wurde ab 1916, Der König der dunklen Kammer ab 1920 und Das Opfer ab 1921 aufgeführt. In den zwanziger Jahren wurden diese drei Stücke insgesamt 62 Mal gespielt. Das vierte Theaterstück Das Postamt erwies sich als das bei weitem beliebteste. Zwischen 1918 und 1929 wurde es 314 Mal in 105 Theatern gezeigt. 1921 konnte Tagore bei der Aufführung des Stücks in Berlin sogar anwesend sein. Mit dem Schwinden von Tagores Popularität nahm auch die Anzahl der Veröffentlichungen und Aufführungen ab. 33 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Das Postamt zum Hörspiel umgearbeitet und im Jubiläumsjahr 1961 dann wieder von Laiengruppen aufgeführt. In den letzten zwanzig Jahren brachten Berufsschauspieler eine Direktübersetzung 34 dieses Theaterstücks in Chur auf die Bühne. Es existiert auch eine Fassung als Puppenspiel, die im Magdeburger Städtischen Puppentheater zu sehen war. Inszenierungen anderer Stücke scheint es nach dem Krieg keine gegeben zu haben. Selbst sein 150. Geburtstag konnte Tagore als Dramatiker nicht zu neuem Leben erwecken. Gedichte und Lieder wurden sofort nach Erscheinen seiner Bücher von zahlreichen deutschsprachigen Komponisten vertont. Einige Musikstücke sind noch heute regelmäßig zu hören, so die Kompositionen von Karol von Rahul Peter Das, Alokeranjan Dasgupta, Hans Harder, Martin Kämpchen, Lothar Lutze; aus dem Englischen von Andor Orand Carius und Axel Monte. Düsseldorf 2005. Eine größere Auswahl von Gedichten befindet sich in der neuen Anthologie von Alokeranjan Dasgupta: Mein Tagore. Heidelberg 2011. 32 Rabindranath Tagore: Gedichte und Lieder. Übers. aus dem Bengalischen von Martin Kämpchen. Berlin 2011. 33 Siehe Reeta Sanatani: Rabindranath Tagore und das deutsche Theater der zwanziger Jahre: Eine Studie zur Übersetzungs- und Wirkungsgeschichte seiner Dramen in Deutschland. Frankfurt, Bern 1893, S. 66-80. 34 Rabindranath Tagore: Das Postamt. Übers. Martin Kämpchen. In: Das goldene Boot (Anm. 31), S. 251-282. <?page no="25"?> Rabindranath Tagores Rezeption in Deutschland, Österreich und der Schweiz 25 Szymanowski, der, obgleich seine Muttersprache Polnisch war, die deutsche Übersetzung von vier Tagore-Texten vertonte. Alexander Zemlinsky, führender österreichischer Komponist und Dirigent, schrieb 1922-23 die Lyrische Symphonie op. 18, die sieben Lieder von Tagore beinhaltet. 35 Zu Tagores 150. Geburtstag komponierte Bernd Franke ein Chorwerk, das sich auf die deutsche Übersetzung eines Lieds von Tagore stützt. 4. Tagores Besuch in Deutschland, Österreich und der Schweiz Rabindranath Tagore hat Deutschland, Österreich und die Schweiz jeweils dreimal besucht. Deutschland: Mai-Juni 1921, September-Oktober 1926, Juli-August 1930 Österreich: Juni 1921, Juli und Oktober 1926 Schweiz: April-Mai 1921, Juni-Juli 1926, August-September 1930. Diese Daten lassen vermuten, dass Tagore die drei Länder als eine kulturelle Einheit betrachtete 36 . Im Jahr 1921 reiste Tagore von Frankreich aus in die Schweiz und weilte zuerst in Genf, wo am 6. Mai in der Genfer Universität sein Geburtstag gefeiert wurde. Danach hielt er Vorträge in Luzern, Basel und Zürich. Tagores Begegnung mit Romain Rolland und dessen Freundeskreis in Villeneuve in der Nähe von Genf stellte den interessantesten Teil seiner Reise dar. Der zweite Besuch der Schweiz begann ebenfalls in Villeneuve und brachte ein Wiedersehen mit Rolland, bevor Tagore die Reise nach Zürich und Luzern fortsetzte. Beim dritten Besuch im Jahr 1930 fuhr Tagore nach Genf mit der Absicht, persönlich vor dem Völkerbund zu sprechen. 37 Im Mai 1921 war Deutschland auf Grund der weiten Verbreitung seiner Werke gut auf Tagores Kommen vorbereitet. Seine Rundreise erwies sich als voller Erfolg. Er sprach in überfüllten Sälen und fand bei Politikern, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Studenten und Schriftstellern ein großes Echo. Hermann von Keyserling, der in Darmstadt lebte, unterbreitete Tagore den Vorschlag, Deutschlands Intellektuelle in Darmstadt zu versammeln, um ihm auf diese Weise eine Rundreise durch das Land zu 35 Siehe Suddhaseel Sen: The Art Song and Tagore: Settings by Western Composers. In: Kathleen M. und Joseph T. O’Connell (Hg.): Rabindranath Tagore: Reclaiming a Cultural Icon. Kolkata 2009, S. 148-173. 36 Er hatte sogar schon vor 1913 einen Deutschlandbesuch vorgesehen, ebenso 1920 während seiner ersten Europareise. Auf Grund von Visaschwierigkeiten hatte die Einreise nach Deutschland dann doch nicht stattfinden können. 37 P.V. Roy Chaudhury: Tagore in Switzerland. In: Modern Review, Mai 1971, S. 366- 370. <?page no="26"?> Martin Kämpchen 26 ersparen. Tagore befürchtete aber, von Keyserling vereinnahmt zu werden und lehnte deshalb ab. Nach dem Besuch in der Schweiz legte er nur einen kurzen Halt in Darmstadt ein. Von dort aus fuhr er weiter nach Hamburg und verbrachte einige Tage in der Gesellschaft von Helene Meyer-Franck und deren Mann. Tagore besuchte anschließend kurz Dänemark und Schweden zur offiziellen Nobelpreisverleihung. Danach kehrte er nach Deutschland zurück und machte Station in Berlin, München und Darmstadt. In Berlin hielt er einen Vortrag an der Humboldt-Universität, den er auf Verlangen des Publikums wiederholen musste. Die Polizei hatte die Proteste der Studenten zu bewältigen, die keinen Platz in dem überfüllten Hörsaal gefunden hatten. Schließlich war es Hermann von Keyserling doch gelungen, den Dichter zu überzeugen, eine Woche in Darmstadt zu verbringen. Zwischen dem 9. und 14. Juni hielt Tagore im Palais des Großherzogs Ernst Ludwig täglich mehrere Vorträge, die von Keyserling übersetzt wurden. Auf einem Waldhügel außerhalb der Stadt sprach er vor einer begeisterten Zuhörerschaft, die er zum Singen deutscher Volkslieder bewegte. Auf den zeitgenössischen Fotografien ist Tagore von Kindern umringt zu sehen, die ihn mit Blumensträußen empfangen. Diese sorgfältig orchestrierten Veranstaltungen mystifizierten Tagore zum Weisen und großen Reformpädagogen des Volkes, als der er heute noch in Deutschland wahrgenommen wird. 38 Bedeutende Wissenschaftler und Schriftsteller wohnten der „Tagore- Woche“ in Darmstadt bei. Keyserling lud auch Thomas Mann zu dieser Veranstaltung ein und äußerte die Bitte, einen werbenden Aufsatz über Tagore zu verfassen. Mann lehnte ab. Aus seiner Antwort an Keyserling ist eine ganz anders klingende deutsche Stimme herauszuhören. Thomas Mann, ein Meister der Ironie, schrieb: „Lieber und verehrter Graf Keyserling, herzlich danke ich für Ihren Brief, der etwas so Hinreißendes hat, daß nicht viel fehlte und ich hätte sofort aufgepackt, um nach Darmstadt zu fahren, was freilich leichter gethan wäre, als einen Artikel und noch dazu einen werbenden, aufrufenden Artikel über den berühmten Inder zu verfassen, zu dem ich, ob Sie es glauben oder nicht, bis heute gar kein oder kaum ein Verhältnis habe. Ich kenne einzelne, sehr seelenvolle Gedichte von ihm, die aber, da ich sie auf deutsch las, wie alle übersetzte Lyrik, doch keine recht unmittelbare Wirkung auf mich ausübten. Das Bild, das ich mir immer von ihm machte, ist malerisch, aber blaß, und gewiß that ich unrecht, von dieser subjektiven Blässe seines Bildes auf eine objektiv vorhandene zu schließen und mir den Mann und Dichter allzu pazifistisch-indisch vorzustellen, beseelt von einer etwas anämischen Humanität und prinzipiellen Milde, die ich in den Jahren, als mein Gefühl in hartem Kampf verstrickt war, fast als 38 Für einen ausführlichen Bericht über die „Tagore-Woche“, s. Martin Kämpchen: Rabindranath Tagore in Germany (Anm. 11), S. 46-57. <?page no="27"?> Rabindranath Tagores Rezeption in Deutschland, Österreich und der Schweiz 27 feindselig empfand. Der Mann ist sicher ganz anders. Da er auf Sie gewirkt hat, wie es aus Ihrem Briefe hervorgeht, muß er groß sein. Aber da Sie es sind, der unter seinem persönlichen Eindruck steht, - wie können Sie nur irgend jemand anders, z.B. mich, für den richtigen Mann halten, den Aufruf zur Darmstädter Tagore-Woche zu schreiben? Das müssen Sie selber thun! Mit der schönen und unmittelbaren Begeisterung Ihres Briefes müssen Sie es thun, dann wird es ganz anders wirken, als wenn ich mir, ohne inneren Antrieb und nur, weil es mir schwer wird, Ihnen etwas abzuschlagen, irgend ein mittelmäßiges Artikelchen abgewänne, zu dem es mir thatsächlich an geistigem Stoff, an Kenntnis der Persönlichkeit und folglich an Liebe zu ihr gebricht.“ 39 Thomas Mann stand Tagore von Angesicht zu Angesicht in München gegenüber, als er, recht unwillig, einer Einladung zu einem Vortrag und Empfang gefolgt war. Mann vermied jedoch ein Gespräch mit Tagore, indem er es seiner Frau überließ, sich mit Tagore auf Englisch zu unterhalten. Dieser Vorfall hat sowohl einen anekdotischen als auch einen peinlichen Charakter. 40 Dafür stellten sich andere Intellektuelle in Darmstadt ein, unter ihnen der Philosoph Paul Natorp, der Religionsphilosoph Martin Buber, der Theologe Rudolf Otto, der Kulturphilosoph Leopold Ziegler, die Schriftstellerin Helene von Nostitz und Tagores Verleger Kurt Wolff, der Indologe Heinrich Jacobi und der Sinologe Richard Wilhelm. Abgesehen von den zwei Letztgenannten pflegte keiner von ihnen persönliche oder akademische Verbindungen zu Indien oder zum indischen Gedankengut, obwohl alle ein ausgeprägtes Interesse an Tagore zum Ausdruck brachten. Während Tagores Persönlichkeit in ihrer Würde und Schlichtheit einen tiefen Eindruck hinterließ, bedauerten manche, dass das exotische und romantische Erscheinungsbild, das unwillkürlich mit Tagore verknüpft wurde, von seiner Umgebung ausgebeutet und von den Medien für Sensationszwecke missbraucht werde. Auf dieser Deutschlandreise hielt Tagore in fast allen Städten den Vortrag The Message of the Forest. Er behandelte ausführlich das Bildungsideal, das er in Santiniketan mit der Gründung der Visva-Bharati-Universität verwirklichen wollte. Überall, wo sich die Möglichkeit ergab, bat Tagore um Buchspenden für die geplante Bibliothek. 1926 war das glühende Interesse an Tagore deutlich abgekühlt. Deutschland war auf dem Wege, die Inflation zu überwinden. Nach 1925 konnten keine neuen Bücher gedruckt werden. Die Umsatz- und Verkaufszahlen von Tagores Werken waren Opfer der Inflation geworden. Die Resonanz im Publikum wurde schwächer. Dennoch dehnte Tagore sein Besuchs- und Vortragsprogramm auf weitere Städte aus. Er war von 39 Thomas Mann: Briefe 1889-1936. Erika Mann (Hg.). Frankfurt 1961, S. 188f. 40 Für weitere Einzelheiten s. Martin Kämpchen (Hg.): Rabindranath Tagore and Germany: A Documentation. Calcutta 1991, S. 32-36. <?page no="28"?> Martin Kämpchen 28 neuem in Hamburg, Berlin und München und machte Halt in Nürnberg, Stuttgart, Köln, Düsseldorf und Dresden, bevor er nach Berlin zurückkehrte und nach Prag weiterfuhr. Sein Besuch im Jahre 1930 unterschied sich insofern von seinen früheren Aufenthalten, als Tagore nun nicht nur als Dichter, sondern auch als Maler Europa besuchte. Nach einem Aufenthalt in England begab er sich zuerst nach Berlin, wo am 16. Juli die erste Ausstellung in der Galerie Ferdinand Möller eröffnet wurde. Danach war sein bildnerisches Werk im Kunstmuseum in Dresden und in der Galerie Caspari in München zu sehen. Die Rezeption seiner Bilder bewies, wie ernsthaft sich der deutsche Betrachter mit Tagores ungewöhnlichem Stil auseinandersetzte. Der bekannte Kunsthistoriker Heinrich Lützeler schrieb: „Was mich bei Tagores Gemälden überraschte, war die enge Verbindung zu Europa im Gegensatz zu seinem literarischen Werk, das ganz und gar in der indischen Tradition wurzelt. Die Form, besonders die Farben und Linien, aber auch die Themen seiner Bilder sind stark vom Symbolismus und Jugendstil beeinflusst.“ 41 Tagore selbst stritt jeglichen direkten, europäischen Einfluss auf seine Malerei ab, was die Kunstkritiker nicht daran hinderte, Vergleiche mit Edvard Munch, Emil Nolde und Paul Klee zu ziehen. 42 Während dieses zweiten Deutschlandaufenthalts zeigte Tagore ein besonderes Interesse an der deutschen Jugendbewegung und besuchte mindest zwei ihrer Zentren, die Burg Hohnstein in der Nähe von Dresden und die Burg Waldeck der Nerother Wandervögel, eine populäre Jugendgruppe im Rheintal in der Nähe von Koblenz. Mitglieder dieser Gruppe hatten bereits im Januar 1929 Santiniketan besucht. Von ihrem Theaterspiel beeindruckt, hatte Tagore ihnen einen Besuch während seiner geplanten Deutschlandreise versprochen und Wort gehalten. Ein Höhepunkt der Reise mit nachhaltiger Wirkung war sein Aufenthalt in der Odenwaldschule in der Nähe von Heidelberg und die Begegnung mit deren Gründer, dem bekannten Pädagogen Paul Geheeb (1870-1961) und dessen Frau Edith. Tagore war der Bitte eines ehemaligen Schülers in Santiniketan, Aurobindo (Mohan) Bose, eines Gastes an der Odenwaldschule, gefolgt. Der Erfahrungsaustausch brachte viele Gemeinsamkeiten zwischen Geheebs und Tagores eigenen pädagogischen Vorstellungen zu Tage. Ihr gemeinsames Ziel war, den Schülern die Freiheit zu lassen, ihre Schulfächer selbst zu wählen. Neben den klassischen Wissensgebieten wurden hier wie dort handwerklich-praktische Aktivitäten und spontane Lernprozesse in den Lehrplan aufgenommen. Tagore und Geheeb pflegten 41 Heinrich Luetzeler: Tagore’s Painting. In: World Window, vol. 2, n° 1 (May) 1962, p. 10. 42 Siehe Martin Kämpchen: Rabindranath Tagore’s Painting in Germany. In: R. Siva Kumar (Hg.): The Last Harvest. Paintings of Rabindranath Tagore. Ahmedabad 2011, S. 30-33. <?page no="29"?> Rabindranath Tagores Rezeption in Deutschland, Österreich und der Schweiz 29 eine jahrzehntelange Beziehung. Um der nationalsozialistischen Verfol gung zu entgehen, emigrierten die Geheebs 1934 in die Schweiz, und gründeten dort die Schule als Ecole d’Humanité neu. Von dort erhielt Paul Geheeb seine Verbindungen zu Santiniketan aufrecht. Aurobindo Bose lebte bis zu seinem Tode (1977) in dieser Schule, übersetzte Tagore ins Englische und Deutsche und wurde mit Vorträgen und Artikeln auf gewisse Weise Tagores Botschafter in Europa. Im Jahr 1933 fand Tagores letzter Deutschlandbesuch statt. Außer in den schon erwähnten Städten hielt er auch Vorträge in Frankfurt und Marburg und wohnte den berühmten Oberammergauer Passionsspielen bei, die ihn tief berührten. Tagores drei Besuche in Österreich beschränkten sich auf Wien, wo er von der Universität eingeladen worden war und er unter anderem auch Sigmund Freud traf. Auf der Durchreise hatte er 1921 in Salzburg Gelegenheit zu einem kurzen Gespräch mit Stefan Zweig, der mit anderen paneuropäischen Intellektuellen, vor allem mit Romain Rolland und Hermann Hesse in Verbindung stand. Zweig war von seiner Begegnung mit Tagore begeistert und berichtete Kurt Wolff von dem „großen, starken Eindruck dieser großen Persönlichkeit“ 43 . 5. Populäres und wissenschaftliches Interesse seit 1921 Die allgemeine Reaktion auf Tagores Besuche in Deutschland, Österreich und der Schweiz war von einer Begeisterung geprägt, die an Anbetung grenzte. Die Zeitungen waren voll von Berichten über jeden seiner Schritte. Mit Vorliebe wurden Interviews und Auszüge aus seinen zahlreichen Vorträgen und Ansprachen, sowie Denkschriften und persönliche Gespräche abgedruckt. Es gab kaum eine Zeitung ohne Fotografien von Tagores ehrwürdiger Erscheinung. Natürlich waren auch ablehnende Stellungnahmen zu hören. Darauf reagierte Zweig zum Beispiel, indem er sein Bedauern über die „Geheimratswitze“ und die Herablassung, mit der Tagore behandelt wurde, bekundete. Die plötzliche Vergötterung eines Dichters aus der Fremde rief bei einem Teil der deutschen Leserschaft Minderwertigkeits- und Neidgefühle hervor. So schrieb eine Zeitung, dass man zwar nicht das bedeutende Werk des indischen Dichters und Schriftstellers herabsetzen solle, dass es aber auch in Deutschland Dichter gebe, die dieselbe Verehrung wie Tagore verdienten. 44 Ein ähnliches Ressentiment war auch bei christlichen Gemeinden zu spüren, die fürchteten, Tagore wolle seine Zuhörer zum Hinduismus bekehren. In ihrem Bestreben, das Fremde und Bedrohliche verständlich zu 43 Kurt Wolff: Briefwechsel eines Verlegers (Anm. 10), S. 413. 44 Siehe Johannes Schrapel: Nachrichten [Titel und Datum unleserlich] (Archiv Rabindra-Bhavan). <?page no="30"?> Martin Kämpchen 30 machen und es somit zu vereinnahmen, behaupteten manche Zeitungen, dass es sich bei Tagores Philosophie um nichts anderes als um die elementaren, schlichten Grundideen der christlichen Weltsicht 45 handele. Während die meisten Berichterstatter über sein wallendes Haar, seine langen Gewänder und sein ehrwürdiges Auftreten in Verzückung gerieten, hielten es andere für eine „Pose“. Ein Schwall von sarkastischen Äußerungen ergoss sich über den „menschlichen Wanderzirkus der Moral“. 46 In der Presse kursierten Begriffe wie „Tagore-Mache“ 47 und „Tagore-Rummel“ 48 . Tagores Wunsch, Ost und West zusammenzuführen, der ihn besonders auf seiner Europarundreise 1920-21 beschäftigte, wurde von allen bejaht, die Trost in seiner Lyrik, in seiner Philosophie und in seiner charismatischen, Frieden und Harmonie ausstrahlenden Persönlichkeit fanden. Dieses Publikum bildete gewiss die Mehrheit. Aber Tagores Versöhnungswünsche stießen auch auf Ablehnung. Man war der Meinung, dass er einem unterdrückten Volk wie den Deutschen nicht Liebe predigen dürfe, sondern sich selbst an die Unterdrücker wenden müsse, nämlich an die Siegernationen des Ersten Weltkriegs. Sie sprachen dem, der nicht dasselbe wie sie gelitten hatte, das Recht ab, sich über heroisches Leiden zu äußern. Andere warfen Tagore vor, eine „Ost-West-Annäherung“ zu vertei digen, ohne eigentliche Kenntnis des Westens in seiner schicksalsschweren Realität. Er könne kein Erlöser sein, sondern nur ein ‚eigenartiger Fremder’ für die Massen. 49 Journalisten, die einen solchen Standpunkt vertraten, betrachteten Ost und West als unversöhnliche Gegensätze. Orientalische Milde und Passivität könnten den Deutschen und Österreichern beim Wiederaufbau ihrer Nation nach dem Krieg nicht weiterhelfen, beide Völker müssten sich im Gegenteil auf das europäische Ideal des „Dynamischen“, auf „Bewegung“ statt „Ruhe“ 50 verlassen. Kaum waren die Übersetzungen von Tagore verfügbar, war auch das wissenschaftliche Interesse der Schriftsteller und Gelehrten an seinem Gesamtwerk erwacht. Allerdings erwies es sich bald als bedeutender 45 Siehe E. Weber: Rabindranath Tagore. In: Neues Volksblatt. Wien, 9.6.1921 (Archiv Rabindra-Bhavan). 46 Anton Kuh: Rabindranath usw. Bekenntnisse eines Nicht-Lesers. In: Der Morgen am Montag. Wien, 20.6.1921 (Rabindra-Bhavan Archiv). 47 E.K. Fischer: Tagore und wir. Ein Schlusswort zur „Tagore-Mache“. In: Allgemeine Zeitung. Chemnitz, 3. 7. 1921. 48 Siehe zum Beispiel den Aufsatz: Der Tagore-Rummel. In: Die Rote Fahne, 19. Juni 1921. Der Begriff kam oft vor und wurde auch in Memoiren benutzt, etwa von Ludwig Prinz von Hessen: Gruß an Indien. In: Indien und Deutschland. H.O. Günther (Hg.). Frankfurt a.M. 1956, S. 8. Dort schreibt er: „Der ganze Rummel um Tagore ist ein echtes Zeichen für eine geistige Hilflosigkeit ...“. 49 Fischer: Tagore und wir (Anm. 47). 50 Paul Hatvani: Bewegung und Ruhe [Name der Zeitung unleserlich], Wien, 21.6.1921 (Rabindra-Bhavan Archiv). <?page no="31"?> Rabindranath Tagores Rezeption in Deutschland, Österreich und der Schweiz 31 Nachteil, dass kein deutschsprachiger Wissenschaftler Zugang zum bengalischen Original hatte. Eine Mehrheit der Leser konnte sich von den erheblichen Abweichungen zwischen den englischen Übersetzungen und den bengalischen Ursprungstexten keinen Begriff machen. Deshalb erreichte die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Tagore bald einen toten Punkt. Die erste Biografie des Deutschen Paul Cremer fand bereits Erwähnung. Eine fundiertere Darstellung, die auf Informationen von Tagores Mitarbeitern beruht, wurde von Heinrich Meyer-Benfey 51 verfasst. 52 Eine detaillierte Untersuchung zu Tagores Schaffen mit zahlreichen Zitaten, einer kurzen Biografie und einem längeren Kapitel über seine Religion und Weltanschauung wurde von Emil Engelhardt 53 , einem seiner Übersetzer, veröffentlicht. Ein höheres wissenschaftliches Niveau erreicht der kleine Band Stunden mit Rabindranath Thakkur 54 von Paul Natorp, in dem er seine Begegnung mit dem Dichter in Darmstadt während der Tagore-Woche beschreibt. Wie viele andere Wissenschaftler bewunderte Natorp Tagores Persönlichkeit und deren Wirkung in der westlichen Welt, die ihm wichtiger als alles andere war: „Er will keine Bekehrung des Westens zur Religion oder Kultur des Ostens, so wenig wie umgekehrt. Sondern er will, dass Ost und West sich die Hand reichen, um gemeinsam aus dem zuletzt gemeinsamen Elend die in schwerste Gefahr verstrickte Menschheit zu retten.“ 55 Nennenswert unter den akademischen Arbeiten angesehener Wissen schaftler ist der anregende Essay über Tagores Religion und Welt anschauung von Moriz Winternitz, einem deutschen Indologen (1863- 1937) aus Prag 56 , der ein Jahr in Santiniketan an der neugegründeten Visva- Bharati-Universität (1922-23) verbrachte und den eine lebenslange Freundschaft mit dem Dichter verband. Beachtenswert ist ebenfalls die kritische Abhandlung Rabindranath through Western Eyes 57 des deutsch-jüdischen Gelehrten Alex Aronson (1912-1995) aus Breslau. Sein Buch enthält die erste Stellungnahme zur westlichen, besonders der deutschen Rezeption von Tagore. Aronson fand in Santiniketan Zuflucht vor den Nazis (1937- 1944). Er wirkte in Santiniketan als Englisch-Lektor, machte sich besonders um den Aufbau des Tagore-Archivs verdient und schrieb ausführlich über 51 Heinrich Meyer-Benfey (1869-1945) war Dozent für deutsche Literatur an der Hamburger Universität. 52 Heinrich Meyer-Benfey: Rabindranath Tagore. Berlin 1921. 53 Siehe Emil Engelhardt: Rabindranath Tagore als Mensch, Dichter und Denker. Eine Lebensdarstellung mit einer Auswahl aus den Dichtungen und Bekenntnissen als Einführung in sein Werk. Berlin 1921. Vgl. infra Catherine Repussard: L’Allemagne et l’Inde : jeux et enjeux d’une rencontre. Rabindranath Tagore als Mensch, Dichter und Philosoph d’Emil Engelhardt. 54 Paul Natorp: Stunden mit Rabindranath Thakkur. Jena 1921. 55 Ibid., S. 24. 56 Moriz Winternitz: Rabindranath Tagore. Religion und Weltanschauung des Dichters. Prag 1936. 57 Alex Aronson: Rabindranath through Western Eyes. Allabahad 1943. <?page no="32"?> Martin Kämpchen 32 Tagore in englischsprachigen Zeitschriften. Die letzten zwei Jahre seines Aufenthalts auf dem indischen Subkontinent verbrachte Aronson an der Universität von Dhaka, bevor er nach Israel auswanderte. Als Universitätsprofessor in Tel Aviv und Haifa hielt er bis zu seinem Tod seine Kontakte mit Santiniketan aufrecht. Die dreibändige Biografie zeugt von seiner dauerhaften Bewunderung, die er Tagore und Santiniketan zuteil werden ließ. 58 Zu den ersten Wissenschaftlerinnen, die Tagore als Maler schätzten, gehört die österreichisch-slowakische Kunsthistorikerin Stella Kramrisch. Sie kam Ende 1921 nach Santiniketan und lehrte dort ungefähr zwei Jahre lang Kunstgeschichte, danach wirkte sie bis 1950 als Professorin für indische Kunst an der Universität von Kalkutta. Sie schrieb über die verschiedenen Künstler der Tagore-Familie, insbesondere über Rabindranath, mit dem sie in enger Verbindung stand. Albert Schweitzer (1875-1965) widmete das letzte Kapitel seines Werks Die Weltanschauung der indischen Denker. Mystik und Ethik 59 Tagores Philosophie der Welt- und Lebensbejahung und stellte sie der langen indischen Tradition der Welt- und Lebensverneinung gegenüber. Der bekannte österreichische Indologe Heinrich Zimmer versuchte in einem Aufsatz, einen Vergleich zwischen der Handlung des Spiels Der König der dunklen Kammer und frühen Hindu-Mythen zu ziehen. 60 Hermann von Keyserling hat sich in vielen seiner Schriften auf Tagore berufen, aber keine zusammenhängende Studie über dessen Philosophie verfasst, weil er sich von Tagores Persönlichkeit tiefer als von dessen Büchern beeindruckt zeigte. Seine Äußerungen über Tagore ähneln eher Huldigungen als wissenschaftlichen Studien. Außer Helene Meyer-Franck hat er die umfangreichste Korrespondenz mit Tagore geführt. Mit einer Ausnahme sind leider alle Briefe von Tagore an Keyserling im Zweiten Weltkrieg verloren gegangen. Unter den prominenten deutschsprachigen Schriftstellern haben nur Stefan Zweig und Thomas Mann Rabindranath Tagore persönlich kennen gelernt. Wie schon erwähnt, war Zweig von der Begegnung mit Tagore begeistert. Er schrieb einen langen Essay über Tagores Weltanschauung in Form eines imaginären Dialogs zwischen einem älteren und jüngeren Schriftsteller. Darin gelingt es dem älteren Schriftsteller zuletzt, den jüngeren Kollegen von Tagores Werten zu überzeugen. 61 58 Alex Aronson: Brief Chronicles of the Time. Calcutta 1990; Alex Aronson: The Seeds of Time. Calcutta 1994; Alex Aronson: For the Time Being. Calcutta 1995. 59 Albert Schweitzer: Die Weltanschauung der indischen Denker. Mystik und Ethik. München 1965 [1. Aufl. 1935]. 60 Heinrich Zimmer: Der König der dunklen Kammer. In drei Verwandlungen vom Rgveda bis Tagore. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, N.F. 8, 1929, 3-4, S. 188-212. 61 Stefan Zweig: Rabindranath Tagores „Sadhana”. In: Das literarische Echo 1. Oktober 1921. - Vgl. infra Rolf-Peter Janz: Stefan Zweig und Alexander Zemlinsky lesen <?page no="33"?> Rabindranath Tagores Rezeption in Deutschland, Österreich und der Schweiz 33 Unter den Schriftstellern dieser Zeit stand Hermann Hesse Tagores Weltanschauung am nächsten. Da Hesse damals aber zurückgezogen im Tessin lebte, hat eine Begegnung mit dem indischen Dichter nie stattgefunden. Er verfasste dennoch drei kritische Buchbesprechungen über Gitanjali, Der Gärtner und Das Heim und die Welt. 62 Außer Winternitz und Aronson teilten zwei weitere bekannte deutschsprachige Gelehrte eine gewisse Zeit ihres Lebens mit Tagore in Santiniketan. Der buddhistische Mönch Brahmachari Govinda (1898-1985), ein gebürtiger Deutscher, der buddhistische und europäische Philosophie, Architektur und Französisch lehrte, hatte Tagore wahrscheinlich 1931 in Darjeeling kennen gelernt und wohnte bis 1935-36 bei ihm in Santiniketan. Dort lernte er seine zukünftige Frau kennen, die parsische Künstlerin Rati Petit, die unter dem Namen Li Gotami buddhistische Nonne wurde. Govinda begleitete Tagore 1934 nach Ceylon, heute Sri Lanka. Als Lama Anagarika Govinda gründete er einen neobuddhistischen Mönchsorden und wurde Autor von zahlreichen bekannten Schriften über den Buddhismus. In dieser Liste nimmt Albert Einstein (1879-1955) einen besonderen und bedeutenden Platz ein. Einstein und Tagore trafen sich 1926 und 1930 in Berlin und noch einmal Ende 1930 in New York. Aus dem Jahr 1930 wurden zwei Gespräche zwischen Tagore und Einstein aufgezeichnet, in denen ihre Vorstellungen von Philosophie, Religion und Musik und zum Teil ihre durchaus gegensätzlichen metaphysischen Positionen deutlich zum Ausdruck kamen. 63 Diese Begegnungen hatten und haben immer noch Kult- und Symbolwert, weniger aufgrund der inhaltlichen Bedeutung dieser Gespräche, sondern eher, weil hier zwei eminente Vertreter aus Ost und West ihre Anschauungen austauschten. Obwohl es Zufall war, dass ein Dichter und Theologe den Osten vertrat und ein Physiker und Naturwissenschaftler den Westen, gewannen diese Begegnungen paradigmatischen Charakter, als sei der Osten für Dichtung und Religion, der Westen aber für die Wissenschaft zuständig, und erzielten weitreichende Wirkung. Die in Berlin aufgenommenen Fotografien von Tagore in Gesellschaft von Einstein gehören zu den bekanntesten. Ein vergleichbares Einvernehmen hat Tagore nur mit sehr wenigen Menschen aus dem Westen erlebt, darunter wahrscheinlich mit William Rothenstein, aber sonst gewiss mit keiner anderen deutschsprachigen Persönlichkeit. Rabindranath Tagore. Auch der junge Bertolt Brecht schrieb eine verehrende Kritik über das Buch Der Gärtner. 62 Hermann Hesse : Sämtliche Werke, Bd. 17. Frankfurt a.M. 2002, S. 326 und 348; Bd. 18, S. 191. - Vgl. infra Elisabeth Foïs: Affinités poétiques entre Hermann Hesse et Rabindranath Tagore. 63 Diese Gespräche wurden neu veröffentlicht von The Kenyon Review & Stand Magazine, 13 (2001), 2, S. 1-33. Eine deutsche Übersetzung mit Kommentar von Andor Oran Carius befindet sich in: Das goldene Boot (Anm. 31), S. 517-540. <?page no="34"?> Martin Kämpchen 34 6. Aktueller Stand der Forschung und Perspektiven Rabindranath Tagores 150. Geburtstag weckte in Deutschland ein erneutes Interesse an dem Dichter. Alte Übersetzungen wurden neu aufgelegt und mehrere neue Übersetzungen kamen heraus. Die einzige deutsche Tagore- Biografie erschien in der 4. Auflage 64 , eine aktuelle Untersuchung über Tagores Bedeutung für Deutschland von Bernd-Peter Lange 65 und verschiedene Essays oder Anthologien wurden veröffentlicht. Über Veranstaltungen in Österreich und in der Schweiz fehlt es an Informationen. Doch in zahlreichen deutschen Städten fanden Seminare, Lesungen von Tagores Lyrik und Vorträge statt. 66 Den Höhepunkt des Jubiläumsprogramms bildete die Tagore-Gemäldeausstellung in Berlin The Last Harvest, das Ergebnis einer Zusammenarbeit der indischen Regierung mit dem Museum für Asiatische Kunst. Nachwirkungen der zahlreichen Tagore-Veranstaltungen auf ein breiteres Publikum werden erst nach einer gewissen Zeit zu spüren sein. Die Herausforderung für eine kleine Gruppe deutschsprachiger Tagore- Forscher besteht darin, das Interesse der jungen Generation für anspruchsvolle Weltliteratur zu wecken. Die ältere Generation erinnert sich an die Erzählungen ihrer Eltern oder Großeltern über Tagore, bewahrt die alten Übersetzungen des Kurt Wolff Verlags liebevoll auf und hält an dem Bild des Mystikers und Weisen aus der Fremde fest. Der jüngeren Generation steht ein stets wachsendes Korpus neuer und genauerer Übersetzungen aus dem Bengalischen zur Verfügung, der ihr den Zugang zum Tagore-Universum erleichtern dürfte. Somit wäre die Voraussetzung geschaffen, dass Tagore nicht nur von Indien-Begeisterten, sondern auch von Liebhabern anspruchsvoller Literatur, unabhängig von der Ausgangssprache, gelesen wird. Aus heutiger Sicht fehlt es noch an Untersuchungen, die Tagores Schriften, seine Ideen und seine Philosophie in Beziehung zu aktuellen Problemstellungen, etwa aus dem Bereich der Umweltforschung, der Theologie oder der Pädagogik, setzen. Solche Überlegungen sind über das Anfangsstadium noch nicht hinausgekommen. Sind diese Bedingungen erst einmal erfüllt, so ist absehbar, dass Tagore auch bei einem größeren Publikum Gehör finden und Anlass zu inspirierten und zukunftsweisenden Auseinandersetzungen bieten wird. Das moderne Theater, der Tanz und die Oper in Deutschland haben von Tagore bisher kaum Notiz genommen. Eine Ausnahme bildet eine Reihe seiner Tonschöpfungen, die 64 Martin Kämpchen: Rabindranath Tagore. Reinbek 4 2011. 65 Bernd-Peter Lange: A Classic Eclipsed: Tagore in the West. Rahul Peter Das (Hg.): Südasienwissenschaftliche Arbeitsblätter Bd. 11. Halle 2011. 66 Die wichtigsten Initiatoren waren die indische und bangladeshi Diaspora-Gemeinde, die Deutsch-Indische Gesellschaft, mehrere Universitäten, sowie der Draupadi Verlag in Heidelberg. Eine pharmazeutische Firma aus Darmstadt rief einen neuen Literaturpreis, den Merck-Tagore-Preis, ins Leben. <?page no="35"?> Rabindranath Tagores Rezeption in Deutschland, Österreich und der Schweiz 35 im Rahmen von Jazz, Popmusik und experimenteller Musik aufgegriffen wurden. In all diesen Räumen des öffentlichen Lebens sollte Tagores Kunst und Kreativität verstärkt zur Wirkung kommen. Bibliographie Aronson, Alex: Rabindranath through Western Eyes. Allahabad 1943. Kämpchen, Martin (Hg.): Rabindranath Tagore and Germany: A Documentation. Calcutta 1991. — Rabindranath Tagore and Germany: A Bibliography. Santiniketan 1997. — Rabindranath Tagore in Germany: Four Responses to a Cultural Icon. Shimla 1999. — Rabindranath Tagore. Reinbek 4 2011. Lange, Bernd-Peter: A Classic Eclipsed: Tagore in the West. Rahul Peter Das (Hg.): Südasienwissenschaftliche Arbeitsblätter Bd. 11. Halle 2011. Panesar, Rita: Der Hunger nach dem Heiland. Das Bild des indischen Dichters und Philosophen Rabindranath Tagore in Deutschland während der Weimarer Zeit. Hamburg (masch.) 1997. Sanatani, Reeta: Rabindranath Tagore und das deutsche Theater der zwanziger Jahre: Eine Studie zur Übersetzungs- und Wirkungsgeschichte seiner Dramen in Deutschland. Frankfurt, Bern 1983. <?page no="37"?> Fabien Chartier Visites de Tagore en France (1920-1921) : Mystification d’un penseur populaire au service d’une élite Pour montrer que Tagore a eu sur la France un impact profond aux niveaux spirituel, sociologique et culturel, la tentation est grande de centrer son attention sur ses nombreuses entrevues avec de grands écrivains français et sur la façon dont ceux-ci ont réagi à sa personne, ses actes, ses écrits, voire ses peintures dont il affirmait à la fin de sa vie, à tort ou à raison, qu’elles étaient ce que les Occidentaux garderaient de lui. Si analyser ces rencontres aide à appréhender la personnalité de Tagore et de ses interlocuteurs, pareille focalisation présente un inconvénient similaire à ce que l’hagiographie a de pire à offrir : une partialité dans le traitement des données conduisant à des conclusions excessives. Si, en France, les rares biographies et commémorations ont par le panégyrique converti un poète d’exception en un mage et un saint, un second écueil a longtemps survécu, celui de délaisser des faits et écrits pourtant significatifs au prétexte que leurs auteurs étaient plus ordinaires que des célébrités s’étant exprimé sur lui. A trop tirer la couverture vers les notoriétés au détriment des lecteurs, correspondants et visiteurs anonymes est survenue une altération de ce que Tagore représentait ou évoquait de son vivant et par delà la mort dans la conscience et l’inconscient collectifs français. Nousmêmes avons ailleurs succombé à ce péché de gourmandise en commentant dans le menu les rencontres et correspondances majeures avec Alexandra David-Néel, Saint-John Perse, André Gide, Romain Rolland, Paul Valéry ou Anna de Noailles, pour citer les poètes et écrivains les plus renommés, leur octroyant une place démesurée dans la vie de Tagore. Pour pallier cette injustice endémique faite aux lecteurs de l’ombre qui parfois virent en Tagore un « pèlerin de la lumière » 1 nous procéderons à l’inverse même s’il est vraisemblable, voire établi, que ces rencontres majeures eurent des répercussions notables et durables sur ces personnalités et audelà d’elles-mêmes, attendu les idéaux qu’elles véhiculent - on pense en particulier à la portée positive de l’amitié Tagore-Rolland lors de la triste parenthèse mussolinienne. Nous privilégierons des témoignages ignorés ou méconnus qui établissent que l’influence du poète bengali sur la population française a été plus marquée, large et variée qu’il y paraît en 1 Tel est le titre de la biographie française la plus publiée, aujourd’hui retirée du marché (Sylvie Liné : Tagore, Pèlerin de la lumière. Paris 1987). <?page no="38"?> Fabien Chartier 38 2013. Nous verrons qu’en France, sa notoriété a sensiblement été aussi considérable quels que soient le genre, l’âge, la localisation, l’appartenance sociale, religieuse ou politique, et que l’agitation populaire autour de sa personne, inédite pour un écrivain asiatique, bien que moins phénoménale qu’en Allemagne, s’est apaisée aussi de façon brutale et homogène. Ce constat soulève une question à laquelle nous tenterons de répondre : l’image que projetait Tagore et les messages qu’il adressait étaient-ils interprétés à l’identique par l’élite et le peuple de France, l’intellectuel et l’ouvrier, le citadin et le rural ? En présentant Tagore dès sa nobélisation en mystique super star plutôt qu’en penseur social, réformateur éducatif ou intellectuel investi dans les préoccupations de son siècle et de son peuple, la presse et le monde littéraire français n’ont-ils pas limité la vigueur et l’ampleur de ses paroles et compromis à terme la pérennité de son impact et de sa popularité ? En le désignant comme saint plutôt qu’en homme à part entière, certes aux talents variés et aux qualités manifestes, mais aussi bourré de défauts et de paradoxes, n’a-t-on pas condamné à un vieillissement prématuré celui que Gandhi nommait la Grande Sentinelle car posté en avance sur son temps et à l’avant-garde de la nation, brandissant l’étendard de la liberté, de la démocratie et de valeurs fondatrices de l’Inde moderne. Concision oblige, plutôt que d’examiner cent ans de représentations, réactions et analyses, nous apprécierons la période 1920-1921, située à l’entame d’une période d’entre-deux-guerres déterminante tant pour la France en termes de réflexion sur les mutations sociales et sociétales à entreprendre, que pour la population indienne au lendemain du Massacre d’Amritsar et de la naissance politique de Gandhi, puisqu’elle cheminait vers la désobéissance civile, la décolonisation et l’indépendance. La visite que Tagore rendit à la France d’août à octobre 1920 succédait à un séjour déprimant en Angleterre, en remplaçait un autre prévu en Suède et précédait une ambitieuse tournée étatsunienne. Le poète n’attendait rien de la France, pays meurtri par la guerre, dont il ignorait la langue et où il avait peu de contacts. Pourtant, il y fit des rencontres qui modifièrent en espoir la consternation ramenée de Londres : « Depuis son départ d’Inde », écrivit son fils, « c’est la première fois qu’il se sent vraiment heureux et chez lui » 2 . Profitant du temps clément, Tagore séjourna surtout dans la calme, apaisante et spacieuse propriété d’Albert Kahn à Boulogne sur Seine où le banquier et mécène invitait artistes, jeunes chercheurs, voyageurs et membres de l’association Autour du Monde à discuter civilisations étrangères. A Paris naissait alors un mouvement en faveur d’une meilleure collaboration Est-Ouest, l’Association Française des Amis de l’Orient dont Tagore apprécia de rencontrer plusieurs membres, même si la fréquence de 2 Rathindranath Tagore : In Visva Bharati News. Santiniketan août 1934. <?page no="39"?> Visites de Tagore en France 39 ces rendez-vous limitait sa production poétique 3 . Ils lui donnèrent la confiance nécessaire pour relancer sa double quête : idéologique, car promouvant l’humanisme universel, et financière, puisque visant à lever des fonds pour créer l’Université internationale de Santiniketan. Déterminé à concrétiser son idéal pédagogique au point d’y avoir englouti une part de sa fortune personnelle, le poète cherchait à convaincre d’éventuels bienfaiteurs occidentaux. Ainsi, opulence et mondanité dominèrent à Boulogne et partout où l’artiste fut invité. Par exemple, une soirée fut organisée en son honneur dans les salons de la riche et séduisante écrivaine, peintre et prêtresse du culte de Sapho, Natalie Clifford-Barney. Un rendez-vous galant fut aussi imaginé entre lui et la poétesse Anna de Noailles qui, dix ans plus tard l’introduisit en tant que peintre à la même haute société 4 . Ces rencontres avec des individus certes amicaux et tolérants, mais tous issus de classe sociale supérieure créèrent chez les Tagore une vision déformée de ce qu’était le Français lambda. Ainsi, malgré son éloquence, son extravagance et son train de vie élevé, Anna de Noailles était vue comme exemplaire de la femme française moderne, et en décrivant la personnalité du richissime Albert Kahn, les Tagore portaient des généralités sur le peuple français tantôt étranges, tantôt clichées 5 . Tagore s’entretint entre autres avec Henri Bergson. Que les deux lauréats du Prix Nobel de littérature se soient appréciés malgré la présence d’un tiers (le guide de Tagore à Paris, Sudhir Rudra 6 ) que Bergson jugea indiscrète est logique étant donné leurs intérêts et valeurs communs, parmi lesquels le mysticisme, l’internationalisme et la liberté de parole. Contrairement à beaucoup de ses compatriotes, Bergson était bilingue, ce 3 Shishukumar Mitra, professeur à Santiniketan de 1931 à 1939, déclarait : « Les visiteurs exagéraient vraiment : plus d’un poème fut détruit, ruiné entièrement par leurs interruptions. C’était notre tâche à nous de protéger le poète, malgré son opposition à toute espèce de barricade » (Shishukumar Mitra, lettre envoyée du Sri Aurobindo Ashram à Rathindranath Tagore, [après 1954]. Fonds Rabindra Bhavan). 4 Rathindranath Tagore et Suzanne Karpelès rapportèrent qu’à la fin de leur rencontre à Autour du Monde, de Noailles avait déclaré que venue séduire Tagore, elle avait abandonné ses prétentions et espérait qu’il la considère uniquement comme une modeste admiratrice (Rathindranath Tagore : On the Edges of Time. Calcutta 1958/ 1981, p. 126). « Ce fut Anna de Noailles qui annonça sa visite. Elle était ravissante et tous les hommes étaient à ses pieds ; aussi arriva-t-elle en conquérante, ce qui me valut un spectacle inoubliable : Tagore planant de plus en plus devant une Anna qui s’évertuait à le conquérir. Finalement Tagore fit comprendre à sa visiteuse qu’ils étaient deux poètes, que leur rencontre n’était qu’une rencontre de poètes et devait le rester ». (Suzanne Karpelès, propos recueillis par Prithwindra Mukherjee (intervention au colloque Tagore et la France, organisé par la fafi et Tamijiakam - Amitié franco-pondichérienne, Palais de l’Unesco, Paris, 16 mars 2002). 5 Cf. Rathindranath Tagore : Visva Bharati News (note 2), p.126. 6 Par l’intermédiaire de C.F. Andrews, Rudra publia un compte-rendu de cette rencontre (C.F. Andrews : The Arch from East to West. In : Modern Review, January 1921). Bergson n’ayant pas été consulté pour cette publication déclara son mécontentement. <?page no="40"?> Fabien Chartier 40 qui permit d’élever les discussions au degré philosophique attendu d’une telle rencontre 7 . Bergson était un « internationaliste » en ce sens qu’à la manière de Tagore, Rolland, Lévi ou Kahn, intéressé par les cultures étrangères, ses analyses étaient calibrées à l’échelle mondiale et non nationale 8 . La pensée liant Tagore à Bergson n’était pas anglaise, indienne ou française, mais universelle 9 . Pour Tagore, Bergson fut moins une révélation en tant que « chef d’école, le fondateur de la métaphysique sur l’expérience interne, le restaurateur du spiritualisme » 10 que comme penseur international de nationalité autre qu’anglaise. Bergson toutefois, contrairement à ce que Mathilde Niel déclara, aurait jugé superficielle l’opinion de Tagore sur l’Occident 11 . Tagore bénéficia aussi des visites fréquentes des sœurs Karpelès qu’il avait rencontrées à Calcutta. Suzanne traduisit plusieurs de ses poèmes lors de son séjour. Quant à Andrée, futur enseignante à Santiniketan, elle deviendra une amie fidèle. Il revit une autre connaissance, Victor Goloubew 12 et croisa Emile Le Brun, professeur d’anglais et traducteur de ses poèmes, qu’il invita à venir, accompagné de son épouse, enseigner le français à Santiniketan avant de leur trouver deux remplaçants plus émérites. De fait, la rencontre française de Tagore la plus marquante en 1920 se fit avec Sylvain Lévi. Elle déboucha un an plus tard sur le départ au Bengale de l’indianiste et de sa femme - une collaboration préludant des décennies de présence française à Santiniketan. Le Professeur à la Sorbonne et au Collège de France admirait le modèle éducatif imaginé par Tagore tandis que Tagore voyait en Lévi un humaniste et un philanthrope 13 . C’est aussi en France qu’en avril 1921 Tagore fit la connaissance de Patrick Geddes et l’invita lui et son fils Arthur à travailler 7 « Mon père apprécia beaucoup discuter avec Bergson, ce dernier s’exprimant en anglais aussi couramment que dans sa langue maternelle. Si peu de Français savent parler ne serait-ce qu’un peu anglais. Bergson avait une mère écossaise, ce qui explique son aptitude à parler anglais ». (Rathindranath Tagore : In Visva Bharati News (note 2), p. 126). 8 En 1916, il s’était vu confier des missions diplomatiques en Espagne, puis aux Etats- Unis, et c’est après son intervention auprès du Président Wilson que l’Amérique entra en guerre. 9 Mathilde Niel voit des analogies entre eux : « La pensée de Tagore rejoint celle de Bergson qui voulait des sociétés ouvertes, des morales ouvertes » (Mathilde Niel : France-Inde 42/ 1961). 10 Kjell Stromberg : Petite histoire de l’attribution du Prix Nobel à Henri Bergson. In : Henri Bergson : L’Evolution créatrice. Coll. Prix Nobel de Littérature. Paris 1968, p. 11. 11 Jacques Chevalier : Entretiens avec Bergson. Paris 1959, p. 147. 12 Aristocrate russe, grand collectionneur, explorateur des grottes d’Ajanta et membre de l’école française d’Extrême-Orient, Goloubew fut, avec Madame Bourdelle, le bienfaiteur de l’AFAO. 13 « Sa bonté est plus impressionnante encore que le sont son intelligence et son savoir. Son esprit a la simplicité cristalline de la grandeur et son cœur déborde d’une générosité confiante ». (Rabindranath Tagore : Letter to C.F. Andrews, 28 August 1920. Rabindra Bhavan). <?page no="41"?> Visites de Tagore en France 41 au Bengale. En proie aux doutes à son arrivée à Boulogne, grâce à Kahn, Bergson, Goloubew, Le Brun, Lévi, Geddes et aux Karpelès, tous anglophones et ouverts sur le monde, Tagore perçut Paris comme un lieu agréable pour y nouer des amitiés, être stimulé intellectuellement et retrouver la confiance nécessaire à la poursuite de son projet éducatif 14 . Toutefois, son capital sympathie à l’égard des Français prit un réel essor avec sa visite en Champagne du 19 au 22 août 1920. A sa demande, il se fit guider par Kahn et son chauffeur à travers la région mutilée. A la découverte des champs de bataille et des ruines de la Cathédrale de Reims, il admit son incapacité à comprendre pareille violence : « Les terribles dommages commis délibérément, non pour une éventuelle nécessité militaire mais pour handicaper la France pour toujours, ont été si violents qu’ils resteront à jamais gravés dans la mémoire nationale » 15 . Mais, proche de celle de Camus dans La Peste, sa conclusion optimiste était que, face à l’atrocité, les hommes pouvaient développer un instinct philanthropique les unissant à Brahman. La nature, maîtresse des hommes, se proposait comme alliée dans la lourde tâche de reconstruction les attendant. Aussi, de la mort et de l’horreur qu’ils ont perpétrées ressurgissent la vie et la beauté. De même que la douleur comportait des aspects positifs, la mort appelait l’espérance et la vie : « La plus grande leçon qu’un homme peut apprendre de la vie ce n’est pas que la souffrance fait partie de ce monde, mais qu’il lui appartient de lui trouver un sens positif, qu’il lui est possible de changer cette souffrance en joie. Nous n’avons pas complètement oublié cette leçon, et aucun être vivant n’abandonnerait de son plein gré son droit à souffrir, car c’est son droit d’être un homme. » 16 Pour que la France fasse son deuil et sorte victorieuse, elle devait cesser son odieuse propagande germanophobe et pardonner au vaincu. Cette notion chrétienne du pardon était relayée par des références à la mythologie et à une exégèse de l’enseignement de Shiva : « Les punitions et les disciplines imposées du dehors sont négatives. Le Professeur est Shiva. Il a le pouvoir divin de supprimer la force de la destruction, d’absorber le poison. Si la France avait Shiva dans son cœur elle pourrait transformer le mal en bien, elle pourrait pardonner, et ce pardon prouverait sa propre immortalité et la sauverait vraiment de la blessure qui lui a été infligée. Ceci est difficile, mais c’est l’unique voie du 14 « Il m’est apparu très clairement que le vrai dessein dans la vie d’un homme c’est le monde des idées ». (Rabindranath Tagore : Letters to a Friend (near Paris, 20 August 1920). New Delhi 2002, p. 112). 15 Quelques jours après il ajoutait : « Il faudra beaucoup d’efforts et de temps pour faire de ceci une chose du passé. Quand l’idéal spirituel est perdu, quand les rapports humains sont totalement brisés, les individus, libérés du lien créateur entre eux, trouvent une joie effroyable dans la destruction » (Rabindranath Tagore : Lettres à un ami (lettre écrite à Paris, le 12 septembre 1920). Paris 1931, p. 118). 16 Rabindranath Tagore : S-dhan-. The Realisation of Life. Madras 1913/ 1988, p. 52-53. <?page no="42"?> Fabien Chartier 42 salut. Seul, l’idéal créateur peut réparer complètement les actes de destruction. C’est l’idéal spirituel ; c’est l’amour ; c’est le pardon. Dieu réalise perpétuellement cet idéal, et ainsi l’univers est sans cesse renouvelé. Dans le cœur de la mort, la vie a ses manifestations incessantes de joie […]. La vraie sagesse ne consiste pas en la négation du mal, mais dans sa maîtrise. » 17 Propriété du Musée Albert Kahn, un film montre que nul protocole officiel n’était prévu lorsque Tagore atterrit au Bourget le 16 avril 1921 ; seul Kahn continuait d’assurer son rôle d’hôte discret. Pierre Hamp confirmait : « Le grand poète hindou, un des premiers hommes du monde de notre temps, fut reçu sans éclat par le gouvernement français soucieux de ne pas déplaire à l’Empire Britannique. Quelques esprits indépendants, comme il s’en trouve toujours dans ces bagarres, firent de leur mieux pour persuader Tagore que les Français l’estimaient beaucoup plus que leurs ministres ne le donnaient à croire. » 18 Hamp se plaignait d’assister à une répétition de ce qui s’était produit vingt ans plus tôt lors de la venue de Vivekananda 19 . Que le gouvernement français se désintéressât de Tagore et que l’élite le monopolisât irritait Hamp, ainsi que Cécil Georges-Bazile, le traducteur de Nationalism, car, si Tagore s’exprimait devant un auditoire composé de bourgeois, d’aristocrates, de notables et de rares hauts fonctionnaires, son lectorat était, selon eux, aussi varié et populaire qu’en Allemagne. Sa venue était une affaire d’Etat, l’occasion de prendre rendez-vous avec l’Histoire et de prendre parti dans le conflit anglo-indien et pour la décolonisation. Avec des politiques aux abonnés absents, un harcèlement de la part des mondains et un public populaire évincé, la presse était incitée à propager l’idée fausse que Tagore et son message étaient inaccessibles au Français moyen. Quand Tagore vint en Suisse, le phénomène et les déceptions s’avérèrent aussi notoires même si des journaux prolétaires s’opposèrent à une mainmise de Tagore par l’élite genevoise : « La plus grande âme constructive de notre époque nous a donné une conférence […]. L’Aula était comble, mais nous n’osons pas affirmer que les bourgeois deviennent pacifistes. Non : une grande partie des auditeurs n’est-elle pas venue à cette conférence par curiosité, poussée par le même sentiment qui l’amène au cinéma ? Il n’y avait pas cependant de gens 17 Tagore : Lettres à un ami (note 15). Lettre écrite à Paris, le 12 septembre 1920, p. 117- 118. 18 Pierre Hamp est cité par Cécil Georges-Bazile dans son avant-propos de l’ouvrage : Rabindranath Tagore : Nationalisme. Trad. par Cécil Georges-Bazile. Paris 1924. 19 « Il est déplorable qu’à son voyage en France, en 1900, il n’ait rencontré aucun représentant supérieur de l’intelligence et du sentiment religieux français. Ceux qui l’accaparèrent furent des Jules Bois, Père Hyacinthe et Emma Calvé […]. Je trouve dérisoire que Vivekananda ait pu emporter une telle image de la France » (Romain Rolland : L’Inde, Journal 1915-1943. Paris 1960, p. 201). <?page no="43"?> Visites de Tagore en France 43 sérieux. Pourquoi l’Institut Rousseau n’a-t-il pas demandé pour cette conférence la Salle de la Réformation ? Une telle manifestation de la pensée vraiment humaine est rare, très rare à Genève ; on aurait dû lui donner au moins autant d’éclat qu’aux réunions de la Ligue des Nations. » 20 Le phénomène se poursuivit. En 1926, Rolland confirmait que seul un public riche et snob avait accès à lui : « Tagore, qui n’a plus de fortune, s’est mis aux mains d’un imprésario organisant des conférences payantes […]. Il a laissé partout une amère déception. Et lui, l’homme le plus désintéressé, a donné l’impression de se montrer, partout, pour la vanité, pour l’argent. C’est attristant. » 21 Sur Tagore, même si la position militante de Hamp illustrait le souhait des Communistes de se l’approprier et d’ainsi défier le gouvernement, il demeure qu’à la fois honoré et reclus le poète se voyait refuser le contact avec les classes moyenne et inférieure 22 . Sa surprotection venait précisément du fait que ses hôtes craignaient une exploitation par les Communistes, les anticolonialistes, voire des nationalistes indiens. Tagore mettrait alors en péril sa réputation et des approches transculturelles plus eurocentriques ou « orientalistes », au sens donné à ce mot par Edward Saïd. Ainsi, pour sa conférence au Musée Guimet le public fut trié sur le volet 23 ; l’événement ne fut pas communiqué à la presse provinciale ; l’AFAO, via le peintre Jean Buhot, contraignit Tagore à se taire sur le nationalisme indien 24 . L’obliger à feindre l’apolitique alors que l’Inde vivait des heures historiques et que beaucoup attendaient d’un homme de son envergure une position ferme était significatif de la neutralité adoptée par la jeune AFAO qui venait d’obtenir de l’Etat 50 000 Francs de subvention. La promotion d’un Tagore apolitique était une malhonnêteté et une provocation pour les sympathisants de gauche qui estimaient Tagore et son œuvre peu conventionnels et peu consensuels. Pour eux, humanisme et universalisme signifiaient plus de fraternité et d’égalité, et Tagore, bien que forcé à côtoyer exclusivement des hommes et femmes « du monde », 20 H.-E. Tawer : Ex oriente lux ! A propos d’une conférence. In : La Voix du Travail. Genève, 12 mai 1921. 21 Rolland : L’Inde (note 19), p. 184. 22 Hamp se voyait comme le successeur de Zola, le dénonciateur de la condition pénible de l’ouvrier, des injustices sociales et des méfaits du patronat. Ennemi de la bourgeoisie et du capitalisme, il affichait un parti pris peu nuancé qui explique pourquoi son œuvre littéraire est considérée comme mineure. Traduit en huit langues, notamment dans les pays de l’Est (en Union Soviétique il fut l’auteur le plus traduit jusqu’en 1927), certains de ses ouvrages ont été publiés à 300 000 exemplaires. 23 Léandre Vaillat : Les Amis de l’Orient. In : Le Figaro. Paris, 21 avril 1921. 24 « "Le Message de la Forêt" convient parfaitement. Il serait d’autant plus apprécié qu’absolument aucune allusion n’y est faite aux événements politiques. Vous avez peut-être entendu dire que certains jeunes Hindous peu scrupuleux se sont servis de votre nom pour avancer leurs idées politiques ». (Jean Buhot : lettre à Rathindranath Tagore. Musée Guimet, non daté. Rabindra Bhavan). <?page no="44"?> Fabien Chartier 44 appelait au renforcement de ces valeurs et tentait de faire basculer le pouvoir vers le peuple. La préface de Nationalisme cite plusieurs anecdotes de Hamp sur les visites de Tagore à Paris qui s’opposent à une allégation faite par Alex Aronson selon laquelle le pic de la popularité de Tagore, situé en 1921, se limitait à l’Allemagne ; en France, seule la partie progressive de l’élite intellectuelle l’appréciait sans arrière-pensée récupératrice 25 . Hamp déclarait avoir assisté à une ferveur populaire occultée par la presse. Pour lui, Tagore était aussi apprécié des intellectuels universitaires, des bourgeois catholiques, des aristocrates endimanchés que des ouvriers communistes. Par contre, se faisant leur porte-parole, il notait que cette dernière catégorie de lecteurs était exaspérée de voir un auteur estimé pour ses franches prises de position réduit au rôle de mystique, d’exégète ou d’orateur éloquent. Rolland le notait en 1926 : « La popularité de Tagore en Europe tient beaucoup moins à ses œuvres poétiques qu’on connaît peu ou point, qu’à certaines hautes et libres paroles prononcées pendant la guerre, à sa condamnation prophétique de l’impérialisme, du machinisme, de la force aveugle de l’Occident, et au rôle quasi sacré qu’on lui attribue. » 26 Tagore ne se contentait pas de soulever des questions adressées aux seuls cercles littéraires parisiens intrigués par les philosophies orientales ou chercher des financements pour son institut. C’était un visionnaire incitant la réflexion individuelle et collective sur la faisabilité et les bienfaits d’une synthèse Est-Ouest, d’une fraternité mondiale au cœur de l’internationale. Or, les travailleurs français avaient entamé cette réflexion sur le postcolonialisme et souhaitaient s’entretenir avec Tagore pour la nourrir. Hamp brossait un tableau à la fois drôle et inattendu du lecteur-admirateur français type de Tagore : « Pour l’amener à une réunion de ses admirateurs, on le plaça dans une voiture automobile. Un Hindou de sa suite dut se mettre sur le siège. Le chauffeur allongeant le pouce par-dessus son épaule pour désigner à ce jeune homme le vieillard hiératique en longue robe gris perle demanda : « Qu’est-ce que c’est que ce type-là ? ». Le jeune Hindou savait assez de français pour réussir à faire entendre en dix minutes, temps du trajet, que c’était Rabindranath Tagore, poète de l’autre bout du monde, mais compatriote de tous les hommes de cœur. Le voiturier tira de sa poche le journal l’Humanité qui avait le matin publié un poème de Tagore et sa photographie : « C’est celui-là ? Alors je fais la course pour rien ». L’âme de la France était sauvée devant Rabindranath Tagore. Une aventure toute différente fut celle de cet attaché de cabinet du temps où le poète hindou obtint le Prix Nobel. Ayant mal entendu la première dépêche, il alla voir au Collège de France un célèbre hébraïsant juif qui devait connaître tous les 25 Alex Aronson : Rabindranath Through Western Eyes. Calcutta 1943/ 1978, p. 22. 26 Rolland : L’Inde (note 19), p. 153. <?page no="45"?> Visites de Tagore en France 45 rabbins du monde. Le professeur l’écouta et réfléchit longtemps, car son esprit sérieux ne se décidait pas vite à admettre tant d’obscurité. Enfin il demanda : « Ne serait-ce pas Rabindranath Tagore ? ». « C’est cela même, dit l’attaché. Le nom exact nous manquait. Le Rabbin Dranate. Qu’est-ce que c’est que ce type là ? » Il faut quelques attachés de cabinet. Tout le monde ne peut pas être chauffeur. » 27 Ce récit souligne un clivage social national autant qu’une ignorance culturelle d’une partie de l’administration française également dénoncée par Gaétan Fouquet, ami d’Alain Daniélou qui œuvra à Santiniketan en 1936 : « Nous rencontrâmes un Consul français dans un port méditerranéen qui n’avait jamais entendu parler de Tagore. Quand nous lui dîmes que nous allions voir Tagore, il répondit : “Tagore ! Tagore, Calcutta, Bénarès, Mysore, que de villes merveilleuses ! Profitez de votre séjour à Tagore ! » 28 Pour Hamp, Tagore était le poète du peuple et non un poète people ; l’élite le monopoliserait un temps avant de s’en désintéresser. Ces reproches s’entendent car non seulement Tagore était incité à ne croiser que le beau monde, mais ni l’élite ni la presse franciliennes n’étaient disposées à écouter et relayer le ressenti des classes inférieures. Ceci se lit à travers leur autopersuasion à être seules à savoir décrypter la subtilité du message de Tagore, comme s’il se fut agi des incantations du guide d’une société secrète et comme si l’absence d’éducation ou d’intronisation empêchait de percevoir sa profondeur - en l’occurrence mystique et non pas politique. Or, avec leur connaissance réduite d’une Inde, d’ailleurs fantasmée, et dépourvus de biographie sur Tagore, les Français étaient tous d’égale ignorance et portés par la partialité ou l’intuition dans leurs analyses. Enfin, si l’antiélitisme de Hamp est clairement provocateur, lui et Cécil Georges-Bazile, désireux d’une plus grande proximité avec le peuple, ne faisaient qu’appuyer ce que Tagore exigeait dans l’ouvrage traduit : « Ce n’est donc point aux attachés de cabinet, ni à leurs maîtres que j’offrirai ces pages, à la traduction desquelles j’ai apporté un soin pieux et dévoué, conscient de l’impatience universelle de cette grande Parole d’un Sage, Parole d’Accusation et d’Avertissement, - mais aux Autres, à la foule des Autres, aux petits, aux modestes, aux hommes de bonne volonté qui sont les Peuples et que grugea impitoyablement la machine anthropophage, goule effroyable et inconsciente du Nationalisme. » 29 La puissance originale et originelle de Tagore ne réside pas dans une intellectualisation univoque de son message, mais dans un pouvoir d’évocations multiples, une variété métaphorique, une polysémie et un appel à l’interprétation subjective d’autant plus marqué que désiré par le 27 Pierre Hamp cité par Cécil Georges-Bazile. In : Rabindranath Tagore : Nationalisme (note 18). 28 Gaétan Fouquet : A Visit to Tagore. The Ideal University of Santiniketan. In : Colombo Daily News. Colombo, 24 April 1936. 29 Cécil Georges-Bazile : Rabindranath Tagore : Nationalisme (note 18). <?page no="46"?> Fabien Chartier 46 poète et que la France en savait peu sur lui et son environnement. Ceci autorisait le lecteur quasi illettré à l’apprécier avec autant d’intensité et d’imagination qu’un critique. C’est du reste ce qui se produit au Bengale depuis trois quarts de siècle et qui eût pu se produire en France si son œuvre, en particulier ses essais, avait été mieux diffusée ; mais les lecteurs restèrent démunis. En 1920-1921, la subjectivité était totale, car moins reliée aux écrits qu’à des rumeurs, des données elliptiques des citations sorties de leur contexte ou des commentaires journalistiques déjà subjectifs dérivant sur une ou plusieurs images figées. Dans ses lettres adressées de Boulogne à son ami Andrews en 1921, Tagore se penchait sur des questions existentielles davantage qu’il évoquait sa réception ou ses rencontres. Il y formulait des reproches à l’encontre des Occidentaux, les accusant de réduire sa personnalité, sa pensée et son impact potentiel et de lui coller deux étiquettes simplistes - mysticisme et internationalisme 30 . Sacrifiant son inspiration artistique pour sa cause éducative, multipliant les entretiens et conférences, il se sentait las, esseulé et nostalgique de l’Inde. Le temps maussade confortait un spleen qui prit fin à Strasbourg où Lévi confirma son séjour d’un an au Bengale. Tagore reprit alors plaisir à remplir sa mission, retrouva son talent d’orateur et regagna son optimisme à propos d’une synthèse Est-Ouest 31 . Pour le coup, et même si Tagore n’y dévoilera rien de ses positions nationalistes, l’inviter à Strasbourg et lui demander de s’y exprimer à l’Université était un choix politique : suite à la réincorporation de l’Alsace, le gouvernement y avait fait venir d’imminents professeurs pour en dorer l’image. Tel un énième pied-de-nez, la France signifiait ainsi à l’Allemagne sa qualité d’enseignement 32 . Puisque de jeunes Indiens, précédemment inscrits à Paris, y étudiaient, elle devenait, comme le déclara Lévi, l’Université française la plus à même à collaborer avec Santiniketan : « L’Université de Strasbourg ne rend pas seulement hommage à un poète de génie et au génie plusieurs fois millénaire d’un grand peuple ; l’Université française de Strasbourg fête une sœur indienne. Tagore a rêvé, il y a quelque vingt ans, de donner à son pays une université véritablement universelle […]. Le rêve s’est réalisé […]. Et Tagore, touché de l’accueil qu’il a rencontré parmi nous, pense […] à resserrer les liens entre son Université et la nôtre. Nous souhaitons ardemment qu’il y réussisse ; nous l’y aiderons de toutes nos forces. » 33 30 « I should not allow my idea to be pinned to a word for a foreign museum, like a dead butterfly », cf. Tagore : Letters to a Friend (Autour du Monde, Paris, 21 avril 1921), (note 14), p. 131. 31 Tagore : Letters to a Friend (Strasbourg, 29 avril 1921), (note 14), p. 133. 32 Lire Fabien Chartier : Fascinant Tagore, enjeux politiques franco-allemands. In Marc Cluet : La Fascination de l’Inde en Allemagne (1800-1933). Actes du colloque du GRAAL, Rennes 2003. Rennes 2004, p. 315-330. 33 Sylvain Lévi : in E. Clevenot : La Conférence de Rabindranath Tagore. A l’Université. In : Journal d’Alsace et de Lorraine, 30 avril 1921. <?page no="47"?> Visites de Tagore en France 47 D’après Lévi et la presse, la conférence de Tagore sur Le Message de la Forêt laissa son empreinte sur des milliers de professeurs, étudiants et citoyens présents 34 . Si une ovation de Tagore était chose habituelle, cette fois, elle provint d’un public socialement diversifié, comme l’indiqua le journaliste E. Clevenot : « La Salle des Fêtes de l’université fut véritablement la salle du triomphe en Alsace, du grand poète hindou, en qui le monde entier se plaît à reconnaître le prophète. Ce fut bien ce sentiment que voulurent témoigner à Tagore, les milliers d’auditeurs, qui, tour à tour, passèrent du silence religieux à l’acclamation enthousiaste. Et par ses applaudissements la foule dit qu’elle avait entendu et retenu le Message. Les jeunes gens, d’entourer le poète, qui inlassablement signa, signa, ses ouvrages, des cartes d’invitation, voire même des cahiers de cours. Ce fut entre une haie d’admirateurs que rendait silencieux et graves la pensée du départ prochain que Tagore s’achemina vers la sortie. Et Tagore disparu, ce fut pour chacun de nous, la nostalgie de l’Orient de lumière et d’harmonie. Que notre pensée reconnaissante le rejoigne sur la voie du retour. » 35 En 1932, Bernard Dorset, correspondant passionné d’histoire locale, retraça la visite de Tagore. Il insistait également sur le fait qu’en Occident l’intellectuel exerçait peu d’influence car il travaillait et vivait en marge de la société, ne se préoccupant pas de se lier à ses concitoyens ou de les représenter. En Alsace, en 1921, Tagore personnifiait l’inverse : un intellectualisme de proximité, des valeurs d’universalité et de philanthropie dont ses contemporains français semblaient dénués : « Le véritable sage n’est pas celui qui s’enferme dans une tour d’ivoire, mais bien celui qui se mêle aux hommes, qui connaît leurs misères et leurs faiblesses, qui consent à souffrir avec eux. Il alla en Amérique, et à bord il écrivit : « en traversant l’Atlantique, passant à bord le commencement d’une nouvelle année, j’ai compris qu’une ère nouvelle était venue, l’ère du voyageur » L’ère du voyageur égoïste : « ce concours de races, écrit-il encore, offre le plus grand de tous les problèmes que les hommes aient jamais eus à résoudre ». Il alla en Amérique, et tous les pays du monde le virent, tour à tour. C’est ainsi qu’au mois d’avril 1921, il vint à Strasbourg. Parmi les lettres que l’on publie aujourd’hui, il en est une qui est datée de notre ville. » 36 Pour Dorset, onze ans après cette conférence, venu à la rencontre des peuples du monde pour les rapprocher, Tagore restait un modèle à suivre 34 Sylvain Lévi : letter to Rathindranath Tagore, c/ o Mme Claparède-Spir, 11 ave Champel, Geneva, 5 May 1921. Rabindra Bhavan. In : Journal d’Alsace et de Lorraine : Rabindranath Tagore à Strasbourg, 29 avril 1921. Bibliothèque Universitaire de Strasbourg. 35 Clevenot : La Conférence de Rabindranath Tagore (note 33). 36 Bernard Dorset : Tagore Rabindranath, des Indes à Strasbourg. In : Dernières Nouvelles d’Alsace. Strasbourg, 10 janvier 1932. Bibliothèque Universitaire de Strasbourg. <?page no="48"?> Fabien Chartier 48 pour les penseurs européens. Le percevant comme aussi proche de son peuple que des peuples en général, Dorset le situait pourtant à l’opposé de là où certains de ses contemporains le positionnait, tant en 1921 qu’en 1932, à savoir inapte à se détacher de l’aristocratie. Rolland, pourtant vu comme son ami, déclarait : « Il y a entre ce cercle de Tagore et tous les Indiens que nous avons vus (quel que soit le degré de leur intelligence) une différence de ton, de style, pourrait-on dire, aussi grande qu’entre une femme de la cour de Louis XIV et une Parisienne d’aujourd’hui. C’est la plus haute aristocratie indienne. » 37 Evoquant son neveu Saumyendranath, Rolland expliquait que « sous ce mépris, se trahi[ssai]t l’aristocratisme dédaigneux des Tagore pour un petit-bourgeois d’une autre race, sans distinction, sans vaste culture, sans envolée lyrique et métaphysique » 38 . Une remarque d’Alex Aronson mérite un aparté : « Il est tentant d’analyser le sentiment d’infériorité vis-à-vis de l’Orient qui balaya l’Europe dans les années d’après-guerre » 39 . En France, un tropisme pour l’Orient fut ressenti par beaucoup d’intellectuels ; parmi eux le plus célèbre traducteur français de Tagore : Gide 40 . Si l’Inde en général et Tagore en particulier leur firent l’effet d’une furtive révélation, pour d’autres écrivains, dont Romain Rolland, Jean Guéhenno et Edmond Jaloux 41 , conscientisés, cet intérêt donna lieu à des analyses sociétales et politiques proches de celles de quelques-uns de leurs confrères germanophones. Ils se situaient en porte-à-faux des positions qu’exposait Henri Massis, l’auteur de Défense de l’Occident. Aronson cite ici Jaloux pour préciser la nature du schéma binaire fascination-répulsion : « Quasiment partout dans le monde, les intellectuels paraissaient prendre un plaisir singulier à se discréditer. La conscience de leur propre déclin s’accrut peu à peu jusqu’à ce qu’un auteur français (et romancier très connu) s’exprimât sans honte : "Rabindranath nous aime tout en nous méprisant ; et le spectacle que nous offrons au monde en général est, de fait et sans l’ombre d’un doute, le plus méprisable qui soit". » 42 Dans Le Figaro, après avoir analysé un portrait de Tagore qu’Andrée Karpelès avait peint lorsque le poète logeait à Boulogne, le critique de danse Léandre Vaillat plaçait son commentaire au-delà, ou plutôt en deçà, de toute réflexion idéologique et de la polémique divisant proet anti- 37 Rolland : L’Inde (note 19), p. 120. 38 Ibid., p. 436. 39 Aronson : Rabindranath Through Western Eyes (note 25), p. 29. 40 Lire Fabien Chartier : Tagore-Gide : Histoire d’une fascination passagère. In : Fabien Chartier/ Malou L’Héritier : Tagore : Sentinelle d’une Inde nouvelle. Paris 2011, p. 55- 80. 41 Cf. Edmond Jaloux : Les Appels de l’Orient. In : Les Cahiers du Mois, 9/ 10. Paris 1925. 42 Aronson : Rabindranath Through Western Eyes (note 25), p. 29-30. <?page no="49"?> Visites de Tagore en France 49 Eurasiens au cœur de laquelle Tagore se trouvait casé 43 . Il s’attardait sur la physionomie et la capacité d’envoûtement du poète et incitait les Parisiens à venir admirer le tableau, moins pour en mesurer la maîtrise technique que pour se faire une idée du modèle en couleurs. L’espace consacré à la plastique, à la tenue vestimentaire princière et à l’aura magicienne du poète est démesuré par rapport à celui dédié à son message 44 . Outre l’état d’hypnose que lui provoqua le charisme du « gourou », l’auteur témoigne de son incapacité à nommer par leur nom indien les habits qu’il porte. Il assimile le kurta-pyjama à des tenues venant du Maghreb, espace géographique mieux connu de lui et de ses lecteurs. Plus largement, Vaillat n’arrive pas à dépasser le stade de la description. Par la suite, il mentionne un Français revenant de voyage en Inde, peinant à relater l’influence de Tagore au Bengale : « Il finit par dire péniblement, comme en concentrant sa pensée sur un objet inaccessible : "c’est un homme juste" » 45 . La pierre n’est pas à jeter au voyageur en peine de restitution ; mais on doit s’interroger sur l’incapacité des sédentaires à saisir pourquoi il est délicat de communiquer aux Français, en un temps limité, ses impressions sur un homme plus ou moins représentatif d’un pays caractérisé par sa diversité et aux singularités si éloignées des repères occidentaux classiques. Comme de nombreux autres, l’article de Vaillat peut être classé dans la catégorie orientaliste. Pour Saïd, l’orientalisme présuppose une projection du duo Orient-Occident comme deux hémisphères antithétiques. De plus, l’Orient est une création de l’Occident, son double, son contraire, l’incarnation de ses craintes et de son sentiment de suprématie. Sans en utiliser le terme, certains commentateurs européens situaient l’idéal tagorien non pas comme typiquement oriental, mais orientaliste car conforme à leur désir d’Orient. Son message était réinterprété pour se confondre en une utopie naïve. Une des simplifications consistait à attribuer à Tagore des valeurs chrétiennes - valeurs que, selon nombre d’auteurs, l’Occident était en passe d’oublier, mais que Tagore, en sauveur du sentiment religieux majoritaire, reprenait pour le salut de l’Europe et de l’humanité. Un journaliste suisse prônait cet argument après une intervention du poète à Genève : « [Tagore,] c’est un tel rappel aussi de la poésie biblique dont le Genevois a subi l’influence dès l’école du dimanche » 46 . Si l’on en croit une parente 43 Vaillat rédigea un second article, pour La Revue Hebdomadaire sous la forme d’une présentation scientifique sur le réveil du nationalisme en Inde (Léandre Vaillat : Le Message de Tagore. In : La Revue Hebdomadaire, n°16, supplément illustré, 16 avril 1921). 44 On retrouve des descriptions de ce type dans d’autres articles liés à d’autres conférences données par Tagore : « Rabindranath Tagore, de passage à Genève, a parlé à l’Ecole Rousseau, à l’Université, dans des maisons amies. Ce vieux poète, coiffé comme Rousseau, d’un bonnet de velours, prêche, comme lui, le retour à la nature. Il a une voix douce qui descend sur sa poitrine, et il dit des choses subtiles » (R.T., sans titre. In : Gazette de Lausanne, 12 mai 1921). 45 Vaillat : Le Message de Tagore (note 43). 46 R.T. (note 44). <?page no="50"?> Fabien Chartier 50 d’Albert Gobat, Prix Nobel de la Paix en 1902, et qui assista à ladite conférence, Tagore fut accueilli en Messie à Genève : « C’est un événement pour le monde que la venue de Rabindranath Tagore en Europe, un événement si grand que nous ne pouvons encore en mesurer toute la portée : le rapprochement véritable de l’Orient, berceau de l’humanité et de l’Occident. […] C’est une grande figure que celle du poète hindou, figure de prophète, je dirais presque de Messie. Car de celui-ci il a la beauté surnaturelle, reflet de la pensée pure. Il faut que nous l’entendions, que nous le répandions, que nous aidions à l’affranchissement de la pensée et à l’avancement de cet idéal d’amour et de fraternité qu’incarne le grand poète hindou, comme l’incarna, il y a mille ans, le Christ. » 47 En décembre 1920, dans le quotidien libéral Le Temps, Paul Souday ne s’expliquait pas pourquoi seules trois traductions de recueils et aucune biographie furent publiées depuis la nobélisation de Tagore. Pour lui, l’absence de biographie française immisçait le doute sur la légitimité du poète. « Le premier a été traduit en français, d’après l’anglais, par M. A. Gide, sous le titre l’Offrande Lyrique (1914) ; le troisième vient de l’être par Henriette Mirabaud-Thorens, sans doute dans les mêmes conditions, la connaissance de l’anglais étant plus répandue chez nous que celle du bengali. On nous doit encore le Croissant de Lune, et peut-être d’autres volumes lyriques, s’il y en a, ce que j’ignore (M. A. Gide ne signale que deux drames, dont l’un est un essai de jeunesse) : nous manquons d’informations précises sur la vie, l’éducation et l’œuvre de Rabindranath Tagore et l’on serait bien embarrassé de lui consacrer une étude biographique et critique selon la méthode de Sainte-Beuve. » 48 Entre authentique étonnement, humour pince-sans-rire et le ratio nalisme qu’exigeait sa profession, le critique littéraire Souday soumit plusieurs hypothèses concernant cette absence. Le fait qu’un critique si réputé ignorait que Tagore avait publié en bengali vingt fois plus d’ouvrages que ceux mentionnés en dit long sur la méconnaissance d’un lectorat, moins averti qu’un tel critique, sur sa production globale. Entre 1912 et 1921, trente-deux de ses ouvrages furent publiés en anglais, dont six en 1921. Le retard de la France, comparé à l’Angleterre, s’explique par les liens linguistiques et culturels privilégiés unissant l’Angleterre à l’Inde. Toutefois, la mauvaise humeur de Souday se justifie du fait que la nrf refusa, par exemple, la sortie de Nationalisme avant 1924, quatre ans après sa traduction et à une époque où les ventes des ouvrages de Tagore continuaient de chuter. L’aveu de Souday sur son ignorance de Tagore et 47 Marguerite Gobat : Rabindranath Tagore. In : Aujourd’hui. Genève, mai 1921, p. 66- 67. 48 Paul Souday : Rabindranath Tagore. In : Le Temps, Feuilleton du Temps, Les Livres. Paris, 23 décembre 1920. <?page no="51"?> Visites de Tagore en France 51 de l’Inde tranche avec la prétendue omniscience de ses collègues. Souday pourrait servir de jauge pour évaluer la connaissance de ses concitoyens de l’époque sur l’Inde. Alors que vers la même année et dans d’autres contextes, Cécil Georges-Bazile, Sylvain Lévi et Jean Herbert s’accordaient à dire qu’il n’y avait plus besoin de présenter Tagore en France 49 , Souday revendiquait l’inverse. Il faisait ressortir que le poète demeurait un mystère malgré une minorité de poèmes traduits et de rares apparitions à Paris. Il restait pour son potentiel lectorat un sage ou un prophète davantage qu’un penseur. D’après Souday, le remède pour désacraliser Tagore et enrayer les affabulations et contresens était que circulât rapidement une biographie détaillée. Dans le cas contraire, les fausses rumeurs perdureraient ou s’amplifieraient. Mais, peut-être Tagore le désirait-il ? « On lit, dans Le Jardinier d’amour : « Vous connaissez toute ma vie, je ne vous ai rien caché. Voilà pourquoi vous ignorez tout de moi ». C’est un amant qui parle à sa bienaimée. M. Rabindranath Tagore estime peut-être que ce mot a une portée plus générale, et qu’il est bien inutile de raconter sa vie aux gens qui ne vous connaîtraient pas mieux pour cela. » 50 La logique du critique est implacable et, étant donné sa méconnaissance avouée de Tagore, ses allégations le prouvent détenteur d’une belle intuition. Pour lui, la subjectivité qu’appuyaient Tagore et ses critiques pour définir et valoriser son œuvre poétique comportait ses limites. Sans un savoir préalable favorisant la compréhension du discours et des métaphores, les lecteurs s’engageaient dans le contresens, le non-sens ou le fantasme. Sceptique quant aux intentions de Tagore, Souday pensait qu’il s’efforçait finalement de les y inviter, nourrissant lui-même une image médiatisée de gourou contemplatif peu représentatif de l’Inde moderne : « On peut prendre un vif plaisir à la lecture du Gitanjali et du Jardinier d’amour, à ne les prendre qu’en eux-mêmes, en s’aidant seulement de ce que l’on sait par ailleurs sur l’Inde antique et moderne. Mais cela déjà est une préparation, et il en faut toujours une, et je persiste à croire que M. Tagore n’aurait rien à perdre si, en ce qui le regarde, elle était plus complète […]. Dans quelle mesure M. Rabindranath Tagore représente-t-il l’Inde contemporaine, on serait curieux de le savoir, mais ce n’est pas facile à démêler ». 49 En 1939 Herbert entamait ainsi sa préface de Sâdhanâ, ouvrage qu’il venait de traduire : « De tous les grands maîtres hindous dont nous avons eu l’honneur de traduire et de publier les œuvres dans cette collection, le docteur Rabindra Nâth Tagore est certainement celui qu’il est le moins nécessaire de présenter aux lecteurs français. Sa renommée est établie depuis de longues années dans tout l’Occident aussi bien que dans son pays, et nombre de ses œuvres ont été traduites dans la plupart des langues de haute culture » (Jean Herbert : préface. In : Rabindranath Tagore : Sâdhanâ. Coll. Les grands maîtres spirituels de l’Inde contemporaine sous la direction de Paul Masson-Oursel et Jean Herbert. Paris 1940, p. 7). 50 Souday : Rabindranath Tagore (note 48). <?page no="52"?> Fabien Chartier 52 Souday évoque aussi l’ambigüité d’un Tagore se voulant simple et populaire, dans son pays comme à l’étranger, mais n’échappant ni à ses besoins de vivre avec un minimum de confort, ni à l’image qu’il renvoyait à ses propres hôtes occidentaux, à savoir celle d’un Indien civilisé, issu d’une famille de riches propriétaires terriens, cultivée et occidentalisée, étant - en somme et quoi qu’en dise l’intéressé - presque l’un des leurs. Telle était d’ailleurs la principale réserve à son égard entre 1919 et 1922 en Inde, où les critiques acerbes fusaient sur ses origines sociales, ses relations trop policées avec l’Angleterre ou les colonisateurs en général, son train de vie, son indécision ou son double discours face à Gandhi, au mouvement de désobéissance civile ou au Home Rule. Si, vu d’Inde, Tagore nourrissait les paradoxes, surtout durant ces années de soulèvement, c’est d’une part parce que ses positions étaient mal relayées. La force et la rapidité des événements se produisant en Inde (manifestations, déclarations, jeûnes, boycotts, etc.) alors qu’il n’y était pas le mettaient dans une situation inconfortable d’exilé ou de porte-parole, qu’il ne pouvait pas assumer notamment étant donné ses désaccords avec Gandhi. Cependant, Tagore n’était pas lui-même dépourvu de paradoxes. Il possédait cette faculté exceptionnelle de s’approprier l’état de la nature et d’épouser les caractéristiques de son environnement. Et s’il critiquait les mondains (britanniques, comme américains ou français) pour l’empêcher de bâtir son projet éducatif international et populaire comme il l’entendait, s’il reprochait aux trop nombreux visiteurs de l’empêcher de s’isoler pour écrire, peindre, méditer ou se recueillir - ce qui, chez lui, revenait sensiblement au même -, il ne pouvait se passer d’eux en aucune manière, l’isolement le condamnant à une absence de partage, de stimulation intellectuelle, de financement, de création personnelle à visée collective - chacune de ces absences l’entraînant vers la dépression, l’anonymat ou une défiance supplémentaire. Entre 1919 et 1922, Tagore était alors un homme troublé, sentant certaines de ses valeurs - qu’il tenait pour modernes - s’effriter ou laissée pour compte, d’un côté comme de l’autre, à l’entame d’un combat pour l’indépendance qui gagnait en vigueur et prenait un caractère inéluctable, mais qui malgré la non-violence que Gandhi appelait de ses vœux, coûterait la vie à des milliers de ses compatriotes. Souvenons-nous à quel point Tagore fut anéanti à la vue des champs de batailles et des bâtiments en ruines. Pourtant, le lendemain de cette visite, en approchant de la forêt des Ardennes, fragile et lunatique, le poète retombait dans des sentiments contradictoires, caractéristiques d’un mal-être névrotique, dont il avait conscience, mais qu’il savait incurable : « Ici nous sommes dans une très belle partie de la France, mais à quoi sert la beauté de la nature quand vous avez perdu les malles qui contiennent tous vos vêtements ? J’aurais pu me trouver en parfaite sympathie avec les arbres qui m’entourent, si, comme eux, je ne dépendais pas des grands tailleurs pour garder le respect de moi-même. L’événement le plus <?page no="53"?> Visites de Tagore en France 53 important au monde pour moi en ce moment n’est pas ce qui arrive en Pologne ou en Irlande ou en Mésopotamie, mais le fait que les malles appartenant à notre groupe ont disparu du wagon des bagages, dans leur transport de Paris à ici ! Aussi bien que la mer chante ses hymnes au lever et au coucher du soleil et au silence étoilé dans la nuit, et bien que la forêt autour de moi se dresse sur le roc comme un ancien Druide levant ses bras au ciel, psalmodiant ses incantations de vie primitive, nous devons hâter notre retour à Paris, pour que les tailleurs et les blanchisseurs nous rendent notre respectabilité. » 51 L’allusion aux vêtements égarés n’est pas une allégorie. Tagore mit un terme à son périple dans l’Est alors qu’en étant moins exigeant sur son apparence, il aurait pu faire l’achat de vêtements chez un tailleur de province. Lui, d’ordinaire si spirituel lorsqu’il couchait ses idées sur le papier ou lorsqu’il les déclamait, était le pantin vulnérable du matérialisme et souffrait de l’être. Au-delà de l’événement lui-même et sans faire de psychologie au pied levé, qu’il renonçât à prolonger son voyage pour une futile histoire de bagages est symbolique de son état d’esprit d’alors. Coincé entre l’image de respectabilité qu’il devait afficher et le laisser-aller que lui dictait sa liberté, il faisait face à un dilemme insoluble. Qu’il en voulût à l’administration et aux compagnies de transports ferroviaires français était naturel 52 ; mais qu’il s’attachât à de telles futilités, alors que défilait sous ses yeux le théâtre d’une des scènes les plus lugubres de l’histoire, était en décalage avec l’image de sainteté dont il bénéficiait et avec le message spirituel qu’il prêchait. Symboliquement, souvenons-nous des habits magnifiques que Tagore revêtait, longuement décrits par la presse européenne et contraste flagrant avec le dhoti de Gandhi, alors qu’il eût pu afficher son deuil pour tous ses frères indiens tombés lors de la première guerre mondiale ou plus récemment à Amritsar. Dans son article, Souday citait Gide pour qui la beauté de L’Offrande lyrique provenait de sa simplicité. Peu séduit par l’argument, Souday en profitait pour le contrer, son article ressemblant à une lettre ouverte adressée à Gide dans laquelle, implicitement, il exigeait de lui une explication à son intérêt pour Tagore. Que tant d’énigmes entourent un homme et que ces énigmes soient nourries par ce même homme agaçaient Souday qui voyait dans cette attitude une forme déguisée de parisianisme ou de snobisme : « C’est un peu par coquetterie nationaliste, par piété envers sa race, qu’il affiche une si grande terreur de renaître en Europe. Il n’y serait peut-être 51 Tagore : Lettres à un ami (lettre écrite des Ardennes, le 21 août 1920), (note 15), p. 113-114. 52 Le voyage qui mena Tagore dans les Ardennes s’effectua en voiture, mais ses effets personnels devaient suivre en train. <?page no="54"?> Fabien Chartier 54 pas si dépaysé. Sans être aussi parisien que le maharadjah de Kapurthala, M. Tagore semble plus européanisé qu’il ne veut en convenir. » 53 Souday trouvait des camarades d’opinion : « [Tagore est] d’une nature hésitante entre Christ et Brahma ; c’est pourquoi on ne peut pas s’attendre à ce qu’il exerce une grande influence sur l’esprit de ses auditeurs ; et pourtant il a été reçu et fêté comme un Messie ; n’y a-til pas eu une part de snobisme dans ces manifestations. » 54 La réception de Tagore en France comprit rejet et rudes critiques. A l’absence de biographie avant ses visites s’ajouta une rétention d’informations pendant et après celles-ci, entraînant une mystification et une utilisation de son message et de son image du poète, d’un extrême politique à un autre. Les critiques parurent relativement superficielles, ce qui à terme réduisit les études sur l’œuvre et sa portée en dehors de cercles intrigués par le mysticisme. Progressivement, les intellectuels et journalistes se tournèrent vers d’autres icônes, Gandhi surtout, pour assouvir leur soif d’exotisme. A leur décharge, Gandhi était sans doute plus aisément classifiable que l’était Tagore, et son importance sur le monde entre 1920 et 1948 plus considérable. Pourtant, pour aussi façonnée que fût son image, la présence de Tagore dans les salons, amphithéâtres, journaux et conversations aida à la fois l’élite et le peuple à reconsidérer ce que l’Inde était et pouvait devenir. En ce sens aussi, Tagore était la grande Sentinelle à laquelle Gandhi faisait référence, un ambassadeur que les Français pouvait critiquer ou vénérer à loisir, davantage encore que lire, voir, écouter, le symbole de la renaissance ou la reconnaissance d’un pays que certains espéraient, que d’autres craignaient, car toutes deux laissaient entrevoir la fin d’un équilibre asymétrique du monde sur lequel s’étaient bâtis les empires coloniaux, l’hégémonie commerciale occidentale - sans oublier une prétendue suprématie artistique et littéraire. Bibliographie Andrews, Charles F. : The Arch from East to West. In : Modern Review, January 1921. Aronson, Alex : Rabindranath Through Western Eyes. Calcutta 1943/ 1978. Bergson, Henri : L’Evolution créatrice. Coll. Prix Nobel de Littérature. Paris 1968. Chartier, Fabien : Fascinant Tagore, enjeux politiques franco-allemands. In Marc Cluet : La Fascination de l’Inde en Allemagne (1800-1933). Actes du colloque du GRAAL, Rennes 2003. 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In : Le Figaro. Paris, 21 avril 1921. — Le Message de Tagore. In : La Revue Hebdomadaire, n° 16, supplément illustré, 16 avril 1921. <?page no="57"?> Catherine Repussard L’Allemagne et l’Inde : jeux et enjeux d’une rencontre Rabindranath Tagore als Mensch, Dichter und Philosoph d’Emil Engelhardt (1921) 1 « Noch kein Dichter der Weltliteratur hat es so verstanden wie Tagore, uns Abendländern die Seele des Ostens vertraut zu machen wie die Seele seines Bruders. » 2 Cet article est consacré à la rencontre de deux mondes, plus précisément à l’attirance de l’Allemagne ou plus largement de l’espace germanophone pour l’Inde. 3 Dans ce cadre, il sera question de la réception de l’œuvre de Rabindranath Tagore en Allemagne à travers l’analyse d’un ouvrage publié en 1921 par un pasteur, Emil Engelhardt, intitulé Rabindranath Tagore als Mensch, Dichter und Philosoph. Le titre de cet article « L’Allemagne et l’Inde : jeux et enjeux d’une rencontre » met l’accent sur la façon dont Emil Engelhardt (1887-1961) a instrumentalisé l’œuvre de Rabindranath Tagore dans le contexte spécifique de l’après Première Guerre mondiale, alors que ce dernier entreprend son premier voyage en Allemagne. L’œuvre déjà très riche de Tagore permet à Engelhardt de revivifier auprès de la « bourgeoisie cultivée » (Bildungsbürgertum) une Weltanschauung, une conception du monde particulière. « Les milieux cultivés d’une société constituent à beaucoup d’égards les séismographes les plus sensibles, et les agents même des changements qui s’amorcent » ainsi que le souligne Hildegard Châtellier qui ajoute que « c’est auprès d’eux que l’on peut recueillir avec le plus de netteté les indices d’une réorientation ». 4 C’est bien auprès de ces milieux que Emil Engelhardt a l’intention de revivifier une idéologie issue du romantisme allemand visant à « poétiser le monde » d’après la maxime de Friedrich von Hardenberg, plus connu sous le nom de Novalis, affirmant qu’il fallait rendre le monde romantique (« Die Welt muss romantisiert werden ») 5 , projet qu’il conçoit dès le début du 1 Emil Engelhardt : Rabindranath Tagore als Mensch, Dichter und Philosoph. Berlin 1921. 2 Ibid., p. 75. 3 Cf. Christine Maillard : L’Inde vue d’Europe. Histoire d’une rencontre (1750-1950). Paris 2008. 4 Hildegard Châtellier : Médiateurs de l’indianisme en Allemagne. In : Michel Hulin/ Christine Maillard (éd.) : L’Inde inspiratrice. Réception de l’Inde en France et en Allemagne (XIX e & XX e siècles). Strasbourg 1996, p. 30. 5 Novalis : Aphorismen und Fragmente 1798-1800 : « Die Welt muß romantisiert werden. So findet man den ursprünglichen Sinn wieder. Romantisieren ist nichts, als <?page no="58"?> Catherine Repussard 58 XX e siècle comme principe de résistance face à l’évolution « mécaniste » du monde, à l’idée de progrès indéfini, à la force jugée dissolvante de l’économie moderne, mais aussi à celle de l’affirmation de l’émancipation politique et sociale de l’individu, issue des idées de 1789. Ainsi l’ouvrage d’Engelhardt plonge-t-il ses racines dans une vision « romantique » de la société, dans l’idéalisation du lien social qui s’exprime par le biais d’une approche organiciste de l’Etat, telle que l’avait développée le romantisme politique 6 , notamment à travers l’œuvre des frères Schlegel, de celle d’un Schleiermacher ou d’un Adam Müller pour lequel l’Etat est la somme des intérêts humains, leur fusion en un Tout organique. 7 A l’idée d’une « anatomie de l’Etat », ce dernier préférait celle de « physiologie de l’Etat » moins statique à ses yeux, devant permettre de prendre en compte les besoins spirituels de ses concitoyens. 8 Cependant, ainsi que le note Christine de Gemeaux dans son analyse du concept romantique d’Etat-médiateur 9 , « l’œuvre müllerienne associe […] toujours esthétique, philosophie et politique. Cela s’avère de manière éclatante dans la définition qu’il donne d’une société idéale : "Eine gute Gesellschaft ist ein Gedicht in Menschen statt in Worten" ». 10 Par ailleurs, Emil Engelhardt ne cesse de se référer à Johann Gottlieb Fichte qui notait dès 1796 dans Grundlage des Naturrechts que dans le corps organisé, chaque partie entretient sans cesse le Tout, et en le conservant se conserve soi-même, ajoutant qu’il y va de même du citoyen avec l’Etat. 11 Que Emil Engelhardt fasse paraître un ouvrage critique consacré à Fichte la même année que son Tagore als Mensch, Dichter und Philosoph n’est sans doute pas le fruit du hasard. 12 eine qualitative Potenzierung. Das niedere Selbst wird mit einem besseren Selbst in dieser Operation identifiziert. […] Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehn, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe so romantisiere ich es. » http: / / gutenberg.spiegel.de/ buch/ 5232/ 6 6 Cf. Klaus Peter (éd.) : Die politische Romantik in Deutschland. Stuttgart 1985, p. 5. Voir également Andreas Groh : Die Gesellschaftskritik der Politischen Romantik. Eine Neubewertung ihrer Auseinandersetzung mit den Vorboten von Industrialisierung und Modernisierung. Bochum 2004. 7 Adam Müller : Elemente der Staatskunst. In : Herdflamme I. Iéna 1922, p. 48. 8 Klaus Bergolt : Mikrokosmos und Makrokosmos. Der menschliche Körper als staatliches Modell. In : Otto Depenheuer (éd.) : Staat und Schönheit. Möglichkeiten und Perspektiven einer Staatskalokagathie. Wiesbaden 2005, p. 131-145, cit. p. 142. 9 Adam Müller : Von der Idee der Schönheit. In : Vorlesungen gehalten zu Dresden im Winter 1807/ 8. Dresden 1809, p. 27. 10 Christine de Gemeaux : Adam Müller et le concept romantique d’Etat-médiateur. In : Gérard Raulet (éd.) : Les romantismes politiques en Europe. Paris 2009, p. 135-165, cit. p. 142. Voir également : Christine de Gemeaux : La pensée d’Adam Müller, synthèse du romantisme politique ? In : Françoise Lartillot/ Reiner Marcowitz (éd.) : Révolution française et monde germanique. Paris, p. 141-163. 11 Johann Gottlieb Fichte : Grundlage des Naturrechts. Iéna 1922, p. 25-26. 12 Emil Engelhardt : Johann Gottlieb Fichte. Leipzig 1921. <?page no="59"?> L’Allemagne et l’Inde : jeux et enjeux d’une rencontre 59 Ainsi la réception de Rabindranath Tagore par Emil Engelhardt relèvet-elle également d’un enjeu. En effet, l’ouvrage cherche à promouvoir l’arrivée d’un monde nouveau, alternatif dirions-nous aujourd’hui, au sein duquel pourrait s’épanouir un homme nouveau. L’idée s’est par ailleurs développée avec force au sein de l’espace germanophone autour de 1900 dans l’intention de susciter une réforme de la société que l’on imaginait engagée dans la voie de la perdition moderniste. Elle s’est incarnée dans des mouvements protéiformes appelés « mouvements de la réforme de la vie » (Lebensreformbewegung), résultant sans doute d’une dynamique sociale face à l’impuissance politique au sein d’une société souffrant d’un déficit démocratique, notamment à l’époque du Kaiserreich. 13 L’objectif de ces mouvements était, par l’action volontaire individuelle (Selbstreform), de parvenir à réformer l’ensemble de la société conçue comme la somme des individus qui la composent 14 , reprenant ainsi, du moins en partie, l’héritage romantique qui affirme l’identité des caractères de la partie et du Tout, du fragment et de l’ensemble, que celui-ci fût littéraire ou politique. A l’instar des penseurs romantiques évoqués plus haut, Emil Engelhardt dresse un sombre tableau du monde moderne, dans le droit sillage du pessimisme culturel ambiant et d’une certaine Europamüdigkeit au goût du jour, pour mieux y opposer l’avènement imminent d’un monde nouveau, au sein duquel l’homme pourrait s’épanouir, à condition qu’il suive les préceptes d’un guide, d’un Führer tel que l’incarne Rabindranath Tagore à ses yeux. Ce dernier est présenté comme un sauveur capable de faire pièce aux frustrations infligées par la modernité tout en revivifiant les valeurs et les traditions que l’auteur considère comme étant authentiquement germaniques et qu’il croit menacées de déclin. 15 Pour Engelhardt les écrits de Tagore révèlent parfaitement les aspirations réelles du peuple allemand. En effet, l’écrivain indien n’est pas perçu uniquement comme un guide spirituel ; l’enjeu de ses textes est d’une toute autre ampleur. Ils doivent engendrer la rénovation de l’« homme allemand » tout comme celle des liens sociaux et de l’Etat, ainsi que l’envisageaient les romantiques politiques dont Tagore serait pour Emil Engelhardt l’ultime représentant. L’instrumentalisation dont Tagore fait l’objet ne va pas sans soulever certaines questions, notamment celle de la propension de la pensée tagorienne à la manipulation et à l’instrumentalisation politique. Comment cette pensée a-t-elle pu donner lieu aussi aisément à des projections intimement liées à une pensée réactionnaire où germait déjà le fascisme ? La pensée tagorienne, en ce qu’elle partage certaines considérations proches d’une pensée inégalitaire, voire diffusément raciste, n’a-t-elle pas 13 Marc Cluet/ Catherine Repussard : La Lebensreform ou la dynamique sociale de l’impuissance politique. Tübingen 2013. 14 Wolfgang R. Krabbe : Lebensreform/ Selbstreform. In : Diethart Kerbs/ Jürgen Reulecke (éd.) : Handbuch der deutschen Reformbewegungen 1890-1933. Wuppertal 1998, p. 73-75. 15 Châtellier : Médiateurs de l’indianisme en Allemagne (note 4). <?page no="60"?> Catherine Repussard 60 contribué à encourager la dénaturation dont elle fit l’objet ? Engelhardt et Tagore partagent une vision du monde, une Weltanschauung, que sur certains points l’on peut tenir pour inclusive visant à amarrer l’homme à une communauté de semblables que l’on désignait déjà par le terme de Volksgemeinschaft, elle-même liée au Grand Tout de l’Univers, tout en étant exclusive par d’autres aspects, rejetant toute forme d’altérité hors de soi et du monde, ne l’acceptant finalement que sous la forme d’un autre soimême, d’un soi repensé rendant ainsi toute forme d’altérité impossible. La question soulevée reste intimement liée à la « nébuleuse réformative » que nous venons d’évoquer qui elle aussi cherchait à intégrer l’homme dans le Grand Un universel, sans pour autant être exempte de toute pensée raciste. Pour certains auteurs, les mouvements de la réforme de la vie auraient favorisé le développement du national-socialisme 16 que l’on peut considérer comme un « racisme à forme de fascisme » 17 pour lequel la réception de l’Inde et de la pensée indienne, réelle ou imaginée, a toujours joué un rôle d’importance. Ainsi, l’on peut lire chez Engelhardt que le chemin de la Rédemption est d’origine indienne, ce qui n’est en rien particulièrement original. L’Inde semble fasciner l’Allemagne, pays qui se perçoit comme celui des penseurs et des poètes, Engelhardt reprend du reste lui aussi l’expression « Das Land der Denker und der Dichter » d’usage fréquent à l’époque. 18 Il est vrai que l’Inde fut une véritable source d’inspiration pour les penseurs et les poètes allemands 19 , comme en témoigne par exemple la ballade goethéenne Dieu et la Bayadère, une légende indienne (Der Gott und die Bayadère. Indische Legende) composée en 1797 ou encore le poème La prière du Paria (Des Paria Gebet) quelques années plus tard. Emil Engelhardt souligne à de nombreuses reprises la proximité de Tagore et de Goethe : « comme chez Goethe » (« wie bei Goethe ») devient une sorte de leitmotiv de son essai sur Tagore. 20 Les romantiques allemands regrettant les progrès de la raison qui, à leurs yeux, éloignent l’homme d’un état de vigueur et de liberté primitif, considéreront que tout état antérieur est préférable à celui de leur temps. Certains d’entre eux en vinrent à suggérer l’existence d’un « peuple premier » (Urvolk) dont il fallait retrouver les croyances mythiques. Ainsi, Joseph Görres pensait-il que celles-ci s’exprimaient dans les manifestations 16 Jost Hermand : Die Lebensreform um 1900. Wegbereiter einer naturgemäßeren Daseinsform oder Vorboten Hitlers ? In : Cluet/ Repussard (éd.) : La Lebensreform ou la dynamique sociale de l’impuissance politique (note 13), p. 36-42. 17 Cf. Louis Dupeux : L’hitlérisme et ses antécédents allemands. In : Pascal Ory (éd.) : Nouvelle histoire des idées politiques. Paris 1987, p. 538-551. 18 Cf. Hulin/ Maillard (éd.) : L’Inde inspiratrice (note 4) ; Marc Cluet (éd.) : La fascination de l’Inde en Allemagne 1800-1933. Rennes 2004. 19 Cf. Maillard : L’Inde vue d’Europe (note 3). 20 Engelhardt : Rabindranath Tagore (note 1). Voir p. ex. la page 175 où l’expression « wie bei Goethe » est répétée à de nombreuses reprises. <?page no="61"?> L’Allemagne et l’Inde : jeux et enjeux d’une rencontre 61 du « génie des peuples » et Friedrich Schlegel montrait que par l’intermédiaire de la Perse, les Germains se rattachaient à l’Inde, terre privilégiée et originelle, d’où tout était issu et où survivaient des bribes de la révélation originelle. Aussi l’Allemagne étaient-elle perçue comme la nation où, par une sorte de prédestination, se sont conservées les traces les moins imparfaites de la constitution primitive. 21 August Wilhelm Schlegel, premier sanskritiste allemand et traducteur de la Bhagavad-Gita qui paraît en allemand en 1823, a cherché à relever la proximité consonantique de certains termes sanscrits et de la langue allemande, permettant au vieux germanique de se trouver sur un pied d’égalité avec les langues des cultures les plus anciennes et les plus prestigieuses. De plus, « les inductions de l’identité linguistique à l’identité culturelle et « raciologique » […] étaient systématisées en termes d’ « aryanité » par les indologues qui faisaient autorité comme Christian Lassen (1800-1876) ou [Friedrich] Max Müller (1823-1900) ». 22 L’origine indienne des Aryens fut cependant contestée dès la seconde moitié du XIX e siècle. En 1871, Ludwig Geiger avait localisé le foyer des Aryens en Europe centrale. Theodor Poesche, de son côté, considérait qu'ils étaient originaires d’Europe du Nord. Karl Penka, ethnologue allemand, défendit la même idée dans ses publications dont Origines Ariacae. Linguistisch-ethnologische Untersuchungen zur ältesten Geschichte der arischen Völker und Sprachen (1883) et Die Herkunft der Aryer (1886), tout en ajoutant qu'ils pouvaient être identifiés par des caractères physiques propres aux populations nordiques. Ses thèses se propagèrent en Angleterre, notamment par la parution en 1889 d’un ouvrage de Gerald Henry Rendall, The Cradle of the Aryans. Pour sa part, Tagore ne reprendra pas ces théories, mais ne reniera pas l’idée d’un Aryen à la peau claire, submergeant la civilisation de la vallée de l’Hindus où s’est développée la civilisation Harappa à la peau foncée. Dans son ouvrage Vers l’Homme universel (Towards Universal Man), il présente les Aryens comme des envahisseurs relativement pacifiques, cautionnant ainsi le mythe aryen 23 au travers d’une reconstruction historique largement imaginée. 24 Quoi qu’il en soit, au début du siècle dernier, le Bildungsbürgertum a une image positive de l’Inde. La société théosophique, puis la société anthroposophique, à la tête de laquelle se trouve Rudolph Steiner, ont contribué à vulgariser les spiritualités indiennes auprès d’un public non 21 Jacques Droz : Le romantisme politique en Allemagne. Paris 1963. 22 Cluet (éd.) : La fascination de l’Inde en Allemagne (note 17), avant-propos, p. 13. 23 Léon Poliakov : Le mythe aryen. Paris 1971 ; Ruth Römer : Sprachwissenschaften und Rassenideologie in Deutschland. Munich 1985 ; Maurice Olender : Les langues du paradis. Paris 1989. 24 Rabindranath Tagore : Vers l’homme universel. Paris 1961, p. 239-240. Voir également Malou l’Héritier/ Fabien Chartier : Rabindranath Tagore, sentinelle d’une Inde nouvelle. Paris 2011. En particulier le premier chapitre : Tagore, passeur entre l’Orient et l’Occident, p. 13-67. <?page no="62"?> Catherine Repussard 62 pas grand, mais influent. 25 Repensant largement ces spiritualités orientales afin de les adapter à un public européen, la théosophie s’affirme en premier lieu comme un syncrétisme religieux. Engelhardt pourtant rejette cette approche et fera paraître un ouvrage dans lequel il s’oppose radicalement à Rudolph Steiner. 26 Ainsi, la fascination de l’Inde en Allemagne, la diffusion de théories à caractère raciologique ainsi que l’importance de mouvements comme l’anthroposophie et la théosophie pourraient expliquer, du moins partiellement, l’excellence de l’accueil de Tagore lors de ses voyages entrepris en Allemagne (et en Alsace) 27 , comme en témoignent de nombreuses photographies. 28 Lors de son premier séjour dans les années vingt, il trouve un pays humilié par la défaite et l’intransigeance des clauses du traité de Versailles, un pays où la révolution de janvier 1919 a été noyée dans le sang, un pays certes gouverné par le parti socialiste, mais dont les forces réactionnaires sont puissantes, un pays à la recherche d’une troisième voie spécifiquement allemande (deutscher Sonderweg), au delà du marxisme et du capitalisme, déjà considéré comme « prédateur » (Beutekapitalismus), dans le droit sillage des mouvements de la réforme de la vie engagés dans la recherche d’une « autre modernité », inscrite dans la fusion des contraires et devant jeter les bases de nouvelles (ré)conciliations. Elles permettent de comprendre l’adéquation de l’œuvre de Tagore avec les attentes de la société civile allemande dont les multiples meurtrissures expliquent certainement le succès de l’ouvrage d’Emil Engelhardt, sans cesse réédité jusque dans les années soixante. 29 Par ailleurs, ce succès peut également s’expliquer par la conjonction entre les attentes du public, sa soif de connaissance et la volonté de la part de vulgarisateurs de populariser du savoir. Le livre correspond en ce sens à un type d’ouvrages véritablement emblématiques de ce que lisaient à l’époque les milieux cultivés. 30 L’ouvrage consacré à Tagore est de bonne 25 Aurélie Choné : Rudolf Steiner, Carl Gustav Jung, Hermann Hesse, Passeurs entre Orient et Occident, Intégration et transformation des savoirs sur l’Orient dans l’espace germanophone (1890-1940). Strasbourg 2009, p. 25-71. 26 La notoriété que connut Emil Engelhardt dans les années vingt est en grande partie liée à ses prises de positions contre l’anthroposophie de Rudolf Steiner. Cf. Emil Engelhardt : Jugendbewegung gegen Anthroposophie. Rudolstadt 1922. 27 Notons que l’accueil réservé à Tagore par la ville de Strasbourg et son université marqua un changement d’attitude par rapport à l’accueil parisien quelque peu distant. Dès son arrivée, l’université de Strasbourg proposa un jumelage avec Santiniketan. Les étudiants strasbourgeois fondèrent également un comité de soutien à Tagore, et Albert Schweitzer, icône alsacienne s’il en fut et futur prix Nobel de la paix, écrira sur la proximité de sa pensée avec celle de Tagore, notamment au travers de l’idée de l’affirmation de la vie et de l’universalité d’un vouloir vivre. 28 Cf. Martin Kämpchen : Radindranath Tagore und Deutschland. Marbach 2011. 29 Emil Engelhardt : Rabindranath Tagore. Die Religion des Menschen. Freiburg im Breisgau 1962. 30 L’exemplaire utilisé pour cet article est celui de la Bibliothèque nationale et universitaire de Strasbourg et porte la mention « Ihren lieben Else und Fritz, en <?page no="63"?> L’Allemagne et l’Inde : jeux et enjeux d’une rencontre 63 facture et indubitablement didactique. Emil Engelhardt est un pasteur protestant nourri de la lecture de la Bible, exercé à la prédication, à la transmission pédagogique. La conception et la présentation de son ouvrage sont claires et cohérentes ; son écriture est dense mais classique. Les passages de Tagore devant illustrer le propos sont nombreux ; l’ouvrage est bien documenté. Emil Engelhardt, sanskritiste et traducteur, connait parfaitement l’œuvre de Tagore. 31 Engelhardt se conçoit comme un voyageur entre les mondes et comme un passeur. Il ne fait pas pour autant preuve d’originalité. Son approche relève du « biographisme » positiviste tel qu’il se pratiquait à l’époque, qui permettait de populariser les œuvres de grands auteurs auprès d’un large public. Revenons maintenant sur la façon dont Emil Engelhardt met en scène la proximité de la pensée de Tagore et la pensée allemande, au gré de ce que l’on peut considérer comme un incoercible « désir de romantisme », étroitement lié, ainsi que nous l’avons souligné, à la volonté réformer la vie (Lebensreform) et de changer sa vie (Selbstreform). Les ouvrages publiés par Emil Engelhardt s’inscrivent dans les poussées alternatives de l’époque, cherchant à mettre en place une communauté politique, économique, sociale mais aussi culturelle alternative. Elles touchent à toutes sortes de questions pratiques relevant de la relation au sein du couple, de l’amour libre ou plus généralement du rôle de la femme dans la société. 32 D’autres s’interrogent quant à l’éducation à donner à la jeunesse ou à la pertinence de la mise en place d’écoles pratiques, ouvertes sur les réalités du monde. 33 Dans l’ensemble, ces préoccupations relèvent des grandes questions sociétales de l’époque et c’est pour cette raison qu’Emil Engelhardt entreprend de rédiger ce que nous pourrions tenir pour un guide pour une ère nouvelle qui à ses yeux ne doit pas correspondre à des « temps modernes ». Il tient à préciser que son ouvrage consacré à Tagore n’est pas le fruit d’une indomania au goût du jour 34 , mais qu’il a rédigé un manuel cadeau de mariage, 29 mai 1921, Freiburg im Breisgau, signé Karliza ». Il appartient déjà à la seconde édition de l’ouvrage. 31 Voir par exemple ses nombreuses traductions de l’œuvre tagorienne, ses ouvrages sur le yoga ainsi que le second ouvrage qu’il consacre à Tagore un an plus tard. Cf. Emil Engelhardt : Rabindranath Tagore und seine besten Bühnenwerke. Das Postamt, Der Frühlingskreis, Chitra, Der König der bunten Kammer, Sanyasi oder Der Einsiedler, König und Königin, Das Opfer. Berlin 1922. 32 Voir par exemple : Emil Engelhardt : Die Volkshochschule in Deutschland. Kritik und Aufbau. Hamburg 1919. 33 Voir entre autres : Emil Engelhardt : Gegen Muck und Muckertum : eine Auseinandersetzung über die höhere freie Liebe mit Muck-Lamberty und Gertrud Prellwitz. Hartenstein in Sachsen 1921. 34 Engelhardt : Rabindranath Tagore (note 1), p. 38 : « Und dieses Buch soll ja auch nicht etwa um irgend einer literarischen Mode willen oder zur Sensation geschrieben sein ». <?page no="64"?> Catherine Repussard 64 (« Wegweiser und Wegbereiter ») 35 pour les temps à venir dont la visée est de promouvoir la force de l’esprit d’un passeur comme Tagore (« Brückenwirkung seines Geistes ») 36 dans le but de repenser et de réinscrire la modernité. Le point de départ de la réflexion de Emil Engelhardt s’inscrit dans le pessimisme culturel, largement répandu à l’époque. Initié par la philosophie de Schopenhauer et de Nietzsche, celui-ci s’imposa par la suite dans la sphère culturelle, notamment grâce à l’énorme succès de l’ouvrage d’Oswald Spengler Der Untergang des Abendlands dont le premier tome était paru en 1918. Les visions eschatologiques se diffusèrent par la suite à travers une littérature populaire aux titres effrayants 37 , témoignant de ce que Sigmund Freud considérera dans les années trente comme « un malaise dans la civilisation » (Das Unbehagen in der Kultur). L’idée d’une Europe malade d’elle-même, malade de technique et de civilisation, malade d’avoir perdu son âme et par là le chemin permettant d’accéder à l’âme du monde, se répandit et fut largement partagée. C’est ce que souligne Engelhardt lorsqu’il écrit : « Es ist der größte Irrtum unserer Zeit, zu sagen: Nicht die Seele, sondern die Maschine sei das Wertvollste für uns. Die Erlösung der Menschheit zu ihrem Innenwesen kommt nicht daraus, daß man sie im vollkommensten Rhythmus von Rädern drillt. » 38 A l’Europe décadente, Engelhardt oppose le tableau d’un Bengale, patrie de Tagore, parfaitement idyllique : « Diese Welt liebt der Dichter des Gitanjali und des Gärtners, - Lieder, die in vielem uns die Seele jener Natur so nahe bringen, als wären wir in ihr erwachsen. Das Natürliche und Übernatürliche liegt ja in jenen Breiten viel näher beisammen, ohne scharfe Grenze, mit fließenden Übergängen als im Abendland. Unsere ganze sogenannte abendländische Kultur ist ja doch auf dem Irrweg steckengeblieben, dem stolzen Herrn der Schöpfung „Komfort“ zu bereiten. Und aus Bequemlichkeit - oder aus Unfähigkeit der abgestumpften Organe? hat der zivilisierte Bürger des modernen Europa alles aus der Welt der Wirklichkeit gestrichen, was er nicht mit seinen fünf Sinnen schmecken, riechen, sehen oder fühlen kann. Der Hindubauer aber kennt aus seiner unmittelbaren Beziehung zu der Natur auch die Hintersinnlichkeit als Wirklichkeiten der Welt. » 39 A l’instar de quantité d’auteurs de l’époque, le sujet sera abordé à de nombreuses reprises. Cependant, il ne retiendra pas davantage notre attention. Il s’agit d’un fait entendu, d’une conviction partagée : l’Europe a 35 Ibid. 36 Ibid. 37 Voir par exemple le roman de Max Haushofer : Planetenfeuer. Ein Zukunftsroman. Stuttgart 1899. Dans ce roman l’auteur met en scène les derniers jours de la terre face à l’imminence d’une collision avec un météorite gigantesque. 38 Engelhardt : Rabindranath Tagore (note 1), p. 275. 39 Ibid., p. 92. <?page no="65"?> L’Allemagne et l’Inde : jeux et enjeux d’une rencontre 65 perdu son âme, Engelhardt évoque « das seelenlose Europa ». 40 Plus importante est la question d’une éventuelle rédemption du vieux continent et dans son ouvrage l’auteur se donne pour mission de proposer toutes sortes de solutions afin de remédier au désastre. Il convient, en premier lieu, de faire confiance aux poètes qu’il tient pour les véritables guérisseurs de l’humanité : « Die wahren Dichter haben alle die Kräfte zur Heilung der Menschheit gefunden ». 41 Il pense évidemment à Tagore, supplément d’âme venant d’Orient, mais aussi à Goethe, à Novalis, ou encore à Wagner qu’il tient pour ses pendants occidentaux. Il songe également à Schlegel, qui à ses yeux a su parfaitement décrire le processus poétique qui consiste « à mettre un terme à la raison qui pense raisonnablement afin de transplanter l’homme dans le merveilleux dédale de la fantaisie, dans le chaos primordial de la nature humaine » 42 , projet qui reviendrait à « poétiser le monde » ou encore à « enrober d’or le quotidien » comme le fait Tagore d’après Engelhardt (« Tagore vergoldet den Alltag »). 43 Le poète connaît l’éternelle mélodie de l’univers qui révèle la complémentarité de toute chose, car la poésie permet de dépasser les frontières entre l’individu et la nature. 44 Engelhardt reprend également l’idée développée par Novalis dans Heinrich von Ofterdingen lorsque celui-ci imaginait que la nature s’est transformée en humains afin de pouvoir jouir véritablement de sa haute condition artistique. Lorsqu’il évoque l’étroitesse et la profondeur de la relation qui lie l’homme à l’univers, Engelhardt souligne que l’homme s’est élevé à la contemplation spirituelle du monde : « Er [der Mensch ] erhebt sich zur geistigen Schauung der Welt ». 45 Pour Engelhardt, la poésie de Tagore est également un hommage à la Terre-Mère (« Mutter Erde » 46 ) et à sa plus belle parure, les fleurs qui sont des portes ouvertes sur le monde et où se mire sa beauté. 47 Il met l’accent sur la proximité de l’approche tagorienne et de l’ironie romantique, de la « paradoxie schlégelienne » qui relève de la mise en abîme devant permettre de saisir l’harmonie universelle des sens liés à l’esprit, mais aussi 40 Ibid., p. 39. 41 Ibid., p. 38. 42 Ibid. : « [Unser Ziel ist es,] den Gang und die Gesetze der vernünftig denkenden Vernunft aufzuheben und uns wieder in die schöne Verwirrung der Phantasie in das ursprüngliche Chaos der menschlichen Natur zu versetzen ». 43 Ibid., p. 40. 44 Ibid., p. 169 : « Das Vermögen der Poesie überwindet die Grenze zwischen dem Individuum und der Natur ». 45 Ibid., p. 272. 46 Ibid., p. 99. 47 Ibid., p. 100, 113 où il est question de « sprechende Blüten » et p. 261 : « Die Blumen sind Tore zur Welt ». <?page no="66"?> Catherine Repussard 66 à l’action. 48 Il reviendra également sur l’idée de l’âme du monde (« Seele der Welt » 49 ), que les chants populaires bengalis sont capables de révéler, mêlant le naturel et le surnaturel. Pour Engelhardt, la réalité du monde ne se limite pas au visible ; il existe bien une réalité de l’intériorité humaine qui fonde la communauté des hommes, elle-même source d’éternité. L’intériorité est saisie comme poésie, familière à la patrie originelle de l’âme humaine. Tagore en tant que poète est considéré par Engelhardt comme un passeur, un traducteur de la vie intérieure du monde, de la vie et de l’homme. 50 De sorte que pour lui, la poésie de Tagore se prend dans le rythme toujours recommencé de la vie, dans le miroir de l’infini. 51 Il apparaît clairement que la lecture qu’il propose de la poésie de Tagore est empreinte des principales thématiques développées par le romantisme allemand. C’est ainsi qu’il reprend l’idée de nostalgie 52 , maladie du retour en soi et sur soi, tant valorisée par les romantiques. Le poète est le produit d’un genius loci. A l’Europe décadente, thème récurrent en Allemagne nous l’avons déjà souligné, Engelhardt oppose la vision d’un Bengale merveilleux, où le naturel et le surnaturel se rejoignent plus facilement qu’en Occident, où l’homme soi-disant civilisé a banni de la réalité tout ce qu’il ne parvient pas à saisir par ses cinq sens, atrophiés par la facilité et le confort. Le paysan indien en revanche parvient, grâce à son lien immuable avec la nature, à saisir la réalité de son sens caché qu’Engelhardt comprend comme l’âme du monde. 53 Le peuple bengali aurait développé la capacité d’intérioriser l’invisible, cette vie intérieure qui fonde la communauté des hommes pour l’éternité. Tagore en tant que poète est le passeur des mondes, celui qui fait don à l’homme de la vie intérieure de l’univers. Engelhardt insiste sur l’importance de la nostalgie et rappelle la conception de Richard Wagner, dont on connaît la passion pour l’orientalisme et la philosophie hindoue 54 , selon laquelle seuls les nostalgiques saisissent le véritable sens des choses. 55 Le désir de se retrouver chez soi, voire en soi, le Heimweh est le chemin qui mène à 48 Ibid., p. 269 : « Wir haben eine doppelte Stellung zur Welt. Die sinnliche Welt erkennen wir; in der hintersinnlichen leben wir. » et p. 271 où il est question de « Harmonie in Gefühl und Tat ». 49 Ibid., p. 92. 50 Ibid., p. 78 : « So ist Tagore ein lyrischer Dolmetscher des innerlichen Wesens von Welt und Leben und Mensch. » 51 Ibid., p. 85 : « Tagores Dichtung steht im Kreislauf des Ewigkeitlebens » et p. 98 la poésie de Tagore est comparée au miroir de l’infini (« Der Spiegel des Unendlichen »). 52 Ibid., p. 183 et p. 228. 53 Ibid., p. 92. 54 Jacques Chailley : Parzifal de Richard Wagner, opéra initiatique. Paris 1979, p. 51 sqq. et Danielle Buschinger : Le Parzifal de Richard Wagner et le Bouddhisme. In : Cluet : La fascination de l’Inde en Allemagne (note 17), p. 129-138. 55 Engelhardt : Rabindranath Tagore (note 1), p. 93. Il écrit à propos de Richard Wagner : « Nur Sehnende kennen den Sinn ». <?page no="67"?> L’Allemagne et l’Inde : jeux et enjeux d’une rencontre 67 l’éternité ainsi que l’avait déjà affirmé le héros de Heinrich von Ofterdingen, ajoutant qu’en l’homme se trouvait l’infini et ses mondes, le passé ainsi que le futur. L’intériorité est saisie comme une poésie, familière à la patrie originelle de notre âme, comme des hymnes venus du fond des âges, comme un écho venu du fond de la nuit. 56 Engelhardt, à l’instar des romantiques, souligne l’importance de la vie psychique et affirme « la nécessité d’aller à l’école de la nuit ». 57 Il est pour le lecteur impossible de ne pas penser aux hymnes à la nuit de Novalis ! De plus, Engelhardt idéalise l’enfance symbolisant à ses yeux la pureté de l’innocence, parvenant ainsi à devenir le médium du message divin. 58 Chez Tagore, nous dit-il, la naïveté, la simplicité et la spontanéité de l’enfant sont opposées aux règles et au système coercitif du savoir savant et des usages sociaux. Une fois de plus, l’intertextualité avec les ouvrages de Novalis, affirmant que l’âge d’Or est celui de l’enfance, est frappante. Rappelons à cet effet que dans Heinrich von Ofterdingen, c’est un enfant qui parvient à dépasser le temps et la mort pour fonder l’empire de l’éternité. L’idée de l’enfant se superpose à celle du peuple, messager et révélateur d’une poésie véritable. Engelhardt procédera comme il le fait d’habitude, en opposant l’Occident et l’Orient. En Occident, écrit-il, l’homme (du peuple) est assimilé à un corps dont on peut estimer la valeur sur le marché d’après sa force de travail 59 , tandis que les Bengalis seraient un peuple de travailleurs et de paysans-poètes, doué du langage de l’âme accordé par la nature, si bien que l’âme du monde s’exprimerait par leurs chants, véritable expression d’une poésie vivante 60 , authentique et pure, en raison du lien indéfectible qui lie l’expression poétique à l’âme de leur patrie (Heimatseele). 61 Ainsi Engelhardt revient-il sur l’idée développée par les romantiques quant à l’importance des chants populaires, composés et chantés par les paysans, sensés révéler l’âme d’un peuple. Rappelons brièvement que Clemens Brentano et Achim von Arnim ont édité le premier recueil de chants populaires Des Knaben Wunderhorn paru en 1805 suivi par la publication de Die teutschen Volksbücher par Joseph Görres en 1807. Engelhardt lui-même publiera un recueil de chants populaires 56 Ibid., p. 92 : « Lyrik [besteht aus] vertrauten Grüßen aus einer Urheimat unserer Seele » ; p. 37 : « Das Reich vertiefter Innerlichkeit » ; p. 67 Engelhardt évoque une vision en soi en employant le terme de « Innenschau ». Voir également p. 68. 57 Ibid., p. 265 : « Um die Welt als Ganzes zu erblicken, müssen wir in die Nachtschule gehen ». 58 Ibid., p. 155 : « Die Gottesbotschaft im Kinde ». Voir également p. 65. 59 Ibid., p. 275 : « Der Mensch wird vielfach nur als Körper beschäftigt, gerade in Ländern „hochstehender Zivilisation“. Man kauft und verkauft ihn auf dem Markt nur als körperlich leistungsfähiges Arbeitstier ». 60 Ibid., p. 94 : « In Bengalen ist eben das Lied für das Volk, herab bis zum einfachen Arbeiter und Bauersmann die naturgegebene Sprache der Seele ». 61 Ibid., p. 51 : « Echtheit und Reinheit des Dichterischen in Tagore zeugen einige Erinnerungen, die er selbst erzählt. Heimatseele. Wie Tagore aus seiner Heimatseele geschaffen hat. » <?page no="68"?> Catherine Repussard 68 suédois dans le même esprit. 62 L’idée s’étendra par la suite aux contes, que l’on croit révélateurs de l’âme populaire, pensons aux contes de Jakob et Wilhelm Grimm Die Kinder- und Hausmärchen (1812) qui sont, pour la plupart d’entre eux, des contes de Perrault retraités, ce qui réfute la théorie largement diffusée à l’époque romantique et reprise par Engelhardt, affirmant qu’ils sont un vivant témoignage non plus de l’âme du peuple, mais de l’âme d’un peuple, de cette Volksseele chère à Herder et que ce dernier considérait comme préexistante chez un peuple à tout acte rationnel, s’inscrivant ainsi dans une continuité naturelle. Engelhardt reprend cette approche et affirme que la poésie n’est que l’émanation naturelle de son lieu d’origine, le Bengale. C’est en ce sens qu’il qualifie Tagore de Heimatdichter, vecteur et traducteur d’une Heimatseele. 63 Tagore ne serait-il finalement pour Engelhardt que le plus Allemand des auteurs indiens ? Pourtant une différence notoire subsiste entre les romantiques et Tagore. Les romantiques exprimaient leur mal-être au monde qui menait le plus souvent vers une « émigration intérieure du poète », ainsi que l’a bien décrit ETA Hoffmann dans Der goldene Topf où le poète finira enfermé dans une bouteille, symbole de l’impossibilité de toute création artistique. Engelhardt en revanche confère une force et un rôle bien spécifique au poète, et tout particulièrement à Tagore, qui en tant que voyageur entre les mondes devient finalement un véritable représentant de l’Occident car, affirme Engelhardt de but en blanc, c’est un Indo-Germain. De ce fait, il est celui qui se situe entre l’est et l’ouest, mais aussi entre le passé et le futur, d’après une conception romantique et cyclique du déroulement historique appréhendé comme un éternel retour qui superpose les notions temporelles de passé, de présent et de futur : « So ist Tagore herausgewachsen und verwurzelt in dem uralten Geistesleben Indiens; und doch ein durchaus moderner Mensch der indogermanischen Welt, der eine erst im Kommen begriffene Zeit einer vertieften Innerlichkeit des Lebens in seinem Dichten und Denken vorausnimmt und darstellt: Hüter eines uralten Menschheitserbes und Führer in eine neue indogermanische Innerlichkeitszukunft. » 64 La réception de Tagore par Engelhardt consiste finalement à se recevoir soi-même. La Weltliteratur qu’évoque Emil Engelhardt dans son ouvrage et dont Tagore serait un éminent représentant se situe dans le droit sillage du texte de Goethe Was ist Weltliteratur? 65 dans lequel celui-ci concevait l’émergence d’une littérature mondiale, entendons une littérature cosmopolite où des écrivains de rang mondial parviendraient à toucher l’ensemble de l’humanité, une et partout semblable en son âme. Par là, 62 Emil Engelhardt (éd.) : Schwedische Volkstänze, transp. par E. Engelhardt. Wolfenbüttel 1922. 63 Engelhardt : Rabindranath Tagore (note 1), p. 247. 64 Ibid., p. 37. 65 Ibid., p. 96. <?page no="69"?> L’Allemagne et l’Inde : jeux et enjeux d’une rencontre 69 toute forme d’exotisme est niée et, au titre de l’Universalpoesie romantique, Tagore est transformé en un poète allemand. L’Universalpoesie est partagée par l’humanité toute entière, mais s’exprime de façon privilégiée chez les Germains, qui, grâce à leur affinité indo-germanique trouvent chez Tagore le chemin qui les mène au sein de leur intériorité profonde. Engelhardt ajoute que la poésie de Tagore n’est source de dépaysement qu’à de très rares endroits : « Es ist erstaunlich, wie Tagores Dichtung gerade den innerlichen Deutschen packt. Es ist nicht nur die indogermanische Verwandtschaft Ursache, sondern wir sehen in Tagore einen der ganz großen Führer zur Innerlichkeit des Lebens. Und sie ist doch die Sehnsucht unserer Besten. Nur an ganz wenigen Stellen finden wir etwas Fremdes im Hinblick auf Klima, Volksleben oder kultischen Bräuchen. Aber haben nicht auch deutsche Dichter in ihren Werken uns an die Ufer des Ganges versetzt ? » 66 Cette conception de la Weltliteratur ou de la poésie universelle appelle une littérature conçue comme un reflet de soi, en l’occurrence de l’âme allemande, où, d’après Engelhardt, se mire l’âme du monde. La littérature devient alors l’expression du Tout englobant, idée que l’on pourrait opposer à l’Orientalisme, alors en vogue en Europe. Edward Said y a consacré son ouvrage le plus célèbre, dans lequel il cherche à montrer que pour les Orientalistes européens, l’entité désigné par l’Orient n’est qu’une autoprojection fictionnelle négative, permettant une valorisation de soi. 67 Chez Engelhardt en revanche, le regard jeté sur l’Orient est positif, puisque l’autre est perçu comme dédoublement de soi, comme un autre soi-même, en vertu d’une origine et d’une langue originelle commune, mais aussi d’après une appréhension du monde, une Weltanschauung qu’il estime largement partagée, ce que souligne avec force la fréquence des comparaisons entre Tagore et Goethe ou de celles entre Tagore et Fichte, récurrentes tout au long de l’ouvrage, ainsi que nous l’avons souligné plus haut. Ainsi Engelhardt inscrit-il l’œuvre du poète indien dans un programme de renouveau spirituel en vue de réenchanter le monde, sous l’égide d’un peuple élu, seul peuple véritablement réceptif à la poésie vraie, surgie du fond des temps, au travers de la douceur du chant de l’âme humaine, pour parler non pas avec mais comme le fait Engelhardt : « Es ist heute die Schicksalsfrage der Menschheit und unseres Volkes, ob wir in der Mechanisierung der technischen Zivilisation untergehen und seelisch verkommen, oder ob wir schöpferische Menschen aus dem ewigen Wesen der Welt, und damit Träger und Geburtshelfer einer wahren geistigen Kultur zu einem Aufstieg und einer Wiedergeburt der Menschen 66 Ibid., p. 36. 67 Edward W. Said : Orientalism. New York 1979. <?page no="70"?> Catherine Repussard 70 werden. Das deutsche Volk hat anscheinend diese Aufgabe in besonderem Maße unter den europäischen Völkern gestellt bekommen. » 68 Engelhardt rejette avec force la civilisation technique et affirme vouloir sauver l’âme du peuple grâce à la création artistique. Par ces propos, la proximité avec les mouvements réformateurs et/ ou d’avant-garde est nette, témoignant effectivement d’une crise majeure de la civilisation ou tout du moins de la société allemande. En affirmant qu’il incombe spécifiquement à l’Allemagne de se charger de cette mission en raison de son aryogermanité, Engelhardt repense le romantisme allemand et, dans son sillage, l’œuvre de Tagore à partir des théories « raciologiques » de la fin du XIX e siècle. Le Tagore d’Engelhardt est un texte purement idéologique où s’exprime une crise de la modernité aux prises avec la modernisation. Il se caractérise par l’expression d’une volonté de réorientation spirituelle, sociale, économique et politique impliquant l’homme dans son entièreté et, au travers de son interaction avec le grand Tout qui l’englobe, dans le sillage des approches liées à la Lebensreform et au monisme 69 très en vogue à l’époque. Dans le cas du Tagore d’Engelhardt, l’affirmation d’une sorte d’holisme de circonstance que l’auteur lit dans l’œuvre de Tagore doit permettre de « réequilibrer l’humanité », et de développer une harmonie nouvelle à travers la fusion des contraires, tâche dévolue au peuple allemand qui, mieux que tous les autres peuples, sera amené à régénérer l’Europe décadente, grâce à son affiliation à une indianité saisie et valorisée comme originelle. Pour Engelhardt, il s’agit d’engager l’Allemagne sur une voie nouvelle qu’il imagine inspirée de Tagore et qui, sans doute parce qu’il a oublié la lucidité politique du Tagore réel, l’a amené à rejoindre en 1939 l’Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben 70 , institut à vocation ouvertement raciste dont l’objet était d’expurger la vie religieuse allemande de toute influence juive. La question fondamentale que soulève l’ouvrage que Engelhardt consacre à Tagore est par conséquent celle de la perversion d’une pensée. L’on ne trouve dans cet essai sur Tagore nulle référence au lien qu’entretenait Tagore avec la réalité politique de son temps, à son engagement politique ou encore à sa 68 Engelhardt : Rabindranath Tagore (note 1), p. 444. 69 Ernst Haeckel (1834-1919) fut médecin, puis professeur d’anatomie comparée. Il est l’un des premiers scientifiques à avoir saisi la psychologie comme une branche de la physiologie et il contribua par ses écrits à la diffusion des théories de l’évolution défendues par Charles Darwin. Il participa également à l'introduction de certaines notions de biologie actuelle comme l'écologie. Haeckel propagea le monisme et fonda le 11 janvier 1906 le Deutscher Monistenbund (union moniste allemande) à Iéna. Le monisme affirme l’unicité de toute vie organique au travers d’une substance qui lie tous les êtres au sein de la communauté du vivant. Dans ce grand Tout, rien n’est spécifique à l’humain qui est considéré comme une partie du Tout. Pour Haeckel, la substance cosmique est une ; elle réunit le beau, le juste, le vrai au sein de l’idée d’harmonie et d’équilibre entre la partie et le Tout. 70 Cf. Hans Prolingheuer : Wir sind in die Irre gegangen. Köln 1987, p. 150. <?page no="71"?> L’Allemagne et l’Inde : jeux et enjeux d’une rencontre 71 clairvoyance politique vis-à-vis du mouvement du Swadeshi et d’une réforme sociale et politique en Inde. 71 Engelhardt transforme l’œuvre de Tagore en une œuvre protofasciste, alors que ce dernier cherchait à ouvrir la voie à une modernité repensée, à une modernité qui serait parvenue à intégrer une réflexion sur sa propre essence, en deux mots, à ce que le sociologue allemand Ulrich Beck considère comme une « modernité réflexive » 72 correspondant effectivement par bon nombre d’aspects à ce type de modernité auquel aspiraient les mouvements alternatifs et de réforme de la vie qui fleurissaient alors sur le sol allemand. Bibliographie Châtellier, Hildegard : Médiateurs de l’indianisme en Allemagne. In : Michel Hulin/ Christine Maillard (éd.) : L’Inde inspiratrice. Réception de l’Inde en France et en Allemagne (XIX e & XX e siècles). Strasbourg 1996. Cluet, Marc (éd.) : La fascination de l’Inde en Allemagne 1800-1933. Rennes 2004. Cluet, Marc/ Repussard Catherine : La Lebensreform ou la dynamique sociale de l’impuissance politique. Tübingen 2014. Engelhardt, Emil : Die Volkshochschule in Deutschland. Kritik und Aufbau. Hamburg 1919. — Johann Gottlieb Fichte. Leipzig 1921. — Rabindranath Tagore als Mensch, Dichter und Philosoph. Berlin 1921. — Jugendbewegung gegen Anthroposophie. Rudolstadt 1922. — Rabindranath Tagore. Die Religion des Menschen. Freiburg im Breisgau 1962. Hulin, Michel/ Maillard Christine (éd.) : L’Inde inspiratrice. Réception de l’Inde en France et en Allemagne (XIX e & XX e siècles). Strasbourg 1996. Maillard, Christine : L’Inde vue d’Europe. Histoire d’une rencontre (1750-1950). Paris 2008. 71 Horst Krüger : Rabindranath Tagore und die revolutionäre Befreiungsbewegung in Indien 1905-1918. In : Sitzungsberichte der deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Berlin 1965, p. 1-42. 72 Ulrich Beck : Risikogesellschaft. Frankfurt am Main 1986. Pour Ulrich Beck, la modernisation devrait se moderniser elle-même et s’inclure dans le champ de son action dans le cadre d’une « rationalisation réflexive ». <?page no="73"?> Julie Dumonteil Rabindranath Tagore et la Reformpädagogik Au XIX e siècle, l’urbanisation et l’industrialisation changent le monde de façon radicale. Ces bouleversements génèrent chez de nombreux individus un sentiment d’incompréhension et de crainte. Pour faire face, l’homme cherche à se créer de nouveaux horizons. En réaction à la modernité, de nouveaux modes de vie et de pensée voient le jour. Or, cette remise en question de la modernité se fait également contre les institutions en place, et tout particulièrement contre l’institution éducative qui semble bien incapable d’apporter une réponse aux nombreuses interrogations de l’époque. Pour que les individus puissent sortir de la crise, il faut qu’ils pensent autrement, qu’ils vivent différemment, qu’ils retrouvent un lien authentique avec la nature qui les entoure ainsi qu’avec les autres êtres humains. C’est pourquoi, au tournant du siècle, une éducation nouvelle se propage à travers le monde. Dans ce contexte, il convient alors de se pencher plus précisément sur deux tentatives particulières pour redonner du sens à l’éducation en transformant radicalement sa forme ainsi que ses contenus : il s’agit d’une part de la Reformpädagogik 1 , c’est-à-dire de l’Education nouvelle telle qu’elle s’est propagée au sein de l’espace germanophone, et, d’autre part, de l’école de Santiniketan créée par le prix Nobel de littérature indien, Rabindranath Tagore. Ces deux tentatives sont géographiquement bien éloignées l’une de l’autre et cette juxtaposition peut, au premier abord, sembler surprenante. Pourtant l’Inde est bien au cœur de ces deux réflexions sur l’éducation. En effet, le mouvement allemand de réforme de la vie, la Lebensreform 2 , qui propose une « refonte de l’existence » 3 , et la 1 Ce terme désigne ce que l’on appelle dans l’espace francophone « l’Education nouvelle ». L’appellation française ne rendant pas compte des connotations historiques du terme allemand, nous préférons, par souci d’exactitude, conserver ce dernier. En tant qu’un des volets de la Lebensreform, la Reformpädagogik englobe différentes tentatives de transformation de l’éducation et de l’enseignement pour lutter contre un système scolaire répressif et permettre la réalisation d’un Homme nouveau, en harmonie avec le cosmos. Les pédagogies alternatives élaborées par des pionniers tels que Gustav Wyneken ou Rudolf Steiner sont mises en pratique par exemple dans la communauté éducative de Wickersdorf ou encore, un peu plus tardivement, dans les écoles Waldorf qui existent encore aujourd’hui. 2 La Lebensreform est un mouvement protéiforme proposant, pour que les individus soient plus en accord avec la nature, de nouvelles manières de vivre. Elle s’applique ainsi à des domaines aussi divers que la santé avec les médecines naturelles, l’habillement en dénonçant la nocivité du corset et en vantant les mérites du <?page no="74"?> Julie Dumonteil 74 réflexion pédagogique qui l’accompagne, la Reformpädagogik 4 , sont profondément influencés par une certaine conception de l’Inde, par le fantasme d’un mode de vie oriental axé sur l’essentiel et empreint de sagesse. Ces mouvements qui prônent un retour à la nature confèrent ainsi au sous-continent un rôle de modèle et de guide. Nous étudierons donc, dans un premier temps, l’influence qu’exerce l’Inde sur les mouvements allemands de réforme de la vie, et plus particulièrement sur leur conception de l’éducation. Une fois ce parallèle établi, il s’agira de définir si l’image que se font les réformateurs allemands de l’éducation en Inde comme cheminement vers la totale réalisation de l’individu n’est pas une pure vue de l’esprit. Pour ce faire, nous nous intéresserons aux réflexions qu’inspirent à Tagore les différents établissements d’enseignement indiens qu’il fréquente pendant sa jeunesse. Enfin, pour mener à bien cette étude sur les similitudes entre la Reformpädagogik et la conception de l’éducation de Tagore, nous nous intéresserons à la rencontre concrète entre ces deux univers en de nombreux points semblables. En effet, lors de ses voyages en Allemagne, Tagore vient à la rencontre de la jeunesse allemande et tout particulièrement de celle qui évolue dans les cercles de réforme de la vie et qui est le produit de ces nouvelles écoles qui voient alors le jour. Nous étudierons donc les impressions des différents protagonistes lors de ces rencontres, pour voir si elles confirment bien l’hypothèse première d’une parenté de ces deux pensées. 1. Influence de l’Inde sur les mouvements de réforme de la vie et de la pédagogie allemands Dès le romantisme, l’Inde apparaît dans la littérature allemande comme le lieu d’une sagesse et d’une spiritualité à laquelle aspire l’Occident 5 . Décrite naturisme ou encore l’alimentation avec le végétarisme et la lutte contre l’alcoolisme (cf. Wolfgang Krabbe : Lebensreform/ Selbstreform. In : Diethart Kerbs/ Jürgen Reulecke (éd.) : Handbuch der deutschen Reformbewegungen 1880-1933. Wuppertal 1998, p. 73-75.) 3 Nicolas Le Moigne : La "jeunesse ligueuse" (Bündische Jugend) : utopie et alternative politique dans l’Allemagne de Weimar. In : Olivier Dard/ Etienne Deschamps (éd.) : Les relèves en Europe d’un après-guerre à l’autre. Bruxelles 2005, p. 250. 4 Jacques Gandouly : Pédagogie et enseignement en Allemagne de 1800 à 1945. Strasbourg 1997. 5 Les écrits de Hegel, des frères Schlegel, de Herder, de Wilhelm von Humboldt ou encore de Schopenhauer témoignent du fait que l’intérêt pour l’Inde s’inscrit dans son rapport avec l’idéalisme allemand et sa métaphysique. <?page no="75"?> Rabindranath Tagore et la Reformpädagogik 75 comme située aux antipodes du mode de vie européen, elle semble par conséquent tout indiquée pour permettre à l’Allemagne de surmonter la crise des valeurs qu’ont entraînée, au XIX e siècle, la modernité et ses manifestations telles que l’industrialisation ou l’urbanisation. Cet attrait pour l’Orient, et tout particulièrement pour l’Inde, va de pair avec une critique de l’Occident et des valeurs de la civilisation allemande 6 . Le souscontinent devient à la fois un lieu de refuge et une source d’inspiration. L’Inde perçue comme pays originel, berceau d’une spiritualité authentique reposant sur un rapport intime à la nature, trouve un fort écho auprès du mouvement allemand polymorphe de réforme de la vie. Ce mouvement s’affirme en tant que réponse à la crise politique, sociale et spirituelle allemande 7 . Le développement fulgurant de l’industrie qui entraîne l’explosion des villes fait craindre un accroissement des maladies que pourrait provoquer cette forte densité de population 8 . La négligence du corps est pour cette raison durement condamnée, certains allant même jusqu’à affirmer qu’elle pourrait mettre en danger le salut de l’humanité 9 . C’est pour cette raison que doit voir le jour une éducation nouvelle qui permettrait de développer le potentiel physique et intellectuel de l’enfant innocent en harmonie avec son environnement. La Reformpädagogik serait dès lors la plus apte à sauver l’humanité 10 . Il s’agit par conséquent, pour contrer les méfaits de l’industrialisation et de l’urbanisation, de prôner un retour à la nature et de vanter les mérites d’une vie plus saine que celle des villes 11 . Seul un changement de mode de vie pourrait guérir de ces maux sociétaux. Ainsi les meneurs des mouvements allemands de réforme cherchent-ils à mettre fin au déclin des Européens 12 en guérissant la population par des bains de lumière et d’air 13 , 6 « Nous baignons dans l'esprit de l'Inde [ … ] . Et oh, comme notre esprit se trouve ici purifié intégralement de toutes les superstitions judéo-chrétiennes qui s'y sont greffées de bonne heure [ … ] ! Dans le monde entier, il n'est pas d'étude, à l'exception de celle des originaux, qui soit aussi profitable ni aussi élevée que celle des Upanishads. Elles auront été la consolation de ma vie, elles seront le soulagement de ma mort ! » Arthur Schopenhauer : Parerga II, § 185. In : Peul Deussen : Sechzig Upanishad's des Veda. Aus dem Sanskrit übersetzt und mit Einleitungen und Anmerkungen versehen. Leipzig 1921, p. VI. 7 Le peuple va en effet au cours du XIX e siècle de désillusion en désillusion provoquées successivement par l’écrasement du printemps des peuples et par les conditions de l’unité dans l’Empire allemand. 8 Olivier Hanse : Rythme et civilisation dans la pensée allemande autour de 1900. Thèse de doctorat. Universität Siegen, Université Rennes 2, 2007, p. 68. 9 Marc Cluet : La Libre culture. Lille 2000, vol. 1, p. 167-205. 10 Ehrenhard Skiera : La Reformpädagogik en théorie et dans la réalité éducative (quelques pistes dans un ensemble complexe et multiple). In : Revue française de pédagogie 153/ 2005, p. 15. 11 Meike Sophia Baader : Erziehung als Erlösung: Transformation des Religiösen in der Reformpädagogik. Weinheim, München 2004, p. 87-88. 12 Hanse : Rythme et civilisation dans la pensée allemande (note 8), p. 155. 13 Ibid., p. 56. <?page no="76"?> Julie Dumonteil 76 par la pratique de la danse libre en pleine nature 14 ou encore par les massages et l’hydrothérapie 15 . Une hygiène de vie simple, harmonieuse et le respect des rythmes naturels permettent, selon eux, de restaurer la santé physique et le bien-être corporel. La pratique de la randonnée et l’expérience de la nature donnent aux enfants comme aux adultes l’opportunité de développer un rapport plus sain au corps et à son environnement que celui qui prédomine dans les villes 16 . Les Allemands se lancent donc à la reconquête du naturel et prônent la réhabilitation du corps 17 . Pour dépasser cette crise de la modernité, l’influence indienne apparaît comme salvatrice. Ce phénomène peut être étudié à partir de deux éléments qui connaissent alors un grand essor en Allemagne et dont l’importance est soulignée par le fait qu’ils restent, aujourd’hui encore, largement présents au sein de la société allemande : il s’agit du yoga et du végétarisme. Ces deux pratiques, originaires d’Inde, se répandent en Allemagne dans le cadre de la réforme de la vie, pour laquelle l’alimentation et l’exercice physique sont deux composantes essentielles. Ainsi, l’alimentation végétarienne pratiquée en Inde apparaît comme un moyen simple de vivre en harmonie avec la nature 18 . A ce propos, il est intéressant de remarquer que les termes « Vegetarismus », le végétarisme, et « Vegetarier », végétarien, apparaissent dans la langue allemande à la fin du XIX e siècle 19 . La première occurrence du terme en Occident a lieu en Angleterre dont l’Empire colonial a permis de découvrir en premier les mœurs indiennes. Ainsi le terme « vegetarian » est attesté pour la première fois en anglais en 1839 20 . Cette alimentation contrôlée s’inscrit dans le cadre d’un retour à la terre. L’ouvrage de 1858, intitulé Le régime naturel, du pharmacien et naturopathe allemand Theodor Hahn, en est un bon exemple : il vante les mérites des céréales complètes, des légumes et des fruits crus, tout en dénigrant la viande. C’est également dans cette mouvance que le diététicien suisse-allemand Maximilian Oskar Bircher- Benner invente le muesli dans les années 1900. Manger sainement, en adoptant le végétarisme indien, peut permettre aux Allemands de renouer avec une existence plus authentique. La pratique du yoga, cette discipline elle aussi originaire d’Inde qui associe aux exercices corporels l’ascèse morale et la méditation, a pour vocation de réaliser l’unification de l’être 14 Rudolf von Laban : Gymnastik und Tanz. Oldenburg 1926, p. 117. 15 Le prêtre bavarois Sebastian Kneipp (1821-1897) est à l’origine de cures naturelles en particulier par l’eau froide. 16 Nicolas Le Moigne : La « jeunesse ligueuse » (note 3), p. 254. 17 Max Merz : Die Erneuerung des Lebens- und Körpergefühls. In : Ludwig Pallat et alii : Künstlerische Körperschulung. Breslau 1923, p. 21. 18 Bernd Wedemeyer-Kolwe : “Der neue Mensch“. Körperkultur im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. Würzburg 2004. p. 136. 19 Hans Schulz/ Otto Basler (éd.) : Deutsches Fremdwörterbuch. Berlin 1983, t. 6, p. 133. 20 Oxford English Dictionary, 1989, t. 19, p. 476. <?page no="77"?> Rabindranath Tagore et la Reformpädagogik 77 humain sur les plans physique, psychique et spirituel. C’est pourquoi elle séduit les Allemands en quête d’identité face aux bouleversements sociaux de leur époque. De même, ainsi, la Reformpädagogik a pour but la formation d’un homme nouveau, plus sain et plus en accord avec la nature. Pour dépasser la crise ressentie à l’époque, les enfants doivent grandir différemment et être éduqués en accord avec leur spécificité d’enfant, ainsi qu’avec la nature dans son ensemble. C’est pour cette raison que le comte Hermann von Keyserling s’interroge en 1919, dans son journal, sur les raisons qui font que la pratique du yoga ne fait pas depuis longtemps partie des emplois du temps de tous établissements d’éducation allemands 21 . Selon lui, le yoga représente en effet l’un des meilleurs moyens de parvenir à l’autoréalisation 22 . L’approche purement intellectuelle de l’éducation est sévèrement critiquée dans les pays de langue allemande car elle ne prend pas en compte le caractère social et émotionnel de l’enfant. Ainsi est-il reproché à l’école de « violer les forces créatrices de l’enfant » 23 . Pour pallier ces carences, la Reformpädagogik propose une approche holistique de l’éducation. L’esprit, mais également les sens et le corps tout entier des enfants doivent ainsi être mis à contribution, comme c’est le cas lors de la pratique du yoga. De même, les enfants doivent apprendre grâce à leur propre expérience. Il faut qu’ils soient actifs et non qu’ils emmagasinent de façon passive un savoir théorique. L’enfant, resitué au centre de l’apprentissage, doit se développer librement pour que son potentiel puisse se réaliser au mieux. C’est pour encourager cette autoréalisation que la Reformpädagogik prône des contenus d’enseignement adaptés à la vie des enfants et à leurs centres d’intérêt afin de susciter leur créativité. Ainsi le mouvement protéiforme allemand de la jeunesse, la Jugendbewegung 24 25 , préconise-t-il une vie saine 21 Hermann Keyserling : Reisetagebuch eines Philosophen. Darmstadt 1921, p. 136 sqq. (Toutes les citations de cet ouvrage sont traduites en français par JD). 22 Ibid. 23 Herwart Kemper : Wie alternativ sind alternative Schulen ? Theorie, Geschichte und Praxis. Weinheim 1991, p. 94 (citation traduite en français par JD). 24 Walter Laqueur : Die deutsche Jugendbewegung. Eine historische Studie. Köln 1978. 25 Ce mouvement aux aspirations utopiques, d’influence romantique, oscille entre attachement à un passé idéalisé et rêve d’un futur aux contours flous. Cette nébuleuse de mouvements dirigés par des jeunes principalement d’origine bourgeoise voit le jour au XIX e siècle et est unifiée dans le langage courant par le terme de « Jugendbewegung », mouvement de la jeunesse. Les préoccupations premières de ce mouvement, inspiré par le Wandervogel, concernent la création d’un Homme nouveau grâce aux principes de la Lebensreform (cf. note 2). Ce mouvement protéiforme à l’origine apolitique ne pourra rester hermétique aux conséquences de la Première Guerre mondiale ni à celles de l’avènement du nazisme. <?page no="78"?> Julie Dumonteil 78 et une éducation qui réponde, par la randonnée et les voyages, au besoin d’aventure et de découverte des jeunes gens. Aux antipodes de l’éducation autoritaire et punitive qui sévit à la fin du XIX e siècle et au début du XX e siècle en Allemagne, les meneurs des mouvements de réforme prônent une éducation qui respecte la nature de l’enfant et qui lui permette de s’épanouir pleinement. Cette éducation nouvelle a pour objectif le bonheur de l’enfant et cherche donc l’approbation de ce dernier. L’école doit devenir une communauté de vie harmonieuse, proche du modèle indien de l’ashram. La Reformpädagogik allemande s’inspire donc d’une certaine idée de l’Inde et de pratiques qui lui sont propres. Cela signifie-t-il pour autant que l’enseignement tel qu’il est pratiqué alors dans le sous-continent peut réellement être pris comme modèle ? L’éducation indienne permet-elle la réalisation de l’individu en accord avec la nature, telle que la prône la Reformpädagogik ? Est-elle à ce point différente de l’enseignement prodigué en Allemagne ? Pour répondre à cette question, nous allons nous intéresser au parcours scolaire d’un des plus grands écrivains indiens du tournant du siècle, le prix Nobel de littérature Rabindranath Tagore. L’éducation qu’il a reçue dans différents établissements scolaires du Bengale est-elle à l’origine du talent de l’écrivain ? Est-ce elle qui lui a permis de découvrir et de développer son potentiel d’homme de lettres ? Et le penseur s’inspirera-t-il de l’éducation qu’il a reçue dans son enfance pour créer sa propre école, à Santiniketan ? 2. Vers une nouvelle éducation indienne La famille du futur réformateur Rabindranath Tagore, qui fait partie de l’élite de Kolkata, la capitale indienne de l’époque, souhaite tout naturellement offrir à ses enfants la meilleure des éducations qu’il est possible de recevoir en Inde. Or cette expérience des établissements d’enseignement indiens est relatée dans un des ouvrages de l’écrivain, intitulé Souvenirs. Cet écrit, rédigé alors qu’il a cinquante ans, est purement subjectif et sélectif, comme tout travail de mémoire. Là est justement son intérêt car il met en relief les faits qui ont marqué l’enfant et qui donneront à l’adulte une certaine conception de l’éducation ainsi que le désir de la mettre en pratique. Il est publié, en effet, dix ans après la création de l’école de Santiniketan et montre, sans aucune ambiguïté, que c’est bien en réaction à l’institution d’éducation de son époque que Tagore décide de tenter l’expérience d’une éducation nouvelle. Ainsi il affirme : « Je sais à quoi cette école doit son origine : pas à une nouvelle théorie de l’éducation, <?page no="79"?> Rabindranath Tagore et la Reformpädagogik 79 mais aux souvenirs de mon quotidien d’écolier » 26 . Les établissements d’enseignement indiens ne constitueraient donc pas un modèle. En effet, dès les premières lignes du chapitre intitulé « Les débuts de l’enseignement », Tagore révèle que « de ce qu [ ’il a ] appris, rien ne [ lui ] est resté en mémoire » 27 et dénonce des méthodes autoritaires et punitives bien éloignées de la sérénité bienveillante que les mouvements de réforme allemands associent le plus souvent à l’Inde. Pourtant, le jeune Rabindranath est impatient de découvrir l’école. Il jalouse son frère aîné de pouvoir s’y rendre, si bien que son tuteur lui aurait déclaré : « Tu pleures de ne pas aller à l’école à présent, mais tu pleureras bien plus à l’avenir pour ne plus y aller » 28 . Malgré cet avertissement prémonitoire, le jeune garçon réussit à se faire inscrire au Séminaire Oriental dès sept ans - ce qui est très précoce pour l’époque 29 . Cet établissement, fondé en 1829 à Kolkata par l’éducateur Gour Mohan Addy, est une école privée destinée aux garçons de l’élite indienne. Elle leur permet d’apprendre l’anglais hors de tout cadre religieux, contrairement aux écoles tenues par des missionnaires. Mais la déception de l’enfant avide de connaissances est très grande, car il se heurte à un enseignement improductif et d’une extrême sévérité : « Ce que j’ai appris là-bas ? Je n’en ai aucune idée, mais je garde toujours à l’esprit une des méthodes de punition » 30 . Il précise que l’élève qui ne parvient pas à réciter correctement ses leçons doit rester debout sur un banc, soutenant, les bras tendus, une pile d’ardoises posée sur la paume de ses mains 31 . Le jeune Rabindranath est tellement marqué par les pratiques qu’il observe qu’il les reproduit lorsqu’il joue. Dans la résidence familiale de Jorasanko, il devient le maître tout puissant qui inflige des sévices corporels à des élèves soumis, en l’occurrence les barreaux de bois de la véranda 32 . Ainsi l’enseignant qu’incarne le jeune Rabindranath n’a-t-il de cesse de corriger vertement ses mauvais élèves imaginaires par de violents coups de canne : « Les mauvais barreaux avaient tant souffert de mes constants coups de canne qu’ils auraient souhaité rendre l’âme s’ils avaient été vivants » 33 . Et plus ces mauvais élèves imaginaires se montrent effrayés par l’agressivité de leur maître, plus ils s’attirent ses foudres. Le jeune garçon pousse les punitions à un degré tel qu’il manque d’imagination pour en inventer de pires encore. Une fois adulte, l’écrivain analyse cette reproduction des actes de 26 Rabindranath Tagore : Personality : Lectures Delivered In America. Londres 1917, p. 112 (toutes les citations de cet ouvrage sont traduites en français par JD). 27 Rabindranath Tagore : My Reminiscences. New York 1917, p. 3 (toutes les citations de cet ouvrage sont traduites en français par JD). 28 Ibid., p. 6. 29 Ibid. 30 Ibid. 31 Ibid. 32 Ibid., p. 30. 33 Ibid., p. 31. <?page no="80"?> Julie Dumonteil 80 ses maîtres à travers ses jeux d’enfants et s’étonne du fait qu’il n’ait retenu que cet aspect de l’enseignement qu’il a reçu : « Sans effort, j’avais assimilé toute l’impatience, l’irascibilité, la partialité et l’injustice dont faisaient preuve mes professeurs » 34 . Conscient du préjudice que représentent les pratiques répressives de l’école, il précise, non sans ironie, lorsqu’il se remémore, à l’âge de cinquante ans, cet épisode et les punitions auxquelles étaient soumis les enfants au Séminaire Oriental : « C’est aux psychologues qu’il revient de débattre sur la question de savoir dans quelle mesure cette méthode peut mener à une meilleure compréhension des choses » 35 . Quoi qu’il en soit, dans l’école qu’il fonde à Santiniketan, corriger l’erreur par la punition est totalement inadmissible et il est essentiel pour l’éducateur de « laisser les enfants être des enfants, s’ébattre et jouer à cœur joie » 36 , alors que « les confiner, les immobiliser » 37 s’avère totalement contreproductif. Après le Séminaire Oriental, Rabindranath Tagore est inscrit à l’Ecole Normale, the Normal School 38 , et le seul souvenir qu’il relate, loin d’être élogieux, est tout aussi révélateur : avant le début des cours, les garçons, assis en rang, chantent des poésies. Or, s’il s’agit pourtant d’une tentative évidente pour « introduire un peu d’entrain dans la routine quotidienne » 39 , celle-ci échoue lamentablement car les paroles de ces chants, issus d’un manuel anglais, sont par conséquent dans une langue que les élèves ne parlent ni ne comprennent. Ces « incantations » 40 dénuées de sens et si maladroitement ânonnées ne sont même plus de l’anglais. Tagore souligne avec humour l’absurdité flagrante de cette pratique qui « ne manquerait pas d’être édifiant[e] pour les philologues » 41 . A cela s’ajoute l’incapacité des enseignants à se mettre à la place des élèves, à évaluer l’efficacité de leurs méthodes et à se remettre en question. Leur « autosatisfaction sereine » 42 fait qu’ils « auraient sans doute considéré comme un crime le fait que les garçons ne soient pas docilement heureux » 43 . Cette attitude des professeurs est une entrave insurmontable à l’efficacité de toute pratique éducative. A cela s’ajoute l’incurie de certains d’entre eux qui entraîne le manque de respect dont le jeune Rabindranath fait preuve à leur égard : ses enseignants commettent parfois tant de fautes d’expression qu’il refuse de répondre à leurs questions. Devant tant de médiocrité et d’absurdité, le jeune garçon s’isole totalement, et, même s’il est premier à 34 Ibid. 35 Ibid., p. 6. 36 Ibid., p. 26. 37 Ibid. 38 Ibid., p. 32. 39 Ibid. 40 Ibid. 41 Ibid. 42 Ibid. 43 Ibid. <?page no="81"?> Rabindranath Tagore et la Reformpädagogik 81 l’examen de bengali au terme de sa première année à l’Ecole Normale et ce à deux reprises puisqu’un de ses professeurs, incrédule, exige qu’il repasse les épreuves, la condamnation de l’enseignement reçu est sans appel. L’échec du système vient de la primauté donnée à la « discipline » 44 et du « refus de prendre en compte l’individu » 45 . Les établissements scolaires ne sont que des « manufactures conçues spécialement pour obtenir des résultats uniformes » 46 et il déplore que, dans un tel contexte, pour lui, « les études [aient] été un cargo sans profit » 47 . Aussi, il n’est pas étonnant que ce ne soit ni à l’école, ni grâce à elle que l’enfant ait éprouvé, très tôt, le plaisir de la lecture. Tagore, dans ses Souvenirs, juxtapose à dessein l’expérience négative du Séminaire Oriental et le récit ému de sa découverte de la littérature, lorsque, par hasard, il trouve, dans la résidence familiale, un exemplaire en bengali des aphorismes de Chanakya et du Ramayana de Krittivasa. L’écrivain relate également la joie qu’il éprouve, loin des enseignements rébarbatifs de l’école, à écrire des poèmes : le jeune écolier se procure un « grand cahier bleu » 48 dans lequel, avec bonheur, il trace à la main des lignes irrégulières et se met à « écrire des vers d’une large écriture enfantine » 49 pendant son temps libre. C’est donc bien hors de tout établissement scolaire qu’il découvre les plaisirs de la littérature et de la poésie. Ce sont avant tout ces apprentissages fortuits qui ont marqué Rabindranath Tagore et il insiste sur leur importance, affirmant qu’« il y a pour un enfant des nécessités d’enfant » 50 . « Rien, écrit-il encore, ne pouvait me maintenir plusieurs jours de suite dans ce chemin battu de l’étude. Je m’égarais à plaisir, remplissant mon sac de tout ce que je pouvais glaner au hasard » 51 . La critique des établissements d’enseignement indiens à laquelle se livre Tagore démontre bien que l’Inde du XIX e siècle ne représente en rien un modèle en matière d’éducation. Les reproches que Tagore fait aux établissements d’enseignement qu’il fréquente dans son enfance sont très proches de ceux que la Reformpädagogik assène à l’institution d’éducation allemande : le côté trop répressif, le manque de sens, l’ignorance de l’environnement immédiat et l’absence totale de liberté semblent ainsi être omniprésents dans l’éducation de l’époque, que ce soit en Inde ou en Allemagne. C’est pour cette raison qu’aussi bien Tagore que les meneurs de la Reformpädagogik décident de créer des établissements radicalement différents de ceux qui existent alors. Les principes sur lesquels s’appuie 44 Rabindranath Tagore : Personality : Lectures Delivered In America (note 26), p. 114. 45 Ibid. 46 Ibid. 47 Rabindranath Tagore : Souvenirs d’enfance. Paris 2005, p. 62. 48 Rabindranath Tagore : My Reminiscences (note 27), p. 36. 49 Ibid. 50 Rabindranath Tagore. Souvenirs d’enfance (note 47), p. 66-67. 51 Ibid., p. 67. <?page no="82"?> Julie Dumonteil 82 l’enseignement qui y est prodigué comportent inévitablement des points communs. C’est donc la rencontre de ces deux univers fort semblables bien qu’éloignés géographiquement qu’il convient d’étudier pour vérifier l’hypothèse première d’une proximité entre la pensée éducatrice de Tagore et l’éducation nouvelle allemande. Cela permettra également de mettre en lumière les caractéristiques de la pensée de Tagore en matière d’éducation. 3. Le fondateur de Santiniketan à la rencontre de la Reformpädagogik : Tagore et la jeunesse allemande L’obtention du prix Nobel de littérature en 1913 permet à Tagore de parcourir le monde pour faire connaître ses écrits et ses idées. Mais Tagore n’est pas qu’un homme de lettres : il est également un homme d’action. Ainsi ne se contente-t-il pas de critiquer les établissements scolaires de son époque, mais il crée, en 1901, sa propre école à Santiniketan pour mettre en pratique ses préceptes. Cette école, dont le nom se traduit par « havre de paix », vise à permettre la réalisation des enfants au contact de la nature. Elle est donc très proche des idéaux de la Reformpädagogik. Tout en incluant les disciplines modernes, l’école de Santiniketan est calquée sur le modèle des anciens ermitages des forêts de l’Inde. C’est une école de plein air dont la pédagogie naturelle est à l’opposé des méthodes alors en vigueur en Inde comme en Allemagne. Ainsi, il est essentiel pour Tagore que le « jeune esprit soit empreint de l’idée qu’il est né dans un monde humain qui est en harmonie avec le monde autour de lui » 52 . Tagore affirme à propos des enfants : « Leur corps et leur âme dans son ensemble ont soif de la lumière du soleil et de l’air comme c’est le cas pour les fleurs » 53 . Comme, selon lui, les enfants « ne sont jamais enclins à refuser les invitations constantes que l’univers envoie à leurs sens pour établir une communion directe » 54 , c’est tout naturellement que Tagore laisse ses élèves grimper aux arbres pendant les cours 55 . La liberté est une valeur fondamentale de l’éducation prodiguée à Santiniketan car elle seule permet la totale réalisation du potentiel de chaque individu. Tagore affirme ainsi : « Je crois que l’objet de l’éducation est la liberté de l’esprit » 56 . Cette idée de la libre réalisation de l’enfant est également une composante centrale de la Reformpädagogik. L’Inde que le mouvement de réforme de la vie allemand prend pour modèle n’est alors pas celle du XIX e siècle, qui présente les mêmes travers que l’éducation allemande, mais bien plus une Inde ancestrale avec ses ashrams au cœur des forêts et des montagnes. C’est sur cette image de l’Inde que Tagore s’appuie pour créer son école à Santiniketan : « Dans 52 Rabindranath Tagore : Personality : Lectures Delivered In America (note 26), p. 114. 53 Ibid., p. 117. 54 Ibid. 55 Ibid. 56 Ibid., p. 147. <?page no="83"?> Rabindranath Tagore et la Reformpädagogik 83 l’Inde ancienne, l’école était au cœur de la vie elle-même » 57 . « Les élèves y étaient élevés non pas dans une atmosphère académique d’érudition [ … ] , mais dans une atmosphère d’inspiration vivante » 58 . C’est cet « idéal d’éducation » 59 , seul capable de réunir les hommes entre eux et de réaliser l’harmonie entre l’homme et la nature, qui conduit Tagore à créer son école. Cette éducation ancestrale, au contact de la nature, est la référence commune qui explique la communion d’idées qui existe entre Tagore et la Reformpädagogik. Cette parenté prend toute son ampleur lorsque Tagore va à la rencontre de la jeunesse allemande. Ainsi, en 1921, l’écrivain indien se rend pour la première fois en Allemagne. Le pays, qui vient de subir une défaite humiliante et que le traité de Versailles soumet à de lourdes réparations au lendemain de la Première Guerre mondiale, se trouve en crise et est dans l’attente d’un sauveur. Pendant un mois, l’écrivain, incarnation du sage indien à la longue barbe blanche qui peuple l’imaginaire allemand, va de ville en ville pour porter un message d’espoir. L’enthousiasme avec lequel il est accueilli à travers le pays montre que les idéaux qu’il représente correspondent aux attentes de la population allemande de l’époque. Ainsi, à Berlin, Tagore est l’événement de la saison. Les communications qu’il donne à Hambourg, à Munich et dans d’autres grandes villes allemandes, voient affluer une foule telle que les salles de conférence sont dans l’incapacité d’accueillir tout le monde. Tagore représente aux yeux des Allemands un heureux temps révolu, un âge d’or auquel l’Allemagne a renoncé en entrant dans la modernité. Le fait que ce soit à la fois le contenu du discours de l’orateur et son apparence physique, avec son doux visage et ses cheveux bouclés blanchis par la sagesse, qui déchaînent les passions souligne bien l’attrait qu’exerce alors l’Inde sur la population allemande. Ainsi le comte Hermann von Keyserling, qui organise dans son Ecole de la Sagesse de Darmstadt une « semaine Tagore » du 10 au 14 juillet 1921, affirme : « Les Allemands sont semblables [ … ] aux Indiens. Cela est dû à leur caractère congénital » 60 . Mais ce sont surtout dans les cercles du mouvement de jeunesse allemand que s’exprime la vénération éprouvée pour le guru indien. Tagore fait ainsi la connaissance de jeunes appartenant à ce mouvement lors d’une fête populaire mise en scène par le comte Hermann von Keyserling dans les collines avoisinant Darmstadt, au cœur de la nature. C’est dans ce cadre de la Herrgottsberg, correspondant en tout point aux idéaux du romantisme, que la rencontre prend toute sa valeur : la nature est le lieu le plus propice aux rapprochements des êtres. Le journal libéral Hamburger Nachrichten publie le chant qu’entonnent les jeunes gens, filles et garçons confondus dans le même enthousiasme, en 57 Ibid., p. 128. 58 Ibid. 59 Ibid., p. 129. 60 Hermann Keyserling : Neuentstehende Welt. Darmstadt 1926, p. 56 et 69. <?page no="84"?> Julie Dumonteil 84 l’honneur du poète : « Nous [ … ] chant [ ons ] unis dans nos cœurs avec la nature et [ … ] Tagore ; nous prions pour le pouvoir de l’amour » 61 . Lors de ses voyages ultérieurs en Allemagne, Tagore sera plusieurs fois au contact de la jeunesse allemande. Il se rend ainsi, en 1930, dans le Hunsrück, en Rhénanie, pour visiter un des sites du mouvement de jeunesse allemand des Wandervögel 62 . Ces derniers, épris de liberté ayant, comme leur nom l’indique, un goût prononcé pour les excursions 63 , s’étaient rendus, en 1928, en Inde et avaient visité l’Université de Tagore. Ils accueillent dignement, par des chants populaires, l’écrivain indien. Son séjour à Darmstadt, en 1921, aura été également l’occasion pour Tagore de rencontrer le philosophe Paul Natorp, dont les écrits sont lus par de nombreux représentants de la Reformpädagogik. Le philosophe de l’école de Marbourg, qui est présenté au visiteur indien comme un connaisseur de la jeunesse allemande, traduira ainsi le but de la visite en Allemagne de Tagore : « Son intention [ … ] était [ … ] de tendre en tant que frère la main à ses frères, [ … ] de construire une relation durable pour travailler ensemble [ … ] à un meilleur avenir de l’humanité, fondé sur l’amour » 64 . Le philosophe souligne la « gentillesse » 65 de Tagore et « sa force éducatrice » 66 qu’il qualifie de « presque miraculeuse » 67 . L’écrivain indien reviendra encore deux fois en Allemagne, en 1926 et 1930. Lors de sa dernière visite, il se rend, au début du mois d’août 1930, à Heppenheim pour rencontrer le couple de pédagogues réformateurs Paul et Edith Geheeb dans leur internat à la campagne, la Odenwaldschule. Cette école, qui compte alors environ deux cents élèves, repose sur les principes novateurs de la mixité, de la coéducation et de la cogestion par les élèves. Les enseignants n’y sont pas considérés comme supérieurs aux élèves, mais bien plus comme les amis plus âgés des enfants et des jeunes. De même, les goûts et les inclinations des élèves y sont pris en compte et même encouragés : cette possibilité est due à la grande flexibilité qui existe au niveau des parcours scolaires. Le but de l’école est de permettre aux 61 Günther Dewitz : Tagore in Darmstadt. In : Hamburger Nachrichten, 20 juin 1921. 62 Le mouvement Wandervogel est créé en 1896 par des lycéens et des étudiants berlinois. Sans structure précise, il regroupe à ses débuts de jeunes citadins issus des classes moyennes souhaitant se soustraire à une société autoritaire et à son éducation répressive en se livrant à la Wanderung, la randonnée telle qu’elle est définie par le romantisme allemand. Le mouvement des Wandervögel se ramifie en différentes branches d’inspirations politiques ou de confessions divergentes. A la veille de la Première Guerre mondiale, le mouvement connaît une militarisation croissante. Des associations paramilitaires ont alors pour but de préparer la jeunesse à la guerre. Les Wandervögel feront allégeance à Hitler avant d’être dissous dans les jeunesses hitlériennes, seul mouvement de jeunesse autorisé à partir de 1936. 63 Wandervogel : sens littéral « oiseau migrateur ». 64 Paul Natorp : Stunden mit Rabindranath Thakkur. Iéna 1921, p. 2. 65 Ibid., p. 5. 66 Ibid., p. 7. 67 Ibid. <?page no="85"?> Rabindranath Tagore et la Reformpädagogik 85 enfants « de se développer vers une vraie humanité, à l’abri des maux de la civilisation dont le monde extérieur est empli » 68 . Ainsi l’internat de campagne créé au printemps 1910 fait partie, sur le plan international, des écoles nouvelles les plus réputées de son époque. La similitude des idéaux que cherchent à atteindre l’Odenwaldschule et l’école de Santiniketan est flagrante. Les couples Geheeb et Tagore sont unis par un but commun : que la culture locale et aussi les cultures mondiales jouent un rôle dans l’éducation des enfants. C’est pourquoi ils encouragent les enseignants de différentes nations et de différentes cultures à intervenir dans leurs établissements. Cette rencontre est donc empreinte d’un respect mutuel et débouchera sur une correspondance qui durera une dizaine d’années, jusqu’à la mort de Tagore en 1941. Les similitudes qui existent entre les conceptions de l’éducation du fondateur de l’école de Santiniketan et celles de la Reformpädagogik font que le discours de Tagore trouve un véritable écho en Allemagne et ce non seulement auprès de philosophes de l’éducation et de pédagogues réformateurs, mais également auprès de la jeunesse allemande. Face à un monde en plein bouleversement, la question de l’éducation devient centrale. Les mouvements réformateurs allemands répondent à la quête d’identité de la population en prenant comme point de repère, comme modèle, une Inde ancestrale, encore proche de la nature. Mais cette vision idéalisée de l’Inde est bien éloignée de la réalité de l’éducation, à l’époque, dans le sous-continent. Ainsi Rabindranath Tagore critique vertement les établissements scolaires qu’il a fréquentés pendant son enfance et ses griefs sont similaires à ceux que la Reformpädagogik adresse à l’institution d’éducation allemande. En raison de ce rejet de l’éducation pratiquée dans leur pays respectif, les meneurs de la Reformpädagogik, tout comme Tagore, cherchent à revenir aux sources même de l’enseignement et prennent pour modèle une éducation ancestrale pratiquée dans le respect de l’individu et en communion avec la nature. Les similitudes entre la pensée de l’éducation de Tagore et celle de la Reformpädagogik ont fait que la rencontre de ces deux univers, lorsque le poète indien est venu au devant des jeunes Allemands au cours de ses trois voyages dans leur pays, a été fructueuse. C’est donc cet esprit de rapprochement des peuples, grâce à l’éducation, en vue d’un avenir commun meilleur, qui fait de l’Education nouvelle un mouvement pédagogique profondément international. 68 Eva Cassirer et alii : Erziehung zur Humanität. Paul Geheeb zum 90. Geburtstag. Heidelberg 1960, p. 138. <?page no="86"?> Julie Dumonteil 86 Cassirer, Eva/ Edelstein, Wolfgang/ Schäfer, Walter : Erziehung zur Humanität. 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Weinheim, München, 2004. <?page no="87"?> Matthew Pritchard Wege aus dem Systemzwang der Moderne: Eine vergleichende Perspektive auf Tagores Begriff des „Überschusses“ Zu den Fokusbereichen der aktuellen Forschung gehört auch das Bewusstsein von der wichtigen Stellung des Begriffs surplus (Überschuss, Überfluss) im Denken Tagores. 1 Im Folgenden möchte ich nachweisen, dass ein Vergleich zwischen Tagores Ausführungen zu diesem Thema und den Debatten des frühen 20. Jahrhunderts über die wissenschaftlichen, technischen, kulturellen und ökonomischen Grundlagen der modernen Welt manche Voraussetzungen des Tagoreschen Humanitätsdenken erhellen kann. Das schließt natürlich nicht nur einen indischen, sondern auch einen europäischen Hintergrund ein. Wegen der Breite und des allgemeinen Interesses am Thema „Moderne“ werde ich sogar intellektuelle Strömungen wie z.B. die Frankfurter Schule einbeziehen, zu der Tagore persönlich allerdings keinen Kontakt gehabt hat. Doch um zunächst die Entwicklung von Tagores Idee des „Überschusses“ vor Augen zu führen, stelle ich kurz deren Umsetzung im Rahmen des Erziehungsprojekts Santiniketan dar, die eng mit der Richtungsänderung von Tagores Denken weg vom Hindu-Nationalismus zum Internationalismus zusammenhängt. Tagores Erziehungsprojekt präsentierte sich ursprünglich in Gestalt einer kleinen, ländlichen Knabenschule in der Nähe eines Familiengutshauses in Santiniketan, rund 150 km nördlich von Kalkutta. Dort hatte der Vater Rabindranath Tagores, der “Maharishi” Debendranath, oft auf seinen Reisen in den Himalaya Aufenthalt gemacht. Er nutzte den Ort als Ashram, um weg von der Stadt Ruhe zur Meditation zu finden, und deswegen wurde die Gegend von ihm “Santiniketan” genannt (“Schutzort des Friedens”). Auch Rabindranaths Schule war als Ashram geplant, mit einer etwas anderen Bedeutung: Brahmacharyasram war der Name für das kleine Internat, dem am Anfang ein traditionelles und moralisch strenges Konzept von Erziehung zu Grunde lag. Die 1901 ins Leben gerufene Schule war gewissermaßen Rabindranaths Beitrag zur nationalistischen Bewegung. Sie sollte beispielhaft die Ideale des alten, asketischen indischen Waldlebens wieder aufleben lassen, wie sie in der sanskritischen Dichtung 1 Vgl. S.C. Sengupta: The Surplus in Man: The Poet’s Philosophy of Man. In: Bhudeb Chaudhuri/ K.G. Subramanyam (ed.): Rabindranath Tagore and the Challenges of Today. Simla 1988, S. 39-54. <?page no="88"?> Matthew Pritchard 88 beschrieben wurden. Den Jungen wurde kein Luxus erlaubt. Sie durften beispielsweise keine Schuhe tragen und keine Zahnpasta benutzen. Der Akzent wurde auf Disziplin, Moral und das Studium der alten indischen Schriften, der Upanischaden, gelegt, und gerade nicht auf Spiel, Freiheit und Kunst, d.h. jene Aspekte, die die später entwickelte Erziehungsmethode Tagores auszeichneten. 2 Trotzdem hat die Schule schon etwas ganz anderes geboten als das Schulsystem in Kalkutta, auch weil die Unterrichtssprache Bengalisch war und nicht Englisch. Rabindranath erklärt in einem Essay, warum ihm der Gebrauch von Bengalisch so wichtig war. Seiner Auffassung nach würde der Einsatz der Muttersprache den Schülern verstärkt Gelegenheit bieten, sich auf natürliche und kreative Weise auszudrücken, die Einzelheiten ihrer Umgebung und ihre eigenen Gefühle besser zu beschreiben und die Dichtung und die Mythologie ihrer Kultur zu entdecken. 3 Der Gebrauch der Muttersprache ginge mit der natürlichen Entwicklung der Einbildungskraft einher; die Wahl des Englischen als Unterrichtssprache entspräche dagegen eher pragmatischen Überlegungen, denn mit gutem Englisch konnte man sich um die besseren Arbeitsstellen bewerben. Die Santiniketan-Schule hat sich ganz allmählich entwickelt, und nach 10 Jahren herrschte auch eine liberalere Atmosphäre als es vielleicht am Anfang der Fall war. Wie Tagore selbst geschrieben hat: „Weil das Wachstum dieser Schule das Wachstum meines Lebens selbst war, nicht die Durchführung meiner Lehre, haben sich ihre Ideale allmählich geändert wie die Reifung einer Frucht [...] vom inneren Mark her“. 4 Die Askese blieb ein wichtiger Aspekt, aber sie wurde gemildert und umgedeutet: auf Möbel und Gebrauchsgegenstände zum Beispiel wurde Verzicht geleistet, nicht weil dies an sich eine erstrebenswerte Armut bedeutete, sondern weil man dadurch unnötige Hindernisse zur direkten Naturerfahrung beseitigen konnte. 5 (Im heutigen Patha Bhavan, der Santiniketan-Grundschule, sieht man immer noch den Unterricht im Freien unter Bäumen stattfinden.) Es wurden Versuche unternommen, Mädchen und Jungen zusammen zu erziehen und den Schülern einen gewissen Grad Selbstverwaltung zu erlauben, indem demokratische Entscheidungsverfahren eingeführt wurden. 6 Und abends brachte Tagore den Schülern seine Lieder bei oder er schrieb eigenhändig für sie Theaterstücke. 2 Kathleen M. O’Connell: Rabindranath Tagore: The Poet as Educator. Kolkata 2002, S. 64. 3 Siehe dazu z.B. die Aufsätze : The Vicissitudes of Education und The Problem of Education. In: Rabindranath Tagore: Towards Universal Man. Santiniketan 1961, S. 39-48 und 67-82. 4 Rabindranath Tagore: My School. In: Personality: Lectures delivered in America. London 1931, S. 132 (übers. von MP). 5 Ibid., S. 119f. 6 O’Connell: The Poet as Educator (Anm. 2), S. 90ff. <?page no="89"?> Wege aus dem Systemzwang der Moderne 89 1915 nahm diese idyllische Episode eine unerwartete Wendung. Rabindranaths Versuch der kreativen Erziehungsfreiheit wurde in seiner Abwesenheit durch die Ankunft seines berühmtesten Landsmannes, Mohandas Karamchand Gandhi (später von Tagore „Mahatma“ genannt) in Santiniketan unterbrochen. Während seines Aufenthalts in Südafrika hatte Gandhi seine eigene kleine Schule, die „Phoenix“-Schule, gegründet - und die brachte er nach Santiniketan mit. Gandhi war überzeugt, dass es „keine Institution auf der Welt gibt, die ihren Idealen oder ihren Lebensformen nach die Phoenix-Schule übertrifft“, und er zögerte deshalb nicht, diese Ideale und diese Lebensweise pflichtgemäß sofort in Santiniketan einzuführen. Das Niveau der Askese ging bei weitem über Tagores Erwartungen hinaus. In seiner Selbstbiographie rühmt Gandhi die an seiner Schule praktizierte Kochkunst, die darin bestand, dass die Schüler alle Zutaten - Reis, Linsen, Gemüse und sogar Weizenmehl - zusammen in einen Dampftopf geworfen und sie ohne Salz und Gewürze gekocht haben. 7 Obwohl für Tagore Disziplin an seiner Schule am Anfang eine wichtige Rolle gespielt hatte, war er mit dem Ansatz Gandhis nicht einverstanden. Eine Atmosphäre gezwungenen Gehorsams und fast militärischer Härte war ihm nicht lieb, und deshalb klagte er C.F. Andrews, dem gemeinsamen Freund, dass die Phoenix-Schüler nur „Disziplin besitzen, statt Ideale. Sie werden trainiert zu gehorchen, was für einen Menschen schlecht ist; denn Gehorsam ist [...] nicht an sich gut - er ist nur dann gut, wenn er [freiwilligen] Verzicht bedeutet“. 8 Die kanadische Forscherin Kathleen O’Connell vermutet, dass dieser Konflikt Tagore derart entmutigt hat, dass er die Santiniketan-Schule anderen Lehrern überließ und nach Kalkutta ging, um dort eine neue Schule zu gründen. Diese zweite Schule, von der wir leider nur wenig wissen, gehörte in den Rahmen des großen Familienhauses Tagores in Jorasanko, im Norden von Kalkutta. Jorasanko ist deshalb wichtig, weil das Haus einer der lebendigsten Schauplätze der bengalischen Kultur im neunzehnten Jahrhundert war. Als Rabindranath noch ein kleines Kind war, befanden sich unter demselben Dach ein Chemielabor, ein Theater, wo die ersten bengalischen Opern aufgeführt wurden, ein Forum für viele Dichter, Musiker und Künstler, die Edition einer angesehenen und weitverbreiteten Familien-Zeitschrift (Bharati) und der Kreis der emanzipiertesten und kreativsten Frauen in Indien. 9 Rabindranath hat sicher mehr von dieser Umgebung als in den konventionellen Unterrichtsstunden an der Schule gelernt. Kein Wunder also, dass er sich daran ein Vorbild nahm, als er über einen Neuanfang seiner eigenen Schule nachdachte. Die Jorasanko-Schule war in der Tat Teil eines kulturellen Salons, Bichitra-Club genannt, und sie 7 M. K. Gandhi: An Autobiography or The Story of My Experiments with Truth. Übers. von Mahadev Desai. London 2001, S. 346. 8 O’Connell: The Poet as Educator (Anm. 2), S. 96. 9 Zum letzten Punkt insbesondere vgl. Chitra Deb: Women of the Tagore Household. Übers. von Smita Chowdhry/ Sona Roy. New Delhi 2010. <?page no="90"?> Matthew Pritchard 90 war deutlich artistischer geprägt als die Santiniketan-Schule. Unter den Lehrern waren Rabindranaths Brüder Abanindranath und Gagenendranath und auch manche Vertreter aus dem Lehrkörper der künftigen Visva-Bharati-Universität in Santiniketan, wie etwa Nandalal Bose. 10 Die Vorlesungen und Aufführungen der Werke Tagores, u.a. eines seiner international berühmtesten Stücke Dak Ghar (Das Postamt), setzten sich dort über mehrere Jahre hin fort. Inzwischen jedoch war Tagore im Zuge des Nobelpreises 1913 weltberühmt geworden, und dieses Ereignis war sicher ein Grund, warum er sich mehr und mehr von einem parteilichen Nationalismus distanzierte. Er sah es jetzt als seine erste Pflicht an, seinen Ruhm zu nutzen, um den Westen und Osten einander näher zu bringen. Einst war er indischer Nationalist oder Patriot gewesen, weil Gegner des britischen Weltreiches; jetzt wollte er Internationalist werden, um die Ursache des Ersten Weltkrieges, eben den Nationalismus, zu bekämpfen. In ihm keimte die Idee einer großen Universität, die zugleich ein Zentrum der indischen Kultur und eine Begegnungsstätte zwischen Osten und Westen sein sollte. Früher waren Tagore, Gandhi, Nehru und andere indische Intellektuelle nach Europa gegangen, um dort zu studieren. Jetzt aber sollten die europäischen Intellektuellen nach Indien kommen. In seinem Essay The Centre of Indian Culture hat Tagore 1919 den Grundplan der neuen Universität skizziert und insbesondere die kulturellen Ziele sehr betont. 11 Professoren der indischen Geschichte und der indischen Sprachen aus Indien und Europa sollten dort zusammen ein indologisches Institut aufbauen, das alle vergleichbaren kolonialen Projekte des Orientalismus in den Schatten stellen würde. Die Universität sollte aber noch mehr leisten, nämlich die indische Kultur der Gegenwart fördern und ihr zum ersten Mal eine vorrangige Stelle im indischen Hochschulwesen einräumen. 1912 hat Tagore empört geschrieben: „Die Musik ist überhaupt kein Teil der Erziehung der Bildungsschicht in Indien; in diesen Fabriken des Bürokratismus, die wir ‚colleges‘ nennen, ist für die Künste kein Platz; und was uns auch schockieren sollte, in keiner der sogenannten ‚nationalen‘ Universitäten gibt es Lehrstühle für Kunst- oder Kulturwissenschaft“. 12 „Im geplanten Zentrum unserer Kultur“, schrieb er 7 Jahre später, „müssen die Musik und die Kunst Ehrenplätze erhalten, und nicht nur ein bloß zustimmendes Nicken. Dann wird sich ein echter Maßstab für den ästhetischen Geschmack entwickeln, und dadurch wird unsere Kunst an Reichtum und Stärke wachsen“. 13 Die Zeit um den Ersten Weltkrieg, in der das Santiniketan-Projekt sich von einer bescheidenen Landschule in eine global angelegte Universität 10 O’Connell: The Poet as Educator (Anm. 2), S. 97ff. 11 Tagore: The Centre of Indian Culture. In: Towards Universal Man (Anm. 3), S. 202-30. 12 Rabindran th Thakur: Sangit [Musik]. In: Sangit Chint . Kolkata 2004, S. 38 (übers. von MP). 13 Tagore: The Centre of Indian Culture (Anm. 11), S. 226. <?page no="91"?> Wege aus dem Systemzwang der Moderne 91 gewandelt hat (mit dem Motto „Wo die Welt sich ihr Zuhause in einem Nest baut“), erscheint deshalb als eine Art Wendepunkt im erzieherischen Denken Tagores. Diese Entwicklung voranzutreiben, wäre Tagore aber schwergefallen, wenn er nicht auch geistige Gründe gehabt hätte, die religiöse Askese von Gandhi, den Nationalismus und die Unterbewertung der Künste von Seiten der englischen Machthaber und der Hindu-Patrioten abzulehnen. Er musste sich zunächst seine eigene Kulturphilosophie konstruieren. Und hier war der Begriff des Überschusses (im Bengalischen atirikto oder aro) von zentraler Bedeutung. Dieser Überschuss kennzeichnete laut Tagore das Wesen der Menschheit gegenüber dem Rest der Tierwelt, und er war insbesondere für Tagores Idee der Kultur gegenüber dem pragmatischen Denken oder den Naturwissenschaften von Wichtigkeit. Es scheint, dass der wichtigste Anstoß zu dieser „Philosophie des Überschusses“ der Darwinismus war. Dass Tagores Überlegungen zur Stellung des Menschen in der modernen Welt mit dem Nachdenken über den Darwinismus begannen, ist keineswegs überraschend. Viele Denker im späten 19. Jahrhundert und um die Jahrhundertwende haben sich zu einer Art erweiterten Darwinismus bekannt. Schon das Wort „erweitert“ aber, so nötig es scheint, weist auf ein erhebliches Deutungsproblem in der Darwin-Rezeption zu jener Zeit hin. Wir sind heute geneigt, die biologischen Tatbestände und Hypothesen der darwinschen Theorie als etwas von den Werten und Funktionen der menschlichen Gesellschaft Wesensverschiedenes zu betrachten. Dabei haben wir vielleicht ein Schreckensbild des „Sozialdarwinismus“ im Kopf, der geistigen Bewegung, in der die Lehre des „Kampfs ums Dasein“ und die Konkurrenz der biologischen Arten oder Rassen als konservative Verteidigung der Ungleichheiten in der Gesellschaft um 1900 auf eine Weise benutzt wurden, die die spätere Ideologie des Nationalsozialismus schon vorwegnahm. Und wie Mike Hawkins kürzlich nachgewiesen hat, ist der Terminus „Sozialdarwinismus“ in der Tat historisch gerechtfertigt und durchaus als Beschreibung von Hitlers „Philosophie“ zutreffend: „Die sozialdarwinistische Weltanschauung war nicht nur für Hitlers Ideologie von zentraler Bedeutung, sie bildete auch die Grundlage für alle distinktiven und wesenhaften Merkmale der Theorie und Praxis des NS- Regimes.” 14 Darin war aber Hitler bei weitem nicht allein, sondern Teil eines ganzen Spektrums der politischen Meinungen unter den Darwinisten. Auch sollte man sich nicht irgendwie vorstellen, dass es neben solchen extremen, der Norm widersprechenden Varianten auch einen mainstream im Sinne eines rationalen, rein wissenschaftlichen Darwinismus gab, wie es ein Jahrhundert später der Fall war. Von Anfang an waren religiöse, philosophische, moralische oder kulturelle Werte mit der Lehre Darwins 14 Mike Hawkins: Social Darwinism in European and American thought, 1860-1945: Nature as model and nature as threat. Cambridge 1997, S. 277f. <?page no="92"?> Matthew Pritchard 92 verbunden. Für die einflussreichsten Vertreter des Darwinismus, d.h. Ernst Haeckel in Deutschland und Herbert Spencer in England, war die Theorie Darwins schon viel mehr als eine bloß biologische Hypothese. Sie war eine Moral, ein Prinzip der Lebensführung, eine Religion - von Haeckel „Monismus“, „die monistische Religion“ oder die „Religion der Wissenschaft“ genannt. 15 Haeckel hat sogar davon geträumt (ein bisschen wie Auguste Comte 50 Jahre zuvor), dass sein Monismus den Katholizismus in Deutschland ersetzen und die Rolle der Kirche übernehmen würde. Wenn man die Tatsache bedenkt, dass von Haeckels and Spencers Büchern zu dieser Zeit viel mehr Exemplare verkauft wurden als von Darwins Origin of Species 16 dann wird klar, dass der Darwinismus als weltweit bekannte Theorie fast immer schon moralisch oder religiös interpretiert wurde - eine rein wissenschaftliche Angelegenheit war sie nie. Und als eine verschwommene und höchst zweideutige „Philosophie“ übte sie einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Moderne aus. Das war auch im Osten der Fall. Der Einfluss des Darwinismus auf die asiatische Religion und Philosophie war im Grunde zweierlei Art. Zum ersten hatten die östliche Religion und insbesondere der Buddhismus in den Augen mancher Orientalisten der Epoche sich gerade dadurch Respekt verdient, dass sie mit den Ergebnissen der westlichen Naturwissenschaft und der Theorie Darwins leicht in Einklang gebracht werden konnten. 17 Zum zweiten schien es gewissen Denkern im Osten und insbesondere den Indern selber, als hätte der Darwinismus dem Christentum einen tödlichen Schlag versetzt. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Mission des 15 Vgl. Niles R. Holt: Ernst Haeckel’s Monistic Religion. In: Journal of the History of Ideas 32: 2 (1971), S. 265-80. 16 Herbert Spencer: The Principles of Biology. 2 Bde. London 1864; Ernst Haeckel: Natürliche Schöpfungsgeschichte. Gemeinverständliche wissenschaftliche Vorträge über die Entwicklungslehre. Berlin 1870; Ernst Haeckel: Die Welträthsel: gemeinverständliche Studien über monistische Philosophie. Bonn 1899; Charles Darwin: On the origin of species by means of natural selection, or, The preservation of favoured races in the struggle for life. London 1859. 17 Hier gibt es keinen Platz, auf dieses interessante Thema einzugehen, aber u.a. wären die Namen von Paul Carus und Lafcadio Hearn zu nennen. Nach einer philosophischen und naturwissenschaftlichen Ausbildung in Tübingen ist Carus 1883 in die USA ausgewandert, wo er zwei der wichtigsten Diskussionsforen für die Philosophie in den Vereinigten Staaten gegründet hat, die Zeitschriften The Open Court und The Monist. Letztere war überhaupt die erste, und noch heute existierende professionelle Philosophiezeitschrift in den USA. Nach seiner Teilnahme am Chicago World Parliament of Religions ist Carus zur Leitfigur für die frühe Ausbreitung des Buddhismus in den USA geworden, auch durch seine Freundschaft mit dem japanischen Philosophen D.T. Suzuki. Hearn emigrierte 1869 in die USA und wurde nach 1890 in Japan eingebürgert, wo er 1904 starb. Hearn hat vieles zum Verständnis der japanischen Kultur und des japanischen Buddhismus beigetragen, wofür er in Japan gefeiert worden ist. In Büchern wie dem 1897 erschienenen Gleanings from Buddha-Fields verknüpfte er seine Erklärungen des japanischen Buddhismus mit der Philosophie Herbert Spencers. <?page no="93"?> Wege aus dem Systemzwang der Moderne 93 Christentums im Osten eines der stärksten Mittel der geistigen Kolonisation war. Deswegen - dem Prinzip „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ getreu - haben sich die säkularen Lehren des Westens (wie etwa der Positivismus) unter den Intellektuellen der Befreiungsbewegung Indiens immer größerer Beliebtheit erfreut als das Christentum. Dass die Philosophie Spencers viele indische Anhänger fand, ist längst bekannt. Dieses Denksystem war der Nachfolger des Positivismus von Comte und J. S. Mill, der früh die Vertreter der „Bengal Renaissance“ beeinflusst hat (beispielsweise Bankimchandra Chattopadhyay, den wichtigsten modernen Autor in Bengalen neben Rabindranath). 18 Es ist aber etwas weniger bekannt, dass Mahatma Gandhi sich für die monistische Philosophie Ernst Haeckels interessiert hat. In einem Brief aus dem Jenaer Archiv hat der Haeckel-Biograph Robert J. Richards den Beweis für Gandhis Darwin-Enthusiasmus gefunden: Gandhi hat den englischen Übersetzer Joseph McCabe um Erlaubnis gebeten, das bekannteste Buch Haeckels, Die Welträthsel, aus dem Englischen ins Gujarati zu übersetzen. 19 Gandhi hatte sich schon ähnliche Übersetzungsprojekte vorgenommen und auch durchgeführt, so eine Gujarati-Fassung des Buchs Ethical Religion (1889) von William Mackintire Salter, die in Gandhis Zeitschrift Young India 1907 veröffentlicht wurde. In beiden Fällen war Gandhis Absicht anscheinend die wissenschaftliche Begründung der Existenz einer universalen, natürlichen Moral - die Idee, dass die Moral weder der alleinige Besitz des Christentums sei, noch eine kulturspezifische Konstruktion des Menschen (wie etwa Nietzsche behauptete), sondern ein Teil der Natur. Es sei ein natürlicher Vorteil im Kampf ums Dasein, moralische Stärke zu besitzen. Nach Gandhis Zusammenfassung von Salter „zeigt Darwin, dass moralische Stärke der bloß körperlichen Stärke oder selbst der Geisteskraft überlegen ist; und wir können nachvollziehen, dass ein Mensch mit moralischen Eigenschaften einen unmoralischen Menschen überleben wird. Manche glauben, dass Darwin lehrte, die Stärke sei genug, d.h. die, die körperlich stark sind, am Ende siegen. Oberflächliche Denker mögen glauben, die Moral sei unnütz. Aber das ist nicht die Meinung Darwins. Wir entdecken in der frühen Geschichte der Menschheit, dass die Rassen ohne Moral total verschwunden sind. Die Völker von Sodom und 18 Siehe u.a. Dhruv Raina/ S. Irfan Habib: The Moral Legitimation of Modern Science: Bhadralok Reflections on Theories of Evolution. In: Social Studies of Science 26: 1 (1996), S. 9-42, und Geraldine Hancock Forbes: Positivism in Bengal: A Case Study in the Transmission and Assimilation of an Ideology. Calcutta 1999. Einem indischen Forschungsstrang folgend, hat Martha Nussbaum Tagores eigene Philosophie als Fortsetzung des positivistischen Wertesystems dargestellt. Vgl. Nussbaum: Reinventing the Civil Religion: Comte, Mill, Tagore. In: Victorian Studies 54: 1 (2011), S. 7- 34. 19 Wie aus dem im Juli 1909 verfassten Brief von Joseph McCabe an Haeckel hervorgeht, zit. Robert J. Richards: The Tragic Sense of Life: Ernst Haeckel and the struggle over evolutionary thought. Chicago 2008, S. 2f. <?page no="94"?> Matthew Pritchard 94 Gomorra waren extrem unmoralisch, und sind deswegen untergegangen. Wir können heute noch sehen, wie die Rassen ohne Moral allmählich aussterben.“ 20 Ein spezifisches Kennzeichen der Moral, das Salter erwähnt, ist die Keuschheit, und zu diesem seinem Lieblingsthema der Sexualmoral ist Gandhi einige Jahre später in der Artikelserie Towards Moral Bankruptcy zurückgekehrt. Darin zitiert er aus dem The Open Court-Artikel „Generation and Regeneration“ des Religionswissenschaftlers William Loftus Hare, um auf diesem Umweg seiner persönlichen Auffassung von der Wichtigkeit sexueller Abstinenz und seinem eigenen heftigen Widerstand gegenüber der Kontrazeption Ausdruck zu verleihen. 21 Hare und Gandhi zufolge würden die unkeuschen Rassen entarten - und das waren vor allem die Rassen des Westens, die am meisten Gebrauch von Verhütungsmethoden machten. Gandhi war also kein Feind der westlichen Wissenschaften, solange sie seine Anschauungen untermauerten. Man findet in seinen Schriften lobende Erwähnungen von Darwin und anderen Naturforschern. Seiner Meinung nach waren die Naturwissenschaftler und die großen Propheten und Gestalten der Religion alle auf der Suche nach einer objektiven und allgemeingültigen, einzigen Wahrheit. Hier ist zweifellos der verborgene Grund für den wissenschaftlich anmutenden Titel seiner Selbstbiographie, The Story of My Experiments with Truth 22 zu finden: Gandhi stellte sich die Wahrheit der moralischen Welt als eine Art objektive Realität vor, die der geheimen Realität der physikalischen Gesetze durchaus vergleichbar war. Er wollte der Newton oder Darwin dieses moralischen Kosmos werden, indem er Experimente anstellte, die die Unleugbarkeit und Unwiderstehlichkeit der moralischen Wahrheit mittels seiner eigenen Person beweisen würden. Man darf Gandhi deshalb auch nicht als einen „unmodernen“ oder „anti-modernen“ Denker brandmarken. Gelegentlich wollte auch er seine Nähe zur Moderne betonen. Nur mit der Schwester der Wissenschaft, der Technik, wollte er nichts zu tun haben. Er sah in ihr die Gefahr, „die Seele zu verderben statt zu erheben“, und er war der Überzeugung, dass sie „statt das Beste in uns zu erwecken, [...] sie unsere gemeinsten Triebe [befriedigt]“. 23 Hier entzündete sich die bekannte Meinungsverschiedenheit zwischen Gandhi und Tagore, die in der berühmten Debatte über die Nützlichkeit des Zuhause-Baumwollspinnens für die ökonomische Befreiung Indiens zum Ausdruck kam. 20 M. K. Gandhi: Ethical Religion. Übers. von Rama Iyer. Madras 1921, Kap. 6; vgl. William Mackintire Salter: Ethical Religion. Boston 1889, S. 102-20. 21 William Loftus Hare: Generation and Regeneration. In: The Open Court 40: 3 (1926), S. 129-144; zit. nach Mahatma Gandhi: Collected Works. Delhi 1958-1994, Bd. 31, S. 311f. 22 Gandhi: An Autobiography or The Story of my Experiments with Truth (Anm. 7). 23 Gandhi: Collected Works (Anm. 21), Bd. 34, S. 319. <?page no="95"?> Wege aus dem Systemzwang der Moderne 95 Auf dieser Folie wollen wir auch die Betrachtungen Tagores über den philosophischen Status der menschlichen Kultur situieren, insbesondere die Denkfigur des „Überschusses“. Mutmaßlich ist der Ursprung dieses Begriffs auf 1890 zu datieren, als Tagore, der auf einem Schiff von Europa nach Indien unterwegs war, das Buch Darwinism von Alfred Russel Wallace in die Hände gelangte. 24 Das Buch, insbesondere das letzte Kapitel Der Darwinismus auf den Menschen angewandt, hat Tagore „sehr gut gefallen“ 25 . Wallace hatte den Mechanismus der natürlichen Selektion unabhängig von und ungefähr gleichzeitig mit Darwin entdeckt und wurde zu einem einflussreichen Vertreter der darwinschen Lehre. Aber während die meisten Darwinisten, insbesondere in Deutschland, die Lehre direkt auf die menschliche Gesellschaft und die Kultur anzuwenden versuchten, als ob der Darwinismus alles erklären könnte, war Wallace im Unterschied dazu Dualist. Die Menschheit besitze viele Fähigkeiten, die evolutionistisch nicht zu erklären seien. In Tagores bengalischem Tagebuch, dem Yurop-Jatrir Dayari, ist folgende Zusammenfassung zu lesen: „Als ich Wallace las, ist mir diese Idee klar geworden - dass der tierische Teil von uns zu unserem Überleben unbedingt nötig ist, und dem Gesetz der natürlichen Selektion zufolge hat sich dieser Teil allmählich entwickelt, aber die vielen geistigen Eigenschaften des Menschen sind zu unserem Überleben überhaupt nicht nötig. [...] Unsere religiösen Gefühle sind in Bezug auf unser Überleben unnütz, noch mehr, in vielen Fällen sind sie sogar schädlich. Jede Eigenschaft, die die Pflanzen und Tiere besitzen, ist ihnen entweder unmittelbar notwendig oder als Rest einer früheren Notwendigkeit vorhanden, aber alle unsere wichtigsten geistigen Fähigkeiten sind überflüssig [atirikto]. Es ist noch nicht nachgewiesen worden, dass die Schönheit fürs Leben notwendig ist oder dass ein gebildeteres, artistischeres Volk stärker oder vitaler als andere Völker sein wird. Die Griechen wurden von den Römern schließlich geschlagen. Es ist unmöglich, zu erklären, was für einen Vorteil im Kampf ums Dasein die Musikpflege bringen könnte. Daher sind diese geistigen Fähigkeiten unmöglich dem Gesetz der Notwendigkeit zufolge aufgetreten.“ 26 Hier finden wir also eine ganz andere philosophische Anwendung des Darwinismus - von Tagore aufgegriffen, um die Besonderheit der menschlichen Kultur gegen die Übergriffe der Naturwissenschaft zu verteidigen, oder anders gesagt, einen Ausweg in die Freiheit aus dem Systemzwang der naturwissenschaftlichen Gesetzlichkeit zu finden. Tagores Ansatz ist in diesem Punkt dualistisch, obwohl er auf einem anderen Niveau wohl monistisch interpretiert werden kann. In seiner ersten Vorlesungsreihe im 24 Alfred Russel Wallace: Darwinism: An Exposition of the Theory of Natural Selection with Some of Its Applications. London 1889. 25 Rabindranath Thakur: Yurop-Jatrir Dayari. Kolkata 1960, S. 191. 26 Ibid. (übers. von MP). <?page no="96"?> Matthew Pritchard 96 Westen, parallel zur Veröffentlichung von Sadhana im Jahre 1913, hat Tagore seine Kritik angesichts der Anmaßung der Naturwissenschaft folgendermaßen formuliert: „Das Prinzip der Einheit ist das Geheimnis aller Geheimnisse. Wo wir Dualismus finden, steigt in unserm Geiste sofort eine Frage auf, und wir suchen ihre Lösung in dem Einen... [Aber] seltsamerweise gibt es Menschen, die das Gefühl des Geheimnisvollen, aus dem all unsere Freuden entspringen, verlieren, wenn sie die Einheitlichkeit des Gesetzes in der Mannigfaltigkeit der Natur entdecken [...]. Der Fehler ist der, dass wir sehr oft bei solch einem Gesetz halt machen, als ob nun damit alle Fragen gelöst wären, und dann entdecken wir, dass es noch nicht einmal der Anfang der Befreiung unseres Geistes ist. Es befriedigt nur unseren Verstand, und da es nicht zu unserm ganzen Wesen spricht, ertötet es das Gefühl für das Unendliche in uns. [...] Wenn wir eine große Dichtung in ihre letzten Teile zerlegen, so haben wir eine Reihe unzusammenhängender Laute. Der Leser, der den Sinn versteht, der diese Laute verbindet, hat das Gesetz, das das Ganze überall beherrscht, erkannt, das Gesetz des Gedankenganges, das Gesetz von Form und Rhythmus. [...] Wenn jemand sich ausschließlich mit dem Erforschen der Kausalzusammenhänge beschäftigt, so unterliegt sein Geist, nachdem er der Tyrannei der Tatsachen entronnen ist, der Tyrannei des Naturgesetzes.“ 27 Mit dem Selbstverständnis eines Dichters hat Tagore die Rolle der Naturgesetze im Weltall mit der Funktion der grammatischen Regeln in der Dichtung verglichen. Die Freiheit der Poesie liegt jenseits der Regeln der Grammatik. „Wenn wir beim Erlernen einer Sprache von den einzelnen Wörtern zu den Wortgesetzen kommen, so sind wir einen ganzen Schritt weiter. Aber wenn wir da Halt machen und uns nur mit den wunderbaren Erscheinungen der Sprachbildung beschäftigen [...] kommen wir nicht zum Ziel, denn Grammatik ist nicht Literatur, Metrik ist nicht Dichtung. Wenn wir dann zu der Dichtung gelangen, so sehen wir, dass sie zwar mit den Regeln der Grammatik übereinstimmt, aber doch ein Geschöpf der Freude und eine Erscheinung der Freiheit ist. Die Schönheit eines Gedichts ist an strenge Gesetze gebunden, aber sie geht über sie hinaus. Diese Gesetze sind nicht ein Joch, das sie niederdrückt, sondern Flügel, die sie zur Freiheit tragen. Ihrer Form nach sind sie Gesetz, aber ihrem Geiste nach sind sie Schönheit. Das Gesetz ist der erste Schritt zur Freiheit, und die Schönheit ist ihre Vollendung, die auf dem Piedestal des Gesetzes steht. Die Schönheit ist die Harmonie von Schranke und Schrankenlosigkeit, von Gesetz und Freiheit.“ 28 27 Tagore Rabindranath: Sadhana: Der Weg zur Vollendung. Übers. von Helene Meyer- Franck. München 1921, S. 132. Englische Originalfassung: Sadhana: The Realisation of Life. London 1913. 28 Ibid., S. 134. <?page no="97"?> Wege aus dem Systemzwang der Moderne 97 Im ersten Vortrag einer 1917 in Amerika gehaltenen Vorlesungsreihe zur Frage Was ist die Kunst? beschreibt Tagore, wie die Kunst das Verlangen des Menschen nach Freiheit befriedigt: „Der Mensch hat eine Reserve an emotionaler Energie, die von seinem Selbsterhaltungstrieb nicht restlos verbraucht wird. Dieser Überfluss [surplus] findet seinen Ausweg im Kunstschaffen, denn die Kultur des Menschen beruht auf Überfluss.“ 29 Obwohl der Begriff des Überflusses primär in einem inneren, emotionalen Sinn zu interpretieren ist und nicht ökonomisch wie bei Marx, weckt er an manchen Stellen in Tagores Schriften gewisse unleugbare ökonomische Assoziationen. Es ist fast so, als hätte die Zeit in England und Kalkutta (und vielleicht auch der Konflikt mit Gandhi) Tagore nach seinem jahrelangen Aufenthalt auf dem Land in Shelaidaho und Santiniketan wieder an die Bedeutung des Reichtums erinnert, Reichtum im doppelten, d.h. sowohl ökonomischen als auch kulturellen Sinn. Tagore schreibt 1917: „Wenn ein Gefühl in unseren Herzen erweckt wird, das über das Maß hinausgeht, das von dem Gegenstand des Gefühles absorbiert werden kann, dann kommt [dieses Gefühl] zurück zu uns, und lässt uns unseres Selbst bewusst werden. Wenn wir in Armut leben, ist all unsere Aufmerksamkeit außerhalb von uns fixiert - auf die Gegenstände, die wir in unserer Not brauchen. Aber wenn unser Reichtum in Überschuss über unseren Bedürfnissen ist, dann wird sein Glanz auf uns zurückreflektiert, und wir genießen das Hochgefühl, dass wir reiche Leute sind.“ Der äußere Überschuss und der innere, gefühlsmäßige, bedingen oder widerspiegeln einander. Ebenso verhalte es sich mit der Kunst, die sich aus dem menschlichen „Wissenstrieb in seinem Überschuss“ ergibt, denn der Mensch „fühlt seine Persönlichkeit auf intensivere Weise als andere Wesen es tun, weil die Kraft seines Gefühls nicht von seinen Gegenständen erschöpft werden kann. Dieser Ausfluss des Bewusstseins seiner Persönlichkeit braucht einen Ausweg, um sich auszudrücken. In der Kunst offenbart sich deswegen der Mensch selbst und nicht seine Gegenstände. Diese Gegenstände haben ihren Platz in Sachbüchern und in Büchern der Wissenschaft, wo der Mensch sich selbst verbergen muss.“ 30 Tagore hat die Naturwissenschaft nie verachtet oder unterschätzt - sonst wäre er nicht mit dem bengalischen Naturforscher Jagadisch Chandra Bose befreundet gewesen, sonst hätte er nicht das Unterrichtswerk für Naturwissenschaft Visva-Parichay für seine Schüler geschrieben. Aber er sah die Gefahr, dass in dem Kampf der Nationen im 20. Jahrhundert das Nützlichkeitsprinzip, die Macht der Technik und das Prestige der Wissenschaft die wahre Seite des Menschen, seinen kulturellen „Überschuss“, verdrängen würden. Die Musik war für Tagore „die reinste 29 Tagore: What is Art? In: Personality (Anm. 4), S. 11 (übers. von MP). 30 Ibid., S. 11f. <?page no="98"?> Matthew Pritchard 98 Form der Kunst“ 31 und das Symbol einer „überflüssigen“ Beziehung zur Welt. Sie insbesondere musste geschützt werden gegen konservative und utilitaristische Denker, die „die Musik verbannen möchten, mit der verwegenen Argumentation, dass die Musik überflüssig sei [...] Sie begreifen nicht, dass aus dem Überfluss Menschlichkeit entsteht, das der Überfluss eben das höchste Ziel des menschlichen Lebens ist“. 32 Diese Bemerkungen zum Thema Musik möchte ich jetzt als Ausgangspunkt für einen Sprung hinüber zur europäischen Moderne nutzen. Es hat sich herausgestellt, dass Tagores Einführung des Begriffs „Überschuss“ die Absicht zutage brachte, einen Ausweg zweierlei Art aus einem „Systemzwang“ zu finden. Auf der einen Seite schien es Tagore nötig, die Wallacesche Interpretation des Darwinismus, auf den Menschen angewandt, zu verteidigen und sogar auszubauen. Da Kultur als Ausdruck des „ganzen Menschen“ und seines Kraftüberflusses erschien, galt sie aus evolutionistischer Sicht für unerklärbar. Damit konnte man dem rationalistischen Systemzwang der paradigmatisch modernen naturwissenschaftlichen Erklärungsmethode, die der Lehre Darwins zugrunde liegt, entkommen. Auf der anderen Seite, obwohl er nicht mehr so offen und systematisch Stellung gegen die britische Regierung bezog wie einst, ging Tagore immer noch gegen die Vernachlässigung der Kultur im britischen Indien zu Werke. Und diese Nichtachtung war der Ausdruck eines anderen, letzten Endes kapitalistischen Systemzwangs, demzufolge alle „Überschüsse“ im materiellen Sinne, d.h. die finanziellen Gewinne des britischen Reichs, nach England zurückgeschickt werden mussten oder gegebenenfalls strategisch benutzt wurden, um die Macht des Reichs und das imposante Luxusleben ihrer Vertreter aufrecht zu erhalten. An eine kulturelle Bereicherung Indiens war nach britischer Handelslogik gar nicht zu denken. Im Allgemeinen waren diese Zwänge, die theoretischen oder naturwissenschaftlichen und die praktischen oder kapitalistischen, natürlich auch Teil der Erfahrung der Moderne im Westen. Sie fanden ihre besondere Ausprägung in der Theorie der modernen Ästhetik im deutschsprachigen Raum, wie sie von T.W. Adorno formuliert wurde. Viele der wichtigsten Aspekte von Adornos Ästhetik sind zutiefst durch seine Musikerfahrungen geprägt, und hier wird es nützlich sein, seine Ästhetik primär als Musikästhetik zu verstehen. Nur wenn man die Geschichte der deutschen Musikästhetik am Anfang des 20. Jahrhunderts kennt, kann man den Charakter des ästhetischen Formalismus Adornos richtig einschätzen, der sich wie alle deutschen Musikanalytiker der Epoche von der Faszination naturwissenschaftlicher Metaphern, von 31 Tagore: Sadhana: Der Weg zur Vollendung (Anm. 27), S. 193. 32 Rabindranath Tagore: Sangiter Mukti [Die Befreiung der Musik]. In: Sangit Chinta, S. 65 (übers. von MP). <?page no="99"?> Wege aus dem Systemzwang der Moderne 99 Methodologie und Gründlichkeit mitreißen lässt. 33 Zwar glaubte Adorno, dass „die Musik kein Naturrecht kennt“ 34 , doch beschrieb er sie stets in naturwissenschaftlichen Bildern, darin der Redeweise der Epoche ganz treu folgend. Man sprach damals und spricht manchmal selbst heute noch von musikalischen „Keimzellen“, „Kräften“ und „Spannungen“, von chemischen Prozessen der „Auflösung“, „Schichtung“ und „Verdichtung“ in der Musik 35 , vom Zuhörer als Benutzer eines „Mikroskops“ oder eines „Seismographen“ 36 , und insbesondere von Musik als „Stoff“, der systematisch organisiert oder „durchkonstruiert“ werden musste. Das stärkste, aber zugleich subtilste Merkmal der wissenschaftlichen Denkweise in Adornos Ästhetik war gerade die Betonung vom Systemcharakter der Kunst. Während des größeren Teils seiner Laufbahn als Musikkritiker und -ästhetiker sah Adorno in der totalen, rücksichtslosen Durchkonstruierung der Musik ihren besten Schutz gegen Dilettantismus, gegen schlechte Kompositionstechnik, nicht zuletzt auch gegen Kitsch. Die Moderne in der Kunst bedeutete „Stimmigkeit“ 37 , ein Kalkulieren der Motivation jedes einzelnen Elements im Plan des Ganzen, ein totales „Beziehungsgeflecht“, genau wie der Mechanismus einer Zelle oder eines astronomischen Systems. Hier gab es eben keinen „Überfluss“, denn alles diente einem Zweck. Der Vergleich mit naturwissenschaftlichen Systemen brachte es auch mit sich, dass die intellektuelle Auseinandersetzung mit Kunst Priorität gegenüber einem gefühlsbetonten Zugang hatte. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg sah Adorno endlich in der Musik der Darmstädter Avantgarde die Gefahr einer solchen Systematisierung der Kreativität, und im Aufsatz „Das Altern der Neuen Musik“ (1954) betonte er wieder die Wichtigkeit des Spontanen und des Ausdrucks. 38 Die Kunst war Kunst, gerade weil sie nicht eine ganz logische oder formale Strenge an sich anstrebte wie die Naturwissenschaft, sondern die Form als Äußeres eines menschlichen „Gehalts“ benutzte. Am Ende wollte auch Adorno 33 Zu diesem musikanalytischen Hintergrund siehe Matthew Pritchard: ‘A heap of broken images’? Reviving Austro-German debates over musical meaning, 1900-1936. In: Journal of the Royal Musical Association 138: 1 (2013), S. 129-74. 34 T.W. Adorno: Gesammelte Schriften. Bd. 12. Philosophie der neuen Musik. Rolf Tiedemann (Hg.). Frankfurt a.M. 1975, S. 39. 35 Beispiele von solchen Bildern in den Musikanalysen Adornos sind zu finden in Kap. 4 von Max Paddison: Adorno’s aesthetics of music. Cambridge 1993. 36 Zur Mikroskop-Metapher s. T.W. Adorno: Anweisungen zum Hören neuer Musik. In: Rolf Tiedemann (Hg.): Gesammelte Schriften. Bd. 15. Frankfurt a.M. 1976, S. 188- 248 (hier S. 203). In ihrem Artikel: Music - Drastic or Gnostic? In: Critical Inquiry 30: 3 (2004), 505-36 (S. 527) beschreibt Carolyn Abbate Adornos Verwendung des Seismographenbildes in seinem 1928 verfassten Schubert-Aufsatz als ein frühes Beispiel von ästhetischem “Technikmystizismus” der Moderne. 37 Zur Bedeutung des Worts “Stimmigkeit” bei Adorno s. Max Paddison: Adorno’s aesthetics of music (Anm. 35), S. 87ff. 38 T.W. Adorno: Das Altern der Neuen Musik. In: Rolf Tiedemann (Hg.): Gesammelte Schriften. Bd. 14. Dissonanzen. Frankfurt a.M. 1973, S. 143-67. <?page no="100"?> Matthew Pritchard 100 seinem theoretischen „Systemzwang“ entkommen. Und dadurch kam er den Einsichten Tagores wieder nahe, wie aus dessen Schrift Personality hervorgeht: „Wir können die schwarzen und weißen Tasten des Klaviers zählen, die Länge der Saiten oder die Stärke, Schnelligkeit und Ordnung [...] der Fingerbewegungen messen, und triumphierend erklären, dass das eine Sonate von Beethoven ist. Darüber hinaus können wir die akkurate Wiedergabe der Sonate immer dann voraussagen, wenn unser Experiment auf der Basis derselben Beobachtungen wiederholt wird. Aber [...] so genau das Wechselspiel der Finger und Saiten geordneten Tatsachen zu entsprechen scheint, letztere vermögen die letzte Realität der Musik nicht zu fassen.“ 39 Diese „letzte Realität“ der Musik war das, was Adorno ihren „Gehalt“ genannt hatte - der „Überschuss“, der innere, bedeutungsvolle Rest, der übrigblieb, wenn man die äußeren Parameter der Musik schon längst gemessen und fixiert hatte. Der „Gehalt“ der Kunst ist ihre innere, menschliche Seite, die eben nicht gemessen werden kann. Vom theoretischen Standpunkt aus würde man deshalb vielleicht Tagores Grundansicht Recht geben, wenn man für die letzte philosophische Position Adornos, die der Ästhetischen Theorie, empfänglich ist. Aber vom ökonomischen Standpunkt aus war die „List der Vernunft“ in der Geschichte schließlich vielleicht eher auf der Seite von Adornos Pessimismus. Der moderne Kapitalismus erlaubte keinen dauerhaften Ausweg aus seinem System. Zu seinen Lebzeiten musste Tagore erfahren, wie prekär die Unabhängigkeit seiner Visva-Bharati-Universität war. Die Freiheit erforderte immer mehr Geld und immer mehr Kompromisse. Am Anfang wollte Tagore beispielsweise keine Prüfungen dulden, aber unter dem Druck seiner Studenten und deren Familien musste er am Ende nachgeben. Statt zu einer Gesamtatmosphäre der Kreativität beizutragen, beschränkten sich die Kunsttätigkeiten der Studenten nach und nach auf die Lehrpläne der dafür zuständigen Fakultäten Kala Bhavan und Sangit Bhavan. Tagore brauchte ausgebildete Tänzer und Musiker für seine Schauspiele, spektakuläre Inszenierungen, die auf Auslandsreisen als Mittel zur Spendenerhebung und Werbung benutzt werden konnten. Und nach Tagores Tod erfolgte ein bedeutender Schritt zur Normalisierung: Die Universität wurde 1951 unter den Schutz der staatlichen University Grants Commission (UGC) gestellt, was zwar finanzielle Sicherheit, aber zugleich auch etwas von der Bürokratie und Phantasielosigkeit des nationalen Erziehungssystems mit sich brachte. Die Visva-Bharati-Universität heute ist sicher nicht mehr so ganz das kreative, erfrischende, lebendige Kulturzentrum, das Tagore ursprünglich als Verkörperung von Indiens kulturellem Überschuss konzipierte. Aber der wahre kreative „Überschuss“, so wäre zu schließen, lässt sich sowieso nicht in festen und 39 Rabindranath Tagore: Personality (Anm. 4), S. 53. <?page no="101"?> Wege aus dem Systemzwang der Moderne 101 dauerhaften Einrichtungen aufbewahren, sondern muss sich immer neu und anders manifestieren. Und man weiß nie, wo der nächste Ausweg aus dem System zu finden sein wird. Bibliographie Abbate, Carolyn: Music: Drastic or Gnostic? In: Critical Inquiry 30: 3 (2004), S. 505- 36. Adorno, T.W.: Gesammelte Schriften. 20 Bde. Rolf Tiedemann (Hg.): Frankfurt a.M. 1971-86. Deb, Chitra: Women of the Tagore Household. Übers. von Smita Chowdhry/ Sona Roy. New Delhi 2010. Forbes, Geraldine Hancock: Positivism in Bengal: A Case Study in the Transmission and Assimilation of an Ideology. Calcutta 1999. Gandhi, Mahatma: Collected Works. 100 Bde. Delhi 1958-1994. Gandhi, M. K.: An Autobiography or The Story of My Experiments with Truth. Übers. von Mahadev Desai. London 2001. Haeckel, Ernst: Die Welträthsel: Gemeinverständliche Studien über monistische Philosophie. Bonn 1899. Hare, William Loftus: Generation and Regeneration. In The Open Court 40: 3 (1926), S. 129-144. Hawkins, Mike: Social Darwinism in European and American thought, 1860-1945: Nature as model and nature as threat. Cambridge 1997. Holt, Niles R.: Ernst Haeckel’s Monistic Religion. In: Journal of the History of Ideas 32: 2 (1971), S. 265-80. Nussbaum, Martha: Reinventing the Civil Religion: Comte, Mill, Tagore. In: Victorian Studies 54: 1 (2011), S. 7-34. O’Connell, Kathleen M.: Rabindranath Tagore: The Poet as Educator. Kolkata 2002. Paddison, Max: Adorno’s aesthetics of music. Cambridge 1993. Pritchard, Matthew: ‘A heap of broken images’? Reviving Austro-German debates over musical meaning, 1900-1936. In: Journal of the Royal Musical Association 138: 1 (2013), S. 129-74. Raina, Dhruv/ S. Irfan Habib: The Moral Legitimation of Modern Science: Bhadralok Reflections on Theories of Evolution. In: Social Studies of Science 26: 1 (1996), S. 9-42. Richards, Robert J.: The Tragic Sense of Life: Ernst Haeckel and the struggle over evolutionary thought. Chicago 2008. Salter, William Mackintire: Ethical Religion. Boston 1889. Sengupta, S.C.: The Surplus in Man: The Poet’s Philosophy of Man. In: Bhudeb Chaudhuri/ K.G. Subramanyam (Hg.): Rabindranath Tagore and the Challenges of Today. Simla 1988, S. 39-54. 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Il est le reflet des rapprochements artistiques qui se produisent durant la même époque sur le plan de la littérature, de la poésie, de la peinture et du théâtre, rapprochements incarnés par Rabindranath Tagore. Rappelons que, quelques années après sa naissance officielle, en 1895, l’objet filmique a donné lieu à une réflexion théorique : ce fut l’occasion en Europe de s’interroger sur son statut par rapport aux autres arts, et d’élaborer un nouveau discours théorique, comme cela s’était fait pour la littérature. Les tentatives pour conférer à ce nouvel art un cadre formel viennent des réalisateurs eux-mêmes, qui cherchent à justifier, et ainsi à valider, leurs propres choix de styles. Les premiers ouvrages théoriques sur le cinéma, nous le savons, ont donc pour auteurs les praticiens eux-mêmes. La théorisation devient d’autant plus complexe que ce nouvel outil culturel est aussi un art collectif, s’appuyant sur la musique, la danse, la littérature. Mais c’est précisément cet aspect collectif, industriel et pluriel, qui permettra au cinéma d’enrichir le mouvement moderniste. Le cinéma repensera l’Art, offrant un nouveau medium pour représenter un monde bouleversé par des transformations d’ordre socio-économique, politique, philosophique et technologique. Dans le cadre de notre discussion sur les rapprochements artistiques entre l’Inde et l’Allemagne, il n’est pas inutile de rappeler brièvement les débuts du cinéma en Inde. Les pionniers européens de l’image animée ont présenté le cinématographe aux habitants de la région de l’océan Indien dès 1896, six mois après la projection parisienne au Grand Café, le 26 décembre 1895. Tout comme les poètes, écrivains, peintres, sculpteurs ou dramaturges en Europe sont attirés par le sous-continent indien, dès les années 1910, nombre d’Indiens partent à la découverte des arts du spectacle en Europe, dont les cinémas européen et américain. L’image animée réunit très tôt des personnes de diverses origines, des idées, des savoir-faire, et aussi des capitaux. Artistes, créateurs, financiers, techniciens ou simples aventuriers vont se lancer dans des innovations et des expérimentations formelles et établir de nouveaux rapports au temps et à l’espace. Qu’est-ce qui a pu assurer un si grand succès au cinéma, dès lors <?page no="104"?> Vilasnee Tampoe-Hautin 104 qu’au lendemain de sa découverte, cette découverte occidentale a été accaparée par l’Inde, puis répandue dans toutes les colonies de l’Empire britannique ? De plus, pourquoi le regard indien s’est-il porté d’abord vers les espaces américains et, plus étonnamment, allemands ? Si les voyages de Tagore ont nourri sa réflexion et inspiré son œuvre, qui se veut une synthèse des mondes occidental et oriental, nombre de ses romans et nouvelles ont également été adaptés au cinéma, notamment par le cinéaste bengali Satyajith Ray. Mais bien avant celui-ci, le magnat du cinéma indien d’origine parsie, J.F. Madan, s’était déjà penché sur la question d’un cinéma sondant l’âme de la société indienne, avec la réalisation de Giribala (1929), inspirée d’une œuvre de Tagore. Madan a également initié des coproductions indo-italiennes. C’est dire que dès les années 1920, le monde du cinéma est déjà un « global village », pour reprendre l’expression de M. MacLuhan. Nous témoignons donc ici, dans un monde qui traverse des crises de tous ordres, de la naissance du phénomène bollywoodien, avant l’heure. Il convient de rappeler aussi que les partenariats, dont il s’agit ici, entamés dès les années 1930, entre Indiens et Allemands, s’inscrivent à l’intérieur de la deuxième période du cinéma indien, se situant entre 1913 et 1924. Cette période marque le début de son internationalisation et l’imitation, par les Indiens, des modèles occidentaux. A la veille de la Première Guerre mondiale, le cinéma indien manifeste une vitalité extraordinaire, soutenue par une abondance de talents et de capitaux, comme en témoigne l’ascension fulgurante de personnages comme Ardeshir Irani, J.F. Madan et les Frères Wadia. La production de films en Inde, ainsi que la construction de studios et de salles de cinéma sont à la mesure de celles des pays occidentaux. C’est parmi les castes marchandes et les masses populaires indiennes que le cinéma s’est trouvé un terrain singulièrement adapté à son mode de fonctionnement ; la présence coloniale n’y est pas étrangère non plus, et confère ainsi très tôt au cinéma un caractère international. Si les « marchands de rêve » ne manqueront pas d’utiliser le réseau colonial britannique pour l’exploitation commerciale du cinéma, c’est Hollywood, tant sur le plan créatif que sur celui de l’exploitation cinématographique, qui va être retenu comme modèle par les producteurs indiens. Quelles que soient leurs sources d’inspiration, de 1900 à 1928, les Indiens assurent de façon autonome toute la chaîne de production, de la réalisation d’images animées à sa diffusion en salle. Par ailleurs, la démographie écrasante de l’Inde fournira au cinéma ses très nombreux spectateurs. Si bien que la crise internationale de 1929 conduit d’un côté à augmenter le nombre de chômeurs qui affluent dans les villes, mais de l’autre, elle offre à l’image animée de nouveaux consommateurs, tant sur le plan urbain qu’auprès des populations rurales, ces dernières découvrant le bioscope grâce aux opérateurs itinérants. L’essor du cinéma indien est également imputable à une période de relative stabilité, contrairement à <?page no="105"?> Lumière d’Asie (1925), l’œuvre de Himansu Rai et de Franz Osten 105 l’Europe qui cristallise beaucoup de tensions. Grâce aux réalisateurs de l’UFA 1 ou encore ceux de l’Emelka Film Company 2 , créée en 1910 et basée à Munich, l’émergence de l’association Osten-Rai-Rani au sein de l’Emelka annonce l’intensification de l’activité cinématographique allemande dans les années 1930. Celle-ci fut largement subventionnée par l’Etat qui cherchait aussi à contrebalancer l’ascension des studios américains. Notre investigation porte plus précisément sur la symbiose qui s’est produite entre l’Inde et l’Allemagne durant les années 1930, à la veille de la Deuxième Guerre mondiale 3 . Trois personnages sont au cœur d’une collaboration indo-allemande d’exception : le metteur en scène munichois Franz Osten (1876-1956), Himansu Rai (1892-1940), avocat natif de Bombay, devenu dramaturge et plus tard cinéaste, ainsi que son épouse Devika Rani, (1908-1994), arrière petite-nièce de Rabindranath Tagore. C’est sur les plateaux de cinéma à Berlin que se réunissent, de manière inattendue, les cinéastes allemands et indiens, leur rencontre aboutissant à un cinéma d’une grande qualité en langue hindi. Bien que tournés en Inde, et destinés à un public essentiellement indien, les films de Rai et d’Osten, nous le verrons, ne manqueront pas d’attirer l’attention du monde européen. La société indienne, avec ses traditions rigides, sa morale pudibonde, ses mariages arrangés ou précoces, son système de castes, mais aussi son désir d’évoluer au regard des autres civilisations - dont, ici la culture allemande -, fourniront à Osten et à Rai une mine inépuisable de thématiques. Les premiers films indo-allemands en hindi chercheront à ébranler les modes de pensée traditionnels, et à mettre en question les mœurs et valeurs indiennes, sans pour autant négliger le grand spectacle dont les spectateurs indiens sont devenus friands. Au début des années 1930, Tagore s’était lui aussi préoccupé des problèmes de castes en Inde et du sort des intouchables, sujet repris dans certains poèmes. Lumière d’Asie, film inaugurant le répertoire d’Osten et de Rai, s’inscrit dans le cadre des premières coproductions internationales en Inde. Mais l’étude de cette alliance ne saurait se faire sans rappeler les conditions dans lesquelles Himansu Rai a fondé le studio de tournage Bombay Talkies. Berceau des premiers films indo-allemands, ce studio deviendra à partir de 1940 l’un 1 L’Universum Film AG, ou l’UFA fut créée en 1917 à l’initiative de l’état-major allemand pour servir sa propagande et prend son essor durant la période nazie en Allemagne (1933-1945). Malgré l’exode massif des professionnels du cinéma allemand, la fermeture des frontières ainsi que la censure, le ministre de la propagande Goebbels, cinéphile, mène une politique semblable à celle du début des années 1920. Elle soutient les films de prestige, et en 1937, les trois sociétés la UFA, la Bavaria ainsi que la Tobis sont placées sous le contrôle du Reich. A partir de 1942, c’est toute l’industrie du cinéma qui sera réunie dans la UFA. André Z. Labarrère/ Olivier Labarrère : L’Atlas du cinéma. Librairie Centrale Française 2002, p. 125. 2 M.L.K (abréviation de Münchner Lichtspielkunst Konzern), dit Emelka-Konzern. 3 Cet article reprend des propos parus dans mon ouvrage Vilasnee Tampoe-Hautin : Cinéma et Colonialisme : la genèse du cinéma au Sri Lanka (de 1896 à 1928). Paris (collection Champs Visuels) 2011, p. 125-128. <?page no="106"?> Vilasnee Tampoe-Hautin 106 des sites de tournage les plus modernes de l’époque, au sein duquel ont été tournés de nombreux films considérés aujourd’hui comme les immortels du cinéma indien. Toutefois, les raisons du déclin de ce studio méritent également notre attention, d’autant qu’il est symbolique de cette période faste mais peu explorée de l’histoire des cinémas indiens. Prem Sanyas/ Lumière d’Asie 4 , fut la première coproduction cinématographique indo-germanique et porte sur la vie de l’Illuminé, Siddhartha Gautama Bouddha. Fusion de thématiques orientales et de courants esthétiques allemands associés au savoir-faire occidental, l’œuvre de Rai et d’Osten, adaptée de l’épopée du poète Edwin Arnold, Light of Asia, The Great Renunciation (1879), marque le début d’un cinéma indien au carrefour de l’Orient et de l’Occident. Lumière d’Asie est tourné entièrement en Inde, entre le 26 février 1925 et juillet de la même année. Son succès conduira d’ailleurs Franz Osten à travailler aux côtés de Rai-Rani durant près de 20 ans, alliance qui aboutira à la réalisation de plusieurs autres films hindi d’une grande qualité. C’est lors d’un séjour à Munich que Himansu Rai rencontre Franz Osten. Le voyage de Rai en Allemagne avait pour but de rechercher des associés pour réaliser une série de films sur les religions du monde. Fort de l’expérience acquise en tant que directeur d’une troupe théâtrale prometteuse, Rai ambitionne de donner une nouvelle impulsion aux traditions dramaturgiques de l’Inde 5 . C’est pour cela que son attention se porte dans un premier temps sur le théâtre allemand, plus particulièrement sur la tradition dramaturgique du Jeu de la Passion de la ville bavaroise d’Oberammergau 6 . Franz Osten, pour sa part, né en 1876 à Munich, est d’abord photographe avant de s’essayer au cinéma 7 . C’est en 1911 qu’il fait son premier long métrage, Erna Valeska, et en avril de la même année, rejoint la société Emelka à Munich. À cette équipe vient s’intégrer Devika Rani, petite-nièce de Rabindranath Tagore. Après avoir suivi une formation d’architecte à Londres, Devika Rani habite alors en 4 L’œuvre d’Edwin Arnold (1832-1904), traduite en plusieurs langues y compris le hindi, est une épopée qui révéla, au tournant des deux siècles, le Bouddha aux Européens. 5 Amrit Gangar : Franz Osten and the Bombay Talkies : A journey from Munich to Malad. Bombay 2001, p. 2. 6 Joué pour la première fois en 1634, dans la ville d’Oberammergau en Bavière, le Jeu de la Passion renvoie à un engagement, pris par les habitants de la ville, de jouer la Passion du Christ sur une scène installée dans le cimetière, au-dessus des tombes des victimes de la peste qui frappa la ville durant la guerre de Trente Ans, faisant une centaine de morts. D’ailleurs cette forme dramaturgique avait inspiré R. Tagore qui composa le poème The Child (1931) suite à sa présence au jeu de la Passion en 1930. 7 Ses films sont acquis par Gaumont, Pathé et Éclair dès 1907. L’année suivante, il devient opérateur pour Pathé Journal et Gaumont Week, fondant avec son frère Peter Ostermayr la société Münchner Kunstfilm. Ce dernier crée également la société Emelka à Munich. En 1910, Osten joue dans Die Wahrheit/ La Vérité, film dirigé par Peter Ostermayr. Il devient le metteur en scène principal de l’Emelka avant de signer en 1931 un film tourné en Allemagne : Im Banne der Berge/ Under the Spell of the Mountains. <?page no="107"?> Lumière d’Asie (1925), l’œuvre de Himansu Rai et de Franz Osten 107 Allemagne. Mais il faut attendre son mariage avec Himansu Rai, en 1929, pour que Rani devienne l’une des étoiles montantes du cinéma indien des premiers temps. L’occasion se présentera d’ailleurs lorsqu’elle décroche le rôle principal dans A Throw of Dice. Le désir de rapprocher les deux espaces, occidental et oriental, est également incarné par celui qui fut le scénariste de Lumière d’Asie, Niranjan Pal (1889-1959). Pal est originaire de Calcutta, comme son ami Rai, et fils d’un nationaliste bengali. Expatrié à Londres, ayant pour épouse une Anglaise, Pal sera à l’origine de l’idée de porter à l’écran l’épopée du poète anglais, Edwin Arnold, et rejoindra son ami Rai dans le but de réaliser le projet cinématographique sur les principales religions du monde. Écrivain, dialoguiste, futur metteur en scène, Pal élit domicile en Inde, pour devenir l’auteur des scénarios pour de nombreux films dirigés par Osten, et produits par Rai 8 . Il faut savoir que Rai avait participé à la vie théâtrale londonienne, notamment avec un rôle dans la pièce de théâtre The Goddess, de Niranjan Pal. Jouée en 1922 au Théâtre Aldwych, l’œuvre dramaturgique de Pal avait connu un succès éclatant. Enfin, illustration d’autres rapprochements à travers l’espace indoeuropéen, les capitaux nécessaires pour la réalisation de Lumière d’Asie sont fournis en 1925 par deux sociétés : la Emelka Film Company, et la Great Eastern Film Corporation (GEFC), firme basée à Lahore. Pal cède les droits du scénario de Lumière d’Asie à Moti Sagar, associé de Rai et Président de la GEFC. Le coût de la production se répartit entre l’Emelka qui fournit l’équipement, les opérateurs ainsi que le metteur en scène, Osten, et les partenaires indiens. Coréalisateur, et jusqu’alors acteur de théâtre à Londres, Rai va interpréter à l’écran le rôle de l’Illuminé, l’actrice principale étant Renée Smith (Sita Devi) qui tiendra le rôle féminin de Gopa. Le tournage de Lumière s’étale sur cinq mois. Les déplacements sont nombreux, de Calcutta à Bénarès et Gaya en passant par Jaipur, Agra, Udaipur. Osten est accompagné d’assistants et techniciens, dont des compatriotes, Willi Kiermeier et Josef Wirsching. Malgré les problèmes de communication, Osten réussit à montrer aux comédiens la manière de jouer car il a pour interprète un autre compatriote, Bertle Schultes. C’est à Munich, le 22 décembre 1925, qu’a lieu l’avant-première du film qui connaît un succès surprenant et sans précédent en Suisse. Sir Richard 8 Alors que les réalisations de Bombay Talkies font partie aujourd’hui des classiques du cinéma indien, il faudra néanmoins attendre 2009 pour que l’on se penche sur l’œuvre de Rai. Notre thèse a fait partie des premiers travaux évoquant ce cas exceptionnel dans le monde du cinéma des premiers temps. Vilasnee Tampoe- Hautin : Cinéma, Colonialisme et Identité. Université de la Réunion 2009. Voir aussi le site du South Asia Cinema Foundation : Lifting the Curtain: Niranjan Pal and Indo- British Collaboration in Cinema: http: / / www.southasiancinema.com/ <?page no="108"?> Vilasnee Tampoe-Hautin 108 Temple visionne le film lors de sa sortie suisse 9 . Le roi d’Angleterre, George V, sollicite une projection privée au palais de Windsor. La popularité de Lumière d’Asie est tout aussi remarquable auprès du public anglais, à qui le film est présenté à partir de 1926, restant à l’affiche pendant dix mois. Durant la période qui précède la Deuxième Guerre mondiale, suite au succès de leur film, Devika Rani et Himansu Rai sont les seuls Indiens à occuper des postes de producteurs dans un studio occidental. Le couple s’était déjà rendu en Suisse et en Scandinavie, leurs voyages révélant une volonté de conférer au cinéma indien une dimension internationale, calquée sur le système de « stars » américain. Outre Lumière d’Asie, plusieurs collaborations artistiques réuniront Rai et Osten, dont Shiraz/ A Romance of India (1928), narrant l’histoire du bâtisseur malheureux du Taj Mahal. La sortie de ce film a lieu au Ufa- Palast, au Zoo de Berlin, en décembre 1928. A Throw of Dice (1928-29), quant à lui, coproduit par la British Instructional Films Ltd et l’Universum Film Aktiengesellschaft. Inspiré des mythes et légendes de l’épopée hindoue, le Mahabharatha, le film est présenté à Berlin en 1929, au sein de l’Universum Cinema qui appartient à l’UFA 10 . La dimension internationale s’illustre de nouveau par l’autre film de Rai, réalisé en Inde, Karma/ Fate (1933). Il a pour metteur en scène, J.-L. Freer-Hunt, ancien commandant de la Royal Navy d’origine anglaise. Premier film indien doté de dialogues en anglais, Karma sort en Inde au cinéma le Capitol à Bombay, et en Angleterre, où il fait parler tout Londres. Les principaux rôles y sont interprétés par Rai et son épouse, amenant le Times of India à réagir favorablement à leur égard. Le 10 février 1934, le journal rapporte que « les Indiens pouvaient s’enorgueillir d’avoir réalisé ce premier film parlant indien, reconnu à l’étranger et remarqué par le vice-roi des Indes en personne ». Le Times of India poursuit en appelant les cinéastes indiens à s’appuyer sur le savoir-faire des pays occidentaux pour améliorer la qualité esthétique et technique de leurs films, en laissant de côté toute fierté nationaliste. « Nous savons qu’en Inde, il y a des hommes et des idées, qui, après avoir bénéficié d’une formation, pourront faire concurrence aux cinémas européen et américain. Il faut prendre ce que l’Occident offre. L’Europe a appris ses leçons aux pieds de l’Amérique, et qui a dit qu’un élève ne peut pas dépasser son Maître ? » 11 9 Fils d’un ancien gouverneur de Bombay écrivain et érudit, Richard Temple, baron anglais, sera plus tard l’un des fondateurs de Bombay Talkies. Son père s’était d’ailleurs investi dans le théâtre parsi. 10 Cette troisième coproduction indo-allemande à laquelle participa le couple Rai-Rani, amena l’équipe, dont l’opérateur Emil Schünemann, ainsi que les comédiens, à faire 20.000 kilomètres en Inde. Le tournage, d’une durée de 5 mois, attirera des foules par le déploiement des moyens extravagants dont plus de mille chevaux. 11 Times of India, 16 mars 1934. <?page no="109"?> Lumière d’Asie (1925), l’œuvre de Himansu Rai et de Franz Osten 109 Rappelons ici que les premiers cinéastes de l’Inde, comme Dundiraj Govind Phalke, (ou Dadasaheb), considéré comme le père du cinéma indien, s’étaient efforcés de s’affranchir du modèle occidental en offrant au public indien des films inspirés de la culture mythologique de leur pays. Or Himansu Rai et Devika Rani inaugurent une nouvelle période en affichant ouvertement leur désir de se rapprocher du monde occidental, tout comme une partie des élites indiennes. Ainsi, les années 1930 à 1940 consacrent-elles un cinéma indien de plus en plus ouvert sur l’extérieur, mais qui continue de filmer la réalité quotidienne du peuple indien. De plus, Karma permet à Devika Rani de consolider sa place de « star » de grande envergure. L’inauguration de ce film donne lieu à une invitation par la BBC à Londres, adressée à Rani, pour figurer sur le premier programme télévisé en Grande-Bretagne, diffusé à travers tout le pays. Elle prêtera sa voix à la première émission de la BBC et à son service mondial, BBC World Service. Forte de son expérience acquise aux côtés de metteurs en scène allemands, dont Fritz Lang et Erich Pommer, témoin du passage du muet au son, Devika Rani est destinée à devenir l’une des plus célèbres vedettes et productrices du cinéma indien. Lors d’un entretien accordé à Amrit Gangur, elle évoque avec nostalgie la formation qu’elle reçut auprès de Erich Pommer, la qualifiant de « souvenir inoubliable », entourée de « la meilleure équipe de tournage de l’époque […] composée de Fritz Lang, Emil Jannings, et Sternberg, qui dirigea Marlène Dietrich ». L’occasion de rencontrer Marlene Dietrich est inespérée, mais les gourous de Devika Rani demeurent Pabst et Max Reinhardt. Pourtant, l’instabilité politique en Allemagne poussera Rai et Rani à regagner leur pays natal, rejoints par Franz Osten et les trois autres membres allemands, Willi Kiermeier, Josef Wirsching et Bertle Schultes. Dès leur retour en Inde, le couple Rai-Rani ambitionne de mettre en place une infrastructure cinématographique calquée sur le modèle allemand, avec le soutien de Franz Osten, projet concrétisé par la création en 1934 de Bombay Talkies Ltd dans la banlieue ouest de Bombay. Soutenu par une équipe technique de plus de 400 personnes, dont des Allemands, des Britanniques et plusieurs centaines d’Indiens, Bombay Talkies deviendra l’un des studios les plus dynamiques de l’époque. Se formeront dans ses murs, entre 1934 et 1955, nombre de cinéastes et de comédiens, mais également des écrivains, des poètes, des musiciens, des chefs opérateurs et des centaines de techniciens. Les plus grandes stars du cinéma indien s’y retrouveront, comme Raj Kapoor, Ashok Kumar, et plus tard, Dilip Kumar (son fils), adulés et célébrés dans toute la région de l’océan Indien. La gestion inédite de cette maison de production renvoie donc à l’insertion de ce phénomène étranger qu’est le cinéma dans une société asiatique, où prime une structure hiérarchique parfois impitoyable. D’autre part, les personnes qui assurent le socle financier de Bombay Talkies ont leur importance. L’analyse du fonctionnement de ce studio met en évidence l’indispensable rôle joué par les classes aisées dans le finan- <?page no="110"?> Vilasnee Tampoe-Hautin 110 cement d’une infrastructure cinématographique : un capital de deux millions et demi de roupies de l’époque est levé par d’autres financiers, sûrs du succès de ce studio. En effet, Bombay Talkies est fondé par un groupe d’hommes d’affaires parmi les plus fortunés et les plus influents politiquement de Bombay, si ce n’est d’Inde. Phénomène industriel et citadin, le cinéma de l’époque fait appel à des financements que seuls ceux qui possèdent le pouvoir politique et qui disposent de gros patrimoines peuvent fournir : Sir Pheroze Sethna, PDG de la Banque Centrale de l’Inde, Sir Chimanlal Setalvad, un brillant avocat, et le banquier Chunilal Mehta, l’un des négociants les plus actifs sur le marché de l’or de Bombay 12 . Parmi les fondateurs figure également F. E. Dinshaw. Citoyen prospère de Bombay, et génie financier, Dinshaw offre sa demeure palatiale de Malad, un quartier de Bombay, pour que Rai y installe son studio. À cette structure il faut ajouter le soutien des autorités de deux États-royaumes, ceux d’Hyderabad et de Jaipur. Alors que la composition du Comité Directeur de Bombay Talkies indique que l’art cinématographique est en train de s’indianiser, des représentants de la métropole sont également présents dans la mise en place du studio, notamment Sir Richard Temple qui avait, nous l’avons vu, apporté son concours à Rai lors de l’organisation de la sortie londonienne de son premier film 13 . Que ce soit aux États-Unis ou en Inde, les critiques sont élogieuses à l’égard de ce studio : la revue américaine, Motion Picture Magazine, en date d’octobre 1937, baptise ainsi Bombay Talkies : « studio dont la création a révolutionné le monde du cinéma indien […], un studio gigantesque érigé et équipé de façon moderne, qui le place aujourd’hui parmi les plus grands sites de production au monde et sans aucun doute, le meilleur en dehors de l’Europe et de l’Amérique » 14 . Les reportages du Times of India ne sont pas moins édifiants. Le 17 mai 1939 le quotidien indien rappelle que cet établissement est magnifiquement équipé de caméras modernes, de décors amovibles, d’éclairages sophistiqués, ajoutant que « malgré les dépenses importantes, aucune extravagance 12 Sir Phiroze Sethna jouissait d’une réputation méritée. Soutenu par l’administration coloniale, il fit une carrière politique à Bombay. Il fut également homme d’affaires dans l’industrie lourde, le commerce, les assurances, la finance. Sir Phiroze Sethna : The Sethna Papers. New Delhi (cité par Brian Shoesmith : From Monopoly to Commodity: The Bombay Studios in the 1930s. In : T. O'Regan/ B. Shoesmith (eds.) : History on/ and/ in Film. Perth 1987. 13 Tampoe-Hautin : Cinéma et Colonialisme : la genèse du cinéma au Sri Lanka (note 3), p. 125-128. 14 Motion Picture Magazine, octobre 1937 : « The MPM said it was the studio that revolutionized the Indian motion picture world and the men behind it. A huge studio erected and fitted up on the latest lines to make what is to-day one of the finest production units in the world and certainly the best outside of Europe and America ». <?page no="111"?> Lumière d’Asie (1925), l’œuvre de Himansu Rai et de Franz Osten 111 ni gaspillage n’est à signaler » 15 . Ainsi, calqué sur le modèle des studios américains, Bombay Talkies signera des cinématographies en hindi, classées parmi les plus réussies produites entre 1930 et 1950. Animée par une logique de rentabilité, l’équipe est soudée comme une famille. Le répertoire de Bombay Talkies se distingue aussi de celui des autres studios par sa qualité technique et par le traitement audacieux de sujets tabous en Inde. Sans doute une conséquence de la culture occidentale dont se sont imprégnés Rai, Rani et Pal, mais aussi en raison de la présence de plusieurs auteurs allemands au sein de l’équipe, la cinématographie de Rai-Osten s’attaque aux dilemmes de la société indienne et à ses conflits sociaux, moraux et familiaux. Dans la gestion du quotidien, le couple Rai se singularise, comme dans sa cinématographie, par la façon progressiste et égalitariste dont il administre son établissement, obligeant tous les employés du studio, quelle que soit leur caste ou leur religion, à prendre leurs repas à la même cantine et à manger la même nourriture 16 . La thématique de la ségrégation entre castes, notamment le sort des intouchables, est abordée dans Achut Kanya (1936), qui met en scène l’amour d’un garçon de caste brahmane pour une fille intouchable (une harijan). Devika Rani y tient le rôle de l’intouchable et le film est adapté du roman The Level Crossing de Niranjan Pal, et dirigé par Franz Osten 17 . Les événements politiques en Europe sont donc loin d’empêcher Rai de conférer à ses productions une dimension internationale et de l’originalité à sa démarche, tant sur le plan de la réalisation que sur celui du contenu. Izzat (1937), par exemple, est tourné entièrement dans un train 18 . Le Great Indian Peninsular Railways met à la disposition de l’équipe quatre wagons et une locomotive, qui font la navette entre Karjat et Lonavla, sur le chemin de Pune, afin que le tournage puisse se réaliser, exercice coûteux s’il en est : mais le tournage en studio est également utilisé et plus tard, la construction 15 Times of India, 17 mai 1939 : « No expense has been spared to ensure efficiency, no money has been wasted on lavishness ». 16 Yves Thoraval : The Cinemas of India. New Delhi 2000, p. 33. 17 Mais encore faut-il préciser ici que le film éducatif ou à thématique sociale et morale n’est pas totalement absent des cinématographies indiennes. Les cinéastes de Bombay adopteront le réalisme social comme une nouvelle voie d’exploration, tout en poursuivant plus que jamais leurs objectifs commerciaux. Ainsi, les films de Chandulal Shah, Typist Girl (1926) se démarquent des productions stéréotypées, par la représentation des conditions socio-économiques des couches défavorisées de la population indienne. Le genre se multiplie avec The Telephone Girl (1927) de Homi Master, An Indian Shylock de Sakvari Pash (1926) qui s’attaque au problème de l’exploitation des pauvres par des prêteurs d’argent, opposant les effets corrupteurs des villes à l’innocence de la ruralité. De même, Gun Sundari/ Pourquoi les maris font-ils des frasques ? (1927), également signé de C. Shah, renvoie au sujet de la discrimination sexuelle en filmant le combat mené par une épouse indienne contre la domination masculine. 18 La musique est composée par Saraswathi Devi, musicienne d’origine parsie. Née Khrosed Manchershah Moncher-Homji (1912-1980), Saraswathi fut rejetée par sa communauté lorsqu’elle entra dans le monde du cinéma. <?page no="112"?> Vilasnee Tampoe-Hautin 112 d’une gare dans le studio permettra des tournages en intérieur 19 . Enfin, la filmographie d’Osten-Rai s’achève avec Jawani Ki Hawa en 1935 et un projet non achevé, Vasantsena. S’étant distingués par leurs coproductions internationales, Himansu Rai et Franz Osten élaborent une cinématographie en hindi influencée par l’expressionnisme allemand, et soutenue par une technologie moderne importée d’Amérique. 20 B.D. Garga, historien, rappelle la richesse et la puissance dans l’éclairage des œuvres de Bombay Talkies, à la manière de Karl Freund et Arno Wagner. D’ailleurs, selon Colin Pal, l’une des contributions allemandes majeures aux techniques cinématographiques utilisées en Inde fut la prise de son en décalé (playback recording) et non pas en direct, ce qui améliora grandement la qualité sonore. Mais Garga rajoute que les films d’Osten manquent de profondeur quant à la vie de tous les jours en Inde, en raison du recours au même opérateur, à l’adaptation d’œuvres du même écrivain, et de plus, la plupart du temps, aux mêmes acteurs. Cette habitude tendait donc vers une répétition dans le style et le contenu 21 . Ceci n’a pas empêché certains films de briller par leur aspect poétique : Bhabi, dirigé par Osten, est « comme un parfum exquis, qui ne fait pas intrusion. Beau, net, fusion brillante de pathos et de romance, poème harmonieux où chaque séquence se fond dans l’autre » 22 . De même, on peut évoquer l’influence de l’équipe allemande de Bombay Talkies sur d’autres réalisateurs indiens. Bien que rares, on peut retenir deux survivants de cette époque fondatrice : Marshall Braganza et R.D. Mathur ont travaillé à Bombay Talkies. Braganza évoque le souvenir de son mariage célébré à Goa auquel assistèrent Franz et Ellen Osten, accompagnés d’une quinzaine d’Allemands 23 . Autre opérateur pour les films Kangan, Durga, Bhaghi, Mathur conserve un souvenir « très agréable » de ses années de collaboration avec Osten et Wirsching 24 . 19 Témoignage de Colin Pal, fils de Niranjan Pal, interview de A. Gangur, 6 juin 2000. Colin Pal assista au tournage de certaines scènes. 20 Ce courant artistique aura une influence sur le cinéma américain d’un côté, avec l’émigration de réalisateurs allemands vers Hollywood lors de la montée du pouvoir nazi en Allemagne, et de l’autre, en Inde, à travers l’équipe allemande de Bombay Talkies. En Inde, on n’ira pas pour autant jusqu’à emprunter les décors abstraits et les motifs géométriques, ni à utiliser le symbolisme à outrance. Le cinéma indien veillera à conserver en réalité des caractéristiques qui lui sont propres (surtout dans le traitement des thématiques, avec l’absence de sujets portant sur les troubles mentaux). D’ailleurs, ne figurent pas de manière éminente dans les cinématographies de l’Inde les deux genres influencés par l’expressionnisme, le film d’horreur et le film noir. 21 B.D. Garga : So Many Cinemas : The Motion Picture in India. Delhi 1996, p. 78. 22 Film India, janvier 1939. 23 L’année suivant la sortie de Lumière, Osten avait épousé l’actrice et mannequin Ellen Lange qui l’accompagna en Inde. 24 Gerhard Koch : Franz Osten’s Indian Silent Films. New Delhi 1983. <?page no="113"?> Lumière d’Asie (1925), l’œuvre de Himansu Rai et de Franz Osten 113 Pour conclure, l’association entre Rai et des cinéastes européens nous permet d’élargir notre réflexion sur le regard porté par l’Inde sur l’Allemagne. Rai et ses nombreuses collaborations des deux côtés du globe témoignent de l’efficacité du cinéma comme lien entre deux mondes, dans un domaine qui est, pour l’époque, d’avant-garde. La société de Rai devint durant les années 1930 la seule en Inde fonctionnant sur le mode d’une corporation autonome administrée par des banquiers et des magnats. Toutefois, le « business » du cinéma, que ce soit en Inde ou en Occident, se caractérisant par une fébrilité malsaine liée à une spéculation effrénée, considéré comme un terrain d’investissement loin d’être solide, c’est sans doute pour cela que, malgré l’accumulation du savoir-faire, du génie et des capitaux, le studio entame son déclin, aussi rapide que son ascension. L’opinion internationale, notamment nord-américaine, relève alors que Bombay Talkies était né à une époque où l’industrie du cinéma était un jouet entre les mains d’hommes qui disposaient de plus d’argent que de scrupules. Nombre de ces premiers réalisateurs qui, comme Rai, avaient connu le succès durant les années 1920, en devinrent les victimes. Bombay Talkies est représentatif de l’effondrement de ces systèmes trop centralisés qui subissent l’essoufflement du pouvoir créatif et la perte de pouvoir financier. Il n’empêche que la « starisation » précoce du cinéma indien doit beaucoup à cette collaboration indo-allemande, et elle se prolongera, pour ne pas dire se renforcera, dans le phénomène actuel de Bollywood. Bombay Talkies souffre aussi des retombées du conflit mondial en Europe et du contexte économique indien des années 1930, défavorable, victime d’un « marché volatile et changeant, devenu le théâtre de luttes entre différentes formes de capitalisme » 25 . Le contexte politique en Europe touche de plein fouet Bombay Talkies du fait de ses membres allemands : en septembre 1939, Osten est arrêté par les autorités coloniales britanniques et incarcéré à Deolali, près de Bombay. Relâché en avril 1940 en conformité avec la Convention de Genève, et en raison de son âge et de sa santé, Osten repartira en Allemagne 26 . Les coéquipiers d’Osten, quant à eux, œuvreront quelque temps aux côtés de cinéastes indiens après leur libération à la fin de la guerre, contribuant à seize films singuliers tournés de 1935 à 1939 pour Bombay Talkies 27 . Mais d’autres raisons provoqueront la chute de cette entreprise internationale, dont l’engouement des cinéastes indiens pour le vedettariat et le « glamour », condamné par les nationalistes. Ces derniers 25 Shoesmith : From Monopoly to Commodity (note 12), p. 68-75. 26 En 1945, à l’âge de 75 ans, Osten devint le directeur d’un centre de cure, Bavarian Spa, à Bad Aibling, fondant par ailleurs les archives cinématographiques pour la Bavaria Film Company à Geiselgasteig. Il décède en 1956 à l’âge de 80 ans, ayant à son actif seize films exceptionnels, tournés de 1935 à 1939 pour Bombay Talkies. Cf. Koch : Franz Osten’s Indian Silent Films (note 24). 27 Wirsching continua à diriger des films jusqu’en 1971. Son dernier film fut Pakeezah, qui sortit peu après le décès du metteur en scène. <?page no="114"?> Vilasnee Tampoe-Hautin 114 n’en voient que l’aspect superficiel, qui met en péril les valeurs morales de la société indienne. Enfin, bien que beaucoup de studios aient été frappés par la crise financière de 1929, Bombay Talkies avait réussi à conserver sa solidité financière inégalée, incarnation de la discipline et de l’excellence professionnelle. La réputation de Bombay Talkies et ses liens avec le cinéma occidental lui ont assuré une distribution efficace en Europe et dans les circuits coloniaux. En Inde, sa production de films exotiques a attiré des spectateurs par millions, jusqu’à ce que le début de la Deuxième Guerre mondiale mette un terme à ce qui serait sans doute devenu une entreprise florissante. On dira plus tard que les liens entre l’Allemagne et Bombay Talkies ne furent pas étrangers à l’édification d’une industrie cinématographique aux bases solides, et à la prodigieuse collection de films de grande qualité qui sortit de ses murs… Bibliographie Barnouw, Erik/ Krishnaswamy, S. : Indian film. New York, Oxford 1980. Bose, Mihir : Bollywood, a History. New Delhi. 2006. Cornu, Jean-François/ Bregeat-Padamsee, Raïssa/ Carrière, Jean-Claude/ Chabria, Suresh et al. : Indomania : le cinéma indien des origines à nos jours. Trad. par Jean-François Cornu. Paris 1995. Farges, Joël : Le Cinéma en Inde : Rasa Cinematographica (ch. XXIV, p. 545-568) : In C. Jaffrelot (éd.) : L’Inde Contemporaine de 1950 à nos jours. Paris 1996. Gangar, Amrit : Franz Osten and the Bombay Talkies : A journey from Munich to Malad. Bombay 2001. Gentz, Natascha/ Kramer Stefan (eds.) : Globalisation, Cultural studies and Media Representation (Coll. Suny Series, Explorations in Postcolonial Studies). 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Ich denke etwa an Tapan Sinha (1924 in Kalkutta geboren - 2009) und vor allem an Satyajit Ray (1921 in Kalkutta geboren - 1992). Ray hat viele seiner Filme nach literarischer Vorlage konzipiert, darunter sind drei Versionen von Erzählungen Tagores hervorzuheben: Teen Kanya (Three Daughters), 1961, Charulata (The Lonely Wife, Das zerstörte Nest), 1964, und Ghare Baire (Home and the World), 1984. Tapan Sinha hat bereits früher die Auseinandersetzung mit Tagores Stoffen gesucht. In Erinnerung sollten bleiben Kabuliwala (Der Mann aus Kabul), 1957 (die gleichnamige Erzählung Tagores ist übrigens mehrmals verfilmt worden) und Khudito Pashan (Hungry Stones), 1960. Während sich Tapan Sinha eher um das Märchenhafte und Mysteriöse in Tagores Phantasiewelt kümmert, hat Satyajit Ray als ebenso subtiler wie diskreter Psychologe die eingeschränkten Lebensbedingungen der Frauen im Blick und den Einbruch von Ideen der Aufklärung (westlichen Ursprungs) in das starre Gefüge der bengalischen Oberschicht. Für beide Regisseure ist die Asymmetrie zwischen gebildeten ‚bürgerlichen‘ Städtern und der in vergleichsweise archaischer Existenz verharrenden Menschen auf dem Land unübersehbar. Ihre Filme spiegeln nach dem Vorbild des Erzählers Tagore den Prozess der Modernisierung in der indischen Gesellschaft unter britischer Besatzung - einen bisweilen als zwiespältig empfundenen Prozess, der nostalgische Reflexe, den Exotismus der eigenen Vergangenheit, nicht immer ausschließt. II Kabuliwala (1892) erzählt von einem Straßenhändler aus Kabul, der aus Armut sein Land - und seine kleine Tochter - verlassen hat, um in Kolkata ein wenig Geld zu verdienen. Der von der Gestalt her mächtige, aber in <?page no="116"?> Thomas Koebner 116 seinem Wesen weitgehend sanfte Mensch freundet sich mit der fünfjährigen Tochter des Erzählers an, die ihn an sein eigenes Kind erinnert. Bei einem Streit ersticht er einen Mann, der sein Ehrgefühl verletzt hat. Nach acht Jahren darf er das Gefängnis verlassen und besucht seine kleine Gespielin - die ist aber inzwischen groß geworden und wird gerade zur Hochzeit geschmückt. Schlimmer noch: Sie erkennt ihn nicht mehr. Da wird dem Kabuliwala klar, wie viel Zeit vergangen ist, und dass auch seine eigene Tochter herangewachsen sein muss. Er bricht auf, um nach Kabul zurück zu kehren. Tapan Sinhas entsprechender Schwarz-Weiß-Film (mir nur in einer schlechten, zerkratzten und ‚verregneten‘ Kopie zugänglich) erzählt die Geschichte äußerst langsam. Afghanistan wird in emblematischen Bildern illustriert: eine kahle Wüste, die landwirtschaftlich kaum bebaut werden kann, eine Kette von Kamelen oder Dromedaren bildet einen Fries am hochgelegenen Horizont. Als Denkbild von der Heimat des Kabuliwalas taucht diese Einstellung identisch mehrmals auf. Der Witwer umarmt seine Tochter innig und nachdrücklich: fast eine Demonstration der liebevollen Beziehung zwischen Vater und Kind, auch des schmerzlichen Abschieds, der beide trennt. Es folgen schier endlose Einstellungen auf die Schienen der Eisenbahn (mit ihr erreicht der Kabuliwala sein Ziel Kolkata, das zur erzählten Zeit noch Regierungssitz des britischen Statthalters war). An den Rändern der Gleise sieht man allmählich die hohen Häuser der Großstadt emporwachsen. Dem Regisseur ist daran gelegen, den Kulturschock zu verdeutlichen, den der analphabetische Landbewohner in einem zum Teil modernen Milieu erfahren wird. Und dieses Milieu begegnet ihm vorläufig auf den Straßen, die von der Kamera neugierig abgesucht werden, wobei es dem Regisseur nicht auf fließende Übergänge, auf continuity, ankommt - die ruckhafte Montage scheint bis heute etlichen indischen Filmen eigen zu sein. Um die kurze Erzählung Tagores auf Spielfilmlänge (116 Minuten) zu dehnen, wird von der Knastzeit des Helden ausführlicher berichtet: Ein freundlicher Aufseher lässt den Kabuliwala im Freigang als Gärtner arbeiten, dabei beginnt der friedfertige Mann mit einem anderen Mädchen zu schäkern und wird auf einem Spielplatz zum guten Kameraden der Kleinen. Voreilig verdächtigt man ihn als Dieb, bald aber stellt sich seine Unschuld heraus. In einer Schmiede zieht er am Blasebalg. Endlich ist die anscheinend nicht eintönige Gefängniszeit vorüber. Wieder in Freiheit enthüllt der Kabuliwala vor seinem gebildeten Wohltäter (bei Tagore ist es zugleich der Erzähler) ein schmutziges Blatt Papier, auf dem Rußabdrücke der Hände seiner Tochter zu sehen sind - sie stammen aus der Zeit, als sie noch jung war, als er sie in seiner Heimat zurück ließ. Der Film lässt sich diese von Tagore erfundene visuelle Metapher nicht entgehen: Das Mädchen, das einst seine kleinen Hände auf das Papier gepresst hat, ist mittlerweile vermutlich eine andere geworden. Vielleicht erinnert sie sich nicht mehr an ihn, genau so wenig wie die Tochter des Erzählers. Der <?page no="117"?> Das Erwachen der Träumer 117 offenbar in den Tag hinein lebende Kabuliwala, dieses einfältige Gemüt, muss jetzt erst erkannt haben, wie viele Jahre verflossen sind, und dass das Vergangene unwiederbringlich verloren sein kann. Undenkbar, die entronnene Zeit weiter zu verleugnen und das unaufhaltsame Altern rückgängig zu machen. Tagores existenzphilosophische Wendung in der Geschichte des Mannes aus Kabul, der sein Leben versäumt hat und auf einmal - in sprachlosem Entsetzen - dessen gewahr wird, bleibt bei Tapan Sinha erhalten. Der Film lässt nur eine imaginäre Heimreise nach Afghanistan zu: In Doppelbelichtungen erscheint der Kabuliwala als älterer und jüngerer Mann, der seine Tochter eng an sich, an seinen Kopf drückt. In der Vision dieses Vaters gibt es jedoch nur das kleine Mädchen. Was aus der realen Tochter geworden ist, bleibt für ihn und die Zuschauer unvorstellbar. III In Khudito Pashan (1960) greift Tapan Sinah eine nach englischem Vorbild geschickt konstruierte Gespenstergeschichte Tagores auf: Hungry Stones (1895). Der unbekannte Erzähler spinnt sie, als wäre es eine elaborierte Anekdote, die man um des Zeitvertreibs zum Besten gibt, vor zwei Zuhörern aus, während sie in einem Bahnhof auf den Anschlusszug warten. Die Fabel handelt von einem jungen Zolleinnehmer 1 , der in der Nähe seines neuen Amtes einen leeren Palast entdeckt, von dem er sich magisch angezogen fühlt. In den Nächten glaubt er Mädchen vorbeihuschen zu spüren und wehklagende, nach Rettung rufende Stimmen zu hören. Er phantasiert sich in eine Tausend-und-eine-Nacht-Welt hinein, in der eine arabische Tänzerin von einem Eunuchen mit großem Säbel bewacht wird, und gerät an den Rand des Wahnsinns. Denn in diesem von alten Gespenstern bewohnten Gebäude, einem typischen haunted house, „wüteten“ einst, wie ein alter Mann verrät, „zahllose unerwiderte Leidenschaften und ungesättigte Begierden und Höllenflammen wilder Lust und nun hatte der Fluch all […] der vernichteten Hoffnungen jeden Stein durstig und hungrig gemacht, daß sie mit Gier jeden lebendigen Menschen, der sich zufällig nahte, verschlangen“. 2 Was den armen Zolleinnehmer am Ende erwartet, ob er gar von den ‚hungrigen‘ Phantomen und Trugbildern vampirisch aufgesaugt wird, so dass ihm als einem ‚Verrückten‘ jede Wiederanpassung an den Alltag verwehrt ist, das kommt nicht mehr zur Sprache. Denn der verspätete Zug trifft ein, man trennt sich beim Einsteigen. 1 Übersetzung aus dem Englischen von Emil und Helene Engelhardt: Rabindranath Tagore: Erzählungen. Freiburg i.Br. 1978, S. 6. 2 Ibid., S. 15. <?page no="118"?> Thomas Koebner 118 Die unvollständige Anekdote erschließt indes einen kaum kaschierten psychologischen Doppelsinn. Die Geistererscheinungen oder Einbildungen von leidenschaftlich jammernden Frauen mit „entblößter Brust“ 3 und den entzückenden Füßen „schöner Schwimmerinnen“ 4 offenbaren, dass den jungen Mann eine vehemente, wenngleich schmerzlich unerfüllt bleibende Begierde umtreibt, die ihn, den vor Sehnsucht Süchtigen, in den Bann das alten Gemäuers schlägt. Seine Träume von erotischen Schatten, die sich leider nicht greifen lassen, sind Imaginationen einer unbefriedigten Libido, die auch vor Ideen grausamer Exzesse nicht zurückschreckt. Beinahe ein pathologischer Fall: Der junge Mann leidet unzweifelhaft an aufgezwungener sexueller Enthaltsamkeit, die ihn in nächtlichen Illusionen nach Ausgleich suchen lässt. Womöglich drängt sich noch eine zweite tiefere Bedeutung auf: Der als riesig anzunehmende Palast erinnert an alte Macht und märchenhafte Pracht, die dem Handel und Wandel in der schnöden Gegenwart zum Opfer gefallen sind, an eine ‚große Vergangenheit‘, deren Vision eben nicht nur irreale Lust verheißt, sondern auch zur Rückbesinnung auf patriotische Identität ermuntert. Der Film ergänzt Tagores Fragment und entwickelt ein Repertoire feiner Zeichen, die dem Diffusen und Angedeuteten der Vorlage zu visueller Klarheit verhelfen. Zum Beispiel: Als der Zolleinnehmer vor dem leeren Schloss von einem Pferdekarren absteigt, um die Fassade anzustarren, fokussiert die Kamera in Großaufnahme auf seine eleganten westlichen Halbschuhe aus Leder. Bald stellt sich heraus, dass so seine Angepasstheit an die britischen Normen vom nüchtern modernen Leben symbolisiert wird, während der Weg in den Palast und sein Aufenthalt dort ihn in eine eigene, verlockend zauberhafte Welt von ‚Vorgestern‘ entführt, in der seine unterdrückte Sinnlichkeit und Leidenschaft und zugleich der ‚indische Mensch‘ in ihm frei gesetzt werden. Als Signal phantastischer Vergangenheit eignen sich wiederum die Schuhe des Wiedergänger-Mädchens - in ihrem halb kuriosen (mit kindlich aufgemaltem Gesicht), halb folkloristischen Aufputz. Der Film spart nicht mit Spuk-Effekten, sowohl konventionellen (‚transparente‘ Figuren geistern vorbei dank Doppelbelichtung), als auch sublimen: Ein realer Diener mit einer Leuchte entfernt sich vom Helden, durchschreitet einen langen Gang und verschwindet schließlich weit hinten in einer Biegung - der junge Mann bleibt verlassen im Halb-Dunkel zurück, die Zuschauer teilen seine momentane Aufwallung von Angst. Oder der Held verliert beim Weg übers Feld durch einen Windstoß seinen Hut, der immer weiter rollt, sobald der Spaziergänger nach ihm greifen will. Dazu ist ein Klingen und Mädchenlachen zu hören, als treibe hier eine 3 Ibid., S. 14. 4 Ibid., S. 7. <?page no="119"?> Das Erwachen der Träumer 119 übermütige Unsichtbare (womöglich sogar eine ganze Schar junger Frauen) ihren Schabernack mit dem glückseligen, unglückseligen Narren. Das ‚Jenseits‘ streckt gleichsam die Hände nach ihm aus. Der Film ergänzt den Gespensterreigen im unheimlichen Palast durch eine recht lange (später im Hindi-Film obligatorische) Tanzszene, bei der die frontal agierende Tänzerin beinahe unablässig zur Kamera sieht, deren Blick identisch mit der Subjektive der Hauptfigur zu sein scheint. Selbst für eine eigenständige Tristan-und-Isolde-Affäre nimmt sich der Film Zeit, in deren Verlauf der Held als gehorsamer Diener mit einem Begleiter nach Bagdad reitet, um dort eine schöne und wehrhafte Sklavin zu kaufen und sie seinem Pascha zuzuführen. Auf der Rückreise verlieben sich beide ineinander: der Bote seines Herrn und die dem Herrn zugedachte weibliche Trophäe. Sie wollen fliehen, doch werden sie entdeckt. Das Mädchen soll im Kerker leiden, er, der Liebhaber, wird auf ein Pferd gebunden und in die Steppe gejagt (wie einst Mazeppa in der Überlieferung der europäischen Romantik). Ob diese dem westlichen Zuschauer geläufigen Motive auch indischer Legende entstammen, wage ich nicht zu beurteilen. Der Regisseur beutet für die Nachtszenen weidlich das in amerikanischen Produktionen (zumal im Western) häufig benutzte Day-by-Night- Verfahren aus, nimmt also die tatsächlich bei Tag spielenden Szenen durch eine besondere Optik auf, so dass sie wie von einem leuchtenden Mond beschienen wirken. Der Film entflieht mittels dieser Licht-Ästhetik auch dem Labyrinth des Schlosses und lässt in großen Totalen kleinfigurig aussehende Reiter in der Ferne, auf dem Grat zwischen Himmel und Erde, wie besessen entlang galoppieren, ihr Ziel ist der Sklavenmarkt: Dieser bewegte Fries in seiner dekorativen Stilistik ist ein ziemlich einprägsames Exempel für die oft in Khudito Pashan zu beobachtende elegante Verteilung von Bewegung und Ruhe, Hell und Dunkel im Bild. Zu dieser kinematographischen Malerei, zu solchen visuellen ‚Inventionen‘ rechnen auch suggestive und gleichnishafte Landschaftsaufnahmen: Wasseroberflächen, Wolken, die Zeichen anhebenden Windes. Selbst bei kontemplativen Naturbildern behauptet sich in diesem Film ein künstlicher Eindruck. Kaum eine Ansicht der Dinge entkommt dem Gestus, dass sich in ihnen ein tieferer Sinn verberge, entberge (der dem westlichen Betrachter bisweilen verschlossen bleibt). Das Nachtleben in der imaginären Abenteuer-Szenerie beansprucht bald die Kräfte des Helden so sehr, dass er in seinem Büro nur erschöpft, müde und lustlos seinem Tagewerk nachgeht. Er leidet an der Gegenwart des rationalistischen Zeitalters. Sein ungesättigtes Begehren und sein öder Alltagsberuf prädestinieren ihn dazu, sich im leeren Haus den Phantasmagorien des prallen Lebens willig hinzugeben, die ihn in eine prächtige, am Ende peinvolle, im Ganzen aber märchenhafte Periode vor der Moderne zurück versetzen. Es sei kurz daran erinnert: Der Verfall des Realitätssinns bei einem Süchtigen (etwa einem Opiumesser) könnte so <?page no="120"?> Thomas Koebner 120 ähnlich beschrieben werden: bei einem ‚Besessenen‘, den es drängt, sich von dieser Welt abzukehren, der selbst das Risiko nicht fürchtet, der Weg zurück könnte irgendwann verrannt sein, so dass nur noch Wahnsinn oder Tod ihn umfangen und empfangen würden. Ein alter Mann und ein verwilderter Narr, der um die Ruine herumwandert und tickartig Formeln wiederholt, die man als Warnungen verstehen könnte („Zurücktreten! Alles Falsch! “), scheuchen den jungen Träumer endlich auf. Der Film vervollständigt Tagores Erzählung und erlaubt es dem Helden, dem starken Sog des Gespensterhauses zu entkommen. In der pointierten letzten Einstellung besteigt der junge Mann wieder - indes sehr zögernd - den Pferdewagen, der ihn zur Bahnstation transportieren soll: von oben gesehen (fast ein Top shot), als verfolge der mysteriöse Palast mit eigenen Augen den Aufbruch des Abtrünnigen oder Geretteten. Der Hauptfigur verleiht der hier noch junge Schauspieler Soumitra Chatterjee, von großer Gestalt und ausdrucksvoll fein geschnittenem Gesicht, das sensible Profil eines ‚Grenzgängers‘ im Geiste: Er porträtiert einen seiner ersten ‚romantischen Helden‘. IV Ein Jahr später (1961) kommt Satyajit Rays Umsetzung von drei kurzen Geschichten Tagores zur Uraufführung: Teen Kanya (Drei Töchter). In der ersten ‚moralischen‘ Erzählung Der Postmeister (1891) wird ein Stadtmensch aufs Land versetzt und damit einer erheblichen Lebensprüfung ausgesetzt. Der Gegensatz zwischen Metropole und Moderne einerseits und Dorf und Vormoderne andererseits zählt für Tagore (und nach ihm, ein halbes Jahrhundert später, immer noch für Ray) zu den wesentlichen Konflikten des neuen Indien. Der aus Kolkata stammende junge Postmeister, von etwas fülliger Gestalt, offenbar also etwas verwöhnt und verzärtelt, empfindet sich wegen seiner sozialen Prägung als ziemlich isoliert in der Dorfgemeinschaft. Hinzu kommt die Präsenz einer nicht domestizierbaren Natur. Es regnet in Strömen, alle Wege sind überschwemmt. Mehr aus Langeweile als aus pädagogischem Interesse bringt er dem ca. zehnjährigen Waisen-Mädchen Ratan, das ihm als Dienstmagd hilft, Lesen und Schreiben bei. Sie dient ihm hingebungsvoll, deckt ihn zu und pflegt ihn, als er einen hochfiebrigen Malariaanfall erleidet. Nach der Krankheit ist für den Postmeister kein Halten mehr - er verlässt das Dorf und bricht damit auch den Unterricht ab. Das junge Mädchen, das sich ihm in inniger Kinder- und Frauenliebe zugewandt hat, weigert sich, das für sie reiche Bakschisch zum Abschied anzunehmen. Der Film Rays lässt Tagores Erzählung gleichsam erst erblühen. Inmitten einer üppig wuchernden Natur voller verschlungener Wurzeln und Äste muss sich der Postmeister mit einer kargen Hütte begnügen. Dem jungen Mädchen trägt er auf, ihm vom ziemlich entfernt liegenden <?page no="121"?> Das Erwachen der Träumer 121 Brunnen frisches Wasser zu holen, weil er sich im kleinen See mitten im Urwald, den alle benutzen, nicht waschen will. Als wäre die ihm widrige Eigenart der kleinen Gemeinschaft noch zusätzlich zu verkörpern, jagt ein bedrohlich heranhüpfender, kriegerisch wirkender Dorfnarr dem Postmeister Angst ein (Rays Erfindung). Zeitweise scheint eine Art Frieden erreicht: Alte Männer machen sich in dem kargen Büro des Postmeisters breit und singen ihm alte Lieder vor, während er lernt, Briefe und Karten immer schneller abzustempeln. Ratan, die eingangs stille Kindmagd, die sich an den Rand drückt, und mit ruhigen großen Augen vor sich hinsieht, wechselt auf verstörende Weise zwischen den Altersformen: von kleiner Statur, beweist sie doch durch schwere Arbeit eine Leistungskraft, die man einer gereifteren Frau zumessen möchte, später sogar Mütterlichkeit, als der Postmeister krank daniederliegt und sie vor ihm eine Chinin-Pille zerbeißt, um ihm, dem unerzogenen Buben zu beweisen, dass die Medizin nicht so bitter schmecke. Schließlich zeigt sie in einer ergreifenden Abschiedsszene den verletzten Stolz einer abgewiesenen Liebhaberin: Auf dem schlammigen langen Weg, der vom Brunnen ins Dorf führt, begegnet dem Postmeister, der bereits zur Reise nach Kolkata aufgebrochen ist, Ratan, die schwer an einem Eimer voller Wasser schleppt, das für den Nachfolger gedacht ist. Lange, bevor sie an ihrem alten Herrn vorbei muss, wendet das Mädchen energisch ihren Kopf weg, um den untreuen Mann nicht ansehen zu müssen, der sie im Stich gelassen hat. So kann und will sie auch dessen zögernd vorgestreckte Hand nicht wahrnehmen, die bereit ist, ihr eine Belohnung zuzustecken. Beschämt setzt der Postmeister seinen Weg fort. Er macht sich davon und hat versagt, hat die Alphabetisierung Ratans abgebrochen, pars pro toto ein Versuch, das Gefälle zwischen Stadt und Land, den ‚Erwachsenen‘ und den Noch-nicht-Erwachsenen, ein wenig aufzuheben. Rays Film vergisst nicht die Botschaft Tagores: Die Stadt muss dem Land gleichsam entgegen kommen, das Land gilt indes nicht nur als Primitivstufe der Zivilisation, sondern beansprucht auch einen Wert an sich. Die Aufgabe der ‚Kultivierung‘, die dennoch besteht, war für diesen Postmeister zu groß. Man darf ihn deshalb nicht nur schelten, doch Ratans Verletztheit und Entrüstung über den ‚Verrat‘ des Mannes sind auch zu begreifen. V Monihara (Verlorene Juwelen): Der zweite Teil des Films Teen Kanya variiert das Thema ‚Liebesverrat‘, das den Filmregisseur Ray in allen weiteren Tagore-Transformationen geradezu obsessiv beschäftigt (wie in geringerem Maße Tagore zuvor). Das stattlich angekleidete Ehepaar, das die Tür zu dem großen Korridor von außen öffnet, um ein anscheinend reich ausgestattetes Haus zu betreten, erscheint wie in feinen Nebel gehüllt: ein erstes Anzeichen dafür, dass die Zuschauer auf die Dauer aus <?page no="122"?> Thomas Koebner 122 einem bürgerlich realistischen Sittenbild in eine Gespensterlegende entrückt werden. Die Zuneigung des Mannes äußert sich in Geschenken: Er überhäuft seine Frau mit Geschmeide - vielleicht, weil er ahnt, dass er ihrer nicht sicher sein kann, so dass er sie durch Gaben an sich zu fesseln sucht. Die Frau indes scheint sich neben diesem Gentleman, der gerne in seiner Lektüre versinkt, einsam zu fühlen, sie unterhält eine geheime Beziehung zu einem vulgären Schmarotzer. Ihren Mann lässt sie in Stich, nachdem er wegen eines Brandes Geld nötig hat. Bevor sie dem erpresserischen Galan aus dem Haus folgt, aus den kalten Sälen und Gängen mit antiken Statuetten und englischer Uhr unter Glassturz, fast einem Mausoleum, schlägt sie in einem schockierenden Moment den verhüllenden Sari zurück: Sie hat für die Flucht etliche Schmuck-Ketten um den Hals drapiert - wie eine Räuberin. Allein gelassen, seufzt der Ehemann der Entlaufenen nach und sinkt krank ins Bett. Blumen vertrocknen, der Garten zerfällt. Unbestimmte Zeit ist vergangen, da kehrt sie - ist sie’s? - im schwarzen Habit zurück, streckt den Arm aus nach der einzig verbliebenen Juwelenschatulle auf dem Nachttisch. Da kommt eine bleiche Skeletthand zum Vorschein, mit Armringen behängt, die nach den letzten Schätzen tastet. Diese Horror- Episode nährt die Vorstellung, dass sich unter der Maske der züchtigen Geliebten eine habgierige Hexe verbergen kann, die imstande ist, einen ehrenhaften Mann zugrunde zu richten - und sich selbst wohl auch. Denn die Knochenhand deutet wohl daraufhin, dass die Frau zur Strafe für ihre Raffgier früh gestorben sein und als Gespenst ihr Unwesen treiben muss. Oder ist diese Schreckensvision nur die Wahrnehmung des nicht mehr zurechnungsfähigen, ins Delirium versunkenen bettlägerigen und betrogenen Ehemanns? Die Ungewissheit der Anekdote wird noch durch die Rahmenhandlung verstärkt. Ein älterer Lehrer, eine fast ins Komische gebogene windschiefe Figur, erzählt im Schatten des leeren Hauses (oder Palastes) mehr oder weniger amüsiert diese Geschichte einer schlimmen moralischen Verirrung, die eine exemplarische Vergeltung erwarten lässt und verhängt - wie so manche Gespensterstory östlicher und westlicher Herkunft, die ihre Unholde zur Buße ihrer Vergehen nicht in Ruhe schlafen lässt. Einige Stufen unter ihm hört eine völlig bedeckte schwarze Gestalt zu, steht auf, murmelt etwas und löst sich in Nichts auf. Ist es diesmal der Geist des Ehemanns gewesen? Jedenfalls hebt ein spielerischer Akzent, ein fast belustigender Schauereffekt, die düstere Stimmung der vorausgegangen Szenen auf. Ray nimmt in einer genretypischen anti-psychologischen Version, hier nach der Logik des Gruselkabinetts, die im Vergleich ‚realistischen‘ Szenen der Ehezerstörung, des ‚Nestzerfalls‘ von Charulata und Ghare Baire vorweg, die gleichfalls in gehobenen Milieus und ‚Herrenhäusern‘ ihren Schauplatz haben. <?page no="123"?> Das Erwachen der Träumer 123 VI Der dritte Teil von Teen Kanya bietet mehr als ein tröstendes und zum Teil komödiantisches Nachspiel: Samapti (The Conclusion, Die Lösung) erzählt von einer - nach einem Weg voller Hindernisse - endlich erreichten glücklichen Heirat. Mit dem Schiff (auf einem breiten Fluss) kommt im Dorf, einer größeren Ansiedlung, ein junger gebildeter Mann an, Amulya, er will nach Abschluss eines Studiums seine Mutter besuchen. Obwohl man ihn vor dem schlammigen Ufer warnt, fällt er beim ersten Schritt an Land in voller, beträchtlicher Körperlänge (der Schauspieler Soumitra Chatterjee) in den Morast - angesichts dieses ärgerlichen Unfalls bricht eine neugierige Zuschauerin, die ungezähmte und ‚ungehobelte‘ Mrinmoyee, in schallendes Gelächter aus. Die Mutter hat nach altem Brauch eine junge Braut für ihren Sohn ausgesucht. Um des Friedens willen, unterwirft sich Amulya dem Ritual des Besuchs bei den Eltern des Mädchens. Die Prozedur verrutscht zur Burleske: Der Vater lacht aus Verlegenheit ständig, das eingeschüchterte Mädchen gibt wie eine Automate nur etwas preis, wenn die hinter ihr sitzende, tief verschleierte Mutter der Tochter mit spitzem Finger in den Rücken stößt. Mrinmoyee, der ca. 16-jährige Wildfang, offenbar auf den Spuren des jungen attraktiven Ankömmlings, bezeugt von außen das bizarre Geschehen, in Freiheit, jenseits des vergitterten Raums - der ein treffliches Symbol für das konservative Familienkonzept abgibt, das die Frauen im Haus einsperrt und hier dem Spott preisgegeben wird. Als Mrinmoyees Spieltier, eine Art Hörnchen, quirlig wie ihre ‚Herrin‘, in die Versammlung hineinhüpft, entgleist die Feier zur Slapstick-Szene. Ohne seine Schuhe watet der diesmal davongekommene Amulya durch den Morast - bei Ray immer wieder ein Motiv der ländlichen ‚Idylle‘ -, als Mrinmoyee ihn vom Wege weglockt. Ihre erste Begegnung, sie stehen nah voreinander, scheint bei dem äußerlich frechen Mädchen eine innere Erschütterung auszulösen - als sie davonrennt, rutscht auch sie im Schlamm aus: Ausdruck ihrer verlorenen Sicherheit. Amulya begehrt ausgerechnet diese Widerspenstige zur Frau - sie aber (vorerst) nicht, da man sie nicht nach ihrer Zustimmung gefragt hat. Sie will kein Objekt der traditionell üblichen Familienpolitik sein, die junge Frauen am Ende im Haus einsperrt. Mrinmoyee liebt das ungehemmte Bewegungsspiel, sie schwingt auf einer Schaukel am Rand des Flusses, die an besonders langen Stricken hängt, gefährlich hoch hinauf, klettert auf Bäume, spielt mit den jüngeren Buben, nimmt sich das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben. Die Mutter Amulyas überwindet sich selbst und examiniert das unbotmäßige Mädchen, hat sie doch inzwischen zwei Trotzige vor sich: den halbnackt rebellierenden Sohn und den weiblichen Querkopf, der sich die Haare abschneidet, um nicht heiraten zu müssen. Als es dennoch zur üppig ausgestatteten Hochzeit kommt, flieht die Braut und verbringt die Nacht auf der Schaukel anstatt in einem zweischläfrigen <?page no="124"?> Thomas Koebner 124 Bett. Wenn man sie im Zimmer einsperrt, verwüstet sie aus Zorn die Einrichtung. Sie will nicht zur Kohabitation (gleich mit wem) gezwungen sein. Der Bräutigam erkennt, dass seine Braut sich genötigt fühlt und gibt sie frei. Er verlässt den Ort, woraufhin sich Mrinmoyee für Tage und Nächte ins Bett legt und weint (in Großaufnahme). Sie vergisst aus Kummer sogar ihr Totemtier, das Hörnchen, das deshalb in seinem Käfig verhungert: das Symbol für das wilde Leben, das sie zuvor geführt hat. Die Versöhnung kommt durch zweifachen Sinneswandel, die Korrektur der Denkungsart auf beiden Seiten zustande: Amulyas erneute Werbung saugt Kraft auch daraus, dass er ein unbeholfen geschriebenes Briefchen seiner Wunschbraut entdeckt: Etwas Schriftliches verheißt, dass sich Mrinmoyee freiwillig einer kulturell geforderten Disziplin eingefügt hat. Draußen, mitten im Regen ruft Amulya nach der jungen Frau, die sich versteckt. Im Haus findet er sie wieder, sie ist über einen Baum ins Zimmer geklettert. Der entscheidende, wieder symbolisch konnotierte Auftritt, der tieferen Sinn in der äußeren Handlung erschließt: Die auserwählte Mrinmoyee will vor dem Mann knien - ist sie bereit, in einem demonstrativen Akt auf ihre frühere ungebundene Existenz zu verzichten? Der Bräutigam fängt sie jedoch auf und zieht sie hoch: Es geht zwar um gegenseitige Anpassung (und Verzicht ebenso) im Verhältnis von Liebenden, auf jeden Fall aber um gleiche Augenhöhe, nicht um Unterwerfung und Demut - das hat auch Amulya eingesehen. Mit einem unbefangen kessen Clou endet die Geschichte: Als die Mutter mit einem Tablett die Treppe hinauf geht, um das Wiedersehen das Paars mit kleinen Happen zu versüßen, wird die Tür des Hochzeitszimmers vor ihrer Nase zugeschlagen: Dritte, zumal Mütter sind jetzt offenbar unerwünscht. Dieser Schluss weicht von Tagores sinnlicher Feier des orgiastischen ersten Kusses ab 5 - vielleicht hat sich der Autor durch die europäische Finde-siècle-Literatur inspirieren lassen. Der Filmregisseur Ray gewährt solch melodramatisch beschwörenden und erotisierenden ‚Exzessen‘ keinen Platz. Er bevorzugt als Stillage spöttische Nüchternheit oder nüchternen Spott, er begünstigt den satirischen Blick auf die konservative Praxis des rite de passage junger Frauen, einen Heirats-Ritus, der den Mädchen von vornherein Autonomie, Selbstbestimmtheit abspricht. Rays Filmversion entpuppt sich als eine moralische Erzählung, die unmissverständlich für die höhere Menschlichkeit des Gleichheitsprinzips wirbt. Um alles Diffuse von seiner Botschaft fernzuhalten, bestückt Ray die Handlung mit etlichen unzweideutigen Symbolen, zumal um das faszinierend Sonderlingshafte des jungen und naiven Naturwesens Mrinmoyee zu bezeichnen, die in ihrem Freiheitsdrang den Dorfbewohnern als verrückt gilt: das 5 Swati Ganguly: Gender, Sexuality and Conjugality. In: Samapti. In: Muse India 50/ 2013. <?page no="125"?> Das Erwachen der Träumer 125 undressierte Hörnchen, mit dem sie spielt, die Schaukel, die sie dem Himmel näher bringt, die abgeschnittenen Haare, die ihren Protest gegen die Unterwürfigkeit des konventionellen Frauenlebens signalisieren, selbst der Morast als Inbegriff des unsicheren Bodens. Diese Figur könnte als ältere Schwester der Ratan gelten, des jungen selbstbewussten Mädchens aus Der Postmeister - womit sich im Zyklus der drei Filme in Teen Kanya zumindest der erste und der dritte Teil ineinander spiegeln. Ray betont in beiden Filmen durch eine raffinierte Hell-Dunkel-Ausleuchtung der Drehorte sowohl ästhetische Sensibilität, als auch realistische Annäherung an den in vielem ‚naturbelassenen‘ Schauplatz Dorf. Der Schauspieler Soumitra Chatterjee tauscht künstliche Würde bald gegen leise Verzweiflung ein, mit der er sich durch den Schlamm und das museal erstarrte Normengeflecht der traditionellen Gesellschaft hindurchquält, auf der Suche nach der ehrlichen Haltung einer Frau gegenüber, die aus dem Schema fällt - weshalb nicht zuletzt er sie begehrt. Der 16-jährigen Aparna Das Gupta fällt es dagegen nicht so leicht, als wieselflinke lachfrohe Einzelgängerin zu überzeugen. Das leicht verkrampfte Augenspiel löst sich erst auf, als sie innig weinen darf. Es scheint indischen Schauspielerinnen einer älteren Generation nicht leicht gefallen zu sein, den Aufstand gegen die sozial aufoktroyierte Ordnung in körperlicher Dynamik, in selbstvergessener Bewegungslust zu verdeutlichen und die Kontrolle der eigenen Schönheit bisweilen zurück zu stellen. VII Die indische und die westliche Kritik stimmen darin überein, dass Charulata (The Lonely Wife/ Das zerstörte Nest), 1964, nach Tagores Kurzroman Nastanirh (1901) zu den bedeutendsten Filmen von Satyajit Ray gehört (der auch hier das Drehbuch geschrieben hat): Die Produktion erhielt etwa den Silbernen Bären für die beste Regie bei der Berlinale 1965. Die Filmhandlung bietet die Chronik einer zerbrechenden Ehe: Bhupati, ein reicher Mann aus Kolkata, der englische Lebensnormen bewundert und oft englische Wörter in seine Rede einfließen lässt, verwendet Zeit und Geld auf die Herausgabe einer englischsprachigen Zeitschrift, die politisch für die ‚Liberalen‘ Partei nimmt (also den englischen Premierminister William Gladstone). Dabei vernachlässigt Bhupati seine junge Frau Charulata, die unter ihrer Einsamkeit leidet. Die Schwägerin kommt ins Haus, ist aber wegen ihrer Borniertheit keine gute Gesellschafterin. Unversehens taucht der jüngere Bruder Bhupatis auf, Amal, eine Art Bruder Leichtfuß, dem die Poesie wichtiger ist als die Politik. Er befreundet sich mit Charu, sie wetteifern im Schreiben kleiner Dichtungen. Es bleibt nicht aus, dass sich Charu in den fröhlichen Gesellen, der ihre Neigungen teilt, heftig verliebt. Der gutmütige Bhupati, der der Welt nicht misstraut, erlebt am Ende doppelten Verrat: Ein Schwager, ein verdrießlicher, <?page no="126"?> Thomas Koebner 126 kettenrauchender Schwindler, den er leichtfertiger Weise als Manager eingestellt hat, macht sich mit unterschlagenem Geld auf und davon. Und - viel schlimmer - Charu hat sich von ihm abgekehrt und sehnt sich leidenschaftlich nach Amal. Der erkennt, von Charu, seines ‚Bruders Frau‘, unter Tränen umarmt, dass er ein Begehren bei ihr geweckt hat, das sich nicht besänftigen lässt. Amal verlässt das Haus überstürzt, um an einem anderen Ort zu heiraten. Ob Bhupati und Charu wieder zueinander finden, verneint Tagore, er glaubt nicht an eine mögliche Versöhnung, Ray lässt dies offen: In einer berühmt gewordenen symbolischen Einstellung nähern sich die Hände der beiden Eheleute. Bevor die Finger einander berühren, friert das Bild ein. Bereits die Eingangssequenz des Films ließe sich als virtuos gestaltete visuelle Rhapsodie über die Einsamkeit Charus lesen: Die Kamera scheint ihr, die unruhig durch Korridor und Zimmer wandert, entgegen oder hinterher zu springen (wahrscheinlich per Zoom-Objektiv, das in den sechziger Jahren international einer neuen Bewegungsästhetik im Film Vorschub leistete). Nicht zu Unrecht dürfte man von einer ‚entfesselten Kamera‘ sprechen, die auch mehrmals mit hin und her rennenden Frauen präzise mitschwenkt, so dass sich mit den Formen der vorgesetzten Geländer abstrakte Ornamente ergeben. Die Kamera begleitet Charu zudem beinahe während des ganzen Films, mustert die Dinge oft mit ihren Augen, versenkt sich andernfalls in die Betrachtung ihres schönen, beherrschten, ziemlich regungslosen Gesichts, um bei den Zuschauern ein Echo auf Charus erwartbare Reaktionen zu provozieren. So ist auf Anhieb begreiflich, dass sie erstarrt und fassungslos in einer Tür stehen bleibt, als ihr Mann, Bhupati, im breit angelegten Korridor des hochherrschaftlichen Hauses an ihr vorübergeht, in einem Buch blätternd, das er sich gerade geholt hat, ohne sie überhaupt zu bemerken. Charu benutzt öfter eine Art kleines Opernglas, das darauf schließen lässt, dass sie sowohl ein wenig kurzsichtig ist und Entfernteres unbemerkt in die Nähe holen will, als auch bisweilen einer Neigung zum Kapriziösen nachgibt. Dieses Requisit hält sie wie ein Lorgnon vor die Augen und starrt förmlich auf die Straße, die Eingesperrte, vom Leben der anderen Ausgesperrte, neugierig durch einen Fensterladen, dessen Lamellen sie leicht öffnet: Im kleinen Bildausschnitt entdeckt sie dort einen mageren Schausteller, der mit einem Affen unterwegs ist und durch ein Schlaginstrument auf sich aufmerksam macht, hier einen geschniegelten und leicht beleibten Mann, der einen Regenschirm untergeklemmt hält. Schon eilt sie zum nächsten Fenster, um den weiteren Weg des Mannes von oben zu verfolgen. Dann kramt sie in einem Regal mit Büchern, trägt einzelne Bände hin und her, setzt sich auf ihr hohes englisches Bett und lehnt den Kopf an eine der gewendelten Bettpfosten, die den Baldachin tragen: die Haltung einer Frau, die kurz davor ist, sich von Schwermut und Lebensekel entmutigen zu lassen. Die wie beiläufig eingenommene (später wiederholte) Pose stellt eine der vom <?page no="127"?> Das Erwachen der Träumer 127 Regisseur vorgegebenen ‚minimalistischen Indizien‘ dar, die, so diskret und dezent sie auch erscheinen, nicht übersehen werden sollten. Langweilige Kartenspiele mit der dummen Schwägerin machen Charu nur noch reizbarer. Erst die Ankunft des unbeschwerten Amal, des fröhlichen Schmarotzers, der nur Gedichte und Prosa im Kopf hat, bringt - auch nach Bhupatis, des Arglosen, Wunsch frischen Wind ins Haus. Mit ihm kann sich Charu über Literatur streiten. Er bringt sie dazu, selbst zu schreiben - über ihr Dorf, ein Text offenbar frei von ‚delikaten‘ Schnörkeln, die Amal in seinen Manuskripten noch auszuprobieren scheint. Und Charus Erzählung wird gedruckt. Mit einer gewissen Aggressivität schlägt sie das Heft dem verblüfften und erschrockenen Amal auf den Kopf. Auch in dieser Aktion verrät sich Rays feinsinniges Erspüren tieferer Strebungen: Charu liebt diesen Mann, muss es jedoch vor der Welt verbergen, dass sie ihn am liebsten zärtlich umarmen möchte - so kommt es zu kuriosen Übersprung-Reaktionen. Übrigens erfährt Bhupati erst im Kreis der Freunde von der Veröffentlichung seiner Frau. Dass sie ihm diese Nachricht vorenthält, hat nicht nur damit zu tun, dass ihn Kunst nicht beschäftigt, es ist auch ein Zeichen der Entfremdung zwischen den Ehepartnern. Aber Bhupati braucht viele Hinweise, bis sich ihm schließlich die Wahrheit enthüllt - dies hängt auch mit seinem Mangel an Vorstellungskraft zusammen. Er ist ein souveräner Repräsentant indischer (wenngleich britisch durchtränkter) Weltläufigkeit im Jahr 1870 (zu dieser Zeit soll die Handlung von Charulata spielen wie die von Tagores erzählerischer Vorlage), aber unempfindlich für die Sehnsüchte seiner viel jüngeren, kinderlosen Frau. Weitgehend hat der Bruder Amal, wenn auch von ihm ungewollt, Bhupatis Platz im Denken und Fühlen Charus eingenommen. Die Gartensequenz bringt es für die Zuschauer an den Tag, was im Inneren Charus vor sich geht. Bei Tagore planen Ehefrau und Schwager eine Verschönerung des vernachlässigten Gartens - das Projekt wird bald aufgegeben. Ray wählt die impressionistische Sommer-Szenerie als bezaubernde Kulisse, die erotische Stimmungen aufkommen lässt. Charu sitzt auf einer Schaukel, ihr gegenüber ist die Kamera platziert, die also mitschwingt und ihre Gesicht weiterhin aus geringem Abstand beobachtet: Wie der ungestümen Mrinmoyee in Teen Kanya (nur ist die ‚entfesselte‘ Kamera jetzt auf der Schaukel selbst positioniert) erlaubt die Schaukel Charu eine freimütige und selbstbestimmte Bewegung, die die Schwerkraft der Erde ein wenig überwindet oder sie im möglichen Schwindel der Sinne aufhebt. Von der Schaukel aus schaut Charu scheinbar unbeteiligt auf Amal, der im weißen Hemd auf dem Rasen liegt und dichtet. Dann schweift ihr Blick weiter, durch das Opernglas fokussiert sie eine junge Frau hinter dem offenen Fenster eines Nachbargebäudes, die ein junges Kind voller Freude emporhebt. Ihr Blick schwenkt zurück auf Amal, der nun durch das Teleskop in einer größeren Einstellung, also näher, <?page no="128"?> Thomas Koebner 128 ‚besichtigt‘ wird. Es liegt auf der Hand, dass diese Bildfolge die Frage Charus illustriert, ob Amal ihren Kinderwunsch erfüllen könne. Man gewöhnt sich im Lauf des Films an die disziplinierte Maske, die Charu der Welt bietet, so dass es geradezu verstört, wenn die junge Frau in einer melodramatischen Eruption weint und Amal umarmt. Vielleicht werden hier auch die Grenzen der kaum zwanzigjährigen Schauspielerin Madhabi Mukherjee sichtbar, die bei der stoischen Abwehr der Gefühle reizvoll verhalten wirkt, doch beim Ausdruck heftiger Affekte wenig Sicherheit beweist. Später fällt Charu zuckend auf das Bett und wendet, durch gesellschaftliche Regeln der Zurückhaltung konditioniert, das Tränen-Gesicht ab vielleicht will der Regisseur, der die Schwächen seiner Darstellerin kennt, ihre Mimik vor dem Publikum verbergen, indem er nur den Rücken Mukherjees zeigt: Bhupati beginnt, aus diesem Anblick darauf zu schließen, dass die ihm befremdliche Herzensaufwallung seiner Frau dem inzwischen aus dem Haus geflüchteten Amal gilt. Nach dem kurzen Exzess des Leidens an der verweigerten Leidenschaft gewinnt Charu bald wieder ihre Fassung: Mit einer beinahe unheimlichen marmorkühlen Starrheit begegnet sie ihrem Mann. Am weiten Strand eines Meeres sitzend, sommerlich gekleidet wie eine Effi Briest, überzeugt sie Bhupati davon, dass in einer neuen Zeitschrift, wenn er sie denn mit ihr gemeinsam planen solle, neben der Politik auch die Poesie ihren Platz haben müsse. Denn das dichterische Schreiben hat ihr zum Durchbruch und Ausbruch aus dem Ehekäfig verholfen. Unter den gegebenen Umständen, den Bedingungen der Zeit und Welt von damals diese Vermutung legt der Film nahe, denn er verbietet sich Wunschdenken -, tauscht Charu vielleicht nur eine Einsamkeit, die der abhängigen Frau, gegen eine neue Einsamkeit ein, die der unabhängigen Frau. Soumitra Chatterjee als Amal verkörpert in seiner Unbeschwertheit und lockeren Körpersprache, seiner Nachlässigkeit und Nonchalance ein Gegenprinzip zur ernsten Lebensauffassung seines schwarzbärtigen und gravitätischen Bruders Bhupati. Dabei ist er nicht besonders eitel und weiß es daher kaum zu würdigen, dass Charu ihm die schön geschmückten Schuhe schenkt, die sie eigentlich ihrem Mann zugedacht hatte. Womöglich stört ihn auch etwas an diesem Geschenk, weil es zu kostbar, zu persönlich ist und ihn in einen Bann zieht, dem er, der Leichtlebige, auszuweichen bestrebt ist - er, der eigentliche Katalysator und Beschleuniger des familiären Zerfalls, will nicht daran schuld gewesen sein. Die fatale Dreieckskonstellation ist schon vorgegeben in Monihara, der Gespenstergeschichte, dem Mittelteil von Teen Kanya: Dort ist der Vorgänger des Bhupati von ähnlich würdiger Erscheinung, die Ehefrau indes ein pathologischer Fall, die dem Ehe-Mann in der Not Solidarität (und rettendes Kapital) entzieht und den Weg ins Freie sucht, der Dritte im Spiel ein verkommener Streuner, dem die Frau willig folgt. Die Schauplätze ähneln sich, als wäre Monihara auch in der Wahl der Innenarchitektur eine Vorstudie zu Charulata: die großzügige Bauart, hohe <?page no="129"?> Das Erwachen der Träumer 129 Wände mit reich verzierten Tapeten, eine großbürgerlich oder aristokratisch üppige Ausstattung mit westlichen Utensilien, mächtige Möbel, lange Korridore. Während bei Tagore die Räume als Kammern für spezifische Lebenspraktiken streng voneinander abgeschlossen sind, betont Ray in seinen Filmen, zumal in Charulata, deren Durchlässigkeit - nicht nur, um ein schleuniges und fließendes Spiel der Figuren zu gewährleisten. Ein symbolischer Subtext erschließt die soziale Dimension: Der wenig standesbewusste Amal durchbricht die unsichtbaren Schranken und hält sich mit Charu auch in deren Schlafzimmer auf. Es scheint für ihn keine separaten Zonen für öffentliche Auftritte und intime Reservate zu geben. Das streng strukturierte große Haus gehört der feudalen Vergangenheit an, die es abzuschütteln gilt. VIII Dasselbe Oberschicht-Ambiente und dieselbe Kombination einer Frau mit zwei Männern, der eine ‚legitim‘, der andere ‚illegitim‘ um sie werbend, kehren wieder in Rays zwanzig Jahre später inszeniertem Film Ghare Baire (Das Heim und die Welt), 1985, in Farbe gedreht und von beträchtlicher Länge (140 min), entstanden nach dem gleichnamigen Roman Tagores aus dem Jahr 1915. Die Handlung ist in das Jahr 1905 versetzt, als die sogenannten Swadeshi-Aufstände 6 gegen die britische Besatzung mit dem proklamierten Verzicht auf den Kauf englischer Produkte und mit nationalistischen Phrasen („Heil Mutterland“ - in der Übersetzung des Filmdialogs) das Land in Unruhe stürzte, vor allem den Zwist zwischen den Religionen, Hindus und Muslimen, vertiefte. Tagore, ursprünglich Verfechter des politischen Widerstands, distanzierte sich angesichts der Folgen. Fast sein Ebenbild in der Erzählung ist der reiche, liberale und ‚aufgeklärte‘ Landbesitzer Nikhil: Victor Banerjee betont das Sanfte, Gelassene, Feingliedrig-Schlanke (und damit auch das Verletzliche, Zarte) dieser Figur. Nikhil ‚erlöst‘ seine Frau Bimala eigenhändig aus dem den Frauen zugewiesenen Innenbezirk des Hauses, eine mit Schmuck aller Arten verziertem Verlies, und geleitet sie - eigentlich und symbolisch gesprochen - in die Öffentlichkeit. Dieser bedeutsame Grenzübertritt wird in leichter Zeitlupe festgehalten: Beide durchschreiten, Seite an Seite, den immer wieder als Durchgangspassage genutzten breiten Korridor, der den Hof entlangführt. Bimala soll freien Geistes entscheiden, ob sie ihn, Nikhil, lieben und achten könne. Die Schauspielerin Swatikkha Chatterjee legt bei diesem schwierigen Prozess der Emanzipation, die ihrer Rolle aufgetragen ist, entsprechend langsam die äußeren Zeichen domestizierter Existenz und - sinnbildlich gesprochen 6 Swadeshi: engl. From our country. <?page no="130"?> Thomas Koebner 130 - inneren Fesseln ab, die sie an das traditionelle Modell der unterdrückten und unterwürfigen, kontrollierten und gehorsamen Frau, der Dienerin ihres Herrn, binden. Bimala in Freiheit sieht auch sogleich ihre Treue auf die Probe gestellt - denn Sandip, einer der Führer des Aufstands, nistet sich in Nikhils Haus ein, als ‚alter Freund‘, obwohl der Hausherr der aggressiven Politik Sandips unerschrocken widerspricht. Soumitra Chatterjee, seit der Darstellung des Amal, des Bruders Leichtfuss in Charulata, zwanzig Jahre älter geworden, präsentiert sich mit kräftiger, einschmeichelnder Stimme er will nicht nur Bimala, sondern auch die Volksmassen ansprechen und für sich einnehmen. Sein schwarzbärtig umrahmtes Gesicht komplettiert die Erscheinung eines ‚schweren Helden‘- wie man in alter Rollenfach- Zuordnung sagen würde -, besser noch, da er Bimala vehement in Beschlag nimmt, eines ‚schweren Verführers‘. Sandip schwört Bimala allmählich auf seine Bewegung ein, indem er sie, die gleichsam Waffenlose, in sich verliebt macht. Er bringt sie auch soweit, sogar mit Küssen als Beweis seiner angeblich authentischen Zuneigung, (viel) Geld ihres Mannes stillschweigend zu entwenden, wie ein Dieb in der Nacht, und ihm, dem suggestiven Aufrührer, zuzustecken, angeblich für das Wohl des Ganzen. Endlich begreift Bimala, dass Sandip, der zwar gegen den Konsum englischer Waren wettert, doch ungehemmt englische Zigaretten raucht, ein gieriger Betrüger ist, der das eingeheimste Geld nicht weitergibt, sondern an sich rafft. Doch da macht sich der ungebetene Gast aus dem Staub. Nikhil, der Ehrenhafte, bisher erstaunlich passiv abwartend, ob es Sandip wohl gelingen werde, seine Frau ihm völlig abspenstig zu machen, reitet los, um die Brände legenden Aufständischen zu beruhigen - nach einem kurzen heftigen Kuss, bei dem Bimala und Nikhil förmlich ineinander fallen. Tagore lässt den Tod von Nikhil ahnen, Ray wählt eine tragische Lösung: Nikhil, der leise, aber deutlich artikulierende Fürsprecher einer neuen und humanen Ethik, der Selbstbestimmung und Versöhnung einfordert, wird als Leiche zurück getragen: ein Opfer der Revolte, die der ‚Volkstribun‘ Sandip angestachelt hat. Bimala sieht den Zug der Rückkehrer vom Fenster aus, sie lehnt sich an die Wand und verwandelt sich in wenigen Überblendungen zur maskenhaft in die Ferne blickenden Witwe: die Schlusseinstellungen des Films, lakonische Bilder und Sinnbilder der Klage. Rays Film ist ein ‚Nachtstück‘ - im dekorativen und im moralischen Sinn. Im Innern des Hauses herrscht meistens Dämmerung, Licht von Kerzen und einigen Petroleumlampen beleuchtet die reizvoll zusammengesetzten Rot-Grün-Differenzen in der Kleidung des Ehepaars, Bimala umhüllt generell ihren Kopf, unter dem Stoff treten die schwarzen Haare hervor. Nikhil trägt zudem oft weiße, mit Bordüren versetzte Hemden, bei Sandip fällt sein ihn eng umschlingender brauner Sari auf. Nikhil prägt sich ein, wie er im kaum erhellten Dunkel auf einem Sessel oder seinem <?page no="131"?> Das Erwachen der Träumer 131 Bett sitzt und von dort aus Bimala anspricht - am Ende reitet er, um weitere Ausschreitungen zu verhüten, in die von Fackeln und Feuer erleuchtete Nacht hinaus, in der sein Leben ein gewaltsames Ende findet. Schon im Vorspann züngeln - ein bedrohliches Vorzeichen und zugleich Metapher für den ‚flammenden Aufruhr‘ rote Flammen vor schwarzem Hintergrund hoch. Auch Bimala hält sich häufig im Halbschatten auf, der ihrer zwiespältigen Haltung korrespondiert, und sieht sich in Spiegeln reflektiert: Sie entdeckt in dieser Situation der ‚Selbst-Prüfung‘ nicht nur die schöne Schauseite einer exquisit angekleideten Frau, sondern wird auch existentiell sich selbst gegenüber gestellt. Als Bimala ihren Irrtum bereut, der Suggestion des falschen Mannes, nämlich Sandips, erlegen zu sein, und damit Nikhil verraten zu haben, presst sie ihr vom Weinen nasses Gesicht und ihre Hand an den kühlenden Spiegel, so verdoppelt sich der Gestus des Zusammenbruchs und verwandelt sich zur Leidens-Ikone. Sandip hält eine große Rede, die die Tugend und Uneigennützigkeit des Revolutionärs behauptet, vor einer im Dunkeln zusammengescharten Menge. Hinter ihm ist eine erleuchtete Mauer zu sehen, die zu Nikhils Palast gehört, über dem Redner hängt in manchen Einstellungen ein wenig Licht spendender Lüster. Sandip selbst wird im Lauf seiner Rede exakt vor einem Rundbogen postiert, analog zu heiligen Figuren in der europäischen Renaissancekunst. Sein Sari erinnert an eine römische Toga. Einige Interpreten des Films 7 beschreiben Ray als allwissenden Erzähler, der sich dennoch streckenweise - dem Multi-Perspektivismus in Tagores Roman folgend, der Bimalas, Nikhils und Sandips Ich- Erzählungen unterscheidet - in die Erlebnisweisen der Hauptfiguren einschmiegt. Unter dieser Voraussetzung ließe sich die hieratische Stilisierung des Redners Sandip als Projektion seines Selbstverständnisses verstehen. In anderen Szenen, im Gespräch mit Wegbegleitern, entpuppt er sich jedoch als zynischer Agitator, der befiehlt, dass Mitstreiter Lastschiffe, die Lebensgrundlage unbotmäßiger Widerständler, versenken und deren Häuser anzünden sollen. Will Sandip sich selbst so sehen, als kaltsinnigen Machtpolitiker? Eher ist anzunehmen, dass sich in diesem Fall Rays unbestechlicher Blick auf diese Figur Geltung verschafft. Nikhils Ansprache im Haus an die Kaufleute, in der er um Besonnenheit bittet, findet bei weitem nicht denselben Zuspruch wie Sandips Brandrede. Er sitzt mit unterschlagenen Beinen, also in der typischen Position des Weisen, aber auch des unnahbar erhabenen Herrschers, vor seinen Zuhörern, die die Köpfe unwillig schütteln. Der Prediger der Vernunft, der ohne Zorn und Eifer seine Sache vorträgt, doch inständig 7 S. Studien in M. Asaduddin/ Anuradha Ghosh (Hg.): Filming Fiction. Tagore, Premchand, and Ray. New Delhi 2012. <?page no="132"?> Thomas Koebner 132 darum besorgt, das Unheil zu zügeln, er findet kein Gehör. Der Blick der Kamera bleibt bei seiner Rede schließlich auf ihm haften und bezeugt auch auf diese Weise Nikhils Isoliertheit. Rays Film ist - wahrscheinlich dank der Erfahrung unregierbarer historischer Konflikte und unaufhaltsamer ‚Katastrophen‘ - mindestens so pessimistisch wie Tagores expressiv überhöhter Roman von 1915, als warnendes Schreckenspanorama in einer Zeit vollendet, in der im ‚modernen‘, ‚entwickelten‘ Europa ein kaum fassbarer Weltkrieg tobte. Bimalas Emanzipation hat leider nicht dem Fortschritt des Ganzen genützt, sie selbst wurde von Sandip dazu verführt, als Instrument eines marktschreierischen Patriotismus zu dienen, bereute diese Verirrung und erkannte - gerade noch, wenn auch zu spät - den freien Geist und den Mut Nikhils, hörte endlich seiner ‚leisen Stimme‘ zu. Die offenbar tiefere Einsicht verfügt nur über diesen gedämpften Ton und lässt sich wohl nie fortissimo hinausbrüllen. Im Kleinformat des intimen Dramas im Film Ghare Baire, im Kammerspiel, das sich zwischen drei Personen ereignet, zeichnet sich gleichnishaft der ‚flammende‘ Streit ideologischer Positionen ab, der auf dem Weg von Gesellschaften zur eigenen Identität zahllose Opfer fordert. Und das erste Opfer scheint der nachdenkliche Einspruch zu sein, der den langsamen Wandel begünstigt, der Einspruch gegen die Phrase, die erklärt, dass mit einem ungeduldigen Ruck, der Vernichtung des ‚Alten‘, der objektive Tatbestand der Unterwerfung oder Kolonisierung aufgehoben sei. Auch Bimalas Befreiung aus der Umklammerung durch die traditionellen Frauenrollen dauert länger als einen Tag und schlägt eine Strecke voller Umwege ein. Diese Tagore-Verfilmung Satyajit Rays steigert sich zur bedeutenden politischen Parabel, die eine bittere Bilanz zieht: nicht für alle, doch für viele Zeiten. Zugleich schält sich aus dem Befund, dass der Fortgang der Geschichte eher an eine Tragödie als an eine Komödie gemahne, eine ‚Warn-Prophetie‘ heraus. Zwei Monate vor der Uraufführung von Ghare Baire wurde Indiens Ministerpräsidentin, Indira Gandhi, ermordet, am 31.10.1984 - ein ähnlicher Gewaltakt wie der, dem der Staatsbegründer des Landes, Mahatma Gandhi, erlag. Bibliographie Rabindranath Tagore Ganguly, Swati: Gender, Sexuality and Conjugality. In: Samapti. In: Muse India 50/ 2013. Kämpchen, Martin: Rabindranath Tagore. Reinbek 1992. Sen Gupta, Kalyan: The Philosophy of Rabindranath Tagore. Aldershot, Hampshire 2005. <?page no="133"?> Das Erwachen der Träumer 133 Satyajit Ray Asaduddin, M./ Ghosh, Anuradha (Hg.): Filming Fiction. Tagore, Premchand, and Ray. New Delhi 2012. Dasgupta, Chidananda: The Cinema of Satyajit Ray. New Delhi 2001. Freunde der Deutschen Kinemathek (Hg.): Satyajit Ray. Berlin 2003. Kinemathek, H.96. Ofner, Astrid (Hg.): Satyajit Ray. Retrospektive der Viennale 1999. Wien, Österreichisches Filmmuseum 1999. Seton, Marie: Portrait of a Director. Satyajit Ray. Bloomington, London 1971. <?page no="135"?> Annamaria Motrescu-Mayes Abjection et zèle patriotique dans le roman Char Adhyay de Tagore « Je ne réfléchis jamais à une intrigue mais seulement à une situation centrale qui ouvre des possibilités psychologiques » 1 (Tagore) « A chaque moi son objet, à chaque surmoi, son abject » 2 (Kristeva) « Comment avez-vous fait pour qu’une banale âme ignorante comme moi participe à cette folle danse destructrice ? ». « J’ai demandé l’impossible. Sans passion, tel un scientifique, j’ai vu que celui qui doit mourir, mourra ». Telle est la bande-son d’une scène de l’adaptation cinématographique du roman de Rabindranath Tagore Char Adhyay, réalisée par Kumar Shahani en 1997, tandis que l’un des personnages masculins apparaît, Kanai Gupta, pour traverser le couloir d’un Haveli. Puis apparaît un gros plan de L’enlèvement des Sabines. La scène suivante se concentre sur le principal personnage féminin, Ela, dont la tentative de perpétrer un crime politique est entravée par ses ravisseurs masculins dans un geste collectif brutal, évoquant la légende romaine et ses futures représentations picturales de la Renaissance. La liberté poétique dont use Shahani dans cette séquence raccourcit le texte original de Tagore, tout en le respectant si l’on se place du point de vue des gender studies : Ela est à la fois l’héroïne et la victime du mouvement nationaliste (terroriste) bengali du début du vingtième siècle 3 . 1 Cf. Lettre de Rabindranath Tagore à John Graham Drummond du 21 janvier 1920, citée dans Krishna Dutta/ Andrew Robinson : Selected letters of Rabindranath Tagore. Cambridge 1997, p. 229. 2 Julia Kristeva : Pouvoirs de l’horreur. Essai sur l’abjection. Paris 1980, p. 10. 3 Pour l’adaptation du roman de Tagore, Shahani a collaboré avec Udayan Vajpayee et Rimli Bhattacharya et s’est appuyé sur une stratégie de translitération complexe : « J’avais l’original bengali, […] accompagné d’un texte transcrit en devanagari, de même qu’une traduction en hindi. Ainsi, j’avais différentes formulations de la même ambiance ». Cf. Jerry Pinto : Rediscovering Tagore. In : Newsmakers, 2 juin 1996, p. 2. Pour une traduction récente du roman, voir, p. ex., l’édition de 2002 par Rupa & Co (New Dehli, ebook), dans laquelle la scène évoquée ici, et la source du commentaire formulé par la voix-off dans le film de Shahani, est centrée sur le dialogue entre Kanai Gupta, le propriétaire d’un magasin de thé, et Indranath, l’un des trois personnages principaux de Char Adhyay : « Je ne sais comment, toi, mon frère, tu as pu me mener, moi qui suis un homme pratique, sans imagination et franc, au cœur de cette danse de fous qui est la tienne. C’est un mystère pour moi ». « Ce pouvoir que j’ai sur tous ceux d’entre vous, parce que je ne suis jamais venu à vous comme un mendiant. Je ne vous ai pas demandé de vous rallier en nourrissant des illusions, je ne vous ai pas attirés dans l’espoir d’un gain. Je vous ai appelés pour que vous vous joigniez à mon espoir vain, non pas pour que vous montriez des résultats particuliers <?page no="136"?> Annamaria Motrescu-Mayes 136 Cette dichotomie politique et narrative influence la plupart des études portant sur la sensibilité et l’intérêt de Tagore pour la question de la participation des femmes indiennes aux mouvements anticolonialistes du début du vingtième siècle et pour l’iconographie féminine au sein du mouvement nationaliste indien 4 . En outre, l’annonce visionnaire de Tagore de l’émergence de dynamiques de genres affectant la politique révolutionnaire bengali, apparaissant dans ses romans politiques comme La Maison et le Monde (1916) et Char Adhyay (1934), permettent de le considérer comme un auteur dont l’actualité ne ternit pas 5 . En effet, l’iconographie et les récits nationalistes bengalis de Tagore bénéficient aujourd’hui d’une contextualisation politique et culturelle renouvelée et servent fréquemment de cadre interprétatif à ses messages anticoloniaux et antiterroristes, ainsi qu’à ceux s’attachant à traiter la question de l’égalité entre les sexes. Cependant, cet article propose un examen de Char Adhyay dans un espace analytique différent, celui de la théorie psychanalytique. En nous appuyant sur la cohérence symbolique du roman et sur la théorie de l’abjection de Julia Kristeva - et en particulier sur son étude fondatrice Pouvoirs de l’horreur. Un essai sur l’abjection - nous nous proposons de montrer que Tagore a dressé dans Char Adhyay un portrait prophétique et controversé du mouvement révolutionnaire bengali dans lequel les rôles des sexes sont autodestructifs et incongrus face aux canons critiques du discours nationaliste indien. Dans ce contexte, Ela existe et fonctionne au-delà du symbolisme traditionnel de Bharat Mata (Mother India) assigné aux Indiennes de la classe moyenne engagées avec vigueur dans les mouvements anticoloniaux de leur pays, la plupart du temps vilipendées et ridiculisées pour leur zèle patriotique 6 . Plutôt que d’être un signe ou une métaphore de l’espace mais pour que vous prouviez votre valeur. Mon tempérament est impersonnel si bien que je peux me soumettre sans hésitations à l’inévitable. Et qui suis-je pour supplier et prier que l’Inde soit épargnée de son destin alors qu’elle continue d’adorer avec de la pâte de santal et du vermillon les tout premiers germes de sa ruine ? » (Citations traduites de l’anglais. Cf. Rabindranath Thakur : Char Adhyay. New Dehli : Rupa & Co ebook 2002 ; le livre numérique ne permet pas d’indiquer les numéros de pages). 4 Indrani Mitra : I will Make Bimala one with my Country. In : Gender and nationalism in Tagore’s The Home and the World. Modern Fiction Studies, vol. 41, 1995, n° 2, p. 243-264, et Saha Poulomi : Revolutionary desire : Gender and national attachment in colonial and postcolonial Bengal. (Diss.) University of Pennsylvania, 2011. 5 Amartya Sen : Tagore and His India. In : The Official Web Site of the Nobel Price. 28 août 2001. (http: / / www.nobelprize.org/ nobel_prizes/ literature/ laureates/ 1913/ tagore-article.html) et M.N. Chatterjee : Spiritual Insight in Tagore’s Works : The Speaking Tree. In : The Times of India, 9 mai 2002, p. 12. 6 Dans son film Char Adhyay, Kumar Shahani montre la prise de conscience et la possible condescendance de Tagore vis-à-vis de la manière dont les femmes bengalies cultivées, issues de la classe moyenne et s’intéressant et s’impliquant dans le mouvement national, étaient fréquemment rejetées en tant que révolutionnaires, mues d’un esprit indépendant. En tant que telle, la figure féminine Ela de Tagore parle de manière dépréciative d’elle-même : « Depuis que nous sommes nées, la nature nous a insultées. Nous, les femmes, sommes nées avec un handicap, un <?page no="137"?> Abjection et zèle patriotique dans le roman Char Adhyay de Tagore 137 révolutionnaire bengali des années 30 7 , Ela est à la fois un catalyseur créateur et destructeur de profondes transformations psychologiques qui structurent l’intrigue du récit de Tagore, et plus encore, qui relatent une conscience aigüe des étapes de développement qu’a traversé le moi collectif du mouvement nationaliste radical indien. De plus, contrairement à la thèse fréquemment soutenue tant par la littérature académique que la littérature populaire, le personnage central du roman de Tagore et de ses adaptations visuelles subséquentes, est Atin et non Ela - le jeune révolutionnaire dont l’amour pour Ela et symboliquement celui qu’il porte à la mère patrie, mène à l’abjection et au matricide. Interprété dans cette perspective critique, Char Adhyay de Tagore devient un texte phare pour de futures explorations des gender studies, psychanalytiques et historiques ayant pour objet les évolutions fondamentales de l’identité nationale indienne au cours du vingtième siècle. Echanger le purdah contre la mort sacrificielle Char Adhyay (1934), dernier roman de Rabindranath Tagore traduit par Gertrude Emerson Sen, parut sous forme de feuilleton dans Asia entre décembre 1936 et avril 1937 sous le titre Novelette of Young India - Four Chapters 8 . Qualifié par Tagore d’histoire d’amour jouant dans le contexte du terrorisme révolutionnaire des années 30 au Bengale 9 , le roman met en lumière l’intérêt de l’auteur pour « le patriotisme, le nationalisme, la violence et la libération » 10 . Doté d’un sens aigu de l’économie narrative tout en mettant l’accent sur des détails visuels riches et symboliques, Char Adhyay raconte l’histoire d’une jeune femme bengalie issue de la classe moyenne, Ela, dont l’implication dans la politique révolutionnaire est contrôlée et manipulée par le meneur d’un groupe terroriste, Indranath, dont l’amour pour l’une des jeunes recrues du groupe aura des handicap biologique. Les hommes sont beaucoup plus forts que nous. Ils sont dotés de meilleurs esprits. » L’interprétation de Shahani est en accord avec l’idée qu’on « considérait comme allant de soi que les femmes [indiennes nationalistes] n’avaient pas d’opinion politique indépendante » alors que l’opportunité de défier et d’échapper aux structures du purdah qui se présentait à elles était presque toujours remplacée par leur statut de victime aux mains « de misérables tactiques » masculines. » Cf. Dagmar Engels : Beyond Purdah? Women in Bengal 1890-1939. Delhi 1996, p. 33. 7 Poulomi : Revolutionary desire (note 4) et Engels : Beyond Purdah? (note 6). 8 Dutta/ Robinson : Selected letters of Rabindranath Tagore (note 1), p. 455. Le volume intitulé Four Chapters, publié par l’Université Visva-Bharati en 1950 permit une réception plus large de la nouvelle traduction anglaise du roman (trad. par Surendranath Tagore). 9 Mowa Sarada : Rabindranath Tagore : A Study of Women Characters in His Novels. New Delhi 1988. 10 Michael Collins : Empire, nationalism and the postcolonial world : Rabindranath Tagore’s writings on history, politics and society. London, New York 2012, p. 38. <?page no="138"?> Annamaria Motrescu-Mayes 138 conséquences fatales. Chargée par Indranath de persuader de jeunes hommes à rejoindre les rangs de son groupe organisé et armée de résistance anticoloniale, Ela rencontre, recrute et tombe amoureuse d’un jeune homme issu d’une famille aisée bengalie d’une caste supérieure, Atin, quatre ans avant les évènements décrits dans le roman. Prisonniers d’un amour sans issue, Ela et Atin ne parviendront à se soustraire ni à la critique ni au châtiment d’Indranath, qui voit dès le départ leur relation d’un mauvais œil. Bien que conscients des blessures émotionnelles, intellectuelles et physiques infligées par Indranath à son groupe révolutionnaire et aux victimes de ses actes terroristes, Ela et Atin se soumettent néanmoins aux règles, hiérarchies et ordres qu’engendre l’idéologie du chef. Finalement Atin accepte l’injonction d’assassiner Ela qui, par l’amour qu’elle lui voue, met en danger la sécurité et le succès des projets de résistance armée prônés par Indranath. Dans ce contexte, Ela est une héroïne tragique. Elle symbolise l’importance grandissante du rôle des femmes tant dans la société bengalie qu’au sein du mouvement indien de libération dans la première moitié du vingtième siècle, - passant du purdah à l’action politique. Par ces aspects, Ela est souvent considérée comme la force motrice de l’action autour de laquelle s’organise l’axe de narration de Char Adhyay de Tagore. Cette thèse est l’interprétation communément admise, mise en lumière, adoptée et promue par les spécialistes de la littérature et de l’histoire sud-asiatique ainsi que par les critiques des nombreuses adaptations cinématographiques et théâtrales du roman. De plus, le premier à avoir donné comme point d’ancrage à Char Adhyay « le seul thème de […] l’amour entre Ela et Atindra [Atin] » était Tagore luimême 11 , sans doute dans une tentative de contrecarrer la censure, les critiques acerbes et les accusations publiques que l’auteur anticipait, pour avoir brossé, une fois de plus, un portrait dénigrant des révolutionnaires bengalis dans un récit politico-éthique controversé 12 . « Beaucoup de mes compatriotes ne sont guère enchantés par Char Adhayay », écrivit-il dans une lettre adressée à sa secrétaire, Amiya Chakravarty, datée du 11 juillet 1935 13 , à un moment où il songeait à la publication de la première traduction anglaise du roman 14 . 11 Sarada : R.T. : A Study of Women Characters in His Novels (note 9), p. 122. 12 Ashis Nandy : The Illegitimacy of Nationalism. Rabindranath Tagore and the Politics of Self. Oxford 1994, p. 22. Des commentaires désapprobateurs semblables se firent entendre en 1916 lorsque Tagore publia La Maison et le Monde, une autre nouvelle politique s’interrogeant sur les thèmes de l’amour, de l’émancipation sociale et politique des femmes, des mouvements révolutionnaires et de l’éthos sacrificiel dans le Bengale du début du vingtième siècle. 13 Dutta/ Robinson : Selected letters of Rabindranath Tagore (note 1), p. 453. Dans la même lettre adressée à Chakravarty, Tagore ajouta sa propre critique, particulièrement perspicace, de la réception qu’il attendait de Char Adhyay : « Je suis convaincu que la plupart de mes écrits bengalis vont perdurer. […] Je vois bien qu’on a beau intégrer des louanges dans un écrit littéraire ; les lecteurs n’apprécient pas l’œuvre. Il <?page no="139"?> Abjection et zèle patriotique dans le roman Char Adhyay de Tagore 139 Certaines des interprétations plus nuancées du roman identifient dans la destinée de Brahmaband Upadhyay - un activiste nationaliste qui fut le premier à user de la terreur comme d’un moyen politique en soi - la source d’inspiration de Tagore et relèvent que c’est avant tout « à travers l’évolution des personnages plutôt que de l’intrigue et la description du déchirement intérieur des personnages » que l’auteur parvient à exprimer véritablement sa « propre critique de la violence terroriste » qui a entaché le mouvement révolutionnaire bengali 15 . Présentée à la fois comme héroïne et comme victime, Ela est, dans ce contexte, largement considérée comme la représentante symbolique des femmes bengalies engagées activement en politique, moyennant des pratiques sacrificielles. Elle incarne un personnage « qui tombe et échoue sous le bras puissant de la tradition » 16 et qui « a trahi sa féminité essentielle, sa stree-dharma […] pour des convictions politiques » 17 - bref, « un désastre du fait-accompli » 18 . Par ailleurs, bien qu’admirée pour son sens de l’émancipation féminine et politique, la plupart des spécialistes considèrent qu’Ela connaît une fin tragique pour avoir « créé le chaos » 19 en défiant et en s’opposant à la rigidité des « frontières des rôles des sexes » 20 . La transformation complexe et rapide du personnage d’Ela au fil des quatre chapitres du roman reste une source d’inspiration pour les nombreuses adaptations théâtrales et cinématographiques de Char Adhyay. De même, la qualité presque intrinsèquement cinématographique du style narratif de Tagore qui se caractérise par sa précision - « [Tagore], tel un caméraman, saisit une série de situations interpersonnelles presque statiques » 21 - a inspiré des adaptations éponymes clés comme la mise en scène de Shambhu Mitra (1951), le film poétique de Kumar Shahani (1997) et l’adaptation récente de Bappaditya Bandopadhyay dans le registre Bollywood (2012). De manière générale, chacune des adaptations de Char Adhyay suit l’évolution linéaire de cette histoire d’amour fascinante, faut faire la cour à l’aire présente. Dans le futur, quand ces flatteries ne seront plus longtemps nécessaires, le jugement sera purement littéraire ». 14 Déçu par la traduction anglaise de Amiya Chakravarty, qui, pensait-il, « masquait en partie à ses lecteurs britanniques potentiels le rapport critique [du roman] au caractère bengali, Tagore conclut tacitement d’y apporter des modifications avec son cousin, Surendranath Tagore (Ibid.). 15 Nandy : The Illegitimacy of Nationalism (note 12), p. 21. 16 Tahmima Anam : Rabindranath Tagore’s legacy lies in the freedom-seeking women of his fiction. In : The Independent, 6 mai 2011 (http: / / www.independent.co.uk/ arts-entertainment/ books/ features/ rab...gacy-lies-in-the-freedomseeking-women-ofhis-fiction-2279473.html). 17 Paulomi Chakraborty : The Refugee Woman : Partition of Bengal, Women and the Everyday of the Nation. (Diss.) University of Alberta 2010, p. 283 et 314. 18 Ibid. 19 Engels : Beyond Purdah ? (note 6), p. 27. 20 Ibid. 21 Nandy : The Illegitimacy of Nationalism (note 12), p. 22. <?page no="140"?> Annamaria Motrescu-Mayes 140 platonique et malheureuse entre Ela et Atin sur fond de troubles politiques dans le Bengale d’entre-deux-guerres. Dans le film de Shahani, la ferveur révolutionnaire nationaliste est représentée dans une perspective éminemment connotée, choisie par le réalisateur pour traduire ce qu’il considérait être le message central de Tagore, c’est-à-dire « l’exploration de swabhaav ou de l’individualité qui doit primer sur tous les autres idéaux propagés au moment de l’indépendance indienne, comme swatantrata (l’autonomie) ou swatheenta (l’autodétermination) » 22 . L’interprétation de Sahani du regard porté par Tagore sur des actions révolutionnaires terroristes bengalies a conduit certains critiques à associer le message du roman aux stratégies de certains groupes subversifs indiens actifs dans les années 90 23 . Ceci apparaît très clairement dans les scènes où Tagore met dans la bouche de Shahani des déclarations sentencieuses, comme par exemple lorsque Indranath annonce de façon péremptoire : « Je ne vais pas appeler mon pays Déesse ou Mère pour rester simplement assis à ses pieds et pleurer. Je dois faire mon travail. […] Je préfère affronter la mort plutôt que de déshonorer ma propre nature. » 24 Cependant, le film de Shahani reste, de par sa réception comme œuvre éminemment poétique, un « plaisir visuel » 25 , soucieux de la condition féminine au sein du mouvement nationaliste indien. Par ailleurs, le film a fait l’objet de nombreux articles de presse suite à la controverse entre l’Université Visva Bharati (l’institution délivrant le copyright pour les œuvres de Tagore) et le Bureau de la censure de l’Inde : la Visva Bharati avait exigé la supervision et le contrôle du script du film, et le Bureau de la censure s’était érigé contre la (seule) scène de nudité - une courte séquence où Nandini Ghosal (jouant Ela) apparaissait à la fin du film 26 . Shahani avait qualifié cette scène « d’explosion [cruciale] de l’érotisme opprimé qui a été soigneusement construit tout au long du film » 27 . En focalisant l’intrigue sur l’exposition du destin tragique d’Ela sur fond de sexualité et de romance, le film de Bandopadhyay présente, luiaussi, une version romancée et édulcorée de la critique de Tagore à l’encontre des révolutionnaires terroristes bengalis. Il en résulte un récit qui évite avec précaution « les dialogues [de Tagore] [qui] sont trop complexes et philosophiques pour un film » préférant laisser « les éléments visuels 22 Pinto : Rediscovering Tagore (note 3), p. 2. 23 Khalid Mohamed : Love in the Time of Revolt. In : The Sunday Times of India, 27 juillet 1997, p. 18. 24 Dialogue en sous-titres du film de Shahani. 25 Trisha Gupta : Tagore for Beginners. In : The Caravan - A Journal of Politics and Culture, 1 er juillet 2011 (http: / / caravanmagazine.in/ print/ 35). 26 Prabodh Parihk/ Tyeb Mehta/ Atul Dodiya et al. : Artist Muzzled. In : The Times of India, 9 décembre 1997, p. 12 ; Mohamed : Love in the Time of Revolt (note 23). 27 Ratnottana Sengupta : Censor board’s clearance delays screening of film. In : The Times of India, 16 janvier 1998, p. 10. <?page no="141"?> Abjection et zèle patriotique dans le roman Char Adhyay de Tagore 141 prendre le pas sur les dialogues » 28 . En définitive, le film de Bandopadhyay est un film qui va « hanter les amateurs de cinéma », « pour lesquels [il] restera une histoire d’amour » 29 - c’est ce que Tagore avait initialement fait valoir au sujet de la réalité thématique du Char Adhyay. Le présent article s’inscrit dans ce schéma d’interprétation et adopte un nouvel angle d’analyse, en opposition à bon nombre de recensions actuelles de spécialistes et de critiques s’accordant à présenter le roman de Tagore comme tableau d’un traumatisme politisé et comme représentation de l’émancipation des femmes. Par un changement assez radical de perspective, le destin héroïque d’Ela s’effacera derrière celui d’Atin, le cheminement d’Atin étant un voyage tout aussi périlleux, soumis à des situations historiques et émotionnelles éprouvantes menant à un processus de transformation plus profond d’un Soi sexué et politique. Cette nouvelle approche analytique s’appuie sur la théorie de l’abjection de Julia Kristeva et, le cas échéant, sur la littérature filmique récente ainsi que sur la rhétorique visuelle qui ont influencé les adaptations du dernier roman de Tagore. Patria, abjection thérapeutique et matricide A peine deux ans avant que le psychiatre et psychanalyste français Jacques Lacan (1901-1981) ne publie ses premiers résultats d’analyse sur ce qui allait devenir sa théorie phare du « stade du miroir » dans le développement de la subjectivité humaine 30 , Rabindranath Tagore avait créé avec Atin le « patient prototype », selon la théorie de Lacan. Le jeune révolutionnaire, qui rejoint le mouvement terroriste bengali des années 30 par amour pour la séduisante Ela, semble traverser des étapes profondes de développement de la conscience de Soi et de son identité. Chacun des quatre chapitres de Char Adhyay présente la transformation progressive de l’identité d’Atin - un processus qui - et c’est là notre thèse - correspond avec une précision troublante aux phases clés de la construction identitaire ébauchées par Lacan en 1936 et développées par la philosophe et psychanalyste franco-bulgare Julia Kristeva en 1980 dans sa théorie de l’abjection 31 . Avant de nous pencher sur certaines scènes clés propices à étayer notre thèse, il convient de redéfinir brièvement la force symbolique d’Ela et, en particulier, de saisir son rôle catalyseur dans la métamorphose d’Atin. A l’inverse de certaines études qui ramènent le message 28 Shoma Chatterji : Elar Char Adhyay. In : The Indian Express, 25 mai 2012. (http: / / www.indianexpress.com/ news/ elar-char-adhyay/ 953367/ 0). 29 Priunka Dasgupta : Elar Char Adhyay. In : The Times of India, 13 mai 2012. (http: / / timesofindia.indiatimes.com/ movie-review/ 13124632.cms). 30 Bice Benvenuto/ Roger Kennedy : The Works of Jacques Lacan. An Introduction. London 1986. 31 Kristeva : Pouvoirs de l’horreur (note 2). <?page no="142"?> Annamaria Motrescu-Mayes 142 antiterroriste de Tagore dans Char Adhyay au personnage héroïque et tragique d’Ela qui se livre en sacrifice, nous nous attacherons à démontrer qu’Atin incarne le personnage principal de Char Adhyay en devenant le porte-parole idéologique de Tagore. Il faut rappeler qu’Ela est généralement associée à Bharat Mata et considérée comme « corollaire » à un autre personnage féminin de Tagore, Bimala, dans le roman La Maison et le Monde (1916), dont les attributions, délimitées par la politique et le genre, sont similaires. Alors qu’Ela et Bimala fonctionnent comme des personnifications de la mère patrie indienne au sein de l’iconographie du mouvement nationaliste, Atin devient le symbole du mouvement anticolonial, notamment de l’identité spécifique de sa fraction terroriste. La transformation d’Atin, modelée par des idéologies révolutionnaires radicales, qui d’amant enthousiaste et ingénu se transforme en bourreau assumé et insensible, correspond aux étapes de construction identitaire décrites par Kristeva dans la mesure où celles-ci s’organisent autour d’un acte d’« abjection ». Atin, et le mouvement nationaliste qu’il symbolise, « contemple » d’abord son moi qui se reflète dans son amour pour Ela/ Bharat Mata avant de conquérir une identité libérée et une autonomie politique à travers le rejet, l’horreur et finalement, le matricide. Comme Ela et Bimala, Atin est présenté par Tagore à la fois comme sujet et produit du mouvement Swadeshi au Bengale « qui fit irruption comme un torrent, rompant les digues et emportant toute notre prudence et nos craintes sur son passage » 32 . Toutefois, et contrairement à Ela, incarnation à la fois aimante, déterminée, cruelle et finalement sacrificielle de Bharat Mata, le pouvoir symbolique d’Atin repose sur des actions extrêmes, passionnées et éruptives d’auto-découverte et d’autodétermination. Son moi repose sur le droit fondamental à une identité illimitée et assumée, ce qui exige des formes d’expression autonomes et irrévérentes envers les structures idéologiques qui définissent ses attaches politiques. Indirectement, à travers les étapes de sa transformation, Atin met en exergue l’objet du surmoi du mouvement révolutionnaire national : une Inde indépendante. Les moyens employés pour parvenir et accéder à ces objets ou objectifs sont décrits par Tagore dans quatre chapitres qui semblent tout à la fois documenter et faire écho à la théorie de Kristeva relative aux étapes identitaires et psycho-sexuelles initiales du développement de l’enfant. Dans son ouvrage Pouvoirs de l’horreur. Essai sur l’abjection, Kristeva s’appuie sur le modèle théorique proposé par Lacan, qui porte sur les quatre premières années de la vie de l’enfant - soit une durée égale à celle de la rencontre entre Ela et Atin avant qu’il ne se produise la fin fatale de leur histoire d’amour. Pour Kristeva, ces (quatre) stades de développement, supposés se succéder de manière linéaire, correspondent à l’expérience de l’enfant d’une vie illimitée de plaisir (un stade dénommé 32 Rabindranath Tagore : The Home and the World. Start Publishing eBooks, 2012. <?page no="143"?> Abjection et zèle patriotique dans le roman Char Adhyay de Tagore 143 chôra) ; de « la perte inaugurale fondant son être propre » 33 , étape définie comme la pré-condition du narcissisme 34 ; de la formation d’une image du Soi en relation avec un contexte social appelé le Nom-du-Père - cette étape correspondant au « stade du miroir » chez Lacan et à la « crise narcissique » de Kristeva ou stade de l’abjection 35 , et à l’expérience de l’inanalysable « fétichisme "la langue" » 36 qui permet le lien avec la matérialité et l’immédiateté de sa propre existence. En se penchant sur l’exemple d’Atin et sa venue au monde que l’on peut qualifier à la fois de symbolique et de personnelle, il est particulièrement intéressant de noter que Lacan et Kristeva définissent, l’un comme l’autre, les stades de développement psychosexuel à partir de configurations et modèles linguistiques qui, d’une part, semblent refléter la structure de l’inconscient 37 , d’autre part, constituent une langue de la volonté, de la peur originaire, de la privation et de « la violence du rejet, [de] l’agressivité [et de] la pulsion mortelle de mort » 38 . Lu dans cette perspective, le roman Char Adhyay livre un exemple parfait de ce que Kristeva appelle la phobie de l’écrivain d’une telle langue, un état surmonté par l’acte de métamorphose, consistant à recourir à la rhétorique visuelle pour interpréter des signifiants non refoulés par lesquels est rendue audible la critique de Tagore du terrorisme révolutionnaire bengali. D’origine freudienne et profondément ancré dans des modèles linguistiques d’évaluation et d’argumentation critique, le modèle psychanalytique lacanien du développement psychosexuel du sujet humain introduit le concept de Nom-du-Père pour évoquer l’autorité, les interdictions, restrictions, désirs, lois et le « réel » 39 immédiat d’une société. En reconnaissant et défiant un contexte social donné, ou en s’y conformant, l’individu devient à même de vivre différents stades de communication et de communion avec chaque société particulière. Cette relation est caractérisée par le désir éternellement inassouvi de l’individu de la posséder, de la contrôler et de la maîtriser. Ainsi, on peut ici avancer l’hypothèse que la société qui empreint et détermine le développement identitaire d’Atin dans Char Adhyay, c’est-à-dire le mouvement révolutionnaire (terroriste) bengali, est représentée par Indranath, qui, à son tour, s’insère dans l’économie de la structure théorique du Nom-du-Père, conformément à la théorie de Lacan et de Kristeva. Ainsi, c’est Indranath qui conjure l’espace émotionnel et idéologique dans lequel Atin cultive son amour pour Ela et où s’inscrivent les stades suivants de développement de 33 Kristeva : Pouvoirs de l’horreur (note 2), p. 12. 34 Ibid., p. 21. 35 Ibid., p. 22. 36 Ibid., p. 27. 37 Jacques Lacan : Écrits : A Selection. New York 1977. 38 Kristeva : Pouvoirs de l’horreur (note 2), p. 49-50. 39 Lacan : Ecrits (note 37). <?page no="144"?> Annamaria Motrescu-Mayes 144 son moi, y compris la phase d’abjection, de même que la conclusion cathartique vécue à travers la réalité de la mort. En défendant l’idée qu’Indranath représente le terrorisme révolutionnaire bengali des années 30, une « société guidée par dharma, telle qu’elle était imaginée par le peuple » 40 41 , il paraît alors plausible de considérer le destin tragique d’Ela, en tant que représentante de la « mère » 42 , comme complémentaire à celui d’Indranath. Ela conserve le rôle qu’on lui assigne communément, celui de la figure de la mère, capable d’englober différents motifs de l’iconographie du mouvement national indien, gouvernée par le genre, notamment le motif de Bharat Mata et ses variantes divines Kali, Durga ou Shakti qui ont très largement nourri l’imaginaire visuel de la Mère patrie du mouvement révolutionnaire bengali 43 . Néanmoins, au sein de la structure dyadique dont Indranath et Ela constituent les deux éléments, cette dernière perd son rôle de prima facie en se révélant objet d’amour et de désir sexuel d’Atin. Ela est investie de la double force primaire de création et de destruction - un rôle qui agit comme catalyseur de la transformation d’Atin et, indirectement, de l’évolution du combat anticolonial bengali. La ferveur patriotique trouve ainsi une identité nationaliste libérée et se confond avec le récit de l’idéologie terroriste. Ela devient ce que Tagore désigne, dans la bouche d’Indranath, comme « un pays [qui] n’est pas la Mère d’enfants séniles. Elle est mi-Dieu, mi-Déesse. Le culte qui lui revient doit viser le rapprochement de l’homme et de la femme, mais cette union ne doit pas être affaiblie par l’emprisonnement à l’intérieur de barrières érigées par la société » 44 . Plus encore, c’est par les canevas émotionnels créés par la langue poétique « de l’envie » et du rejet, développée par Tagore, qu’Ela dirige la métamorphose identitaire d’Atin - une métamorphose qui s’accomplit, de façon analogique, à travers les quatre stades de développement psychosexuel exposés par Kristeva. Au sein de la structure des forces symboliques qui désignent la matrice maternelle comme lieu de la réalité originelle préalable au Soi, point d’ancrage et de retour perpétuel à la source intime et ultime d’identité, l’appareil transformatif et cathartique qui régit la métamorphose identitaire d’Atin est figuré par le personnage d’Ela. Fourvoyée par la stratégie de 40 Sabyasachi Bhattacharya (ed.) : The Mahatma and the Poet. Letters and debates between Gandhi and Tagore, 1915-1941. New Delhi 1997, p. 25. 41 Il faut comprendre ici par dharma le terme définissant l’expression ultime et harmonieuse de la réalité. 42 Il est important de noter ici qu’en dépit d’être plus jeune, Ela met en lumière sa priorité d’âge sur Atin en disant : « Mes vingt-huit ans représentent beaucoup plus que les tiens ». Kumar Shahani a donné plus de poids à ces lignes en faisant dire à sa Ela : « Mes vingt-huit ans sont beaucoup plus vieux que tes vingt-huit ans ». 43 Chakraborty : The Refugee Woman (note 17). 44 Thakur : Char Adhyay (note 3). Dans la transcription de Shahani, ces lignes sont simplifiées de la manière suivante : « un pays qui n’est pas la mère d’éternels […] enfants. C’est un Dieu mi-homme, mi-femme. » <?page no="145"?> Abjection et zèle patriotique dans le roman Char Adhyay de Tagore 145 recrutement maligne et manipulatrice d’Indranath, Ela dirige prudemment le développement identitaire d’Atin en organisant son implication dans le groupe terroriste révolutionnaire par des actes de séduction, de contrôle et de rejet du désir qu’il éprouve pour elle, et par le don final de son amour et de son corps investi du pouvoir libérateur de la passion et des pulsions sexuelles. En tant qu’incarnation de Kali, et en écho à l’iconographie nationaliste bengalie de la matrie autour de la déesse Durga 45 , le rôle premier d’Ela est d’attirer de jeunes Bengalis au service de la doctrine partisane du terrorisme révolutionnaire. Leur amour pour l’héroïne, et pour une patrie bengalie révolutionnaire, définira la conscience défaite et « étouffée » d’Ela. Ses actes créent ainsi une réalité politique parallèle et destructive, une loi criminelle du Nom-du-Père, à laquelle Atin, l’archétype des apprentis idéologiques formés par Ela et Indranath, succombe avant de la défier, de la refuser et de la rejeter et, finalement, de l’anéantir au moyen du matricide 46 . Dans cette perspective, Atin est, dans sa relation à Ela, non pas un amant aux désirs sexuels non partagés mais un « garçon » qui modèle peu à peu son identité en prenant ses distances par rapport à son désir incestueux et instinctif pour sa mère et qui cherche à articuler un Soi assumé en entreprenant un voyage parallèle à travers le stade du miroir au sens de Lacan et en passant par le stade de l’abjection selon la conception de Kristeva. Atin résout finalement sa crise narcissique, et en particulier son besoin de libre-arbitre et d’identité dans sa relation à Indranath et aux autres, en s’appropriant la rhétorique de Thanatos pour compléter et défier la rhétorique prohibitive d’Eros dont use et abuse Ela. De même, les rapports amoureux perpétuellement repoussés sont consommés en deux étapes : d’abord, quand il accepte l’ordre d’Indranath de tuer son amante, puis, quand il réussit à persuader Ela que son crime (matricide) permet une symbiose prédestinée et rédemptrice de leur amour tragique. La décision d’Atin de tuer Ela correspond au châtiment ultime qu’il lui inflige pour sa négligence émotionnelle autocastratrice, et témoigne aussi de sa maîtrise d’« une prise de conscience » en tant que sujet d’une identité propre, nouvelle et acquise de manière autonome 47 . De plus, en analysant l’évolution du personnage d’Atin sous l’angle de la théorie de la narratologie - et en particulier de la morphologie narrative proposée par Vladimir Propp dans lequel un manque initial peut, parfois, être comblé par une « envie de » plus grande encore, plutôt que l’inverse, de sorte qu’on assiste à l’annulation du manque par l’accomplissement du désir et du besoin - le 45 Engels : Beyond Purdah ? (note 6). 46 Il est important de signaler que, dans le roman de Tagore, Ela et Atin, depuis leur deuxième jusqu’à leur dernière rencontre, se retrouvent dans le puja dalan (la pièce dédiée au culte et aux cérémonies religieuses) d’« une maison, vieille de cent cinquante ans et désertée depuis longtemps, dont les gens pensent communément qu’elle est maudite et hantée d’un fantôme d’un matricide. » Cf. Thakur : Char Adhyay (note 3). 47 Benvenuto/ Kennedy : The Works of Jacques Lacan (note 30), p. 59. <?page no="146"?> Annamaria Motrescu-Mayes 146 meurtre assumé d’Ela correspond à un narrathème, autrement dit à une unité narrative du Soi - et à la délivrance nationale à travers un acte de purification émotionnelle et idéologique 48 . Selon la conclusion choisie par Tagore pour Char Adhyay, l’histoire d’amour entre Ela et Atin se termine tragiquement ; une réinterprétation de cette fin à la lumière de la théorie de l’abjection permet au contraire de démontrer qu’Atin tue l’objet de son désir, Ela, afin de trouver un autre Soi libéré de l’idéologie émotionnelle et dogmatique qu’elle représente et qu’elle lui instillait. Le trajet transformatif d’Atin illustre la description par Kristeva d’une des étapes de l’abjection, où l’individu « accouche de [soi] dans la violence du sanglot » 49 . Cette observation évoque par ailleurs une métaphore pertinente pour l’expérience traumatique de l’identité hindoue et musulmane qui dure depuis la partition de l’Inde en 1947. Au moment où Atin se libère de son amour pour Ela, il met aussi fin aux activités du réseau terroriste d’Indranath puisqu’il annihile son appareil vivant de recrutement : Ela, la séductrice idéologique et maternelle. Atin dénonce en ces termes son double engagement envers Ela et Indranath : « Ce que je faisais pour mon pays, je le faisais pour toi [Ela]. L’opportunité s’est présentée à moi de braver la mort pour toi. Tu oublies ceci et réserve tous tes remords pour mon existence perdue - incorrigible maîtresse de maison » 50 . A côté de l’ironie subtile adressée par Tagore aux dynamiques de genre dans l’Asie du Sud, limitant l’espace de vie de la femme au purdah, les mots d’Atin illustrent et laissent présager pour chacun la seule issue possible de leur relation symbolique. D’une part, le désaveu de l’agenda politique d’Indranath (le Nom-du-Père) puisqu’il décide de sacrifier son statut économique et social antérieur par amour et non dans l’intérêt supérieur d’un concept - le Bengale, la patrie. D’autre part, la reconnaissance et l’abjection de son « envie », de son désir pour et de son besoin d’Ela qui modelait son Soi. Le choix des moments où interviennent les stades transformatifs décisifs et révélateurs de l’identité témoigne d’une autre correspondance intéressante entre le récit de Tagore Char Adhyay et la théorie de l’abjection de Kristeva. Par exemple, dans le chapitre 3 du roman, Atin, en porteparole des convictions antiterroristes et profondément pacifistes de Tagore, déclare à Ela : « Je ne suis pas ce que tu appelles un patriote. […] L’idée que la vie d’un pays puisse être sauvée en tuant son âme, c’est la doctrine éminemment fausse que les nationalistes du monde entier rugissent avec véhémence. » 51 - C’est sans doute cette prise de position au vitriol qui a fait écrire à Amiya Chakravarty en février 1935 que Char Adhyay allait « ébranler l’Europe » 52 . Dans cette scène, ce n’est pas l’acte de confession 48 Vladimir Propp : Morphologie du conte. Paris 1970. 49 Kristeva : Pouvoirs de l’horreur (note 2), p. 11. 50 Thakur : Char Adhyay (note 3). 51 Ibid. 52 Dutta/ Robinson : Selected letters of Rabindranath Tagore (note 1), p. 454. <?page no="147"?> Abjection et zèle patriotique dans le roman Char Adhyay de Tagore 147 par Atin de la vérité inavouable de la nature non-nationaliste de son patriotisme qui permet les révélations politiques et les révélations du Soi mais la conversion d’Ela à des opinions politiques qui vont à l’encontre de son allégeance à la doctrine d’Indranath. La réponse d’Ela à Atin, qui est aussi une supplication de rester fidèle à son amour pour elle, est empreinte de désespoir rédempteur : « Va-t’en. […] Tu as brisé le fondement de ma confiance » 53 . Cet échange cathartique entre les deux amants illustre ce que Kristeva appelle le temps double de l’abjection - un « temps de l’oubli et du tonnerre, de l’infini voilé et [le] moment où éclate la révélation » 54 . Passons à un autre exemple semblable et significatif du pont narratif et théorique qui relie la description éclairante par Tagore de l’identité révolutionnaire bengalie/ indienne et les études psychanalytiques modernes sur le développement du Soi : la scène finale du roman dont les deux adaptations cinématographiques par Kumar Shahani et Bappaditya Bandopadhyay proposent des visions opposées. Contrairement à l’interprétation courante de la scène finale comme scène de sacrifice d’Ela - Bharat Mata - Kali en réparation de la faute commise, il nous semble plus pertinent de mettre le focus sur Atin qui traverse la dernière étape de la transformation de son identité vers la réalité d’une délivrance tragique et vers le renouvellement assumé du Soi. La stratégie employée par Tagore dans ce dialogue entre Ela et Atin permet de valoriser le potentiel psychologique du personnage masculin. Au moment du dénouement, Atin s’avère être le seul personnage sincère du roman. On assiste à un crescendo hypnotique lorsque celui-ci confesse son amour et se livre sans réserve à des déclarations punitives, notamment lorsqu’il prononce, à l’encontre d’Ela, le verdict suivant : « Seule une conception immaculée et imaginaire d’un pays idéal t’a fait afficher une fraternité pure et patriotique » 55 . Par cette déclaration, il rejette purement et simplement l’ethos patriotique d’Ela qu’il assimile à une prédisposition émotionnelle typiquement féminine. Ou encore, lorsque d’une sagacité vindicative, il constate : « Ne parlons pas maintenant de châtiment. Je veux te pardonner avec le pardon infini de la mort elle-même. » 56 Et plus loin : « Je suis venu pour ta grandeur. Pour toi, je me suis fait tout petit » 57 . Au-delà du registre hautement poétique des déclarations d’Atin, elles illustrent parfaitement ce que Kristeva appelle la frontière de l’abjection « où le moi cède son image pour se mirer dans l’Autre […] pour que « je » ne disparaisse pas en lui mais trouve, dans cette aliénation sublime, une existence déchue » 58 . Cette fusion symbiotique et symbolique entre les rôles du « je » d’Atin et de l’« Autre » d’Ela 53 Thakur : Char Adhyay (note 3). 54 Kristeva : Pouvoirs de l’horreur (note 2), p. 16. 55 Thakur : Char Adhyay (note 3). 56 Ibid. 57 Ibid. 58 Kristeva : Pouvoirs de l’horreur (note 2), p. 9. <?page no="148"?> Annamaria Motrescu-Mayes 148 correspond aussi, selon les termes de Kristeva, à l’expérience réformatrice et instinctivement libératrice de l’abject, en tant qu’espace où l’« Autre » occupe le lieu du « je », de sorte que cette territorialité, cette possession provoque la transformation du « je » en « Soi ». Ainsi, c’est à travers le meurtre et au prix du sacrifice rédempteur d’Ela qu’Atin devient son propre Soi. Plus encore, la scène finale où Ela déchire sa blouse et offre son corps à Atin, qui « se tenait droit comme une statue » 59 , fait partie, elleaussi, du stade de l’abjection. En effet, l’acte d’Ela y apparaît à la frontière de la lubricité frénétique et de l’amour transcendant, ce lieu extrême de sublimation où « l’abject est bordé de sublime » 60 . Cette scène suscita une large controverse lorsque Shahani tenta, en 1997, de montrer la version intégrale de son adaptation cinématographique du roman de Tagore incluant une scène de nudité intégrale. A la place de cette scène, qui fut rejetée et censurée, il dut terminer le film avec une scène montrant le corps d’Ela tendrement bercé par des vaguelettes sur le rivage comme dans un acte de purification, rappelant, par exemple, les festivités hindoues de Durga Puja. Dans son adaptation de Char Adhyay, Bappaditya Bandopadhyay a choisi, pour sa part, de remplacer le meurtre d’Ela par une scène montrant son corps voluptueux gisant au sol et rapidement entouré et englouti par des flammes. L’effet cathartique suggéré ici invoque une annihilation complète de l’identité symbolique antérieure d’Ela dans le seul but d’annoncer la renaissance d’une Bharat-Mata purifiée, indépendante et consciente de soi. Dans chacun de ces trois récits, narratifs ou visuels, le personnage d’Atin demeure la force tranquille, quoique décisive, qui anime la double métamorphose identitaire que traduisent également les stades symboliques et purificateurs du miroir (de Lacan) et de l’abjection (de Kristeva) de l’identité. C’est dans ce contexte qu’Atin expérimente et incite Ela à partager la triade transformative de l’identité passant par le dégoût, le rejet et l’« ab-jection » de l’Autre pour atteindre la maturité d’un moi individuel. Ainsi, les deux nouveaux Soi d’Atin et d’Ela, issus d’une renaissance, sont les symboles d’iconographies nationalistes spécifiques : le premier, celui d’un mouvement révolutionnaire sauvé, et le second, celui d’une Inde indépendante. En conséquent, le moi ultime développé dans Char Adhyay transcende l’ancien Nom-du-Père (colonial) et négocie les ordres imaginaires et symboliques des possibilités infinies d’atteindre le Soi 61 . 59 Thakur : Char Adhyay (note 3). 60 Kristeva : Pouvoirs de l’horreur (note 2), p. 19. 61 Lacan : Ecrits (note 37) et Kristeva : Pouvoirs de l’horreur (note 2). <?page no="149"?> Abjection et zèle patriotique dans le roman Char Adhyay de Tagore 149 Conclusion Avec une clarté théorique convaincante, Kristeva a démontré que « l’abjection est une résurrection qui est passée par la mort (du moi). C’est une alchimie qui transforme la pulsion de mort en sursaut de vie, de nouvelle signifiance » 62 . En outre, c’est aux dépens de sa « propre mort » qu’un nouveau moi peut être atteint et assumé. La présente étude s’est proposée d’entreprendre une lecture nouvelle du Char Adhyay de Tagore, échafaudée sur la structure d’une perspective psychanalytique et visant à renverser la hiérarchie symbolique entre la destinée tragique d’Ela (Bharat Mata) et celle du nouveau Soi indépendant, réparateur et accompli d’Atin (mouvement national indien/ bengali). Il s’agissait de montrer que le chemin vers l’indépendance nationale indienne, que trace le développement symbolique de l’identité d’Atin dans le dernier roman de Tagore, s’ouvre via une « crise narcissique » du patriotisme dogmatique dont sont adeptes les terroristes révolutionnaires. En effet, leur prise de conscience d’un Soi rédemptrice les a éloignés des idéologies autoritaires et de combats armés de guérillas au profit d’une vision plus nuancée, plus libérée et plus assumée de l’indépendance nationale. Tandis que certaines études actuelles privilégient une lecture féministe du roman de Tagore, en présentant Ela comme l’incarnation tragique de la Mère-Inde (Mother India), sacrifiée à cause d’un terrorisme révolutionnaire impitoyable et inefficace, nous avons déplacé l’accent sur Atin qui apparaît alors comme héros central et méconnu de Char Adhyay. Atin personnifie le mouvement national indien représenté par Gandhi, une perspective politique embrassée et promue par Tagore dès 1908 lorsqu’il écrivait : « Dieu nous a sauvés de la croyance désastreuse que le dharma n’est pas fait pour les impuissants. […] Le dharma peut nous aider à surmonter l’oppression » 63 64 . L’intérêt de Tagore pour des questions touchant aux relations de domination entre pays (domination coloniale) et entre les genres, et à leur sublimation à travers des actes terroristes, a souvent été source de réflexion pour des cinéastes cherchant à adapter visuellement Char Adhyay. Un bon exemple en est la scène du film de Shahani qui montre en arrière-plan un tableau représentant L’enlèvement des Sabines. Une lecture classique du récit 62 Kristeva, ibid., p. 22. 63 Bhattacharya (ed.) : The Mahatma and the Poet (note 40), p. 3 (citation traduite de l’anglais). 64 En dépit des divergences d’opinion continuelles entre Mahatma Gandhi et de Rabindranath Tagore quant aux stratégies employées par le mouvement nationaliste indien, et notamment du refus de Gandhi de prendre en considération les doutes et les critiques de Tagore concernant son programme charkha - « Il tient tout ce qu’il sait de ce mouvement, de conversations triviales » - Tagore a résumé leur foi mutuelle dans le mouvement en constatant que les fondements du Swaraj « sont dans l’esprit qui, avec ses pouvoirs divers et sa confiance dans ces pouvoirs, continue inlassablement de créer le Swaraj en soi ». Cf. Bhattachary, ibid., p. 10, 23 (citations traduites de l’anglais). <?page no="150"?> Annamaria Motrescu-Mayes 150 de Tagore verrait dans cette scène une métaphore de l’enlèvement de la voix et de l’engagement politique d’Ela. La présente étude procède d’une vision inversée et s’attache à démontrer que c’est au contraire le destin d’Atin dont s’accaparent Ela et les stratagèmes idéologiques manipulateurs et séducteurs d’Indranath. Pour faire face à cette situation, Atin doit anéantir leur idéologie et leurs actes terroristes. Il y parvient grâce au réveil de sa conscience et par le sabotage de leurs activités de guérilla qu’induit le matricide politique. Tandis qu’Ela reste un signifiant actif de la Bharat Mata indienne, une Durga et Kali combattive, portant en guise de vêtement une guirlande des destinées sacrificielles et brisées de ses jeunes recrues terroristes, Atin apparaît comme une force motrice, exorcisante et libératrice, capable de faire évoluer le concept d’une liberté nationale indienne vers son entrée et sa concrétisation dans la réalité d’une Inde qui renaît indépendante, consciente de soi et autonome. « En déplorant la sévérité du coup, on ne fait que réduire la valeur de l’action de quelqu’un », écrivit Tagore à Sarat Chandra Chatterji 65 en parlant du devoir de tout auteur d’assumer ses opinions politiques personnelles en dépit du risque de censure et de condamnation publique. Le coup de grâce porté à Ela par Atin est son meurtre délibérément criminel - un rituel de passage nécessaire, appelé par le péché, et une caractéristique du stade de l’abjection dans lequel « l’émergence de la conscience du Sujet [Atin] » est négociée au sein de l’économie des tendances narcissiques incestueuses. Ainsi, Atin s’identifie d’abord avec Ela et son pathos patriotique et idéaliste avant de repousser cet effet de miroir en remettant en question l’illusion d’autonomie d’une identité nouvellement unifiée et indépendante, la sienne et celle de sa matrie, renaissant d’une catharsis politique. C’est pour cette raison qu’Ela ne conteste pas sa condamnation à mort dans la dernière scène, au moment même où l’objet funeste de la visite d’Atin apparaît clairement, dans la mesure où son rôle décisif d’instrument cathartique psychologique et politique, à l’œuvre dans le mouvement révolutionnaire d’Indranath et d’Atin, aurait été anéanti par lui-même et aurait été rendu superflu. Pour conclure, le stade de développement de l’identité décrit par Kristeva comme « le lieu le plus favorable à la communication […] [où] le péché est une abjection subjectivée » 66 est illustré par Tagore dans Char Adhyay par un effet de miroir circulaire où Atin, dans un premier temps, fait un avec Ela, l’incarnation de Bharat Mata/ Kali/ Durga, et expérimente et illustre ainsi un Soi sublimé et sacrificiel dans le contexte de l’Inde coloniale britannique. Il choisit alors de la « tuer » symboliquement et de se libérer du miroir d’Ela dans lequel son identité politique se reflétait comme un « Je » douloureusement superflu et autodestructeur. Et finalement, Atin 65 Dutta/ Robinson : Selected letters of Rabindranath Tagore (note 1), p. 347. 66 Kristeva : Pouvoirs de l’horreur (note 2), p. 149-150. <?page no="151"?> Abjection et zèle patriotique dans le roman Char Adhyay de Tagore 151 facilite et accomplit la renaissance d’une Inde nouvelle et autonome en se purgeant de son ancienne identité idéologique (incestueuse), en même temps qu’il exorcise Ela de son symbolisme nationaliste rigide et typiquement féminin. En conclusion, cet article a cherché à montrer, à travers l’étude comparée de la théorie de l’abjection de Kristeva et du message nationaliste et anti-terroriste de Tagore, que Char Adhyay est un roman politique complexe dans lequel les hiérarchies symboliques peuvent être réévaluées grâce à des regards nouveaux portés sur les récits visionnaires et contemporains de Tagore, des interprétations qui ne cessent d’assimiler le potentiel psychologique de ses personnages à un baromètre témoignant de l’émergence d’identités sud-asiatiques postcoloniales et indépendantes. Bibliographie Anam, Tahmima : Rabindranath Tagore’s legacy lies in the freedom-seeking women of his fiction. In : The Independent, 6 mai 2011. http: / / www.independent.co.uk/ arts-entertainment/ books/ features/ rab gacy-lies-inthe-freedomseeking-women-of-his-fiction-2279473.html Benvenuto, Bice/ Kennedy, Roger : The Works of Jacques Lacan. An Introduction. London 1986. 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New Delhi : Roupa & Co. eBooks 2002. <?page no="153"?> Elisabeth Foïs Affinités poétiques entre Hermann Hesse et Rabindranath Tagore Voici ce que note Rabindranath Tagore le 12 septembre 1920 dans une lettre adressée à Charles Freer Andrews 1 : « J’ai reçu des invitations d’Allemagne. […] En revenant de Hollande, je ferai mon possible pour, au moins, me rendre à Hambourg. L’Allemagne a besoin de sympathie et j’espère que j’aurai l’occasion de m’y rendre et de lui offrir la mienne. » 2 Un an plus tard, en 1921, il y séjourne pour la première fois, avant d’y retourner à deux reprises, en 1926 et 1930. L’engouement suscité par l’auteur indien prend une ampleur insoupçonnée qui se révèle notamment lors de festivités à l’honneur de Tagore, organisées à Darmstadt du 9 au 14 juin 1921 par le philosophe Keyserling 3 . Dans un contexte de crise à la fois culturelle, économique et spirituelle, Tagore est accueilli avec ferveur, tel un Sauveur et Messie. En réponse au pessimisme ambiant, Tagore croit percevoir un besoin de spiritualité chez son public à Darmstadt, comme le montrent les réflexions suivantes : « Le choc violent qu'a subi l'Allemagne d'aujourd'hui dans ses ambitions politiques a fait naître dans ce pays une aspiration à chercher des ressources spirituelles dans l’homme au lieu de se satisfaire de succès à l’extérieur. L’Allemagne semble avoir entrepris un voyage spirituel vers l’Est, vers le pays du Soleil-Levant - et, en dépit de son extrême pauvreté, ne songe pas simplement à la roue qui tourne ou à un nouveau coup dans le jeu hasardeux de la politique mais à l'accomplissement de la liberté spirituelle 1 Charles Freer Andrews (1871-1940) : missionnaire protestant installé en Inde. Professeur de philosophie à Delhi. Ami de Rabindranath Tagore et du Mahatma Gandhi. Participant au mouvement d’indépendance de l’Inde. 2 Rabindranath Tagore : Lettres à un ami (Lettres à Charles Freer Andrews). Trad. par Jane Droz-Viquié. Paris 1931, p. 117. 3 La semaine Tagore se tint dans le palais du Landgraf Ernest-Louis de Hesse et était ouverte à tous. Parmi les invités de renom comptaient les philosophes Paul Natorp, Martin Buber et Kurt Ziegler, le théologien Rudolf Otto, l’écrivain Helene von Nostitz, l’éditeur Kurt Wolff, l’indianiste Hermann Jacobi et le sinologue Richard Wilhelm. Thomas Mann, en revanche, déclina l’invitation. Au programme de la semaine figuraient notamment des conférences suivies de séances de questionsréponses et des lectures de poèmes. <?page no="154"?> Elisabeth Foïs 154 qui nous donne la force de nous élever au dessus des vicissitudes des circonstances. » 4 D’emblée Tagore paraît endosser le rôle de médiateur entre les deux mondes occidental et oriental, des entités mouvantes, qui, par leur opposition et leur complémentarité, ouvrent de nouveaux espaces de vie et de pensée. La destruction provoquée par la Première Guerre mondiale marque, pour Tagore, la rupture avec les valeurs classiques du modèle occidental et précipite l’avènement d’une ère nouvelle pour l’Occident où la quête de la spiritualité prime sur celle du progrès technique. Or, pour satisfaire ses besoins spirituels, l’Occident se tourne vers l’Inde. En contribuant à la rencontre et à la confrontation de ces mondes, Tagore a ainsi fait le pari d’œuvrer en faveur de l’entrée du monde occidental dans une modernité repensée, loin des dichotomies et des oppositions binaires. La réception allemande de Tagore possède la particularité de ne pas s’être limitée à une élite intellectuelle. C’est à un public bien plus hétérogène qu’à Londres et à Paris auquel Tagore s’adresse à Hambourg, Berlin, Munich et Darmstadt. Le public allemand en contact avec Tagore est éclectique, comprend des spécialistes des cultures asiatiques, des philosophes, des théologiens et des écrivains, des étudiants, des amateurs de littérature, des représentants de divers courants sociaux, sans oublier les curieux, fascinés par l’exotisme du personnage. L’intérêt manifesté à l’égard de Tagore a ainsi des sources et motivations très diverses : scientifique, politique, littéraire, philosophique ou encore pédagogique. Il serait néanmoins hâtif d’en conclure que Tagore a fait l’unanimité auprès du public germanophone. La réception de Tagore en Allemagne, comme dans les autres pays européens, se caractérise par un phénomène de fascination qui se combine au rejet. La rencontre de Tagore avec certains de ses contemporains n’en a pas moins été fructueuse. Si Tagore fut en contact et échangea avec nombre d’intellectuels germanophones, il n’en est peut-être qu’un qui lui voua un intérêt aussi durable : Hermann Hesse, avec qui Tagore n’a pourtant jamais entretenu de liens personnels, que ce soit sous la forme de correspondances ou de rencontres. L’étude des biographies de ces deux hommes dévoile néanmoins l’existence de contacts indirects et multiples : des convergences parfois simplement circonstancielles du fait de leurs destinées parallèles, mais aussi intellectuelles de par leurs conceptions universalistes, et même factuelles dans leur engagement côte à côte pour des causes communes telles que la paix et le rapprochement entre Orient et Occident. C’est toutefois la littérature qui fut le trait d’union le plus puissant entre ces deux hommes. C’est d’abord en tant que critique littéraire que Hesse révèle son profond intérêt esthétique pour Tagore. En témoignent ses trois recensions 4 Rabindranath Tagore : Selected Letters of Rabindranath Tagore. Krischna Dutta/ Andrew Robinson (éd.). Cambridge 1997, p. 274 (trad. de l’anglais par EF). <?page no="155"?> Affinités poétiques entre Hermann Hesse et Rabindranath Tagore 155 publiées entre 1914 et 1920. La première, celle du recueil de poèmes Gitanjali (1914) est nuancée mais néanmoins bienveillante. Hesse s’enthousiasme pour l’Inde immémoriale qu’il décèle dans la poésie de Tagore tout en reprochant au poète indien ses emprunts aux littératures européennes. « Der indische Dichter, von dem niemand wusste, bis er den Nobelpreis erhielt, ist nun auch übersetzt. Seine „Hohen Lieder“ sind in einer Nachdichtung von Marie Luise Gothein erschienen (bei Kurt Wolff, Leipzig). Diese Lieder sind Gebete, Gespräche mit Gott, Anrufungen und Märchen der Seele, voll vom alten indisch-pantheistischen Geist; doch fällt die starke, modern gefärbte Personifikation des höchsten Wesens auf. Es stehen schöne und heilige Dinge in diesem Büchlein, doch keine wesentlich neuen Töne, das sind nicht die Lieder eines religiösen Denkers, sondern eines stillen, vornehmen Schwärmers, der in poetischer Anbetung weltferne Tage lebt, dessen Indertum aber von Einflüssen europäischer Dichtung gefärbt erscheint. » 5 Quelques mois plus tard paraît une seconde recension, cette fois sévère, du recueil de poèmes Le Jardinier d’amour (1914). Les griefs à l’égard de la poésie de Tagore sont en tout point similaires à ceux exprimés en 1914, mais ils occupent désormais une place de premier plan. Il est fait mention du manque d’originalité du poète, de sa tendance à se livrer aux rêveries, de son appétence pour les sujets ésotériques et, surtout, de son soi-disant manque d’authenticité. « Von dem Inder Rabindranath Tagore kommt soeben noch ein zweites Gedichtbuch in deutscher Übertragung von Hans Effenberger, unter dem Titel Der Gärtner (Verlag Kurt Wolff, Leipzig). Der Eindruck des ersten Bandes, der „Hohen Lieder“, wird bestätigt, man liest mit stillem Genuss diese Spiele eines ästhetischen Eklektikers, wundert sich gelegentlich, dass er ein Inder und nicht ein englischer Präraffaelit ist und hat, trotz einer Sympathie für den unnütz mit dem Nobelpreis dekorierten Dichter, kaum noch das Verlangen, noch mehr von ihm zu lesen. » 6 Bien que le jugement porté sur le deuxième recueil de Tagore soit plus que réservé, sinon clairement hostile, il rejoint la première recension en ce qu’il laisse transparaître une vision binaire et figée du monde où l’Occident et l’Orient représentent des opposés fondamentalement incompatibles. Les couples de termes « Inder » / « englischer Präraffaelit » et « Indertum » / « europäische Dichtung » sont érigés en catégories essentialistes à l’aune desquelles Hesse juge de la valeur des poèmes de Tagore. Or, il apparaît clairement que Hesse les interprète dans une perspective linéaire, où l’Occident est associé à la modernité et l’Inde à la tradition. Hesse estime, à 5 Hermann Hesse : Sämtliche Werke, Bd. 17. Die Welt im Buch II. Rezensionen und Aufsätze aus den Jahren 1911-1916. Frankfurt a.M. 2002, p. 326 (trad. de l’allemand par EF). 6 Ibid., p. 348. <?page no="156"?> Elisabeth Foïs 156 tort ou à raison, que l’écriture de son contemporain s’est trop inspirée de modèles occidentaux, et ceci au dépens des principes et des vérités profondes de la culture indienne : l’esprit panthéiste, en un mot, Brahman. Ainsi, et aussi paradoxal que cela puisse paraître, tout ce qui lui rappelle l’Occident dans la poésie de Tagore, est perçu par Hesse comme un corps étranger, et rejeté. Au lieu de se laisser emporter par le lyrisme de Tagore, Hesse semble s’intéresser davantage à la culture millénaire indienne dont Tagore est censé être l’incarnation. A travers la poésie de Tagore, il cherche une issue ou une échappatoire vers une Inde classique, source de ses rêves et fantasmes. L’Inde rêvée fait naître l’espoir d’une fuite possible hors de cet Occident jugé décadent, d’« un continent qu’il détestait presque avec son manque de goût aigu, son activité tapageuse de foire annuelle, son agitation fébrile, sa recherche grossière du plaisir » 7 . Ainsi, l’enjeu de ces deux recensions n’est pas seulement de l’ordre de la réflexion esthétique et littéraire, mais englobe aussi une critique de la société moderne. A travers la représentation dichotomique d’un Orient idéalisé et d’un Occident déprécié, Hesse donne libre cours à son sentiment de malaise et de désorientation dans l’Europe du début du vingtième siècle. Le contraste entre ces deux premières recensions, datant de 1914, et celle du roman La maison et le monde, publié en 1920, est saisissant. La tonalité de la troisième recension est toute différente, puisque Hesse ne tarit pas d’éloges pour cet ouvrage dont il recommande la lecture au plus grand nombre de ses compatriotes. Plus surprenante encore est la mise en œuvre d’un rapprochement possible, d’une rencontre féconde entre Orient et Occident. Le récit romanesque, genre littéraire par excellence de la société bourgeoise en Occident, en constituerait l’opérateur privilégié. L’idée d’un dépassement de l’opposition Orient-Occident était-elle alors déjà en train de mûrir chez Hesse pour investir les champs de l’art et de l’écriture ? « Nun hat Tagore sich noch mehr den Formen der europäischen Dichtung genähert und einen Roman geschrieben, der vermutlich bei uns bald sein gelesenstes Werk sein wird, obwohl er nicht die reine Schönheit seiner früheren Dichtungen hat. Es klingt etwas Fremdes hier mit, eine Erinnerung an englische Unterhaltungsromane. Aber das Herz auch dieser Dichtung ist indisch, und ist rein und groß. Man sieht unwillkürlich in dem heimlichen Helden des Romans, in Nikhil, den Dichter selbst, den Verkünder eines heiligen „Tat twam asi“, einer übernationalen Menschlichkeit. Die Gestalt der Frau ist nicht minder schön; die dritte Hauptfigur der Erzählung, der Verschwörer Sandip, schmeckt dagegen ein wenig nach einem bekannten Roman-Typus. Die paar Schwächen der Dichtung werden ihren starken 7 Aurélie Choné : Rudolf Steiner, Carl Gustav Jung, Hermann Hesse, passeurs entre Orient et Occident. Intégration et transformation des savoirs sur l’Orient dans l’espace germanophone (1890-1940). Strasbourg 2009, p. 139. „ “ <?page no="157"?> Affinités poétiques entre Hermann Hesse et Rabindranath Tagore 157 Eindruck indessen kaum vermindern, bei der Masse sogar steigern, und das ist gut, denn je mehr Menschen dies Buch lesen, desto besser ! » 8 L’éloge ne se limite pas au roman La maison et le monde mais s’étend également aux commentaires portant sur Gitanjali et le Jardinier d’amour. En 1920, l’écrivain allemand semble déjà avoir révisé son jugement sur l’œuvre de Tagore. Cette évolution se poursuivra jusqu’à ce que Hesse exprime le souhait en 1957, au crépuscule de sa vie, de voir réhabilité l’écrivain indien tombé dans l’oubli. Rédigé en anglais, cet hommage est encore largement méconnu : « L’actuel oubli partiel de Tagore en Occident est un phénomène qui se vérifie à l’échelle universelle. De nos jours, la réputation d’un homme tombe dans l’oubli en même temps que survient sa mort, et ce n’est qu’après un laps de temps conséquent - parfois prolongé - que le monde prend le soin de réexaminer et de réévaluer à la fois son ancienne réputation et la négligence à laquelle il est réduit. En effet, plus la réputation est importante, plus résistant est l’oubli qui s’ensuit. La réputation de Tagore en Occident en est à ce stade aujourd’hui. En Europe, dans les années suivant la Première Guerre Mondiale, Tagore ne fut pas seulement célèbre, il fut aussi très à la mode. Mais le monde est ainsi fait qu’il aime faire payer ses anciens favoris pour les faveurs qui lui ont été faites un jour. […] Même si je n’ai pas entretenu de liens proches avec Tagore, je contemple sa mémoire - celle d’une noble et vénérable présence dans le monde intellectuel de son époque - avec affection et plaisir. Et je serais heureux si je vivais suffisamment longtemps pour pouvoir assister à sa réapparition triomphante après qu’il aura subi le test de l’oubli temporaire. » 9 Mais au-delà de l’intérêt littéraire de Hesse en sa qualité de critique littéraire pour Tagore, les liens unissant Hesse à Tagore semblent aussi reposer plus fondamentalement sur un échange poétologique. Entre 1914 et 1926, soit à une période où la réception de Tagore a été la plus importante, l’auteur allemand rédige en effet des poèmes qui montrent des affinités frappantes avec des poèmes du recueil Sangesopfer, la version allemande traduite par Marie Luise Gothein du Gitanjali de Tagore, dont Hesse avait écrit une recension positive. Dans la mesure où n’ont pas pu être attestés dans les écrits de Tagore des signes explicites témoignant d’un intérêt pour Hesse, la réciprocité d’un échange entre les deux auteurs ne fera pas l'objet de la présente étude. Seul sera approfondi le rapport littéraire de Hesse à Tagore afin de mettre en lumière un processus d’appropriation par Hesse 8 Hermann Hesse : Sämtliche Werke, Bd. 18. Die Welt im Buch III. Rezensionen und Aufsätze aus den Jahren 1917-1925. Frankfurt a.M., p. 190. (Trad. de l’allemand par EF). 9 Hermann Hesse : Hermann Hesse on Tagore. In : Rabindranath Tagore : Later Poems. Trad. par Aurobindo Bose. Londres 1974, p. 7. Trad. en français par Fabien Chartier. In : Marc Cluet (dir.) : La fascination de l'Inde en Allemagne 1870-1933. Rennes 2004, p. 328-329 (trad. complétée par EF). <?page no="158"?> Elisabeth Foïs 158 de Gitanjali. La lecture parallèle et comparée des recueils de poèmes Die Gedichte de Hesse et Sangesopfer de Tagore révèle que les deux auteurs partagent des champs thématiques récurrents auxquels répondent trois formes d’appropriation de l’œuvre de Tagore par Hesse. La première et la plus évidente s’exprime à travers un escapisme littéraire qui prend sa source dans la poésie de Tagore et resurgit chez Hesse. Dans d’autres contextes en revanche, l’empreinte laissée par la poésie de Tagore chez son contemporain semble moins profonde car les motifs hindous fusionnent et s’entrelacent avec des éléments de la tradition occidentale. Il en ressort l’Orient occidentalisé de Tagore. Il apparaît, enfin, que Tagore a contribué à accentuer chez Hesse la recherche d’un équilibre et d’un mélange des influences. L’escapisme littéraire L’intérêt de Hesse à l’égard de Gitanjali se manifeste au premier chef dans un exil spirituel en Inde et dans un exotisme poétique. De nombreux poèmes de Hesse écrits entre 1913 et 1926 font écho à des poèmes de Tagore par l’évocation explicite de certains motifs d’inspiration hindouiste, comme l’idée d’unité originelle et du cycle des renaissances. En témoignent les deux poèmes suivants : 87 […] Ich kam zum Rande der Ewigkeit, in der nichts schwindet - nicht Hoffnung, nicht Glück 10 und nicht das Bild eines Angesichtes durch Tränen geschaut. O, tauch mein entleertes Leben in jenen Ozean, versenk es in seine tiefste Fülle […]. 11 Der Liebende […] Nicht Glück, nicht Leid ist mehr, Nur du, nur ich und du, versunken Ins tiefe All, ins tiefe Meer, Darein sind wir verloren, Drin sterben wir und werden neugeboren. 12 La notion hindoue de moksha, qui désigne la libération finale de l’âme du cycle des renaissances, y joue un rôle central. Tout le recueil Gitanjali, et en particulier le poème 87 de Tagore, est porté par la quête du poète visant à lever le voile sur le mystère de Brahman, défini dans le Vedânta comme la réalité suprême et non dualiste, et le besoin de fusionner avec l’Absolu. Le poète attend toute sa vie l’illumination, ce moment où il n’aura pas 10 Soulignements par EF dans l’ensemble des poèmes cités. 11 Rabindranath Tagore : Gitanjali. Trad. par Marie Luise Gothein. Leipzig 1914. Poème 87, 1914, p. 115. 12 Hermann Hesse : Die Gedichte. 1892-1962. Frankfurt a.M. 1977. Der Liebende, 1921, p. 499. <?page no="159"?> Affinités poétiques entre Hermann Hesse et Rabindranath Tagore 159 seulement l’intuition de la présence de l’Absolu mais découvrira la vérité. La référence à la moksha dans le poème de Hesse Der Liebende paraît évidente, d’une part dans l’idée de la délivrance de la vie humaine faite à la fois de bonheurs et de souffrances, d’autre part dans la métaphore de l’union et de la fusion avec l’unité originelle symbolisée par l’eau. Ces similitudes de motifs se doublent d’un recours à des champs lexicaux voisins, si bien que l’on observe tantôt l’usage de termes identiques chez les deux auteurs (« Glück », « seine tiefste Fülle » / « das tiefe Meer », « versenk » / « versunken »), tantôt l’emploi de synonymes (« Ozean » / « Meer », « tauch » / « versunken ») ou encore des formulations qui traduisent des idées proches (« mein entleertes Leben » / « nicht Glück, nicht Leid ist mehr » / « sterben »). Ces correspondances lexicales, dont on pourrait croire qu’elles sont le fruit d’une simple coïncidence, se retrouvent en réalité dans d’autres poèmes 13 , ce qui invite à penser que l’Inde ancienne de Tagore a représenté un réservoir poétique pour Hermann Hesse. Certes, le recours à des notions hindoues est à replacer dans le contexte de la deuxième Renaissance orientale en Europe et du rapport de fascination de Hesse pour l’Inde. Mais il ne faut pas oublier que c’est aussi la période où la réception de Tagore a été la plus intense en Allemagne, de sa nomination au Prix Nobel de littérature en 1913 à sa deuxième visite en 1926. Les échos de motifs que dévoilent les poèmes de Hesse et Tagore soulignent le caractère sélectif de la lecture de Tagore par Hesse, qui s’intéresse avant tout à la culture ancestrale indienne. Si cette dernière est source d’inspiration pour Hesse, c’est probablement parce qu’elle semble être apte à lui livrer des réponses au malaise existentiel de l’homme moderne. Il est évident que Hesse - et ce dernier ne s’en cache d’ailleurs pas - a cherché dans les spiritualités orientales et notamment dans la spiritualité hindoue, une issue à cette crise existentielle occidentale. L’Inde ancienne de Tagore lui permet ainsi de surmonter une vision traditionnelle et dogmatique du divin, de développer l’idée d’une unité au delà de la diversité et de résoudre la problématique de la mort en la replaçant dans le cadre d’un cycle aboutissant à une fusion avec l’Absolu. L’Orient occidentalisé Si la poésie de Tagore a pu représenter un trésor poétique pour le poète allemand qui s’enthousiasme pour l’Inde classique, il ne faut pas pour autant en conclure que l’appropriation par Hesse de la poésie de Tagore se soit uniquement manifestée par ce qui semble s’apparenter à des emprunts. La poésie de Tagore ne cesse pas d’inspirer l’écrivain allemand, alors 13 Cf. Elisabeth Fois : La rencontre poétique de Hermann Hesse avec Rabindranath Tagore. Mémoire de master 2 recherche en études germaniques (tapuscrit), Université de Nancy 2, 2012. <?page no="160"?> Elisabeth Foïs 160 même qu’il tend peu à peu à vouloir surmonter son rapport de fascination pour l’Inde. Les correspondances entre la poésie de Tagore et celle de Hesse persistent dans les poèmes où l’auteur allemand se réapproprie son propre héritage culturel et renoue avec des modèles littéraires occidentaux. En dépit d’un fort ancrage occidental, la nostalgie de l’Inde reste vivace dans ces poèmes, comme s’ils présentaient une version occidentalisée de l’Inde de Tagore. 12 Die Zeit, die meine Reise braucht, ist lang, und der Weg ist lang. [...] Es ist der fernste Weg, der am nächsten führt zu dir selbst, und jene Übung ist die schwierigste, die zum allereinfachsten Ton kommt. An jede fernste Türe muß der Wanderer klopfen, bis er zur eigenen gelangt, durch alle äußeren Welten muss man ziehn, zuletzt zum Allerheiligsten zu kommen. Und meine Augen streiften weit und breit, eh ich sie schloss und sprach: „Hier bist du! “ Die Frage und der Ruf: „O Wo? “ zerschmilzt in tausend Tränenströmen und ertränkt die Welt mit der Flut der Versicherung „ich bin! “ 14 Weg nach innen Wer den Weg nach innen fand, Wer in glühndem Sichversenken Je der Weisheit Kern geahnt, Dass sein Sinn sich Gott und Welt Nur als Bild und Gleichnis wähle: Ihm wird jedes Tun und Denken Zwiegespräch mit seiner eignen Seele, Welche Welt und Gott enthält. 15 Le poème Weg nach innen, daté de 1919, dont le motif central est celui du chemin vers l’intérieur, témoigne du travail d’appropriation littéraire effectué par Hesse à partir de la poésie de son contemporain Tagore. La voix qui y domine est celle du romantisme allemand, notamment à travers la référence à Novalis et à sa formule célèbre : « Nach innen geht der geheimnisvolle Weg. In uns, oder nirgends ist die Ewigkeit mit ihren Welten - die Vergangenheit und Zukunft. » 16 Ceci n’est guère étonnant pour un auteur que la littérature secondaire replace volontiers dans la tradition du romantisme, dont il est présenté, depuis la biographie de Hugo Ball, comme le « dernier chevalier » 17 . Cette orientation vers l’intérieur n’est néanmoins pas à imputer exclusivement à l’héritage romantique de Hesse. Elle est l’expression d’une multiplicité d’influences 14 Tagore : Gitanjali (note 11), poème 12, 1914, p. 17. 15 Hesse : Die Gedichte (note 12). Weg nach innen, 1919, p. 433. 16 Novalis : Werke in zwei Bänden. Bd. 2. Köln 1996, p. 103. 17 Hugo Ball : Hermann Hesse. Sein Leben und sein Werk. Göttingen 2011, p. 22. <?page no="161"?> Affinités poétiques entre Hermann Hesse et Rabindranath Tagore 161 parmi lesquelles compte sans doute aussi son éducation empreinte de piétisme, mouvance du protestantisme prônant un retour à une pratique personnelle plutôt que formelle de la spiritualité. On peut également y déceler l’influence de la psychanalyse et notamment du travail de Carl Gustav Jung que Hesse consulte en 1921 dans le cadre d’une psychothérapie 18 . Le chemin vers l’intérieur qui rappelle au premier abord la fuite romantique face au monde extérieur dominé par l’esprit rationnel, est aussi une résurgence d’une pratique psychanalytique « dont le but […] était de permettre au patient d’arriver à percevoir son individualité, c’est-à-dire de réaliser ce qu’il est en opérant une synthèse entre le monde conscient et le monde inconscient » 19 . L’ancrage du poème se situe ainsi indéniablement en Occident. Et pourtant, au vu des dates de composition des deux poèmes cités, le parallèle avec le poème 12 de Gitanjali s’impose spontanément. La « plongée en soi-même » (das « Sichversenken ») évoquée dans le poème de Hesse rappelle la pratique du yoga dhyâna, cet exercice spirituel cherchant l’union avec le divin par le biais de la méditation, auquel le poète, dans le poème 12 de Tagore, semble s’adonner. Les différences d’ordre stylistique n’effacent pas la grande proximité de l’expérience mystique vécue par les deux poètes. La découverte du chemin vers l’intérieur chez Hesse, de la méditation chez Tagore, est source d’un bouleversement existentiel : la rencontre avec l’Absolu, « Dieu » chez l’un, Brahman, chez l’autre. Plus concis, Weg nach innen n’en apparaît pas moins comme le pendant occidental du poème de Tagore. La poésie de ce dernier apparaît ainsi, ici encore, comme une source importante d’inspiration. La différence avec la forme d’appropriation abordée précédemment réside dans le fait que la rencontre avec la poésie mystique de Tagore provoque chez Hesse non pas un mouvement de fuite vers l’Orient mais un retour à ses propres racines culturelles et à ses propres modèles littéraires, en l’occurrence ici, au panthéisme romantique. La recherche d’équilibre entre Orient et Occident Entre ces deux mouvements, de fuite, d’une part, et de retour sur soi, d’autre part, se dessine enfin une troisième tendance qui se caractérise par la recherche d’un « juste Milieu entre Occident et Orient » 20 . 18 Michael Limberg : Hermann Hesse. Leben Werk Wirkung. Frankfurt a. M. 2005, p. 50. 19 Edwin Casebeer : De Siddharta au Jeu des perles de verre. Bruxelles 1984, p. 59. 20 Nous empruntons l’expression du « juste Milieu entre Occident et Orient » à A. Choné : Rudolf Steiner, Carl Gustav Jung (note 7), p. 136. <?page no="162"?> Elisabeth Foïs 162 12 21 [...] Es ist der fernste Weg, der am nächsten führt zu dir selbst, und jene Übung ist die schwierigste, die zum allereinfachsten Ton kommt. An jede fernste Türe muß der Wanderer klopfen, bis er zur eigenen gelangt, durch alle äußeren Welten muss man ziehn, zuletzt zum Allerheiligsten zu kommen. Und meine Augen streiften weit und breit, eh ich sie schloss und sprach: „Hier bist du! “ Die Frage und der Ruf: „O Wo? “ zerschmilzt in tausend Tränenströmen und ertränkt die Welt mit der Flut der Versicherung „ich bin“! 22 20 An dem Tag, da der Lotos blühte, schweifte mein Geist, ach, in die Irre, und ich wusste es nicht. [...] Ich wusste noch nicht, daß so nah es war, daß es mein war, daß die vollkommene Süße in meines eignen Herzens Tiefe erblüht war. 23 Media in Vita Doch von den tausend Wegen einer ist, Zu finden schwer, zu ahnen leicht, Der aller Welten Kreis mit einem Schritt ermißt, Der nicht mehr täuscht, der letztes Ziel erreicht. Erkenntnis blüht auf diesem Pfade dir: Dein innerstes Ich, das nie ein Tod zerstört, Gehört nur dir, Gehört der Welt nicht, die auf Namen hört. Irrweg war deine lange Pilgerschaft, Irrweg in namenlosen Irrtums Haft, Und immer war der Wunderpfad dir nah, Wie konntest du so lang verblendet gehn, Wie konnte solcher Zauber dir geschehn, Daß diesen Pfad dein Auge niemals sah? ! Nun endet Zaubers Macht, Du bist erwacht, Hörst fern die Chöre brausen Im Tal des Irrens und der Sinnen, Und ruhig wendest du vom Außen Dich weg und zu dir selbst, nach innen. Dann wirst du ruhn, Wirst letzten Tod gestorben sein, Zur Stille gehst du ein, Den traumlos tiefen Schlaf zu tun. 24 Le poème Media in Vita abonde de références culturelles et littéraires d’origines diverses : sources bibliques, orientales, emprunts au romantisme et à la psychanalyse, à Goethe, sans oublier les renvois à Tagore. Pourtant, 21 Pour plus de visibilité, le même poème est cité ici une seconde fois car on y trouve également des correspondances flagrantes avec le poème Media in Vita de Hesse. 22 Tagore : Gitanjali (note 11), poème 12, 1914, p. 17. 23 Ibid., poème 20, p. 26. 24 Hesse : Die Gedichte (note 12), Media in Vita, 1921, p. 495-497. <?page no="163"?> Affinités poétiques entre Hermann Hesse et Rabindranath Tagore 163 cette diversité des voix est loin de former un ensemble dissonant. On assiste, au contraire, à une synthèse harmonieuse des influences qui conduit à un syncrétisme puissant où la voix de Tagore semble, elle aussi, avoir sa place. Il en émane une poésie transculturelle, c'est-à-dire une poésie s’inscrivant « dans ces espaces interstitiels, dans lesquels la réflexion sur l’identité culturelle s’enrichit des interférences provenant d’espaces étrangers » 25 . Aussi, contrairement au poème Weg nach innen, où la tradition occidentale reste vive et prédominante, Media in Vita se distingue par une recherche d’équilibre entre les influences. Il se dégage du poème non seulement une nouvelle forme de spiritualité et de religiosité mais aussi une conception hybride du sujet, où les influences les plus diverses se conjuguent et se complètent. Le chemin de la spiritualité est toujours celui d’un cheminement intérieur mais n’est plus seulement l’objet d’une quête romantique. L’entrée en synergie des différentes voix empêche une lecture univoque du motif de l’intériorité, qui perd en contours et gagne en complexité par le tissage d’un réseau de connotations. En empruntant tout à la fois au piétisme, au romantisme, à la psychanalyse et à l’hindouisme, le poète parvient à développer une pratique spirituelle et religieuse dont la modernité tient à sa dimension transculturelle : une pratique personnelle, individuelle, intime, mais néanmoins salvatrice, située entre introspection piétiste, fuite romantique dans le monde intérieur, psychanalyse et méditation orientale, visant la connaissance de soi. La notion de sujet connaît un traitement similaire. Dans le poème se rencontrent des conceptions foncièrement antagonistes de l’individu qui n’entrent pas pour autant en conflit : la conception occidentale du caractère inaliénable du moi profond (« Dein innerstes Ich […] gehört nur dir ») y est rendue compatible avec la définition de l’Âtman, le Soi éternel et immortel (« das nie ein Tod zerstört ») dans l’hindouisme, qui se réincarne dans de nouvelles existences. Hesse s’approprie l’idée d’Âtman en adhérant à l’idée hindoue du Soi immortel sans pour autant renoncer à la conception occidentale de la subjectivité. L’appropriation de la poésie de Tagore ne se manifeste, selon ce troisième axe, ni par un exil spirituel en Inde qui trouverait son expression dans un exotisme poétique, ni par un retour aux sources de la tradition romantique, mais par l’occupation d’un espace dit « interstitiel » 26 créant ces « passerelles magiques » 27 entre Occident et Orient qu’Hesse désirait trouver. 25 Mauro Ponzi : Hermann Hesses Orientbild. In : Volker Wehdeking (éd.) : Licht aus dem Osten. Hermann Hesses transkulturelle Orientbezüge. Marburg 2011, p. 101. 26 La notion d’« espace interstitiel » est employée par Mauro Ponzi in : Hermann Hesses Orientbild (note 25). Elle a été définie par Homi Bhabha, théoricien des postcolonial studies dans son ouvrage phare : Les lieux de la culture. Une théorie postcoloniale. Paris 2007, où il propose une réflexion sur l’altérité. Plutôt que de penser les identités dans leur singularité et dans leur rapport à l’altérité, elles y sont présentées comme <?page no="164"?> Elisabeth Foïs 164 « La voie qui me conduirait en Inde et en Chine n’était pas celle des navires et des chemins de fer, il fallait que je trouve en moi-même toutes les passerelles magiques. Je devais cesser de chercher là-bas à guérir de l’Europe, à lui faire la guerre dans mon cœur. […] Puis vint l’époque assez récente où je n’éprouvai plus de nostalgie pour les plages de Ceylan et leurs palmiers, ni pour les rues bordées de temples de Bénarès. Je ne souhaitais plus devenir bouddhiste ou taoïste, ni avoir pour maître un saint ou un mage. Tout cela était devenu sans importance et même la différence profonde entre l’Orient vénéré et l’Europe, n’avait plus de poids à mes yeux. Je n’accordais plus de valeur à m’assimiler le grand nombre possible des sagesses et cultes d’Orient, je vis que des milliers d’adorateurs actuels de Lao-Tseu en savaient moins sur le Tao que Goethe qui, lui, n’avait jamais entendu prononcer ce mot. Je savais qu’il existait en Europe comme en Asie un monde souterrain et intemporel des valeurs et de l’esprit, […] et qu’il était bon et juste de vivre dans cet univers intemporel, dans cette paix d’un monde spirituel dans lequel l’Europe et l’Asie, les Vedas et la Bible, le Bouddha et Goethe avaient une part égale. » 28 Tout parallèle avec les théories postcoloniales serait évidemment anachronique. Pourtant, le processus que décrit Hesse dans sa lettre à Emmy Ball-Hennings fait état d’une rupture avec la polarisation Orient / Occident. L’évolution personnelle traversée par Hesse, qui s’appuie sur une réflexion identitaire, conduit, d’une part, à une refonte de la perception fantasmagorique de l’Occident et de l’Orient, et, d’autre part, à la découverte du potentiel immensément créatif, ou comme il dit : « magique », de l’hybridation. Est-il légitime d’en déduire une orientation postmoderne de Hesse ? Le syncrétisme de l’œuvre de Hermann Hesse semble, de plus, faire écho au lyrisme de Tagore, auquel il avait pourtant reproché en 1914 d’être teinté d’influences occidentales, perçues comme dérangeantes ou déplacées. Dans le Gitanjali, à côté de poèmes présentant Brahman sous les traits d'un Dieu transcendant, on trouve un poème opposé à l’idée de devoir mener une vie d’ascèse pour accéder à Brahman, un autre plaidant l'espoir du progrès humain, alors que ces trois mots n’existent pas dans la conception traditionnelle hindoue de l’individu. Une étude approfondie montrerait sans doute à quel point Tagore puise en Occident, comme Hesse le fait lui-même en Orient. Ainsi, il n’est pas impossible que le statut transculturel de la poésie de Tagore ait, lui-même, été une source d’inspiration et de réflexion pour Hesse autour de l’idée d’une identité plurielle. toujours multiples, en mouvement et susceptibles d’hybridations. L’espace interstitiel désigne les lieux et les moments où s’élaborent, se façonnent et se déplacent les identités individuelles. 27 Hermann Hesse : Lettres (1900-1962). Trad. par Edmond Beaujon. Paris 1955. Lettre à Emmy Ball-Hennings du 2 juin 1922, p. 81. 28 Ibid. <?page no="165"?> Affinités poétiques entre Hermann Hesse et Rabindranath Tagore 165 L’étude comparée des poèmes de Hesse et de Tagore permet d’avancer des éléments tangibles de l’intérêt manifesté par l’auteur allemand pour son contemporain indien. Les affinités poétiques entre Hesse et Tagore semblent flagrantes. Les trois exemples commentés ont montré que Hesse, qui traverse alors une crise existentielle tant sur le plan personnel que sur le plan esthétique, assimile la poésie de Tagore à l'espoir d'un renouveau voire d'une renaissance. C’est avant tout l’Inde ancienne de Tagore qui suscite sa fascination et qui respire à travers ses propres poèmes. Même là où l’Inde semble a priori absente, elle resurgit à travers des notions occidentales. Ailleurs encore, elle coexiste avec des motifs de tradition occidentale laissant alors émerger une forme nouvelle de poésie qui possède la particularité de proposer l’amorce d’une vision transculturelle. Tagore et sa poésie sont non seulement source de réconfort pour Hesse face à une crise généralisée des valeurs en Occident. Mais Tagore lui apporte aussi des solutions artistiques qui lui ouvrent la possibilité d’un renouvellement poétique. La modernité de certains poèmes de Hesse tient à la quête par le poète allemand d’un dépassement de la binarité Occident- Orient issue d’une vision eurocentriste. En se rapprochant des préoccupations de Tagore, qui questionne, lui-aussi, dans sa poésie la relation complexe entre le Soi et l’Autre, le sujet et les objets du monde, l’Orient et l’Occident, Hesse entre dans la modernité. Or, c’est précisément parce que Tagore contribue, certes indirectement, à l’émergence de cette poésie transculturelle chez Hesse qu’on peut l’appeler « un passeur de la modernité » 29 . L’empreinte laissée par la lecture de Tagore chez son contemporain allemand, que dévoilent les nombreuses affinités entre leurs poèmes, fut néanmoins « silencieuse » 30 pour reprendre un terme de la préface de 1957. « Dans certains esprits et cœurs, les effets [de la lecture de Tagore] ont survécu et porté leurs fruits, et cette influence qui continue - impersonnelle, silencieuse et en aucune façon dépendante de la notoriété et de la mode - semble en dernière analyse être plus appropriée à un sage indien que la notoriété ou les cultes de la personnalité. » 31 A demi-mot, Hesse laisse entendre que sa rencontre artistique avec l’œuvre de Tagore fut féconde et qu’il lui est redevable de son évolution littéraire. Mais ce silence parlant reste celui d’une parenté jamais revendiquée explicitement, celui d’une influence dissimulée et modulée par l’acte de réécriture, ou encore fondue dans un ensemble polyphonique. 29 Cette expression reprend le titre du colloque Rabindranath Tagore, passeur de la modernité, qui s’est tenu en 2012 à l'Université de La Réunion et elle fait référence à l’ouvrage de Fabien Chartier/ Malou L’Héritier (éd.) : Rabindranath Tagore. Sentinelle d’une Inde nouvelle. Paris 2011. 30 Hesse : Hermann Hesse on Tagore (note 9), p. 7. 31 Ibid. <?page no="166"?> Elisabeth Foïs 166 Bibliographie Ball, Hugo : Hermann Hesse. Sein Leben und sein Werk. Göttingen 2011. Bhabha, Homi : Les lieux de la culture. Une théorie postcoloniale. Paris 2007. Casebeer, Edwin : De Siddharta au Jeu des perles de verre. Bruxelles 1984. Chartier Fabien/ L’Héritier Malou (éd.) : Rabindranath Tagore. Sentinelle d’une Inde nouvelle. Paris 2011. Choné, Aurélie : Rudolf Steiner, Carl Gustav Jung, Hermann Hesse, passeurs entre Orient et Occident. Intégration et transformation des savoirs sur l’Orient dans l’espace germanophone (1890-1940). Strasbourg 2009. Cluet, Marc (éd.) : La fascination de l'Inde en Allemagne 1870-1933. Rennes 2004. Fois, Elisabeth : La rencontre poétique de Hermann Hesse avec Rabindranath Tagore. Mémoire de master 2 recherche en études germaniques (tapuscrit), Université de Nancy 2, 2012. Hesse, Hermann : Lettres (1900-1962). Trad. par Edmond Beaujon. Paris 1955. — Die Gedichte. 1892-1962. Frankfurt a.M. 1977. — Sämtliche Werke, Bd. 17. Die Welt im Buch II. Rezensionen und Aufsätze aus den Jahren 1911-1916. Frankfurt a.M. 2002. — Sämtliche Werke, Bd. 18. Die Welt im Buch III. Rezensionen und Aufsätze aus den Jahren 1917-1925. Frankfurt a.M. 2002. Limberg, Michael : Hermann Hesse, Leben Werk Wirkung. Frankfurt a.M. 2005. Novalis. Werke in zwei Bänden. Vol. 2. Köln 1996. Tagore, Rabindranath : Gitanjali. Trad. par Marie Luise Gothein. Leipzig 1914. — Lettres à un ami (Lettres à C.F. Andrews). Trad. par Jane Droz-Viquié. Paris 1931. — Later Poems. Trad. par Aurobindo Bose. Londres 1974. — Selected Letters of Rabindranath Tagore. Dutta Krischna/ Robinson Andrew (éd.). Cambridge 1997. Wehdeking, Volker (éd.) : Licht aus dem Osten. Hermann Hesses transkulturelle Orientbezüge. Marburg 2011. <?page no="167"?> Angelika Führich Der Indien/ Europa-Diskurs in ausgewählten Texten von Lion Feuchtwanger und Rabindranath Tagore während der Zeit des Ersten Weltkriegs In seinem Vortrag Die Idee Europa (1916) umschrieb Hugo von Hofmannsthal die wiederaufkommende Asiensehnsucht im frühen 20. Jahrhundert als ein „Hinstreben zu Asien als Zeichen der Zeit” und interpretierte diese Hinwendung zu Asien als Ausdruck der zeitgenössischen, europäischen Identitätskrise und des damit einhergehenden Sinnverlustes in der Moderne. 1 Im gleichen Tenor wertete der deutschjüdische Schriftsteller Lion Feuchtwanger die europäische Faszination mit der östlichen Philosophie und Literatur, die deutschsprachige Schriftsteller ergriff und im Jahr 1913 durch die Vergabe des Literatur-Nobelpreises an Rabindranath Tagore einen neuen Auftrieb erhielt: „Es ist kein Zufall, dass gerade jetzt Rabindranath Tagore in allen europäischen Sprachen gelesen und gespielt wird, dass Alfred Döblins Wang-lun, jener herrliche Roman vom Nicht-Widerstreben, den Fontanepreis errang, dass Sukrakas Vasantasena jetzt in Deutschland wie in England stärker klingt als je. Vielleicht bedeutet dieser Krieg nichts anderes als einen Schritt weiter auf dem Weg Europas zu Buddha.“ 2 Der Erste Weltkrieg markierte in der Tat einen Wendepunkt in der europäischen Kulturgeschichte: Ein vom Krieg desillusioniertes Europa war auf der Suche nach Gegennarrativen und entdeckte, wie viele in der deutschsprachigen Literaturszene, darunter Max Dauthendey, Alfred Döblin, Lion Feuchtwanger, Hermann Hesse, Graf Hermann von Keyserling, in der östlichen Philosophie eine Gegenwelt zu der westlichen, materialistisch orientierten Moderne. So fand die Gedicht- und Liedersammlung Gitanjali mit ihren universellen Themen der Einheit von Mensch und Natur, der Harmonie und des Friedens großes Echo. Auf ausgedehnten Reisen in Europa nahm Tagore auch selbst diese Asiensehnsucht wahr und kommentierte sie im Mai 1921 in seinem 1 Hugo von Hofmannsthal: Die Idee Europa. Notizen zu einer Rede. In: Herbert Steiner (Hg.): Prosa. Bd. III der Gesammelten Werke in Einzelbänden. Frankfurt 1964, S. 369. 2 Lion Feuchtwanger: Warren Hastings (Selbstanzeige). In: W. Berndt (Hg.): Centum Opuscula. Eine Auswahl. Rudolstadt 1956, S. 387. <?page no="168"?> Angelika Führich 168 Briefwechsel mit seinem langjährigen Freund Charles Freer Andrew mit den folgenden Worten: „Tatsache ist, dass sich im Herzen des Westens eine Flutwelle aufbaut, die, getrieben von einem geheimnisvollen Gesetz der Anziehung, auf die Gestade des Ostens zuläuft. Der ungehemmte Stolz der europäischen Völker ist plötzlich an eine Grenze gestoßen. Müde geworden sucht der Riese Friede, und da die Quelle des Friedens seit jeher im Osten entspringt, wendet sich das Antlitz des geschundenen Europas heute instinktiv gen Osten. Europa gleicht einem Kind, das sich mitten im Spiel verletzt hat. Es scheut vor der Menge zurück und blickt sich suchend nach seiner Mutter um. Und war der Osten nicht die Mutter der spirituellen Humanität gewesen, die ihm Leben von ihrem Leben gegeben hat? ” 3 Der vorliegende Aufsatz widmet sich dieser zeitgenössischen, visionären Begegnung der europäischen Welt mit dem sogenannten Osten, insbesondere mit Indien, das in den Imaginationen der Ost/ West- Narrative als Ursprungsort der „spirituellen Humanität” und damit als Gegenwelt zur westlichen Zivilisation verhandelt wird. Auf Edward W. Saids Arbeit zum Konstrukt des „Anderen” im Diskurs über den „Orient” und „Orientalismus” (1978) bezugnehmend, untersucht die Arbeit, wie sich der Ost/ West-Diskurs im Kontext der literarischen Diskussion um die Zeit des Ersten Weltkrieges im westlichen deutschsprachigen sowie im indischen Kulturkreis darstellt. Als deutschsprachiges Textbeispiel bezieht sich die Untersuchung auf Lion Feuchtwangers Kolonialstück Warren Hastings. Gouverneur in Indien (1916) und dazu vergleichend auf Rabindranath Tagores zeitgenössische Schriften S-dhan-. The Realisation of Life (1913) und Nationalism (1917). 4 Als liberaler Intellektueller eingebunden in den deutschsprachigen aufklärerischen Idealismus stand Lion Feuchtwanger (1884-1958) kritisch dem wachsenden Nationalismus und der Kriegseuphorie um die Zeit des Ersten Weltkrieges in Deutschland gegenüber. 5 Seine pazifistische Haltung wurde im wesentlichen durch sein Studium der östlichen Philosophie und Literatur und insbesondere der Lehren des Buddhismus und Taoismus und der Sanskrit-Literatur verstärkt und fand ihren literarischen Ausdruck in den frühen Arbeiten. Nach seinem ersten Drama Die Perser (1915) 3 Rabindranath Tagore: Briefe aus Europa. München 2010, S. 43-44. Die vorliegende Übersetzung von Axel Monte folgt der Ausgabe von Charles Freer Andrews (Hg.): Letters to a Friend. 1928. 4 In der Textinterpretation beziehe ich mich auf die deutsche Übersetzung von Helene Meyer-Franck: Rabindranath Tagore: Nationalismus. München 1921. 5 Bei Kriegsausbruch kehrte Feuchtwanger (mit seiner Ehefrau Martha) nach einer zweijährigen Reise in Südeuropa und einem Aufenthalt in einem Internierungslager in Nordafrika nach München zurück. In Deutschland nahm Feuchtwanger einen zunehmenden Nationalismus und anti-englische Ressentiments wahr. Mehr dazu: Volker Skierka: Zurück in München: Erst Held, dann Soldat, dann Kriegsgegner. In: Lion Feuchtwanger: Eine Biographie. Berlin 1984, S. 43-46. <?page no="169"?> Der Indien/ Europa-Diskurs in ausgewählten Texten 169 veröffentlichte Feuchtwanger im zweiten Kriegsjahr Vasantasena (1916), eine Nachdichtung des indischen Dramas Mritschadkatika und darauf folgte eine Adaptation von Kalidasas Stück Vikramorvasiyam unter dem Titel Der König und die Tänzerin (1916). Diese Sanskrit-Adaptationen widerspiegeln mit den Themen der Weltentsagung und der kritischen Hinterfragung von Aktionismus zentrale Lehren der östlichen Philosophie, die sich in Warren Hastings. Gouverneur in Indien (1916) wiederfinden. Mit Warren Hastings, dem ersten britischen Generalgouverneur im indischen Bengalen des 18. Jahrhunderts, verhandelt Feuchtwanger einen umstrittenen Kolonialherrscher, der trotz seiner Willkürherrschaft und seiner gerichtlich vollzogenen Absetzung als maker of India, d.h. als erster bedeutsamer Kolonialherrscher des indischen Subkontinents, in die Geschichte einging. 6 In der Figurenkonzeption und Handlung folgt Feuchtwanger Thomas Babington Macaulays Aufsatz von 1841, der auf Hastings Regierungszeit von 1772 bis 1784 einschließlich des Impeachments und dessen darauffolgenden Rücktritt eingeht, dessen Gewaltherrschaft kritisch beleuchtet, ohne dabei die britische Kolonialherrschaft grundsätzlich in Frage zu stellen. Im Unterschied zu Macaulays Text widmet sich Feuchtwangers Stück ausschließlich Hastings‘ Kolonialjahren in Indien, angefangen mit einer Auseinandersetzung mit den britischen Gesandten, dem sogenannten Triumvirat der East India Company, bis zu Hastings’ Vertragsunterzeichnung mit dem Stamm der Nabobh, die den Genozid des Stammes der Rohillas besiegelt. Feuchtwangers Interesse an Hastings gilt weniger dem skrupellosen Generalgouverneur, der Volksstämme opferte und Kritiker wie den Maharadscha Nenkomar hinrichten ließ, als vielmehr Hastings, dem Machtmenschen im philosophischen Sinne, und seinem moralischen Scheitern. Die Tragik seines Versagens wird gemessen an der östlichen Philosophie der Weltentsagung und des vom Ego geleiteten Handelns. So porträtiert Feuchtwanger Hastings - sich auf ein Goethe-Zitat beziehend - als gewissenlos Handelnden. 7 Und ebenso als jemanden, der vom „Durst nach Macht“ angetrieben, die Botschaft von der „Entstehung des Leidens“ personifiziert, so wie es ein buddhistischer Lehrspruch der zusammen mit dem Goethe-Zitat im Vorwort programmatisch dem Drama vorausgeschickt wird, ausdrückt. Hier heißt es: 6 Vgl. A. Marvyn Davies: Life and Times of Warren Hastings. Maker of British India. Delhi 1988, S. viii. 7 “Der Handelnde ist immer gewissenlos. Es hat niemand Gewissen als der Betrachtende.” Zitat von Johann Wolfgang von Goethe. In: Lion Feuchtwanger: Warren Hastings. Gouverneur von Indien. München 1916, Vorwort. <?page no="170"?> Angelika Führich 170 „Dies, ihr Mönche, ist die heilige Wahrheit von der Entstehung des Leidens: es ist der Durst nach Sein, der von Wiedergeburt zu Wiedergeburt führt, der Durst nach Lust, der Durst nach Werden, der Durst nach Macht.“ 8 In der Dramenhandlung führt der Maharadscha Nenkomar von Bengalen, der als spirituelle Autorität seines Landes und als eigentlicher Gegenspieler von Hastings auftritt, dem Generalgouverneur sein moralisches Scheitern vor. Seine Mahnung, dass die Welt nicht der imaginierten Vorstellung von Eroberung und Sieg entspreche und nicht zu erobern sei, richtet sich nicht nur an Hastings, sondern an alle europäischen Kolonialherren, die an die Grenzen ihrer Macht erinnert werden: „Die Welt ist nicht von der Art, wie die Weißen sie träumen. Man kann sie nicht erobern. Man kann sie nicht halten. Der hat gesiegt, der sie nicht halten will. Der siegt, der nicht widerstrebt. Der hat gesiegt, den sie nicht lockt.“ 9 Die letzten Zeilen des Maharadschas, die er vor seiner Hinrichtung Hastings überbringen ließ, wiederholen diese Botschaft, dass nicht das Streben nach Macht und Leben, sondern eine Geisteshaltung der Ruhe und des Verzichts den wahren „Sieg“ gewährt: “Erinnere dich, mein Bruder, dass Ruhen besser ist als Gehen, Schlafen besser ist als Wachen, Totsein als Lebendigsein. Denn der Tod führt hin, wo keine Qual mehr ist und nur die Seligkeit der ewigen Ruhe im Schoße des Brahma.“ 10 In der inneren Vollendung durch den Tod erblickt der Maharadscha und mit ihm die östliche Lebensphilosophie die Auflösung des weltlichen Leidens, die den Weg zur inneren „Seligkeit der ewigen Ruhe“ öffnet. Polaritäten zwischen „Leben“ und „Tod“ und zwischen „Tun und Nichtstun”, von „Macht und Geist” 11 durchziehen als philosophische Grundthemen das Stück und werden insbesondere in der Figurenopposition von Hastings und dem Maharadscha und damit auf die gegensätzlichen Welten von Europa und Indien projiziert. In dem Essay Warren Hastings. Selbstanzeige (1916), in dem sich Feuchtwanger selbst zum dramatischen Anliegen äußert, wird dieser binäre Charakter der Figurenkonstellationen und der Lebenswelten und deren philosophische Eingebundenheit folgendermaßen hervorgehoben: 8 Bei der Interpretation des Stückes beziehe ich mich auf die Erstaufgabe von Warren Hastings. Lion Feuchtwanger: Warren Hastings. Ein Gouverneur in Indien. München 1916, Vorwort. 9 Zit. nach Feuchtwanger: Selbstanzeige (Anm. 2), S. 386. 10 Feuchtwanger: Warren Hastings (Anm. 8), S. 117. 11 Feuchtwanger: Selbstanzeige (Anm. 2), S. 383. <?page no="171"?> Der Indien/ Europa-Diskurs in ausgewählten Texten 171 „Nicht um das Einzelschicksal des Helden also geht es mir, sondern um das Erlebnis: Indien und Europa, Tatmensch und geistiger Mensch, Büßer und Soldat, Buddha und Nietzsche.” 12 Im Charakter von Hastings, dem englischen Kolonialherrscher und Orientalisten und Indienkenner, sieht Feuchtwanger jedoch beide Welten, die Indiens und die Europas, miteinander vereinigt und das Potential, die Spaltung der Kulturen zu überwinden. Hastings personifiziert den sogenannten Tatmenschen sowie den „geistigen Menschen” und den „ersten Europäer”, der sich das altindische Gedankengut und Sanskrit zu eigen machte und sich für dessen Verbreitung engagierte. 13 Als Förderer und Gönner der indischen Orientalistik, die mit der Gründung der Asian Society of Bengal begann und ihre Nachahmung in der Royal Asian Society in London fand, kommt Hastings laut Feuchtwanger eine „welthistorische” Bedeutung zu. Denn er sei laut seinem Schreiber Williams Cowper als „Beamter des Schicksals“ der „einzige, der eine Brücke schlagen kann zwischen Europa und Asien“. 14 Von dieser anfänglichen Position, dass Hastings zwischen der britischen Kolonialmacht und Indien vermitteln und die Spaltung zwischen Europa und Indien überwinden könnte, rückt Cowper im weiteren Verlauf von Hastings‘ Gewaltherrschaft jedoch ab und erkennt insbesondere in der Hinrichtung des Maharadscha und der Vernichtung der Rohillas Hastings’ moralisches Versagen. Edward W. Said weist in seiner kritischen Analyse der europäischen Orientalistik darauf hin, dass die Disziplin der indischen Orientalistik im Gegensatz zu den Islamstudien eine bestimmte Souveränität genoss, da sie nicht wie die Islamstudien mit Projektionen von Gefahr und Bedrohung für Europa assoziiert gewesen sei. 15 Am Beispiel von William Jones und seiner Tätigkeit als dem ersten Präsidenten der Asian Society of Bengal verdeutlicht Said die Bedeutung der von England geleiteten Orientalistik und zeigt, wie die Kolonialmacht mit ihrem Hegemonialanspruch ihre kulturelle Vorherrschaft auf dem Subkontinent etablierte. Laut Said strebte die britische Kolonialmacht wie jede andere danach, „zu herrschen und dabei zu lernen, den Orient mit dem Okzident miteinander in Beziehung zu setzen“. 16 12 Ibid., S. 363. 13 Der Wortlaut des vollständigen Zitates lautet: “Warren Hastings war nämlich der erste Europäer, der sich mit Tatkraft und Erfolg für das Studium des Sanskrit und seiner Literatur einsetzte. Oberflächlich betrachtet, eine Tatsache von allerhöchstens philologischem Belang. Aber diese Tatsache, ich glaube: sie allein ist es, die die Erscheinung des ersten Generalstatthalters von Indien welthistorisch und tragisch macht.” Feuchtwanger: Selbstanzeige (Anm. 2), S. 384. 14 Feuchtwanger: Warren Hastings (Anm. 8), S. 32. 15 Vgl. Edward W. Said: Orientalism. New York 1978, S. 75-77. 16 Vgl. das Orginalzitat: “to rule and to learn to compare Orient with Occident.” Zit. nach Said: Orientalism (Anm. 15), S. 78. <?page no="172"?> Angelika Führich 172 Diese Annäherung an den „Orient“, ihn als Konstrukt des Anderen - als Gegensatz oder als Ergänzung zum „Westen“ - wahrzunehmen, geht auf eine lange Tradition zurück und hatte ihre Anfänge im frühen Kolonialismus des 18. Jahrhunderts. Sie reicht bis in die Gegenwart und findet ihren literarischen Ausdruck auch in Feuchtwangers Imaginationen in Bezug auf Indien und seiner orientalistischen Sichtweise auf Asien und Europa, wie es sich besonders in Feuchtwangers Selbstinterpretation darstellt. Hastings und mit ihm der europäische Kolonialismus erfindet den indischen Orient neu und räumt für sich das Privileg ein, das Andere zu konstruieren und es zu vertreten und für das Andere zu sprechen. Im Drama lässt Feuchtwanger Warren Hastings Hegemonialanspruch und den der Kolonialherrschaft in Anlehnung an Karl Marx‘ Zitat aus Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte rechtfertigen, wenn er Cowper gegenüber behauptet: „Ich muss die Macht behalten in Indien. Der Inder kann sich nicht selbst regieren. Er braucht den fremden Eroberer, der ihn beherrscht […] Ich bin der Herrscher, den dieses Land braucht. Indien und ich, wir gehören zusammen.“ 17 Um die Jahrhundertwende verstärkte sich allerdings die Opposition in Indien gegen die Kolonialherrschaft, die mit der Swadeshi-Bewegung, dem Widerstand gegen die Teilung Bengalens, anfing und um die Zeit des Ersten Weltkrieges mit dem Jalianwalla Bagh-Massaker von 1919 einen Höhepunkt erreicht hatte. Das Recht auf eigenständige Vertretung und damit den Anspruch auf innere und äußere Entkolonialisierung teilte Rabindranath Tagore mit dieser Unabhängigkeitsbewegung, allerdings distanzierte er sich deutlich von nationalistischen und patriotischen Gefühlen und von Gewaltanwendung zur Durchsetzung der Ziele. In seinen Schriften gegen die koloniale Fremdbestimmung und den Kult von Nationalismus, wie z.B. in seinem Aufsatz Nationalism (1917), der auf Vorträge in Japan und den USA zurückgeht und während des Ersten Weltkrieges veröffentlicht wurde, warnte Tagore vor einer blinden Verehrung der Nation und des Nationalstaates und vor den Gefahren, die von einem aggressiven Nationalismus ausgingen. Im Phänomen des Nationalismus, das er vom Impetus der Macht und der „Eroberungssucht” geleitet sah, erkannte er ein ursprünglich westliches Phänomen und die Hauptursache für Konflikt und Krieg, konkret gesprochen: für den europäischen Kolonialismus und den Ersten Weltkrieg in Europa. In diesem Sinne schreibt Tagore: „In Wahrheit ist nämlich der westliche Nationalismus nicht auf soziales Zusammenleben gegründet, sondern von Anfang an und bis in seinen innersten Kern vom Geist des Kampfes und der Eroberungssucht beherrscht. Er hat die Organisation der Macht bis zur Vollkommenheit 17 Feuchtwanger: Warren Hastings (Anm. 8), S. 122. <?page no="173"?> Der Indien/ Europa-Diskurs in ausgewählten Texten 173 entwickelt, aber keinen geistigen Idealismus. Er hat den Geist des Raubtiers, das seine Beute haben muss. Um keinen Preis will er dulden, dass seine Jagdgründe in Kulturland umgeschaffen werden. Ja, im Grunde kämpfen diese Nationen miteinander nur um die größere Ausdehnung ihres Jagdgebietes.” 18 Von dem Nationenbegriff im Ost/ West-Diskurs ausgehend legt Tagore im weiteren Verlauf des Artikels die philosophische Bedeutung der Nation dar und welche Konsequenzen er in der Nationenbildung für die Zukunft der ganzen Menschheit wahrnimmt. Verloren gegangen sieht er das „Ideal der Ganzheit” 19 - mit anderen Worten - das Vertrauen in die Menschlichkeit. Dieser Verlust an Idealismus und Menschlichkeit, und als Konsequenz die „Tragödie des falschen Scheins” 20 , wie es Tagore deutet, führte in der modernen Welt des Westens zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges - mit Tagores eigenen Worten - zu diesem „Krieg der europäischen Nationen”. 21 In dem auf Bengalisch verfassten Gedicht Der Sonnenuntergang des Jahrhunderts, das den Aufsatz über Nationalismus beendet, beschreibt Tagore die Vorkriegszeit im Westen in diesem Sinne als eine Zeit des Hasses und der Eigenliebe: „Die letzte Sonne des Jahrhunderts versinkt in den blutigroten Wolken des Westens und im Wirbelsturm des Hasses. Die nackte Selbstsucht der Völker tanzt in wahnsinniger, trunkener Gier zu den Klängen der klirrenden Schwerter und der heulenden Rachegesänge.” 22 Verlorengegangen sei die Bedeutung des Religiösen im modernen Zeitalter, und so sieht Tagore die Menschen im „Westen“ als „Nomaden“ auf der Suche nach universellen Werten und nach spiritueller Humanität in den „Osten” kommen. Auch wenn sich Tagore in seinen Schriften auf Indien/ Asien und Europa bezieht, nimmt er zunehmend Abstand von konkreten Länder- und Kontinentnamen und ersetzt sie durch die binären, metaphorisch gebrauchten Termini von „Osten“ und „Westen.“ In der englischen Originalfassung von The Modern Age heißt es dementsprechend: „Als Nomaden, Ausgehungerte und Rastlose, sind die Menschen aus dem Westen zu uns gekommen. Sie haben unsere östliche Humanität aus purem Machtgewinn ausgebeutet. Das moderne Zusammenkommen hat noch nicht die göttliche Gnade erfahren. Das hat uns voneinander ferngehalten, obwohl Eisenbahnschienen sich durch das Land ziehen und Schiffe von Küste zu Küste fahren, um uns zusammenzubringen.” 23 18 Tagore: Nationalismus (Anm. 4), S. 28. 19 “In modern society the ideal of wholeness has been lost its force”. Zit. nach Rabindranath Tagore: The Modern Age. In: The English Writings of Rabindranath Tagore. Vol 2: Plays, Stories, Essays. Delhi 1996. S. 541. 20 Tagore: Nationalismus (Anm. 4), S. 57. 21 Ibid. 22 Ibid., S. 165. 23 Tagore: The Modern Age (Anm. 19), S. 541 (übers. von AF). <?page no="174"?> Angelika Führich 174 Die Nationen von Europa und Nordamerika repräsentieren für ihn den modernen Westen, die als koloniale Eroberer dem Osten, und hier bezieht sich Tagore konkret auf Indien, Land und Geist geraubt hätten. Und ebenso wertet er den vom westlichen Kolonialdenken ausgehenden Orientalismus, der den „Osten”, Indien inbegriffen, als Konstrukt des Anderen versteht und einen Anspruch des „Westens” auf Hegemonie und Dominanz artikuliert. In diesem Sinne äußert sich Tagore in Nationalismus über die negativen Konnotationen und die Herabsetzung, mit denen der „Westen” Indien begegnete, und stellt die Frage, wie sich auf diese Weise die Welten des „Ostens” und des „Westens” als unversöhnte Oppositionen verorten lassen: “Wir haben gesehen, wie in den westlichen Ländern das Volk auf jede Weise ermutigt wird, sich zu bilden, und wie ihm jede Gelegenheit gegeben wird, sich tüchtig zu machen für den großen Wettkampf auf dem Weltmarkt, während in Indien das einzige, was die Nation für uns tut, ist, dass sie uns verhöhnt, weil wir zurückgeblieben sind. Während sie uns alle Möglichkeiten verschließt und unsere Erziehung auf das Minimum beschränkt, das eine fremde Regierung für ihre Durchführung braucht, beruhigt diese Nation ihr Gewissen damit, dass sie uns herabzusetzen sucht, indem sie geschäftig die zynische Weisheit verbreitet, dass Osten Osten und Westen Westen bleibt und die beiden nie eins werden können.” 24 Mit Indiens Rückstand im Ausbau des damaligen Bildungssystems spielt Tagore insbesondere auf Lord Macaulays selektive Bildungspolitik in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts an, die die moderne englische Bildung nur einer ausgewählten Schicht, die „den Engländern gleich sei” und den Interessen der Kolonialisten dienen sollte, zukommen lassen wollte. 25 Der britische Kolonialvertreter Macaulay ist auch dafür bekannt, die europäischen geistigen Traditionen als dem indischen Gedankengut überlegen eingeschätzt und sich herablassend über Indiens Literatur geäußert zu haben. Tagore erfasst hier nicht nur Macaulays‘, sondern die im Kolonialismus übliche orientalistische Sichtweise auf „Orient” und „Okzident,” auf den „Osten” und auf den „Westen,” und entlarvt hier schon vor Eduard Said, wie westliche Nationen den sogenannten Orient bzw. Indien als Konstrukt des Anderen festschreiben. Im Hinblick auf den sogenannten Westen unterscheidet Tagore zwischen der zerstörerischen Kraft der „Nation des Westens” und dem „Geist des Westens”, den er dafür preist, „auch lebendigen Samen mit sich gebracht zu haben, der 24 Tagore: Nationalismus (Anm. 4), S. 27. 25 Malaucay schrieb: “Mit unseren begrenzten Mitteln ist es uns unmöglich, Bildung für die Gesamtheit der Menschen anzustreben. Zum momentanen Zeitpunkt müssen wir unser Bestes tun, um eine Klasse zu bilden, die zwischen uns und den Millionen, die wir regieren, als Übersetzer fungieren kann; eine Gruppe von Personen, indisch in Blut und Hautfarbe, aber englisch in Geschmack, Ansichten, Moral und Intellekt.” Zit. nach: Masuduzzaman: Begegnung des Westens mit dem östlichen Anderen. In: Hamidul Khan (Hg.): Universalgenie Rabindranath Tagore. Heidelberg 2012, S. 61f. <?page no="175"?> Der Indien/ Europa-Diskurs in ausgewählten Texten 175 unsterblich ist”. 26 Denn im geistigen Idealismus, der den „Geist des Ostens” mit dem des „Westens” vereint, sieht Tagore trotz ihrer unterschiedlichen Auffassungen von „Wahrheit” die Möglichkeit einer „Versöhnung” zwischen diesen beiden großen Welten. 27 Und hier entwickelt Tagore - im Gegenzug zum westlichen Orientalismus-Diskurs - eine differenzierte Sicht auf den „Westen” und nimmt neben dessen positivem Einfluss mittels Kunst, Literatur oder Philosophie auf den indischen Subkontinent auch das Potential des Zusammenkommens des „Ostens” und des „Westens” im Spirituellen wahr. Mit dem spirituellen Ziel, einen „geistigen Gipfel der Menschheit” 28 zu erreichen, nährt Tagore eine Vision, die Spaltung zwischen Ost und West zu überwinden und eine tiefere Verbindung - oder mit anderen Worten - eine “interkulturelle Allianz” auf der Grundlage von Geist, Harmonie und Freiheit, genauer gesagt von innerer Freiheit zu schaffen. Hier spricht er Indien die Rolle der Selbstdarstellung zu, anstelle der Kolonialmacht und der westlichen Orientalistik, die in der Kolonialgeschichte bis in die Gegenwart für Indien als das „Andere” gesprochen und es vertreten haben. In diesem Sinne fordert er, dass dem „Westen” der „Osten” gezeigt und der „Westen” davon überzeugt werden solle, dass der „Osten” seinen gebührenden Beitrag zur menschlichen Zivilisationsgeschichte leisten kann. Als Poet, Schriftsteller, Philosoph und spiritueller Lebensreformer sieht sich Tagore selbst in dieser Rolle des Vermittlers von Indiens Kultur, Philosophie und Sprache. In dem philosophischen, auf Englisch verfassten Text S-dhan-. The Realisation of Life, zeigt Tagore einem westlichen Leserkreis, was er unter dem indischen Beitrag zur Zivilisationsgeschichte und zum Ost/ West-Dialog versteht. S-dhan- besteht aus acht Essays zum Thema der inneren Selbstverwirklichung (self realization), so wie sie in den Sanskrit-Schriften der Upanishaden gelehrt wird. In der Einleitung grenzt sich Tagore vom westlichen Verständnis der altindischen Schriften ab, die seiner Meinung ausschließlich einer rationalen Logik folgten und nicht den „wichtigen Erfahrungswert” für Indien erfassten: „Indiens wichtige Schriften scheinen für die westlichen Wissenschaftler von ausschließlich rückblickendem und archäologischem Interesse zu sein. Für uns jedoch sind sie von lebendiger Bedeutung. So können wir nicht umhin zu denken, dass die Wichtigkeit der Schriften für Geist und Aspiration, die für alle Zeit in dem Gewand der Gelehrsamkeit gehegt wurde, abhanden gehen könnte.“ 29 26 Tagore: Nationalismus (Anm. 4), S. 20. 27 Ibid., S. 21. 28 Ibid., S. 127. 29 Rabindranath Tagore: S-dhan-. The Realisation of Life. London 1913, S. viii (übers. von AF). <?page no="176"?> Angelika Führich 176 Die Advaita, die non-dualistische Lehre von der spirituellen Einheit und Ganzheit, durchzieht Tagores gesamtes Werk einschließlich seiner Vorstellung einer möglichen Synthese von „Ost” und „West”, wie sie in seinen sogenannten politischen Schriften zur Sprache kommt. Bei näherer Betrachtung der auf Englisch verfassten Orginalaufsätze Nationalism, East and West, The Spirit of Freedom, die auf den ersten Blick als “politisch” eingestuft werden könnten, offenbaren diese Texte gerade wegen ihres Bezugs auf die Advaita ihre spirituelle Natur und weisen auf einen entsprechendem Sendungscharakter hin. Die Botschaft nach Innen ist an Indien selbst gerichtet, das Tagore wegen des Extremismus und der Diskriminierung durch das Kastensystem nicht notwendigerweise vom Nationalismus, sondern von einem Rassenproblem und sozialen Konflikten gekennzeichnet sieht. Tagore mahnt Indien, nicht der westlichen modernen Zivilisation und Politik nachzueifern, sondern sich auf die eigenen, jahrtausend Jahre alten, spirituellen Werte und Ideale, wie sie durch die alten Schriften der Upanishaden vermittelt werden, zurückzubesinnen. 30 Das dem Aufsatz Nationalismus nachgestellte Gedicht Der Sonnenuntergang des letzten Jahrhunderts endet mit einem Aufruf an seine indischen „Brüder”, in dem „weissen Gewand” ihrer „Einfalt” ohne Scham den „Stolzen und den Mächtigen”, dem sogenannten Westen gegenüberzutreten. 31 Die Botschaft nach Außen richtet sich an beide, an Indien und an den „Westen”, eine Vision der Einheit der Welt anzustreben, die Trennendes, Konflikte und Kriege, wie es in der imaginären Spaltung in Ost und West zum Tragen kommt, zu überwinden vermag. Tagore erfindet das Ideal einer interaktiven Welt, die sich durch Dialog und gegenseitigen Respekt und durch eine „Freude an der Einheit”, die wir in uns selbst finden, auszeichnet. 32 Die um die Zeit des Ersten Weltkrieges verfassten Texte von Lion Feuchtwanger und Rabindranath Tagore teilen eine Kritik imperialer und kolonialer Politik, die bei beiden ihren Ausdruck in einer Narrative des Gewaltverzichts, der Entsagung und der Transzendenz des Irdischen findet und in der spirituellen Lehre des sogenannten Ostens, genauer gesagt Indiens, verortet wird. Im Zentrum beider Schriftsteller steht die Begegnung der Welten von Ost und West: Der „Westen”, mit kolonialimperialem Denken und Handeln und Nationalismus assoziiert, wird als oppositionelles Gegenüber zum „Osten”, dem Ort von Spiritualität, verstanden. Bei näherer Betrachtung dieser Ost/ West-Binären wird allerdings deutlich, wie unterschiedlich die Verhandlung dieser Polaritäten bei Tagore und Feuchtwanger ausfällt. Auch wenn Feuchtwanger nicht unbedingt Rudyard Kiplings starre Sichtweise teilt, dass der „Osten” der 30 Tagore betrachtet als Kern der Upanishaden die Bedeutung der allerhöchsten Seele (paramatman) und, der altindischen Advaita-Lehre folgend, die Ganzheit und den unendlichen Geist (Brahma). 31 Tagore: Nationalismus (Anm. 4), S. 166. 32 Rabindranath Tagore: Creative Unity. Madras 1971, S. 5. <?page no="177"?> Der Indien/ Europa-Diskurs in ausgewählten Texten 177 „Osten” und der „Westen” der „Westen” blieben, und die beiden sich niemals gegenseitig fänden, geht er trotz alledem davon aus, dass beide Einheiten auf sich selbst fixiert und sich unversöhnlich als Oppositionen gegenüber ständen. Den Kolonialismus - trotz seiner politischen Kritik an dessen imperialer Politik - stellt Feuchtwanger nicht in Frage, wenn es um die kulturelle Erschließung und Nutzung des Koloniallandes durch und für den Westen geht. So sieht er zum einen in Hastings den sogenannten „grossen Mann“ - laut der Eigeninterpretation in Selbstanzeige -, der das altindische Gedankengut und das Sanskrit nach Europa brachte und in Indien Kulturinstitutionen und das Bildungssystem unter britischer Regie aufbaute. Zum anderen äußert Feuchtwanger, obwohl er selbst sich von der altindischen Philosophie und Literatur inspirieren ließ, starke Bedenken gegenüber der Indienbegeisterung, die Europa mit der Kolonialisierung erfasste. So porträtiert Feuchtwanger Hastings als jemanden, der von einer „Lehre, die ihn, den Tatmenschen, den Machtmenschen, nicht losließ, süß und qualvoll, bis ans Ende”. 33 Auf ähnliche Weise gestaltet er die Figur von Mr. Philip Francis, einen der Gesandten der East India Company, der im Disput mit Hastings Gerechtigkeit und Moral im Umgang mit den Einheimischen von der lokalen Kolonialregierung fordert. Laut seiner eigenen Selbstdarstellung sieht sich Francis wie viele seiner Zeitgenossen, den sogenannten Europamüden, angezogen von Indiens „Weisheit“, auf der Suche nach dem „verlorenen Paradies“. 34 In Selbstanzeige bringt Feuchtwanger seine Skepsis dieser Indiensehnsucht gegenüber klar zum Ausdruck, wenn er davon spricht, dass Hastings mit seiner Kolonialherrschaft den Weg zur geistigen Eroberung des Westens geöffnet habe. Diese Zuwendung zur östlichen Philosophie und zum östlichen Gedankengut wertet Feuchtwanger als „geistige Unterjochung” und als eine Art von Bedrohung für den Westen: „Denn es kann Zufall, kann kein Zufall sein, dass just dieser Mann dem besiegten Osten den Weg bahnte, das siegreiche Europa geistig zu unterjochen. Von ihm aus, durch ihn, der ihm den Fuß auf den Nacken gesetzt, begann Indien, Europa zu besiegen, wie das besiegte Griechenland Rom, wie arabische Art und Kunst die Kreuzfahrer. Er, der Triumphator, musste als erster die geheimnisvolle Macht des bezwungenen Landes verspüren.” 35 Im Vergleich zu Feuchtwangers orientalistisch ausgerichteten Sichtweise auf die Ost/ West-Konstellationen und die Wahrnehmung Indiens als Konstrukt des „Anderen” und Projektionsfläche von Faszination und Ängsten, entwickelte Tagore einen Gegendiskurs, der den hegemonialen Anspruch des Westens kritisch hinterfragt und die 33 Feuchtwanger: Selbstanzeige (Anm. 2), S. 384. 34 Feuchtwanger: Warren Hastings (Anm. 8), S. 79. 35 Feuchtwanger: Selbstanzeige (Anm. 2), S. 384. <?page no="178"?> Angelika Führich 178 Beziehung von Ost und West von ergänzendem und aussöhnendem Charakter und als „kulturelle Synthese” neu erfindet. Diese „kulturelle Synthese”, in der Tagore geistige Traditionen und Gedankengut des Westens mit dem „spirituellen Idealismus” des Ostens, insbesondere durch Karma Yoga, den östlichen spirituellen Weg der Tat, zusammenkommen sieht, ist darauf ausgerichtet, Nationales hinter sich zu lassen. Sein Augenmerk richtet sich auf die Bedeutung von Gesellschaft als soziales Gefüge und auf die Rolle des spirituellen Idealismus. 36 Diese Vorstellung einer „kulturellen Synthese” und einer vereinten Welt geht dem postkolonialen Konzept des Post/ Transnationalen voraus, wie es Frantz Fanon, Stuart Hall oder Eduard Said in ihrer Vision einer globalisierten Welt ohne Grenzen und Trennungen ausmalen. Im Unterschied zu den postkolonialen Kritikern der Gegenwart ist Tagores Universalismus in der altindischen, non-dualistischen Lehre von Advaita verankert. Spirituelle Werte, wie die „innere Wahrheit” und die „innere Freiheit” weisen den Weg zum „Mysterium des Einen”, wobei Tagore diese imaginäre Synthese im Poetischen und im Kreativen verwirklicht sieht. 37 In der Kreativität, der Poetik und dem spirituellen Idealismus begründet Tagore Indiens Beitrag zur Synthese von Ost und West und deren interkulturelle Allianz. Tagore war sich durchaus bewusst, dass die Vorstellung eines poetischen und spirituellen Ostens einer subjektiven Kreativität entspringt und im Imaginären angesiedelt ist. Mit der Idee der Ganzheit und der Vereinigung beider Welten im Geistigen und Spirituellen entwirft Tagore eine Vision, die das dualistische Konzept der Ost/ West-Spaltung zu überwinden fähig wäre. Bibliographie Bhattacharya, Sabyasachi: Rabindranath Tagore. An Interpretation. New Delhi 2011. Dutta, Krishna/ Robinson, Andrew: Rabindranath Tagore. The myriad-minded man. New Delhi, Calcutta 1997. Feuchtwanger, Lion: Centum Opuscula. Eine Auswahl. Rudolstadt 1956. — Warren Hastings. Gouverneur von Indien. Schauspiel in vier Akten und einem Vorspiel. München, Berlin 1916. — Vasantasena. Ein Schauspiel in drei Akten nach dem Indischen. München 1924. Hofmannsthal, Hugo von: Die Idee Europa. Notizen zu einer Rede. In: Herbert Steiner (Hg.): Prosa. Bd. III der Gesammelten Werke in Einzelbänden. Frankfurt 1964. Kämpchen, Martin: Rabindranath Tagore in Germany. Four Responses to a Cultural Icon. Shimla 1999. 36 Hier stellt Tagore die indischen Dorfgemeinschaften, die sogenannten Gramsamja, die vom britischen Kolonialismus und seinem Staatendenken zerstört worden seien, als wesentliche Einheit der indischen Gesellschaft dar und als Alternative zum westlichen nationalen Staatsgefüge, der „Organisation durch Politik und Wirtschaft.” 37 Im Orginaltext heißt es: „Mystery of the One which takes us beyond the thought into the imagination of the Infinite.” Tagore: Creative Unity (Anm. 32), S. 14. <?page no="179"?> Der Indien/ Europa-Diskurs in ausgewählten Texten 179 Khan, Hamidul (Hg.): Universalgenie Rabindranath Tagore. Eine Annäherung an die bengalische Dichtung, Philosophie und Kultur. Heidelberg 2012. Macaulay, Thomas Babington: Kleine geschichtliche und biographische Schriften. Leipzig 1850. Said, Edward W.: Orientalism. New York 1978. Skierka, Volker: Lion Feuchtwanger. Eine Biographie. Berlin 1984. Tagore, Rabindranath. S-dhan-. The Realisation of Life. London 1913. — Nationalism. London 1917. — Nationalismus. Übers. von Helene Meyer-Franck. München 1921. — Creative Unity. London 1988. — Letters to a Friend. In: Sisir Kumar Das (Hg.): The English Writings of Rabindranath Tagore: Vol. 3. New Delhi 1996. — Briefe aus Europa. Aus dem Englischen übersetzt, mit Anmerkungen und Nachwort von Axel Monte. München 2010. <?page no="181"?> Sylvia Boyer La transmission du Gitanjali : entre traduction et réécriture Le Gitanjali est un recueil rassemblant 103 poèmes issus de trois ouvrages, « le Naivedja, le Kheya et le Gitanjali » 1 , que l’auteur, Rabindranath Tagore, a composés en bengali, sa langue maternelle. Avec l’aide de l’écrivain irlandais William Butler Yeats, il entreprit ensuite d’effectuer lui-même la traduction de ses poèmes en anglais. Cette première phase et l’adaptation française du recueil par l’écrivain et traducteur français, André Gide, qui choisit comme titre Le Gitanjali, L’offrande lyrique, soulèvent la problématique de la réécriture. Un des thèmes majeurs de cette œuvre lyrique, celui du féminin, met à jour les difficultés attachées à sa traduction, et par là même soulève déjà la question du genre ou gender. Un compatriote de Tagore, Vyas, dira dans un article relativement récent que Tagore savait mieux que quiconque glorifier la féminité dans ses poèmes et ses romans, s’inscrivant de ce fait dans la modernité voire même la postmodernité : « Du Gitanjali au Chokher Bali, Tagore attaquait vivement dans ses commentaires la question du gender. « Il célébrait remarquablement le féminin dans la plupart de ses œuvres et ses commentaires ont toute leur importance encore aujourd’hui. » 2 Le motif de la femme, et du féminin en général, revêtent en effet une importance telle qu’ils en deviennent universels, surtout de par le dialogue poétique avec le divin dans les chants et prières mêlant les thèmes représentatifs du voyageur à ceux d’une femme libre de penser. C’est cette notion d’universalité qui marque les poèmes du Gitanjali du sceau de l’égalité des sexes. Comment ce thème présent dans le Gitanjali peut-il alors être perçu au travers des différentes traductions? La traduction rend-elle compte de la modernité inscrite dans les vers de Tagore ? Il est intéressant de se pencher tout d’abord sur la représentation du féminin dans ce recueil, sur l’importance de la femme et sur la traduction d’une prétendue force féminine, complémentaire du principe masculin. Cette première étape accomplie, il convient d’opérer un retour 1 André Gide : Introduction. In : Rabindranath Tagore : L'Offrande lyrique suivi de La corbeille de fruits. Trad. par André Gide. Paris 1980, p. 9. 2 Girija Vyas : From Gitanjali to Chokher Bali, Tagore fought gender suppression. In : The Indian Express. New Delhi 2011. (http: / / www.indianexpress.com/ news/ from-Gitanjali-to-chokher-bali-tagorefought-gender-suppression/ 846913/ ) « From Gitanjali to Chokher Bali, Tagore was scathing in his comments against gender suppression. He beautifully celebrated womanhood in many of his works and his words find relevance even today. » (Trad. par SB). <?page no="182"?> Sylvia Boyer 182 réflexif sur la notion de « réécriture », de sa problématique concernant le Gitanjali avec comme objectif final d’aborder les possibles remédiations aux écueils existants. I La traduction de la représentation du féminin Lorsque Gide parle dans son introduction au Gitanjali 3 d’une mauvaise composition du recueil, il passe à côté d’un des aspects essentiels de cette œuvre et de la poésie de Rabindranath Tagore en général : le féminin. « Désireux de ne réserver que des louanges, je commencerai par signaler le grave défaut de ce livre : si petit qu'il soit, il est mal composé. […] l'hétérogénéité du Gitanjali, elle saute aux yeux vraiment et d'une manière qui peut choquer d'abord - pour devenir peut-être assez amusante dans la suite. » 4 En effet, même s’il arrive cependant à retrouver les thèmes principaux structurant le Gitanjali, à savoir, l’amour divin, le motif de l’attente, celui du voyage, les poèmes métaphysiques, la Mâyâ 5 , la dualité et la « louange de la mort », les étapes de la vie d’une femme constituent le lien primordial entre les différents poèmes, comme nous l’explique Brahma Dutta Sharma 6 dans son article intitulé « The structure of Rabindranath Tagore’s Gitanjali » 7 , extrait de Essays on Rabindranath Tagore. Cette féminité sera perçue alors sous divers angles, selon les rôles investis par les femmes : leur rôle de mère ou celui de Terra Mater, la terre nourricière. L'importance de la femme La femme occupe une place prépondérante dans ce recueil du Gitanjali, qui, composé de plusieurs poèmes pouvant être lus individuellement, possède une structure interne dont les liens sont les étapes de la vie d’une femme. Gide, même s’il l’associe alors à l’âme, ce qui n’est pas entièrement faux et nous en parlerons un peu plus tard, l’avait bien deviné lorsqu’il évoqua le problème de traduction posé par un pronom féminin qui apparaît tout d’un coup : « Dans quelques-uns de ces poèmes un pronom féminin vient tout à coup nous avertir que c’est une femme qui parle. Mais comme rien n’indique où commence et où s’arrête cette suite, et qu’en anglais le genre, le sexe de la 3 Gide : Introduction. Offrande lyrique (note 1). 4 Ibid., p. 9. 5 Unesco (éd.) : Tagore et Mâyâ. Mère Nature. In : Rabindranath Tagore, Pablo Neruda, Aimé Césaire : pour un universel réconcilié. Paris, 2011, p. 112-113. (http: / / unesdoc.unesco.org/ images/ 0021/ 002116/ 211657f.pdf.) 6 Professeur d’anglais à l’université de Taiz au Yémen. 7 Brahma Dutta Sharma : The structure of Rabindranath Tagore’s Gitanjali. In : Essays on Rabindranath Tagore, in honour of D.M. Gupta. Ghaziabad 1987. <?page no="183"?> La transmission du Gitanjali : entre traduction et réécriture 183 personne qui parle - de la première personne, peut rester plus longtemps, plus constamment caché qu’en français où les accords grammaticaux sont plus nombreux, - le traducteur se trouve parfois embarrassé. » 8 Le poème 67 du Gitanjali attire justement l’attention par la présence, en anglais, d’un pronom possessif dont le possesseur est féminin alors que l’antécédent est, lui, neutre, puisqu’il ne s’agit pas d’un être animé. « Thou art the sky and thou art the nest as well. O thou beautiful, there in the nest is thy love that encloses the soul with colours and sounds and odours. There comes the morning with the golden basket in her right hand bearing the wreath of beauty, silently to crown the earth. And there comes the evening over the lonely meadows deserted by herds, through trackless paths, carrying cool draughts of peace in her golden pitcher from the western ocean of rest. But there, where spreads the infinite sky for the soul to take her flight in, reigns the stainless white radiance. There is no day nor night, nor form nor colour, and never, never a word. » 9 10 Ne pourrait-on penser alors qu’il s’agit ici d’une présence féminine se promenant dès le petit matin portant un panier de fleurs de sa main droite et le soir arrivant, un pichet ? L’indication de temps ne viendrait ici, en fait, que construire le cadre de la description. Le poème numéro 7 fait lui aussi état d’une présence féminine par l’utilisation du pronom possessif her et du pronom personnel sujet she, alors qu’on fait référence au nom commun song. Le chant serait alors ici personnifié et féminisé. Selon Brahma Dutta Sharma, il s’agirait en fait d’une association que le poète ferait avec l’enfant, féminin, dont il est question dès le premier poème : « Au début du livre, la naissance d’un enfant a été décrite par des termes relatifs à la naissance d’un chant. » 11 Ce même poème fait aussi apparaître le motif maternel. En effet, contrairement à V. Rama Murthy 12 qui est d’avis que Tagore exprime ici des louanges faites à Dieu en remerciement pour une réincarnation, Brahma Dutta Sharma interprète ce poème différemment : « …la personne présente dans ce poème est une femme remerciant l’Etre suprême pour l’espoir [de maternité] dont il l’a gratifiée ». 13 8 Gide : Introduction. Offrande lyrique (note 1), p. 15. 9 Rabindranath Tagore : Gitanjali - Song offerings. Stilwell 2005, p. 55. 10 Soulignement par SB. 11 Sharma : The structure of Rabindranath Tagore’s Gitanjali (note 7), p. 60 : « In the opening poem of the book, the birth of a child has been described in terms of the birth of a song. » (Trad. par SB). 12 Professeur de l’université de Bombay. 13 Sharma : The structure of Rabindranath Tagore’s Gitanjali (note 7), p. 60 : « …the persona in this poem is a woman who is thanking the Supreme Being for the hope she has been blessed with. » (Trad. par SB). <?page no="184"?> Sylvia Boyer 184 L’importance que revêt le motif de la mère pour Tagore est aussi forte que lorsqu’il envisage la femme comme « amante », comme l’exprime cet extrait du début du roman Dui bon (Deux sœurs) : « Il existe deux types de femmes, je l’ai appris par certains érudits. Dans le premier cas, c’est la figure de la mère qui prédomine, dans le deuxième, c’est celui de l’amante. » 14 Nous touchons alors ici à une perception de la femme qui n’est pas uniquement celle qui met au monde des enfants, même si cette caractéristique est loin d’être perçue comme dévalorisante, bien au contraire. Dans le but de promouvoir « le projet humaniste contemporain » 15 et entrant dans le cadre de sa « mission de « veille intellectuelle » 16 , l’Unesco a publié en 2011 un dossier consacré aux auteurs Tagore, Neruda et Césaire. Il traite d’un « universel réconcilié » et fait en effet mention de cette philosophie tagorienne rappelant les préceptes du romantisme allemand, à savoir un désir d’universalité, d’un « tout » composé de « multiplicités » que Tagore rattache au motif de la maternité : « [Tagore] eut souvent recours, dans l’imagerie qu’il emploie pour décrire la nature, à l’image d’une mère, la « Mâyâ cosmique » de la mythologie hindoue, selon laquelle la maternité représente la Terre et la force directrice accordée aux êtres humains par la nature universelle. Comparer la nature à la maternité fournissait à Tagore[…] le moyen d’introduire un écologisme compatissant. » 17 Nous avons affaire ici à une philosophie holistique. Tagore « n’oublia[i]t jamais le tout même lorsqu’il se penchait sur la partie […]. Il estimait que les êtres humains ne pouvaient être séparés de l’univers mais en faisaient partie, et était convaincu que l’espèce humaine devait vivre en harmonie avec son milieu naturel. » 18 A l’image de la mère et à celle de l’amante se superpose celle de l’artiste dans les poèmes du Gitanjali. La femme endosse une multiplicité de rôles : elle peut être libre de vouloir voyager, jouer son rôle de mère, tout en chantant des poèmes pour louer Dieu, pour exprimer des sentiments amoureux ou simplement des émotions liées à la nature environnante. La structure interne du recueil montre, nous l’avons dit, l’évolution dans la vie d’une femme, nous exposant les pensées d’une petite fille concernant le port de bijoux jusqu’à la perception pleine de sagesse d’une femme d’un âge avancé confrontée à la mort imminente. Les chants, les louanges faits à une divinité sont alors ceux de cette même femme qui 14 Rabindranath Tagore : Dui bon. In : Martin Kämpchen : Rabindranath Tagore, Reinbek 1992, p. 108 : « Es gibt zwei Arten von Frauen, das habe ich von einigen Gelehrten gehört. In einer Art überwiegt die Mutter, in der anderen die Geliebte ». (Trad. par SB). 15 Irina Bokova : Message. In : Unesco (éd.) : Rabindranath Tagore, Pablo Neruda, Aimé Césaire (note 5), p. 15. 16 Ibid. 17 Unesco (éd.) : Rabindranath Tagore, Pablo Neruda, Aimé Césaire (note 5), p. 113. 18 Ibid. <?page no="185"?> La transmission du Gitanjali : entre traduction et réécriture 185 perçoit cette divinité comme un amant. Des expressions telles my master (poème 3) ou master poet (poème 7) sont alors utilisées pour désigner cette divinité avec qui elle communique par la musique en toute humilité. « Que seulement je fasse de ma vie une chose simple et droite, pareille à une flûte de roseau que tu puisses emplir de musique. » 19 Le terme master utilisé dans le poème 3 fut d’ailleurs traduit du bengali vers l’allemand par Martin Kämpchen par Meister, tout en précisant que le mot en bengali, guni désigne celui qui est précieux, par extension, Dieu. Un univers féminin Le Gitanjali laisse donc entrevoir tout un univers lié à l’Inde antique mais cela en filigrane. En effet, une allusion semble être faite à la déesse Sarasvati, notamment dans le poème 88. Tagore utilise alors le terme neutre en anglais deity mais mentionne ensuite la Vîna, le luth indien associé à la déesse Sarasvati, déesse de la connaissance, des arts et de la sagesse. Rien n’empêche cependant de penser à un dieu masculin auquel des louanges seraient chantées par des fidèles s’accompagnant de ce même luth. Une troisième lecture irait dans le sens d’un rapprochement avec la philosophie bâule 20 . Véhiculée par des musiciens voyageurs, elle consiste en une perception du divin en l’homme lui-même. Eloignés des conventions, les Baûls refusent l’idée des hiérarchies et la notion de séparation comme peut l’inspirer le système des castes. Cette philosophie, tournée vers la nature, est fondée sur du syncrétisme et voit dans la femme l’égale de l’homme. Une autre philosophie toute proche par ses idées holistiques est celle de Kâbir qui semble avoir fortement influencé Tagore 21 . Kâbir prônait l’universalité en refusant la différence, quelle qu’elle soit, et en valorisant l’égalité. L’univers semble prendre alors une couleur plus féminine. En recevant le prix Nobel de littérature en 1913, Tagore a marqué avec le Gitanjali l’histoire de la littérature de l’Inde. Il y entremêle les notions artistiques et spirituelles, l’expression des sentiments et une perception figurative, faisant ainsi vivre la bakhti dans ses poèmes en unissant le corps et l’âme, 19 Rabindranath Tagore : L'Offrande lyrique suivi de La corbeille de fruits. Trad. par André Gide. [Titre original : Gitanjali - Song offerings. Stilwell 2005] Paris 1980, poème 67, p. 20 : « Only let me make my life simple and straight, like a flute of reed for thee to fill with music. » 20 Cf. Aurore Gauer (éd.) : Au Coeur du vent. Le mystère des chants bâuls. Trad. par Jean-Claude Marol. L'Originel & Unesco 1998. 21 Voir Michel Guay : Kabir, une expérience mystique au-delà des religions. Paris 2012 : « La demeure infinie de l'Infini Être est partout : terre, eau, ciel et air : ferme comme la foudre, le siège où vit le quêteur de vérité est établi sous le vide ! Il est celui qui est en même temps à l'intérieur de tout sans l'être : je vois Lui et personne d'autre. » (http: / / lettreducrocodile.over-blog.net/ article-kabir-109313209.html) <?page no="186"?> Sylvia Boyer 186 le matériel et l’immatériel sur fond de symbolisme 22 dans des images mettant la nature en exergue. Martin Kämpchen, dans sa monographie consacrée à Tagore, résume la perception tagorienne de la nature de la façon suivante : « A nouveau, l’observation de la nature est le déclencheur de l’inspiration lyrique. […] la nostalgie se porte sur la vision de Dieu mais en même temps du "monde, vaste, effervescent, verdoyant, regorgeant de toutes parts de nectar". Avec une simplicité toute raffinée, Rabindranath ne fait pas de différence flagrante entre Dieu, la femme et la nature comme objet de son adoration mais fait de sorte qu’ils se fondent l’un dans l’autre dans une atmosphère mystique et lyrique et apparaissent l’un à la place de l’autre. » 23 Le regard est alors dirigé sur le monde environnant plein de vie et de couleurs mais ce monde est la traduction en quelque sorte du divin, qui pour Tagore est aussi synonyme du féminin. Cette vivacité de l’univers est exprimée également par la romancière, critique littéraire et journaliste britannique du tournant du XX e siècle, May Sinclair, qui écrit dans l’article intitulé « The "Gitanjali" : Or Song-Offerings of Rabindra Nath Tagore ». « Un monde plein de vie pour chacun de nos sens, plus encore, au rang d’un drame supersensuel, d’une scène de l’aventure divine. Il est si plein de vie et si actuel que rien que son étrange immobilité suffit à graver en nous le frémissement du supersensuel. C’est le silence d’une intense vibration, de la vie vivante de façon si inconcevable, l’extase de la passion suprême consommée et consumée. » 24 Selon Brahma Dutta Sharma et même Gide dans son introduction au Gitanjali, une des parties, un des fragments du Gitanjali, car le recueil peut être compris comme une mosaïque de fragments évoquant chacun une part bien spécifique de la vie, et plus précisément de celle d’une femme, fait référence à la sphère métaphysique. Le poème 67 dont nous parlions plus 22 Amar Nath Prasad : Préface. In : S.K. Paul (éd.) : The Complete Poems of Rabindranath Tagore's Gitanjali: text and critical evaluation. New Delhi 2006, p. vi : « The beauty of the book lies not only in its deep and profound thought of body and soul, the made and the unmade but also in its apt use of symbolism which is the heart of the poems. » 23 Kämpchen : Rabindranath Tagore (note 14), p. 68-69 : « Wieder ist die Betrachtung der Natur der Auslöser für lyrische Inspiration. […] die Sehnsucht [richtet sich] auf den Anblick Gottes, aber gleichzeitig auf die “große, gärende, grüne Welt, die allseits von Nektar überquellt”. In raffinierter Einfachheit unterscheidet Rabindranath nicht scharf zwischen Gott, Frau und Natur als Gegenstand seiner Verehrung, sondern lässt sie mystisch und lyrisch ineinander übergehen oder auswechselbar erscheinen. » (Trad. par SB). 24 May Sinclair : The "Gitanjali" : Or Song-Offerings of Rabindra Nath Tagore. In : The North American Review Language. Boston 197/ 1913, p. 664 : « A world vivid to every sense, yet the stage of a supersensual drama, the scene of the divine adventure. So vivid and so actual is it, that only its strange fixity stirs in you the thrill of the supersensual. […] It is the stillness of intense vibration, of life inconceivably living, the ecstasy of supreme passion consummated and consumed. » (Trad. par SB). <?page no="187"?> La transmission du Gitanjali : entre traduction et réécriture 187 tôt, de par l’illustration lyrique dont il fait l’objet, pourrait tout aussi bien être interprété comme une volonté de communion avec un univers qui serait lui féminin puisque se superposant à la notion d’âme, elle aussi féminine. Lorsqu’on découvre un message adressé à une divinité dans les poèmes du Gitanjali, on remarque que le polythéisme hindou et le panthéisme résultant d’une prise en considération toute particulière de la nature environnante sont comme des pièces d’une mosaïque constituant un tout. On peut alors penser à deux interprétations. Il s’agira alors, soit, d’un Dieu qui ne sera pas caractérisé en sa qualité masculine mais qui renverra plutôt à une divinité féminine, et cette fois, dans un sens plus universel. Féminin devient alors ici synonyme d’universel. Ou alors, on pourra penser à un amour mystique entre la poétesse et le divin. Cette poétesse peut ainsi tout simplement englober, incarner l’Homme absolu, sans différenciation de sexe. L’amour participe, à plusieurs titres, à l’expression de cette universalité. L’amour divin, enfin, relié à l’amour terrestre, constitue un autre aspect féminin des poèmes qui comptent selon Gide parmi « les plus beaux du Gitanjali » 25 . L’amour est en effet un thème agissant comme fil directeur de la féminité et se décline selon une large palette ; il devient ainsi maternel, filial, spirituel, bucolique mais surtout sensuel et charnel. A ce thème se retrouve lié également le motif de l’attente. André Gide l’analyse de la façon suivante : « Par instants il semble presque que l’attente soit amoureuse ; puis aussitôt la voici qui redevient mystique éperdument ». 26 Cet amour porté au divin, car cette attente peut à la fois être vécue hors et à l’intérieur de son propre corps, nous pousse à évoquer la figure du jîbandebatâ, « source d’inspiration éternelle et manifestation d’un Dieu lui-même poète revêtant alors des attributs androgynes » 27 . Tagore l’explique luimême de la façon suivante : « A ce Poète, qui façonne ma vie à partir de mes bons et mauvais cotés, de mes points forts et faibles, j’ai donné le nom de jîban-debatâ… Non seulement, je pense qu’il est celui qui unit tous les fragments de mon être de manière à l’accorder avec l’univers, mais je crois aussi que, dans un curieux moment d’étourderie, il m’a tiré d’une existence préalable vers cette vie actuelle ; et qu’un souvenir fort (émané de son pouvoir) de mon séjour aérien à travers l’univers demeure subtilement ancré en moi. C’est pourquoi je ressens cette harmonie si ancienne avec les arbres, les animaux et les oiseaux de ce monde ; c’est pourquoi je ne trouve pas l’étendue et le mystère du monde ni étrange, ni terrifiant. » 28 25 Gide : Introduction. Offrande lyrique (note 1), p. 11. 26 Ibid., p. 15. 27 Fabien Chartier : Rabindranath Tagore : A la recherche de la flamme perdue. In : Fabien Chartier/ Kolawolé Elecho (éd.) : Le feu, symbole identitaire, Paris 2009, p. 142. 28 Ibid. <?page no="188"?> Sylvia Boyer 188 Le besoin incessant de réinterpréter le mystère du monde est bien perceptible à travers les textes de Tagore. Ces états de béatitude et de plénitude se retrouvent également dans l’acte d’écriture ainsi que dans celui de la réécriture, tâche ayant pour effet d’amplifier cette communion avec l’univers, d’appréhender le monde d’une nouvelle façon, dans une quête de perfection, de perfectibilité par le biais de l’universalité. II La notion de « réécriture » L'émergence du nouveau Gitanjali Tagore a porté son œuvre lyrique, par le biais d’une édition du recueil Gitanjali, à la connaissance du plus grand nombre, et ceci dans la mesure où il l’a, dans un premier temps, traduit lui-même du bengali vers l’anglais. Dans une lettre à sa nièce Indira Devi Chaudhurani, datée du 6 mai 1913, il raconte comment il a procédé à la traduction de ses poèmes l’un après l’autre 29 . Il a, semble-t-il, toujours été animé par le désir de rester proche du texte original, dans la forme, le fond et en gardant toute l’ambiance mystique de sa poésie. Dans la même lettre à Indira Devi Chaudhurani, il explique en effet qu’il a ressenti la nécessité de capturer à nouveau ces émotions de jubilation ressenties au moment de l’écriture du Gitanjali 30 . Ce souhait de vouloir rester ancré dans le texte original, connote également la notion de réécriture. Même si Tagore parle alors de la langue étrangère qu’est l’anglais comme d’un simple moyen, d’un médium, l’adaptation rend la réécriture inévitable. Dans Imperfect encounter 31 , Tagore déclare rester dans ses traductions du bengali vers l’anglais proche de l’original, de lui-même, et ainsi du monde qu’il décrit et qui l’inspire. Il parle alors de ses traductions de la façon suivante : « Mes traductions sont de la pure prose, - mon but est de les rendre simples avec juste une suggestion de rythme pour leur donner une touche lyrique, évitant tout archaïsme et les conventions poétiques. » 32 Il vise donc dans sa traduction la simplicité mais ne néglige pas pour autant la question du rythme. Mais cette citation ne vient-elle pas, elle aussi, renforcer cette notion de réécriture ? 29 Rabindranath Tagore : Gitanjali. Trad. par William Radice. New Delhi 2012, p. XX : « …I took up the poems of Gitanjali and set myself to translate them one by one. » 30 Ibid. : « I did not undertake this task in a spirit of reckless bravado. I simply felt an urge to recapture through the medium of another language the feelings and sentiments which had created such a feast of joy within me in the days gone by. » 31 Ibid. : « It does not matter what the people think of me but it does matter all the world to me to be true to myself. » 32 Rabindranath Tagore : Imperfect Encounter. Ibid., p. XXXI : « My translations are frankly prose, my aim is to make them simple with just a suggestion of rhythm to give them a touch of the lyric, avoiding all archaisms and poetical conventions. » (Trad. par SB). <?page no="189"?> La transmission du Gitanjali : entre traduction et réécriture 189 Alors qu’André Gide dit, dans son introduction au Gitanjali traduit en français, « aime[r] que l’auteur ait été, semble-t-il, pris au dépourvu » 33 , un autre élément vient appuyer la thèse de la réécriture : le problème supposé de la maitrise de l’anglais par Tagore. La polémique a été soulevée en 1913 quand on a donné à penser que les poèmes du Gitanjali avaient été réécrits par William Butler Yeats, ce que démentent expressément plusieurs personnes dont Ernest Rhys, Adam Wade et surtout William Rothenstein dont le témoignage suivant est significatif : « Je sais qu’il a été dit en Inde que le succès du Gitanjali a largement été dû au remaniement par Yeats de l’anglais de Tagore. Que ce fait soit faux peut facilement être prouvé. Le manuscrit original du Gitanjali en anglais et en bengali est en ma possession. Yeats a suggéré ici et là quelques légers changements, mais le texte intégral a été imprimé tel qu’il est arrivé des mains de Tagore lui-même. » 34 Il est vrai que Tagore lui-même a concédé qu’il ne maitrisait pas suffisamment l’anglais pour traduire ses poèmes. Il le confie ainsi à sa nièce : « Le fait que je ne sache pas écrire en anglais est si évident que je n’ai jamais eu un tant soi peu de vanité d’en avoir honte. » 35 William Butler Yeats viendra ensuite conforter l’auteur indien dans ce manque de confiance en soi quand il caractérisera l’anglais de Tagore d’« anglais d’étranger » 36 . William Radice le note également dans son introduction du Gitanjali retraduit par ses propres soins au départ du bengali : « Le Gitanjali a eu une "après-vie" des plus extraordinaires qui, à travers les nombreuses traductions secondaires continue de s’étendre et de se développer. » 37 Il parle en effet d’une nouvelle vie, post-originale, qui est souvent commune à la traduction d’une œuvre 38 . 33 Gide : Introduction. Offrande lyrique (note 1), p. 10. 34 William Rothenstein : In : Rabindranath Tagore : Gitanjali. Trad. par Radice (note 29), p. XXIX : « I knew that it was said in India that the success of Gitanjali was largely due to Yeats’ re-writing of Tagore’s English. That this is a false can easily be proved. The original MS. of Gitanjali in English and in Bengali is in my possession. Yeats did here and there suggest slight changes, but the main text was printed as it came from Tagore’s hands. » (Trad. par SB). 35 Lettre de Tagore à Indira Devi Chaudhurani, 6 mai 1913. In : Rabindranath Tagore : Gitanjali. Trad. par Radice (note 29), p. XIX : « That I cannot write English is such a patent fact that I never had even the vanity to feel ashamed of it. » (Trad. par SB). 36 William Radice : Introduction. In : Rabindranath Tagore : Gitanjali. Trad. par Radice (note 29), p. XXVII : « Tagore’s English was a foreigner’s English and as he wrote to me, he "could never tell the words that had lost their souls or the words that had not yet their souls" from the rest. » 37 Ibid., p. XVI : « Gitanjali had a most extraordinary afterlife, which through numerous secondary translations continues to expand and develop. » (Trad. par SB). 38 Ibid. : « There are examples in world literature works whose originals have been lost and which have only survived in translation. » <?page no="190"?> Sylvia Boyer 190 Un des écueils cependant de la traduction est la perte d’une part de l’original, si minime soit cette perte. France Bhattacharya analyse le travail de traduction d’André Gide et arrive à la conclusion suivante : « Gide, c’est incontestable, a traduit merveilleusement, en français, le Gitanjali. L’Offrande lyrique continue toujours de charmer tous les francophones. Cependant, il ne peut être considéré comme un grand ami de Tagore et de l’Inde. Les relations entre l’auteur de La Maison et le Monde et celui de La Porte étroite n’ont pas pu franchir l’horizon où se rencontrent normalement un auteur et un traducteur. » 39 Le rôle d’un traducteur n’est-il pas de rester absent du texte qu’il traduit ? Pour reprendre l’image du traducteur comme passeur qui fait transiter le lecteur d’une rive linguistique à l’autre, le rôle de ce dernier devrait être perçu uniquement comme un transport permettant d’amener un produit à bon port. Gide se démarque remarquablement de cette catégorie de traducteurs car il revendique même, en quelque sorte, une part dans le succès du Gitanjali, même plus grande que celle de l’auteur lui-même tout en glorifiant son génie : « Je me suis donné beaucoup plus de mal et ai mis bien plus longtemps à traduire tel de ses poèmes que Tagore n’en prit à le composer. Dirai-je aussi qu’aucun écrit jamais ne m’avait coûté tant de peine. Il est bien naturel, du reste, qu’une traduction nécessite plus de retours, de repentirs et de ratures qu’une inspiration spontanée, et qu’aussi l’on ose traiter plus cavalièrement sa propre pensée que celle de celui qu’on prend à tâche de servir. Il m’a paru qu’aucune pensée de nos jours ne méritait plus de respect, j’allais dire de dévotion, que celle de Tagore et j’ai pris mon plaisir à me faire humble devant lui, comme lui-même pour chanter devant Dieu s’était fait humble. » 40 Martin Kämpchen, également, fait intégrer la personnalité d’un traducteur dans le texte d’arrivée : « Les traductions en poésie sont encore plus que les autres traductions le résultat d’une coopération entre le poète et le traducteur ; il n’apporte pas juste son talent linguistique mais aussi sa personnalité à l’original, toute fidélité gardée. » 41 William Radice, lors d’une interview donnée à Rifat Munim pour le Daily Star, parlera lui plutôt d’un voyage dont l’arrivée serait de réunir les 39 France Bhattacharya : Les Amitiés françaises de Rabindranath Tagore. In Malou L’Héritier/ Fabien Chartier : Rabindranath Tagore. Sentinelle d’une Inde nouvelle. Paris 2011, p. 81. 40 Gide : Introduction. Offrande lyrique (note 1), p. 27-28. 41 Martin Kämpchen : Wo Freude ihre Feste feiert. Gedichte und Lieder (Texte zum Nachdenken). Freiburg 1990, p. 37 : « Lyrik-Übersetzungen sind stärker als andere Übersetzungen das Ergebnis eines Zusammenwirkens des Dichters mit dem Übersetzer ; er bringt nicht nur seine sprachliche Begabung, sondern seine Persönlichkeit ein, bei aller redlichen Treue zum Original. » (Trad. par SB). <?page no="191"?> La transmission du Gitanjali : entre traduction et réécriture 191 deux parties d’une particularité indienne inhérente à Tagore : « C’était un nouveau voyage, une nouvelle découverte à effectuer pour traduire certains de ses poèmes et chants en anglais et pour essayer de rassembler ces deux parties de l’Inde inhérente à sa nature. » 42 Remédiation aux lacunes et pertes des traductions existantes La critique gratuite des traductions déjà effectuées du Gitanjali ne constitue pas ici un but en soi mais il est important de pointer du doigt les différents écueils pouvant exister et surtout dégrader le texte source. Il s’agit bien évidemment du texte original en bengali mais un deuxième texte source, pour ainsi dire, est apparu : la version anglaise effectuée par Tagore lui-même. André Gide, dans son introduction à la traduction en français du Gitanjali de Tagore, écrit que « point n’est besoin de préparation pour le lire ». 43 Une lecture cependant dénuée de tout souci de compréhension fine ne serait qu’une lecture superficielle qui éloignerait le lecteur de l’essence même de l’œuvre, d’autant plus que ce lecteur peut passer à côté de cette essence inhérente à l’original en n’ayant accès qu’à des traductions pas tout à fait précises. Le traducteur, lui, a, de toute évidence, besoin d’une préparation, si minime soit-elle. Martin Kämpchen dans ses travaux consacrés à Tagore, Rabindranath Tagore. Wo Freude ihre Feste feiert 44 , met bien en garde contre le degré de difficulté que représente la traduction d’un tel ouvrage. Il insiste également sur le fait que ce n’est pas seulement le sens des mots qu’on transmet lors de cette fameuse tâche du traducteur, mais aussi tout un contexte religieux, culturel et émotionnel. Il vient ainsi s’opposer à la « déclaration » de Gide se réjouissant qu’il n’y a pas nécessité à se « documenter » pour traduire Tagore : « Il n’y a pas que le contenu sémantique des mots qui doive être ‘transporté’ d’une langue à l’autre, mais il faut aussi que le champ d’associations culturel, religieux, émotionnel des mots originaux puisse être compréhensible dans une langue imprégnée par une tout autre culture, une autre religion et par d’autres complexes émotionnels. Des coutumes sociales, des 42 William Radice : Interview de William Radice par Rifat Munim - Rabindranath and the translation of the Gitanjali. (http: / / www.thedailystar.net/ forum/ 2012/ May/ rabindra.htm) : « It was a new journey, a new discovery to attempt to translate some of his poems and songs into English and to try to bring the Western-Indian sides of his nature together. » (Trad. par S.B.). 43 Gide : Introduction. Offrande lyrique (note 1), p. 9. 44 Kämpchen : Wo Freude ihre Feste feiert (note 41). <?page no="192"?> Sylvia Boyer 192 représentations morales, une mythologie et une philosophie ont leur rôle à jouer et doivent se retrouver dans une traduction dans un rapport compréhensible. » 45 Mais pourquoi le traducteur allemand ne reste-t-il pas proche du texte de départ quand c’est grammaticalement possible et sans que cela ne gêne l’apport culturel ? Cette question se pose pour ce qui est de toutes les occurrences tardives des pronoms dans les poèmes augmentant la difficulté de traduction. Le personnage qui parle est-il une femme, une entité féminine dont l’univers serait la représentation visible ou doit-on ignorer les écueils du texte traduit en anglais par Tagore lui-même ? L’allemand a cette particularité de désigner, comme l’anglais, des possesseurs dans le pronom possessif lui-même, via sa terminaison. Il suffirait de garder le même procédé. Cette tardiveté constatée rejoint l’absence de linéarité coutumière de la période postmoderne. La situation dans laquelle l’auteur met le lecteur est semblable à celle des lecteurs d’œuvres du postmodernisme qui invitent le lectorat, à partir d’indices disséminés dans l’œuvre, à créer un horizon d’attente qui sera par la suite confirmé ou infirmé par les informations distillées tardivement par l’auteur. Que ce soit Marie Luise von Gothein, qui a traduit le recueil peu après l’attribution du prix Nobel, ou Angelika et Karsten Klemme qui ont proposé une toute nouvelle traduction en 2012, les deux travaux effectués rendent compte du même écueil. Les traductions n’ont en effet pas traduit le pronom possessif féminin en anglais her. Elles lui font correspondre son homologue masculin en allemand sein qui renvoie au genre du nom commun au masculin en allemand der Morgen. Les noms communs en anglais sont, eux, neutres, mais servent de support à une personnification. Cette personnification donne au nom neutre morning une consonance alors féminine puisque le pronom possessif désigne un possesseur de sexe féminin. Mais ce choix aurait pu être différent. La neutralité des noms communs en anglais laisse beaucoup plus de liberté à l’imagination lyrique nous faisant entrer dans un univers féminin. Le choix d’opter pour un pronom possessif dont le possesseur est masculin en allemand entrave cette liberté du lecteur et éloigne de cette atmosphère particulière et propre au Gitanjali. 45 Ibid., p. 37 : « Nicht nur die Bedeutungsinhalte von Worten müssen von einer Sprache in die andere ’transportiert’ werden, sondern das kulturelle, religiöse, emotionale Assoziationsfeld der Originalworte muss in einer Sprache verständlich gemacht werden, die von einer radikal verschiedenen Kulturgeschichte, einer anderen Religion und von anderen Emotionskomplexen geprägt ist. Gesellschaftliche Bräuche, Moralvorstellungen, Mythologie und Philosophie spielen hinein und sollen in der Übersetzung in einem verständlichen Zusammenhang stehen. » (Trad. par SB). <?page no="193"?> La transmission du Gitanjali : entre traduction et réécriture 193 […]There comes the morning with the golden basket in her right hand bearing the wreath of beauty, silently to crown the earth. And there comes the evening over the lonely meadows deserted by herds, through trackless paths, carrying cool draughts of peace in her golden pitcher from the western ocean of rest.[…] 46 Da kommt der Morgen mit goldenem Korbe, in seiner Rechten trägt er den Kranz der Schönheit, schweigend die Erde zu kränzen. Und da kommt der Abend über die einsamen Wiesen, die von den Herden verlaßnen auf spurlosen Pfaden, er trägt kühle Lüfte des Friedens in seinem goldenen Schlauch, von dem westlichen Ozean der Ruhe. 47 Dort kommt der Morgen mit seinem goldenen Korb, in seiner rechten Hand den Kranz der Schönheit tragend um still die Erde zu krönen. Da kommt der Abend über die einsamen Wiesen, verlassen von den Herden. Er bringt über unwegsame Pfade vom westlichen Ozean der Ruhe kühlende Winde des Friedens in seinem goldenen Krug. 48 En français, nous n’apprenons rien sur le genre du possesseur avec le seul pronom possessif mais d’autres moyens sont à disposition du français pour rendre compte du féminin, comme les accords des adjectifs et participes passés. Il serait aussi envisageable de substituer au mot masculin, cet antécédent qui s’avère être le « matin » ou le « soir » dans le poème 67, un mot féminin lui correspondant, comme l’aube, la matinée et respectivement, la soirée. Gide proposa lui : « Voici venir le matin, avec une corbeille d'or à la main droite, que charge la guirlande de beauté dont il va sans bruit parer la terre. Et voici venir, par de vierges sentiers, le soir sur les pacages solitaires et qu’ont désertés les troupeaux ; il apporte dans sa cruche d'or le frais breuvage de la paix, flot de l'océan du repos, pris à la rive occidentale. » 49 La forme elle-même du recueil, de par la possibilité de lire chaque poème individuellement, pouvant également faire penser à l’esthétique du fragment du romantisme allemand, rappelle cette tendance postmoderne d’inverser l’ordre chronologique des évènements. Une des techniques adoptées alors est celle de la réécriture. Chaque poème a sa vie propre et s’enrichit au contact des autres. La traduction participe, elle aussi, à cet 46 Tagore : Gitanjali - Song offerings (note 19), p. 55. 47 Rabindranath Tagore : Hohe Lieder (Gitanjali). Trad. par Marie Luise Gothein. Leipzig 1914. 48 Rabindranath Tagore : Gitanjali. Trad. par Angelika et Karsten Klemme, 2012. http: / / www.jonsong.net/ tagore/ Tagore_Gitanjali_Endfassung.pdf 49 Tagore : L'Offrande lyrique (note 19), poème 67. <?page no="194"?> Sylvia Boyer 194 esprit postmoderne dans la mesure où elle permet de multiples éclairages du poème initial, le faisant renaître sans cesse. Les spécificités des différentes langues que révèle la comparaison des traductions du Gitanjali, ouvrent la voie à une compréhension profonde - augmentée - du recueil. Ainsi, il ne faudrait pas négliger le sens du mot Gitanjali qui est aussi un prénom féminin signifiant « celle qui chante ». Le principe féminin, contenu dans le texte, dissimule son essence au travers d’un nom propre, inaccessible. Traduit, il permettrait une lecture plus subtile, plus proche du corps des poèmes. Bibliographie Bhattacharya, France : Les Amitiés françaises de Rabindranath Tagore. In : Malou L’Héritier/ Fabien Chartier : Rabindranath Tagore. Sentinelle d’une Inde nouvelle. Paris 2011. 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Jahrhunderts ist in Europa die Rationalisierung vieler Lebensbereiche und der mit ihr einhergehende „religionsgeschichtliche Prozeß der Entzauberung der Welt“ (Max Weber) weit fortgeschritten. Die Zivilisationskritik dieser Zeit kennt Anlässe genug, den Materialismus, den Egoismus und die leer laufende Mechanik der bürgerlichen Gesellschaft zu beklagen. Auf die Frage, was aus dem christlichen Sonntag, dem Tag des Kirchgangs, an dem traditionell die Arbeit ruht, geworden ist, findet Ernst Bloch nur eine lakonische Antwort: „Der häusliche Sonntag des Kleinbürgers“, schreibt er, „ist fast nirgendwo mehr als möblierte Verzweiflung.“ 1 Mit dem Schwinden vertrauter religiöser Überzeugungen erlischt indessen keineswegs die Sympathie für das Übersinnliche, für Mythen und Rituale. Sie werden in der Vergangenheit, etwa in der griechischen Antike oder aber in der geographischen Ferne vermutet und gesucht, so in der Südsee, im Orient, in Afrika und in Indien. Das Interesse an vormodernen Gegenwelten, an Mysterien, an Spiritualität und Magie, an fernöstlichen Kulten erreicht um 1900 eine nie dagewesene Verbreitung. Die besonderen Reize des Exotischen entdecken unter den Malern Kokoschka, Picasso, Nolde, Matisse wie auch Vlaminck und Paul Klee. Sie erliegen dieser Faszination des Fremden allerdings ganz in ihrer Nähe, in den ethnographischen Sammlungen ihrer Stadt. 2 Dagegen finden Schriftsteller wie Hugo von Hofmannsthal und Harry Graf Kessler einen anderen Weg; sie besuchen 1906 und 1907 die Aufführungen der amerikanischen Tänzerin Ruth Dennis, die sich absichtsvoll Ruth St. Denis nannte, und ihre Begeisterung kennt keine Grenzen - vor allem deshalb, weil Kessler sie, wie er Hofmannsthal am 29. Oktober 1906 mitteilt, in einem „indischen Tempeltanz“ gesehen hat. Ihre Einzigartigkeit bestehe darin, so schreibt er, dass sie „Tierschönheit und Mystik“ vereine. In ihr treffe sich „das Geschlechtslose ihrer Rasse“ […] „mit dem noch unter dem menschlichen zurückbleibenden, sonst tierischem Geschlechtsempfinden des orientalischen Weibes“. 3 Wir wissen 1 Max Weber: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Bd. I. Tübingen 1920, S. 94 f.; Ernst Bloch: Das Prinzip Hoffnung. Frankfurt a.M. 1959, S. 1067. 2 Rolf-Peter Janz: Bilder des „nahen Fremden“ in der Literatur um 1900. In: R.-P. Janz (Hg.): Faszination und Schrecken des Fremden. Frankfurt a.M. 2001, S. 125-141, hier S. 127. 3 Hugo von Hofmannsthal: Sämtliche Werke, Bd. XXXI. Ellen Ritter (Hg.). Frankfurt a.M. 1991, S. 460. <?page no="198"?> Rolf-Peter Janz 198 nichts über diese Aufführung, aber eines wird an Kesslers Bericht deutlich. Die zu dieser Zeit geläufigen Indien-Clichés werden von ihm umfassend bedient. Oder anders: Eine stereotype Männerphantasie, die Orientalismus und weibliche Sexualität zusammenschließt, erhält hier das Etikett indisch, es könnte freilich auch ein anderes sein. Unmittelbar nachdem er Ruth St. Denis in Berlin zum ersten Mal hat tanzen sehen, schreibt Hofmannsthal den Aufsatz „Die unvergleichliche Tänzerin“, der kurz darauf, am 25.11.1906, in der Wiener Zeitung „Die Zeit“ erscheint. Gleich zu Beginn betont er, es sei „mehr als wahrscheinlich“, dass Ruth St. Denis „Indien kennt und die dunkleren Länder hinter Indien; daß sie javanische Tänzerinnen oft und viel gesehen hat; dass sie die Pagode von Rangoon kennt und ‚den liegenden Buddha mit dem unsäglich rührenden Lächeln’“. 4 Solche Assoziationen sind in Europa seit den Weltausstellungen in Paris, London und Wien wenig überraschend. Überraschend ist vielmehr, dass Hofmannsthal anschließend die Fremdheit der Tänzerin gerade nicht an ihrer Kleidung oder den Requisiten, der Perlenschnur oder der Trinkschale, abliest; exotisch sind für ihn allein ihre Gebärden und Bewegungen. Der Essay lässt vermuten, dass Hofmannsthal an diesem Abend nur den Tanz Radha. The Dance of the Five Senses gesehen hat, nicht Cobra und Incense, die ebenfalls auf dem Programm standen. Radha besteht aus folgenden Szenen: The Dance of Sight, The Dance of Hearing, The Dance of Smell, The Dance of Taste, The Dance of Touch, The Delirium of the Senses und endet mit einer Renunciation of the Senses. 5 Bevor aber der Leser den Eindruck gewinnen kann, dass hier ein erwartbares indisches Szenario aufgerufen wird, rühmt Hofmannsthal gerade das Nicht-Mimetische dieser Körper-Inszenierung. Dann wieder sieht er die Tänzerin „in der heiligen Haltung des Buddha auf der Lotosblume“ sitzen. Zum einen unterstreicht der Essay also das Indische an diesen Tänzen, so „das Lächeln der Buddhastatue“, „das nicht von dieser Welt ist“; zum anderen behauptet er das absolut Fremde an ihnen, das mit nichts zu Vergleichende. Hier spätestens zeigt sich, dass Hofmannsthal das Orientalische am Ende doch mit europäischen Deutungsmustern beurteilt und im Horizont der Kunsttheorie des Erhabenen wahrnimmt, auch wenn er in den Tänzen der St. Denis „eine Durchdringung von europäischer Phantasie mit asiatischer Schönheit“ gelingen sieht. Und wenn er zu dem Ergebnis kommt, dass in der Bewegungskunst dieser Tänzerin die Identität von Seele und Körper zum Ereignis werde, dann ist evident, dass hier ein anthropologisches Ideal Europas ins Spiel gebracht wird. In einem Wort: Die indischen Tänze 4 Hugo von Hofmannsthal: Gesammelte Werke. Reden und Aufsätze I. Frankfurt a.M. 1979, S. 496-501, hier S. 496f. 5 Suzanne Shelton: Divine Dancer. A Biography of Ruth St. Denis. Austin 1981, S. 59-61. <?page no="199"?> Stefan Zweig und Alexander Zemlinsky lesen Rabindranath Tagore 199 der St. Denis sind gerade so exotisch, wie sie die europäische Imagination sich wünscht. Nach diesen Überlegungen zu Hofmannsthals Aufsatz kann ein kurzer Blick auf den Monte Verità bei Ascona am Lago Maggiore darüber weiteren Aufschluss geben, dass Tagore bei seiner Reise durch Deutschland im Jahre 1921 auf eine mentale Disposition, eine Erwartungshaltung trifft, die günstiger kaum sein konnte. Denn an diesem Ort findet sich seit der Jahrhundertwende eine Reihe höchst unterschiedlicher Subkulturen exemplarisch versammelt, werden Alternativen zum bürgerlichen Leben im Wilhelmischen Deutschland erprobt. 6 Er bietet Platz für die Bohème und den Anarchismus, für „dritte Wege“ zwischen Kapitalismus und Sozialismus, für die Wiederentdeckung des Körpers, auch beim Nacktbaden, für den Vegetarismus ebenso wie die Theosophie und die Inszenierung exotischer Kulttänze. Soweit die spirituelle Neugierde sich auch Ersatzreligionen zuwendet, empfehlen sie der Anbetung allgemein Liebe, Wahrheit und das Göttliche, Ziele, die freilich nicht näher bestimmt werden. 7 Die Sehnsucht der Bewohner dieses Ortes und ihrer Gäste nach dem Heiligen folgt einem anti-bürgerlichen Impuls, denn sie soll die im Erwerbsleben und im Alltag erfahrenen Beeinträchtigungen ausgleichen. Sie ist anti-rational, insofern sie in der Abkehr von der „methodischen Lebensführung“ (Max Weber), die dem Kapitalismus zu seinen Erfolgen verholfen hat, seelischen Bedürfnissen entgegenkommt und emotionale Ausnahmezustände in Aussicht stellt. Und sie ist anti-zivilisatorisch, insofern sie die Großstadt verwirft und die vermeintlich ursprüngliche Natur feiert. Einen Sonderstatus gewinnen auf dem Monte Verità kultische Tänze, wie sie vor allem Charlotte Bara tanzt; sie zitieren neben einer ägyptischen Priesterin ungeniert auch den leidenden Christus. Für Tänze dieser Art hat sich u.a. auch der Lebensreformer und Illustrator Hugo Höppener begeistert, der sich Fidus nannte. Sein lässiger Umgang mit dem Heiligen verschiedenster Provenienzen hat ihn berühmt gemacht. Eins seiner Bilder, das „Lichtgebet“, das die Rückenansicht eines nackten androgynen Körpers zeigt, der seine Hände ekstatisch zum Himmel reckt, findet nicht nur in der Jugendbewegung reißenden Absatz, es hängt auch massenhaft in bürgerlichen Wohnungen. Ich erwähne Fidus hier deshalb, weil sein enormer Erfolg die erhebliche Nachfrage eines großen, fürs Sakrale empfänglichen Publikums bezeugt. Indien ist nicht nur, wie für Hofmannsthal und Kessler, ein Ort der Imagination und Projektion, es ist auch ein beliebtes Reiseziel, das 6 Katalog Monte Verità, Berg der Wahrheit. Milano 1978, S. 5f. 7 Vgl. zum Folgenden Rolf-Peter Janz: Die Faszination der Jugend durch Rituale und sakrale Symbole. Mit Anmerkungen zu Fidus, Hesse, Hofmannsthal und George. In: Thomas Koebner/ Rolf-Peter Janz/ Frank Trommler (Hg.): Mit uns zieht die neue Zeit: Der Mythos Jugend. Frankfurt a.M. 1985, S. 310-337, hier S. 316-319. <?page no="200"?> Rolf-Peter Janz 200 Projektionen keineswegs ausschließt, so u.a. für Waldemar Bonsels (1904), Rudolf Kassner (1908), Stefan Zweig (1908-09) und Hermann Hesse (1911). Zwei Autoren, Max Dauthendey und der Kulturphilosoph Hermann Graf Keyserling (ein Neffe Eduards von Keyserling) unternehmen Weltreisen, auf denen sie auch Indien besuchen. Dauthendeys Reiseimpressionen in der Form eines Versepos erscheinen 1910 unter den Titel „Die geflügelte Erde. Ein Lied der Liebe und der Wunder um sieben Meere“. Größere Ambitionen verrät dagegen Keyserlings breit angelegtes Reisetagebuch eines Philosophen, das 1914 abgeschlossen ist und 1919 unter dem vielsagenden Motto „Der kürzeste Weg zu sich selbst führt um die Welt herum“ erscheint. 8 Während seines Aufenthalts in Indien hat Keyserling 1911 auch Rabindranath Tagore persönlich kennen gelernt. 9 Als Stefan Zweig in Begleitung des Journalisten Hermann Bessemer Ende 1908 von Wien aufbrach, konnte er sich auch auf eine Empfehlung Walther Rathenaus berufen, die der 1907 in einem Gespräch in Berlin geäußert hatte: „Warum fahren Sie nicht einmal nach Indien und nach Amerika? “ 10 Die Empfehlung lag nahe, denn in der Tat hatte Zweig bis dahin vor allem Reisen in Länder West- und Mitteleuropas unternommen. Zweig hat 1908/ 1909 u.a. Bombay, Madras und Kalkutta besucht und unterwegs womöglich von Rabindranath Tagore gehört. Als Tagore 1921 zum ersten Mal nach Deutschland kommt, wird er von einem großen Publikum mit einer heute kaum vorstellbaren Begeisterung empfangen. Dazu dürfte sein rühriger und höchst erfolgreicher Verleger Kurt Wolff, der in schneller Folge ab 1914 seine Werke in großen Auflagen herausgebracht hatte, ebenso beigetragen haben wie seine weitgeschnittenen Gewänder, sein Auftreten und sein Habitus, die ihm, jedenfalls in den Augen eines bereitwilligen Publikums, Züge eines Propheten verliehen. 11 Einen Höhepunkt seiner Deutschlandreise bildete sicherlich jene „Tagore-Woche“ in Darmstadt, die sein glühendster Verehrer Hermann Graf Keyserling für ihn veranstaltet hat. Dagegen haben sich bekanntlich Autoren wie Rilke und Thomas Mann dem Werben Kurt Wolffs und Keyserlings, sich für Tagore einzusetzen, entzogen. Anders Stefan Zweig, er traf Tagore in Salzburg und war von „dieser großen Persönlichkeit“ 8 Peter Sprengel: Geschichte der deutschsprachigen Literatur 1900-1918. München 2004, S. 708f. 9 Martin Kämpchen: Rabindranath Tagore und Deutschland. Marbach am Neckar 2011, S. 8f. 10 Zit. nach Oliver Matuschek: Stefan Zweig. Drei Leben - Eine Biographie. Frankfurt a.M. 2006, S. 81. 11 Martin Kämpchen: Rabindranath Tagore. Reinbek 4 2011, S. 77, 86. <?page no="201"?> Stefan Zweig und Alexander Zemlinsky lesen Rabindranath Tagore 201 stark beeindruckt 12 , wie er Kurt Wolff in einem Brief mitteilte. Er widmete ihm einen Essay, der am 1. Oktober 1921 in der Zeitschrift Das literarische Echo unter dem Titel Rabindranath Tagores Sadhana in Berlin erschien. Er ist in mehr als einer Hinsicht aufschlussreich. Er charakterisiert einige Lehren dieses Buches, das den deutschen Titel trägt: „Der Weg zur Vollendung“. U.a. rühmt er an Tagores philosophisch ambitioniertem Text, dass er den traditionellen ethnographischen Blick umkehrt: Europa blickt nicht nach Osten, nach Indien, sondern Indien blickt nach Europa. Und dies während des Ersten Weltkriegs, der Europa in seinen Grundfesten erschüttert hat. Obwohl der Krieg bei Tagore nur am Rande erwähnt wird, ist Zweig davon überzeugt, dass dessen Buch gerade vor dem Hintergrund dieses Kriegs in Europa besondere Relevanz gewinnt. Bei aller Sympathie für den indischen Autor legt Zweig Wert darauf, einige seiner Ideen auch kritisch zu befragen und den „Rummel“ um seine Person zu thematisieren. Überdies interessiert ihn, ob die ganz andere Ästhetik dieses Autors die europäische Literatur im Sinne eines interkulturellen Dialogs bereichern kann. Um die Tagore-Bewunderung und -Kritik angemessen darstellen zu können, wählt er die Form eines Streitgesprächs zwischen einem jüngeren und einem älteren Schriftsteller. Dabei fällt dem älteren eher die Verteidigung Tagores zu, die allerdings auch kritische Einwände formuliert; was er sagt, kommt Zweigs eigenem Urteil nahe. Ich schicke voraus, dass meine Interpretation dieses Essays unter einem Vorbehalt steht; sie bezieht sich allein auf die von Zweig benutzte deutsche Übersetzung von Sadhana aus dem Englischen, die Helene Meyer-Franck besorgt hat und die, wie erwähnt, unter dem Titel Der Weg zur Vollendung 1921 im Kurt Wolff Verlag erschienen ist. Die englische Ausgabe, die Helene Meyer-Franck als Vorlage dient, geht auf Tagores eigene Übertragung aus dem Bengalischen zurück und bleibt hier unberücksichtigt. Zu Beginn verständigen sich die Dialogpartner darüber, dass sie beide unlängst den Gedichtband Stray Birds gelesen haben und von ihm „hingerissen“ waren. Begeistert hat sie „die kristallene Einfachheit dieser Verse“, „die hohe und in einem reinen Sinn einfältige dichterische Bindung, die aus ihrer Fremdheit sich selbst eine neue Melodie schuf.“ 13 Einfach, rein und hoch - das sind die Gütezeichen dieser Gedichte. Einer fremden Kultur zugehörig, genügen sie doch aufs Schönste klassizistischen Standards. Mehr noch, sie bringen mit einem „neuen Rhythmus“ ästhetische Innovationen nach Europa, und das zu einer Zeit, als dort „eine 12 Kämpchen: Rabindranath Tagore und Deutschland (Anm. 9), S. 64. 13 Stefan Zweig: Rabindranath Tagores Sadhana. In: Stefan Zweig: Das Geheimnis des künstlerischen Schaffens. Frankfurt a.M. 1984, S. 179-187, hier S. 179. <?page no="202"?> Rolf-Peter Janz 202 Pause der dichterischen Offenbarung“ zu verzeichnen ist. Tagores Gedichte sind umso willkommener, als sie neben ästhetischen Impulsen auch eine „ahnende Ankündigung neuer Religiosität“ versprechen. Zwei Ereignisse haben allerdings dem Jüngeren die Begeisterung gründlich vergällt; die „Darmstädter Idolatrie, die feierliche Erhebung zum Weltpoeten“, die Keyserling veranstaltet hat, und die massenhafte Aneignung, und die auch noch an falschen, d.h. an trivialen Orten wie in der Straßenbahn - das kann der Jüngere nur „gräßlich“ finden. Wenn um einen Dichter ein „Rummel“ veranstaltet wird, und hier nimmt Zweig eine in Deutschland vielfach geäußerte Kritik auf, wenn Tagore zum „Tangopausengepräch“ verkommt, dann kann es mit seiner Kunst nicht weit her sein. Kunst und goût populaire schließen einander aus, so das Credo des Jüngeren, das aus dem George-Kreis stammen könnte. Wenn von einem Gedichtband in einem Jahr 70000 Exemplare verkauft werden, dann fragt sich der Jüngere, „ob das Indische in Rabindranath Tagore, das mich zuerst bezauberte, nicht auch eine solche dünne Dosierung ist, ein gezuckertes Destillat, weil es so vielen in Deutschland ausgezeichnet mundet.“ Um des Verkaufserfolgs willen habe Tagore das Indische seiner Poesie an den kitschverdächtigen deutschen Publikumsgeschmack preisgegeben, der gerade „buddhistische Neigungen“ pflegt. Diesem ruinösen Verdacht widerspricht der ältere Schriftsteller. Man müsse sehen, Tagore finde auf aktuelle Probleme, die der Erste Weltkrieg eindringlich bewusst gemacht hat, entschiedene Antworten. Die Krise Europas sei durch „Gewalt“, „Macht“ und „Besitz“ gekennzeichnet. Gerade weil ihm als Inder „ein anderes Denken und Fühlen“ zu Gebote steht, vermag er „den ganzen Wahnsinn unserer Betriebsamkeit und Organisation, unsere Kriegswut und unseren Nationalismus“ klar zu sehen. 14 Der Jüngere erklärt sich zwar mit diesen Ideen Tagores und seiner moralischen Autorität einverstanden, beharrt aber auf seinen ästhetischen Vorbehalten: Wer als Dichter ein großes Publikum erreicht, gibt seinen Kunstanspruch auf, denn dieses Publikum „liebt das Halbechte, das Bequeme, das Rosenfarbene“, in einem Wort: den Kitsch. Dem widerspricht der Ältere: Wer so argumentiert, vertritt einen „höchst imaginären Begriff der Kunst und der Kunstvollendung“. Überraschend nimmt Zweig hier die Dichtung Tagores zum Anlass, die aktuelle europäische Debatte um das Konzept des l’art pour l’art aufzugreifen und zurückzuweisen. Die Menschen können erwarten, so der Ältere, dass die Dichtung ihnen etwas zu sagen hat, ihnen Hilfe bietet und Trost in Aussicht stellt. Eben dieser Vorstellung von Kunst entsprechen die Romane Tolstois und Romain Rollands, und der Erfolg gibt ihnen recht. Unter Berufung auf Tagore weist der Ältere, hier Zweigs alter ego, darüber hinaus auch das Postulat nach dem Neuen in der Kunst zurück. Tagores Botschaft sei alt und dabei doch 14 Ibid., S. 181. <?page no="203"?> Stefan Zweig und Alexander Zemlinsky lesen Rabindranath Tagore 203 hochaktuell: der Mensch solle nicht „an Besitz und Macht arbeiten“, sondern an seinem inneren Selbst. Gerade der romantische Antikapitalismus Tagores findet Zweigs Zustimmung, ebenso wie dessen Versuch, den Begriff Gottes, des Alls und des Ich in eine neue Konstellation zu bringen - ein Universalismus, der dem europäischen Denken fremd ist. Daneben lobt der Ältere die „wohltuende Wärme und doch leidenschaftslose Sinnlichkeit“ seiner Sprache, die so beschaffen ist, „daß auch der einfachste, der primitive Mensch sie seelisch zu durchdringen vermag“. 15 Die „Seele“ gehört zu den unauffälligen Leitbegriffen dieser Schrift; dass sie die Seele des Publikums zu erreichen sucht, nicht zuletzt dank der „Klarheit“ ihrer „dichterischen Diktion“, kann der Ältere nicht hoch genug veranschlagen. Denn Klarheit lassen die Werke der europäischen Philosophie gerade vermissen, sie pflegen einen „eigenen Jargon“ und verstecken sich „priesterlich“ hinter einer „lateinischgriechischen Terminologie“. Dies sich auf Tagore berufende Plädoyer für das Populäre, das Einfache und die Klarheit weist der Jüngere als naiv zurück - zu Recht, wie der Ältere einräumen muss, denn der common sense, der Klarheit verbürgen soll, muss Erkenntnisse verfehlen, die sich der Sprache entziehen. Gegenüber der fundamentalen Sprachskepsis der literarischen Avantgarde, wie sie Hofmannsthal im Chandos-Brief formuliert, erscheint das Vertrauen auf den common sense obsolet. Die schärfste Kritik in diesem Essay trifft nun „die gewisse Mühelosigkeit“, „die Taschenspielerei“, mit der Tagore „freundlich heiter“ die schwierigsten Begriffe der Philosophie behandelt. Die Harmonie der Welt werde bei ihm nicht in einer Reihe von Denkanstrengungen hergestellt, sondern als gegeben vorausgesetzt, sie sei „mit einer gewissen Lauheit des Blutes, mit der indischen Weichheit ihm von je eingeboren“. 16 Ähnlich lautet die leicht mokante Kritik Thomas Manns an Tagores „etwas anämischer Humanität und prinzipieller Milde“. 17 Ob die befremdliche Formulierung in Zweigs Essay die Person Tagores oder generell „Indisches“ trifft, bleibt offen. Auch der viel gerühmte Optimismus Tagores kann einen Skeptiker wie den Jüngeren nicht überzeugen, denn ‚Weltbejahung’ ist eben das, was die Menschen hören wollen. Ganz anders steht es um Tagores Reflexionen über den Tod. Sie finden in Zweigs Essay eine nachgerade emphatische Zustimmung. Aus ihnen zitiert er ausnahmsweise wörtlich, u.a. diese Passage: „Das Leben als Ganzes nimmt den Tod nie ernst. Es lacht, tanzt und spielt, baut Häuser, sammelt Schätze und liebt, dem Tode zum Trotz.“ 18 Hier jedenfalls kann 15 Ibid., S. 184. 16 Ibid., S. 185. 17 Thomas Mann an Hermann Keyserling, 20.5.1921, zit. nach Kämpchen: Rabindranath Tagore und Deutschland (Anm. 9), S. 56. 18 Zweig: Rabindranath Tagores Sadhana (Anm. 13), S. 186. <?page no="204"?> Rolf-Peter Janz 204 Zweig am ehesten einsichtig machen, dass die Lektüre des „Wegs zur Vollendung“ Leser womöglich zu erreichen und dank ihrer lebenspraktischen Empfehlungen auch zu trösten vermag. Ich fasse zusammen: Zweig kommt zu einem differenzierten Urteil über Tagores Buch, er sieht davon ab, Ambivalenzen zu harmonisieren. Sein Dilemma besteht darin, einerseits auf Tagores orientalischer Fremdheit bestehen zu müssen und andererseits dessen Riesenerfolg zu erklären, und der beruht zu einem großen Teil auf dem Umstand, dass er, nicht nur in Deutschland, Erwartungen an Spiritualität, an Trost zu erfüllen verspricht. Der moderne Kulturbetrieb geht indessen mit dem Fremden, hier mit einem Repräsentanten des Orients, der allerdings ein „reines Antlitz“ und „gütige Augen“ hat, genauso um wie mit einem Mundwasser, seine Physiognomie lässt sich ebenso gut bewerben wie Odol. Inwieweit der indische Charismatiker seiner Vermarktung selbst Vorschub geleistet hat, lässt der Essay unentschieden. Entschieden fällt aber Zweigs Empfehlung aus, Tagores „Weg zur Vollendung“, ob man ihn nun verehrt oder ablehnt, auf jeden Fall zu lesen - und zu kaufen. ! " # $% Ähnlich wie Gustav Mahler in seinem Lied von der Erde einige ins Deutsche übertragene Gedichte aus Hans Bethges Chinesischer Flöte vertont 19 , legt auch Zemlinsky seiner Lyrischen Symphonie ‚Orientalisches’ zugrunde, eine Auswahl von Gedichten aus Tagores Band Der Gärtner, die Hans Effenberger aus der von Tagore selbst veranstalteten englischen Ausgabe ins Deutsche übersetzt hat. 20 Dabei hat ihn, wie Effenberger vermerkt, der Berliner Sanskritist Heinrich Lüders unterstützt. Auf Ähnlichkeiten zwischen seinem Werk und dem Mahlers, das 1911, dreizehn Jahre vor der Lyrischen Symphonie uraufgeführt wurde, hat Zemlinsky selbst hin gewiesen. 21 19 Vgl. Rolf-Peter Janz: Hans Bethges Chinesische Flöte - gelesen von Gustav Mahler. In: Robert Becqué/ Eveline Nikkels (Hg.): Die liebe Erde allüberall... Den Haag 2005, S. 64-73. 20 Der kulturelle Transfer vom Bengalischen über das Englische ins Deutsche hat dazu beigetragen, dass das Bild von Tagores Lyrik in Europa von „diffuse vagueness, longing, expectancy“ geprägt ist. Anil Bhatti: Zemlinsky and Tagore. An Essay on Culturel Contacts. In: Indian Horizons. 1973, vol. XXII, No. 3-4, S. 60-67, hier S. 63. 21 Seinem Verleger Emil Hertzka teilt er in einem Brief am 19. September 1922 mit: „Ich habe im Sommer etwas geschrieben, in der Art des Lied von der Erde. Ich habe noch keinen Titel dafür.“ Zit. nach Monika Lichtenfeld: Zemlinsky und Mahler. In: Otto Kolleritsch (Hg.): Alexander Zemlinsky. Tradition im Umkreis der Wiener Schule. Graz 1976, S. 101-110, hier S. 101. <?page no="205"?> Stefan Zweig und Alexander Zemlinsky lesen Rabindranath Tagore 205 Was hat Zemlinsky an Tagores lyrischer Prosa interessiert? 22 Wir sind hier weitgehend auf Vermutungen angewiesen. Zum einen sind es Liebesgedichte, die in Tagores Band Der Gärtner versammelt sind. Zum zweiten mag Zemlinsky für Tagore eingenommen haben, dass er Lyriker und Komponist ist. Schließlich dürfte ihn der opulente exotische Bildervorrat dieser Dichtung angezogen haben, der in mancher Hinsicht an spätromantische Topoi erinnert, so an die Traumverlorenheit der Liebenden oder die stimmungsvoll beleuchteten Naturkulissen, in denen sie sich begegnen. Ich konzentriere mich im Folgenden auf den Text der Gedichte, die Zemlinsky aus Effenbergers Übersetzung übernommen hat, an einigen Stellen aber signifikant umschreibt. So ersetzt er im ersten Gesang den Vers „Ich bin schlaflos und voll Sehnsucht“ durch: „Ich bin voll Verlangen und wachsam“. Im dritten Gesang ändert er in der Zeile „Mit dem Schatten meiner Leidenschaft hab ich Deine Augen verdunkelt“ das Verb und schreibt „geschwärzt“. Und ein letztes Beispiel: Im vierten Gesang spricht bei Tagore die Frau den Geliebten an: „Ich will mein Haar lösen. Mein blauer Mantel wird mich umschmiegen wie Nacht.“ Bei Zemlinsky wird daraus: „Ich will mein Haar lösen. Mein blauer Mantel wird dich umschmiegen wie Nacht.“ Damit gibt seine Fassung den erotischen Wünschen der Frau ein ungleich stärkeres Gewicht, wie denn auch die beiden übrigen Änderungen die Erotik in diesen Gedichten deutlicher akzentuieren. Eine Synopse der Gedichte Tagores und der Adaption durch Zemlinsky bietet Günter Metz. 23 Ich verzichte hier darauf, die musikalische Dimension dieses Werks zu erörtern, sie bleibt Musikwissenschaftlern vorbehalten. Nur sie könnten im Einzelnen zeigen, in welcher Weise Zemlinskys Musik auf das ‚Orientalische’ dieser Verse referiert. Bereits im ersten der sieben Gesänge wird deutlich, dass eine Liebesgeschichte erzählt wird, wenngleich nicht fortlaufend; und auch das 22 Bei einer öffentlichen Lesung seiner Gedichte in Prag im Jahre 1921 hat Tagore auch Leo Janacek außerordentlich beeindruckt. Vgl. Anil Bhatti: Zemlinsky and Tagore (Anm. 20), S. 63f. 23 Günther Metz: Alexander Zemlinsky: Lyrische Symphonie, op. 18. In: Melos. Vierteljahresschrift für zeitgenössische Musik, 50/ 1988, Nr. 3, S. 81-114, hier S. 108- 110. Die Hinweise auf die musikwissenschaftlichen Studien zu Zemlinsky verdanke ich Stephen Hinton. <?page no="206"?> Rolf-Peter Janz 206 Personal ist nicht immer das gleiche. Immerhin ist zu beobachten, dass Zemlinsky die Gedichte Tagores auch mit Hilfe einiger Leitmotive in eine narrative Ordnung bringt, sie in eine Art Handlungsverlauf einpasst 24 , bei dem, wie Rudolf Stephan vorschlägt, „Sehnsucht, Erwartung, Erfüllung, Befreiung, Abschied“ einander folgen. 25 Die Gesänge 1, 3 und 5 wählen die Perspektive eines Mannes, die Gesänge 2, 4 und 6 die einer Frau. Den männlichen Part singt ein Bariton, den der Frau ein Sopran. Der erste Gesang beginnt so: „Ich bin friedlos, ich bin durstig nach fernen Dingen. Meine Seele schweift in Sehnsucht, den Saum der dunklen Weite zu berühren. O großes Jenseits, o ungestümes Rufen deiner Flöte! “ 26 Gleich zu Beginn bekennt das Ich seine Sehnsucht nach Ferne, Weite, nach dem Jenseits; sie wird noch gesteigert durch Musik, „das ungestüme Rufen“ einer Flöte, das von dort zu ihm dringt. Schon die zweite Strophe lässt erkennen, dass mit der unerreichbaren Ferne zugleich eine geliebte Frau assoziiert wird. Die Sehnsucht - in der zweiten Strophe ist sie zum „Verlangen“ geworden - bleibt unerfüllbar. Der Wechsel von Hoffnung und Enttäuschung wiederholt sich in der 2. und 3. Strophe. Seinem „Verlangen“, aus dem bisherigen Leben auszubrechen und der Geliebten näher zu kommen - er stellt sich vor, ihren „Odem“ zu spüren und den Klang ihrer Sprache zu hören - folgt die resignierte Einsicht, dass die Geliebte unnahbar bleibt. Daran ändert auch die Vision nichts, in der ihr „gewaltiges“, das meint wohl auch: ihr ihn überwältigendes Gesicht zeitweilig in der „Bläue des Himmels“ erscheint. Den Widerspruch zwischen Hoffnung und Enttäuschung gibt eindringlich ein Oxymoron wieder, das Bild vom „sonnigen Nebel“. Auch wenn er sich immer wieder daran erinnert, dass er in sein „einsames“ Leben eingeschlossen bleibt, vernimmt er weiter das „ungestüme Rufen“ der Flöte, das als Refrain zweimal wiederkehrt. Der zweite Gesang ‚erzählt’ von einem Mädchen oder einer jungen Frau, die einen „jungen Prinzen“ liebt. Sie will durch ihre Schönheit seine 24 So Hermann Danuser: Lyrische Tonkunst als Weltanschauungsmusik. Über Alexander Zemlinskys „Lyrische Symphonie“. In: Helmut Krones (Hg.): Alexander Zemlinsky, Ästhetik, Stil und Umfeld. Wien, Köln, Weimar 1995, S. 291-299, hier S. 294. 25 Rudolf Stephan: Vom musikalischen Denken. Mainz 1985, S. 30; zit. nach Danuser: Lyrische Tonkunst als Weltanschauungsmusik (Anm. 24), S. 294. 26 Rabindranath Tagore: Der Gärtner, Gitanjali. Gesammelte Schriften. Bd. 1. München, o. J., S. 9. <?page no="207"?> Stefan Zweig und Alexander Zemlinsky lesen Rabindranath Tagore 207 Aufmerksamkeit erregen, auch wenn sie weiß, dass er, wenn er vorbeikommt, nicht ein einziges Mal zu ihrem Fenster aufblicken wird: „nur das verhallende Flötenspiel wird seufzend zu mir dringen von weitem.“ Gleichwohl versucht sie alles, sie ‚streicht’ den „Schleier“ aus ihrem Gesicht, ‚reißt’ die Rubinenkette von ihrem Hals und ‚wirft’ sie „ihm in den Weg.“ Beide dramatischen Gesten der Hingabe bleiben aber vergeblich. Der Wagen des Prinzen „zermalmt“ die Kette und hinterlässt nur eine „rote Spur im Staube“ das Ende einer Annäherung, deren sexuelle Konnotationen keiner Erläuterung bedürfen. Im dritten Gesang rückt wieder ein männliches Ich in den Mittelpunkt, das die Geliebte im Traum in Besitz nehmen will. „Du bist mein Eigen, mein Eigen“ - zweimal noch wird sein Wunschtraum im Refrain aufgenommen und gesteigert: seine Träume sind „endlos“, „einsam“, „unsterblich“. Dass die „Glut“ seines „sehnsüchtigen Herzens“ nicht ihre Wangen rötet, sondern ihre Füße „rosigrot“ färbt, kann europäischen Lesern leicht apart und exotisch erscheinen. Sein Leiden an der Liebe, der „Geschmack des Weins aus meinen Leiden“, so träumt er, überträgt sich auch auf sie; ihre Lippen werden „bittersüß“. Im Liebesschmerz immerhin sieht er sich mit ihr vereint. Für diese Vereinigung findet der dritte Gesang ein hochpoetisches Bild: „Ich hab dich gefangen und dich eingesponnen, Geliebte, in das Netz meiner Musik.“ Der vierte Gesang gehört wiederum der Frau, und er eröffnet ein ganz anderes Szenario. Im Dunkel der Nacht und bei seufzendem Wind - eine uns vertraut erscheinende liebesaffine Naturkulisse - will sie sich ihm hingeben, ihr Haar lösen und ihn mit ihrem Mantel „umschmiegen wie Nacht.“ Weiter heißt es: „Ich will deinen Kopf an meine Brust schließen, und hier in der süßen Einsamkeit lass dein Herz reden.“ Während der dritte Gesang die Inbesitznahme einer Frau durch einen Mann ausphantasiert, erzählt der vierte von einer Frau, die den Geliebten durch sanfte Umarmungen für sich gewinnt. 27 Im Augenblick größter Intimität schließt sie die Augen. Erst bei Tagesanbruch wird sie sie wieder öffnen, werden sie einander anschauen. Dabei ist ihnen bewusst, dass sie getrennte Wege gehen werden. Und doch wiederholt sie noch einmal den Wunsch, mit dem die Liebesszene des vierten Gesangs begann: „Sprich zu mir, Geliebter -“. Der fünfte Gesang kehrt die Situation des dritten dramatisch um. Nicht sie ist in seinem Besitz, „gefangen“ im „Netz“ seiner Musik, sondern er beklagt nun, ein Gefangener ihrer Liebe zu sein. Er sei berauscht „von diesem Wein der Küsse“; „dieser Nebel von schwerem Weihrauch erstickt 27 Vgl. Günther Metz: Alexander Zemlinsky: Lyrische Symphonie (Anm. 23), S. 106. <?page no="208"?> Rolf-Peter Janz 208 mein Herz.“ Ihre zärtlichen Umarmungen erlebt er als gefährlichen erotischen Zauber - „Ich bin in Dich verloren“ - und so bittet er sie, diesen Zauber aufzuheben, so dass er ihr sein nunmehr „befreites Herz“ geben kann. Schwerlich ist von der Hand zu weisen, dass Zemlinsky hier den Gegensatz zwischen „dem Wein der Küsse“, dem Rausch sexueller Lust, und Herzensneigung im Spiel sieht. Ähnlich unterscheidet Freud zwischen „himmlischer“ und „irdischer“ Liebe. 28 Auf den Ichverlust des Mannes, die Folge weiblicher Verführung, soll ein selbstgewisses männliches Ich folgen, das den Mut fasst, „dir mein befreites Herz darzubieten“. Im sechsten Gesang fordert die Frau den Geliebten, der Künstler ist, in der Rolle seiner Muse auf, das „letzte Lied“ zu vollenden, bevor sie auseinander gehen. Schon der dritte Gesang hat sich auf seine „Abendlieder“ berufen, die sie „erntet“, sowie ihre Gefangenschaft im „Netz“ seiner Musik beschworen. Ihre Anstrengungen, seine Liebe zu erhalten, sind ebenso vergeblich wie der Versuch, Träume einzufangen. Verzweifelt gesteht sie sich ein, dass ihre „gierigen Hände“ nur eine „Leere“ vorfinden, und das „zermürbt“ ihre Brust. Dabei bringt Zemlinskys Ausdruck „Zermürben“ ihr fortdauerndes Leiden besser zum Ausdruck als das „Zermalmen“ in der deutschen Übersetzung Tagores. Während sie ihren Schmerz über die verlorene Liebe beklagt, fordert er sie zu Beginn des siebten und letzten Gesangs auf, „die Zeit für das Scheiden süß sein“ zu lassen. Nicht an den Tod solle sie denken, sondern an die Verwandlung des Schmerzes in Lieder, in vollendete Kunstwerke. Die Liebe lasse sich „in Erinn’rung schmelzen“, die Kunst vermag die Liebe in der Erinnerung zu bewahren. Am Ende dieser Liebesgeschichte, so empfiehlt er, soll ihr beredtes Schweigen stehen. Während seine letzte Geste eine Art Verehrung andeutet - „Ich neige mich vor dir“ - bleibt seine Ankündigung „ich halte meine Lampe in die Höhe, um dir auf deinen Weg zu leuchten“, wie mir scheint, einfältig oder auch vage. Noch einmal, was hat Zemlinsky an Tagores Liebesgedichten fasziniert? Es ist wohl der Liedcharakter dieser Gedichte, der Zemlinskys Kunstauffassung entgegenkam. Hinzu kommt die vormoderne, die ‚orientalische’ Bildmächtigkeit dieser Verse - „Du bist die Abendwolke, die am Himmel meiner Träume hinzieht“ - die Zemlinsky anzog. Es ist vor allem aber, wie dieser kommentierende Durchgang durch die von Zemlinsky ausgewählten Gesänge zeigen sollte, das „Bittersüße“ der Liebe, das vor allem der dritte Gesang beschreibt. Eine tiefe Melancholie, eine 28 Sigmund Freud: Über die allgemeinste Erniedrigung des Liebeslebens. In: Gesammelte Werke, Bd. VIII. Frankfurt a.M. 1965, S. 82. <?page no="209"?> Stefan Zweig und Alexander Zemlinsky lesen Rabindranath Tagore 209 „schmerzlich-resignative Stimmung“ 29 ist der Grundzug seiner Person wie seiner Dichtung, sie durchzieht auch die Lyriksammlung „Der Gärtner“. Vermutlich hat Zemlinsky nicht zuletzt im Melancholiker Tagore bei aller Fremdheit einen Wahlverwandten gesehen. Bibliographie Danuser, Hermann: Lyrische Tonkunst als Weltanschauungsmusik. Über Alexander Zemlinskys „Lyrische Symphonie“. In: Helmut Krones (Hg.): Alexander Zemlinsky, Ästhetik, Stil und Umfeld. Wien, Köln, Weimar 1995, S. 291-299. Hofmannsthal, Hugo von: Gesammelte Werke, Reden und Aufsätze I. Frankfurt a.M. 1979. Hofmannsthal, Hugo von: Sämtliche Werke. Bd. XXXI. Ellen Ritter (Hg.). Frankfurt a.M. 1991. Janz, Rolf-Peter: Die Faszination der Jugend durch Rituale und sakrale Symbole. Mit Anmerkungen zu Fidus, Hesse, Hofmannsthal und George. In: Thomas Koebner/ Rolf-Peter Janz/ Frank Trommler (Hg.): Mit uns zieht die neue Zeit: Der Mythos Jugend. Frankfurt a.M. 1985, S. 310-337. — Bilder des „nahen Fremden“ in der Literatur um 1900. In: R.-P. Janz (Hg.): Faszination und Schrecken des Fremden. Frankfurt a.M. 2001. — Hans Bethges Chinesische Flöte - gelesen von Gustav Mahler. In: Robert Becqué/ Eveline Nikkels (Hg.): Die liebe Erde allüberall.... Den Haag 2005, S. 64- 73. Litchtenfeld, Monika: Zemlinsky und Mahler. In: Otto Kolleritsch (Hg.): Alexander Zemlinsky. Tradition im Umkreis der Wiener Schule. Graz 1976, S. 101-110. Kämpchen, Martin: Rabindranath Tagore. Reinbek 4 2011. — Rabindranath Tagore und Deutschland. Marbach 2011. Metz, Günther: Alexander Zemlinsky: Lyrische Symphonie, op. 18. In: Melos. Vierteljahresschrift für zeitgenössische Musik, 50/ 1988, Nr. 3, S. 81-114. Shelton, Suzanne: Divine Dancer. A Biography of Ruth St. Denis. Austin 1981. Tagore, Rabindranath: Der Gärtner. Leipzig 1914. — Sadhana. Der Weg zur Vollendung. München 1921. Zemlinsky, Alexander: Lyrische Symphonie in sieben Gesängen nach Gedichten von Rabindranath Tagore, op. 18. Wien, o.J. Zweig, Stefan: Rabindranth Tagores Sadhana. In: Stefan Zweig: Das Geheimnis des künstlerischen Schaffens. Frankfurt a.M. 1984, S. 179-187. 29 Danuser: Lyrische Tonkunst als Weltanschauungsmusik (Anm. 24), S. 297. <?page no="211"?> Petra Neuenhaus Max Weber und Rabindranath Tagore: eine Annäherung Der folgende Versuch, die vergleichende Rationalitätstypologie Webers der kritischen Aneignung okzidentaler Begriffe durch Tagore gegenüberzustellen, will diese beiden Denkansätze für ein postkoloniales Geschichtsverständnis fruchtbar machen. Er schreibt sich damit nicht allein in die Kritik eines linearen und fortschrittsorientierten Geschichtsverständnisses ein, die mittlerweile zum Gemeinplatz geworden ist, sondern nimmt mit der expliziten Voraussetzung des Politischen jeder Geschichtskonstruktion an der Arbeit der Dekonstruktion einer als präexistent vorausgesetzten Geschichte überhaupt teil. So kann sich, im besten Fall, die Möglichkeit eröffnen, die Begriffe der Herrschenden und die der Beherrschten miteinander kommunizieren zu lassen oder zumindest nebeneinander hörbar zu machen. Bei Max Weber ist das zentrale Kriterium des Vergleichs religiöser Systeme die Form der Rationalität, die innerhalb eines religiösen Systems entsteht. Bedingung der Möglichkeit des Vergleichs ist dabei der Rekurs auf einen idealtypisch gebildeten Rationalismusbegriff 1 , der von Weber als transkulturell geltender Maßstab benutzt wird. Transkulturelle Geltung besitzt dieser Maßstab insofern, als er nicht auf eine bestimmte Religion wie zum Beispiel das Christentum zentriert ist, sondern in einem hochdifferenzierten Kulturvergleich die verschiedenen Herangehensweisen an das allen Religionen gemeinsame Problem der Erlösung betrachtet und sich bemüht, aus der Innenansicht der Religionen die adäquaten Beschreibungskategorien zu gewinnen. Trotz aller Umsicht kann jedoch Weber, wenngleich er mit seiner auf die spezifische Rationalität der verschiedenen Religionen ausgerichteten Analyse das eurozentrische, christlich geprägte Modell der Religionsphilosophien des deutschen Idealismus verlässt 2 , nicht vermeiden, die indische Religiosität einem Maßstab zu unterwerfen, der mit der europäischen kommensurabel ist. Das Sprechen über Fremdes scheint diesen Preis zu haben. Bei Rabindranath Tagore ist die Diskussion der Auseinandersetzung zwischen östlichem und westlichem Denken um den Begriff der Zivilisation zentriert, der Gegenstand einer kritischen Aneignung ist, sowie um die Kritik der okzidentalen Rationalität und das Plädoyer für eine 1 Max Weber: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie. Band I. Tübingen 1978 (im Folgenden RSI), S. 537. 2 Vgl. Harald Seubert: Max Weber interkulturell gelesen. Bautz 2006, S. 111-126. <?page no="212"?> Petra Neuenhaus 212 Ethik, die die Besonderheiten der indischen Geschichte und der Werte, die sich in ihr entwickelt haben, anerkennt. In den Texten beider Autoren lässt sich eine Öffnung der Begriffe für Inhalte ausmachen, die ihnen nicht immer schon eingeschrieben waren. Sie lassen eine Vervielfältigung der Bedeutungen zu, die Raum für eine neue Polyphonie schafft. Nach einer kurzen Darstellung von Max Webers Einschätzung des Verhältnisses von Hinduismus und Moderne soll anhand einiger Beispiele gezeigt werden, dass Weber an vielen Stellen nicht versucht, das okzidentale Modell als universell gültigen Ma stab einzusetzen. Darin unterscheidet er sich vom Tenor seiner nordamerikanischen Rezeption, deren Einfluss auf die indische Soziologie anschließend thematisiert wird. Im Kontrast zu diesem Zweig der amerikanischen Soziologie gilt es zu zeigen, inwiefern sich Tagores kritische Aneignung des Zivilisationsbegriffs affirmativ zu bestimmten Elementen der indischen Kultur verhält und wo sie sich mit dem Urteil Webers über die okzidentale Moderne trifft. Es folgt eine Kritik der Weberschen Methode am Beispiel des Religionsbegriffs, sowie der Nachweis, dass Weber selbst die Grenzen seiner Methode bewusst waren. Es scheint jedoch, dass gerade dort, wo okzidentale Wissenschaft auf die Grenzen ihrer Methode stößt, der Dialog mit östlichen Kulturen möglich wird. Die Anerkennung des Anderen in Webers Religionssoziologie Wenn Max Weber in seiner 1916 erschienenen Studie über Hinduismus und Buddhismus feststellt, dass rationales Handeln im kapitalistischen Sinn unter den Bedingungen östlicher Religiosität und insbesondere innerhalb der starren Kastenstruktur des Hinduismus nicht möglich ist, so behauptet er damit mindestens drei Dinge nicht : 1. die Irrationalität des Hinduismus, 2. die Rückständigkeit oder Verspätung des Hinduismus gegenüber der historischen Entwicklung des Okzidents (und damit die Teleologie der okzidentalen Rationalität) und 3. die universelle Gültigkeit der okzidentalen Rationalität. Denn Webers Religionssoziologie kennt, zumindest in ihrer späten Form, kein Entwicklungsgesetz, das allen großen Zivilisationen innewohnen würde, sie ist keine Entwicklungstheorie, sondern eine vergleichende Typologie, die Heterogenes bestehen lässt. Dass Weber die Einsetzung des westlichen Modells als universell gültigen Ma ß stab zu vermeiden sucht, zeigt sich beispielsweise daran, dass er die spezifische Rationalität der hinduistischen Mystik unterstreicht, die in der Gewinnung eines konstanten Bewusstseinszustandes besteht, wogegen die Rationalität der christlichen Askese auf eine Ethik konstanten Handelns abzielt. Dabei wird auch den Laien eine monastisch-strenge Ethik vorgeschrieben, der sich ausnahmslos Jeder unterwerfen muss, <?page no="213"?> Max Weber und Rabindranath Tagore: eine Annäherung 213 während die Ethik des Buddhismus von Milde bestimmt ist und die Laien nicht demselben Urteil unterwirft wie die Mönche. Besondere Beachtung findet bei Weber die hinduistische Verknüpfung der Kastenlegitimität mit der Karmalehre und also mit der spezifisch brahmanischen Theodizee. Da diese Welt und das in ihr erfahrene Leiden keinen Sinn hat, wird die Erlösung, also der Zugang zu einer anderen Welt, in konsequenter Weltablehnung und Kontemplation gesucht. 3 Weber bezeichnet diese rationale Ethik als „in ihrer Art genial“ 4 und räumt ein, dass die christliche Religion keine vergleichbare Lösung für das Theodizee- Problem gefunden hat. Weiter folgt in Webers Denken nicht, wie es in einem evolutionistischen Modell der Fall wäre, ein rationales Stadium der menschlichen Gesellschaft auf ein religiöses Stadium. Weber geht vielmehr davon aus, dass wissenschaftliche Rationalität und religiöser Glaube kompatibel seien. Sein Verständnis des Rationalismus ist kein aufklärerisches und er will zeigen, dass sich das rationale Denken nicht gegen die Theologie, sondern in ihrer Folge herausgebildet hat. Er erkennt in den religiösen indischen Texten ein starkes rationales Bedürfnis und unterstreicht die außergewöhnli chen Leistungen der indischen Logik. Die radikalsten Formen der „Entzauberung der Welt” 5 schreibt er nicht weltlichem, sondern religiösem Denken wie dem des Judaismus und des Protestantismus zu. Die Sorge, die Magie zu vernichten, entsprach ihm zufolge vor Allem dem Vorhaben mächtiger religiöser Systeme, die von Gläubigen getragen wurden. In einer Passage der Religionssoziologie hebt Weber in Bezug auf die Veden hervor, dass die Anerkennung ihrer Autorität in der Anerkennung der hinduistischen Tradition und der sozialen Stellung ihrer Übermittler, der Brahmanen, besteht. Die Brahmanen werden nicht aufgrund eines theologischen Dogmas anerkannt, sondern weil sie sich als Wissensträger durchgesetzt haben: ein Phänomen, das der allgemeinen Praxis entspricht, Herrschaft durch Wissen zu legitimieren. Für Weber ist die Religion sowohl ein soziales als auch ein intellektuelles Phänomen. Sowohl am Ende der Protestantischen Ethik als auch am Ende seiner Studie zu Hinduismus und Buddhismus erklärt Weber, dass die weltweite Ausbreitung der kapitalistischen Rationalität in keiner Weise auf einem Entwicklungsgesetz beruht, das allen großen Zivilisationen innewohnen würde, sondern vielmehr auf singulären politischen, wirtschaftlichen und 3 Die Wiedergeburtschancen lassen sich allerdings durch rituelles Handeln erhöhen, wie es die Dharma-Lehre vorschreibt, während die Samsara- und Karma-Lehre besagt, dass jede ethisch relevante Handlung unabwendbar ihre Wirkung auf das Schicksal des Täters übt, und dass keine solche Wirkung verloren gehen kann. Max Weber: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie. Band II. Tübingen 1921 (im Folgenden: RSII), S. 118. 4 Ibid., S. 131f. 5 Max Weber: Vom inneren Beruf zur Wissenschaft [1919]. In: Soziologie, Universalgeschichtliche Analysen, Politik. Stuttgart 1973, S. 317. <?page no="214"?> Petra Neuenhaus 214 kulturellen Faktoren, die einigen wenigen Ländern eigen seien: der Kapitalismus werde unter der Wirkung der imperialistischen Expansion der Mächte, die ihn entwickelt haben, zwingend (und nicht etwa aufgrund einer ihm innewohnenden Macht). Dabei stelle die kapitalistische Rationalisierung im Weltmaßstab keine Regel dar, sondern eine Ausnahme - oder gar einen „wuchernden Auswuchs”, wie es Isabelle Kalinowski nennt. 6 Diese Sichtweise spiegelt sich auch in der Weigerung des Soziologen, den Begriff des Fortschritts zu gebrauchen, sowie in der Abwesenheit des Begriffspaars ‘primitiv/ zivilisiert‘. Eine west-östliche Fehlinterpretation Bereits an diesen wenigen Beispielen dürfte deutlich werden, wie sehr die nordamerikanische Weber-Lektüre fehlgeht, die sich auf die Übersetzung der Protestantischen Ethik durch Talcott Parsons im Jahre 1930 und auf die 1958 erschienene Übersetzung der Studie über Buddhismus und Hinduismus von Hans H. Gerth und Don Martindale stützt. Webers Studie wird hier im Zuge einer Reflexion über die Hindernisse rezipiert, die mithilfe der USA zu überwinden seien, um Indiens Fortschritt auf dem Weg in die Moderne zu fördern. 7 Talcott Parsons übersetzt die Vorbemerkung unter dem Titel Authors’ Introduction und lässt Weber als einen Entwicklungstheoretiker erscheinen, der der okzidentalen Weltsicht universale Geltung verschaffen will. Die Parsons-Schule liest als Soziologie des Hinduismus und des Buddhismus, was von Weber als Theorie der Stufen und Richtungen religiöser Weltablehnung sowie als Kontrastanalyse, insbesondere zu seiner Arbeit über den Konfuzianismus, gedacht ist. In Reaktion darauf ist in der Folge des Artikels von Detlef Kantowsky aus dem Jahre 1985 die „Ent- 6 Isabelle Kalinowsky: La sociologie des religions indiennes en France et en Allemagne au début du XX e siècle: Essai sur le régime des castes de Célestin Bouglé (1900-1908) et Hindouisme et bouddhisme de Max Weber (1916-1917). In: Revue germanique internationale (en ligne), 7/ 2008. 7 Vgl. Detlef Kantowsky: Die Fehlrezeption von Max Webers Studie über „Hinduismus und Buddhismus“ in Indien: Ursachen und Folgen. In: Zeitschrift für Soziologie, 6/ 1985, S. 470f. Gerth und Martindale schreiben in der editorischen Fußnote zur Weber-Ausgabe von 1967: “The central concern of this and others of Weber’s studies of countries we today describe as ‘developing’ was with the obstacles to industrialization and modernization. Weber anticipated by several decades a problem that has come to occupy the post-World-War II world. Why had these countries failed to display the full consequences of those rationalizing tendencies which, to Weber’s mind, had so powerful an affinity with the scientific-technical transformation of the West? ” Zit. nach Hans Heinrich Gerth/ Don Albert Martindale: The Religion of India: Sociology of Hinduism and Buddhism. New York, London 1967, S. 8. <?page no="215"?> Max Weber und Rabindranath Tagore: eine Annäherung 215 Parsonifizierung” Webers („De-Parsonizing Weber”) zum Kampfbegriff der englischsprachigen Weber-Forschung geworden. Die Sicht der indischen Entwicklung als gescheiterter Fortschritt, gestützt von der Überzeugung, industrieller Fortschritt sei „mit wachsender Güterproduktion, steigendem Energieverbrauch, hohem Zeitungsausstoß pro Kopf der Bevölkerung, Urbanisierung und mindestens einem Kraftwagen pro Kernfamilie identisch und über entsprechende Indikatoren auch interkulturell gültig ablesbar” 8 , ist von der Auffassung Webers weit entfernt. Wo die von Talcott Parsons geprägte Weber-Rezeption in den USA im Sinne ihres Entwicklungsmodells einen fortschrittsoptimistischen Weber vermitteln will und dabei vor Verfälschungen nicht zurückscheut, ist Weber bei der skeptischpessimistischen Diagnose des Zustands der abendländischen Entwicklung geblieben, die im „stahlharten Gehäuse” endet und vom „Getriebe jenes liebeleeren und erbarmungsfremden ökonomischen Kampfs ums Dasein” spricht, „den die bürgerliche Phraseologie als ‘friedliche Kulturarbeit’ bezeichnet: eine andere Form des Kampfes des Menschen mit dem Menschen, bei der nicht Millionen, sondern hunderte von Millionen jahraus, jahrein an Leib und Seele verkümmern” und der uns „mit überwältigendem Zwange bestimmt und vielleicht bestimmen wird, bis der letzte Zentner fossilen Brennstoffs verglüht ist”. 9 Leider hat aber diese Lesart, derzufolge die sozialen Strukturen des Hinduismus einen zu überwindenden Widerstand gegen den Fortschritt Indiens auf dem Weg der Modernität darstellen, das Weber-Verständnis in Indien lange dominiert. Die Skepsis Webers gegenüber dem „stahlharten Gehäuse” der modernen Industriegesellschaft ist auf dem Weg nach Indien, der bekanntlich über Amerika führt, verlorengegangen. Wir können uns nun darüber wundern und nach den Gründen dafür fragen, dass indische Sozialwissenschaftler die Legitimation der modernen Industriegesellschaft mithilfe der verfälschten Weberschen Analysen der Parsons-Schule übernommen und damit die Deutung der eigenen Gesellschaft als defizitär und modernisierungsbedürftig akzeptiert haben. Muss man annehmen, dass sie, wie Kantowsky behauptet, so mit einer Politik zur Durchsetzung des westlichen Paradigmas von Modernisierung und Entwicklung verflochten sind, dass aus ihrem Munde nur das zurückschallt, „was wir über die vielfältigen Instrumentarien der Bildungs- und Entwicklungshilfe in ihre Köpfe einzupflanzen versucht haben”? Sicher ist, dass der Entstehungskontext der religionssoziologischen Studien Webers und seine argumentative Absicht in Indien lange nur unzureichend bekannt waren, und dass es wenig Möglichkeiten gab, Parsons‘ Übersetzung zu kritisieren. 8 Kantowsky: Die Fehlrezeption von Max Webers Studie (Anm. 7), S. 471. 9 Weber: RSI (Anm. 1), S. 203. <?page no="216"?> Petra Neuenhaus 216 So wird anlässlich eines Weber-Seminars in Hyderabad 1966 gefragt: “Under what conditions, if any, can India hope to become an industrial nation? Does such a process require a radical break with the past? How is such a break possible? […] Or are there aspects of the Indian tradition which are favourable to industrial development? ” 10 Im Laufe desselben Seminars wird selbst Gandhi als hart arbeitender Asket bezeichnet, der genau dem Weberschen Verständnis eines asketischen Protestanten entspreche. Angesichts solcher Instrumentalisierungen Weberscher Analysen erstaunt es nicht, dass das Leiden an der abendländischen Entwicklung, welches in Webers späten Schriften immer stärker zum Ausdruck kommt, bei der Vermittlung seiner Studien nach Osten systematisch unterschlagen wird. 11 Die Auseinandersetzung mit Weber in Indien wurde in erster Linie von einer bürgerlichen Intellektuellenschicht geführt, deren akademische Ausbildung nach englischem oder amerikanischem Muster stattgefunden hat. Ihre Interessen sind mit einer Politik zur Durchsetzung des westlichen Paradigmas aufs Engste verwoben. Diese Intellektuellen bemühen sich, im Text Webers Belege dafür zu finden, dass der auf dem Boden des Okzidents aufgetretene Rationalismus der Weltbeherrschung eine Entwicklungsrichtung von universeller Gültigkeit vorgezeichnet habe. Dabei fragen sie (wie ein großer Teil der übrigen westlich geprägten soziologischen Forschung) nicht nach möglichen Alternativen zur Modernisierung und Rationalisierung im europäischen und kapitalistischen Sinne. Die Herstellung von Vieldeutigkeit Demgegenüber können Tagores Reflexionen zum Begriff der Zivilisation, die er 1941 in Crisis in Civilization entwickelt, als Herausforderung der westlichen Zivilisation zum Dialog mit östlichem Denken und mit einer Ethik gelesen werden, die ihr eigenes Verständnis des Universellen behauptet. Der Zivilisationsbegriff, der bekanntlich eine nicht unwesentliche Rolle in der Geschichte des europäischen Imperialismus gespielt hat, da die zivilisatorische Mission der Europäer immer wieder zur Rechtfertigung der europäischen Weltbeherrschung herangezogen worden ist, wurde seit etwa 1880 und bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts von führenden indischen Nationalisten zum Instrument eines kritischen Dialogs mit Europa im Kampf gegen die europäische Herrschaft 10 Charles Price Loomis/ Z. K. Loomis: Socioeconomic change and the religious factor in India. An Indian symposium of views on Max Weber. New Delhi 1969, V. 11 Vgl. Kantowsky: Die Fehlrezeption von Max Webers Studie (Anm. 7), S. 471. <?page no="217"?> Max Weber und Rabindranath Tagore: eine Annäherung 217 umgemünzt. 12 Dabei gibt es interessanterweise Referenzen auf den ursprünglichen Sinn des Wortes, der sich nicht auf die materielle Kultur beschränkt, sondern auch eine gewisse Tugend des Zusammenlebens bezeichnet, die als zivile Kultur häufig der religiösen Kultur entgegengesetzt wird. Die Denker des indischen Nationalismus (wie Swami Vivekananda, Mahatma Gandhi und Jawaharlal Nehru, und in gewisser Weise auch Tagore) haben sich ein Schlüsselwort des europäischen und insbesondere britischen Vokabulars des frühen 19. Jahrhunderts angeeignet, das die europäische Überlegenheit bezeichnen sollte, und daraus ein Instrument der Kritik des Okzidents gemacht (eine Aneignung, wie sie ähnlich in den schwarzen Befreiungsbewegungen in den Vereinigten Staaten oder bei den Homosexuellen stattgefunden hat). Dabei besaß das Wort Zivilisation (civilization) tatsächlich in den indischen Sprachen kein Äquivalent und wurde durch sabhyata nur annäherungsweise ins Bengalische übersetzt, wie Tagore anmerkt. Im Gesetzbuch des Manu (Manusmriti) heißt die bengalische Entsprechung des Wortes Zivilisation sadachar, was eigentlich das richtige, angemessene Handeln und Sich-Verhalten bezeichnet (proper conduct), so, wie es durch die Tradition vorgeschrieben ist. Tagore kritisiert die enge Interpretation dieses richtigen Handelns als eine zur sozialen Tyrannei gewordene Ethik. Gegen diese starren gesellschaftlichen Regeln wurde der englische Begriff der Zivilisation übernommen, aber bald auch als kritisches Instrument gegen die negativen Wirkungen ebendieser Zivilisation benutzt. Die Wirkung dieses kritischen Denkens hat sich immer dann verstärkt, wenn es gleichzeitig im Westen eine Kritik an der Legitimität der zivilisatorischen Mission des Okzidents gegeben hat. So zeigt die Geschichte des Wortes ‘Zivilisation’ mit ihren Bewegungen zwischen Orient und Okzident seine Bedeutung für die Herstellung eines Dialograums zwischen Kolonialherren und Kolonisierten. Und so hat Tagore in einem Moment Gehör gefunden, als die Zweifel an der zivilisatorischen Überlegenheit des Okzidents und der auf ihr beruhenden Legitimation der okzidentalen Herrschaft nicht mehr übergangen werden konnten. Allerdings verlor Tagores Kritik, ebenso wie die Gandhis, mit der indischen Unabhängigkeit an Wirksamkeit - in einem Moment, als unter Bezeichnungen wie Modernisierung, wirtschaftliches Wachstum und politische Entwicklung die Idee des Fortschritts in Indien geradezu triumphal zurückkehrte. Dies wurde zum einen in den 50er und 60er Jahren durch eine nie gekannte westliche Prosperität begünstigt, die auch Indien mit einer fortschrittsoptimistischen Haltung ansteckte. Trotz der in Form des Kalten Krieges geführten Auseinandersetzung zwischen 12 Vgl. Dipesh Chakrabarty: De la civilisation à la mondialisation: l’Occident, un signifiant changeant dans la modernité indienne. In: Revue des Livres (online), 01/ 2012. <?page no="218"?> Petra Neuenhaus 218 sozialistischen und kapitalistischen Ideen erschien die industrielle Lebensweise als siegreich, die von amerikanischen Soziologen wie Walt Whitman Rostow (dem Theoretiker des wirtschaftlichen Aufschwungs), James Burnham (dem Theoretiker der Managerrevolution) und Daniel Bell (dem Erfinder der postindustriellen Gesellschaft) propagiert wurde. In Indien verkörpert Nehru diesen Fortschrittsoptimismus. Zum anderen erstarkte bereits seit den 30er Jahren die Kritik an der Idee einer nationalen Einheit, die Tagores Gedanken einer indischen Zivilisation zugrunde lag. Die Moslems kritisierten die hinduistische Prägung dieser Idee, während die unteren Kasten, die zu Macht und politischem Einfluss gelangten, die Idee der Zivilisation für von den Bramahnen und oberen Kasten geprägt erklärten (und dieser Gedanke ist bis heute Teil des demokratischen Denkens in Indien). Tagores Denkansatz ist (wie der Gandhis) universalistisch und daher nicht nationalistisch in einem engen Sinn. Im Unterschied zu Gandhi, der in seinem 1909 verfassten Aufsatz über die Unabhängigkeit Indiens (Hind Swaraj) die Zivilisation als Krankheit bezeichnet (und damit meint er die Lebensweise der industrialisierten Gesellschaften - bekannt ist ja seine Antwort auf die Frage nach der britischen Zivilisation: „it would be a good idea”), ist das Urteil Tagores über die Wirkungen der europäischen Zivilisation in seinen Spätschriften deutlich ambivalent: einerseits kritisiert er das Ersticken östlicher, beispielsweise persischer Freiheitsbewegungen durch das ‘zivilisierte‘ Europa, und in Crisis in Civilization erklärt er, sein Glaube daran, dass die Quellen der Zivilisation im Herzen Europas zu suchen seien, sei zerstört. Andererseits betont er, dass trotz der bestehenden Distanz die Engländer eine tiefe Intimität mit den Indern zu schaffen gewusst hätten. Dies sei aus mehreren Gründen möglich geworden: Erstens gebe es bei den Engländern ein Streben nach Wissen und Vernunft, das rein, das heißt frei von persönlichem Interesse sei. Zweitens habe die Idee der Gleichheit vor dem Gesetz eine deutliche Wirkung auf das vom Kastensystem bestimmte indische Recht gehabt. Drittens sei die Idee, kein menschliches Wesen könne Eigentum eines anderen sein, in Indien einflussreich gewesen und habe gegen die Behandlung von Menschen als Ware gewirkt. Und viertens wertet Tagore die Idee der Selbstbestimmung und der autonomen Regierung als fundamentale Botschaft Europas. Er erklärt, die Tatsache, dass es den Indern Ende der 30er Jahre möglich geworden sei, die Veränderung ihres Staates in Angriff zu nehmen, sei dem Umstand zu verdanken, dass sie sich auf europäische Theorien der (individuellen und nationalen) Souveränität berufen konnten. 13 Die Kritik der okzidentalen Herrschaftsformen ist also in ihnen selbst angelegt. Zugleich werden jedoch dem ursprünglich europäischen Begriff der Zivilisation in Indien eine Vielzahl von Bedeutungen zugeschrieben, die einen Austausch zwischen den 13 Rabindranath Tagore: Kalantar. Calcutta 1968, S. 210-212. <?page no="219"?> Max Weber und Rabindranath Tagore: eine Annäherung 219 europäischen Kolonialherren und den Kolonisierten ermöglicht haben. Der Begriff der Zivilisation erlaubt ein Verständnis von Pluralität, das die Kolonisierten sich zunutze machen können. Und der Freiheitsraum, der damit eröffnet wird, ist der Raum eines Zwischen. Wer über Zivilisation sowohl im indischen als auch im britischen Sinn sprechen kann, bewegt sich in einem Entre-deux, das eine gewisse Freiheit möglich macht. Diese Freiheit, so scheint es, ist den Kolonisierten in höherem Ma ß e zugänglich als den Kolonisatoren, da sie über die Erfahrung beider Seiten verfügen - sofern sie sich der Besonderheiten ihrer spezifischen Geschichte bewusst sind. Eine dauerhafte Folge der Kritik an der imperialistischen Zivilisation ist die Einführung des allgemeinen Wahlrechts im Zuge der indischen Unabhängigkeit. Auch wenn zahlreiche soziale Praktiken in Indien nicht demokratisch sind, zeichnet sich Indien vor seinen Nachbarn doch dadurch aus, dass es in den vergangenen sechzig Jahren die Tradition freier Wahlen aufrecht erhalten hat. Einiges spricht für die Feststellung, dass die Einführung der Demokratie in Indien, das heißt die Anerkennung der Bürgerrechte für ungebildete, analphabetische Bauern, der Arbeit derer viel verdankt, die wie Gandhi oder Tagore die europäische Idee der Zivilisation zu antikolonialen und demokratischen Zwecken benutzt haben. Dabei haben durchaus die indischen nationalistischen Mythen eine Rolle gespielt, insbesondere die, die den Glauben an die Fähigkeit der Massen, sich selbst zu regieren, nähren. Der indische Nationalismus, wie ihn, unter Wahrung der Differenzen, Tagore, Vivekananda, Gandhi und Nehru verstanden haben, gründete sich im Kontext der britischen Herrschaft auf diskutable, aber grundlegende Begriffe, die in Europa gebildet wurden, doch von beiden Seiten benutzt wurden - wie den der Zivilisation. Die Bedeutung des Begriffs war veränderlich und hing von dem ab, der ihn benutzte. So gab es eine Auseinandersetzung zwischen Gandhi und Tagore über den Gebrauch dieses Begriffs. Diese Diskussionen haben innerhalb eines Bereichs der Machtausübung einen Raum dialogischer Manöver eröffnet. Möglich wurde dies deshalb, weil Europa, das mit den Kolonisierten die beiden für die Moderne bestimmenden Themen teilte (die menschliche Kontrolle über die Natur und die menschliche Freiheit gegenüber der Unterdrückung durch Menschen), von genügend Widersprüchen geprägt war, um den Kolonisierten zugleich die Begriffe zu liefern, die sich zur Kritik der europäisch geprägten Unternehmen eigneten. Die kritische Denkbewegung in Tagores Essay stellt das traditionelle „angemessene Verhalten” des Manu, das aufklärerische Zivilisationsverständnis und das britische law-and-order-Denken nebeneinander. Damit wird denk- und sichtbar, wie der Diskurs des liberalen Konstitutionalismus mit Krieg und mit dem Ruin einer Zivilisation koexistiert. Sabhyatar Sankat (Crisis in Civilization) zeigt die Notwendigkeit einer politischen Rekonstruktion der indischen Geschichte angesichts des Desasters des <?page no="220"?> Petra Neuenhaus 220 Krieges. Während nationalistische Politik stets modernitätsorientiert war, haben die antikolonialen Denkansätze versucht, das ‘Klassische‘ und ‘Dauerhafte‘ wiederzufinden und sind dabei paradoxerweise auf die innovativen Aspekte einer postkolonialen (und post-nationalen) Praxis gestoßen, in der die Frage der Modernität irrelevant wird. Die Rationalität der Moderne kann so in Beziehung treten zum Traum von einer Zukunft, in der eine andere ethische Rationalität wirksam wird. Tagore hatte seine Kritik an der okzidentalen Rationalität bereits in seinem 1917 erschienenen Essay Nationalism in the West formuliert. Diese verkörpert sich hier im Bild der Maschine, deren Funktionieren zum Selbstzweck wird und die vom Menschen eine Selbstdisziplinierung verlangt, die auch ihn dem Funktionieren von Zahnrädern angleicht. Tagores Beschreibung liest sich wie eine Kombination von Max Webers Feststellung vom stahlharten Gehäuse der bürokratischen Gesellschaft mit einer Vorahnung der Beschreibung der panoptischen Machtwirkungen durch Michel Foucault in Überwachen und Strafen: jedes einzelne Individuum der Nicht-Nation ist der unermüdlichen Wachsamkeit einer Maschine unterworfen, die ‘ganz Auge’ ist und deren strafender Überwachung keiner der Regierten entkommen kann. 14 Tagore nimmt hier entschieden die Perspektive der Kolonisierten ein, die er durch die Benutzung der Pronomen ‘sie’ und ’wir’ von der der Herrschenden abgrenzt. Wo westliches Denken die Person auf den Berufsmenschen reduziert hat und Fortschrittsoptimismus Eisenbahnlinien ins Unendliche verlängert, beruft sich Tagore in romantischer Manier auf die moralische Natur des Menschen, die die rational kalkulierende Mentalität des Westens systematisch versteinert habe. Tagores Umwertung erklärt Disziplin zu Brutalität, die den Willen tötet, die Gedanken stumpf macht und die Bewegungen automatisiert. Tagores Bilder von monströsen, sich verselbständigenden und den Menschen zerstörenden Maschinen in der Art Frankensteins evozieren Max Webers pessimistische Darstellungen der modernen Welt als stahlhartes Gehäuse, die er seit 1904 wiederholt verwendet (unter anderem in seinem Aufsatz über Wahlrecht und Demokratie in Deutschland, der im Dezember 1917, also ungefähr zeitgleich mit Tagores Aufsatz, erscheint). Weber beschrieb 1916 „das Getriebe jenes liebeleeren und erbarmungsfremden ökonomischen Kampfs ums Dasein, den die bürgerliche Phraseologie als ‘friedliche Kulturarbeit’ bezeichnet“, als „eine andere Form des Kampfes des Menschen mit dem Menschen, bei der nicht Millionen, sondern hunderte von Millionen jahraus, jahrein an Leib und Seele verkümmern“, und 1904 vermutete er, dass dieses Getriebe uns „mit überwältigendem Zwange bestimmt und vielleicht bestimmen wird, bis der letzte Zentner fossilen Brennstoffs verglüht ist”. 15 Gegenüber 14 Vgl. Petra Neuenhaus: Max Weber und Michel Foucault. Über Macht und Herrschaft in der Moderne. Pfaffenweiler 1993. 15 Weber: RSI (Anm. 1), S. 203. <?page no="221"?> Max Weber und Rabindranath Tagore: eine Annäherung 221 den konstanten Versuchen Parsons, die Metapher vom stählernen Gehäuse zu entschärfen noch kurz vor seinem Tod im Jahre 1972 schrieb Parsons, seiner Ansicht nach habe der späte Weber den Pessimismus über das stählerne Gehäuse, den er am Ende der Protestantischen Ethik zum Ausdruck bringe, abgeschwächt und sei zu einer optimistischeren Interpretation der modernen industriellen Gesellschaft gelangt 16 ist die Übereinstimmung der Diagnose Tagores und Webers frappierend. Reflexion des Standorts und Leere des Universellen Neuere soziologische Studien haben Webers Darstellung der Hindu- Gesellschaft konstruktiver Kritik unterzogen. Dabei wird immer wieder die Universalisierung bestimmter Strukturen hervorgehoben, dank derer Weber die religiösen Praktiken verschiedener Kulturen miteinander vergleichen kann, die aber auf westlichen Voraussetzungen beruht. So behandelt Weber den Hinduismus zunächst vom begrifflichen Standpunkt des Christentums aus, auch wenn seine Kategorien den Anspruch haben, universal zu sein. Er gelangt zwar, wie die Einleitung, die Zwischenbetrachtung und die Vorbemerkung aus den Gesammelten Aufsätzen zur Religionssoziologie zeigen, zu einer Kritik der eigenen theoretischen Voraussetzungen, hält aber dort inne, wo die innovativen Möglichkeiten des Hinduismus hätten untersucht werden können. In diesem Sinne stellt Krishna Prakash Gupta fest, Weber versuche, „den Hinduismus immanent, aus seinen Glaubens- und Handlungssystemen heraus, zu verstehen. Aber dabei identifiziert er mehr oder weniger willkürlich eine Anzahl von Elementen aus der historisch-sozialen Wirklichkeit Indiens als religiös, nur weil sie in christlichen Augen so aussehen, und fügt sie zu einem fingierten Ganzen zusammen, das die hinduistische Religion sein soll.“ 17 In der Tat ist es in erster Linie Webers Begriffsbildung, und insbesondere die Anwendung des Begriffs der Religion auf den Hinduismus, deren eurozentrische Prägung kritisch reflektiert werden muss. Das lateinische religio, das im vorchristlichen Rom verschiedene Kultpraktiken bezeichnete, wurde ja mit der Herrschaft des Christentums die Bezeichnung für den einzig legitimen Glauben, synonym mit der Kirche. Im Zuge der Reformation erhielt das Wort dann die Bedeutung christlichen Glaubens und wurde im 18. Jahrhundert zu einem Begriff, der sich auch auf nicht-christliche Glaubenssysteme bezog. 16 Talcott Parsons: Excerpts from a letter to Tiryakian. Sociological Inquiry. Vol. 51, S. 35-36. 17 Krishna Prakash Gupta: Probleme der Bestimmung des Hinduismus in Max Webers Indienstudie. In: Wolfgang Schluchter (Hg.): Max Webers Studie über Hinduismus und Buddhismus. Frankfurt/ Main 1984, S. 151. <?page no="222"?> Petra Neuenhaus 222 Wenn jedoch ‘Religion’ auf Glaubenssysteme wie den Islam oder den Hinduismus bezogen wird, so beruht dies auf einem impliziten oder expliziten Vergleich mit dem Christentum, der eine Illusion erzeugt. Die Logik des Vergleichs bezieht die zu vergleichenden Elemente auf eine dritte, abstraktere Einheit, das tertium comparationis. So sind Christentum und Hinduismus vergleichbar, da man sie als Religionen versteht - wobei aber der Begriff der Religion ausgehend vom christlichen Modell gebildet wurde. 18 Der Begriff Hinduismus dagegen leitet sich vom Term ‘Hindu‘ ab, der im achten Jahrhundert benutzt wurde, um die Menschen zu bezeichnen, die jenseits des Sindhus- oder Indus-Flusses auf dem indischen Subkontinent lebten. Damit bezog er sich auf ein geographisches Territorium, auf dem es eine Vielfalt von Glaubensrichtungen und -praktiken gab. Die Anhänger dieser Glaubensrichtungen verstanden sich nicht immer als dem zugehörig, was wir heute unter Hinduismus verstehen. Max Webers Hinduismus-Studie hat, wie zahlreiche weitere Arbeiten zu diesem Thema, die Geschichte und das Selbstverständnis der Gläubigen nicht hinreichend berücksichtigt zugunsten einer mythendurchsetzten Konstruktion europäischer Prägung, die Fakten und Fiktion mischt und komplexe, heterogene Realitäten zu homogenisieren sucht. Eine Korrektur dieses Ansatzes müsste darin bestehen, aus einer vergleichenden Studie der Begriffe der verschiedenen Glaubenssysteme ein tertium comparationis zu entwickeln, das nicht kulturell vorgeprägt ist. Das setzt freilich eine große Vertrautheit mit den lokalen Traditionen und Diskursen voraus. Weber stützt sich jedoch auf Quellen, die ausnahmslos aus der Zeit nach der britischen Kolonisierung stammen und die Spuren dieses historischen und sozialen Kontextes tragen. Wir können daher Webers Indienbild mit Jakob Rösel als „romantisch-kolonial” bezeichnen. 19 Am Religionsbegriff zeigt sich also, wie scheinbar universelle Begriffe an lokale Geschichten gebunden sind. Die Ideen der Europäer, die über den Modernisierungsprozess reflektiert haben, waren nie reine, universelle Begriffe, sondern stets von der Sprache geprägt, in der sie entwickelt wurden. Die Sprache und die Umstände ihrer Formulierung haben ihren Analysen notwendigerweise Spuren der singulären Geschichten eingeschrieben, die zu den vielfältigen Vergangenheiten Europas gehören. Das stellt die Idee des Universellen als solche nicht in Frage, es erinnert nur daran, dass dieses Universelle ein leerer Ort ist, der notwendig leer bleiben muss, um die globalen Probleme der Moderne zu denken. 18 Vgl. hierzu und zum Folgenden Joachim Mattes: Religion in the Social Sciences: A Socio-Epistemological Critique. Akademika 56/ 2000, S. 85-105. 19 Jakob Rösel: Die Hinduismusthese Max Webers. Folgen eines kolonialen Indienbildes in einem religionssoziologischen Gedankengang. In: Materialien zu Entwicklung und Politik Nr. 22. München, Köln, London 1982. <?page no="223"?> Max Weber und Rabindranath Tagore: eine Annäherung 223 Das ist auch von den indischen Geisteswissenschaftlern vergessen worden, die sich auf hitzige Diskussionen Marx’ oder Webers eingelassen haben, ohne den historischen europäischen Kontext zu reflektieren. Wird jedoch das Universelle als Leere gedacht, die die Besonderheit der lokalen Geschichten bestehen lässt, so sind auch die Aneignung und der Bedeutungswandel mögliche Praktiken der interkulturellen Begegnung - wie es Tagore am Begriff der Zivilisation gezeigt hat, den er bewusst in der Vielfalt seiner sowohl europäisch als auch indisch geprägten Bedeutungen benutzt. Aber auch bei Weber lässt sich im Laufe seiner religionssoziologischen Arbeiten eine Verschiebung des Blicks feststellen. Sie ist zunächst am Wechsel der theoretischen Instrumente ablesbar: werden anfangs für den interkulturellen Vergleich häufig Analogien und Parallelen benutzt, so machen diese mehr und mehr der Hervorhebung von Kontrasten zwischen kulturellen Grunderfahrungen Platz. Dabei rückt die Eigenart der verschiedenen Religionstypen in den Blick. Dies führt schließlich zur Infragestellung des Verständnisses des Hinduismus als Religion im westlichen Sinn des Wortes: Weber bezieht sich ja nicht nur auf religiöse, sondern auch auf literarische und philosophische Texte wie die Bhagavadgita, und er erkennt immer deutlicher die komplexe Verflechtung des Hinduismus mit der indischen Gesellschaft, die so weit geht, dass ihm die Religion sich fast im Sozialen aufzulösen und ihre Eigenart durch die Gesamtheit der indischen Kulturgeschichte geprägt scheint. Zugleich zeigt sich eine tiefe Kluft, die Orient und Okzident voneinander trennt. In der Vorbemerkung zu den Aufsätzen zur Religionssoziologie aus dem Jahre 1920 behandelt Weber den Hinduismus als eine Religion, die auf höchst systematische Weise die ihr eigentümliche Richtung der Rationalisierung verfolgt hat. Die Spezifizität des indischen Rationalisierungsprozesses ist dabei durch das traditionsgebundene Kastensystem bestimmt - also mehr an Interessen als an Weltbildern orientiert. Weber verstand die britische Herrschaft als Katalysator auf dem Weg zur Überwindung dieses traditionellen Systems, wobei seine Skepsis gegenüber der okzidentalen Moderne ja bereits deutlich wurde. Hier werden also spezifische Rationalisierungsprozesse nebeneinander gestellt, deren Verschiedenheit letztlich so deutlich hervortritt, dass sie kaum noch miteinander vergleichbar sind. Weber problematisiert also durchaus die eigene Standortgebundenheit bei der Betrachtung fremder Wirklichkeit. Zwischen 1904 und 1920 lassen seine Schriften eine Sensibilisierung für die spezifischen Probleme der indischen Kultur und eine Schärfung der Aufmerksamkeit für das, was seinen an westlichen Verhältnissen gebildeten Kategorien entgleitet, erkennen. Eine weitere Verfolgung dieses differenzierenden Ansatzes könnte ein fruchtbares Element der kulturellen Begegnung sein - einer Begegnung, wie sie zwischen Tagore und Weber nicht stattgefunden hat, <?page no="224"?> Petra Neuenhaus 224 deren Simulation jedoch ein besseres Verständnis der Möglichkeiten und Grenzen beider Denkansätze erlaubt. So ließe sich die spezifische Prägung bestimmter Begriffe auch am Beispiel der Subjektivität zeigen: Webers soziologischer Ansatz ist ja bekanntlich vom subjektiven Sinn des Handelns geprägt, und ausgehend davon versteht er Probleme wie das der Theodizee. Wenngleich nun die europäische Moderne in der Entstehung der bengalischen Subjektivität entscheidende Spuren hinterlassen hat, so unterscheidet sich doch das multiple Subjekt der bengalischen Moderne vom europäischen Subjekt. Tagores literarische Texte zeigen das auf vielfache Weise. Tagores Gebrauch des darshan beispielsweise, einer Praxis des Sehens, die nahezu unbewusst ist und keinen Geist, kein Subjekt voraussetzt, sowie seine Kritik des Nützlichen, verbinden vedisches Denken mit europäischer Romantik. 20 Dass auch Weber in dieser Verbindung eine Möglichkeit sah, die ihm weit wünschenswerter erschien als die westliche Asketik, zeigen zahlreiche Stellen, in denen seine Faszination für die interesselose Kontemplation und die Integration verschiedener Lebensformen zum Ausdruck kommt. Weber sieht in der Bhagavadgita eine Thematisierung des Konflikts zwischen weltlicher Lebensordnung und transzendierender Erlösungsdimension, figuriert in der Konstellation zwischen Arjuna und seinem Wagenlenker Krishna. Hier wird eine Weltentsagung dargestellt, die sich äußerlich in den Ordnungen der Welt halten kann. Weber betont, es gehe dabei darum, dass sich der wissende Mensch gegen sein eigenes Handeln in der Welt bewährt, indem er das durch die Kastenpflicht Gebotene zwar vollzieht, aber innerlich gänzlich unbeteiligt daran bleibt: er handelt, als handelte er nicht. Das bedeutet, dass das Handeln ohne Blick auf den Erfolg, also interesselos, geschieht und so vermeidet, sich in die Welt zu verstricken. Auch hier vergleicht Weber die hinduistische mit der altchristlichen Praxis, recht zu tun und den Erfolg Gott anheim zu stellen, und nimmt eine kulturübergreifende Perspektive ein. Die Anspielung auf das Paulinische „Besitzen, als besäße man nicht” ist deutlich. Und auch hier bleiben die Differenzen zwischen beiden Haltungen herauszuarbeiten. Bibliographie Chakrabarty, Dipesh: De la civilisation à la mondialisation: l’Occident, un signifiant changeant dans la modernité indienne. In: Revue des Livres (online), 01/ 2012. — Provincialiser l’Europe. La Pensée postcoloniale et la différence historique. Paris 2009. Foucault, Michel: Surveiller et punir. La naissance de la prison. Paris 1975. Gerth, Hans Heinrich/ Martindale, Don Albert: The Religion of India: Sociology of Hinduism and Buddhism. New York, London 1967. 20 Vgl. Dipesh Chakrabarty: Provincialiser l’Europe. La Pensée postcoloniale et la différence historique. Paris 2009, S. 229-269. <?page no="225"?> Max Weber und Rabindranath Tagore: eine Annäherung 225 Gupta, Krishna Prakash: Probleme der Bestimmung des Hinduismus in Max Webers Indienstudie. In: Schluchter, Wolfgang (Hg.): Max Webers Studie über Hinduismus und Buddhismus. Frankfurt/ Main 1984. Kalinowsky, Isabelle: La sociologie des religions indiennes en France et en Allemagne au début du XX e siècle: Essai sur le régime des castes de Célestin Bouglé (1900-1908) et Hindouisme et bouddhisme de Max Weber (1916-1917). In: Revue germanique internationale (en ligne), 7/ 2008. Kantowsky, Detlef: Die Fehlrezeption von Max Webers Studie über „Hinduismus und Buddhismus“ in Indien: Ursachen und Folgen. In: Zeitschrift für Soziologie, 6/ 1985, S. 466-474. Loomis, Charles Price/ Loomis, Z. K.: Socioeconomic change and the religious factor in India. An Indian symposium of views on Max Weber. New Delhi 1969. Mattes, Joachim: Religion in the Social Sciences: A Socio-Epistemological Critique. Akademika 56/ 2000, S. 85-105. Neuenhaus, Petra: Max Weber und Michel Foucault. Über Macht und Herrschaft in der Moderne. Pfaffenweiler 1993. Parsons, Talcott: Societies: Evolutionary and Comparative Perspectives. Englewood Cliffs, New Jersey 1966. Rösel, Jakob: Die Hinduismusthese Max Webers. Folgen eines kolonialen Indienbildes in einem religionssoziologischen Gedankengang. In: Materialien zu Entwicklung und Politik. München, Köln, London 22/ 1982. Seubert, Harald: Max Weber interkulturell gelesen. Bautz 2006. Tagore, Rabindranath: Kalantar. Calcutta 1968. — Nationalism in the West [1917], Crisis in Civilization [1941]. In: The Essential Tagore. Cambridge, London 2011. Weber, Max: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie [1920-21]. Band I. Tübingen 1978 (RSI). — Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie [1920-21]. Band II. Tübingen 1921 (RSII). <?page no="227"?> Gabriele Fois-Kaschel / Martin Kämpchen L’air de famille entre deux grandes figures de la littérature-monde : Johann Wolfgang Goethe et Rabindranath Tagore Du particulier à l’universel Appeler Rabindranath Tagore le « Goethe de l’Inde » ne manquera pas, dans le contexte d’aujourd’hui, de susciter des réactions mitigées, même si son auteur se nomme Albert Schweitzer (1875-1965), grand personnage aux multiples talents, incarnant, lui aussi, l’espoir d’une humanité réconciliée. Notons qu’à l’époque Albert Schweitzer n’est ni le premier ni le seul à avoir suggéré pareil rapprochement. L’insistance sur le rapport de contiguïté entre deux des plus grands poètes du monde occidental et oriental deviendra même un topos qui semble toujours d’actualité, que ce soit dans la presse ou auprès des critiques littéraires. Essayons d’apprécier la validité et la sincérité des propos qu’avance Albert Schweitzer dans sa lettre du 15 août 1936 à Tagore 1 : « Si je vous nomme dans ce livre 2 le Goethe des Indes, c'est que selon moi, vous avez pour les Indes l'importance que Goethe avait pour l’Europe ». Le point de vue d’Albert Schweitzer reflète, certes, une approche eurocentriste du monde oriental privilégiant les canons de la culture européenne, mais il amorce déjà une inversion des positions. A partir du moment où il paraîtra tout aussi légitime de comparer Tagore à Goethe que de mesurer l’importance de Goethe par rapport à la renommée de Tagore en Inde, le projet d’une littérature-monde connaîtra son véritable avènement. Nous entrons ainsi dans le vif du sujet. Parmi les questions à trancher figure celle de la prétendue nouveauté de la notion de littérature-monde. Bien qu’il ne soit pas tout à fait exact de considérer Goethe comme l’inventeur de l’équivalent allemand de ce terme Weltliteratur, il a largement contribué à en façonner l’acception contemporaine 3 . Nous nous 1 Lettre du 15 août 1938 d’Albert Schweitzer à Tagore, envoyée depuis Günsbach en Alsace, conservée dans les Archives de Rabindra-Bhavan à Santiniketan, Inde. 2 Albert Schweitzer fait ici référence à son livre Les grands penseurs de l’Inde paru en première édition en 1936. 3 Le premier à avoir utilisé le terme de Weltliteratur est le poète, traducteur et éditeur allemand Christoph Martin Wieland. Pour replacer l’emploi de ce terme par Goethe <?page no="228"?> Gabriele Fois-Kaschel / Martin Kämpchen 228 appliquerons à démontrer que l’émergence de la littérature-monde, Weltliteratur, world literature s’explique non pas tant par le processus actuel de la mondialisation mais par la recherche du dépassement des frontières dans la connaissance de l’autre. Favoriser la rencontre entre Orient et Occident fut une des préoccupations constantes de Goethe et de Tagore. Pour l’un comme pour l’autre l’ouverture à un nouveau monde consiste à retisser plus étroitement encore les liens entre tradition et modernité. Ainsi, au lieu de courir le risque d’un nivellement des différences, en œuvrant pour le polylogue des cultures, ils créent le terrain propice à la naissance du sentiment d’appartenance à une même communauté, celle de l’humanité. Dans le même ordre d’idée, nous nous interrogerons sur la valeur du message d’universalité que traduisent leurs écrits et leurs actes. La tendance qui est de lier l’universalité du sentiment d’humanité à l’apparition d’êtres exceptionnels, de génies qualifiés d’universels, en allemand Universalgenie, pourrait s’avérer aussi réductrice que les théories postmodernes qui s’attaquent à la prétention universaliste de la pensée occidentale. Mais avant de nous intéresser à la littérature-monde et à l’universalisme, ces deux concepts-clés de la théorie postmoderne, nous allons mettre en parallèle les parcours de vie de Goethe et de Tagore avec, en arrièreplan, un aperçu du contexte littéraire et culturel de l’Allemagne et de l’Inde. Une telle démarche pourrait paraître à d’aucuns quelque peu arbitraire, sinon incongrue ; elle trouve sa justification dans la recherche de l’air de famille entre deux personnages hors pair que tout semble à première vue séparer : leur langue, leur culture et leur pays d’origine, leur situation historique, leur jugement esthétique. En référence au modèle wittgensteinien de la famille de ressemblances 4 , notre objectif est de décloisonner les savoirs et d’explorer de nouvelles synergies. Il s’agit, en fin de compte, de s’affranchir, autant que faire se peut, des catégories d’universalisme occidentales pour réfléchir aux conditions de l’épanouissement individuel au sein d’une communauté humaine conçue comme une communauté intersubjective de reconnaissance mutuelle. Plus simplement, avec les mots de Wittgenstein, nous dirions que : 66. « … Le résultat de cette considération est le suivant : Nous voyons un réseau complexe de ressemblances qui s’entrecroisent et s’enveloppent les unes les autres. Ressemblances d’ensemble comme de détail. » dans son contexte, cf. Henric Birus : Goethes Idee der Weltliteratur. Eine historische Vergegenwärtigung (19.01.2004). In : Goethezeitportal. URL : http: / / www.goethezeitportal.de/ db/ wiss/ goethe/ birus_weltliteratur.pdf (30.09.2011) 4 Cf. Ludwig Wittgenstein : Philosophische Untersuchungen. In : Werkausgabe in 8 Bänden, Bd. 1. Frankfurt/ Main 1984, en particulier la définition de la notion de « famille de ressemblances » ou d’« air de famille » qu’il développe dans les paragraphes 66 et 67. <?page no="229"?> L’air de famille entre deux grandes figures de la littérature-monde 229 67. « Je ne puis caractériser ces ressemblances que par le mot "ressemblances de famille", car c’est de la sorte que s’entrecroisent et s’enchevêtrent les différentes ressemblances qui existent entre les différents membres d’une famille : la taille, les traits du visage, la couleur des yeux, la démarche, le tempérament etc. etc. » 5 . L’air de famille entre Goethe et Tagore L’expérimentation d’un rapprochement entre Goethe et Tagore se fera en vertu de leurs « ressemblances familiales ». En empruntant à Wittgenstein la notion d’air de famille, nous adoptons une démarche qui évite autant que possible l’abstraction et l’uniformisation. Aussi, au lieu de bâtir notre argumentation sur le concept du génie universel, nous tâcherons de dresser le portrait de deux figures emblématiques de la littérature-monde dont les ressemblances ne peuvent être expliquées ni par une filiation des traditions, ni par simple coïncidence. Outre que la notion d’air de famille servira d’outil de comparaison, elle autorise une marge d’indétermination qu’on aurait tort de confondre avec l’indécision ou avec un relativisme positiviste. L’autre avantage de cette méthode d’analyse est son application à tous les phénomènes du monde physique et moral. Selon Wittgenstein, les airs de famille unissent divers champs d’activités humaines : langage, art, règles de vie individuelle et collective, savoir-faire. Plutôt que d’exalter le génie de l’homme ou de faire l’apologie des hommes de génie, Wittgenstein insiste sur l’interdépendance des formes de vie et sur leur enchâssement contextuel. Ce serait donc cette capacité exceptionnelle de sublimer le présent qui constituerait l’un des principaux traits communs entre Goethe et Tagore, et non pas leur génie d’être en avance sur leur temps et sur leurs contemporains. L’idée du génie universel C’est à la lumière d’un concept spécifique à la culture germanique, celui de Universalgenie, génie universel, que nous allons apprécier l’impact et l’importance des actions menées par Goethe et par Tagore au cours et audelà de leur existence. Les deux écrivains s’illustrent dans divers genres poétiques, aussi bien narratif, dramatique que lyrique. Ils débutent comme poètes et continueront jusqu’à la fin de leur vie de s’exprimer par la voix de la poésie dont ils maîtrisent un très large éventail représentatif des différentes catégories lyrique, narrative, panégyrique, élégiaque, épigrammatique et burlesque. L’emploi du ton élevé leur est aussi familier que l’idiome populaire. Pour l’un comme pour l’autre, la poésie est le lieu par excellence où les questions métaphysiques entrent en résonance avec les 5 Ibid., p. 278. (traduit par G.FK). <?page no="230"?> Gabriele Fois-Kaschel / Martin Kämpchen 230 préoccupations existentielles du moment. Ce besoin d’extériorisation se matérialise très souvent sous la forme du chant chez Tagore. En plus de l’hymne national indien dont il est l’auteur, un grand nombre de ses compositions jouissent d’une extrême popularité en Inde où l’unité du poème et de la musique, du poète et du compositeur semble perçue de manière plus intuitive et spontanée, contrairement à l’Europe qui privilégie un mode de raisonnement analytique. Le sens musical de Goethe a probablement été moins développé que chez Tagore. Cela n’a pas pour autant empêché le succès durable de certains poèmes de Goethe auprès des compositeurs romantiques qui les adaptèrent sous la forme du Lied, renouant ainsi avec des traditions orales et populaires de la poésie. En outre, sa recherche des Formes naturelles de la poésie (Naturformen der Dichtung) conduisit Goethe à s’intéresser au poète persan Hafiz dont l’ouvre lyrique Le Divan lui a inspiré l’un des recueils de poèmes parmi les plus célèbres, réunis sous le titre de Divan occidental-oriental (West-östlicher Divan). Il est rare de trouver d’autres exemples à cette époque qui expriment avec autant d’acuité poétique la voie du dialogue et du respect mutuel entre les cultures. 6 Parmi les différents volets de leur production littéraire, la poésie ne représente pourtant qu’une partie, essentielle, mais nécessairement complémentaire à d’autres genres d’écritures. Dans la prose aussi, les deux écrivains se démarquent par la maîtrise d’une gamme étendue de procédés textuels, se traduisant par des récits, des nouvelles, des autobiographies, des essais critiques, des études scientifiques, des relations de voyage, ainsi qu’un immense corpus de lettres. Leurs réflexions sur la complexité du monde ont donné lieu à plusieurs œuvres majeures qui, par leur capacité à ouvrir de nouveaux horizons, résistent à l’usure du temps. Sans s’avancer à parler de chefs-d’œuvre, notion inséparable de celle d’immortalité et d’universalité et, de ce fait, strictement opposée à l’esprit moderne, on se doit de reconnaître leur importance pour l’aire culturelle germanique d’un côté, et bengalie de l’autre. A titre d’exemple, citons le roman The Home and the World dont l’édition originale en langue bengalie Ghare Baire date de 1915. Le message de tolérance et de respect de l’altérité dont est imprégné l’autre grand roman de Tagore, Gora, a eu un impact tout aussi significatif sur la construction de l’identité sociale, culturelle et politique de son public en Inde. De façon analogue, on peut difficilement apprécier la culture germanique classique sans faire référence aux œuvres de Goethe, notamment à son roman épistolaire Les souffrances du jeune Werther (Die Leiden des jungen Werther), son roman de formation Les années d’apprentissage de Wilhelm Meister (Wilhelm Meisters Lehrjahre), sa nouvelle sur la 6 Cette appréciation de la démarche poétique de Goethe n’enlève évidemment rien aux mérites d’un Montaigne, Montesquieu, Diderot, Voltaire qui, au plan de l’histoire des idées, ont inauguré le dialogue philosophique transculturel. <?page no="231"?> L’air de famille entre deux grandes figures de la littérature-monde 231 science des forces naturelles Les affinités électives (Die Wahlverwandschaften), ou encore son autobiographie Poésie et vérité (Dichtung und Wahrheit). Pour conclure ce rapide tour d’horizon de la production littéraire de Goethe et de Tagore, nous allons consacrer quelques observations à leurs activités de dramaturge et metteur en scène. Hormis la création d’une figure paradigmatique de la civilisation occidentale avec l’homme faustien, le Faust de Goethe a laissé des traces jusque dans l’Inde Orientale. Tagore lui-même se dit profondément marqué par ce drame philosophique de l’homme moderne. Le thème du retour vers la sphère archaïque des mères et le motif de l’éternel féminin représentent indéniablement un autre lien intertextuel allant de Goethe à Tagore. Alors qu’il serait anachronique de supposer une réciprocité des influences subies par des individus ayant vécu à des époques différentes, il est utile de rappeler un autre dénominateur commun en la personne de Kalidasa, auteur du drame classique sanscrit Sakuntala dont se réclament aussi bien Goethe que Tagore pour y avoir puisé les images et conceptions du féminin et du masculin. Malgré l’intérêt que présente l’approfondissement de la piste de l’intertextualité, nous allons porter notre regard sur un autre aspect de leur expérience du monde du spectacle. C’est sur le terrain de leurs idées éducatives que se croisent leurs approches interactives et performatives des arts de la scène. Selon Goethe et Tagore, le théâtre, plus que tout autre pratique artistique, répond à leur projet d’éduquer l’homme à l’humanité. En témoignent les nombreuses pièces de théâtre dont Goethe est tout à la fois l’auteur, le metteur en scène, parfois même l’interprète, alors qu’il dirige le théâtre de Weimar (1792-1817). Tagore développe des stratégies similaires pour favoriser l’épanouissement de ses disciples. Lui aussi monte sur scène pour jouer, danser et chanter les pièces qu’il écrit à l’intention de ses étudiants de l’université de Santiniketan. De même que le jeu des acteurs connaît une réforme en profondeur, aucun autre outil de la scène n’est négligé, ni le décor, ni la lumière, ni les tenues vestimentaires. De la mise en synergie de tous ces éléments émerge un avant-projet de ce qu’on pourrait appeler l’œuvre d’art intégrale, Gesamtkunstwerk. Contrairement à la conception wagnérienne du Gesamtkunstwerk 7 , qui inaugure, certes, une nouvelle esthétique musicale et scénique, mais qui se caractérise également par sa tendance totalisante voire totalitaire 8 , l’approche transsémiotique de l’art qui est celle de Goethe et de Tagore, permet 7 L’œuvre d’art intégrale représente selon Wagner la possibilité de s’affranchir des contingences en même temps qu’elle réalise la régénération du monde par l’art. Largement influencé par la philosophie de Schopenhauer dont le pessimisme se nourrit aux sources de la sagesse indienne, Wagner s’est fait le chantre du renoncement à la vie sur le mode de l’ascèse hindouiste et chrétienne. 8 A la suite de Nietzsche qui avait pris pour cible tout système de pensée clos sur luimême, Adorno conteste la prétention à la totalité de l’œuvre d’art intégrale wagnérienne. Cf. Theodor W. Adorno : Essai sur Wagner, trad. de l’all. par Hans Hildenbrand/ Alex Lindenberg. Paris 1993. <?page no="232"?> Gabriele Fois-Kaschel / Martin Kämpchen 232 d’actualiser tous les possibles de l’homme en tenant compte de la situation particulière qui est la sienne. Performativité du sujet et jeu des synergies collectives Ce programme esthétique inclut un engagement tant humain que politique. Goethe développe notamment l’idée du rôle pédagogique, édifiant ou moralisateur du théâtre. Déroutés par des mots et concepts qui sont sortis de l’usage courant, d’aucuns seraient tentés d’y déceler la présence d’un conservatisme social. Ceux-là restent insensibles aux performances interactives qu’engendre l’expression théâtrale. Les thèmes traités par Tagore répondent peut-être mieux à nos préoccupations actuelles, même s’ils s’inscrivent dans un contexte qui nous paraît tout aussi éloigné. Ainsi, au travers d’une véritable mise en situation des personnages, nous parvenons à découvrir la part des réalités matérielles dans nos représentations du monde et de nous-mêmes, nous participons au conflit entre aspirations individuelles et intérêt collectif, et nous assistons à la réconciliation entre valeurs modernes et héritage spirituel du passé. Les arts performatifs contemporains, issus des mouvements d’avantgarde du début du XX e siècle, s’inscrivent dans la même optique d’un dépassement des dualismes propres à la pensée occidentale. Il conviendrait d’ailleurs d’analyser plus profondément l’influence des pratiques scéniques et des traditions corporelles orientales sur l’essor de la modernité en Occident. Inversement, il ne faut pas non plus passer sous silence les enseignements de la modernité occidentale dont Tagore s’est fait le passeur en Inde. Prenons comme seul exemple ses rencontres et échanges avec certains pionniers de la danse dite libre dont Ruth Saint Denis (1878-1968) ou les élèves de Mary Wigman (1886-1973), qui, par leurs chorégraphies d’inspiration orientale ont révolutionné à jamais notre sens du corps et du mouvement. L’exploration de nouvelles voies d’émancipation, accessibles à tout un chacun, par la libération du geste, à travers l’expérience partagée du rythme et du son, pourrait expliquer pourquoi Tagore a pris l’initiative d’enrichir dès 1919/ 20 l’offre de formation de la Visva-Bharati Université par la création de deux institutions autonomes destinées à l’enseignement et à la pratique des arts, l’école de musique et de danse (Sangeet Bhawan) et l’école des beaux arts (Kala Bhawan). Sauf à se contenter d’une énumération purement descriptive, il n’est pas réaliste de vouloir montrer tous les points communs entre Goethe et Tagore qui se dégagent de leur pratique du dessin ou de la peinture, de leur intérêt pour l’architecture et les arts plastiques, de leur curiosité pour les cultures, populations et pays étrangers, de leur regard scientifique sur la nature. Faut-il pour autant conclure que face à de tels exploits on ne peut que se montrer admiratif ? <?page no="233"?> L’air de famille entre deux grandes figures de la littérature-monde 233 Nous n’aurions alors pas atteint notre but qui était une comparaison entre Goethe et Tagore en fonction d’un certain nombre de traits partagés. Or la découverte d’une parenté spirituelle entre ces deux personnages d’exception n’a pu se faire sans le recours à la notion wittgensteinienne d’air de famille. En contournant la voie de l’abstraction intrinsèque à tout concept, y compris celui de génie ou d’esprit universel, nous avons été amenés à explorer et à repousser les frontières entre les mondes classique et moderne, entre l’Occident et l’Orient. Il est ainsi apparu que le génie de Goethe et Tagore, s’il en est, n’est pas tant le fait de l’excellence de leurs compétences et de leurs talents, mais avant tout de leur aspiration vers l’au-delà de toute limite. L’expression d’un tel élan ou surplus de forces peut être considérée comme un signe distinctif de l’humanité à l’inscription duquel la modernité fournit le cadre. La question du décalage entre, d’une part, les connaissances théoriques et pratiques de l’époque, d’autre part, les besoins futurs de l’humanité, trouverait ainsi sa solution. Suite à la spécialisation dans tous les domaines de la vie, des arts et des sciences, le mythe du génie universel a fait son temps en Occident. Son pouvoir de fascination n’a pas pour autant complètement disparu. Il n’est que de relever la mystification entourant des personnages d’exception comme Goethe et Tagore, qui, loin de nous rapprocher d’une vérité ultime et universelle, nous plonge dans un monde d’abstraction détaché du réel. Or une telle conséquence irait à l’encontre des intentions mêmes de ces deux penseurs-créateurs. L’idéal contrefactuel de l’universalité Lorsque Ludwig Wittgenstein écrit dans son Tractatus Logico-Philosophicus (5.61) : « La logique remplit le monde : les limites du monde sont aussi ses propres limites. […] Ce que nous ne pouvons penser, nous ne saurions le penser, nous ne pouvons donc dire ce que nous ne pouvons pas penser » 9 , sa réflexion semble faire écho à un des plus fameux poèmes, dans la pure tradition classique, de Goethe : Limites de l’humanité (Grenzen der Mensch heit). Il dit : 9 « Die Logik erfüllt die Welt ; die Grenzen der Welt sind auch ihre Grenzen. […] Was wir nicht denken können, das können wir nicht denken ; wir können also auch nicht sagen, was wir nicht denken können. » <?page no="234"?> Gabriele Fois-Kaschel / Martin Kämpchen 234 Car aux dieux Ne doit se mesurer Aucun homme Et s'il se dresse Et touche de la tête Aux étoiles Nulle part n'adhèrent Ses semelles incertaines Il devient alors le jouet Des nuages et des vents. Denn mit Göttern Soll sich nicht messen Irgendein Mensch. Hebt er sich aufwärts Und berührt Mit dem Scheitel die Sterne Nirgends haften dann Die unsichern Sohlen, Und mit ihm spielen Wolken und Winde. Sans affirmer la supériorité du divin sur l’humain, Goethe, au regard de son héritage gréco-romain et de sa culture judéo-chrétienne, ne peut concevoir un Tout harmonique où la polarité entre le Divin éternel et la finitude de l’homme serait absorbée. Tant que l’homme reste victime de l’hybris, la démesure, il ne saurait y avoir de vrai progrès pour l’humanité. Il y a, incontestablement, une différence importante entre le constat aux accents tautologiques de Wittgenstein et le poème de Goethe. En effet, tandis que Wittgenstein fait valoir les limites de la pensée, les vers de Goethe contiennent un avertissement moral. Malgré un cheminement différent, les deux positions se rejoignent cependant dans le présupposé de deux modalités fondamentales de l’être que sont le « pouvoir » (können) et le « devoir » (sollen). Contrairement au mode de pensée binaire de Goethe, Tagore aspire à atteindre l’idéal de totalité en prenant comme fondement la diversité. Sa vision de l’unité du cosmos est ancrée dans l’expérience du monde sensible et reflète sa recherche d’harmonie, harmonie en soi-même, harmonie au sein du collectif, harmonie avec la nature. Les poèmes de Tagore sont un chant à la vie, à la terre et à son humanité. boiragya sadhane mukti se amar nay| asankhya bandhan-majhe mahanandamay labhiba mukhtir svad. 10 Trouver la liberté dans le renoncement N’est pas ma prédestination. Intriqué dans d’innombrables liens, je goûte Aux délices suprêmes de la liberté. Ces quelques vers contiennent deux expressions qui ne manqueront pas d’interpeller : le « renoncement » du sujet et le sujet « intriqué ». L’attitude du renoncement peut être considérée comme un des leitmotivs qui parcourent non seulement la vie et l’œuvre de Goethe mais toute la 10 Rabindranath Tagore : Naibedya 30. In : Rabindra-racanabali, vol. 4. Kolkata 1394, p. 282. Traduction française par G.FK à partir des traductions anglaise et allemande de M. Kämpchen. <?page no="235"?> L’air de famille entre deux grandes figures de la littérature-monde 235 civilisation judéo-chrétienne jusqu’à ce que Nietzsche en fasse sa cible principale en proclamant la mort de Dieu. En rejetant le monde suprasensible au profit du monde sensible, Nietzsche pose les fondements de la modernité. Tagore, même s’il privilégie l’épanouissement personnel sur terre, n’est pas prêt à faire table rase des principes de la spiritualité. Jouir pleinement des splendeurs du monde, favorise, selon lui, l’expérience de l’unité cosmique. Chez Nietzsche au contraire, l’affirmation de la vie s’impose par sa valeur intrinsèque, en contrepoint du sentiment de la décadence et du déclin des valeurs occidentales. Par sa dimension humaine et ouverte sur le monde, la pensée de Tagore rejoint assurément la philosophie de la modernité, une modernité qui s’affranchit progressivement de la domination occidentale. A travers l’évocation du sujet intriqué, Tagore dresse un inventaire des apories de la modernité. Le terme quelque peu insolite « intriqué », plus connu sous sa forme anglaise « entangled » 11 , n’est pas sans rappeler la critique postmoderne qui dénonce l’illusion du progrès, l’illusion de la raison, l’illusion de l’universalisme. D’aucuns pourraient objecter que d’un point de vue philologique rien ne garantit la fidélité et l’exactitude de la traduction du terme bengali. Il n’en reste pas moins que l’invitation à se jouer des liens qui définissent notre existence est à rapprocher de la démarche subversive du déconstructivisme postmoderne. Passé et modernité Pour les fins de notre analyse et en vue d’une synthèse, revenons aux observations d’Albert Schweitzer. En avançant l’hypothèse d’un rapport de contiguïté entre Goethe et Tagore, c’est à lui que nous devons la découverte de leurs traits communs, mettant en relief un air de famille insoupçonné. Albert Schweitzer se place, certes, dans une perspective occidentale lorsqu’il fixe les positions du comparent et du comparé, mais au lieu de s’aligner sur une vision hiérarchique des cultures et de leurs représentants, il souligne le caractère transnational, universel, du génie quand il dit à propos de Tagore : « Ce penseur tout empreint de noblesse et d’harmonie, le Gœthe (sic) de l’Inde, n’appartient pas seulement à son peuple, mais à l’humanité entière. » 12 11 Les termes « entangled », « entanglement » fonctionnent comme clés de voûte des théories postcoloniales. Cf. Ann Laura Stoler/ Frederick Cooper : Tensions of Empire. Colonial Cultures in a Bourgeois World. Berkeley 1997. L’équivalent français « intriqué » du mot anglais « entangled » fait référence à l’enchevêtrement d’éléments les uns dans les autres, et rappelle immanquablement la définition wittgensteinienne des airs de famille. 12 Albert Schweitzer : Les grands penseurs de l’Inde. Paris 1936, 1962, p. 187. <?page no="236"?> Gabriele Fois-Kaschel / Martin Kämpchen 236 Le rapprochement entre Goethe et Tagore, qui est de l’ordre de la métonymie 13 , entraine leur fusion en un seul être, donnant ainsi corps au rêve universaliste d’une humanité unifiée. De façon moins grandiloquente, en se plaçant dans la perspective des études postcoloniales sur les « entangled histories » 14 , on pourrait être tenté de ramener ce rêve universaliste au projet du croisement, de l’enchevêtrement et de la circulation des savoirs dans le temps et dans l’espace. Il ne suffit certes pas d’une figure de style pour faire apparaître la parenté profonde qui relie les hommes, audelà de la distance et du temps, au-delà de leurs origines nationales, sociales et culturelles, autour d’un idéal commun. Malgré tout, ce procédé rhétorique permet de battre en brèche quelques idées reçues sur le génie de ces personnes qui, selon des représentations collectives et stéréotypées, n’ont pas leur égal. Le but d’Albert Schweitzer n’est alors pas de faire tomber les idoles de leur piédestal, mais de contribuer à l’orientation de chaque être vers le partage de valeurs communes véhiculées par le biais de créations singulières, porteuses d’universalité. Ainsi il s’est appliqué tout au long de sa vie à comprendre, voire concilier les différentes réalités de son époque. En témoigne en particulier son livre Les grands penseurs de l’Inde, paru en 1936, où il retrace l’évolution de la philosophie indienne depuis ses origines jusqu’à l‘époque contemporaine. Tagore sert de modèle pour surmonter l’opposition entre deux visions de l’existence, l’une transcendant le réel, l’autre close sur elle-même, limitée aux perspectives des générations précédentes. Par son don de s’émerveiller devant la beauté et l’harmonie du monde, contrairement à d’autres sages hindous ou bouddhistes qui n’y voient qu’illusion, contrairement aussi aux réflexions philosophiques de Goethe sur la finitude de la condition humaine, Tagore nous fait découvrir ce qu’est l’essence même de la poésie. Dans le même temps, il nous offre un aperçu de ce que les romantiques allemands entendaient par l’idée d’une poésie universelle progressive. Faut-il y voir les avatars du mode de pensée hégémonique de la modernité occidentale ? Le besoin d’enchanter, de réenchanter le monde au moyen de l’art et de la poésie, peut-être est-ce là, au contraire, la manifestation d’une nouvelle dynamique culturelle au-delà des frontières que nourrit le désir universel 13 Cf. définition de l’Encyclopédie Larousse en ligne : « La métonymie est une figure de style qui opère un « transfert de dénomination ». Elle réside plus particulièrement dans le procédé qui consiste à désigner une chose ou une notion par une autre chose ou notion appartenant au même ensemble. » http: / / www.larousse.fr/ encyclopedie/ divers/ m%C3%A9tonymie/ 69841 (30.09.2011) 14 L’expression « entangled histories » trouve ses équivalents dans « histoire enchevêtrée », « histoire croisée », « histoire intriquée », mais nous semble plus transparente que la traduction française dont chaque variante revoie à un positionnement épistémologique particulier. Plus imagée que le français, la traduction allemande par « verflochtene Geschichte » cadre mieux avec les aspects performatifs du concept anglo-saxon. <?page no="237"?> L’air de famille entre deux grandes figures de la littérature-monde 237 d’interagir et de créer. Les technologies modernes de communication ont indéniablement contribué à l’accélération des processus d’échange et de mondialisation, mais elles sont également responsables de la perte du contact sensible entre les membres d’une communauté plus virtuelle que vivante. Comme l’a pressenti Goethe, tout comme Tagore d’ailleurs qui n’a ménagé aucun effort pour aller à la rencontre de son public, la littératuremonde demeurera un artefact, une virtualité, tant qu’elle reste hors de portée des sujets et de leurs pratiques de vie. En 1828, à l'occasion de la rencontre des naturalistes à Berlin 15 , Goethe résume, avec force précisions, son idée de la littérature-monde : « Si nous avons osé annoncer l'avènement d'une littérature européenne, voire universelle, cela ne veut pas dire que les différentes nations prennent conscience les unes des autres ou qu'elles prennent conscience de leurs productions respectives, car, à ce titre, celle-ci existe depuis longtemps, se perpétue et se renouvelle plus ou moins. Non ! Il est surtout question de la nécessité pour les écrivains vivants qui ont pour ambition de promouvoir la littérature de faire mutuellement connaissance et de trouver, tant par goût personnel que par sens de la communauté, un intérêt à remplir un rôle social. Plutôt que les échanges écrits, ce sont les écrivains nomades qui atteignent cet objectif, car seule la présence physique est capable de forger et de faire durer une vraie relation entre les hommes. » 16 Bibliographie Adorno, Theodor W. : Versuch über Wagner. In : Gesammelte Werke in 20 Bänden, Bd. 13. Frankfurt/ Main 2003. Bhaba, Homi K. : The Location of Culture. London 2 2004. Birus, Hendric : Goethes Idee der Weltliteratur. Eine historische Vergegenwärtigung (19.01.2004). In : Goethezeitportal. (30.09.2011) http: / / www.goethezeitportal.de/ db/ wiss/ geothe/ birus_weltliteratur.pdf Goethe, Johann Wolfgang : Sämtliche Werke. Briefe, Tagebücher und Gespräche [Frankfurter Ausgabe], 40 Bände. Friedmar Apel/ Hendrik Birus et alii (Hg.). Frankfurt/ Main 1986-1999. 15 Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte, une association de naturalistes et de médecins allemands fondée en 1822 par Lorenz Oken. 16 « Wenn wir eine europäische, ja eine allgemeine Weltliteratur zu verkündigen gewagt haben, so heißt dieses nicht, daß die verschiedenen Nationen von einander und ihren Erzeugnissen Kenntnis nehmen, denn in diesem Sinne existiert sie schon lange, setzt sich fort und erneuert sich mehr oder weniger; nein! hier ist vielmehr davon die Rede, daß die lebendigen und strebenden Literatoren einander kennen lernen und durch Neigung und Gemeinsinn sich veranlaßt finden, gesellschaftlich zu wirken. Dieses wird aber mehr durch Reisende als durch Korrespondenz bewirkt, indem ja persönlicher Gegenwart ganz allein gelingt, das wahre Verhältnis unter Menschen zu bestimmen und zu befestigen. » Johann Wolfgang Goethe : Sämtliche Werke. Briefe, Tagebücher und Gespräche [Frankfurter Ausgabe], 40 Bde. Friedmar Apel/ Hendrik Birus et alii (Hg.). Frankfurt/ Main 1986-1999, hier: I. Abteilung, Bd. 25, S. 79. <?page no="238"?> Gabriele Fois-Kaschel / Martin Kämpchen 238 Schweitzer, Albert : Les grands penseurs de l’Inde. Paris 1936, 1962. Stoler, Ann Laura/ Cooper, Frederick (eds) : Tensions of Empire. Colonial Cultures in a Bourgeois World. Berkeley 1997. Tagore, Rabindranath : The Essential Tagore. Fakrul Alam/ Radha Chakravarty/ Amit Chaudhuri (eds). Cambrigde 2011. Wittgenstein, Ludwig : Tractatus Logico-Philosophicus. In : Werkausgabe in 8 Bänden, Bd.1. Frankfurt/ Main 1984. — Philosophische Untersuchungen. In : Werkausgabe in 8 Bänden, Bd.1, Frankfurt/ Main 1984. <?page no="239"?> Autorenverzeichnis Sylvia Boyer, Doktorandin der Germanistik mit Schwerpunkt Über setzungswissenschaft, Universität La Réunion. (tradallemand@gmail.com) Fabien Chartier, Dr., Anglistik, Lehrbeauftragter an der Universität Rennes 1. (fabien.chartier@univ-rennes1.fr) Julie Dumonteil, Dr., Agrégée Germanistik, Maître de conférences am Institut für Germanistik, Universität La Réunion. (juliedumonteil@yahoo.com) Elisabeth Foïs, Agrégée und Master Germanistik. (elisabeth_fois@hotmail.com) Gabriele Fois-Kaschel, Dr., Professorin für Deutsche Sprache und Literatur, Agrégée Germanistik, Universität La Réunion. (gabrielle.fois-kaschel@univ-réunion.fr) Angelika Fuehrich, Ph.D., Professorial Lecturer für Deutsche Sprache, Kultur und Politik, The Paul H. Nitze School of Advanced International Studies, Johns Hopkins University, USA. (afuehrich@jhu.edu) Rolf-Peter Janz, Dr., Professor em. für Neuere deutsche Literatur, Freie Universität Berlin. (rp.janz@fu-berlin.de) Martin Kämpchen, Dr. phil., Germanistik und Vergleichende Religions wissenschaft, freischaffender Autor und Übersetzer, Visva-Bharati-Uni versität, Santiniketan, West-Bengalen. (m.kaempchen@gmx.de) Thomas Koebner, Dr., Professor em. für Filmwissenschaft, Universität Mainz. (thomas.koebner@t-online.de) Annamaria Motrescu-Mayes, Dr., Affiliate Lecturer and Research Associate, Centre of South Asian Studies, University of Cambridge. (amm230@hermes.cam.ac.uk) <?page no="240"?> Autorenverzeichnis 240 Petra Neuenhaus, Dr. phil., Agrégée Germanistik, Classes Préparatoires aux Grandes Ecoles, Enghien-les-Bains. (petra.neuenhaus@hotmail.fr) Matthew Pritchard, Dr., British Academy Postdoctoral Fellow an der Fakultät für Musik, University of Cambridge. (matthewpritchard111@hotmail.com) Catherine Repussard, Dr. habil., Maître de conférences am Institut für Germanistik, Universität Strasbourg. (repussardcatherine@wanadoo.fr) Vilasnee Tampoe-Hautin, Dr. habil., Agrégée Anglistik, Maître de conférences, Universität La Réunion. (vilasnee.hautin@wanadoo.fr) <?page no="241"?> So wie die Vertreter der westlichen Moderne ihren eigenen Standpunkt dem fremden gegenüber stellten, ohne dass die verschieden gearteten Ansichten zwangsläufig zur Deckung kamen, machte sich Rabindranath Tagore (1861−1941) die fremde Kultur zu eigen, indem er sie als das notwendige Andere der Modernität in einem grenzüberschreitenden, globalen Kontext sichtete. Tagores Alterität erfüllt somit alle wichtigen Voraussetzungen für die Annäherung zwischen verschiedenen Welten. An seinem Werk und Wirken lässt sich beispielhaft zeigen, wie der Dialog, genauer gesagt der Polylog der Kulturen in Gang kommt und was er zu leisten fähig ist. Das Programm der historischen Avantgardebewegungen des 20. Jahrhunderts, durch die Erschließung und performative Aneigung des Fremden das Bewusstsein für das mögliche Eigene zu schärfen, würde auf diese Weise zu unverhoffter Aktualität gelangen.