Die Lesekrise zu Beginn der Pubertät
Ursachen der Lesekrise und ihre Manifestationen bei Jugendlichen mit Deutsch als Zweitsprache
0311
2015
978-3-7720-5560-7
978-3-7720-8560-4
A. Francke Verlag
Eva Kaufmann
Internationale Bildungsvergleichsstudien wie PISA und PIRLS zeigen, dass die Lesefreude und Lesehäufigkeit der Kinder und Jugendlichen mit zunehmendem Alter sinkt. Daten, die den Abbruch der Lesekarrieren belegen, stammen jedoch fast ausschließlich von Jugendlichen mit Deutsch als Muttersprache (DaM), Daten und Ergebnisse zu Kindern, deren Erstsprache nicht Deutsch ist, sind marginal bis gar nicht vorhanden. Diese Lücke in der Forschungslandschaft soll durch diese Arbeit geschlossen werden.
Im Zentrum der empirischen Untersuchung stehen zentrale Faktoren der Lesekrise und die Frage, inwieweit sich das Leseverhalten und die Leseeinstellung von DaM-Kindern und Kindern mit Deutsch als Zweitsprache (DaZ) unterscheiden und im Altersverlauf verändern. Außerdem wird untersucht, ob sich im Verlauf der Lese krise und somit in den Lesegewohnheiten der DaZ-Kinder unterschiedliche Ausprägungen in Erst- und Zweitsprache ergeben.
<?page no="0"?> Internationale Bildungsvergleichsstudien wie PISA und PIRLS zeigen, dass die Lesefreude und Lesehäufigkeit der Kinder und Jugendlichen mit zunehmendem Alter sinkt. Daten, die den Abbruch der Lesekarrieren belegen, stammen jedoch fast ausschließlich von Jugendlichen mit Deutsch als Muttersprache (DaM), Daten und Ergebnisse zu Kindern, deren Erstsprache nicht Deutsch ist, sind marginal bis gar nicht vorhanden. Diese Lücke in der Forschungslandschaft soll durch diese Arbeit geschlossen werden. Im Zentrum der empirischen Untersuchung stehen zentrale Faktoren der Lesekrise und die Frage, inwieweit sich das Leseverhalten und die Leseeinstellung von DaM-Kindern und Kindern mit Deutsch als Zweitsprache (DaZ) unterscheiden und im Altersverlauf verändern. Außerdem wird untersucht, ob sich im Verlauf der Lesekrise und somit in den Lesegewohnheiten der DaZ-Kinder unterschiedliche Ausprägungen in Erst- und Zweitsprache ergeben. Die Lesekrise zu Beginn der Pubertät Ursachen der Lesekrise und ihre Manifestationen bei Jugendlichen mit Deutsch als Zweitsprache Kaufmann Die Lesekrise zu Beginn der Pubertät Eva Kaufmann 104314 Kaufmann.qxp_104314 Kaufmann Umschlag 23.02.15 13: 46 Seite 1 <?page no="1"?> Die Lesekrise zu Beginn der Pubertät <?page no="3"?> Eva Kaufmann Die Lesekrise zu Beginn der Pubertät Ursachen der Lesekrise und ihre Manifestationen bei Jugendlichen mit Deutsch als Zweitsprache <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Umschlagabbildung: © 2015 Eva Kaufmann, Ligist Gefördert mit freundlicher Unterstützung der Österreichischen Forschungsgemeinschaft Wien. © 2015 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem und säurefreiem Werkdruckpapier. Internet: www.francke.de E-Mail: info@francke.de Druck und Bindung: docupoint GmbH, Magdeburg Printed in Germany ISBN 978-3-7720-8560-4 <?page no="5"?> Viviamo comodi dentro alle nostre virgolette Ma il mondo è molto più grande, più grande di così Se uno ha imparato a contare fino a sette Vuol mica dire che l'otto non possa esserci… (Lorenzo Cherubini, Jovanotti) Danksagung Mein herzlichster Dank gilt allen, die zum Gelingen dieser Dissertation und zu ihrer Veröffentlichung beigetragen haben. Allen voran möchte ich meinen Betreuern Univ.-Prof. Mag. Dr. phil. Sabine Schmölzer-Eibinger und O. Univ.-Prof. Dr. phil. Paul Portmann-Tselikas danken, die mich in vielerlei Hinsicht bestärkt und motiviert, und mich bei Problemen aller Art immer unterstützt haben. Ein großes Dankeschön geht an alle SchülerInnen, die dazu bereit waren, bei der Fragebogenuntersuchung mitzumachen und die sich die Zeit genommen haben, mit mir über ihre Lesegewohnheiten zu sprechen. Ohne sie wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Danke an meine SchülerInnen Tara Ivancic, Julia Setznagel, Lukas Steinegger und Nicole Weinrauch, die sich mit großer Begeisterung als fotogene Modelle für das Titelblatt zu Verfügung gestellt haben. Dank sagen möchte ich auch an die drei Grazer Schulen, die es mir ermöglicht haben, den empirischen Teil dieser Arbeit unter ihrer Obhut durchzuführen und die mich sehr herzlich aufgenommen haben, allen voran Mag. Anna Grigoriadis und Prof. Mag. Eva Ponsold. Großer Dank gebührt Mag. Bernhard Weninger für die gute Zusammenarbeit bei der Suche nach Kooperationsschulen und bei der Durchführung der Fragebogenuntersuchung. Herzlichen Dank auch an Dr. Sarah Mercer für die vielen Tricks und Anregungen für die Durchführung der Interviews. Danke an meinen Lektor Tillman Bub für die stetige Unterstützung und Hilfestellung in sämtlichen Belangen im Zuge der Veröffentlichung. Außerdem möchte ich mich bei all jenen bedanken, für die stete Bekräftigung und Motivation eine Selbstverständlichkeit waren: Danke an Mag. Sandra Kaiser, Mag. Susanne Ehss und Mag. Dorrit Jauk, MA für die vielen, vielen Anstöße zur Überarbeitung, den Erfahrungsaustausch und das hilfreiche Feedback. Danke für eure Unterstützung und Begeisterung im Prozess der Veröffentlichung. 5 <?page no="6"?> Vielen Dank an Mag. Makbule Cetin und DI (FH) Amela Supukovic und ihre Familien für die große Hilfe, vor allem während der Anfangsphase der Entstehung dieser Arbeit. Ein besonderer Dank gilt meinen Eltern, die mich während meiner gesamten Studienzeit stets tatkräftig unterstützen und immer hinter mir stehen. Ohne euch wäre ich nie so weit gekommen. Ein spezielles Dankeschön möchte ich meinem Herzenspartner Stephan aussprechen. Danke dafür, dass du mich an den dunkelsten Arbeitstagen von der Lektüre, dem Statistikprogramm oder dem Schreiben weggeholt hast, um mich auf andere Gedanken zu bringen. Danke dafür, dass du stets Verständnis, und für jedes noch so kleine und banale (Statistik-)Problem offene Ohren hast. Danke für Trost und Tränentrocknen, wenn die Verzweiflung besonders groß war. Danke, dass du immer an mich geglaubt hast. Ohne dich und deine stetige Unterstützung hätte ich dieses Projekt niemals abschließen können. 6 <?page no="7"?> Inhaltsverzeichnis Danksagung .............................................................................. 5 Einleitung ................................................................................. 11 Teil I - Theoretische Grundlagen: Entwicklung der Lesekrise, Leseverhalten und Lesesozialisation .......... 15 1. Die Lesekrise, ihre Vorläufer und ihre Überwindung ..................................................... 17 1.1. Literalität und Theorien der Lesesozialisation................. 17 1.2. Instanzen der Lesesozialisation.......................................... 22 1.3. Phasen der Lesesozialisation .............................................. 25 1.4. Die pubertäre Lesekrise und ihre Überwindung............. 29 2. Leseprozesse und Leseerwerb in Erst- und Zweitsprache................................................. 31 2.1. Lesen in der Erst- und Zweitsprache................................. 31 2.1.1. Was ist Lesen? .......................................................................... 31 2.1.2. Lesen in der Zweitsprache und die Bedeutung der Erstsprache ............................................................................... 34 2.2. Frühkindliche Sprach- und Leseförderung ...................... 36 3. Lesen und Medien.............................................................. 41 3.1. Medienzugang ...................................................................... 41 3.2. Mediennutzung und Leseverhalten .................................. 44 3.2.1. Lesehäufigkeit und Einstellungen zum Lesen..................... 45 3.2.2. Bevorzugte Medien und Genres ............................................ 49 3.3. Buchlesefunktionen.............................................................. 55 3.4. Lesehemmende und -anregende Faktoren ....................... 58 3.4.1. Lesehemmungen...................................................................... 58 3.4.2. Lektüreanregungen und Beschaffung von Lesestoff .......... 60 3.5. Lesekompetenz, -motivation und -selbstkonzept............ 62 3.5.1. Lesekompetenz ........................................................................ 62 3.5.2. Lesemotivation und Leseselbstkonzept................................ 67 7 <?page no="8"?> 4. Lesen in Familie und Peergroup ..................................... 69 4.1. Lesen in der Familie ............................................................. 69 4.1.1. Vorbildwirkung der Eltern..................................................... 70 4.1.2. Anschlusskommunikation innerhalb der Familie............... 71 4.1.3. Buchbestand im Elternhaus.................................................... 72 4.2. Lesen im Freundeskreis ........................................................ 72 5. Lesen und Schule ............................................................... 75 5.1. Textauswahl und Umgang mit Texten im Unterricht..... 75 5.2. Leseanregungen und Leseförderung in der Schule......... 78 6. Das Pyramidenmodell: Faktoren der Lesekrise ........... 83 Teil II - Manifestationen der Lesekrise ............................. 91 1. Hypothesen und Fragestellungen ................................... 93 2. Untersuchungsdesign........................................................ 95 2.1. Fragebogenuntersuchung ................................................... 96 2.1.1. Ablauf......................................................................................... 96 2.1.2. Fragebogenitems...................................................................... 97 2.1.3. Auswertung der Fragebögen ................................................ 101 2.1.4. Beschreibung der Stichprobe ................................................ 102 2.2. Leitfrageninterviews .......................................................... 104 2.2.1. Interviewleitfaden .................................................................. 105 2.2.2. Durchführung der Interviews............................................... 106 2.2.3. Transkription der Interviews und Zeichenschlüssel ......... 107 2.2.4. Kurzportraits der interviewten SchülerInnen..................... 109 3. Familiärer Hintergrund und Medienzugang .............. 125 3.1. Sozialer Hintergrund der Eltern....................................... 125 3.2. Medienzugang im Elternhaus .......................................... 130 3.2.1. Verfügbarkeit von Lesemedien............................................. 130 3.2.2. Buchbesitz im Elternhaus ...................................................... 134 3.2.3. Buchbesitz der Kinder............................................................ 136 8 4. Lesen in der Freizeit......................................................... 141 4.1. Mediennutzung ..................................................................141 <?page no="9"?> 4.2. Leseselbstkonzept .............................................................. 164 4.3. Medienpräferenzen ............................................................ 175 4.3.1. Einstellung zum Lesen ........................................................... 175 4.3.2. Beliebtheit von Zeitung, Zeitschrift und Texten im Internet .......................................................... 178 4.3.3. Präferierte Buchgenres ........................................................... 187 4.4. Buchlesefunktionen............................................................ 213 4.5. Gründe zu lesen und was davon abhält ......................... 233 4.5.1. Gelegenheiten, um zum Buch zu greifen ............................ 233 4.5.2. Gründe, die vom Lesen abhalten.......................................... 244 4.6. Veränderungen im Leseverhalten.................................... 260 4.6.1. Veränderungen in Lesehäufigkeit und Lesefreude............ 261 4.6.2. Veränderungen der beliebtesten Lesemedien und Genres .............................................................................. 262 5. Lesen in der Familie und im Freundeskreis ............... 265 5.1. Leseumfeld in der Familie ................................................ 265 5.2. Anschlusskommunikation ................................................ 272 5.3. Lektüretipps und -anregungen ........................................ 283 6. Lesen in und für die Schule ........................................... 297 6.1. Lesefreude in der Schule ................................................... 297 6.2. Texte im Deutschunterricht .............................................. 304 6.3. LehrerInneninteresse an SchülerInnenmeinung............ 311 6.4. Anzahl der gelesenen Bücher für die Schule.................. 318 7. Leseprozesse und Leseerwerb in Erst- und Zweitsprache............................................... 333 7.1. Frühkindliche Sprachförderung....................................... 333 7.2. Sprachverteilung im Buchbesitz und bei den gelesenen Büchern........................................ 341 7.3. Sprachverwendung im Elternhaus und im Freundeskreis ........................................................ 343 9 4.1.1. Nutzung der Lesemedien Tageszeitung, Buch, Zeitschrift und Internet.......................................................... 141 4.1.2. Gelesene Bücher in der Freizeit ............................................ 155 9 <?page no="10"?> 1. Zusammenführung und Diskussion der Ergebnisse ... 357 1.1. Medienzugang im Elternhaus............................................ 357 1.2. Lesen in der Freizeit........................................................... 360 1.2.1. Mediennutzung....................................................................... 360 1.2.2. Leseselbstkonzept ................................................................... 362 1.2.3. Medienpräferenzen ................................................................ 364 1.2.4. Buchlesefunktionen ................................................................ 367 1.2.5. Gründe zu lesen und was davon abhält .............................. 368 1.3. Lesen in der Familie und im Freundeskreis ................... 369 1.3.1. Leseumfeld in der Familie .................................................... 369 1.3.2. Anschlusskommunikation..................................................... 371 1.3.3. Lektüretipps und -anregungen............................................. 372 1.4. Lesen in und für die Schule .............................................. 372 1.4.1. Lesefreude in der Schule........................................................ 372 1.4.2. Texte im Deutschunterricht................................................... 373 1.4.3. LehrerInneninteresse an SchülerInnenmeinung ................ 374 1.4.4. Anzahl der gelesenen Bücher in der Schule........................ 375 1.5. Leseprozesse und Leseerwerb in Erst- und Zweitsprache................................................. 376 1.5.1. Frühkindliche Sprachförderung ........................................... 376 1.5.2. Sprachverteilung im Buchbesitz und bei den gelesenen Büchern ........................................... 377 1.5.3. Sprachverwendung im Elternhaus und im Freundeskreis ............................................................ 378 2. Abschließende Überlegungen ....................................... 379 2.1. Bezüge zum Pyramidenmodell ........................................ 379 2.2. Überprüfung der zentralen Hypothese und Beantwortung der Fragestellungen ......................... 384 2.3. Fazit der empirischen Studie und Ausblick ................... 385 Abbildungsverzeichnis........................................................ 387 Tabellenverzeichnis ............................................................. 393 Literaturverzeichnis.............................................................. 395 Online-Quellen............................................................................ 406 Anhang.................................................................................... 409 10 Teil III - Diskussion der Ergebnisse................................. 355 <?page no="11"?> Einleitung In der neueren Lesesozialisationsforschung häufen sich Befunde über kritische Phasen in der Leseentwicklung von Kindern und Jugendlichen, die sich zwischen dem 8. und 10. Lebensjahr und dem 11. und 13. Lebensjahr datieren lassen (vgl. u.a. Graf 1995, Kleedorfer 2008, Garbe 2009b). Vor allem die zweite Lesekrise am Übergang zur Pubertät führt dazu, dass ein großer Anteil der Jugendlichen zu Nicht-Lesern wird (vgl. u.a. Bonfadelli/ Fritz 1993, Franz 1993, Fritz 1991, Gattermaier 2003, Pieper et al. 2004, Köcher 1993, Lührs 2007, Wollscheid 2008). Internationale Bildungsvergleichsstudien wie PISA und PIRLS zeigen, dass die Lesefreude und Lesehäufigkeit der Kinder und Jugendlichen mit zunehmendem Alter sinkt und in vielen Fällen die Lesekarrieren sogar beendet werden (vgl. Schreiner 2007; Schreiner/ Schwantner 2009; Suchan/ Wallner-Paschon/ Schreiner 2009). Daten, die den Abbruch der Lesekarrieren belegen, stammen allerdings fast ausschließlich von Jugendlichen mit Deutsch als Muttersprache, Daten und Ergebnisse zu Kindern mit Migrationshintergrund, deren Erstsprache nicht Deutsch ist 1 , sind marginal bis gar nicht vorhanden. Beispielsweise gibt es keine Belege dafür, wie sich die Präferenzen von DaZ-Kindern im Hinblick auf bevorzugte Lesemedien oder Genres entwickeln, wie sich ihr Leseselbstkonzept im Altersverlauf verändert oder welche Funktionen das Buchlesen für sie hat. Inspiriert durch persönliche Erfahrungen mit Freundinnen nicht-deutscher Muttersprache und deren Familien und mein grundsätzliches Interesse am Lesen und der Vermittlung und Aufrechterhaltung von Lesefreude im Unterricht entwickelte sich sukzessive mein Wunsch, das Problem, warum Heranwachsende ab einer gewissen Altersstufe allmählich das Interesse am Lesen verlieren, wissenschaftlich zu untersuchen. Nach der Lektüre einschlägiger Fachliteratur entstand die Idee für eine empirische Untersuchung. Im Zentrum der Anlage und Erstellung der empirischen Untersuchung steht die Frage nach zentralen Faktoren der Lesekrise und der Frage, inwieweit 1 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden Kinder mit Migrationshintergrund, deren Erstsprache nicht Deutsch ist, als DaZ-LernerInnen bezeichnet, und von der Gruppe der Kinder mit Deutsch als Muttersprache/ Erstsprache (DaM) abgegrenzt. Mit dem Begriff „Deutsch als Zweitsprache“ (DaZ) wird hier auf jene Sprache Bezug genommen, die Kinder mit Migrationshintergrund nach ihrer Erstsprache in ihrer frühen Kindheit ungesteuert erlernen (vgl. Ahrenholz 2008a: 5f.). Kinder ohne Migrationshintergrund, deren Erstsprache Deutsch ist, werden im Folgenden als DaM-LernerInnen bezeichnet. 11 <?page no="12"?> sich das Leseverhalten und die Leseeinstellung von DaM- und DaZ-Kindern unterscheidet und im Altersverlauf verändert. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob sich im Verlauf der Lesekrise und somit in den Lesegewohnheiten der DaZ-Kinder unterschiedliche Ausprägungen in Erst- und Zweitsprache lokalisieren lassen. Es wird von der folgenden, grundlegenden Hypothese ausgegangen: Auch bei Jugendlichen, die eine andere Muttersprache als Deutsch haben, tritt eine Lesekrise auf, die sich in Faktoren wie Lesehäufigkeit oder Lektürepräferenzen manifestiert, egal, ob es sich um Lesetexte in der Erst- oder Zweitsprache handelt. Im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung stehen die Fragen: Tritt auch bei DaZ-Kindern eine Lesekrise auf, wenn ja, auf welche Faktoren des Leseverhaltens wirkt sich diese aus? Welche Unterschiede treten im Verlauf der Lesekrise zwischen DaM- und DaZ-Kindern auf? Gibt es bei DaZ- Kindern Unterschiede im Verlauf der Lesekrise bei Texten in der Erst- und Zweitsprache? Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es herauszufinden, wann bei DaM- und DaZ-Kindern eine Lesekrise auftritt, ob sich diese in Faktoren wie Lesehäufigkeit oder Lektürepräferenzen manifestiert und ob bzw. wie sie von den Kindern bewältigt wird. Ebenso werden Unterschiede von DaM- und DaZ-Kindern im Verlauf der Lesekrise aufgezeigt und einander gegenüber gestellt. Die vorliegende Dissertation soll einen Querschnitt des Leseverhaltens und der Lesegewohnheiten von Kindern und Jugendlichen mit deutscher und nicht-deutscher Muttersprache im Alter von 12 bis 15 Jahren erstellen. Auf diese Weise sollen Entwicklungen und Veränderungen im Leseverhalten in einem zeitlichen Verlauf dargestellt werden, um die Lesekrise, sofern sie auftritt, zeitlich möglichst genau einordnen zu können. Ebenfalls soll im Rahmen dieser Arbeit untersucht werden, ob das Geschlecht, der soziale Hintergrund der SchülerInnen, deren Zugang zu Lesemedien, ihre Lesefreude und Leseselbstkonzept, sowie das Alter der Kinder einen besonderen Einfluss auf ihr Leseverhalten haben. Als Basis dient hierfür das im ersten Teil der vorliegenden Arbeit vorgestellte Pyramidenmodell, welches versucht, die verschiedenen Faktoren der Lesekrise zueinander in Beziehung zu bringen und Zusammenhänge bzw. Abhängigkeiten aufzuzeigen. Das Pyramidenmodell soll hinsichtlich seiner Gültigkeit empirisch überprüft werden. Die vorliegende Dissertation gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil werden die theoretischen Grundlagen zur Entwicklung von Lesen und Leseverhalten vorgestellt, wobei insbesondere auf theoretische und empirische Daten zur Lesekrise bzw. zum Leseverhalten von Kindern und Jugendlichen der Sekundarstufe I Bezug genommen wird. Im zweiten Teil werden detail- 12 <?page no="13"?> lierte Ergebnisse der Fragebogenuntersuchung sowie der Leitfrageninterviews vorgestellt, die sich thematisch an den im ersten Teil vorgestellten Kernpunkten orientieren. Die Auswertung der umfangreichen Daten zum Leseverhalten von DaM- und DaZ-Kindern erfolgt unter Berücksichtigung der theoretischen Grundlagen, die im ersten Teil dieser Arbeit vorgestellt werden. In einem dritten Teil werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung mit den theoretischen Grundlagen und dem aktuellen Forschungsstand abgeglichen und diskutiert. Anmerkung: Für eine gendergerechte Schreibweise wird das Binnen-I eingesetzt, solange die Lesbarkeit nicht beeinträchtigt wird. Eine Ausnahme sind Quellen, die wörtlich wiedergegeben werden. 13 <?page no="15"?> Teil I - Theoretische Grundlagen: Entwicklung der Lesekrise, Leseverhalten und Lesesozialisation Da die theoretischen Grundbegriffe, auf denen die vorliegende Arbeit basiert, in der einschlägigen Fachliteratur durchaus nicht eindeutig definiert und einheitlich verwendet werden, ist es nötig, diese von verwandten oder in ähnlicher Weise verwendeten Begriffen und Konzepten abzugrenzen, um den theoretischen Rahmen dieser Arbeit abzustecken. Insbesondere soll der Begriff der Lesekrise an sich definiert werden (Kapitel 1). Im theoretischen Teil wird weiters auf Faktoren eingegangen, die Einfluss auf die Entwicklung des Leseverhaltens der Kinder und somit auch auf die Ausbildung und Überwindung der Lesekrise haben. Zunächst soll in Kapitel 2 der Zusammenhang von frühkindlicher Sprachförderung, Sprachverwendung im Elternhaus und in der Peergroup betrachtet werden. Danach folgt in Kapitel 3 der große Komplex von Lesen und Medien, hierzu gehören Themen wie Medienzugang und Mediennutzung, im Speziellen auch das Leseverhalten und die Funktionen, die die Lesemedien für die Jugendlichen haben. Weiters soll in Kapitel 4 der Zusammenhang von Lesen, Bildung und sozialer Herkunft behandelt werden, und das Lesen in Familie und Freundeskreis näher erläutert werden. Von Bedeutung für die Entwicklung des Leseverhaltens ist außerdem der Zusammenhang von Lesen und Schule bzw. Deutschunterricht (Kapitel 5). 15 <?page no="17"?> 1. Die Lesekrise, ihre Vorläufer und ihre Überwindung Der Begriff der Lesekrise ist in den großen Kontext der Literalitätsentwicklung und Lesesozialisationsforschung eingebettet und lässt sich ohne eine vorherige Erläuterung der Grundzüge dieser theoretischen Konzepte nicht ausreichend und exakt definieren. Aus diesem Grund werden im Folgenden zunächst einige grundlegende Theorien zur Literalität und Sozialisationsforschung zusammengefasst. 1.1. Literalität und Theorien der Lesesozialisation Der Begriff der Literalität stammt ursprünglich aus den Sozial- und Kulturwissenschaften und wurde von der Sprachwissenschaft übernommen, wo Literalität wie folgt definiert wird: Unter Literalität versteht man (…) gesellschaftliche Zustände, die dadurch gekennzeichnet sind, dass nicht nur repräsentative Teile der Bevölkerung lesen und schreiben können, sondern dass auch das gesellschaftliche Leben insgesamt durch Formen schriftlicher Kommunikation bestimmt ist. (Günther/ Ludwig 1994: VIII) Im Zentrum steht bei dieser Definition die gesellschaftliche Perspektive von Literalität, die auch für den Rahmen der vorliegenden Arbeit von großer Bedeutung ist: Die literale Entwicklung von Kindern vollzieht sich immer in sozialen und gesellschaftlichen Kontexten 1 , das Umfeld der Instanzen Familie, Freundeskreis und Schule werden daher an dieser Stelle besonders eingehend betrachtet. Wenn in dieser Arbeit von Lesen gesprochen wird, dann geschieht dies in Anlehnung an Böck (2007: 9), die das Lesen in all seinen Facetten unter dem Blickwinkel als „Umgang mit Schrift, mit Inhalten, die schriftlich vermittelt und zugänglich gemacht werden“ (ebda.: 9) betrachtet, und sich nicht auf die „Fähigkeiten der Decodierung von schriftlichen Texten und deren verstehende Rekonstruktion“ (ebda.: 9) beschränkt: „Lesen ist Umgang mit Schrift, mit Inhalten, die schriftlich vermittelt und zugänglich gemacht wer- 1 In diesem Kontext sind auch die zahlreichen „New Literacy Studies“ zu sehen, die zwar aus den unterschiedlichsten Forschungsrichtungen entstanden sind, denen aber gemein ist, dass sie den Zusammenhang der Entwicklung literaler Fähigkeiten mit soziokulturellen Faktoren und dem sozialen Wandel betrachten (vgl. Böck/ Kress 2010: 5). 17 <?page no="18"?> den“ (ebda.: 9). Der Begriff der Literalität umfasst aber mehr als dies der hier verwendete Lesebegriff vermag, wie es Schmölzer-Eibinger definiert: Literat sein bedeutet in der Lage zu sein, eine schriftsprachlich geprägte Sprache im jeweiligen gesellschaftlichen und sozialen Kontext zu verstehen und zu verwenden, das heißt mit unterschiedlichen Optionen der geschriebenen gesprochenen Sprache in einer Schriftkultur kompetent umgehen und über sie als ,kulturelle Werkzeuge‘ verfügen zu können. (Schmölzer-Eibinger 2008: 40) Um die soziale Einbettung des hier vorherrschenden Literalitäts- und Lesebegriffs weiter zu verdeutlichen und zu illustrieren, soll im Folgenden der Zugang der Sozialisationstheorie zu diesem Konzept betrachtet werden. Die Lesesozialisationsforschung ist in einen disziplinenübergreifenden Forschungszusammenhang eingebettet, der „von der Untersuchung des Schriftspracherwerbs bis zur Textverarbeitungsforschung, von der Lese- und Literaturdidaktik bis zur Medien- und Kulturpsychologie, von der Medienpädagogik bis zur Schul- und Jugendforschung reicht“ (Hurrelmann 2004b: 38). Sie stützt sich auf zwei Hauptquellen, die Sozialisationstheorie und die Rezeptionsästhetik. Diese beiden Theorien sollen kurz erläutert werden, um im Anschluss die Lesesozialisationsforschung genauer beschreiben zu können. Der Begriff der Sozialisation hat seinen Ursprung in der Soziologie, und wurde bereits von Emile Durkheim (1858-1917) ganz allgemein als „gesellschaftliche Einflussnahme auf die individuelle Entwicklung“ (Scherr 2008: 46) verstanden. In der Diskussion über den Sozialisationsbegriff kristallisierten sich zwei unterschiedliche Erklärungsansätze heraus, bei welchen das Verhältnis von Anlage und Umwelt auf den Sozialisationsprozess im Mittelpunkt steht, also die Frage, ob das Verhalten einer Person durch ihre genetischen Dispositionen oder durch ihre Umgebung bestimmt wird. 2 Dabei geht man heute von einer Wechselwirkung zwischen Anlage und Umwelt aus, da „wir mit einer Reihe von Entwicklungsmöglichkeiten geboren [werden], die anschließend von der Umwelt, in der wir leben, geformt werden. Die Muster menschlichen Sozialverhaltens sind weder angeboren noch ein für allemal fixiert.“ (Geulen 2001: 127). So lässt sich der Begriff ‚Sozialisation‘ nach K. Hurrelmann wie folgt definieren: Sozialisation bezeichnet den Prozeß, in dessen Verlauf sich der mit einer biologischen Ausstattung versehene menschliche Organismus zu einer sozial 2 Zu dieser grundlegenden Diskussion und allgemein zur Geschichte des Sozialisationsbegriffs vgl. u.a. Esser 1993: 29-118 und 141-215; Geulen 2004: 10-17; Geulen 2005: 13- 90; Geulen 2007: 138f.; Korte 2006; Mühlbauer 1980. 18 <?page no="19"?> handlungsfähigen Persönlichkeit bildet, die sich über den Lebenslauf hinweg in Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen weiterentwickelt. (Hurrelmann 2001: 14) Wichtig hierbei ist der Fokus auf die Aktivität des Individuums, das sich seine Biographie selbst konstruiert. Auch die Rezeptionsästhetik hat Eingang in die Lesesozialisationsforschung genommen (vgl. Garbe 2009a: 169f.), bei der ebenfalls das handelnde Individuum im Zentrum steht: Die LeserInnen konstruieren im Akt des Lesens den Sinn des Textes für sich jeweils neu, es handelt sich nicht um eine passive Sinnentnahme, sondern um eine aktive Sinnkonstruktion. Zunächst sollen die beiden Begriffe ‚Lesesozialisation‘ und ‚literarische Sozialisation‘ näher definiert und voneinander abgegrenzt werden. Nach Bettina Hurrelmann versteht man unter Lesesozialisation Folgendes: […] die Aneignung der Kompetenz zum Umgang mit Schriftlichkeit in Medienangeboten unterschiedlicher technischer Provenienz (Printmedien, audiovisuelle Medien, Computermedien) und unterschiedlicher Modalität (fiktional-ästhetische und pragmatische Texte). Dabei geht es geht es nicht nur um den Erwerb der Fähigkeit zur Dekodierung schriftlicher Texte, sondern zugleich um den Erwerb von Kommunikationsinteressen und kulturellen Haltungen. (Hurrelmann 1999: 112, zitiert nach Garbe 2009a: 170) Der Begriff der Literarischen Sozialisation 3 bezieht sich hauptsächlich auf die literarische Kultur und behandelt den Erwerb einer Rezeptions- und Verarbeitungskompetenz von literarischen Texten in den verschiedenen Präsentationsformen (vgl. ebda.). Durch die Beschränkung auf literarische Textsorten ist der Terminus der literarischen Sozialisation enger gefasst als jener der Lesesozialisation, aber durch die Betonung von schriftlichen und nichtschriftlichen Medien gleichzeitig auch weiter gefasst. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll allerdings der Begriff der Lesesozialisation als Oberbegriff für die literarische Sozialisation verwendet werden. Die beiden Hauptfragen (vgl. ebda.) von Lesesozialisationsforschung und literarischer Sozialisationsforschung sind einerseits, wie ein Kind oder Erwachsener zu einem gewohnheitsmäßigen, habituellen Leser wird, und welche Faktoren für eine gelingende Leseentwicklung wichtig sind; andererseits stellt sich die Frage, welche Rückwirkungen die Lektüre auf den Prozess der Sozialisation und der Persönlichkeitsbildung hat. In der aktuellen Diskussion wird die Lesesozialisation als Prozess der Ko- Konstruktion (vgl. Groeben 2004 und Groeben/ Schroeder 2004) verstanden. Dieses Modell wurde im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms „Lese- 3 Vgl. dazu auch Eggert/ Garbe 1995. 19 <?page no="20"?> sozialisation in der Mediengesellschaft“ erarbeitet und soll nun näher erläutert werden. Grundlage für das Konzept der Ko-Konstruktion ist die oben bereits kurz angesprochene Annahme der Sozialisation als Prozess der Wechselwirkung zwischen dem Individuum (Mikro-Ebene) und der Ebene des gesellschaftlichen Systems (Makro-Ebene). Das Individuum ist einerseits ein aktives Individuum, das aus den Möglichkeiten, die ihm von der Gesellschaft geboten werden, wählt, und andererseits durch seine Entscheidungen gleichzeitig die gesellschaftliche Realität mitbestimmt und verändert. Wichtig ist aber in diesem Modell eine weitere Ebene zwischen Mikro- und Makroebene einzufügen, die es dem Individuum ermöglicht, durch persönliche Kontakte und Austausch mit den gesellschaftlichen Normen in Berührung zu kommen. Diese zusätzliche Ebene wird als Mesoebene bezeichnet und beinhaltet all jene Instanzen, die für das Individuum von Bedeutung sind, um kulturelle Erfahrungen zu erwerben, nämlich die Familie, die Schule bzw. das Bildungssystem und die Peergroup. Die nachstehende Grafik (nach Garbe 2009a: 172) soll die verschiedenen Ebenen und Akteure der Lesesozialisation verdeutlichen, die in der Lesesozialisation eine Rolle spielen. Abbildung 1: Ebenen und Akteure der Lesesozialisation 20 <?page no="21"?> Garbe (vgl. ebda.) erklärt dieses Modell anhand eines schulischen Beispiels. Personen, die der Mesoebene zuzuordnen sind, wie zum Beispiel Lehrpersonen, orientieren sich bei der Gestaltung ihres Unterrichts an Vorgaben der Makro-Ebene, wie beispielsweise an Lehrplänen und Medienangeboten aus der Gesellschaft. Die Lehrperson ko-konstruiert nun aus den Angeboten der Makroebene in Verbindung mit ihrer persönlichen Lesesozialisation ihre individuellen Unterrichtseinheiten. Die SchülerInnen, die sich auf der Mikroebene befinden, ko-konstruieren sich wiederum im Laufe ihrer Sozialisation ihre persönliche Lesebiografie. Von der gesamtgesellschaftlichen Makroebene zur Mikroebene der einzelnen Lesepersönlichkeit gibt es somit zwei Vermittlungsschritte, die theoretisch als Ko-Konstruktion gefasst werden: Gesellschaft/ Staat - Schule - Lehrkraft einerseits, Lehrkraft - MitschülerInnen - Unterricht - einzelne Schülerin andererseits. (Garbe 2009a: 173) Die Basis dieses Modells bildet das „Grundmodell der soziologischen Erklärung“ von Esser (Esser 1993: 91-118, vgl. dazu auch Groeben 2004: 151-159), das in Abbildung 2 skizziert ist. Dieses Modell umfasst die „überindividuelle Ebene der sozialen Situation“ und die „Individualebene des Akteurs und seiner Handlungen“ (ebda.) und veranschaulicht anhand von drei „Logiken“, nämlich der Logik der Situation, der Logik der Selektion und der Logik der Aggregation, die Prozesse des sozialen Wandels. Abbildung 2: Das Grundmodell der soziologischen Erklärung nach Esser Der erste Schritt einer soziologischen Erklärung ist auf der Makroebene angesiedelt und wird als „Logik der Situation“ (a.) bezeichnet. Die zentralen 21 <?page no="22"?> Fragen hierbei sind, „welche Bedingungen in der Situation gegeben sind und welche Alternativen die Akteure haben“ (Groeben 2004: 151). In weiterer Folge werden Erklärungen für die Handlungen der Akteure auf der Mikroebene gesucht, dies wird als „Logik der Selektion“ (b.) im Modell angeführt. Die individuellen Handlungsentscheidungen können zu fünf Gruppen zusammengefasst werden, je nachdem, in welchem Verhältnis die beiden Ebenen zueinander stehen: Reduplikation, Selektion, Kombination, Modifikation und Negation (vgl. Groeben 2004: 161f.). Garbe (vgl. Garbe 2009a: 174) erklärt diese fünf Möglichkeiten der Ko-Konstruktion anhand der Handlungsentscheidungen für das Leseverhalten, die ein Kind im Kontext der Familie treffen kann. Es kann das Vorbild der Eltern nachahmen, also deren Verhalten reduplizieren, oder aus dem Verhalten der Eltern eine Wahl treffen, selektieren. Weiters besteht die Möglichkeit, Verhaltensweisen aus dem Leseverhalten der Eltern, Geschwister und anderer Personen zu einem neuen Handlungsmuster zu verschmelzen, also zu kombinieren, einzelne Handlungsmuster zu verändern, zu modifizieren, oder alle Verhaltensmuster der Eltern abzulehnen, zu negieren. Der dritte Schritt, am Übergang zwischen Mikro- und Makroebene, ist die „Logik der Aggregation“ (c.) und bezeichnet die gesellschaftlichen Veränderungen auf der Makroebene, die durch die individuellen Handlungsschritte auf der Mikroebene entstehen. Diese Veränderungen werden in der Grafik durch den gestrichelten Pfeil (d.) angedeutet. Wie bereits erwähnt, ist diesem Modell aufgrund der Komplexität des Gesellschaftssystems eine Zwischenebene zwischen Mikro- und Makroebene hinzuzufügen. Die Mesoebene „bildet die Gesamtheit und den Zusammenhang der verschiedenen Settings […], in die das Kind zu verschiedenen Zeiten involviert ist; hierzu gehören auch informelle soziale Netzwerke (z.B. Freundes- und Bekanntenkreise)“ (Geulen 2005: 71). Auf die Akteure der Mesoebene soll im Folgenden, aber auch in weiter unten folgenden Abschnitten genauer eingegangen werden, da diese die wichtigsten Instanzen der Lesesozialisation sind, und einen enormen Einfluss auf die Entstehung und Überwindung der Lesekrise der Jugendlichen haben. 1.2. Instanzen der Lesesozialisation Die Instanzen der Lesesozialisation können in zwei Gruppen unterteilt werden: Als informelle Instanzen werden die Familie und der Freundeskreis aufgefasst, als formelle Instanz die Schule sowie der Kindergarten. Alle drei Instanzen sind im Modell der Lesesozialisation als Ko-Konstruktion der Mesoebene zuzuordnen (vgl. Abbildung 1). An dieser Stelle soll nur ein 22 <?page no="23"?> kurzer Überblick über diese drei Instanzen gegeben werden, da sie in den folgenden Kapiteln noch detaillierter behandelt werden. Die Familie wird generell in der Forschung als wichtigste Instanz der Lesesozialisation gesehen (vgl. u.a. Hurrelmann/ Hammer/ Nieß 1993, Hurrelmann 2002a, Garbe 2009a). Der Hauptgrund dafür ist, dass sie den frühesten und längsten Einfluss auf das Individuum hat. Weiters liegt die große Bedeutung der Familie in der Nachhaltigkeit ihrer Einflüsse, da diese alltäglich, diffus, ungeplant und von Beziehungen abhängig sind (vgl. Hurrelmann 2004a: 169). Dies bedeutet, dass es sich um permanente Beeinflussungen handelt, die weder zeitlich noch räumlich begrenzt sind und nicht in einem institutionellen Rahmen vermittelt werden, die ungeplant und nicht zielgerichtet von Statten gehen und stets aus der Beziehung und aus Interaktionen mit Personen hervorgehen. Die Grundaufgabe der Familie in der frühen Lesesozialisation ist, den Kindern […] einen (emotionalen, motivationalen und kognitiven) Zugang zur konzeptionellen Schriftlichkeit im Medium der Mündlichkeit zu eröffnen. Dies geschieht durch vielfältige Formen der prä- und paraliteralen Kommunikation, d.h. der Einführung in situationsabstrakten Umgang mit Sprache durch Sprachspiele, Kinderlieder, Erzählen und Vorlesen bzw. gemeinsames Kinderbuch-Lesen. (Garbe 2009a: 181). Die Häufigkeit und Intensität der gemeinsamen Lesesituationen, der Konfrontation mit dekontextualisierter Sprache 4 hat also Auswirkungen auf die Literalitätsentwicklung der Kinder, indem sie die Anschlusskommunikation und Aktivitäten wie beispielsweise Bibliotheks- oder Buchhandlungsbesuchen beeinflussen, außerdem die Lesefreude, -dauer und -häufigkeit der Kinder (vgl. Hurrelmann 2002a: 138f.). Ferner zeigt sich auch deutlich, dass der Faktor Schicht und Bildung im Rahmen der familiären Lesesozialisation eine große Rolle spielt, worauf in den folgenden Abschnitten noch mehrmals eingegangen wird. Die traditionelle Hauptaufgabe der formellen Sozialisationsinstanz Schule ist es, die Kinder in die Schriftlichkeit einzuführen, beginnend beim basalen 4 Koch/ Oesterreicher (1990) unterscheiden bei den Begriffen Mündlichkeit und Schriftlichkeit zwei Aspekte, nämlich Konzeption und Medium. Der mediale Aspekt bezieht sich auf das Medium der Sprache, also ob die Sprache lautlich oder grafisch verwendet wird, während sich der Aspekt der Konzeption auf die Art des verwendeten Sprachregisters konzentriert. Beispielsweise sind Vorträge zwar medial mündlich, aber konzeptionell schriftlich, hingegen handelt es sich bei den Sprechblasen von Comics um medial schriftliche, aber konzeptionell mündliche Äußerungen (vgl. ebda.: 5). 23 <?page no="24"?> Lesen- und Schreibenlernen, bis hin zum Literaturunterricht (vgl. Fritzsche 2004: 211ff.). Garbe (Garbe 2005a: 10ff.) betont, dass die Volksschuljahre von großer Bedeutung für die Entwicklung einer stabilen Lesemotivation und Lesefreude sind, aber auch, dass diese Zeit sehr problematisch sein kann. Der Grund dafür ist, dass die Kinder bereits mit einem ausgeprägten Wissen über narrative Texte in die Schule kommen, da sie durch ihre Eltern, aber auch durch das Fernsehen und andere Medien, mit komplexen Handlungsdarstellungen konfrontiert wurden. Nun müssen sie, um das Lesen und Schreiben zu lernen, sich wieder mit den einfachsten Wörtern und Sätzen beschäftigen, und machen die Erfahrung, […] dass das Entziffern der Schrift so mühevoll und langwierig ist, dass sie in ihren literarischen Verstehensfähigkeiten durch selbst gelesene Textchen nicht befriedigt werden können. Sie müssen lange Zeit so viel Energie auf diejenigen kognitiven Prozesse verwenden, die geübten Lesern überhaupt nicht mehr ins Bewusstsein dringen, dass eine differenzierte Konstruktion und Metawahrnehmung von Sinnzusammenhängen des Gelesenen kaum möglich ist, ganz im Gegensatz zur visuellen oder auditiven Rezeption von Geschichten. (Rosebrock 2003: 94, zitiert nach Garbe 2005a: 11) Die Schule kann durch einen buchorientierten und anregungsreichen Unterricht, der die Kinder und ihre Interessen mit einbezieht, auch jene Kinder fördern, die eine nur geringe Leseförderung in ihrem Elternhaus erfahren. Dass dies auch in der Sekundarstufe häufig nicht der Fall ist, zeigen Studien wie beispielsweise jene von Gattermeier (vgl. Gattermeier 2003: 374): Die Leseinteressen der SchülerInnen finden kaum bis gar keinen Eingang in den Literaturunterricht, somit stehen sich häufig Schul- und Privatlektüre der SchülerInnen dichotom gegenüber. Die am wenigsten empirisch erforschte Instanz der Lesesozialisation ist jene der Peergroup. Der Begriff ‚Peergroup‘ wird von Garbe (Garbe 2009a: 202) wie folgt definiert: Es handelt sich um […] miteinander nicht verwandte Individuen mit etwa gleichem Alter und Status […], die in ihrer Entwicklung annähernd gleich weit sind, einander in aller Regel positiv gesonnen sind, einen wechselseitigen Einfluss aufeinander ausüben, Interessen teilen und […] in Gruppen auftreten. (Garbe 2009a: 202) Die besondere Bedeutung der Peergroup für Jugendliche im Rahmen ihrer Lesesozialisation besteht vor allem in der Anschlusskommunikation zu Texten, was sich beispielsweise besonders deutlich im Harry Potter-Phänomen zeigte (vgl. Rosebrock 2004: 250f.): Die Diskussion der Heranwachsenden 24 <?page no="25"?> über die Inhalte der Bücher fand zu einem Großteil innerhalb der Peergroup statt. 1.3. Phasen der Lesesozialisation Wie bereits erläutert wurde, wird Lesesozialisation im Rahmen dieser Arbeit als Prozess verstanden, der in zweierlei Hinsicht auf das Individuum einwirkt: Einerseits von außen, als personale bzw. soziale Instanzen und Institutionen, andererseits von innen heraus, als biologische bzw. psychologische Reifungsprozesse und individuelle Handlungsziele. Im Folgenden soll ein Verlaufsmodell der Lesesozialisation vorgestellt werden, das aus dem Bereich der Lesebiografieforschung stammt. Dieses wurde von Werner Graf (vgl. Graf 1995, 1996, 1999, 2002, 2004 und 2010) aus der Analyse von Lektüreautobiografien erstellt. An dieser Stelle ist bereits im Vorfeld anzumerken, dass dieses Modell durch die Analyse von geglückten Leseautobiografien entstanden ist, und aus diesem Grund nicht ohne Einschränkungen und Abwandlungen auf die Lesesozialisation aller Kinder und Jugendlichen anzuwenden ist. Auf diese Problematik soll jedoch an anderer Stelle näher eingegangen werden. Die nachstehende Grafik (nach Kleedorfer 2008 und Garbe 2009b) soll einen ersten Überblick über die Verlaufsformen der Lesesozialisation nach Graf geben. 25 <?page no="26"?> Abbildung 3: Verlaufsformen der Lesesozialisation nach Graf Die Phase der Lesekrise wird in diesem Modell zu Beginn der Pubertät angesiedelt, zwischen dem 12. und 15. Lebensjahr. Um jedoch diese zentrale Phase umfassend und in all ihren Facetten darstellen zu können, ist es not- 26 <?page no="27"?> wendig, den Verlauf der Lesesozialisation von Beginn an zu beschreiben, beginnend mit dem Vorschulalter. Der erste Kontakt mit konzeptionell schriftlicher Sprache und somit auch mit Büchern und dem Leseakt an sich erfolgt in frühester Kindheit, die Kinder haben bereits Erfahrungen mit konzeptuell schriftlicher Sprache. Diese ersten Erfahrungen mit Texten machen sie lange vor dem Schuleintritt, in der Regel durch die primären Bezugspersonen, die Eltern. Diese Phase, das Kennenlernen und Umgehen mit konzeptionell schriftlichen Texten, bezeichnet Graf als „primäre literarische Initiation“ (vgl. Graf 1995: 99f.). Typischerweise handelt es sich hierbei um klassische Vorlesesituationen bzw. um das gemeinsame Ansehen von Bilderbüchern, was in der Regel an fixe Rituale, wie beispielsweise die Gute-Nacht-Geschichte, gebunden ist. Zentral ist hierbei, dass sich bei den Kindern im Idealfall eine primäre Neugier für die Welt der Bücher ausbildet, und dass sie „das Eintauchen in verbal vermittelte fiktionale Welten als etwas Befriedigendes […] erleben“ (Garbe 2005a: 10). Wichtig für die Ausbildung eines stabilen Interesses für Geschichten und Bücher ist auch bereits in dieser frühen Phase die prä- und paraliterarische Kommunikation zwischen Eltern und Kindern, worauf allerdings später detaillierter eingegangen wird. Auch das Lesen als Verhaltensweise wird in dieser Phase von den Kindern wahrgenommen, unter der Voraussetzung, dass Eltern, Geschwister oder andere Bezugspersonen als Lesevorbilder vorhanden sind (vgl. Graf 1995: 101f.). Dieses literale Wissen der Kinder, das bereits vor dem Eintritt in die Schule ausgeprägt ist, bezeichnen Schmidlin/ Feilke (2005: 12f.) als „vorschulisches literales Wissen“. In der Phase der primären literarischen Initiation liegt es an der Familie, das Interesse an Texten und am Lesen zu fördern. Durch den Kindergarten als Sozialisationsinstanz besteht jedoch die Möglichkeit, mangelnde Leseförderung des Elternhauses abzufangen und positive Impulse zu setzen (vgl. u.a. Garbe 2005a: 10), worauf ebenfalls im Verlauf dieser Arbeit noch eingegangen wird. Mit dem Eintritt in die Schule und dem damit verbundenen Erwerb der Schriftsprache und des Lesenlernens finden sich die ersten Spannungsmomente (vgl. ebda.: 10f.) im Prozess der Lesesozialisation. Grund dafür ist, dass die Kinder durch den Kontakt mit dem Fernsehen, mit Filmen und dem Vorlesen bereits relativ ausgeprägte literarische bzw. narrative Rezeptionskompetenzen ausgebildet haben und somit mit vielschichtigen Geschichten vertraut sind. Nun müssen sie sich aber für den Lese- und Schreibunterricht mit den einfachsten Wörtern und Sätzen auseinandersetzen; außerdem ist das Lesenlernen an sich äußerst schwierig und anstrengend, da die komple- 27 <?page no="28"?> xen kognitiven Prozesse 5 während des Lesevorgangs noch nicht automatisiert sind. Dies kann zu Frustrationen führen und erzeugt häufig keine weitere Motivation, sich mit Texten auseinanderzusetzen. Wenn allerdings die Motivation des Kindes, selbstständig Geschichten lesen zu können, sehr ausgeprägt ist, gibt es nur wenige Probleme im Übergang zum Selbstlesen, und das „Lesenkönnen [wird als] Gewinn an Unabhängigkeit“ (Graf 1995: 102) und als „Emanzipationsschritt“ (ebda.: 103) angesehen. Dennoch ist es von größter Bedeutung, den basalen Lese- und Schreibunterricht so anzulegen, dass dabei die Lesemotivation der Kinder nicht verloren geht. 6 In dieser Phase sind die Kinder bei der Wahl der Lesestoffe noch auf Unterstützung von außen, also von Eltern, Lehrern und anderen Bezugspersonen angewiesen, und so erweisen sich oft Buchgeschenke als erfolgversprechende Leseanreize (vgl. ebda.) Wird die Phase des Schriftspracherwerbs nach zwei bis drei Schuljahren positiv abgeschlossen, beginnt nach Graf mit 7 bis 8 Jahren die Phase der lustvollen, intensiven Kinderlektüre (vgl. Graf 1995: 107ff.), die bis zum Beginn der Pubertät reicht. Das Lesen dient primär dem Lustgewinn und der Phantasiebefriedigung (vgl. Graf 1996: 188). Zwar unterscheiden sich die bevorzugten Lesestoffe von Mädchen und Jungen voneinander, dennoch ist ihr Lesemodus derselbe, die Kinder versinken in den fiktionalen Welten und vergessen alles um sich herum (vgl. Graf 1996: 187). Dennoch findet sich diese Phase der „Lesesucht“ nicht bei allen Kindern, sondern hauptsächlich bei Mädchen aus Elternhäusern, in denen das Lesen einen hohen Stellenwert hat. Im Gegensatz dazu sind es vor allem Jungen, die sich bereits in diesem Alter von Texten abwenden und alternativen Medien wie Fernsehen, Computer oder Videospielen zuwenden (vgl. Garbe 2005a: 11), was als Indiz für eine erste Lesekrise gesehen werden kann. Allgemein lässt sich sagen, dass die Phase der Lesesucht in der Regel von späteren VielleserInnen durchlebt wird. 5 Einen detaillierten Überblick über die Entwicklung der basalen Lese- und Schreibfähigkeiten gibt Scheerer-Neumann 1996 und 2006a. 6 Ideen, wie ein solcher Unterricht aussehen könnte, gibt Bertschi-Kaufmann [u.a.] 2008 in der Reihe „Lesen. Das Training“, in der Lesefertigkeiten, Lesegeläufigkeit und Lesestrategien mit den verschiedensten Übungen trainiert werden können. Außerdem gibt Sampl 2006c einen Überblick darüber, welche neuen Schwerpunkte in der LehrerInnenausbildung gesetzt werden (können). 28 <?page no="29"?> 1.4. Die pubertäre Lesekrise und ihre Überwindung Mit dem Eintritt in die Pubertät, ungefähr im Alter von elf bis zwölf Jahren bis zum 15. Lebensjahr, ändert sich plötzlich alles. Lesestoffe, die zuvor noch lustvoll verschlungen wurden, verlieren ihren Reiz, da die ständig wiederkehrenden Motive und Formen für die LeserInnen langweilig werden und das Schematische der Machart der Kinderliteratur durchschaut wird (vgl. Graf 1996: 196). Diese Phase wird von Graf als „Lesekrise“ oder „literarische Pubertät“ bezeichnet (vgl. Graf 1995: 114ff.). Charakteristisch dafür sind Veränderungen in der Lesefreude, der Lesehäufigkeit und der Lesefrequenz, aber auch Veränderungen im Lesemodus, welche in den folgenden Abschnitten näher erläutert werden. Unter dem Begriff ‚Lesekrise‘ wird im Verlauf dieser Arbeit eine Vielzahl an Veränderungen im Leseverhalten von Heranwachsenden im Alter von elf bis 16 Jahren zusammengefasst, die dazu führen, dass sich die Lesehäufigkeit, Lesedauer, die Wahl der präferierten Lesestoffe, aber auch die Lesefreude ändern. All diese Veränderungen passieren nicht ruckartig von einem Moment zum anderen, sondern entwickeln sich im Laufe dieser Zeitspanne; ebenso wenig verändern sich alle Aspekte des Leseverhaltens gleichzeitig. Aus diesem Grund soll mit dem Begriff ‚Lesekrise‘ nicht der Zeitraum bezeichnet werden, sondern die Veränderungen im Leseverhalten und der -einstellung an sich, die in diesem Lebensalter auftreten. Diese Phase bildet das Zentrum der Untersuchungen der vorliegenden Arbeit und soll deshalb in den folgenden Abschnitten aus den verschiedensten Perspektiven näher untersucht werden. Die Überwindung der pubertären Lesekrise zeigt sich in einer Transformation der bisherigen kindlichen Leseweise. Graf definiert drei typische „Ausprägungen des erwachsenen Verhältnisses zu Büchern“ (Graf 1995: 115). Einerseits beschreibt er den überwiegend männlichen Sach- und Fachbuchleser, dessen Leseverhalten durch einen Abbruch der Lektüre von fiktiven Texten gekennzeichnet ist, und die meist weiblichen Belletristik-Leserinnen, die Romane präferieren. Die dritte Form des Verhältnisses zu Büchern ist jene des völligen Abbruchs der eigenen Lesekarriere (vgl. Graf 2010: 94-106). Alle drei LeserInnenkategorien haben ein verschiedenes Repertoire an Lesemodi (vgl. Abbildung 3), mit denen sie an Texte herangehen. Graf bezeichnet jene Phase, in der die bisherige Kinderlektüre an ihre Grenzen stößt und „zugleich lesend andere Lesehaltungen erprobt werden“ (Graf 1995: 121), auch als „Literarische Pubertät“ (vgl. Graf 1995: 118ff. und Graf 2004: 85ff.). Die pubertäre Lesekrise kann aber auch negativ bewältigt werden, nämlich durch einen völligen Abbruch der Lesekarriere. In jedem Fall sind für 29 <?page no="30"?> die Ausbildung einer stabilen Lesemotivation Anregungen von außen nötig, sowohl durch Eltern oder Geschwister als auch vor allem durch die Schule und die Peergroup. Dies nennt Werner Graf die „sekundäre literarische Initiation“ (vgl. Graf 1995: 115 und Graf 2010: 76-81). Eine deutliche Lesekrise zeigt sich in sämtlichen quantitativen Studien zum Leseverhalten Heranwachsender, vor allem in der Sekundarstufe I. Stellvertretend für zahlreiche weitere Untersuchungen soll hier die Zusammenfassung der SchülerInnenbefragung wiedergegeben werden, die 1995/ 1996 im Rahmen des Modellversuchs „Öffentliche Bibliothek und Schule“ der Bertelsmann-Stiftung durchgeführt wurde. Für diese Studie wurde das Instrument des „Leseindex“ entwickelt, der als Maß für die Lesegewohnheiten der Kinder dient. Während in den Klassenstufen 1 und 2 etwa 80 Prozent der Kinder im Leseindex hoch oder sehr hoch liegen, sind es in den Stufen 3 bis 6 etwa 55 Prozent und in den Stufen 7 bis 10 nur noch 30 Prozent. (Harmgarth 1997: 12) Dies bedeutet, dass mit dem steigenden Alter der SchülerInnen auch deren Lesefreude sinkt, und sie immer seltener in ihrer Freizeit lesen, was vor allem die Jungen, aber auch die Mädchen trifft (vgl. ebda.: 27; vgl. auch Garbe 2005b: 17f.). Ergebnisse einer ersten Lesekrise bei Schuleintritt, die durch die Erfahrung des Lesenlernens und der damit einher gehenden Frustration, sich mit den einfachsten Sätzen und Texten auseinandersetzen zu müssen (vgl. Garbe 2005a: 10), finden sich jedoch nicht in den Ergebnissen von Harmgarth. Um die für die Leseentwicklung problematische Zeit der Pubertät positiv überwinden zu können, fordert Kleedorfer (2008), dass die Attraktivität des Lesens gefördert werden müsse. Insbesondere für Jungen plädiert sie für eine Unterstützung durch visuelle Elemente in Texten, wie beispielsweise in Bilderbüchern, reich illustrierten Büchern, Comics oder CD-ROMs. Weiters sollen kürzere Texte, die sich an den Interessen der Kinder orientieren, die Lesemotivation steigern. Speziell im Schulalltag soll das Lesen, sowohl von traditionellen als auch von digitalen Texten, in einen motivierenden Rahmen eingebettet sein, wie beispielsweise den eines Projektes. Das themenorientierte, fächerübergreifende Lesen soll ermöglicht werden. „Lektüre soll eine aktive Lernstrategie in Recherche, Auswertung und Präsentation ermöglichen.“ (Kleedorfer 2008: 29) 30 <?page no="31"?> 2. Leseprozesse und Leseerwerb in Erst- und Zweitsprache In diesem Abschnitt wird zunächst auf das Lesen in der Erst- und Zweitsprache eingegangen und es werden die Merkmale und Kennzeichen des Lesens in beiden Sprachen hervorgehoben. Danach wird auf die Bedeutung der frühkindlichen Sprach- und Leseförderung eingegangen, die im Rahmen der Sozialisationsinstanz Familie vonstattengeht. 2.1. Lesen in der Erst- und Zweitsprache 2.1.1. Was ist Lesen? Um verstehen zu können, durch welche Differenzen das Lesen in Erst- und Zweitsprache gekennzeichnet ist, soll in diesem Abschnitt zunächst erläutert werden, welche Faktoren beim Leseprozess eine Rolle spielen, und welche Bedeutung diese beim Lesen in der Erstsprache haben. Das Lesen an sich kann zunächst allgemein als „Zusammenwirken von Wahrnehmen, Verarbeiten und Verstehen anlässlich visueller Reize in typisch schriftsprachlichen Situationen“ (Aust 1996: 1170) definiert werden, wobei Informationsverarbeitung, Denken, Empfinden und kommunikatives Handeln miteinander verbunden werden (vgl. Aust 2006: 525). Bereits diese kurze Definition zeigt, dass das Lesen nicht, wie im Alltagsverständnis oft angenommen, eine passive Aneignung von Bedeutungen aus dem Text ist, sondern dass es sich hierbei um einen äußerst aktiven Vorgang handelt, bei dem es zu einer Wechselwirkung zwischen den Informationen des Textes und dem Vorwissen der RezipientInnen kommt. Diese Wechselwirkung wird als Text-Leser-Interaktion (vgl. Christmann/ Groeben 2006: 146ff.) bezeichnet und gilt sowohl für literarische als auch für nicht-literarische Texte. Der Grundaspekt für den Verstehensprozess beim Lesen ist die Verknüpfung und Verschränkung von so genannten aufsteigenden und absteigenden Prozessen (vgl. Linke/ Nussbaumer/ Portmann 2004: 402f.): Aufsteigende Prozesse, auch „bottom-up“-Prozesse genannt, haben als Basis die zugrunde liegenden Daten, also den Text, der interpretiert (und somit verstanden) wird. Absteigende Prozesse oder „top down“-Prozesse führen in die umgekehrte Richtung, von den jeweiligen Vorerwartungen der LeserInnen an den Text zur Wortbzw. Begriffserkennung und zur Strukturerkennung bzw. -verarbeitung, wobei die Erwartungshaltungen der LeserInnen einen deutli- 31 <?page no="32"?> chen Einfluss auf das Lesen haben und sogar zu Fehlleistungen führen können. 1 Das Lesen und somit die Bedeutungsaufnahme aus einem Text ist ein Zusammenspiel von höchst komplexen Prozessen, das auf mehreren Ebenen vonstatten geht. Auf der Wortebene handelt es sich um Prozesse der Buchstaben- und Worterkennung, auf der Satzebene um Semantik und Syntax, und auf der Textebene um satzübergreifende Integrationsmechanismen (vgl. Christmann/ Groeben 2006: 148-172; vgl. auch Müsseler 2003: 600-606). Die unterste Ebene des Textverstehens (vgl. Christmann/ Groeben 2006: 148- 152) besteht aus dem visuellen Prozess des Erkennens von Buchstaben und Wörtern, bei dem der so genannte „Wortüberlegenheitseffekt“ als Grundbaustein der Wortidentifikation gilt. Demnach werden Buchstaben besser erkannt, wenn sie im Rahmen eines sinnvollen Wortes präsentiert werden, und schlechter erkannt, wenn sie einzeln oder innerhalb von Nonsens- Wörtern gezeigt werden. Ein weiteres Modell von McCelland/ Rumelhart (1981) besagt, dass im menschlichen Gedächtnis sowohl Buchstaben als auch Wörter gespeichert werden. Demnach ist der Vorgang der Wortidentifikation ein stetes „Wechselspiel von gegenseitiger Aktivierung und Hemmung von Buchstaben und Wörtern“ (Christmann/ Groeben 2006: 149), je nach der Anzahl von übereinstimmenden Merkmalen von gelesenen und abgespeicherten Buchstaben bzw. Wörtern. In einem dritten Modell wird davon ausgegangen, dass im mentalen Lexikon grammatikalische und lexikalische Morpheme gespeichert sind, und im Prozess der Worterkennung die Wörter in ihre Morpheme aufgespalten und analysiert werden. 2 Auf der Ebene der Semantik (vgl. Christmann/ Groeben 2006: 152-157) wird davon ausgegangen, dass die Bedeutung von Sätzen anhand von Prädikat-Argument-Strukturen, auch Propositionen genannt, erfasst wird; hierbei handelt es sich um die Tiefenstruktur der Sätze. Es gibt noch keinen Konsens darüber, ob die Rolle des Organisationskerns der Propositionen von Subjekt oder Prädikat übernommen wird. Auch was die Rolle der Syntax im Prozess des Verstehens betrifft, besteht in der Forschung keine Einigkeit, allerdings kann davon ausgegangen werden, dass es sich dabei um ein zweistufiges Verfahren handelt, bei dem zunächst der semantische Gehalt des Satzes analysiert wird, und erst im Zweifelsfall eine grammatikalische Analyse durchgeführt wird. Dies zeigt auch die Tatsache, dass die genaue syntaktische Information sofort nach dem semantischen Verstehen wieder vergessen wird, die Satzbedeutung aber im Gedächtnis erhalten bleibt. 1 Ein Beispiel für solche Fehlleistungen ist das Überlesen von Rechtschreibfehlern in eigenen Texten, da man ohnehin weiß, was geschrieben steht, und die Erwartungshaltung an den Text das Buchstaben- und Worterkennen beeinflusst. 2 Eine detailliertere Übersicht über die Modelle zur Worterkennung findet sich bei Prestin 2003: 491-494. 32 <?page no="33"?> Auf Textebene (vgl. Christmann/ Groeben 2006: 157-162) müssen die Informationen der einzelnen Sätze miteinander verknüpft werden, dies fällt den LeserInnen umso leichter, je kohärenter der vorliegende Text ist und je mehr Vorwissen aktiviert wird. Je eindeutiger die Hinweise im Text 3 sind, wie sich die Sätze und Satzteile aufeinander beziehen, desto einfacher und schneller können die Zusammenhänge auf Textebene erschlossen werden. Basis dafür sind Inferenzen, die aufgrund des Ineinandergreifens der sprachlichen Struktur des Textes und des Vorwissens der LeserInnen gebildet werden. Innerhalb der Inferenzforschung stehen einander zwei Positionen gegenüber, die minimalistische und die maximalistische Position. Die minimalistische Position besagt, dass innerhalb des Verstehensprozesses nur zwei Typen von Inferenzen gebildet werden, nämlich jene, die im Text lokale Kohärenzen aufbauen, und solche, die auf Textaussagen oder auf dem Vorwissen basieren. Hierbei werden vor allem Referenzen, Kasusrollen und kausale Ursachen ermittelt; globale und komplexe Inferenzen treten nur beim strategischen Lesen auf. Die maximalistische Position verteidigt die basale Funktion von Referenzen im Verstehensprozess, wobei das Vor- und Weltwissen der LeserInnen mit den Informationen des Textes verknüpft wird und sowohl lokale als auch globale Inferenzen gebildet werden. Christmann und Groeben nehmen eine Vermittlerposition zwischen den beiden Standpunkten ein, indem sie den LeserInnen die Fähigkeit einer flexiblen Textrezeption einräumen, bei der zwischen einer oberflächlichen und einer tiefer gehenden Verarbeitung gewählt wird (vgl. Christmann/ Groeben 2006: 162, weiters auch Rickheit/ Strohner 2003). Bei guten LeserInnen erfolgen die einfacheren kognitiven Leistungen automatisiert, dies betrifft zumindest die Wort- und Satzerkennung und die Schaffung von lokaler Kohärenz. Diese Tätigkeiten erfordern keine bewusste geistige Aktivität mehr, somit werden die kognitiven Ressourcen frei für hierarchisch höhere Leistungen, wie beispielsweise die Herstellung von globaler Kohärenz oder die Wahrnehmung von sprachlichen Gestaltungsmitteln (vgl. Rosebrock 2009: 61). 3 Solche Hinweise können Strategien der Koreferenz, wie Rekurrenzen, Substitutionen, Pro-Formen uvm. sein, aber auch die Thema-Rhema-Strategie oder mikro- und makrotypographische Gestaltungsmittel. Vgl. dazu u.a. Christmann/ Groeben 2006: 157-159 oder Linke/ Nussbaumer/ Portmann 2004: 245-253. 33 <?page no="34"?> 2.1.2. Lesen in der Zweitsprache und die Bedeutung der Erstsprache Für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache 4 ist das Lesen in der Zweitsprache in vielen Fällen deutlich schwieriger als das Lesen in der Erstsprache. Als abhängige Variablen zählt Ehlers (2008) folgende Problemfelder auf: „Das Schriftsystem, die Erwerbsphase, das Alter, die zuerst in einer Sprache erworbene Lesefähigkeit, die vorhandene Zweitsprachenkompetenz, die sprachlichen Eigenschaften von Ausgangs- und Zielsprache (…), und die Erziehungsumgebung“ (Ehlers 2008: 220). Besonders große Bedeutung haben hierbei die Kenntnisse in der Zweitsprache. Wenn diese unzureichend sind, ist auch die Lesefähigkeit eingeschränkt. Ebenso ist das Verhältnis von Erst- und Zweitsprache von Bedeutung, und zwar insofern, dass bei LernerInnen, die in ihrer Erstsprache bereits lesen gelernt haben, auch ein Transfer von Kenntnissen 5 möglich ist (vgl. ebda.: 220). Ehlers (2004: 6) streicht heraus, dass sich „tendenziell (…) die Verankerung des Kindes in der Muttersprache, vor allem der L1- Literalitätserwerb, positiv auf das Lesenlernen in der Zweitsprache bei Minderheitenkindern auswirken [kann]“. Dies bestätigt auch Katharina Brizics Studie zum Spracherwerb in der Migration bei 9-Jährigen (Brizic 2007): Je höher das Interesse der Kinder an ihrer Muttersprache ist, desto höher ist ihre Kompetenz in der Zweitsprache: Kinder mit größerem oder mittelmäßigen/ wechselndem Interesse an der Muttersprache schneiden in Deutsch (! ) besser ab als Kinder mit wenig muttersprachlichem Interesse; sie schneiden außerdem hochsignifikant besser ab als Kinder, deren Interesse an der Muttersprache als „kaum wahrnehmbar“ eingestuft wurde. (Brizic 2007: 323) Von enormer Bedeutung für das Interesse an der eigenen Muttersprache sind, wie Brizics Untersuchung zeigt, mehrere Faktoren, die sie in ihrem Sprachkapitalmodell (vgl. ebda.: 187) zusammenfasst und in eine Beziehung bringt. Ausgangspunkt sind die Makrobedingungen für den Spracherwerb im Herkunftsland, das Prestige der Sprache und die gesellschaftspolitischen Bedingungen. Darauf basieren die sprachlichen Lagen der Eltern bzw. der Sprachgruppe auf der Mesoebene und somit auch das sprachliche Kapital 4 In weiterer Folge werden im Rahmen der vorliegenden Arbeit für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache die Abkürzung „DaZ-Kinder“, und für Kinder mit deutscher Muttersprache die Abkürzung „DaM-Kinder“ verwendet. 5 Basis dafür ist die Annahme, dass hohe sprachliche Kompetenzen in der Erstsprache eine positive Voraussetzung für den Erwerb einer Zweitsprache ist. Dass im Rahmen des Spracherwerbs gewisse Schwellen erreicht werden (Schwellenhypothese), beschreibt Cummins (1979). Er geht davon aus, dass eine positive Überwindung dieser Schwellen den Zweitspracherwerb erleichtern kann (Interdependenzhypothese) (vgl. Ahrenholz 2008b: 72). 34 <?page no="35"?> und dessen Weitergabe / teilweise Weitergabe / Nichtweitergabe an die nächste Generation, was wiederum die Basis für die sprachliche Ausgangsposition des Kindes in der Migration (Mikroebene) ist (vgl. ebda.: 183ff.). Es zeigt sich, dass benachteiligte Sprachgemeinschaften zur Auswanderung tendieren, diese Benachteiligung zu einem schwachen sprachlichen Selbstvertrauen führen, die Erstsprache nicht oder nur marginal an die Kinder weitergegeben wird und somit die Sprachkompetenz der Kinder in der Migration (Mikroebene) schwach ist, was sich auch auf die sprachlichen Leistungen in der Zweitsprache auswirkt (vgl. ebda.: 338f.). Weitere Befunde sind in der Ergebnis-Auswertung der PIRLS und PISA- Untersuchungen 2006 zu finden, auch hier bestätigt sich, dass sich das familiäre Sprachverhalten entscheidend auf die Leseleistung der Heranwachsenden auswirkt. Zu den Sprachgewohnheiten wurde bei PIRLS festgestellt, dass 24% der DaZ-Kinder sowohl Deutsch als auch die Erstsprache sprechen, 2% nur ihre Erstsprache und 74% nur Deutsch (vgl. Herzog- Punzenberger/ Gapp 2009: 58). Zu anderen Ergebnissen kommt man bei PISA, hier zeigt sich, dass 21% der DaZ-Kinder überwiegend Deutsch sprechen, 79% sprechen überwiegend ihre Erstsprache (vgl. Breit 2009b: 137). Problematisch ist hierbei aber, dass es keine Angaben dazu gibt, ob und wie viele Kinder im Elternhaus sowohl Deutsch als auch ihre Erstsprache sprechen, sodass ein Vergleich zu den Daten von PIRLS nur schwer möglich ist. Was die Lesekompetenz betrifft, zeigte sich bei PIRLS, dass die Kinder, wenn im Elternhaus sowohl Deutsch, als auch die Erstsprache gesprochen wird, im Schnitt eine um neun Punkte geringere Lesekompetenz erreichen als Kinder, die im Elternhaus nur Deutsch sprechen. Weitaus negativer wirkt sich allerdings die Tatsache aus, wenn im Elternhaus nie Deutsch verwendet wird, die Leseleistung verringert sich um 27 Punkte (vgl. Unterwurzacher 2009: 76). Ebenso konnte festgestellt werden, dass DaZ-Kinder in ihren Elternhäusern schlechter mit Lernhilfen ausgestattet sind, als DaM- Kinder. Dennoch ist die Bereitschaft der Eltern von DaZ-Kindern im Vergleich zu einheimischen Elternhäusern höher, mit ihren Kindern lesebezogene Aktivitäten (Vorlesen, Geschichtenerzählen und Ähnliches) durchzuführen, was einen positiven Effekt auf die Leseleistung der Kinder hat (vgl. ebda.: 74). Bei PISA fehlen solche detaillierten Ergebnisauswertungen. Allgemein ließ sich bei PISA aber feststellen, dass Kinder, die in ihren Familien ihre Herkunftssprache sprechen, diese auch meist lesen und schreiben können (vgl. Breit 2009b: 143). Vor welchen enormen Lese-Herausforderungen DaZ-Kinder stehen, beschreibt Verhoeven (1994b: 201) am Beispiel von Kindern mit türkischer Erstsprache, die nach Westeuropa emigriert sind: Diese müssen auf vier verschiedene Sprachsysteme zurückgreifen: Dabei handelt es sich einerseits um die Sprache des Ziellandes, die für die tägliche Kommunikation außer- 35 <?page no="36"?> halb des Familienkreises verwendet wird. Die Erstsprache wird innerhalb der Familie, für Kommunikation mit weiteren MigrantInnen aus dem Herkunftsland und für die Betonung der eigenen Ethnizität verwendet. Dazu kommt das Arabische im religiösen Kontext, um die religiösen Schriften zu lesen, und das Englische, was die Chancen höherer Bildung erhöht und für eine internationale Kommunikation unerlässlich ist. Laut Ehlers sind folgende Kennzeichen für zweisprachige LeserInnen typisch (vgl. Ehlers 2008: 220f.; vgl. auch Ehlers 2004: 6f.): - Langsameres Lesen, eine verringerte Leseflüssigkeit und eine kürzere Lesezeitspanne: Als eine mögliche Ursache dafür werden mangelnde Wortschatzkenntnisse oder eine mangelnde Automatisierung der Lese-Grundfertigkeiten angegeben. Die Fixationszeiten des Auges sind ebenfalls länger. Außerdem verhindern mangelnde Vokabel- und Syntaxkenntnisse eine schnelle Worterkennung. - Fehlendes Hintergrundwissen: Verstehendes Lesen wird häufig durch nicht verfügbare oder nicht ausdifferenzierte Konzepte erschwert. - Ein weiteres Problemfeld ist die Inferierfähigkeit: Da die zweitsprachlichen LeserInnen sich sehr an der sprachlichen Basis der Texte orientieren, werden häufig zu wenig Inferenzen erzeugt, um sich ein umfassendes Bild von der im Text beschriebenen Situation machen zu können. „Der L2-Leser erzeugt daher inferentiell arme Bedeutungsstrukturen, er kann Sätze weniger gut in Textzusammenhänge integrieren, weil z.B. die Koreferenz nicht hergestellt werden kann.“ (Ehlers 2008: 221) Weitere Faktoren, die neben den sprachlichen und kognitiven Einflüssen bei DaZ-Kindern zum Tragen kommen, sind „soziale, gesellschaftliche Faktoren und Phänomene wie Sprachkontakte, -häufigkeit, Sprachenwechsel und -verlust“ (Ehlers 2004: 6). Ehlers betont, dass die schlechten Leseleistungen von DaZ-Kindern teilweise auf eine geringere phonologische Bewusstheit zurückzuführen ist. Um dies auszugleichen und somit die schlechten Leseleistungen der DaZ-Kinder zu verbessern, ist die frühkindliche Sprach- und Leseförderung (siehe nächster Abschnitt) von großer Bedeutung ist (vgl. ebda.). 2.2. Frühkindliche Sprach- und Leseförderung Der Sozialisationsinstanz der Familie kommt für den Spracherwerb und somit auch für die Ausbildung eines basalen Interesses an der Welt der Texte eine große Rolle zu. Leseentwicklung und Sprachentwicklung hängen eng zusammen, nicht nur durch die Tatsache, dass beides im Rahmen der primären Sozialisation im Elternhaus stattfindet. 36 <?page no="37"?> Wie wichtig es ist, die Heranwachsenden bereits im Kleinkindalter mit Texten und konzeptionell schriftlicher Sprachverwendung spielerisch zu konfrontieren, beschreiben Bischof/ Heidtmann im folgenden Zitat: Die literarische Sozialisation von Kindern setzt bereits lange vor der Beherrschung der Schriftsprache ein, wichtig ist ein Umfeld, in dem mit Selbstverständlichkeit mit Literatur umgegangen wird, in dem Bücher und Zeitschriften Teil des Alltagslebens sind, ein Umfeld also, in dem Kinder ständig das Vorbild lesender Eltern und Erwachsener vorfinden, in dem Lektüre von Büchern zum Anlaß und zum Inhalt der Kommunikation wird. (Bischof/ Heidtmann 2002: 9) Von Bedeutung sind die Begriffe der frühkindlichen Sprach- und Leseförderung: Während bei frühkindlicher Sprachförderung die gesprochene Sprache im Vordergrund steht, handelt es sich bei frühkindlicher Leseförderung um Aktivitäten, die sich direkt auf die Schrift beziehen (vgl. Wallner- Paschon/ Schneider 2009a: 129). 6 Sprachförderung geht dabei mit höherer Lesekompetenz einher: Wenn die Umgebung der Heranwachsenden sprachlich stimulierend ist, also das Kind zum Sprechen angeregt und auf seine Äußerungen positiv reagiert wird, aber auch wenn Sprache situationsabstrakt und in elaborierter Form eingesetzt wird, ist dies förderlich für eine erfolgreiche Lesesozialisation (vgl. ebda.: 132; vgl. auch Hurrelmann 2004b: 45). Die Begegnung mit konzeptionell schriftlicher Sprache im Medium der Mündlichkeit ermöglicht den Kindern einen ersten Zugang zur Reflexion auf ihre eigene Sprache, die sie zunächst nur mündlich verwenden, und verhilft zu einer Ausbildung von Sprachbewusstheit, die für das Lesenlernen unverzichtbar ist. Je stärker die Heranwachsenden sprachlich gefördert werden, desto leichter fällt ihnen das Lesenlernen und desto höher kann sich ihre Lesekompetenz entwickeln (vgl. Hurrelmann 2004b: 46). Wichtige Bestandteile einer sprachlich stimulierenden Umgebung sind prä- und paraterarische Kommunikationsformen, wie beispielsweise das Singen von Lie-dern, das Erlernen von Reimen und Gedichten, das gemeinsame 6 In diesem Zusammenhang darf nicht auf den Begriff der „frühen Literalität“ vergessen werden, für den es eine ganze Reihe von Definitionen gibt, die sich stets auf unterschiedliche Schwerpunkte konzentrieren. Für die vorliegende Arbeit von Interesse sind jedoch jene Definitionen, die ihren Fokus auf die frühe Kindheit legen. Andresen versteht unter früher Literalität „[…] ein ganzes Bündel verschiedener Tätigkeiten und Erfahrungen von Kindern vor der Einschulung […] sowie die vielfältige Teilhabe von Kindern an schriftgeprägten kulturellen Praktiken“ (Andresen 2004: 64). Eine weiter gefasste Definition bietet Osburg, die in den Begriff der Literalität auch Komponenten wie „Text- und Sinnverständnis, Interesse an Schrift, Symbolverständnis, Sprachgefühl, Umgang mit Büchern“ (Osburg 2004: 15) mit einbaut. Auf diese Definitionen stützt sich im weiteren Verlauf die Verwendung des Begriffes „frühe literale Praxis“, der an geeigneter Stelle genauer ausgeführt wird. 37 li <?page no="38"?> Geschichtenerfinden sowie das Spielen mit Worten (vgl. Böck 2000: 134). Diese prä- und paraliterarischen Kommunikationsformen werden im empirischen Teil der vorliegenden Untersuchung unter dem Begriff „frühe literale Praxis“ zusammengefasst, während das Vorlesen oder Erzählen von Geschichten als separate Kategorie behandelt wird, da man sich dabei auf längere, zusammenhängende Texte bezieht. Den positiven Zusammenhang zwischen früher Sprach- und Leseförderung und Lesekompetenz belegen auch die Ergebnisse der Studien, die im Folgenden vorgestellt werden. Kommunikation über Texte erfolgt vom Kleinkindbis ins Grundschulalter häufig im Rahmen des Erzählens und/ oder Vorlesens von Geschichten. In der Studie von Böck (2000) geben beispielsweise zwischen 70% und 80% der SchülerInnen im Alter zwischen acht und zwölf Jahren an, dass ihnen, als sie noch kleiner waren, vorgelesen wurde. Bei Burschen nehmen die Erinnerungen an gemeinsame Vorlesesituationen ab dem 13. Lebensjahr ab, hier sind es nur noch 56%, bei den 14-Jährigen 37%, die sich an vorgelesene oder erzählte Texte erinnern. Böck schließt aus den Ergebnissen, dass diese das Resultat einer stets geringer werdenden Relevanz des Buchlesens seien, und dass sich darüber hinaus die Burschen ab dem Alter von 13 Jahren bewusst von aus ihrer Sicht kindischen Aktivitäten abzugrenzen versuchen (vgl. Böck 2000: 137). Allerdings darf an dieser Stelle nicht vergessen werden, dass zum Vorlesen auch eine kompetente, mit Texten vertraute Person nötig ist, um Lesefreude vermitteln zu können. Aus diesem Grund hat in schriftfernen Lebenswelten das Vorlesen häufig nicht den positiven Effekt, den es in anderen Familien hat, da das Lesen, und somit auch das Vorlesen, von den Eltern häufig als Pflicht verstanden wird, und die Texte und deren Sprache nicht dem Erfahrungshorizont der Kinder angepasst vermittelt werden können (vgl. Bucher 2004: 48; vgl. auch Pieper et al. 2004: 20; vgl. auch Hurrelmann 2004b: 47). Für die Gruppe der DaZ-Kinder sind gemeinsame Vorlesesituationen seltener zu konstatieren, wie beispielsweise in der Studie von Pieper et al. (2004) deutlich wird. Von den Heranwachsenden werden als Grund für die nur seltenen oder gar nicht vorhandenen Vorlesesituationen einerseits der Zeitmangel der Eltern, andererseits aber die mangelnden Sprachkenntnisse der Eltern genannt (vgl. ebda.: 171). In Familien, in denen das Vorlesen oder das Erzählen von Geschichten durchaus als ein Ritual zu bezeichnen ist, werden sowohl Geschichten in der Erstsprache als auch in der Zweitsprache Deutsch vorgelesen. Vorgelesen oder erzählt wird von den Eltern, näheren Verwandten oder älteren Geschwistern; jedoch sind Situationen, in denen Geschichten erzählt wurden, emotional positiver besetzt als jene, in denen Geschichten vorgelesen wurden. „Echte Vorleseszenen [scheinen] selten in familiäre Zuwendung eingebettet gewesen zu sein, was möglicherweise auch erklärt, warum sich die Interviewten oft nur schwerlich an solche Sze- 38 <?page no="39"?> nen erinnern“ (ebda.: 173). Am häufigsten handelte es sich dabei um das Vorlesen oder Erzählen von Märchen. Allerdings konnten keine Rückschlüsse auf die Intensität und Qualität dieser Kommunikationsformen gezogen werden (vgl. Pieper et al. 2004: 143f.). Dennoch sind die Daten zur Leseförderung innerhalb der Familie für die Gruppe der DaZ-Kinder nicht eindeutig: Bucher (2004) konstatiert, dass Kinder mit nicht-deutscher Muttersprache seltener in ihrem Lesen gefördert werden als DaM-Kinder, sie fügt aber hinzu, dass sich unter Berücksichtigung des Sozialstatus der Einfluss des Migrationshintergrundes reduziert (vgl. Bucher 2004: 171): Leseförderliche Aktivitäten finden häufiger in Familien statt, deren Sozialstatus als niedrig einzustufen ist (vgl. Wallner- Paschon/ Schneider 2009a: 133). Die Ergebnisse von PIRLS 2006 zeigen außerdem, dass Eltern von DaZ-Kindern mehr Zeit für lesefördernde Aktivitäten aufbringen als jene von DaM-Kindern (vgl. Unterwurzacher 2009: 74), dennoch sind Kinder mit türkischer, bosnischer, serbischer und kroatischer Erstsprache diesbezüglich stark benachteiligt (vgl. ebda.: 75). Dies zeigt auch die Studie von Katharina Brizic (2007), die bereits zuvor angesprochen wurde. Anhand ihres Sprachkapitalmodells erläutert sie, dass die Bedingungen für den Spracherwerb im Herkunftsland (Sprachprestige, Staatssprache, Schulsprache, Bildungsbeteiligung, Mehrheit) deutliche Auswirkungen auf die Sprachkompetenz der Heranwachsenden haben (vgl. Brizic 2007: 326). Kinder mit den Erstsprachen Bosnisch, Kroatisch, Serbisch sowie Türkisch und Romanes haben deutlich schlechtere Deutschkompetenzen als Kinder mit anderen Erstsprachen, jedoch hängt dies vor allem mit dem Verlust von sprachlichem Kapital innerhalb der Familie zusammen, der durch eine teilweise oder Nichtweitergabe der Erstsprache verursacht wird (vgl. ebda.: 327ff.). 39 <?page no="41"?> 3. Lesen und Medien Lesen ist immer nur im Medienumfeld möglich. In diesem Kapitel soll daher zunächst darauf eingegangen werden, in welchem medialen Umfeld die Kinder und Jugendlichen heute leben und aufwachsen sowie welches Medienangebot ihnen, sowohl an elektronischen als auch an traditionellen Lesemedien, zu Verfügung steht. Danach steht die Nutzung der Lesemedien im Vordergrund, wobei Faktoren wie Lesehäufigkeit, die Leseeinstellung und die bevorzugten Medien und Genres beachtet werden. Daraufhin stehen die Funktionen, die Bücher für die Heranwachsenden übernehmen können, im Mittelpunkt. In einem weiteren Abschnitt wird auf lesehemmende und -anregende Faktoren eingegangen, und die Frage mit einbezogen, wie die Heranwachsenden Zugang zu Lesestoff erhalten. Der letzte Abschnitt beschäftigt sich mit den Faktoren Lesekompetenz, Lesemotivation und Leseselbstkonzept, die sich entscheidend auf das Leseverhalten von Kindern und Jugendlichen auswirken. 3.1. Medienzugang Kinder und Jugendliche sind in ihrem Alltag von allen Seiten mit Medien konfrontiert, die Nutzung der Medien macht einen großen Teil ihrer Freizeitaktivitäten aus. Klassische Medien wie Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehen oder Hörmedien und neuere Medien wie Internet, Computer, Handy und Ähnliches werden mit unterschiedlicher Intensität und Häufigkeit genutzt, und vor allem ist die Ausstattung der Haushalte mit elektronischen Medien sehr umfassend. Margit Böck spricht bei ihrer Untersuchung zu den „Lesegewohnheiten und Leseinteressen der 8bis 14-Jährigen in Österreich“, die am Ende der 90er-Jahre durchgeführt wurde, bereits von einer „Vollversorgung“ (Böck 2000: 35) der Haushalte, in denen Kinder und Jugendliche leben, mit Fernseher (99%), Radio (99%) und Musikmedien (98%). Dieser Trend setzte sich im vergangenen Jahrzehnt fort, wie die ORF Markt- und Medienforschung in ihrer Umfrage 2008 zeigte (vgl. ORF 2008: 2): Fernseher, Musikmedien, Computer und Handy haben in fast jeden österreichischen Haushalt Einzug gehalten (in Haushalten mit Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren sind es 98-99%), ebenso ist ein Internetanschluss zur Selbstverständlichkeit geworden (93%). Spielkonsolen sind in mehr als der Hälfte der Haushalte zu finden (64%). Ebenso ist der Medienbesitz der Kinder und Jugendlichen selbst sehr umfangreich (vgl. Six 2008: 887). Neben elektronischen Medien sind vor allem auch Lesemedien wie Zeitungen und Zeitschriften von großer Bedeutung in der Medienlandschaft. 41 <?page no="42"?> Differenzierte Informationen zur Medienausstattung von Haushalten, in denen Kinder und Jugendliche mit nicht-deutscher Muttersprache leben, sind für Zeitungen und Zeitschriften nicht vorhanden. Nicht nur Zeitschriften und Zeitungen gehören zur Medienausstattung der heutigen Haushalte, sondern auch Bücher. Detaillierte Informationen zur Anzahl von Büchern in österreichischen Haushalten mit Kindern gibt die PIRLS-Studie 2006, bei der im Elternfragebogen nach der Anzahl an Büchern und Kinderbüchern im Elternhaus gefragt wurde. Die Ergebnisse zeigen, dass […] ein Viertel der österreichischen Schüler/ innen in einem familiären Umfeld aufwachsen, in dem überhaupt keine oder nur sehr wenige Bücher vorhanden sind. Bei mehr als einem Drittel der Schüler/ innen liegt der häusliche Buchbesitz im Bereich von 26 bis 100 Büchern. Für knapp 40% der Schüler/ innen ist die Buchausstattung ihres Elternhauses mit mindestens 100 Büchern als umfassend einzuschätzen. (Wallner-Paschon/ Schneider 2009a: 138) Dies bedeutet, dass für ein Viertel der SchülerInnen kein oder ein nur sehr eingeschränkter Zugang zu Lesestoff in Form von Büchern besteht, und sie folglich auf andere Kontexte als das Elternhaus angewiesen sind, um Kontakt mit Büchern zu haben. Der Großteil der Kinder hat aber durch einen elterlichen Buchbesitz von 26 bis über 100 Exemplare einen erleichterten Zugang zum Medium Buch, womit eine Grundvoraussetzung für die Ausbildung einer stabilen Bindung an dieses Medium gegeben ist. Die Ausstattung an Büchern in den Haushalten von DaZ-Kindern ist ebenfalls gut, dies zeigt eine Studie von Pieper et al. (2004). Allerdings wurde in der Studie bei näherem Nachfragen deutlich, dass es sich bei den Büchern hauptsächlich um Lexika, Nachschlagewerke, Kochbücher oder Fernsehzeitungen handelt (vgl. ebda.: 173), und nicht um längere, zusammenhängende Texte wie Sachbücher oder literarische Texte. Demnach ist die Qualität der in Haushalten von DaZ-Kindern vorhandenen Bücher als niedriger einzuschätzen als jene in Haushalten von DaM-Kindern. Der soziale Hintergrund der Familien ist für den Verlauf der Lesesozialisation der Heranwachsenden von großer Bedeutung, darauf soll in einem späteren Kapitel detaillierter eingegangen werden. Im Zusammenhang mit dem Medienbesitz soll an dieser Stelle nur so viel gesagt sein: Je höher der soziale Status der Familie ist, desto mehr Bücher sind auch in den Kinderzimmern vorhanden (vgl. Süss/ Bernhard 2002: 15). Wie bereits zuvor für den allgemeinen Buchbesitz angesprochen, sind die Zahlen für das Vorhandensein von Kinderbüchern in den Haushalten ähnlich: Der Großteil der befragten Eltern, nämlich 34%, gab an, im Haushalt zwischen 26 und 50 Kinderbücher zu haben. 24% schätzen ihren Besitz auf 42 <?page no="43"?> zwischen 51 und 100 Bücher ein, 19% auf elf bis 25 Kinderbücher. Die kleinsten Gruppen beziehen sich auf die Extrema: 14% der Eltern haben mehr als 100 Kinderbücher, und 9% besitzen höchstens 10 Bücher (vgl. Wallner- Paschon/ Schneider 2009a: 139). Der Zugang der Heranwachsenden zu Kinderbüchern ist demnach in den meisten Fällen als ausreichend zu bezeichnen, ein relativ kleiner Prozentsatz hat nur eine sehr eingeschränkte Auswahl an Kinderbüchern im Haushalt. Ähnliche Daten zeigt eine Studie von Böck Ende der 90er-Jahre, bei der Kinder zwischen 8-14 Jahren befragt wurden. Dabei gaben 16% der Kinder an, bis zu 10 Bücher zu besitzen, und 15% der Kinder mehr als 100 Bücher (vgl. Böck 2002: 27). Auffallend ist hierbei ein enormer Geschlechterunterschied: 40% der Mädchen gaben an, mehr als 100 Bücher zu besitzen, aber nur 29% der Jungen; Böck fasst diese Daten wie folgt zusammen: Mädchen und Jungen wachsen […] in verschiedenen „Medienumwelten“ in ihrem Kinderzimmer auf: Jungen zählen audiovisuelle und interaktive Medien deutlich häufiger zu ihrem persönlichen Besitz als Mädchen. Mädchen wiederum haben wesentlich mehr Bücher als Jungen […]. (Böck 2002: 26) Wie sich dies auf das Leseverhalten der Jugendlichen auswirkt, soll später weiter ausgeführt werden. Mit zunehmendem Alter der Heranwachsenden komplettiert sich zusehends deren Medienausstattung. Ein interessantes Ergebnis Böcks im Hinblick auf die altersspezifischen Unterschiede beim Medienbesitz allgemein und beim Buchbesitz im Besonderen ist Folgendes: Mit dem Alter der Kinder nimmt ihre persönliche Medienausstattung deutlich zu. Gleichzeitig reduziert sich der Buchbesitz. Der Anteil jener, die mehr als 100 eigene Bücher angeben, fällt von 22% bei den 8-Jährigen auf 8% bei den 14-Jährigen. Nicht mehr als zehn Bücher haben 12% der jüngsten, aber 21% der ältesten Befragten. (Böck 2000: 38) Diese auf den ersten Blick widersprüchlichen Zahlen konnte Böck im qualitativen Teil ihrer Studie begründen. Da vor allem das Buch als wichtiges Geschenksmedium fungiert, müsste sich der Buchbesitz der Kinder im Laufe der Zeit vergrößern. Es zeigte sich aber, dass sich die meisten Kinder und Jugendlichen im Laufe des Erwachsenwerdens von ihren Kinderbüchern trennen - diese entweder in den Familienbesitz übergehen lassen und nicht mehr als ihre eigenen Bücher ansehen, oder sich endgültig von ihnen trennen, diese verkaufen oder weiterschenken, dies zeigt sich in Böcks Untersuchung im Alter von 14 Jahren (vgl. ebda.: 39). Dieses Phänomen ist als Indiz für eine Lesekrise zu werten. Differenzierte Daten zur Medien- und Buchausstattung von DaZ- Kindern, vor allem was die Verfügbarkeit von Lesemedien in Erst- und Zweitsprache betrifft, sind bisher noch nicht vorhanden. 43 <?page no="44"?> Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die österreichischen Haushalte im Schnitt relativ gut mit den verschiedensten Lesemedien ausgestattet sind. Beinahe alle Familien sind mit elektronischen Medien voll ausgestattet, die von den Heranwachsenden genutzt werden können. Zeitschriften liegen mit 85% an zweiter Stelle, gefolgt von Tageszeitungen, die mehr als 70% der ÖsterreicherInnen beziehen. Auch für diese beiden Medien besteht ein guter Zugang für die Kinder und Jugendlichen. Was den Buchbestand betrifft, ist ein beunruhigend großer Anteil der Haushalte mit Büchern (auch mit Kinderbüchern) nur marginal ausgestattet, ein Viertel der Jugendlichen hat einen nur sehr eingeschränkten Zugang zum Medium Buch, da diese in ihren Elternhäusern nicht vorhanden sind. Somit ist es für diese Heranwachsenden auch um ein Vielfaches schwieriger, ein stabiles Verhältnis zum Medium Buch aufzubauen. In diesem Abschnitt wurde nun geklärt, ob und welchen Zugang die Kinder und Jugendlichen zu den verschiedensten Lesemedien durch ihre Elternhäuser haben. Wie diese allerdings Bücher, Zeitungen, Zeitschriften und Ähnliches nutzen, darauf soll im nächsten Abschnitt eingegangen werden. 3.2. Mediennutzung und Leseverhalten In diesem Abschnitt soll auf die Mediennutzung und das Leseverhalten der Jugendlichen näher eingegangen werden. Hierbei werden die Faktoren der Lesehäufigkeit, der Einstellung zum Lesen sowie die bevorzugten Medien und Genres behandelt. Die Vollausstattung der heimischen Haushalte mit sämtlichen elektronischen Medien spiegelt sich in der Mediennutzung der Heranwachsenden. Audiovisuelle Medien sind besonders beliebt, den Spitzenplatz in der Nutzung nimmt das Fernsehen ein, wobei Burschen dieses Medium zeitlich länger als Mädchen nutzen. Auditive Medien wie Radio oder Musikhören rangieren an zweiter Stelle, gefolgt von den Printmedien. Gattermaier (2003) betont in seiner Untersuchung jedoch, dass zwischen den Teilgruppen große Schwankungen in der Nutzungsdauer liegen: Bei Burschen liegt ein großer Abstand zwischen audiovisuellen und den anderen beiden Medientypen, während bei Mädchen alle drei Bereiche sehr nahe beisammen liegen und davon ausgegangen werden kann, dass die Medien in einem sehr ausgewogenen Verhältnis genutzt werden. Dies gilt ebenso für Kinder mit hohem Sozialstatus, während von Kindern mit niedrigem sozialem Status die audiovisuellen Medien eindeutig präferiert werden (vgl. Gattermaier 2003: 78f.). 44 <?page no="45"?> Für Jugendliche mit Migrationshintergrund wurde festgestellt, dass die Rezeption von audiovisuellen Medien (Fernsehen) äußerst beliebt ist, vor allem im Übergang von der Kindheit zum Jugendalter (vgl. Pieper et al. 2004: 145), wobei die Hauptmotive für die intensive Fernsehnutzung in der Langeweile und im Mangel an alternativen Freizeitbeschäftigungen liegen (vgl. ebda.). Im Folgenden soll allerdings das Lesemedium Buch im Vordergrund stehen. 3.2.1. Lesehäufigkeit und Einstellungen zum Lesen Eines der häufigsten Vorurteile gegenüber Heranwachsenden, wenn deren Leseverhalten zur Sprache kommt, ist, dass diese viel zu wenig und zu selten lesen würden. Dass dies nicht der Fall ist, zeigt Priska Bucher in einer Studie (vgl. vgl. Bucher 2004). Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Leserate von SchülerInnen, im Vergleich zu den Erwachsenen, sehr hoch ist: 10% der von ihr untersuchten SchülerInnen im Alter von 12 bis 15 Jahren gaben an, keine Bücher zu lesen; die meisten, nämlich 38%, haben im vergangenen Jahr zwischen einem und fünf Bücher gelesen, und ein sehr hoher Anteil, nämlich jeweils 20%, haben zwischen sechs und zehn, und ebenfalls 20% über 20 Bücher gelesen. Bei den Erwachsenen kann hingegen davon ausgegangen werden, dass die Leserate gleichmäßig in Drittel verteilt ist: Ein Drittel liest keine Bücher, ein Drittel im mittleren Maß, und ein Drittel kann zu den VielleserInnen gezählt werden (vgl. Bucher 2004: 120). Im Altersverlauf stellt Bucher einen deutlichen Rückgang des Buchlesens fest, was für beide Geschlechter gilt, wobei Mädchen in allen Altersstufen generell mehr lesen als Burschen. Signifikante Variablen für diese Lesekrise sind Bildung und schichtspezifische Unterschiede (vgl. Bucher 2004: 120f.; vgl. Harmgarth 1997: 12). Zu diesem Ergebnis kommt auch Backes (1999), die Folgendes feststellt: Das Lesen von Büchern nimmt insgesamt mit steigender Lesefertigkeit von der Vorschulzeit an stetig zu, erreicht seinen Höhepunkt in der Adoleszenz, um danach wieder bedeutsam zurückzugehen bzw. zu stagnieren. (Backes 1999: 70) Bezüglich der Lesequantität und -intensität besteht ein deutlicher Geschlechterunterschied, Mädchen lesen mehr als Jungen, dies zeigt sich bereits in der Altersgruppe der 9bis 11-jährigen Kinder (vgl. Hurrelmann/ Hammer/ Nieß 1993: 53), auch unabhängig vom Bildungsniveau (vgl. Bonfadelli/ Fritz 1993: 130). 45 <?page no="46"?> Da allerdings nicht nur die Anzahl der gelesenen Bücher, sondern auch Faktoren wie Lesehäufigkeit und Lesefreude 1 bei der Ermittlung des Leseverhaltens von Jugendlichen eine große Rolle spielen, sollen nun zwei interessante Instrumente, um regelmäßige und unregelmäßige LeserInnen zu unterscheiden, vorgestellt werden. Dabei handelt es sich einerseits um die Typologie der „Buchleseintensität“, die im Rahmen der Untersuchungen zu PISA plus 2000 erstellt wurde, und die sich aus mehreren Faktoren zusammensetzt. Dazu gehören die Lesehäufigkeit und -dauer, die Anzahl der Bücher, die im letzten Jahr gelesen wurden, und die Freude am Buchlesen (vgl. Böck/ Wallner-Paschon 2002a: 14). Hierbei wurden Kinder am Ende der Pflichtschulzeit, also im Alter von 15 bis 16 Jahren, untersucht. Aus den Antworten der ProbandInnen wurden vier Typen der Buchleseintensität (vgl. ebda.: 14f.) ermittelt: - Hohe Buchleseintensität: Zu dieser Gruppe werden 26% der SchülerInnen gezählt. Sie lesen gerne Bücher und wenden dafür viel Zeit auf. Mädchen bilden einen überdurchschnittlich großen Teil dieser Gruppe, während Jungen unterdurchschnittlich repräsentiert sind. - Mittlere Buchleseintensität: Eine hohe Lesefreude haben auch die SchülerInnen dieser Gruppe, die 20% der Befragten ausmacht, allerdings wird dafür weniger Zeit aufgewendet als in der zuvor beschriebenen Gruppe. Ebenfalls finden sich hier besonders viele Mädchen. - Geringe Buchleseintensität: Eine nur schwache Lesefreude ist bei 25% der befragten SchülerInnen anzutreffen, es werden wenige Bücher gelesen. Jungen sind in dieser Gruppe sehr stark vertreten. - Sehr niedrige Buchleseintensität: Die größte Gruppe, nämlich 29% der Befragten, ist dadurch gekennzeichnet, dass sie nur dann lesen, wenn sie auch müssen. 70% dieser Gruppe gibt an, keine Freude am Buchlesen zu haben. Der Anteil der männlichen Schüler ist in dieser Gruppe am höchsten. Kinder mit nicht-deutscher Muttersprache unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Buchleseintensität nicht deutlich von jener von Kindern mit deutscher Muttersprache, allerdings fehlen bisher Daten zum Leseverhalten der Kinder in ihrer Muttersprache bzw. Zweitsprache (vgl. Böck/ Wallner-Paschon 2002a: 17). Eine weitere Buchlesetypologie wurde von Gattermaier (2003) entwickelt, bei dieser wurden ebenfalls Dimensionen der Lesehäufigkeit und -dauer, die 1 „Lesefreude ist die Voraussetzung dafür, dass Kinder und Jugendliche (und in der Folge Erwachsene) das Lesen bzw. die Nutzung von Lesemedien eine attraktive Alternative zur wachsenden elektronischen Medienvielfalt ist“ (Böck/ Wallner-Paschon 2002a: 13). 46 <?page no="47"?> Anzahl der Bücher, die in den letzten beiden Monaten gelesen wurden, und das Selbstbild der SchülerInnen als LeserInnen mit einbezogen (vgl. Gattermaier 2003: 153ff.). Untersucht wurden AchtklässlerInnen in Sachsen und Bayern. Die größte Gruppe, ausgehend vom Gesamtsample, ist jene der NichtleserInnen, die keine Bindung an das Medium Buch haben (22,5%). Diese Gruppe ist mehr als drei Mal so groß wie jene der VielleserInnen (6,4%). Bei einer Reduzierung auf eine Dreiergruppe von habituellen BuchleserInnen, Gelegenheits-BuchleserInnen und Wenigbzw. Nicht- Buchleser- Innen zeigt sich, dass es sich um deutlich ungleich große Gruppierungen handelt, bei denen jene der Gelegenheits-BuchleserInnen mit 40,5% die größte ist, gefolgt von den NichtleserInnen mit 34,7%. Habituelle BuchleserInnen sind die kleinste Gruppe mit 24,8%. Das Buchlesen spielt immer noch für eine große Gruppe an Jugendlichen im Alter von 15 Jahren eine große Rolle: Auch wenn über 40% der SchülerInnen zwar nicht als habituelle BuchleserInnen einzustufen sind, ist für sie das Medium Buch im Alltag dennoch von Bedeutung (vgl. Gattermaier 2003: 160f.). Diese Ergebnisse decken sich zu einem Großteil mit jenen von Böck/ Wallner-Paschon, die Prozentverteilungen der einzelnen Gruppen sind durchwegs ähnlich. 2 Die Faktoren Geschlecht und sozioökonomischer Hintergrund der Familie sind von großer Bedeutung für die Lesesozialisation der Heranwachsenden. Detailliertere Ergebnisse zum sozialen Status der Familien werden in einem späteren Abschnitt vorgestellt, allerdings sollen grundlegende Erkenntnisse bereits an dieser Stelle erwähnt werden. Bei einer Berücksichtigung des Faktors Geschlecht zeigt sich, dass in der Gruppe der habituellen BuchleserInnen fast drei Mal so viele Mädchen, nämlich 35,1%, als Burschen (13,1%) anzutreffen sind. Umgekehrt verhält es sich in der Gruppe der Wenigbzw. Nicht-BuchleserInnen: Hierzu zählen sich die Hälfte aller befragten Burschen (49,9%), und nur 21,6% der Mädchen. Die Geschlechterunterschiede fallen eklatant aus, und Gattermaier konstatiert hier einen deutlichen Handlungsbedarf, vor allem für den schulischen Deutschunterricht (vgl. Gattermaier 2003: 162f.; vgl. auch Harmgarth 1997: 12). Bischof/ Heidtmann (2002) stellten in ihrer Untersuchung zum Leseverhalten von Burschen fest, dass der Höhepunkt der Leseintensität bei Burschen im Alter zwischen 10 und 13 Jahren angesiedelt ist, in diesem Zeitraum lesen sie ein bis fünf Bücher pro Monat. Mit dem Einsetzen der 2 VielleserInnen: Gattermaier 24,8% und Böck/ Wallner-Paschon 26%; GelegenheitsleserInnen: Gattermaier 40,5% und Böck/ Wallner-Paschon 45% (bei einer Verbindung der mittleren und geringen Buchintensität); NichtleserInnen: Gattermaier 34,7% und Böck/ Wallner-Paschon 29%. 47 <?page no="48"?> Pubertät sinkt ihr Interesse an erzählender Literatur dann deutlich (vgl. Bischof/ Heidtmann 2002: 6). Unterschiede fallen ebenso bei einer Berücksichtigung des Sozialstatus der SchülerInnen auf, wie Gattermaier in seiner Untersuchung expliziert: Je höher der Sozialstatus der Kinder, desto eher sind diese in der Gruppe der habituellen BuchleserInnen anzutreffen; umgekehrt, je niedriger der Sozialstatus, desto häufiger sind sie als Wenigbzw. NichtleserInnen einzustufen. Beinahe jedeR Zweite der SchülerInnen mit niedrigem Sozialstatus ist Wenig- oder NichtleserIn, und nur jedeR Vierte kann zur Gruppe der habituellen BuchleserInnen gezählt werden (vgl. Gattermaier 2003: 176f.). Bucher (2004) konnte in ihrer empirischen Untersuchung feststellen, dass Kinder mit deutscher Muttersprache einen höheren Leseindex, also mehr Lesefreude, häufigeres Lesen und höhere Lesedauer aufweisen als SchülerInnen mit nicht-deutscher Muttersprache. Auffallend ist aber, dass DaZ- Kinder in der Primarschule etwa ebenso viele Punkte des Leseindex erreichen als DaM-Kinder in der Sekundarschule, weit mehr als deutschsprachige RealschülerInnen. Zwischen dem 12. und 15. Lebensjahr konnte Bucher sowohl bei DaMals auch bei DaZ-Kindern einen Rückgang der Indexwerte feststellen, allerdings ist dies vor allem für die DaZ-Kinder von Nachteil, da diese bereits mit deutlich niedrigeren Werten ihre Schullaufbahn beginnen. Bucher ortet dabei eine starke Gefährdung der DaZ-Kinder, bis zum Ende der Schulzeit unter einen Minimallevel des Leseindex zu fallen (vgl. Bucher 2004: 137), also eine äußerst geringe Lesefreude und niedrige Lesedauer aufweisen sowie selten bis gar nicht lesen. Bei einer Berücksichtigung der Variable der sozialen Schicht verringert sich allerdings die Signifikanz des Migrationshintergrundes, bei hoher sozialer Schicht sind die Werte des Leseindex für DaM und DaZ gleich, bei mittlerer Schichtzugehörigkeit ist ein etwas erhöhter Wert des Leseindex für DaM-Kinder festzustellen. Besonders deutlich werden die Unterschiede bei Kindern aus niedrigen Sozialschichten, hier haben DaZ-Kinder stark geringere Werte als DaM-Kinder. Die Schichtzugehörigkeit hat demnach einen sehr großen Einfluss auf das Leseverhalten und die -einstellung der SchülerInnen (vgl. ebda.: 138f.). Allgemein ist die Einstellung der Jugendlichen zum Lesen als positiv einzuschätzen, dies unterstreicht Bucher in ihrer Studie, in der 60% der 12bis 15- Jährigen angeben, gerne zu lesen, und 40% weniger gerne bis gar nicht gerne lesen (vgl. Bucher 2004: 124). Jedoch sinkt die Beliebtheit des Lesens mit zunehmendem Alter: Während 70% der 12-Jährigen angeben, gerne zu lesen, sind es in der Gruppe der 15-Jährigen nur noch 56%. Hoch signifikante 48 <?page no="49"?> Werte sind dabei, wie bereits erwähnt, Bildungsgrad bzw. Sozialstatus der Jugendlichen und Geschlecht (vgl. ebda.; vgl. Gattermaier 2003: 120). Auch bei den Bildungsvergleichsstudien PISA und PIRLS ist eine sinkende Lesefreude im Altersverlauf feststellbar: 28% der bei PIRLS getesteten SchülerInnen im Alter von zehn Jahren gaben an, nicht zum Vergnügen zu lesen (vgl. Bergmüller/ Böck 2009a: 114f.). Dieser Prozentsatz steigert sich bei den von PISA untersuchten Jugendlichen auf 42% (vgl. Böck/ Bergmüller 2009: 361). Außerdem wurde für die Gruppe der DaZ-Kinder festgestellt, dass diese im Schnitt weniger gern lesen als DaM-Kinder: 52% der DaM-Kinder sind dem Lesen gegenüber positiv eingestellt, hingegen teilen diese Einstellung nur rund 42% der DaZ-Kinder (vgl. Herzog-Punzenberger/ Gapp 2009: 64). Ob sich bei DaZ-Kindern ähnliche Veränderungen im Altersverlauf zeigen, liegt zwar nahe, ist aber empirisch noch nicht erforscht. 3.2.2. Bevorzugte Medien und Genres In diesem Abschnitt soll zunächst auf die Medien Tageszeitung und Zeitschrift, und auf Computer und Internet eingegangen werden. In einem weiteren Schritt wird detaillierter auf die bevorzugten Buchgenres der Heranwachsenden eingegangen, da dem Medium Buch auch im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit ein großer Stellenwert eingeräumt wird. Befunde zum Leseverhalten von Heranwachsenden die Tageszeitung betreffend sind in der Forschung deutlich gespalten: Einerseits wird mit steigendem Alter der Nutzer ein stetiger Nutzungszuwachs beobachtet (vgl. Backes 1999: 70), andererseits wird, von Lebensjahr zu Lebensjahr, von einem stetigen Schwanken der Nutzung von Tageszeitungen, sowohl was die Nutzungszeit, als auch die Bindung an das Medium betrifft, berichtet (vgl. Rager/ Werner/ Oestmann 1999: 213). Dennoch stellen Rager/ Werner/ Oestmann zentrale Faktoren fest, welche deutlichen Einfluss auf das Zeitungsleseverhalten haben. Hierbei handelt es sich erstens um den Faktor Geschlecht: Es zeigt sich, dass Jungen eine höhere Bindung an die Tageszeitung haben als Mädchen (vgl. ebda.: 212; vgl. Böck/ Wallner-Paschon 2002d: 38). Mädchen hingegen lesen häufiger Anzeigenblätter als Burschen. Der zweite Faktor ist jener der Lesesozialisation: Das Zeitungsleseverhalten im Umfeld der Jugendlichen hat einen äußerst prägenden Einfluss auf diese, vor allem das Vorbild von Geschwistern, Mutter 3 und FreundInnen. Für Burschen sind die Geschwister prägend, für die 3 Das Leseverhalten der Väter ist weniger ausschlaggebend, Rager/ Werner/ Oestmann (1999) begründen dies darin, dass die Väter, aus der Sicht der Kinder, ohnehin häufiger eine Zeitung lesen als die Mütter (vgl. ebda.: 213). 49 <?page no="50"?> Mädchen eher die FreundInnen und Eltern (vgl. Rager/ Werner/ Oestmann 1999: 212). Mit zunehmendem Alter wird für Burschen die Beschäftigung mit Computer, Computerspielen und Internet stetig wichtiger, dies trifft auch auf die Vielleser unter den Jungen zu. Offenbar können „Computerspiele Formen und Funktionen erzählender Literatur substituieren“ (Bischof/ Heidtmann 2002: 8). Mädchen nutzen die neuen Medien in erster Linie ergänzend zu den Printmedien. „Für die Mädchen gälte somit die Ergänzungs-, für die Jungen die Ersetzungsthese“ (Garbe 2003: 8). Computer und Internet werden von Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu einem Großteil zum Spielen von Computerspielen genutzt, aber auch als Kommunikationsmittel: Erfahrungen mit Chatrooms hat in der Untersuchung von Pieper et al. (2004: 156f.) ein Drittel der Befragten, E- Mails sendet nur eine Minderheit. Zur Informationsbeschaffung wird das Internet auch nur von einer kleinen Gruppe verwendet, etwa zum Informationsgewinn über ausbildungsrelevante Themen bzw. für schulische Aufgabenstellungen (vgl. ebda.: 157). Als Arbeitsgerät wird der Computer nur von einer kleinen Gruppe verwendet, beispielsweise zum Verfassen von Bewerbungen oder Hausarbeiten, allerdings wird dieser Nutzungsform von den Jugendlichen kein zentraler Stellenwert beigemessen (vgl. ebda.). Pieper et al. resümieren: Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Computer bei den Befragten hauptsächlich als Unterhaltungsmedium Verwendung findet […]. Es mangelt den Befragten zudem an äußeren Anforderungen, den Computer für intellektuelle Arbeit zu nutzen, damit am notwendigen Maß von Übung und Erfahrung im Umgang mit komplexeren Einsatzmöglichkeiten des Computers und des Internets. Die kompetente und umfassende Nutzung dieses Mediums setzt ein hohes Maß an Medienkompetenz voraus, über das die Befragten vermutlich eher nicht verfügen. (Pieper et al. 2004: 157) Im Bereich der Nutzung von Lesemedien darf auch nicht auf Multimedia- Versionen von Büchern, beispielsweise auf CD-ROM, vergessen werden, die Bertschi-Kaufmann in ihre Untersuchung zu „Multimedia und Leseförderung in der Schule“ (Bertschi-Kaufmann 2002) mit einbezog. Vor allem anhand einer von ihr durchgeführten qualitativen Untersuchung zeigte sich, dass […] das Erkunden und Mitgestalten der interaktiven Anlage […] die interaktive Lektüre gerade für jene Heranwachsenden attraktiv [macht], welche (noch) nicht zu der stillen, zurückgezogenen und ausschliesslich auf die Sprache konzentrierten Lesehaltung gefunden haben, die ein langer gedruckter Buchtext von ihnen verlangt. (Bertschi-Kaufmann 2002: 151) 50 <?page no="51"?> Dies ist vor allem für die Jungen ein sehr interessanter Befund, da gerade sie über „Umwege“ wie Comics oder multimediale Lesemedien den Weg hin zum Buch finden können. Bertschi-Kaufmann resümiert: „Vor allem in der Grundschule erweisen sich Multimedia-Versionen von Geschichten als attraktive Lektüren für Jungen, die auf dem Weg sind, Buchleser zu werden“ (ebda.: 153). Auch Mädchen nutzen diese Art von Lesemedien am Computer, allerdings wird der PC bei ihnen weniger eindeutig für ihre Leseentwicklung verwertet (vgl. ebda.). Ein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit des Buchlesens und der Häufigkeit der Nutzung anderer Lesemedien wurde in mehreren empirischen Untersuchungen hergestellt. Generell lässt sich sagen, dass VielleserInnen auch die vielfältigeren MediennutzerInnen sind, sie nutzen häufiger Printmedien und seltener das Fernsehen als WenigleserInnen. Bucher (2004) konnte in ihrer empirischen Untersuchung zeigen, dass VielleserInnen eine niedrigere Nutzungsdauer im Bereich Neue Medien aufweisen als Kinder, die weniger gern lesen. Sie ortet den Grund dafür in der unterschiedlichen Funktion der Neuen Medien für die beiden Gruppen: Während von Kindern mit hohen Werten das Internet und der Computer häufiger zum Zweck der Informationsgewinnung nutzen, steht für Kinder mit niedrigen Werten die Unterhaltungsfunktion im Vordergrund. Dies unterstützen Daten zur Häufigkeit der Nutzung: VielleserInnen nutzen Computer und Internet weniger lang, aber genau so oft wie WenigleserInnen. Langes Internetsurfen scheint demnach für VielleserInnen unüblicher zu sein (vgl. Bucher 2004: 140f.; vgl. Gattermaier 2003: 79; vgl. Harmgarth 1997: 12f.; vgl. Reiter 2002a: 75f.). Bevor in weiterer Folge genauer auf das Lesemedium Buch und die beliebtesten Genres eingegangen wird, sollen zunächst die allgemeinen Themeninteressen von Heranwachsenden, vor allem in ihrer Veränderung im Altersverlauf, eingegangen werden. Interessante Ergebnisse dazu liefert eine 1997 durchgeführte repräsentative Befragung zur Mediennutzung von Schweizer Kindern und Jugendlichen, die in nachstehender Tabelle aufgeführt sind (Süss 2000: 112, zitiert nach Garbe 2003: 18): 51 <?page no="52"?> Abbildung 4: Allgemeine Themeninteressen nach Süss (2000) Besonders von Bedeutung sind die Interessen der Kinder und Jugendlichen in ihrer Veränderung im Altersverlauf: Von sinkendem Interesse betroffen sind hauptsächlich die Themen „Tiere“ und „Horror“, während sich ein steigendes Interesse für die Bereiche „Musik“, „Komödien“, „Stars“, „Romantik“ und „News“ herauskristallisiert. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Böck (2000) in ihrer empirischen Untersuchung. Hierbei stellte sie fest, dass bei 8bis 12-jährigen SchülerInnen Abenteuerbücher, Bücher über Tiere und Krimis besonders beliebt sind, gefolgt von Comics, Bücher über Sport oder Hobbys, über das Leben von Jugendlichen, über andere Länder, über Technik oder Computer. Geschlechtsspezifische Differenzen sind in diesem Alter sehr stark ausgebildet, 52 <?page no="53"?> Mädchen lesen in dieser Altersgruppe besonders gerne Mädchenbücher, Geschichten über das Leben von Jugendlichen, Musik, Stars und Bands. Burschen sind dagegen für Krimis, Comics, Technik, Sport und Hobby zu begeistern (vgl. Böck 2000: 160f.; vgl. dazu auch Bucher 2004: 126). Im Gegensatz dazu zeigt die PIRLS-Studie, dass in der Altersgruppe der 10-Jährigen Sachbücher besonders beliebt sind, 68% der SchülerInnen lesen dieses Genre mindestens ein Mal in der Woche; bei allen anderen Genres gibt es nur geringe Unterschiede, sie werden von 60-70% der SchülerInnen mindestens ein Mal monatlich gelesen. Erzählende Literatur steht an sechster Stelle und wird von 23% mindestens ein Mal pro Woche gelesen, Internet und Zeitungen sind am Ende der Beliebtheitsskala anzutreffen (vgl. Bergmüller/ Böck 2009a: 105). Geschlechtsspezifische Unterschiede zeigen sich bei der Beliebtheit von literarischen Texten, die von Mädchen eher präferiert werden als von Burschen; während sich bei informationsorientierten Darstellungsformen nur geringe Unterschiede feststellen lassen (vgl. ebda.: 105). Ergebnisse zu den beliebtesten Genres der erzählenden Literatur liefert eine Befragung von Bischof/ Heidtmann (vgl. Bischof/ Heidtmann 2002). Es zeigte sich, dass die Leseinteressen von Jungen hauptsächlich bei den Spannungsgenres liegen, was auch eine detaillierte Auswertung nach dem Alter der Kinder unterstreicht (vgl. ebda.: 3). Die Harry Potter-Romane liegen in allen Altersstufen an erster Stelle, bei den 6bis 9-jährigen Jungen dominieren danach Disney-Bücher und die Kinderbuchreihe „Pettersson und Findus“ von Sven Nordqvist. Die Lieblingslesestoffe von 10bis 13-jährigen Jungen orientieren sich besonders stark an Trends, den Medien oder an der Peergroup; die „Gänsehaut“-Serie von R.L. Stine und die Buchreihen von Thomas Brezina sind besonders beliebt (vgl. ebda.). Zwischen dem 12. und 14. Lebensjahr werden allgemein Horror- und Gruselthemen favorisiert, gefolgt von Büchern über das Leben von Jugendlichen, weiters Krimis, Problembücher, Comics, Sport-Bücher, Abenteuer und Science-Fiction/ Fantasy. Für Mädchen ist die Lektüre vielfach auch Problembewältigung, da Bücher über das Leben oder die Probleme von Jugendlichen bevorzugt werden; ebenso sind Liebesromane bei den Mädchen sehr beliebt. Burschen ziehen hingegen Action und Spannungsgenres vor (vgl. Böck 2000: 162f.; vgl. Bucher 2004: 127; vgl. Gattermaier 2003: 323f.). Ab dem 14. Lebensjahr steigt das Interesse an Bestsellern der Erwachsenen-Literatur, wie beispielsweise an Werken von Stephen King oder John Grisham (vgl. ebda.). Adoleszenz- oder Problemliteratur wird von den Jungen nicht genannt (vgl. Bischof/ Heidtmann 2002: 3). Comics werden von Jungen sehr gerne gelesen, interessant ist dabei aber, dass ab dem 13. Lebensjahr das Interesse an ihnen dramatisch sinkt. Bischof/ Heidtmann vermuten, dass die Comics von anderen Bildmedien ersetzt werden (vgl. Bischof/ Heidtmann 2002: 5). 53 <?page no="54"?> Für die Gruppe der 15-/ 16-Jährigen zeigen sich deutliche Unterschiede zu jener der bei PIRLS getesteten Kinder: An erster Stelle der beliebtesten Lesemedien steht die Zeitung, gefolgt von Internet und Zeitschriften. Das Sachbuch verliert deutlich an Beliebtheit: Lesen noch 36% der 10-Jährigen täglich ein Sachbuch, sind es in dieser Altersgruppe nur noch 5%. Umgekehrt geben 47% der Jugendlichen und 14% der Kinder an, dieses Genre nie zu lesen. Ein weiteres Indiz für einen Buchleseknick ist bei der Beliebtheit der literarischen Texte auszumachen, hier lesen 23% der Kinder mehrmals pro Woche literarische Texte, und nur 13% der Jugendlichen (vgl. Bergmüller/ Böck 2009a: 106). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Nutzung von Zeitschriften im Altersverlauf Schwankungen unterliegt, es werden mit steigendem Alter immer deutlicher Erwachsenenzeitschriften favorisiert, gleichzeitig verlieren Kinder- und Jugendblätter an Bedeutung. Gespaltene Befunde der Forschung zeigen sich bei der Tageszeitung, hier kann keine tendenzielle Entwicklung beschrieben werden. Computer und Internet werden im Altersverlauf deutlich wichtiger, und werden von Burschen häufig als Ersatz für andere Lesemedien genutzt, während Mädchen die neuen Medien als Ergänzung im Medienspektrum ansehen. Die Genrepräferenzen beim Medium Buch verschieben sich im Altersverlauf ebenfalls deutlich, Sachtexte verlieren an Bedeutung, ebenfalls literarische Texte, während Zeitung, Zeitschrift und das Medium Internet deutlich an Beliebtheit zunehmen. Es lässt sich feststellen, dass die Faktoren Geschlecht und Alter einen äußerst großen Einfluss darauf haben, welche Medien und Buchgenres von den Heranwachsenden präferiert werden. All dies deutet auf eine deutlich ausgeprägte Lesekrise hin, die zwischen dem 12. und 15. Lebensjahr, also beim Übergang zur Pubertät, zu verorten ist: Die Veränderungen im Leseverhalten der Heranwachsenden treten nicht einzeln und isoliert auf, sondern in gehäufter Form, sodass man nicht von Formen des altersspezifischen Lesens sprechen kann, sondern von einer Lesekrise. Was allerdings noch sehr marginal erforscht ist, sind die bevorzugten Medien und Genres von DaZ-Kindern: Zwar sind punktuell Daten verfügbar, beispielsweise zur Nutzung von Computer und Internet, aber nicht für alle Medien und Genres, und auch nicht im Altersverlauf, um Veränderungen im Leseverhalten von DaZ-Kindern im Laufe ihres Heranwachsens feststellen zu können. Dies soll im Zentrum des empirischen Teils dieser Arbeit stehen. 54 <?page no="55"?> 3.3. Buchlesefunktionen Die Gründe, zu Texten zu greifen, können verschiedenster Natur sein, und können sich auch im Altersverlauf verändern. In diesem Abschnitt sollen verschiedene Lesefunktionen und -modi vorgestellt werden, um die sich verändernden Anforderungen der Heranwachsenden an ihre Lektüre kategorisieren und klassifizieren zu können. Dazu existieren die verschiedensten Modelle; in diesem Rahmen soll auf die Lesemodi nach Graf eingegangen, und Ergebnisse einschlägiger empirischer Studien präsentiert werden. Werner Graf (2004, 2010) beschreibt sieben Lesemodi welche eine erwachsene Leserschaft ausmachen. Diese entstehen als intendiertes Ziel der Lesekrise. Dabei handelt es sich um folgende Lesemodi: - Pflichtlektüre: Wenn sich bis zur Lesekrise zu Beginn der Pubertät keine stabile Lesemotivation ausgebildet hat, kommt es vielfach zu einem Abbruch der Lesekarriere durch Zuwendung zu anderen Medien. Als Ergebnis ist der/ die Nicht- oder WenigleserIn zu sehen, der/ die sich Texten nur in Form von Pflichtlektüre nähert (vgl. Graf 2004: 31f.). 4 - Instrumentelles Lesen: Darunter wird eine bewusste, gezielte Informationsbeschaffung verstanden, das einer „subjekt-, aber auch zwanglosen punktuellen Information über Sachverhalte“ (Graf 2004: 42) dient. - Konzeptlesen: Konzeptlesen ist ein Lesemodus, mit dem persönliche Interessen realisiert werden: Die LeserInnen orientieren ihre Lektüre an einem bestimmten Gebiet, mit dem Ziel, darüber Expertenwissen zu erlangen (vgl. Graf 2010: 138). Ein Transfer in Form von Anschlusskommunikation ist dabei nicht intendiert. - Lesen zur diskursiven Erkenntnis: Das Lesen zur diskursiven Erkenntnis ist „auf begrifflich fixierbare Erkenntnisse ausgerichtet“ (Graf 2004: 102). Ziel der Lektüre ist es, durch das Lesen Erkenntnisse zu gewinnen und somit Selbsterfahrungen zu machen. „Wenn eine Erkenntnis gelingt, wird das Lesen als geglückt empfunden“ (ebda.: 102). Mit dem Lesen zur diskursiven Erkenntnis einher geht auch die „Aufmerksamkeit für den begrifflichen, analytischen Sprachgebrauch“ und das „Nachvollziehen der Thesen, Antithesen und Synthesen“ (ebda.: 103), was den Unterschied zum Konzeptlesen ausmacht. 4 Besonders deutlich zeigte dies die empirische Studie von Pieper [u.a.] (2004), in der Lesegewohnheiten und Mediengebrauch von HauptschulabsolventInnen untersucht wurden. 55 <?page no="56"?> - Partizipatorisches Lesen: Partizipatorisches Lesen ist durch eine ausgeprägte soziale und kommunikative Komponente gekennzeichnet. Lesen wird als Möglichkeit der Teilnahme am öffentlichen Diskurs oder am literarischen Leben gesehen. Graf nennt drei Hauptmerkmale des partizipatorischen Lesens (vgl. Graf 2004: 71), nämlich die Aktualität der Texte, die soziale Teilnahme durch die Lektüre und der Transfer des Gelesenen in den Alltag. - Ästhetisches Lesen: Beim ästhetischen Lesen steht die ästhetische Wahrnehmung der LeserInnen im Vordergrund, die „Freude am Schönen“, wobei der Inhalt des Textes in den Hintergrund rückt. Das Lesen wird als selbstzweckhaft und selbstreferenziell verstanden (vgl. Graf 2010: 142). Die LeserInnen, die diesen Lesemodus pflegen, lassen sich in der Regel durch sprachliche Sensibilität und durch spezifische Kenntnisse über Gattungen, Stilmittel und Epochen der Literaturgeschichte, aber auch über Themen, Stoffe und Motive charakterisieren (vgl. Graf 2010: 141). - Intimes Lesen: Unter intimem Lesen wird ein Lesemodus verstanden, der einen hohen Grad an emotionaler Involviertheit der LeserInnen aufweist. Der Leseakt an sich ist durch die Intimität der Lektüre gekennzeichnet, die LeserInnen wollen mit dem Buch allein sein und sich aus dem Alltag zurückziehen. Häufig ist das Leseerlebnis, die Fantasiewelt, so intensiv, dass sich die LeserInnen außer Stande sehen, die Lektüre zu unterbrechen und so die Lektüre mit großer Geschwindigkeit zu Ende bringen (vgl. Graf 2004: 58f.). In der empirischen Forschung besteht kein Konsens über die altersgemäße Entwicklung der verschiedenen Lesefunktionen. Backes (1999) stellt fest, dass zwischen dem 9. und 12. Lebensjahr die Funktionen „Information“, „Escape“, „Zeitvertreib“ und „Unterhaltung“ an Bedeutung gewinnen. Ab dem 12. Lebensjahr reduzieren sich dann sämtliche Funktionen des Buches, außer derjenigen als Lern- und Informationsmittel. Die emotionalen und sozial integrativen Funktionen, die durch das Lesen von Büchern abgedeckt werden, verlagern sich im Jugendalter auf die auditiven Medien. (Backes 1999: 71) Zu anderen Ergebnissen kommt Böck (2000) in ihrer empirischen Studie: Das Buch hat für Kinder im Alter von 12 bis 14 Jahren vielfältige Funktionen, die gleichrangig nebeneinander stehen: Um unterhalten zu werden und Spaß zu haben, lesen 26% der Jugendlichen, gefolgt von der Informationsfunktion (27%), dem Ausruhen (30%), dem Lesen wenn man alleine ist (30%), und vor allem vom Lesen aus Langeweile (37%) (vgl. Böck 2000: 199). Dies belegt auch Bucher in ihrer empirischen Untersuchung (vgl. Bucher 2004: 103). Sie vergleicht ebenso die Entwicklung der Buchlesefunktionen im Altersverlauf, indem sie 12- und 15-Jährige gegenüberstellt: Alle Funktionen 56 <?page no="57"?> werden von den 15-Jährigen häufiger angegeben als von den 12-Jährigen, die Bedeutung der Funktionen steigt in allen Gebieten. Deutlich werden in ihrer Untersuchung die Zusammenhänge mit dem sozialen Status und dem Bildungsniveau, alle Funktionen werden von höher gebildeten SchülerInnen bzw. von Kindern aus höheren sozialen Schichten häufiger genannt (vgl. ebda.: 105). Geschlechtsspezifische Ergebnisse, was die Lesefunktionen der Burschen betrifft, zeigt eine Untersuchung von Bischof/ Heidtmann (2002). Diese besagt, dass bei Burschen der Stellenwert des Lesens als Informationsquelle mit steigendem Alter an Bedeutung verliert, ein Ergebnis, das im Gegensatz zu früheren Untersuchungen steht. 40% der Jungen lesen, um abzuschalten und sich zu entspannen, während nur mehr 11% sich damit über ein Thema informieren wollen. An dritter Stelle steht mit 7% das Interesse am Stoff und am Genre (vgl. Bischof/ Heidtmann 2002: 6). Differenzierungen für DaZ-Kinder wurden in diesem Bereich nur sehr marginal durchgeführt. In der Studie von Pieper et al. (2004) wurden die Motive von Jugendlichen mit nicht-deutscher Muttersprache, die sich selbst als LeserInnen bezeichnen, herausgefiltert. Sie verfolgen mit der Lektüre vielfältige Ziele, die im Folgenden erläutert werden sollen: 1. Durch das Lesen Deutsch lernen: Das Lesen von Büchern und anderen Texten hilft den Jugendlichen dabei, ihre Kompetenzen in der Zweitsprache Deutsch zu verbessern. Häufig werden Bücher unter Zuhilfenahme von Wörterbüchern gelesen, neue Vokabeln werden in Vokabelheften niedergeschrieben. Ziel ist es, die Technik des Lesens zu verbessern. Wichtig ist die soziale Einbettung des Lesens und Anschlusskommunikation über die Lektüre (vgl. ebda.: 162f.). 2. Durch das Lesen Interessen nachgehen: Um verschiedenste thematische Interessen auszuloten, werden hauptsächlich Zeitschriften gelesen. Auch hier ist die Anschlusskommunikation mit Familie und Freundeskreis von großer Bedeutung. Zu dieser Gruppe von LeserInnen lassen sich hauptsächlich Burschen zählen, Mädchen praktizieren diese Art der Lektüre meist „im Zusammenhang einer differenzierten Lesepraxis, in der auch andere Textsorten vorkommen und die erkennbar Funktionen der Subjektkonstitution übernimmt“ (ebda.: 164). 3. Im Lesen die eigene Biographie bearbeiten: In der Studie von Pieper et al. (2004) treten „vier junge Frauen mit einer Lesehaltung hervor, bei der Lektüre Funktionen der Selbstvergewisserung und Entwicklung von Identität übernimmt und zugleich Genusserfahrungen ermöglicht“ (ebda.: 164). Die Leseerlebnisse werden inszeniert, die Umgebung ist stets dieselbe, ebenso werden immer gleiche Rituale durchgeführt (man liest beispielsweise stets am Sofa, mit Schokolade und Tee in Reichweite); die Leseinteressen orientieren sich an politi- 57 <?page no="58"?> schen und biographischen Beziehungen, außerdem werden durch die Lektüre traumatische Kindheitserfahrungen aufgearbeitet (vgl. ebda.: 164ff.). 4. Durch das Koran-Lesen kulturelle Teilhabe ausweisen: Eine Form des Umgangs mit Schrift, der für die Biografie der Jugendlichen wichtig und hauptsächlich als Möglichkeit der Anteilnahme an der kulturellen Herkunft der Heranwachsenden zu werten ist, ist das Lesen im Koran. Dabei steht allerdings nicht das Lesen im eigentlichen Sinn im Zentrum, sondern das Auswendiglernen der einzelnen Suren. Allerdings wird von den Jugendlichen häufig betont, dass diese - trotz des Auswendiglernens - den Koran ganz gelesen hätten. Das Hocharabische stellt für die Jugendlichen eine weitere Fremdsprache dar, und es müssen häufig Hilfsmaterialien verwendet werden, um die Suren dechiffrieren zu können (vgl. ebda.: 169f.) Detailliertere Ergebnisse zu den Lesefunktionen von DaZ-Kindern, beispielsweise zu Differenzierungen zwischen Texten in Erst- und Zweitsprache, liegen noch nicht vor und sollen im Rahmen des empirischen Teils dieser Arbeit gewonnen werden. 3.4. Lesehemmende und -anregende Faktoren In diesem Abschnitt wird darauf eingegangen, welche Faktoren für die Heranwachsenden als Lesehemmnisse auftreten können. Weiters soll beleuchtet werden, woher die SchülerInnen Anregungen für ihre eigene Lektüre bekommen, und auf welche Weise sie Zugang zu ihren präferierten Lesestoffen bekommen. 3.4.1. Lesehemmungen Unter Lesehemmungen werden in dieser Arbeit Faktoren verstanden, welche die Jugendlichen von außen vom Lesen abhalten, oder die sie von innen heraus negativ dem Lesen gegenüber prägen. Hurrelmann/ Hammer/ Nieß (1993) definieren Lesehemmungen wie folgt: Die Begründungen der Kinder für ihre Leseschwierigkeiten werden dann zu kognitiven Lesehemmungen, weil sie die Einstellung zum Lesen prägen (im weitesten Sinn als Überzeugungen über die eigene Lesefähigkeit, Genußfähigkeit beim Lesen, Frustrierbarkeit usw.). Sie hemmen deshalb das Lesen, weil sie wie eine kognitive Barriere verhindern, daß überhaupt ein Buch zur Hand genommen wird. (Hurrelmann/ Hammer/ Nieß 1993: 156) 58 <?page no="59"?> Bei Lesehemmungen lässt sich, in Anlehnung an Hurrelmann/ Hammer/ Nieß (1993) zwischen externalen und internalen Lesehemmungen unterscheiden: - Unter externalen Begründungen werden Hemmungen verstanden, die sich auf äußere Umstände beziehen, dazu werden im Rahmen der empirischen Studie hauptsächlich Hinweise auf andere Freizeitbeschäftigungen gezählt. - Internale Hemmungen sind Begründungen der SchülerInnen, die auf das Innere, auf die eigenen Möglichkeiten, Fähigkeiten, Gefühle zielen (vgl. ebda.: 155). Hierbei zeigt sich, dass vor allem die älteren SchülerInnen die Ursache für seltenes Lesen bei sich selbst sehen; der Faktor Text, also die Schwierigkeit oder Länge der Texte, stellt eher für die jüngeren SchülerInnen (bis zum Alter von zehn Jahren) ein Hemmnis dar (vgl. Böck 2000: 129f.). Für Böck sind diese Ergebnisse bemerkenswert, da die jüngeren SchülerInnen ihre Leseprobleme nicht internal durch mangelnde Lesefähigkeit begründen, sondern durch die fehlende Passung zwischen Text und Person (vgl. ebda.: 130). Der Faktor Anstrengung beim Lesen ist hauptsächlich für Kinder mit tieferem Bildungsniveau relevant, aber auch Geschlecht und soziale Schicht sind, neben dem Alter, signifikante Einflussfaktoren (vgl. Bucher 2004: 130). Die sich verändernden Freizeitinteressen im Altersverlauf spiegeln sich auch bei den Angaben zur Lesehemmung der SchülerInnen wider. Immer mehr SchülerInnen geben an, aufgrund ihrer vielfältigen Interessen keine Zeit mehr zum Lesen zu haben (vgl. Hurrelmann/ Hammer/ Nieß 1993: 130). Diese Motive sind auch für viele der Nicht-LeserInnen mit Migrationshintergrund in der Studie von Pieper et al. (2004: 158f.) relevant. Es zeigt sich darüber hinaus, dass Burschen häufiger ungünstige äußere Umstände als Lesehemmnisse angeben als Mädchen, woraus Böck unter Berücksichtigung der Leseintensität der SchülerInnen schließt, dass die Burschen eine deutlich instabilere Lesemotivation haben, und daher häufiger andere Freizeitaktivitäten dem Lesen vorziehen (vgl. ebda.: 130f.). Positiv wirkt sich eine hohe Leseintensität aus, je häufiger gelesen wird, desto seltener geben die SchülerInnen an, dass eines oder mehrere der Lesehindernisse auf sie zutreffen (vgl. ebda.: 131). Bei einer Unterscheidung nach der Leseintensität ergeben sich in der Studie von Böck besonders große Differenzen innerhalb der Lesehemmungen. Vor allem SchülerInnen, die nicht als habituelle BuchleserInnen zu bezeichnen sind, nennen häufig externale Hemmnisse, wie zu umfangreiche Bücher, die Anstrengung beim Lesen und die Problematik, nichts Interessantes zum Lesen zu finden. Speziell für 8bis 12-Jährige ist es darüber hinaus ein großes Problem, immer ausreichend mit Lesestoff versorgt zu sein. Böck ortet für SchülerInnen in dieser Alterskategorie ein Defizit in der Jugendar- 59 <?page no="60"?> beit von Schulen, Bibliotheken, Buchhandlungen und Medien (vgl. ebda.: 131f.). Besonders anfällig für Lesehemmungen sind SchülerInnen, die unteren sozialen Schichten angehören, bei denen häufig der Fernseher gegenüber dem Buch bevorzugt wird, ebenso wird die Tatsache beklagt, dass sie keine interessanten Texte finden könnten. Dies ist allerdings auch auf den geringeren Buchbesitz im Elternhaus zurückzuführen (vgl. Hurrelmann/ Hammer/ Nieß 1993: 158). Ein interessantes Detail im Leseverhalten von Jungen ist, dass diese zu einem großen Teil Bücher nicht mehr vollständig lesen, sondern sie nur anlesen, durchblättern und oft nach wenigen Seiten wieder beiseitelegen. Bischof/ Heidtmann (2002) schließen aus diesem Verhalten, dass vor allem Jungen in ihrer Lektüre ständig auf der Suche nach Spannungshöhepunkten sind, und daher Texte, die einem klassischen Aufbau mit Exposition folgen, nicht oder nur selten gelesen werden (vgl. Bischof/ Heidtmann 2002: 7). Ihr Bedürfnis nach Spannung und Abwechslung wird häufig nicht zufrieden gestellt. 3.4.2. Lektüreanregungen und Beschaffung von Lesestoff Lesemedien sind, anders als Bildschirmmedien wie das Fernsehen oder auch Rundfunk, auf die Eigenaktivität der NutzerInnen angewiesen, deshalb ist es von Interesse, woher die Anregungen für die Lektüre stammen, und wie die LeserInnen Zugang zu ihrem Lesestoff erhalten. Auf die Rolle der drei Sozialisationsinstanzen Familie, Freundeskreis und Schule wird zwar in späteren Kapiteln detaillierter eingegangen, trotzdem soll an dieser Stelle ein kurzer Überblick über die Lektüreanregungen und die Beschaffung von Lesestoff gegeben werden. Anregungen zur Lektüre bietet zunächst das Umfeld der LeserInnen, also die Familie, der Freundeskreis und die Schule. Ein Faktor dabei sind Buchgeschenke, die vor allem für die Altersgruppe der 13bis 14-Jährigen von großer Bedeutung sind. Mädchen lesen dabei häufiger die Bücher, die sie geschenkt bekommen, als Burschen. Das Stöbern in Bibliotheken und im heimischen Bücherregal kann ebenso Anregungen für die eigene Lektüre bieten, allerdings werden diese zum größten Teil von Kindern genutzt, die bereits gerne lesen und eine positive Einstellung gegenüber dem Lesen aufgebaut haben (vgl. Böck 2000: 109). Von sehr großer Bedeutung, insbesondere für Heranwachsende bis etwa zum 12. Lebensjahr, ist der Freundeskreis: Fast die Hälfte der Teenager gaben in einer von Margit Böck durchgeführten Studie an, Bücher zu lesen, weil diese auch ihren FreundInnen gefallen hätten (vgl. Böck 2000: 108f.). 60 <?page no="61"?> Ebenso relevant sind Buchhinweise in Zeitungen, Zeitschriften oder im Internet und auch Verfilmungen von Büchern im Kino oder Fernsehen - man denke hier an das Harry-Potter- oder Twilight-Phänomen, das vor allem für Wenig-LeserInnen im Alter von 12 bis 14 Jahren besondere Bedeutung hat (vgl. ebda.: 112). Eine weitere Komponente, die WenigleserInnen dem Thema Lesen näher bringen kann, ist die Erfahrung, dass das Lesen nicht zwingend eine Tätigkeit sein muss, die man alleine ausführt, sondern durchaus auch in Gesellschaft von anderen. Dies zeigte sich in der Untersuchung von Böck anhand von Buchausstellungen und Lesungen von Autoren, die im Rahmen des Unterrichts besucht wurden. Hierbei ist sowohl das Element des gemeinsamen Erlebens, als auch die Einbettung des Mediums Buch in den Kontext seines Entstehungsprozesses von Relevanz (vgl. ebda.: 113). Bibliotheken sind für Kinder und Jugendliche eine weitere Möglichkeit, einen Zugang zu Büchern, aber auch zu anderen Lesemedien zu finden. Sie nehmen neben den Sozialisationsinstanzen Familie, Schule und Peergroup eine wichtige Rolle bei der Leseförderung der Heranwachsenden ein. Priska Bucher (2002) untersuchte in ihrer Dissertation zum Leseverhalten und zur Leseförderung von Schweizer SchülerInnen unter anderem auch die Dimensionen der Bibliotheksnutzung der Kinder, und kam zu dem Ergebnis, dass SchülerInnen der Sekundarstufe I Bibliotheken häufiger aufsuchen als ältere SchülerInnen. Die Häufigkeit der Bibliotheksnutzung hängt aber auch vom Geschlecht und dem Bildungsniveau der Kinder ab: Mädchen sind häufiger in Bibliotheken anzutreffen als Jungen, ebenso SchülerInnen aus Gymnasien häufiger als SchülerInnen aus anderen Schultypen (vgl. Bucher 2002: 167). Eine Bibliothek wird von den SchülerInnen hauptsächlich aufgesucht, um sich Bücher auszuleihen (94,9%), aber auch, um herumzustöbern und sich Lesestoff zu suchen (42,4%). Nur wenige verbringen ihre Zeit dort, um beispielsweise Hausaufgaben zu machen oder sich mit ihren FreundInnen zu treffen (5,2% bzw. 4,6%) (vgl. ebda.). Als Gründe, warum die Kinder und Jugendlichen nicht öfter in eine Bibliothek gehen, wird von den meisten SchülerInnen Zeitmangel angegeben, ebenso wird von vielen die Bibliothek als langweiliger Ort angesehen (vgl. Bucher 2002: 168). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Bedeutung der Sozialisationsinstanzen Familie, Freundeskreis und Schule für Lektüreanregungen besonders groß ist, ebenso medial angepriesene Lesestoffe und die Möglichkeit, positiv besetzte Erfahrungen mit den verschiedenen Lesemedien machen zu können. Für die Beschaffung von Lesestoffen sind Bibliotheken durchaus wichtig, allerdings sind auch hier positive Erlebnisse eine wichtige Voraussetzung, um deren Nutzung überhaupt in Betracht zu ziehen. 61 <?page no="62"?> 3.5. Lesekompetenz, -motivation und -selbstkonzept In diesem Abschnitt soll die Bedeutung der Lesekompetenz kurz beleuchtet werden, im Anschluss werden die Begriffe der Lesemotivation und des Leseselbstkonzeptes betrachtet. Alle drei Konzepte sind, wie sich zeigen wird, für das Leseverhalten der Heranwachsenden von äußerster Relevanz. 3.5.1. Lesekompetenz Konzepte und Begrifflichkeiten zur Lesefähigkeit existieren in der Literatur mannigfach, deshalb soll zu Beginn dieses Abschnitts das in dieser Arbeit verwendete Konzept von Lesekompetenz kurz vorgestellt und von anderen Begriffen abgegrenzt werden. Danach folgen einige Ergebnisse der aktuellen Bildungsvergleichsstudien PISA und PIRLS. Unter Lesekompetenz verstehen Eggert/ Garbe unter Bezugnahme auf Groeben Folgendes: (…) die Fähigkeit, größere ‚Textmengen‘ durch Strukturierung und abgestufte Verfahren (Lesestrategien) zu bewältigen und dabei das Textverständnis zu sichern bzw. zu verbessern entsprechend dem Anspruchsniveau der Texte und der Leseabsichten. (Eggert/ Garbe 1995: 9) Dabei lassen sich Abstufungen im Grad der Geübtheit der LeserInnen vornehmen, mit welchen geübte und ungeübte LeserInnen voneinander unterschieden werden können. Lesekompetenz inkludiert eine Vielzahl an Merkmalen, die Hurrelmann (2002b: 277ff.) den Bereichen Kognition, Motivation und Emotion sowie Reflexion und Anschlusskommunikation zuordnet: - Kognition: Hierbei handelt es sich um zentrale kognitive Leistungen der LeserInnen auf den verschiedensten Ebenen, beispielsweise um die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses und allgemeine Denkfähigkeiten, welche als Voraussetzung für den Leseprozess gesehen werden können. Detailliertere Ausführungen zum Leseprozess an sich wurden in einem vorhergehenden Kapitel bereits angesprochen. - Motivation und Emotion: Die motivationale Komponente wird grundlegend von den Handlungskontexten, sozialen Kontexten und den bisher gemachten Leseerfahrungen geprägt und besteht darin, sich auf die Leseprozesse einzulassen. Damit eng verbunden ist die emotionale Komponente, die Leselust oder -unlust. - Reflexion und Anschlusskommunikation: Im Laufe der Lektüre werden ständig die Bedeutungskonstruktionen beim Lesen überprüft und das Verstandene mit dem bereits vorhandenen Wissen abgeglichen. 62 <?page no="63"?> Die soziale Komponente des Lesens besteht aus Anschlusskommunikation über das Gelesene und die eigenen Bedeutungskonstruktionen. Einflussfaktoren und Bedingungen der Lesekompetenz sind intraindividuelle und personale Voraussetzungen, soziale Bedingungen, weiters die Anforderungen von Seiten des Textes und die Bedingungen des Mediums selbst, denen die LeserInnen gerecht werden müssen (vgl. ebda.: 279ff.). Diese Faktoren prägen auch das Leseverhalten allgemein und werden bzw. wurden im theoretischen Abschnitt dieser Arbeit gesondert besprochen. Ein weiteres Konzept von Lesekompetenz, wie es in der internationalen Bildungsvergleichsstudie PISA definiert wird 5 , lautet folgendermaßen: Lesen ist (…) die Fähigkeit, geschriebene Texte zu verstehen, zu nutzen und über sie zu reflektieren, um eigene Ziele zu erreichen, das eigene Wissen und Potential weiterzuentwickeln und aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. (Schreiner/ Toferer 2009: 54) Diese Definition stellt die Handlungsfähigkeit der LeserInnen in den Vordergrund, sich durch das Lesen Wissen anzueignen, Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten. Dem entsprechend besteht auch ein großer Teil der Leseaufgaben bei PISA aus pragmatischen Texten, die alltagsweltlich anwendbar sind. Literarische Texte sind deutlich in der Minderheit, auf das „Lesen als Konstruktion von Bedeutung“ wird dabei nicht Rücksicht genommen und somit nur wenig auf das private Lesen, das in den meisten Fällen mit dem Lesen von fiktionalen Texten gleichgesetzt wird (vgl. Saxalber-Tetter/ Wintersteiner 2009: 65f.). Aus diesem Grund sind auch die Ergebnisse der PISA- und PIRLS-Studien differenziert zu betrachten, da im Deutschunterricht zur Überprüfung des Textverständnisses hauptsächlich literarische Texte herangezogen werden, im Unterschied zu den Sachtexten bei PISA (vgl. ebda.: 66). Da jedoch die Lesekompetenz im Rahmen der vorliegenden Arbeit nur marginal behandelt wird, soll an dieser Stelle auf eine weitere Diskussion der Begriffsdefinition verzichtet werden. Allerdings sollen noch zwei weitere Begriffe, die häufig im Kontext der Lesekompetenz angeführt und von- 5 Ähnlich ist die Definition bei PIRLS: Lesen wird hier als „Fähigkeit, jene geschriebenen Sprachformen zu verstehen und zu nutzen, die von der Gesellschaft verlangt werden und/ oder für die jeweilige Person nützlich und wertvoll sind. Junge Leser/ innen können die Bedeutung von verschiedensten Texten erfassen. Sie lesen, um zu lernen, um an der Gemeinschaft der Lesenden in der Schule sowie am täglichen Leben teilzunehmen und zum Vergnügen.“ (Suchan 2009c: 18) Hier wird aber, im Gegensatz zur Definition bei PISA, auf das Lesen zum Vergnügen Rücksicht genommen. 63 <?page no="64"?> einander abgegrenzt werden, erwähnt werden, nämlich jene der Lesefertigkeit und der literarischen Rezeptionskompetenz. Ersterer unterscheidet LeserInnen von Nicht-LeserInnen unter Berücksichtigung der Beherrschung des Schriftsystems; zweiterer wird für LeserInnen von Literatur und Kunst im Sinne der Teilhabe an der literarischen Kultur angewandt (vgl. Eggert/ Garbe 1995: 9f.). Wie es um die Lesekompetenz der Heranwachsenden bestellt ist, zeigen internationale Bildungsvergleichsstudien besonders ausführlich. Um die Entwicklung der Leseleistungen der SchülerInnen im Altersverlauf darstellen zu können, wird sowohl auf PIRLS 2006 (für die Lesekompetenz der Kinder in der vierten Schulstufe) als auch auf PISA 2006 (für die jener Kinder am Ende der Pflichtschulzeit, also der 15-/ 16-Jährigen) eingegangen. Bei den 10-Jährigen sind 16%, also jedeR Sechste der österreichischen SchülerInnen der Gruppe der RisikoschülerInnen zuzuordnen, und 8% der Spitzengruppe 6 (vgl. Suchan 2009c: 21); bei den 15-/ 16-Jährigen ist die Risikogruppe deutlich größer, 21,5% der SchülerInnen werden dieser Kompetenzstufe zugeordnet, und 9% der Spitzengruppe 7 (vgl. Breit 2007b: 45). Allgemein lässt sich für beide Studien eine Geschlechterdifferenz feststellen, Mädchen schneiden generell besser ab als Burschen, wobei diese Differenzen bei den 10-Jährigen noch weniger stark ausgeprägt sind als bei den 15-/ 16-Jährigen. Ebenfalls gilt für beide Altersstufen, dass die Geschlechterdifferenz bei steigendem Schwierigkeitsgrad der Aufgabenstellungen deutlich größer wird (vgl. Suchan 2009c: 21; vgl. auch Suchan 2009b: 30; vgl. auch Suchan 2009d: 39; vgl. auch Schreiner/ Toferer 2009: 59). SchülerInnen mit Migrationshintergrund schneiden bei den internationalen Bildungsvergleichsstudien deutlich schlechter ab als einheimische Kinder. Bei der PIRLS-Studie 2006 wurden 36% der DaZ-Kinder der Risikogruppe Lesen zugeordnet (und nur 12% der DaM-Kinder), und wesentlich weniger, nämlich 3%, der Spitzengruppe (während dazu 9% der DaM-Kinder gezählt wurden) (vgl. Unterwurzacher 2009: 69f.). Diese Ergebnisse verschlechtern sich im Altersverlauf, wenn man hierbei die Ergebnisse von PISA 2006 hin- 6 Zur Risikogruppe bei PIRLS werden SchülerInnen gezählt, die in der Kompetenzstufe 1 oder darunter eingestuft wurden, dies bedeutet, sie zeigen nur grundlegende Lesefertigkeiten und haben Probleme dabei, einfache Schlussfolgerungen zu ziehen (vgl. Suchan 2009b: 28). SchülerInnen, die zur Spitzengruppe bei PIRLS zählen, haben die höchste Lesekompetenzstufe 4 erreicht und können mit sehr schwierigen Texten umgehen, sie verstehen, interpretieren und Inhalte verknüpfen (vgl. Suchan 2009d: 37). 7 Bei PISA wird die Risikogruppe Lesen aus SchülerInnen unter oder auf Level 1 gebildet, sie haben große Probleme damit, einfache Texte zu verstehen. Die SchülerInnen der Spitzengruppe erreichen die Lesekompetenzstufe 5 und können auch zu komplexen Texten schwierige Fragestellungen lösen (vgl. Breit 2007b: 45). 64 <?page no="65"?> zuzieht: Bei PISA sind wesentlich mehr, nämlich 40% der DaZ-Kinder sehr schlechte LeserInnen (18% der DaM-Kinder), allerdings sind auch mehr DaZ-SchülerInnen sehr gute LeserInnen als bei PIRLS, 6% von ihnen sind der Spitzengruppe Lesen zuzuordnen (10% der DaM-Kinder) (vgl. Breit 2009a: 149). Die Wahrscheinlichkeit, als DaZ-Kind bei PISA 2006 zur Lese- Risikogruppe zu gehören, ist 2,2 Mal so groß als für DaM-Kinder; umgekehrt ist es für DaM-Kinder 1,7 Mal so wahrscheinlich zur Lese- Spitzengruppe gezählt zu werden, als für DaZ-Kinder (vgl. Breit 2009a: 152f.). Mangelnde Lesekompetenz als Hemmnis für das Freizeitlesen bei DaZ- Kindern vermuten auch Pieper et al. (2004): „Angesichts des teilweise zwar gut verständlichen, aber grammatisch meist nicht korrekten mündlichen Sprachgebrauchs der jungen Erwachsenen, für die Deutsch die 2. oder 3. Sprache ist, steht zu vermuten, dass Leseschwierigkeiten deutlich verbreiteter sind“ (ebda.: 159). Allerdings ist das schlechte Abschneiden der DaZ-Kinder bei den Bildungsvergleichsstudien nicht allein auf den Faktor „Migrationshintergrund“ zurückzuführen, ganz im Gegenteil. Ein besonders gravierender Einflussfaktor ist jener des sozioökonomischen Hintergrundes der Familie, der Bildung und des Berufs der Eltern. Es zeigte sich in vielen empirischen Studien, allen voran bei PISA und PIRLS, dass SchülerInnen, deren Eltern niedrigere Bildungsabschlüsse haben (Pflichtschulabgänger), niedrigere Leseleistungen erbringen als Kinder von Eltern mit Matura und/ oder einem Hochschulabschluss (vgl. Schmich 2009a: 111ff.; vgl. auch Suchan 2009b: 34f.; vgl. auch Suchan 2009d: 43f.; vgl. auch Bacher 2009: 79f.; vgl. auch Schmich 2009b: 127). Der Risikofaktor des familiären Hintergrundes kann sich gravierend auswirken: Bei niedrigen Bildungsabschlüssen der Eltern ist es für deren Kinder 2,4 Mal wahrscheinlicher zur Risikogruppe Lesen zu zählen, als für Kinder mit Eltern hoher Bildungsabschlüsse (vgl. Schmich 2009a: 112). Bereits am Ende der Volksschulzeit ist die Lesekompetenz von Kindern aus sozial niedrig gestellten Familien niedriger als die von Kindern aus Familien mit hohem Sozialstatus (vgl. Bacher 2009: 79; vgl. auch Pieper et al. 2004: 10). Diese Defizite sind in gleicher Form am Ende der Pflichtschulzeit festzustellen (vgl. Pieper et al. 2004: 11). Und da DaZ-Familien in Österreich im Schnitt einen niedrigeren sozioökonomischen Status und eine geringere Ausbildung haben als DaM-Familien, finden sich besonders viele DaZ- Kinder in der Risikogruppe Lesen (vgl. Breit 2009b: 139; vgl. Bacher 2009: 98). Im Rahmen der Untersuchungen zu PISA 2000 wurde auch erhoben, ob zwischen der Lesehäufigkeit und der Lesekompetenz der SchülerInnen ein Zusammenhang besteht. Es zeigte sich, dass „je höher die Buchleseintensität der Schüler/ innen [ist], desto besser sind ihre durchschnittlichen Leseleis- 65 <?page no="66"?> tungen“ (Böck/ Wallner-Paschon 2002a: 15; vgl. auch Hurrelmann 2006: 164; vgl. auch Bucher 2004: 135). Unter Berücksichtigung der Buchleseintensität wurde auch ersichtlich, dass sich die Geschlechtsunterschiede aufheben, eine Ausnahme ist die Gruppe mit sehr geringer Buchleseintensität, in der die Schüler nach wie vor schlechtere Leseleistungen erbringen als die Schülerinnen (vgl. ebda.). Allerdings zeigte sich, dass die Präferenz von literarischen Texten einen besonders hohen Einfluss auf die Lesekompetenz der SchülerInnen hat. Bei einer detaillierteren Untersuchung ergab sich, dass SchülerInnen in der Spitzengruppe häufiger literarische Texte, oder sowohl literarische als auch informationsorientierte Texte lesen. Die intrinsische Lesemotivation von sehr kompetenten LeserInnen basiert demnach häufig auf zwei Säulen, nämlich sowohl auf der Lust am Lesen selbst, als auch auf dem Interesse an gewissen Themen und Inhalten (vgl. Bergmüller/ Böck 2009a: 107f.). Im Gegensatz dazu präferieren LeserInnen der Risikogruppe häufig Sachtexte und vermeiden literarische Texte. Dies liegt nach Bergmüller/ Böck an der starken Strukturiertheit und Übersichtlichkeit der Sachtexte, die geringere Anforderungen an Wortschatz und Sprache der LeserInnen stellen als dies literarische Texte tun, deren Leerstellen im Leseprozess gedeutet werden (müssen) (vgl. ebda.: 109). Spannende Ergebnisse in Bezug auf das Lesen im Internet und die Lesekompetenz liefert ebenfalls die PISA-Studie. Im Rahmen der erweiterten Untersuchungen von PISA Plus 2000 wurde unter anderem auch erhoben, ob es einen Zusammenhang zwischen der Lesekompetenz und der Computer- und Internetnutzung der Jugendlichen gibt (vgl. Reiter 2002b). Es zeigte sich, dass SchülerInnen, die eine höhere Lesekompetenz haben, den Computer und das Internet in der Freizeit häufiger nutzen (vgl. ebda.: 79). Darüber hinaus ließen sich auch Nutzungsunterschiede feststellen: Je höher die Lesekompetenz, desto öfter werden am Computer und im Internet Texte verfasst; Kinder mit niedriger Lesekompetenz nutzen den Computer häufiger als Lernmedium, beispielsweise für Grammatik- oder Rechtschreibübungen (vgl. ebda.: 80). Ein stärkerer Zusammenhang mit der Lesekompetenz zeigt sich bei internetbasierten Tätigkeiten: Bei der Verwendung des Internets macht sich die notwendige Basis Lese- Kompetenz stärker bemerkbar. Zum Beispiel das Verwenden von Suchmaschinen, Herunterladen von Informationen für Unterrichtsprojekte, der Umgang mit E-Mails, aber auch Chatten oder einfach zum Spaß surfen ist unter den besseren Lesern wesentlich beliebter als bei leseschwachen Jugendlichen. (Reiter 2002b: 80) Außerdem lässt sich sagen, dass Jugendliche mit einer höheren Lesekompetenz auch ihre Computer- und Internetkenntnisse besser einschätzen als jene mit niedriger Lesekompetenz (vgl. ebda.: 81f.). 66 <?page no="67"?> Zusammenfassend ist für die Lesekompetenz festzustellen, dass vor allem die Faktoren Geschlecht und der soziale Hintergrund der Kinder ausschlaggebend dafür ist, ob die SchülerInnen eine hohe Lesekompetenz aufweisen. Es lässt sich also pauschalierend festhalten, dass vor allem Mädchen aus sozial höheren Schichten eine hohe Lesekompetenz haben. Weiters ist das Leseverhalten mit der Lesekompetenz verknüpft: Kinder mit vielfältigerem Leseinteresse, die häufiger lesen, schneiden bei der Lesekompetenz ebenfalls besser ab. 3.5.2. Lesemotivation und Leseselbstkonzept Im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit wird nicht auf die Lesekompetenz der SchülerInnen eingegangen, da beispielsweise eine Testung der Kompetenzen der Kinder den Rahmen der Arbeit gesprengt hätte. Stattdessen wird das Leseselbstkonzept der SchülerInnen erhoben. Zunächst soll allerdings auf die Lesemotivation eingegangen werden, um danach das Leseselbstkonzept genauer zu definieren. In der Lesemotivationsforschung wird zwischen extrinsischer und intrinsischer Lesemotivation unterschieden (vgl. Möller/ Schiefele 2004: 102f.): - Intrinsische Motivation beruht auf der Freude an der Tätigkeit des Lesens, da diese als schön und belohnend empfunden wird. Dies tritt in der Regel beim Lesen von erzählender Literatur auf. - Extrinsische Motivation ist Motivation von außen, hierbei steht nicht der Vorgang des Lesens im Vordergrund, sondern beispielsweise das Interesse am Thema, wie bei der Lektüre von Sach- und Informationstexten. Das Leseselbstkonzept ist eng mit der Lesemotivation verknüpft (vgl. Wallner-Paschon/ Schneider 2009b: 147f.). Es ist ein Teil des Fähigkeitsselbstkonzeptes, das als eine Gedächtnisstruktur definiert werden kann, die alle Informationen einer Person beinhaltet, die sich auf sie selbst beziehen, beispielsweise Details über persönliche Vorlieben oder Abneigungen. Das Leseselbstkonzept bezieht sich auf die Einschätzung der SchülerInnen im Bereich des eigenen Lesens (vgl. Wallner-Paschon/ Schneider 2009b: 148), es entwickelt sich und wird geprägt durch Rückmeldungen und das Feedback von anderen, und wird durch soziale Vergleiche mit anderen (in diesem Fall) MitschülerInnen beeinflusst. Dabei können sowohl Aufwärtsals auch Abwärtsvergleiche durchgeführt werden, indem man sich entweder mit leistungsstärkeren SchülerInnen (Aufwärtsvergleich) oder mit leistungsschwächeren KameradInnen vergleicht (Abwärtsvergleich), wobei letzterer das eigene Selbstkonzept schützt und erhöht (vgl. Möller/ Schiefele 2004: 113). „Ergebnisse aus der Leseselbstkonzeptforschung zeigen, dass das Lese- 67 <?page no="68"?> selbstkonzept einerseits das Interesse am Lesen sowie die Bereitschaft, sich auf das Lesen einzulassen und Zeit und Anstrengung zu investieren, beeinflusst“ (Wallner-Paschon/ Schneider 2009b: 148). Im Rahmen der PIRLS-Untersuchung 2006 wurden Daten zum Leseselbstkonzept der SchülerInnen erhoben, dabei wurde ersichtlich, dass Mädchen mehr Vertrauen in ihre Lesefertigkeiten haben als Burschen, ebenso ist erwartungsgemäß der Zusammenhang zwischen dem Leseselbstkonzept und der Lesekompetenz der SchülerInnen sehr groß (vgl. Wallner- Paschon/ Schneider 2009b: 149), so kann beispielsweise durch eine Steigerung der Lesekompetenz auch das Leseselbstkonzept nachhaltig verändert werden (vgl. Christmann/ Rosebrock 2006: 163). DaZ-Kinder haben ein geringeres Leseselbstkonzept als DaM-Kinder (vgl. Unterwurzacher 2009: 75). Pieper et al. (2004: 159) konnten feststellen, dass Nicht-LeserInnen unter den DaZ-Kindern ihre Lesegewohnheiten vor allem gegen das Bild von LeserInnen, die sich freiwillig und über einen längeren Zeitraum hinweg regelmäßig der Lektüre widmen, abgrenzen. Für sie ist das mehr oder weniger regelmäßige Lesen von Zeitungen oder Zeitschriften, das sie durchaus praktizieren, keine Tätigkeit, die LeserInnen ausmacht. Die Anforderungen an Konzentration und die im Vergleich lange Zeitspanne, über die man sich, ihrer Meinung nach, einem Buch widmen muss, sind die größten Lesehemmnisse (vgl. ebda.: 159f.). Lesemotivation und Leseselbstkonzept sind demnach zwei wichtige Faktoren, die sich auf das Leseverhalten von Heranwachsenden auswirken. Wie stark ihre Einflüsse sind, und inwieweit sie sich auf die einzelnen Komponenten des Leseverhaltens auswirken, ist allerdings noch nicht ausführlich erforscht, ebenso wenig, wie sich diese beiden Faktoren im Altersverlauf verändern können. Weiters ist zu möglichen Differenzen in Lesemotivation und -selbstkonzept von DaZ-Kindern in Erst- und Zweitsprache sehr wenig bekannt. All dies soll im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit untersucht werden. 68 <?page no="69"?> 4. Lesen in Familie und Peergroup 4.1. Lesen in der Familie Der Familie als primärer Sozialisationsinstanz kommt für die Ausbildung einer stabilen Lesemotivation der Kinder eine enorm wichtige Rolle zu. Das familiäre Umfeld kann die Heranwachsenden positiv und negativ prägen, lange bevor die Kinder selbst lesen und schreiben können. In diesem Abschnitt wird auf die Vorbildwirkung der Eltern eingegangen sowie auf das gemeinsame Sprechen über Lektüre und auf das Leseumfeld im Elternhaus, speziell auf den Buchbestand der Familien. Die Rolle der Familie für Kinder im Kleinkind- und Grundschulalter, vor allem bezogen auf den Spracherwerb, wird in einem der nächsten Kapitel genauer beschrieben. Zunächst soll an dieser Stelle aber der Einfluss des sozioökonomischen Hintergrundes der Familien differenzierter betrachtet werden, der ohnehin schon an mehreren Stellen herausgestrichen und präzisiert wurde. Wie bereits an zahlreichen Stellen erwähnt und anhand von Beispielen konkretisiert wurde, sind der sozioökonomische Hintergrund, die Ausbildung und der Beruf der Eltern entscheidend für das Leseverhalten der Kinder, ebenso, was die Verfügbarkeit der verschiedenen Lesemedien betrifft. Pauschal lässt sich sagen, dass Kinder aus Familien mit höherem sozialem Hintergrund meist die kompetenteren LeserInnen sind, die häufiger und lieber lesen. Eine völlig andere Situation zeigt sich aber bei Familien mit Migrationshintergrund, da diese besonders häufig ihren Bildungshintergrund bei der beruflichen Position nicht voll ausschöpfen. Dies bedeutet, dass MigrantInnen häufig Berufe ausüben, für die ein niedrigerer Bildungsabschluss ausreichen würde. Dieses Phänomen wird als Dequalifikation bezeichnet (vgl. Herzog-Punzenberger/ Gapp 2009: 61; vgl. auch Breit 2009b: 139f.). Analysen in mehreren europäischen Ländern zeigen, dass ausländische Bildungsabschlüsse oftmals nicht als gleichwertig anerkannt oder Personen ohne Migrationshintergrund systematisch bevorzugt werden […]. Gleichzeitig übt ein großer Teil der zugewanderten Eltern (45%) manuelle Tätigkeiten aus, wohingegen dies nur auf 16% der einheimischen Eltern zutrifft (Herzog-Punzenberger/ Gapp 2009: 61). Der Faktor Migrationshintergrund allein genügt also in keinem Falle, um das Leseverhalten der Heranwachsenden erklären zu können. 69 <?page no="70"?> 4.1.1. Vorbildwirkung der Eltern Die Familienmitglieder, allen voran die Eltern, haben eine besondere Vorbildwirkung auf die Heranwachsenden. Ihr Verhalten, wie beispielsweise die selbstverständliche Nutzung von Lesen und Schreiben im Alltag, kann diese Tätigkeiten für die Kinder als erstrebenswerte Fertigkeiten assoziieren und somit eine basale Neugier vermitteln. Umgekehrt kann ein Selbstverständnis von Lese- und Schreibaufgaben als lästige und unnütze Tätigkeiten dazu führen, dass auch die Kinder diese als unangenehm empfinden und ihnen ablehnend gegenüberstehen. Besonders eindrucksvoll konnte dies die Studie „Leseklima in der Familie“ (Hurrelmann/ Hammer/ Nieß 1993) zeigen: Kinder aus Familien, die gemeinsam die verschiedensten Leseerfahrungen machen, sei es das gemeinsame Lesen, der Austausch über Gelesenes, Ausflüge in Bibliotheken und Buchhandlungen, lesen länger und häufiger, und haben mehr Freude am Lesen und an Lesemedien als jene Kinder, die derartige Erfahrungen nicht machen (vgl. ebda.: 47; vgl. auch Harmgarth 1997: 14; vgl. auch Pieper et al. 2004: 11; vgl. auch Wallner-Paschon/ Schneider 2009a: 135). Wenn die Kinder das Lesen als persönlichen Gewinn kennen lernen und nicht allein die Nützlichkeit dieser Tätigkeit betont wird, hat Leseförderung in der Familie einen besonders großen Erfolg (vgl. Bucher 2004: 167). Wie gerne die Eltern lesen, und inwieweit sie ihren Kindern für deren Lektüre ein Vorbild sind, hängt deutlich mit dem sozialen Hintergrund der Familie zusammen. Während in der Studie von Bucher (2004) fast die Hälfte der Kinder aus der Oberschicht angeben, dass die ganze Familie gerne liest, sind es nur 17% aus der Unterschicht. Umgekehrt haben 8% der SchülerInnen mit hohem sozialem Hintergrund den Eindruck, ihre Eltern würden sie zum Lesen ermahnen, und 26% der Kinder aus niedrigen sozialen Schichten geben an, ihre Eltern würden sie zum Lesen ermahnen, obwohl diese es selbst nicht tun (vgl. Bucher 2004: 168; vgl. Pieper et al. 2004: 20). Dabei resultiert eine positivere Leseeinstellung der Eltern in einer höheren Leseleistung der Kinder (vgl. Wallner-Paschon/ Schneider 2009a: 136). In der Gruppe der DaZ-Kinder treten die Eltern nur selten als Lesevorbilder hervor, hauptsächlich werden Zeitschriften oder Tageszeitungen rezipiert, begeisterte BelletristikleserInnen unter den Eltern sind nur sehr sporadisch zu finden (vgl. Pieper et al. 2004: 173). Mahnungen der Eltern, dass das Kind mehr und öfter lesen solle, die aber im Gegensatz zum eigenen Verhalten der Eltern steht, haben keine oder nur geringe Wirkung auf die Lektürepraxis der Kinder: Wenn die Erwachsenen nicht selbst (gerne) lesen und auch keine Anschlusskommunikation über die Lektüre stattfindet, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass die Heranwachsenden mehr Freude am Lesen entwickeln (vgl. Hurrelmann/ Hammer/ Nieß 1993: 41; vgl. Bucher 2004: 167). 70 <?page no="71"?> Mit zunehmendem Alter der Kinder verlieren die Eltern immer stärker das Interesse am Leseverhalten ihrer Kinder. Dies lässt sich deutlich an der steten Verringerung der Aufforderungen zum Lesen ablesen: Sind es, beispielsweise in der Studie von Böck (2000), noch 44% der 10-Jährigen, die von ihren Eltern zum Lesen aufgefordert werden, sinkt dieser Wert auf 34% bei den 14-Jährigen. Hauptsächlich werden Kinder, die eine schlechte Lesekompetenz aufweisen und auch nur sehr ungern lesen, von ihren Eltern dazu aufgefordert. Böck warnt aber vor einer gegensätzlichen Wirkung von Ermahnungen, denn dadurch steht eine extrinsische Motivation zum Lesen im Vordergrund, und keine intrinsische; die Freude am Lesen wird dadurch nicht erhöht (vgl. Böck 2000: 139). 4.1.2. Anschlusskommunikation innerhalb der Familie Einen positiven Effekt auf die Lesefreude der Kinder hat die Anschlusskommunikation mit den Eltern über das Gelesene, welche die Leseentwicklung der Kinder stützt (vgl. u.a. Hurrelmann/ Hammer/ Nieß 1993: 39). Innerhalb der Familie nimmt die Mutter im Gebiet der Anschlusskommunikation einen wichtigen Platz ein, sie ist vor allem für Mädchen eine wichtige Kommunikationspartnerin, weniger für die Burschen. Allerdings geben beide Geschlechter gleichermaßen an, die Mutter würde sich für deren Lektüre interessieren. Bucher schließt die Geschlechterdifferenzen beim Sprechen über Lektüre aus den ähnlichen Lektürepräferenzen von Müttern und Töchtern (vgl. Bucher 2004: 161). Bei Jungen ist es nur sehr selten, dass sie mit ihren Eltern über ihre Lektüre sprechen (vgl. Bischof/ Heidtmann 2002: 8), im Volksschulalter trifft dies noch am meisten zu, jedoch nimmt die Intensität der Gespräche mit steigendem Alter ab. Als Ursache dafür wird häufig angegeben, dass in diesem Alter der noch nicht abgeschlossene Prozess des Lesenlernens sowohl für Eltern als auch für die Kinder einen noch hohen Stellenwert hat, und somit auch häufiger thematisiert wird (vgl. Böck 2000: 135). Als Ausnahme gilt das Harry-Potter-Phänomen: Die Romane werden auch von den Eltern gelesen und in manchen Familien bildete sich eine gemeinsame Vorlesesituation 1 heraus (vgl. Bischof/ Heidtmann 2002: 8). Für Familien mit Migrationshintergrund konnte in der Studie von Pieper et al. (2004) herausgefunden werden, dass innerhalb der Familie eine gemeinsame Medienrezeption durchaus stattfindet, zum Beispiel das gemeinsame Fernsehen oder Lesen von Zeitungen oder Zeitschriften, aber dass der An- 1 Auf das Vorlesen und Geschichten erzählen wird in einem späteren Abschnitt noch detaillierter eingegangen. 71 <?page no="72"?> schlusskommunikation nur ein geringer Stellenwert beigemessen wird, und dem entsprechend auch die Qualität dieser Interaktionen auf niedrigem Niveau angesiedelt ist (vgl. ebda.: 142). 4.1.3. Buchbestand im Elternhaus Wie viele und welche Art von Büchern im Elternhaus vorhanden sind, darauf wurde bereits im Abschnitt über den Medienzugang der Heranwachsenden eingegangen. Dennoch soll an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen werden, welche große Bedeutung ein erleichterter Zugang der Jugendlichen zu Texten der verschiedensten Art für die Ausbildung einer stabilen Lesemotivation und -freude hat, aber auch auf die Lesekompetenz der Heranwachsenden (vgl. Bacher 2009: 98; vgl. auch Bergmüller/ Böck 2009b: 119). Bei der Beschaffenheit des Buchbestandes im Elternhaus zeigen sich klare Zusammenhänge mit dem sozioökonomischen Status des Elternhauses: Personen mit höherer Bildung lesen häufiger anspruchsvolle Belletristik; Personen mit niedriger Bildung bevorzugen einfache Unterhaltungsliteratur (vgl. Böck/ Wallner-Paschon 2002a: 16). Dies hat aber auch zur Folge, dass die Kinder einen jeweils unterschiedlichen häuslichen Buchbesitz vorfinden, aus dem sie ihre Lesestoffe wählen können. Die Verfügbarkeit von Büchern im Elternhaus kann vor allem auch für Jungen ein Impuls zum Lesen sein: Ab dem 10. Lebensjahr wählen Jungen, deren Eltern einen interessanten und abwechslungsreichen Buchbestand haben, aus diesen Büchern aus, thematisch handelt es sich hauptsächlich um aktuelle Erwachsenenunterhaltungsliteratur (vgl. Bischof/ Heidtmann 2002: 8). 4.2. Lesen im Freundeskreis Die Peergroup als Sozialisationsinstanz ist relativ wenig erforscht. Fakt ist, dass diese vor allem im Jugend- und Teenageralter relevant wird, in einem Alter also, in dem Abgrenzungs- und Ablösungsprozesse von den Eltern, das Selbstständigwerden und Finden einer eigenen Identität im Vordergrund stehen. Das Buch steht in diesem Alter weniger im Fokus der Kommunikation zwischen den Jugendlichen, häufig wird über Computermedien oder das Fernsehen gesprochen, während das Buch eher im Abseits steht. Im Vergleich dazu ist das Buch als Kommunikationsthema bei den Volksschülern noch an zweiter Stelle nach dem Fernsehen anzutreffen. Besonders eindrucksvoll ist an dieser Stelle ein Geschlechtervergleich: Während Mädchen sich häufiger über Bücher, Zeitschriften und Musik austauschen, dominiert bei den Burschen Computer, Internet und Fernsehen (vgl. Böck 2000: 141f.). 72 <?page no="73"?> Dennoch ist die Peergroup, nach der Sozialisationsinstanz Familie, das wichtigste Medium für Anschlusskommunikation der Heranwachsenden (vgl. Bucher 2004: 161; vgl. auch Hurrelmann 2004b: 55ff.). „Wer viel liest, hat Freunde, die ebenfalls eine enge Beziehung zum Buch pflegen. In diesen Freundeskreisen unterhält man sich auch häufiger über Bücher.“ (Harmgarth 1997: 14). Dies wurde im Zusammenhang mit der Lesekompetenz empirisch belegt: Die Zugehörigkeit zu einer aggressiv-schuldistanzierten Clique geht mit schwächerer Lesekompetenz bei den getesteten 15-Jährigen einher als die Zugehörigkeit zu einer tendenziell bildungsorientierten Gleichaltrigengruppe, die unter anderem angibt, ‚Freude am Lesen‘ außerhalb ihres Schulkontextes zu haben. (Pieper et al. 2004: 11) Das gemeinsame Lesen steht bei Mädchen eher im Vordergrund als bei den Burschen, wenn beispielsweise Zeitschriften oder Magazine in die Schule mitgenommen werden und gemeinsam gelesen werden (vgl. Böck 2000: 141f.). Allerdings kann der Faktor Geschlecht nicht pauschal etwas über die Lese- und Kommunikationsstruktur der SchülerInnen aussagen, wichtig ist vor allem die Lesefreude und -intensität der Heranwachsenden. Je häufiger und lieber diese lesen, desto häufiger unterhalten sie sich auch über Bücher, Zeitungen und Zeitschriften mit ihren FreundInnen (vgl. ebda.: 145). Der Freundeskreis ist nicht nur für Anschlusskommunikation von Bedeutung, sondern auch, wie bereits ausgeführt wurde, als Ratgeber für interessante, lesenswerte Texte (vgl. Bucher 2004: 49). Dies wird im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit näher untersucht. 73 <?page no="75"?> 5. Lesen und Schule Die Schule als Sozialisationsinstanz hat im Hinblick auf das Lesen traditionellerweise die Aufgabe, zunächst den Kindern die Kulturtechnik des Lesens zu vermitteln, ein Prozess, der mit Ende der Volksschulzeit meist abgeschlossen ist. 1 Ein weiterer wichtiger Auftrag ist auch, wenn möglich, Defizite hinsichtlich der sozialen Zugangsbarrieren der Kinder zu den verschiedenen Lesemedien auszugleichen. Seine ausgleichende Funktion gegenüber familiären Defiziten kann das Schulsystem aber nur in den seltensten Fällen erfüllen (vgl. Pieper et al. 2004: 12; vgl. auch Herzog-Punzenberger 2009: 159ff.; vgl. auch Bertschi-Kaufmann/ Rosebrock 2009: 9; vgl. auch Garbe 2005b: 19f.). Problematisch ist darüber hinaus, dass das Bildungssystem die sozialen Trends in Bezug auf das Lesen noch verstärkt: „Schüler und Schülerinnen aus privilegierten Elternhäusern, d.h. mit gebildeten Eltern und mehr Büchern zu Hause, besuchen signifikant häufiger eine höhere Schule und finden dort wiederum eine bessere schulische Buchversorgung vor“ (Bonfadelli 1996: 57). Ein problematisches Phänomen für den Deutschunterricht ist, dass vor allem die Pflichtlektüre im Unterricht bei den SchülerInnen häufig keine Motivation für das weitere Lesen erwecken kann. In diesem Kapitel soll daher zunächst auf die Charakteristika und Spezifika des Lesens in und für die Schule eingegangen werden, danach soll die Rolle der Schule im Bereich der Leseförderung thematisiert werden. 5.1. Textauswahl und Umgang mit Texten im Unterricht Die Art und Weise, wie im Unterricht mit Texten umgegangen wird, und welche Texte verwendet werden, ist ausschlaggebend dafür, ob sich die SchülerInnen mit dem Literaturunterricht wohl fühlen, und ob sie Anregungen für die eigene Privatlektüre bekommen (vgl. Pieper et al. 2004: 21f.). Aus diesem Grund soll zunächst auf die Charakteristika der im Unterricht behandelten Texte eingegangen werden und weiters auf die methodische Vorgangsweise, mit der die Texte bearbeitet werden. 1 Auf die Problematik der Lesekompetenz wurde bereits in einem vorigen Kapitel näher eingegangen. 75 <?page no="76"?> Die Passung von Lesestoffen 2 im Deutschunterricht und den Schülerinteressen ist ein problematisches Thema, häufig werden die Interessen und Vorlieben der SchülerInnen vernachlässigt. Die Kinder ziehen in vielen Fällen phantastische Literatur vor, anhand derer sie Merkwürdiges, Wunderbares erleben können, das Unmögliche möglich machen können. Im Unterricht erwartet sie aber etwas ganz anderes: Viele Lehrerinnen und Lehrer verbinden mit dem Literaturunterricht zugleich die Aufgabe, sich mit der gesellschaftlichen Realität kritisch auseinander zu setzen. Lesen verbinden sie oft in erster Linie mit sozialaufklärerischen Zielen, sie suchen für Klassenlektüren zum Beispiel ein ‚Buch zum Thema‘ und verfehlen damit allerdings häufig die Leseinteressen, die für den Aufbau einer stabilen Lektürepraxis notwendig sind. (Bertschi-Kaufmann 2002: 154) Dies zeigt sich in der Zufriedenheit der SchülerInnen mit den gewählten Lesestoffen im Unterricht: Weniger als ein Viertel der in der Studie von Bischof/ Heidtmann (2002) befragten SchülerInnen waren mit der Schullektüre zufrieden, mehr als die Hälfte der Kinder beurteilte die Texte als „mäßig interessant“ und ein Viertel zeigte gar kein Interesse daran (vgl. Bischof/ Heidtmann 2002: 9). Dass sich die Lektüreinteressen der SchülerInnen mit den im Deutschunterricht behandelten Texten häufig nicht decken, zeigt auch Gattermaiers Untersuchung (2003), und er plädiert dafür, auch solche Genres in den Unterricht mit einzubeziehen, für welche die SchülerInnen auch privates Interesse zeigen (vgl. Gattermaier 2003: 325f.). Diese Entwicklung beginnt bereits in der Volksschule, wie eine Untersuchung von Plath/ Richter (2003) belegt: Auch hier stimmen die Interessen der Kinder mit den von den LehrerInnen gewählten Lesestoffen nicht überein, außerdem bezieht sich der Großteil der Auswahlkriterien, nach welchen die LehrerInnen die im Unterricht behandelten Texte wählen, auf pädagogische Zielsetzungen (vgl. Plath/ Richter 2003: 44f.). Die Klassenlektüre wird in der Regel von der Lehrperson bestimmt, die Möglichkeiten der SchülerInnen, auf die Lektürewahl Einfluss zu nehmen, sind begrenzt und beschränken sich in der Regel auf eine Wahlmöglichkeit aus einer vorgegebenen Liste. In Buchers Untersuchung waren es hauptsächlich die Primarschüler, die sich die Lektüre selbst frei auswählen durften; Wahlmöglichkeiten aus einer Liste hatten in geringem Ausmaß auch Realschüler und Gymnasiasten (vgl. Bucher 2004: 220). Problematisch ist außerdem, dass beim Lesen im Deutschunterricht häufig auf das Miteinbeziehen von anderen Medien vergessen wird. Das Lesen 2 Die Passung definieren Bertschi-Kaufmann/ Rosebrock (2009: 13) wie folgt: „Gemeint ist damit die konzeptionelle Anknüpfung der schulischen Aktivitäten zur Unterstützung des Lernens an die außerschulischen Lebenswelten der Schülerinnen und Schüler bzw. an ihre Leistungsmöglichkeiten.“ 76 <?page no="77"?> im Internet, von Zeitschriften und Zeitungen - also von Medien, die bei den meisten SchülerInnen einen hohen Stellenwert haben, wird nur selten praktiziert (vgl. Böck/ Wallner-Paschon 2002e: 44). Vor allem für SchülerInnen mit wenig oder fehlendem Leseinteresse ist im Deutschunterricht darauf zu achten, dass die behandelten Themen für die Kinder von persönlicher Relevanz sind und darüber hinaus eine aktive Bearbeitung im Unterricht möglich ist. Besonders geeignet, um Interessen bei den Heranwachsenden aufzubauen, sind Unterrichtsmethoden, welche die SchülerInnen zur aktiven Bearbeitung und tätigen Auseinandersetzung mit den Themen motivieren (vgl. Christmann/ Rosebrock 2006: 162). Das Gegenteil ist häufig der Fall: Im schulischen Unterricht wird meist hauptsächlich der Inhalt der Texte berücksichtigt. Die Studie von Bucher zeigt, dass, je nach Schultyp, 92% und mehr der Lehrpersonen angeben, im Unterricht Fragen zum Inhalt zu stellen. Rund 80% der LehrerInnen gaben an, die Kinder danach zu fragen, wie ihnen die Lektüre gefallen hat und warum: Die niedrigsten Werte zeigen sich in der Primarschule (76%), die höchsten im Gymnasium (96%). Dies unterscheidet sich drastisch von den Angaben der SchülerInnen: Hier waren nur 30% der Meinung, im Schulunterricht nach ihrer Meinung zur Lektüre gefragt zu werden (vgl. Bucher 2004: 222; vgl. auch Pieper et al. 2004: 182). Gattermaiers Untersuchung zu „Literaturunterricht und Lesesozialisation“ (2003) zeigt deutlich, dass die Lehrer der von ihn untersuchten Schulen Methoden des traditionellen Deutschunterrichts wie das Beantworten von Fragen zum Text, das Sprechen über Texte, das Ausfüllen von Arbeitsblättern oder das Beschreiben oder Charakterisieren einer im Text vorkommenden Person bevorzugen. Handlungs- und produktionsorientierte Methoden wie das Schreiben von Fortsetzungen oder Vorgeschichten, das Lösen eines Textpuzzles oder Ähnliches rangieren am Ende der Beliebtheitsskala der Lehrpersonen. Für Gattermaier ist hier keine Verschränkung der beiden Methodencluster feststellbar, was für einen kreativen und produktiven Literaturunterricht eine bessere Basis schaffen würde (vgl. Gattermaier 2003: 308f.). 3 Motivierend ist es für die Heranwachsenden, wenn sie im Unterricht mit adäquaten Texten konfrontiert werden und die Unterrichtsmethoden abwechslungsreich eingesetzt werden. Darüber hinaus kann es für Heranwachsende motivierend sein, wenn ihnen im Rahmen des Deutschunterrichts die Möglichkeit geboten wird, ihr Lieblingsbuch zu präsentieren. Dieser Bezug zur Freizeitlektüre wird aber, nach Buchers Untersuchung, nur 3 Eine detailliertere Diskussion über die verschiedenen Unterrichtsmethodencluster und ihre Vor- und Nachteile ist beispielsweise bei Spinner 2004: 130ff. nachzulesen. 77 <?page no="78"?> von wenigen LehrerInnen hergestellt. 20% der PrimarschullehrerInnen geben an, ihren SchülerInnen diese Möglichkeit zu bieten, ebenso viele GymnasiallehrerInnen. Der Anteil steigt bei SekundarlehrerInnen auf 34% und bei ReallehrerInnen auf 48%. Die meisten LehrerInnen vertrauen dabei auf die Methode des mündlichen Vorstellens im Unterricht (vgl. Bucher 2004: 227f.). Zu gänzlich anderen Ergebnissen kommt Gattermaier (2003) in seiner Untersuchung, dabei gaben 81,3% der befragten Lehrpersonen an, ihre SchülerInnen dazu aufzufordern, ihr Lieblingsbuch der Klasse vorzustellen (vgl. Gattermaier 2003: 341). 5.2. Leseanregungen und Leseförderung in der Schule Neben einer an den Lebenswelten der SchülerInnen orientierten Unterrichtsgestaltung ist es für die Förderung von Lesemotivation und -freude auch wichtig, den SchülerInnen Leseanregungen zu geben und ihnen Anstöße zum Lesen zu geben. Ebenso ist eine adäquate Ausstattung der Schule mit Lesemedien, sei es durch Leseecken in den Klassen oder durch Schulbibliotheken, von großer Bedeutung, um einen unverkrampften Umgang der SchülerInnen mit Büchern anregen zu können. Was Leseanregungen betrifft, ist Buchers Untersuchung (Bucher 2004) besonders interessant, da sie auf Diskrepanzen zwischen LehrerInnenverhalten und SchülerInnenwahrnehmung aufmerksam macht. Bei der Frage, ob LehrerInnen ihren SchülerInnen Lesetipps für die Freizeit geben bzw. diese auf interessante Bücher hinweisen, geben, variierend je nach Schultyp, sehr viele Lehrpersonen an, dies in ihren Unterricht einzubauen. Dies trifft auf 91% der GymnasiallehrerInnen, 77% der Sekundar- und 61% der RealschullehrerInnen zu. 4 Umgekehrt wird dieses Engagement der Lehrpersonen von den SchülerInnen aber nur bedingt wahrgenommen, zwischen 45% und 55% der Kinder geben an, von ihren LehrerInnen selten oder nie Lesetipps zu erhalten. Besonders groß ist die Diskrepanz der Angaben bei SchülerInnen an Gymnasien, die nur zu 25% angeben, Lesetipps zu bekommen. Bucher führt dies auf die Einbettung der Lektürehinweise in den Kontext des Unterrichts zurück, da sich die Lehrpersonen zu sehr am Deutschunterricht orientieren, und die SchülerInnen die Tipps ihrer LehrerInnen als nicht für die Freizeit geeignet erachten (vgl. Bucher 2004: 227). Darüber hinaus zeigte die Studie von Gattermaier (2003), dass die SchülerInnen mehrheitlich die Lektüreempfehlungen ihrer LehrerInnen ignorieren, nur 13,9% der von ihm befragten SchülerInnen geben an, ein von Lehrpersonen empfohlenes Buch schon einmal gelesen zu haben (vgl. Gattermaier 2003: 338). Als „Lichtgestalten“ 4 Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch Gattermaier (2003: 333). 78 <?page no="79"?> bezeichnet Pieper jene Lehrpersonen, die für die Freizeitlektüre ihrer SchülerInnen sozusagen „auf Augenhöhe“ Interesse zeigen, und bei ihnen durch Lesetipps und gelebte Anschlusskommunikation die Freude am Lesen schrittweise aufbauen konnten (vgl. Pieper et al. 2004: 23). Einen äußerst positiven Effekt auf die Lesemotivation und -freude der Schüler hat ein umfassendes Angebot an verschiedensten Lesemedien in der Schule bzw. direkt im Klassenzimmer. Die Ausstattung der Schulen mit Lesemedien verbesserte sich in den letzten beiden Jahrzehnten kontinuierlich. Noch zu Beginn der 90er-Jahre zeigte sich beispielsweise bei einer Studie von Bonfadelli (Bonfadelli 1996), dass es den verschiedenen Lesemedien vielfach an Präsenz in der Schule fehlt: „Nur 70% der Schüler haben Zugang zu einer Schulbibliothek, gut 20% berichten von einer Leseecke und 5% vom Vorhandensein einer Klassenbibliothek“ (Bonfadelli 1996: 56). Zu Beginn des 21. Jahrhunderts konstatiert Bucher in ihrer Untersuchung für den Kanton Zürich eine deutliche Verbesserung der Umstände in den Schulen und Klassen: 80% der untersuchten Schulen verfügen über eine Schulbibliothek, 88% über Leseecken in den Klassen; außerdem besitzen 68% der Schulen über einen Internetzugang im Schulhaus (vgl. Bucher 2004: 236). 2006 sind (in Österreich) in 98% der AHS-Unterstufen, und 92% der Hauptschulen Schulbibliotheken vorhanden sowie in 96% der AHS-Oberstufen, BHS und BMS. Hingegen gibt es nur an 71% der Berufsschulen, und an 47% der PTS einen Zugang zu einer Schulbibliothek. Insgesamt haben 32% der SchülerInnen der Sekundarstufe II keinen oder nur einen eingeschränkten Zugang zu einer Schulbibliothek (vgl. Böck/ Bergmüller 2009: 365f.). Dass sich die Verfügbarkeit von den verschiedensten Lesemedien positiv auf das Leseverhalten der SchülerInnen auswirkt, belegen zwei Forschungsprojekte von Andrea Bertschi-Kaufmann (Bertschi-Kaufmann 2002). Im Rahmen dieser Projekte wurden 300 Kinder und Jugendliche in ihrem Umgang mit Büchern, interaktiven Büchern am Computer und dem Internet untersucht (vgl. ebda.: 148). Es zeigte sich, dass auch Heranwachsende, die keine oder eine nur schwache Bindung zum Medium Buch haben, über eine Einstiegsphase, nämlich beispielsweise die aktive Beschäftigung mit Multimedia-Versionen von Kinder- und Jugendbüchern, ihr Leseverhalten zu einem fortgeschrittenen Stadium weiterentwickeln können. 5 Darüber hinaus sind lesefördernde Maßnahmen im außerschulischen Bereich ebenso sehr gut dafür geeignet, das Interesse der SchülerInnen an Texten zu wecken. Christmann/ Rosebrock (2006: 163) zählen einige Methoden 5 Ein eindrucksvolles Beispiel ist jenes von Andreas, 5. Schulstufe, der zu Beginn des Projekts große Schwierigkeiten mit gedruckten Büchern hat, aber über den Weg der CD-ROM zum Buch (TGKK-Krimis) am Ende großen Gefallen an Karl-May-Klassikern findet (vgl. Bertschi-Kaufmann 2002: 158ff.) 79 <?page no="80"?> auf, die dafür besonders geeignet sind: Autorenlesungen, Lesenächte an den Schulen, Vorlesewettbewerbe und -marathons, literarische Spaziergänge, Bibliotheksbesuche, -rallyes und -feste, „Rucksackbibliotheken“ in Klassenräumen, Werbung fürs Lesen, Präsentationen der Lieblingsbücher der SchülerInnen, u.v.m. Die Lesemotivation soll somit durch die Steigerung von Interesse ebenfalls gesteigert werden. Allerdings ist dabei zu beachten, dass bei Methoden dieser Art NichtleserInnen oft nicht erreicht werden können, da diese oft nicht die nötige Erfahrung im Umgang mit belletristischen Werken haben. Bettina Hurrelmann (2006) fasst zusammen, wie Leseförderung an der Schule aussehen soll (vgl. Hurrelmann 2006: 174f.). Wichtig sind folgende Faktoren: - Ein Unterricht mit anregendem Leseklima, in dem auf die Bedürfnisse der SchülerInnen eingegangen wird, und in dem „man insgesamt erleben kann, dass Lesen belohnend ist und auch im sozialen Zusammenhang Sinn macht“ (ebda.: 174). - Alle SchülerInnen müssen die Grundfähigkeiten des kognitiven Verstehens einfacher Texte 6 beherrschen. Binnendifferenzierung ist hier von großer Bedeutung, um benachteiligte SchülerInnen zu fördern. Ebenfalls wichtig ist die soziale Komponente, so sollen beispielsweise DaZ-Kinder gemeinsam mit DaM-Kindern gefördert werden, anstatt dies separat durchzuführen. - Eine möglichst große Vielfalt an Genres und Lesemedien, ein breiteres Spektrum an Textsorten soll angeboten werden, die auch für die Lebensbewältigung, Identitätsbildung und Vorstellungserweiterung der Heranwachsenden relevant sind. - Leseförderung kann nicht nur im Deutschunterricht erfolgen, sondern muss sich auch auf alle anderen Fächer erstrecken. Die Zusammenarbeit mit Institutionen außerhalb der Schule, beispielsweise Bibliotheken, Buchhandlungen, Autoren, Zeitungen und Ähnliches, sind zu forcieren. Die Folgen eines Deutschunterrichts, der sich nicht an den SchülerInnen orientiert, zeigt die Studie von Plath/ Richter zur „Lesemotivation in der Grundschule“ (Plath/ Richter 2003) auf. Die Ergebnisse besagen, dass ein erster Leseknick bereits in der Volksschule einsetzt, der sich in einer wachsenden Unlust am Deutschunterricht manifestiert. Besonders deutlich wird dies in der folgenden Abbildung (Plath/ Richter 2003: 46, zitiert nach Garbe 2007: 17): Während in der zweiten Klasse noch 65,6% der Mädchen, und 51,7% der Jungen angeben, ihnen würde der Deutschunterricht Spaß ma- 6 Um welche Grundfertigkeiten es sich dabei handelt, wurde bereits im zweiten Kapitel dieser Arbeit abgehandelt. 80 <?page no="81"?> chen, sind es in der dritten Klasse nur noch 50,8% der Mädchen und 43,4% der Jungen. Der Tiefpunkt ist am Ende der Volksschulzeit erreicht, hier geben nur mehr 40,5% der Mädchen und 28,6% der Jungen an, dass ihnen der Deutschunterricht Spaß mache. Aufgrund der Assoziierung des Deutschunterrichts mit den Tätigkeiten Lesen und Schreiben, sind diese Ergebnisse auch auf das Lesen und Schreiben zu beziehen. Abbildung 5: Sinkende Unlust am Deutschunterricht in der Volksschule nach Plath/ Richter 2003 Diese Befunde zeigen, dass die Institution Schule ein großes Potential hat, um auf das Leseverhalten von Kindern und Jugendlichen positiv einzuwirken, dieses wird aber in vielen Fällen nicht genutzt, weder in der Auswahl der Texte, die viel zu selten mit den Interessen der Heranwachsenden konform gehen, noch in der Art des Umganges damit. Ebenso werden viel zu selten die Jugendlichen in den Auswahlprozess mit eingebunden, sie können nur selten ihre Lieblingsbücher präsentieren. Darüber hinaus fehlt es an vielen Schulen an einem Zugang zu Lesemedien aller Art. 81 <?page no="83"?> 6. Das Pyramidenmodell: Faktoren der Lesekrise Auf der Basis der im theoretischen Teil der vorliegenden Arbeit vorgestellten Ansätze, die die Lesekrise aus den verschiedensten Blickwinkeln zu betrachten erlauben und jeweils einzelne Faktoren der Lesekrise im Fokus haben, wurde ein Pyramidenmodell der Lesekrise erstellt. Dieses soll die drei Ebenen, die in dieser Dissertation als ausschlaggebend für die Lesekrise betrachtet werden, veranschaulichen. Alle Bereiche wurden bereits detailliert innerhalb des ersten Teils der vorliegenden Dissertation vorgestellt und diskutiert, das theoretische Modell soll ein Gesamtbild der Merkmale der Lesekrise darstellen und die unterschiedlichen Dimensionen verbinden. Abbildung 6: Pyramidenmodell: Faktoren der Lesekrise 83 <?page no="84"?> Wie der Grafik (Abbildung 6) zu entnehmen ist, besteht das Pyramidenmodell aus drei Ebenen, die alle miteinander in Beziehung und in gegenseitigem Austausch zueinander stehen. 1 Die unterste, basale Ebene besteht aus zwei Bereichen, einerseits den Sozialisationsinstanzen Familie, Peergroup und Schule, andererseits aus dem sozialen Status und dem sozialen Umfeld der betreffenden Person. Somit ist die Basisebene beim im ersten Kapitel vorgestellten Modell der Lesesozialisation als Ko-Konstruktion (vgl. Groeben 2004 und Groeben/ Schroeder 2004) auf der Makro- und Mesoebene anzusiedeln: Hier entsprechen die Normen der Gesellschaft, anders gesagt das soziale Umfeld der Familie, der Makroebene, während die Mesoebene aus den Sozialisationsinstanzen besteht. Im Pyramidenmodell wurden diese Elemente auf der Basisebene zusammengefasst. Im Sprachkapitalmodell von Brizic (vgl. Brizic 2007) entspricht die Basisebene des Pyramidenmodells der Makro- und Mesoebene, bei Brizic sind die Bedingungen für den Spracherwerb im Herkunftsland auf der Makroebene situiert, das sprachliche Kapital der Eltern auf der Mesoebene (vgl. Brizic 2007: 187), was ebenso im, weiteren Sinn der Basisebene des Pyramidenmodells entspricht. Die Bedeutung, welche die beiden Bereiche der Basisebene auf die Entstehung und den Verlauf der Lesekrise haben, zeigt sich auf der mittleren Ebene, die aus fünf Teilbereichen besteht: Mediales Umfeld bzw. Medienzugang in L1 und L2, kulturelles bzw. sprachliches Kapital und somit Interesse an der Herkunftskultur und der L1, Sprachförderung in L1 und L2, Leseförderung in L1 und L2, und schließlich Lesekompetenz in L1 und L2. Die mittlere Ebene des Pyramidenmodells legt somit die Wirkungen frei, welche die Basisebene auf grundlegende Elemente der Lesekrise hat: Die Instanzen Elternhaus, Kindergarten/ Schule und Peergroup bzw. das soziale Umfeld und der soziale Status allgemein bedingen das Ausmaß, in welchem die Heranwachsenden Zugang zu den verschiedenen Lesemedien haben; sie legen fest, welches kulturelle und sprachliche Kapital innerhalb der Familie vorhanden ist, woraus die Heranwachsenden schöpfen können (Mesoebene in Brizics Sprachkapitalmodell). Darüber hinaus ist das Umfeld der Heran- 1 Dies soll durch die strichlierten Linien innerhalb des Pyramidenmodells angedeutet werden: Veränderungen eines der Faktoren auf einer Ebene bewirken immer auch eine Veränderung der anderen, abhängigen Größen, wobei allerdings Umbrüche innerhalb der Basisebene weitreichendere Folgen nach sich ziehen, als jene innerhalb der obersten Ebene. Beispielsweise kann eine Veränderung innerhalb der Peergroup, etwa eine neue beste Freundschaft, das mediale Umfeld und den Medienzugang von Heranwachsenden nachhaltig verändern, und somit auch alle sechs Bereiche auf der höchsten Ebene des Pyramidenmodells. Außerdem können Veränderungen innerhalb der Lesefunktionen zwar Einflüsse auf die mittlere Ebene, auf das mediale Umfeld und den Medienzugang haben, diese Änderungen werden die basale Ebene der Pyramide aber nur marginal betreffen. 84 <?page no="85"?> wachsenden maßgeblich an Sprach- und Leseförderung in L1 und L2, und somit an der Lesekompetenz in beiden Sprachen beteiligt 2 (Mikroebene in Brizics Sprachkapitalmodell). Die dritte und oberste Ebene entspricht der Mikroebene im Modell der Lesesozialisation (vgl. Groeben 2004 und Groeben/ Schroeder 2004), also die individuellen Faktoren und beinhaltet sechs Teilbereiche, nämlich die Lesefreude, -motivation, das Leseselbstkonzept, die Mediennutzung sowie Lesefunktionen und -hemmungen. Im Folgenden sollen die drei Ebenen des Pyramidenmodells und die insgesamt 13 Merkmale nochmals kurz skizziert werden, um einen fokussierten Überblick über die wichtigsten Dimensionen der Lesekrise zu schaffen. Unterste Ebene: - Sozialisationsinstanzen: Die drei Sozialisationsinstanzen Familie, Peergroup und Schule wirken von außen auf das Individuum ein. Die Familie hat den längsten und nachhaltigsten Einfluss und ermöglicht dem Kind im Idealfall einen frühen Zugang zur konzeptionellen Schriftlichkeit, wozu gemeinsame Lesesituationen, aber auch prä- und paraliterale Anschlusskommunikation zu zählen sind. Die formelle Sozialisationsinstanz Schule führt die Heranwachsenden an die Schriftlichkeit heran, zunächst durch das basale Lesen- und Schreibenlernen, bis hin zum Sprach- und Literaturunterricht der Sekundarstufe. Die Sozialisationsinstanz der Peergroup ist bisher noch wenig erforscht, man kann davon ausgehen, dass die Einflüsse des Freundeskreises im Rahmen der Lesesozialisation vor allem im Bereich der Anschlusskommunikation liegen. - Sozialer Status, soziales Umfeld: Unter dem Sozialstatus der Familien werden im Rahmen der Auswertung Angaben zu Ausbildung und Beruf der Eltern zusammengefasst, wobei mit dieser Bezeichnung keinesfalls eine wertende Aussage gemacht werden soll, sondern lediglich der Bildungshintergrund der Eltern erfasst werden soll. Der soziale Status wirkt sich auf alle weiteren Bereiche des Pyramidenmodells aus, wobei generalisiert gesagt werden kann, dass Kinder aus Familien mit höherem sozialem Hintergrund meist die kompetenteren LeserInnen sind, die häufiger und lieber lesen. Der Migrationsstatus wurde nicht in das Modell mit einbezogen, da Familien mit Migrationshintergrund, wie bereits an anderer Stelle angemerkt, 2 Das Umfeld der Jugendlichen ist durch die Sprach- und Leseförderung natürlich auch an der Sprachkompetenz der Heranwachsenden beteiligt. Da diese jedoch in der vorliegenden Untersuchung nicht im Zentrum des Interesses steht, wird sie im Pyramidenmodell nicht berücksichtigt. 85 <?page no="86"?> häufig die Möglichkeiten, die ihnen ihr Bildungshintergrund bieten könnte, nicht voll ausschöpfen können und Berufe ausüben, für welche ein niedrigerer Bildungsabschluss ausreichen würde (Dequalifikation). Mittlere Ebene: - Mediales Umfeld, Medienzugang in L1 und L2: Darunter wird der Zugang der Heranwachsenden zu den verschiedensten Medien verstanden, seien es elektronische Medien wie Fernseher und Computer/ Internet, seien es traditionelle Lesemedien wie Buch, Zeitung und Zeitschrift. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich ein großer Bestand und die Verfügbarkeit an Lesemedien im Haushalt positiv auf die Lesemotivation und -freude der Heranwachsenden auswirkt. - Kulturelles und sprachliches Kapital, Interesse an Herkunftskultur und L1: Kulturelles und sprachliches Kapital der Familie sind die Voraussetzungen für die Sprachkompetenz von DaZ-Kindern in der Migration: Benachteiligte Sprachgemeinschaften tendieren zur Auswanderung, dies führt zu einem niedrigen sprachlichen Selbstvertrauen, die Sprache wird nicht oder nur marginal an die Kinder weitergegeben, woraufhin deren Sprachkompetenz in der Erstsprache niedrig ist, was sich auf die sprachlichen Leistungen in der Zweitsprache ebenfalls negativ auswirkt. - Sprach- und Leseförderung in L1 und L2: Sprach- und lesebezogene Aktivitäten im Elternhaus wie beispielsweise Vorlesen oder auch das Lernen von Abzählreimen, Kinderliedern u.v.m. sind wichtige Fördermaßnahmen im Kindesalter, das gilt sowohl für Erstals auch für Zweitsprache. In diesem Zusammenhang soll auch der Transfer von Kompetenzen von der Erstin die Zweitsprache genannt werden: Hohe sprachliche Kompetenzen in der Erstsprache sind Voraussetzungen für den Erwerb einer Zweitsprache. - Lesekompetenz in L1 und L2: Allgemein lässt sich, wie bereits zuvor diskutiert, Lesekompetenz als die Fähigkeit definieren, Texte durch Strukturierung und Lesestrategien zu bewältigen und dabei das Textverständnis zu sichern. Die Ergebnisse der Bildungsvergleichsstudien PIRLS und PISA zeigen, dass DaZ-Kinder im Schnitt eine deutlich niedrigere Lesekompetenz aufweisen als DaM-Kinder. Oberste Ebene: - Lesefreude in L1 und L2: Die Lesefreude der Jugendlichen sinkt im Verlauf der Pubertät stark ab, dies trifft sowohl auf DaMals auch auf DaZ-Kinder zu. - Lesemotivation und Leseselbstkonzept in L1 und L2: Die Einschätzung der Heranwachsenden über ihr eigenes Lesen, das Leseselbstkonzept, ist stark von motivationalen Faktoren geprägt, jedoch ist vor 86 <?page no="87"?> allem im Bereich der DaZ-Kinder in Erst- und Zweitsprache noch wenig bekannt. Allgemein lässt sich sagen, dass DaZ-Kinder eine geringere Lesemotivation und ein niedrigeres Leseselbstkonzept aufweisen als DaM-Kinder. - Mediennutzung in L1 und L2: Welche Lesemedien von den Heranwachsenden genutzt werden, ist ebenfalls von großer Bedeutung, es lässt sich allgemein sagen, dass die Mediennutzung im Altersverlauf großen Schwankungen unterliegt. Während man sich bei der Nutzung von Zeitung und Zeitschriften in der Forschung uneins ist, ob die Nutzung ansteigt oder absinkt, lässt sich für das Medium Buch sagen, dass Sachtexte und literarische Texte an Bedeutung verlieren. Ergebnisse für DaZ-Kinder liegen bisher nicht vor. - Lesefunktionen in L1 und L2: Auch im Bereich der Buchlesefunktionen besteht in der Forschung kein Konsens, welche Funktionen im Altersverlauf an Bedeutung verlieren oder gewinnen. Dennoch wurde festgestellt, dass für DaZ-Kinder neben den traditionellen Funktionen wie „Escape“, „Information“, „Zeitvertreib“ oder „Unterhaltung“ noch andere Funktionen von Bedeutung sind, beispielsweise die Verbesserung der Sprachkompetenz, die Teilhabe an der Kultur des Heimatlandes oder Bearbeitung der eigenen Biographie. - Lesehemmungen in L1 und L2: Internale und externale Lesehemmungen gewinnen im Verlauf der Pubertät an Bedeutung, allen voran sind die sich verändernden Freizeitinteressen der Heranwachsenden ein Grund, keine Zeit mehr zum Lesen zu haben. Ergebnisse zu DaZ- Kindern liegen noch nicht vor. Diese drei Ebenen des Pyramidenmodells und deren Bereiche wurden im theoretischen Teil bereits detailliert beschrieben, sie nehmen allerdings auch im praktischen Teil eine entscheidende Rolle ein. Anhand dieser verschiedenen Dimensionen werden Details, Zusammenhänge, steuernde Faktoren und Veränderungen im Altersverlauf aufgezeigt, wobei im dritten Teil der vorliegenden Arbeit abschließend die Gültigkeit des hierfür erstellten Pyramidenmodells überprüft wird: Haben Veränderungen der Dimensionen auf den unteren beiden Ebenen tatsächlich eine stärkere Auswirkung auf die dritte, individuelle Ebene, wie hier angenommen? Welche Faktoren verändern sich im Altersverlauf stärker, welche weniger stark? Gibt es Unterschiede zwischen den beiden Gruppen der DaM- und DaZ-Kinder, und wenn ja, welche? Für die Auswertung von großer Bedeutung sind fünf Faktoren, bei denen, auch aufgrund deren hohen Relevanz in der Forschungslandschaft zu erwarten ist, dass sie einen enormen Einfluss auf den Verlauf der Lesekrise haben: 87 <?page no="88"?> 1. Sozialer Status: Es ist zu erwarten, dass dieser Faktor auf der untersten Ebene des Pyramidenmodells den stärksten und nachhaltigsten Einfluss auf die weiteren Teilbereiche hat, weil sich auch in bisherigen Studien zeigte, dass generell Kinder aus Elternhäusern mit höherem sozialen Hintergrund meist die kompetenteren und motivierteren LeserInnen sind als jene aus Elternhäusern mit niedrigerem sozialen Status. 2. Medienzugang: Aus der zweiten, mittleren Ebene des Pyramidenmodells ist der Medienzugang von großer Bedeutung, genauer gesagt, sowohl der Buchbesitz im Elternhaus als auch jener der Jugendlichen selbst. Auch bisher zeigte sich in der Forschungslandschaft, dass sich ein großer Bestand an Lesemedien und deren Verfügbarkeit sich positiv auf das Leseverhalten auswirken. Die beiden Teilbereiche haben vermutlich einen ähnlich starken Einfluss auf das Leseverhalten der Heranwachsenden, und werden ihrerseits stark vom sozialen Status beeinflusst. 3. Lesefreude: Dieser Faktor ist in der obersten, dritten Ebene des Pyramidenmodells angesiedelt und deshalb von Relevanz, da sich in der Forschungslandschaft zeigte, dass Kinder mit höherer Lesefreude eine höhere Lesekompetenz und eine höhere Buchleseintensität aufweisen. Es ist zu erwarten, dass der Einfluss der Lesefreude schwächer ist als jener des Sozialstatus und des Medienzugangs, und dass diese wiederum von den Faktoren der unteren beiden Ebenen stark beeinflusst wird. 4. Leseselbstkonzept: Dieser Faktor ist ebenfalls in der obersten Ebene des Pyramidenmodells zu finden, auch hier zeigte sich, wie bei der Lesefreude, dass Kinder mit höherem Leseselbstkonzept besser und häufiger lesen als Kinder mit niedrigem Leseselbstkonzept. Auch hier ist anzunehmen, dass sein Einfluss schwächer ist als jener der Faktoren auf den unteren beiden Ebenen. Ebenso ist anzunehmen, dass das Leseselbstkonzept von den Faktoren der unteren Ebenen beeinflusst wird. Um die wechselseitigen Abhängigkeiten besser sichtbar zu machen, wurden die fünf Kernfaktoren, von welchen angenommen wird, dass sie steuernde Faktoren für den Verlauf Lesekrise sind, nochmals in der unten stehenden Grafik mit Kreisen markiert. 88 <?page no="89"?> Abbildung 7: Pyramidenmodell: Steuernde Faktoren Diese fünf Kernfaktoren wurden der Auswertung als zentrale Faktoren zugrunde gelegt, da sich, wie im theoretischen Teil dieser Arbeit bereits präzisiert wurde, in den verschiedensten Studien zeigte, dass diese Faktoren einen bedeutenden Einfluss auf den Verlauf der Lesekrise haben. Abschließend lässt sich zusammenfassen, dass im Rahmen der vorliegenden Dissertation unter dem Begriff der ‚Lesekrise‘ nicht eine einzige, statische, zeitlich kurz dimensionierte Veränderung verstanden wird, sondern vielmehr eine große Anzahl an Umgestaltungen innerhalb des Leseverhaltens im Alter von elf bis 16 Jahren, also mit dem Beginn der Pubertät. Diese führen dazu, dass sich im Zeitraum dieser fünf Jahre, innerhalb der Pubertät, Bereiche auf der obersten Ebene des Pyramidenmodells ändern, beispielsweise die Mediennutzung, ebenso Bereiche der zweiten Ebene wie das mediale Umfeld. Dieser Prozess der Umgestaltung steht im Zentrum der empirischen Untersuchungen der vorliegenden Arbeit und wird im folgenden Abschnitt eingehend dargestellt. 89 <?page no="91"?> Teil II - Manifestationen der Lesekrise In diesem Teil der vorliegenden Arbeit wird die empirische Untersuchung präsentiert und deren Ergebnisse vorgestellt. Zunächst werden die dieser Arbeit zugrunde liegenden Hypothesen und Fragestellungen ausgeführt, danach folgt die Auswertung der Fragebogenuntersuchung und der Leitfrageninterviews. Eine detaillierte Analyse, Querverbindungen und Hinweise auf potentiell steuernde Faktoren, die sich auf verschiedene Bereiche auswirken, folgen im abschließenden Teil III. 91 <?page no="93"?> 1. Hypothesen und Fragestellungen Im Zentrum der Anlage und Erstellung der empirischen Untersuchung steht die Frage nach zentralen Faktoren der Lesekrise, im Detail, inwieweit sich die Nutzung von Lesemedien und die Lesefreude und das Leseselbstkonzept von DaM- und DaZ-Kindern unterscheidet und im Altersverlauf verändert. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob sich im Verlauf der Lesekrise und somit in Elementen wie Lesefreude, Lesemotivation, Leseselbstkonzept, Mediennutzung und Ähnliches der DaZ-Kinder unterschiedliche Ausprägungen in Erst- und Zweitsprache lokalisieren lassen. Es wird von der folgenden, grundlegenden Hypothese ausgegangen: Auch bei Jugendlichen, die eine andere Muttersprache als Deutsch haben, tritt eine Lesekrise auf, die sich in Faktoren wie der Nutzung von Lesemedien oder der Lesefreude manifestiert, egal, ob es sich um Lesetexte in der Erst- oder Zweitsprache handelt. Ausgangspunkt für diese Annahme ist die Beobachtung, dass sich zwischen dem 12. und 16. Lebensjahr der Heranwachsenden die Lesefunktionen und die Nutzung von Lesemedien der Kinder signifikant verändern. Während zuvor Sachbücher, Comics und Geschichten dominieren, werden danach Zeitungen, Internet, Zeitschriften und erzählende Literatur bevorzugt, wie die Ergebnisse der internationalen Bildungsvergleichsstudien PISA und PIRLS 2006 zeigen (vgl. u.a. Bergmüller/ Böck 2009a: 106). Diese Veränderungen sind als Indizien für eine Lesekrise zu deuten. Ebenso von Bedeutung ist die Feststellung, dass die Lesefreude der Heranwachsenden im Altersverlauf sinkt (vgl. ebda.: 114f., vgl. Böck/ Bergmüller 2009: 361). Im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung stehen die folgenden Fragen: Tritt auch bei DaZ-Kindern eine Lesekrise auf, wenn ja, auf welche Faktoren des Leseverhaltens wirkt sich diese aus? Welche Unterschiede treten im Verlauf der Lesekrise zwischen DaM- und DaZ-Kindern auf? Gibt es bei DaZ-Kindern Unterschiede im Verlauf der Lesekrise bei Texten in der Erst- und Zweitsprache? Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es herauszufinden, wann bei DaM- und DaZ-Kindern eine Lesekrise auftritt, ob sich diese in Faktoren wie der Nutzung von Lesemedien oder Lesefreude manifestiert und ob bzw. wie sie von den Kindern bewältigt wird. Ebenso werden Unterschiede von DaM- und DaZ-Kindern im Verlauf der Lesekrise aufgezeigt und einander gegenüber gestellt. Die vorliegende Dissertation soll einen Querschnitt der Nutzung der Lesemedien von Kindern und Jugendlichen mit deutscher und nicht-deutscher Muttersprache im Alter von 12 bis 15 Jahren erstellen. Auf diese Weise sollen Entwicklungen und Veränderungen in der Nutzung der 93 <?page no="94"?> Lesemedien in einem zeitlichen Verlauf dargestellt werden, um die Lesekrise, sofern sie auftritt, zeitlich möglichst genau einordnen zu können. Ebenfalls soll im Rahmen dieser Arbeit untersucht werden, ob der soziale Hintergrund der SchülerInnen, deren Zugang zu Lesemedien, ihre Lesefreude und Leseselbstkonzept, sowie das Alter der Kinder einen besonderen Einfluss auf ihr Leseverhalten haben. Basis der Auswertung sind die im Pyramidenmodell skizzierten fünf Kernfaktoren. Welche Rolle die Schule, insbesondere schulische Lesesowie Sprachförderung, im Hinblick auf die Lesekrise der untersuchten Jugendlichen spielt, wäre zwar ein interessantes und wichtiges Forschungsfeld, soll allerdings nicht im Fokus der vorliegenden Untersuchung stehen. 94 <?page no="95"?> 2. Untersuchungsdesign Für den empirischen Teil der vorliegenden Arbeit wurde ein methodischer Ansatz gewählt, der quantitative und qualitative Datenerhebung miteinander verbindet, mit dem Ziel, die „mit den jeweiligen Einzelverfahren verbundenen Beschränkungen und Verzerrungen“ (Aguado 2009: 16) zu minimieren: „Es wird davon ausgegangen, dass mittels einer mehrmethodischen Vorgehensweise die Stärken und Schwächen der jeweils eingesetzten Einzelverfahren kontrolliert und - im günstigsten Falle - kompensiert werden können“ (ebda.). Ziel ist, durch die beiden eingesetzten Methoden ein vollständigeres Bild des Forschungsgegenstandes zu erzielen, und die verschiedenen Facetten möglichst angemessen darstellen zu können (vgl. ebda.: 18; vgl. Bernart/ Krapp 1997: 8). Gewählt wurden die Methoden der Fragebogenuntersuchung und des teilstandardisierten Leitfrageninterviews. Dabei soll die qualitative Untersuchung die Ergebnisse der quantitativen Studie ergänzen und illustrieren (vgl. Reicher 2005: 90). Design und Vorgehensweise des empirischen Teils der vorliegenden Arbeit werden im Folgenden detailliert dargestellt. Allgemein lässt sich sagen, dass es sich um eine Querschnittstudie handelt, bei der Erhebungen von mehreren Altersgruppen zum selben Zeitpunkt durchgeführt wurden. Dass sich bei der Interpretation der Ergebnisse das Problem stellt, dass nicht erfassbar ist, wie sich die Interessen der ProbandInnen über das Alter hinweg entwickeln (das Problem der Erfassung von intra-individuellen Veränderungen, vgl. Reicher 2005: 95f.) wurde durch das methodische Design der Untersuchung zumindest zu einem Teil entschärft, da die befragten SchülerInnen sowohl im Rahmen der Fragebogenuntersuchung als auch bei den Leitfrageninterviews zu von ihnen beobachteten Veränderungen in ihrem Leseverhalten in den vergangenen Jahren befragt wurden. Dennoch kann der so genannte Kohorteneffekt, der die Ergebnisse verfälschen kann, bei der Interpretation nicht ausgeschlossen werden, da die Unterschiede der Geburtsjahrgänge nicht nur auf das Alter der Kinder, sondern auch auf die Zugehörigkeit zu einem Geburtsjahrgang zurückzuführen sind, gemäß dem Leitspruch „Jeder ist ein Kind seiner Zeit“ (vgl. ebda.). Aus diesem Grund werden die Ergebnisse der Untersuchung zwar als Entwicklung im Altersverlauf bezeichnet, dennoch kann eine Verfälschung der Daten durch den Kohorteneffekt nicht außer Acht gelassen werden. Aus diesem Grund ist es für spätere Forschungen wichtig, Longitudinalstudien durchzuführen, um die tatsächlichen Veränderungen der Einstellung der ProbandInnen messen zu können. 95 <?page no="96"?> Ebenfalls darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die meisten Fragen die Selbsteinschätzungen der Heranwachsenden betreffen und dass deren Antworten deshalb nicht unbedingt immer realistisch sein müssen. Dennoch ist das Instrument der Selbstevaluation im Unterricht, vor allem im Fremdsprachenunterricht, mittlerweile eine gängige und gut handhabbare Methode, um die SchülerInnen das eigene Lernergebnis und somit den eigenen Lernprozess zumindest annähernd realistisch einschätzen zu können, dies zeigt die Entwicklung der Lehrbücher in den letzten Jahren ebenso wie die Einführung des Europäischen Fremdsprachenportfolios für SchülerInnen und jene des Europäischen Portfolios für Sprachlehrende in Ausbildung. Demnach sind die meisten SchülerInnen, auch die im Rahmen dieser Untersuchung befragt wurden, bereits hinreichend mit dem Instrument der Selbstevaluation vertraut, sodass man annehmen kann, dass diese ein einigermaßen realistisches Selbstbild aufbauen konnten. 2.1. Fragebogenuntersuchung Die Fragebogenuntersuchung wurde zwischen Februar und Mai 2011 an drei Grazer Schulen durchgeführt, an zwei Gymnasien und einer Neuen Mittelschule. 1 Insgesamt wurden 457 SchülerInnen der Sekundarstufe I befragt. Die Fragebögen wurden anonymisiert, und die Analyse erfolgt ausschließlich in zusammengefasster Form, also nicht auf Ebene einzelner Klassen oder SchülerInnen. Von den SchülerInnen wurde lediglich ein Kürzel, bestehend aus je zwei Buchstaben ihres Vor- und Nachnamens, erfasst, bzw. wurden die einzelnen Fragebögen nummeriert, um die unterschiedlichen Teile während der Erhebung zuordnen zu können. 2 2.1.1. Ablauf Vor Beginn der Fragebogenuntersuchung wurde zunächst ein Pretest mit 15 SchülerInnen der relevanten Altersstufen durchgeführt, um die Verständlichkeit der Fragebogenitems und die Angemessenheit der Länge des Fragebogens zu erheben. Im Anschluss daran wurde der Fragebogen adaptiert, sowohl was seine Länge, als auch, was einige Formulierungen betrifft. 1 Es handelt sich hierbei um die folgenden Schulen: Bundesrealgymnasium Körösi, Wirtschaftskundliches Bundesrealgymnasium und die Neue Mittelschule Dr. Renner. Die Schulen sind Kooperationsschulen des Fachdidaktikzentrums der GeWi-Fakultät der Uni Graz. 2 Eine detailliertere Beschreibung der einzelnen Fragenkomplexe folgt im Kapitel „Fragebogenitems“. 96 <?page no="97"?> Die Erhebung der Daten fand im Klassenverband statt. An den beiden Gymnasien wurde die Fragebogenuntersuchung von den jeweiligen KlassenlehrerInnen durchgeführt, an der Neuen Mittelschule führte ich die Befragung selbst durch, mit Unterstützung durch die LehrerInnen. Zu Beginn wurden die SchülerInnen über den Sinn der Fragebogenuntersuchung informiert, und es wurde ihnen die Art und Weise der Beantwortung der Fragen erklärt. 3 Wenn die Kinder Verständnisprobleme hatten, hatten sie jederzeit die Möglichkeit, nachzufragen, was von ihnen auch regelmäßig in Anspruch genommen wurde. Pro Klasse dauerte die Untersuchung zwischen 30 und 40 Minuten. Es wurden zwei verschiedene Fragebögen 4 für DaM- und DaZ-Kinder verwendet, da der DaZ-Fragebogen zusätzliche Fragestellungen zum Leseverhalten in der jeweiligen Erstsprache der Kinder enthält, sowie Fragen zur Sprachverwendung in der Familie. 2.1.2. Fragebogenitems In diesem Abschnitt soll auf die Charakteristika des Fragebogens eingegangen werden. Dabei werden die Fragetypen näher definiert, ebenso die Themenbereiche, auf die Wert gelegt wurde. Mit dem Instrument des Fragebogens wurden 102 Fragen 5 zum Leseverhalten der Kinder gestellt; DaM-Kinder hatten 35 Fragen weniger zu beantworten, da ihnen keine Fragen zu ihrer Zweitsprache gestellt wurden. Der Fragebogen für DaZ-Kinder hatte dementsprechend fünf Seiten, jener für DaM- Kinder nur vier Seiten. Die Fragebögen bestehen aus drei Typen von Fragen: Einerseits offene Fragen (Frage 6f und 27), bei denen eine formale Vorgabe für die Antwortproduktion gegeben wird (vgl. Raab-Steiner/ Benesch 2010: 52). Ein weiterer Teil der Fragebogenitems ist durch geschlossene Fragen gekennzeichnet. Darunter fallen Fragen, die durch ein dichotomes Antwortformat gekennzeichnet sind (es muss mit „ja - nein“ geantwortet werden). Der Nachteil dieses Antwortformats besteht darin, dass es für die befragten Personen nicht immer leicht ist, sich für eine der beiden Alternativen zu entscheiden (vgl. ebda.: 53). Aus diesem Grund sind auch nur wenige Fragen dieses Typs im Fragebogen zu finden (Frage 6a-e, 8, 9b-d, 10b-d, 12b-d, 13b-d, 23, 24, 25b-d), hauptsächlich handelt es sich hierbei um Fragen nach der Sprachverwendung der DaZ-Kinder. Der Großteil der Fragen ist durch ein mehrka- 3 Bei den Fragen handelt es sich sowohl um offene, als auch um geschlossene Fragen. Eine detaillierte Beschreibung der Fragen und Antwortformate folgt im Kapitel „Fragebogenitems“. 4 Die Fragebögen befinden sich im Anhang. 5 Hier sind die Fragen zu persönlichen Daten der SchülerInnen nicht inkludiert. 97 <?page no="98"?> tegorielles Antwortformat gekennzeichnet, es kann dabei zwischen mehr als nur zwei Abstufungen gewählt werden, die eine Rangordnung bilden („stimmt völlig - stimmt eher - stimmt eher nicht - stimmt gar nicht“). Die Kategorien sind darüber hinaus itemunspezifisch formuliert und werden bei allen restlichen Items dieses Fragebogens angewandt (vgl. ebda.: 54). Es handelt sich um Forced-Choice-Kategorien, also um Skalen mit einer geraden Anzahl an Abstufungen, bei denen eine Mittelkategorie vermieden wurde: Untersuchungen haben gezeigt, dass die Verwendung von Mittelkategorien einen ungünstigen Einfluss auf den Informationsgehalt eines Fragebogens haben kann. Die Personen verwenden diese neutrale Kategorie nicht nur als Ausdruck einer mittleren Position zwischen zwei Polen, sondern auch für unpassende Items oder zur Antwortverweigerung. Andererseits kommt es bei motivierten Testpersonen oft zu einer Vermeidung der Mittelkategorie, was sich ebenfalls auf die Qualität der Messung auswirkt. (Raab- Steiner/ Benesch 2010: 55). Da trotz der Vermeidung der Mittelkategorie von einzelnen SchülerInnen bei der Beantwortung eine eigene Mittelkategorie konstruiert wurde (durch das gleichzeitige Ankreuzen von „stimmt eher“ und „stimmt eher nicht“), wurde in diesen Fällen die Frage als nicht beantwortet gewertet. Um ein möglichst ganzheitliches Bild vom medialen Umfeld, der Nutzung von Lesemedien und von der Lesefreunde und dem Leseselbstkonzept der SchülerInnen zu erhalten, wurden im Rahmen der Fragebogenerhebung sechs Themenbereiche näher beleuchtet. Die zentralen Fragen thematisieren, neben den persönlichen Daten der Kinder, Leseverhalten, Mediennutzung und -zugang, außerdem das Lesen innerhalb der Sozialisationsinstanzen Familie, Peergroup und Schule. Darüber hinaus wurden die Themen der Sprachverwendung im Elternhaus und in der Peergroup, und die frühkindliche Sprachförderung innerhalb der Familie kurz angerissen. Zur leichteren Orientierung der SchülerInnen wurden diese Kategorien auch grafisch im Fragebogen dargestellt und durch kurze Überschriften eingeleitet. Im Folgenden sollen die Fragekategorien kurz vorgestellt werden, um einen Überblick über die Zusammensetzung des Fragebogens zu erhalten. Persönliche Daten: An persönlichen Daten wurde von den Kindern ein Namenskürzel 6 erfasst, sowie deren Geschlecht und Geburtsjahr. Ebenso wie das Namenskürzel wurde auch die Angabe zu Schule und Klasse nur 6 Dieses Kürzel diente dazu, die einzelnen Teile während der Erhebung zuordnen zu können. Bei der Auswertung wurden sämtliche Fragebögen anonymisiert. 98 <?page no="99"?> erhoben, um Verwechslungen und doppelte Erhebungen zu vermeiden, die Fragebögen wurden im Anschluss anonymisiert. Weiters wurde bei DaZ- Kindern die Muttersprache erhoben, sowie Daten zu Ausbildung und Beruf der Eltern. 7 Dieser Kategorie sind die Fragen 1 bis 6 zuzuordnen. Mediales Umfeld: Einer der zentralen Faktoren im Verlauf der Lesesozialisation ist die Verfügbarkeit von verschiedenen Medien, da sie ohne deren Vorhandensein nicht genutzt werden können. Hierbei gilt vor allem für das Lesen, dass eine stabile Bindung an das Medium Buch nur ausgebildet werden kann, wenn den LeserInnen auch über einen langen Zeitraum hinweg die Möglichkeit eines Zugangs zu Büchern gewährt wird, sei es durch die Schule, das Elternhaus oder die Peergroup. Daher betreffen die Fragestellungen in diesem Bereich das Vorhandensein von Büchern in der jeweiligen Muttersprache der SchülerInnen. Außerdem wird nach dem Buchbesitz der einzelnen SchülerInnen bzw. der Familien gefragt, und nach dem Verhältnis von deutschsprachigen Büchern zu Büchern in der jeweiligen Muttersprache. Da allerdings nicht nur die Nutzung von Büchern Teil der Fragestellung ist, sondern auch die Nutzung anderer Medien, soll auch der Zugang zu anderen Medien wie Computer, Internet, Tageszeitungen, Zeitschriften uvm. untersucht werden. Zu diesem Themenbereich gehören die Fragen 8 bis 10. Nutzung von Lesemedien und Lesefunktionen: Die Mediennutzung der Kinder und Jugendlichen soll sowohl für die jeweilige Erstsprache als auch für die Zweitsprache Deutsch untersucht werden. Hierbei steht vor allem die Mediennutzungshäufigkeit im Vordergrund, die in weiterer Folge auch Aufschluss über die Medienpräferenzen geben soll. Weiters sollen die Funktionen ermittelt werden, die die verschiedenen Medien für die Kinder und Jugendlichen haben: Entspannungsfunktion, Informationsfunktion, Unterhaltungsfunktion, Ratgeber oder Verhelfer zur Flucht aus der Realität. Aus diesen Daten sollen die Mediennutzungsschwerpunkte in Erst- und Zweitsprache erhoben werden, es handelt sich hierbei um die Fragen 11 bis 12 und 14 (außer 14e, f und h). Leseselbstkonzept: Das zentrale Ziel ist, genauere Parameter zum Leseverhalten von Kindern und Jugendlichen mit nicht-deutscher Muttersprache zu erhalten. Deshalb soll die Beliebtheit des Lesens in Erst- und Zweitsprache erhoben werden, um die Stärke der Bindung der SchülerInnen an das Medium Buch festzustellen. In einem weiteren Schritt sollen hier auch die beliebtesten Lesemedien der Kinder im Bereich Belletristik und Sachliteratur 7 Beim Frageformat zu den Ausbildungsdaten der Eltern orientierte ich mich an den Kategorien, die auch im Rahmen der PIRLS-Studie 2006 verwendet wurden (vgl. Bacher 2009: 89). Die offenen Antworten zum Beruf der Eltern durchliefen im Rahmen der Auswertung den Vorgang der Signierung, bei dem die Antworten der Kinder in Kategorien eingeteilt wurden. Diese Kategorien orientieren sich ebenfalls an jenen der PIRLS-Studie (vgl. ebda.). 99 <?page no="100"?> untersucht werden. Außerdem soll das Leseselbstkonzept der SchülerInnen in Erst- und Zweitsprache erhoben werden. Weiters sollen Faktoren ermittelt werden, welche die Heranwachsenden vom Lesen abhalten, und Gelegenheiten, die für die Kinder häufig zum Lesen führen, angeführt werden (fehlende Beschäftigung, Alleinsein, Langeweile). Hierbei handelt es sich um die Fragen 14e, f und h, 15 bis 19. Lesen in Familie und Freundeskreis: Da Familie und Freundeskreis neben der Schule zu den wichtigsten Instanzen der Lesesozialisation zählen, soll hier untersucht werden, wie im Elternhaus generell mit Medien umgegangen wird, wie hoch die Lesehäufigkeit der Familienmitglieder ist, wie stark die SchülerInnen von zu Hause unterstützt und gefördert werden, und ob es prä- und paraliterarische Anschlusskommunikation gibt. Ähnliches gilt für die Peergroup, hier soll der Faktor der prä- und paraliterarischen Anschlusskommunikation erhoben werden. Zu dieser Kategorie zählen die Fragen 20 bis 22. Schule und Deutschunterricht: Von großer Bedeutung ist auch die Schule und somit der Deutschunterricht als eine der Sozialisationsinstanzen, der sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die Lesefreude der SchülerInnen haben kann. Deshalb ist es hier von Interesse, wie die SchülerInnen dem Deutschunterricht im Zusammenhang mit Lesen gegenüber generell eingestellt sind. Weiters soll untersucht werden, ob bei der Wahl der Lesestoffe auf die Interessen und Vorlieben der SchülerInnen eingegangen wird, und ob es eine Diskrepanz zwischen der Freude am Lesen von Texten, die in der Schule gelesen werden, und Texten, die in der Freizeit gelesen werden, gibt. Dies soll durch die Fragen 7 und 13 erhoben werden. Das Thema der schulischen Leseförderung, etwa durch Leseclubs oder Lesepaten, wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit aber nicht untersucht. Sprachverwendung im Elternhaus und in der Peergroup: Von Interesse ist außerdem, welche Sprachen im Elternhaus und in der Peergroup wie oft gebraucht werden, da sich daraus Rückschlüsse auf den Stellenwert der Erst- und Zweitsprache ziehen lassen, die sich wiederum mit der Nutzung der Lesemedien der Kinder vergleichen lassen. Aufschluss darüber geben die Fragen 23 und 24. Frühkindliche Sprachförderung: Weiters soll untersucht werden, ob es einen Zusammenhang zwischen frühkindlicher Sprachförderung wie dem Vorlesen von Geschichten oder dem Lernen von Abzählreimen und Kinderliedern mit der Lesefreude und -motivation der Kinder und Jugendlichen gibt, was durch die Fragen 25 und 26 erhoben werden soll. Nutzung von Lesemedien in der Kindheit: Außerdem soll erhoben werden, ob die SchülerInnen ihrer Ansicht nach in ihrer Kindheit eine andere Nutzung von Lesemedien an den Tag gelegt haben als im Zeitraum der Untersuchung. Dadurch sollen subjektiven Eindrücken von Änderungen des 100 <?page no="101"?> Leseverhaltens der SchülerInnen Rechnung getragen werden. Zu dieser Kategorie zählt die offene Frage 27. 2.1.3. Auswertung der Fragebögen Die Fragebögen werden mit Hilfe des Statistikprogrammes „PASW Statistics 18“ ausgewertet. Aus Gründen der Übersichtlichkeit und Prägnanz werden im Rahmen der vorliegenden Arbeit allerdings keine PASW-Tabellen eingefügt. Stattdessen werden sämtliche Häufigkeits- und Kreuztabellen des Statistikprogramms in das Programm „Microsoft Office Excel 2007“ überführt, und darin auch sämtliche Balken- und Liniendiagramme erstellt, unter steter Berücksichtigung der Wiedergabe sämtlicher Daten in einer dazugehörigen Tabelle. In Fällen, in denen keine grafische Darstellung nötig ist, werden Tabellen des Textverarbeitungsprogramms „Microsoft Office Word 2007“ verwendet. Um eine bessere Lesbarkeit und Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten, wird darauf verzichtet, alle Grafiken und Tabellen gesammelt im Anhang wiederzugeben. Es werden sämtliche grafische Aufbereitungen in den Fließtext integriert und dort auch beschrieben und kommentiert. Bei der inhaltlichen Auswertung der Fragebögen wird bei jedem zu analysierenden Kernbereich auf fünf Faktoren Bezug genommen, welche im Vorfeld als Elemente definiert wurden, die einen großen Einfluss auf den Verlauf der Lesekrise haben. Dabei handelt es sich einerseits um den sozialen Status, ein Basiselement aus der untersten Ebene des Pyramidenmodells, welcher den erwartbar größten und stärksten Einfluss auf die zu analysierenden Teilbereiche hat. Aus der zweiten, mittleren Ebene des Pyramidenmodells wird das Element des Medienzuganges gewählt, genauer gesagt, sowohl der Buchbesitz im Elternhaus als auch der Heranwachsenden selbst. Es ist zu erwarten, dass der Einfluss dieser beiden Faktoren ähnlich stark ist und, wie es für Elemente der zweiten Ebene zu erwarten ist, wiederum vom sozialen Status beeinflusst wird. Von der obersten, dritten Ebene des Pyramidenmodells werden ebenfalls zwei Faktoren stets in die Analyse mit einbezogen, nämlich die Lesefreude und das Leseselbstkonzept. Auch hier ist wieder ein ähnlich starker Einfluss zu erwarten, ebenso wie die Beeinflussung der drei zuvor genannten Faktoren. 8 Zur Signifikanzprüfung wird der Chi-Quadrat-Test verwendet. Als Signifikanzniveau wird ein Wert von α = 0,05 festgelegt. Dies bedeutet, wenn der p-Wert kleiner als p = 0,05 ist, unterscheiden sich die Zellen der Tabelle statistisch signifikant voneinander, somit hat die Ausprägung einer Variable 8 Detaillierte Informationen zum Pyramidenmodell und die Relevanz der verschiedenen Faktoren finden sich im theoretischen Abschnitt dieser Arbeit. 101 <?page no="102"?> einen Einfluss auf die Ausprägung der anderen Variable, und es besteht eine Abhängigkeit (vgl. Raab-Steiner/ Benesch 2010: 114; vgl. Lietz/ Kotte 2006: 450). Die Signifikanzwerte werden entweder im Fließtext oder in Fußnoten angegeben; bei Auswertungen, bei denen keine p-Werte angegeben sind, besteht keine statistische Signifikanz. Da bei einigen Teilgruppen wie der Analyse zum Sozialstatus die Gruppengröße aufgrund fehlender Daten nur gering ist, kann zwar für die vorliegende Gruppengröße häufig keine statistische Signifikanz errechnet werden, allerdings sind die Tendenzen, die in dieser Arbeit zu Tage treten, auch ohne Signifikanzprüfung höchst aufschlussreich und werden trotzdem wiedergegeben. 2.1.4. Beschreibung der Stichprobe Bevor die Analyse durchgeführt werden konnte, musste der Datensatz bereinigt werden. Von den ausgefüllten Fragebögen wurden in einem ersten Schritt all jene aussortiert, bei denen offensichtliche Fehl- und Spaßantworten gegeben wurden, und bei denen besonders viele Fragen nicht beantwortet wurden. 9 Insgesamt waren 10 Fragebögen nicht verwendbar. Außerdem konnten aufgrund der geringen Gruppengröße die Daten jener Kinder mit den Geburtsjahren 1995 und 2000 nicht verwendet werden, es handelte sich hierbei um 22 Fragebögen, die ebenfalls nicht für die Auswertung berücksichtigt wurden. Der verwendete, bereinigte Datensatz besteht also insgesamt aus 425 befragten SchülerInnen (n_ges=425), wie die folgende Tabelle belegt: Häufigkeit Prozent DaM 334 78,6 DaZ 91 21,4 Gesamt 425 100 Tabelle 1: Gesamtdatensatz der Fragebogenuntersuchung Wie auch anhand der Tabelle ersichtlich ist, wurden zwei Gruppen gebildet: In der Untersuchungsgruppe sind Kinder mit nicht-deutscher Muttersprache (DaZ) zusammengefasst (n=91), Kinder mit deutscher Muttersprache (DaM) werden in der Kontrollgruppe erfasst (n=334). 10 Die Daten von DaM- und DaZ-Kindern werden in der Folge als zwei verschiedene Datensamples 9 Einige SchülerInnen hatten beispielsweise übersehen, dass die Fragebögen zweiseitig bedruckt waren, und hatten somit nur die Hälfte der Fragen beantwortet. 10 Die Gesamtstichprobe und auch die Größe der beiden Subgruppen ist nach Schreier 2006b: 345 als repräsentativ und hinreichend groß zu bezeichnen. 102 <?page no="103"?> betrachtet, um die Ergebnisse kontrastiv bewerten und vergleichen zu können. Die unterschiedlichen Gruppengrößen sind durch die verschiedenen Anteile von DaZ-Kindern in den befragten Klassen bedingt. Der Prozentsatz der DaZ-Kinder, die im Rahmen dieser Studie befragt wurden, ist zwar gering, liegt aber über den Zahlen aus dem Nationalen Bildungsbericht Österreich 2009 (Specht 2009): Hier liegt der Anteil der Kinder, deren Alltagssprache nicht deutsch ist, insgesamt bei allen Schulen bei 16%, bei AHS Unterstufen sind es 12%, und bei Hauptschulen 19% (vgl. Lassnigg/ Vogtenhuber 2009: 40). Eine detailliertere Aufschlüsselung zum Alter der Befragten 11 zeigt die folgende Tabelle: Alter 12 13 14 15 Gesamt DaM 77 115 98 44 334 DaZ 20 26 32 13 91 97 141 130 57 425 22,8% 33,2% 30,6% 13,4% 100% Tabelle 2: Altersstruktur Die befragten Kinder befinden sich im Altersbereich zwischen 12 und 15 Jahren, die meisten der Befragten sind zum Untersuchungszeitpunkt 13 und 14 Jahre alt. Sie besuchen die 6. bis 8. Schulstufe. Problematisch sind die erhobenen Daten zum Geschlecht der SchülerInnen und zu den Ausbildungsdaten ihrer Eltern. Nur 62,9% der Kinder haben im Rahmen der Untersuchung Angaben zu ihrem Geschlecht gemacht, 49,6% gaben Angaben zur Ausbildung der Eltern, und 69,9% zum Beruf der Eltern. Auffallend war bei der Auswertung, dass ganze Klassen detaillierte persönliche Angaben verweigert haben. Ein Grund dafür könnte ein betont vorsichtiges Verhalten einiger Lehrpersonen sein, die ihren Klassen die Anweisung gegeben haben, keine detaillierten persönlichen Daten preiszugeben. Dies lässt sich aus einigen Fragebögen schließen, bei denen die Informationen zwar ursprünglich angegeben waren, die Informationen aber nachträglich unleserlich gemacht wurden. Ein weiterer Grund, der vor allem von den 11 SchülerInnen mit dem Geburtsjahr 1999, die Zwölfjährigen Befragten, besuchen die 6. Schulstufe; jene mit dem Geburtsjahr 1998 sind 13 Jahre alt und besuchen je zur Hälfte die 6. und 7. Schulstufe. Die 14-Jährigen mit Geburtsjahr 1997 sind in der 7. und 8. Schulstufe anzutreffen, und jene mit Geburtsjahr 1996, 15-Jährige, in der 8. Schulstufe. 103 <?page no="104"?> jüngeren SchülerInnen angegeben wurde, ist, dass einige Kinder nicht wissen, welchen Beruf und vor allem welche Ausbildung ihre Eltern haben. 12 Um die Daten nicht zu verzerren, wurde in die Auswertung nach Geschlecht auch die Kategorie „keine Angabe“ mit einbezogen, wie die unten stehende Tabelle illustriert: Geschlecht Häufigkeit Prozent k.A. 158 37,2 männlich 115 27,1 weiblich 152 35,8 Gesamt 425 100 Tabelle 3: Verteilung nach Geschlecht Von jenen Kindern, die Angaben zu ihrem Geschlecht gemacht haben, ist die Mehrheit weiblich. Aufgrund der hohen Anzahl an fehlenden Daten kann der Faktor Geschlecht in den folgenden Analysen nur unter Vorbehalten mit einbezogen werden, und repräsentiert die Gesamtheit der Stichprobe. Weitere Daten zum familiären Hintergrund der befragten SchülerInnen finden sich im folgenden Kapitel „Familiärer Hintergrund und Medienzugang“. 2.2. Leitfrageninterviews Um die Ergebnisse der vorangegangenen Fragebogenuntersuchung zu vertiefen und zu erweitern, wurden mit einigen Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache qualitative Leitfrageninterviews durchgeführt. Je nach der Offenheit des Interviews werden verschiedene Interviewformen unterschieden, im Rahmen dieser Untersuchung wurde die Form des halb-/ teilstandardisierten oder -strukturierten Leitfrageninterviews gewählt, bei dem durch den Leitfaden ein Spektrum an verschiedenen Vorgaben vorliegt, die flexibel eingesetzt werden (vgl. Helfferich 2009: 36; vgl. Schreier 2006c: 404f.). Der große Vorteil dieser Untersuchungsmethode ist das hohe Maß an Vergleichbarkeit zwischen den ProbandInnen durch den Einsatz eines Leitfadens, außerdem das hohe Maß an Flexibilität, da der Verlauf der Befragung stets an die Befragten angepasst wird, und durch ad hoc-Fragen auf individuelle Faktoren eingegangen werden kann (vgl. Schreier 2006c: 404). 12 Dies wurde auch mir als Versuchsleiterin mehrfach von den Kindern bestätigt. 104 <?page no="105"?> Es wurden insgesamt 16 Interviews geführt, transkribiert und sequenziert, daraufhin wurden die Einzelinterviews interpretiert und Kurzportraits der InterviewpartnerInnen erstellt. 2.2.1. Interviewleitfaden Zur Durchführung der Interviews wurde zunächst ein Interviewleitfaden erstellt, in dem jene Aspekte des Forschungsthemas, die nach Möglichkeit zur Sprache kommen sollen, in Stichworten und Fragevorschlägen zusammengestellt sind. Der Leitfaden soll als thematischer Anhaltspunkt für die Interviewerin dienen (vgl. Stigler/ Felbinger 2005: 132), daher sind einige Gesichtspunkte nur stichwortartig angegeben und grob skizziert. Die Themenfolge des Leitfadens ist vor allem dann Ausschlag gebend, wenn im Gespräch die entsprechenden Themen nicht von selbst aufgegriffen werden. Bevor die Interviews stattfanden, wurde der Leitfaden in einem Pretest mit vier Kindern der relevanten Altersgruppe auf seine Durchführbarkeit und Verständlichkeit hin geprüft. 1. Komplex: Lesen in der Freizeit - Was liest du gerne (Bücher, Zeitschriften, Zeitung, im Internet…; was genau)? Was in der Muttersprache, was auf Deutsch? - Wie oft liest du (evtl. Std./ Woche)? Ist Lesen für dich eine gute Möglichkeit, um deine Freizeit zu gestalten? 2. Komplex: Beschaffung von Lesestoff - Bekommst du Bücher/ Zeitschriften/ Zeitungen… geschenkt? Wie viele? Von wem? Muttersprache/ Deutsch? Gefallen dir die Lesegeschenke? - Was machst du, wenn du ein Buch/ eine Zeitschrift/ … zum Lesen suchst? Wen fragst du, wo gehst du hin? (Unterschiede Dt./ Muttersprache? ) - Gehst du regelmäßig in Bibliotheken? Gibt es an deiner Schule eine Schulbibliothek/ Klassenbibliothek? Angebot an Texten auch in der Muttersprache? 3. Komplex: Früheres Leseverhalten - Sind dir Veränderungen in deinem Leseverhalten aufgefallen? Welche? Genres/ Lesemedien? Wann? Wie war das Leseverhalten davorwie ist es jetzt? 105 <?page no="106"?> 4. Komplex: Lesen in der Schule 13 - Gefallen dir die Texte, die in der Schule gelesen werden? Welche Texte sind das? Deutsch/ Muttersprache? - Interessieren sich die Lehrer dafür, was du über die Texte denkst? - Kannst du selbst Texte/ Bücher im Deutschunterricht präsentieren? Würdest du das gerne machen? Welche Texte wären das? Texte auf Deutsch oder in der Muttersprache? Ziel ist es, dass die Befragten möglichst ausführlich antworten sollen, eine Vertiefung der Aspekte soll durch Nachfragen (ad hoc-Fragen) erfolgen (vgl. Schreier 2006c: 404). Durch offen formulierte Fragen sollen die SchülerInnen zum Erzählen animiert werden. 2.2.2. Durchführung der Interviews Befragt wurden DaZ-Kinder der Sekundarstufe I, jeweils vier SchülerInnen pro Jahrgang, dabei wurde darauf geachtet, dass das Geschlechterverhältnis möglichst ausgeglichen ist. Dies wurde auch in zwei Klassenstufen erreicht, in der 6. und 7. Schulstufe; in der 5. und 8. Schulstufe ist das Verhältnis zugunsten der Mädchen verschoben, hier wurden jeweils drei Mädchen und ein Bursche befragt. Insgesamt wurden somit 16 Interviews durchgeführt. 14 Die Interviews selbst wurden so gestaltet, dass ein Zeitraum von maximal 15 Minuten pro Kind nicht überschritten wurde, um eine Überforderung der ProbandInnen zu vermeiden. Partnerschule war hierbei die NMS Dr. Renner in Graz, an der auch ein Teil der vorhergehenden Fragenbogenuntersuchung durchgeführt wurde. Die Interviews fanden gesammelt an einem Tag statt, am Freitag, dem 17. Juni 2011. Die Interviews fanden in der Schulbibliothek der NMS Dr. Renner statt. Zu Beginn jeder Schulstunde begleitete die Interviewerin die jeweiligen KlassenlehrerInnen in die Klassen, es wurde den SchülerInnen kurz erklärt, worum es sich bei dem Projekt handelt, und die SchülerInnen wurden gefragt, wer von ihnen bereit wäre, an der Befragung teilzunehmen. In allen Klassen war die Begeisterung groß, sodass die Lehrpersonen vier Freiwillige aussuchten, die danach einzeln interviewt wurden. Den SchülerInnen wurde entweder auf dem Weg vom Klassenzimmer zur Bibliothek, oder direkt in der Bibliothek nochmals der Zweck der Interviews erläutert und sie wurden um ihr Einverständnis zur Aufzeichnung des Gesprächs gebeten. Keines der 13 Dieser Fragenkomplex wurde nur dann angesprochen, wenn noch Zeit blieb und die SchülerInnen Bereitschaft signalisierten, weiter über ihre Lesegewohnheiten zu sprechen (vgl. Helfferich 2009: 180). 14 Bei der gewählten Stichprobe handelt es sich nach Schreier 2006b: 347 um eine willkürliche Stichprobe, wobei allerdings darauf geachtet wurde, die oben genannten Parameter der nicht-deutschen Muttersprache und des Geschlechts einzuhalten. 106 <?page no="107"?> Kinder fühlte sich durch die Aufzeichnung des Gesprächs gestört. Aufgrund der unterschiedlichen Gegebenheiten sind nicht bei allen Aufzeichnungen und Transkriptionen die einleitenden Worte und Erklärungen aufgezeichnet. Ähnliches trifft auch auf das jeweilige Ende der Interviews zu: Wenn die SchülerInnen Interesse daran zeigten, sich selbst auf Band zu hören, wurde die Aufzeichnung abgebrochen. In diesen Fällen sind auch die Endpassagen des Interviews nicht aufgezeichnet und transkribiert. Um die Non-Formalität der Interviews zu unterstreichen, stellte sich die Interviewerin bei den SchülerInnen mit Vornamen vor, was in den meisten Fällen zu einer erhöhten Bereitschaft der Kinder zum Erzählen führte. Einige Kinder waren zu Beginn schüchtern und nervös und getrauten sich nicht, viel zu erzählen; einige hingegen waren sehr offen und erzählten sehr viel über ihre Lesegewohnheiten und -vorlieben. Bei wenigen entstand der Eindruck, dass sie Verständnisschwierigkeiten hatten, es wurde durch Nachfragen und Reformulieren versucht, diese Probleme zu umschiffen. 15 2.2.3. Transkription der Interviews und Zeichenschlüssel Die Interviews werden durch einen Kassettenrekorder auf Kassetten aufgenommen und im Anschluss vollständig transkribiert, um eine weitere detaillierte Analyse zu ermöglichen. Dabei handelt es sich um kommentierte Protokolle, in denen das verbal erhobene Material vollständig transkribiert wurde. In den Transkripten wurden nicht nur die sprachlichen Informationen festgehalten, sondern auch nicht-sprachliche Elemente, welche die Verständlichkeit erhöhen sollen. 16 Hierbei wurden Pausen und außersprachliche Handlungen mit einbezogen, ebenso, in abgeschwächter Form, Tonhöhenbewegungen am Einheitenende. Als Transkriptionsmodell bietet sich das GAT-Transkriptionsverfahren an, wobei im Rahmen dieser Arbeit eine Basistranskription angewandt wird. Die Notierungskonventionen der Basistranskription, angelehnt an das GAT-Transkriptionsverfahren nach Selting [u.a.] (1998), sollen im Folgenden in einer vereinfachten und verkürzten Version dargestellt werden: - Sequenzielle Struktur/ Verlaufsstruktur [ ] Überlappungen und Simultansprechen 15 „Aktives Zuhören (Paraphrasieren, Verbalisieren emotionaler Erlebnisinhalte) bedeutet, dass mit Ziel und Zweck zugehört wird und gleichzeitig das mitgeteilt wird, was gehört wurde. Ob wirklich die Aussagen des informationsgebenden Gesprächspartners verstanden wurden, kann über das Paraphrasieren ermittelt werden“ (Ederer 2005: 124). 16 Vgl. dazu Dresing/ Pehl 2010: 724f; vgl. Kittl 2005: 218; vgl. Kvale 2009: 96f. 107 <?page no="108"?> - Pausen (-), (--), (---) kurze, mittlere, längere Pause (4) längere Pause von mehr als einer Sekunde Dauer, in Sekunden - Lachen und außersprachliche Handlung [lacht] Beschreibung des Lachens [winkt] Beschreibung der Gestik - Betonungen ! Betonung der vorhergehenden Passage - Tonhöhenbewegung am Einheitenende ? hoch steigend , mittel steigend . tief fallend - Sonstige Konventionen [ ] unverständliche Passage je nach Länge al(s)o vermuteter Laut oder Silbe fahren=s zwei getrennte Wörter äh, oh, etc. Verzögerungssignale, sog. „gefüllte Pausen“ Um die Lesbarkeit der Transkriptionen zu erhöhen, wurde die Verschriftlichung an die Konventionen der Standardsprache angepasst, genauer gesagt, es wurden die Regeln der Groß- und Kleinschreibung angewandt. Da alle Beteiligten zum größten Teil in der Standardsprache sprachen, wurde auf eine „Einebnung“ der wenigen dialektalen Elemente verzichtet (vgl. Kittl 2005: 218). Im Rahmen der Transkription wurden die Namen der SchülerInnen, sofern diese im Interview genannt wurden, geändert und somit anonymisiert (vgl. Kittl 2005: 223). Im Folgenden werden die befragten SchülerInnen anhand eines Kürzels benannt, dieses Kürzel setzt sich aus den Bestandteilen „Sw“ (Schüler weiblich) bzw. „Sm“ (Schüler männlich) zusammen, gefolgt von einer fortlaufenden Zahl von 1 bis 4, um die Reihenfolge der Interviews wiederzugeben. Die letzte Zahl, eine Zahl zwischen 5 und 8, bezeichnet die Schulstufe der SchülerInnen. Dies bedeutet, dass beispielsweise das Transkript mit dem Titel „Sw/ 1/ 5“ mit einer Schülerin der fünften Schulstufe durchgeführt wurde, die als erstes befragt wurde, während das Transkript „Sm/ 4/ 7“ mit einem Schüler der siebten Schulstufe durchgeführt wurde, der als vierter und letzter seiner Altersstufe befragt wurde. Außerdem wurden die Kürzel „I“ für Interviewerin und „B“ für BefragteR verwendet. 108 <?page no="109"?> 2.2.4. Kurzportraits der interviewten SchülerInnen 2.2.4.1. Sw/ 1/ 5 Die Schülerin besucht die fünfte Schulstufe, ihre Erstsprache ist Arabisch, allerdings kann sie in ihrer Erstsprache nur schlecht lesen und liest deshalb nichts auf Arabisch. Sie liest nur manchmal, und wenn, dann Zeitschriften, in denen sie etwas über Tiere erfahren kann. Zum Zeitpunkt der Befragung ist sie gerade dabei, als Schullektüre ein Buch zu lesen, in dem es um einen Jungen und einen Hund geht, wobei ihr der Hund besonders in Erinnerung geblieben ist. Privat liest sie manchmal ebenfalls Tierbücher und lustige Bücher, etwas anderes interessiert sie nicht: I: Und worum geht=s in dem Buch? B: Tiere wieder. I: Auch wieder Tiere? Und ahm (--) liest du sonst noch was, außer wo es um Tiere geht? B: Nein. (Sw/ 1/ 5: 88-91.) Wichtig ist ihr, dass die Geschichten kurz sind, dann liest sie auch gerne: I: Ja? Machst du das gern? Lesen? B: Ja, Geschichten schon. I: Geschichten schon. Aber wenn sie länger sind, wenn das Buch dicker ist? B: Nein. I: Weniger? Aha. Also am liebsten sind sie dir, wenn die Geschichten kurz sind. B: Ja. (Sw/ 1/ 5: 134-139.) Im Internet surft sie hauptsächlich, um Spiele zu spielen, dies tut sie einbis zwei Mal in der Woche. Comics liest sie ebenfalls nicht gerne. Sie besucht manchmal eine Bibliothek in der Nähe ihres Elternhauses, wo sie sich Tier- und Kinderbücher ausborgt. An Buchgeschenke von Verwandten oder Freunden kann sie sich nicht erinnern. Als sie noch jünger war, hat sie auch gerne spannende Bücher gelesen, aber auch lustige, die mit Bildern versehen waren. Im Unterricht liest die Schülerin gerade das oben genannte Buch mit dem Hund Oscar, das ihr gut gefällt. Dazu werden im Unterricht Verständnis- und Leseübungen gemacht, aber es ist der Lehrperson auch wichtig, ob den SchülerInnen das Buch gefällt. 109 <?page no="110"?> 2.2.4.2. Sw/ 2/ 5 Die Schülerin besucht die fünfte Schulstufe, ihre Erstsprachen sind Türkisch und Kurdisch, aber sie erzählt, höhere Kompetenzen in ihrer Zweitsprache Deutsch zu haben, als in der Erstsprache. Auch zu Hause spricht sie mit ihrer Familie Deutsch. Sie liest sehr gerne, aber nur auf Deutsch und nicht in ihrer Erstsprache. Sie hat eine besondere Vorliebe für Bücher, anhand derer sie etwas über Katzen erfahren kann. Fantasiegeschichten mag sie weniger, obwohl sie noch nie etwas Derartiges gelesen hat: B: Und dort sieht man wie Katzen sich aufziehen, oder wie sie Babies bekommen, und so. I: Ja, also eher wo du was über Katzen lernst. B: Ja. I: Ja, und magst du auch Geschichten ahm (--) also (---) Fantasiegeschichten, in denen es um Katzen geht? B: Nein, das hab ich noch nie gelesen, aber (--) ich mag solche wenig. (Sw/ 2/ 5: 22-27.) Auch gruselige Texte mag sie wenig, aber sie kann sich für Comics begeistern und liest Mickey Mouse und Donald Duck-Comics. Wichtig ist ihr, dass die Bücher, die sie liest, nur einen geringen Umfang haben, da sie längere Texte noch nicht schaffe. Sie erzählt, sehr gerne zu lesen, aber aufgrund des großen Zeitaufwandes für die Schule nur wenig Zeit zum Lesen zu haben. Wenn sie liest, dann zwischendurch, und ein bis zwei Stunden lang. Zeitungen liest sie gar nicht, für Zeitschriften kann sie sich begeistern, aber nur wenn es sich um das Thema Stars handelt, oder auch um Tiere, hauptsächlich Katzen. Ein Leseversuch über naturwissenschaftliche Themen, das menschliche Gehirn, ist als gescheitert zu betrachten: B: [Ja] ich hab über (--) naja so über Wissenschaft hab ich ganz, ganz wenig gelesen, das mag ich net so sehr. I: Um was ist es da gegangen? B: Ja ums Gehirn und so, das fand ich dann ekelig. I: Ja B: Sie haben ein Gehirn, also vom toten Menschen rausgetan und das aufgeschnitten und geschaut und so, das fand ich nicht interessant, ich fand das zu ekelig. Aber interessant war es auch ein bisschen. (Sw/ 2/ 5: 139-146.) Auch im Internet informiert sie sich über ihre Lieblingstiere, sie chattet aber nicht. 110 <?page no="111"?> Als sie noch kleiner war, wollte sie nicht lesen, da sie der Meinung war, dass es langweilig wäre. Durch Anregungen ihrer Volksschullehrerin fand sie den Weg hin zum Buch, eine wichtige Anlaufstelle für sie war in der Volksschulzeit der Bücherbus der Stadtbibliothek Graz 17 , in dem sie sich mit Büchern und Zeitschriften über Katzen versorgt hat. Mit dem Angebot der Schulbibliothek ist sie nicht zufrieden, weil sie keine Katzenbücher im Angebot findet, in der Nähe ihres Elternhauses gibt es auch keine Bibliothek, die sie besuchen kann. Buchgeschenke gehören für die Schülerin einfach dazu, sie bekommt zum Geburtstag, zu Weihnachten, aber auch dazwischen, von ihrer Tante, Bücher geschenkt; dabei handelt es sich immer um Tierbücher oder -zeitschriften, da sie ihren Verwandten durchaus verrät, was sie gerne liest. Bücher hat sie zu Hause nur wenige, sie lässt sich für sie interessante Bücher und Zeitschriften schenken oder kauft sie selbst, beispielsweise im Supermarkt. 2.2.4.3. Sm/ 3/ 5 Die Erstsprachen des Schülers der fünften Schulstufe sind Tschetschenisch und Russisch, allerdings sind seine Kompetenzen in Tschetschenisch sehr niedrig: Er besucht gerade einen Sprachkurs und liest in seiner Erstsprache nur Dinge, die im Sprachkurs verlangt werden. Er liest gern Comics und Mangas, dabei gefällt ihm die Kombination aus Spannung und Spaß. Jeden Sonntag liest der Schüler die Kronen Zeitung, dabei liest er den Politikteil und über Dinge, die passiert sind. Zeitschriften gehören für ihn auch zum Lesekanon, dabei handelt es sich hauptsächlich um Sportzeitschriften, die ihn über seine Lieblingssportarten informieren. Im Internet ist er am Häufigsten, dabei besucht er Facebook, schaut Filme und spielt Spiele. Außerdem informiert er sich regelmäßig im Auftrag seines Vaters über Bauernhöfe, bei denen man Grillfleisch kaufen kann; dabei steht für ihn vermutlich hauptsächlich die Aufmerksamkeit seines Vaters im Vordergrund. Eine Bibliothek besucht er regelmäßig, dort borgt er sich Comics aus, aber auch Bücher über Kampfsportarten. An seine ersten Leseversuche in der erster Klasse Volksschule kann sich der Schüler noch gut erinnern: 17 Der Bücherbus ist eine Bibliothek auf Rädern, die zur Stadtbibliothek Graz gehört und über 16500 Titel beherbergt. 2011 wurden 24 Haltestellen in elf Stadtbezirken versorgt, darunter 14 Schulen. Die Betreuung von SchülerInnen gehört zu den Hauptaufgaben des Bücherbusses, es werden viele verschiedene Bücher zum Lesenlernen und für Erstleser angeboten, aber auch andere Lesemedien wie Zeitschriften, Hörbücher, DVDs und CD-ROMs (vgl. Stadtbibliothek Graz 2011). 111 <?page no="112"?> B: Da konnte ich nicht so gut lesen, da hab ich mir so ein großes Buch genommen und hab versucht zu lesen. I: Ja? Und? Hat=s funktioniert? B: (--) Naja [lacht] so (Sm/ 3/ 5: 120-123.) Auch sein erstes Lieblingsbuch, „Das blutige Herz“, ist ihm noch gut in Erinnerung, in dem auch eine böse Hexe vorkommt. Dieses Buch muss für ihn etwas ganz Besonderes sein, da er es unbedingt noch einmal lesen möchte, aber nirgends mehr finden kann. Er gibt an, öfters und auch gern zu lesen, aber als Hobby würde er das Lesen nicht bezeichnen. Sein Lesen hat für ihn auch den Wert, seine Rechtschreibung zu verbessern: „Weil es ist auch gut für mich weil ich im Deutsch die Rechtschreibung nicht so gut hab, und wenn ich öfters lese dann verbessert sich das ja“ (Sm/ 3/ 5: 158f.). Buchgeschenke gehören für ihn zum Alltag, seine Eltern schenken ihm sehr viele Bücher, hauptsächlich Comic-Bücher, wobei vor allem seine Mutter seinen Lesegeschmack trifft. Auch von seiner Schwester hat er einige Comic-Bücher bekommen, während ihm sein Bruder hauptsächlich Spiele weitergibt. 2.2.4.4. Sw/ 4/ 5 Die Schülerin mit der Erstsprache Bosnisch liest gerne, hauptsächlich Problemliteratur, oder Bücher mit den Themen Freundschaft und Liebe, und dies nur in ihrer Zweitsprache Deutsch, da sie ihre Erstsprache nicht so gut beherrscht. Ihr Lieblingsbuch, „Never say never“, gefällt ihr hauptsächlich wegen der Personencharakterisierung. Sie borgt sich auch Bücher aus einer Bibliothek aus. Buchgeschenke bekommt sie hauptsächlich von ihrer Großmutter, die genau weiß, dass ihre Enkelin besonders gerne Bücher mit den Themen Freundschaft und Liebe liest. Zeitschriften liest sie ab und zu, dabei hat sie keine speziellen Themen, die sie interessieren, sie meint, alle gern zu lesen. Auf Nachfragen bejaht sie, an aktuellen Dingen interessiert zu sein. In ihrer Erstsprache liest sie keine Zeitschriften; auch die Tageszeitung interessiert sie nicht, sie ist ihr zu langweilig. Im Internet surft die Schülerin, wenn sie etwas für die Schule suchen muss; dies macht sie nie auf Bosnisch, sondern nur auf Deutsch. Als sie noch jünger war, hat sie nicht so gerne gelesen, dies hat sich aber geändert: B: Damals nicht, jetzt [ ] lese ich gerne. I: Aha, und warum ahm hat sich das so geändert? B: [ ] Früher wollt ich eigentlich nicht so viel lernen und so [aber] I: Ja 112 <?page no="113"?> B: Aber jetzt hab ich begriffen dass es wichtig ist. (Sw/ 4/ 5: 100-104.) Märchen haben ihr in ihrer Kindheit besonders gut gefallen. Im Deutschunterricht liest die Schülerin manchmal in der Zeitschrift „Jö“, diese Artikel interessieren sie immer, obwohl sie zuvor angibt, nicht gerne Zeitschriften zu lesen. 2.2.4.5. Sm/ 1/ 6 Der Schüler mit der Erstsprache Albanisch liest nicht gerne, er liest keine Bücher, ab und zu blättert er in Zeitschriften, in denen es um Sport, Fußball, geht. Im Internet ist er hauptsächlich, um Spiele zu spielen. Auch in seiner Erstsprache liest er nie, sein Selbstlesekonzept ist als mittelmäßig einzustufen. Begründen kann er seine Abneigung gegen das Lesen nicht: I: (…) Und warum magst (--) liest du nicht auf Albanisch? B: Ich les‘ auch nicht auf Deutsch, ich les‘ gar nicht. I: Und wieso? (-) Ist dir das zu langweilig, oder B: Ja. I: Ja, was machst du sonst gern? B: Ich geh raus und Fußball spielen. I: Ja? (---) Und hast du früher, wie du noch kleiner warst, hast du (--) hast du da gern gelesen? B: (2) Nein. I: Auch nicht. Hast du überhaupt nie gerne gelesen? B: Nein. I: Und warum nicht? B: Ja ich will nicht. Das ist mir zu (3) keine Ahnung (2) ich les‘ einfach nicht gern. (Sm/ 1/ 6: 44-56.) Die einzige lesebezogene Tätigkeit, die er sowohl auf Deutsch als auch in seiner Erstsprache ausführt, ist das Chatten im Internet, was er jeden Tag macht. Er gibt zwar an, dass in seinem Elternhaus Bücher und Zeitschriften vorhanden sind, wie viele, lässt er allerdings offen; das Lesevorbild seiner Eltern ist als kaum vorhanden einzustufen. Auch seine Peergroup ist als lesefern zu bezeichnen („Nein, meine Freunde [---] meine Freunde lesen auch nicht.“ SM/ 1/ 6: 112.), von ihnen bekommt er demnach auch keine Lektüretipps. Sein früheres Leseverhalten ist als nicht existent einzustufen, da er angibt, noch nie gerne gelesen zu haben. Den einzigen Kontakt mit Büchern bekommt der Schüler offenbar durch die Schule, zunächst weigert er sich zwar, über das Buch zu sprechen, lässt 113 <?page no="114"?> sich aber doch noch umstimmen. Er hat das Buch zwar nicht fertig gelesen, gibt aber an, dass es ihm zumindest einigermaßen gefallen hat. Im Unterricht wurde er dazu aufgefordert, Bilder zum Buch zu zeichnen, was er zum Befragungszeitpunkt noch nicht gemacht hatte. 2.2.4.6. Sw/ 2/ 6 Die Schülerin mit Erstsprache Albanisch liest sehr gerne, Lesen ist für sie eine Art Ritual, da sie erzählt, oft an Freitagen mit einem Buch einzuschlafen. An einer anderen Stelle erzählt sie: „Wenn ich so Zeit habe, oder wenn (--) okay ich mag es immer so am Freitag so. (2) Oder wenn es Winter ist, lies ich am meisten gerne.“ (Sw/ 2/ 6: 64-65.) Sie liest hauptsächlich am Wochenende, und sucht sich aus dem großen Buchangebot in ihrem Elternhaus etwas aus, was gut zu ihr passt. Wichtig dabei ist ihr, dass die Bücher spannend und lustig sind, die Themen sind ihr egal. Ihr Lieblingsbuch ist „Mein Leben als Arzt“, eine fiktive Geschichte, in der von einem Arzt und seinem Alltag erzählt wird. Hauptsächlich liest sie Bücher auf Deutsch, nur wenige auf Albanisch, aber ihre Leseinteressen sind für beide Sprachen gleich, es gibt keine Unterschiede. Zu Hause hat die Schülerin einen großen Buchbestand, ihre Nachbarin hat der Familie viele Bücher geschenkt, auch ihre Mutter kauft häufig Bücher, ebenso die Schülerin selbst. Sie meint: „Ist halt wichtig, lesen.“ (Sw/ 2/ 6: 71.) Zeitungen und Zeitschriften liest sie ebenfalls gerne, sie nennt die „Bravo“ und an Themen sind ihr dabei Stars und Neuigkeiten wichtig, Zeitschriften liest sie auch ab und zu in ihrer Muttersprache. Im Internet ist sie selten, wenn sie online ist, dann informiert sie sich auf Homepages über Aktuelles und Stars, und dies nur auf Deutsch und nicht auf Albanisch. Manchmal bekommt sie von ihrer Familie auch Buchgeschenke, da ihre Verwandten wissen, dass sie gerne liest; die geschenkten Bücher passen alle zu ihrem Buchgeschmack. An bevorzugte Bücher aus ihrer Kindheit kann sie sich noch erinnern, sowohl auf Deutsch als auch auf Albanisch, hierbei handelt es sich um ein ABC-Buch, und ein weiteres, das ihr wegen kleiner Puppen, die abgebildet waren, besonders gut gefallen hat. In den letzten Jahren hat sich ihr Buchgeschmack verändert, sie liest nun eher erwachsene Themen: B: Ja, also nicht mehr zum Beispiel so (--) so kleine Bücher und so, jetzt schon ein bisschen was anderes I: Ja B: Schon was Erwachsenes, so irgendwas. I: Ja, kannst du mir das genauer erklären? [Was] 114 <?page no="115"?> B: [Zum Beispiel] wir haben auch immer im Regal so viele Bücher, da such ich schon lange aus bis was nehm, was mich jetzt mehr (-) für mich interessiert. I: Ja B: Nicht so (-) nicht so langweilig so mit Hund oder irgendwas, das mag ich nicht. I: Keine Tierbücher mehr? B: Nein ich mag eher so (---) so was Cooles. I: Ja, und (--) was sind so B: Zum Beispiel mit diesem Buch als Arzt, da ist irgendwie mehr erwachsen, und so I: Ja. Also wo (-) wo die Personen erwachsen sind? B: Das ist irgendwie besser, irgendwie. (Sw/ 2/ 6: 129-143.) Sie definiert demnach ihr eigenes Erwachsenwerden durch das Lesen von Texten, in denen erwachsene Personen agieren, Tierbücher sind ihr bereits zu kindisch. Dennoch gibt sie kurze Zeit darauf an, dass ihr die Serie „Hanni und Nanni“, die sie als Kind gern gelesen hatte, auch heute noch gerne mag. Auch Gruselgeschichten liest sie gerne. Früher hat sie auch regelmäßig eine Bibliothek besucht, dort war sie aber schon lange nicht mehr, da es dort keine Bücher gibt, die sie interessieren. Das leise Lesen ist ihr lieber als das Vorlesen, in solchen Situationen hat sie öfters Leseprobleme, die sie beim leisen Lesen nicht hat. Außerdem ist es ihr nicht unrecht, wenn die Texte illustriert sind: B: [Ja]. Aber ich mag das auch wenn zum Beispiel eine Zeichnung dabei ist, nicht alles zu lesen. I: Ja B: Da weiß man auch, wie meint sie das jetzt. (Sw/ 2/ 6: 186-189.) In ihrer Muttersprache liest sie nur selten, sie beherrscht ihre Zweitsprache besser als ihre Erstsprache und spricht auch häufiger auf Deutsch, wenn sie in ihre Heimat fährt. 2.2.4.7. Sm/ 3/ 6 Die Erstsprache des Schülers ist Türkisch, er liest Bücher nicht gerne, aber dafür gerne die Zeitung. In der Kronen-Zeitung schaut er immer nach, wer im Fußball gewonnen hat. Vom Schulunterricht ist ihm ein Buch in Erinnerung geblieben, dessen Beginn er lustig fand, aber das Ende weniger interessant, was wohl vor al- 115 <?page no="116"?> lem daran liegt, dass er am Ende mit dem Umfang des Lesepensums überfordert war: I: Aha, und wie (-) wie gefallen dir die Bücher, die du da lesen musst von der Schule aus? B: In Schule ist es voll lustig, anfangs ist es so (--) dings (---) es ist einfach lustig gewesen (--) am Anfang, aber am Ende ist es so schwer, ist so viel. I: Ja B: Und ich musste in drei Tagen hundert (---) siebenunddreißig Seiten lesen und dann (---) I: Mhm (--) das ist schon viel, ja. Aber hat=s dir gefallen, das Buch? B: Anfangs war das gut, aber (--) Ende (2) hat net (--) hat es mir nicht gefallen. (Sm/ 3/ 6: 26-32.) Vor allem die lustigen Stellen des Buches waren für den Schüler ein Anreiz, zu lesen. Ebenfalls war für ihn ein Ansporn, dass er das gelesene Buch „lernen“ musste, den Inhalt wiedergeben, deshalb hatte er den Inhalt gelernt. Allgemein gibt er an, gerne zu lernen, aber weniger gern zu lesen. Wenn er selbst Bücher liest, dann sind es Sport-Bücher. Eine weitere Anregung aus der Schule ist das Lesen von Zeitschriften, in diesem Fall der Zeitschrift „Jö“, von der ihm besonders die Witzseite gefällt, er sich aber auch schon für einige Artikel der Zeitschrift interessierte, mit dem Thema Sport. In seiner Erstsprache liest er Dinge, die mit seiner Religion zu tun haben, er erzählt von Büchern seiner Mutter, über die Propheten, in denen er ab und zu liest. Als er in der Volksschule einen Türkischkurs besucht hat, musste er auch mehrere Bücher lesen: B: In Volksschule hab ich in (-) dings gegangen, türkische Kurs I: Ja B: Und da hatten wir so viele Bücher gekriegt. Und das (-) früher hab ich oft gelesen, Türkisch. I: Ja B: Deswegen kann ich gut schreiben und lesen. I: Ja. Und haben die dir gefallen, die ihr damals gelesen habt? Die Bücher? B: So (--) am Anfang war das so schwer, ich konnte nicht lesen I: Ja B: Und dritte lesen war das leicht, und ich hab (--) ich hab dann verstehen alles, dann war das (-) gut. (Sm/ 3/ 6: 111-121.) Sobald er die Sprache auch beherrscht hat, hat ihm das Lesen auf Türkisch auch Spaß gemacht, allerdings bezieht er sich dabei auf das Lesen von ABC- 116 <?page no="117"?> Büchern. Weiters gibt er an, den Koran zu lesen, das Koranarabische beherrscht er aber nicht so gut. Im Internet surft der Schüler oft, er chattet auf Deutsch und auf Türkisch mit seinen Freunden, und informiert sich auf verschiedenen Seiten über Dinge „über die Leben“ (Sm/ 3/ 6: 152); auf Türkisch liest er nur wenig im Internet. Zu seinem früheren Leseverhalten erzählt er, dass ihm früher Tiergeschichten und Witze gut gefallen hätten, was er heute nicht mehr so gerne mag; Bücher von Thomas Brezina gefallen ihm aber heute auch noch. Ebenso hat er in seiner Zeit als Volksschüler ein Mal in der Woche die Bibliothek besucht und Bücher ausgeborgt, was er heute nicht mehr tut; dennoch gibt er etwas später an, ein Mal in der Woche in der Schulbibliothek zu sein und zu lesen. 2.2.4.8. Sw/ 4/ 6 Die Schülerin mit der Erstsprache Arabisch hat zwar kein Lieblingsbuch, liest aber eigentlich schon gerne, nämlich Zeitungen und Bücher. Bei Büchern gefallen ihr am meisten Märchen- und Pferdebücher, allerdings liest sie diese nur auf Deutsch, und nicht in ihrer Erstsprache. Von ihren Verwandten und Freunden bekommt sie manchmal Buchgeschenke, Kinderbücher, die sie gerne liest. Seit ihrer Volksschulzeit liest die Schülerin Bibi- Blocksberg-Bücher, die sie ansprechen, weil sie lustig gestaltet sind. Sie liest, wenn ihr langweilig ist, aber nichts auf Arabisch. An Zeitungen liest sie die Kleine Zeitung, und dabei jene Teile, die sie über berühmte Personen informieren. Zeitschriften liest sie privat nicht, nur in der Schule die Zeitschrift „Jö“, die ihr gefällt. Im Internet chattet sie mit Freunden nur auf Deutsch, wenn sie sich Homepages anschaut, dann nur Seiten, bei denen sie auch etwas lernen kann, wie beispielsweise über die Planeten. In ihrer Erstsprache liest sie im Internet nichts. Die Texte, die in der Schule gelesen werden, interessieren sie nur zum Teil, es wird hierbei sowohl auf den Inhalt, als auch auf die Meinung der SchülerInnen Wert gelegt. 2.2.4.9. Sm/ 1/ 7 Der Schüler der siebten Schulstufe wurde in Holland geboren, seine Eltern sind Bosnier, und seine Erstsprachen sind Bosnisch und Niederländisch. In Holland besuchte er den Kindergarten und ein Jahr die Volksschule, danach kam die Familie nach Österreich. Sein Leseselbstkonzept für Bosnisch ist mittelmäßig ausgeprägt, jenes für Niederländisch niedrig. Er liest auch nichts auf Bosnisch oder Niederländisch. Als er noch jünger war, hatte er ein 117 <?page no="118"?> wenig mehr gelesen als jetzt, er erzählt von einem lustigen Buch aus seiner Volksschulzeit, auf Niederländisch. Der Schüler liest gerne Gespenstergeschichten und Abenteuerbücher, aber das Lesen von Büchern ist kein Hobby von ihm. Auch die Tageszeitung ist von Interesse für ihn, dabei konzentriert er sich auf aktuelle Ereignisse und Sport. Zeitschriften liest er nicht, wofür er sich aber interessiert, sind Texte und Artikel, aus denen er etwas lernen kann. Auch Zeitungen liest er nur auf Deutsch. Im Internet schlägt er beispielsweise auf Wikipedia Dinge nach, die ihn interessieren, wie zum Beispiel die Biografien von Stars; außerdem ist er oft im sozialen Netzwerk Facebook anzutreffen. In der Woche surft er zwei bis drei Mal im Internet. Buchgeschenke bekommt er nicht, weder von Verwandten, noch von Freunden, allerdings versorgen ihn seine Eltern mit Zeitschriften, die für ihn von Interesse sind, die er als Kinderzeitschriften bezeichnet, worin er hauptsächlich über Sport liest. Aus seiner Volksschulzeit in Graz berichtet er vom Bücherbus, wo er sich häufig Bücher ausgeborgt hatte, allerdings besucht er heute keine Bibliotheken mehr, auch nicht die Schulbibliothek. 2.2.4.10. Sw/ 2/ 7 Die Schülerin mit französischer Erstsprache liest sehr gerne, ihr Lieblingsbuch auf Deutsch ist der Problemliteratur zuzuordnen. Außerdem liest sie Jugendromane wie „Twilight“, und Biografien von Stars, wie beispielsweise von Selena Gomez. In ihrer Erstsprache hat sie zu Hause eine große Auswahl an Büchern, die sie alle gerne liest. Ihre Motivation dafür erklärt sie folgendermaßen: B: Ah (-) ich geh dann in das (-) in Gymnasium, also. I: Aha, ja. B: Und dort muss ich auch meine Muttersprache (---) so richtig lesen können. I: Ja. B: Weil ich bin ja (--) seit drei Jahren in Österreich I: Ja B: Und (---) ja ich vergiss manche Wörter (-) auf meine Muttersprache. I: Mhm B: Und deswegen muss ich ja lesen, [damit] (-) I: Ja B: Damit ich nicht vergesse. I: Also du liest dass du (--) dass du sozusagen deine Sprache lernst. B: [nickt] (Sw/ 2/ 7: 52-64.) 118 <?page no="119"?> Ihre Sprachkompetenz ist ihr sehr wichtig, um im nächsten Schuljahr Erfolg zu haben. In ihrer Erstsprache bevorzugt sie Problemliteratur. Bücher bekommt sie von ihrem Vater, ihrer Großmutter, sie kauft sie auch selbst und leiht sich Bücher in einer Bibliothek aus, sowohl Bücher auf Deutsch und Französisch, sondern auch auf Englisch und Italienisch, letzteres eine Sprache, die sie erst seit wenigen Monaten lernt, und in der sie ebenfalls ihre Kompetenzen kontinuierlich verbessern möchte. Zeitschriften liest sie ebenfalls gerne, zwei Jugendzeitschriften, die sich hauptsächlich mit Stars beschäftigen, liest sie fast jeden Tag. Das Internet verwendet sie hauptsächlich als Nachschlagewerk, wenn sie in den Büchern, die sie liest, ihr unbekannte Wörter findet. Außerdem chattet sie, auf Deutsch und auf Französisch. Die Schülerin ist in ihren Strategien, ihre Sprachkenntnisse in den verschiedenen Sprachen zu verbessern, äußerst einfallsreich, so leiht sie sich in einer Bibliothek häufig dasselbe Buch in zwei Sprachen aus, um diese parallel zu lesen, und Vokabeln nachzuschlagen. Als sie kleiner war, mochte sie gerne Märchenbücher, die sie heute aber als kindisch einstuft. 2.2.4.11. Sw/ 3/ 7 Die Erstsprache dieser Schülerin ist Kroatisch, Bücher liest sie weniger gerne, ihr Lieblingsbuch ist eine Liebesgeschichte. Auf Kroatisch liest sie ebenfalls, wenn sie in Kroatien ist und ihrer jüngeren Cousine bei Schulaufgaben hilft. Zeitung und Zeitschriften liest sie in beiden Sprachen, wobei sie diese häufiger auf Deutsch liest, und Nachrichten über Stars bevorzugt. Im Internet bevorzugt sie soziale Netzwerke wie Facebook, die sie auf Deutsch, Kroatisch und Russisch nutzt, außerdem informiert sie sich über Neuigkeiten aus aller Welt. Buchgeschenke bekommt sie nicht, auch nutzt sie keine Bibliothek mehr, was sie in der Volksschule noch gemacht hatte. Als Ersatz gibt sie an, jetzt ohnehin das Internet zu haben, wo sie lesen kann. 2.2.4.12. Sm/ 4/ 7 Der Schüler mit arabischer Erstsprache liest nur mäßig gern Bücher, ihm ist das Spannungsmoment dabei wichtig. In seiner Erstsprache kann er nicht lesen. In seiner Freizeit liest er auch keine Zeitschriften, nur jene, die in der Schule besprochen werden, wie „Jö“ oder „Topic“, dabei gefallen ihm Witze, und Themen, die unmittelbar mit seiner Lebenswelt zu tun haben. Dies trifft 119 <?page no="120"?> auch auf die Tageszeitung zu, die er zwei Mal in der Woche liest: Von Interesse sind für ihn dabei Themen, die mit seiner Herkunft zu tun haben. Im Internet liest er Themen über Stars und Sport. An sein früheres Leseverhalten kann sich der Schüler nur spärlich erinnern, nur, dass er früher weniger gern gelesen hat als jetzt. Ein wichtiges Element ist für ihn sein Onkel aus Ägypten, von dem er ab und zu Bücher auf Arabisch geschenkt bekommt, um die Sprache zu lernen. Dabei handelt es sich ebenfalls um Abenteuerbücher. Von anderen Verwandten oder Freunden bekommt er keine Buchgeschenke. Manchmal besucht der Schüler eine Bibliothek und leiht sich dort Bücher aus, auch Comics, die er gerne mag. 2.2.4.13. Sw/ 1/ 8 Die Erstsprachen der Schülerin der achten Schulstufe sind Kroatisch und Rumänisch. Sie hat kein Lieblingsbuch, liest aber gerne Zeitschriften. Ihre Lieblingszeitschrift ist eine rumänische, worin es hauptsächlich um Stars und Berühmtheiten geht, sie liest diese Zeitschrift manchmal, ungefähr ein Mal in der Woche, und kauft sie selbst. Auf Deutsch gefällt ihr die Zeitschrift „Topic“, die sie ebenfalls manchmal liest, wobei ihr Artikel besonders gefallen, in denen es um Menschen geht. Bücher liest die Schülerin nur manchmal, Lieblingsbuch nennt sie keines, und zum Zeitpunkt des Gespräches liest sie gerade ein Buch, das sie als Lebensgeschichte umschreibt, von dem sie aber angibt, nicht viel davon zu verstehen. Auch Buchgeschenke bekommt sie nicht. Im Internet surft die Schülerin gerne auf Seiten, auf denen sie etwas lernen kann, beispielsweise über Ernährung, die sie sehr interessiert. Dies macht sie hauptsächlich in ihrer Erstsprache Kroatisch. Darüber hinaus nutzt sie die sozialen Netzwerke wie Facebook. Zu ihrem früheren Leseverhalten erzählt die Schülerin, dass sie früher öfter gelesen hätte: B: In der Volksschule hab ich mehr gelesen, deswegen (--) kann ich jetzt besser lesen und brauch ich nicht mehr so viel lesen wie vorher. (Sw/ 1/ 8: 94f.) Damals hat sie Kindergeschichten gelesen, die sie heute nicht mehr interessieren. Eine Bibliothek besucht sie nicht, auch nicht die Schulbibliothek. 120 <?page no="121"?> 2.2.4.14. Sw/ 2/ 8 Die Schülerin mit Erstsprache Bosnisch liest gerne ein bis zwei Mal in der Woche die Zeitschrift „Bravo“, an der sie vor allem die Informationen über Stars interessieren. Die „Bravo“ liest sie auf Deutsch, und wenn sie in Bosnien ist, auf Bosnisch. Außerdem bietet die Lektüre der Zeitschrift „Topic“ im Unterricht für sie eine interessante Alternative. Im Internet liest die Schülerin hauptsächlich auf Facebook, wo sie die Kommentare ihrer Freunde liest. Andere Internetseiten interessieren sie weniger, ab und zu sucht sie Dinge für die Schule, die liest sie dann auf Deutsch. Bücher liest sie gar nicht, weil es ihr zu langweilig ist, allerdings musste sie im vorigen Schuljahr „Die Welle“ lesen, die ihr sehr gefallen hat. Auf Bosnisch hat sie in ihrer Volksschulzeit Bücher gelesen, dabei handelte es sich hauptsächlich um Kinderbücher. Bücher bekommt sie keine geschenkt, weder von Verwandten noch von Freunden, außerdem besucht sie keine Bibliotheken, auch nicht die Schulbibliothek. 2.2.4.15. Sw/ 3/ 8 Die Erstsprache dieser Schülerin ist Bosnisch, sie hat zwar kein Lieblingsbuch, liest aber gerne: B: Nein, aber ich lese schon gerne, weil es (--) ich mag (---) wenn ich anfange zu lesen, und es gefällt mir, dann lies ich weiter. Aber wenn=s mir nicht gefällt, dann lass‘ ich es stehen. (Sw/ 3/ 8: 12f.) Trotzdem bezeichnet sie das Lesen nicht als ein Hobby von ihr. Besonders angetan ist sie von Büchern aus der Reihe „Freche Mädchen“, weil darin typische Themen für Jugendliche angesprochen werden, Liebe, Streit, Freundschaft. Darüber hinaus liest sie gerne Bücher, aus denen sie etwas über Biologie lernen kann, und Thomas-Brezina-Bücher, allgemein Krimis. Diese liest sie auf Deutsch, aber nicht in ihrer Erstsprache, obwohl sie zu Hause ein großes Angebot an Büchern auf Bosnisch hat. Auf die Frage, wie ein Buch sein müsste, dass sie es auf Bosnisch liest, antwortet sie, dass es lehrreich, spannend und wahr sein müsse (Sw/ 3/ 8: 39-41). Auch Witzbücher gefallen ihr in beiden Sprachen. Buchgeschenke bekommt sie ab und zu von ihrer Mutter. Die Lesefrequenz liegt dabei bei zwei bis drei Mal in der Woche. In ihrer Erstsprache liest sie die Zeitung, dabei ist ihr der Politikteil wichtig, ebenso in ihrer Zweitsprache, dies tut sie jeden Tag. Außerdem liest sie gerne Zeitschriften, dabei nennt sie die Zeitschrift „Bravo“, die sie sowohl 121 <?page no="122"?> auf Deutsch, als auch auf Bosnisch liest. Von Interesse sind dabei für sie die Stars und Berühmtheiten. Das Internet ist für die Schülerin eine Quelle vielfältigster Informationen über Stars und Berühmtheiten, dabei ist die Sprache der Website unwichtig. Weitere beliebte Seiten sind Facebook und MSN. Über ihr früheres Leseverhalten erzählt die Schülerin, dass sie auch gerne gelesen hätte, besonders gefallen hat ihr das Buch „Pinocchio“. In Bibliotheken geht sie nicht, da sie angibt, ohnehin viele Bücher zu Hause zu haben, aber dennoch reflektiert sie über den Sinn von Bibliotheken: B: [Aber] es wäre schon cool so (---) Bibliothek ist voller Bücher, und (--) aussuchen was du lesen willst. (Sw/ 3/ 8: 104f.) In ihrem Freundeskreis wird über Lektüre gesprochen: I: Ja. Und ahm (3) ja mit deinen Freunden. Kriegst du ab und zu Tipps, Lesetipps von deinen Freunden? Sprecht [ihr] B: [Nein] aber sie reden über die (--) über ihre Bücher die sie lesen. Und dann lachen sie sogar, wenn sie lesen, dann hast du eine Vorstellung davon, sofort. Wenn du liest, hast du sofort ein Bild im Kopf. I: Ja, das stimmt, ja. B: Und deswegen lachen sie wenn was Witziges drinsteht. I: Ja B: Und so, was war witzig, und sie zeigen dir dann, und dann liest du durch. I: Ja, und hast du auch schon einmal, wenn du einen Tipp gekriegt hast, dass das Buch interessant ist, hast du es schon selbst dann auch einmal gelesen? B: Nein, ich hab noch nie einen Tipp gekriegt. Von der Mutter, wenn man so sagt, jetzt das Buch ist gut, lies es. (Sw/ 3/ 8: 122-134.) Diese Lektüretipps ihrer Freunde nimmt sie aber nicht bewusst zum Anlass, selbst zum Buch zu greifen, während sie dies bei Anregungen von Seiten ihrer Mutter schon tut. 2.2.4.16. Sm/ 4/ 8 Der Schüler mit türkischer Erstsprache liest nicht gerne Bücher, dafür liest er häufig die Zeitung, die er jeden Tag durchblättert, und für ihn interessante Artikel durchliest. Dabei handelt es sich durchaus um aktuelle politische 122 <?page no="123"?> Themen, aber auch um Sport. Die Tageszeitung liest er nur auf Deutsch, nicht in seiner Erstsprache, da er sprachliche Probleme hat: B: (2) Ich weiß nicht. Ahm (--) das sind Wörter die ich noch nicht kenne, zum Beispiel in Türkisch. (Sm/ 4/ 8: 64f.) In seinem Elternhaus wird versucht, ihn zum Lesen in seiner Erstsprache zu ermuntern, um seine Sprachkompetenz zu erhöhen, aber für ihn ist die Anstrengung des Lesens in der Erstsprache zu groß. An Zeitschriften liest er die Zeitschrift „Topic“, die auch im Unterricht behandelt wird; dabei liest er fast alle Artikel durch, wobei ihn Themen besonders ansprechen, die auch seine Lebenswelt betreffen (er nennt beispielsweise Tipps zur Internetnutzung und Cyber-Mobbing). Türkische Zeitschriften liest er nicht. Sein Leseverhalten im Internet ist interessant, er gibt an, sich beispielsweise für die Erstellung von Referaten auf Wikipedia zu informieren, und danach immer weiter zu lesen, auch wenn er die Informationen für das Referat nicht brauchen kann. Außerdem liest er auf Facebook. Auch im Internet liest er nur auf Deutsch, nichts auf Türkisch. Zu seinem früheren Leseverhalten erzählt er, dass ihm bis vor einem Jahr noch die Serie „Die drei ? ? ? “ gefallen hätte, dass er diese aber nun nicht mehr liest. In der Volksschule konnte er sich für Märchen begeistern. Bibliotheken besucht er selten, früher war er öfters in der Schulbibliothek zu finden, um sich Bücher auszuleihen, was er heute aber nicht mehr tut. Als Grund dafür gibt er Zeitmangel an. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Leitfrageninterviews eine deutliche Entwicklung in der Nutzung von Lesemedien im Altersverlauf zeigen. Während bei den jüngeren SchülerInnen noch kindliche Themen präferiert werden, zeigen sich ab der 6. Schulstufe Abgrenzungsphänomene, es werden vermehrt „erwachsene“, aktuelle Themen gewählt. Dies deckt sich mit den Ergebnissen der Fragebogenuntersuchung, in der ebenfalls das 13. Lebensjahr als Kernpunkt der Lesekrise identifiziert wurde: Ab diesem Alter versuchen die Heranwachsenden sich mehr und mehr von ihrer kindlichen Seite abzugrenzen und Anschluss an die Welt der Erwachsenen zu finden. Die Lesemedien Zeitung, Zeitschrift und Internet werden im Altersverlauf immer beliebter, das Lesemedium Buch wird immer seltener verwendet. Diese Ergebnisse decken sich nicht völlig mit jenen der Fragebogenuntersuchung, die zeigte, dass DaZ-Kinder häufiger Bücher und im Internet lesen als in Zeitungen und Zeitschriften. Jedoch ist die Beliebtheit des Internets nicht in Zweifel zu stellen. Das Lesen zum Informationsgewinn, sei es 123 <?page no="124"?> in thematischer oder sprachlicher Hinsicht, findet sich erst ab der 7. Schulstufe. Was die Lesefreude betrifft, sind vor allem die Aussagen der Heranwachsenden über ihre frühere Nutzung von Lesemedien interessant, sie geben häufig an, in ihrer Kindheit lieber und auch häufiger gelesen zu haben als jetzt. Das Leseselbstkonzept ist in der Erstsprache bei nahezu allen Befragten als niedrig einzustufen, dem entsprechend hat die Erstsprache in der Lesewelt der befragten Jugendlichen nur einen marginalen Stellenwert. Diese Ergebnisse zeigen sich auch in der Fragebogenuntersuchung, auch hier haben die befragten DaZ-Kinder ein relativ geringes Leseselbstkonzept in der Erstsprache. Insgesamt lässt sich sagen, dass die befragten Heranwachsenden die Möglichkeit über ihr eigenes Leseverhalten zu reflektieren positiv aufnahmen und durch die Interviews ein guter Einblick in deren Leseverhalten gewährt wurde. Dadurch wurden manche Ergebnisse der Fragebogenuntersuchung noch vertieft und es traten interessante Detailaspekte zutage, beispielsweise zum niedrigen Leseselbstkonzept und der niedrigen Lesefreude vieler der DaZ-Kinder in ihrer Erstsprache, oder auch zu ihrer Einstellung zur Erstsprache und wozu man diese brauchen könne. Natürlich handelt es sich nur um einen kleinen Einblick in eine kleine Gruppe an DaZ-Kindern, dennoch ergänzen die Interviews einzelne Aspekte der Lesekrise, welche durch die Fragebogenuntersuchung nicht so detailliert erhoben werden konnten. 124 <?page no="125"?> 3. Familiärer Hintergrund und Medienzugang Der familiäre Hintergrund eines Kindes hat deutliche Auswirkungen darauf, wie viel und welche Art von Unterstützung es von seinen Eltern bekommt. Allgemeiner formuliert: Die Erfahrungen der Eltern bedingen zu einem großen Teil, wie sie ihr Kind fördern und unterstützen, und welche Ressourcen den Kindern im Elternhaus zu Verfügung stehen. Aus diesem Grund wird in diesem Kapitel der Ausbildungs- und Berufshintergrund der Eltern, sowie der Medienzugang in den Familien beschrieben und zueinander in Beziehung gesetzt. 3.1. Sozialer Hintergrund der Eltern Wie bereits zuvor erwähnt, fehlt ein großer Teil der Daten zu Ausbildung und Beruf der Eltern (in den folgenden Tabellen als „fehlend“ bezeichnet), trotzdem soll der familiäre Hintergrund der SchülerInnen näher beleuchtet werden, auch wenn es sich hier nicht um ein Abbild der Gesamtstichprobe handelt. Dabei sollen Daten zu Ausbildung und Beruf der Eltern erläutert werden. Die folgende Tabelle zeigt zunächst eine Auflistung der Ausbildungsdaten der Eltern der Gesamtstichprobe: Höchste Ausbildung Eltern Häufigkeit Prozent Gültige Prozente Pflichtschule 29 6,8 13,7 Lehre / BMS / Meisterprüfung / Krankenpflegeausb. 50 22,8 23,7 Matura 60 14,1 28,4 Uni/ Pädagog. Hochschule, Sozialakademie 72 16,9 34,1 Gesamt 211 46,6 100 Fehlend 214 50,4 425 100 Tabelle 4: Höchste Ausbildung der Eltern Nur 46,6% der Befragten gaben eine Antwort auf diese Frage. Die Anteile an Eltern, die eine Matura oder Hochschulabschluss bzw. den Abschluss einer 125 <?page no="126"?> Sozialakademie haben, sind in etwa gleich und liegen bei 28,4% und 34,1%. Eltern, die eine Lehre absolviert haben, eine Berufsbildende Mittlere Schule besucht haben, eine Meisterprüfung oder Krankenpflegeausbildung absolviert haben, haben einen Anteil von 23,7%. Die kleinste Gruppe ist jene mit Eltern, die als höchste Ausbildung eine Pflichtschule absolviert haben (13,7%). Auf die Frage nach dem Beruf der Eltern geben immerhin 69,9% der Befragten eine Antwort, was die folgende Tabelle belegt: Beruf Eltern Häufigkeit Prozent Gültige Prozente HilfsarbeiterIn 30 7,1 10,1 FacharbeiterIn 38 8,9 12,8 AngestellteR 197 46,4 66,3 InhaberIn kl. Unternehmen 20 4,7 6,7 leitende Tätigk. / Wiss. / Technik 12 2,8 4 Gesamt 297 69,9 100 Fehlend 128 30,1 425 100 Tabelle 5: Beruf der Eltern Die größte Gruppe ist jene der Angestellten mit 66,3%, während leitende Tätigkeiten in Wissenschaft und Technik nur von 4% der Eltern ausgeübt werden, und 6,7% UnternehmerInnen sind. Bei einem Vergleich von DaM- und DaZ-Familien, was deren Ausbildung und Berufe betrifft, zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den beiden Gruppen: Während ein Großteil der DaM-Eltern, nämlich 66%, mindestens Matura oder eine universitäre Ausbildung hat, und nur 10% einen Pflicht- 126 <?page no="127"?> schulabschluss, sind es bei den DaZ-Eltern 1 48% bzw. 28% bei den Pflichtschulabschlüssen 2 , wie folgende Grafik zeigt: Abbildung 8: Höchste Ausbildung der Eltern 1 In diesem Zusammenhang von Bedeutung ist die Problematik, Bildungsabschlüsse von DaZ-Familien den vorgegebenen Kategorien zuzuordnen, da sich die Bildungssysteme im Ausland häufig enorm vom österreichischen unterscheiden. Dies könnte ein weiterer Grund dafür sein, dass nur wenige Daten in diesem Zusammenhang erhoben werden konnten. 2 Es soll nochmals darauf hingewiesen werden, dass nur ein Bruchteil der Ausbildungs- und Berufsdaten vorhanden sind, nämlich bei der Gruppe DaM n = 169, und bei der Gruppe DaZ n = 42. 127 <?page no="128"?> Ein ähnliches Verhältnis ist bei den Berufen der Eltern der beiden Gruppen 3 zu beobachten, auch hier sind in der Gruppe DaM deutlich mehr UnternehmerInnen und leitende Positionen angesiedelt (insgesamt 13%), während 5% HilfsarbeiterInnen sind. In der Gruppe DaZ sind hingegen 30% HilfsarbeiterInnen, und insgesamt 4% üben leitende Positionen aus oder sind UnternehmerInnen. Abbildung 9: Beruf der Eltern Wie die obenstehende Grafik zeigt, nehmen deutlich mehr DaZ-Eltern eine niedrigere berufliche Position ein als DaM-Eltern und üben häufiger manuelle Tätigkeiten aus. 3 Gruppe DaM n = 241; Gruppe DaZ n = 56. 128 <?page no="129"?> Um die Daten zum sozialen Hintergrund der SchülerInnen besser darstellen zu können, wurden die angegebenen Ausbildungsdaten und Berufskategorien der Eltern in Beziehung gesetzt und gruppiert. 4 Dem niedrigen sozialen Status wurden alle HilfsarbeiterInnen zugeordnet, weiters auch Angestellte mit Pflichtschulabschluss, während HochschulabsolventInnen und Personen mit leitender Tätigkeit einem hohen sozialen Status beigeordnet wurden. Insgesamt geben nur 168 Datensätze Informationen sowohl zu Ausbildung als auch zu Beruf der Eltern, deshalb muss auch hier darauf hingewiesen werden, dass die Daten nicht auf alle untersuchten Kinder zutreffen. Die Bezeichnungen „niedriger, mittlerer und hoher sozialer Status“ beschreiben lediglich den Bildungshintergrund der Eltern, damit soll keineswegs eine wertende Aussage gemacht werden. Von der Gesamtstichprobe zum Sozialstatus der Eltern (n = 168) sind 11,3% der Familien dem niedrigen, 56,5% dem mittleren und 32,1% dem hohen Sozialstatus zuzurechnen. Bei einer Differenzierung zwischen DaM- und DaZ-Familien 5 zeigt sich ein ähnliches Bild wie zuvor bei den Ausbildungs- und Berufsdaten, wie die folgende Grafik belegt: Abbildung 10: Sozialstatus Deutlich mehr DaZ-Familien, nämlich 35%, sind dem niedrigen Sozialstatus zuzuordnen, während dies nur auf 6% der DaM-Familien zutrifft. Der Un- 4 Wie sich die Gruppen detailliert zusammensetzen, zeigt die Tabelle im Anhang: Die blaue Markierung zeigt die Gruppe mit niedrigem sozialem Status, grau hinterlegt ist der mittlere soziale Status, und rot markiert ist ein hoher sozialer Status. 5 DaM: n = 139; DaZ: n = 29. 129 <?page no="130"?> terschied der beiden Gruppen beim hohen Sozialstatus beträgt 10%. Der mittlere Sozialstatus hat bei beiden Gruppen die höchste Ausprägung. Die Variable „Sozialstatus“ wird in weiterer Folge immer wieder für die Analysen herangezogen, da es von Interesse ist, inwieweit sich der Sozialstatus auf die verschiedenen Faktoren der Heranwachsenden auswirkt. Allerdings werden die erhobenen Daten zum Sozialstatus der Familien nur am Rande betrachtet, da im Rahmen der Untersuchung nur ein Bruchteil der sozialen Daten erhoben werden konnte und die Ergebnisse daher nicht auf die gesamte Stichprobe umgelegt werden können. 3.2. Medienzugang im Elternhaus Der Zugang zu den verschiedensten Lesemedien im Elternhaus, von Büchern, Zeitschriften, Zeitungen, aber auch die Möglichkeit des Lesens am Bildschirm und im Internet, prägt die Mediennutzung der Kinder enorm. In Haushalten, in denen beispielsweise keine oder nur wenige Bücher vorhanden sind und die Kinder somit keinen habituellen Umgang mit dem Medium Buch aufbauen können, ist auch die Wahrscheinlichkeit geringer, dass das Kind als Erwachsener ein begeisterter Buchleser/ eine begeisterte Buchleserin wird. Aus diesem Grund soll zunächst auf den Medienzugang im Elternhaus eingegangen werden und in weiterer Folge auch auf den Buchbesitz der Kinder. Diese beiden Faktoren werden gesondert betrachtet, da, wie bereits ausgeführt wurde, dem Medium Buch im Rahmen dieser Arbeit ein hoher Stellenwert zukommt. 3.2.1. Verfügbarkeit von Lesemedien Sowohl die Haushalte von DaMals auch von DaZ-Kindern sind sehr gut mit den verschiedensten Medien ausgestattet, wie das folgende Diagramm zeigt. Die Diagrammbalken sind nach der Häufigkeit des Vorhandenseins der Medien im Elternhaus angeordnet. 130 <?page no="131"?> Abbildung 11: Medienzugang DaM/ DaZ Computer und Internet gehören für die Befragten zur Grundausstattung des Haushaltes, hier gibt es auch keine großen Differenzen zwischen DaM- und DaZ-Familien. Ebenso sind über 60% der Familien mit einer Wochenzeitung ausgestattet. Die größten Unterschiede zwischen DaM- und DaZ-Familien zeigt sich hier in der Verfügbarkeit von Zeitschriften und der Tageszeitung: Während 87% der Haushalte von deutschsprachigen Kindern über ein Angebot an Zeitschriften verfügt, sind es in Haushalten von Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache nur 74%. Bei der Tageszeitung ist das Verhältnis 85% (DaM) zu 58% (DaZ). Aus den Daten lässt sich ablesen, dass das Angebot an Zeitschriften und Tageszeitungen in DaZ-Haushalten deutlich kleiner ist als in DaM-Haushalten und die Kinder somit weniger Zugang zu diesen Lesemedien haben als DaM-Kinder. Eine Grundausstattung mit elektronischen Medien, in diesem Fall von Computer und Internet, ist aber in beiden Gruppen vorhanden. 131 <?page no="132"?> Abbildung 12: Medienzugang nach Sozialstatus Bei Berücksichtigung des Sozialstatus der Familien zeigt sich, dass mit steigendem Sozialstatus in den meisten Fällen auch die Verfügbarkeit der verschiedenen Lesemedien steigt, wie die oben stehende Grafik verdeutlicht. Dies trifft nicht auf die Tageszeitung zu, die in 89,5% der Familien mit niedrigem, aber nur 82,1% jener mit mittlerem und 83,3% der Familien mit hohem Sozialstatus verfügbar ist. Statistisch signifikante Differenzen ergeben sich bei der Verfügbarkeit von Computer und Internet, beim Computer beträgt die statistische Signifikanz p = 0,007, beim Internet p = 0,002. Darüber hinaus ist es von Interesse, ob Familien mit hohem Buchbesitz auch mehr andere Lesemedien zu Verfügung haben als Familien mit niedrigem Buchbesitz. Dieser Zusammenhang erweist sich, neben dem Sozialstatus, ebenfalls als sehr bedeutsam, wie die folgende Grafik verdeutlicht: 132 <?page no="133"?> Abbildung 13: Medienzugang nach Buchbesitz im Elternhaus Je höher der Buchbesitz, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass andere Lesemedien im Haushalt vorhanden sind. Besonders deutlich trifft dies auf die Tageszeitung zu, die von 42,9% der Familien ohne eigene Bücher, allerdings von 83,3% der Familien mit über vier Metern Buchbesitz bezogen wird. Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,001. Wesentlich flacher sind die Kurven bei den elektronischen Medien Computer und Internet, die beide in 85,7% der Haushalte mit keinen Büchern vorhanden sind, jedoch in 98,7% der Familien mit sehr hohem Buchbesitz. In beiden Fällen ist der Zusammenhang auch statistisch signifikant, mit p = 0,031 für den Computer, und p = 0,005 für das Internet. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich die Faktoren Sozialstatus und Buchbesitz im Elternhaus stark auf die Verfügbarkeit von Lesemedien in den Familien auswirkt: Je höher der Sozialstatus ist, bzw. je mehr Bücher in den Haushalten vorhanden sind, desto mehr andere Lesemedien sind 133 <?page no="134"?> dort vertreten. Differenzen zwischen der Verfügbarkeit von Lesemedien in DaM- und DaZ-Familien sind nur bei Tageszeitungen und Zeitschriften herauszustreichen, die in DaM-Familien häufiger verfügbar sind. 3.2.2. Buchbesitz im Elternhaus Wie sind die Familien der untersuchten SchülerInnen mit Büchern ausgestattet? Dieser Frage wird in diesem Abschnitt nachgegangen. Zur Verfügbarkeit des Mediums Buch gaben nur 69% aller Kinder eine Antwort, was darauf zurückzuführen ist, dass es für die Kinder ziemlich schwierig war, die Menge der zu Hause vorhandenen Bücher zu schätzen. Da die Frage offen formuliert war (Wie viele Bücher gibt es bei dir zu Hause ungefähr? (Anzahl/ Meter/ Regale voll…)), wurden die Antworten erst im Rahmen der Analyse in Kategorien gefasst. In Analogie zu einem Großteil der Antworten der Kinder 6 wurden folgende Annahmen getroffen: Ein Buchmeter besteht aus 50 Büchern (mit durchschnittlich 2cm Buchrückenbreite), und ein Regal ist einen Meter breit. Aus diesen Annahmen wurden die Kategorien für den Buchbesitz im Elternhaus abgeleitet. Wie groß der Buchbesitz in den DaM- und DaZ-Familien ist, zeigt die folgende Grafik. Abbildung 14: Buchbesitz im Elternhaus 6 Beispielsweise wurden folgende Antworten gegeben: „3 Regale voll, ca. 5m lang u. 2m hoch“ (78w1998), „4 Regale voll, ca. 200 Bücher“ (211? 2000), „500 Bücher, ? m, 8 Regale“ (258? 1998), „ein Regal, 50 Bücher ca.“ (343? 1998), „50, 1m lang 1m breit voll“ (433w1998), oder „40-50, 1 Regal ist voll“ (447w1999). 134 <?page no="135"?> Auf den ersten Blick auffallend sind die großen Unterschiede der Säulen „unter 1m“ und „mehr als 6m“ Buchbesitz: In DaZ-Haushalten sind deutlich weniger Bücher vorhanden als in DaM-Haushalten (58% zu 21% besitzen unter einen Meter Bücher), und es gibt ebenso deutlich mehr DaM- Haushalte, in denen sehr viele Bücher vorhanden sind (mehr als sechs Meter), nämlich 25% (DaM) zu 6% (DaZ). Dass sich diese Unterschiede allerdings nicht allein durch die Unterscheidung „Migrationshintergrund“ oder „kein Migrationshintergrund“ ergeben, zeigten bereits einige Studien. Tatsache ist, dass mehr DaZ- Familien einen niedrigen Sozialstatus haben als DaM-Familien. Ein großer Teil der Unterschiede der beiden Gruppen was den Buchbesitz betrifft, ist unter Berücksichtigung des Sozialstatus zu erklären 7 , wie die folgende Grafik zeigt: Abbildung 15: Buchbesitz im Elternhaus nach Sozialstatus Je höher der Sozialstatus der Familie ist, desto mehr Bücher sind vorhanden, und desto größer ist das Buchangebot für die Kinder. Während in Familien mit hohem Sozialstatus 49% der Kinder angeben, mehr als fünf Meter Bücher zu Hause zu haben, sind es in Familien mit mittlerem Sozialstatus immerhin noch 22%, und in Familien mit niedrigem Sozialstatus nur mehr 8%. 7 Aufgrund der niedrigen Zahl der Antworten zum Sozialstatus von DaZ-Kindern ist es nicht möglich, eine zuverlässige und statistisch zulässige Aufschlüsselung innerhalb der beiden Gruppen anzugeben. Daher soll hier, und auch in den weiteren Analysen, die Gesamtgruppe herangezogen werden. 135 <?page no="136"?> Umgekehrt verläuft die Kurve bei der Anzahl der Bücher, die mit „unter einem Meter“ angegeben wurde: Hier führen Familien mit niedrigem Sozialstatus die Tabelle mit 60% an, Familien mit mittlerem Sozialstatus folgen mit 31%, während es nur in 9% der Familien mit hohem Sozialstatus weniger als einen Meter Bücher zu Hause gibt. Bei der Verbindung von Buchbesitz im Elternhaus mit dem Sozialstatus ergibt sich somit eine statistische Signifikanz von p = 0,004. Vergleicht man die Sprachen, in denen - nach Angaben der DaZ-Kinder - der Großteil der Bücher im Haushalt (Angaben: n = 69) geschrieben sind, zeigt sich ein ausgeglichenes Bild: Die Bücher der Eltern sind hauptsächlich auf Deutsch (48%) oder sowohl in der Muttersprache als auch in der Zweitsprache geschrieben (42%). Zusammenfassend ist für den Buchbesitz der Familien festzustellen, dass die Anzahl der Bücher im Haushalt mit steigendem Sozialstatus ebenfalls ansteigt; DaM-Familien haben im Schnitt mehr Bücher zu Verfügung als DaZ- Familien. In DaZ-Familien sind hauptsächlich Bücher in der Zweitsprache Deutsch verfügbar, oder die Verteilung zwischen den beiden Sprachen ist ausgeglichen. 3.2.3. Buchbesitz der Kinder Ähnliche Ergebnisse wie beim Buchbesitz im Elternhaus ergibt eine Analyse der Angaben der Kinder zu ihrem eigenen Buchbesitz, wie die folgende Grafik zeigt. Auch hier wird offensichtlich, dass DaZ-Kinder im Schnitt weniger Bücher besitzen als DaM-Kinder. 136 <?page no="137"?> Abbildung 16: Buchbesitz der Kinder Der Großteil der DaM-Kinder gibt an, bis zu zwei Meter Bücher zu besitzen (68% der Kinder gaben an, unter einem Meter bis zwei Meter Bücher zu haben), während 76% der DaZ-Kinder weniger als einen Meter Bücher ihr Eigen nennt. 8 Wenn hier allerdings der Sozialstatus der Familien berücksichtigt wird, zeigt sich ein anderes Bild als zuvor, denn Kinder aus hohen und mittleren sozialen Schichten unterscheiden sich nur gering voneinander. Lediglich Kinder aus Familien mit niedrigem Sozialstatus besitzen deutlich weniger Bücher als die anderen beiden Gruppen, dies zeigt sich besonders an der Häufigkeit der Angaben, keine Bücher zu besitzen. Eine Analyse des Buchbesitzes der Kinder nach Geschlecht ergibt folgende Unterschiede: Mädchen besitzen mehr Bücher als Burschen, allerdings besteht der Hauptunterschied der beiden Gruppen im Nicht-Vorhandensein von Büchern. 15% der Burschen geben an, keine Bücher zu besitzen, während nur 4% der Mädchen das von sich behaupten, wie die folgende Grafik illustriert. 8 Die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,000. 137 <?page no="138"?> Abbildung 17: Buchbesitz der Kinder nach Geschlecht Die Tendenzen im Buchbesitz gehen dahin, dass Mädchen generell mehr Bücher besitzen als Burschen, dies zeigt auch die oben stehende Grafik, und wird durch eine statistische Signifikanz von p = 0,008 belegt. Ein großer Zusammenhang besteht hingegen bei einem Vergleich mit dem Buchbesitz im Elternhaus. 9 Je mehr Bücher im Elternhaus vorhanden sind, desto wahrscheinlicher ist es auch, dass das Kind selbst viele Bücher besitzt. Beispielsweise besitzen 90,2% der Kinder aus einem Elternhaus mit einem Buchbesitz von unter einem Meter ebenfalls unter einen Meter Bücher, und 71,4% der Kinder aus Haushalten mit keinem Buchbesitz ebenfalls keine Bücher. Im Vergleich dazu stammen alle Kinder, die über vier Meter Bücher besitzen, aus Haushalten mit einem Buchbesitz, der ebenfalls über vier Meter beträgt. Inwiefern sich der Buchbesitz der Kinder im Altersverlauf 10 verändert, zeigen die folgenden beiden Grafiken. Dabei wurden die Mittelwerte (der Durchschnitt) der Angaben der Kinder zu ihrem Buchbesitz getrennt nach dem Alter berechnet, und mittels eines Liniendiagramms grafisch dargestellt. Bei der Berechnung wurden Kategorien verwendet, denen für die Mittelwertbestimmung ein Zahlenwert zugewiesen wurde. 11 Ein hoher Wert 9 Dies belegt auch die Statistik: Es besteht eine statistische Signifikanz von p = 0,000. 10 Die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,000. 11 Kategorie 0: keine Bücher; Kategorie 1: bis 10 Bücher; Kategorie 2: unter 1 Meter; Kategorie 3: 1-2 Meter; Kategorie 4: 3-4 Meter; Kategorie 5: über 4 Meter. 138 <?page no="139"?> steht auch für eine hohe Anzahl von Büchern. Beispielsweise ergibt der errechnete Mittelwert von = 1,9139 der 12-jährigen DaM-Kinder, dass diese im Durchschnitt einen Buchbesitz von knapp unter einem Meter haben. Abbildung 18: Buchbesitz Kinder DaM im Altersverlauf Abbildung 19: Buchbesitz Kinder DaZ im Altersverlauf Im Alter von 12 Jahren sind die Mittelwerte der beiden Gruppen annähernd gleich hoch und liegen bei = 1,9139 (DaM) und = 1,9003 (DaZ). Die Werte sinken bei den 13-Jährigen dramatisch, und während sich der Buchbesitz der DaM-Kinder im Alter von 14 Jahren wieder erholt, und bei den 15- Jährigen sogar über den Werten der 12-Jährigen liegt, bleibt der durchschnittliche Buchbesitz der DaZ-Kinder auch in den folgenden Alterskategorien gleich niedrig. DaM- und DaZ-Kinder erleben also gemeinsam zwischen dem zwölften und dreizehnten Lebensjahre eine Lesekrise was den 139 <?page no="140"?> Buchbesitz anbelangt, der Unterschied liegt aber in der Bewältigung der Krise, die den DaM-Kindern offenbar besser gelingt als den DaZ-Kindern. Auch beim Buchbesitz der Kinder wurde nach den Sprachen gefragt, in denen die Bücher hauptsächlich geschrieben sind. Interessant ist hier, dass die Zweitsprache Deutsch eindeutig überwiegt (72%), während die sprachliche Verteilung der Bücher im Elternhaus ausgeglichen ist. Daraus lässt sich schließen, dass die Kinder offenbar tiefer in ihrer Zweitsprache Deutsch verwurzelt sind als in ihren jeweiligen Erstsprachen. Ein Vergleich mit den Daten von Lesefreude und Leseselbstkonzept findet sich in den jeweiligen Abschnitten weiter unten. Die Höhe des Buchbesitzes der Kinder hängt demnach stark vom sozialen Status, dem Geschlecht und dem Buchbesitz der Eltern ab. Mädchen aus sozial höher gestellten Familien, die einen großen Buchbestand haben, besitzen deutlich mehr Bücher als Burschen aus sozial niedrigen Schichten, deren Eltern wenige Bücher besitzen. Ein Hinweis auf eine Lesekrise zwischen dem 12. und 13. Lebensjahr ist das starke Absinken des mittleren Buchbesitzes in beiden Gruppen, wobei DaM-Kinder die Krise besser bewältigen als DaZ-Kinder und der mittlere Buchbesitz wieder ansteigt. 140 <?page no="141"?> 4. Lesen in der Freizeit Nachdem nun erhoben wurde, inwieweit die SchülerInnen überhaupt Zugang zu den verschiedensten Lesemedien haben, sollen in einem weiteren Schritt detaillierte Ergebnisse zum Leseverhalten und zur Nutzung der Lesemedien vorgestellt werden. Dabei wird die Lesehäufigkeit und -quantität erhoben, weiters die Selbsteinschätzung der SchülerInnen zu ihrer Lesekompetenz in Erst- und Zweitsprache, also das Leseselbstkonzept. Danach werden Daten für die Lesefreude und die Funktionen, welche das Medium Buch bei den Heranwachsenden erfüllen kann, vorgestellt, außerdem präferierte Buchgenres und Gründe, die vom Lesen abhalten. 4.1. Mediennutzung Die Fragebogenitems im Bereich der Mediennutzung fragten nach der Häufigkeit des Lesens von Tageszeitung, Büchern, Zeitschriften und Internetseiten/ Chats 1 auf Deutsch und in der jeweiligen Erstsprache, außerdem nach der Anzahl der im letzten Jahr in der Freizeit gelesenen Bücher. 4.1.1. Nutzung der Lesemedien Tageszeitung, Buch, Zeitschrift und Internet Für die folgenden Auswertungen nach Sozialstatus, Buchbesitz der Eltern und der Kinder, sowie der Lesefreude und des Leseselbstkonzeptes, werden die Daten der Gesamtgruppe herangezogen. Bei den DaZ-Kindern konnten aufgrund der teilweise sehr geringen Gruppengrößen keine verwertbaren Daten für die jeweiligen Erstsprachen errechnet werden, deshalb wurde für diese Gruppe die Angaben der DaZ-Kinder herangezogen, die sich auf ihr Leseverhalten in der Zweitsprache Deutsch beziehen. Interessante Daten liefert eine Gegenüberstellung der Nutzung der Lesemedien mit dem Sozialstatus der Familien. Hier zeigt sich, wie die folgende Grafik belegt, dass Kinder aus Familien mit mittlerem Sozialstatus die Lesemedien Internet und Tageszeitung im Schnitt deutlich häufiger nutzen, als Kinder mit niedrigem oder hohem Sozialstatus. Bücher und Zeitschriften lesen hingegen Kinder mit hohem Sozialstatus regelmäßiger als jene mit mittlerem oder niedrigem sozialem Status, für Bücher wurde hierbei eine statistische Signifikanz von p = 0,005 festgestellt. 1 Die Fragen lauteten beispielsweise: „Ich lese oft eine Tageszeitung auf Deutsch.“ (stimmt völlig/ stimmt eher/ stimmt eher nicht/ stimmt gar nicht) 141 <?page no="142"?> Abbildung 20: Mediennutzung nach Sozialstatus Kinder mit niedrigem Sozialstaus lesen dabei am wenigsten Bücher, nämlich nur 44,4%, während 64,4% der Kinder mit mittlerem, und 64,7% jener mit hohem Sozialstatus oft Bücher lesen. Die geringsten Unterschiede sind bei der Nutzung von Zeitschriften zu erkennen, die 72,2% der Kinder mit niedrigem, 81,1% jener mit mittlerem und 82,2% der Heranwachsenden mit hohem Sozialstatus häufig lesen. Die Tageszeitung und das Internet stechen aus dieser Grafik, wie bereits erwähnt, deutlich heraus, da Kinder mit hohem Sozialstatus diese Medien gleich viel oder weniger lesen als jene mit niedrigem Sozialstatus. Für die Tageszeitung bedeutet dies, dass 61,1% der SchülerInnen mit niedrigem, aber nur 52,6% der Kinder mit hohem Sozialstatus diese häufig lesen, hinge- 142 <?page no="143"?> gen 75,5% der SchülerInnen mit mittlerem sozialem Status. Internet und Chat werden je von 66,7% der Kinder mit hohem und niedrigem Sozialstatus oft genutzt, aber von 80% jener mit mittlerem Sozialstatus. Bei einem Vergleich mit dem Buchbesitz im Elternhaus zeigt sich, dass die Lesemedien Tageszeitung und Buch häufiger von den Kindern genutzt werden, die auch mehr Bücher im Elternhaus vorfinden: Sind es 54,5% der Kinder mit unter einem Meter Bücher, die gern Bücher lesen, steigt dieser Wert auf 68,4% bei einem bis vier Metern, und auf 72,3% bei über vier Meter Buchbesitz im Elternhaus, dieser Wert ist mit p = 0,001 statistisch signifikant. Für die Tageszeitung verläuft die Kurve noch steiler, hier sind es 54,4% der Heranwachsenden mit unter einem Meter, 61,4% jener mit einem bis vier Metern, und 78,9% der SchülerInnen mit über vier Metern verfügbarer Bücher im Elternhaus, die häufig eine Tageszeitung lesen, die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,000. Abbildung 21: Mediennutzung nach Buchbesitz im Elternhaus 143 <?page no="144"?> Für Zeitschriften sind keine großen prozentuellen Veränderungen bei im Haushalt vorhandenen Büchern festzustellen, in allen drei Gruppen nutzen zwischen 75% und 79% der Kinder dieses Medium; bei keinen Büchern im Haushalt sind es ebenfalls noch 71,5%. Die Nutzung von Internet und Chat verläuft aber sehr interessant, da die Nutzungshäufigkeit mit steigendem Buchbesitz im Elternhaus sinkt: 99,9% der Kinder mit keinen Büchern im Elternhaus nutzen dieses elektronische Lesemedium, 75% jener mit unter einem Meter, 69,3% mit einem bis vier Metern, und 68,4% der Kinder mit über vier Metern Bücher im Elternhaus. Parallel dazu verläuft ein Vergleich mit dem Buchbesitz der Kinder, weshalb auf eine weitere grafische Darstellung verzichtet wird. Alle vier Lesemedien zeigen hierbei eine gleiche Entwicklung wie oben dargestellt, nur wurden andere statistische Signifikanzen festgestellt: Für die Tageszeitung und Bücher wurde eine Signifikanz von p = 0,000 errechnet, für Zeitschriften ein Wert von p = 0,003. Berücksichtigt man bei der Mediennutzung die Lesefreude der SchülerInnen, zeigt sich, dass vor allem die Nutzung des Buches stark von der Lesefreude abhängt: Während nicht einmal ein Drittel der Kinder mit niedriger Lesefreude, nämlich 30,3%, angeben, häufig Bücher zu lesen, sind es 94,3% jener mit hoher Lesefreude, die statistische Signifikanz beträgt p = 0,000. Die Lektüre von Tageszeitung und Zeitschriften ist nur mäßig von der Lesefreude abhängig, die Unterschiede in der Nutzung von Kindern mit hoher und niedriger Lesefreude betragen hier unter 10%. Ein umgekehrter Trend zeichnet sich hingegen für die Nutzung von Internet und Chat ab, die für Kinder mit niedriger Lesefreude am meisten genutzt werden, dies geben 77,7% der Kinder an, während 64,9% jener mit hoher Lesefreude häufig diese elektronischen Medien verwenden, die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,006. 144 <?page no="145"?> Abbildung 22: Mediennutzung nach Lesefreude DaM- und DaZ-Kinder unterscheiden sich in ihrer Nutzung von deutschsprachigen Lesemedien nur wenig voneinander, wie die unten stehende Grafik zeigt. Die Prozentangaben geben an, wie viele SchülerInnen die Frage mit „stimmt völlig“ oder „stimmt eher“ beantwortet haben, beispielsweise lesen 67,1% der DaM-Kinder oft Tageszeitungen, aber nur 54,7% der DaZ- Kinder. 145 <?page no="146"?> Abbildung 23: Mediennutzung Deutsch DaM/ DaZ Es zeigt sich, dass DaM-Kinder häufiger Tageszeitungen und Zeitschriften lesen, während SchülerInnen mit nicht-deutscher Muttersprache öfter zu Büchern greifen oder Texte im Internet lesen. Die Unterschiede zwischen DaM und DaZ sind hierbei aber nicht so groß wie jene der DaZ-Kinder bei der Differenzierung zwischen den einzelnen Sprachen, wie die folgende Grafik zeigt. Abbildung 24: Mediennutzung DaZ 146 <?page no="147"?> Die Grafik belegt eindeutig, dass DaZ-Kinder häufiger Texte in ihrer Zweitsprache Deutsch lesen, als in ihrer Erstsprache. Besonders trifft dies auf die klassischen Printmedien zu, während Texte im Internet bzw. Chats von fast der Hälfte der Kinder (46%) auch in ihrer Erstsprache genutzt werden. Dies könnte auf die leichtere Verfügbarkeit von Online-Inhalten zurückzuführen sein. Um detailliertere Informationen über die Mediennutzung der SchülerInnen zu erhalten, soll nun auf die Entwicklungen im Altersverlauf eingegangen werden. Zunächst wird in der folgenden Abbildung die Entwicklung der DaM-Kinder dargestellt. Die farbigen Balken symbolisieren die vier ausgewählten Lesemedien Tageszeitung, Buch, Zeitschrift und Internet, die horizontale Achse stellt den Zeitverlauf dar. Die Prozentangaben geben auch hier an, wie viele Prozent der SchülerInnen die Frage nach den Lesemedien mit „stimmt völlig“ oder „stimmt eher“ beantwortet haben. Abbildung 25: Mediennutzung im Altersverlauf DaM Bei Kindern mit deutscher Muttersprache sind zwei Tendenzen klar erkennbar: Die Beliebtheit des Lesens von Hypertexten und Chats steigt im Altersverlauf rapide an, während alle anderen Lesemedien spätestens ab dem 13. Lebensjahr der Kinder mehr oder weniger rasant abfallen. 147 <?page no="148"?> Besonders stark sinkt die Beliebtheit von Büchern: Während noch 79,6% der 12-Jährigen angeben, oft Bücher zu lesen, sind es bei den 15-Jährigen nur mehr 32,6%. Zeitschriften bleiben bei den 12bis 14-Jährigen relativ konstant bei rund 81% Beliebtheit, und liegen bei den 15-Jährigen nur bei 65,9%. Die Tageszeitung steigt zunächst um zwölf Prozentpunkte an, um bei den 14- und 15-Jährigen allmählich wieder auf den Ausgangsstand von 60% zurückzukehren. Der Höhenflug des Internets ist zwischen dem 12. und 13. Lebensjahr noch verhalten, die Beliebtheit steigt um vier Prozentpunkte von 55% auf 59%, um in den folgenden zwei Jahren auf 80% und 90,6% zu steigen. Die Reihenfolge der beliebtesten Lesemedien ändert sich somit im Verlauf der vier Jahre grundlegend: Während bei den 12-Jährigen Zeitschriften und Bücher an erster Stelle liegen, gefolgt von der Tageszeitung und dem Internet, so steht das Internet bei den 15-Jährigen in der Beliebtheit ganz oben, gefolgt von Zeitschriften und Tageszeitungen, und das Buch liegt auf dem abgeschlagenen letzten Platz. Eine ähnliche Entwicklung zeigt das Leseverhalten von DaZ-Kindern in ihrer Zweitsprache Deutsch, wie die unten stehende Grafik belegt: Die Beliebtheit des Lesens von Büchern sinkt im Altersverlauf, in den ersten drei Jahren (vom 12. bis 14. Lebensjahr) noch gemächlich, um im Übergang vom 14. zum 15. Lebensjahr von 68% auf 50% um rund 18 Prozentpunkte zu fallen. Die Beliebtheit von Texten im Internet und von Zeitschriften steigt zwischen dem 12. und 13. Lebensjahr deutlich an, nämlich jeweils um rund 25 Prozentpunkte; in den folgenden Jahren ist ebenso eine leichte Tendenz nach oben zu erkennen. Die Tageszeitung etabliert sich als beliebtes Lesemedium erst spät, zwischen dem 14. und 15. Lebensjahr steigt die Beliebtheit um rund 14% und überholt das Medium Buch. Abbildung 26: Mediennutzung im Altersverlauf DaZ Dt. 148 <?page no="149"?> Die beliebtesten Lesemedien von DaZ-Kindern in ihrer Zweitsprache Deutsch ist bei den Zwölfjährigen das Buch, gefolgt von Tageszeitung und Internet/ Chat, und von Zeitschriften. Nach vier Jahren hat sich auch hier die Reihenfolge grundlegend geändert: Am beliebtesten ist das Lesen im Internet, gefolgt von Zeitschriften und der Tageszeitung, das Buch liegt an der letzten Stelle. Eine andere Entwicklung zeigt sich bei der Mediennutzung der DaZ- Kinder in ihren jeweiligen Erstsprachen (siehe folgende Grafik). Deutlich wurde bereits, dass in den jeweiligen Erstsprachen weniger gelesen wird als in der Zweitsprache Deutsch. Allerdings steigt die Beliebtheit des Lesens in der Erstsprache im Altersverlauf deutlich, zumindest was die Medien Internet, Zeitschriften und Tageszeitung betrifft, wobei das Internet die größte Steigerung erfährt (von 26,6% auf 75%). Zeitschriften steigen immerhin von 20% auf 40%. Die Entwicklung der Tageszeitung ist besonders interessant, da die Beliebtheit in den ersten drei Jahren von 13,3% auf 23,1% steigt, aber bei den 15-Jährigen wieder um 5% auf 18,2% sinkt. Das Buch ist auch hier anfänglich mit 26,7% das beliebteste Lesemedium, kann bei den 13-Jährigen sogar um zwei Prozentpunkte dazugewinnen, sinkt dann aber schlagartig auf 18,5% bzw. 18,2% bei den 15-Jährigen ab. Abbildung 27: Mediennutzung im Altersverlauf DaZ L1 Betrachtet man die folgenden beiden Tabellen, fällt ein Detail sofort ins Auge: So verschieden die beliebtesten Lesemedien bei den 12-jährigen DaM- und DaZ-Kindern auch sind, im Alter von 15 Jahren haben sich die Interessen der Jugendlichen angeglichen, sowohl zwischen DaM- und DaZ- 149 <?page no="150"?> Kindern, als auch bei DaZ-Kindern zwischen Erst- und Zweitsprache. Ebenso ist festzustellen, dass die 15-jährigen DaZ-Kinder prozentuell in ihrer Zweitsprache Deutsch lieber lesen als es DaM-Kinder tun, diese Ergebnisse ziehen sich durch alle vier untersuchten Lesemedien. In allen Kategorien sind es DaZ-Kinder, welche die angegebenen Lesemedien lieber lesen als DaM-Kinder: Beim Lesemedium Internet ist die Differenz nur gering, die Beliebtheit liegt in beiden Gruppen bei über 90%. Bei Zeitschrift und Tageszeitung liegen die Unterschiede zwischen 7% und 9%. Besonders große Differenzen in der Beliebtheit gibt es beim Buch, bei DaZ-Kindern ist es um knapp 18% beliebter als bei DaM-Kindern. Das Lesen in der jeweiligen Erstsprache ist für die Kinder, wie bereits mehrmals erwähnt, deutlich unbeliebter. Trotzdem geben 75% der 15-jährigen DaZ-Kinder an, gerne Texte in Internet zu lesen. Zeitschriften sind bei 40% Beliebtheit angesiedelt, während Tageszeitung und Buch weit abgeschlagen bei jeweils 18,2% rangieren. DaM 15 J. DaZ Dt. 15 J. DaZ L1 15 J. 1. Internet/ Chat (90,6%) Internet/ Chat (91,7%) Internet/ Chat (75%) 2. Zeitschrift (65,9%) Zeitschrift (75%) Zeitschrift (40%) 3. Tageszeitung (59,1%) Tageszeitung (66,6%) Tageszeitung (18,2%); Buch (18,2%) 4. Buch (32,6%) Buch (50%) Tabelle 6: Mediennutzung 15-Jährige Die beliebtesten Lesemedien bei den 12-Jährigen sind in den drei Gruppen durchwegs verschieden (siehe folgende Tabelle): Bei DaM-Kindern steht die Zeitschrift mit 81,6% an der Spitze, während sie bei DaZ-Kindern auf dem letzten Platz rangiert (46,7%). Im Vergleich zu den 15-Jährigen sind es hier die DaM-Kinder, bei denen das Lesen beliebter ist; die Prozentzahlen sind in allen Kategorien höher. Bei einem Vergleich der DaZ-Kinder zwischen den Erstsprachen und der Zweitsprache Deutsch, ist wie auch bei den 15- Jährigen die Erstsprache weit abgeschlagen. Allerdings sind die beliebtesten Lesemedien ähnlich, das Buch liegt vor dem Lesen im Internet. In der Erstsprache hat die Zeitschrift in der Beliebtheitsskala die Tageszeitung überholt. 150 <?page no="151"?> DaM 12 J. DaZ Dt. 12 J. DaZ L1 12 J. 1. Zeitschrift (81,6%) Buch (79,7%) Buch (26,7%) 2. Buch (79,6%) Tageszeitung (53,3%); Internet/ Chat (53,3%) Internet/ Chat (26,6%) 3. Tageszeitung (60,5%) Zeitschrift (20%) 4. Internet/ Chat (55,3%) Zeitschrift (46,7%) Tageszeitung (13,3%) Tabelle 7: Mediennutzung 12-Jährige Interessante Differenzen in der Beliebtheit der Lesemedien ergeben sich im Geschlechtervergleich: Während bei DaM-Kindern Bücher und Zeitschriften bei den Mädchen beliebter sind, ist die Tageszeitung und das Lesen im Internet bei den Burschen weitaus populärer. Ein deutlicher Geschlechterunterschied bei allen untersuchten Lesemedien ist hingegen bei den DaZ- Kindern für das Lesen auf Deutsch zu konstatieren, denn hier lesen Mädchen durchwegs lieber als Burschen, egal, welches Lesemedium untersucht wird. Ähnliches gilt auch für das Lesen in der Erstsprache, allerdings sind hier deutlich mehr Burschen am Lesen im Internet interessiert als die Mädchen. Bei der Berücksichtigung des Leseselbstkonzepts 2 wird in dieser Auswertung ebenfalls zwischen den beiden Gruppen der DaM- und DaZ-Kinder unterschieden, in der Gruppe der DaZ-Kinder ebenso zwischen dem Leseselbstkonzept in den beiden Sprachen, und der Nutzung der Medien in den beiden Sprachen. Für die Gruppe der DaM-Kinder zeigt sich wenig überraschend, dass die Nutzung von Büchern und der Tageszeitung mit steigendem Leseselbstkonzept ebenfalls häufiger erfolgt: Während keines der Kinder mit niedrigem Leseselbstkonzept häufig Tageszeitungen liest, steigt dieser Wert auf 63,6% bei mittlerem, auf 72,5% bei hohem Leseselbstkonzept, die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,025. Für Bücher verläuft die Kurve weniger steil nach oben, hier gibt es zwischen niedrigem und mittlerem Leseselbstkonzept wenig Differenzen (50% und 52,6%), allerdings lesen deutlich mehr Kinder mit hohem Leseselbstkonzept, nämlich 72,5%, häufig Bücher, die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,000. 2 In den folgenden Grafiken wird das Leseselbstkonzept mit der Abkürzung „LSK“ bezeichnet. 151 <?page no="152"?> Abbildung 28: Mediennutzung nach Leseselbstkonzept DaM Zeitschriften und Internet/ Chat werden von DaM-Kindern mit niedrigem Leseselbstkonzept häufiger gelesen, als von Kindern mit mittlerem und hohem Leseselbstkonzept. Für die Zeitschriften gilt, dass alle Kinder mit niedrigem, aber nur 73,8% jener mit mittlerem, und 84,3% der SchülerInnen mit hohem Leseselbstkonzept häufig dieses Medium nutzen; ähnlich bei Internet/ Chat, was ebenfalls von allen Kindern mit niedrigem Leseselbstkonzept genutzt wird, aber nur von 69% jener mit mittlerem, und 68% der Heranwachsenden mit hohem Leseselbstkonzept. 152 <?page no="153"?> Abbildung 29: Mediennutzung nach Leseselbstkonzept DaZ Dt. In der Gruppe der DaZ-Kinder schätzt kein Kind sein Leseselbstkonzept in der Zweitsprache Deutsch als niedrig ein. Für die Häufigkeit der Nutzung der verschiedenen Lesemedien gilt auch hier, ähnlich wie in der Gruppe der DaM-Kinder, dass die meisten Lesemedien, mit Ausnahme von Internet/ Chat, in der Zweitsprache Deutsch häufiger genutzt werden, je höher das Leseselbstkonzept ist. Hierbei lesen 53,9% der Kinder mit mittlerem, und 61,9% mit hohem Leseselbstkonzept häufig Tageszeitungen auf Deutsch; 66% der SchülerInnen mit mittlerem, und 81% mit hohem Leseselbstkonzept häufig Bücher, und 66,7% jener mit mittlerem, und 71,5% jener mit hohem Leseselbstkonzept häufig Zeitschriften. Umgekehrt verhält es sich bei Internet/ Chat, das 82,7% der Heranwachsenden mit mittlerem, aber nur 66,7% jener mit hohem Leseselbstkonzept häufig verwenden. 153 <?page no="154"?> Abbildung 30: Mediennutzung nach Leseselbstkonzept DaZ L1 Diese Entwicklung zeigt sich bei einem Vergleich in der Erstsprache nicht, wie die oben stehende Grafik belegt. In allen Fällen steigt die Nutzungshäufigkeit mit steigendem Leseselbstkonzept. Es geben 15,6% der SchülerInnen mit mittlerem Leseselbstkonzept an, häufig eine Tageszeitung in der Erstsprache zu lesen, dieser Wert steigt auf 31,3% bei jenen mit hohem Leseselbstkonzept, und es besteht eine statistische Signifikanz von p = 0,022. Dies gilt ebenfalls für Bücher in der Erstsprache, die von 21,7% der Kinder mit mittlerem, und 37,5% jener mit hohem Leseselbstkonzept oft gelesen werden, die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,005. Ebenso verhält es sich bei Zeitschriften, 24,4% der SchülerInnen mit mittlerem Leseselbstkonzept lesen diese häufig, und 50,1% jener mit hohem Leseselbstkonzept, bei einer statistischen Signifikanz von p = 0,017. Für Internet/ Chat ist auffallend, dass diese auch von Kindern mit niedrigem Leseselbstkonzept genutzt werden, dies geben 33,4% der SchülerInnen dieser Gruppe an. Dieser Wert steigt ebenfalls bei steigendem Leseselbstkonzept, 43,5% der Kinder mit mittlerem, und 45,4% jener mit hohem Leseselbstkonzept lesen häufig im Internet oder chatten. Zusammenfassend lässt sich für die Nutzung von Tageszeitung, Buch, Zeitschriften und Internet/ Chat feststellen, dass DaM-Kinder häufiger die Ta- 154 <?page no="155"?> geszeitung und Zeitschriften lesen; DaZ-Kinder lesen eher Bücher und im Internet, allerdings häufiger in der Zweitsprache Deutsch. Weiters wirkt sich der Buchbesitz der Eltern und der Kinder auf die Nutzung von Tageszeitung und Buch aus. Der Sozialstatus hat insofern einen Einfluss, als dass Kinder mit mittlerem Sozialstatus sämtliche Medien häufiger nutzen als alle anderen. Mit steigender Lesefreude werden häufiger Bücher, Tageszeitung und Zeitschriften gelesen, und seltener im Internet. Das Leseselbstkonzept bewirkt bei DaM-Kindern, dass mit steigendem Leseselbstkonzept mehr Bücher und die Tageszeitung, und weniger Zeitschriften und im Internet gelesen werden; bei DaZ-Kindern in der Erstsprache steigt mit steigendem Leseselbstkonzept die Beliebtheit aller Lesemedien an. In der Gruppe der DaM-Kinder lesen Mädchen häufiger Bücher und Zeitschriften; in der Gruppe der DaZ-Kinder lesen Mädchen alle Medien häufiger als Burschen. Im Altersverlauf ist für DaM-Kinder für die Tageszeitung ein Leseknick zwischen dem 12. und 13. Lebensjahr zu beobachten, für Bücher ab dem 12. Lebensjahr, Zeitschriften zwischen dem 14. und 15. Lebensjahr, und für das Internet im Alter von 12 und 13. Bei DaZ-Kindern in der Zweitsprache Deutsch ist für die Tageszeitung zwischen dem 14. und 15. Lebensjahr, für Bücher ab dem 12. Lebensjahr, und für Zeitschriften und das Internet zwischen dem 12. und 13. Lebensjahr ein Knick festzustellen. Für die Erstsprache sind Leseknicks für Tageszeitung, Bücher und Internet zwischen dem 13. und 14. Lebensjahr angesiedelt, und für Zeitschriften im Alter von 14 und 15 Jahren. 4.1.2. Gelesene Bücher in der Freizeit Im Rahmen der Fragebogenuntersuchung wurde auch erhoben, wie viele Bücher die Kinder im vergangenen Jahr in der Freizeit gelesen hatten. Diese Frage wurde offen gestellt und erst bei der Auswertung in Kategorien zusammengefasst. Zu Beginn soll die Zahl der gelesenen Bücher innerhalb der beiden Gruppen der DaM- und DaZ-Kinder gegenübergestellt werden, wie die folgende Grafik illustriert. 155 <?page no="156"?> Abbildung 31: Anzahl gelesener Bücher DaM/ DaZ In der Gruppe der DaM-Kinder werden deutlich mehr Bücher gelesen, als bei den DaZ-Kindern: Sind es bei den DaZ-Kindern 51%, die ein bis vier Bücher im vergangenen Jahr gelesen haben, beträgt dieser Wert bei den DaM-Kindern nur 31%; ebenso verhält es sich bei dem Anteil der Heranwachsenden, die keine Bücher gelesen haben, dies sind bei den DaM- Kindern 9%, und bei den DaZ-Kindern 14%. Fünf bis sieben Bücher haben 19% der DaM-, und 12% der DaZ-Kinder gelesen, und über sieben Bücher 41% der DaM-Kinder, und 23% der DaZ-Kinder. Abbildung 32: Anzahl gelesener Bücher nach Lesefreude 156 <?page no="157"?> Erwartungsgemäß fällt ein Vergleich mit der Lesefreude der Kinder aus: Je höher die Lesefreude, desto mehr Bücher werden gelesen, und je niedriger die Lesefreude, desto weniger Bücher, die statistische Signifikanz beträgt p = 0,000. Anhand der oben stehenden Grafik zeigt sich, dass in der Gruppe der Kinder, die ein bis vier Bücher gelesen haben, 74,3% eine niedrige Lesefreude haben, während sich die Werteverteilung bei steigender Bücherzahl umdreht, und die Mehrzahl der Kinder eine hohe Lesefreude haben. Dies trifft auf 55,6% der Kinder zu, die fünf bis sieben Bücher gelesen haben, und auf 86% jener, die über sieben Bücher gelesen haben. Abbildung 33: Anzahl gelesener Bücher nach Leseselbstkonzept Parallel dazu ist die Auswertung nach dem Leseselbstkonzept der SchülerInnen zu verstehen, in welche die Angaben der Gesamtgruppe zu ihrem Leseselbstkonzept Deutsch mit einbezogen wurden. Auch hier zeigt sich: Je höher das Leseselbstkonzept, desto mehr Bücher werden gelesen, die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,000. Sind es bei niedrigem Leseselbstkonzept noch jeweils 50% der SchülerInnen, die ein bis vier bzw. fünf bis sieben Bücher gelesen haben, steigen die Werte in den anderen beiden Gruppen. Hierbei lesen 44% der Kinder mit mittlerem Leseselbstkonzept ein bis vier 157 <?page no="158"?> Bücher, 18,7% fünf bis sieben Bücher, und mehr als ein Viertel, nämlich 26,4%, mehr als sieben Bücher. Allerdings sind in dieser Gruppe auch Kinder anzutreffen, die kein Buch gelesen haben, nämlich 11%. Die meisten Bücher haben Kinder mit hohem Leseselbstkonzept gelesen. Hier geben 21% der Kinder an, ein bis vier Bücher gelesen zu haben, 15,1% zwischen fünf und sieben Bücher, und sogar 54,6%, die über sieben Bücher gelesen haben. Auch hier geben 9,2% an, keine Bücher gelesen zu haben. Im Geschlechtervergleich wird deutlich, dass Mädchen in ihrer Freizeit mehr lesen als Burschen, 43% geben an, mehr als sieben Bücher gelesen zu haben, während dies nur 29% der Burschen tun. Der Großteil der Burschen ist in der Gruppe „1 bis 4 Bücher“ angesiedelt, nämlich 35,3%. Überdurchschnittlich hoch ist der Anteil der Burschen, die keine Bücher gelesen haben, nämlich 21%, während nur 7% der Mädchen dies von sich behaupten. Der Zusammenhang zwischen dem Geschlecht und der Anzahl der gelesenen Bücher ist auch von statistischer Signifikanz (p = 0,003). Abbildung 34: Anzahl gelesener Bücher DaM Die oben stehende Grafik zeigt die Entwicklung der Anzahl der gelesenen Bücher von DaM-Kindern im Altersverlauf. Im Alter von 12 Jahren gibt es noch keine Kinder, die angeben, keine Bücher gelesen zu haben; der Großteil 158 <?page no="159"?> der Kinder, nämlich 53,1%, hat über sieben Bücher gelesen. Im Altersverlauf sinkt die durchschnittliche Anzahl der gelesenen Bücher, besonders drastisch zwischen dem 14. und 15. Lebensjahr. Die Anzahl der NichtleserInnen steigt, vor allem mit dem 14. Lebensjahr: Hier geben bereits 16,5% der DaM- Kinder an, keine Bücher gelesen zu haben, bei den 15-Jährigen sind es schon über 23%. Die Lesekrise, was das Lesen von Büchern betrifft, ist demnach bei DaM-Kindern zwischen dem 13. und 14. Lebensjahr anzusiedeln. Abbildung 35: Anzahl gelesener Bücher DaZ Bei DaZ-Kindern ist die Situation ähnlich, wie die oben stehende Grafik veranschaulicht: Bei den 12-Jährigen lesen, ebenso wie in der Gruppe der DaM-Kinder, die meisten Heranwachsenden (50%) über sieben Bücher. Der Buchleseknick manifestiert sich in dieser Gruppe aber schon zwischen dem 12. und 13. Lebensjahr, fast ein Viertel der Kinder mit 13 Jahren gibt an, keine Bücher gelesen zu haben, während 50% ein bis vier Bücher gelesen haben. Interessant ist, dass bei den 15-Jährigen der Anteil der VielleserInnen wieder ansteigt, während kein Kind mehr angibt, kein Buch gelesen zu haben. 159 <?page no="160"?> Die Untersuchung zeigt, dass der Buchleseknick bei DaZ-Kindern früher als bei DaM-Kindern einsetzt und drastischere Auswirkungen auf die Zahl der gelesenen Bücher hat. Welchen familiären Hintergrund haben nun Kinder, die viel lesen, und Kinder, die wenig lesen? Vergleicht man die Anzahl der im vergangenen Jahr gelesenen Bücher mit dem Sozialstatus der Kinder, so zeigt sich, dass die meisten Bücher von Kindern mit mittlerem Sozialstatus gelesen werden. Die meisten Kinder, die keine Bücher gelesen haben, sind dem niedrigem Sozialstatus zuzuordnen, hierbei handelt es sich um 28,6%. Allerdings lesen auch jeweils 35,7% der Kinder dieser Gruppe zwischen einem und vier, und über sieben Bücher. In der Gruppe der SchülerInnen mit mittlerem Sozialstatus haben 6,8% keine Bücher im vergangenen Jahr gelesen, allerdings 32,9% ein bis vier Bücher, 13,7% zwischen fünf und sieben Büchern, und sogar 46,6% über sieben Bücher. Dies wird von Kindern mit hohem Sozialstatus nicht aufgeholt, 9,1% von ihnen haben kein Buch gelesen, 29,5% ein bis vier Bücher, 22,7% zwischen fünf und sieben Büchern, und 38,6% über sieben Büchern. Abbildung 36: Anzahl gelesener Bücher nach Sozialstatus 160 <?page no="161"?> Statistisch signifikant ist der Zusammenhang mit dem Buchbesitz im Elternhaus (p = 0,000). Dies bedeutet, dass Kinder, die in ihrem Elternhaus Zugang zu einer großen Menge an Büchern haben, auch in ihrer Freizeit mehr Bücher lesen, als Kinder, die nur wenige Bücher zu Hause haben. So ist der größte Anteil der Nicht-LeserInnen (48%) in Haushalten zu finden, die über unter einen Meter Bücher verfügen; umgekehrt stammen die meisten Kinder, die über sieben Bücher gelesen haben (28,7%) aus Elternhäusern mit mehr als sechs Metern Bücher. Ähnliches zeigt sich bei einem Vergleich mit dem Buchbesitz der Kinder: Ein Großteil der Kinder, die keine Bücher besitzen, gehören auch zu den NichtleserInnen (45,2%), ebenso Kinder, die nur wenige Bücher besitzen (bis zu 10 Bücher: 38,4% geben an, keine Bücher zu lesen). Umgekehrt sind Kinder, die vergleichsweise viele Bücher besitzen, auch interessierter an der Tätigkeit des Lesens: 57,6% der Kinder, die angeben, über 7 Bücher im letzten Jahr gelesen zu haben, besitzen über einen Meter Bücher. Zusammenfassend lässt sich zur Mediennutzung der SchülerInnen sagen, dass sich sowohl im Altersverlauf als auch im Geschlechtervergleich deutliche Unterschiede ergeben, ebenso im Vergleich von DaM- und DaZ- Kindern. Wichtige Faktoren für die Mediennutzung, vor allem für das Buchlesen, sind der Buchbestand im Elternhaus und der Buchbesitz der Kinder selbst: Für jemanden, der einen erleichterten Zugang zum Medium Buch hat, ist es auch wahrscheinlicher, einE GewohnheitsleserIn zu werden. Was die Sprachen der gelesenen Bücher betrifft, decken sich die Ergebnisse mit den Angaben der Kinder zu den Büchern, die sie selbst besitzen. 70,3% der DaZ-Kinder gibt an, Bücher auf Deutsch gelesen zu haben, und 28,1%, Bücher gleichermaßen auf Deutsch als auch in der Muttersprache gelesen zu haben. Im Geschlechtervergleich zeigt sich, dass Mädchen häufiger als Burschen zu Büchern in der Erstsprache greifen: 66,7% der Burschen und 60% der Mädchen lesen nur Bücher auf Deutsch während 40% der Mädchen, und nur 28,6% der Burschen zu Texten in beiden Sprachen gleichermaßen greifen. Bücher nur in der Erstsprache lesen 4,8% der Burschen. Eine Analyse nach Sozialstatus ist in diesem Fall nicht zielführend, in allen drei Gruppen werden hauptsächlich Bücher auf Deutsch gelesen. Bezieht man die Lesefreude der SchülerInnen in die Analyse mit ein, zeigen sich keine großen Unterschiede zwischen Kindern mit hoher und niedriger Lesefreude, es lässt sich lediglich feststellen, dass SchülerInnen mit niedriger Lesefreude häufiger Texte auf Deutsch lesen (21,4%) und seltener Bücher in beiden Sprachen gleichermaßen (21,4%), während SchülerInnen mit hoher Lesefreude häufiger Bücher in beiden Sprachen gleichermaßen lesen (33,3%), und etwas seltener Bücher nur in der Zweitsprache Deutsch (66,7%). 161 <?page no="162"?> Aufschlussreicher ist ein Vergleich mit dem Buchbesitz der Eltern. Je mehr Bücher vorhanden sind, desto häufiger werden Texte auf Deutsch gelesen: In der Gruppe der SchülerInnen, die über vier Meter Bücher zu Hause haben, lesen 100% Bücher auf Deutsch, während dies 71,4% der Kinder mit einem bis vier Metern Bücher, 69,2% jener mit unter einem Meter, und 50% der Kinder mit keinen Büchern zu Hause angeben. Parallel dazu sinkt der Anteil jener SchülerInnen, die beide Sprachen gleichermaßen lesen, mit steigendem Buchbesitz ab, wie die folgende Grafik illustriert. Abbildung 37: Sprachen gelesene Bücher nach Buchbesitz Elternhaus Parallel dazu verhält es sich bei einem Vergleich mit dem Buchbesitz der SchülerInnen selbst, auch hier steigt die Anzahl jener, die Bücher nur in der Zweitsprache Deutsch lesen, mit steigendem Buchbesitz an, während die Beliebtheit des Lesens in beiden Sprachen gleichermaßen absinkt. Zwei parallele Tendenzen sind bei Berücksichtigung des Leseselbstkonzeptes in Erst- und Zweitsprache ersichtlich, wie die folgende Grafik zeigt. 162 <?page no="163"?> Abbildung 38: Sprachen gelesene Bücher nach LSK Je höher das Leseselbstkonzept der SchülerInnen in der Zweitsprache Deutsch ist, desto häufiger werden Bücher auf Deutsch gelesen, während das Lesen in beiden Sprachen gleichermaßen an Beliebtheit abnimmt. Für die Erstsprache gilt, je höher das Leseselbstkonzept, desto häufiger wird in beiden Sprachen gelesen, und desto seltener in der Zweitsprache Deutsch. 163 <?page no="164"?> Im Altersvergleich zeigt sich deutlich, dass im Alter von 14 Jahren mit der Erstsprache experimentiert wird: Ist davor eine deutliche Dominanz der Zweitsprache Deutsch zu registrieren, zeigt sich beim 14. Lebensjahr eine zunehmende Beliebtheit von Büchern in beiden Sprachen gleichermaßen. Diese Entwicklung ist allerdings nicht von Dauer, es handelt sich dabei um ein kurzes Experimentieren mit der Erstsprache, das danach wieder aufgegeben wird. Abbildung 39: Sprachen gelesene Bücher im Altersverlauf DaZ Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Zweitsprache Deutsch bei den gelesenen Büchern deutlich dominiert, wobei Mädchen und Kinder mit einem hohen Buchbesitz eher mit der Erstsprache experimentieren und mehrfach Bücher in beiden Sprachen gleichermaßen lesen. Dies zeigt sich darüber hinaus bei einem Vergleich mit dem Leseselbstkonzept: Je höher das Selbstvertrauen der Kinder in ihre Sprachfähigkeiten in den jeweiligen Sprachen ist, desto eher wird auch in dieser Sprache gelesen. Im Altersvergleich ist ein punktuelles Experimentieren mit der Erstsprache im Alter von 14 Jahren erkennbar. 4.2. Leseselbstkonzept Im Rahmen der Fragebogenuntersuchung wurden die SchülerInnen auch zu ihrer Einschätzung ihrer Lesekompetenz in Erst- und Zweitsprache befragt, 164 <?page no="165"?> also dem Leseselbstkonzept, da die Selbsteinschätzung der eigenen Kompetenzen einen großen Einfluss auf die Lesefreude und das Leseverhalten allgemein haben kann. Dabei wurde darauf geachtet, das Leseselbstkonzept ohne emotionale Komponente zu erheben, wie die in der Tabelle aufgelisteten Items zeigen. Für die Auswertung wurden drei Kategorien erstellt, die sich wie folgt zusammensetzen: Grad des Leseselbstkonzeptes (LSK) Items im Fragebogen hohes LSK - Ich lese auf Deutsch / in meiner Muttersprache sehr gut. mittleres LSK - Ich lese auf Deutsch / in meiner Muttersprache ziemlich gut. - Ich habe manchmal Probleme, wenn ich Texte auf Deutsch / in meiner Muttersprache lese. niedriges LSK - Ich tue mir ziemlich schwer, wenn ich Texte auf Deutsch / in meiner Muttersprache lese. - Ich kann Texte auf Deutsch / in meiner Muttersprache gar nicht lesen. Tabelle 8: Zusammensetzung der Leseselbstkonzeptgrade Zunächst werden die Angaben zum Leseselbstkonzept der SchülerInnen der beiden Gruppen mit ihrem Geschlecht verglichen. Die folgende Grafik zeigt die Gruppe der DaM-Kinder: Abbildung 40: Leseselbstkonzept DaM nach Geschlecht 165 <?page no="166"?> 56% der Burschen stuften sich in ihrem Leseselbstkonzept als mittelmäßig ein, und 44% sehr hoch. Im Vergleich dazu sind in der Gruppe der Mädchen mehr Schülerinnen mit hohem Leseselbstkonzept anzutreffen, nämlich 47%; weniger mittlere Einschätzungen mit 45%, allerdings haben 8% der Mädchen ein sehr niedriges Leseselbstkonzept, sie sind der Meinung, beim Lesen große Probleme zu haben. Die untersuchten DaZ-Kinder wurden nach ihrem Leseselbstkonzept in Erst- und Zweitsprache Deutsch befragt, wie die unten stehende Grafik zeigt. Abbildung 41: Leseselbstkonzept DaZ nach Geschlecht Für die Zweitsprache Deutsch zeigt sich ein anderes Bild als zuvor bei der Gruppe der DaM-Kinder, sowohl bei den Burschen als auch bei den Mädchen ist die Gruppe derjenigen mit mittlerem Leseselbstkonzept am größten (84,6% Burschen, 57,7% Mädchen). Allerdings sind bei den Mädchen bei weitem mehr sehr gute Leserinnen zu finden als bei den Burschen (15,4% Burschen, 42,3% Mädchen). Niemand stufte sich als schlechteR LeserIn ein. In der Erstsprache ist die Gruppe des mittleren Leseselbstkonzepts ebenfalls sehr groß (61,5% Burschen, 65,4% Mädchen), hier sind aber umgekehrt mehr Burschen mit sehr hohem Leseselbstkonzept anzutreffen (26,9%), als bei den Mädchen (19,2%). Ebenso gibt es mehr schlechte Leserinnen (15,4%) als Leser (11,5%). Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die DaZ- SchülerInnen in ihrer jeweiligen Erstsprache ein deutlich schlechteres Leseselbstkonzept haben als in der Zweitsprache Deutsch. 166 <?page no="167"?> Ein Vergleich mit dem sozialen Hintergrund der SchülerInnen zeigt keine Differenzen auf. Für die folgende Grafik wurden die Daten von DaM- Kindern und die Angaben von DaZ-Kindern zu ihrem Leseselbstkonzept für die Zweitsprache Deutsch herangezogen. Abbildung 42: Leseselbstkonzept nach Sozialstatus In den drei Gruppen mit niedrigem, mittlerem und hohem Sozialstatus sind in etwa gleich viele Schülerinnen der drei Lesekompetenzstufen anzutreffen, es konnte auch keine statistische Signifikanz festgestellt werden. 167 <?page no="168"?> Abbildung 43: Leseselbstkonzept nach Buchbesitz im Elternhaus Dass der Buchbesitz im Elternhaus zumindest auf die Anzahl der LeserInnen mit hohem Leseselbstkonzept einen gewissen Einfluss hat, zeigt die oben stehende Grafik. Auch hier wurden, wie oben, die Angaben von DaM- Kindern und jene von DaZ-Kindern zu ihrem Leseselbstkonzept in der Zweitsprache Deutsch herangezogen. Der Anteil jener SchülerInnen mit hohem Leseselbstkonzept steigt mit der Anzahl der Bücher, die im Elternhaus vorhanden sind. 3 Sind es bei unter einem Meter noch 31,3% der Kinder mit sehr hohem Leseselbstkonzept, steigt dieser Wert bei einem Buchbesitz von über vier Metern auf 50,6% an. Umgekehrt sind die meisten LeserInnen mit mittlerem Leseselbstkonzept in der Gruppe jener Kinder zu finden, die keine Bücher zu Hause besitzen (83,3%). Dieser Wert sinkt mit sinkendem Buchbesitz. Der Anteil jener Kinder mit niedrigem Leseselbstkonzept beträgt 0,9% und ist in der Gruppe jener Heranwachsenden mit einem bis vier Metern Bücher zu Hause zu zuordnen. Parallel dazu zeigt sich der Vergleich des Leseselbstkonzepts mit dem Buchbesitz der Kinder, wie die folgende Grafik illustriert. 3 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,036. 168 <?page no="169"?> Abbildung 44: Leseselbstkonzept nach Buchbesitz der Kinder Je mehr Bücher die SchülerInnen besitzen, desto höher ist der Anteil der LeserInnen mit sehr hohem Leseselbstkonzept (57,7% bei über zwei Metern Buchbesitz, 35,3% bei keinen eigenen Büchern). Ebenso sind die meisten SchülerInnen mit mittlerem Leseselbstkonzept in der Gruppe jener zu finden, die keine eigenen Bücher besitzen (64,7%), dieser Wert sinkt mit steigendem Buchbesitz (42,3% bei über zwei Metern). LeserInnen mit niedrigem Leseselbstkonzept (1,3%) sind auch in diesem Vergleich in der Gruppe des mittleren Buchbesitzes anzutreffen, sie besitzen zwischen einem und zwei Metern Bücher. 169 <?page no="170"?> Abbildung 45: Leseselbstkonzept nach Lesefreude Parallel dazu sind auch die Daten im Vergleich zur Lesefreude der Schüler- Innen zu verstehen, wie die oben stehende Grafik illustriert. Je höher die Lesefreude, desto höher ist auch das Leseselbstkonzept der Heranwachsenden. So finden sich die meisten Kinder mit sehr hohem Leseselbstkonzept (56,6%) in der Gruppe jener Kinder mit hoher Lesefreude. 4 Mittlere Leseselbstkonzepte sind eher in der Gruppe jener Kinder mit niedriger Lesefreude anzutreffen (71,9%), ebenso die 1,1% jener Kinder, die ihr Leseselbstkonzept als niedrig einstufen. Nun folgt eine detaillierte Aufschlüsselung der Ergebnisse für DaM- und DaZ-Kinder, zunächst überblicksartig über die beiden Gruppen, danach im Altersverlauf. Die folgende Grafik zeigt die Verteilung des Leseselbstkonzepts auf die beiden Gruppen, wobei DaZ-Kinder zur Einschätzung ihren Kompetenzen in beiden Sprachen befragt wurden. 4 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,000. 170 <?page no="171"?> Abbildung 46: Leseselbstkonzept DaM/ DaZ In der Gruppe der DaM-Kinder schätzten 47,1% ihre Lesekompetenzen als sehr gut ein, den größten Anteil hat die Gruppe der mittlerem Leseselbstkonzept (52,3%). 6% der SchülerInnen gaben an, schlechte Lesekompetenzen zu haben. In der Gruppe der DaZ-Kinder sind deutlich mehr Kinder anzutreffen, die angeben, in ihrer Zweitsprache Deutsch ein mittleres Leseselbstkonzept zu haben, nämlich 72,3%. Der Rest, nämlich 27,6%, ist der Gruppe mit sehr hohem Leseselbstkonzept zuzuordnen, kein Kind gab an, seine Lesekompetenzen in der Zweitsprache Deutsch als schlecht einzuschätzen. 5 Für die Erstsprache gab ebenfalls der größte Teil der Kinder an, mittlere Lesekompetenzen zu haben (62,4%). Der Anteil jener Kinder, die sehr gut in ihrer Erstsprache lesen können, beträgt 22,1%, während 15,6% der SchülerInnen nur schlecht mit Texten in ihrer Muttersprache umgehen können, und große Probleme damit haben bzw. sie gar nicht lesen können. Im Altersverlauf zeigt sich für die Gruppe der DaM-Kinder, dass der Anteil jener SchülerInnen, die ein sehr hohes Leseselbstkonzept haben, zunächst ansteigt, aber danach wieder abnimmt. So geben 42,9% der 12-jährigen SchülerInnen an sehr gut lesen zu können, dieser Wert steigt bei den 13-Jährigen auf einen Höchststand von 59,6% an. In den darauf folgenden beiden Jahren sinkt dieser Wert auf zunächst 43,3%, danach auf 30,2%. 5 Für das Leseselbstkonzept auf Deutsch ergab sich bei der Unterscheidung der beiden Gruppen DaM und DaZ eine statistische Signifikanz von p = 0,006. 171 <?page no="172"?> Abbildung 47: Leseselbstkonzept im Altersverlauf DaM Umgekehrt verläuft die Entwicklung des Anteils jener SchülerInnen, die angeben, ein mittleres Leseselbstkonzept zu haben: Zunächst sinkt der Wert, um danach wieder anzusteigen. 57,2% der 12-Jährigen haben demnach ein mittleres Leseselbstkonzept, dieser Wert sinkt bei den 13-Jährigen auf 39,5%, und steigt danach kontinuierlich auf 56,7% und 67,5% an. SchülerInnen mit niedrigem Leseselbstkonzept, die große Probleme beim Lesen von Texten haben, finden sich nur vereinzelt, 0,9% im Alter von 13 Jahren, und 2,3% bei den 15-Jährigen. 6 6 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,01. 172 <?page no="173"?> Abbildung 48: Leseselbstkonzept im Altersverlauf DaZ Dt. Anders verhält sich die Entwicklung des Leseselbstkonzepts in der Gruppe der DaZ-Kinder. Zunächst soll das Leseselbstkonzept in der Zweitsprache Deutsch betrachtet werden. Hierbei ist der Anteil jener Kinder mit mittlerem Leseselbstkonzept konstant hoch und liegt bei 66,7% bei den 12-Jährigen, steigt danach auf 70% und 79,3%, um bei den 15-Jährigen auf 66,7% zu fallen. Kinder mit sehr hohem Leseselbstkonzept sind in allen Altersstufen ungefähr mit einem Drittel vertreten: Im Alter von 12 Jahren geben 33,3% der SchülerInnen an, sehr gut lesen zu können, dieser Wert sinkt in den darauf folgenden beiden Jahren auf 30% bzw. 20,7%, und steigt bei den 15- Jährigen wieder auf 33,3%. 173 <?page no="174"?> Abbildung 49: Leseselbstkonzept im Altersverlauf DaZ L1 Für die Erstsprache verhält es sich ähnlich, mit der Ausnahme, dass hier auch Kinder mit niedrigem Leseselbstkonzept anzutreffen sind. Dieser Wert liegt zwischen dem 12. und 13. Lebensjahr bei 20% und verringert sich daraufhin zunächst auf 10%, um bei den 15-Jährigen wieder auf 16,6% zu steigen. Den größten Anteil macht, wie schon zuvor bei der Zweitsprache Deutsch, das mittlere Leseselbstkonzept aus: Zwischen dem 12. und 14. Lebensjahr pendelt der Wert zwischen 66,6% und 60% hin und her, um schließlich bei den 15-Jährigen auf 50% zu sinken. Sehr gute LeserInnen sind bei den 12-Jährigen nur spärlich zu finden, der Anteil macht 13,3% aus. In den darauf folgenden Lebensjahren steigt der Wert aber kontinuierlich zunächst auf 20%, danach auf 23,3%, und beträgt bei den 15-Jährigen schließlich 33,3%. Zusammenfassend lässt sich für das Leseselbstkonzept feststellen, dass vor allem der Buchbesitz von Eltern und Kindern darauf großen Einfluss hat, ebenso ist die Lesefreude stark damit verknüpft. Im Geschlechtervergleich zeigt sich für die Gruppe der DaM-Kinder, ebenso für jene der DaZ-Kinder in der Zweitsprache Deutsch, dass Mädchen ein höheres Leseselbstkonzept haben; allerdings haben DaZ-Burschen in der Erstsprache ein höheres Leseselbstkonzept. Der Sozialstatus hat keinen direkten Einfluss. 174 <?page no="175"?> DaM-Kinder haben im Schnitt ein hohes Leseselbstkonzept, DaZ-Kinder haben in Erst- und Zweitsprache im Schnitt ein mittleres Leseselbstkonzept. Im Altersvergleich zeigen sich keine relevanten Schwankungen. 4.3. Medienpräferenzen Da nicht nur die Lesehäufigkeit, sondern vor allem auch die Freude der Kinder am Lesen dafür ausschlaggebend ist, ob aus einem Heranwachsenden einE GewohnheitsleserIn wird, wurden die Kinder im Rahmen der empirischen Untersuchung auch zu ihrer Einstellung zum Lesen in der Freizeit befragt. Zunächst wird auf die allgemeine Einstellung der Heranwachsenden zum Lesen eingegangen, darauf folgt eine Gegenüberstellung der Beliebtheit von Zeitung/ Zeitschrift und Texten im Internet. Auf das Lesemedium Buch wird im Anschluss detailliert eingegangen, wobei die Beliebtheit der verschiedenen Buchgenres analysiert wird. 4.3.1. Einstellung zum Lesen Die allgemeine Einstellung der SchülerInnen zum Lesen in der Freizeit wurde anhand des Fragebogens mit der Frage In der Freizeit lese ich gerne. (stimmt völlig/ stimmt eher/ stimmt eher nicht/ stimmt gar nicht) erhoben. In den beiden Untersuchungsgruppen unterscheiden sich die Werte deutlich voneinander: Während 57,6% der DaM-Kinder angeben, gerne in der Freizeit zu lesen, sind es bei den DaZ-Kindern nur 47,3%, hier ergibt sich eine statistische Signifikanz von p = 0,002. In Geschlechtervergleich zeigt sich eine deutliche Verschiebung zugunsten der Mädchen: 69,1% der Mädchen geben an, in ihrer Freizeit gerne zu lesen, während dies nur 40% der Burschen von sich behaupten. Die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,000. Ebenfalls wurde untersucht, ob der soziale Hintergrund des Elternhauses einen Einfluss auf die Lesefreude der Kinder hat. Besonders gerne lesen Kindern aus Familien mit mittlerem sozialem Status (60%), wohingegen 54,7% der SchülerInnen aus sozial hoch gestellten Elternhäusern, und 47,4% aus Familien mit niedrigem Sozialstatus gerne lesen. Ein besonders lesefreundliches Umfeld ist bei den untersuchten Kindern demnach in Familien mit mittlerem sozialem Status anzutreffen. Darüber hinaus ist für die Lesefreude der Kinder von Bedeutung, wie viele Bücher im Haushalt vorhanden sind. Die folgende Grafik zeigt, dass die Lesefreude mit Zunahme der verfügbaren Bücher ebenfalls zunimmt: Während nur 37,2% der Kinder aus Haushalten mit weniger als einem Meter 175 <?page no="176"?> Buchbesitz angeben, gerne in der Freizeit zu lesen, sind es 77,8% jener Kinder mit fünf bis sechs Metern Bücher zu Hause. Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,001. Abbildung 50: Lesefreude nach Buchbesitz im Elternhaus Ähnliches gilt für den Zusammenhang zwischen dem Buchbesitz der Kinder und ihrer Lesefreude: Je mehr Bücher sie besitzen, desto lieber lesen sie in ihrer Freizeit. Bei einem Buchbesitz von bis zu zehn Büchern geben nur 28,6% der Heranwachsenden an, gerne zu lesen, während alle Kinder mit über vier Metern Buchbesitz gern in ihrer Freizeit lesen. Auch hier beträgt die statistische Signifikanz p = 0,000. 176 <?page no="177"?> Abbildung 51: Lesefreude nach Buchbesitz der Kinder Ebenso gibt es einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Anzahl der gelesenen Bücher im vergangenen Jahr und der Lesefreude: Je höher die Lesefreude, desto mehr Bücher werden gelesen. Auch hier beträgt die statistische Signifikanz p = 0,000. Dass die Lesefreude der Heranwachsenden nicht in jeder Altersstufe gleich hoch oder gleich niedrig ist, und dass sich zum Teil große Schwankungen ergeben, illustriert die folgende Abbildung: Die Entwicklung der DaM-Kinder zeigt eine deutliche Reduktion der Anzahl jener Kinder, die angeben, gerne zu lesen. Sind es bei den 12-Jährigen noch 74,1%, verringert sich diese Zahl auf 31,8% bei den 15-Jährigen. 177 <?page no="178"?> Abbildung 52: Lesefreude DaM/ DaZ im Altersvergleich DaZ-Kinder hingegen zeigen keine kontinuierliche Entwicklung: Bei den 12- und 14-Jährigen ist die Lesefreude fast gleich hoch (55% bzw. 56,3%), während die Werte der 13- und 15-Jährigen deutlich darunter liegen (34,6% und 38,5%). Allgemein lässt sich sagen, dass die 12- und 13-jährigen DaM-Kinder eine höhere Lesefreude haben als die gleichaltrigen DaZ-Kinder, während es sich bei den 14- und 15-Jährigen genau umgekehrt verhält. Der Zusammenhang zwischen der Lesefreude und dem Leseselbstkonzept der SchülerInnen wurde bereits weiter oben, im Kapitel zum Leseselbstkonzept, näher ausgeführt. Allgemein ist für die Lesefreude festzustellen, dass DaM-Kinder, Mädchen, Kinder mit hohem Buchbesitz und mittlerem Sozialstatus besonders gerne lesen. Im Altersverlauf sinkt die Lesefreude bei DaM-Kindern; für DaZ- Kinder ist keine kontinuierliche Entwicklung im Altersverlauf festzustellen. 4.3.2. Beliebtheit von Zeitung, Zeitschrift und Texten im Internet Wie häufig die Heranwachsenden Medien wie Zeitung, Zeitschrift oder Internet verwenden, wurde bereits erhoben. Von Bedeutung ist aber auch, wie gerne sie diese Lesemedien nutzen. Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, wurden die SchülerInnen nach der Beliebtheit von Zeitungen und Zeitschriften einerseits, vom Lesemedium Internet andererseits gefragt, und dies für DaZ-Kinder auch jeweils für ihre Erstsprache erhoben. 178 <?page no="179"?> Zunächst werden die Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Geschlechtervergleich untersucht, herangezogen wurde dabei die Gesamtgruppe im Hinblick auf die Beliebtheit der Lesemedien auf Deutsch. Hierbei zeigte sich folgendes Bild: Burschen und Mädchen unterscheiden sich hinsichtlich der Beliebtheit von Zeitung/ Zeitschrift und Internet nur marginal. Zeitungen und Zeitschriften werden von 78,6% der Burschen und 78,5% der Mädchen gerne gelesen; Texte im Internet bzw. Chats von 71,1% der Burschen und 71,8% der Mädchen. Abbildung 53: Beliebtheit Zeitungen/ Zeitschriften und Internet/ Chat nach Sozialstatus Betrachtet man den Sozialstatus der Familien, wird deutlich, dass mit höherem sozialem Hintergrund auch die Beliebtheit von Zeitungen und Zeitschriften steigt. Sind es bei Kindern aus Familien mit niedrigem Sozialstatus 72,2%, die gerne Zeitungen und Zeitschriften lesen, erhöht sich der Wert bei Familien mit hohem Sozialstatus um 10%. Umgekehrt verhält es sich bei Texten aus dem Internet bzw. Chats, denn hier sinkt die Beliebtheit mit steigendem Sozialstatus von 83,4% (niedriger Sozialstatus) auf 58,8% (hoher Sozialstatus). Ähnliche Ergebnisse zeigt ein Vergleich mit dem Buchbesitz im Elternhaus: Je mehr Bücher im Haushalt vorhanden sind, desto beliebter sind Zeitungen und Zeitschriften (statistische Signifikanz p = 0,005), und desto unbeliebter das Lesen im Internet. Generell werden Zeitungen und Zeitschriften lieber gelesen als Internettexte. 179 <?page no="180"?> Abbildung 54: Beliebtheit Zeitungen/ Zeitschriften und Internet/ Chat nach Buchbesitz im Elternhaus Eine spannende Entwicklung ist bei einer Gegenüberstellung mit dem Buchbesitz der Kinder zu beobachten. Bis zu einem Buchbesitz von vier Metern ist die Entwicklung parallel zu der oben geschilderten. Übersteigt der Buchbesitz der Kinder allerdings die Vier-Meter-Marke, sinkt die Beliebtheit von Zeitungen und Zeitschriften rapide von 89,5% auf 66,7%. Offenbar werden ab der Marke von vier Metern Buchbesitz nicht mehr so viele zusätzliche Lesemedien benötigt. Die Werte sind für Zeitungen/ Zeitschriften statistisch signifikant und liegen bei p = 0,039. Die Beliebtheit des Internets sinkt auch hier mit steigendem Buchbesitz. Abbildung 55: Beliebtheit Zeitungen/ Zeitschriften und Internet/ Chat nach Buchbesitz der Kinder 180 <?page no="181"?> Interessante Ergebnisse zeigen sich bei einem Vergleich mit der Lesefreude der Kinder: Für Zeitungen/ Zeitschriften lässt sich sagen, dass die Beliebtheit mit steigender Lesefreude etw as zunimmt, denn 76,1% der Kinder mit niedriger Lesefreude geben an, gerne Zeitungen und Zeitschriften zu lesen, und 79,3% jener mit hoher Lesefreude, die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,044. Umgekehrt verhält es sich bei Internet und Chat, das bei Kindern mit niedriger Lesefreude beliebter ist als bei SchülerInnen mit hoher Lesefreude: In ersterer Gruppe geben 76% an, gerne im Internet zu surfen oder zu chatten, während dies nur 62,5% der Kinder mit hoher Lesefreude gern tun, auch hier wurde eine statistische Signifikanz festgestellt (p = 0,008). Abbildung 56: Beliebtheit Zeitungen/ Zeitschriften und Internet/ Chat nach Lesefreude Vergleicht man die beiden Gruppen DaM und DaZ, so werden große Unterschiede sichtbar. Zeitungen und Zeitschriften sind bei DaM-Kindern deutlich beliebter (79,7%) als bei DaZ-Kindern (70,9%), es besteht eine statistische Signifikanz (p = 0,025). Noch deutlichere Differenzen sind beim Lesemedium Internet zu beobachten, das sich bei DaZ-Kindern größerer Beliebtheit erfreut (82%), während nur 65% der DaM-Kinder angeben, gerne Texte im Internet zu lesen. Auch hier besteht eine statistische Signifikanz (p = 0,022). 181 <?page no="182"?> Abbildung 57: Beliebtheit Zeitungen/ Zeitschriften und Internet/ Chat bei DaM/ DaZ Im Altersvergleich bei DaM-Kindern ähneln sich die beiden Kurven von Zeitungen/ Zeitschriften und Texten im Internet in ihrem Verlauf. Zu Beginn sind Zeitungen und Zeitschriften wesentlich beliebter (76,3%) als das Lesen im Internet (57,9%). Zwischen dem 12. und 13. Lebensjahr verändert sich nur wenig, die Beliebtheit der Lesemedien stagniert, woraufhin im Übergang zum 14. Lebensjahr eine starke Steigerung zu bemerken ist, die bei Internettexten massiver ist. Zeitungen und Zeitschriften steigen in der Beliebtheit von 78,1% auf 86,3%, während sich das Internet von 56,2% auf 72,6% steigern kann. Daraufhin tritt bei Zeitungen und Zeitschriften eine Trendwende ein, sie werden von den 15-jährigen DaM-Kindern deutlich weniger gern gelesen, und pendeln in der Beliebtheit knapp auf dem Niveau der 12- Jährigen, bei 75%. Das Lesen im Internet gewinnt in diesem Lebensjahr hingegen deutlich an Bedeutung und überholt Zeitungen und Zeitschriften (84,1%), wobei der höchste Wert der Printmedien nicht ganz erreicht werden kann. 7 7 Für Zeitungen/ Zeitschriften sind die Werte statistisch nicht signifikant (p = 0,118); eine statistische Signifikanz ist jedoch für Internet/ Chat festzustellen (p = 0,004) 182 <?page no="183"?> Abbildung 58: Beliebtheit Zeitungen/ Zeitschriften und Internet/ Chat im Altersverlauf DaM In der Gruppe der DaZ-Kinder wurde die Beliebtheit der beiden Lesemedien sowohl für die jeweiligen Erstsprachen, als auch für die Zweitsprache Deutsch erhoben, wie folgende Grafik zeigt: Abbildung 59: Beliebtheit Zeitungen/ Zeitschriften und Internet/ Chat im Altersverlauf DaZ (Dt./ L1) 183 <?page no="184"?> Lesen auf Deutsch ist bei DaZ-Kindern deutlich populärer als das Lesen in der Erstsprache; ebenso ist das Lesemedium Internet, im Gegensatz zur Gruppe der DaM-Kinder, deutlich beliebter als Zeitungen und Zeitschriften, egal in welcher Altersgruppe. Bei drei der vier Gruppen lässt sich eine parallele Entwicklung beobachten: Die Beliebtheit von Internet/ Chat auf Deutsch und Zeitungen/ Zeitschriften in beiden Sprachen ist zwischen dem 12. und 14. Lebensjahr durchaus vergleichbar, da es einen kurzen Negativtrend bei den 13- Jährigen gibt, der sich im folgenden Lebensjahr wieder ausgleicht. Internet/ Chat auf Deutsch und Zeitungen/ Zeitschriften in der Erstsprache sinken daraufhin bei den 15-Jährigen wieder in der Beliebtheit, während der Höhenflug von Zeitungen/ Zeitschriften in der Zweitsprache Deutsch weiter anhält und bei den 15-Jährigen mit 84,6% zum beliebtesten Lesemedium wird, knapp gefolgt von Texten im Internet in der Zeitsprache (83,4%). Eine kontinuierliche Entwicklung ist bei der Beliebtheit von Internettexten in der Erstsprache zu beobachten, sie steigt ohne Ausreißer nach unten von 40% bei den 12-Jährigen auf 58,3% bei den 15-Jährigen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bei DaZ-Kindern im Alter von 13 Jahren ein Leseknick feststellbar ist, der sich ebenso bei DaM-Kindern, in abgeschwächter Form, für das Lesen von Texten im Internet manifestiert. Vergleicht man abschließend die Beliebtheit von Zeitungen/ Zeitschriften und Internet/ Chat mit dem Leseselbstkonzept der Kinder in Erst- und Zweitsprache, zeigt sich für die Gruppe der DaM-Kinder, dass die Beliebtheit von Zeitungen und Zeitschriften mit steigendem Leseselbstkonzept ebenfalls steigt. So geben 50% der Kinder mit niedrigem Leseselbstkonzept an, diese Lesemedien gerne zu lesen, dieser Wert steigt bei einem mittlerem Leseselbstkonzept auf 78,5%, und bei hohem Leseselbstkonzept auf 81,4%. Umgekehrt sinkt die Beliebtheit von Internet/ Chat mit steigendem Leseselbstkonzept: Hierbei geben alle Kinder mit niedrigem Leseselbstkonzept an, gerne im Internet zu surfen oder zu chatten, während dies nur auf 65,5% der Kinder mit mittlerem, und 64,1% jener mit hohem Leseselbstkonzept zutrifft. 184 <?page no="185"?> Abbildung 60: Beliebtheit Zeitungen/ Zeitschriften und Internet/ Chat nach Leseselbstkonzept DaM Anders verhält es sich in der Gruppe der DaZ-Kinder für ihre Zweitsprache Deutsch. Hier zeigt sich zwar bei Zeitungen und Zeitschriften ebenfalls, dass die Beliebtheit mit steigendem Leseselbstkonzept ebenfalls ansteigt, nämlich von 67,3% bei mittlerem, auf 85,7% bei hohem Leseselbstkonzept. Internet und Chat sind in beiden Gruppen, mit mittlerem und hohem Leseselbstkonzept, ungefähr gleich beliebt, die Werte liegen für erstere bei 83,6%, und für zweitere bei 85,8%. 185 <?page no="186"?> Abbildung 61: Beliebtheit Zeitungen/ Zeitschriften und Internet/ Chat nach Leseselbstkonzept DaZ Dt. Bei einem Vergleich der jeweiligen Erstsprachen verhält es sich ähnlich: Die Beliebtheit von Zeitungen und Zeitschriften steigt mit steigendem Leseselbstkonzept rasant an, während nur 8,3% der Kinder mit niedrigem Leseselbstkonzept in der Erstsprache gerne Zeitungen und Zeitschriften in ihrer Erstsprache lesen, sind es bei einem mittlerem Leseselbstkonzept bereits 34%, und bei einem hohen 50,1%. Internet und Chat in der Erstsprache ist in der Gruppe mit mittlerem Leseselbstkonzept am beliebtesten und liegt bei 55,4%, ebenso sind die Werte bei hohem Leseselbstkonzept relativ hoch, bei 43,8%. Bei niedrigem Leseselbstkonzept sind es nur 25% der Kinder, die gerne im Internet surfen oder chatten. 186 <?page no="187"?> Abbildung 62: Beliebtheit Zeitungen/ Zeitschriften und Internet/ Chat nach Leseselbstkonzept DaZ L1 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass bei der Beliebtheit von Tageszeitung, Zeitschrift und Internet das Geschlecht nur marginalen Einfluss hat, allerdings der soziale Status, der Buchbesitz und die Lesefreude: Je höher, desto lieber werden Zeitungen und Zeitschriften gelesen; je niedriger, desto beliebter ist das Internet. Ebenso verhält es sich bei DaM-Kindern bei einem Vergleich mit dem Leseselbstkonzept, bei DaZ-Kindern steigt in der Zweitsprache die Beliebtheit der untersuchten Medien mit steigendem Leseselbstkonzept. In der Erstsprache steigt die Beliebtheit von Zeitungen und Zeitschriften ebenfalls mit steigendem Leseselbstkonzept, während das Internet bei mittlerem Leseselbstkonzept am beliebtesten ist. Im Altersverlauf ist bei DaM-Kindern bei Zeitungen und Zeitschriften eine Lesekrise ab dem 14. Lebensjahr festzustellen, und für das Internet im 13. Lebensjahr; in der Gruppe der DaZ-Kinder setzt in der Zweitsprache die Lesekrise im Alter von 13 Jahren ein, in der Erstsprache steigt die Beliebtheit der Lesemedien kontinuierlich an. 4.3.3. Präferierte Buchgenres Da der Hauptschwerpunkt der empirischen Untersuchung auf dem Lesemedium Buch liegt, wurden elf Buchgenres auf ihre Beliebtheit hin unter- 187 <?page no="188"?> sucht. Hierbei handelte es sich um die Genres Krimis/ Thriller, Abenteuergeschichten, lustige Bücher, Science-Fiction/ Fantasy-Bücher, Comics, Tierbücher, Jugendromane, Sport-Bücher, Bücher, aus denen man etwas lernen kann (im Folgenden als „Lernbücher“ bezeichnet), Liebesromane und Gedichte. In einer offenen Frage konnten die SchülerInnen weitere Genres, die sie gerne lesen, eintragen. Zunächst sollen die Unterschiede in der Beliebtheit der verschiedenen Genres bei den beiden Gruppen DaM und DaZ herausgearbeitet werden, es wurden dafür nur die Angaben der SchülerInnen zu deutschsprachigen Büchern verwendet. Eine Unterscheidung bei DaZ-Kindern hinsichtlich Erst- und Zweitsprache folgt später. Es lässt sich zunächst feststellen, dass es bei einzelnen Buchgenres große Beliebtheitsunterschiede gibt; außerdem ist die Reihenfolge der beliebtesten Genres der beiden Gruppen jeweils unterschiedlich. Die folgende Grafik gibt einen Überblick über die prozentuelle Verteilung auf die einzelnen Genres, dabei ist die Reihenfolge nach der Beliebtheit bei den DaM-Kindern gestaffelt. 188 <?page no="189"?> Abbildung 63: Präferierte Buchgenres DaM/ DaZ 189 <?page no="190"?> Bei DaM-Kindern am beliebtesten sind lustige Bücher (71,7%), gefolgt von Krimis/ Thrillern (64,5%) und Abenteuergeschichten (63,2%), während Sport-Bücher (24,5%) und Gedichte (14,5%) auf den letzten beiden Rängen zu finden sind. Abenteuergeschichten und lustige Bücher gehören auch zu den beliebtesten Genres bei DaZ-Kindern mit 66,3% bzw. 59%, allerdings rangiert auf Platz drei der Comic (56,5%), knapp gefolgt von Krimis/ Thriller (55,2%). Die unbeliebtesten Genres sind Liebesromane (26,9%) und ebenfalls Gedichte (21,9%). Besonders große Unterschiede sind beim Genre der Jugendromane auffallend, diese sind bei DaM-Kindern mit 50,9% deutlich beliebter als bei DaZ-Kindern (32,5%). Umgekehrt geben mehr DaZ-Kinder an, Bücher gerne zu lesen, aus denen man etwas lernen kann (46,8%; bei DaM-Kindern sind es 34,1%), ebenso sind Sport-Bücher bei ihnen gefragter (36,4%; DaM: 24,5%). Bei einem Vergleich mit der Lesefreude der Kinder lässt sich für alle untersuchten Genres sagen, dass die Beliebtheit parallel zur Lesefreude steigt. Einzige Ausnahme sind Sport-Bücher, die bei Kindern mit niedriger Lesefreude beliebter sind (29,5%) als bei Kindern mit hoher Lesefreude (24,6%). Bei allen Genres, mit Ausnahme der Comics, wurde auch eine statistische Signifikanz festgestellt. Aufgrund der Ergebnisse, die somit für alle Genres gleichbedeutend sind, wird in der folgenden Analyse der Vergleich mit der Lesefreude nicht mehr detailliert aufgeschlüsselt. Außerdem wurde das Leseselbstkonzept für die beiden Gruppen der DaM- und DaZ-Kinder bei der Beliebtheit der verschiedenen Buchgenres verglichen. Dabei konnte für die Gruppe der DaM-Kinder festgestellt werden, dass die Beliebtheit der verschiedenen Lesemedien für alle Genres, bis auf Science-Fiction/ Fantasy, mit steigendem Leseselbstkonzept ebenfalls steigt. 8 Science-Fiction/ Fantasy wird von allen Kindern mit niedrigem Leseselbstkonzept gern gelesen, bei jenen mit mittlerem und hohem Leseselbstkonzept liegt dieses Genre nur noch im oberen Drittel. Dabei liegt die statistische Signifikanz bei p = 0,021. In der Gruppe der DaZ-Kinder verhält sich der Zusammenhang zwischen dem Leseselbstkonzept in der Zweitsprache Deutsch und der Beliebtheit der Buchgenres auf Deutsch ein wenig anders: Hierbei lesen Kinder mit mittlerem Leseselbstkonzept die verschiedenen Genres durchwegs am liebsten, Ausnahmen sind Sport-Bücher, lustige Bücher, Tierbücher und Abenteuerbücher, die bei Kindern mit hohem Leseselbstkonzept beliebter sind. Betrachtet man allerdings die Buchgenres und das Leseselbstkonzept in der 8 Statistische Signifikanzen konnten für Krimis/ Thriller (p = 0,016), lustige Bücher (p = 0,011) und Jugendromane (p = 0,001) errechnet werden. 190 <?page no="191"?> Erstsprache, ist in allen Fällen die höchste Beliebtheit bei Kindern mit hohem Leseselbstkonzept anzutreffen. 9 Für DaM-Kinder und DaZ-Kinder (Erstsprache) gilt also für die meisten Lesemedien, dass eine höhere Beliebtheit mit höherem Leseselbstkonzept einhergeht. Für die Gruppe der DaZ-Kinder für die Zweitsprache Deutsch konnte festgestellt werden, dass hier die verschiedenen Buchgenres bei Kindern mit mittlerem Leseselbstkonzept am beliebtesten sind. Diese Ergebnisse werden für die einzelnen Genres ebenfalls nicht mehr detailliert vorgestellt, da globale Tendenzen innerhalb der Gruppen deutlich erkennbar sind. Im Folgenden soll aus Gründen der Übersichtlichkeit jedes einzelne Buchgenre separat analysiert werden. Die Reihenfolge dabei entspricht jener im Fragebogen. 4.3.3.1. Krimis/ Thriller Das Genre Krimis/ Thriller ist sowohl bei DaM als auch bei DaZ-Kindern sehr beliebt, und liegt bei DaM-Kindern an zweiter Stelle mit 64,5%, und bei DaZ-Kindern auf dem vierten Platz mit 55,2%. Im Geschlechtervergleich ergeben sich einige Unterschiede, bei Burschen ist es das beliebteste Genre (65,2%), während Krimis und Thriller bei Mädchen auf dem vierten Platz mit 60,4% rangieren. Nach dem Sozialstatus der Familie steigt die Beliebtheit des Genres an: Während 50% der Kinder aus Familien mit niedrigem sozialem Status gerne Krimis/ Thriller lesen, sind es in Familien mit mittlerem Sozialstatus bereits 60%, und bei Familien mit hohem Sozialstatus 74%. Ein Vergleich mit dem Buchbesitz im Elternhaus zeigt, dass Krimis/ Thriller vor allem von Kindern aus Familien mit mittlerem bis hohem Buchbesitz gelesen werden. 69,8% von Heranwachsenden aus Haushalten mit einem bis vier Metern Buchbesitz lesen dieses Genre gerne, und 64,5% jener Kinder mit mehr als vier Metern Bücher zu Hause, während der Anteil mit sinkendem Buchbesitz ebenfalls sinkt (54,4% mit unter einem Meter Buchbesitz, 33,3% mit keinen Büchern zu Hause). Statistisch signifikant (p = 0,001) ist der Zusammenhang mit dem Buchbesitz der Kinder, auch hier steigt die Beliebtheit des Genres mit steigendem Buchbesitz, allerdings nur in geringem Prozentbereich, wie die folgende Grafik veranschaulicht. 9 Für das Genre der lustigen Bücher besteht eine statistische Signifikanz von p = 0,003. 191 <?page no="192"?> Abbildung 64: Beliebtheit Krimis/ Thriller Dt. im Altersverlauf DaM Im allgemeinen Vergleich sind Krimis/ Thriller ein äußerst beliebtes Genre, die Beliebtheit sinkt aber im Altersverlauf drastisch ab, vor allem bei DaM- Kindern: Während bei den 12-Jährigen noch 75% der SchülerInnen angeben, gerne Krimis / Thriller zu lesen, sind es bei den 15-Jährigen nur noch 54,5%. Abbildung 65: Beliebtheit Krimis/ Thriller im Altersverlauf DaZ 192 <?page no="193"?> Ein weniger dramatischer Absturz in der Beliebtheit ist bei Krimis/ Thriller in der Zweitsprache Deutsch in der Gruppe der DaZ-Kinder zu beobachten, wie die oben stehende Grafik illustriert: Zwar sinkt auch hier die Beliebtheit von Krimis / Thrillern, von 66,7% bei den 12-Jährigen auf 46,7% bei den 14- Jährigen, steigt danach aber wieder auf 54,9% an. Einen zeitversetzten Knick kann man bei der Beliebtheit des Genres in der Erstsprache feststellen, der bereits bei den 13-Jährigen einsetzt (Sinken der Beliebtheit von 33,3% auf 14,3%), danach steigt die Kurve aber wieder auf 23,1%. Sowohl von Mädchen, als auch von Burschen aller Altersgruppen wurden in der freien Antwortkategorie zwölf Mal die Genres „Horror- und Gruselgeschichten“ bzw. „Vampirbücher“ genannt, die in die Auswertung dieser Kategorie mit einbezogen wurden. 4.3.3.2. Abenteuergeschichten Abenteuergeschichten liegen in der Beliebtheit, ähnlich wie zuvor Krimis/ Thriller, in beiden Gruppen ganz vorne, bei den DaM-Kindern auf Platz drei mit 63,2%, und bei den DaZ-Kindern an erster Stelle mit 66,3%. Im Geschlechtervergleich ergibt sich eine interessante Parallele, da dieses Genre sowohl bei Mädchen als auch bei den Burschen auf dem dritten Platz in der Beliebtheitsskala rangiert, bei Burschen mit 58%, und bei den Mädchen sogar mit 64,4%. Eine steigende Tendenz ist bei einem Vergleich mit dem Sozialstatus der Familien feststellbar, während nur 55,5% der Kinder aus Familien mit niedrigem Sozialstatus angeben, gerne Abenteuergeschichten zu lesen, sind es 62,3% der Kinder aus Familien mit mittlerem, und 72% der Kinder aus Familien mit hohem Sozialstatus. Ebenso zeigt sich eine leicht steigende Tendenz beim Vergleich mit dem Buchbesitz im Elternhaus, nämlich von 60,2% bei unter einem Meter Buchbesitz auf 67,1% bei über vier Metern Buchbesitz (keine Bücher zu Hause: 33,4%). Eine statistische Signifikanz (p = 0,001) ergibt sich bei der Kontrastierung mit dem Buchbesitz der Kinder selbst, auch hier steigt die Beliebtheit des Genres mit steigendem Buchbesitz. Während 61,2% der Kinder mit unter einem Meter Bücher von sich behaupten, gerne Abenteuergeschichten zu lesen, sind es bei jenen mit einem bis zwei Metern Bücher bereits 68,9%, und 96% jener mit über zwei Metern Buchbesitz. Im Vergleich dazu liegt die Beliebtheit des Genres bei Kindern, die keine Bücher besitzen, bei 11,8%. Im Altersvergleich sinkt die Beliebtheit von Abenteuergeschichten bei DaM-Kindern dramatisch, von 82,9% bei den 12-Jährigen auf 29,6% bei den 15-Jährigen und verliert somit fast zwei Drittel an Beliebtheit. 193 <?page no="194"?> Abbildung 66: Beliebtheit Abenteuergeschichten im Altersverlauf DaM Im Gegensatz dazu steht die Entwicklung dieses Genres in der Gruppe der DaZ-Kinder, vor allem in der Zweitsprache Deutsch. Zwar sinkt die Beliebtheit im ersten Untersuchungsjahr auch, von 80% bei den 12-Jährigen auf 57,9% bei den 13-Jährigen, erholt sich danach aber wieder und ist bei den 15- Jährigen wieder bei einer Beliebtheit von 69,3% angelangt. In der Erstsprache hingegen ist die Schwankungsbreite nicht so groß, und pendelt im Untersuchungszeitraum zwischen 33,3% und 23,1%, wobei hier eine kleine Entwicklung nach oben bei den 14-Jährigen festzustellen ist, die sich im Folgejahr aber wieder ausgleicht. Abbildung 67: Beliebtheit Abenteuergeschichten im Altersverlauf DaZ 194 <?page no="195"?> 4.3.3.3. Lustige Bücher Das Genre der lustigen Bücher wurde auf den Fragebögen bewusst nicht genauer definiert, damit sind Bücher gemeint, die für die LeserInnen lustige Elemente haben, egal, ob es sich hierbei um Witzbücher oder andere Bücher handelt. Im Vordergrund steht dabei das Element des Lachens, der Belustigung, dessen Wichtigkeit für die Heranwachsenden erforscht werden soll. Lustige Bücher gehören zu den beliebtesten Buchgenres in den beiden Gruppen, bei DaM-Kindern stehen sie mit 71,7% auf Platz eins, bei DaZ- Kindern mit 59% auf Platz zwei. Sie sind bei Mädchen beliebter als bei Burschen, 70% der Mädchen haben angegeben, gerne lustige Bücher zu lesen, während 63% der Burschen dies von sich behaupten. Bei einem Vergleich mit dem Sozialstatus der Eltern zeigt sich, dass lustige Bücher vor allem von Kindern aus mittleren sozialen Schichten gelesen werden (72,2%), gefolgt von Kindern aus Familien mit hohem Sozialstatus (69,4%). Dagegen greifen nur 44,4% der Kinder mit niedrigem sozialem Hintergrund zu lustigen Büchern. Wenn der Buchbesitz der Eltern in die Analyse mit einbezogen wird, zeigt sich auch hier, dass die Beliebtheit des Genres mit dem Buchbesitz der Eltern steigt: 58,2% der Kinder aus Elternhäusern mit unter einem Meter Bücher lesen gerne lustige Bücher, 71,5% jener Kinder mit einem bis vier Metern Bücher zu Hause, und sogar 77,3% der Kinder mit über vier Metern Buchbesitz im Elternhaus. Dagegen lesen 33,4% der Kinder mit keinen Büchern im Elternhaus gerne lustige Bücher. Die statistische Auswertung ergibt allerdings keine Signifikanz. Eine statistische Signifikanz von p = 0,001 ist allerdings bei einem Vergleich mit dem Buchbesitz der Kinder feststellbar, hier unterscheiden sich auch die Prozentsätze deutlicher voneinander als zuvor beim Vergleich mit dem Buchbesitz im Elternhaus. Auch hier steigt die Beliebtheit von lustigen Büchern mit der Zunahme an Büchern, die das Kind besitzt. Sind es bei Kindern mit unter einem Meter Buchbesitz noch 63,5%, die von sich behaupten, gerne lustige Bücher zu lesen, steigt dieser Wert bei einem Buchbesitz von einem bis zwei Meter auf 78%, um schließlich bei mehr als zwei Metern Buchbesitz auf 96% zu steigen. Im Vergleich dazu werden lustige Bücher nur von 17,7% der Kinder ohne eigene Bücher gerne gelesen. Eine deutliche Abnahme in der Beliebtheit von lustigen Büchern bei DaM-Kindern ist im Altersverlauf festzustellen. Zwischen dem 12. und 13. Lebensjahr steigt die Freude an lustigen Büchern zwar von 84,2% auf 87,6%, sinkt danach aber auf 60,7% bei den 14-Jährigen und weiter auf 55,8% bei den 15-Jährigen. 195 <?page no="196"?> Abbildung 68: Beliebtheit lustige Bücher im Altersverlauf DaM Abbildung 69: Beliebtheit lustige Bücher im Altersverlauf DaZ Bei DaZ-Kindern ist für die Zweitsprache Deutsch zwar auch eine Abnahme festzustellen, allerdings nicht ganz so drastisch wie in der Gruppe der DaM- Kinder. Dies illustriert die oben stehende Grafik. Hier ist der größte Verlust an Beliebtheit des Genres zwischen dem 12. und 13. Lebensjahr festzustellen, wo die Beliebtheit von 73,3% auf 55% sinkt. Danach steigt die Kurve etwas an, bei den 14-Jährigen auf 56,7%, um daraufhin wieder auf 53,8% zu fallen. Eine Steigerung der Beliebtheit von lustigen Büchern im Altersverlauf ist für die Erstsprache festzustellen. Zunächst fällt die Beliebtheit von 33,3% bei den 12-Jährigen auf 28,5% bei den 13-Jährigen und 27,5% bei den 14- Jährigen, allerdings setzt daraufhin eine Trendwende ein, und 38,5% der 15- Jährigen liest wieder gerne lustige Bücher. Dieser Prozentsatz ist sogar höher als beim Ausgangspunkt im Alter von 12 Jahren. 196 <?page no="197"?> Bei der freien Antwortkategorie wurde außerdem zwei Mal das Genre der Witzbücher genannt, was in diese Analyse inkludiert wurde. 4.3.3.4. Science-Fiction/ Fantasy-Bücher Science-Fiction und Fantasy-Bücher sind durchwegs beliebte Genres, und rangieren bei DaM-Kindern mit 51% auf Platz vier, bei DaZ-Kindern mit 41,6% auf Rang sechs. Dieses Genre ist bei Burschen und Mädchen gleichermaßen beliebt, 45,5% der Burschen und 44,6% der Mädchen geben an, gerne Science-Fiction oder Fantasy-Bücher zu lesen. 10 Beliebtheitsunterschiede ergeben sich auch bei diesem Buchgenre unter der Berücksichtigung des Sozialstatus der Familien, die Beliebtheit steigt parallel zum steigenden Sozialstatus von 26,8% bei niedrigem Status auf 52,2% bei mittlerem und 59,2% bei hohem sozialem Status. Ein leichter Anstieg der Beliebtheitsskala ist bei einem Vergleich mit dem Buchbesitz der Eltern zu beobachten. 43,6% der Kinder aus Haushalten mit unter einem Meter Bücher geben an, gerne Science-Fiction oder Fantasy- Bücher zu lesen; während es 51,8% der Kinder mit einem bis vier Metern Buchbesitz zu Hause sind, und 59,2% der Kinder mit mehr als vier Metern. Hingegen geben nur 33,4% der Kinder ohne Bücher zu Hause an, dieses Genre gerne zu lesen. Statistisch signifikante Unterschiede (p = 0,001) zeigen sich bei der Kontrastierung mit der Höhe des Buchbesitzes der Kinder selbst. Hierbei geben 47,2% der Kinder mit unter einem Meter Bücher an, gerne Science-Fiction oder Fantasy-Bücher zu lesen. Dieser Wert steigt mit steigendem Buchbesitz auf 63,7% bei einem bis zwei Metern, und auf 64% bei über zwei Metern. Nur 12,5% der Kinder ohne eigene Bücher lesen dieses Genre gerne. 10 Hierbei wurde auch eine statistische Signifikanz von p = 0,001 festgestellt. 197 <?page no="198"?> Abbildung 70: Beliebtheit Science-Fiction/ Fantasy-Bücher im Altersverlauf DaM Große Unterschiede zeigen sich bei einem Altersvergleich der beiden Gruppen. Bei DaM-Kindern (siehe Abbildung oben) sinkt die Beliebtheit dieses Genres kontinuierlich ab dem 12. Lebensjahr von 61,8% auf 58,9% bei den 13-Jährigen, auf 44,1% bei den 14-Jährigen und schließlich auf 27,3% bei den 15-Jährigen. Abbildung 71: Beliebtheit Science-Fiction/ Fantasy-Bücher im Altersverlauf DaZ Umgekehrt steigt das Interesse bei DaZ-Kindern an Science-Fiction und Fantasy in ihrer Zweitsprache Deutsch, nach einem kleinen Knick nach unten bei den 13-Jährigen, ständig an: Im Alter von 12 Jahren geben 40% der DaZ-Kinder an, dieses Genre gerne zu lesen, die 13-Jährigen nur noch zu 198 <?page no="199"?> 35%, während bei den 14-Jährigen ein Anstieg auf 41,4% und bei den 15- Jährigen auf 53,9% festzustellen ist. In der Erstsprache bleiben die Werte die meiste Zeit gleich, zwischen 14% und 15%, nur im Alter von 14 Jahren wird das Genre kurzfristig beliebter, und 23,3% der Kinder geben an, Bücher dieser Art gerne zu lesen. 4.3.3.5. Comics Comics sind bei 46,9% der DaM-Kinder, und 56,5% der DaZ-Kinder beliebte Lesemedien und rangieren in der Gruppe der DaM-Kinder auf Platz sechs, bei den DaZ-Kindern zählen sie zu den beliebtesten Genres und liegen auf Platz drei. Burschen lesen lieber Comics als Mädchen, dies geben 55,5% der Schüler und 45,9% der Schülerinnen an. Unter Berücksichtigung des Sozialstatus der Familien sind Comics bei Kindern mit mittlerem Sozialstatus am Beliebtesten (50%), während 48,9% der SchülerInnen mit hohem, und 35,2% mit niedrigem sozialem Status dies von sich behaupten. Interessante Daten ergeben sich bei einem Vergleich mit dem Buchbesitz der Eltern, da Comics am liebsten von jenen Kindern gelesen werden, die keine Bücher im Haushalt zu Verfügung haben (66,7%). In allen anderen Gruppen ist die Beliebtheit von Comics ungefähr gleich hoch, 43,6% der Kinder mit unter einem Meter Bücher zu Hause geben an, gerne Comics zu lesen, in der Gruppe mit einem bis vier Metern Bücher im Haushalt sind es 46,1%, und 47,3% jener Kinder mit über vier Metern Bücher zu Hause. Anders verhält es sich bei einem Vergleich mit dem Buchbesitz der Kinder, hierbei ergibt sich eine statistische Signifikanz von p = 0,011. Die Beliebtheit von Comics steigt mit steigendem Buchbesitz der SchülerInnen: Kinder mit keinen eigenen Büchern geben zu 29,4% an, Comics gerne zu lesen, dieser Wert steigt auf 44,8% bei unter einem Meter Bücher, auf 52% bei einem bis zwei Meter Bücher, und auf 60% bei über zwei Metern Buchbesitz der Kinder. 199 <?page no="200"?> Abbildung 72: Beliebtheit Comics im Altersverlauf DaM Ein dramatischer Leseknick mit einer statistischen Signifikanz von p = 0,000 zeigt sich im Altersverlauf in der Gruppe der DaM-Kinder, wie die neben stehende Grafik verdeutlicht. Bei den 12- und 13-Jährigen liegt die Beliebtheit noch bei 55,2% bzw. 53,1%, allerdings bricht die Kurve zwischen dem 13. und 14. Lebensjahr ein: Nur noch 37,6% der 14-Jährigen DaM-Kinder, und 36,4% der 15-Jährigen geben an, gerne Comics zu lesen. Abbildung 73: Beliebtheit Comics im Altersverlauf DaZ In der Gruppe der DaZ-Kinder ist eine ähnliche Entwicklung für das Lesen von Comics in der Erstsprache zu beobachten, allerdings fällt hierbei die Kurve bereits zwischen dem 12. und 13. Lebensjahr ab, nämlich von 46,7% 200 <?page no="201"?> auf 23,8%. Im weiteren Verlauf sinkt die Beliebtheit von Comics in der Erstsprache weiter ab, zunächst auf 23,3% bei den 14-Jährigen, und schließlich auf einen Tiefststand von 15,4% im Alter von 15 Jahren. Für die Zweitsprache Deutsch zeichnet sich ein anderer Trend ab, hier sind Comics bis zum 14. Lebensjahr ein äußerst beliebtes Lesemedium: 66,7% der 12-Jährigen, 60% der 13-Jährigen und 63,3% der 14-Jährigen geben an, gerne Comics in ihrer Zweitsprache Deutsch zu lesen. Erst im Alter von 15 Jahren gleichen sich die beiden Kurven von Erst- und Zweitsprache wieder an, in diesem Alter sind es nur noch 18,2% der Jugendlichen, die gerne Comics in der Zweitsprache lesen. In der freien Antwortkategorie wurden von den SchülerInnen einige Male auch Mangas, japanische Comics, als beliebte Lesemedien angegeben, welche in das Genre der Comics inkludiert wurden. 4.3.3.6. Tierbücher Im unteren Drittel, auf Rang neun, rangieren in beiden Gruppen die Tierbücher. 33,2% der DaM-Kinder, und 30,7% der DaZ-Kinder geben an, gerne Tierbücher in ihrer Freizeit zu lesen. Allerdings ergeben sich in dieser Kategorie große Geschlechterdifferenzen, denn 18,2% der Burschen, aber 41,9% der Mädchen zählen diese zu ihrem Lesestoff. Hierbei ergibt sich eine statistische Signifikanz von p = 0,000. Die Berücksichtigung des Sozialstatus der Familien ergibt keine großen Differenzen, 33,4% der SchülerInnen mit niedrigem, und 33,8% mit mittlerem Sozialstatus lesen gerne Tierbücher. Niedriger ist der Wert bei Kindern mit hohem Sozialstatus, er liegt bei 29,2%. Tierbücher werden mit zunehmendem Buchbesitz im Elternhaus lieber gelesen: Sind es 20% jener Kinder mit keinen Büchern zu Hause, die dieses Genre gerne lesen, steigen die Werte auf 24,1% bei unter einem Meter und 34,8% bei einem bis vier Metern Bücher im Haushalt. Bei mehr als vier Metern Buchbesitz sinkt die Beliebtheit ein wenig ab, auf 27,6%. Parallel dazu, aber statistisch signifikant mit p = 0,028, präsentieren sich die Werte bei einem Vergleich mit dem Buchbesitz der Kinder selbst. Auch hier steigt die Beliebtheit mit steigendem Buchbesitz, von 11,8% bei keinen eigenen Büchern auf 26,4% bei unter einem Meter Bücher, und sogar auf 42,9% bei einem bis zwei Metern eigenen Büchern. Auch hier sinken die Werte bei einem Buchbesitz der Kinder, der die zwei Meter überschreitet, nämlich auf 28%. Wie altersabhängig das Lesen von Tierbüchern ist, zeigen die folgenden Grafiken. 201 <?page no="202"?> Abbildung 74: Beliebtheit Tierbücher im Altersverlauf DaM In der Gruppe der DaM-Kinder ist vor allem zwischen dem 13. und 14. Lebensjahr eine deutliche Abnahme der Beliebtheit dieses Genres zu beobachten: Während bei den 12-Jährigen noch 48%, und bei den 13-Jährigen 39,6% der SchülerInnen angeben, gerne Tiergeschichten zu lesen, sind es bei den 14-Jährigen nur noch 21,8%, und schließlich im Alter von 15 Jahren 15,9% der DaM-Kinder. Etwas anders verhält es sich in der Gruppe der DaZ-Kinder. Generell lässt sich sagen, dass Tierbücher in der Zweitsprache Deutsch beliebter sind als in der jeweiligen Erstsprache, allerdings ist für beide Sprachen ein Leseknick zwischen dem 12. und 13. Lebensjahr festzustellen. Für die Zweitsprache Deutsch bedeutet dies eine Reduktion der Beliebtheit von 66,7% bei den 12-Jährigen auf weniger als die Hälfte, nämlich 30% bei den 13-Jährigen. Dieser Trend setzt sich bis ins 14. Lebensjahr fort, und die Werte sinken auf 16,7%, um bei den 15-Jährigen wieder auf 23,1% zu steigen. 202 <?page no="203"?> Abbildung 75: Beliebtheit Tierbücher im Altersverlauf DaZ Auch in der Zweitsprache sinkt die Beliebtheit von Tierbüchern zwischen dem 12. und 13. Lebensjahr ab: Sind es noch 26,7% der 12-Jährigen, die dieses Genre gerne lesen, reduziert sich dieser Wert auf 10% bei den 13- Jährigen. In den folgenden beiden Lebensjahren bleibt die Beliebtheit von Tierbüchern in der Erstsprache annähernd gleich und liegt bei 6,7% im Alter von 14 Jahren, und 7,7% bei den 15-Jährigen. 4.3.3.7. Jugendromane Jugendromane sind bei DaM-Kindern beliebter als bei DaZ-Kindern, 50,9% der DaM-Kinder lesen dieses Genre gerne, während nur 32,5% der DaZ- Kinder sich gerne mit Jugendromanen beschäftigen. Besonders drastisch und statistisch signifikant (p = 0,000) fällt bei diesem Genre die Geschlechterdifferenz aus, da nur 23,7% der Burschen, hingegen 73,2% der Mädchen Jugendromane präferieren, die somit bei den Schülerinnen an der Spitze der Beliebtheitsskala liegen, während sie nur an viertletzter Stelle bei den Schülern rangieren. Bezieht man den Sozialstatus der SchülerInnen in den Vergleich mit ein, zeigt sich, dass mit steigendem Sozialstatus die Beliebtheit von Jugendromanen ebenfalls steigt, dieses Phänomen ist mit p = 0,029 statistisch signifikant. Während 22,3% der Kinder mit niedrigem sozialem Status gerne Jugendromane lesen, sind es in der Gruppe der SchülerInnen mit mittlerem Sozialstatus 52,2%. Dieser Anteil sinkt bei Jugendlichen mit hohem Sozialstatus wieder auf 44,9% ab. Unter Berücksichtigung des Buchbesitzes im Elternhaus fällt auf, dass auch hier die Beliebtheit des Genres mit steigendem Buchbesitz ebenfalls steigt: Sind es 16,7% der Kinder mit keinen Büchern im Haushalt, die gerne 203 <?page no="204"?> Jugendromane lesen, steigt der Anteil auf 35,5% bei unter einem Meter, 40,9% bei einem bis vier Metern, und 52,7% bei über vier Metern Bücher im Haushalt. Noch deutlicher fällt diese Entwicklung bei Berücksichtigung des Buchbesitzes der Kinder selbst aus, diese ist mit p = 0,000 statistisch signifikant. Kinder, die selbst keine Bücher besitzen, lesen nur zu einem geringen Anteil, nämlich zu 5,9%, Jugendromane. Bei Kindern, die selbst über Bücher verfügen, steigt der Prozentsatz stark an. So sind es 40,6% der Kinder mit unter einem Meter Bücher, 54,6% bei einem bis zwei Metern, und 60% bei über zwei Metern Buchbesitz, die gerne Jugendromane lesen. Von Interesse ist darüber hinaus die Entwicklung der Beliebtheit von Jugendromanen im Altersverlauf, wie die folgenden Grafiken für die beiden Untersuchungsgruppen verdeutlichen. Für die Gruppe der DaM-Kinder zeigt sich, dass dieses Genre vor allem zwischen dem 12. und 13. Lebensjahr an Bedeutung gewinnt: Sind es 48,6% der 12-Jährigen SchülerInnen, die gerne Jugendromane lesen, steigt dieser Anteil auf 54,9% im Alter von 13 Jahren. Daraufhin sinkt die Beliebtheit dieses Genres kontinuierlich ab, auf 51,6% bei den 14-Jährigen, und 43,2% bei den 15-jährigen DaM-Kindern. Abbildung 76: Beliebtheit Jugendromane im Altersverlauf DaM Ähnlich verläuft die Entwicklung der Jugendromane im Altersverlauf für die Gruppe der DaZ-Kinder für die Zweitsprache Deutsch: Auch hier steigt bei den 13-Jährigen das Interesse an diesem Genre an, von 23,7% im Alter von 12 Jahren, auf 50% bei den 13-Jährigen. Danach ist auch hier ein Sinken der Beliebtheit zu beobachten, nur 26,7% der 14-Jährigen und 25% der 15- 204 <?page no="205"?> Jährigen lesen gerne Jugendromane. In der jeweiligen Erstsprache verhält es sich etwas anders, für das 12. und 13. Lebensjahr ist keine Veränderung in der Beliebtheit des Genres festzustellen, in beiden Altersgruppen lesen 14,3% der Kinder gerne Jugendromane. Im Alter von 14 Jahren steigt das Interesse an Jugendromanen stark an, auf 23,3%, um danach auf einen Nullpunkt zu sinken. Abbildung 77: Beliebtheit Jugendromane im Altersverlauf DaZ 4.3.3.8. Sport-Bücher Sport-Bücher sind bei 36,4% der DaZ-Kinder, und 24,5% der DaM-Kinder ein gern gelesenes Genre und rangieren bei ersteren auf dem siebten, und zweiteren auf dem vorletzten Platz. Die Geschlechterdifferenz ist bei diesem Genre groß und mit p = 0,000 statistisch signifikant: 46,8% der Burschen, und nur 14,3% der Mädchen lesen gerne Sport-Bücher, die bei den Mädchen auf dem letzten Platz auf der Beliebtheitsskala rangieren. Bei diesem Genre sinkt die Beliebtheit mit steigendem Sozialstatus: 50% der SchülerInnen mit niedrigem Sozialstatus lesen gerne Sport-Bücher, und 16,7% jener mit mittlerem Sozialstatus, wohingegen 34,7% der Kinder mit hohem sozialem Status dieses Genre gerne lesen. Es besteht eine statistische Signifikanz von p = 0,024. Parallel dazu sinkt die Beliebtheit ebenso bei steigendem Buchbesitz im Elternhaus. Kinder mit keinen Büchern oder unter einem Meter Bücher im Elternhaus lesen besonders gern Sport-Bücher, nämlich 33,4% der ersteren, 205 <?page no="206"?> und 34,2% der letzteren. Bei einem bis vier Metern Bücher im Elternhaus sinkt der Anteil auf 21,7%, und auf 18,4% bei über vier Metern. Ebenso verhält es sich unter Berücksichtigung des Buchbesitzes der Kinder selbst, dabei besteht eine statistische Signifikanz von p = 0,024. Bei keinen eigenen Büchern lesen 29,4% der Kinder gerne Sport-Bücher, dieser Anteil sinkt ständig ab: Sind unter ein Meter Bücher vorhanden, lesen nur noch 26,8% der Kinder dieses Genre gerne, bei einem bis zwei Metern 21%, und bei über zwei Metern 20%. Abbildung 78: Beliebtheit Sport-Bücher im Altersverlauf DaM Im Altersverlauf sind in der Gruppe der DaM-Kinder zwar Schwankungen in der Beliebtheit feststellbar, allerdings bewegen sich diese im Bereich von rund 10%, sind aber trotzdem mit p = 0,046 statistisch signifikant. Zwischen dem 12. und 13. Lebensjahr sinkt der Anteil von 25% auf 21,8%, um bei den 14-Jährigen auf 31,2% anzusteigen. Im Alter von 15 Jahren lesen 24,5% der SchülerInnen gerne Sport-Bücher. In der Gruppe der DaZ-Kinder ist im Altersverlauf ein Sinken der Beliebtheit des Genres festzustellen, vor allem für die Zweitsprache Deutsch. Dabei lesen 40% der 12- und 13-Jährigen DaZ-Kinder gerne Sport-Bücher, danach sinkt der Anteil auf 33,4% bzw. 33,3% bei den 14- und 15-Jährigen. In der jeweiligen Erstsprache sind Sport-Bücher generell etwas unbeliebter, allerdings ist der Kurvenverlauf jenem der Zweitsprache sehr ähnlich. Im Alter von 12 Jahren lesen 30,8% der Jugendlichen gerne Sport-Bücher, bei den 13-Jährigen sind es 33,6%. Danach sinkt der Anteil ab, 23,3% der 14- 206 <?page no="207"?> jährigen DaZ-Kinder lesen dieses Genre gerne. Im Alter von 15 Jahren ist wieder ein Anstieg auf 30,8% zu beobachten. Abbildung 79: Beliebtheit Sport-Bücher im Altersverlauf DaZ 4.3.3.9. Lern-Bücher Bücher, aus denen man etwas lernen kann, werden von 34,1% der DaM- Kinder, und 46,8% der DaZ-Kinder gern gelesen. Eine Geschlechterdifferenz ist nicht zu beobachten, 37,6% der Burschen und 38,2% der Mädchen lesen gerne Lern-Bücher. Eine mit p = 0,037 statistisch signifikante Entwicklung ist bei der Berücksichtigung des Sozialstatus festzustellen: Je höher der Sozialstatus der Kinder, desto weniger gern werden Lern-Bücher gelesen. Dies trifft auf 61,1% der Kinder mit niedrigem, 30,3% jener mit mittlerem, und 35,9% der Jugendlichen mit hohem Sozialstatus zu. Interessant ist der Zusammenhang mit dem Buchbesitz im Elternhaus: In Haushalten mit keinen Büchern lesen auch 0% der Kinder Lern-Bücher gerne. Bei einem Buchbesitz von unter einem Meter ist auch die Beliebtheit dieses Genres am höchsten und liegt bei 48,1%. Bei einem bis vier Metern Bücher lesen 29,5% der SchülerInnen gerne Lern-Bücher, und bei über vier Metern sind es 36%. Eine differierende Entwicklung, die mit p = 0,004 auch statistisch signifikant ist, ist bei der Berücksichtigung des Buchbesitzes der Kinder selbst zu beobachten. Am wenigsten gern lesen Kinder mit keinen eigenen Büchern Lern-Bücher, nämlich 11,8%. 35,7% der SchülerInnen mit unter einem Meter Buchbesitz geben an, Lern-Bücher gern zu lesen, und 33,8% bei einem bis 207 <?page no="208"?> zwei Metern eigenen Büchern. Besonders hoch ist der Anteil bei mehr als zwei Metern Bücher und liegt bei 45,8%. Im Altersverlauf sind in der Gruppe der DaM-Kinder Schwankungen in der Beliebtheit von Lern-Büchern festzustellen, die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,001. Zwischen dem 12. und 13. Lebensjahr steigt der Anteil der Jugendlichen, die dieses Genre gerne lesen, von 34,6% auf 40,9% an. Danach folgt bei den 14-Jährigen ein Absturz auf 26,9%, um im Alter von 15 Jahren wieder auf 31,8% zu steigen. Abbildung 80: Beliebtheit Lern-Bücher im Altersverlauf DaM In der Gruppe der DaZ-Kinder sind reduzierte Schwankungen zu beobachten, wobei die Entwicklung für die Zweitsprache Deutsch tendenziell ähnlich verläuft als für die Gruppe der DaM-Kinder. Zunächst steigt die Beliebtheit von 57,1% bei den 12-Jährigen auf 60% bei den 13-Jährigen, um danach auf 36,6% im Alter von 14 Jahren zu fallen. Danach ist wieder ein leichter Anstieg auf 38,5% bei den 15-Jährigen zu verzeichnen. Für die jeweilige Erstsprache sinkt die Beliebtheit des Genres zunächst vom 12. auf das 13. Lebensjahr von 40% auf 30%, in den folgenden beiden Jahren bleibt die Beliebtheit konstant bei 30% bzw. 30,1%. 208 <?page no="209"?> Abbildung 81: Beliebtheit Lern-Bücher im Altersverlauf DaZ 4.3.3.10. Liebesromane Liebesromane werden von 34,2% der DaM-Kinder, und 26,9% der DaZ- Kinder gerne gelesen, rangieren also in beiden Gruppen im letzten Drittel der Beliebtheitsskala. Große Differenzen ergeben sich allerdings im Geschlechtervergleich, denn 8,3% der Burschen, aber 59,6% der Mädchen geben an, dieses Genre gerne zu lesen, die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,000. Liebesromane sind bei Kindern mit niedrigem und mittlerem Sozialstatus beliebter als bei jenen mit hohem sozialen Hintergrund: Während 44,5% bzw. 43,2% der SchülerInnen mit niedrigem und mittlerem Sozialstatus angeben, gerne dieses Genre zu lesen, sind es nur 18,4% der Heranwachsenden mit hohem Sozialstatus. Der Buchbesitz im Elternhaus hat Auswirkungen auf die Beliebtheit dieses Genres: 20% der Kinder mit keinen Büchern im Elternhaus lesen gerne Liebesromane, während 29,1% der SchülerInnen mit unter einem Meter Bücher, 27,8% jener mit einem bis vier Metern Bücher im Elternhaus, und 34,7% der Kinder mit über vier Metern Bücher dieses Genre präferieren. Parallel dazu verhält es sich bei einem Vergleich mit dem Buchbesitz der Kinder selbst, hier geben 17,7% der SchülerInnen ohne eigene Bücher an, gerne Liebesromane zu lesen, 29,1% jener mit unter einem Meter eigener Bücher, 33,8% der SchülerInnen mit einem bis zwei Metern Buchbesitz, und 33,3% der Kinder mit über zwei Metern eigenen Büchern. 209 <?page no="210"?> Abbildung 82: Beliebtheit Liebesromane im Altersverlauf DaM Im Altersverlauf zeigt sich für die Gruppe der DaM-Kinder, dass die Beliebtheit der Liebesromane leicht ansteigt, allerdings sind die Differenzen nur gering. 28% der 12-jährigen DaM-Kinder lesen dieses Genre gerne, im Alter von 13 Jahren sind es bereits 36,7%. Danach sind nur geringe Schwankungen auf 32,6% und 34,2% bei den 15-Jährigen zu beobachten. Abbildung 83: Beliebtheit Liebesromane im Altersverlauf DaZ 210 <?page no="211"?> In der Gruppe der DaZ-Kinder ist für die Zweitsprache Deutsch eine ähnliche Entwicklung wie zuvor für die DaM-Kinder zu beobachten, es handelt sich um einen leichten Anstieg von 26,7% auf 30% bei den 13-Jährigen. Danach sinkt die Beliebtheit dieses Genres stetig ab, zunächst auf 26,7% bei den 14-Jährigen, und auf 23,1% im Alter von 15 Jahren. In der Erstsprache schwankt die Beliebtheitskurve zwischen dem 12. und 14. Lebensjahr von 20% auf 14,4% und wieder zurück, um danach endgültig auf 7,7% abzusinken. 4.3.3.11. Gedichte Gedichte sind in den beiden Gruppen der DaM- und DaZ-Kinder das unbeliebteste Genre, nur 14,5% der DaM-Kinder und 21,9% der DaZ-Kinder geben an, gerne Gedichte zu lesen. Diese Tendenz ist auch im Geschlechtervergleich ersichtlich, zwar sind es 25,8% der Mädchen, und 7,5% der Burschen, die gern Gedichte lesen, allerdings sind diese in beiden Gruppen auf dem vorletzten bzw. letzten Platz der Beliebtheitsskala anzutreffen, die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,002. Unter Berücksichtigung des Sozialstatus zeigt sich, dass Gedichte vor allem bei SchülerInnen mit niedrigem Sozialstatus beliebt sind, 27,8% der Kinder dieser Gruppe behaupten dies von sich, während das nur auf 16,3% der Kinder mit mittlerem, und auf 8,8% jener mit hohem sozialem Status zutrifft. Parallel dazu zeigt sich die Entwicklung unter Berücksichtigung des Buchbesitzes im Elternhaus: 20% der SchülerInnen mit keinen Büchern im Elternhaus geben an, gerne Gedichte zu lesen, und 20,8% jener mit unter einem Meter Buchbesitz im Elternhaus. Mit steigendem Buchbestand im Elternhaus sinkt die Beliebtheit von Gedichten, nur noch 13,3% der Kinder mit einem bis vier Metern, und 14,1% jener mit über vier Metern Buchbesitz lesen gerne Gedichte. Keine großen Differenzen ergeben sich bei Berücksichtigung des Buchbestandes der Kinder selbst (statistische Signifikanz: p = 0,045). Hier geben 11,8% der Kinder ohne eigene Bücher an, gern Gedichte zu lesen, 13,8% jener mit unter einem Meter Buchbesitz, 15,1% der SchülerInnen mit einem bis zwei Metern, und 13% jener mit über zwei Metern eigenen Büchern. Keine einheitliche Tendenz ist im Altersverlauf der Gruppe der DaM- Kinder zu erkennen, die Beliebtheitsskala schwankt von 13,7% bei den 12- Jährigen auf 17,2% im Alter von 13 Jahren, sinkt danach wieder auf 10,2% bei den 14-Jährigen, und steigt bei den 15-Jährigen wieder auf 18,1% an. 211 <?page no="212"?> Abbildung 84: Beliebtheit Gedichte im Altersverlauf DaM Eine genau umgekehrte Beliebtheitskurve zeigt sich in der Gruppe der DaZ- Kinder, sowohl für die Erst-, als auch für die Zweitsprache. Bei den 12- Jährigen geben 26,6% der Kinder an, gerne Gedichte auf Deutsch zu lesen, und 26,7%, dies gern in ihrer Muttersprache zu tun. Im Alter von 13 Jahren sinkt die Beliebtheit in der Zweitsprache auf 17,7%, und in der Erstsprache auf 15,8%. 25% der Kinder mit 14 Jahren lesen gerne Gedichte auf Deutsch, und 24,1% Gedichte in ihrer Erstsprache; danach fallen die Werte wieder auf 15,4% für die Zweitsprache, und auf 16,6% in der Erstsprache. Abbildung 85: Beliebtheit Gedichte im Altersverlauf DaZ 212 <?page no="213"?> Zusammenfassend lässt sich für die Beliebtheit der Buchgenres feststellen, dass Faktoren wie Lesefreude, Leseselbstkonzept und Buchbesitz der Kinder einen starken Einfluss darauf haben, welche Genres präferiert werden. Ebenso konnten geschlechtsspezifische Unterschiede, und Differenzen zwischen den beiden Gruppen der DaM- und DaZ-Kinder festgestellt werden. Ein starker Einbruch der Beliebtheit bei einem Großteil der Genres ist in der Gruppe der DaM-Kinder um das 12. Lebensjahr anzusiedeln, hier sinkt die Beliebtheit der Genres drastisch ab; Ausnahmen sind hierbei Jugendromane und Lernbücher, die zunächst einen Aufschwung erleben, allerdings spätestens ab dem 13. Lebensjahr vermehrt abgelehnt werden. Liebesromane steigen dagegen ab dem 12. Lebensjahr unvermindert an, während die Beliebtheit von Gedichten im Altersverlauf weitgehend unverändert bleibt. In der Gruppe der DaZ-Kinder sind Anzeichen für eine Lesekrise, die die Lektüre von Büchern in der Zweitsprache Deutsch betrifft, erst mit Verspätung beobachtbar, denn hier sinkt die Beliebtheit der verschiedenen Genres im Schnitt ab dem 13. Lebensjahr. Eine Ausnahme sind hierbei die Genres Science-Fiction und Abenteuergeschichten, deren Beliebtheit ab dem 13. Lebensjahr ansteigt. In der Erstsprache werden ab dem 13., spätestens ab dem 14. Lebensjahr vermehrt Texte der Genres Krimis/ Thriller, lustige Bücher, Science-Fiction, Jugendromane und Sport-Bücher gelesen, während alle anderen Genres ab dem 12. und 13. Lebensjahr an Beliebtheit verlieren. 4.4. Buchlesefunktionen Einen detaillierteren Einblick in das Leseverhalten von Jugendlichen bietet die Analyse der Gründe, warum sie lesen, und welche Funktionen das Lesen dabei übernimmt. Im Rahmen der Fragebogenerhebung wurde dabei nur auf die Funktionen des Buchlesens eingegangen. Es wird zwischen fünf Buchlesefunktionen unterschieden, die, wie die folgende Tabelle zeigt, abgefragt 11 wurden. 11 Die SchülerInnen konnten zu jeder Behauptung ankreuzen: stimmt völlig/ stimmt eher/ stimmt eher nicht/ stimmt gar nicht. 213 <?page no="214"?> Funktion Item im Fragebogen 12 Unterhaltungsfunktion Ich lese Bücher zur Unterhaltung. Entspannungsfunktion Ich lese Bücher zum Entspannen. Informationsfunktion Ich lese Bücher zur Information. Regenerationsfunktion Ich lese Bücher, um alles um mich herum zu vergessen. Ratgeberfunktion Ich lese Bücher, um Rat und Hilfe zu erhalten. Tabelle 9: Übersicht über die Buchlesefunktionen Außerdem wurde den SchülerInnen die Feststellung „Ich lese nie Bücher“ vorgelegt, die sie, nach dem bereits genannten Schema, bewerten sollten. Betrachtet man die unten stehende Grafik, so zeigen sich einige Unterschiede bei den Buchlesefunktionen bei DaM- und DaZ-Kindern. In beiden Gruppen steht an erster Stelle, dass ein Buch die LeserInnen unterhalten soll, davon sind 71,3% der DaM-Kinder und 60,6% der DaZ-Kinder überzeugt. Entspannung und Information sind zwei weitere Funktionen, die für beide Gruppen von großer Wichtigkeit ist. Große Unterschiede ergeben sich bei der Ratgeber- und Regenerationsfunktion: Während ersteres für DaZ-Kinder wichtiger ist, steht die Regenerationsfunktion bei DaM-Kindern eher im Vordergrund. Auffallend ist, dass sich die Werte der beiden Gruppen in Bezug auf die Aussage „Ich lese nie Bücher auf Deutsch“ nur geringfügig unterscheiden: 17,2% der DaM-Kinder lesen nie Bücher, während dies 20,5% der DaZ- Kinder von sich behaupten. 12 Hierbei wurden DaZ-Kinder sowohl nach der Funktion für Texte in der Erstals auch in der Zweitsprache Deutsch befragt. 214 <?page no="215"?> Abbildung 86: Buchlesefunktionen Dt. Bei einem Vergleich der Buchlesefunktionen bei DaZ-Kindern in Erst- und Zweitsprache Deutsch zeigen sich, bis auf die jeweils geringere Bedeutung in der Erstsprache, keine nennenswerten Unterschiede. Diese geringere Be- 215 <?page no="216"?> deutung hat seinen Ursprung in der geringeren Buchlesefrequenz in der Erstsprache, die doppelt so hoch ist als in der Zweitsprache. Die Rangliste der Funktionen ist in beiden Gruppen gleich, wie die folgende Grafik zeigt. Abbildung 87: Buchlesefunktionen DaZ 216 <?page no="217"?> Aufschlussreich ist darüber hinaus eine Differenzierung nach Geschlecht, wie die folgende Tabelle zeigt. 13 Hierbei wurden die Buchlesefunktionen, je nach Geschlecht, der Häufigkeit nach geordnet und mit den Prozentanteilen jener SchülerInnen versehen, die im Fragebogen mit „stimmt völlig“ bzw. „stimmt eher“ geantwortet haben. In der letzten Tabellenzeile finden sich die Prozentangaben der SchülerInnen, die von sich behaupten, keine Bücher zu lesen. Buchlesefunktion Burschen Buchlesefunktion Mädchen 1. Unterhaltung 58,5 1. Unterhaltung 75,4 2. Information 47,3 2. Entspannung 66,2 3. Entspannung 37,8 3. Regeneration 49,3 4. Ratgeber 30,9 4. Information 48,3 5. Regeneration 24,5 5. Ratgeber 35,4 Kein Buchlesen 28,2 Kein Buchlesen 10,8 Tabelle 10: Buchlesefunktionen nach Geschlecht 14 Sowohl die befragten Burschen als auch die Mädchen gaben als wichtigste Buchlesefunktion die Unterhaltung an, dies ist 58,5% der Burschen und 75,4% der Mädchen besonders wichtig. Bei den Burschen folgt mit 47,3% die Informationsfunktion, gefolgt von der Entspannungsfunktion (37,8%). Weit abgeschlagen sind die Funktionen Ratgeber (30,9%) und Regeneration (24,5%). Bei den Mädchen rangiert die Entspannungsfunktion auf dem zweiten Platz, für sie ist diese Funktion deutlich wichtiger als für ihre männlichen Kollegen (66,2%). Eine große Differenz zeigt sich auch in der Regenerationsfunktion, die für fast die Hälfte der Mädchen (49,3%) von Wichtigkeit ist, während dies nur ein Viertel der Burschen von sich behauptet. Die Informationsfunktion liegt bei den Mädchen auf dem vorletzten Platz (48%), jedoch gibt es nur einen Prozentpunkt Unterschied zwischen den beiden Geschlechtern. Ähnlich verhält es sich bei der Funktion des Buches als Ratgeber, die bei den Mädchen an letzter Stelle mit 35,4% anzutreffen ist. 13 Bei dieser Analyse wurde die Gesamtgruppe herangezogen, also sowohl DaMals auch DaZ-Kinder. Die Vollständigkeit der Angaben liegt bei rund 95%, n ~ 400. 14 Statistisch signifikant ist der Zusammenhang zwischen Geschlecht und Buchlesefunktion bei den Funktionen Entspannung (p = 0,001) und Regeneration (p = 0,005), hier zeigten sich auch die größten Differenzen bei den Prozentangaben der Kinder. Ebenso zeigte sich eine statistische Signifikanz zwischen dem Geschlecht und der negativen Einstellung zum Buchlesen (p = 0,006). 217 <?page no="218"?> Es zeigt sich, dass Bücher für Mädchen deutlich vielfältigere Funktionen übernehmen, als dies für Burschen der Fall ist. Vier von fünf der abgefragten Funktionen sind für knapp die Hälfte der Mädchen von Wichtigkeit, während dies nur für zwei Funktionen der Burschen zutrifft. Was die Häufigkeit des Buchlesens betrifft, so zeigt sich hier dramatisch, dass Mädchen dem Medium Buch deutlich zugetaner sind als Burschen: Während 10,8% der Mädchen angibt, keine Bücher zu lesen, trifft dies auf knapp drei Mal so viele Burschen zu (28,2%). Bei einem Vergleich der Buchlesefunktionen mit dem Sozialstatus der Eltern kann zwar von keiner statistischen Signifikanz ausgegangen werden, dennoch sollen die Tendenzen der einzelnen Buchlesefunktionen wiedergegeben werden, um einen kurzen Überblick über die Verteilung zum Sozialstatus zu geben. Hierbei wurden die beiden Gruppen DaM und DaZ zusammengefasst, und nur die Angaben zu den Funktionen von Büchern auf Deutsch herangezogen. Zunächst lässt sich sagen, dass keine eindeutige Zuordnung zum sozialen Status der Familien möglich ist, die Verteilungen sind sehr unterschiedlich, wie die folgende Grafik zeigt. 218 <?page no="219"?> Abbildung 88: Buchlesefunktionen nach Sozialstatus 219 <?page no="220"?> Die Unterhaltungsfunktion ist in allen drei Gruppen stark vertreten und somit von großer Bedeutung für die Heranwachsenden, wie bereits mehrmals erwähnt wurde. Auffallend bei der Informationsfunktion ist ihre geringe Wichtigkeit für Kinder aus Familien mit hohem sozialem Status. Daraus lässt sich schließen, dass das Medium Buch in dieser Gruppe nur selten zum Zweck der Informationsbeschaffung gelesen wird, es besteht die Möglichkeit, dass Kinder aus sozial hochgestellten Familien Informationen aus anderen Medien beziehen. Die Entspannungsfunktion ist für Kinder aus mittleren sozialen Schichten deutlich wichtiger als für alle anderen; weiters nimmt die Bedeutung der Rat gebenden Funktion mit der Höhe der sozialen Schicht ab. Der Grund für beide Phänomene bleibt allerdings im Dunkeln. Die Regenerationsfunktion ist für alle drei Gruppen annähernd gleich wichtig. NichtleserInnen sind vor allen in Familien mit niedrigem sozialen Status anzutreffen, ihre Anzahl reduziert sich mit steigendem Sozialstatus. Bei einem Vergleich mit der Lesefreude der SchülerInnen zeigt sich, dass die Häufigkeit, mit der die verschiedenen Buchlesefunktionen angegeben werden, mit steigender Lesefreude ebenfalls steigt. So geben 40,6% der Kinder mit niedriger Lesefreude an, Bücher zur Unterhaltung zu lesen, hingegen sind es 91,6% jener mit hoher Lesefreude. Ebenso verhält es sich bei den anderen Buchlesefunktionen, die Werte steigen in allen Kategorien statistisch signifikant an. 15 Bei der Informationsfunktion sind es 36,7% der Kinder mit niedriger, und 54,5% jener mit hoher Lesefreude, die aus diesem Grund Bücher lesen. Zur Entspannung lesen 22,6% der Kinder mit niedriger, und 79% jener mit hoher Lesefreude; als Ratgeber nutzen 27,3% der Kinder mit niedriger, und 31,3% jener mit hoher Lesefreude Bücher. Schließlich sind es 17,5% der Kinder mit niedriger Lesefreude, die Bücher lesen, um alles um sich herum zu vergessen, und 53,8% jener mit hoher Lesefreude. 15 Für alle Buchlesefunktionen wurde eine statistische Signifikanz von p = 0,000 errechnet, mit Ausnahme für die Ratgeberfunktion, hier liegt der p-Wert bei 0,018. 220 <?page no="221"?> Abbildung 89: Buchlesefunktionen nach Lesefreude Ähnlich verhält es sich bei Berücksichtigung des Leseselbstkonzepts der Kinder. In der Gruppe der DaM-Kinder steigt die Anzahl jener SchülerInnen, die angeben, Bücher aus den angegebenen Gründen zu nutzen, mit steigendem Leseselbstkonzept rapide an, dies trifft vor allem auf Kinder mit hohem Leseselbstkonzept zu. Eine Ausnahme, bei der die meisten Kinder mit mittlerem Leseselbstkonzept die angegebene Funktion nutzen, ist die Ratgeberfunktion: 31,2% der Kinder mit mittlerem, und 21,8% jener mit hohem Leseselbstkonzept lesen Bücher, um Rat und Hilfe zu erhalten. Für die Unterhaltungsfunktion geben 60% der Kinder mit mittlerem, und 84,9% jener mit hohem Leseselbstkonzept an, Bücher aus diesem Grund zu lesen; 45,5% der Kinder mit mittlerem Leseselbstkonzept, und 47,7% jener mit hohem Leseselbstkonzept lesen Bücher, um sich zu informieren. 16 Zum Entspannen lesen 46,2% der Kinder mit mittlerem, und 70,4% jener mit hohem 16 Die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,045. 221 <?page no="222"?> Leseselbstkonzept Bücher, und um alles um sich zu vergessen sind es 38,4% bzw. 44,1% bei hohem Leseselbstkonzept. Abbildung 90: Buchlesefunktionen nach Leseselbstkonzept DaM Parallel dazu ist die Entwicklung der Gruppe der DaZ-Kinder in der Zweitsprache Deutsch zu sehen: Auch hier steigt die Anzahl der SchülerInnen, die Bücher aus den angegebenen Gründen lesen, mit steigendem Leseselbstkonzept an, Ausnahmen sind hier die Ratgeber- und Informationsfunktion, die besonders häufig von Kindern mit mittlerem Leseselbstkonzept genannt wurden: Während erstere von 45,3% der Kinder mit mittlerem, aber nur von 38,1% jener mit hohem Leseselbstkonzept gelesen werden, sind es für zweitere 50,9% bzw. 47,6%. 222 <?page no="223"?> Abbildung 91: Buchlesefunktionen nach Leseselbstkonzept DaZ Dt. Die Unterhaltungsfunktion ist für 59,3% der DaZ-Kinder mit mittlerem Leseselbstkonzept von Relevanz, und für 70% mit hohem Leseselbstkonzept; 43,6% der Kinder mit mittlerem, und 45% jener mit hohem Leseselbstkonzept lesen Bücher um zu entspannen, und um alles um sich herum zu vergessen, lesen 24,1% jener mit mittlerem, und 25% jener mit hohem Leseselbstkonzept. Für die Erstsprache sind die Zusammenhänge zwischen Leseselbstkonzept und den Buchlesefunktionen besonders ins Auge stechend, da die Angaben von Gruppe zu Gruppe besonders stark steigen. 223 <?page no="224"?> Abbildung 92: Buchlesefunktionen nach Leseselbstkonzept DaZ L1 Zur Unterhaltung lesen 8,3% der DaZ-Kinder mit niedrigem Leseselbstkonzept Bücher in ihrer Erstsprache, 32,6% jener mit mittlerem, und 56,3% jener mit hohem Leseselbstkonzept. Um sich zu informieren, lesen 25,5% der Kinder mit mittlerem, aber 58,8% jener mit hohem Leseselbstkonzept Bücher in ihrer Muttersprache, dabei liegt die statistische Signifikanz bei p = 0,045. Zur Entspannung geben 8,3% der DaZ-Kinder mit niedrigem, 17,1% jener mit mittlerem, und 50% jener mit hohem Leseselbstkonzept an, Bücher in ihrer Muttersprache zu lesen; während es 16,7% der DaZ-Kinder mit mittlerem, und 31,3% jener mit hohem Leseselbstkonzept sind, die Bücher in ihrer Muttersprache lesen, um Rat und Hilfe zu erhalten. Um alles um sich herum zu vergessen lesen schließlich 12,5% der Kinder mit mittlerem, und 31,3% jener mit hohem Leseselbstkonzept Bücher in ihrer Muttersprache. 224 <?page no="225"?> Setzt man die Buchlesefunktionen mit dem Buchbesitz im Elternhaus in Verbindung, zeigt sich ein vertrautes Bild: Je mehr Bücher im Haushalt verfügbar sind, desto wichtiger empfinden die Heranwachsenden die verschiedenen Funktionen, wie die folgende Grafik zeigt. 17 Abbildung 93: Buchlesefunktionen nach Buchbesitz im Elternhaus Eine Ausnahme in der allgemeinen Tendenz nach oben ist die Ratgeberfunktion, sie sinkt, je mehr Bücher im Haushalt vorhanden sind. Die Informationsfunktion ist in den drei Kategorien jeweils knapp gleich gewichtet vertreten. Ein ebenfalls vertrautes Bild bietet die Betrachtung der NichtleserInnen, deren Anzahl abnimmt, je größer der Buchbesitz im Elternhaus ist. 17 Statistisch signifikant sind folgende Buchlesefunktionen: Unterhaltungsfunktion: p = 0,001; Entspannungsfunktion: p = 0,001; Ratgeberfunktion: p = 0,001. 225 <?page no="226"?> Unter Berücksichtigung des Buchbesitzes der SchülerInnen selbst ergibt sich ein ähnliches Bild, parallel zur oben angeführten Entwicklung; die statistische Signifikanz liegt bei allen Funktionen, mit Ausnahme der Ratgeberfunktion, bei p = 0,000. Aus diesem Grund soll auf eine detaillierte Darstellung diesbezüglich verzichtet werden. In der Folge soll die Entwicklung der Bedeutung der verschiedenen Buchlesefunktionen für die Kinder im Altersverlauf betrachtet werden, und dies jeweils für die beiden Gruppen DaM und DaZ. Bei den DaZ-Kindern werden darüber hinaus auch die Buchlesefunktionen für die jeweiligen Erstsprachen analysiert. Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung der Gruppe der DaM-Kinder im Altersverlauf. 226 <?page no="227"?> Abbildung 94: Buchlesefunktionen im Altersverlauf DaM 227 <?page no="228"?> Hier zeigt sich deutlich, dass fast alle untersuchten Buchlesefunktionen im Lauf der Entwicklung der SchülerInnen an Bedeutung abnehmen. Dies trifft jedoch nicht auf die Funktion des Buches als Ratgeber zu, innerhalb der untersuchten vier Lebensjahre kann die Ratgeberfunktion um fast 6% zunehmen. Ein deutlicher Knick nach oben ist bei der Informationsfunktion des Buches festzustellen: Im Übergang zwischen dem 14. und 15. Lebensjahr gewinnt die Informationsgewinnung durch Bücher wieder an Bedeutung, kann aber mit dem 15. Lebensjahr nicht wieder dieselbe Höhe erreichen, die sie bei den 12-jährigen Kindern hat. Ein weiterer Knick ist bei der Regenerationsfunktion zwischen dem 13. und 14. Lebensjahr festzustellen, was gegen den generellen Abwärtstrend jedoch nichts bewirken kann. Parallel zur ständigen Abnahme der Wichtigkeit der verschiedenen Buchlesefunktionen steigt der Anteil der Kinder, die angeben, keine Bücher zu lesen, an. Sind es bei den 12-Jährigen nur 2,7%, die keine Bücher lesen, wächst der Prozentsatz von Jahr zu Jahr rapide an, um bei den 15-Jährigen bei 31,9% zu landen: Fast ein Drittel der 15-jährigen DaM-Kinder gibt an, nie ein Buch zu lesen. Dies ist ein deutlich höherer Wert als bei den Angaben der Kinder zur Anzahl der im vergangenen Jahr in der Freizeit gelesenen Bücher, die Tendenzen stimmen aber überein. 18 Die Reihenfolge der für die Kinder wichtigsten Buchlesefunktionen ändert sich im Altersverlauf nur gering. Für die 12-Jährigen steht die Unterhaltungsfunktion an erster Stelle, gefolgt von Entspannung, Information, Regeneration und Ratgeber. Bei den 15-Jährigen hat Information einen höheren Stellenwert als Entspannung, und auch die Regenerationsfunktion muss ihren Platz auf der Rangliste für die Funktion als Ratgeber räumen. Komplizierter ist die Entwicklung der Buchlesefunktionen bei der Gruppe der DaZ-Kinder. Hier lässt sich für Bücher in der Zweitsprache Deutsch keine globale Tendenz nach unten feststellen, wie sie bei den DaM-Kindern deutlich wurde. Umgekehrt ist dies aber sehr wohl für Bücher in den jeweiligen Erstsprachen erkennbar. Um die Entwicklungen für die Erst- und Zweitsprache für die verschiedenen Buchlesefunktionen übersichtlich darzustellen, werden in Folge jeweils Erst- und Zweitsprache, nach Funktionen getrennt, gegenübergestellt. 18 Die niedrigeren Werte, die sich bei der offenen Frage „Wie viele Bücher hast du im letzten Jahr in deiner Freizeit gelesen“ ergeben, können durch die Problematik des Antwortformats an sich erklärt werden, da hier Antworten wie „wenige“, „fast gar keine“ und Ähnliches nicht in die Auswertung mit einbezogen wurden (fehlende Werte für die Gesamtstichprobe: n = 119 / 28%). Im Vergleich dazu war die Ausfallsquote bei der als Forced-Choice-Item gestalteten Behauptung bei n = 27 / 6,4% bzw. n = 14 / 15,4% bei der Gruppe DaZ - L1. 228 <?page no="229"?> Unterhaltungsfunktion: Die Entwicklung der Wichtigkeit der Unterhaltungsfunktion bei DaZ-Kindern ergänzt sich in Erst- und Zweitsprache: Während bei den 12-Jährigen die Unterhaltung in Erst- und Zweitsprache noch annähernd gleich wichtig ist, pendelt die Entwicklung in den folgenden Jahren jeweils gegengleich auf und ab. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Unterhaltungsfunktion für Bücher in der Zweitsprache Deutsch im Altersverlauf immer wichtiger wird (sie steigt von 60% auf 80%), während sie für die Erstsprache dramatisch abnimmt und von 53,4% auf 18,2% sinkt. Abbildung 95: Unterhaltungsfunktion DaZ Informationsfunktion: Die Fähigkeit eines Buches, seine Leser über bestimmte Sachverhalte zu informieren, ist für die 12- und 15-jährigen DaZ- Kinder besonders wichtig, die Bedeutung dieser Funktion sinkt aber in den beiden Jahren dazwischen leicht ab. Die Entwicklung ist sowohl für Erstals auch für Zweitsprache weitgehend identisch, jedoch ist die Bedeutung der Informationsfunktion für die Erstsprache generell geringer als für die Zweitsprache Deutsch. 229 <?page no="230"?> Abbildung 96: Informationsfunktion DaZ Entspannungsfunktion: Bücher zu lesen, um zu entspannen, liegt bei DaZ- Kindern sowohl in Erstals auch in Zweitsprache an der dritten Stelle. Die Entwicklungslinien dieser Funktion des Buchlesens verlaufen parallel, und sinken mit dem 14. Lebensjahr dramatisch ab. Wieder ist die Wichtigkeit der Entspannungsfunktion bei Büchern, die auf Deutsch geschrieben sind, bei weitem wichtiger als bei Büchern in der Erstsprache. Abbildung 97: Entspannungsfunktion DaZ Ratgeberfunktion: Rat und Hilfe aus einem Buch zu erfahren ist für DaZ- Kinder für Bücher, die in ihrer Zweitsprache Deutsch geschrieben sind, wichtiger als in der Erstsprache. Während hier die Prozentangaben im Al- 230 <?page no="231"?> tersverlauf steigen (von 40% auf 50%), sinken sie für die Erstsprache von 26,7% auf 9,1%. Abbildung 98: Ratgeberfunktion DaZ Regenerationsfunktion: Unter der Regenerationsfunktion wird eine Funktion des Lesens verstanden, bei der die LeserInnen während des Leseprozesses alles um sich herum vergessen, und sich nur auf das Buch, die Lektüre konzentrieren. Die Bedeutung dieser Funktion wird im Altersverlauf für Texte auf Deutsch etwas geringer und sinkt von 20% auf 18,2%, allerdings zeigt sich im Alter von 13 Jahren, dass das Bedürfnis der SchülerInnen nach Regeneration offenbar zunimmt: Hier steigt die Bedeutung kurzfristig auf 38,1%. Für Texte in der Erstsprache ist die Wichtigkeit der Regeneration zu Beginn etwas geringer und liegt bei 13,3%, steigt aber im Altersverlauf an, und liegt bei den 15-Jährigen auf der selben Stufe wie die Regenerationsfunktion für Bücher auf Deutsch. 231 <?page no="232"?> Abbildung 99: Regenerationsfunktion DaZ Kein Buchlesen: Eine fast parallele Entwicklung in Erst- und Zweitsprache zeigt sich bei Kindern, die angeben, nie Bücher zu lesen. Der Prozentsatz an NichtleserInnen ist in der Erstsprache höher als in der Zweitsprache Deutsch. Für die Erstsprache ist beim 14. Lebensjahr ein leichter Anstieg zu beobachten (von 40% auf 46,7%), während der Anteil an NichtleserInnen bei den 15-Jährigen wieder sinkt (33,3%). Ähnlich verhält es sich für deutschsprachige Bücher, allerdings ist hier bei den 13-Jährigen zunächst ein sinkender Anteil zu beobachten (von 20% auf 9,5%), der bei den 14-Jährigen wieder auf 33,3% steigt, um daraufhin wieder drastisch auf 8,3% zu sinken. Die Lesefrequenz steigt also für beide Sprachen im Lauf der beobachteten vier Lebensjahre, da immer weniger SchülerInnen angeben, keine Bücher zu lesen. Abbildung 100: NichtleserInnen DaZ 232 <?page no="233"?> Zusammenfassend ist für die Buchlesefunktionen festzustellen, dass sich die Lesefreude, das Leseselbstkonzept und der Buchbesitz der Eltern und Kinder positiv auf alle Funktionen auswirken, Ausnahme hierbei ist die Ratgeberfunktion. Bei Mädchen zeigte sich, dass das Buchlesen für sie vielfältigere Funktionen übernimmt als für Burschen. Im Vergleich der beiden Gruppen der DaM- und DaZ-Kinder ergeben sich nur in der Regenerations- und Ratgeberfunktion Unterschiede in der Bedeutung für die Heranwachsenden. Im Altersverlauf zeigt sich, dass sämtliche Funktionen für DaM-Kinder kontinuierlich an Bedeutung verlieren, außer der Regenerationsfunktion. Für DaZ-Kinder sinken in der Zweitsprache Deutsch ebenfalls kontinuierlich sämtliche Funktionen, mit Ausnahme der Ratgeberfunktion; in der Erstsprache bleiben sie gleich oder sinken ebenfalls kontinuierlich. Offenbar übernehmen andere Medien die Funktionen, die bisher das Buch inne hatte. 4.5. Gründe zu lesen und was davon abhält Ein weiteres Ziel der empirischen Untersuchung ist es, herauszufinden, bei welchen Gelegenheiten, in welchen Situationen die Heranwachsenden zum Buch greifen, und welche Faktoren sie vom Lesen abhalten können. 4.5.1. Gelegenheiten, um zum Buch zu greifen Gelegenheiten, in welchen häufig zum Buch gegriffen wird, wurden im Fragebogen im Rahmen der Lesefunktionen erfasst. Dabei wurden drei Situationen abgefragt: Lesen, wenn man nichts anderes zu tun hat, wenn man allein ist, oder aus Langeweile. Am Häufigsten wurde, sowohl von Burschen als auch von Mädchen, angegeben, zu lesen, wenn sie nichts anderes zu tun hätten. Dies gaben 44,1% der Burschen und 58,8% der Mädchen an. Langeweile als Lesegrund steht bei den Burschen an zweiter Stelle mit 30,6%, gefolgt vom Alleinsein mit 27,9%. Mädchen lesen häufiger, wenn sie allein sind (56,1%), und weniger aus Langeweile (43,9%), dennoch lesen Mädchen generell häufiger als Burschen. 19 Ein Vergleich mit dem Sozialstatus der Familien zeigt, dass das Lesen wenn man alleine ist bzw. aus Langeweile, mit steigendem Sozialstatus ebenfalls steigt: 33,3% der Kinder aus niedrigen sozialen Schichten lesen aus diesen Gründen, 50% jener aus Familien mit mittlerem Sozialstatus, und 66,7% der Kinder mit hohem sozialen Hintergrund. Anders verhält es sich beim Lesen aufgrund fehlender Beschäftigung: Kinder aus Familien mit 19 Eine statistische Signifikanz wurde beim Geschlechtervergleich nur bei einer Buchlesesituation festgestellt: Alleinsein: p = 0,001. 233 <?page no="234"?> mittlerem Sozialstatus lesen am seltensten aus diesem Grund (40%), gefolgt von Kindern aus sozial niedrig gestellten Familien (55,5%) und Familien mit hohem Sozialstatus (66,6%). Der Buchbesitz der Eltern ist ebenfalls ausschlaggebend dafür, ob Kinder in verschiedenen Situationen zum Buch greifen, oder andere Medien bevorzugen. Je höher der Buchbesitz im Elternhaus ist, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit des Buchlesens der Kinder in den untersuchten drei Situationen. Während 41,3% der Kinder aus Elternhäusern mit weniger als einem Meter Bücher zum Buch greifen, wenn sie allein sind, sind es 43,5% bei einem bis vier Metern Bücher, und 56,6% bei über vier Metern Bücher zu Hause. Hingegen greifen nur 28,6% der Kinder ohne Buchbesitz im Elternhaus zum Buch, wenn sie allein sind. Ähnlich verhält es sich beim Lesen aufgrund einer fehlenden Beschäftigung. 14,3% der Kinder aus buchlosen Haushalten greifen dabei auf das Medium Buch zurück, 55% jener Kinder mit unter einem Meter Buchbesitz zu Hause, 58,3% zwischen einem und vier Metern Bücher, und 65,4% der Kinder aus Haushalten mit mehr als vier Metern Bücher. 20 Aus Langeweile lesen 28,6% jener Kinder mit keinen Büchern zu Hause, 34,2% mit unter einem Meter. Danach stagniert die Beliebtheit der Nutzung von Büchern bei 42,9% (einem bis vier Meter Bücher) bzw. 42,7% (über vier Meter Buchbesitz im Haushalt). Ebenso verhält es sich bei einem Vergleich mit dem Buchbesitz der Kinder: Je mehr Bücher sie besitzen, desto häufiger wird das Medium Buch in den drei Situationen eingesetzt. Während 41,7% der Kinder mit weniger als einem Meter Buchbesitz ein Buch lesen, wenn sie alleine sind, sind es bereits 57,2% bei einem Buchbesitz zwischen einem und zwei Metern, und 64% bei über zwei Metern. Nur 11,2% der Kinder, die selbst keine Bücher ihr Eigen nennen, lesen ein Buch, wenn sie alleine sind. Wenn man sonst nichts anderes vorhat, ist das Lesen bei 54,5% der Kinder mit unter einem Meter Bücher beliebt, der Anteil steigt, je mehr Bücher das Kind besitzt. So sind es bei einem bis zwei Metern bereits 66,8%, und bei über zwei Metern 84% der Kinder, die angeben, in dieser Situation zu einem Buch zu greifen. Dagegen behaupten dies nur 5,6% der Kinder ohne eigene Bücher von sich. Eine Ausnahme in dieser Kategorie bildet das Lesen aus Langeweile, hier sind es die Kinder mit einem bis zwei Metern Buchbesitz, die am ehesten aus Langeweile lesen (46,6%), wohingegen 38,3% der Kinder mit unter einem Meter, und 34% jener mit über zwei Meter Bücher lesen, und nur 11,2% der Kinder mit keinen eigenen Büchern. 20 Die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,043. 234 <?page no="235"?> Abbildung 101: Lesegelegenheiten nach Lesefreude Keine überraschenden Ergebnisse zeigen sich bei einem Vergleich mit der Lesefreude der Kinder: Je lieber gelesen wird, desto eher wird auch in Situationen wie Alleinsein, Langeweile oder fehlender Beschäftigung zum Buch gegriffen, wie die oben stehende Grafik illustriert. Wenig überraschend ist der Vergleich mit dem Leseselbstkonzept der SchülerInnen. Für die Gruppe der DaM-Kinder zeigt sich, dass, je höher das Leseselbstkonzept der Kinder ist, in den Situationen der fehlenden Beschäftigung und des Alleinseins auch häufiger zum Buch gegriffen wird: Sind es 50% der Kinder mit niedrigem Leseselbstkonzept, die ein Buch lesen, wenn sie nichts anderes zu tun haben, steigt dieser Wert auf 52,7% bei mittlerem, und auf 63,6% bei hohem Leseselbstkonzept. Noch deutlicher verhält es sich beim Buchlesen, wenn man allein ist, dies tun 38,5% der Kinder mit mittlerem, und 56,2% jener mit hohem Leseselbstkonzept, die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,001. Umgekehrt verhält es sich beim Lesen aus Langeweile: 50% der DaM-Kinder mit niedrigem Leseselbstkonzept geben an, bei Langeweile zum Buch zu greifen, bei mittlerem Leseselbstkonzept sind es 44,6%, und bei hohem nur noch 34,2%. 235 <?page no="236"?> Abbildung 102: Lesegelegenheiten nach Leseselbstkonzept DaM Parallel dazu ist die Entwicklung in der Gruppe der DaZ-Kinder in ihrer Erstsprache zu deuten: Auch hier steigt die Anzahl der Kinder, die aus Gründen fehlender Beschäftigung oder wenn sie allein sind ein Buch in ihrer Erstsprache lesen, während es bei Langeweile hauptsächlich Kinder mit mittlerem Leseselbstkonzept sind, die dies von sich behaupten. Im Detail sind es beim Alleinsein 8,3% der Kinder mit niedrigem, 25,1% jener mit mittlerem, und 37,6% der DaZ-Kinder mit hohem Leseselbstkonzept, die bei dieser Gelegenheit ein Buch in ihrer Erstsprache lesen. Wenn sie nichts besseres zu tun haben, geben 16,7% der SchülerInnen mit niedrigem, 18,7% jener mit mittlerem, und 50% jener mit hohem Leseselbstkonzept an, dabei zu lesen, die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,039. Aus Langeweile lesen 8,3% der Kinder mit niedrigem, 25,6% jener mit mittlerem, und 25,1% der SchülerInnen mit hohem Leseselbstkonzept ein Buch in ihrer Erstsprache. 236 <?page no="237"?> Abbildung 103: Lesegelegenheiten nach Leseselbstkonzept DaZ L1 Sehr deutliche Tendenzen sind in der Gruppe der DaZ-Kinder zu ihrem Leseverhalten in der Zweitsprache Deutsch zu erkennen: Hier gilt ausnahmslos, je höher das Leseselbstkonzept, desto häufiger wird in den drei angegebenen Situationen auch zu einem Buch in der Zweitsprache Deutsch gegriffen. Sind es 38,1% der DaZ-Kinder mit mittlerem Leseselbstkonzept, die lesen, wenn sie alleine sind, steigt dieser Wert auf 47,6% bei hohem Leseselbstkonzept. Bei fehlender Beschäftigung sind es 43,7% der Kinder mit mittlerem, und 60% jener mit hohem Leseselbstkonzept, die ein Buch lesen, die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,044. Aus Langeweile lesen 35,2% der Kinder mit mittlerem, und 57,1% jener mit hohem Leseselbstkonzept ein Buch in der Zweitsprache. 237 <?page no="238"?> Abbildung 104: Lesegelegenheiten nach Leseselbstkonzept DaZ Dt. Eine Gegenüberstellung der beiden Gruppen DaM und DaZ zeigt für das Lesen von Büchern auf Deutsch in allen Kategorien Differenzen, wie die folgenden beiden Grafiken belegen. Beim Lesen aufgrund einer fehlenden Beschäftigung geben 57,7% der heranwachsenden DaM-Kinder an, aus diesem Grund ein Buch zu lesen, sind es nur 48,1% der DaZ-Kinder. Wenn sie allein sind, lesen 46,5% der DaM-Kinder und 39,7% der DaZ-Kinder, während aus Langeweile nur 39,6% der DaM-Kinder, aber 41,6% der DaZ- Kinder Bücher (auf Deutsch) lesen. 238 <?page no="239"?> Abbildung 105: Lesegelegenheiten DaM Auffallend bei einem Vergleich innerhalb der DaZ-Gruppe ist, dass bei den drei abgefragten Lesegelegenheiten deutlich weniger zu Büchern in der Erstsprache gegriffen wird, als zu Büchern in der Zweitsprache Deutsch. Die Werte für die Erstsprache liegen für alle drei Kategorien zwischen 23% und 25%. Abbildung 106: Lesegelegenheiten DaZ 239 <?page no="240"?> Eine Aufschlüsselung über den Altersverlauf liefert spannende Details über die Entwicklung der Buchlesehäufigkeit in den drei Situationen Alleinsein, Langeweile und fehlende Beschäftigung, wie die folgende Grafik für die Gruppe der DaM-Kinder illustriert. Allgemein lässt sich sagen, dass die Kinder, je älter sie werden, bei den drei Gelegenheiten immer seltener zum Buch greifen. Am ehesten wird bei den 12-Jährigen gelesen, wenn sie allein sind oder nichts anderes vorhaben; diese Reihenfolge ändert sich bei den 15- Jährigen, die eher aus Langeweile lesen, als wenn sie gerade alleine sind. Abbildung 107: Lesegelegenheiten im Altersverlauf DaM 240 <?page no="241"?> Vor allem das Lesen beim Alleinsein verliert stark an Popularität: Steht es bei den 12-Jährigen noch an erster Stelle mit 65,8%, sinkt diese Lesegelegenheit bereits bei den 13-Jährigen stark auf 44,1% ab, und verliert in den darauf folgenden beiden Jahren nochmals um 12% (31,9% bei den 15-Jährigen). Ein Buch zu lesen, weil man nichts anderes vorhat, ist im Lauf der vier Untersuchungsjahre ein Motiv, das zwar an Popularität verliert (von 65,4% bei den 12-Jährigen auf 40,9% bei den 15-Jährigen), aber trotzdem über alle Jahre hinweg (vor allem zwischen dem 13. und 14. Lebensjahr) am Wichtigsten bleibt. Beim Motiv der Langeweile ist zwischen dem 12. und 13. Lebensjahr ein dramatischer Knick in der Beliebtheit festzustellen, von 49,3% auf 31,5%. Bei den 14-Jährigen erholt sich dieses Lesemotiv aber wieder und steigt auf 41,9%, um im Jahr darauf wieder leicht auf 38,6% zu fallen. Somit wird das Motiv der Langeweile bei den 15-Jährigen zur zweitwichtigsten Gelegenheit, bei der ein Buch zur Hand genommen wird. Bei der Analyse der Gelegenheiten, bei denen Bücher gelesen werden, wird für die Gruppe der DaZ-Kinder jedes Motiv einzeln betrachtet und für Erst- und Zweitsprache gegenübergestellt. Das Motiv des Lesens beim Alleinsein erfährt in der Zweitsprache Deutsch bei den 14-Jährigen einen drastischen Absturz von 52,4% auf 23,3%. Allerdings ist diese Erscheinung nur vorübergehend, da 50% der 15-Jährigen angeben, Bücher auf Deutsch zu lesen, wenn sie alleine sind. Für die Erstsprache ist ein kontinuierlicher Rückgang des Lesens beim Alleinsein zu verzeichnen. 26,7% der 12-Jährigen geben an, aus diesem Grund ein Buch in ihrer Erstsprache zu lesen; bei den 13-Jährigen steigt der Wert auf 28,6% an, fällt jedoch in den folgenden beiden Jahren auf 23,4% und 18,2%. Abbildung 108: Lesen Alleinsein im Altersverlauf DaZ 241 <?page no="242"?> Ein Buch in der Zweitsprache Deutsch zu lesen, weil man nichts anderes zu tun hat, trifft auf 60% der 12-Jährigen zu. Dieser Wert sinkt bis zum Alter von 14 Jahren auf 42,9% und 33,4%, erfährt aber bei den 15-Jährigen eine Wiederbelebung: 81,9% der 15-jährigen DaZ-Kinder geben an, aus diesem Grund ein Buch auf Deutsch zu lesen. Die Tendenz nach unten bei den 12- und 13-Jährigen ist auch für die Erstsprache festzustellen, hier sinkt der Wert von 26,7% auf 14,3%. Steigender Beliebtheit erfreut sich das Lesen aufgrund fehlender Beschäftigung wieder bei den 14-Jährigen, 33,3% geben an, aus diesem Grund zu einem Buch in der Erstsprache zu greifen. Danach fällt der Wert wieder auf 25% bei den 15-Jährigen. Abbildung 109: Lesen fehlende Beschäftigung im Altersverlauf DaZ Keine eindeutige Tendenz ist dem Lesemotiv Langeweile für Bücher in der Zweitsprache Deutsch zuzuschreiben. In den ersten beiden Jahren steigt die Beliebtheit dieses Motivs von 40% auf 55%, um bei den 14-Jährigen auf 33,3% zu sinken, und daraufhin auf 41,7% zu steigen. In der Erstsprache zeichnet sich eine Tendenz nach oben hin ab: Zwischen dem 12. und 13. Lebensjahr ist dieses Motiv noch wenig ausgeprägt und wird nur von 16,6% der 12-Jährigen und 14,3% der 13-Jährigen angegeben. Im Alter von 14 Jahren gewinnt das Lesen aus Langeweile an Bedeutung und steigt auf 27,6%, und nähert sich jenem für die Erstsprache an. Dieser Wert bleibt im darauf folgenden Jahr beinahe konstant bei 25%. 242 <?page no="243"?> Abbildung 110: Lesen aus Langeweile im Altersverlauf DaZ Zusammenfassend lässt sich für die Zweitsprache Deutsch sagen, dass der größte Einbruch der Werte im Alter von 14 Jahren feststellbar ist, und sich daraufhin wieder in einem Mittelbereich zu normalisieren, wie die Grafik deutlich zeigt. Die Tendenzen sind, im Altersdurchschnitt gesehen, sinkend. In der Erstsprache entwickeln sich die beiden Motive „Lesen aus Langeweile“ und „Lesen aufgrund fehlender Beschäftigung“ weitgehend parallel, ein großer Knick nach unten zeigt sich im Alter von 13 Jahren, ein enormer Ausschlag nach oben im Alter von 14 Jahren, um sich daraufhin im Mittelfeld einzupendeln. Eine Ausnahme ist hierbei das Lesen wenn man alleine ist, das, mit einem kleinen Knick nach oben bei den 13-Jährigen, kontinuierlich an Beliebtheit abbaut. Abbildung 111: Lesegelegenheiten Dt. im Altersverlauf DaZ 243 <?page no="244"?> Abbildung 112: Lesegelegenheiten L1 im Altersverlauf DaZ Bei DaM-Kindern sinkt die Bedeutung des Buches für die untersuchten Lesegelegenheiten im Altersverlauf kontinuierlich ab. Bei DaZ-Kindern sinkt die Bedeutung der Lesegelegenheiten in Erst- und Zweitsprache zunächst ab, und steigt ab dem 14. und 15. Lebensjahr wieder an, mit Ausnahme des Lesens aus Langeweile, bei dem es sich umgekehrt verhält. Im Geschlechtervergleich zeigen sich große Unterschiede: Während beide Geschlechter lesen, wenn sie nichts anderes zu tun haben, lesen Mädchen hauptsächlich, wenn sie allein sind, und Burschen, wenn ihnen langweilig ist. Der Buchbesitz der Eltern und Kinder sowie die Lesefreude und das Leseselbstkonzept sind ebenfalls wichtige Einflussfaktoren: Je mehr Bücher vorhanden sind, bzw. je höher Lesefreude und Leseselbstkonzept sind, desto mehr Kinder geben an, bei den untersuchten Lesegelegenheiten zum Buch zu greifen. Der Sozialstatus hat vor allem Auswirkungen auf das Lesen wenn man allein ist bzw. auf das Lesen aus Langeweile, je höher der Sozialstatus, desto eher wird in diesen Situationen auch gelesen. Bei fehlender Beschäftigung sind es hauptsächlich Kinder aus mittleren sozialen Schichten, die lesen, wenn sie nichts anderes zu tun haben. 4.5.2. Gründe, die vom Lesen abhalten Gründe, nicht zu lesen, sind im Umfeld von Kindern und Jugendlichen genügend anzutreffen. Um den Situationen auf den Grund zu gehen, die sich hemmend auf das Leseverhalten der Heranwachsenden auswirken, wurden im Rahmen der Fragebogenuntersuchung acht „Lesehemmer“ angegeben, die in der folgenden Tabelle aufgeschlüsselt sind. Diese lassen sich den bei- 244 <?page no="245"?> den Gruppen der externalen und internalen Hemmungen zuordnen, die bereits im theoretischen Teil definiert wurden. Hemmnis Item im Fragebogen Kategorie Anstrengung Lesen ist anstrengend. internal Andere Hobbys Ich habe andere Hobbys als zu lesen. external Unternehmungen Ich unternehme lieber etwas mit Freunden, als zu lesen. external Hausaufgaben Ich habe viele Hausaufgaben und habe dann keine Zeit mehr zu lesen. external PC Ich mache lieber etwas mit dem Computer, als zu lesen. external Sport Ich mache lieber Sport, als zu lesen. external Interessante Texte Ich weiß nichts Interessantes, was ich lesen könnte. internal TV Ich sehe lieber fern, als zu lesen. external Tabelle 11: Übersicht über die Lesehemmnisse Zu Beginn soll ein allgemeiner Vergleich mit den Faktoren Geschlecht, Sozialstatus, Buchbesitz der Eltern und Kinder, Lesefreude und Leseselbstkonzept stattfinden, da die Tendenzen in diesen Kategorien für die einzelnen Lesehemmnisse durchwegs ähnlich sind. Auf die Unterscheidungen der beiden Gruppen DaM und DaZ, sowie auf die Entwicklung im Altersverlauf wird danach, separat für jedes Hemmnis, detailliert eingegangen. Der Faktor Geschlecht wirkt sich insofern auf die verschiedenen Hemmnisse aus, als dass sich Mädchen durchwegs weniger von den angegebenen Tätigkeiten vom Lesen abhalten lassen als Burschen, wie die folgende Grafik zeigt. In sämtlichen Kategorien geben weniger Mädchen als Burschen an, dass sich die genannten Tätigkeiten negativ auf ihr Leseverhalten auswirken. 21 Einzige Ausnahme sind die Hausaufgaben: Hier geben um 0,5% mehr Mädchen als Burschen an, dass sie viele Hausaufgaben zu machen hätten und danach keine Zeit mehr für das Lesen bleibt (Burschen: 46,5%, Mädchen: 47%). 21 Statistische Signifikanzen zeigten sich bei folgenden Items: Andere Hobbys p = 0,001; PC p = 0,001; Sport p = 0,001; interessante Texte p = 0,002. 245 <?page no="246"?> Abbildung 113: Lesehemmnisse nach Geschlecht Das größte Lesehemmnis für beide Geschlechter sind Unternehmungen mit Freunden, gefolgt von anderen Hobbys und sportlicher Betätigung. Im Schlussfeld liegen Hausaufgaben vor fehlenden interessanten Texten und der Anstrengung beim Lesen. Die einzige Differenz der beiden Geschlechter in der Rangabfolge der Hemmnisse sind Computer und Fernsehen: Für Burschen steht der Computer auf Platz vier, gefolgt vom Fernsehen; bei Mädchen ist es umgekehrt, der Fernseher ist für sie ein wichtigeres Medium als der Computer. Eine Analyse nach dem Sozialstatus der Familien ergibt, dass mit steigendem sozialem Hintergrund auch die Attraktivität der Lesehemmnisse 246 <?page no="247"?> steigt, beispielsweise geben 66,7% der Kinder aus niedrigen sozialen Schichten an, aufgrund von anderen Hobbys nicht zu lesen, während dies 80,9% der Kinder aus Familien mit mittlerem Sozialstatus und 84,6% aus Familien mit hohem Sozialstatus von sich behaupten. Ausnahmen sind die Hemmnisse Sport, fehlende interessante Texte und TV, hierbei sinken die Werte von Kindern aus mittleren Sozialschichten. Das Hemmnis der Anstrengung beim Lesen ist dagegen für Kinder mit mittlerem sozialem Hintergrund am größten. Abbildung 114: Lesehemmnisse nach Sozialstatus 247 <?page no="248"?> Ein dazu umgekehrtes Phänomen ergibt sich bei einem Vergleich mit dem Buchbesitz im Elternhaus: Je mehr Bücher in der Familie verfügbar sind, desto geringer wird der Einfluss der verschiedenen Lesehemmnisse. Beispielsweise geben 87,9% der Kinder mit unter einem Meter Buchbesitz im Haushalt an, andere Hobbys als das Lesen zu haben, während es bei steigendem Buchbesitz von einem bis vier Metern 87,4% sind, und bei über vier Metern nur noch 75,7% der Kinder dies von sich behaupten. 22 Diese Tendenz ist bei allen Items festzustellen, mit Ausnahme von der Leseanstrengung und dem Fernsehen, wo Kinder aus Haushalten mit einem bis vier Metern Bücher höhere Werte aufweisen. Beim Item Sport haben diese allerdings die geringsten Werte. 22 Dieses ist das einzige Item in diesem Vergleich, bei dem eine statistische Signifikanz von p = 0,037 festgestellt werden konnte. 248 <?page no="249"?> Abbildung 115: Lesehemmnisse nach Buchbesitz im Elternhaus Gleiche Ergebnisse werden bei einem Vergleich mit dem Buchbesitz der Kinder offensichtlich, je mehr Bücher sie besitzen, desto geringeren Einfluss 249 <?page no="250"?> haben die verschiedenen Lesehemmnisse. 23 Eine Ausnahme ist auch hier das Item Sport, da hier die Werte mit zunehmendem Buchbesitz der Kinder steigen, besonders stark bei einem Buchbesitz von einem bis zwei Metern. Dies illustriert auch die folgende Grafik. Abbildung 116: Lesehemmnisse nach Buchbesitz der Kinder 23 Statistische Signifikanzen wurden für folgende Items errechnet: Andere Hobbys p = 0,002; Unternehmungen p = 0,001; Hausaufgaben p = 0,046; Computer p = 0,000; Fernsehen p = 0,000. 250 <?page no="251"?> Parallel dazu wirkt sich die Lesefreude der Kinder auf die Lesehemmnisse aus: Je höher die Lesefreude, desto weniger Einfluss haben die verschiedenen Items. Besonders auffallend ist der Zusammenhang mit der Anstrengung beim Lesen und dem Nichtvorhandensein von interessanten Texten, da hier besonders niedrige Werte erzielt werden. 24 Abbildung 117: Lesehemmnisse nach Lesefreude 24 Die statistische Signifikanz liegt für alle Items bei p = 0,000, mit Ausnahme der Hausaufgaben, p = 0,006. 251 <?page no="252"?> Ebenso verhält es sich bei Berücksichtigung des Leseselbstkonzepts 25 , weshalb auf eine grafische Darstellung verzichtet wird: Je höher das Leseselbstkonzept, desto seltener werden die einzelnen Lesehemmungen als relevant angegeben. 26 Einzige Ausnahme ist in diesem Fall das Hemmnis, keine interessanten Texte zu kennen, das von Kindern mit mittlerem Leseselbstkonzept am häufigsten angegeben wurde. Bevor nun die einzelnen Items separat nach der Entwicklung im Altersverlauf aufgeschlüsselt werden, sollen zunächst die Tendenzen der beiden Gruppen DaM und DaZ skizziert werden. 25 Für die Berechnungen wurden die Angaben der DaM-Kinder, und jene der DaZ- Kinder zu ihrem Leseselbstkonzept für die Zweitsprache Deutsch verwendet. 26 Statistische Signifikanzen: Hemmnis Anstrengung p = 0,000; Hemmnis Unternehmungen p = 0,044, Hemmnis Hausaufgaben p = 0,034; Hemmnis Computer p = 0,003; Hemmnis interessante Texte p = 0,000; Hemmnis Fernsehen p = 0,007. 252 <?page no="253"?> Abbildung 118: Lesehemmnisse DaM/ DaZ Die Werte der beiden Gruppen liegen bei fast allen Lesehemmnissen nahe beieinander. Die Hauptunterscheidung liegt darin, dass DaZ-Kinder bei sieben der acht Items höhere Werte erzielen, auch wenn die Zahlenwerte keine großen Differenzen zeigen. Eine Ausnahme ist das Lesehemmnis der anderen Hobbys, hier gaben mehr DaM-Kinder an, aus diesem Grund nicht zu lesen. Die oben stehende Grafik zeigt die Hemmnisse in absteigender Reihenfolge geordnet. Die Rangfolge der beiden Gruppen ist, bis auf eine Ausnahme, dieselbe: An der Spitze liegen Unternehmungen mit Freunden. Platz zwei und drei wird von anderen Hobbys und sportlichen Betätigungen eingenommen, wobei Sport für DaZ-Kinder wichtiger ist. Darauf folgen 253 <?page no="254"?> Computer, Fernsehen, Hausaufgaben, fehlende interessante Texte, und die Anstrengung beim Lesen. Nun folgen detaillierte Ergebnisse der verschiedenen Lesehemmnisse in der Entwicklung im Altersverlauf, die Reihenfolge orientiert sich an der oben stehenden Grafik. 4.5.2.1. Ich unternehme lieber etwas mit Freunden, als zu lesen Etwas mit Freunden zu unternehmen ist ein Lesehemmnis, das im Altersverlauf in beiden Gruppen deutlich an Beliebtheit gewinnt. In der Gruppe der DaM-Kinder ist ein kontinuierlicher Anstieg von 73% bei den 12-Jährigen auf 95,4% bei den 15-Jährigen zu beobachten. 27 Abbildung 119: Hemmnis Unternehmungen im Altersverlauf In der Gruppe der DaZ-Kinder sind Unternehmungen mit Freunden bereits im Alter von 12 Jahren sehr wichtig und liegen bei einem Prozentsatz von 94,7%. In den folgenden beiden Jahren sinkt der Anteil auf 92,4% und 84,4%, um bei den 15-Jährigen rasant auf 100% anzusteigen. Dieses Lesehemmnis entwickelt sich also bei den DaM-Kindern langsam und kontinuierlich nach oben, während es bei den DaZ-Kindern bereits zu Beginn von großer Bedeutung ist, kurzzeitig an Wichtigkeit verliert und bei den 15-Jährigen wieder einen enormen Anstieg verzeichnet. 27 Die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,001. 254 <?page no="255"?> 4.5.2.2. Ich habe andere Hobbys als zu lesen Ein Anstieg im Altersverlauf ist beim Lesehemmnis andere Hobbys zu haben, in beiden Gruppen zu beobachten. DaM-Kinder starten auch hier rasant von 70,2% auf 86,5% zwischen dem 12. und 13. Lebensjahr, und steigen über 87,7% auf 93,1% im 15. Lebensjahr. 28 Abbildung 120: Hemmnis andere Hobbys im Altersverlauf DaZ-Kinder hingegen geben bereits im Alter von 12 Jahren zu 79% an, andere Hobbys als das Lesen zu haben. Dieser Prozentsatz sinkt bei den 13- und 14-Jährigen leicht auf 73,1% und 74,2%, um im Alter von 15 Jahren wieder stark anzusteigen und sich mit 90,9% knapp an die Gruppe der DaM-Kinder anzunähern. 4.5.2.3. Ich mache lieber Sport, als zu lesen Die Entwicklung im Altersverlauf des Lesehemmnisses Sport verläuft in beiden Gruppen weitestgehend parallel und steigen in der Beliebtheit an. DaM-Kinder beginnen im 12. Lebensjahr bei 65,8%, zwischen dem 13. und 14. Lebensjahr sind zwei Knicks in der Entwicklung zu beobachten, nämlich ein Anstieg auf 82,3%, danach fallen die Werte auf 74,2%, um bei den 15- Jährigen rasant auf 85% anzusteigen. 28 Die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,003. 255 <?page no="256"?> Abbildung 121: Hemmnis Sport im Altersverlauf In der Gruppe der DaZ-Kinder hingegen nimmt die Beliebtheit des Lesehemmnisses Sport kontinuierlich zu und steigt von 70% auf 76,9% bei den 13-Jährigen, daraufhin auf 77,5% und auf 91,7% im 15. Lebensjahr. Die Differenzen der beiden Gruppen sind aber nur gering. 4.5.2.4. Ich mache lieber etwas mit dem Computer, als zu lesen Ein kontinuierlicher Anstieg in beiden Gruppen, ohne Abweichungen nach oben oder unten, lässt sich für das Lesehemmnis Computer feststellen. Bei DaM-Kindern steigt die Attraktivität des Computers von 52,7% bei den 12- Jährigen auf 83,7% bei den 15-Jährigen. 29 Ähnlich verhält es sich für die Gruppe der DaZ-Kinder, hier steigt der Prozentsatz von 60% auf 91,6%, wobei für DaZ-Kinder beim Computer über den gesamten Altersverlauf hinweg eine etwas stärkere Beliebtheit als für DaM-Kinder festzustellen ist. 29 Die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,001. 256 <?page no="257"?> Abbildung 122: Hemmnis Computer im Altersverlauf 4.5.2.5. Ich sehe lieber fern, als zu lesen Die Attraktivität des Computers steigt im Altersverlauf der beiden Gruppen noch rasanter als jene des Fernsehers. In den ersten drei Untersuchungsjahren steigen die Anteile jener Kinder, die von sich behaupten, lieber etwas mit dem Computer zu machen als zu lesen, bei DaM-Kindern 30 von 47,9% auf 73,5%, und bei DaZ-Kindern von 45% auf 71%. Abbildung 123: Hemmnis Fernsehen im Altersverlauf 30 Die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,008. 257 <?page no="258"?> Daraufhin sinkt die Beliebtheit ein wenig ab, in der Gruppe der DaM-Kinder auf 70,5%, bei jener der DaZ-Kinder auf 66,9%. Die Entwicklung der beiden Gruppen verläuft durchwegs parallel. 4.5.2.6. Ich habe viele Hausaufgaben und habe dann keine Zeit mehr zu lesen Das Lesehemmnis Hausaufgaben ist im Altersverlauf vor allem in der Gruppe der DaZ-Kinder einigen Schwankungen unterworfen. Im Alter von 12 Jahren geben noch 50% der DaZ-Kinder an, aus diesem Grund nicht zu lesen; dieser Wert steigt im Jahr darauf auf 67,7% an, um bei den 14-Jährigen wieder auf 46,9% zu sinken. Schließlich sind es 58,4% der 15-Jährigen, die angeben, aufgrund vieler Hausaufgaben keine Zeit mehr fürs Lesen zu haben. Abbildung 124: Hemmnis Hausaufgaben im Altersverlauf In der Gruppe der DaM-Kinder steigt der Zeitaufwand für die Hausaufgaben zwischen dem 12. und 13. Lebensjahr an, zunächst geben 42,1%, dann 54% an, aus diesem Grund nicht zu lesen. Danach sinken die Werte allmählich auf 51% bzw. 50%. DaZ-Kinder wenden demnach durchschnittlich deutlich mehr Zeit für schulbezogene Aktivitäten wie Hausaufgaben auf, als es DaM-Kinder tun. 258 <?page no="259"?> 4.5.2.7. Ich weiß nichts Interessantes, was ich lesen könnte Der Anteil jener SchülerInnen, die von sich selbst behaupten, nichts Interessantes zu kennen, was sie lesen könnten, steigt im Altersverlauf in beiden Gruppen kontinuierlich an. Bei DaM-Kindern steigen die Werte von 18,2% bei den 12-Jährigen auf 43,2% bei den 15-Jährigen an. 31 Abbildung 125: Hemmnis interessante Texte im Altersverlauf Der Anteil der DaZ-Kinder, die dies von sich behaupten, ist wesentlich größer als in der Vergleichsgruppe, und liegt bereits bei den 12-Jährigen bei 36,9%, also um das Doppelte höher als bei den DaM-Kindern. Im folgenden Jahr sinkt dieser Wert leicht auf 34,6%, um in den darauf folgenden beiden Jahren rasch auf 45,1% bzw. 50% bei den 15-Jährigen zu steigen. DaZ-Kinder haben demnach wesentlich größere Probleme als DaM-Kinder, für sich passende Bücher und Texte zu finden. 4.5.2.8. Lesen ist anstrengend Die Behauptung, Lesen sei anstrengend, ist für beide Gruppen am wenigsten zutreffend von allen acht Lesehemmungen. 16,9% der DaM-Kinder im Alter von 12 Jahren behaupten dies von sich, dieser Wert steigt bis zum 14. Lebensjahr auf 25,8%, und fällt daraufhin um 0,5% ab. DaZ-Kindern hingegen fällt es in den ersten beiden Untersuchungsjahren deutlich leichter zu lesen, da der Wert von 15% auf 7,7% absinkt. Im Alter von 14 Jahren ändert sich 31 Die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,043. 259 <?page no="260"?> dies rapide, und es geben 34,4% der Kinder an, dass das Lesen anstrengend sei. Dieser Wert stabilisiert sich einigermaßen und steigt nur leicht auf 36,4% bei den 15-Jährigen. Zwischen dem 13. und 14. Lebensjahr ist ein für DaZ- Kinder deutlicher Zuwachs an Leseschwierigkeiten auszumachen, der sich in der Gruppe der DaM-Kinder nicht manifestiert. Abbildung 126: Hemmnis Anstrengung im Altersverlauf Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich der Buchbesitz von Eltern und Kindern, die Lesefreude und das Leseselbstkonzept der SchülerInnen insofern auf die Lesehemmnisse auswirken, als dass bei steigendem Buchbesitz, Lesefreude und Leseselbstkonzept die Anfälligkeit für Hemmnisse sinkt; ebenso sind Burschen und DaZ-Kinder leichter vom Medium Buch abzulenken als Mädchen und DaM-Kinder. Der Sozialstatus wirkt sich zwar auch auf die Anfälligkeit für Lesehemmnisse aus, allerdings sind hierbei keine Regelmäßigkeiten abzuleiten. Der Einflussfaktor Alter ist bei DaM- und DaZ-Kindern entweder durch eine kontinuierliche Steigerung der Bedeutung der Hemmnisse erkennbar, oder durch abrupte Knicks zwischen dem 13. und 14. Lebensjahr. 4.6. Veränderungen im Leseverhalten In einer offen gestellten Frage wurden die SchülerInnen dazu aufgefordert, über Veränderungen in ihrem Leseverhalten zu reflektieren und diese zu 260 <?page no="261"?> beschreiben. Dieses Item wurde zwar nur von wenigen SchülerInnen so beantwortet, dass die Reflexionen auch auswertbar waren (n = 220), allerdings finden sich gerade in dieser Antwortkategorie besonders viele Hinweise darauf, dass auch die Kinder selbst Veränderungen in ihrem Leseverhalten bemerken und beobachten. In diesem Abschnitt sollen die von den SchülerInnen beschriebenen Umbrüche in ihrem Leseverhalten analysiert werden, auf eine Differenzierung im Altersverlauf wird verzichtet, da sich in den meisten Fällen nicht eruieren lässt, auf welchen Zeitabschnitt sich die beschriebenen Veränderungen beziehen. 32 4.6.1. Veränderungen in Lesehäufigkeit und Lesefreude Besonders häufig werden von den SchülerInnen Angaben zu zunehmender bzw. abnehmender Lesehäufigkeit und Lesefreude gemacht, die Häufigkeitsverteilung ist allerdings völlig konträr zu den Ergebnissen der Fragebogenauswertung (Fragen mit mehrkategoriellem Antwortformat) zu sehen: Hier gibt ein großer Teil (n = 62) der SchülerInnen an, jetzt mehr und lieber zu lesen als früher. Beispielsweise erzählt eine Schülerin von ihrer Initialzündung zum Lesen: Früher hasste ich lesen. Bis ich einen Film ansehen wollte und meine Eltern sagten, dass ich das Buch lesen soll und dann kann ich den Film sehen. Ich habe das Buch gelesen und von da an war es eines meiner Hobbys. (077w1998) Im Gegensatz dazu geben deutlich weniger (n = 45) der befragten Kinder an, in ihrer gegenwärtigen Situation weniger Bücher und weniger gern zu lesen, wie das folgende Zitat zeigt: „Ich habe früher mehr gelesen, jetzt hab ich andere Sachen zu tun. Aber wenn ich ein Buch lese macht es mir Spaß.“ (175? 1998) Keine Veränderungen im Leseverhalten bemerkten 20 der befragten Schüler- Innen. Als Grund dafür, früher mehr gelesen zu haben, bzw. heute weniger zu lesen, wird von mehreren SchülerInnen (n = 5) der Faktor Zeit angegeben: 32 Ebenfalls ist es für diese Frage nicht möglich, die Antworten unter Berücksichtigung von Faktoren wie Geschlecht, Sozialstatus, Buchbesitz und Ähnliches zu analysieren, da insgesamt nur 220 Antworten berücksichtigt werden konnten, die keine Spaßantworten waren. Dabei sind auch die Qualität und der Umfang der berücksichtigten Antworten sehr unterschiedlich, dass von einer detaillierten Analyse abgesehen werden muss. 261 <?page no="262"?> Ich lese gleich gern wie früher, nur manchmal hab ich keine Zeit dafür, weil ich lernen muss. Ich lese meist die gleiche Art von Bücher wie früher. (058w1997) Ich habe früher in einem Sommer 5 Bücher gelesen, die ca. so dick waren, wie Harry Potter 4. Das ging nur, weil ich viel Zeit hatte. Aber mittlerweile lese ich nur mehr sehr wenig… (340? 1998) Umgekehrt wird die Tatsache, dass heute mehr gelesen wird, durch das Faktum der höheren Lesekompetenz bzw. Leseflüssigkeit begründet (n = 15), wie die folgenden Zitate belegen: Jetzt macht mir das Lesen mehr Spaß weil ich Bücher schneller fertig habe. (331? 1998) Früher war es langweilig, ich hatte nicht alles verstanden. (265? 1998) Die Diskrepanz zwischen qualitativen und quantitativen Items kann durch die Annahme begründet werden, dass vor allem SchülerInnen, die intensiv und gerne lesen, auch dazu bereit sind, über ihr Leseverhalten zu reflektieren, während Kinder, die dem Lesen gegenüber ohnehin negativ eingestellt sind, naturgemäß auch weniger dazu geneigt sind, zusätzliche Fragen zu beantworten. 4.6.2. Veränderungen der beliebtesten Lesemedien und Genres Veränderungen bei den beliebtesten Lesemedien und Genres bemerkten sehr viele der SchülerInnen, auch wenn einige dies nicht spezifisch erklärten. Die Abgrenzung der SchülerInnen zu Lesemedien und Genres, die diese als kindisch und nicht mehr altersgemäß empfinden, kristallisiert sich bei dieser offenen Frage trotzdem sehr deutlich heraus. Abgelehnt werden Fantasie-, Märchen- und Kinderbücher (n = 25), ebenso Tierbücher (n = 9): Früher habe ich mehr lustige und kleinere Bücher gelesen. Lesen hat mir gleich viel Spaß gemacht wie heute. (184? 1998) Früher habe ich nur Bücher die über Prinzessinnen waren oder mit kleinen Figuren. Mir hat lesen gleich viel Spaß gemacht. (323? 1998) Früher habe ich am liebsten Prinzessinnenbücher gelesen oder eines über eine nette Hexe. Gruselgeschichten habe ich nie gelesen. Früher habe ich genau so gern wie jetzt gelesen. (249? 1999) 262 <?page no="263"?> Außerdem sinken Liebesromane, Abenteuerbücher, Lernbücher, Comics und lustige Bücher in der Beliebtheit der SchülerInnen. Umgekehrt werden Fantasy-Romane und Comics als aktuelle Lektüre genannt, deutlich häufiger geben die SchülerInnen aber Krimis, Thriller und Gruselgeschichten als beliebte Genres an (n = 26): Früher: Kinderbücher, jetzt: Kriminalgeschichten. (283? 1999) Früher haben mir Märchen und so gefallen, aber jetzt nur mehr Horrorgeschichten. (140m1999) Ich habe früher eher Abenteuerbücher gelesen, heute lese ich nur Vampirgeschichten (Twilight, Vampire diaries) und lese mehr, jeden Tag 1/ 2h-1h. (329? 1998) Auch Informationstexte und Lernbücher werden als bevorzugt genannt (n = 4); bei den Lesemedien wird vereinzelt das Internet und die Zeitschrift als neue Möglichkeiten der Lektüre genannt. Von Interesse sind auch zwei Kommentare von SchülerInnen, die darauf achten, Bücher auszuwählen, die sie herausfordern, und ihren Lesestoff sehr genau auszusuchen: Früher habe ich jedes Buch gelesen. Jetzt wähle ich sie sehr sorgfältig aus. Ich lese länger (am Abend), weil ich mich besser einfühlen kann. (290? 1997) Früher las ich nur Kinderbücher mit meinen Eltern. Heute lese ich gerne Bücher die für mich eine herausforderung sind. Aus denen kann ich lernen. (019w1997) Auch wenn die SchülerInnen die Veränderungen in ihrem Leseverhalten nicht exakt zeitlich definieren können, so zeigt sich doch an dieser kurzen Auswahl an Zitaten, dass diese sehr wohl über Umbrüche in ihren Leseinteressen reflektieren, und sich derer deutlich bewusst sind. Die exakte Abgrenzung zu Genres, die als kindisch empfunden werden, ist auf deren allmähliches Erwachsenwerden, auf die tiefgreifenden Veränderungen im Zuge der Pubertät und gleichzeitig auf den Wunsch, sich von der Kindheit abzugrenzen, zurückzuführen. 263 <?page no="265"?> 5. Lesen in der Familie und im Freundeskreis In diesem Abschnitt wird das Lesen in Familie und Freundeskreis näher untersucht. Die Fragestellungen in diesem Rahmen betreffen das Leseumfeld in der Familie, also das Elternverhalten und die möglicherweise davon abweichenden Anforderungen, denen die Kinder ausgesetzt sind. Ebenso soll beleuchtet werden, inwiefern die SchülerInnen mit den fünf Instanzen Geschwister, Eltern, FreundInnen, MitschülerInnen und LehrerInnen in Interaktion treten, sei es durch Anschlusskommunikation, sei es durch Hinweise dieser Instanzen auf für sie möglicherweise interessante Texte. 5.1. Leseumfeld in der Familie Unter „Leseumfeld in der Familie“ werden in diesem Zusammenhang zwei Faktoren näher beleuchtet. Einerseits das Elternvorbild, was das Lesen betrifft - lesen die Familienmitglieder gerne, sind sie den Kindern ein gutes Vorbild? Andererseits soll untersucht werden, ob es Abweichungen zwischen dem Elternverhalten und den Anforderungen, die sie an ihre Kinder stellen, gibt. Im Fragebogen handelt es sich um die beiden Items: „Meine Eltern möchten, dass ich mehr lese“ und „Bei uns liest die ganze Familie gern“. Von der Gesamtgruppe geben 63,8% der SchülerInnen an, dass bei ihnen die ganze Familie gern liest, und 50,6%, dass ihre Eltern möchten, dass ihre Kinder öfter lesen. Eine Betrachtung nach Geschlecht ergibt, dass die Burschen häufiger zum Lesen ermahnt werden (56,6%) als Mädchen (42,3%). Ebenso gaben Mädchen häufiger an, dass ihre ganze Familie gerne liest (62,4%), im Gegensatz zu 59,9% der Burschen. 1 Deutliche Tendenzen ergeben sich bei einem Vergleich mit dem Sozialstatus der Familien: Hierbei steigen die Werte beider Items mit steigendem Sozialstatus ebenso an, wie die folgende Grafik illustriert. Die Tatsache, dass die ganze Familie gerne liest, trifft eher auf Familien mit hohem Sozialstatus zu (74%), während nur 58,5% der Kinder aus Familien mit mittlerem sozialem Hintergrund, und 57,9% jener aus sozial niedrig gestellten Familien dies angeben. Ebenso scheint das Lesen für sozial hoch gestellte Familien eine wertvollere Freizeitgestaltung zu sein, als für Familien mit niedrigem Sozialstatus: 57,7% der Kinder mit hohem Sozialstatus geben an, von ihren Eltern 1 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,031. 265 <?page no="266"?> zu häufigerem Lesen ermahnt zu werden, dies geben nur 53,2% der Kinder aus mittleren, und 36,9% jener aus sozial niedrigen Schichten an. Abbildung 127: Leseumfeld nach Sozialstatus Deutlich differierende Ergebnisse für die beiden Items zeigen sich bei einem Vergleich mit dem Buchbesitz im Elternhaus: Je mehr Bücher im Haushalt vorhanden sind, desto wahrscheinlicher ist es auch, dass die ganze Familie gern liest, dies ergeben die Angaben der SchülerInnen. Während 50% der Eltern mit unter einem Meter Buchbesitz ein Vorbild in Sachen Lesen sind, steigt dieser Anteil mit steigendem Buchbesitz ebenfalls an, und so sind es bei einem bis vier Metern Bücher bereits 57,7% der Eltern, und bei über vier Metern Buchbesitz 76,7% der Eltern, die gerne lesen. Bei keinen Büchern im Elternhaus liegt dieser Wert bei 16,7%. 2 2 Die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,000. 266 <?page no="267"?> Abbildung 128: Leseumfeld nach Buchbesitz der Eltern Umgekehrt sinkt die Anzahl der Kinder, die angeben, ihre Eltern würden sie zum Lesen ermahnen, bei steigender Buchanzahl im Elternhaus: Sind es 60,8% bei unter einem Meter Buchbesitz im Elternhaus, sinkt dieser Wert auf 54,3% bei einem bis vier Metern Bücher, und auf 41% bei über vier Metern. Allerdings sind es nur 33,3% der Eltern mit keinen Büchern zu Hause, die ihre Kinder zum Lesen auffordern. Je weniger Bücher im Haushalt vorhanden sind, desto wichtiger ist es den Eltern, dass ihre Kinder habituelle BuchleserInnen werden. Dieses Ergebnis wird bei einem Vergleich mit dem Buchbesitz der Kinder noch deutlicher, wie die folgende Grafik illustriert. 3 Abbildung 129: Leseumfeld nach Buchbesitz der Kinder 3 Für das Elternvorbild ergibt sich eine statistische Signifikanz von p = 0,000. 267 <?page no="268"?> Dass die Eltern offenbar die Interessen ihrer Kinder gut einschätzen können, zeigt sich an den Ergebnissen im Vergleich mit der Lesefreude der Schüler- Innen: Je höher die Lesefreude, desto weniger werden die Heranwachsenden von ihren Eltern zu zunehmender Lesetätigkeit ermahnt, denn 63,3% der Kinder mit niedriger Lesefreude geben an, häufig ermahnt zu werden, während dies nur 40,7% der SchülerInnen mit hoher Lesefreude von sich behaupten. Außerdem sind Kinder mit hoher Lesefreude auch mit deutlich mehr Lesetätigkeit im Elternhaus konfrontiert, als Kinder mit niedriger Lesefreude: 50% der Kinder mit niedriger Lesefreude geben an, dass ihre ganze Familie gern liest, und 74,9% der SchülerInnen mit hoher Lesefreude. 4 Abbildung 130: Leseumfeld nach Lesefreude Parallel dazu verhalten sich die Ergebnisse bei einem Vergleich mit dem Leseselbstkonzept 5 der SchülerInnen: Je höher das Leseselbstkonzept der Kinder, desto mehr Kinder geben auch an, dass ihre Eltern durch ihr Leseverhalten ein Vorbild wären. Dies trifft auf 50% der Kinder mit niedrigem, 60,1% jener mit mittlerem, und 69,2% jener mit hohem Leseselbstkonzept zu, die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,014. Zu häufigerem Lesen werden am meisten die Kinder mit mittlerem Leseselbstkonzept aufgefordert, dies geben 71,5% der SchülerInnen dieser Gruppe an, während dies 50% jener mit niedrigem, und 35,8% jener mit hohem Leseselbstkonzept von sich behaupten, die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,000. 4 Die statistische Signifikanz beträgt für beide Items p = 0,001. 5 Für die Berechnungen wurden die Angaben der DaM-Kinder, und jene der DaZ- Kinder zu ihrem Leseselbstkonzept für die Zweitsprache Deutsch verwendet. 268 <?page no="269"?> Abbildung 131: Leseumfeld nach Leseselbstkonzept Wie groß die Differenzen im familiären Leseumfeld der SchülerInnen der beiden Gruppen DaM und DaZ sind, illustriert die folgende Grafik: 6 Während 46,5% der DaM-Eltern auf Ermahnung setzen, und zu 66% Lesevorbilder sind, verhält es sich in der Gruppe der DaZ-Kinder umgekehrt. Hier wird die Ermahnung häufiger praktiziert (65,6%) als das gelebte Elternvorbild (55,5%). Abbildung 132: Leseumfeld DaM/ DaZ 6 Für die Ermahnung ergibt sich eine statistische Signifikanz von p = 0,004. 269 <?page no="270"?> Nun folgen die Auswertungen im Altersverlauf der beiden Gruppen DaM und DaZ. Abbildung 133: Leseumfeld im Altersverlauf DaM Für die Gruppe der DaM-Kinder zeigt sich, dass die Anzahl der Kinder, deren Eltern ein Lesevorbild sind, im Altersverlauf stark absinkt. Sind es im Alter von 12 Jahren noch 81,8% der Kinder, die dies angeben, sinkt dieser Wert auf 64,3% bzw. 61,3%, und schließlich auf 52,4% im Alter von 15 Jahren. 7 Der Anteil der SchülerInnen, die behaupten, von ihren Eltern zu verstärktem Lesen angehalten zu werden, sinkt zwischen dem 12. und 13. Lebensjahr von 53,3% auf 37,6%, steigt danach aber wieder auf 45,7% bzw. 59,6% bei den 15-Jährigen an. In der Gruppe der DaZ-Kinder ist die Entwicklung des Elternvorbilds im Altersverlauf durchwegs ähnlich, auch hier sinkt die Vorbildwirkung der Eltern mit steigendem Alter ihrer Kinder. Sind es bei den 12-jährigen DaZ- Kindern noch 75%, die angeben, dass ihre ganze Familie gern liest, sinkt dieser Anteil auf 61,5% bzw. 50%, und im Alter von 15 Jahren auf 25%. 7 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,033. 270 <?page no="271"?> Abbildung 134: Leseumfeld im Altersverlauf DaZ Für die Ermahnungen der Eltern, dass die Kinder mehr lesen sollten, ist eine Steigerung festzustellen, die sich vor allem im Übergang vom 12. auf das 13. Lebensjahr stark auswirkt. Hier steigt der Prozentsatz von 50% auf 73,1%, um im darauf folgenden Jahr auf 62,6% zu sinken. Bei den 15-Jährigen geben 83,3% der Kinder an, von ihren Eltern zum Lesen aufgefordert zu werden. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das familiäre Leseumfeld stark von den untersuchten Faktoren beeinflusst wird. Für das Elternvorbild gilt, dass mit steigendem Sozialstatus, Buchbesitz von Eltern und Kinder, Lesefreude und Leseselbstkonzept die Eltern auch ein besseres Lesevorbild sind, dies gilt auch für Eltern von Mädchen und für DaM-Familien. Im Altersverlauf sinkt das Elternvorbild sowohl von DaMals auch von DaZ-Familien. Umgekehrt verhält es sich bei den Ermahnungen der Eltern an ihre Kinder, vermehrt zu lesen. Zwar steigt der Anteil mit höherem Sozialstatus, allerdings sinkt die Zahl der Eltern, die ihre Kinder zum Lesen auffordern, mit steigendem Buchbesitz von Eltern und Kindern, und steigender Lesefreude. Bei einem Vergleich mit dem Leseselbstkonzept zeigt sich, dass die Eltern von Kindern mit mittlerem und niedrigem Lesekonzept vermehrt zum Lesen auffordern, während Kinder mit hohem Leseselbstkonzept seltener dazu ermahnt werden. Außerdem sind Burschen und DaZ-Kinder häufigeren Leseaufforderungen ausgesetzt. Im Altersverlauf zeichnet sich für DaZ-Kinder ein kontinuierliches Steigen der Aufforderungen zum Lesen ab, für DaM-Kinder sinkt die Frequenz der Ermahnungen bis zum 13. Lebensjahr und steigt danach an. 271 <?page no="272"?> 5.2. Anschlusskommunikation Die Möglichkeit, über Gelesenes zu sprechen und zu reflektieren, ist äußerst wichtig, um eine stabile Lesemotivation aufbauen zu können. Im Rahmen der Fragebogenuntersuchung wurden die SchülerInnen deshalb auch danach gefragt, mit wem sie über Bücher, die sie gelesen haben, sprechen. Die folgende Tabelle soll einen Überblick über die Items geben, und gleichzeitig erste Informationen über die Häufigkeitsverteilung der Antworten darstellen. KommunikationspartnerInnen Häufigkeitsverteilung Eltern 47,4% Mitschüler 31,5% Freunde 25,8% Geschwister 20,2% Lehrer 18,1% Tabelle 12: Anschlusskommunikation Gesamtgruppe Demnach geben 47,4% aller untersuchten SchülerInnen an, mit ihren Eltern über gelesene Texte zu sprechen; gefolgt von den MitschülerInnen (31,5%), Freunden (25,8%), Geschwistern (20,2%), und LehrerInnen (18,1%). Wie sich diese Daten unter Berücksichtigung der verschiedenen Einflussgrößen entwickeln, soll im Folgenden detailliert dargestellt werden. Unter Berücksichtigung des Geschlechts zeigen sich zwischen Burschen und Mädchen deutliche Unterschiede, wie die folgende Grafik verdeutlicht: 272 <?page no="273"?> Abbildung 135: Anschlusskommunikation nach Geschlecht Zunächst fällt auf, dass Mädchen durchwegs häufiger angeben, mit anderen über ihre Lektüreerlebnisse zu sprechen, als Burschen. Bei ihnen stehen Freunde an erster Stelle mit 62,6%, gefolgt von Eltern mit 58,1% und Mitschülern (46,5%). Am Ende folgen Geschwister (37,3%) und Lehrer (21,6%). Bei den Burschen differiert, neben der geringeren Anzahl derer, die angeben, überhaupt mit jemandem über Lektüre zu sprechen, auch die Reihenfolge der KommunikationspartnerInnen. Bei ihnen stehen die Eltern mit 41,1% an erster Stelle, gefolgt von Freunden (28,3%), Geschwistern (27,9%), Lehrern (19,8%) und Mitschülern (15,3%). 8 Bei einem Vergleich mit dem Sozialstatus der Eltern zeigen sich einige Differenzen bei den drei Gruppen. Für Kinder aus sozial niedrig gestellten Elternhäusern fungieren vor allem die Eltern als Kommunikationspartner über Gelesenes (57,9%), gefolgt von Geschwistern (42,1%) und Freunden (36,9%), während Mitschüler (26,3%) und Lehrer (15,8%) auf den letzten beiden Plätzen rangieren. Für Kinder aus mittleren sozialen Schichten sind hingegen die Freunde die wichtigsten KommunikationspartnerInnen mit 55,8%, gefolgt von Eltern (39,3%) und MitschülerInnen (35,1%), während hier die Geschwister den vorletzten Rang einnehmen (21,5%), gefolgt von den LehrerInnen (18,3%). SchülerInnen, die einen hohen sozialen Hintergrund haben, sprechen am meisten mit ihrem Eltern über Lektüre (48,1%), gefolgt von Freunden (38,4%) und Geschwistern (22,5%), die letzten beiden Plätze nehmen MitschülerInnen (21,2%) und LehrerInnen (13,2%) ein. 8 Die statistische Signifikanz beträgt für Geschwister, Eltern, Freunde und Mitschüler im Zusammenhang mit dem Geschlecht jeweils p = 0,001; Lehrer: p = 0,013. 273 <?page no="274"?> Abbildung 136: Anschlusskommunikation nach Sozialstatus Die größten Unterschiede der drei Gruppen ergeben sich bei Eltern, Freunden und Geschwistern: Eltern als KommunikationspartnerInnen sind für Kinder aus mittleren Sozialschichten weniger attraktiv als für SchülerInnen aus niedrigen sozialen Schichten. Umgekehrt sind Freunde vor allem für SchülerInnen mit mittlerem Sozialstatus besonders wichtig, während die anderen beiden Gruppen um knapp 20% dahinter liegen. Was die Geschwister betrifft, so zeigt sich, dass diese hauptsächlich für Kinder aus mittleren sozialen Schichten als Kommunikationspartner in Anspruch genommen werden, hierbei geben fast doppelt so viele Kinder wie in den anderen beiden Gruppen an, mit ihren Geschwistern über Gelesenes zu sprechen. Innerhalb der Gruppe „Sozialstatus“ sind es vor allem die Kinder aus niedrigen sozialen Schichten, die gehäuft Anschlusskommunikation praktizieren, während SchülerInnen aus Elternhäusern mit hohem Sozialstatus vergleichsweise geringe Intentionen zeigen, sich mit anderen über Lektüre auszutauschen. Bringt man die Anschlusskommunikation mit dem Buchbesitz im Elternhaus in Verbindung, zeigt sich, dass im Fall von drei von fünf KommunikationspartnerInnen die Anzahl jener Kinder, die angeben, mit ihnen Gespräche über Lektüre zu führen, mit der steigenden Anzahl an Büchern im Haushalt ebenfalls ansteigt. Dies trifft auf die Kommunikationspartner Eltern, FreundInnen und MitschülerInnen zu. Im Fall der Eltern steigt die Beliebtheit nur gering von 41,5% bei unter einem Meter Buchbesitz auf 42,6% und 44,8% bei über vier Metern Buchbesitz im Elternhaus. Ähnlich verhält es sich bei den MitschülerInnen, die von einem Prozentsatz von 26,9% bei unter einem Meter Büchern im Haushalt über 27,2% auf 30,7% bei über vier Metern Bücher ansteigt. Ein steilerer Anstieg der Beliebtheit trifft auf die Gruppe der FreundInnen zu, hierbei geben 37,4% der Kinder mit 274 <?page no="275"?> weniger als einem Meter Bücher zu Hause an, mit ihnen über Lektüre zu sprechen. Bei einem bis vier Metern Bücher sind es schon 44,7% der SchülerInnen, und bei einem Buchbesitz im Haushalt von über vier Metern sind es bereits 47,4%. FreundInnen als KommunikationspartnerInnen über Texte werden auch von Kindern angegeben (16,7%), die zu Hause gar keine Bücher haben, während alle anderen KommunikationspartnerInnen dabei nicht genannt werden. Abbildung 137: Anschlusskommunikation nach Buchbesitz im Elternhaus Einzig die beiden Gruppen Geschwister und LehrerInnen werden bei steigendem Buchbesitz im Elternhaus nicht häufiger genannt, sondern im Gegenteil, ihre Beliebtheit als KommunikationspartnerInnen sinkt. Geschwister erfreuen sich dabei einer höheren Beliebtheit von 33% bei denjenigen mit 275 <?page no="276"?> unter einem Meter Bücher zu Hause, der Anteil sinkt auf 22,7% bei einem bis vier Metern Bücher, und erhöht sich leicht in der Gruppe von über vier Metern Bücher zu Hause auf 23,4%. Die Beliebtheit der Gruppe der Lehrer nimmt besonders stark ab, von 24,7% bei denjenigen Kindern mit unter einem Meter Buchbesitz im Elternhaus, auf 14,1% und 12,8% bei über vier Metern. Ein etwas anderes Bild zeigt sich beim Vergleich mit dem Buchbesitz der Kinder selbst, wie die folgende Grafik veranschaulicht. Abbildung 138: Anschlusskommunikation nach Buchbesitz der Kinder 276 <?page no="277"?> In allen Gruppen ist hierbei eine Steigerung der Beliebtheit der verschiedenen KommunikationspartnerInnen festzustellen. Die Gruppe der FreundInnen ist auch hierbei die am häufigsten zur Anschlusskommunikation genannte, sie steigt von 37,5% bei denjenigen mit unter einem Meter Büchern zu Hause auf 57,7% bei einem bis zwei Metern Buchbesitz, und sinkt daraufhin aber wieder auf 44,4% bei denjenigen Kindern mit über zwei Metern Buchbesitz. 9 Eltern werden von 38,4% der Kinder mit unter einem Meter Buchbesitz als KommunikationspartnerInnen über Texte angegeben, dieser Wert steigt kontinuierlich mit dem Buchbesitz der Kinder auf 53,3% und 55,5%. 10 MitschülerInnen rangieren auf Platz drei der beliebtesten KommunikationspartnerInnen, und auch ihre Beliebtheit steigt mit dem Buchbesitz der Kinder von 25,1% auf 32% bei denjenigen Kindern mit einem bis zwei Metern Buchbesitz, und auf 40,7% bei mehr als zwei Metern. Geschwister sind am vorletzten Platz angesiedelt und steigen in ihrer Bedeutung als KommunikationspartnerInnen über Gelesenes nur wenig. Zunächst ist ein leichter Rückgang von 26,9% bei denjenigen mit unter einem Meter Buchbesitz auf 25,3% bei Kindern mit einem bis zwei Metern Buchbesitz zu verzeichnen, schließlich steigt die Beliebtheit der Geschwister auf 29,6% bei Kindern mit über zwei Metern Buchbesitz. LehrerInnen als Kommunikationspartner über Gelesenes sind vor allem bei Kindern mit vielen eigenen Büchern von Bedeutung, da 22,2% dieser SchülerInnen angibt, mit LehrerInnen über Texte zu sprechen. Dieser Anteil sinkt bei einem Buchbesitz von einem bis zwei Metern auf 10,2%, und steigt bei Kindern mit nur wenigen eigenen Büchern wieder auf 16,8% an. Interessante Ergebnisse zeigt ein Vergleich mit der Lesefreude der Jugendlichen: Für vier der fünf KommunikationspartnerInnen steigt deren Beliebtheit mit steigender Lesefreude. Besonders groß sind die Zuwächse bei FreundInnen (von 22% auf 64,7%) und Eltern (von 29,2% auf 71,7%), aber auch für MitschülerInnen und Geschwister sind deutliche Anstiege zu verzeichnen (MitschülerInnen: von 19,4% auf 41,3%; Geschwister: von 19,6% auf 38,6%). Einzig für die LehrerInnen ist ein Negativtrend zu beobachten: Je höher die Lesefreude der Kinder, desto seltener werden LehrerInnen als Ansprechpartner für Anschlusskommunikation genutzt (Sinken von 19,6% auf 17%). 11 9 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,001. 10 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,003. 11 Für die Gruppen der Geschwister, Eltern, FreundInnen und MitschülerInnen zeigt sich eine statistische Signifikanz von jeweils p = 0,001. 277 <?page no="278"?> Abbildung 139: Anschlusskommunikation nach Lesefreude Ähnlich verhält es sich bei einem Vergleich mit dem Leseselbstkonzept der SchülerInnen 12 : Je höher das Leseselbstkonzept ist, desto häufiger wird mit Eltern, FreundInnen oder Geschwistern über das Gelesene kommuniziert. Niemand der SchülerInnen mit niedrigem Leseselbstkonzept gibt an, mit den Eltern über Gelesenes zu sprechen, dieser Wert steigt auf 43,3% bei mittlerem, und auf 55,2% bei hohem Leseselbstkonzept, die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,036. Ebenso geben keine Kinder mit niedrigem Leseselbstkonzept an, darüber mit ihren FreundInnen zu sprechen, sehr wohl tun dies aber 40,1% der Kinder mit mittlerem, und 53,7% jener mit hohem Leseselbstkonzept (statistische Signifikanz: p = 0,013). Etwas flacher verläuft die Kurve für die Geschwister, hier sind es ebenfalls keine Kinder mit niedrigem Leseselbstkonzept, aber 27,6% jener mit mittlerem, und 33,5% jener 12 Für die Berechnungen wurden die Angaben der DaM-Kinder, und jene der DaZ- Kinder zu ihrem Leseselbstkonzept für die Zweitsprache Deutsch verwendet. 278 <?page no="279"?> mit hohem Leseselbstkonzept, die mit ihren Geschwistern über ihre Lektüre sprechen. Abbildung 140: Anschlusskommunikation nach Leseselbstkonzept Mit steigendem Leseselbstkonzept ist der Anteil der Kinder sinkend, die mit ihren MitschülerInnen und LehrerInnen über Lektüre sprechen: Sind es 50% der Kinder mit niedrigem Leseselbstkonzept, die mit ihren MitschülerInnen Anschlusskommunikation betreiben, sinkt dieser Wert auf 26,7% bei mittlerem, und 35,4% bei hohem Leseselbstkonzept, die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,019. Noch tiefer sinken die Werte für Anschlusskommunikation mit LehrerInnen, hier sind es ebenfalls 50% der SchülerInnen mit niedrigem Leseselbstkonzept, die dies von sich behaupten, aber nur 16,6% jener mit mittlerem, und 18,6% jener mit hohem Leseselbstkonzept. Nun soll ein detaillierter Vergleich der beiden Gruppen DaM und DaZ folgen, wobei zunächst auf allgemeine Tendenzen innerhalb der beiden Grup- 279 <?page no="280"?> pen eingegangen wird, und danach auf die Entwicklung der Anschlusskommunikation im Altersverlauf näher eingegangen wird. Die folgende Grafik verdeutlicht zunächst die Häufigkeit, mit der die verschiedenen KommunikationspartnerInnen von den SchülerInnen für Gespräche über Gelesenes herangezogen werden, die Balken sind nach der Häufigkeit der Nennungen in der Gruppe der DaM-Kinder sortiert. Abbildung 141: Anschlusskommunikation DaM/ DaZ Zunächst fällt auf, dass DaM- und DaZ-Kinder unterschiedliche Favoriten für die Anschlusskommunikation haben. Während bei den DaM-Kindern Eltern, FreundInnen und MitschülerInnen einen hohen Stellenwert haben, und Geschwister und LehrerInnen am Ende der Rangfolge zu finden sind, sind für DaZ-Kinder hauptsächlich Freunde und Geschwister die primären Kommunikationspartner, gefolgt von Eltern, MitschülerInnen und LehrerInnen. Die größten Unterschiede zeigen sich bei der Gruppe der Eltern und Geschwister: Für mehr als die Hälfte der DaM-Kinder, nämlich 51,1%, sind Eltern wichtige Ansprechpartner, während dies nur knapp ein Drittel (32,5%) der DaZ-Kinder von sich behauptet. 13 Umgekehrt sind Geschwister für DaZ-Kinder wichtigere KommunikationspartnerInnen (36,2%), aber nur für 28,7% der DaM-Kinder. Die Entwicklung im Altersverlauf verläuft in der Gruppe der DaM-Kinder durchwegs parallel: Mit zunehmendem Alter schwindet auch die Bedeutung 13 Für die Gruppe der Eltern zeigt sich eine statistische Signifikanz von p = 0,019. 280 <?page no="281"?> der verschiedenen Personengruppen als Ansprechpartner für Lektürediskussionen, wie die folgende Grafik verdeutlicht. Abbildung 142: Anschlusskommunikation DaM im Altersverlauf Für die 12-Jährigen sind Eltern noch die wichtigsten AnsprechpartnerInnen in Lektürefragen, 76,7% der Kinder in diesem Alter geben an, mit ihren Eltern über Gelesenes zu sprechen. An zweiter Stelle steht der Freundeskreis, der von 54,6% der 12-Jährigen als wichtige Kommunikationsinstanz genannt wird. Mit einigem Abstand folgen Geschwister (36,8%), MitschülerInnen (32,9%), und auf dem letzten Platz die LehrerInnen (13,4%). Im Altersverlauf sinkt die Bedeutung jeder dieser Instanzen, besonders drastisch allerdings jene der Eltern von 76,7% bei den 12-Jährigen auf 22,8% bei den 15-Jährigen. 14 Bei allen anderen KommunikationspartnerInnen ist ein kontinuierliches Abnehmen der Werte festzustellen, das auf kein be- 14 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,001. 281 <?page no="282"?> stimmtes Lebensalter fokussiert. Mit zunehmendem Alter sinkt also auch die Bereitschaft der Heranwachsenden zur Anschlusskommunikation. Bei den 15-Jährigen ist auch die Reihenfolge der Beliebtheit der verschiedenen Instanzen anders als noch bei den 12-Jährigen. Nun steht der Freundeskreis mit 32,6% an erster Stelle, gefolgt von MitschülerInnen (23,3%) und Eltern (22,8%), und am letzten Rang sind Geschwister und LehrerInnen (jeweils 16,3%) anzutreffen. Ein grundlegend anderes Bild zeigt sich in der Gruppe der DaZ-Kinder, wie auch die folgende Grafik verdeutlichen soll. Hier ist nur für die Geschwister eine ähnliche Entwicklung wie zuvor bei den DaM-Kindern festzustellen, nämlich ein kontinuierliches Sinken der Bereitschaft, mit Geschwistern über Texte zu sprechen (von 45% bei den 12-Jährigen auf 18,2% bei den 15- Jährigen). Für alle anderen Instanzen sind sowohl Höhen als auch Tiefen zu verzeichnen, dennoch sinkt die Bereitschaft der Jugendlichen im Altersverlauf, sich mit anderen über ihre Lektüre zu sprechen. Abbildung 143: Anschlusskommunikation DaZ im Altersverlauf 282 <?page no="283"?> Bei den 12-Jährigen sind FreundInnen noch die wichtigste Kommunikationsinstanz in Sachen Lesen, 60% der Kinder geben an, gerne mit ihnen über Gelesenes zu sprechen. Darauf folgen Geschwister (45%), MitschülerInnen (40%), dann mit einigem Abstand Eltern (30%), und am Ende LehrerInnen (5%). Im Altersverlauf ist die Gruppe der FreundInnen besonders großen Schwankungen unterworfen: Bei den 13-Jährigen sinkt der Wert um mehr als 30% auf 27,2%, um bei den 14-Jährigen wieder auf 48,4% zu steigen, und schließlich bei den 15-Jährigen auf einem Tiefststand von 18,2% zu landen. Die Gruppe der LehrerInnen ist ebenfalls einem enormen Auf und Ab ausgesetzt 15 : Während bei den 12-Jährigen nur 5% der Kinder angeben, mit ihren LehrerInnen über Lektüre zu sprechen, steigt dieser Wert bei den 13- Jährigen auf 29,1%, sinkt im darauffolgenden Jahr auf 16,6%, um bei den 15- Jährigen bei 25% anzukommen. Bei den Eltern ist die Situation ähnlich, im ersten Jahr steigt die Beliebtheit von 30% auf 45,4% bei den 13-Jährigen, um daraufhin wieder auf 26,7% zu sinken, und bei den 15-Jährigen auf 27,3% zu stagnieren. MitschülerInnen haben ebenfalls einen starken Popularitätsverlust als Kommunikationsinstanz hinzunehmen, der sich im Lauf der ersten drei Untersuchungsjahre manifestiert: Die Werte sinken hier von 40% auf 38%, und schließlich auf 20% bei den 14-Jährigen. Schließlich steigt die Beliebtheit im letzten Untersuchungsjahr auf 27,3% an. Im Alter von 15 Jahren ist auch die Rangfolge der KommunikationspartnerInnen gänzlich anders als zuvor bei den 12-Jährigen: Eltern und MitschülerInnen sind am beliebtesten, gefolgt von LehrerInnen, und mit einigem Abstand rangieren FreundInnen und Geschwister gleichauf auf dem letzten Platz. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Geschlecht, Sozialstatus, Buchbesitz von Eltern und Kindern, Lesefreude und Leseselbstkonzept großen Einfluss auf die Beliebtheit der einzelnen Instanzen zur Anschlusskommunikation hat. Ebenso verhält es sich bei der Betrachtung im Altersverlauf, bei der sich, jeweils differenziert bei DaM- und DaZ-Kindern, andere Instanzen als prägend für die Altersstufen herauskristallisieren. 5.3. Lektüretipps und -anregungen Ein wichtiger Faktor, der das Leseverhalten der Kinder deutlich beeinflussen kann, sind Lektüretipps und -anregungen aus dem Umfeld der Heranwachsenden. In dieser Kategorie wurden dieselben Instanzen abgefragt, wie sie bereits zuvor beim Thema der Anschlusskommunikation eingesetzt wurden. Die folgende Tabelle gibt einen groben Überblick über die Häufigkeitsvertei- 15 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,04. 283 <?page no="284"?> lungen in der Gesamtgruppe, die Werte sind der Größe nach absteigend geordnet: Lektüretipps von: Häufigkeitsverteilung Freunden 65,4% Mitschülern 47,3% Eltern 42,7% Geschwistern 35,9% Lehrern 28,8% Tabelle 13: Lektüretipps Gesamtgruppe Freunde stehen in der Häufigkeit der Lektüreanregungen an der Spitze mit 65,4%. Mit großem Abstand folgen MitschülerInnen (47,3%) und Eltern (42,7%), gefolgt von Geschwistern (35,9%). Die Gruppe der Lehrer ist mit Abstand am letzten Platz zu finden, nur 28,8% der SchülerInnen geben an, von ihnen Tipps über interessante Texte zu bekommen. Doch bereits bei einer Differenzierung nach Geschlecht zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen Burschen und Mädchen, von wem sie brauchbare Lektüreanregungen bekommen. 16 In der folgenden Grafik sind die Items nach der Beliebtheit bei den Burschen angeordnet. Abbildung 144: Lektüretipps nach Geschlecht 16 Die statistische Signifikanz beträgt für die jeweiligen Gruppen: Geschwister p = 0,005; Lehrer p = 0,029; Freunde und Mitschüler: p = 0,001. 284 <?page no="285"?> FreundInnen sind für die Burschen die wichtigste Instanz, um Tipps und Informationen über interessante Texte zu bekommen, 50,9% der Burschen gab dies bei der Beantwortung des Fragebogens an. An zweiter Stelle folgen die Eltern mit 54,2%, danach LehrerInnen mit 32,7%, und an letzter Stelle Geschwister und MitschülerInnen mit 30%. Bei den Mädchen stehen ebenfalls die FreundInnen an erster Stelle, allerdings geben hier 77% der Mädchen an, von ihnen geeignete Lektüretipps zu bekommen. Danach folgen bereits die MitschülerInnen (57,3%), dann mit einigem Abstand Eltern (46,6%) und Geschwister (43,4%), und weit abgeschlagen auf dem letzten Platz die LehrerInnen mit 35,8%. Besonders große Differenzen in der Häufigkeitsverteilung zeigt sich in der Gruppe der FreundInnen, MitschülerInnen und auch Geschwister, es geben jeweils deutlich mehr Mädchen als Burschen an, von diesen Instanzen Lektüreanregungen zu bekommen. Ebenso ist auffallend, dass sich nach den Angaben der Kinder häufiger Mädchen als Burschen zur Lektüre anregen lassen. Ein Vergleich mit dem Sozialstatus der Familien zeigt, dass die Häufigkeit von Lektüreanregungen mit steigendem Sozialstatus abnimmt, wie die neben stehende Grafik illustriert. Sämtliche Instanzen fallen in ihrer Bedeutung zur Lektüreanregung mit steigendem Sozialstatus ab. Die Bedeutung von FreundInnen und Eltern sinkt vergleichsweise wenig: Während von 68,4% der SchülerInnen aus niedrigen sozialen Schichten angegeben wird, dass sie von ihren FreundInnen Lektüretipps bekämen, sinkt dieser Wert auf 67,4% und 61,5% bei Kindern aus Familien mit hohem Sozialstatus. Ebenso geben 52,6% der Kinder aus niedrigen Sozialschichten an, Anregungen von ihren Eltern zu bekommen, dieser Wert sinkt auf 51,1% bzw. 44,2% bei Kindern aus sozial hoch gestellten Familien. Dramatisch sinken die Werte von Geschwistern und Lehrern: Lektüretipps von Geschwistern bekommen 42,1% der Kinder aus Elternhäusern mit niedrigem Sozialstatus, dieser Wert sinkt auf 28,2% und 28,6% bei Kindern aus Familien mit hohem Sozialstatus. Lehrer sinken am meisten ab. Sind sie bei Kindern aus sozial niedrigen Schichten noch die zweitwichtigste Instanz im Hinblick auf Lektüretipps (52,7%), sinkt dieser Wert rapide auf 27,6% und 26,4% bei sozial hoch gestellten Familien ab. 285 <?page no="286"?> Abbildung 145: Lektüretipps nach Sozialstatus Eine Ausnahme in dieser Entwicklung ist die Instanz der MitschülerInnen, deren Beliebtheit vor allem für Kinder mit mittlerem Sozialstatus sehr hoch ist (46,8%). Allerdings fällt auch die Bedeutung der MitschülerInnen bei Kindern mit hohem Sozialstatus wieder auf 39,6% ab. Lektüretipps werden demnach am besten von Kindern aus Familien mit niedrigem Sozialstatus angenommen. Der Buchbesitz der Eltern ist ebenfalls ausschlaggebend für die Bedeutung der verschiedenen Instanzen, was Lektüretipps und -anregungen betrifft. Hierbei lassen sich mehrere Tendenzen beobachten: Einerseits steigt die Wichtigkeit zweier Instanzen mit steigendem Buchbesitz im Elternhaus an. Hierbei handelt es sich um die Instanzen der MitschülerInnen und der Eltern, allerdings sind hier nur leichte Zuwächse zu beobachten. Die Beliebt- 286 <?page no="287"?> heit der MitschülerInnen als Ratgeber in Lektüresachen steigt von 46,4% bei Kindern aus Haushalten mit unter einem Meter Buchbesitz auf 50% bei über vier Metern; Eltern werden ebenfalls wichtiger, da 33,8% der Kinder mit wenigen Büchern zu Hause angeben, von ihnen Lektüretipps zu bekommen. Dieser Wert steigt auf 37,2% bei Kindern mit einem bis vier Metern Buchbesitz zu Hause, und schließlich auf 47,4% bei über vier Metern Buchbesitz. Abbildung 146: Lektüretipps nach Buchbesitz im Elternhaus Eine zweite Tendenz ist jene des Bedeutungsverlusts, was sich bei der Instanz der Geschwister zeigt. Ihre Wichtigkeit für Lektüreanregungen sinkt von 43,2% bei Kindern mit unter einem Meter Bücher zu Hause, auf einen Tiefststand von 25,2% bei Kindern mit einem bis vier Metern Buchbesitz, und steigt daraufhin wieder leicht an, auf 29,9% bei Kindern mit über vier Metern Buchbesitz. 17 Für FreundInnen als Ratgeber für interessante Texte ist die Entwicklung mit steigendem Buchbesitz abweichend von den bisher beschriebenen Ten- 17 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,022. 287 <?page no="288"?> denzen, da die Werte stark schwanken. So geben 58,4% der Kinder mit weniger als einem Meter Buchbesitz im Haushalt an, von FreundInnen Lektüretipps zu bekommen. Dieser Wert sinkt bei einem Buchbesitz von einem bis vier Metern auf 34,2%, und steigt bei über vier Metern Bücher zu Hause auf einen Höchstwert von 73,1%. 18 Ein Ansteigen der Beliebtheit als LektüreratgeberInnen ist für die Gruppe der LehrerInnen festzustellen, auch wenn sie auf der Beliebtheitsskala ganz unten anzutreffen sind. Je niedriger der Buchbesitz im Elternhaus, desto mehr Bedeutung haben LehrerInnen in ihrer Rat gebenden Funktion. 33,3% der Kinder mit keinen Büchern zu Hause geben an, von ihren LehrerInnen Tipps über interessante Texte zu bekommen, dasselbe geben 28,9% jener Kinder mit unter einem Meter Bücher an. Danach sinken die Werte auf 21,3% bei einem Buchbesitz zwischen einem und vier Metern, um bei über vier Metern Bücher wieder auf 28,2% zu steigen. Berücksichtigt man auch den Buchbesitz der Kinder selbst, zeigt sich ein ähnliches Bild wie zuvor. Die Wichtigkeit der Instanzen Eltern und MitschülerInnen steigt mit vermehrtem Buchbesitz der Kinder an. 35,2% der SchülerInnen mit unter einem Meter Bücher geben an, von ihren Eltern Tipps über Lektüre zu bekommen, dieser Wert steigt auf 46,8% bzw. 44,4% bei über zwei Metern Buchbesitz. MitschülerInnen haben eine größere Bedeutung, hier geben 46,2% der Kinder mit weniger als einem Meter Buchbesitz an, Lektüreanregungen von den MitschülerInnen zu bekommen. Dieser Wert sinkt bei einem bis zwei Metern Bücher leicht auf 45,5% ab, steigt aber bei über zwei Metern Buchbesitz auf 62,9% an. 18 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,049. 288 <?page no="289"?> Abbildung 147: Lektüretipps nach Buchbesitz der Kinder Der Instanz der LehrerInnen kommt, wie bereits oben festgestellt, eine große Rolle für die Anregung zur Lektüre für Kinder mit wenigen bis gar keinen Büchern zu, denn es geben 29,4% der Kinder mit keinem Buchbesitz an, von ihren LehrerInnen Anregungen zu bekommen, allerdings sind LehrerInnen auch für Kinder mit mittlerem bis großem Buchbesitz interessant, um Tipps über interessante Texte zu bekommen (unter einem Meter: 23,5%; ein bis zwei Meter: 30,3%; über zwei Meter: 37%). Die Bedeutung der Instanz der Geschwister sinkt kontinuierlich mit steigendem Buchbesitz. Während noch 34,3% jener Kinder mit unter einem Meter Bücher angeben, von Geschwistern Anregungen zu bekommen, stagniert dieser Wert bei 34,6% bei Kindern mit einem bis zwei Metern Buchbesitz, und sinkt auf 25,9% bei über zwei Metern Bücher ab. Freunde als Anreger zur Lektüre sind die wichtigste Instanz, sie werden am meisten genannt, allerdings ist hier kein kontinuierlicher Verlauf ablesbar. Vor allem Kinder mit einem mittleren Buchbesitz von einem bis zwei Metern geben gehäuft an, von ihren Freunden Anregungen zu interessanten Texten zu bekommen (80,6%). Bei erhöhtem oder niedrigerem Buchbesitz 289 <?page no="290"?> sind die Werte deutlich niedriger: 59,3% der Kinder mit unter einem Meter Bücher geben Freunde als Rat gebende Instanz an, und 62,9% der Kinder mit über zwei Metern Buchbesitz. Kinder mit keinen eigenen Büchern geben am seltensten an, von einer der Instanzen Lesetipps zu bekommen. 19 Wenig überraschend sind die Ergebnisse bei einem Vergleich mit der Lesefreude der Kinder. Je lieber die SchülerInnen lesen, desto eher nehmen sie auch Tipps über interessante Texte von den genannten Instanzen an. Am häufigsten werden dabei FreundInnen genannt (50,8% bei niedriger Lesefreude; 77,3% bei hoher Lesefreude), danach folgen MitschülerInnen (40,3% bzw. 53,1%), Eltern (30% und 52,8%), Geschwister (31,6% bzw. 39,4%), und am Ende LehrerInnen (28,1% bzw. 29,4%). 20 Abbildung 148: Lektüretipps nach Lesefreude 19 Statistische Signifikanzen zeigten sich für folgende Instanzen: Geschwister p = 0,014; Eltern, Freunde und Mitschüler jeweils p = 0,001. 20 Für alle fünf Instanzen ergibt sich eine statistische Signifikanz: Geschwister p = 0,012; Lehrer p = 0,047; Eltern, Freunde und Mitschüler jeweils p = 0,001. 290 <?page no="291"?> Völlig idente Tendenzen zeigen sich bei einem Vergleich mit dem Leseselbstkonzept der SchülerInnen: In allen Fällen bekommen die Kinder mit steigendem Leseselbstkonzept auch häufiger Lektüretipps, aus diesem Grund wird hier auf eine detaillierte Wiedergabe der Daten verzichtet. Bevor die Entwicklung der Bedeutung der verschiedenen Instanzen bezüglich ihrer Lektüreanregungen im Altersverlauf der beiden Gruppen DaM und DaZ detailliert beschrieben wird, soll zunächst eine allgemeine Grafik die Verteilung innerhalb der beiden Gruppen verdeutlichen. Dabei sind die Items nach der Reihung innerhalb der DaM-Gruppe angeordnet. Abbildung 149: Lektüretipps DaM/ DaZ Zunächst lässt sich feststellen, dass DaZ-Kinder häufiger angeben, Tipps und Anregungen zu interessanten Texten zu bekommen und auch anzunehmen, als dies DaM-Kinder tun. Für DaM-Kinder sind FreundInnen (64,7%) die wichtigste Instanz für Lektüretipps, gefolgt von MitschülerInnen (45,7%), Eltern (44%), danach folgen Geschwister (32,3%) und LehrerInnen am letzten Platz (26,5%). Bei DaM-Kindern stehen ebenfalls FreundInnen (68,2%) und MitschülerInnen (53,7%) in der Beliebtheit ganz oben, allerdings werden Geschwister 21 (50,6%) häufiger genannt als Eltern, die mit Abstand auf dem vierten Platz rangieren (37,8%). Am Ende stehen wieder die LehrerInnen, von denen 37,7% der SchülerInnen angeben, von ihnen Lektüreanregungen zu bekommen. 22 21 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,019. 22 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,022. 291 <?page no="292"?> Betrachtet man die Gruppe der DaM-Kinder und die Entwicklung der verschiedenen Instanzen im Altersverlauf, so lässt sich beobachten, dass bei vier von fünf Items eine Reduktion der Beliebtheit im Altersverlauf eintritt. Bei den 12-Jährigen ist die Instanz der FreundInnen für Anregungen zur Lektüre am Wichtigsten, 75% der DaM-Kinder dieser Altersgruppe geben an, Lektüretipps aus ihrem Freundeskreis zu bekommen. Dahinter rangieren die Eltern (59,8%), gefolgt von den MitschülerInnen (57,4%). Mit etwas Abstand folgen danach Geschwister (39,2%) und LehrerInnen (29,3%). Im Altersverlauf verlieren alle Instanzen, mit Ausnahme der Lehrer, an Bedeutung. Zwar bleiben die FreundInnen unangefochten an der Spitze, allerdings sinken die Werte von 75% auf 66,3%, danach auf 57,3% bei den 14- Jährigen, um sich im Folgejahr etwas zu erholen (58,2%). Die Gruppe der Eltern muss ihren zweiten Platz relativ schnell räumen, die Beliebtheit dieser Instanz sinkt im ersten Untersuchungsjahr rapide von 59,8% auf 41,6% bei den 13-Jährigen, danach nur mehr gemächlich auf 37,5% und 36,4% bei den 15-Jährigen. 23 Sind sie in der Altersgruppe der 12-Jährigen noch an dritter Stelle zu finden (57,4%), steigt die Beliebtheit der MitschülerInnen in der Alterskategorie der 13- und 14-Jährigen auf den zweiten Platz an, allerdings bei sinkenden Werten (44,7% bzw. 42,7%). Erst bei den 15-Jährigen nehmen die MitschülerInnen wieder den dritten Platz mit 34,9% ein. Ein besonders großer Rückgang ist für die Gruppe der Geschwister festzustellen, die Werte sinken von 39,2% zunächst auf 38,5%, allerdings bei den 14- und 15-Jährigen ist der Rückgang rapide und die Werte sinken auf 25,5% bzw. 18,7%, somit sind die Geschwister bei den 15-Jährigen auf dem letzten Platz angekommen. Eine insgesamt positive Entwicklung ist bei der Gruppe der LehrerInnen festzustellen. Zwar sinkt zunächst ihre Beliebtheit als Ratgeber in Lektüresachen, nämlich von 29,3% bei den 12-Jährigen auf 23,2% bei den 13-Jährigen, kann sich danach aber wieder erholen und steigt auf 25% und sogar 33,3% bei den 15-Jährigen. LehrerInnen sind demnach die einzige Gruppe, die das Sinken der Werte bei den DaM-Kindern im Altersverlauf bremsen kann und sogar an Beliebtheit zunimmt, auch wenn sie bei den 15-Jährigen nur den vorletzten Platz belegen. 23 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,027. 292 <?page no="293"?> Abbildung 150: Lektüretipps im Altersverlauf DaM Tendenziell ähnlich ist die Entwicklung in der Gruppe der DaZ-Kinder, allerdings mit einem substanziellen Unterschied: Hier sind es nicht die LehrerInnen, die im Altersverlauf an Beliebtheit etwas dazugewinnen können, sondern die MitschülerInnen. Wenig Bedeutungsverlust ist in der Gruppe der FreundInnen festzustellen, für die in allen Altersgruppen die höchste Beliebtheit herrscht. Vom 12. auf das 13. Lebensjahr können sich die FreundInnen sogar an Beliebtheit steigern, nämlich von 70% auf 73,5%. Danach sinken die Werte auf 66,3% bzw. 66,7% bei den 15-Jährigen. Ein Knick nach oben ist auch für die MitschülerInnen festzustellen: Im Alter von 13 Jahren können sie sich von 50% auf 69,5% steigern, allerdings sinken die Werte bei den 14-Jährigen auf 42,8%. Eine Erholung erfolgt im Jahr darauf, 54,6% der 15-Jährigen geben an, von ihren MitschülerInnen brauchbare Lektüretipps zu bekommen. Ähnlich 293 <?page no="294"?> ist das Verhalten der Gruppe der Geschwister im Altersverlauf, allerdings nicht so deutlich ausgeprägt. Auch hier ist bei den 13-Jährigen eine leichte Zunahme der Beliebtheit festzustellen, nämlich von 50% auf 54,5%. Danach sinken die Werte aber wieder kontinuierlich ab, auf 50% bzw. 45,5% bei den 15-Jährigen. Dies gilt auch für die LehrerInnen, die für die 13-Jährigen am meisten Relevanz für Lektüretipps haben (Steigen von 35% auf 45,8%), allerdings sinken auch in dieser Gruppe danach wieder die Werte auf 36,7% bzw. 27,3% ab. Allein die Gruppe der Eltern kann, über den Altersverlauf gesehen, ein wenig an Beliebtheit zunehmen. Zwar sinken zunächst die Werte ebenfalls von 35% auf 31,8%, steigen danach aber auf 44,8% an und pendeln sich bei 36,4% ein. Abbildung 151: Lektüretipps im Altersverlauf DaZ 294 <?page no="295"?> Für die Lesetipps lässt sich parallel zur Anschlusskommunikation feststellen, dass es auch hier entscheidend von Geschlecht, Sozialstatus, Buchbesitz, Lesefreude und Leseselbstkonzept abhängt, in welchem Maß Tipps von den verschiedenen Instanzen angenommen werden. Von besonderem Interesse ist hierbei, dass DaZ-Kinder häufiger als DaM-Kinder angeben, Lektüretipps zu bekommen. Für beide Gruppen gilt aber, dass die Einflussnahme von Familie, Freunden und Schulen im Altersverlauf abnimmt. 295 <?page no="297"?> 6. Lesen in und für die Schule Wie das Lesen im Deutschunterricht 1 gestaltet wird, ob dabei auf die Interessen und Einstellungen der SchülerInnen eingegangen wird, soll in diesem Kapitel gezeigt werden. Dabei wird zunächst untersucht, wie hoch die Lesefreude der SchülerInnen im Bezug auf schulisches Lesen ist, und ob sie der Meinung sind, dass der Deutschunterricht die Lesefreude verdirbt. Daraufhin sollen verschiedene Einzelfaktoren des Lesens im Deutschunterricht näher beleuchtet werden: Ob die SchülerInneninteressen mit den im Unterricht verwendeten Texten übereinstimmt, ob die SchülerInnen gerne ihr Lieblingsbuch im Unterricht vorstellen würden, ob die Lehrpersonen auch Interesse an der Meinung der SchülerInnen über einen Text haben, oder ob nur unreflektiert der Inhalt der Texte abgefragt wird. Ebenso soll untersucht werden, wie viele Bücher von den SchülerInnen im vergangenen Jahr für die Schule gelesen wurden. Schulische Sprach- und Lesefördermaßnahmen stehen, wie bereits im Rahmen der Hypothesen und Fragestellungen angesprochen, nicht im Fokus der vorliegenden Untersuchung und wurden daher nicht empirisch untersucht. Es kann somit nicht belegt werden, ob und in welcher Form Sprach- und Leseförderung an den untersuchten Schulen implementiert wurde und inwiefern die SchülerInnen auf diese Maßnahmen reagieren. Es ist aber durchaus anzunehmen, dass Fördermaßnahmen im üblichen Ausmaß praktiziert werden, vor allem, da sich in regelmäßigen Abständen pädagogische Schwerpunkte des Landesschulrates für Steiermark des Lese- und Sprachförderungsproblems annehmen. 6.1. Lesefreude in der Schule 36,1% der befragten SchülerInnen (Gesamtgruppe) gaben an, gerne Texte für die Schule zu lesen, und nur 16,1% der Kinder sind der Meinung, dass der Deutschunterricht die Lesefreude verderbe. Im Geschlechtervergleich zeigen bereits bei der schulischen Lesefreude große Unterschiede: Während knapp die Hälfte der Schülerinnen (49,3%) angibt, gerne Texte für die Schule zu lesen, trifft dies nur auf ein Viertel (25,2%) der Burschen zu. 2 Umgekehrt geben deutlich mehr Burschen als Mädchen an, dass ihnen der Deutschun- 1 Der Begriff „Deutschunterricht“ wird in sämtlichen folgenden Grafiken und Tabellen mit der Buchstabenkombination „DU“ abgekürzt. 2 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,002. 297 <?page no="298"?> terricht die Lesefreude verdirbt, nämlich 24,3%, während nur 7,3% der Mädchen dieser Ansicht ist. 3 Abbildung 152: Lesefreude Schule nach Geschlecht Die folgende Grafik verdeutlicht die Entwicklung der Lesefreude der SchülerInnen bei einem Vergleich mit dem Sozialstatus der Familien. Mit steigendem Sozialstatus sinkt die Lesefreude der Kinder: Während 42,2% der SchülerInnen mit niedrigem Sozialstatus angeben, gerne Texte für die Schule zu lesen, sinkt dieser Wert bei mittlerem Sozialstatus auf 32,9%, und auf 28,3% bei SchülerInnen mit hohem sozialem Hintergrund. Umgekehrt steigt die Anzahl jener SchülerInnen, die der Ansicht sind, der Deutschunterricht verderbe die Lesefreude, mit steigendem Sozialstatus ebenfalls an. Sind es noch 10,6% der Kinder mit niedrigem sozialem Status, die dieser Meinung sind, steigt dieser Wert auf 12,7% der SchülerInnen mit mittlerem Sozialstatus, und auf 24,5% mit hohem Sozialstatus. 3 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,001. 298 <?page no="299"?> Abbildung 153: Lesefreude Schule nach Sozialstatus Vergleicht man die schulische Lesefreude der Kinder mit dem Buchbesitz im Elternhaus, zeigt sich, dass die Lesefreude bei Kindern mit besonders vielen Büchern im Haushalt ebenfalls hoch ist, und dass die Ansicht, der Deutschunterricht verderbe die Lesefreude, in diesen Haushalten geringer vertreten wird als in jenen mit weniger Buchbesitz. Konkret entwickelt sich die schulische Lesefreude bei einem mittleren Buchbesitz von einem bis vier Metern nach unten, nämlich von 35,3% bei unter einem Meter Bücher auf 26,4%, und steigt bei über vier Metern Buchbesitz auf 47,3% an. Die negative Einstellung gegenüber dem Deutschunterricht sinkt von 22,1% der Kinder mit unter einem Meter Buchbesitz im Haushalt auf 15% bei einem bis vier Metern, und auf 10,2% bei über vier Metern Bücher zu Hause. 4 4 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,008. 299 <?page no="300"?> Abbildung 154: Lesefreude Schule nach Buchbesitz der Eltern Stärker ausgeprägt ist diese Tendenz bei einem Vergleich mit dem Buchbesitz der Kinder 5 : Die Lesefreude steigt rasant an, von 28,1% der Kinder bei einem Buchbesitz von unter einem Meter, auf 44,2% bei einem bis zwei Metern, und auf 55,5%, wenn die SchülerInnen mehr als zwei Meter Bücher besitzen. Dagegen geben nur 5,6% der Kinder ohne eigene Bücher an, gerne für die Schule zu lesen. Umgekehrt sinkt die negative Einstellung gegenüber dem Deutschunterricht von 38,9% bei SchülerInnen ohne eigene Bücher auf 19,1% bei einem Buchbesitz von unter einem Meter, danach auf 10,4% bei einem bis zwei Metern Bücher, und auf 3,8% bei einem Buchbesitz von über zwei Metern. 5 Die statistische Signifikanz beträgt für die Lesefreude p = 0,001, und für die Einstellung, der Deutschunterricht verderbe die Lesefreude, p = 0,012. 300 <?page no="301"?> Abbildung 155: Lesefreude Schule nach Buchbesitz der Kinder Parallel dazu sind die Ergebnisse im Vergleich mit der Lesefreude (Freizeit) der SchülerInnen zu sehen: Mit steigender Lesefreude für Texte in der Freizeit steigt auch die Lesefreude für schulische Texte von 19,9% auf 49,2% drastisch an. Eine negative Einstellung gegenüber dem Deutschunterricht verringert sich hingegen mit steigender Lesefreude (Freizeit), nämlich von 19,1% auf 13,7%. 6 Abbildung 156: Lesefreude Schule nach Lesefreude Freizeit 6 Die statistische Signifikanz beträgt für die schulische Lesefreude p = 0,001, und für die negative Einstellung zum Deutschunterricht p = 0,027. 301 <?page no="302"?> Ähnlich verhält es sich bei einem Vergleich mit dem Leseselbstkonzept der SchülerInnen 7 , mit steigendem Leseselbstkonzept steigt auch die schulische Lesefreude von 0% bei Kindern mit niedrigem Leseselbstkonzept, auf 25,9% bei jenen mit mittlerem, und auf 50,2% bei SchülerInnen mit hohem Leseselbstkonzept, die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,000. Die negativste Einstellung gegenüber dem Deutschunterricht haben Kinder mit mittlerem Leseselbstkonzept, hier geben 17,2% der Kinder an, dass der Deutschunterricht ihre Lesefreude verderbe, während 15,8% der Kinder mit hohem, und niemand der SchülerInnen mit mittlerem Leseselbstkonzept dies angeben. Abbildung 157: Lesefreude Schule nach Leseselbstkonzept Bei einem Vergleich der beiden Gruppen der DaM- und DaZ-Kinder zeigt sich, dass DaZ-Kinder mit 40% eine höhere schulische Lesefreude als DaM- Kinder (35,1%) haben, allerdings sind auch mehr DaZ-Kinder, nämlich 18,9% der Meinung, der Deutschunterricht verderbe die Lesefreude, während dies nur 15,3% der DaM-Kinder vertreten (die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,007). Umgekehrte Tendenzen sind im Altersverlauf der beiden Gruppen DaM und DaZ zu beobachten. In der Gruppe der DaM-Kinder sinkt die schulische Lesefreude mit steigendem Alter drastisch ab. Bei den 12-jährigen DaM- SchülerInnen geben noch 48,1% der Kinder an, gerne Texte für die Schule zu lesen; dieser Wert sinkt auf 40,9% bei den 13-Jährigen, 25% bei den 14- 7 Für die Berechnungen wurden die Angaben der DaM-Kinder, und jene der DaZ- Kinder zu ihrem Leseselbstkonzept für die Zweitsprache Deutsch verwendet. 302 <?page no="303"?> Jährigen, und erreicht bei den 15-jährigen SchülerInnen einen Tiefstwert von 18,7%. 8 Ein kurzfristiges Steigen der negativen Einstellung gegenüber dem Deutschunterricht ist im Altersverlauf der DaM-Gruppe festzustellen. Der niedrigste Wert ist bei den 12-Jährigen auszumachen, hier geben nur 6,5% der SchülerInnen an, der Deutschunterricht verderbe die Lesefreude. Dieser Wert steigt in den folgenden beiden Jahren auf 18,2% bzw. 19,6% an, und sinkt bei den 15-Jährigen auf 13,6%. Abbildung 158: Lesefreude Schule im Altersverlauf DaM Vergleichbare Daten zur Lesefreude liefert die Analyse der Gruppe der DaZ- Kinder, auch hier sinkt die schulische Lesefreude im Altersverlauf drastisch ab. 52,7% der 12-jährigen DaZ-Kinder geben an, sie würden gerne Texte für die Schule lesen, während es bei den 13-Jährigen nur noch 42,3% sind, bei den 14-Jährigen 34,4%, und schließlich im Alter von 15 Jahren 30,8%. Sinkend ist in dieser Gruppe auch der Anteil jener SchülerInnen, die eine negative Einstellung gegenüber dem Deutschunterricht haben: Sind es im Alter von 12 Jahren noch 20% der SchülerInnen, die meinen, der Unterricht verderbe die Lesefreude, so sinkt dieser Wert bei den 13-Jährigen auf 12%. Im Alter von 14 Jahren steigt der Anteil kurzfristig auf 28,2%, um bei den 15- Jährigen auf einen Tiefststand von 7,7% zu sinken. 8 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,001. 303 <?page no="304"?> Abbildung 159: Lesefreude Schule im Altersverlauf DaZ Zusammenfassend ist für die schulische Lesefreude festzuhalten, dass diese mit zunehmendem Buchbesitz von Eltern und Kindern, Lesefreude und Leseselbstkonzept zunimmt, aber mit steigendem Sozialstatus abnimmt. Mädchen und DaZ-Kinder haben eine höhere schulische Lesefreude als Burschen und DaM-Kinder; außerdem sinkt diese im Altersverlauf in beiden Gruppen. Die Meinung, der Deutschunterricht verderbe die Lesefreude, teilen hauptsächlich Burschen, DaZ-Kinder, Kinder mit niedrigem Buchbesitz und niedriger Lesefreude, während diese Einstellung mit steigendem Sozialstatus und Leseselbstkonzept ebenfalls zunimmt. Im Altersverlauf ist bei DaM- Kindern mit zunehmendem Alter eine leichte Steigerung zu erkennen, während bei DaZ-Kindern diese negative Einstellung im Altersverlauf abnimmt. 6.2. Texte im Deutschunterricht In diesem Abschnitt soll darauf eingegangen werden, ob die im Deutschunterricht verwendeten Texte auch mit den Interessen der SchülerInnen übereinstimmen, und ob umgekehrt SchülerInnen jene Texte oder Bücher, die ihnen besonders gut gefallen, auch im Unterricht vorstellen und präsentieren dürfen. Fast die Hälfte der befragten SchülerInnen, nämlich 47,9% gibt an, dass sie die Texte, die im Deutschunterricht gelesen werden, auch interessieren 304 <?page no="305"?> würden. Etwas niedriger ist die Anzahl jener SchülerInnen, die auch gerne ihr Lieblingsbuch im Unterricht präsentieren würden, sie liegt bei 41,8% der SchülerInnen. Eine detailliertere Aufschlüsselung nach Geschlecht zeigt, dass sich Schülerinnen im Deutschunterricht generell wohler fühlen als Burschen: 58% der Mädchen gibt an, dass die behandelten Texte für sie von Interesse wären, aber nur 45,6% der Burschen. 9 Ebenso verhält es sich mit der Bereitschaft zur Buchpräsentation, dafür zeigen sich 47,4% der Mädchen aufgeschlossen, aber nur 36% der Burschen. 10 Abbildung 160: Texte im DU nach Geschlecht Bei einem Vergleich mit dem Sozialstatus der SchülerInnen zeigt sich, dass die Passung zwischen den Texten und den SchülerInnen mit steigendem Sozialstatus sinkt: Während noch 52,6% der SchülerInnen mit niedrigem sozialem Status angeben, dass die besprochenen Texte ihren Interessen entsprechen, sinkt dieser Wert bei mittlerem Sozialstatus auf 45,1%, bzw. auf 46,3% bei Kindern aus Familien mit hohem Sozialstatus. Der größte Anteil jener Kinder, die gerne ihr Lieblingsbuch im Deutschunterricht vorstellen würden, ist in sozial mittel gestellten Familien zu finden (49,4%). Nur 34,6% der Kinder mit hohem Sozialstatus geben an, dies tun zu wollen, und 31,6% der SchülerInnen mit niedrigem Sozialstatus. 9 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,01. 10 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,002. 305 <?page no="306"?> Abbildung 161: Texte im DU nach Sozialstatus Vergleicht man die Einstellung zu Texten im Deutschunterricht mit dem Buchbesitz im Elternhaus, zeigt sich eine parallele Entwicklung beider Items, die gleichermaßen sinken und steigen. Bei keinen Büchern im Haushalt geben keine SchülerInnen an, dass im Unterricht Bücher besprochen werden, die auch für sie von Interesse sind. Immerhin sind es 14,3% der Kinder dieser Gruppe, die gerne ihr Lieblingsbuch präsentieren würden. Steigt der Buchbesitz auf unter einen Meter, sind es bereits 45,9% der SchülerInnen, die sich für die im Unterricht besprochenen Texte interessieren, und 40% würden gerne ihr Lieblingsbuch präsentieren. Bei einem Buchbesitz von einem bis vier Metern sinken beide Werte, auf 39,5% bei der Passung zwischen SchülerInnen und Texten, und auf 34,5% bei dem Interesse zur Buchpräsentation. Erst bei über vier Metern Bücher im Haushalt steigen beide Werte an, 57,9% der SchülerInnen sind hier mit der Textauswahl im Unterricht zufrieden, und 45,5% zeigen Interesse an der Präsentation ihres Lieblingsbuches im Deutschunterricht. 11 11 Die statistische Signifikanz für das Item „Passung Texte“ liegt bei p = 0,01. 306 <?page no="307"?> Abbildung 162: Texte im DU nach Buchbesitz im Elternhaus Sehr ähnliche Ergebnisse liefert ein Vergleich mit dem Buchbesitz der Kinder selbst. Bei Kindern, die keine eigenen Bücher besitzen, liegt die Zustimmung für die im Deutschunterricht behandelten Texte nur bei 11,1%, und nur 5,9% der Kinder wären auch bereit, ihr Lieblingsbuch zu präsentieren. Diese Werte steigen bei einem Buchbesitz von unter einem Meter auf 42,3% bei der Passung zwischen den Texten und den SchülerInneninteressen, und auf 40,1% bei der Bereitschaft zur Buchpräsentation. Wenn die Kinder zwischen einem und zwei Metern Bücher besitzen, sind bereits 53,9% mit den Texten einverstanden, allerdings sinken die Werte, wenn es um die Präsentation des Lieblingsbuches geht, auf 37,2%. Bei Kindern, denen über zwei Meter Bücher gehört, sind die Werte beider Items auf einem Höchststand von 74% für die Passung der Texte und 46,2% für die Buchpräsentation angelangt. 12 12 Die statistische Signifikanz liegt bei dem Item „Passung Texte“ bei p = 0,001, und bei dem Item „Buchpräsentation“ bei p = 0,046. 307 <?page no="308"?> Abbildung 163: Texte im DU nach Buchbesitz der Kinder Bei einem Vergleich mit der Lesefreude der SchülerInnen zeigt sich ein eindeutiges Bild: Je höher die Lesefreude, desto größer die Akzeptanz der im Unterricht verwendeten Texte, und desto höher die Bereitschaft der SchülerInnen, ihr Lieblingsbuch vorzustellen. Im Detail steigen die Werte für die Passung zwischen Text und SchülerInnen von 31,6% auf 61,5%, und für die Buchpräsentation von 27,8% auf 53%. 13 Abbildung 164: Texte im DU nach Lesefreude 13 Die statistische Signifikanz beträgt je Item p = 0,001. 308 <?page no="309"?> Dieselben Tendenzen zeigen sich bei einem Vergleich mit dem Leseselbstkonzept der SchülerInnen: Je höher das Leseselbstkonzept, desto mehr SchülerInnen sind mit den im Unterricht verwendeten Texten einverstanden (p = 0,028), und desto eher sind sie bereit, ihr Lieblingsbuch im Unterricht vorzustellen. Stellt man die beiden Gruppen DaM und DaZ gegenüber, sind die Unterschiede nicht sehr groß. DaZ-Kinder sind gegenüber den Texten, die im Unterricht verwendet werden, mit 53,9% generell ein wenig positiver eingestellt als DaM-Kinder (46,4%). Ähnlich verhält es sich mit der Bereitschaft zur Buchpräsentation, 44,5% der DaZ-Kinder würden ihr Lieblingsbuch im Unterricht vorstellen, und 41,1% der DaM-Kinder. Abbildung 165: Texte im DU DaM/ DaZ Im Altersverlauf der Gruppe der DaM-Kinder sinken beide Items ab. Die Zufriedenheit der SchülerInnen mit den im Unterricht verwendeten Texten ist bei den 12-Jährigen noch hoch, 58,7% geben an, dass auch Bücher besprochen werden, die für sie von Interesse sind. Bei den 13-Jährigen sind es ebenfalls noch 53,1%. Ab dem 14. Lebensjahr sinkt die Zustimmung mit den Texten drastisch auf 35,1% bzw. 32,5% bei den 15-Jährigen ab. 14 Bei der Bereitschaft der Kinder zur Präsentation ihres Lieblingsbuches im Unterricht ist im Alter zwischen 12 und 13 Jahren zunächst ein Anstieg bemerkbar, 42,1% der 12-Jährigen und 49,5% der 13-Jährigen geben an, dies gerne machen zu wollen. Allerdings sinkt auch hier die Zustimmung ab 14 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,001. 309 <?page no="310"?> dem 14. Lebensjahr stark ab, zunächst auf 38,6%, und bei den 15-Jährigen auf 22,7%. Abbildung 166: Texte im DU im Altersverlauf DaM Sehr ähnlich ist die Entwicklung in der Gruppe der DaZ-Kinder, allerdings sind die Wertspitzen deutlich höher als in der Vergleichsgruppe. 70% der 12-jährigen DaZ-Kinder sind mit der Auswahl der Texte im Deutschunterricht einverstanden, ebenfalls 69,2% der 13-Jährigen. Auch hier sinken die Werte ab dem 14. Lebensjahr stark ab, zunächst auf 37,5%, um bei den 15- Jährigen ein wenig auf 38,5% anzusteigen. Ebenso verhält es sich bei der Bereitschaft zur Buchpräsentation: Zunächst steigen die Werte von 60% auf 64% bei den 13-Jährigen, um danach stark abzufallen, nämlich auf 40,6% im Alter von 14 Jahren, und auf 30,8% bei den 15-Jährigen. Abbildung 167: Texte im DU im Altersverlauf DaZ 310 <?page no="311"?> Zusammenfassend lässt sich sagen, dass beide Items, sowohl die Passung der Texte und der SchülerInneninteressen, als auch die Bereitschaft, das Lieblingsbuch im Deutschunterricht zu präsentieren, starke Parallelen aufweisen: Mädchen und DaZ-Kinder sind mit den Texten im Deutschunterricht zufriedener als Burschen und DaM-Kinder, außerdem steigt die positive Einstellung mit steigendem Buchbesitz von Eltern und Kindern mit steigender Lesefreude und steigendem Leseselbstkonzept. Im Altersverlauf zeigt sich ein Einbruch in der Zustimmung ab einem Alter von 13 bis 14 Jahren. Der Zusammenhang mit dem Sozialstatus besteht insofern, als dass die Passung zwischen Texten und SchülerInnen mit steigendem Sozialstatus sinkt, und vor allem Kinder mit mittlerem Sozialstatus ein gesteigertes Interesse daran haben, ihr Lieblingsbuch im Deutschunterricht vorzustellen. 6.3. LehrerInneninteresse an SchülerInnenmeinung Inwieweit sich die LehrerInnen für die Ansichten und Meinungen der SchülerInnen interessieren, soll dieser Abschnitt klären. Dieser Themenbereich steht zwar nicht im zentralen Interesse der vorliegenden Untersuchung, dennoch liefert er zusätzliche Erkenntnisse, die einen differenzierten Blick auf den Hauptgegenstand der Arbeit, die Lesekrise, zulassen. Es werden dabei zwei Faktoren näher beleuchtet, nämlich einerseits, ob die Lehrpersonen Interesse an der Meinung und den Ansichten der Kinder zu den behandelten Büchern zeigen und ob es im Unterricht wichtig ist, dass die Texte den SchülerInnen auch gefallen, oder ob im Unterricht der Fokus stur auf den Inhalt der Texte gelegt wird und alles andere außer Acht gelassen wird. 15 Diese Faktoren wurden im Rahmen der Fragebogenuntersuchung durch die beiden Items „Der Lehrer / die Lehrerin interessiert sich dafür, was ich über ein Buch denke“ und „In der Schule geht es nur um den Inhalt eines Buches, ob mir das Buch gefällt, interessiert niemanden“ erhoben. Die Anzahl jener Kinder, die der Meinung sind, dass die Lehrer sich auch dafür interessieren, was sie über ein Buch denken, ist in der Gesamtgruppe relativ groß und liegt bei 69,2%, während 34,1%, angeben, dass es im Unterricht nur um den Inhalt der Texte geht. Bei einem Geschlechtervergleich wird deutlich, dass vor allem die Mädchen der Meinung sind, die Lehrpersonen hätten Interesse an der Meinung der SchülerInnen (81,5%), dies trifft auf 64,9% der Burschen zu. 16 Umgekehrt geben mehr Burschen (35,4%) an, 15 Diese beiden Faktoren werden in den folgenden Grafiken und Tabellen als „Lehrerinteresse an Schülermeinung“ und „DU Fokus auf Inhalte“ bezeichnet. 16 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,004. 311 <?page no="312"?> dass im Deutschunterricht hauptsächlich Inhalte eine Rolle spielen, während dies nur 23,6% der Mädchen behaupten. 17 Abbildung 168: Lehrerinteresse an Schülermeinung nach Geschlecht Bei der Berücksichtigung des Sozialstatus der SchülerInnen zeigt sich, dass die meisten SchülerInnen, die der Meinung sind, ihre LehrerInnen würden sich für ihre Meinung über die behandelten Texte interessieren, in der Gruppe mit niedrigem Sozialstatus (72,2%) zu finden sind. 69,8% der SchülerInnen mit hohem Sozialstatus geben dies an, und nur 62,1% der Kinder aus Familien mit mittlerem Sozialstatus. Abbildung 169: Lehrerinteresse an Schülermeinung nach Sozialstatus 17 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,002. 312 <?page no="313"?> Ähnlich verhält es sich mit dem Item, dass der Deutschunterricht sich hauptsächlich auf Inhalte fokussiere, dies geben 44,3% der SchülerInnen mit hohem Sozialstatus an, 31,6% jener mit niedrigem Sozialstatus. Der kleinste Anteil ist in der Gruppe mit mittlerem Sozialstatus zu finden, hier geben 26,3% der SchülerInnen dies an. 18 Ein Vergleich mit dem Buchbesitz im Elternhaus zeigt, dass die meisten SchülerInnen, die angeben, ihre LehrerInnen interessieren sich für deren Meinung zu den behandelten Texten, in Elternhäusern mit unter einem Meter Buchbesitz anzutreffen sind (76,2%). Mit steigendem Buchbesitz reduziert sich dieser Wert, so sind in Haushalten mit einem bis vier Metern Buchbesitz 61,5% der Kinder dieser Meinung, und 64,5% der SchülerInnen mit über vier Metern Bücher zu Hause. Sind im Haushalt keine Bücher vorhanden, sinkt der Wert auf 28,6%. 19 Die Einstellung, dass der Unterricht nur auf die Inhalte der Texte fokussiere, teilen 41,8% der Kinder mit unter einem Meter Buchbesitz im Elternhaus. Dieser Wert sinkt mit steigendem Buchbesitz auf 39,7% bei einem bis vier Metern, und auf 29,9% bei über vier Metern. Eine Ausnahme bilden SchülerInnen mit keinen Büchern zu Hause, nur 28,6% dieser Kinder sind dieser Meinung. Abbildung 170: Lehrerinteresse an Schülermeinung nach Buchbesitz im Elternhaus 18 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,005. 19 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,009. 313 <?page no="314"?> Für das Item „Lehrerinteresse an Schülermeinung“ ist bei einem Vergleich mit dem Buchbesitz der Kinder eine ähnliche Entwicklung wie zuvor beschrieben festzustellen, je höher der Buchbesitz, desto weniger sind die SchülerInnen der Meinung, die Lehrpersonen interessieren sich dafür, was diese über einen Text denken. Dies geben 68,8% der SchülerInnen mit unter einem Meter Buchbesitz an, 64,5% jener mit einem bis zwei Metern, und 59,2% der Kinder mit über zwei Metern Bücher. Auch hier stellen wieder jene Kinder mit keinen eigenen Büchern eine Ausnahme dar, 55,6% dieser SchülerInnen teilen diese Meinung. 20 Die Aussage, dass im Deutschunterricht der Fokus nur auf die Inhalte der Texte gelegt wird, und nicht auf die Interessen der SchülerInnen, teilen immer weniger SchülerInnen, je mehr Bücher sie selbst besitzen. 50% der SchülerInnen mit keinen eigenen Büchern sind dieser Meinung, dieser Wert sinkt kontinuierlich mit steigendem Buchbesitz: Bei unter einem Meter Bücher sind es 41,2% der Kinder, die diese Meinung teilen, bei einem bis zwei Metern Bücher nur noch 27,6%, und bei über zwei Metern 25,9% der SchülerInnen. Abbildung 171: Lehrerinteresse an Schülermeinung nach Buchbesitz der Kinder Wird die Lesefreude der SchülerInnen berücksichtigt, lässt sich feststellen, dass die Einstellung, die LehrerInnen interessieren sich für die Meinung der SchülerInnen, mit steigender Lesefreude ebenfalls steigt: Sind es bei niedri- 20 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,002. 314 <?page no="315"?> ger Lesefreude 65,1% der Kinder, die dieser Ansicht sind, steigt der Wert auf 72,8% der SchülerInnen mit hoher Lesefreude. Umgekehrt sinkt die Anzahl der Kinder, die der Meinung sind, im Deutschunterricht fokussiere man sich nur auf die Inhalte der Texte, mit steigender Lesefreude ab. Sind es bei niedriger Lesefreude noch 42,5% der SchülerInnen, die sich dieser Aussage anschließen, sinkt der Wert bei hoher Lesefreude auf 23,3%. 21 Abbildung 172: Lehrerinteresse an Schülermeinung nach Lesefreude Parallel dazu verhält es sich bei einem Vergleich mit dem Leseselbstkonzept der SchülerInnen, weshalb auf eine detaillierte Darstellung der Zahlenwerte verzichtet wird. Je höher das Leseselbstkonzept, desto mehr SchülerInnen geben an, die Lehrpersonen wären an ihrer Meinung über die behandelten Texte interessiert, und desto weniger geben an, dass sich der Deutschunterricht nur auf die Inhalte der Texte fokussiere (p = 0,041). Vergleicht man die beiden Gruppen der DaM- und DaZ-Kinder, zeigen sich nur bei dem Item „Lehrerinteresse an Schülermeinung“ Unterschiede. Hierbei sind mehr DaZ-Kinder der Meinung, dass ihre Meinung über die behandelten Texte von den Lehrpersonen ernst genommen wird, nämlich 75,3%. Dieser Meinung sind nur 67,7% der DaM-Kinder. 21 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,001. 315 <?page no="316"?> Bei der Aussage, in der Schule gehe es nur um den Inhalt eines Buches, stimmen beide Gruppen überein, jeweils 34,1% der SchülerInnen sind dieser Meinung. Abbildung 173: Lehrerinteresse an Schülermeinung DaM/ DaZ Im Altersverlauf der Gruppe der DaM-Kinder ist für das Interesse der LehrerInnen an der Meinung der SchülerInnen zu den Texten feststellbar, dass zwischen dem 13. und 14. Lebensjahr die Werte zuerst steigen, nämlich von 65,8% bei den 12-Jährigen auf 77% bei den 13-Jährigen. Danach fallen sie wieder auf 58,8% bei den 14-Jährigen, um sich wieder bei dem Ausgangswert von 65,9% bei den 15-Jährigen einzupendeln. Die Aussage, dass der Deutschunterricht hauptsächlich auf Inhalte fokussiere, teilen im Altersverlauf kontinuierlich mehr SchülerInnen: Sind es im Alter von 12 Jahren noch 21,4% der Kinder, die diese Meinung teilen, steigt dieser Wert auf 32,2% bei den 13-Jährigen, und auf 46,4% bei den 14- Jährigen. Erst im Alter von 15 Jahren sinkt der Anteil der SchülerInnen, die dieser Meinung sind, auf 34,1%. 22 22 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,028. 316 <?page no="317"?> Abbildung 174: Lehrerinteresse an Schülermeinung im Altersverlauf DaM In der Gruppe der DaZ-Kinder bleibt die Anzahl jener, die der Meinung sind, die LehrerInnen interessieren sich für ihre Meinung über die behandelten Texte, unvermindert hoch und schwankt zwischen 72,7% (bei den 15- Jährigen), 75% (im Alter von 12 und 14 Jahren), und 76,9% (bei den 13- Jährigen). Abbildung 175: Lehrerinteresse an Schülermeinung im Altersverlauf DaZ 317 <?page no="318"?> Bei der Aussage, der Deutschunterricht fokussiere sich hauptsächlich auf die Inhalte der Texte, ist im Alter von 13 Jahren ein deutlicher Knick nach unten zu bemerken: Während 47,4% der 12-Jährigen diese Meinung teilen, sind es im Alter von 13 Jahren nur noch 19,2%. Dieser Wert steigt daraufhin wieder kontinuierlich an, 33,3% der 14-Jährigen und 46,2% der 15-Jährigen sind dieser Meinung. 23 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die beiden untersuchten Items bei Berücksichtigung der verschiedenen Einflussfaktoren deutliche Differenzen aufweisen. Der Meinung, die Lehrpersonen interessieren sich für die Gedanken und die Meinung der SchülerInnen zu den behandelten Texten, sind vor allem Mädchen, DaZ-Kinder, Kinder mit niedrigem und hohem Sozialstatus, mit wenigen Büchern, hoher Lesefreude und hohem Leseselbstkonzept. Im Altersverlauf sinkt die Anzahl der DaM-Kinder, die diese Meinung teilen, ab dem 13. Lebensjahr, während in der Gruppe der DaZ- Kinder nur geringe Veränderungen feststellbar sind. Umgekehrt sind hauptsächlich Burschen, Kinder mit höherem Sozialstatus, die einen eingeschränkten Zugang zu Büchern haben und eine niedrige Lesefreude und ein niedriges Leseselbstkonzept aufweisen, der Meinung, der Deutschunterricht fokussiere hauptsächlich auf Inhalte. Im Altersverlauf zeigt sich, dass bei DaM-Kindern die Zustimmung zu diesem Item bis zum 14. Lebensjahr ansteigt und dann abfällt; bei DaZ-Kindern verhält es sich umgekehrt, die Zustimmung sinkt bis zum 13. Lebensjahr ab und steigt danach an. 6.4. Anzahl der gelesenen Bücher für die Schule Wie viele Bücher die SchülerInnen im vergangenen Jahr für die Schule gelesen haben, ist ebenfalls ein interessanter Faktor für die Analyse. Für die Gesamtgruppe gelten folgende Werte: Der größte Teil der SchülerInnen, nämlich 59,4%, hat im vergangenen Jahr ein bis zwei Bücher für die Schule gelesen. Darauf folgen 27% mit drei bis sechs Büchern, 7,9% haben keine Bücher gelesen, und 5,7% über sechs Bücher. Diese Unterschiede können dadurch erklärt werden, dass einige SchülerInnen zusätzlich zum Schulunterricht Bücher lesen, um die im Unterricht besprochenen Themen zu vertiefen oder um Referate zu halten. Bei einer Betrachtung im Geschlechtervergleich zeigt sich, dass Mädchen und Burschen generell gesehen ungefähr gleich viele Bücher für die Schule 23 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,018. 318 <?page no="319"?> lesen, wie die folgende Grafik veranschaulicht. 24 55,6% der Mädchen, und 50% der Burschen hatten ein bis zwei Bücher gelesen; 35,4% der Mädchen und 31% der Burschen drei bis sechs Bücher. Es sind aber deutlich mehr Burschen als Mädchen, die mehr als sechs Bücher für die Schule gelesen haben, nämlich 9,5% der Burschen, und nur 3% der Mädchen. Allerdings zeigt sich, dass auch mehr Burschen keine Bücher für die Schule gelesen haben, nämlich ebenfalls 9,5%, während bei den Mädchen der Wert bei 6,1% liegt. Abbildung 176: Bücher Schule nach Geschlecht Bezieht man den Sozialstatus der SchülerInnen in die Analyse mit ein, zeigt sich, dass die Entwicklungslinien für die drei sozialen Gruppen durchwegs ähnlich verlaufen. In allen drei Gruppen werden am häufigsten ein bis zwei Bücher für die Schule gelesen, dies geben 53,3% der Kinder mit niedrigem, 63,3% der Kinder mit mittlerem, und 52,2% jener mit hohem Sozialstatus an. 26,1% der SchülerInnen aus Elternhäusern mit hohem sozialem Status lesen drei bis sechs Bücher für die Schule, dieser Wert sinkt für über sechs Bücher auf 10,9%. Ebenfalls 10,9% dieser SchülerInnen lesen keine Bücher für die Schule. Kinder mit mittlerem Sozialstatus lesen besonders häufig zwischen drei und sechs Bücher für die Schule, dies geben 29,7% an. Bei den Werten für über sechs Bücher liegen sie aber an letzter Stelle mit 5,4%; allerdings geben die wenigsten Kinder dieser Gruppe an, keine Bücher für die Schule zu lesen, nämlich 1,4%. Besonders viele SchülerInnen aus niedrigen sozialen Schichten lesen keine Bücher für die Schule, nämlich 20% dieser Gruppe. Allerdings sind hier auch die meisten SchülerInnen vertreten, die über sechs 24 Die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,027. 319 <?page no="320"?> Bücher lesen, dies geben 20% der Kinder an. Ein sehr niedriger Wert ist für die Gruppe der Kinder festzustellen, die drei bis sechs Bücher gelesen haben, nämlich 6,7%. 25 Abbildung 177: Bücher Schule nach Sozialstatus Die Entwicklung der gelesenen Bücher für die Schule nach dem Buchbesitz im Elternhaus ergibt für SchülerInnen mit wenigen und mit vielen Büchern zu Hause keine speziellen Abweichungen, wie die folgende Grafik verdeutlicht. Die meisten SchülerInnen haben ein bis zwei Bücher gelesen, was einem Prozentsatz in den drei Gruppen zwischen 54,3% und 64,4% entspricht. Diese Werte sinken ab: Drei bis Bücher haben zwischen 26% und 27,1% der SchülerInnen mit zu Hause vorhandenen Büchern gelesen, über sechs Bücher zwischen 2,9% und 11,4%. Diese Werte bleiben für diejenigen, die keine Bücher für die Schule gelesen haben, ungefähr gleich, zwischen 4,3% und 7,1%. Einzige Ausnahme ist die Gruppe jener Kinder, die keine Bücher zu Hause haben. Hier sind die Anteile der SchülerInnen, die entweder ein bis zwei, über sechs oder keine Bücher gelesen haben, gleich groß und liegen bei je 33,3%. Keines dieser Kinder hat jedoch zwischen drei und sechs Bücher für die Schule gelesen. 25 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,021. 320 <?page no="321"?> Abbildung 178: Bücher Schule nach Buchbesitz im Elternhaus Sehr ähnlich verhält es sich bei einem Vergleich mit dem Buchbesitz der Kinder selbst. Auch hier haben die meisten zwischen einem und zwei Büchern gelesen, egal, wie viele Bücher sie selbst besitzen; die Werte liegen zwischen 51,4% und 66,7%. Diese Werte sinken kontinuierlich: Drei bis sechs Bücher haben in den drei Gruppen zwischen 20,8% und 37,1% gelesen; über sechs Bücher zwischen 5,7% und 8,7%, und keine Bücher zwischen 0% und 6,9%. Auch hier ist wieder die Gruppe jener Kinder, die selbst keine Bücher besitzen, eine Ausnahme: Die meisten dieser SchülerInnen haben auch für die Schule keine Bücher gelesen (46,2%), oder ein bis zwei Bücher (38,5%). Drei Bücher und darüber wurden von insgesamt 15,4% gelesen. 26 26 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,001. 321 <?page no="322"?> Abbildung 179: Bücher Schule nach Buchbesitz der Kinder Bei Betrachtung der Lesefreude (Freizeit) ist festzustellen, dass mit steigender Lesefreude auch mehr Bücher für die Schule gelesen werden. Der Prozentsatz jener SchülerInnen, die ein bis zwei Bücher für die Schule gelesen haben, sinkt um 0,9% von 60% auf 59,1%. In allen anderen Gruppen steigen die Werte: Während 23,3% der SchülerInnen mit niedriger Lesefreude drei bis sechs Bücher gelesen haben, sind es 30,5% der Kinder mit hoher Lesefreude. Ebenso verhält es sich bei jenen, die über sechs Bücher gelesen haben, bei niedriger Lesefreude sind es 2,7%, und bei hoher Lesefreude immerhin 8,5% der SchülerInnen. Umgekehrt sinkt der Anteil jener Kinder, die keine Bücher gelesen haben, mit steigender Lesefreude deutlich ab, nämlich von 14% auf 1,8%. 27 27 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,001. 322 <?page no="323"?> Abbildung 180: Bücher Schule nach Lesefreude Freizeit Eine umgekehrte Entwicklung ist bei der Betrachtung des Leseselbstkonzepts zu beobachten, wie die folgende Grafik illustriert: Je höher das Leseselbstkonzept der SchülerInnen ist, desto weniger Bücher werden gelesen. Im Detail geben alle Kinder mit niedrigem Leseselbstkonzept an, zwischen drei und sechs Bücher gelesen zu haben. Bei mittlerem Leseselbstkonzept liest die Mehrheit, 58,5%, ein bis zwei Bücher, und 29% zwischen drei und sechs Büchern. Nur wenige lesen über sechs Bücher (4,9%) oder keine Bücher (7,7%). In der Gruppe der SchülerInnen mit hohem Leseselbstkonzept zeichnet sich eine Reduktion der gelesenen Bücher ab: 62,5% der Kinder haben ein bis zwei Bücher gelesen, 22,7% drei bis sechs, und 7% über sechs Bücher. Am Prozentsatz der SchülerInnen, die keine Bücher gelesen haben, ändert sich nur wenig (7,8%). 323 <?page no="324"?> Abbildung 181: Bücher Schule nach LSK Vergleicht man die beiden Gruppen der DaM- und DaZ-Kinder, zeigen sich jedoch deutliche Unterschiede in der Anzahl der Bücher, die diese im vergangenen Jahr für die Schule gelesen haben. Ein bis zwei Bücher haben 59,3% der DaM- und 59,6% der DaZ-Kinder gelesen. Deutlichere Differenzen folgen in der Gruppe jener Kinder, die zwischen drei und sechs Büchern gelesen haben, hier dominieren die DaM-Kinder mit 28,9%, während 17,3% der DaZ-SchülerInnen drei bis sechs Bücher gelesen haben. Umgekehrt sind es deutlich mehr DaZ-Kinder, die angeben, über sechs Bücher gelesen zu haben, hierbei sind es 15,4% der DaZ-Kinder, und 3,8% der DaM-Kinder. Die Zahlen gleichen sich bei den SchülerInnen, die keine Bücher für die Schule gelesen haben, wieder an, es sind 8% der DaM-Kinder und 7,7% der DaZ-Kinder. 28 28 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,006. 324 <?page no="325"?> Abbildung 182: Bücher Schule DaM / DaZ Im Altersverlauf werden in der Gruppe der DaM-Kinder mit steigendem Alter deutlich weniger Bücher für die Schule gelesen, wie die folgende Grafik verdeutlicht. Die Anzahl der Kinder, die ein bis zwei Bücher lesen, steigt von 48,1% bei den 12-Jährigen auf 62,1% im Alter von 13 Jahren, und auf 63,1% bei den 14-Jährigen, um im Alter von 15 Jahren wieder leicht auf 60% zu sinken. Ebenso sinkt der Anteil jener SchülerInnen, die zwischen drei und sechs Büchern für die Schule lesen. Im Alter von 12 Jahren sind es noch 40,4%, mit einer sinkenden Tendenz: In der Gruppe der 13-Jährigen sind es nur noch 28,7%, bei den 14-Jährigen 23,8%, und steigt schließlich im Alter von 15 Jahren wieder leicht auf 25% an. SchülerInnen, die viele Bücher für die Schule lesen, werden im Altersverlauf ebenso deutlich weniger. Sind es 9,6% der 12-Jährigen, die angeben, mehr als sechs Bücher gelesen zu haben, verringert sich dieser Wert bei den 13-Jährigen auf 2,3%, steigt im darauf folgenden Lebensjahr auf 3,6%, um bei den 15-Jährigen auf 0% zu sinken. Allein die Anzahl jener SchülerInnen, die keine Bücher für die Schule lesen, steigt im Altersverlauf an, nämlich von 1,9% im Alter von 12 Jahren auf 6,9% bei den 13-Jährigen, daraufhin auf 9,5% bei den 14-Jährigen, und hat seinen Höhepunkt bei den 15-jährigen SchülerInnen bei 15%. 325 <?page no="326"?> Abbildung 183: Bücher Schule im Altersverlauf DaM Die Entwicklung in der Gruppe der DaZ-Kinder ist noch deutlicher, hier sinken die Werte im Altersverlauf besonders drastisch ab, vor allem ab dem 14. Lebensjahr. Die Anzahl jener SchülerInnen, die ein bis zwei Bücher für die Schule lesen, stagniert in den ersten drei Untersuchungsjahren zwischen 60% (12 Jahre), 55,6% (13 Jahre) und 56,3% (14 Jahre). Daraufhin ist ein deutlicher Knick nach oben hin erkennbar, deutlich mehr SchülerInnen im Alter von 15 Jahren lesen ein bis zwei Bücher für die Schule, nämlich 75%. Drei bis sechs Bücher für die Schule lesen nur 10% der 12-Jährigen, die Tendenz ist zunächst steigend auf 22,2% für die 13-jährigen SchülerInnen und 25% für die 14-Jährigen, danach ist ein starker Rückgang der Werte festzustellen, nämlich auf 0% bei den 15-Jährigen. 30% der 12-Jährigen lesen über sechs Bücher für die Schule. Die Werte dieser Gruppe sinken besonders schnell ab, im Alter von 13 Jahren sind es nur noch 16,7%, bei den 14-Jährigen 12,5%, und schließlich ebenfalls 0% im Alter von 15 Jahren. Deutlich steigend ist die Anzahl jener SchülerInnen, die angeben, keine Bücher für die Schule zu lesen. Sind es 0% bei den 12-Jährigen, steigen die Werte auf 5,6% bei den 13-Jährigen und auf 6,3% im Alter von 14 Jahren, und schließlich auf 25% bei den 15-Jährigen. 326 <?page no="327"?> Abbildung 184: Bücher Schule im Altersverlauf DaZ Die Gruppe der DaZ-Kinder wurde darüber hinaus zur Sprache der Bücher, die sie für die Schule lesen, befragt. Hier standen wieder drei Antwortmöglichkeiten zur Auswahl, entweder hauptsächlich Bücher auf Deutsch, hauptsächlich in der Erstsprache, oder in beiden Sprachen ungefähr gleich viele. Die Ergebnisse für die Gesamtgruppe der DaZ-Kinder sprechen von einer Bevorzugung von Büchern auf Deutsch, dies geben 87,7% der SchülerInnen an. Nur in der Erstsprache lesen 1,5% der SchülerInnen, und in beiden Sprachen gleichermaßen sind es 10,8%. Bei einem Geschlechtervergleich zeigt sich, dass mehr Mädchen als Burschen, nämlich 87%, Bücher auf Deutsch für die Schule lesen, während dies nur 80% der Burschen angeben. Umgekehrt lesen Burschen mehr Bücher in der Erstsprache, dies geben 5% der Burschen an, und keines der Mädchen. Die Werte für Bücher sowohl auf Deutsch als auch in der Erstsprache sind annähernd gleich und liegen bei 15% bei den Burschen und 13% bei den Mädchen. 327 <?page no="328"?> Abbildung 185: Sprache Bücher Schule nach Geschlecht Die Berücksichtigung des Sozialstatus der Familien ist für die Sprachen, in denen die SchülerInnen angeben, Bücher für die Schule zu lesen, wenig aufschlussreich. 87,5% der Kinder aus Familien mit niedrigem Sozialstatus geben an, Bücher auf Deutsch zu lesen, ebenso viele wie aus der Gruppe mit hohem Sozialstatus. 80% der SchülerInnen mit mittlerem Sozialstatus geben dies an. Bücher in beiden Sprachen gleichermaßen lesen 12,5% der SchülerInnen aus Familien mit niedrigem sozialem Hintergrund, ebenso 12,5% der SchülerInnen mit hohem Sozialstatus. 20% der SchülerInnen mit mittlerem Sozialstatus lesen Bücher in beiden Sprachen. 29 Vergleiche mit dem Buchbesitz im Haushalt zeigen, dass bei einem generellen Vorhandensein von Büchern im Haushalt sich keine Veränderungen im Leseverhalten bezüglich der Sprache der Texte ergeben. Bücher in der Zweitsprache Deutsch werden zwischen 92,9% (zwischen ein bis vier Meter Bücher) und 100% (über vier Meter Bücher) gelesen; Bücher in der Erstsprache zwischen 0% und 3,3% (unter ein Meter Bücher), und Bücher in beiden Sprachen gleichermaßen zwischen 0% (über vier Meter) und 7,1% (ein bis vier Meter Bücher). Allein in der Gruppe jener SchülerInnen, die keine Bücher zu Hause haben, verringert sich die Anzahl der Bücher in der Zweitsprache zugunsten beider Sprachen gleichermaßen auf 50% je Gruppe. 29 Für die Erstsprache sind hier aufgrund der geringen Gruppengröße keine Werte vorhanden. 328 <?page no="329"?> Abbildung 186: Sprache Bücher Schule nach Buchbesitz im Elternhaus Aufgrund der geringeren Gruppengröße sind bei einem Vergleich mit dem Buchbesitz der SchülerInnen selbst keine Daten für die Gruppe jener Kinder mit über zwei Metern Bücher vorhanden, ebenso wenig für Bücher in der Erstsprache. Es zeigt sich aber, dass die Tendenz, Bücher auf Deutsch für die Schule zu lesen, mit steigendem Buchbesitz steigend ist: Sind es 50% jener SchülerInnen mit keinen eigenen Büchern, und 95,1% jener SchülerInnen mit unter einem Meter Buchbesitz, die dies angeben, steigen die Werte auf 100% bei einem bis zwei Metern Buchbesitz. Auch hier sind für jene SchülerInnen, die angeben, Bücher in beiden Sprachen zu lesen, hauptsächlich in der Gruppe jener Kinder zu finden, die selbst keine Bücher besitzen (50%), während nur 4,9% der Kinder mit unter einem Meter Bücher dies von sich behaupten. 30 30 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,02. 329 <?page no="330"?> Abbildung 187: Sprache Bücher Schule nach Buchbesitz der Kinder Die Berücksichtigung der Lesefreude der SchülerInnen bewirkt ein deutliches Ansteigen der Werte für die Gruppe jener SchülerInnen, die sowohl Bücher auf Deutsch als auch in ihrer Erstsprache für die Schule lesen: Sind es 3,2% der SchülerInnen mit niedriger Lesefreude, steigt der Prozentsatz auf 17,6% der Kinder mit hoher Lesefreude. Die Werte der anderen beiden Gruppen sinken demnach ab, Bücher auf Deutsch lesen 93,5% der Kinder mit niedriger, aber 82,4% jener mit hoher Lesefreude; und Bücher in der Erstsprache 3,2% der SchülerInnen mit niedriger, und keine jener mit hoher Lesefreude. 330 <?page no="331"?> Abbildung 188: Sprache Bücher Schule nach Lesefreude Im Altersverlauf sinkt die Beliebtheit von Büchern für die Schule auf Deutsch zunächst ab, von 92,9% im Alter von 12 Jahren auf 89,5% bei den 13-Jährigen und 78,3% bei den 14-Jährigen, um bei SchülerInnen im Alter von 15 Jahren die einzige Sprache zu sein, in denen Bücher für die Schule gelesen werden. Bücher in der Erstsprache werden nur von SchülerInnen im Alter von 13 Jahren gelesen, hier ist der Anteil gering und beträgt 5,3%. Zwischen dem 12. und 14. Lebensjahr steigt die Beliebtheit von Büchern, die sowohl auf Deutsch als auch in der Erstsprache geschrieben sind, an, nämlich von 7,1% bei den 12-Jährigen über 5,3% im Alter von 13 Jahren, auf 21,7% bei den 14-Jährigen. 331 <?page no="332"?> Abbildung 189: Sprache Bücher Schule im Altersverlauf Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass wichtige Faktoren für die Zahl der gelesenen Bücher in der Schule die Lesefreude und der Sozialstatus sind, bei den anderen Einflussgrößen sind keine nennenswerten Differenzen bemerkbar. Im Altersverlauf zeigt sich, dass bei DaM-Kindern die Zahl der gelesenen Bücher ab dem 12. Lebensjahr abnimmt; bei DaZ-Kindern ist dieser Knick später zu beobachten, nämlich ab dem 14. Lebensjahr. Die Sprachen, in der DaZ-Kinder Bücher für die Schule lesen, ist hauptsächlich Deutsch; Einflussgröße ist hierbei der Buchbesitz der Kinder, der sich auf die Zahl der in der Zweitsprache gelesenen Bücher auswirkt. Außerdem zeigte sich, dass mit steigender Lesefreude auch die Anzahl der Kinder steigt, die Bücher in beiden Sprachen gleichermaßen lesen. Im Altersverlauf ist eine Veränderung um das 14. Lebensjahr festzustellen, hier wird kurzzeitig verstärkt die Erstsprache verwendet. Über mögliche Gründe kann nur spekuliert werden, eine wahrscheinliche Erklärung ist ein im Lauf der Pubertät verstärktes Interesse an den eigenen Wurzeln und der Erstsprache, das sich durch verstärkt einsetzende andere Vorlieben wieder einstellt. 332 <?page no="333"?> 7. Leseprozesse und Leseerwerb in Erst- und Zweitsprache In diesem Kapitel stehen Erst- und Zweitsprache im Vordergrund. Zunächst wird untersucht, ob und in welcher Art und Weise die Kinder und Jugendlichen in ihrer frühen Kindheit sprachlich gefördert wurden. Weiters soll dargestellt werden, welche Sprachen bei den Büchern im Elternhaus und bei jenen der Kinder dominieren, und in welchen Sprachen sie am häufigsten Bücher in der Freizeit und in der Schule lesen. Außerdem soll die Sprachverwendung im Elternhaus und im Freundeskreis hier beschrieben werden. 7.1. Frühkindliche Sprachförderung Unter frühkindlicher Sprachförderung werden in dieser Arbeit zwei vorschulische Methoden verstanden, die bereits im Theorieteil dieser Arbeit voneinander abgegrenzt wurden: Einerseits wird das Vorlesen von Texten betrachtet, das sich auf längere zusammenhängende Texte bezieht, andererseits Praktiken des Auswendiglernens von Abzählreimen, Kinderliedern oder Gedichten, die im weiteren Verlauf als „frühe literale Praxis“ bezeichnet werden. Mit diesen Begriffen werden keine sprach- und lesefördernden Maßnahmen im schulischen Kontext verstanden, sondern vorschulische Maßnahmen, die ihren Ausgangspunkt im Elternhaus haben. Beide Methoden werden von mehr als der Hälfte der untersuchten Kinder angegeben, vor allem das Vorlesen ist weit verbreitet, denn 74,1% der Kinder geben an, dass ihnen abends eine Geschichte vorgelesen oder erzählt wurde. Frühe literale Praktiken werden von 51,4% der SchülerInnen angegeben. Im Geschlechtervergleich ist auffallend, dass mehr Mädchen als Burschen in der frühen Kindheit sprachlich gefördert wurden, wie die folgende Grafik illustriert. Nur 66,4% der Burschen geben an, ihnen wäre vorgelesen oder Geschichten erzählt worden, während dies auf 80,9% der Mädchen zutrifft. Ebenso sind frühe literale Praktiken bei Mädchen deutlich häufiger festzustellen (61,6%) als bei Burschen (40%). 1 1 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,003. 333 <?page no="334"?> Abbildung 190: Frühkindliche Sprachförderung nach Geschlecht Berücksichtigt man den Sozialstatus der Familien, wird deutlich, dass die Häufigkeit der verschiedenen Aktivitäten zur Sprachförderung im Kindesalter mit höherem Sozialstatus ebenfalls steigt. Besonders auffällig ist diese Entwicklung beim Vorlesen bzw. Erzählen von Geschichten, wie die folgende Grafik verdeutlicht. 63,2% der SchülerInnen aus Haushalten mit niedrigem Sozialstatus geben an, dass ihnen in ihrer Kindheit Geschichten vorgelesen oder erzählt wurden. Dieser Wert steigt bei Kindern aus Familien mit mittlerem Sozialstatus auf 75,6%, und bei hohem Sozialstatus auf 84,6%. 334 <?page no="335"?> Abbildung 191: Frühkindliche Sprachförderung nach Sozialstatus Aktivitäten, die einer frühen literalen Praxis zuzuordnen sind, werden besonders häufig von Familien mit mittlerem Sozialstatus durchgeführt, dies geben 53,9% an. Wenig niedriger ist der Wert bei SchülerInnen mit hohem Sozialstatus (52%), während nur 47,4% der Kinder aus niedrigen sozialen Schichten in den Genuss früher literaler Förderung kommen. Ausschlaggebend für die Intensität von frühkindlicher Sprachförderung ist unter anderem auch der Buchbesitz im Elternhaus: Je mehr Bücher im Haushalt vorhanden sind, desto mehr SchülerInnen geben an, in ihrer Kindheit sprachlich gefördert worden zu sein. Besonders stark trifft dies auf das Vorlesen bzw. Erzählen von Geschichten zu: Während 55,6% der Kinder mit unter einem Meter Bücher im Haushalt angeben, ihnen wäre als Kind häufig vorgelesen worden, steigt dieser Wert bei einem Buchbesitz im Elternhaus von einem bis vier Metern auf 79,1%, und bei über vier Metern auf 84,2%. Bei gar keinen Büchern zu Hause liegt der Wert bei 16,7%. 2 2 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,001. 335 <?page no="336"?> Abbildung 192: Frühkindliche Sprachförderung nach Buchbesitz im Elternhaus Ähnlich verhält es sich bei frühen literalen Praktiken wie Abzählreime oder Gedichte zu lernen, oder Kinderlieder zu singen. 16,7% der Kinder mit keinen Büchern im Haushalt geben an, sich an diese Tätigkeiten in ihrer Kindheit erinnern zu können. Dieser Wert steigt drastisch an, je mehr Bücher vorhanden sind, und so geben bereits 44,8% der Kinder mit unter einem Meter Bücher zu Hause an, dass in ihrer Kindheit frühe literale Aktivitäten eine Rolle gespielt haben, 50,9% der Kinder mit einem bis vier Metern Bücher im Haushalt, und 57,9% der SchülerInnen mit über vier Metern Bücher. Interessant ist, dass nicht jene Kinder mit vielen Büchern (über zwei Metern) am häufigsten in ihrer Kindheit sprachlich gefördert wurden, sondern jene SchülerInnen mit einem mittleren Buchbesitz von einem bis zwei Metern. Dies gilt für beide untersuchten Kategorien. Das Vorlesen steigt von 68,5% bei einem Buchbesitz von unter einem Meter auf 87,9% bei einem bis zwei Metern, und sinkt danach wieder auf 84% bei höherem Buchbesitz. Ebenso verhält es sich bei frühen literalen Praktiken, 50,3% der Kinder mit unter einem Meter Büchern geben an, in ihrer Kindheit Abzählreime und Ähnliches auswendig gelernt zu haben. Dieser Wert steigt bei einem Buchbesitz von einem bis zwei Metern auf 61,3% an, und sinkt danach wieder auf 40% bei über zwei Metern Bücher. 3 3 Die statistische Signifikanz beträgt für das Vorlesen p = 0,003; für frühe literale Praktiken p = 0,001. 336 <?page no="337"?> Abbildung 193: Frühkindliche Sprachförderung nach Buchbesitz der Kinder Ein deutlicher Zusammenhang besteht zwischen der Lesefreude der Kinder und frühen literalen Praktiken, die positiven Auswirkungen auf die Lesefreude sind unübersehbar 4 : 84,7% der SchülerInnen mit hoher Lesefreude wurde in ihrer Kindheit vorgelesen, 61,1% erinnern sich an frühe literale Praktiken. Deutlich niedriger sind die Werte bei Kindern mit niedriger Lesefreude, hier sind es nur 60,3%, denen vorgelesen wurde, und 38,9% lernten Kinderlieder und Ähnliches auswendig. Abbildung 194: Frühkindliche Sprachförderung nach Lesefreude 4 Sowohl für das Vorlesen, als auch für frühe literale Praktiken beträgt die statistische Signifikanz p = 0,001. 337 <?page no="338"?> Auf das Leseselbstkonzept hat nur das Vorlesen in der Kindheit eine Auswirkung: Vor allem Kinder mit mittlerem Leseselbstkonzept geben an, dass ihnen in ihrer Kindheit vorgelesen wurde (81,1%), während dies 71,1% der Kinder mit hohem Leseselbstkonzept, und 50% jener mit niedrigem von sich behaupten. Trotzdem lässt sich sagen, dass das Vorlesen eine positive Auswirkung auf das spätere Leseselbstkonzept der Heranwachsenden hat. Differenzen im Leseselbstkonzept was frühe literale Praktiken betrifft, sind nur marginal, daher lassen sich frühe literale Praktiken als auswirkungslos auf das Leseselbstkonzept bezeichnen, denn es geben 50% der Kinder mit niedrigem, 47,8% jener mit mittlerem, und 52,3% der SchülerInnen mit hohem Leseselbstkonzept an, in ihrer Kindheit Kinderlieder oder Abzählreime auswendig gelernt zu haben. Abbildung 195: Frühkindliche Sprachförderung nach Leseselbstkonzept Bei einem Vergleich von DaM- und DaZ-Kindern fällt auf, dass vor allem das Vorlesen für DaM-Familien einen höheren Stellenwert hat, als für DaZ- Familien: 80,7% der DaM-Kinder geben an, dass ihnen in ihrer Kindheit vorgelesen wurde bzw. dass ihnen Geschichten erzählt wurden, während dies nur auf 49,4% der DaZ-Kinder zutrifft. 5 Umgekehrt sind es mehr DaZ- Kinder, nämlich 56%, die sich an frühe literale Praktiken erinnern, und 50,2% der DaM-Kinder. 5 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,001. 338 <?page no="339"?> Abbildung 196: Frühkindliche Sprachförderung DaM / DaZ DaZ-Kinder wurden darüber hinaus darüber befragt, in welchen Sprachen ihnen Geschichten vorgelesen oder erzählt wurden: In der Muttersprache, in der Zweitsprache Deutsch oder in beiden Sprachen gleichermaßen. Dabei gaben 46% der SchülerInnen an, ihnen wären Geschichten auf Deutsch erzählt worden, 42% erinnern sich an Geschichten in beiden Sprachen, und nur 12% bekamen Geschichten nur in ihrer Erstsprache vorgelesen oder erzählt. 6 Im Geschlechtervergleich 7 zeigt sich, dass bei den Mädchen eine deutliche Tendenz zur Verwendung von beiden Sprachen bereits in jungen Jahren feststellbar ist, während bei den Burschen eher der Fokus auf die Zweitsprache Deutsch gelegt wurde, wie die folgende Grafik illustriert. 69,2% der Burschen geben an, dass ihnen hauptsächlich Geschichten auf Deutsch vorgelesen oder erzählt wurden, 23,1% erinnern sich an Geschichten in beiden Sprachen, und 7,7% wurden die Geschichten nur in der Erstsprache vorgelesen. Bei Mädchen zeigt sich zwar auch, dass dem größten Teil von ihnen Geschichten auf Deutsch vorgelesen wurden, nämlich 52,6%, aber sehr wohl ein sehr großer Anteil der Eltern, 47,4%, sich auf Geschichten in beiden Sprachen gleichermaßen fokussiert hat. 6 Von Relevanz ist in diesem Zusammenhang zwar, zu welchem Zeitpunkt, in welchem Alter die Familien nach Österreich eingewandert ist, allerdings wurden diese Daten im Rahmen der empirischen Untersuchung nicht erhoben, da eine so detaillierte Erfassung der Daten zum Sprachgebrauch für das zentrale Thema der Lesekrise als nicht zielführend erachtet wurde. 7 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,02. 339 <?page no="340"?> Abbildung 197: Sprachen Vorlesen nach Geschlecht Die Sprachverwendung unter Berücksichtigung des Sozialstatus der Familien entwickelt sich mit steigendem Sozialstatus zur Verwendung von beiden Sprachen gleichermaßen. Allein die Erstsprache wird in allen Gruppen am seltensten gesprochen, in Familien mit niedrigem und mittlerem Sozialstatus sind es nur 16,7%, und bei hohem Sozialstatus 20% der Kinder. Die Zweitsprache Deutsch wird vor allem in Haushalten mit niedrigem sozialem Status gesprochen (50%), sinkt mit steigendem Sozialstatus aber auf 16,7% und 20% bei hohem Sozialstatus ab. In Familien mit mittlerem und hohem Sozialstatus werden hauptsächlich beide Sprachen gleichermaßen gesprochen (66,7% und 60%), diese Art der Sprachverwendung wird nur bei niedrigem sozialem Status von der Zweitsprache Deutsch an Beliebtheit abgelöst. 340 <?page no="341"?> Abbildung 198: Sprachen Vorlesen nach Sozialstatus Frühkindliche Sprachförderung und frühe literale Praktiken sind demnach stark vom Sozialstatus der Familie und vom Buchbesitz der Eltern abhängig, ebenso kommen mehr Mädchen als Burschen in den Genuss solcher Fördermaßnahmen. Positive Auswirkungen auf die Lesefreude konnten ebenfalls gezeigt werden. Außerdem zeigte sich, dass DaM-Kindern häufiger vorgelesen wird, als frühe literale Praktiken anzuwenden, was sich in der Gruppe der DaZ-Kinder als umgekehrt darstellt. Weiters zeigt sich, dass DaZ-Kindern hauptsächlich auf Deutsch vorgelesen wird, oder in beiden Sprachen gleichermaßen. Mädchen und Kindern mit hohem Sozialstatus wird ebenso eher in beiden Sprachen vorgelesen. 7.2. Sprachverteilung im Buchbesitz und bei den gelesenen Büchern Detaillierte Ergebnisse zur Sprachverteilung im Buchbesitz von Eltern und SchülerInnen, sowie der gelesenen Bücher in der Freizeit und für die Schule, wurden bereits bei den entsprechenden Kapitelabschnitten ausgeführt. An dieser Stelle sollen diese Daten noch einmal zusammenfassend dargestellt werden. 341 <?page no="342"?> In der Gruppe der DaZ-Kinder ist der Buchbesitz der Eltern sprachlich sehr klar aufgeteilt: 48% der Kinder geben an, in ihrem Elternhaus gäbe es hauptsächlich Bücher in der Zweitsprache Deutsch, bei 42% besteht ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Büchern in der Erst- und in der Zweitsprache, und nur 10% der SchülerInnen haben nur Bücher in der Erstsprache zu Hause. Eine deutliche Verschiebung der Sprachverteilung ergibt sich bei Betrachtung des Buchbesitzes der Kinder selbst: Keiner der befragten SchülerInnen gibt an, hauptsächlich Bücher in der Erstsprache zu besitzen, 28% haben Bücher in beiden Sprachen gleichermaßen, und die Mehrheit, 72% der SchülerInnen, verfügt über Bücher, die hauptsächlich in der Zweitsprache Deutsch geschrieben sind. Parallel dazu verstehen sich die Angaben der befragten SchülerInnen, in welchen Sprachen die Bücher geschrieben waren, die sie im vergangenen Jahr gelesen haben: 70% der SchülerInnen hat Bücher auf Deutsch gelesen, und 30% Bücher in beiden Sprachen gleichermaßen. Eine weitere Verschiebung zu Gunsten der Zweitsprache Deutsch zeigt sich bei der Betrachtung der Sprachen der Texte, welche die SchülerInnen für die Schule gelesen haben. Hierbei geben 87,7% der SchülerInnen an, Texte auf Deutsch gelesen zu haben; 10,8% lasen Texte in beiden Sprachen gleichermaßen, und 1,5% Texte in der Erstsprache. Diese Angaben zeigen, dass die SchülerInnen im Vergleich zur Elterngeneration 8 bereits deutlich weniger Interesse daran haben, Texte in ihrer Erstsprache zu besitzen und zu lesen. Dies zeigt sich daran, dass für die Anzahl der Bücher im Elternhaus ein höherer Prozentsatz an Büchern in der Erstsprache angegeben wurde als für die Anzahl der Bücher, welche die Heranwachsenden selbst besitzen. Die Annahme, dass die Ursache dafür mangelnde Sprachkompetenz und ein geringes Leseselbstkonzept in der jeweiligen Erstsprache ist, kann bestätigt werden. Bei einer genaueren Analyse der Sprachen der gelesenen Bücher in der Freizeit bzw. für die Schule zeigte sich nämlich, dass es stark vom Buchbesitz der Eltern und Kinder, sowie vom Leseselbstkonzept in beiden Sprachen abhängt, welche Sprachen beim Buchlesen präferiert werden. Wenn viele Bücher verfügbar sind, werden vermehrt Bücher auf Deutsch gelesen; je höher das Leseselbstkonzept in einer Sprache ist, desto häufiger werden auch Bücher in dieser Sprache gelesen. Es zeigt sich bei der Analyse der Daten aber eindeutig eine Dominanz der Zweitsprache Deutsch, sowohl bei den allgemein im Haushalt vorhandenen Büchern und 8 Angaben zum Herkunftsland der Eltern und des Zeitraumes, den diese bereits in Österreich leben, wurden nicht erhoben, da eine Befragung der Eltern den Rahmen der Untersuchung gesprengt hätte. 342 <?page no="343"?> bei den Lesemedien der Heranwachsenden selbst, als auch bei den gelesenen Texten für die Schule und in der Freizeit. Im Altersverlauf zeigte sich, dass im Alter von 14 Jahren vermehrt die Erstsprache verwendet wird, und somit in diesem Lebensjahr mehr Bücher in beiden Sprachen gelesen werden. Dies stellte sich allerdings nur als kurzfristige Tendenz heraus. Es scheint den Heranwachsenden in diesem Abschnitt der Pubertät ein Bedürfnis zu sein, sich näher mit ihrer Herkunft und ihrer Erstsprache zu beschäftigen, was sich in der Anzahl der in der Erstsprache gelesenen Texte manifestiert. Die jeweilige Erstsprache gewinnt in diesem Altersabschnitt an Bedeutung, somit auch deren Stellenwert und Prestige im Alltag der Heranwachsenden. Dies belegen auch die Daten zur Sprachverwendung im Elternhaus, die im folgenden Abschnitt genauer erläutert werden. Über Gründe für diesen kurzfristigen Trend hin zur Erstsprache kann nur spekuliert werden, es liegt die Vermutung nahe, dass die Heranwachsenden negative Erfahrungen mit der Verwendung ihrer Erstsprache sammeln und sich nach einer kurzen Phase des Ausprobierens der Erstsprache und der eigenen Wurzeln wieder stärker an die Zweitsprache Deutsch annähern. 7.3. Sprachverwendung im Elternhaus und im Freundeskreis Die SchülerInnen der Gruppe der DaZ-Kinder wurden nach ihrer Sprachverwendung im Elternhaus und im Freundeskreis befragt, hierbei konnten sie zwischen drei Antwortmöglichkeiten wählen: Sprechen sie hauptsächlich auf Deutsch, hauptsächlich in der Erstsprache, oder in beiden Sprachen ungefähr gleichermaßen. Es zeigte sich, wie die folgende Grafik verdeutlicht, dass zwischen der Sprachverwendung im Elternhaus und im Freundeskreis große Unterschiede bestehen. Im Elternhaus wird hauptsächlich in der Erstsprache bzw. sowohl in der Erstals auch in der Zweitsprache gesprochen (46,8% bzw. 40,3%), während nur 13% der Kinder angeben, mit ihren Eltern Deutsch zu sprechen. Im Freundeskreis verhält es sich umgekehrt, hier spricht die Mehrheit der Kinder mit ihren Freunden Deutsch (70,1%), und 26% in beiden Sprachen, während nur 3,9% der Kinder mit ihren Freunden in ihrer Muttersprache sprechen. 343 <?page no="344"?> Abbildung 199: Sprachverwendung im Elternhaus und Freundeskreis Von Interesse ist darüber hinaus ein Vergleich auf der Geschlechterebene. Im Elternhaus sprechen die Burschen deutlich häufiger in ihrer Muttersprache als die Mädchen (70,4% Burschen; 34,6% Mädchen), während die Mädchen öfter zwischen den Sprachen wechseln und beide Sprachen verwenden (22,2% Burschen; 53,8% Mädchen). Deutsch wird in den Elternhäusern nur selten gesprochen, nur 7,4% der Burschen und 11,5% der Mädchen geben dies an. 9 Im Freundeskreis zeigt sich für Burschen und Mädchen ein durchwegs ähnliches Bild: Mit den Freunden sprechen sie hauptsächlich auf Deutsch (66,7% Burschen; 61,5% Mädchen), und nur sehr selten in ihrer Erstsprache (3,7% Burschen; 3,8% Mädchen). Mädchen verwenden häufiger beide Sprachen gleichermaßen (29,6% Burschen; 34,6% Mädchen). 9 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,035. 344 <?page no="345"?> Abbildung 200: Sprachverwendung nach Geschlecht Beim Vergleich mit dem Sozialstatus der Familien ergab die Analyse für die Sprachverwendung im Elternhaus, dass die Erstsprache bei niedrigem und hohem Sozialstatus dominiert (55,6% Sozialstatus niedrig; 66,7% Sozialstatus hoch), und nur bei mittlerem Sozialstatus drastisch absinkt (20%). Die Verwendung der Zweitsprache Deutsch bzw. beider Sprachen gleichermaßen ist bei niedrigem Sozialstatus ebenfalls niedrig (jeweils 22,2%), steigt bei einem mittleren Sozialstatus an (Deutsch: 30%; beides: 50%), um bei Familien mit hohem Sozialstatus stark abzusinken (beides: 33,3%; Deutsch: 0%). 345 <?page no="346"?> Abbildung 201: Sprachverwendung im Elternhaus nach Sozialstatus Für den Freundeskreis zeigt sich, dass es zumindest für die Verwendung der Sprache Deutsch keine Differenzen nach Sozialstatus gibt: Die Zweitsprache fungiert in allen Gruppen mit 70% und darüber als Kommunikationsmittel im Freundeskreis. Die Erstsprache wird nur von Kindern mit hohem Sozialstatus verwendet (16,7%), während beide Sprachen nur von Kindern aus niedrigen (22,2%) und mittleren sozialen Schichten (30%) eingesetzt werden. 346 <?page no="347"?> Abbildung 202: Sprachverwendung im Freundeskreis nach Sozialstatus Ob die Sprachverwendung der Kinder im Elternhaus und im Freundeskreis von den Sprachen abhängt, in denen die meisten Bücher, die im Haushalt verfügbar sind, geschrieben sind, zeigen die folgenden Grafiken. Für das Elternhaus ist festzustellen, dass zumindest für diejenigen Familien, die hauptsächlich Bücher in der Erstsprache bzw. in beiden Sprachen gleichermaßen besitzen, diese Tendenz auch für die Sprachverwendung zutrifft: 57,1% der Kinder, die zu Hause zu einem überwiegenden Teil Bücher in ihrer Erstsprache haben, sprechen auch hauptsächlich ihre Erstsprache zu Hause, und 42,9% dieser Kinder spricht beide Sprachen im Elternhaus. Ebenso verhält es sich für ein Gleichgewicht der Sprachen im Buchbesitz, auch hier sprechen 48,3% der Kinder zu Hause beide Sprachen, 34,5% die Erstsprache und 17,2% die Zweitsprache Deutsch. Einzig die Ergebnisse für jene Familien, die hauptsächlich Bücher auf Deutsch zu Hause haben, weichen davon ab: Die Mehrheit dieser Kinder spricht zu Hause in der Erstsprache (46,9%), oder beide Sprachen gleichermaßen (37,5%), aber nur wenige nur in der Zweitsprache Deutsch (15,6%). 347 <?page no="348"?> Abbildung 203: Sprachverwendung im Elternhaus nach Sprache der Bücher im Haushalt Für die Sprachverwendung im Freundeskreis ist die Sprache der Bücher im Haushalt nicht ausschlaggebend, in allen drei Gruppen wird hauptsächlich Deutsch gesprochen. Nur für die Gruppe derjenigen Kinder, die hauptsächlich Bücher in beiden Sprachen im Haushalt zu Verfügung haben, zeigt sich, dass diese auch zu einem höheren Prozentsatz mit ihren Freunden beide Sprachen sprechen (37,9%) als in ihrer Erstsprache (0%). Abbildung 204: Sprachverwendung im Freundeskreis nach Sprache der Bücher im Haushalt 348 <?page no="349"?> Bei einem Vergleich mit der Sprache der Bücher, welche die Kinder selbst besitzen, ergibt sich für die Sprachverwendung im Elternhaus dasselbe Bild wie zuvor: SchülerInnen, die hauptsächlich Bücher in ihrer Erstsprache oder in beiden Sprachen gleichermaßen besitzen, sprechen zu Hause überwiegend beide Sprachen (Bücher Erstsprache: 100%; Bücher beides: 68,8%). Ausnahme ist auch hier wieder die Gruppe derjenigen Kinder, die hauptsächlich Bücher auf Deutsch besitzen, denn diese sprechen zum Großteil zu Hause ihre Erstsprache (51,2%), und nur 32,6% beide Sprachen. Deutsch wird in dieser Gruppe nur von 16,3% der Kinder gesprochen. Abbildung 205: Sprachverwendung im Elternhaus nach Sprache der Bücher der Kinder Parallel zur oben geschilderten Entwicklung bei Berücksichtigung der Sprache der Bücher im Elternhaus, verläuft auch die Entwicklung, wenn man die Sprache der Bücher der Kinder mit einbezieht. Egal, in welcher Sprache die Bücher geschrieben sind, hauptsächlich wird mit den Freunden auf Deutsch gesprochen (Deutsch: 79,1%; Erstsprache: 100%). Eine Ausnahme ist hier in der Gruppe derjenigen Kinder auszumachen, die Bücher in beiden Sprachen gleichermaßen besitzen, denn hier wird auch hauptsächlich mit den Freunden in beiden Sprachen gesprochen (56,3%), und 43,8% dieser Kinder sprechen im Freundeskreis auf Deutsch. 10 10 Die statistische Signifikanz beträgt p = 0,017. 349 <?page no="350"?> Abbildung 206: Sprachverwendung im Freundeskreis nach Sprache der Bücher der Kinder Interessante Ergebnisse zeigen sich bei einem Vergleich mit der Sprache, in denen die meisten Bücher der Kinder geschrieben sind, die sie im vergangenen Jahr in der Freizeit gelesen hatten. Für die Sprachverwendung im Elternhaus zeigt sich die gleiche Entwicklung wie zuvor beim Vergleich mit den Sprachen der Bücher, die im Haushalt verfügbar sind: Diejenigen Kinder, die hauptsächlich Bücher auf Deutsch oder in ihrer Muttersprache gelesen haben, sprechen zu Hause hauptsächlich ihre Muttersprache, während Kinder, die Bücher in beiden Sprachen gleichermaßen gelesen haben, ebenso beide Sprachen im Elternhaus verwenden. Abbildung 207: Sprachverwendung im Elternhaus nach Sprache Bücher Freizeit 350 <?page no="351"?> Für den Freundeskreis zeigt sich, dass diejenigen Kinder, die hauptsächlich Bücher auf Deutsch gelesen haben, auch eher in ihrer Zweitsprache mit ihren Freunden kommunizieren (79,5%). Im Gegensatz dazu sprechen Kinder, die Bücher in ihrer Erstsprache bzw. in beiden Sprachen gelesen haben, in beiden Sprachen gleichermaßen mit ihren Freunden. 11 Abbildung 208: Sprachverwendung im Freundeskreis nach Sprache Bücher Freizeit Im Altersverlauf zeigen sich bei der Sprachverwendung im Elternhaus deutliche Entwicklungen. Die 12-Jährigen sprechen hauptsächlich in beiden Sprachen (53,3%), ein Drittel der Kinder in ihrer Erstsprache (33,3%), und nur 13,3% auf Deutsch. In den folgenden beiden Jahren steigt die Dominanz von Erstsprache und beiden Sprachen gleichermaßen an (Erstsprache: 45% und 48,4%; beide Sprachen: 40% und 44,8%), während die Verwendung der Zweitsprache Deutsch sinkt (15% und 6,9%). Bei den 15-Jährigen erfahren Erst- und Zweitsprache eine weitere Steigerung: Die Erstsprache steigt auf 61,5% und ist somit die am meisten gesprochene Sprache in den DaZ- Haushalten, auch die Zweitsprache Deutch steigt auf 21,1% und überholt somit sogar die parallele Verwendung von beiden Sprachen, die auf 15,4% absinkt. Die SchülerInnen werden im Alter von 15 Jahren also deutlich selbstbewusster im Umgang mit ihrer Erstsprache. 12 11 Die statistische Signifikanz liegt bei p = 0,001. 12 Auch an dieser Stelle ist noch einmal anzumerken, dass keine Daten zum Einwanderungszeitpunkt der Familien erhoben wurden und somit auch nicht festgestellt werden kann, ob die befragten Heranwachsenden EinwanderInnen der ersten oder zweiten Generation sind. 351 <?page no="352"?> Abbildung 209: Sprachverwendung im Elternhaus im Altersverlauf Betrachtet man die Sprachverwendung im Freundeskreis, so ändert sich im Altersverlauf nichts an der Dominanz der Zweitsprache Deutsch, an zweiter Stelle steht die Verwendung von beiden Sprachen gleichermaßen, und weit abgeschlagen die Erstsprache. Im Altersverlauf sinkt die Dominanz der Zweitsprache Deutsch ein wenig (von 80% auf 75% und 62,1%) zugunsten der Verwendung von beiden Sprachen (von 20% auf 34,5%). Bei den 15- Jährigen kehrt sich dieser Trend wieder um, die Zweitsprache steigt wieder auf 69,2% an, und die Verwendung von beiden Sprachen sinkt auf 23,1%. Die Erstsprache spielt in dieser Hinsicht nur eine marginale Rolle, steigt und fällt im Altersverlauf ein wenig, und ist bei den 15-Jährigen bei einer Verwendung von 7,7% angelangt. Es zeigt sich auch hier, dass die SchülerInnen im Umgang mit ihren Sprachen selbstbewusster werden, allerdings kann an der Dominanz der Zweitsprache Deutsch nicht gerüttelt werden. 352 <?page no="353"?> Abbildung 210: Sprachverwendung im Freundeskreis im Altersverlauf Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Sprachverwendung in Familie und Peergroup große Unterschiede aufweist. Mit den Eltern wird hauptsächlich in der Erstsprache oder in beiden Sprachen gleichermaßen gesprochen, wobei Burschen die Erstsprache, und Mädchen beide Sprachen präferieren. In Gesprächen mit Freunden wird die Zweitsprache Deutsch bevorzugt verwendet. Von besonderem Interesse ist die Entwicklung im Altersverlauf, bei der Sprachverwendung im Elternhaus sind zwei Veränderungen erkennbar, zwischen dem 12. und 13. Lebensjahr sinkt die Verwendung beider Sprachen gleichermaßen, und ab dem 14. Lebensjahr steigt die Verwendung der Zweitsprache. Für den Freundeskreis ist ab dem 14. Lebensjahr eine kurze Veränderung feststellbar, hier wird die Verwendung beider Sprachen gleichermaßen der Verwendung der Zweitsprache vorgezogen, was allerdings nur ein kurzfristiger Trend ist. 353 <?page no="355"?> Teil III - Diskussion der Ergebnisse In diesem Abschnitt sollen die Ergebnisse der im Rahmen der vorliegenden Dissertation durchgeführten empirischen Studie zusammenfassend dargestellt und diskutiert werden. Insgesamt waren an der zweiteiligen Studie 425 SchülerInnen an der Fragebogenuntersuchung beteiligt 1 , davon 334 DaM- und 91 DaZ-Kinder, darüber hinaus nahmen 16 DaZ-SchülerInnen an einem Leitfrageninterview teil. Im ersten Kapitel sollen die Ergebnisse der durchgeführten Studie zusammengeführt werden und in den Kontext des aktuellen Forschungsstandes eingebettet werden. Das zweite Kapitel soll noch einmal auf die Kernaussagen des empirischen Teils dieser Arbeit fokussieren und diese mit den zu Beginn präsentierten Hypothesen und dem Pyramidenmodell abgleichen, wobei hier vor allem auf Querverbindungen und Variablen, welche den Verlauf der Lesekrise steuern, Wert gelegt wird. 1 Dies ist die Zahl jener SchülerInnen, deren Daten verwertet und analysiert wurden. 355 <?page no="357"?> 1. Zusammenführung und Diskussion der Ergebnisse Der empirische Teil dieser Arbeit befasst sich mit der Lesekrise von SchülerInnen, insbesondere von SchülerInnen mit Migrationshintergrund, deren Erstsprache eine andere als Deutsch ist. Besondere Aufmerksamkeit wurde darauf gelegt, welche Faktoren für den Verlauf der Lesekrise entscheidend sind und das Leseverhalten der SchülerInnen beeinflussen. Diese steuernden Faktoren, nämlich der soziale Status, der Medienzugang im Elternhaus und der Kinder selbst, die Lesefreude und das Leseselbstkonzept, wurden im Vorfeld im Pyramidenmodell, das im theoretischen Teil vorgestellt wurde und das die verschiedenen Elemente der einschlägigen Forschungsliteratur die Lesekrise betreffend bündelt und zueinander in Beziehung setzt, verortet und sind für die Auswertung von großer Bedeutung. Es soll außerdem festgestellt werden, ob diese steuernden Faktoren tatsächlich den zu erwarteten Einfluss auf die verschiedenen Aspekte des Leseverhaltens haben, nämlich ob Faktoren der unteren Ebenen eine starke Auswirkung auf die oberste Ebene haben. Wie stark dieser Einfluss ist, kann jedoch bei der vorliegenden Untersuchung nicht festgestellt werden, dies bleibt ein offenes Aufgabengebiet für spätere Forschungsprojekte. Ebenso ist von Interesse, wie sich die einzelnen untersuchten Aspekte der Lesekrise im Altersverlauf verändern. Ziel dieser Arbeit war es herauszufinden, wann bei DaM- und DaZ- Kindern eine Lesekrise auftritt, ob sich diese in Faktoren wie Lesehäufigkeit oder Lektürepräferenzen manifestiert und ob bzw. wie sie von den Kindern bewältigt wird. Ebenso werden Unterschiede von DaM- und DaZ-Kindern im Verlauf der Lesekrise aufgezeigt und einander gegenüber gestellt. Im Folgenden werden die einzelnen untersuchten Aspekte noch einmal zusammenfassend betrachtet und interpretiert und in den aktuellen Forschungskontext gestellt, um die Ergebnisse dieser Arbeit mit jenen anderer Forschungsarbeiten vergleichen zu können. 1.1. Medienzugang im Elternhaus Was die Verfügbarkeit von Lesemedien betrifft, trifft auch für die im Rahmen dieser Studie befragten SchülerInnen die von Böck (vgl. Böck 2000: 35) bereits Ende der 90er-Jahre konstatierte „Vollversorgung“ mit Computer und Internet zu, ebenso wird die Markt- und Medienforschungsumfrage des ORF 2008 bestätigt (vgl. ORF 2008: 2), demnach sind in 98-99% aller Haushalte elektronische Medien wie Computer, Internet, Fernseher, Radio oder Musikmedien vorhanden. Neue Medien sind aus den heimischen Haushal- 357 <?page no="358"?> ten, in denen Kinder und Jugendliche leben, nicht mehr wegzudenken. Dies gilt sowohl für die Gruppe der DaMals auch der DaZ-Kinder, wobei bei letzteren leicht geringere Werte festzustellen sind. Ebenso sind Zeitschriften und die Tageszeitung weit verbreitet, hierbei differieren aber wieder DaM- und DaZ-Familien, da letztere einen eingeschränkteren Zugriff auf diese beiden Lesemedien haben. Über Wochenzeitungen verfügt mehr als der Hälfte der SchülerInnen in beiden Gruppen. Die Angaben der DaM-Kinder liegen im Schnitt etwas über den Ergebnissen der Media-Analyse 2010: Demnach lesen 73,7% der Befragten eine Tageszeitung, 53,5% eine regionale Wochenzeitung und 85% Zeitschriften (vgl. Media- Analyse 2010). Die Angaben der DaZ-Kinder liegen nur bei den Zeitschriften darunter, mit Tages- und Wochenzeitungen sind DaZ-Kinder ebenso überdurchschnittlich ausgestattet. Steuernde Einflussfaktoren auf die Verfügbarkeit dieser Lesemedien sind der Sozialstatus der Familien und der Buchbesitz im Elternhaus: Je höher der soziale Status ist und je mehr Bücher im Haushalt vorhanden sind, desto mehr andere Lesemedien sind für die Heranwachsenden verfügbar. Dies lässt sich durch ein möglicherweise höheres Prestige von Büchern bzw. des Lesens an sich erklären, das in Elternhäusern mit hohem Sozialstatus auch an die Kinder weitergegeben wird. Für diese Familien scheint es nicht nur wichtig zu sein, Bücher zu lesen, sondern für alle Familienmitglieder eine große Vielfalt an Lesemedien zu Verfügung zu stellen. Wie viele Bücher im Elternhaus vorhanden sind, ist in DaM- und DaZ- Familien unterschiedlich, wobei erstere im Schnitt mehr Bücher zu Verfügung haben als letztere. Für DaZ-Familien gilt, dass mehr als die Hälfte der befragten Kinder weniger als einen Meter Bücher zu Hause hat, und somit einen nur eingeschränkten Zugang zum Medium Buch hat. Die Wahrscheinlichkeit, einen habituellen Umgang mit diesem Lesemedium aufzubauen, ist für sie niedriger als für DaM-Kinder, dies deckt sich mit den Ergebnissen von Wallner-Paschon/ Schneider (vgl. Wallner-Paschon/ Schneider 2009a: 138), wonach knapp ein Drittel der Heranwachsenden keine oder nur wenige Bücher im elterlichen Haushalt vorfinden. Der Studie von Pieper et al. (vgl. Pieper et al. 2004: 173), die besagt, dass DaZ-Kinder eine gute Ausstattung an Büchern zu Hause haben, kann nicht zugestimmt werden. Allerdings ist hierbei anzumerken, dass im Rahmen der vorliegenden Untersuchung keine Informationen zur Qualität des Buchbestandes eingeholt wurden, da nach Pieper et al. (vgl. ebda.) in DaZ-Haushalten vorwiegend kurze, unzusammenhängende Texte anzutreffen sind. Es ist somit durchaus möglich, dass in den Haushalten der befragten DaZ-Kinder zwar viele Bücher vorhanden sind, dass es sich dabei aber möglicherweise hauptsächlich um die von Pieper identifizierten kurzen Texte oder Textsammlungen handelt, wie beispielsweise Kochbücher, Nachschlagewerke oder Lexika. 358 <?page no="359"?> Der in dieser Studie festgestellte Einfluss des Sozialstatus verhält sich parallel zu den Ergebnissen zu Süss/ Bernhard (vgl. Süss/ Bernhard 2002: 15), auch hier sind mit steigendem Sozialstatus der Familie mehr Bücher im familiären Haushalt vorhanden. Dies deckt sich mit den Ergebnissen zu Tageszeitung, Wochenzeitung und Zeitschriften, auch hier steigen Sozialstatus und Verfügbarkeit der Lesemedien parallel zueinander. Diese Ergebnisse sind ebenfalls im Pyramidenmodell der Lesekrise, das im ersten Teil dieser Arbeit vorgestellt wurde, anzutreffen: Die familiäre Voraussetzung, der soziale Hintergrund auf der untersten Ebene der Pyramide hat deutliche Auswirkungen auf Elemente der zweiten Ebene, in diesem Fall auf die Verfügbarkeit von Lesemedien im Haushalt. Der Buchbesitz der Kinder ist in den beiden Untersuchungsgruppen unterschiedlich, auch in diesem Fall verfügen DaZ-Kinder über weniger eigene Bücher als DaM-Kinder: Im Schnitt besitzen DaM-Kinder über einen bis zwei Meter Bücher, DaZ-Kinder über bis zu einem Meter Bücher. Der Sozialstatus der Familie und der Buchbesitz im Elternhaus wirken sich positiv auf den Buchbestand der Kinder 1 aus: Je höher der Sozialstatus und je mehr Bücher im elterlichen Haushalt vorhanden sind, desto höher ist auch der Buchbesitz der Kinder. Dies bestätigt sich auch im Pyramidenmodell, in dem der Sozialstatus der Familien auf der basalen Ebene deutliche Auswirkungen auf den Medienzugang der Heranwachsenden hat. Weiters zeigte sich in dieser Studie, dass Mädchen und Burschen in verschiedenen „Medienumwelten“ aufwachsen, auch wenn die Verfügbarkeit von anderen elektronischen Medien außer Computer und Internet nicht abgefragt wurde: Mädchen besitzen deutlich mehr Bücher als Burschen, was sich mit der Feststellung von Böck (vgl. Böck 2002: 38) deckt, wonach Mädchen und Jungen in verschiedenen Medienumwelten aufwachsen: Mädchen besitzen deutlich mehr Bücher, während sich Jungen auf audiovisuelle und interaktive Medien konzentrieren. Eine besonders interessante Entwicklung ist jene des Buchbesitzes der Kinder im Altersverlauf: Im Alter von 12 bis 13 Jahren sinkt die Anzahl der Bücher der SchülerInnen deutlich ab, sowohl bei DaMals auch bei DaZ- Kindern, was als deutliches Anzeichen für eine Lesekrise zu werten ist und was mit den Untersuchungen von Böck (vgl. Böck 2000: 38f.) übereinstimmt, wobei sich lediglich die Altersgrenze nach hinten verschoben hat: Die Ergebnisse Böcks besagen, dass im Verlauf der Pubertät der persönliche Medienbesitz zwar zunimmt, aber der Buchbesitz rund um das 14. Lebensjahr abnimmt, obwohl Bücher ein beliebtes Geschenkmedium sind und demnach 1 Der Buchbestand der Kinder wird getrennt vom Buchbestand des Elternhauses betrachtet, die Heranwachsenden selbst zählen die „Bücher der Eltern“ nicht als zu ihrem eigenen Buchbestand gehörend an. 359 <?page no="360"?> die Anzahl der Bücher zunehmen müsste. Böck schließt diese Diskrepanz auf ein typisch pubertäres Verhalten, nämlich dass sich die Jugendlichen von ihren Kinderbüchern trennen, da sie diese als zu kindisch ansehen, oder diese in den Familienbesitz übergehen und nicht mehr als eigenes Eigentum angesehen werden (vgl. ebda.). Diese Schlussfolgerung lässt sich auch auf die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung anwenden. Erstmals können auch Ergebnisse zum Buchbesitz von DaZ-Kindern und dessen Veränderungen präsentiert werden: Der Unterschied zwischen DaM- und DaZ-Kindern bezüglich der Veränderungen im Buchbesitz ist, dass sich DaM-Kinder im Lauf der weiteren Lebensjahre relativ schnell mit anderen, neuen Büchern versorgen und der Buchbestand wieder zunimmt, während dies bei DaZ-Kindern nicht beobachtbar ist und der Buchbestand niedrig bleibt. Als mögliche Ursache dafür kann der Sozialstatus genannt werden: Da die Gruppe der DaZ-Kinder im Rahmen dieser Untersuchung im Schnitt einen niedrigeren Sozialstatus einnimmt als jene der DaM-Kinder, kann angenommen werden, dass erstere auch bei der Buchbeschaffung größere Probleme haben als letztere, da auch im Schnitt der Buchbesitz in sozial schwachen Elternhäuser niedriger ist als jener von Familien mit hohem Sozialstatus. Offenbar ist es für DaZ-Kinder ungleich schwieriger, einen Ausweg aus der Lesekrise zu finden und neue Themen und Lesemedien für sich zu beschaffen. An dieser Stelle sind die Instanzen der Lesesozialisation, nämlich Familie, Freunde und Schule gefragt, um gemeinsam den SchülerInnen neue Orientierungspunkte in ihrer Lesekarriere aufzubauen und ihre Lesemotivation zu stärken. 1.2. Lesen in der Freizeit 1.2.1. Mediennutzung Was die Nutzung von Tageszeitung, Buch, Zeitschrift und Internet als Lesemedien betrifft, zeigen sich der Sozialstatus, der Buchbesitz von Eltern und Kindern sowie die Lesefreude als besonders Einfluss nehmende Faktoren. Ein überraschendes Ergebnis ist, dass Kinder mit mittlerem Sozialstatus alle Medien am meisten nutzen, während die Werte von Kindern mit hohem bzw. niedrigem Sozialstatus jeweils niedriger sind. Hier wäre zu erwarten gewesen, dass mit steigendem Sozialstatus ebenfalls die Mediennutzung der Lesemedien steigt bzw. ein ausgewogeneres Verhältnis einnimmt, wie es Gattermaier (vgl. Gattermaier 2003: 78f. und 176f.) in ähnlicher Weise feststellen konnte: Seine Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass Kinder mit mittlerem bzw. hohem Sozialstatus die verschiedenen Lesemedien in einem ausgewogenem Verhältnis nutzen, während Heranwachsende aus niedrigeren Schichten audiovisuelle Medien präferieren. Außerdem fand er heraus, 360 <?page no="361"?> dass fast ausschließlich Kinder mit hohem Sozialstatus habituelle BuchleserInnen sind, während mit sinkendem Sozialstatus diese häufiger Nicht- oder WenigleserInnen sind. Bei einem Vergleich mit dem Buchbesitz der Kinder oder der Eltern zeigt sich bei steigendem Buchbesitz eine steigende Nutzung von Büchern oder der Tageszeitung und eine sinkende Internetnutzung. Dies bestätigt die Annahmen des Pyramidenmodells: Das mediale Umfeld auf der zweiten, mittleren Ebene beeinflusst maßgeblich die Mediennutzung auf der dritten, obersten Ebene. Unter Miteinbeziehung der Lesefreude hat sich in der vorliegenden Untersuchung gezeigt, dass sich diese vor allem auf das Lesen von Büchern auswirkt, für das Internet gilt, je höher die Lesefreude, desto seltener wird dieses Medium genutzt. Diese Ergebnisse sind parallel zu den Ergebnissen von Böck/ Wallner-Paschon (vgl. Böck/ Wallner-Paschon 2002a: 14f.) zu deuten, welche vier Typen der Buchleseintensität ermittelten (hohe, mittlere, geringe und sehr geringe Buchleseintensität). Auch in deren Untersuchung zeigte sich deutlich, dass mit steigender Lesefreude mehr Bücher gelesen werden, mit sinkender Lesefreude das Buchlesen jedoch vernachlässigt wird und andere Medien an Bedeutung gewinnen. DaM-Kinder lesen häufiger Tageszeitungen und Zeitschriften, während DaZ-Kinder eher die Lesemedien Buch und Internet präferieren. Dies lässt sich auch mit einem Blick auf die Medienausstattung der Familien erklären, da in DaZ-Haushalten seltener Tageszeitungen und Zeitschriften vorhanden sind, wird auf Bücher und das Internet ausgewichen, wobei letzteres ohnehin in fast jeden Haushalt Eingang gefunden hat. Auch geschlechtsspezifische Unterschiede zeigen sich bei der Mediennutzung: In der Gruppe der DaZ-Kinder lesen Mädchen generell mehr als Burschen, während in der Gruppe der DaM-Kinder die Mädchen hauptsächlich mehr Bücher und Zeitschriften lesen. Hier wird deutlich, dass Mädchen die vielfältigeren Mediennutzerinnen sind. Diese Schlussfolgerungen decken sich mit jenen von Gattermaier (vgl. Gattermaier 2003: 78f.), er kam zu dem Ergebnis, dass Mädchen sämtliche Medientypen ausgewogener nutzen als dies Burschen tun. Auch Bucher stellte fest, dass Mädchen in allen Altersstufen mehr lesen als gleichaltrige Burschen (vgl. Bucher 2004: 120), dies beginnt bereits in der Altersstufe der 9bis 11-Jährigen, wie Hurrelmann/ Hammer/ Nieß herausfanden (vgl. Hurrelmann/ Hammer/ Nieß 1993: 53). Da es jedoch für DaZ-Kinder noch keine diesbezüglichen Ergebnisse gibt, sind die Daten der vorliegenden Untersuchung von besonderer Bedeutung. Im Altersverlauf zeigt sich für die Nutzung der verschiedenen Lesemedien für DaM- und DaZ-Kinder ein unterschiedliches Profil. Bei DaM- Kindern sinkt die Nutzung von Büchern ab den 12. Lebensjahr, jener der Tageszeitung ab dem 13. Lebensjahr und die Beliebtheit von Zeitschriften ab 361 <?page no="362"?> dem 14. Lebensjahr, während das Internet bei den 13-Jährigen wichtiger wird. Das 13. Lebensjahr ist also der Kernpunkt der Lesekrise, der Umbrüche bei den Lesemedien in der Gruppe der DaM-Kinder. Somit lässt sich erstmals ein zentrales Alter für die Lesekrise festmachen, das mit den bisher vorhandenen Ergebnissen von Graf (vgl. Graf 1995: 114ff.), Harmgarth (vgl. Harmgarth 1997: 27) und Garbe (vgl. Garbe 2005b: 17f.) übereinstimmt und diese präzisiert, denn bisher wurde die Lesekrise im Alter von 11/ 12 Jahren bis zum 15. Lebensjahr verortet, ohne einen Kernpunkt zu definieren. Bei DaZ-Kindern zeigen sich für Erst- und Zweitsprache unterschiedliche Tendenzen. Bücher werden in der Zweitsprache ab dem 12. Lebensjahr unwichtiger, während das Internet und Zeitschriften in diesem Alter an Bedeutung gewinnen, ebenso die Tageszeitung, jedoch erst ab dem 14. Lebensjahr - bei DaM-Kindern zeigten sich für Zeitungen und Zeitschriften umgekehrte Tendenzen. In der Erstsprache sinkt die Bedeutung von Büchern ebenfalls, allerdings erst ein Jahr später, mit 13 Jahren. Alle anderen Lesemedien gewinnen ab dem 13. Lebensjahr wieder an Wichtigkeit, die Zeitschrift bei den 14-Jährigen. Für DaZ-Kinder gilt somit, dass hierbei sowohl für die Erstals auch für die Zweitsprache, und ebenfalls für die unterschiedlichen Lesemedien andere „Krisenhöhepunkte“ zum Tragen kommen: Für DaM-Kinder ist das 13. Lebensjahr der Kernpunkt der Lesekrise, für DaZ-Kinder ist es in der Zweitsprache ebenfalls das 13. Lebensjahr, in der Erstsprache das 12. Lebensjahr. Diese Ergebnisse sind essentiell, da bisher der Verlauf der Lesekrise bei DaZ-Kindern noch nicht erforscht wurde. Die Zahl der gelesenen Bücher in der Freizeit differiert ebenfalls zwischen DaM- und DaZ-Kindern: DaM-Kinder lesen mehr als DaZ-Kinder, nämlich im Schnitt fünf bis sieben Bücher pro Jahr, während DaZ-Kinder zwischen einem und vier Bücher pro Jahr lesen. Hierbei ist spielen wiederum wichtige Einflussgrößen wie der Sozialstatus, die Lesefreude, das Leseselbstkonzept, das Geschlecht und der Buchbesitz von Eltern und Kindern eine Rolle. Der Rückgang der Leseintensität im Altersverlauf findet für DaM- und DaZ- Kinder zu unterschiedlichen Zeitpunkten statt: DaZ-Kinder reduzieren früher als DaM-Kinder ihr Lesepensum, nämlich bereits ab dem 12. Lebensjahr, während auf DaM-Kinder dies erst ein Jahr später zutrifft. Eine solche Differenzierung konnte in dieser Art bisher noch nicht festgestellt werden. 1.2.2. Leseselbstkonzept Die vorliegende Untersuchung konnte bisherige Forschungsergebnisse im Hinblick auf der Leseselbstkonzept bestätigen: Einerseits ist das Leseselbstkonzept geschlechtsabhängig, wie Wallner-Paschon/ Schneider herausfanden (vgl. Wallner-Paschon/ Schneider 2009b: 149). Dies bedeutet, dass Mädchen mehr Vertrauen in ihre Lesefertigkeiten haben als Burschen. 362 <?page no="363"?> Andererseits sind aber auch innerhalb der beiden Gruppen der DaM- und der DaZ-Kinder Unterschiede erkennbar, was die Ergebnisse von Unterwurzacher (vgl. Unterwurzacher 2009: 75) bestätigt. Unterwurzacher hatte festgestellt, dass DaZ-Kinder ein geringeres Leseselbstkonzept haben als DaM- Kinder. Allerdings konnte in der vorliegenden Untersuchung gezeigt werden, dass bei den DaZ-Kindern die Burschen ein höheres Leseselbstkonzept in der Erstsprache haben, während dies für die Mädchen in der Zweitsprache zutrifft. Warum die Burschen in ihrer Erstsprache verwurzelter sind als es für die Mädchen erkennbar ist, kann nicht beantwortet werden. Es lässt sich vermuten, dass männliche DaZ-Jugendliche in vielen Familien als Bewahrer der Familientradition und somit auch der Erstsprache angesehen werden, diese somit häufiger in Kontakt mit der Erstsprache kommen, wovon ihr Leseselbstkonzept in der Erstsprache profitiert. Diesen Schluss lassen zumindest persönliche Beobachtungen im schulischen Umfeld zu, inwiefern diese Annahme aber auf die Allgemeinheit übertragen werden kann, lässt sich hier nicht beantworten. Weiters hat der Buchbesitz von Eltern und Kindern einen Einfluss auf das Leseselbstkonzept, ein Ergebnis, das empirisch zuvor noch nicht festgestellt werden konnte. Auch hier bestätigt sich die Annahme im Pyramidenmodell, dass Faktoren auf den unteren Ebenen jene auf höher liegenden Ebenen maßgeblich beeinflussen, wie in diesem Fall der Buchbesitz und somit der Zugang zu Lesemedien das Leseselbstkonzept beeinflusst. Im Altersverlauf konnte festgestellt werden, dass bei DaZ-Kindern im Hinblick auf das Leseselbstkonzept nur geringe Schwankungen auftreten, jedoch DaM-Kinder zwischen dem 13. und 15. Lebensjahr ein leicht geringeres Leseselbstkonzept aufweisen als in der Zeitspanne davor bzw. danach. Dies äußert sich dadurch, dass die Heranwachsenden dieser Altersgruppe angeben, weniger Vertrauen in ihre Lesefertigkeiten zu haben, als es jüngere bzw. ältere Jugendliche tun. Worauf dies zurückzuführen ist, konnte im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht ermittelt werden. Wahrscheinlich ist dieser leichte Rückgang im Leseselbstkonzept im Zusammenhang mit den allgemeinen Unsicherheiten der Heranwachsenden dieser Altersgruppe zu sehen. Die Jugendlichen entdecken neue Lebenswelten und versuchen sich von ihren alten Gewohnheiten abzugrenzen, dies könnte auch auf das Lesen zutreffen: Mit dem Lesen von neuen Texten und Textsorten, die auch sprachlich anspruchsvoller sind oder sich zumindest sprachlich von den bisher präferierten Texten differenzieren, ist es möglich, dass bei den Heranwachsenden ein sprachliches Unsicherheitsgefühl einsetzt, das sich nach dem 15. Lebensjahr von selbst wieder einstellt. Diese Beobachtungen lassen sich zumindest im Schulalltag machen. 363 <?page no="364"?> 1.2.3. Medienpräferenzen Eine deutliche Differenz in der Einstellung zum Lesen ist sowohl bei DaMals auch bei DaZ-Kindern zu verzeichnen, die sich auch mit bisherigen Studien deckt: Herzog-Punzenberger/ Gapp fanden durch ihre Analysen zu PIRLS 2006 heraus, die Lesefreude der DaM-Kinder höher ist als jene der DaZ-Kinder (vgl. Herzog-Punzenberger/ Gapp 2009: 64), was sich auch in der vorliegenden empirischen Studie zeigt. Im Detail sind es bei PIRLS 2006 52% der DaM-Kinder, die angeben, gerne zu lesen, während dies nur 43% der DaZ-Kinder der ersten Generation, und 41% der zweiten Generation angeben (vgl. ebda.). Ähnlich verhält es sich bei den Ergebnissen der vorliegenden Studie, hier sind es 57,6% der DaM-Kinder, aber nur 47,3% der DaZ- Kinder, die angeben, gerne in ihrer Freizeit zu lesen. Im Detail zeigte sich in der vorliegenden Studie, dass Mädchen lieber lesen als Burschen, wie es auch Gattermaier in seiner Studie zeigen konnte (vgl. Gattermaier 2003: 162f.), ebenso ist der Sozialstatus der Familie und der Buchbesitz von Eltern und Kindern ausschlaggebend dafür, ob die Kinder gerne lesen. Je höher der Sozialstatus, und je mehr Bücher vorhanden sind, desto lieber wird gelesen. Dies bestätigt die Annahmen im Bezug auf das Pyramidenmodell: Der soziale Status auf der basalen Ebene sowie der Medienzugang auf der zweiten Ebene beeinflussen maßgeblich die Lesefreude der Heranwachsenden auf der dritten Ebene. Was bisher jedoch noch nicht erforscht war, sind Veränderungen der Lesefreude im Altersverlauf: Bei DaM-Kindern sinkt Lesefreude kontinuierlich, allerdings zeigt sich bei DaZ-Kindern eine deutlich schwankende Kurve, bei der 12- und 15-Jährige angeben, lieber zu lesen als 13- und 14-Jährige. Was die Beliebtheit von Zeitung, Zeitschrift und Texten im Internet betrifft, zeigen sich bei der vorliegenden Untersuchung nur marginale geschlechtsspezifische Differenzen, was den Befunden von Rager/ Werner/ Oestmann (vgl. 1999: 213) widerspricht, die für Burschen eine höhere Bindung an die Tageszeitung konstatierten, sowie für Mädchen eine höhere Bindung an Anzeigenblätter. Ebenso wenig kann in diesem Zusammenhang von einer Ergänzungs- oder Ersetzungsthese (vgl. Garbe 2003: 8) gesprochen werden. Nach Garbe würden Mädchen die neuen Medien ergänzend zu den Printmedien benutzen (Ergänzungsthese), während Burschen die Printmedien durch neue Medien ersetzen würden (Ersetzungsthese). In der vorliegenden Untersuchung konnten diese geschlechtsspezifischen Tendenzen nicht ausgemacht werden. Von Bedeutung sind hingegen Sozialstatus und der Buchbesitz von Eltern und Kindern: Je höher der Sozialstatus, und je mehr Bücher vorhanden sind, desto beliebter sind die verschiedenen Lesemedien. Eine Ausnahme ist 364 <?page no="365"?> das Internet, dessen Beliebtheit bei steigendem Buchbesitz sinkt. Diese Ergebnisse decken sich mit den Annahmen zum Pyramidenmodell, dass Faktoren auf den unteren beiden Ebenen einen entscheidenden Einfluss auf jene der obersten Ebene haben. Parallel dazu verhält sich der Vergleich mit der Lesefreude und dem Leseselbstkonzept der DaM-Kinder. Bei DaZ-Kindern steigt mit höherem Leseselbstkonzept in der Zweitsprache die Beliebtheit aller Lesemedien, in der Erstsprache nur jene von Zeitschriften und Internet. Als mögliche Ursache für diese Differenzen in Erst- und Zweitsprache kann wieder die leichtere Verfügbarkeit von Lesemedien genannt werden: DaZ-Kinder, die gerne in ihrer Erstsprache lesen, finden im Internet eine große Anzahl an Texten, ebenso sind Zeitschriften leicht erhältlich. Bei den Lesegewohnheiten von DaM- und DaZ-Kindern konnten im Rahmen der empirischen Untersuchung weitere Differenzen erkannt werden: DaZ-Kinder präferieren das Lesen im Internet, während DaM-Kinder eher Zeitschriften vorziehen. Dies lässt sich wieder durch die leichtere Verfügbarkeit von Lesestoffen im Internet erklären, auch, was Texte in der Erstsprache betrifft. Im Altersverlauf ist eine Lesekrise bei DaM-Kindern ab dem 14. Lebensjahr für Zeitungen und Zeitschriften festzustellen, denn ab hier sinkt die Beliebtheit dieser Lesemedien. Ab dem 13. Lebensjahr steigt die Nutzung des Internets rapide an. Dies widerspricht den Ergebnissen bei PISA 2006, denn hier stellte sich heraus, dass gerade Zeitungen und Zeitschriften im Alter zwischen 15 und 16 Jahren sehr häufig gelesen werden (vgl. Bergmüller/ Böck 2009a: 106, vgl. Böck/ Bergmüller 2009: 363). Bei DaZ-Kindern steigt jedoch ab dem 13. Lebensjahr die Beliebtheit von Zeitschriften, Tageszeitungen und Internet, sowohl in der Erstals auch in der Zweitsprache, während Bücher zusehends unwichtiger werden. Diese Befunde bestätigen wiederum die oben genannten Ergebnisse von PISA 2006 (vgl. ebda.) und sind parallel zu den Ergebnissen der vorliegenden Studie zur Häufigkeit der Mediennutzung zu sehen, die bereits oben analysiert wurde. Interessant ist, dass DaZ-Kinder zwar angeben, im Altersverlauf immer weniger gern zu lesen, aber dennoch mit zunehmendem Alter lieber Zeitschriften, Zeitungen und im Internet lesen, während DaM-Kinder zwar generell lieber lesen, aber die Verwendung aller Lesemedien außer des Internets im Altersverlauf sinkt. Dies zeigt, dass im Verlauf der Lesekrise bei DaZ-Kindern zwar eine Reduktion der Lesefreude vorliegt, aber gleichzeitig eine höhere Diversität in den Leseinteressen auftritt. Dies könnte durch die vielfältig werdenden Interessen der Heranwachsenden im Zuge der Pubertät erklärt werden. Die Präferenzen der einzelnen Buchgenres sind stark von Lesefreude, Leseselbstkonzept und Buchbesitz der Kinder abhängig. Differenzen ergeben 365 <?page no="366"?> sich auch im Geschlechtervergleich: Mädchen präferieren Jugendromane, lustige Bücher und Abenteuergeschichten, während bei Burschen Krimis und Thriller an erster Stelle stehen, was sich mit anderen Forschungsergebnissen deckt: Bischof/ Heidtmann konstatierten für Burschen eine Präferenz für Spannungsgenres (vgl. Bischof-Heidtmann 2002: 3), Bucher definiert die Genrevorlieben der Burschen mit Action- und Spannungsgenres (vgl. Bucher 2004: 127). Wie Bischof/ Heidtmann in ihrer Untersuchung bereits feststellten, wird Adoleszenz- und Problemliteratur von Mädchen gelesen (vgl. Bischof/ Heidtmann 2002: 3), was mit der vorliegenden Untersuchung bestätigt werden kann. Weitere Unterschiede sind bei einem Vergleich der beiden Gruppen der DaM- und DaZ-Kinder erkennbar, erstere lesen besonders gerne lustige Bücher, Krimis/ Thriller und Abenteuergeschichten, während letztere Abenteuergeschichten, lustige Bücher und Comics bevorzugen. Auf welche Faktoren diese Differenzen zurückzuführen sind, lässt sich nur vermuten, es lässt sich vermuten, dass DaZ-Kinder sprachlich anspruchslosere Texte bevorzugen, was auf Comics und lustige Bücher (Witzbücher) zutrifft, während Krimis/ Thriller oder Abenteuergeschichten sprachlich anspruchsvoller sind und möglicherweise deshalb von DaZ-Kindern weniger präferiert werden als von DaM-Kindern. Bei den Buchgenres sind starke Anzeichen einer Lesekrise festzustellen. Bei den DaM-Kindern geschieht dies rund um das 12. Lebensjahr, wo die meisten Genres an Beliebtheit verlieren, mit Ausnahme von Jugendbüchern und Lernbüchern, die erst ab dem 13. Lebensjahr absinken. Ähnliche Tendenzen zeigen sich bei den Ergebnissen von Bergmüller/ Böck (vgl. Bergmüller/ Böck 2009a: 106): Bei einem Vergleich der Ergebnisse von PIRLS und PISA 2006 konnte festgestellt werden, dass das Sachbuch von 36% Beliebtheit bei den 10-/ 11-Jährigen auf 5% bei den 14-/ 15-Jährigen absinkt. Durch die vorliegende Untersuchung lässt sich diese Lesekrise aber zeitlich genauer auf das 12. Lebensjahr einordnen als dies bei einem Vergleich zwischen PISA und PIRLS möglich ist. Liebesromane werden häufiger gelesen, die Anzahl der Jugendlichen, die gern Gedichte liest, bleibt unverändert. Dass Jugend- und Lernbücher erst später als die meisten anderen Genres an Beliebtheit einbüßen, lässt sich möglicherweise durch veränderte Interessen im Teenageralter erklären: Problemliteratur thematisiert die für die Heranwachsenden aktuellen Themen und Probleme, Sachbücher können bei neu entstehenden Interessenslagen informieren. Die steigende Beliebtheit an Liebesromanen könnte ebenfalls durch die pubertäre Neuorientierung der Jugendlichen erklärt werden. Bei den DaZ-Kindern erfolgt die Lesekrise bei den Buchgenres in der Zweitsprache Deutsch etwas später, rund um das 13. Lebensjahr, mit Aus- 366 <?page no="367"?> nahme von Science-Fiction und Abenteuergeschichten, die an Beliebtheit zulegen. Was bereits zuvor für das Lesen in der Erstsprache konstatiert wurde, wiederholt sich bei den Buchgenres: Zwischen dem 13. und 14. Lebensjahr werden zunehmend Krimis/ Thriller, lustige Bücher, Science-Fiction, Jugendromane und Sport-Bücher gelesen, alle anderen Genres sinken in der Beliebtheit bereits zwischen dem 12. und 13. Lebensjahr. 1.2.4. Buchlesefunktionen Faktoren, die sich auf die Funktionen, welche Bücher übernehmen können, auswirken, sind die Lesefreude, das Leseselbstkonzept und der Buchbesitz von Eltern und Kindern, eine Ausnahme davon ist die Ratgeberfunktion des Buches. Diese Faktoren lassen sich wieder durch das Pyramidenmodell erklären, hier sind es Faktoren der zweiten und dritten Ebene, die sich auf die Buchlesefunktionen auswirken. Anzunehmen ist, dass auch der Sozialstatus der Heranwachsenden einen Einfluss darauf hat, welche und wie viele Funktionen das Buchlesen einnehmen kann, wie es Bucher in ihrer Untersuchung zeigen konnte (vgl. Bucher 2004: 105), bei der Kinder aus höheren Schichten generell alle Funktionen häufiger nannten als Heranwachsende niedrigerer sozialer Schichten. Dass dieses Ergebnis für die vorliegende Untersuchung nicht eindeutig vorliegt, lässt sich aus dem geringen Datensatz zum sozialen Status erklären, der bereits im zweiten Abschnitt detailliert dargelegt wurde. Im Geschlechtervergleich zeigte sich für die Mädchen, dass diese dem Buch vielfältigere Funktionen zuweisen, als dies für Burschen der Fall ist. Dies deckt sich mit dem Ergebnis, dass Mädchen tendenziell lieber lesen als Burschen. Sie sind eher dazu in der Lage, Büchern differenzierte Funktionen zuzuweisen, als es Burschen tun, die sich eher den neuen Medien oder anderen Freizeitbeschäftigungen zuwenden. Bei DaM- und DaZ-Kindern ergeben sich nur für zwei Funktionen Unterschiede, die Regenerationsfunktion ist für DaZ-Kinder wichtiger, und die Ratgeberfunktion für DaM-Kinder. Unterschiede im Altersverlauf ergeben sich sowohl für DaMals auch für DaZ-Kinder. Bei ersteren zeigt sich, dass alle Funktionen, außer der Regenerationsfunktion, allmählich in ihrer Relevanz sinken; dies trifft auch auf die DaZ-Kinder in der Zweitsprache Deutsch zu, mit Ausnahme der Ratgeberfunktion. Dieses generelle Absinken der Wichtigkeit der Buchlesefunktionen trifft auch auf die Erstsprache zu, entweder stagniert die Bedeutung der Buchlesefunktionen oder sie fällt ab. Für alle gilt, dass mit zunehmendem Alter das Buch seine Vielfalt an Funktionen einbüßt, was den Ergebnissen von Bucher (vgl. Bucher 2004: 105) widerspricht: Ihre Untersuchung bei 12- und 15-jährigen Jugendlichen 367 <?page no="368"?> zeigte, dass sämtliche Lesefunktionen im Altersverlauf ansteigen. Für die vorliegende Untersuchung ist anzunehmen, dass offenbar andere Medien die Funktionen einnehmen, welche ursprünglich durch das Lesen von Büchern abgedeckt werden konnten. 1.2.5. Gründe zu lesen und was davon abhält Bei welchen Gelegenheiten zum Buch gegriffen wird, wird hauptsächlich durch den Buchbesitz von Eltern und Kindern sowie von Lesefreude, Leseselbstkonzept und Sozialstatus beeinflusst, dies bestätigt die Hypothesen im Pyramidenmodell. Ebenso ergeben sich geschlechtsspezifische Unterschiede: Mädchen lesen besonders gern, wenn sie alleine sind, Burschen, wenn ihnen langweilig ist, und beide Geschlechter lesen gleichermaßen, wenn sie nichts anderes zu tun haben. Die beiden Gruppen der DaM- und DaZ-Kinder unterscheiden sich insofern, als dass mehr DaZ-Kinder angeben, aus Langeweile zu lesen, und alle anderen Lesegelegenheiten vermehrt von DaM-Kindern genutzt werden. Im Altersverlauf zeigt sich, dass bei DaM-Kindern die Bedeutung des Buches kontinuierlich absinkt, sie lesen mit zunehmendem Alter immer weniger in den drei untersuchten Gelegenheiten. Bei DaZ-Kindern sinkt die Beliebtheit zunächst ab, um ab dem 14. und 15. Lebensjahr wieder anzusteigen, nur beim Lesen aus Langeweile verhält es sich umgekehrt, offenbar ist auch hier ein anderes Medium für die SchülerInnen besser geeignet, um die Langeweile fern zu halten. Dennoch ist es erstaunlich, dass für DaZ-Kinder gegen Ende der Lesekrise das Lesen wieder zunehmend zu einer Aktivität wird, die Eingang in die Freizeitgestaltung der Heranwachsenden findet, während dies für DaM-Kinder weniger der Fall ist. Möglicherweise ist das steigende Interesse an Texten in der Erstsprache dafür verantwortlich, dies kann jedoch nicht mit Sicherheit gesagt werden, da im Zuge dieser Untersuchung zu den Gelegenheiten, bei denen gelesen wird, keine Differenzierung in sprachlicher Hinsicht erfolgte. Von Lesehemmnissen sind Burschen stärker betroffen als Mädchen, ein Ergebnis, das sich mit jenen von Pieper et al (vgl. Pieper et al. 2004: 158f.) deckt: Sie fanden heraus, dass Burschen deutlich häufiger ungünstige Faktoren, die vom Lesen abhalten, angeben als es Mädchen tun. Sie schließen daraus, dass die Lesemotivation der Burschen deutlich niedriger und instabiler ist, und häufiger andere Freizeitaktivitäten dem Lesen vorgezogen werden. Dieser Schlussfolgerung kann auch im Hinblick auf die hier vorliegenden Forschungsergebnisse durchaus zugestimmt werden. Ebenso sind es mehr DaZ-Kinder, die von Hemmnissen berichten, als DaM-Kinder, auch hier kann wiederum eine instabilere Lesemotivation als Grund gesehen werden. Wichtige Einflussfaktoren sind der Buchbesitz von Eltern und Kindern, das Leseselbstkonzept und die Lesefreude: Je höher 368 <?page no="369"?> einer dieser Faktoren ist, desto stärker sinkt die Anfälligkeit der SchülerInnen für die verschiedenen Lesehemmnisse, dies zeigt sich auch im Pyramidenmodell. Im Altersverlauf zeigt sich für die Gruppe der DaM-Kinder, dass die meisten Faktoren kontinuierlich ansteigen, einzige Ausnahme sind Hausübungen, die ab dem 13. Lebensjahr ein geringeres Lesehemmnis darstellen. Dies trifft auch auf DaZ-Kinder zu, mit zwei Ausnahmen: Einerseits des Hemmnisses, durch andere Hobbys abgelenkt zu werden, was bis zum 14. Lebensjahr absinkt; andererseits durch das Hemmnis, das Lesen sei anstrengend, was bis zum 13. Lebensjahr sinkt, danach aber stark ansteigt. Vor allem für DaZ-Kinder steigt die Belastung des Lesens mit zunehmendem Alter, was sich durch steigende Unlust und Anfälligkeit für Lesehemmnisse ausdrückt. Außerdem zeigt sich deutlich, dass andere Hobbys und andere Medien viele Funktionen übernehmen, die zuvor das Buch inne hatte, und somit zu Lesehemmnissen werden. Dies deckt sich mit Ergebnissen von Hurrelmann/ Hammer/ Nieß (vgl. Hurrelmann/ Hammer/ Nieß 1993: 130), die ebenfalls zu dem Schluss kamen, dass hauptsächlich die sich verändernden Freizeitinteressen im Altersverlauf gewichtige Lesehemmnisse für die Heranwachsenden darstellen. 1.3. Lesen in der Familie und im Freundeskreis 1.3.1. Leseumfeld in der Familie Das familiäre Leseumfeld ist stark von den Faktoren Sozialstatus, Buchbesitz, Lesefreude und Leseselbstkonzept geprägt. Im Detail hat sich in dieser Untersuchung gezeigt, dass Eltern bessere Lesevorbilder sind, wenn die Familie einen höheren Sozialstatus hat und der Buchbesitz hoch ist, ebenso ist dann die Lesefreude und das Leseselbstkonzept der SchülerInnen hoch. Die Annahmen des Pyramidenmodells gehen in eine ähnliche Richtung: All jene Faktoren, allen voran der Sozialstatus der Familie, haben einen bedeutsamen Einfluss auf das Leseverhalten der Heranwachsenden auf der obersten Ebene des Modells. Dies bestätigt die Ergebnisse vieler anderer Studien, wie beispielsweise jene von Bucher (vgl. Bucher 2004: 167), die konstatierte, dass die Leseförderung innerhalb der Familie erst dann Erfolg hat und haben kann, wenn die Heranwachsenden das Lesen als persönlichen Gewinn kennen lernen und nicht nur allein die Nützlichkeit dieser Tätigkeit betont wird. Ebenso konnte belegt werden, dass für die Vorbildwirkung der Eltern der soziale Hintergrund der Familie eine bedeutende Rolle spielt, wie es auch Bucher feststellen konnte (vgl. ebda.: 168): Familien der Oberschicht lesen im Schnitt lieber, während sich diese positive Einstellung zum Lesen mit sinkendem Sozialstatus ebenso verringert. 369 <?page no="370"?> Ebenso sind Eltern von Mädchen und DaM-Familien ein besseres Lesevorbild als Eltern von Burschen und DaZ-Familien, allerdings sinkt die Vorbildwirkung der Eltern im Altersverlauf in beiden Gruppen ab. Die Ergebnisse zu den beiden Gruppen der DaM- und DaZ-Kinder zeigten sich auch bereits in der Studie von Pieper et al. (vgl. Pieper et al. 2004: 173), die ebenfalls feststellte, dass DaZ-Eltern seltener als Lesevorbilder auftreten als es DaM-Eltern tun. Ermahnungen an die Kinder, dass diese vermehrt lesen sollen, steigen in Familien mit steigendem Sozialstatus, was vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass im Familien aus der Oberschicht das Lesen eher als nützliche und gewinnbringende Tätigkeit angesehen wird und man darauf bedacht ist, diese Einstellung auch an die eigenen Kinder weiterzugeben. Interessant ist, dass die Kinder weniger zum Lesen aufgefordert werden, je mehr Bücher im Haushalt vorhanden sind, und je höher die Lesefreude der Kinder ist: Hier bestätigen sich die Hypothesen im Pyramidenmodell: Der Sozialstatus auf der basalen Ebene und der Medienzugang auf der zweiten Ebene bewirken bei den Heranwachsenden einen habituellen Umgang mit Büchern. Dies könnte ein Grund dafür sein, dass es die Eltern vermutlich nicht mehr als notwendig ansehen, ihre Kinder noch zusätzlich zum Lesen aufzufordern. Ebenso werden SchülerInnen mit hohem Leseselbstkonzept seltener zum Lesen ermahnt, was auf dieselben Ursachen zurückzuführen ist, dies zeigen auch Ergebnisse von Böck (vgl. Böck 2000: 139), demnach Kinder mit schlechter Lesekompetenz und niedriger Lesefreude von ihren Eltern zum Lesen aufgefordert werden. Mädchen werden seltener zum Lesen ermahnt als Burschen, ein wenig überraschendes Ergebnis, da sich bereits zeigte, dass Mädchen eine höhere Lesefreude haben als Burschen. Demnach wird im Elternhaus vielfach versucht, auch die Burschen zum vermehrten Buchlesen aufzufordern. Bei einem Vergleich zwischen DaM- und DaZ-Kindern zeigt sich, dass DaM-Kinder seltener zum Lesen aufgefordert werden als DaZ-Kinder. Dieses Ergebnis lässt den Schluss zu, dass DaZ-Eltern stärker an einem habitualisierten Umgang ihrer Kinder mit Büchern interessiert sind, sei es in der Erst- oder der Zweitsprache, als es DaM-Eltern sind. Ein möglicher Grund dafür ist, dass sie durch diese Vorgehensweise erhoffen, die Lesekompetenz ihrer Kinder und somit deren schulische Chancen zu erhöhen. Dies lässt zumindest die Schlussfolgerung von Böck vermuten, die feststellte, dass hauptsächlich Kinder mit einer niedrigen Lesekompetenz und niedriger Lesefreude von ihren Eltern zum Lesen aufgefordert werden (vgl. Böck 2000: 139). Die Entwicklung im Altersverlauf zeigt, dass DaZ-Kinder ständig mehr zum Lesen aufgefordert werden, bei DaM-Kindern sinkt zunächst die Zahl der Ermahnungen ab, um ab dem 13. Lebensjahr wieder anzusteigen. Letzteres widerspricht den Ergebnissen von Böck (2000: 139), die feststellte, dass 370 <?page no="371"?> die Ermahnungen zum Lesen mit steigendem Alter abnehmen, zumindest zeigten sich in ihrer Untersuchung diese Ergebnisse bei 14-Jährigen. 1.3.2. Anschlusskommunikation Für die Anschlusskommunikation mit den verschiedenen Instanzen der Lesesozialisation gilt, dass mit steigendem Buchbesitz von Eltern und Kindern, steigender Lesefreude und Leseselbstkonzept, die Beliebtheit der einzelnen Instanzen zum Austausch über Gelesenes ansteigt. Auch hier zeigt sich, dass das Pyramidenmodell durchaus relevant ist, der Einfluss der zweiten und vor allem der dritten Ebene auf die Intensität und Beliebtheit der Anschlusskommunikation ist groß. Geschlechtsspezifisch zeigte sich, dass Mädchen häufiger über Gelesenes sprechen als es Burschen tun. Dies deckt sich mit Ergebnissen von Bischof/ Heidtmann, auch in deren Untersuchung zeigte sich, dass Burschen seltener als Mädchen über ihre Lektüre sprechen (vgl. Bischof/ Heidtmann 2002: 8). Im Altersverlauf konnte festgestellt werden, dass alle fünf untersuchten Instanzen zur Anschlusskommunikation mit steigendem Alter der Heranwachsenden deutlich an Beliebtheit verlieren und damit einhergehend auch davon ausgegangen werden kann, dass Gespräche über Gelesenes seltener stattfinden als noch vor Beginn der Lesekrise. Zu ähnlichen Ergebnissen kam auch Böck, sie fand heraus, dass vor allem im Vorschulalter das Gespräch über Gelesenes im Familienkreis einen hohen Stellenwert hat, die Häufigkeit und Intensität dieser Kommunikationssituationen aber danach deutlich zurückgeht (vgl. Böck 2000: 135). Sie kommt zu der Schlussfolgerung, dass dies auf den nicht abgeschlossenen Prozess des Lesenlernens im Volksschulalter zurückzuführen ist und somit das Lesen und das Gespräch darüber einen höheren Stellenwert hat, als dies in den späteren Lebensjahren der Fall ist (vgl. ebda.), was auch auf die Ergebnisse der vorliegenden Studie durchaus zutreffen kann. Bei DaM- und DaZ-Kindern ergeben sich die größten Differenzen bei der Anschlusskommunikation mit Eltern und Geschwistern, erstere werden von DaM-Kindern, letztere von DaZ-Kindern häufiger zur Kommunikation über Gelesenes genutzt. Ein möglicher Erklärungsansatz könnte für DaZ-Kinder auf sprachlicher Ebene liegen, die ihre Geschwister, zusätzlich zur Kommunikation über das Gelesene, auch zur Hilfeleistung für schwierige Wörter oder Satzkonstruktionen benötigen. Im Altersverlauf sinkt bei DaM-Kindern die Beliebtheit sämtlicher Instanzen kontinuierlich ab, während bei DaZ-Kindern die Beliebtheit von Lehrern ansteigt und alle anderen Kommunikationspartner ebenfalls absinken. Auch dieses Ergebnis könnte mit dem Bedürfnis nach sprachlicher Hilfestellung erklärt werden. 371 <?page no="372"?> 1.3.3. Lektüretipps und -anregungen Parallel zur oben charakterisierten Anschlusskommunikation zeigt sich auch für die Lektüretipps, dass die Faktoren Geschlecht, Sozialstatus, Buchbesitz, Lesefreude und Leseselbstkonzept einen starken Einfluss darauf haben, inwieweit Leseanregungen von den verschiedenen Instanzen akzeptiert werden. Ebenso lässt sich auch hier wieder feststellen, dass das Pyramidenmodell auf die Bereitschaft der Heranwachsenden, Lektüretipps und -anregungen zu bekommen, auswirkt, wobei alle drei Ebenen des Modells involviert sind. Es sind mehr Mädchen und DaZ-Kinder als Burschen und DaM-Kinder, die angeben, Anregungen zu interessanten Texten zu bekommen. Der Geschlechterunterschied lässt sich möglicherweise durch die bereits oben genannten Differenzen in der Lesemotivation und -häufigkeit erklären, da Mädchen mehr und lieber lesen sind und sie auch eher dazu bereit sind, Tipps und Anregungen anzunehmen. Für die Gruppe der DaZ-Kinder liegt eine mögliche Erklärung im Lesen in der Erstsprache: Da Texte in der jeweiligen Erstsprache, außer aus dem Internet, schwieriger zu beschaffen sind als in der Zweitsprache Deutsch, sind DaZ-Kinder vermutlich eher auf Lektüretipps und -anregungen von außen angewiesen als DaM-Kinder. Im Altersverlauf zeigt sich für DaM- und DaZ-Kinder gleichermaßen, dass die Relevanz von Lektüreanregungen kontinuierlich abnimmt und Tipps immer weniger angenommen werden. Als Grund dafür kann das generelle Abnehmen der Lesefreude mit zunehmendem Alter gesehen werden: Es wird weniger gelesen, deshalb werden auch weniger Lektüretipps angenommen. 1.4. Lesen in und für die Schule 1.4.1. Lesefreude in der Schule Die schulische Lesefreude hängt von den Faktoren Buchbesitz von Eltern und SchülerInnen, von der Lesefreude und dem Leseselbstkonzept insofern ab, als dass diese zunimmt, wenn die Faktoren ebenfalls steigen. Dieser Konnex zwischen privater und schulischer Lesefreude überrascht nur wenig, ebenso die Auswirkungen der Faktoren auf der zweiten Ebene des Pyramidenmodells. Überraschend ist, dass die schulische Lesefreude mit steigendem Sozialstatus absinkt, ein Phänomen, das konträr zu den oben stehenden Ergebnissen steht. Über Gründe für dieses Ergebnis kann nur spekuliert werden. Eine höhere schulische Lesefreude haben Mädchen und DaZ-Kinder, während Burschen und DaM-Kinder weniger gern Texte in der Schule lesen, ebenfalls ein Ergebnis, das zumindest im Geschlechtervergleich parallel zu 372 <?page no="373"?> den oben stehenden Daten zur privaten Lesefreude steht und auch in den folgenden Abschnitten noch mehrmals thematisiert wird. Das Ergebnis der DaZ-Kinder überrascht, haben sie doch im Vergleich zu den DaM-Kindern eine niedrigere private Lesefreude. Offenbar sind die im Unterricht verwendeten Texte bzw. die Bücher, die für die Schule gelesen werden müssen, für DaZ-Kinder interessant und anregend, sodass ihre schulische Lesefreude dementsprechend hoch ist, während dies für DaM-Kinder weniger der Fall ist. Im Altersverlauf sinkt die Lesefreude in der Schule in beiden Gruppen kontinuierlich ab, eine Tendenz, die sich auch bei der privaten Lesefreude zeigt und wenig überrascht. Dass der Deutschunterricht die Lesefreude verderbe, denken vor allem Burschen und DaZ-Kinder, weiters Kinder mit wenigen eigenen Büchern und niedriger Lesefreude. Im Hinblick auf die bisherigen Ergebnisse und das Pyramidenmodell waren diese Daten vorhersehbar, Heranwachsende, die ohnehin ungern privat lesen und auch wenig Zugang zu Büchern haben, sind ungleich schwieriger durch Texte im Unterricht zu motivieren als SchülerInnen, die gerne lesen. Lediglich die Einstellung der DaZ-Kinder ist völlig konträr zu deren sonstigen Angaben zum schulischen Leseverhalten, somit liegt nahe, dass es sich bei diesen Daten um einen statistischen Ausreißer handelt. Darüber hinaus teilen auch Kinder mit hohem Sozialstatus und hohem Leseselbstkonzept die Meinung, dass der Deutschunterricht die Lesefreude verderbe. Ursachen für dieses Ergebnis können nur vermutet werden. Interessant ist, dass DaM-Kinder mit zunehmendem Alter immer häufiger der Meinung sind, der Deutschunterricht verderbe die Lesefreude, während auf DaZ-Kinder das Gegenteil zutrifft. Offenbar wirken lesefördernde Maßnahmen zumindest in dieser Hinsicht, als dass auch Texte, welche von den DaZ-SchülerInnen möglicherweise privat nicht beachtet würden, zumindest im Deutschunterricht positiv angenommen werden. 1.4.2. Texte im Deutschunterricht Die Texte, die im Deutschunterricht eingesetzt werden, entsprechen vielfach nicht den Interessen der SchülerInnen, dies zeigte Gattermaier in seiner Untersuchung (vgl. Gattermaier 2003: 325f.) und dies spiegelt sich in der vorliegenden Arbeit ebenfalls, da weniger als die Hälfte der SchülerInnen mit den verwendeten Texten einverstanden ist. Noch niedriger ist die Bereitschaft der SchülerInnen, ihr Lieblingsbuch im Unterricht vorzustellen, sie liegt bei 41,8%. Inwieweit die im Deutschunterricht verwendeten Texte mit den SchülerInneninteressen übereinstimmen und wie hoch die Bereitschaft der Kinder ist, ihr Lieblingsbuch im Unterricht vorzustellen, zeigt sich in parallelen Einflussfaktoren: Auch in diesem Fall sind es Mädchen und DaZ- 373 <?page no="374"?> Kinder, die sich eher mit den verwendeten Texten identifizieren können als Burschen und DaM-Kinder. Diese positive Einstellung steigt außerdem mit steigendem Buchbesitz im Haushalt und der SchülerInnen, mit steigender Lesefreude und steigendem Leseselbstkonzept, was sich auch im Pyramidenmodell spiegelt. Dies ändert sich im Alter von 13 bis 14 Jahren, in diesem Zeitraum beginnt die positive Einstellung zu den Texten im Deutschunterricht zu bröckeln und abzusinken, sowohl bei DaMals auch bei DaZ- Kindern, was aber wiederum mit dem zeitgleichen Absinken der privaten Lesefreude einher geht. 1.4.3. LehrerInneninteresse an SchülerInnenmeinung Im Deutschunterricht der untersuchten Klassen steht der Fokus nicht nur auf den Inhalten der verwendeten Texte, dies zeigten die Antworten der SchülerInnen, ebenso haben die Lehrpersonen sehr wohl ein gesteigertes Interesse an der Meinung der SchülerInnen zu den behandelten Texten. 2 Dies widerspricht den Ergebnissen von Pieper (vgl. Pieper et al. 2004: 182), die in ihrer Studie feststellte, dass die in der Schule angewandte Methodik im Umgang mit literarischen Texten hauptsächlich der Inhaltssicherung dient und vorwiegend Nacherzählungen, Inhaltsangaben und Zusammenfassungen im schulischen Unterricht verlangt werden. Zu ähnlichen Ergebnissen kam auch Bucher (vgl. Bucher 2004: 222), in ihrer Studie zeigte sich, dass nur rund ein Drittel der befragten SchülerInnen angab, nach ihrer Meinung über die Schullektüre befragt zu werden, und mehr als 90% der befragten Lehrpersonen im Unterricht hauptsächlich Fragen zum Inhalt der Texte stellen. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie decken sich nicht mit jenen von Bucher. Diese Diskrepanz der Forschungsergebnisse kann sich durch einen veränderten schulischen Unterricht erklären lassen, vor allem in den Neuen Mittelschulen, aber auch an den Gymnasien setzt man verstärkt auf die individuelle Förderung der SchülerInnen, was sich im Bereich Lesen durch eine verstärkte Auseinandersetzung mit der Meinung der SchülerInnen bzw. durch vermehrte Diskussionen im Unterricht manifestiert. Auch hierbei ließen sich Geschlechtsunterschiede feststellen, da Burschen eher der Meinung sind als Mädchen, dass in der Schule nur die Inhalte der gelesenen Texte zählen. Es scheint, als ob im schulischen Bereich eher die Mädchen verstärkt in den Leseunterricht mit einbezogen werden, da diese im Schnitt lieber lesen als Burschen und vermutlich auch lieber ihre Meinung zu den Büchern kundtun, während Burschen nur am Rande mit einbezogen werden und ihnen verstärkt inhaltliche Fragen gestellt werden. 2 Es kann aus schulischen Erfahrungswerten davon ausgegangen werden, dass im schulischen Deutschunterricht, in dem der Fokus auf das Abprüfen von Inhalten gelegt wird, die Meinung der SchülerInnen zu den Texten außer Acht gelassen wird, sondern nur konsequent Daten und Fakten abgeprüft werden. 374 <?page no="375"?> Weitere Einflussfaktoren sind der Buchbesitz von Eltern und Kindern, ein Faktor der zweiten Ebene des Pyramidenmodells, sowie die Lesefreude und das Leseselbstkonzept auf der dritten Ebene. Für die Gruppe der DaZ- Kinder ist interessant, dass diese eher die Meinung vertreten, die Lehrperson interessiere sich für deren Einstellung zu den behandelten Texten, als dies DaM-Kinder tun. Offenbar wird besonders bei DaZ-Kindern darauf geachtet, diese verstärkt in den Unterricht mit einzubinden. Im Altersverlauf zeigen sich für beide Items Veränderungen rund um das 13. und 14. Lebensjahr, bei DaM-Kindern sinkt die positive Einstellung gegenüber dem Deutschunterricht und die Meinung, der Deutschunterricht fokussiere nur auf Inhalte, steigt bis zum 14. Lebensjahr an. Bei DaZ- Kindern ist nur für deren positive Einstellung dem Deutschunterricht gegenüber eine Veränderung abzulesen, diese sinkt bis zum 13. Lebensjahr, um danach wieder anzusteigen. DaZ-Kinder sind demnach dem Deutschunterricht und der Lektüre für die Schule gegenüber tendenziell positiver eingestellt als DaM-Kinder. 1.4.4. Anzahl der gelesenen Bücher in der Schule Im Schnitt haben die befragten SchülerInnen im vergangenen Jahr zwei bis vier Bücher für die Schule gelesen, wobei sich für dieses Item keine Geschlechterdifferenzen und keine Unterschiede nach Buchbesitz ergeben, ebenso wenig aufschlussreich sind die Unterschiede zwischen DaM- und DaZ-Kindern. Lesefreude und Sozialstatus sind zwei wichtige Faktoren für die Zahl der gelesenen Bücher, je höher diese beiden Faktoren ausgeprägt sind, desto mehr Bücher werden gelesen. Dies spiegelt sich auch im Pyramidenmodell wieder, da der Sozialstatus auf der ersten Ebene des Modells einen großen Einfluss auf alle anderen Bereiche hat, sowie die private Lesefreude ebensolche Auswirkungen auf die Lesequantität hat, sowohl im privaten, als auch im schulischen Bereich. Dies äußerst sich daran, dass Kinder mit niedriger Lesefreude auch weniger Bücher zusätzlich zum schulischen Pensum lesen, um sich über die behandelten Inhalte vertiefend zu informieren, als es Kinder mit hoher Lesefreude tun. Im Altersverlauf zeigt sich, dass auch hier die Lesekrise bei DaZ-Kindern ein wenig später einsetzt, da die Zahl der gelesenen Bücher ab dem 14. Lebensjahr stark sinkt, und dies bei DaM-Kindern bereits bei den 12- und 13- Jährigen einsetzt. Dies lässt vermuten, dass, parallel zur positiven Einstellung dem Deutschunterricht gegenüber, DaZ-Kinder in ihrem Lesen vermehrt schulisch gefördert werden. Ein weiterer möglicher Grund für die sinkende Anzahl der für die Schule gelesenen Bücher ist die tendenziell sinkende Lesefreude, die Ursache dafür ist, dass auch SchülerInnen, die 375 <?page no="376"?> zuvor zusätzlich Bücher zur Vertiefung des schulischen Lehrstoff gelesen haben, diesen Habitus ablegen oder zumindest weniger intensiv ausüben. Es zeigt sich also, dass die schulische Umgebung sich stark auf die Leseentwicklung der Heranwachsenden auswirkt. Ein Thema, das stark damit zusammenhängt, ist jenes der schulischen Leseförderung. Wie bereits angesprochen, steht diese allerdings nicht im Kernfokus der vorliegenden Untersuchung und wurde deshalb auch nicht empirisch abgefragt. Dennoch kann man davon ausgehen, dass an allen untersuchten Schulen Lesesowie Sprachförderung im üblichen Ausmaß durchgeführt wird, dies zeigt zumindest die pädagogische Praxis an steirischen Schulen. Darüber hinaus bemüht sich auch der Landesschulrat für Steiermark um regelmäßige Impulse und pädagogische Schwerpunkte, um sich dieser Problematik anzunehmen. So wird beispielsweise spezielle Leseförderung durch tägliche Leseviertelstunden, Lesecoaches und -paten, Lesetagebücher und -portfolios, Lese- und Bibliothekstage oder Leseclubs angeboten, um sowohl leseschwachen und weniger motivierten, als auch motivierten und begeisterten LeserInnen ein adäquates und förderliches Leseumfeld anzubieten. 1.5. Leseprozesse und Leseerwerb in Erst- und Zweitsprache 1.5.1. Frühkindliche Sprachförderung Frühkindliche Sprach- und Leseförderung hängt stark vom Sozialstatus der Familie und deren Buchbesitz ab, dies bestätigen bisherige Studien wie jene von Bucher (vgl. Bucher 2004: 48), die in ihrer Untersuchung zeigen konnte, dass das Vorlesen in schriftfernen Lebenswelten häufig nicht den erwünschten positiven Effekt hat, da kompetente, mit dem Lesen vertraute Personen nötig sind, um die Texte und deren Sprache an den Erfahrungshorizont der Kinder anzupassen und somit ein positives Leseerlebnis zu kreieren. Diese Ergebnisse decken sich mit den Annahmen des Pyramidenmodells, auch hier wird davon ausgegangen, dass der Sozialstatus der Familien auf der basalen Ebene des Modells einen starken Einfluss auf die Bereitschaft zu frühkindlicher Sprachförderung hat. Darüber hinaus konnte durch die vorliegende Untersuchung bestätigt werden, dass sich frühkindliche Sprach- und Leseförderung wie das Vorlesen, das gemeinsame Lesen, das Erzählen von Geschichten, das Lernen von Kinderliedern oder Abzählreimen und ähnliche Maßnahmen, die ausführlich in Teil I der vorliegenden Untersuchung dargestellt wurden, positiv auf die Lesefreude der Kinder auswirkt, was sich auch im Pyramidenmodell zeigt. Buchers Ergebnis, dass das Leseverhalten von DaZ-Kindern seltener 376 <?page no="377"?> gefördert wird als jenes von DaM-Kinder (vgl. Bucher 2004: 171), kann ebenfalls zugestimmt werden, jedoch muss hier präzisiert werden, dass DaZ- Kinder sehr wohl mit frühen literalen Fördermaßnahmen konfrontiert werden, sogar stärker als DaM-Kinder, wobei lediglich das Vorlesen und Erzählen von Geschichten bei ihnen seltener praktiziert wird. Eine Erklärungsmöglichkeit für dieses Phänomen wäre, dass vor allem von DaZ-Familien eine sprachliche Frühförderung ihrer Kinder als notwendig erachtet wird und deshalb verstärkt Abzählreime und/ oder Kinderlieder gelernt werden. Im Hinblick auf den Zweitspracherwerb ist hier anzumerken, dass vor allem frühkindliche Sprach- und Leseförderungsmaßnahmen in der Erstsprache von besonderer Bedeutung sind: Der Transfer von Lese- und Sprachkompetenzen von der Erstauf die Zweitsprache kann nur dann stattfinden, wenn das Kind in der Erstsprache verankert ist und gewisse Grundkompetenzen aufgebaut hat (vgl. Ahrenholz 2008b: 72 sowie Ehlers 2008: 220 und Ehlers 2004: 6). Bei unzureichenden oder mangelhaften Kenntnissen der Erstsprache kann daher auch keine profunde Kenntnis der Zweitsprache aufgebaut werden. 1.5.2. Sprachverteilung im Buchbesitz und bei den gelesenen Büchern Die Sprachverteilung im Buchbesitz der Eltern der untersuchten SchülerInnen ist klar zweigeteilt, entweder sind hauptsächlich Bücher in der Zweitsprache Deutsch vorhanden, oder es besteht ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Erst- und Zweitsprache. Diese Befunde ändern sich bei Betrachtung der Bücher, welche die SchülerInnen selbst besitzen, in diesem Fall sind es mehr als zwei Drittel der DaZ-Kinder, die Bücher nur in der Zweitsprache besitzen und auch lesen, und weniger als ein Drittel besitzt und liest in beiden Sprachen gleichermaßen. Noch deutlicher ist diese Verschiebung bei Betrachtung der Bücher, die für die Schule gelesen werden. Die Zweitsprache Deutsch wird also im Generationenverlauf deutlich wichtiger, dies lässt sich einerseits durch die deutschsprachige Umgebung in Schule und häufig auch in der Peergroup erklären, wodurch das Interesse und die Verwendung der Erstsprache deutlich abnimmt, andererseits aber auch durch einen erschwerten Zugang zu Büchern in der Erstsprache, was auch auf Bücher in Bibliotheken zutrifft, wie in den Interviews klar wurde. 3 Dies zeigt, dass das Interesse der SchülerInnen am Lesen in der Erstsprache, im Vergleich zu deren Eltern, deutlich geringer ist, und eine stärkere Bindung an die Zweitsprache Deutsch zu konstatieren ist. Es bleibt zu ver- 3 Im Lauf der Untersuchung wurden keine Daten zur Aufenthaltsdauer der Heranwachsenden in Österreich erhoben, aus diesem Grund können auch keine Aussagen darüber gemacht werden, ob es sich bei den ProbandInnen um DaZ-Kinder der ersten oder zweiten Generation handelt. 377 <?page no="378"?> muten, dass ein enger Zusammenhang mit mangelnder Sprachkompetenz und niedrigem Leseselbstkonzept für die Erstsprache besteht, wie es Brizic für die muttersprachliche Motivation und der Erstsprachenkompetenz feststellen konnte (vgl. Brizic 2007: 322). Diese Annahme deckt sich auch mit Aussagen der SchülerInnen bei den Leitfrageninterviews, wobei an dieser Stelle im Sinne der Schwellen- und Interdependenztheorie von Cummins (vgl. Ahrenholz 2008b: 72) für eine verstärkte Förderung der Erstsprache plädiert wird. Im Altersverlauf ist festzustellen, dass ein verstärktes Interesse an Texten in der Erstsprache im Alter von 14 Jahren auftritt, wobei dies allerdings nur eine kurzfristige Tendenz ist und die Zweitsprache Deutsch in allen Altersstufen dominant ist. 1.5.3. Sprachverwendung im Elternhaus und im Freundeskreis Elternhaus und Freundeskreis sind für DaZ-Kinder zwei verschiedene sprachliche Welten: Mit den Eltern und Verwandten dominiert die Verwendung der Erstsprache, wobei Mädchen beide Sprachen gleichermaßen präferieren. Im Umgang mit Freunden beschränkt man sich auf die Zweitsprache Deutsch. Parallel zur Entwicklung beim Lesen zeigt sich auch in der Sprachverwendung im Elternhaus ein Trend zur vermehrten Verwendung der Erstsprache, vor allem ab dem 13. Lebensjahr; im Freundeskreis wird im 14. Lebensjahr kurzfristig ebenfalls die Erstsprache verwendet, was allerdings nur von kurzer Dauer ist. Eine Erklärungsmöglichkeit für dieses Phänomen ist ein durch die Pubertät ausgelöstes verstärktes Interesse an den sprachlichen Wurzeln verbunden mit mangelnder Sprachkompetenz in der Erstsprache: Der Wunsch, die eigene Identität und die familiären Wurzeln stärker zu betonen, könnte sich in einer häufigeren Verwendung der Erstsprache im Elternhaus und Teilen des Freundeskreises manifestieren. Da jedoch in den meisten Fällen die erstsprachliche Sprachkompetenz der Heranwachsenden niedriger ist als jene in der Zweitsprache, ist anzunehmen, dass sich bei den Jugendlichen ein gewisses Frustrationsgefühl in der Verwendung der Erstsprache einstellt. Dies könnte sich auf lange Sicht insofern auf die Sprachverwendung auswirken, als dass sich der Trend der Verwendung der Erstsprache wieder legt und wieder vermehrt die Zweitsprache verwendet wird. Wie bereits an mehreren Stellen der vorliegenden Arbeit betont wurde, ist es für den Spracherwerb in der Migration und damit einhergehend für den Ausbau von Lesekompetenz und allgemein für die Freude am Lesen und die Beschäftigung mit Lektüre unerlässlich, den Faktor der Erstsprache mit einzubeziehen und zu fördern. Ohne profunde Kenntnisse der Erstsprache wird es nicht oder nur sehr schwer möglich sein, sich auch in der Zweitsprache zu profilieren. 378 <?page no="379"?> 2. Abschließende Überlegungen 2.1. Bezüge zum Pyramidenmodell Wie die Zusammenführung der Ergebnisse des empirischen Teils der vorliegenden Arbeit zeigen konnte, haben die zentralen fünf Kernfaktoren, nämlich der soziale Status, der Medienzugang im Elternhaus und der Kinder selbst, die Lesefreude und das Leseselbstkonzept, die bereits zu Beginn als steuernde Faktoren für den Verlauf und die Entwicklung der Lesekrise angesetzt wurden, tatsächlich in den meisten untersuchten Bereichen große Auswirkungen auf die verschiedenen Elemente der Lesekrise. Wie stark die Einflüsse dieser Faktoren sind, kann nicht festgestellt werden, dies ist ein Forschungsgebiet, das für spätere wissenschaftliche Untersuchungen offen bleibt. Im Detail zeigte sich, dass die fünf Kernfaktoren auf nahezu gleich viele untersuchte Elemente des Leseverhaltens Einfluss haben. Jedoch lässt sich feststellen, dass die Hypothese, die unteren Ebenen des Pyramidenmodells, nämlich die Sozialisationsinstanzen und der soziale Status der Familie, hätten einen weitreichenderen und nachhaltigeren Einfluss auf die oberen Ebenen als dies umgekehrt der Fall ist, durchaus zutrifft und somit auch das Modell der Lesesozialisation als Ko-Konstruktion (vgl. Groeben 2004 und Groeben/ Schroeder 2004, siehe Kapitel 1.1) auf die untersuchten Elemente des Leseverhaltens insofern zutrifft, als dass die Makro- und Mesoebene einen weit reichenden Einfluss auf die Mikroebene, die LeserInnen, haben. Im Folgenden sollen die Einflüsse der fünf Kernfaktoren auf sämtliche untersuchten Elemente des Leseverhaltens in einer Tabelle dargestellt werden: Die einzelnen Elemente des Leseverhaltens, die im Lauf der vorliegenden Untersuchung analysiert werden, stehen in der Tabelle jeweils unter den steuernden Faktoren, durch die sie beeinflusst werden. 379 <?page no="380"?> Basale Ebene Zweite Ebene Dritte Ebene Sozialstatus, soziales Umfeld der Familie Buchbesitz der Familie Buchbesitz der Kinder Lesefreude Leseselbstkonzept Medienumfeld Elternhaus Medienumfeld Elternhaus Mediennutzung Mediennutzung Präferierte Buchgenres Buchbesitz Familie Buchbesitz Kinder Anzahl gelesene Bücher Anzahl gelesene Bücher Anzahl gelesene Bücher Buchbesitz Kinder Mediennutzung Leseselbstkonzept Präferierte Buchgenres Buchlesefunktionen Mediennutzung Anzahl gelesene Bücher Lesefreude Buchlesefunktionen Gründe zu lesen Anzahl gelesene Bücher Leseselbstkonzept Präferierte Buchgenres Gründe zu lesen Lesehemmnisse Lesefreude Lesefreude Buchlesefunktionen Lesehemmnisse Elternvorbild Buchlesefunktionen Buchlesefunktionen Gründe zu lesen Elternvorbild Ermahnungen zu lesen Gründe zu lesen Gründe zu lesen Lesehemmnisse Ermahnungen zu lesen Anschlusskommunikation Elternvorbild Lesehemmnisse Anschlusskommunikation Anschlusskommunikation Lektüretipps Ermahnungen zu lesen Elternvorbild Lektüretipps Lektüretipps Lesefreude Schule Lektüretipps Ermahnungen zu lesen Lesefreude Schule Lesefreude Schule Schule verdirbt Lesefreude Schule verdirbt Lesefreude Anschlusskommunikation Schule verdirbt Lesefreude Schule verdirbt Lesefreude Passung der Texte Zahl gelesene Bücher Schule Lektüretipps Passung der Texte Passung der Texte Lehrerinteresse an Schülermeinung 380 <?page no="381"?> Sprach- und Leseförderung Lesefreude Schule Lehrerinteresse an Schülermeinung Lehrerinteresse an Schülermeinung Passung der Texte Zahl gelesene Bücher Schule Lehrerinteresse an Schülermeinung Sprach- und Leseförderung Sprach- und Leseförderung Tabelle 14: Wechselseitige Einflüsse der steuernden Faktoren Sozialstatus der Familie, soziales Umfeld: Der Sozialstatus auf der basalen Ebene beeinflusst 14 Elemente, darunter auch drei der vier anderen steuernden Faktoren, nämlich den Buchbesitz der Eltern und der Kinder sowie die Lesefreude, wie in der Ergebnisauswertung detailliert besprochen wurde. Diese Einflüsse lassen sich im Detail wie folgt festmachen: Je höher der soziale Status der Familie ist, desto vielfältiger ist deren Medienumfeld, je höher ist der Buchbesitz der Familie und der Heranwachsenden selbst, desto vielfältiger ist die Nutzung der Lesemedien der Heranwachsenden und je höher ist die Anzahl der gelesenen Bücher in der Freizeit sowie in der Schule und die Lesefreude. Außerdem übernimmt das Lesen für Kinder aus Familien mit hohem Sozialstatus mehr Funktionen, sie nennen mehr Gründe, aus denen sie zum Buch greifen, ihre Eltern sind ihnen ein besseres Lesevorbild und diese ermahnen sie auch zu häufigerem Lesen. Darüber hinaus bekommen Kinder mit höherem Sozialstatus mehr Lektüretipps, sie erfahren in ihrer Kindheit häufiger Sprach- und Leseförderung, allerdings sind sie aber auch eher der Meinung, die Schule verderbe die Lesefreude. Der Kernfaktor des Sozialstatus hat demnach einen sehr weit reichenden Effekt auf die zweite und dritte Ebene des Pyramidenmodells, wird seinerseits jedoch von keinem der anderen Faktoren direkt beeinflusst. Der Sozialstatus seinerseits kann zwar Elemente wie das Leseselbstkonzept oder die Lesehemmnisse nicht direkt beeinflussen, tut dies aber indirekt durch seine Effekte auf die Elemente der zweiten und dritten Ebene. Mediales Umfeld der Familie und der Kinder: Die meisten Elemente beeinflusst der Faktor des Buchbesitzes der Familie, nämlich 17 weitere Elemente. 381 <?page no="382"?> Ebenso hat der Buchbesitz der Kinder einen großen Einfluss, genauer gesagt auf 14 andere Elemente. Diese Einflüsse manifestieren sich folgendermaßen: Je höher der Buchbesitz der Familie, desto vielfältiger ist das Medienumfeld im Elternhaus, je mehr Bücher besitzen die Kinder selbst und je vielfältiger werden die verschiedenen Lesemedien genutzt. Außerdem lesen Kinder mit einem vielfältigen medialen Umfeld im Elternhaus mehr Bücher, haben ein höheres Leseselbstkonzept und eine höhere Lesefreude. Diese Heranwachsenden nutzen Bücher zu mehreren verschiedenen Funktionen, haben mehr Gründe, aufgrund derer sie lesen, allerdings werden sie auch durch mehr Umstände in ihrem Lesen gehemmt als Kinder mit einem weniger gut ausgestatteten medialen Umfeld. Eltern in Haushalten mit einer großen Ausstattung an Lesemedien sind ein besseres Lesevorbild als solche in Haushalten mit wenigen Lesemedien, ebenso ermahnen sie ihre Kinder häufiger zum Lesen und legen Wert auf Sprach- und Leseförderung im Kindesalter. Kinder aus Haushalten mit vielen Lesemedien sind darüber hinaus motivierter zu Anschlusskommunikation und lassen sich häufiger Lektüretipps geben als Kinder aus Haushalten mit weniger Lesemedien. Auch was das schulische Lesen betrifft sind Kinder aus Haushalten mit vielen Lesemedien positiver eingestellt, ihre schulische Lesefreude ist höher, sie sind eher der Meinung, dass die Texte im Deutschunterricht auf die Vorlieben der SchülerInnen abgestimmt sind und dass die Lehrer ein Interesse an der Meinung der SchülerInnen zu den Lesetexten haben, als dies Heranwachsende aus Haushalten mit weniger Lesemedien tun. Ganz ähnlich verhält es sich bei Betrachtung des Buchbesitzes der Kinder: Kinder mit vielen eigenen Büchern sind die vielfältigeren MediennutzerInnen, sie lesen mehr Bücher in der Freizeit, haben ein höheres Leseselbstkonzept und eine höhere Lesefreude als Kinder mit weniger eigenen Büchern. Der Buchbesitz der Kinder wirkt sich auch auf die bevorzugten Buchgenres aus. Darüber hinaus nennen Kinder mit vielen eigenen Büchern mehr Funktionen, die das Lesen für sie hat, mehr Gründe, aus denen sie lesen, aber auch mehr Gründe, warum sie nicht zum Lesen kommen. Sie kommunizieren lieber über ihre Lektüre und nehmen gerne Lektüretipps an. Der Buchbesitz der Kinder hat auch Auswirkungen auf das schulische Lesen, sie haben eine höhere Lesefreude, sind aber auch der Meinung, Schule verderbe die Lesefreude, sind der Meinung, dass die im Unterricht besprochenen Texte auf die Interessen der SchülerInnen abgestimmt sind und dass ihre Lehrpersonen Interesse an ihrer Meinung zu den gelesenen Texten haben. Auch hier zeigt sich, dass der Einfluss der zweiten Ebene auf die dritte Ebene sehr groß ist, jedoch dass dies umgekehrt nicht der Fall ist. Ob dieses Ergebnis tatsächlich uneingeschränkt gültig ist, sei dahingestellt, da sich beispielsweise zeigt, dass die dritte, oberste Ebene sehr wohl Einflüsse dar- 382 <?page no="383"?> auf hat, wie viele Bücher von den Heranwachsenden gelesen werden. Dies müsste sich demnach auch auf den Buchbesitz der Kinder auswirken, da sicher nicht alle Heranwachsenden auf Bibliotheken zurückgreifen können. Lesefreude, Leseselbstkonzept: Die Lesefreude der Heranwachsenden beeinflusst 17 weitere Elemente, das Leseselbstkonzept 13. Die Einflüsse zeigen im Detail, dass Kinder mit einer hohen Lesefreude auch die verschiedenen Lesemedien sehr intensiv nutzen und dass sie mehr Bücher in der Freizeit lesen als Kinder mit niedriger Lesefreude. Dieser Faktor wirkt sich auch auf die bevorzugten Buchgenres aus. Das Buchlesen hat für sie die vielfältigeren Funktionen, sie nennen mehr Gründe, aus denen sie lesen, aber auch mehr Hemmnisse, die sie vom Lesen abhalten. Vielfach sind die Eltern von Kindern mit hoher Lesefreude ein gutes Lesevorbild, sie ermahnen aber auch häufiger zum Lesen, ebenso ist frühkindliche Sprach- und Leseförderung für sie wichtiger als für Eltern von Kindern mit niedriger Lesefreude. Außerdem sind Kinder mit hoher Lesefreude eher geneigt, über ihre Lektüre zu kommunizieren und Lektüretipps anzunehmen. Auch das schulische Lesen wird durch die Lesefreude beeinflusst, Kinder mit hoher privater Lesefreude haben auch eine höhere schulische Lesefreude, lesen mehr Bücher in und für die Schule, sind eher der Meinung, dass die im Unterricht gelesenen Texte den Interessen der SchülerInnen entsprechen und dass die Lehrpersonen Interesse an der Meinung der Heranwachsenden über die gelesenen Texte haben, allerdings sind sie auch eher der Meinung, die Schule verderbe die Lesefreude. Das Leseselbstkonzept wirkt sich auf die bevorzugten Buchgenres aus, außerdem lesen Kinder mit hohem Leseselbstkonzept mehr Bücher, das Buchlesen erfüllt für sie mehr Funktionen und sie nennen mehr Gründe, warum sie lesen, als Kinder mit niedrigerem Leseselbstkonzept, sie nennen aber auch mehr Hemmnisse, die sie vom Lesen abhalten. Eltern von Kindern mit hohem Leseselbstkonzept sind ihren Kindern gute Lesevorbilder, ermahnen sie aber auch zum Lesen. Außerdem sind diese Heranwachsenden eher gewillt, über ihre Lektüre zu sprechen und Lektüretipps anzunehmen als Kinder mit niedrigerem Leseselbstkonzept. Auch schulisch wirkt sich dieser Faktor aus, Kinder mit hohem Leseselbstkonzept haben eine hohe schulische Lesefreude, sind eher der Meinung, die im Unterricht gelesenen Texte entsprechen den Interessen der SchülerInnen und die Lehrpersonen hätten Interesse an der Meinung der SchülerInnen über die gelesenen Texte, sie sind aber auch eher der Meinung, dass die Schule die Lesefreude verderbe. Diese Daten zeigen, dass auch die oberste, dritte Ebene des Pyramidenmodells einen weitreichenden Einfluss hat, jedoch hauptsächlich auf weitere Elemente derselben Ebene und nur indirekt auf die darunter liegende Ebene, wie bereits angemerkt wurde. 383 <?page no="384"?> Es zeigt sich, dass die basale Ebene des Pyramidenmodells, nämlich die Sozialisationsinstanzen und der soziale Status der Familie, einen weitreichenden Einfluss auf die oberen Ebenen hat. Die oberen Ebenen beeinflussen ihrerseits zwar auch die basale Ebene, jedoch deutlich schwächer. Hier soll noch einmal angemerkt werden, dass nur die Tatsache, ob Einflüsse von einer Ebene auf die anderen einwirken, festgestellt werden konnte. Wie stark die jeweilige Einflussnahme ist, kann nicht gesagt werden, dies herauszufiltern, bleibt späteren Forschungsprojekten überlassen. 2.2. Überprüfung der zentralen Hypothese und Beantwortung der Fragestellungen Zentral bei der Anlage und Erstellung der empirischen Untersuchung steht die Frage nach zentralen Faktoren der Lesekrise, im Detail, inwieweit sich das Leseverhalten und die Leseeinstellung von DaM- und DaZ-Kindern unterscheidet und im Altersverlauf verändert. Darüber hinaus war die Frage von Bedeutung, ob sich im Verlauf der Lesekrise und somit in den Lesegewohnheiten der DaZ-Kinder unterschiedliche Ausprägungen in Erst- und Zweitsprache lokalisieren lassen. Die zentrale Hypothese lautete wie folgt: Auch bei Jugendlichen, die eine andere Muttersprache als Deutsch haben, tritt eine Lesekrise auf, die sich in Faktoren wie Lesehäufigkeit oder Lektürepräferenzen manifestiert, egal, ob es sich um Lesetexte in der Erst- oder Zweitsprache handelt. Im Rahmen der Untersuchung sollte herausgefunden werden, wann bei DaM- und DaZ-Kindern eine Lesekrise auftritt, wie sich diese manifestiert und ob bzw. wie sie von den Kindern bewältigt wird. Die zentrale Hypothese kann bestätigt werden. Es konnte festgestellt werden, dass auch bei DaZ-Kindern eine deutliche Lesekrise auftritt, die sich in allen untersuchten Faktoren manifestiert. Die Lesekrise manifestiert sich bei DaM- und DaZ-Kindern in ganz ähnlicher Weise, beispielsweise durch eine Reduktion des eigenen Buchbestandes, Veränderungen in den präferierten Lesemedien, der Lesequantität und der Lesefreude, die bereits hinreichend beschrieben wurde. Von großer Bedeutung ist hier die genaue zeitliche Lokalisierung der Veränderungen bei den verschiedenen Faktoren der Lesekrise, die ebenfalls detailliert wiedergegeben wurden. Diese Ergebnisse sind deshalb von großer 384 <?page no="385"?> Wichtigkeit, da so detaillierte Ergebnisse zum Altersverlauf der Lesekrise in der Forschungslandschaft bisher noch nicht vorhanden sind. Es konnte festgestellt werden, dass der Buchbestand sowohl von DaMals auch von DaZ-Kindern zwischen dem Alter von 12 und 13 Jahren drastisch absinkt, was ein eindeutiges Indiz für die Lesekrise ist. Auffällig dabei ist, dass sich der Buchbestand der DaM-Kinder relativ schnell erholt, während jener der DaZ-Kinder konstant niedrig bleibt. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Lesemedien ist bei DaM-Kindern der Kernpunkt der Lesekrise rund um das 13. Lebensjahr anzusetzen, während dies bei DaZ- Kindern je nach Lesemedium und unter Einbeziehung von Erst- und Zweitsprache differiert. Was die Leseintensität betrifft, so nimmt diese in beiden Gruppen ab, jedoch beginnt diese Entwicklung bei DaZ-Kindern rund um das 12. Lebensjahr, während DaM-Kinder ab 13 Jahren weniger lesen. Dies trifft auch auf die Wahl der Lesestoffe zu, vor allem die Beliebtheit der Bücher nimmt ab dem 13. Lebensjahr ab, während alle anderen Lesemedien ab diesem Alter leicht zulegen. Bei DaZ-Kindern liegt eine höhere Diversität in den Leseinteressen vor, was bei DaM-Kindern nicht der Fall ist. Was die Buchgenres betrifft präferieren DaZ-Kinder sprachlich leichtere Genres wie Comics, lustige Bücher oder Abenteuergeschichten. Veränderungen bei den Buchgenres treten in der Zweitsprache Deutsch rund um das 13. Lebensjahr auf, in der Erstsprache um das 12. Lebensjahr. Auch bei DaM-Kindern sind diese Veränderungen ab dem 12. Lebensjahr zu beobachten. Ziel der vorliegenden Untersuchung war es herauszufinden, wann bei DaM- und DaZ-Kindern eine Lesekrise auftritt, ob sich diese in Faktoren wie Lesehäufigkeit oder Lektürepräferenzen manifestiert und ob bzw. wie sie von den Kindern bewältigt wird. Dieses Ziel konnte erreicht werden. Die vorliegende Dissertation soll einen Querschnitt des Leseverhaltens und der Lesegewohnheiten von Kindern und Jugendlichen mit deutscher und nichtdeutscher Muttersprache im Alter von 12 bis 15 Jahren erstellen, was durchaus als gelungen angesehen werden kann. Auf diese Weise konnten Entwicklungen und Veränderungen im Leseverhalten in einem zeitlichen Verlauf dargestellt werden, um die Lesekrise zeitlich möglichst genau einordnen zu können. Auch dieses Ziel konnte mit der vorliegenden Arbeit erreicht werden. 2.3. Fazit der empirischen Studie und Ausblick Die vorliegende Studie hat sich erstmals in der aktuellen Forschungsliteratur mit den Veränderungen im Leseverhalten von Kindern und Jugendlichen mit Deutsch als Erstsprache sowie Deutsch als Zweitsprache im Alter von 12 bis 15 Jahren beschäftigt und legte einen Fokus auf den zeitlichen Verlauf 385 <?page no="386"?> der Lesekrise. Die zentrale Hypothese, die dieser Arbeit zugrunde liegt, konnte durch die Analyse des empirischen Teils bestätigt werden: Zwischen dem 12. und 16. Lebensjahr tritt sowohl bei DaM-, als auch bei DaZ-Kindern eine Lesekrise auf, die sich bei den verschiedensten Faktoren der Lesekrise zeigt. Die Resultate zeigen deutlich, dass nicht pauschal von einer Lesekrise gesprochen werden kann, die verschiedenen Ausprägungen der Lesekrise verändern sich nicht alle gleichzeitig, sondern stets unterschiedlich, ebenfalls zwischen DaM- und DaZ-Kindern, wie im vorherigen Kapitel detailliert beschrieben wurde. Es zeigten sich deutliche Veränderungen der Medienfunktionen und Medienpräferenzen im Altersverlauf: Sämtliche Funktionen des Buches spielen im Altersverlauf eine zunehmend geringere Rolle, auch die Präferenzen der Lesemedien ändern sich. Zeitungen und das Internet werden mit zunehmendem Alter stärker präferiert, während das Medium Buch und sämtliche Genres an Bedeutung verlieren. Ebenso kann bestätigt werden, dass die im Vorfeld angenommenen zentralen, steuernden Faktoren, die im Pyramidenmodell skizziert wurden, nämlich der soziale Hintergrund, das mediale Umfeld, die Lesefreude und das Leseselbstkonzept sowie das Alter einen großen Einfluss auf das Leseverhalten der Heranwachsenden haben. Offene Fragen bleiben: Zunächst ist es für die spätere Forschung wichtig herauszufinden, wie stark die untersuchten Faktoren auf die verschiedenen Elemente der Lesekrise einwirken, dies konnte im Rahmen dieser Untersuchung nicht geklärt werden. Außerdem ist es von großer Bedeutung, weitere Forschungsvorhaben mit einer größeren Stichprobe an ProbandInnen durchzuführen, um die Gültigkeit der Ergebnisse zu überprüfen und auf die Gesamtpopulation ausweiten zu können. Ebenso wäre es interessant, anstatt einer Querschnittstudie eine Longitudinalstudie durchzuführen, um einen etwaigen Kohorteneffekt zu vermeiden und tatsächliche Entwicklungen beobachten zu können. Der Faktor Schule sowie schulische Sprach- und Leseförderung wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit zwar gestreift, allerdings nicht als zentrales Thema behandelt. Auch hier wären zukünftige Forschungsprojekte anzusetzen, um den Zusammenhang zwischen dem Leseverhalten, den Ausprägungen der Lesekrise und der schulischen Sprach- und Leseförderung genauer zu beleuchten. Von Interesse ist es darüber hinaus, wie sich die Lesekompetenz von DaM- und DaZ-Kindern, letzterer in Erst- und Zweitsprache, im Verlauf der Lesekrise entwickelt. Dies könnte durch einen zusätzlichen Lesekompetenztest erhoben werden. 386 <?page no="387"?> Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Ebenen und Akteure der Lesesozialisation ............................... 20 Abbildung 2: Das Grundmodell der soziologischen Erklärung nach Esser .. 21 Abbildung 3: Verlaufsformen der Lesesozialisation nach Graf ...................... 26 Abbildung 4: Allgemeine Themeninteressen nach Süss (2000)....................... 52 Abbildung 5: Sinkende Unlust am Deutschunterricht in der Volksschule nach Plath/ Richter 2003 ........................................................ 81 Abbildung 6: Pyramidenmodell: Faktoren der Lesekrise ................................ 83 Abbildung 7: Pyramidenmodell: Steuernde Faktoren ..................................... 89 Abbildung 8: Höchste Ausbildung der Eltern................................................. 127 Abbildung 9: Beruf der Eltern ........................................................................... 128 Abbildung 10: Sozialstatus................................................................................. 129 Abbildung 11: Medienzugang DaM/ DaZ ....................................................... 131 Abbildung 12: Medienzugang nach Sozialstatus ............................................ 132 Abbildung 13: Medienzugang nach Buchbesitz im Elternhaus .................... 133 Abbildung 14: Buchbesitz im Elternhaus......................................................... 134 Abbildung 15: Buchbesitz im Elternhaus nach Sozialstatus.......................... 135 Abbildung 16: Buchbesitz der Kinder .............................................................. 137 Abbildung 17: Buchbesitz der Kinder nach Geschlecht ................................. 138 Abbildung 18: Buchbesitz Kinder DaM im Altersverlauf.............................. 139 Abbildung 19: Buchbesitz Kinder DaZ im Altersverlauf............................... 139 Abbildung 20: Mediennutzung nach Sozialstatus .......................................... 142 Abbildung 21: Mediennutzung nach Buchbesitz im Elternhaus .................. 143 Abbildung 22: Mediennutzung nach Lesefreude ........................................... 145 Abbildung 23: Mediennutzung Deutsch DaM/ DaZ ...................................... 146 Abbildung 24: Mediennutzung DaZ ................................................................ 146 Abbildung 25: Mediennutzung im Altersverlauf DaM.................................. 147 Abbildung 26: Mediennutzung im Altersverlauf DaZ Dt. ............................ 148 Abbildung 27: Mediennutzung im Altersverlauf DaZ L1 ............................. 149 Abbildung 28: Mediennutzung nach Leseselbstkonzept DaM ..................... 152 Abbildung 29: Mediennutzung nach Leseselbstkonzept DaZ Dt. ................ 153 Abbildung 30: Mediennutzung nach Leseselbstkonzept DaZ L1................. 154 Abbildung 31: Anzahl gelesener Bücher DaM/ DaZ ...................................... 156 Abbildung 32: Anzahl gelesener Bücher nach Lesefreude ............................ 156 Abbildung 33: Anzahl gelesener Bücher nach Leseselbstkonzept................ 157 Abbildung 34: Anzahl gelesener Bücher DaM ................................................ 158 Abbildung 35: Anzahl gelesener Bücher DaZ ................................................. 159 Abbildung 36: Anzahl gelesener Bücher nach Sozialstatus........................... 160 Abbildung 37: Sprachen gelesene Bücher nach Buchbesitz Elternhaus....... 162 Abbildung 38: Sprachen gelesene Bücher nach LSK ...................................... 163 387 <?page no="388"?> Abbildung 39: Sprachen gelesene Bücher im Altersverlauf DaZ ................. 164 Abbildung 40: Leseselbstkonzept DaM nach Geschlecht .............................. 165 Abbildung 41: Leseselbstkonzept DaZ nach Geschlecht ............................... 166 Abbildung 42: Leseselbstkonzept nach Sozialstatus ...................................... 167 Abbildung 43: Leseselbstkonzept nach Buchbesitz im Elternhaus .............. 168 Abbildung 44: Leseselbstkonzept nach Buchbesitz der Kinder .................... 169 Abbildung 45: Leseselbstkonzept nach Lesefreude........................................ 170 Abbildung 46: Leseselbstkonzept DaM/ DaZ.................................................. 171 Abbildung 47: Leseselbstkonzept im Altersverlauf DaM.............................. 172 Abbildung 48: Leseselbstkonzept im Altersverlauf DaZ Dt.......................... 173 Abbildung 49: Leseselbstkonzept im Altersverlauf DaZ L1.......................... 174 Abbildung 50: Lesefreude nach Buchbesitz im Elternhaus ........................... 176 Abbildung 51: Lesefreude nach Buchbesitz der Kinder................................ 177 Abbildung 52: Lesefreude DaM/ DaZ im Altersvergleich............................. 178 Abbildung 53: Beliebtheit Zeitungen/ Zeitschriften und Internet/ Chat nach Sozialstatus............................................................... 179 Abbildung 54: Beliebtheit Zeitungen/ Zeitschriften und Internet/ Chat nach Buchbesitz im Elternhaus ....................................... 180 Abbildung 55: Beliebtheit Zeitungen/ Zeitschriften und Internet/ Chat nach Buchbesitz der Kinder ............................................ 180 Abbildung 56: Beliebtheit Zeitungen/ Zeitschriften und Internet/ Chat nach Lesefreude ................................................................ 181 Abbildung 57: Beliebtheit Zeitungen/ Zeitschriften und Internet/ Chat bei DaM/ DaZ.................................................................... 182 Abbildung 58: Beliebtheit Zeitungen/ Zeitschriften und Internet/ Chat im Altersverlauf DaM ...................................................... 183 Abbildung 59: Beliebtheit Zeitungen/ Zeitschriften und Internet/ Chat im Altersverlauf DaZ (Dt./ L1)........................................ 183 Abbildung 60: Beliebtheit Zeitungen/ Zeitschriften und Internet/ Chat nach Leseselbstkonzept DaM.......................................... 185 Abbildung 61: Beliebtheit Zeitungen/ Zeitschriften und Internet/ Chat nach Leseselbstkonzept DaZ Dt...................................... 186 Abbildung 62: Beliebtheit Zeitungen/ Zeitschriften und Internet/ Chat nach Leseselbstkonzept DaZ L1 ..................................... 187 Abbildung 63: Präferierte Buchgenres DaM/ DaZ.......................................... 189 Abbildung 64: Beliebtheit Krimis/ Thriller Dt. im Altersverlauf DaM ........ 192 Abbildung 65: Beliebtheit Krimis/ Thriller im Altersverlauf DaZ................ 192 Abbildung 66: Beliebtheit Abenteuergeschichten im Altersverlauf DaM ... 194 Abbildung 67: Beliebtheit Abenteuergeschichten im Altersverlauf DaZ .... 194 Abbildung 68: Beliebtheit lustige Bücher im Altersverlauf DaM ................. 196 Abbildung 69: Beliebtheit lustige Bücher im Altersverlauf DaZ .................. 196 Abbildung 70: Beliebtheit Science-Fiction/ Fantasy-Bücher im ......................... Altersverlauf DaM...................................................................................... 198 388 <?page no="389"?> Abbildung 71: Beliebtheit Science-Fiction/ Fantasy-Bücher im Altersverlauf DaZ....................................................................................... 198 Abbildung 72: Beliebtheit Comics im Altersverlauf DaM ............................. 200 Abbildung 73: Beliebtheit Comics im Altersverlauf DaZ .............................. 200 Abbildung 74: Beliebtheit Tierbücher im Altersverlauf DaM ....................... 202 Abbildung 75: Beliebtheit Tierbücher im Altersverlauf DaZ ........................ 203 Abbildung 76: Beliebtheit Jugendromane im Altersverlauf DaM ................ 204 Abbildung 77: Beliebtheit Jugendromane im Altersverlauf DaZ ................. 205 Abbildung 78: Beliebtheit Sport-Bücher im Altersverlauf DaM ................... 206 Abbildung 79: Beliebtheit Sport-Bücher im Altersverlauf DaZ .................... 207 Abbildung 80: Beliebtheit Lern-Bücher im Altersverlauf DaM .................... 208 Abbildung 81: Beliebtheit Lern-Bücher im Altersverlauf DaZ ..................... 209 Abbildung 82: Beliebtheit Liebesromane im Altersverlauf DaM.................. 210 Abbildung 83: Beliebtheit Liebesromane im Altersverlauf DaZ................... 210 Abbildung 84: Beliebtheit Gedichte im Altersverlauf DaM .......................... 212 Abbildung 85: Beliebtheit Gedichte im Altersverlauf DaZ............................ 212 Abbildung 86: Buchlesefunktionen Dt. ............................................................ 215 Abbildung 87: Buchlesefunktionen DaZ .......................................................... 216 Abbildung 88: Buchlesefunktionen nach Sozialstatus ................................... 219 Abbildung 89: Buchlesefunktionen nach Lesefreude ..................................... 221 Abbildung 90: Buchlesefunktionen nach Leseselbstkonzept DaM............... 222 Abbildung 91: Buchlesefunktionen nach Leseselbstkonzept DaZ Dt. ......... 223 Abbildung 92: Buchlesefunktionen nach Leseselbstkonzept DaZ L1 .......... 224 Abbildung 93: Buchlesefunktionen nach Buchbesitz im Elternhaus............ 225 Abbildung 94: Buchlesefunktionen im Altersverlauf DaM ........................... 227 Abbildung 95: Unterhaltungsfunktion DaZ .................................................... 229 Abbildung 96: Informationsfunktion DaZ ....................................................... 230 Abbildung 97: Entspannungsfunktion DaZ .................................................... 230 Abbildung 98: Ratgeberfunktion DaZ .............................................................. 231 Abbildung 99: Regenerationsfunktion DaZ..................................................... 232 Abbildung 100: NichtleserInnen DaZ............................................................... 232 Abbildung 101: Lesegelegenheiten nach Lesefreude ..................................... 235 Abbildung 102: Lesegelegenheiten nach Leseselbstkonzept DaM ............... 236 Abbildung 103: Lesegelegenheiten nach Leseselbstkonzept DaZ L1........... 237 Abbildung 104: Lesegelegenheiten nach Leseselbstkonzept DaZ Dt. .......... 238 Abbildung 105: Lesegelegenheiten DaM ......................................................... 239 Abbildung 106: Lesegelegenheiten DaZ........................................................... 239 Abbildung 107: Lesegelegenheiten im Altersverlauf DaM............................ 240 Abbildung 108: Lesen Alleinsein im Altersverlauf DaZ ................................ 241 Abbildung 109: Lesen fehlende Beschäftigung im Altersverlauf DaZ......... 242 Abbildung 110: Lesen aus Langeweile im Altersverlauf DaZ....................... 243 Abbildung 111: Lesegelegenheiten Dt. im Altersverlauf DaZ ...................... 243 Abbildung 112: Lesegelegenheiten L1 im Altersverlauf DaZ ....................... 244 389 <?page no="390"?> Abbildung 113: Lesehemmnisse nach Geschlecht .......................................... 246 Abbildung 114: Lesehemmnisse nach Sozialstatus......................................... 247 Abbildung 115: Lesehemmnisse nach Buchbesitz im Elternhaus................. 249 Abbildung 116: Lesehemmnisse nach Buchbesitz der Kinder ...................... 250 Abbildung 117: Lesehemmnisse nach Lesefreude .......................................... 251 Abbildung 118: Lesehemmnisse DaM/ DaZ.................................................... 253 Abbildung 119: Hemmnis Unternehmungen im Altersverlauf .................... 254 Abbildung 120: Hemmnis andere Hobbys im Altersverlauf......................... 255 Abbildung 121: Hemmnis Sport im Altersverlauf .......................................... 256 Abbildung 122: Hemmnis Computer im Altersverlauf ................................. 257 Abbildung 123: Hemmnis Fernsehen im Altersverlauf ................................. 257 Abbildung 124: Hemmnis Hausaufgaben im Altersverlauf.......................... 258 Abbildung 125: Hemmnis interessante Texte im Altersverlauf.................... 259 Abbildung 126: Hemmnis Anstrengung im Altersverlauf ............................ 260 Abbildung 127: Leseumfeld nach Sozialstatus................................................ 266 Abbildung 128: Leseumfeld nach Buchbesitz der Eltern ............................... 267 Abbildung 129: Leseumfeld nach Buchbesitz der Kinder ............................. 267 Abbildung 130: Leseumfeld nach Lesefreude ................................................. 268 Abbildung 131: Leseumfeld nach Leseselbstkonzept..................................... 269 Abbildung 132: Leseumfeld DaM/ DaZ ........................................................... 269 Abbildung 133: Leseumfeld im Altersverlauf DaM ....................................... 270 Abbildung 134: Leseumfeld im Altersverlauf DaZ ........................................ 271 Abbildung 135: Anschlusskommunikation nach Geschlecht........................ 273 Abbildung 136: Anschlusskommunikation nach Sozialstatus ...................... 274 Abbildung 137: Anschlusskommunikation nach Buchbesitz im Elternhaus .......................................................................... 275 Abbildung 138: Anschlusskommunikation nach Buchbesitz der Kinder.... 276 Abbildung 139: Anschlusskommunikation nach Lesefreude ....................... 278 Abbildung 140: Anschlusskommunikation nach Leseselbstkonzept........... 279 Abbildung 141: Anschlusskommunikation DaM/ DaZ ................................. 280 Abbildung 142: Anschlusskommunikation DaM im Altersverlauf.............. 281 Abbildung 143: Anschlusskommunikation DaZ im Altersverlauf............... 282 Abbildung 144: Lektüretipps nach Geschlecht................................................ 284 Abbildung 145: Lektüretipps nach Sozialstatus.............................................. 286 Abbildung 146: Lektüretipps nach Buchbesitz im Elternhaus ...................... 287 Abbildung 147: Lektüretipps nach Buchbesitz der Kinder ........................... 289 Abbildung 148: Lektüretipps nach Lesefreude ............................................... 290 Abbildung 149: Lektüretipps DaM/ DaZ ......................................................... 291 Abbildung 150: Lektüretipps im Altersverlauf DaM ..................................... 293 Abbildung 151: Lektüretipps im Altersverlauf DaZ ...................................... 294 Abbildung 152: Lesefreude Schule nach Geschlecht ...................................... 298 Abbildung 153: Lesefreude Schule nach Sozialstatus .................................... 299 Abbildung 154: Lesefreude Schule nach Buchbesitz der Eltern.................... 300 390 <?page no="391"?> Abbildung 155: Lesefreude Schule nach Buchbesitz der Kinder .................. 301 Abbildung 156: Lesefreude Schule nach Lesefreude Freizeit........................ 301 Abbildung 157: Lesefreude Schule nach Leseselbstkonzept ......................... 302 Abbildung 158: Lesefreude Schule im Altersverlauf DaM ............................ 303 Abbildung 159: Lesefreude Schule im Altersverlauf DaZ ............................. 304 Abbildung 160: Texte im DU nach Geschlecht................................................ 305 Abbildung 161: Texte im DU nach Sozialstatus .............................................. 306 Abbildung 162: Texte im DU nach Buchbesitz im Elternhaus ...................... 307 Abbildung 163: Texte im DU nach Buchbesitz der Kinder............................ 308 Abbildung 164: Texte im DU nach Lesefreude ............................................... 308 Abbildung 165: Texte im DU DaM/ DaZ ......................................................... 309 Abbildung 166: Texte im DU im Altersverlauf DaM...................................... 310 Abbildung 167: Texte im DU im Altersverlauf DaZ....................................... 310 Abbildung 168: Lehrerinteresse an Schülermeinung nach Geschlecht ........ 312 Abbildung 169: Lehrerinteresse an Schülermeinung nach Sozialstatus ...... 312 Abbildung 170: Lehrerinteresse an Schülermeinung nach Buchbesitz im Elternhaus................................................................. 313 Abbildung 171: Lehrerinteresse an Schülermeinung nach Buchbesitz der Kinder ...................................................................... 314 Abbildung 172: Lehrerinteresse an Schülermeinung nach Lesefreude........ 315 Abbildung 173: Lehrerinteresse an Schülermeinung DaM/ DaZ ................. 316 Abbildung 174: Lehrerinteresse an Schülermeinung im Altersverlauf DaM ................................................................................ 317 Abbildung 175: Lehrerinteresse an Schülermeinung im Altersverlauf DaZ ................................................................................. 317 Abbildung 176: Bücher Schule nach Geschlecht ............................................. 319 Abbildung 177: Bücher Schule nach Sozialstatus ........................................... 320 Abbildung 178: Bücher Schule nach Buchbesitz im Elternhaus.................... 321 Abbildung 179: Bücher Schule nach Buchbesitz der Kinder ......................... 322 Abbildung 180: Bücher Schule nach Lesefreude Freizeit............................... 323 Abbildung 181: Bücher Schule nach LSK ......................................................... 324 Abbildung 182: Bücher Schule DaM / DaZ..................................................... 325 Abbildung 183: Bücher Schule im Altersverlauf DaM ................................... 326 Abbildung 184: Bücher Schule im Altersverlauf DaZ .................................... 327 Abbildung 185: Sprache Bücher Schule nach Geschlecht .............................. 328 Abbildung 186: Sprache Bücher Schule nach Buchbesitz im Elternhaus..... 329 Abbildung 187: Sprache Bücher Schule nach Buchbesitz der Kinder .......... 330 Abbildung 188: Sprache Bücher Schule nach Lesefreude .............................. 331 Abbildung 189: Sprache Bücher Schule im Altersverlauf.............................. 332 Abbildung 190: Frühkindliche Sprachförderung nach Geschlecht .............. 334 Abbildung 191: Frühkindliche Sprachförderung nach Sozialstatus............. 335 Abbildung 192: Frühkindliche Sprachförderung nach Buchbesitz im Elternhaus .......................................................................... 336 391 <?page no="392"?> Abbildung 193: Frühkindliche Sprachförderung nach Buchbesitz der Kinder ............................................................................... 337 Abbildung 194: Frühkindliche Sprachförderung nach Lesefreude .............. 337 Abbildung 195: Frühkindliche Sprachförderung nach Leseselbstkonzept . 338 Abbildung 196: Frühkindliche Sprachförderung DaM / DaZ ...................... 339 Abbildung 197: Sprachen Vorlesen nach Geschlecht ..................................... 340 Abbildung 198: Sprachen Vorlesen nach Sozialstatus.................................... 341 Abbildung 199: Sprachverwendung im Elternhaus und Freundeskreis ..... 344 Abbildung 200: Sprachverwendung nach Geschlecht ................................... 345 Abbildung 201: Sprachverwendung im Elternhaus nach Sozialstatus ........ 346 Abbildung 202: Sprachverwendung im Freundeskreis nach Sozialstatus .. 347 Abbildung 203: Sprachverwendung im Elternhaus nach Sprache der Bücher im Haushalt .................................................... 348 Abbildung 204: Sprachverwendung im Freundeskreis nach Sprache der Bücher im Haushalt.............................................................. 348 Abbildung 205: Sprachverwendung im Elternhaus nach Sprache der Bücher der Kinder ................................................................ 349 Abbildung 206: Sprachverwendung im Freundeskreis nach Sprache der Bücher der Kinder ................................................................ 350 Abbildung 207: Sprachverwendung im Elternhaus nach Sprache Bücher Freizeit ............................................................................. 350 Abbildung 208: Sprachverwendung im Freundeskreis nach Sprache Bücher Freizeit ............................................................................. 351 Abbildung 209: Sprachverwendung im Elternhaus im Altersverlauf ......... 352 Abbildung 210: Sprachverwendung im Freundeskreis im Altersverlauf.... 353 392 <?page no="393"?> Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Gesamtdatensatz der Fragebogenuntersuchung........................... 102 Tabelle 2: Altersstruktur..................................................................................... 103 Tabelle 3: Verteilung nach Geschlecht.............................................................. 104 Tabelle 4: Höchste Ausbildung der Eltern ....................................................... 125 Tabelle 5: Beruf der Eltern.................................................................................. 126 Tabelle 6: Mediennutzung 15-Jährige ............................................................... 150 Tabelle 7: Mediennutzung 12-Jährige ............................................................... 151 Tabelle 8: Zusammensetzung der Leseselbstkonzeptgrade .......................... 165 Tabelle 9: Übersicht über die Buchlesefunktionen.......................................... 214 Tabelle 10: Buchlesefunktionen nach Geschlecht............................................ 217 Tabelle 11: Übersicht über die Lesehemmnisse............................................... 245 Tabelle 12: Anschlusskommunikation Gesamtgruppe .................................. 272 Tabelle 13: Lektüretipps Gesamtgruppe .......................................................... 284 Tabelle 14: Wechselseitige Einflüsse der steuernden Faktoren..................... 381 Tabelle 15: Sozialer Hintergrund der Familien ............................................... 426 393 <?page no="395"?> Literaturverzeichnis 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Ergänzende Tabellen zur Fragebogenerhebung 409 <?page no="411"?> Fragebogen Mit diesem Fragebogen möchte ich etwas darüber erfahren, wie gerne du liest, wie oft du liest, und in welchen Situationen du liest. Bitte beantworte alle Fragen, ohne eine auszulassen! Vielen Dank! • Zu Beginn möchte ich dir einige Fragen zu deiner Person stellen. 1a Trage hier dein Kürzel ein, das aus den ersten beiden Buchstaben deines Vor- und Nachnamens besteht. Z.B.: Max Müller - MaMü ______________________________________________________ 1b Kreuze an: Ich bin… o männlich o weiblich 2 Dein Geburtsjahr: _________________________________________ 3 Deine Schule: _________________________________________ 4 Deine Klasse: _________________________________________ 5 Deine Muttersprache: _________________________________________ 6 Was ist die höchste Ausbildung deiner Eltern? Bitte kreuze an: 6a Pflichtschule o 6b Lehre, Berufsbildende mittlere Schule, Meisterprüfung, Krankenpflegeausbildung o 6c Matura o 6d Universität, Pädagogische Hochschule, Sozialakademie o 6e Weiß ich nicht o 6f Welche Berufe haben deine Eltern? _________________________________ • Mit den nächsten Fragen möchte ich einiges über deine Schule und den Deutschunterricht erfahren. stimmt völlig stimmt eher stimmt eher nicht stimmt gar nicht 7a In der Freizeit lese ich gerne. o o o o 7b Ich lese gerne Texte für die Schule. o o o o 411 <?page no="412"?> stimmt völlig stimmt eher stimmt eher nicht stimmt gar nicht 7c Im Deutschunterricht werden auch Bücher besprochen, die mich interessieren. o o o o 7d Ich würde gerne mein Lieblingsbuch im Deutschunterricht vorstellen. o o o o 7e Der Lehrer / die Lehrerin interessiert sich dafür, was ich über ein Buch denke. o o o o 7f In der Schule geht es nur um den Inhalt eines Buches, ob mir das Buch gefällt, interessiert niemanden. o o o o 7g Der Deutschunterricht verdirbt mir die Freude am Lesen. o o o o • Wie ist es bei dir zu Hause? 8 Wir haben zu Hause … ja nein 8a … eine Tageszeitung. o o 8b … eine Wochenzeitung. o o 8c … Zeitschriften. o o 8d … einen Computer / Laptop. o o 8e … Internet. o o 9a Wie viele Bücher gibt es bei dir zu Hause ungefähr? (Anzahl / Meter / Regale voll…) _________________________________________ 10a Wie viele Bücher gehören dir ungefähr? (Anzahl / Meter / Regale voll…) _________________________________________ 412 <?page no="413"?> • Mit den folgenden Fragen möchte ich deine Lesegewohnheiten näher kennen lernen. 11 Ich lese oft … stimmt völlig stimmt eher stimmt eher nicht stimmt gar nicht 11a … eine Tageszeitung. o o o o 11b ... Bücher. o o o o 11c ... Zeitschriften. o o o o 11d … auf Homepages im Internet oder Chats.. o o o o 12a Wie viele Bücher hast du im letzten Jahr in deiner Freizeit gelesen? __________________ 13a Wie viele Bücher hast du im letzten Jahr für die Schule gelesen? __________________ 14 Ich lese Bücher … stimmt völlig stimmt eher stimmt eher nicht stimmt gar nicht 14a … zur Unterhaltung o o o o 14b ... zur Information. o o o o 14c ... zum Entspannen. o o o o 14d …, um Rat und Hilfe zu erhalten. o o o o 14e …, wenn ich allein bin. o o o o 14f …, wenn ich nichts anderes vorhabe. o o o o 14g …, um alles um mich herum zu vergessen. o o o o 14h … aus Langeweile. o o o o 14i Ich lese nie Bücher. o o o o 15 Ich lese gerne … stimmt völlig stimmt eher stimmt eher nicht stimmt gar nicht 15a … Krimis/ Thriller. o o o o 15b … Abenteuergeschichten. o o o o 15c … lustige Bücher. o o o o 15d … Science-Fiction/ Fantasy- Bücher. o o o o 15e ... Comics. o o o o 15f ... Tierbücher. o o o o 413 <?page no="414"?> stimmt völlig stimmt eher stimmt eher nicht stimmt gar nicht 15g ... Jugendromane. o o o o 15h ... Sport-Bücher. o o o o 15i ... Bücher, aus denen ich etwas lernen kann. o o o o 15j ... Liebesromane. o o o o 15k ... Gedichte. o o o o 15l Ich lese gerne etwas anders, nämlich: _____________________________ stimmt völlig stimmt eher stimmt eher nicht stimmt gar nicht 16a Ich lese gerne Zeitungen und Zeitschriften. o o o o 17a Ich lese gerne auf Homepages im Internet oder Chats. o o o o stimmt völlig stimmt eher stimmt eher nicht stimmt gar nicht 18a Lesen ist anstrengend. o o o o 18b Ich habe andere Hobbys als zu lesen. o o o o 18c Ich unternehme lieber etwas mit Freunden, als zu lesen. o o o o 18d Ich habe viele Hausaufgaben und habe dann keine Zeit mehr zu lesen. o o o o 18e Ich mache lieber etwas mit dem Computer, als zu lesen. o o o o 18f Ich mache lieber Sport, als zu lesen. o o o o 18g Ich weiß nichts Interessantes, was ich lesen könnte. o o o o 18h Ich sehe lieber fern, als zu lesen. o o o o 414 <?page no="415"?> 19 Wie gut kannst du lesen? Kreuze an, was zutrifft! 19a Ich kann sehr gut lesen. o 19b Ich kann ziemlich gut lesen. o 19c Ich habe manchmal Probleme beim Lesen. o 19d Ich tue mir beim Lesen ziemlich schwer. o 19e Ich kann gar nicht lesen. o 20 Über Bücher, die ich gelesen habe, spreche ich… stimmt völlig stimmt eher stimmt eher nicht stimmt gar nicht 20a …mit meinen Geschwistern. o o o o 20b … mit meinen Eltern. o o o o 20c … mit meinen Freunden. o o o o 20d … mit meinen Mitschülern. o o o o 20e … mit meinen Lehrern. o o o o 21 Tipps über interessante Bücher, Zeitschriften oder Internetseiten, bekomme ich… stimmt völlig stimmt eher stimmt eher nicht stimmt gar nicht 21a …von meinen Geschwistern. o o o o 21b … von meinen Eltern. o o o o 21c … von meinen Freunden. o o o o 21d … von meinen Mitschülern. o o o o 21e … von meinen Lehrern. o o o o 22 stimmt völlig stimmt eher stimmt eher nicht stimmt gar nicht 22a Meine Eltern möchten, dass ich mehr lese. o o o o 22b Bei uns liest die ganze Familie gern. o o o o 415 <?page no="416"?> • Zum Schluss möchte ich noch etwas über das Lesen in deiner Kindheit erfahren. stimmt völlig stimmt eher stimmt eher nicht stimmt gar nicht 25a Als ich noch klein war, wurde mir jeden Abend eine Geschichte vorgelesen oder erzählt. o o o o 26 Ich habe in meiner Kindheit Abzählreime, Kinderlieder oder Gedichte auswendig gelernt. o o o o 27 Hast du früher anders gelesen als heute - andere Themen, mehr oder weniger Bücher als heute, hat dir Lesen mehr oder weniger Spaß gemacht als heute? An dieser Stelle kannst du alles dazu aufschreiben, was dir einfällt. Vielen Dank! 416 <?page no="417"?> Fragebogen Mit diesem Fragebogen möchte ich etwas darüber erfahren, wie gerne du liest, wie oft du liest, und in welchen Situationen du liest. Bitte beantworte alle Fragen, ohne eine auszulassen! Vielen Dank! • Zu Beginn möchte ich dir einige Fragen zu deiner Person stellen. 1a Trage hier dein Kürzel ein, das aus den ersten beiden Buchstaben deines Vor- und Nachnamens besteht. Z.B.: Max Müller - MaMü ______________________________________________________ 1b Kreuze an: Ich bin… o männlich o weiblich 2 Dein Geburtsjahr: _________________________________________ 3 Deine Schule: _________________________________________ 4 Deine Klasse: _________________________________________ 5 Deine Muttersprache: _________________________________________ 6 Was ist die höchste Ausbildung deiner Eltern? Bitte kreuze an: 6a Pflichtschule o 6b Lehre, Berufsbildende mittlere Schule, Meisterprüfung, Krankenpflegeausbildung o 6c Matura o 6d Universität, Pädagogische Hochschule, Sozialakademie o 6e Weiß ich nicht o 6f Welche Berufe haben deine Eltern? _________________________________ • Mit den nächsten Fragen möchte ich einiges über deine Schule und den Deutschunterricht erfahren. stimmt völlig stimmt eher stimmt eher nicht stimmt gar nicht 7a In der Freizeit lese ich gerne. o o o o 7b Ich lese gerne Texte für die Schule. o o o o 417 <?page no="418"?> stimmt völlig stimmt eher stimmt eher nicht stimmt gar nicht 7c Im Deutschunterricht werden auch Bücher besprochen, die mich interessieren. o o o o 7d Ich würde gerne mein Lieblingsbuch im Deutschunterricht vorstellen. o o o o 7e Der Lehrer / die Lehrerin interessiert sich dafür, was ich über ein Buch denke. o o o o 7f In der Schule geht es nur um den Inhalt eines Buches, ob mir das Buch gefällt, interessiert niemanden. o o o o 7g Der Deutschunterricht verdirbt mir die Freude am Lesen. o o o o • Wie ist es bei dir zu Hause? 8 Wir haben zu Hause … ja nein 8a … eine Tageszeitung. o o 8b … eine Wochenzeitung. o o 8c … Zeitschriften. o o 8d … einen Computer / Laptop. o o 8e … Internet. o o 9a Wie viele Bücher gibt es bei dir zu Hause ungefähr? (Anzahl / Meter / Regale voll…) _________________________ 9b Die meisten sind auf Deutsch geschrieben. ja o 9c Die meisten sind in meiner Muttersprache geschrieben. ja o 9d Es sind ungefähr gleich viele auf Deutsch und in meiner Muttersprache geschrieben. ja o 418 <?page no="419"?> 10a Wie viele Bücher gehören dir ungefähr? (Anzahl / Meter / Regale voll…) _________________________ 10b Die meisten sind auf Deutsch geschrieben. ja o 10c Die meisten sind in meiner Muttersprache geschrieben. ja o 10d Es sind ungefähr gleich viele auf Deutsch und in meiner Muttersprache geschrieben. ja o • Mit den folgenden Fragen möchte ich deine Lesegewohnheiten näher kennen lernen. 11 Ich lese oft … stimmt völlig stimmt eher stimmt eher nicht stimmt gar nicht 11a … eine Tageszeitung auf Deutsch. o o o o 11b ... Bücher auf Deutsch. o o o o 11c ... Zeitschriften auf Deutsch. o o o o 11d … deutschsprachige Internetseiten oder Chats. o o o o 11 Ich lese oft … stimmt völlig stimmt eher stimmt eher nicht stimmt gar nicht 11e … eine Tageszeitung in meiner Muttersprache. o o o o 11f ... Bücher in meiner Muttersprache. o o o o 11g ... Zeitschriften in meiner Muttersprache. o o o o 11h … Internetseiten in meiner Muttersprache oder Chats. o o o o 12a Wie viele Bücher hast du im letzten Jahr in deiner Freizeit gelesen? __________________ 12b Die meisten davon waren auf Deutsch. ja o 12c Die meisten davon waren in meiner Muttersprache geschrieben. ja o 12d Es waren ungefähr gleich viele auf Deutsch und in meiner Muttersprache. ja o 419 <?page no="420"?> 13a Wie viele Bücher hast du im letzten Jahr für die Schule gelesen? __________________ 13b Die meisten davon waren auf Deutsch. ja o 13c Die meisten davon waren in meiner Muttersprache geschrieben. ja o 13d Es waren ungefähr gleich viele auf Deutsch und in meiner Muttersprache. ja o 14 Ich lese Bücher auf Deutsch … stimmt völlig stimmt eher stimmt eher nicht stimmt gar nicht 14a … zur Unterhaltung o o o o 14b ... zur Information. o o o o 14c ... zum Entspannen. o o o o 14d …, um Rat und Hilfe zu erhalten. o o o o 14e …, wenn ich allein bin. o o o o 14f …, wenn ich nichts anderes vorhabe. o o o o 14g …, um alles um mich herum zu vergessen. o o o o 14h … aus Langeweile. o o o o 14i Ich lese nie Bücher auf Deutsch. o o o o 14 Ich lese Bücher in meiner Muttersprache … stimmt völlig stimmt eher stimmt eher nicht stimmt gar nicht 14j … zur Unterhaltung o o o o 14k … zur Information. o o o o 14l … zum Entspannen. o o o o 14m …, um Rat und Hilfe zu erhalten. o o o o 14n …, wenn ich allein bin. o o o o 14o …, wenn ich nichts anderes vorhabe. o o o o 14p …, um alles um mich herum zu vergessen. o o o o 14q … aus Langeweile o o o o 14r Ich lese nie Bücher in meiner Muttersprache. o o o o 420 <?page no="421"?> 15 Ich lese gerne … stimmt völlig stimmt eher stimmt eher nicht stimmt gar nicht 15a … Krimis/ Thriller auf Deutsch. o o o o 15b … Abenteuergeschichten auf Deutsch. o o o o 15c … lustige Bücher auf Deutsch. o o o o 15d … Science-Fiction/ Fantasy-Bücher auf Deutsch. o o o o 15e ... Comics auf Deutsch. o o o o 15f ... Tierbücher auf Deutsch. o o o o 15g ... Jugendromane auf Deutsch. o o o o 15h ... Sport-Bücher auf Deutsch. o o o o 15i ... Bücher auf Deutsch, aus denen ich etwas lernen kann. o o o o 15j ... Liebesromane auf Deutsch. o o o o 15k ... Gedichte auf Deutsch. o o o o 15l Ich lese gerne etwas anders auf Deutsch, nämlich: __________________________________ 15 Ich lese gerne … stimmt völlig stimmt eher stimmt eher nicht stimmt gar nicht 15m … Krimis/ Thriller in meiner Muttersprache. o o o o 15n ... Abenteuergeschichten in meiner Muttersprache. o o o o 15o ... lustige Bücher in meiner Muttersprache. o o o o 421 <?page no="422"?> stimmt völlig stimmt eher stimmt eher nicht stimmt gar nicht 15p ... Science-Fiction/ Fantasy- Bücher in meiner Muttersprache. o o o o 15q ... Comics in meiner Muttersprache. o o o o 15r ... Tierbücher in meiner Muttersprache. o o o o 15s ... Jugendromane in meiner Muttersprache. o o o o 15t ... Sport-Bücher in meiner Muttersprache. o o o o 15u ... Bücher in meiner Muttersprache, aus denen ich etwas lernen kann. o o o o 15v ... Liebesromane in meiner Muttersprache. o o o o 15w ... Gedichte in meiner Muttersprache. o o o o 15x Ich lese gerne etwas anders in meiner Muttersprache, nämlich: ________________________________ stimmt völlig stimmt eher stimmt eher nicht stimmt gar nicht 16a Ich lese gerne Zeitungen und Zeitschriften auf Deutsch. o o o o 16b Ich lese gerne Zeitungen und Zeitschriften in meiner Muttersprache. o o o o stimmt völlig stimmt eher stimmt eher nicht stimmt gar nicht 17a Ich lese gerne deutschsprachige Internetseiten oder Chats. o o o o 17b Ich lese gerne Internetseiten oder Chats in meiner Muttersprache. o o o o 422 <?page no="423"?> stimmt völlig stimmt eher stimmt eher nicht stimmt gar nicht 18a Lesen ist anstrengend. o o o o 18b Ich habe andere Hobbys als zu lesen. o o o o 18c Ich unternehme lieber etwas mit Freunden, als zu lesen. o o o o 18d Ich habe viele Hausaufgaben und habe dann keine Zeit mehr zu lesen. o o o o 18e Ich mache lieber etwas mit dem Computer, als zu lesen. o o o o 18f Ich mache lieber Sport, als zu lesen. o o o o 18g Ich weiß nichts Interessantes, was ich lesen könnte. o o o o 18h Ich sehe lieber fern, als zu lesen. o o o o 19 Wie gut kannst du auf Deutsch lesen? Kreuze an, was zutrifft! 19a Ich lese auf Deutsch sehr gut. o 19b Ich lese auf Deutsch ziemlich gut. o 19c Ich habe manchmal Probleme, wenn ich deutsche Texte lese. o 19d Ich tue mir ziemlich schwer, wenn ich deutsche Texte lese. o 19e Ich kann deutsche Texte gar nicht lesen. o 19 Wie gut kannst du in deiner Muttersprache lesen? Kreuze an, was zutrifft! 19f Ich lese in meiner Muttersprache sehr gut. o 19g Ich lese in meiner Muttersprache ziemlich gut. o 19h Ich habe manchmal Probleme, wenn ich Texte in meiner Muttersprache lese. o 19i Ich tue mir ziemlich schwer, wenn ich Texte in meiner Muttersprache lese. o 19j Ich kann Texte in meiner Muttersprache gar nicht lesen. o 423 <?page no="424"?> 20 Über Bücher, die ich gelesen habe, spreche ich… stimmt völlig stimmt eher stimmt eher nicht stimmt gar nicht 20a …mit meinen Geschwistern. o o o o 20b … mit meinen Eltern. o o o o 20c … mit meinen Freunden. o o o o 20d … mit meinen Mitschülern. o o o o 20e … mit meinen Lehrern. o o o o 21 Tipps über interessante Bücher, Zeitschriften oder Internetseiten, bekomme ich… stimmt völlig stimmt eher stimmt eher nicht stimmt gar nicht 21a …von meinen Geschwistern. o o o o 21b … von meinen Eltern. o o o o 21c … von meinen Freunden. o o o o 21d … von meinen Mitschülern. o o o o 21e … von meinen Lehrern. o o o o 22 stimmt völlig stimmt eher stimmt eher nicht stimmt gar nicht 22a Meine Eltern möchten, dass ich mehr lese. o o o o 22b Bei uns liest die ganze Familie gern. o o o o • Die folgenden Fragen beziehen sich auf die verschiedenen Sprachen, die bei dir zu Hause gesprochen werden. Kreuze an, was zutrifft! 23a Bei mir zu Hause wird häufiger auf Deutsch gesprochen, als in meiner Muttersprache. o 23b Bei mir zu Hause wird häufiger in meiner Muttersprache gesprochen, als auf Deutsch. o 23c Bei mir zu Hause wird ungefähr gleich viel auf Deutsch und in meiner Muttersprache gesprochen. o 424 <?page no="425"?> Kreuze an, was zutrifft! 24a Ich spreche mit meinen Freunden häufiger auf Deutsch, als in meiner Muttersprache. o 24b Ich spreche mit meinen Freunden häufiger in meiner Muttersprache, als auf Deutsch. o 24c Ich spreche mit meinen Freunden ungefähr gleich viel auf Deutsch und in meiner Muttersprache. o • Zum Schluss möchte ich noch etwas über das Lesen in deiner Kindheit erfahren. 25a Als ich noch klein war, wurde mir jeden Abend eine Geschichte vorgelesen oder erzählt. stimmt völlig o stimmt eher o stimmt eher nicht o stimmt gar nicht o 25b Es waren Geschichten in meiner Muttersprache. ja o 25c Es waren Geschichten auf Deutsch. ja o 25d Es waren ungefähr gleich viele Geschichten auf Deutsch und in meiner Muttersprache. ja o 26 Ich habe in meiner Kindheit Abzählreime, Kinderlieder oder Gedichte auswendig gelernt. stimmt völlig o stimmt eher o stimmt eher nicht o stimmt gar nicht o 27 Hast du früher anders gelesen als heute - andere Themen, mehr oder weniger Bücher als heute, hat dir Lesen mehr oder weniger Spaß gemacht als heute? An dieser Stelle kannst du alles dazu aufschreiben, was dir einfällt. Vielen Dank! 425 <?page no="426"?> Ergänzende Tabellen zur Fragebogenerhebung Pflichtschule Lehre / BMS / Meisterprüfung / Krankenpflegeausbildung Matura Uni / Pädagog. Hochschule / Sozialakad. Gesamt HilfsarbeiterIn 8 3 1 0 12 FacharbeiterIn 11 11 2 0 24 AngestellteR 7 27 38 43 115 InhaberIn kl. Unternehmen 1 2 3 4 10 leitende Tätigk. / Wiss. / Technik 0 0 2 5 7 Gesamt 27 43 46 52 168 Tabelle 15: Sozialer Hintergrund der Familien 426 <?page no="428"?> Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG • Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen Tel. +49 (07071) 9797-0 • Fax +49 (07071) 97 97-11 • info@narr.de • www.narr.de JETZT BESTELLEN! Sabine Schmölzer-Eibinger Lernen in der Zweitsprache Grundlagen und Verfahren der Förderung von Textkompetenz in mehrsprachigen Klassen Europäische Studien zur Textlinguistik, Band 5 2., durchgesehene Auflage 2011 265 Seiten, €[D] 58,00/ SFr 81,90 ISBN 978-3-8233-6649-2 Die Wissensvermittlung in Schule und Bildungseinrichtungen erfolgt überwiegend durch die Arbeit mit und an Texten. Textkompetenz ist daher eine Schlüsselkompetenz, die die Bildungs- und Zukunftschancen des Einzelnen in unserer Gesellschaft grundlegend beeinflusst. Für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund ist fehlende Textkompetenz eine der Hauptursachen für schulisches Scheitern. In diesem Buch werden grundlegende Zusammenhänge und Faktoren untersucht, die bei der Entwicklung und Förderung von Textkompetenz in der Zweitsprache eine Rolle spielen. Die Ergebnisse dieser Arbeit lassen bisher vorherrschende Konzepte zur Förderung von Zweitsprachenlernenden in mehrsprachigen Klassen in einem grundlegend neuen Licht erscheinen. Die Autorin stellt darauf aufbauend ihr Konzept der Literalen Didaktik vor: Ein theoretisch fundiertes und in der Praxis einfach umsetzbares didaktisches Instrumentarium zur Förderung von Textkompetenz, dessen Prinzipien und Verfahren in allen Unterrichtsfächern flexibel anwendbar und über die Förderung der Textkompetenz von Zweitsprachenlernenden in mehrsprachigen Klassen hinaus auch für zahlreiche andere Lernkontexte geeignet sind. 033411 Auslieferung April 2011 30 08.04.11 13: 54 <?page no="429"?> Internationale Bildungsvergleichsstudien wie PISA und PIRLS zeigen, dass die Lesefreude und Lesehäufigkeit der Kinder und Jugendlichen mit zunehmendem Alter sinkt. Daten, die den Abbruch der Lesekarrieren belegen, stammen jedoch fast ausschließlich von Jugendlichen mit Deutsch als Muttersprache (DaM), Daten und Ergebnisse zu Kindern, deren Erstsprache nicht Deutsch ist, sind marginal bis gar nicht vorhanden. Diese Lücke in der Forschungslandschaft soll durch diese Arbeit geschlossen werden. Im Zentrum der empirischen Untersuchung stehen zentrale Faktoren der Lesekrise und die Frage, inwieweit sich das Leseverhalten und die Leseeinstellung von DaM-Kindern und Kindern mit Deutsch als Zweitsprache (DaZ) unterscheiden und im Altersverlauf verändern. Außerdem wird untersucht, ob sich im Verlauf der Lesekrise und somit in den Lesegewohnheiten der DaZ-Kinder unterschiedliche Ausprägungen in Erst- und Zweitsprache ergeben.
