Griechentum und Goethezeit
Geschichte eines Glaubens
0514
2014
978-3-7720-5513-3
978-3-7720-8513-0
A. Francke Verlag
Walther Rehm
Rehms Werk >>Griechentum und Goethezeit<< hat nicht nur Generationen von Literaturwissenschaftlern geprägt, es ist immer noch eine wichtige Gesamtdarstellung der Kulturvermittlung zwischen antikem Griechenland und der deutschen Literatur. Wie sehr die deutsche Klassik und Romantik die griechischen Impulse aufgenommen haben, wie sehr sich der Humanismus im griechischen Denken erkannte und verkannte - das hat Rehm in dauerhaft gültiger Form beschrieben. Heutige Leserinnen und Leser werden Zeitgebundenes erkennen und doch immer wieder staunen über den Bildungsreichtum und den weiten Blick. Ein Buch, das jede Generation neu entdecken kann.
<?page no="0"?> Griechentum und Goethezeit Geschichte eines Glaubens 5. Auflage Walther Rehm R E P R I N T <?page no="1"?> Walther Rehm Griechentum und Goethezeit <?page no="3"?> Walther Rehm Griechentum und Goethezeit Geschichte eines Glaubens Mit sechs Bildtafeln Fünfte Auflage <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Friedrich August von Kaulbach (1850-1929): "In Arcadia" (1880), Öl auf Leinwand In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Literaturarchiv Marbach Gedruckt mit freundlicher Unterstützung von Dr. phil. Nicola Leibinger- Kammüller und der Helmut Nanz-Stiftung sowie Herrn Dr. Rainer Wilhelm. © 2014 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem und säurefreiem Werkdruckpapier. Internet: www.francke.de E-Mail: info@francke.de Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen Printed in Germany ISBN 978-3-7720-8513-0 <?page no="5"?> INHALT Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX I. E i n l e i t u n g : Ferne und Gegenwart . . . . . . . 1 II. W i n c k e l m a n n : Gesetz und Botschaft . . . . . . 23 III. G e n i e z e i t : Widerspruch und Wandel . . . . . . 56 IV. H e r d e r : Aufgabe und Maß . . . . . . . . . . 84 V. G o e t h e : Sehnsucht und Fülle . . . . . . . . . 114 VI. S c h i l l e r : Höhe und Kampf . . . . . . . . . . 191 VII. H u m b o l d t : Ruhe und Breite . . . . . . . . . 229 VIII. G r ä k o m a n i e : Leidenschaft und Gefahr . . . . . 255 IX. I n t e r p r e t a t i o c h r i s t i a n a : Umkehr und Fernblick 271 X. H ö l d e r l i n : Schicksal und Liebe . . . . . . . . 319 Anhang: Übersichtstafel — Verzeichnis und Erläuterung der Abbildungen — Nachweise — Abkürzungsverzeichnis — Namensregister . . . . . . . . . . . . . . 383 <?page no="7"?> Das Griechische klang, wie ein Stern in der Nacht erscheint. GOETHE <?page no="8"?> Walther Rehm. 1901-1963 <?page no="9"?> VORWORT D ie nachfolgende Arbeit ist in den Jahren seit 1928 entstanden; Thema und Problemstellung wurden mehrfach in Vorlesungen und Übungen erprobt. Wenn zum Ganzen etwas gesagt werden darf, dann dies, daß dem Verfasser das Thema aus seinen Studien allmählich unabweisbar zugewachsen ist: Die Arbeit steht in einem engen Zusammenhang mit früheren Bemühungen um die Formen des Renaissance- und Romgedankens, allgemeiner noch, um die Geschichte und Nachgeschichte des klassischen Ideals bis hin zu Jacob Burckhardt. Den römischen Hintergrund, von dem sich die deutsch-griechische Bewegung langsam ablöst, sucht ein größerer Aufsatz im 22. Band der Germanisch-Romanischen Monatsschrift zu verdeutlichen; er bereitet das hier Folgende vor. Alles Forschungsmäßige ist, soweit als möglich, in die Darstellung selbst hineingearbeitet worden. Die Anmerkungen nennen von wissenschaftlichem Schrifttum nur das der Arbeit Förderliche, soweit es bis zum Abschluß des Ganzen im Frühjahr 1934 erschienen war. Um den Druck zu ermöglichen, mußte der Text gekürzt werden: Das Zusammendrängen aufs Wesentliche hat dem Ganzen hoffentlich genützt. Mehrfacher Aufenthalt in Rom und vorzüglich eine Reise nach Sizilien und Griechenland im Frühjahr 1932 aus den Mitteln der Einjahrhundertstiftung der Universität München sind dem Verfasser wichtigste Hilfe gewesen und unschätzbare Erinnerung geworden. Aufrichtig sei auch heute der Einjahrhundertstiftung für das gewährte Reisestipendium und für einen Druckzuschuß gedankt. Nicht minder gilt der Dank dem Verlag, der die Arbeit in seine Obhut genommen hat. Die beigefügten Bildtafeln sollen den im Buch geschilderten deutschgriechischen Bund aus dem Reich der Kunst her verdeutlichen, zu- <?page no="10"?> X gleich können sie etwas von jener Stimmung geben, in der die Goethezeit Griechenland fühlte und sah. Die Bilder selbst wären leicht zu vermehren, doch kaum die Namen der Künstler, die jene griechisch-heroische Ideallandschaft um 1800 gestaltet haben. Durch Überlassung von Vorlagen und die Erlaubnis der Wiedergabe haben zu Dank verpflichtet: die Direktion der bayrischen Staatsgemäldesammlung und der Graphischen Sammlung in München, die Leitung des Kupferstichkabinetts und des Schinkelmuseums in Berlin und des Goethe- Nationalmuseums in Weimar, endlich der Verlag Hanfstaengl in München. München, im Februar 1936 Walther Rehm ZUR FÜNFTEN AUFLAGE 2014 Walther Rehms „Griechentum und Goethezeit. Geschichte eines Glaubens“ wurde 1936 im Rahmen der Reihe „Das Erbe der Alten“ in der Dieterich’schen Verlagsbuchhandlung Leipzig veröffentlicht (Reihe 2, Band 26). Dort erschien bereits 1938, nahezu unverändert, auch die zweite Auflage. Die anschließend geplante dritte Auflage konnte erst 1952 im Francke Verlag Bern und München, an den die Rechte übergegangen waren, herausgebracht werden. Else Rehm, geb. von Eck (1901-1984), der das Buch einst von ihrem Mann gewidmet worden war, bemerkt dann im Vorwort zu der von ihr betreuten vierten, 1969 erschienenen Auflage: „Größere Eingriffe hatte der Verfasser auch für diesen Neudruck [von 1952] nicht vorgenommen. Der Text wurde sorgfältig durchgesehen und, soweit nötig, auf Grund neu erschienener Forschungen berichtigt.“ Abschließend heißt es in dem mit „Januar 1968“ datierten Vorwort: „Dank dem Entgegenkommen des Verlags konnten einige von W. R. zum Teil noch selbst vermerkte Verbesserungen von Irrtümern und Druckfehlern angebracht und ein Abkürzungsverzeichnis [S. 427 ff.] beigefügt werden.“ Die nunmehr fünfte Auflage wird vom Tübinger Nachfolge-Verlag aus Anlass der 50. Wiederkehr von Rehms frühem Tod am 6. Dezember <?page no="11"?> XI 1963 herausgebracht. Auf Veränderungen jeglicher Art, die vor allem auf Grund des neuen Forschungstands notwendig erscheinen mögen, wird verzichtet. Auch eine erneute Würdigung eines der Hauptwerke Rehms 1 sei hier unterlassen, doch sollen zwei Stimmen aus der Germanistik mit ihrer Meinung zu Rehms Buch auszugsweise gehört werden. Die erste stammt aus der Generation des Verfassers, die zweite aus fast schon jener der Enkelgeneration. Paul Böckmann (1899-1987) meinte in seiner Freiburger Gedenkrede von 1964: „Die meiste Beachtung hat sein Buch ‘Griechentum und Goethezeit’ gefunden. Es greift nach dem zentralsten Thema der deutschen Dichtungsbewegung des 18. Jahrhunderts und verfolgt die Bedeutung des griechischen Vorbilds für die Ausbildung einer eigenen Lebens- und Kunstanschauung bei Winckelmann, Herder, Goethe, Schiller, Humboldt und Hölderlin, aber auch die Auseinandersetzung der romantischen Generation mit diesem Glauben in einer eigenen Interpretatio christiana. So bestätigt das Buch zwar die humanistische Überzeugung von der beispielhaften Bedeutung der Antike, um doch zugleich auf die geschichtlichen Voraussetzungen und Wandlungen ihrer Rezeption zu verweisen. Wie sehr auch die eigene Liebe der humanistischen Tradition gilt, so wenig verfestigt sie sich zu bestimmten Glaubenssätzen, um dafür um so freier die ‘Geschichte eines Glaubens’ zu verfolgen, wie der Untertitel sagt. Vorbildlichkeit und Historizität begrenzen sich gegenseitig, so daß die Frage nach dem Ideal sich auf dessen Geschichte verwiesen sieht und jede Verabsolutierung und Monumentalisierung verbietet. Es bleibt nur die Erprobung des Überlieferten im eigenen Daseinsgefüge als die entscheidende Tugend des Kultur- und Geisteshistorikers. Wie das Vorwort des Buches sagt [siehe oben S. IX], steht es „in einem engen Zusammenhang mit früheren Bemühungen des Ver- 1 Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auf die von Charlotte Engeln (1913-2011) zusammengestellte Bibliographie der Veröffentlichungen von Walther Rehm in: „W. R., Späte Studien“ (herausgegeben von Else Rehm), Francke Verlag Bern und München 1964, S. 463-472. <?page no="12"?> XII fassers um die Form des ‘Renaissance- und Romgedankens’, um die Geschichte und Nachgeschichte des klassischen Ideals bis hin zu Jacob Burckhardt“. Damit ist der eine für Rehm entscheidende Fragenzusammenhang angedeutet, der seit der Dissertation über ‘Das Werden des Renaissancebildes in der deutschen Dichtung’ zu weit ausgreifenden Studien zur römischen Thematik weiterführte.“ 2 Ernst Osterkamp (* 1950), Berlin, führte in einer größeren Arbeit über Walther Rehm von 1997 unter anderem aus: „Rehm sah in seinem Buch über Griechenland und die Goethezeit eine Studie, die sich in den größeren Kontext seiner Forschungen zu Geschichte und Nachwirkung des klassischen Ideals bis hin zu Jacob Burckhardt einfügte. Das Buch, in ganz entscheidender Weise in der Epoche seiner Entstehung verwurzelt, setzt das Problem des Klassizismus mit dem des deutschen Nationalcharakters in Beziehung: Sein kritischer und politischer Schwerpunkt liegt in der Beschreibung des ‘deutschen Geistes’, ja ‘des deutschen Menschen’, steht darin in deutlichem Widerspruch zu den vom nationalsozialistischem Regime verbreiteten Vorstellungsklischees, und Rehm versucht zu zeigen, daß in der klassischen Epoche die deutsche Identität auf die reine Humanität der griechischen Antike gründet […] Rehms These, wonach der deutsche Geist seine Identität in der griechischen Humanität fände, wird auf exemplarische Weise durch die Gestalt Goethes belegt. Das Kapitel, das Rehm ihm widmet (‘V. Goethe: Sehnsucht und Fülle’), stellt — wie es der Haupt-Buchtitel postuliert — das Zentrum seines Werks dar: Während Winckelmann ein Prophet gewesen sei, habe Goethe die Idee der griechischen Humanität zur ihrer Vollendung gebracht. Die zentrale — und politische! — Idee von ‘Griechentum und Goethezeit’ manifestiere sich im Postulat, daß eine positive Vorstellung des Deutschen existiere, die im humanistischen Ideal aufgeblüht sei und so mit 2 „Walther Rehm zum Gedenken / 13. November 1901 - 6. Dezember. 1963“. Gehalten bei der akademischen Feier der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg i. Brsg., am 6. Juli 1964, gedruckt in: Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 38 (1964), Heft 3, S. 321-336. <?page no="13"?> XIII der europäischen Tradition verbunden war. […] Rehms Buch, Zeuge einer nonkonformistischen Germanistik im ‘Dritten Reich’, übte in Deutschland, auch nach dem Sturz der Nazis, einen großen Einfluß aus. Allerdings sah man in ihm nun nicht mehr einen Akt des inneren Widerstands gegenüber der nationalsozialistischen Barbarei, sondern einen — von kulturell konservativen Kreisen unterstützten — philologischen Beweis dafür, daß die wahre deutsche Seele trotz der Unterwanderungsversuche der Nazis intakt geblieben ist und daß man sich in den Wirren der Nachkriegszeit auf Rehms Werk beziehen konnte: Es brachte das bürgerliche Ideal von Seele und Zivilisation wieder auf die Tagesordnung, aus ihm konnte man wieder schöpfen, um sich eine positive Identität zu schaffen, die im deutschen Klassizismus und den höheren ethischen und ästhetischen Werten des alten Griechenlandes verankert war.“ 3 * Für diese einleitenden Zeilen zum erneuten Nachdruck von „Griechentum und Goethezeit“ meines Vaters gilt für Hilfe und freundschaftlichen Rat Frau Mag. Uta Goebl-Streicher (Hallein/ Salzburg) und Herrn Prof. Dr. Ulrich Konrad (Würzburg) Dank. Das Zustandekommen der Neuauflage selbst ist allein zu verdanken: Frau Dr. phil. Nicola Leibinger-Kammüller (Gerlingen) sowie den Herren Helmut Nanz und Dr. Rainer Wilhelm (beide Stuttgart). Hallein/ Salzburg, im Oktober 2013 Wolfgang Rehm 3 „Geistesgeschichte [Histoire des idées] et conservatism culturel. L’exemple de Walt[h]er Rehm“, in: Théorie de la littérature / Revue Germanique Internationale 8/ 1997 (Directeurs: Michel Espagne, Jacques Le Rider), Paris 1997, S. 117-137. / Das deutsche Original seiner Studie, nach dem für die Drucklegung des genannten Sammelbandes übersetzt wurde, ist nach Auskunft des Autors (2013) leider nicht mehr vorhanden; deshalb war für die hier abgedruckte, textlich leicht bearbeitete Kurzfassung eine deutsche Rückübersetzung der in Frage kommenden Passagen heranzuziehen (S. 129ff.: Uta Goebl- Streicher). <?page no="457"?> „Griechentum und Goethezeit“ von Walther Rehm (1901 bis 1963) hat nicht nur Generationen von Literaturwissenschaftlern geprägt; es ist immer noch eine der wichtigsten Gesamtdarstellungen der Kulturvermittlung zwischen antikem Griechenland und der deutschen Literatur. Wie sehr in der Zeit der deutschen Klassik und Romantik die griechischen Impulse aufgenommen wurden, wie sehr sich der Humanismus im griechischen Denken erkannte und verkannte - das hat der Autor in dauerhaft gültiger Form beschrieben. Heutige Leserinnen und Leser werden in diesem „Denkmal deutsch-griechischer Humanität“ (Benno von Wiese) Zeitgebundenes erkennen und doch immer wieder staunen über den Bildungsreichtum und den weiten Blick.