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Forschende Fachdidaktik

Projektergebnisse

0311
2015
978-3-7720-5561-4
A. Francke Verlag 
Daniela Unger-Ullmann
Christian Hofer

Der vorliegende Band bietet einen wissenschaftlich fundierten und verständlichen Überblick über die methodisch-didaktischen Forschungsaspekte in der universitären Sprachenlehre. Ziel dieser Forschungen ist es, die Qualitätssicherung im hochschuldidaktischen Umfeld zu gewährleisten. Am Beispiel des treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik der Universität Graz werden verschiedene Forschungsschwerpunkte vorgestellt und deren Ergebnisse in den wissenschaftlichen Diskurs integriert. Der Band enthält neben handlungsorientierten Forschungsansätzen auch Fragebögen, Tests, Interviews und dokumentarische Analysen aus konkreten Lehr- und Unterrichtsprozessen. Lehrenden und EntscheidungsträgerInnen wird hiermit ein wertvoller Leitfaden für die Ausrichtung des Fremdsprachenunterrichts an die Hand gegeben.

<?page no="0"?> Forschende Fachdidaktik Projektergebnisse Daniela Unger-Ullmann / Christian Hofer (Hrsg.) <?page no="1"?> Forschende Fachdidaktik <?page no="3"?> Daniela Unger-Ullmann / Christian Hofer (Hrsg.) Forschende Fachdidaktik Projektergebnisse <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Diese Publikation wurde unterstützt durch: © 2015 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem und säurefreiem Werkdruckpapier. Internet: www.francke.de E-Mail: info@francke.de Satz: typoskript GmbH, Walddorfhäslach Printed in Germany ISBN 978-3-7720-8561-1 <?page no="5"?> Inhalt Daniela Unger-Ullmann, Christian Hofer Einführende Worte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Daniela Unger-Ullmann Zur Situation des forschungsbasierten Fremdsprachenunterrichts und seiner Umsetzung am treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Christian Hofer Fachdidaktik: Forschende Zugänge und Methoden . . . . . . . . . . . . . . . 29 Eva Seidl/ Birgit Simschitz Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Prüfen am universitären Sprachenzentrum treffpunkt sprachen: Herausforderungen und Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Marjorie Rosenberg/ Anja Burkert Learning Styles and their Effect on Learning and Teaching . . . . . . . 103 Angela Seidl Vielfalt in der Sprachenlehre - Chancen und Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Veronika Rezi ć Lernreflexion: Ein Moment für die Erwachsenenbildung . . . . . . . . . . 161 Elke Lackner Interactive Virtual Classroom: ein Erfahrungsbericht aus Sicht der E-Tutorin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Christoph Waldhaus Vorevaluation (VorEval) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 AutorInnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 <?page no="7"?> Daniela Unger-Ullmann, Christian Hofer Einführende Worte In den letzten Jahren hat die forschende Fachdidaktik im tertiären Bildungsbereich gegenüber anderen Fachwissenschaften an Bedeutung gewonnen. Dies gilt insbesondere für die Sprachenlehre im hochschulischen und hochschuldidaktischen Umfeld. Um die Qualitätssicherung in der universitären Lehre zu gewährleisten sowie sprachenpolitische Konzepte verankert zu wissen, bedarf es einer ausführlichen Beschäftigung mit methodisch-didaktischen Forschungsaspekten. In diesem Sinne werden im vorliegenden Buch fachdidaktische Forschungsschwerpunkte vorgestellt und deren Ergebnisse in den wissenschaftlichen Diskurs integriert. Mit Fragebögen, Tests, Interviews, dokumentarischen Analysen sowie handlungsorientierten Forschungsansätzen, welche in den präsentierten Projekten Anwendung finden, etabliert sich eine fachdidaktische Forschungskultur, die einen wesentlichen Beitrag zu einer bedarfsgerechten Profilbildung an Universitäten und Hochschulen leistet. Diese fachdidaktische Forschungskultur zeichnet sich insbesondere durch einen anwendungsorientierten und praxisbezogenen Forschungshorizont aus. Die den einzelnen Projekten zugrunde liegenden Forschungsfragen ergeben sich im Rahmen konkreter Lehr- und Unterrichtsprozesse des treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik. Untersuchungsergebnisse werden in den praktischen Handlungsrahmen, das Sprachenlehren und Sprachenlernen, transferiert. Eine fachdidaktische Forschungskultur dieser Art ist durch ein dynamisches, sich entwickelndes System von Aktion, wissenschaftlich basierter Reflexion und Integration in den konkreten Unterrichtskontext gekennzeichnet. Darüber hinaus weist sie eine partnerschaftliche und sinnstiftende Kollaboration aller ForschungsakteurInnen auf. Forschende sind vornehmlich selbst Lehrende, welche ihre Forschung aus dem Blick des beruflichen sowie persönlichen Wirkens betreiben. Einen wesentlichen Part dieser kooperativen Forschungskultur nehmen zudem Lernende und Studierende ein, die innerhalb der Forschungsprojekte in persönliche und gruppendynamische Lernprozesse Einblick gewähren und den Kern der fachdidaktischen Forschungskultur darstellen. Kooperationsbereitschaft und Offenheit für eine wissenschaftliche und individuelle Weiterentwicklung ergeben sich als Ankerpunkte des fachdidaktischen <?page no="8"?> Forschungsbereichs. So gilt der Dank der Herausgeberin und des Herausgebers allen Studierenden, Lehrenden, Forschenden und AutorInnen des vorliegenden Beitrags, welche die forschende Fachdidaktik zu einer lebendigen, bereichernden Lernkultur wachsen lassen. 8 Daniela Unger-Ullmann, Christian Hofer <?page no="9"?> Daniela Unger-Ullmann Zur Situation des forschungsbasierten Fremdsprachenunterrichts und seiner Umsetzung am treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik Abstract Vorliegender Beitrag beschäftigt sich mit den institutionellen Bedingungen für Mehrsprachigkeitsforschung und forschungsbasierte Sprachenlehre am treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik. Dabei werden Ausgangslage, die Verknüpfung von Lehre und Forschung, sprachenpolitische Überlegungen, AdressatInnengruppen, Lehrende in ihrer Rolle als Forschende sowie Forschungsdesiderata dargestellt und ihre Anpassung an institutionelle Anforderungen erschlossen. Im Mittelpunkt stehen weitgehend die Durchführung und Umsetzung individueller Forschungsvorhaben, die das Ziel, Forschungsergebnisse in die Lehre zu transferieren, untermauern. Dieser Ansatz ist von Bedeutung, um den Lehr- und Lernbedürfnissen der Studierenden und Lehrenden gerecht zu werden und ihnen in ihrer Tätigkeit als ForscherInnen eine internationale Plattform auf universitärer Ebene zu bieten. Ausgangslage Im aktuellen Informations- und Kommunikationszeitalter sind Sprachen die Schlüsselqualifikation schlechthin, die eine Universität wie die Karl- Franzens-Universität Graz fördern sollte. Daher muss der fachspezifischen Fremdsprachenlehr- und -lernforschung im tertiären Bereich größte Aufmerksamkeit geschenkt werden. Anhand verschiedener Forschungsaktivitäten wird dargelegt, wie die Universität Graz, im Speziellen treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik, der Notwendigkeit der Mehrsprachigkeitsforschung begegnet. In den folgenden wissenschaftlichen Ausführungen zeigt sich, dass treffpunkt sprachen seinen Studierenden sehr unterschiedliche Möglichkeiten bietet, sich Fremdsprachen anzueignen, und sich auf ebenso <?page no="10"?> unterschiedliche Weise mit Aspekten der Sprachlehr- und -lernforschung beschäftigt. Trotz knapper finanzieller Ressourcen ist das Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik methodisch auf der Höhe der Zeit. Es entspricht den aktuellen Forderungen nach didaktisch ansprechender Lehre, nach Interdisziplinarität und dem Hinführen der Studierenden zu selbstverantwortetem Lernen. Eine Stärkung der Position des Zentrums für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik geht mit der Einrichtung des vor Ort angesiedelten Forschungsbereichs Fachdidaktik einher und schließt die Verbindung von Lehre und Forschung mit ein. Lehre und Forschung stellen eine der wichtigsten Komponenten dar, über die ein Sprachenzentrum im tertiären Bildungsbereich verfügen muss, um den Anforderungen des Aus- und Weiterbildungssystems genügen zu wollen. Lehre & Forschung Das umfassende Sprachenangebot am Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik bildet eine in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzende Grundlage, um anwendungsorientierte Sprachlehr- und -lernforschung an zentralen Forschungsfragen orientieren zu können. Die zunehmende Komplexität im Sprachunterrichtsgeschehen stellt hohe Anforderungen an Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. Daher ist es treffpunkt sprachen ein Anliegen, zu relevanten Forschungsfragen Antworten zu geben und einen Beitrag zu methodologischen Problemlösungen zu leisten. Die Verknüpfung von Lehre und Forschung als konstitutives Element universitärer Einrichtungen ermöglicht die Vermittlung von grundlegender wissenschaftlicher Bildung und methodisch wissenschaftlichem Denken. Darauf aufbauend soll eine forschungsorientierte Vertiefung erreicht werden, die unmittelbar zur aktiven Durchführung aktueller Forschungsvorhaben führt. Die eigene Forschung stellt somit den state oft the art sicher und garantiert den Transfer von didaktischem Wissen und neuesten Methodenkenntnissen in die Lehre. Damit wird gewährleistet, dass Sprachlehrende in ihrer Rolle als aktive ForscherInnen mit Wissensbeständen kritischer umgehen und sich nicht auf passive Akzeptanz beschränken. Deren Authentizität und engagierte Partizipation an Forschungsprojekten können zum einen zu einer Lernmotivation der Studierenden führen, zum anderen aber auch zu einer Vernachlässigung der Lehre, wenn spezialisierte Forschungsthemen nicht unmittelbar Gegenstand der Sprachvermittlung sind. Daher 10 Daniela Unger-Ullmann <?page no="11"?> ist es für die Forschung von Vorteil, die Beweggründe für Forschungsvorhaben in der Lehre zu suchen, um sich Klarheit über die Sinnhaftigkeit und den Nutzen zu verschaffen und seine eigenen Forschungsfragen in ein größeres Ganzes einzuordnen. Von verschiedenen Seiten wird diese Vorgehensweise als notwendig erachtet. Durch den zunehmenden Druck von Qualitätssicherung sind neue Impulse erforderlich, die das bisher praktizierte Nebeneinander von Lehre und Forschung zu einem Miteinander entstehen lassen und so einen gegenseitigen Erfahrungsaustausch ermöglichen. Sprachenpolitische Überlegungen Gehen wir davon aus, dass die Verbindung von Lehre und Forschung nicht nur von einzelnen hochmotivierten Personen abhängig ist, sondern vielmehr von der jeweiligen Organisationseinheit, so steht außer Frage, dass von Seiten der Universitäten und Hochschulen bestimmte Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, um den vorgegebenen Bildungsaufgaben durch die Vermittlung von wissenschaftlichen Wahrheiten und Methoden zu entsprechen. Diese Forderungen stehen in engem Zusammenhang mit der aktuellen Bildungs- und Sprachenpolitik und lassen Rückschlüsse zu, die forschungsorientierten Sprachenzentren nicht unbedingt zugutekommen. Der Einfluss der vorherrschenden Politik auf die Initiierung von Forschungsprojekten ist nicht zu unterschätzen, zumal die Genehmigung von Drittmittelförderungen auf Erwartungen basieren, die großteils nicht erfüllt werden können (über die Abwägung von Wahrscheinlichkeiten und Plausibilitäten, die keine klaren Forschungsergebnisse zulassen vgl. Vollmer 2011, S. 235). Zudem sollten die Forschungsinhalte der Gesellschaft zur Verfügung stehen und eine gewisse Umsetzbarkeit in die Praxis gewährleisten. Faktum ist, dass «fremdsprachendidaktische Diskurse und bildungspolitische Diskurse (. . .) unvermittelt und vermittlungslos nebeneinanderherlaufen» (Hallet 2011, S. 70) und es der Sprachlehr- und -lernforschung nur in bescheidenem Maße gelungen ist, die sprachenpolitischen Entscheidungsmechanismen zu beeinflussen oder gar zu verändern. Daher sollte man darauf bedacht sein, «jenseits der unmittelbar befassten Fachwelt auf die politischen Implikationen des eigenen Tuns hinzuweisen und für diese zu werben» (Königs 2011, S. 123). Dass dies kein leichtes Unterfangen darstellt, zeigt sich in der Ziel- und Leistungsvereinbarung der Universität Graz (vgl. Karl-Franzens-Universität Graz 2013, S. 18; 24; 62 ff.; 74; 93) für die Jahre 2013 - 2015, in welcher der universitären Fremdspra- Zur Situation des forschungsbasierten Fremdsprachenunterrichts 11 <?page no="12"?> chenaus- und -weiterbildung und deren Forschungsleistung wenig Beachtung geschenkt wird. So bleibt es den einzelnen Sprachenzentren überlassen, sich primär für die praktische Vermittlung von Fremdsprachen als Praxis- und Forschungsfeld einzusetzen und Forschungsprojekte explizit in sprachenpolitischen Diskursen zu verankern. Fremdsprachliche Aus- und Weiterbildung und deren Forschungsleistung gelten als unverzichtbares Element der akademischen Qualifizierung, über das jede Universität verfügen muss. Überlegungen, Sprachenzentren auszulagern bzw. zu privatisieren, sind wenig nachvollziehbar, zumal fremdbestimmte Abteilungen, deren Leistungen nach den Kriterien des freien Markts evaluiert werden, keine forschungsunabhängigen Einrichtungen mehr darstellen und somit lediglich dem Dienstleistungssektor anheimfallen. Mit dieser Entscheidung würde man die jahrelange Aufbauarbeit des Lehrkörpers und der wissenschaftlichen MitarbeiterInnen ignorieren und in Kauf nehmen, keine Forschung mehr betreiben zu können. Eine zusätzliche Dezimierung des Sprachenangebots würde eine Einschränkung des Forschungsfelds mit sich ziehen, zumal Lehre und Forschung einander in einer Weise bedingen, die insbesondere in der universitären Sprachvermittlung von großer Bedeutung ist. Lehre und Forschung im Bereich des Fremdsprachenunterrichts sollte als etwas gesehen werden, das man sich leisten möchte, um einer hochqualifizierten Sprachaus- und -weiterbildung nachzukommen. Gerade die Praxisnähe des Fremdsprachenunterrichts und seiner Didaktik schließt das Prinzip des outsourcing aus. Status quo der Studierenden Im Interesse einer sprachlichen Vielfalt ist es treffpunkt sprachen ein zentrales Anliegen, sich jenen Fragen zu widmen, die mit dem Lehren und Lernen kleinerer Fremdsprachen verbunden sind. Gehen wir von der Tatsache aus, dass Studierende nur geringfügige Kenntnisse in außerschulischen Sprachen aufweisen, so ist es unerlässlich, spezielle Sprachvermittlungsprogramme bzw. Sprachlernsysteme zu entwickeln, die dem Postulat des Erwerbs einer dritten und vierten Fremdsprache gerecht werden. Ohne Zweifel bietet die Studienzeit ein passendes Zeitfenster, um weitere Fremdsprachen zu lernen. Die allgegenwärtige Annahme, Englisch würde als lingua franca in der Alltags- und Berufswelt genügen, trifft auf Studierende des Zentrums für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik nicht zu. Das Verständnis für andere Kulturen ist sehr ausgeprägt und geht mit der Kenntnis von kulturspezifischen Inter- 12 Daniela Unger-Ullmann <?page no="13"?> aktionsmustern einher, die eine diversifizierte Fremdsprachenaus- und -weiterbildung rechtfertigen. Nun liegt es an treffpunkt sprachen, wissenschaftliche Neugier wie auch Pioniergeist bei den Studierenden zu entwickeln, um der Forschungskooperation zwischen Lehrenden und Studierenden über Offenheit und gegenseitiges Vertrauen nachzukommen. Studierende haben den Wunsch, im Bereich der anwendungsorientierten Sprachlehr- und -lernforschung wissenschaftlich zu arbeiten, jedoch fehlt es den meisten an Wissen und vor allem an Methoden. Im Hinblick auf das Studierenden-Profil von treffpunkt sprachen verwundert dieser Sachverhalt keineswegs, zumal ein hoher Prozentsatz der Studierenden aus nicht-philologischen Studienrichtungen stammt. In der Regel nehmen Studierende das Sprachenangebot von treffpunkt sprachen wahr, um ECTS-Punkte für die Wahlfächer ihres Hauptstudienfachs zu bekommen, oder sie besuchen fachspezifische Sprachkurse, weil diese als Pflichtfächer in ihrem Studium verankert sind (vgl. Studierende der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät). Des Weiteren sehen viele Studierende die positive Absolvierung eines Sprachkurses als karrierefördernde Zusatzqualifikation an (vgl. Kleppin 2012, S. 251), wissend, dass das Kursangebot nach Beendigung des Studiums nicht mehr in vollem Ausmaß genutzt werden kann. Inländische Studierende, die sich auf ihren Auslandsaufenthalt in sprachlicher und interkultureller Hinsicht vorbereiten möchten, aber auch Studierende aus dem Ausland, die für ihre Studienzulassung in Österreich mindestens das Niveau B2 vorweisen müssen, bringen eine beispielhafte Lernmotivation mit. Diese spiegelt sich in der engagierten Teilnahme an Forschungsprojekten wider und lässt eine Sensibilität für das Thema Mehrsprachigkeit erkennen, die sich nach Angaben des zweiten Berichts zur Mehrsprachigkeit im Bereich Fachdidaktik/ Sprachlehr- und -lernforschung an der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien (vgl. Imamovic/ Sigmund 2013, S. 7) auf die eigene Sprachlernbiographie und auf das «zweisprachig aufgewachsen Sein» zurückführen lässt. Gerade diese Gruppe von Studierenden ist in der Lage, ihre eigene Sprachlernbiographie, ihren darauf aufbauenden Sprachlernprozess sowie ihre interkulturelle Kompetenz zu reflektieren (vgl. Schaffner 2012), und lernt insbesondere durch die aktive Mitwirkung an Forschungsvorhaben Lernkulturen und Lernstile kennen, die im Unterrichtsgeschehen zur Anwendung gelangen. Forschungsprojekte dieser Art sollten daher mit einem persönlichen Lernerfolg einhergehen, damit Studierende nicht das Gefühl haben, lediglich benutzt zu werden, um Forschungsergebnisse zu erzielen. Zu diesem Zweck könnte man auch sogenannte Generationentandems in Erwägung ziehen, in denen sich erfahrene ForscherInnen und Zur Situation des forschungsbasierten Fremdsprachenunterrichts 13 <?page no="14"?> Sprachenlernende methodologischen Gesichtspunkten widmen und sich über innovative Lehr- und Lernkonzepte austauschen. Damit würde man das Postulat von Hans-Jürgen Krumm (2011, S. 129) erfüllen, wenn es in seinem Aufsatz zur Wissenschaft und (Sprachen-)Politik heißt: Ein besonderes Augenmerk sollte m. E. darauf gerichtet werden, dass die Sprachlernenden selbst aktiv einbezogen werden - sie bringen Sprachenbiographien und Sprachkompetenzen mit, die als mitwirkende Expertise in die Untersuchungen einzubeziehen sind; sie erlauben es, den Gesichtspunkt der Mehrsprachigkeit breit einzubeziehen und damit der Tatsache eines längst mehrsprachigen Kontexts der Bildungsinstitutionen adäquat Rechnung zu tragen. Lehrende als Forschende Der Erwerb von Fremdsprachen stellt eine zentrale Aufgabe des Zentrums für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik dar und bedeutet zugleich eine große Herausforderung für Sprachlehrende, die sich im Kontext der Professionalisierung bewähren möchten. Im Rahmen dieser Professionalisierung stehen nicht nur theoretisches Wissen und sprachliche Kompetenz im Vordergrund, sondern auch das Miteinbeziehen empirischer Forschungsergebnisse, die einen forschungsbasierten Fremdsprachenunterricht auszeichnen. Dies erfordert eine hohe Reflexionsbereitschaft von Seiten der Sprachlehrenden und ermöglicht ihnen, biographische Hintergründe und Erfahrungswissen in die Entwicklung individueller didaktischer Theorien einfließen zu lassen. Ein besonderes Augenmerk sollte dabei auf Prinzipien methodisch-didaktischen Handelns, auf Kommunikations- und Interaktionsformen sowie auf individuelle Lernprozesse gerichtet werden, um den Interessen und speziellen Bedürfnissen der Studierenden gerecht zu werden. Dabei spielen Mehrsprachigkeit, negotiations of meaning sowie die Wahrnehmung und Anerkennung von Pluralität eine bedeutende Rolle, welche in methodischdidaktischen Handlungsmaximen ihre Berücksichtigung finden. Ergebnisse einer Onlineumfrage unter Lehrenden im Bereich Fachdidaktik an der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien (vgl. Fachdidaktik an der Fakultät 2012) zeigen sehr deutlich, welche Forderungen und Wünsche DidaktikerInnen an ihre Bildungsinstitution stellen: ● Wertschätzung der Fachwissenschaften gegenüber dem Forschungsbereich Fachdidaktik, 14 Daniela Unger-Ullmann <?page no="15"?> ● Solide Aufstellung der allgemeinen Didaktiken an den Universitäten, ● Aktualisierung der Aus- und Weiterbildung, ● Möglichkeit des Wissenstransfers von der Praxis in die Theorie und vice versa, ● Keine Fachdidaktik ohne Bildungskonzept, ● Fundierung und Einbettung fachwissenschaftlich-didaktischer Zugänge. In der vorliegenden Onlineumfrage, welche die erwünschte Positionierung der Fachdidaktik der Sprachen im Rahmen der vier Säulen des Lehramtsstudiums zum Ziel hat, lässt sich des Weiteren feststellen, dass Lehrende gegenüber ihrer eigenen Forschungszukunft eine sehr pessimistische Haltung einnehmen. Dies ist auf den höheren Prozentsatz der Lehrenden mit befristeten Verträgen zurückzuführen. Die aktive Teilnahme an aktuellen Forschungsprojekten wird von den Lehrenden zwar begrüßt, aber die Ergebnisse der Befragung lassen darauf schließen, dass aktuelle Forschungsergebnisse einen sehr geringen Einfluss auf das Unterrichtsgeschehen haben. In Anbetracht dieser Ergebnisse ist es von Seiten der Leitungsebene ratsam, sich mit den Rahmenbedingungen innerhalb der eigenen Institution auseinanderzusetzen. Gerade die forschungsbasierte Lehre verfügt über das Potenzial, für Lehrende eine Forschungsumgebung zu schaffen, in der sie ihren individuellen Zugang zur handlungsorientierten Forschung finden können. Der Sprachunterricht selbst bietet viele Möglichkeiten, methodologische Gedanken auf ihre Umsetzbarkeit zu überprüfen und den aktuellen Lehr- und Lernerfordernissen anzupassen. Mit Fokussierung auf die qualitative Forschung verfolgt treffpunkt sprachen einen wesentlichen Ansatz der Innovationsforschung, in der Wirkungs- und Anwendungsorientierung der Forschungsprojekte im Vordergrund stehen. Dazu ist es notwendig, einen angemessenen Anteil der Mittel aus dem Globalbudget zur Verfügung zu stellen, um längerfristige Forschungsprojekte planen und durchführen zu können (vgl. Unger-Ullmann 2013 b, S. 102 f.). Da Lehrende sowohl als Unterrichtende als auch als Forschende am Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik tätig sind, erfolgt die Abgeltung ihrer Tätigkeiten getrennt. Sie erhalten neben ihrem LektorInnen-Vertrag einen zusätzlichen Vertrag, in dem festgehalten wird, welche Forschungsleistungen in welchem Zeitraum zu erbringen sind. Dieser monetäre Anreiz verstärkt zudem den Wunsch, empirische Untersuchungen zu modellieren und durchzuführen. Zur Situation des forschungsbasierten Fremdsprachenunterrichts 15 <?page no="16"?> Des Weiteren werden Sprachlehrende, die am treffpunkt sprachen tätig sind, mit zielgruppenadäquaten Ausbildungsmodulen methodisch und fachspezifisch geschult. Christian Hofer (vgl. Hofer 2014, S. 45 ff.) geht in seinem Beitrag zu Forschende Zugänge und Methoden sehr detailliert auf die Arbeits- und Lernformen dieser Module ein und nimmt Bezug auf konkrete Problemsituationen, mit denen sich Sprachlehrende in ihrer Unterrichts- und Forschungstätigkeit konfrontiert sehen. Die Implementierung von Ausbildungsmöglichkeiten dieser Art und die Ausrichtung universitätsinterner ExpertInnenworkshops (Arbeitsgemeinschaften) ermöglichen den Lehrenden, ihr Unterrichts- und Forschungsprofil zu schärfen, über wissenschaftliche Diskurse ihre Erfahrungen auszutauschen sowie Anerkennung und Wertschätzung für ihre Forschungsleistung zu erfahren. Es steht außer Frage, dass ein umfassendes Aus- und Weiterbildungskonzept für Sprachlehrende und Forschende die Dissemination von Ergebnissen aus der Sprachlehr- und -lernforschung begünstigt. Die Möglichkeit der Durchführung von Forschungsprojekten am Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik sowie die Forderung nach Publikationen lassen es zu, dass Sprachlehrende Forschung direkt als Beitrag zur Erkenntnisgewinnung in ihrem aktuellen Berufsfeld wahrnehmen. Die enge Verflechtung von Lehre und Forschung generiert typische Desiderata, die zu erfüllen sind: zum einen die didaktische Grundausrichtung der Forschenden, die in der Lehre involviert sind, zum anderen fundierte Grundkenntnisse der Lehrenden in Forschungsmethodik und -didaktik. Beiden Komponenten wird über die forschende Lehrperson Rechnung getragen, der Wissenstransfer lässt sich somit sehr einfach handhaben und führt zu einem zirkulären Nutzen der Bereiche Lehre und Forschung. Gerade der Rückfluss der Forschungsergebnisse in die Lehre erhöht die Forschungsambitionen der Sprachlehrenden und treibt zugleich die Profilierung von treffpunkt sprachen an. Auch wenn sich in diesem «multifaktoriellen Forschungsraum» (Vogt 2011, S. 229) nicht alle Forschungsfragen in überzeugende Forschungsmethodik umsetzen lassen, so ist es nach Auffassung der Autorin durchaus legitim, dem Unterrichtsgeschehen mit individuellen Forschungsmethoden zu begegnen und diese den Studierenden auf eine nachvollziehbare Weise zugänglich zu machen. Denn die Erfahrungswerte aus den Forschungsvorhaben zeigen, dass forscherische Handlungskompetenz, hohe Bereitschaft zur Gestaltung von Forschungsprojekten, Kooperationsfähigkeit und ebenso das variable Umsetzen von Methodenwissen in die Sprachpraxis durch Forschungsprojekte gezielt gefördert werden können. 16 Daniela Unger-Ullmann <?page no="17"?> Forschung und ihre Umsetzung Der Forschungsbereich Fachdidaktik am treffpunkt sprachen ist aktiv an der Ausgestaltung des Profilschwerpunkts Lernen - Bildung - Wissen der Universität Graz beteiligt. Themenschwerpunkte, wie Kompetenzen der Sprachlehrenden, Moderne Medien, handlungsorientierte Testverfahren im Sprachunterricht, Analyse von Lehrwerken als Leitmedien des Unterrichts, Entwicklung von Hospitationskategorien, Selbsteinschätzung im Sprachunterricht, autonomes Sprachenlernen, Entwicklung einer Evaluationskultur unter Lehrenden und Studierenden sowie Untersuchungen zu einzelnen Sprachkompetenzen ergeben ein umfassendes Bild der Forschungslandschaft. Die Generierung der Themen erfolgt aus: ● dem Unterrichtsgeschehen, ● persönlichem Interesse, ● Gesprächen mit KollegInnen, ● Gesprächen mit Studierenden, ● dem Besuch von Tagungen, ● der Lektüre einschlägiger Veröffentlichungen, ● bildungspolitischen Aufträgen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Bedürfnisse der Lernenden, die Reaktion der Sprachlehrenden auf individuelle Lernstile sowie die Umsetzung und Auswirkung von methodisch-didaktischen Handlungsmaximen im Sprachunterricht. Durch den direkten Zugang zum Forschungsfeld und zum Forschungsgegenstand ist es naheliegend, bestimmte Forschungsmethoden anzuwenden, die sich in Form von empirischer Forschung und Best-practice-Beispielen bewährt haben. Im Rahmen der empirischen Forschung werden Daten, die über Beobachtungen, Befragungen und Interviews erhoben wurden, herangezogen, um wissenschaftstheoretische Annahmen entweder zu legitimieren oder zu widerlegen (vgl. Hofer 2014, S. 40 ff.). Best-practice-Beispiele ergeben sich aus der jeweiligen Unterrichtssituation und aus den Erfahrungswerten von Lehrenden und Studierenden, deren Anwendung sich in individuellen Methoden und Herangehensweisen widerspiegelt. Im Zusammenhang mit den Forschungsmethoden ist es treffpunkt sprachen ein Anliegen, dass Lehrende ihre eigenen Forschungsbedürfnisse erkennen (vgl. Unger- Ullmann 2013 a, S. 246 f.), bereit sind, diese auch ihren KollegInnen mitzuteilen, und gemeinsam Ideen entwickeln, die dem Sprachunterricht förderlich sind. Denn Forschung fließt dann am besten in die Praxis zurück, wenn die Forschungsidee oder das Forschungsdesiderat aus der Praxis des Lehrens und Lernens an Zur Situation des forschungsbasierten Fremdsprachenunterrichts 17 <?page no="18"?> der Hochschule selbst generiert werden und die Forschungsergebnisse dort wieder in die Praxis umgesetzt werden. (Jordan/ Quennet 2013, S. 43) Nach Auffassung der Autorin sind Sprachlehrende dafür am besten geeignet, da sie ein Rollenverständnis mitbringen, das mit einer gewinnbringenden Verbindung von Lehre und Forschung einhergeht. Bewusst werden Forschungsvorhaben am treffpunkt sprachen nicht primär danach ausgerichtet, ob sie bildungs- oder sprachenpolitisch relevant sind. Vielmehr geht es darum, sich selbst bei der Entwicklung von Konzepten und Modellen treu zu bleiben und diese den Bedürfnissen des aktuellen Unterrichtsgeschehens anzupassen. Auf die Gefahr hin, dass bestimmte Forschungsdesiderata von WissenschafterInnen nicht als zeitgemäß erachtet werden, kann diesem Sachverhalt entgegnet werden, dass sich Anschauungen und Perspektiven bekanntlich ändern und die als irrelevant eingestuften Fragen zu einem späteren Zeitpunkt einer unmittelbaren Klärung bedürfen. Hierzu gehören eben auch unterschiedliche Zugänge zu Methoden und ihrer Umsetzung, denen von renommierten WissenschafterInnen bisweilen wenig Beachtung geschenkt wird (vgl. Vogt 2011, S. 229). Obwohl es über die qualitative Forschung nur in eingeschränktem Maße eine Generalisierungsmöglichkeit der Ergebnisse gibt, ist es wichtig, mixed methods (vgl. Tashakkori/ Teddlie 1998) für das Untersuchungsdesign von Forschungsprojekten zu verwenden, um letztlich jene Resultate einzuholen, die für den Sprachunterricht relevant sind. Denn Forschungsmethoden sollten gegenstandsangemessen sein und auf einem Primat des Gegenstandes vor der Methode beruhen. Festlegungen hinsichtlich der Ontologie des jeweiligen Gegenstandes bestimmen zumindest partiell die Methodenwahl. (Grotjahn 1999, S. 135) Im Hinblick auf die Legitimation und Durchführung von Forschungsprojekten ist es Aufgabe der Leitungsebene, einzelne Forschungsvorhaben auf ihre Projektwürdigkeit hin zu überprüfen. Dies geschieht in Anlehnung eines Beurteilungsrasters von Kuster et al. (vgl. 2011, S. 32 f.), das sich im Rahmen der Projektentwicklung als sehr hilfreich erwiesen hat. Im Folgenden findet der/ die LeserIn eine tabellarische Auflistung jener Komponenten, die im Zusammenhang mit dem Projekt Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Beurteilen und Bewerten in der universitären Sprachenlehre stehen: 18 Daniela Unger-Ullmann <?page no="19"?> Abb. 1: Projekt Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Beurteilen und Bewerten in der universitären Sprachenlehre Aufnahmekriterien Kriterium Beschreibung Einschätzung = 1 Einschätzung = 2 Einschätzung = 3 Personenkreis Von der Lösung betroffene Stellen (Lehrende & Studierende) einzelne Personen einige Personen gesamte Institution Interdisziplinarität Anzahl der Institutionen, die am Entstehungsprozess mitarbeiten nur eine wenige viele Komplexität Grad der Vernetztheit von verschiedenen Problemstellungen gering, klar mittel, überschaubar hoch, schwierig vernetzbar Wichtigkeit Strategische Wichtigkeit des Forschungsvorhabens unbedeutend mittel wichtig Dringlichkeit Zeitlicher Druck problemlos genügend Zeit vorhanden fixer Termin Finanzieller Aufwand Erforderliche Investitionen klein mittel hoch Finanzieller Rahmen Investitionen: In welchem Zeitrahmen nutzbringend? schnell, im laufenden Jahr innerhalb 1 - 2 Jahren mehrere Jahre Aufwand Durchführungsdauer? Interner Personalaufwand? gering mittel hoch, erfordert zusätzliche Ressourcen Wissen Verfügt trsp über das notwendige Know-how? vorhanden teilweise vorhanden nicht vorhanden Risiko Schadenshöhe bei Misserfolg klein mittel hoch Zur Situation des forschungsbasierten Fremdsprachenunterrichts 19 <?page no="20"?> Kriterium Beschreibung Einschätzung = 1 Einschätzung = 2 Einschätzung = 3 Planbarkeit Wie genau sind der Ablauf, die Teilschritte planbar? gut schwierig unplanbar Motivation Bereitschaft zum Forschungsvorhaben bei MitarbeiterInnen gut unterschiedlich kritisch Gesamtpunktezahl: 22 Werden lediglich 14 von 36 Punkten erreicht, so sollte das Projekt und das entsprechende Vorgehen genauer geprüft werden! 20 Daniela Unger-Ullmann <?page no="21"?> Abb. 2: Leistungsspektrum & Zielsetzung Bereich Beschreibung Einschätzung = 1 (gering) Einschätzung = 2 (mittel) Einschätzung = 3 (hoch) Lehre Implementierung des Wissens im Sinne einer Lernergebnisorientierung Förderung der hochschulischen Lehr- und Lernkultur Persönlicher Kontakt zwischen Sprachlehrenden und Studierenden Förderung der individuellen Entwicklung der Sprachenlernenden Aktive Teilnahme der Sprachlehrenden und Studierenden am Forschungsvorhaben Betreuungsintensität der Studierenden Betreuungsintensität der Sprachlehrenden Selbstreflexion der Studierenden Selbstreflexion der Sprachlehrenden Forschung Kontinuierliche Weiterentwicklung des Forschungsvorhabens Qualitätssicherung durch Verknüpfung von Lehre und Forschung Anwendungsorientierte Forschung Zur Situation des forschungsbasierten Fremdsprachenunterrichts 21 <?page no="22"?> Bereich Beschreibung Einschätzung = 1 (gering) Einschätzung = 2 (mittel) Einschätzung = 3 (hoch) Bedarfsnahe Nutzbarkeit für Sprachenlernende Bedarfsnahe Nutzbarkeit für Sprachlehrende Interdisziplinärer Forschungsansatz Verbindung von wissenschaftlichem mit praktischem Wissen Generalisierungsmöglichkeiten Übertragbarkeit der Forschungsergebnisse in die Lehre Dokumentation der wissenschaftlichen Leistung: Vorträge, Workshops, Publikationen, etc. Gesamtpunktezahl: 55 Werden lediglich 22 von 57 Punkten erreicht, so sollte das Projekt und das entsprechende Vorgehen genauer geprüft werden! 22 Daniela Unger-Ullmann <?page no="23"?> In Bezug auf die allgemeinen Aufnahmekriterien, das Leistungsspektrum und die Zielsetzung des vorgestellten Beurteilungsrasters ist das Projekt Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Beurteilen und Bewerten in der universitären Sprachenlehre unter der Leitung von Eva Seidl und Birgit Simschitz als absolut projektwürdig einzustufen (vgl. Markierungen). Gehen wir von den Aufnahmekriterien (vgl. Abb. 1) aus, lassen sich folgende wichtige Punkte festmachen. Zunächst handelt es sich um ein Projekt, welches allen Abteilungen von treffpunkt sprachen zugutekommt. Es geht um die primäre Frage, wie Lehrende bei der Gestaltung von schriftlichen und mündlichen Prüfungen vorgehen. Werden Studierende angemessen und fair geprüft? Inwiefern erfolgt ein konstruktives Abgleichen von Lernzielen und Lehrmethoden? Was sollen Lernende wissen und können? Da dieses Projekt innerhalb von treffpunkt sprachen durchgeführt wird, ist der Grad der Vernetztheit von verschiedenen Problemstellungen überschaubar. Die strategische Wichtigkeit des Forschungsvorhabens manifestiert sich in der Zielsetzung bzw. Output-Orientierung, in welcher der Perspektivenwechsel vom Lehren zum Lernen Auswirkungen auf das Prüfungsgeschehen hat. Da sich der zeitliche Druck und finanzielle Aufwand aufgrund eines mittleren Personalaufwands in Grenzen halten, kann auch der finanzielle Schaden bei Abbruch des Projekts als gering eingestuft werden. Eine Effektivität im Sinne der Umsetzung der Forschungsergebnisse wird bereits nach zwei Jahren erwartet. Die Bereitschaft zum Forschungsvorhaben bei den MitarbeiterInnen ist als gut zu beurteilen, zumal die Projektverantwortlichen das notwendige Know-how haben, sehr detailliert bei der Planung des Projekts vorgehen und es verstehen, mit viel Motivation und Engagement ihre LehrendenkollegInnen und Studierenden von diesem Projektvorhaben zu überzeugen. Dass das notwendige Wissen über Prüfungsmethoden nur als «teilweise vorhanden» eingeschätzt wird, ist auf das Feedback des Lehrendenkollegiums zurückzuführen, in dem ausdrücklich um eine Unterstützung bzw. Orientierung gebeten wurde. Um eine bessere Überschaubarkeit über das Leistungsspektrum und die Zielsetzung (vgl. Abb. 2) zu erreichen, wird eine Einteilung in die Bereiche Lehre und Forschung vorgenommen. Leistungen und Ziele im Bereich der Lehre, wie z. B. die Implementierung des Wissens im Sinne einer Lernergebnisorientierung, die Förderung der Lehr- und Lernkultur, die individuelle Entwicklung der Lernenden sowie die Selbstreflexion der Studierenden und Sprachlehrenden stehen in engem Zusammenhang mit der Durchführung des Projekts. Ausgangspunkt für das Projekt ist die Veränderung der Prüfungskultur am treffpunkt sprachen, deren prozessorientierte Entwicklung mit der Förderung der hochschulischen Lehr- Zur Situation des forschungsbasierten Fremdsprachenunterrichts 23 <?page no="24"?> und Lernkultur einhergeht. Erforderlich sind hierfür akademische Lehrkompetenzen (vgl. Unger-Ullmann 2013 a, S. 239 ff.), welche die Grundlage für das handlungsorientierte Sprachprüfen an universitären Institutionen bilden. Prüfungen werden sowohl von Lehrenden als auch von Studierenden als schwierige und teils lästige Aufgabe empfunden. Bereits zu Unterrichtsbeginn ist eine klare Darstellung der Lernziele notwendig, um Studierenden die Vermittlung einzelner Kompetenzen, die sie innerhalb der Lehrveranstaltung erwerben können, bewusst zu machen und sie auf das schriftliche und mündliche Prüfungsgeschehen vorzubereiten. Eine Reflexion von beiden Seiten geschieht in Form von Fragebögen und Interviews, in denen das Prüfungsverhalten der Lehrenden in den Blick genommen und Studierende um eine Einschätzung der schriftlichen Klausuren und mündlichen Prüfungen gebeten werden (vgl. Seidl/ Simschitz 2013, S. 263 ff.). Die aktive Teilnahme der Lehrenden und Studierenden ist als hoch einzustufen, unter der Voraussetzung, dass sich die Projektverantwortlichen für deren Betreuung viel Zeit nehmen. Intensiver dürfte die Betreuung der Sprachlehrenden ausfallen, zumal diese nicht nur zur Selbstreflexion aufgefordert werden, sondern auch zur Umsetzung ihrer gewonnenen Erkenntnisse. In diesem Zusammenhang stehen die im Beurteilungsraster angegebenen Forschungskomponenten, wie z. B. die Verbindung von wissenschaftlichem mit praktischem Wissen, die kontinuierliche Weiterentwicklung des anwendungsorientierten Forschungsvorhabens sowie der interdisziplinäre Forschungsansatz, denen von Seiten der Leitungsebene große Bedeutung beigemessen wird. Mit der Erstellung eines Prüfungsleitfadens (vgl. Seidl/ Simschitz 2014, S. 80 ff.), der organisatorische, methodische und didaktische Hinweise enthält und in seiner Aufbereitung entsprechende Generalisierungsmöglichkeiten für andere Fachinstitutionen bietet, ist des Weiteren die bedarfsnahe Nutzbarkeit des Projekts für Lehrende und Studierende gewährleistet. Auf Basis der Analyse der Fragebögen stellt sich das Projektteam zur Aufgabe, KollegInnen bei der Gestaltung von schriftlichen und mündlichen Prüfungen eine Orientierung anzubieten und mehr Sicherheit im Prüfungsgeschehen zu vermitteln (vgl. die hohe Einschätzung der Übertragbarkeit der Forschungsergebnisse in die Lehre und die daraus resultierende Qualitätssicherung). Einer Dokumentation der wissenschaftlichen Leistung wird insofern entsprochen, als die Projektverantwortlichen bereits mehrere Workshops zum Thema Beurteilen und Bewerten in der universitären Sprachenlehre gehalten haben und eine detaillierte Projektbeschreibung mit vielversprechenden Projektergebnissen in zwei Publikationen (vgl. Seidl/ Simschitz 2013 und 2014) erfolgt ist. 24 Daniela Unger-Ullmann <?page no="25"?> Resümee Mit diesem Beurteilungsraster stellt sich treffpunkt sprachen der gesellschaftlichen Verantwortung viel bewusster als früher. Forschung wird nicht mehr per se betrieben, sondern dient pragmatischen Zielen. Anhand der Auflistung und Beurteilung verschiedener Komponenten wird deutlich, dass die ForscherInnen sich mit einem Praxisproblem auseinandersetzen, welches auf der Basis theoretischer Forschungen ein strukturiertes und empirisches Arbeiten erfordert. Die Forschungsergebnisse werden zum einen für die Entwicklung von Methoden, zum anderen für die Umsetzung in die Praxis herangezogen. Das Projektteam versteht sich sowohl als Forschungsteam, welches Theorien entwickelt, als auch als Lehrendenkollegium, dem sich im Rahmen des Forschungsprojekts die Möglichkeit bietet, sein eigenes Lehrverhalten zu reflektieren und zu verbessern. Eine Effektivität der Forschungsergebnisse im Unterrichtsgeschehen kann insofern festgestellt werden, als ProjektleiterInnen in den Arbeitsgemeinschaften von treffpunkt sprachen ihre Ergebnisse präsentieren und bei weiteren Treffen kontinuierlich um Rückmeldungen in Bezug auf die Umsetzung der Forschungsergebnisse bitten. Auf diese Weise lässt sich herausfinden, ob Forschungsergebnisse in das Unterrichtsgeschehen integrierbar sind oder einer Korrektur bedürfen. Gerade die Rückmeldungen von Kolleginnen und Kollegen führen zu einer erneuten Auseinandersetzung mit dem Forschungsgegenstand und verändern Sichtweisen und Einschätzungen der Forschenden. Denn nur mit einem ehrlichen Feedback kann tatsächlich erforscht werden, inwieweit fremdsprachendidaktische Praxis durch Forschung beeinflussbar ist. Bibliographie Fachdidaktik an der Fakultät. Ergebnisse einer online-Umfrage unter Lehrenden im Bereich der FD. 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Forschende sind zumeist erfahrene Lehrende, die auf ihre wertvollen Wissensressourcen zurückgreifen und Forschungserkenntnisse in die eigene Praxis integrieren. Nicht zuletzt aus diesem Grund sind fachdidaktische Projekte und Aktivitäten handlungsforschend geprägt. Schwerpunkt des Beitrags stellen das methodische sowie instrumentelle Setting der Abteilung Fachdidaktik am treffpunkt sprachen dar, wobei auf wichtige Charakteristika, Gütekriterien und einzelne Verfahrensweisen eingegangen wird. Die Abteilung Fachdidaktik des treffpunkt sprachen gibt sich dabei als lernende Organisation zu erkennen, die Wert auf eine aktive Beteiligung sowie persönliche Entwicklung aller ForschungsakteurInnen legt. Genannte Forschungsprojekte finden am treffpunkt sprachen statt. Forschungsinhalte Der Bereich Fachdidaktik bei treffpunkt sprachen beschäftigt sich mit wichtigen Themen des Sprachunterrichts und des Sprachenlernens und soll zu einer Professionalisierung des Sprachunterrichts in der <?page no="30"?> Erwachsenenbildung beitragen. Arbeitsschwerpunkte werden auf der Homepage des Zentrums dargestellt: Das Ziel liegt im genauen Beobachten, Dokumentieren und Analysieren fremdsprachlicher Lehr- und Lernprozesse einerseits und in der Weiterbildung und Professionalisierung der Lehrenden andererseits. Der Bereich Fachdidaktik beschäftigt sich mit Forschung und Weiterbildung zu wichtigen Themenfeldern des Lehrens und Lernens von Sprachen und untersucht diese in Aktionsforschung im Sprachunterricht bzw. in größeren Projekten und Publikationen. Bereits bestehende Hauptprojekte werden weiterbearbeitet, neue Testungen durchgeführt und verschiedene Umsetzungen im Sprachunterricht evaluiert. Außerdem werden Aktionsforschungsprojekte durchgeführt, deren gezielte Themenauswahl über inneruniversitäre Forschungsschwerpunkte erfolgt. Die Themenbereiche für die geplanten Aktionsforschungsprojekte sind vielfältig und stammen im Hinblick auf den Forschungsschwerpunkt Lernen - Bildung - Wissen der Universität Graz aus den angeführten Bereichen: ● Förderung der Selbstlernkompetenzen, ● Untersuchungen zu einzelnen Sprachkompetenzen (z. B. Förderung des Hörverstehens, Schreibkompetenz), ● Selbstgesteuertes, autonomes Sprachenlernen, ● Das Europäische Sprachenportfolio im Einsatz, ● Sprachliche Handlungskompetenz, ● Lehr- und Wissensmanagement im Bereich Sprachen, ● Handlungsorientierte Testverfahren im Sprachunterricht, ● Selbsteinschätzung im Sprachunterricht, ● Entwicklung von Hospitationskategorien als Indikatoren für die Qualität von Lehr- und Lernprozessen, ● Kompetenzen der Sprachlehrenden, ● Sprachlernprozesse, ● Kommunikative Kompetenz, ● Entwicklung und Förderung von interkultureller Kompetenz, ● Englisch oder andere Sprachen als Arbeitssprache (CLIL), ● Entwicklung einer Evaluationskultur unter den Lehrenden und Studierenden, ● Untersuchung zum Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (CEFR), ● Standardisierung von Tests, ● Online Teaching für Lehrende, ● Qualitätskriterien im Sprachunterricht, 30 Christian Hofer <?page no="31"?> ● Neue Medien im Sprachunterricht, ● E-Portfolios im Sprachenlernen. Fachdidaktische Projekte bei treffpunkt sprachen sind zu einem großen Teil handlungsorientiert und werden vorwiegend von LektorInnen des Zentrums, in hohem Ausmaß von Professionals (siehe unten), geleitet und durchgeführt. Forschungszielgruppen: Studierende und Lehrende Die Forschungszielgruppen des treffpunkt sprachen sind sowohl lernendenals auch lehrendenzentriert ausgerichtet. Die Hauptzielgruppe stellen Sprachenlernende, zum Großteil Studierende unterschiedlicher Studienrichtungen, dar. Da das Interesse von Seiten der Studierenden groß ist, neben dem Regelstudium eine oder mehrere Sprachen zu lernen, bringt diese Zielgruppe überaus ergiebige Forschungsmöglichkeiten und Forschungsthemen mit sich. Auch wenn die Forschung des treffpunkt sprachen qualitativ und handlungsforschend orientiert ist (siehe weiter unten), greifen die Sprachlernforschenden - neben Interviews, Beobachtungen und Feedbackbögen - auf quantitativ erfasste Forschungsdaten, etwa mittels Fragebögen, zurück. Eines der Fundamentalziele der fachdidaktischen Forschung ist die qualitative Optimierung und Weiterentwicklung der Sprachlernszenarien, Unterrichtskonzepte sowie Lehrkompetenzen, um einen bestmöglichen Lernendenoutput gewährleisten zu können. Aus diesem Grund sind nicht nur die Lehrinhalte, welche sich unter anderem am Europäischen Referenzrahmen orientieren, sondern auch die Forschungsinhalte an den Lerninteressen der Zielgruppe Studierende orientiert. Untersuchungen zu den Sprachlernmotiven dieser Zielgruppe haben ergeben (vgl. Hofer 2009, S. 156 f.), dass Sprachlehrveranstaltungen am treffpunkt sprachen aus folgenden Gründen absolviert werden: Erwerb von Schlüsselqualifikationen, die für das weitere Berufsleben sinnvoll sind; Erweiterung der kommunikativen Kompetenz in der zu erlernenden Sprache; Vermittlung von (autonomen) Sprachlernstrategien, um sich auch - lehrveranstaltungsunabhängig - befähigt zu fühlen, sich mit einer Sprache weiter zu beschäftigen. Des Weiteren betrachtet diese Zielgruppe Sprachenlehre - anders als etwa Studierende, welche sich in einem Sprachenlehramtsstudium befinden - als Training im Sinne von «Einübung von Skills, d. h. instrumentellen operationalisierbaren Fähigkeiten und Fertigkeiten» (Siebert 2003, S. 6). Darüber hinaus wird Sprachenlernen neben diesem Qualifizierungsaspekt als Möglichkeit zur Selbstbildung erachtet. Sprachenlernen meint auch, sich mit Fachdidaktik: Forschende Zugänge und Methoden 31 <?page no="32"?> Menschen, deren Sitten und Bräuchen auseinanderzusetzen, um eine gelungene Kommunikation zu ermöglichen (vgl. Hofer 2009, S. 159). Die fachdidaktische Forschung berücksichtigt neben der Zielgruppe Studierende auch diesen interessensorientierten Fokus, womit Forschung als qualitätsentwickelnder Lernprozess verstanden werden kann. Bezüglich dieser lernendenorientierten Forschungszielgruppe sind auch aktuelle Tendenzen in der universitären Bildungslandschaft zu berücksichtigen. Das Altersspektrum der Studierenden bzw. eine Sprache Lernenden ist als breiter als noch vor einem Jahrzehnt zu sehen. Das Bild der Universität als Ausbildungsstätte für junge MaturantInnen ist passé. Studieren bzw. sich universitär fortzubilden findet lebenslang, lebensbegleitend, berufsbegleitend statt (vgl. Cendon 2010). Studierende werden dementsprechend als lifelong learner, second chance learner, deferrer, recurrent learner, returner oder refresher (vgl. Pellert 2013, S. 97) gesehen. Die Tatsache, dass es innerhalb dieser Forschungszielgruppe Abstufungen und Subgruppen gibt, wird im Rahmen der fachdidaktischen Aktivitäten bedacht. Neben den Studierenden in diesem breit gefassten Sinn stehen auch Lehrende im Fokus der fachdidaktischen Aktivitäten. Bei treffpunkt sprachen sind Projekte vorzufinden, welche Lehrende bzw. die Entwicklung der Lehrkompetenz ins Zentrum stellen. Gesprochen werden kann in dieser Hinsicht von einer fachdidaktischen Professionalisierungsforschung. Andere Projekte vereinen sowohl den lernenden als auch den lehrenden Blick, um Forschungskonzepte vielschichtiger und nuancierter zu gestalten. Fachdidaktischer Forschungsrahmen: Fachdidaktik und Hochschuldidaktik, formelles und informelles Lernen Den Forschungsaktivitäten am treffpunkt sprachen liegen verschiedene didaktische Annäherungen und Konzepte zugrunde. Diese stellen den haltgebenden Rahmen der Forschungsprojekte dar. Ein Eckpfeiler ist dabei die fachlich orientierte Sprachendidaktik, welche fremdsprachliche Lehr- und Lernprozesse zum Thema hat. Diesbezügliche wissenschaftliche Untersuchungen sind sprachlernforschend orientiert, können einzelne Kompetenzbereiche betreffen bzw. interdisziplinär fokussiert sein. Neben der Sprachendidaktik ergeben sich am treffpunkt sprachen vor allem mit der Erwachsenenbildung, der Erziehungswissenschaft, der Psychologie sowie der Sprachwissenschaft Berührungspunkte. Zusätzlich zur Fachdidaktik, welche fachliche Inhalte mit lerntheoretischen und lernpraktischen Thematiken verbindet, stellt sich die Hochschuldidaktik als 32 Christian Hofer <?page no="33"?> weiterer Forschungsanker am treffpunkt sprachen dar, zumal sich zu untersuchende Sprachlernprozesse auf den universitären Handlungsrahmen beziehen. Fachdidaktische Forschung ist am Zentrum daher zum großen Teil in einem hochschuldidaktischen Diskurs eingebettet. Hochschuldidaktik etabliert sich in den letzten Jahren zunehmend als eigenständige Forschungsrichtung, welche an hochschulischen Didaktikzentren gebündelt wird. Hochschuldidaktik ist «als Wissenschaft von der Hochschullehre, die sich mit Forschung und Entwicklung, Weiterbildung und Beratung zu Lehr- und Lernprozessen befasst, zu verstehen» (Paetz et al. 2011, S. 36). Ziele der Hochschuldidaktik sind demnach die Optimierung und Verbesserung von universitären Lernprozessen, von Lehrkompetenzen sowie die Umsetzung forschungsbasierter didaktischer Modelle, Instrumente und Konzepte. In diesem Zusammenhang hat Hochschuldidaktik den Anspruch «eine eigene Didaktik zu sein, nicht lediglich Übertragung der Schuldidaktik auf die Universitätsstufe» (Tremp 2009, S. 214). Ein wesentliches Merkmal hochschuldidaktischer Forschung aus der Sicht des Autors ist zudem die Inklusion von sowohl formalen als auch informellen Modalitäten des Lernens (zu formalen, informellen und non-formalen Lernformen vgl. Cendon 2010, S. 43 f.). Hochschuldidaktik hat sich zum einen auf formaler Bildungsebene etabliert, indem sie «durch Bildungsmaßnahmen die Lehrenden zur Lehre auf hohem Qualitäts- und Leistungsanspruch befähigen» (Paetz et al. 2011, S. 39) soll. Als Beispiel sei die Modulreihe Sprachenlernen mit Erwachsenen am treffpunkt sprachen genannt (vgl. Hofer 2010, S. 75 - 94). Zum anderen hat sich Hochschuldidaktik immer mehr mit informellen Lern- und Bildungsprozessen zu befassen. Dies schließt etwa Vernetzungs- und MultiplikatorInnensysteme zur gegenseitigen didaktischen Beratung und Unterstützung (als Beispiel siehe Fleischmann et al. 2013, S. 114 - 156) genau so ein, wie die Aufwertung von informellen Lernerfahrungen an sich. Gerade das informelle Lernen ist gegenwärtig eine große Herausforderung für Universitäten und Hochschulen. Aufgrund heterogener Bildungsbiographien von Studierenden geht es für Universitäten vermehrt darum, den Wert von persönlicher beruflicher Erfahrung anzuerkennen und im Rahmen von Studien, Weiterbildungen und Lehrgängen anzurechnen (vgl. Westphal et al. 2009, S. 10 - 29). Hochschuldidaktik hat sich also mit formalen und nicht-formalen Lern- und Bildungsprozessen auseinanderzusetzen. Als Beispiel zur Untersuchung informeller Lernprozesse sei das fachdidaktische Evaluationsprojekt TEP-TandemEvaluationsProjekt genannt. Untersucht und evaluiert werden darin die Lerneffektivität und die Lernpotenziale individueller Sprachlernpartnerschaften. Ein Ziel des Projekts ist es, herauszufinden, aus Fachdidaktik: Forschende Zugänge und Methoden 33 <?page no="34"?> welcher Intention die Sprachlernpartnerschaften eingegangen wurden und inwiefern diese sinnvoll für die Beteiligten waren. Außerdem soll die Evaluierung Aufschluss darüber geben, welche inhaltlichen Schwerpunkte gesetzt wurden. Eventuelle Problemstellungen und Schwierigkeiten werden erörtert. Aufgrund der Resultate sollen gegebenenfalls ein verbessertes Service und/ oder ein benutzerfreundlicheres Anmeldungsprozedere angeboten werden. Aus sprachlerntheoretischer Sicht ist interessant, auf welche Weise informelle Sprachlernprozesse gestaltet werden und inwiefern sie formale Lernszenarien ergänzen bzw. sich von diesen abheben. Die Forschung am treffpunkt sprachen ist demnach fachdidaktisch und hochschuldidaktisch geprägt und fokussiert formale und nichtformale Sprachlern- und Bildungsprozesse. Forschende Lehrende: handlungskompetent - reflexionskompetent - selbstkompetent Forschende am treffpunkt sprachen sind vornehmlich Lehrende, die eigenständig bzw. in Forschungsteams fachdidaktische Projekte durchführen. Strukturell und fachlich werden sie dabei von der Leitungsebene gestützt und beratend begleitet. Forschungsthemen und Forschungsinhalte ergeben sich zum einen aus dem festgelegten Themenspektrum (siehe oben). Zum anderen ist es der Leitungsebene ein großes Anliegen, an Potenziale und Interessen der ForscherInnen anzuknüpfen, um persönliches Lernen und Selbstkompetenz zu fördern, die intrinsische ForscherInnenmotivation zu steigern und befruchtende und gewinnbringende Forschungsergebnisse zu erlangen. Es wird vermieden, sich auf ein spezielles Forschungsgebiet festzulegen (zum Beispiel Evaluationsforschung), um den interessensbezogenen Aspekt berücksichtigen zu können. Um potenzielle Forschungsthemen vorab zu eruieren und abzuklären, verfassten Lehrende im Rahmen des Projekts LehrendenKompetenzProfil (vgl. Unger-Ullmann 2013 und Neuböck 2013) speziell abgestimmte Lehrendenportfolios. Neben den fachlichen und forschenden Interessen lassen sich daraus auch die Kompetenzen von Lehrenden von treffpunkt sprachen erheben, die wesentlich zur Weiterentwicklung des fachdidaktischen Forschungsbereichs beitragen. Lehrende, die an der Abteilung Fachdidaktik Projekte leiten und durchführen, sind hauptsächlich ExpertInnen und Professionals mit mehrjähriger Berufserfahrung. Diese bringen eher als NovizInnen die metakognitiven und explorativen Forschungsressourcen mit. Es wurde beobachtet, dass die Forschungsmotivation der Lehrenden mit dem Kompetenzstufenmodell 34 Christian Hofer <?page no="35"?> nach Dreyfus und Dreyfus (vgl. Paetz et al. 2011, S. 53 f.) in Verbindung zu bringen ist. Dieses Modell weist fünf hierarchisierte Kompetenzstufen auf, innerhalb derer die Lehrenden agieren bzw. forschend tätig sind: der Novize/ die Novizin, der/ die Fortgeschrittene, der/ die Kompetente, der/ die Gewandte, der Experte/ die Expertin. Ein Lehrender/ eine Lehrende, welche sich auf der Stufe des Novizen/ der Novizin befindet, bedarf eines Orientierungs- und Überblickswissens, um Lehr- und Lernprozesse eigenständig steuern zu können. Das persönliche Forschungsinteresse ist sehr stark auf die persönliche und berufliche Handlungskompetenz bezogen, wobei Novizen und Novizinnen zu einem großen Teil über Beobachtung und anschließende Integration in das eigene berufliche Handeln lernen. Expertinnen und Experten, die über ein hohes Ausmaß an Erfahrung und Expertise verfügen, verarbeiten ihre Erfahrungen auf einer Metaebene. Diese geben bei treffpunkt sprachen ihr Wissen etwa im Rahmen von Fortbildungen weiter, was für Novizinnen und Novizen wiederum interessant ist, oder leiten eigene Forschungsprojekte. Lehrende, welche sich, über die Lehrtätigkeit hinaus, für den wissenschaftlichen Diskurs öffnen und forschend tätig sind, bringen vor allem folgende Kompetenzen mit: Handlungskompetenz, Reflexionskompetenz und Selbstkompetenz. Handlungskompetenz erweist sich insofern als Disposition für fachdidaktisches Forschen, als sie sich sowohl auf Theorie als auch auf Praxis bezieht. Gemäß Dehnpostel (2007, S. 51) schließt Handlungskompetenz sowohl Theoriewissen (etwa Wissen um Lerntheorien oder methodisch-didaktische Abläufe) als auch Erfahrungswissen (zu «erfahrungsgeleitetem Lernen» siehe Unger-Ullmann 2011) mit ein. Theorie und persönliche sowie berufliche Erfahrung stellen eine sinnvolle Synthese für fachdidaktische Forschungsaktivitäten dar. Des Weiteren bringt Erfahrungswissen als Teil von Handlungskompetenz einen hermeneutischen Forschungsblick mit sich: Forschung kann an den wertvollen Vorerfahrungen der sich wissenschaftlich betätigenden Professionals anknüpfen. Reflexionskompetenz ist eine weitere wichtige Fähigkeit, welche forschende Professionals aufweisen. Gerade im Rahmen der Doppelfunktion als Lehrende und Forschende ist es wesentlich, im Sinne einer Perspektivverschränkung (vgl. Siebert 2003), ausgehend von verschiedenen Rollen und Funktionen, Lernprozesse zu reflektieren bzw. sich auf verschiedenen Metaebenen zu bewegen. Die fachdidaktisch-forschende Haltung schließt demnach ein reflektierendes Lernen mit ein. Dieses kann als die «kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Wissen» (Cendon 2013, S. 103) oder als «Umgang mit bereits Vorhandenem» (ebd., S. 104) verstanden werden. Eva Cendon (vgl. 2013) Fachdidaktik: Forschende Zugänge und Methoden 35 <?page no="36"?> bietet eine fundamentale lerntheoretische Analyse zum Reflexionsbegriff an, wobei sie verschiedene Grade von Reflexion in Bezug auf den Komplexitätsgrad strukturiert. So kann reflektierendes Lernen als Alternierung von Handeln und Denken lokalisiert werden, wie auch als systematische Herangehensweise «mit dem Ziel, ein neues Verständnis zu erreichen» (ebd., S. 104). In Zusammenhang mit der beruflichen Handlungs- und Reflexionsfähigkeit ist auch Selbstkompetenz eine wichtige Grundvoraussetzung, die Lehrende, welche forschend tätig sind, mitbringen. Selbstkompetenz meint einerseits, das Forschen und das Lehren klar voneinander abgrenzen zu können, sich gemäß der Funktion als ForscherIn bzw. Lehrende/ r zu sehen. Andererseits bietet forschende Betätigung auch die Möglichkeit zur Weiterentwicklung des persönlichen Kompetenzspektrums, was der allgemeinen Qualitätsentwicklung des Zentrums zugutekommt. Handlungsforschung: lehrend forschen und forschend lehren Die fachdidaktischen Projekte am treffpunkt sprachen sind handlungs- und aktionsforschend geprägt. «Aktionsforschung ist die systematische Untersuchung beruflicher Situationen, die von Lehrerinnen und Lehrern selbst durchgeführt wird, in der Absicht, diese zu verbessern» (Altrichter et al. 2007, S. 13). Altrichter et al. beziehen sich in ihrer Analyse zum Wesen und dem methodischen Verstehen von Aktionsforschung zwar auf den Bildungsbereich Schule und Schulentwicklungsprozesse; Grundlagen daraus sind jedoch auch im hochschuldidaktischen Setting anzuwenden. Der systematischen Herangehensweise wird in den Forschungsprojekten des Zentrums entsprochen, indem die forschenden Lehrenden ein Forschungskonzept entwickeln, welches nach Absprache und nach einem gemeinsamen Austausch mit Teammitgliedern, die Grundlage des weiteren Tuns darstellt. Einzelne Forschungsphasen, Schritte und Meilensteine werden zudem festgehalten und protokolliert, um die Vorgehensweise nachvollziehbar machen zu können. Den systematischen und strukturierten Stellenwert von Handlungsbzw. Aktionsforschung betont auch Mayring (2007, S. 50 - 54), wobei das konkrete Praxisproblem und die Ziele der Praxisveränderung von Beginn an festgelegt werden sollen. Auch wenn eine systematische Herangehensweise inklusive Methodenkontrolle als qualitatives Forschungsmerkmal gilt, so erweist sich «Offenheit» (ebd., S. 27 f.) als ebenso zentrales handlungsforschendes Kriterium. Vor allem Forschungsaktivitäten, welche direkt in Lernprozessen durchgeführt werden, sind allemal als prozesshaft zu interpretieren - 36 Christian Hofer <?page no="37"?> Forschungsverläufe und vertiefende Schwerpunkte sind nicht prognostizierbar und können eine Abänderung von Forschungswegen mit sich bringen. Deshalb ist das adäquate Interpretieren dieses Prozesses samt den Ergebnissen ein weiteres wichtiges Merkmal. Handlungs- und Aktionsforschung lässt sich in diesem Sinne auch als diskursiver Entwicklungsprozess mit hermeneutisch-phänomenologischem Charakter beschreiben. Altrichter et al. (2007, S. 15 - 21) gehen auf Charakteristika von Aktionsforschung ein: Forschung der Betroffenen: Wie bereits zuvor skizziert, sind die ForscherInnen selbst aktiv an der zu erforschenden sozialen Situation beteiligt. Sie werden zu forschenden Lehrenden und sollen in der Lage sein, die lehrende und forschende Perspektive gewinnbringend miteinander zu verbinden. Mayring (2007, S. 51) betont zudem den Aspekt des «direkten Ansetzens an sozialen Problemen», sodass auch die Forschungszielgruppe (siehe oben) einen direkten und aktiven Forschungspart einnimmt, indem diese etwa mittels Interviews, Frage- oder Evaluierungsbögen ihre Sichtweise vertreten. Mayring (ebd., S. 51) spricht in diesem Zusammenhang vom «gleichberechtigten Diskurs Forscher-Betroffene». Die zu Untersuchenden sind die ExpertInnen der sozialen Situation, an der sie aktiv teilhaben. In Bezug auf treffpunkt sprachen spricht Unger-Ullmann (2013, S. 101) in passender Weise von einer «partnerschaftlichen Kooperation zwischen Sprachlehrenden und Studierenden». Fragestellungen aus der Praxis: Forschungsaktivitäten am treffpunkt sprachen geben sich oftmals als intrinsisch motiviert zu erkennen. Handlungskompetente Professionals beziehen sich in ihren Forschungsprojekten auf selbst erlebte Unterrichtsprobleme, sodass sich Handlungsforschung auch als Form der Selbstforschung zu erkennen gibt. Neben den Forschungsfragen, welche sich aus dem unmittelbaren Arbeiten ergeben, sind folgende Forschungsquellen als Grundlage für fachdidaktische Aktivitäten vorzufinden (vgl. Altrichter et al. 2007, S. 54 - 56): Ergebnisse von Feedback und Evaluationen (siehe weiter unten), Teilnahme an Entwicklungsprogrammen und Fortbildungslehrgängen (vgl. die Modulreihe Sprachenlernen mit Erwachsenen weiter unten), Neugier und theoretische Interessen. In-Beziehung-Setzen von Aktion und Reflexion: Altrichter et al. (ebd., S. 15) sehen Handlungsforschung geprägt durch die Interdependenz von Fachdidaktik: Forschende Zugänge und Methoden 37 <?page no="38"?> Aktion und Reflexion. Sie werden im Forschungsprozess immer wieder aufeinander bezogen. Dabei werden dem Handeln, sprich dem Unterrichtsprozess, «neue Möglichkeiten eröffnet, und die Reflexionsergebnisse werden durch das Handeln einer Überprüfung unterzogen» (ebd., S. 15). Durch den Kreislauf von Handeln und Reflektieren lassen sich Forschungserkenntnisse sozusagen schrittweise in den praktischen Rahmen integrieren. Wenn Altrichter u. a. vor allem die Aspekte Aktion und Reflexion betonen, so fügt der Autor dieses Textes den Aspekt der Integration hinzu, sprich den Transfer der Reflexions- und Forschungsergebnisse in die praktische Lehrtätigkeit. Handlungsforschung lässt sich so als ein Kreislauf von Aktion - Reflexion und Integration verstehen. Den Aspekt der praktischen Umsetzung handlungsforschender Ergebnisse betont auch Posch (2014, S. 3). Wesentlich ist es, «ein neu gewonnenes Verständnis auch praktisch wirksam werden zu lassen und die Situation zu verbessern». Veröffentlichung von PraktikerInnenwissen: Die Integration der handlungsforschenden Resultate erfolgt durch Publikationstätigkeit. «Aktionsforschung zielt darauf ab, das pädagogische Wissen einzelner LehrerInnen aus seiner privaten Isolation zu befreien» (ebd., S. 19), wodurch das lehrende Handeln durch das forschende Handeln eine Aufwertung erfährt. Forschungsergebnisse des treffpunkt sprachen werden durch Sammelpublikationen, Hochschulschriften, wie Dissertationen, oder durch Orientierung gebende Leitfäden verbreitet. So verfügt treffpunkt sprachen etwa über einen für das Lehrendenteam dienlichen Leitfaden zum Thema Vorevaluation oder handlungsorientiertes Prüfen und Bewerten. Diese erweisen sich als hilfreiche Begleitinstrumente, welche von Professionals im Rahmen ihrer Forschung selbst erstellt und den NovizInnnen den lehrenden Alltag erleichtern. Zum Forschungsthema Heterogenität in Unterrichts- und Lernprozessen wird, um ein anderes Beispiel zu nennen, ein Blog eingerichtet, welcher Lehrende auf mobile Art und Weise in der Unterrichtsvorbereitung und -durchführung unterstützen soll. Die Integration der Forschungsergebnisse erfolgt über das Publizieren hinaus im Rahmen von Fortbildungstätigkeit. Die HandlungsforscherInnen bieten als Ergänzung zu ihren fachdidaktischen Projekten sogenannte Umsetzungsworkshops an, in denen gewonnene Erkenntnisse und gemachte Erfahrungen auf praxisorientierte Weise behandelt werden. Diese Umsetzungsworkshops stellen Fortbildungsveranstaltungen dar, wobei der Erhalt einer Teilnahmebestätigung die Beschäftigung mit dem am Zentrum beforschten Thema bestätigt. Auf diese Weise wird 38 Christian Hofer <?page no="39"?> den Forschungskomponenten Aktion, Reflexion und Integration auf sehr effektive Weise entsprochen. Gütekriterien handlungsforschender Praxis Mayring (2007, S. 144 - 148) formuliert Gütekriterien qualitativer Forschung, welche sich auch auf die Forschungsprojekte am treffpunkt sprachen beziehen lassen. Sie stellen Qualitätsmerkmale dar, welche einen strukturierten Forschungsrahmen gewährleisten. Verfahrensdokumentation: Jedes fachdidaktische Projekt, welches am treffpunkt sprachen durchgeführt wird, ist nach Forschungszielen, inhaltlichen Themenstellungen, zeitlichem Rahmen und methodischen Gesichtspunkten strukturiert. Die Eckpfeiler Zielsetzungen, Verfahrensweise und zeitlicher Rahmen werden im Vorfeld mit der leitenden Ebene definiert und abgesprochen. Der gesamte Forschungsverlauf wird zudem dokumentiert und festgehalten. So kann dieser auch retrospektiv begutachtet und angemessen interpretiert werden. Die Verfahrensdokumentation kommt zum einen den wissenschaftlichen Gütekriterien zugute; zum anderen hat diese auch einen organisatorischen Stellenwert. So ist es wichtig, um ein Beispiel zu nennen, von Beginn an abzuklären, welche Lehrveranstaltungen für geplante Beobachtungen geeignet sind bzw. welche Lehrenden sich bereit erklären, Gespräche oder Interviews zu einem gewissen Forschungsthema zu führen. Die Verfahrensdokumentation ist in einem großen Sprachenzentrum ergo auch aus Koordinationsgründen essenziell. Regelgeleitetheit: Die systematische und strukturierte Vorgehensweise in den einzelnen Projekten ist von zentraler Bedeutung. Geplante Analyseschritte, methodische Forschungsabfolgen und der zeitliche Horizont sollen zugunsten einer wissenschaftlichen Nachvollziehbarkeit eingehalten werden. Nichtsdestotrotz stellt Handlungsforschung eine Betätigung in einem direkten beruflichen Handlungsrahmen dar, sodass es auch zu Änderungen von geplanten Forschungsschritten kommen kann. Offenheit ist demnach, wie zuvor formuliert, ein weiteres Gütekriterium, welches jenes der Regelgeleitetheit ergänzt. Nähe zum Gegenstand: Ein weiteres Postulat handlungsforschender Aktivitäten stellt die Nähe zum Gegenstand dar. Zumal humanwissenschaftliche Sachverhalte in einem alltäglichen, natürlichen bzw. praxisrelevan- Fachdidaktik: Forschende Zugänge und Methoden 39 <?page no="40"?> ten Umfeld untersucht werden sollen, ist Handlungsforschung eine «Forschung der Betroffenen» (ebd., S. 146); je besser die Sichtweisen und das Umfeld dieser Betroffenen analysiert und aufgezeigt werden können, desto näher kommt man auch diesem qualitativen Forschungspostulat. treffpunkt sprachen verfügt dabei über wertvolle direkte Forschungsquellen und Forschungsressourcen; aufgrund derer bieten sich qualitative und handlungsforschende Ansätze geradezu an. Triangulation: «Wie bei einem Triangel erst die Verbindung der drei Seitenstäbe den Klang des Instrumentes ausmacht, so kann auch bei qualitativer Forschung die Qualität der Forschung durch die Verbindung mehrerer Analysegänge vergrößert werden» (ebd., S. 147). Dieses Gütekriterium meint, die Themenstellung bzw. die forschenden Fragestellungen aus verschiedenen Perspektiven zu ergründen und so interpretativ auch verschiedene Lösungswege zu konstruieren und diese in der Folge zu vergleichen. Dabei geht es nicht darum, vollkommene Übereinstimmung zu erreichen. Forschungsprojekte bei treffpunkt sprachen sind zumeist im Sinne einer Triangulation angelegt, und es wird die Perspektive von Lehrenden, von Lernenden und auch des/ der Forschenden selbst berücksichtigt. Erst durch die Zusammenschau dieser drei Perspektiven ergibt sich ein gegenstandsnahes und authentisches Forschungsbild. In die Handlungsforschung eingebettete Forschungsmethoden und -verfahren Beobachtung: Neben dem Gespräch, den Varianten des Interviews und der schriftlichen Befragung (vgl. Altrichter et al. 2007, S. 152 - 178), welche das methodische handlungsforschende Repertoire in den fachdidaktischen Projekten darstellen, ist die direkte Prozessbeobachtung ein wesentlicher sowie traditioneller Baustein der handlungsorientierten Forschung. Diese Methode spiegelt die Doppelfunktion Lehrende/ r-Forschende/ r treffend wider. «Der Beobachter steht nicht passiv-registrierend außerhalb seines Gegenstandsbereiches, sondern nimmt selbst teil an der sozialen Situation, in die der Gegenstand eingebettet ist.» (Mayring 2007, S. 80) Die Untersuchenden sind demnach Lehrende und Forschende zur selben Zeit. Neben dem Aspekt der Unmittelbarkeit ist es ein weiteres Ziel, die Innenperspektive der Sprachlernprozesse zu erschließen. Die direkte Prozessbeobachtung als qualitative Technik soll dabei «höchstens halb standardisiert» (ebd., S. 81) sein. Es gibt zwar Beobachtungsrichtlinien 40 Christian Hofer <?page no="41"?> und Beobachtungskriterien, wesentlicher ist jedoch eine freiere und offenere Beobachtung, welche auch dokumentiert und reflektierend ausgewertet wird. Die teilnehmenden Beobachtungen dienen als wichtige Datenquelle im Rahmen eines triangulären Forschungsansatzes (siehe oben). Eine derartige Methode lässt sich am treffpunkt sprachen relativ unkompliziert umsetzen: Lehrende haben die Möglichkeit, teilnehmende Beobachtende in ihren eigenen Lehrveranstaltungen zu sein, wobei dem Ablaufplan nach Mayring (2007, S. 83) gefolgt werden kann: Bestimmung der Beobachtungsdimensionen - Erstellen des Beobachtungsleitfadens - Herstellen des Kontakts zum Untersuchungsfeld - Handeln im Feld bzw. direkte Beobachtung - Feldnotizen, Beobachtungsprotokolle - Schlussauswertung. Auch wenn die direkte Prozessbeobachtung aufgrund ihres praktikablen, authentischen und unmittelbaren Charakters oftmals eine geeignete handlungsforschende Methode darstellt, ist vorab zu überlegen, ob diese dem jeweiligen Forscher/ der jeweiligen Forscherin zusagt und ob sie den festgelegten Untersuchungszielen entspricht. Anzumerken ist, dass eine gute Lernatmosphäre, ein angenehmes Lernklima und ein bereicherndes Lehr- Lernverhältnis als wichtige Voraussetzungen für eine gelungene Prozessbeobachtung gelten. Einen zentralen Faktor stellen außerdem die Unterrichtspraxis und die Arbeitsroutine dar, um während des Unterrichtsprozesses in der Forschendenrolle agieren zu können. So kann vermieden werden, dass der/ die Lehrende selbst im Rahmen der Untersuchung als Störfaktor erlebt wird. Eine alternative Form dieser aktiven Beobachtung, welche am treffpunkt sprachen zum Einsatz kommt, ist die standardisierte Beobachtung, in der ein außenstehender Forscher/ eine außenstehende Forscherin anhand vorgefertigter Beobachtungsbögen dem Lehr- und Lernprozess beiwohnt. Dies bringt den Vorteil, dass auch und im Speziellen die Lehrperson in ihrem Tun mitberücksichtigt werden kann. Mehrere Lehrveranstaltungen werden so anhand gleicher Beobachtungsgrundlagen in den Forschungsaktivitäten inkludiert. «Außerdem kann eine nicht unterrichtende dritte Person genauer und mehr beobachten, weil sie mehr Zeit zur Verfügung hat und nicht unter Handlungsdruck steht.» (Altrichter et al. 2007, S. 138) Eine zusätzliche Beobachtungsvariante findet am treffpunkt sprachen sowohl im Rahmen von Projekten als auch zur persönlichen Weiterentwicklung statt: die Kollegiale Hospitation. Es hat sich erwiesen, dass die direkte und gegenseitige Beobachtung des Unterrichts ein enormes Lernpotenzial in sich birgt (vgl. Schlee 2008). In der Kollegialen Hospitation, die bei treffpunkt sprachen seit mehreren Jahren erfolgreich umgesetzt Fachdidaktik: Forschende Zugänge und Methoden 41 <?page no="42"?> wird, finden sich zwei Lehrende zusammen, die im Unterricht der Kollegin/ des Kollegen hospitieren und diesen im Rahmen von Gesprächen reflektieren und mitentwickeln. In einem Erstgespräch wird über den Ablauf der Hospitation gesprochen (Dauer, Ausmaß, kollegiale und nicht bewertende Atmosphäre, Hospitationskriterien bzw. vereinbarte Beobachtungskriterien; diese können je nach Schwerpunktsetzung und Interessen eher den methodisch-didaktischen Wirkungsbereich oder den Lehrauftritt und die Lehrendenpersönlichkeit betreffen; bei Zweitem bietet sich die Hospitation in einer fachfremden Sprache an, denn dies lenkt vom Fokus der Sprachvermittlung ab). Generell gibt es dabei die Möglichkeit, die Beobachtungskriterien breit zu fassen bzw. sich auf einige Aspekte zu fokussieren. Anhand eines ausgefüllten Beobachtungsbogens bzw. eigener Notizen gibt es im Anschluss an die Hospitationen, die sich von einer Unterrichtsstunde bis hin zu einem Monat ziehen können, ein moderierendes Gespräch, in dem Lernerfahrungen, jeweilige Stärken und Entwicklungsmöglichkeiten in einem wiederum geschützten Rahmen besprochen werden. Der Abschluss der Kollegialen Hospitation wird mit Unterschriften bestätigt und kann so als eine Fort- und Weiterbildungsmaßnahme gesehen werden. Die Rückmeldungen der Lehrenden sind durchwegs positiv: Sie erweitern ihr Methodenrepertoire, lernen neue Unterrichtsstile kennen, beobachten den Umgang mit Gruppen und Studierenden, bekommen eigene Probleme von einer Außenperspektive gespiegelt und vieles mehr. Die Kollegiale Hospitation lässt sich auch in einzelnen Forschungskonzepten als gewinnbringende Methode einsetzen. Dokumentenanalyse: Eine Methode bzw. ein Verfahren der sozialwissenschaftlichen Forschung wird auch am treffpunkt sprachen herangezogen: die Dokumentenanalyse (vgl. Mayring 2007, S. 46 - 50). Die Dokumentenanalyse erweist sich am Zentrum in manchen Projekten als geeignetes Verfahren, da es nonreaktives Messen zulässt und eine Ergänzung zu den anderen Methoden darstellt. Die Dokumentenanalyse ist ein qualitativinterpretierendes Verfahren, wobei als Quelle zur Analyse jedes Dokument herangezogen werden kann, das menschliches Verhalten aufzeigt und begreiflich macht. Für die fachdidaktische Forschung bieten sich dabei Lehrbücher, Skripten, diverse Unterrichtsmaterialien, Mitschriften oder Prüfungen an, die in den Forschungsprozess integriert werden. Im Projekt lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Beurteilen und Bewerten (siehe Beitrag in diesem Buch) etwa wurden bereits verwendete Prüfungen hinsichtlich ihrer kompetenz- und handlungsorientierten Gestaltung analysiert. Im Projekt Reflektierendes Lernen in Sprachlehr- 42 Christian Hofer <?page no="43"?> büchern und Skripten waren Unterrichtsmaterialien der forschende Ausgangspunkt. Die Dokumentenanalyse erweist sich in den fachdidaktischen Projekten als sinnvolle Ergänzung zu handlungsforschenden Aktivitäten. Dazu formuliert Mayring (2007, S. 49): So können in größeren Forschungsprojekten fast immer Dokumentenanalysen eingebaut werden. Wegen ihres nichtreaktiven Charakters können sie dazu dienen, die Gültigkeit auf anderen Wegen gewonnenen Materials einzuschätzen. (. . .) Die Vernachlässigung dieses Ansatzes bedeutet den Verzicht auf wertvolle Informationsquellen über menschliches Denken, Fühlen und Handeln. Das qualitative Experiment: Das qualitative Experiment wird am treffpunkt sprachen im Rahmen handlungsforschender Projekte eingesetzt, um beispielsweise die Sinnhaftigkeit und den Erfolg von fachdidaktischen Methoden oder Sprachlernkonzepten zu überprüfen. Mayring (vgl. ebd., S. 58) hebt die Tradition des qualitativen Experiments hervor, indem er sich auf dessen Einsatz in der Physik bzw. einzelnen Arbeitsbereichen der Psychologie bezieht. Auch Kleinig (1986, S. 724) betont den historischen Charakter dieser Sonderform des Experiments und definiert: «Das qualitative Experiment ist der nach wissenschaftlichen Regeln vorgenommene Eingriff in einen (sozialen) Gegenstand zur Erforschung seiner Struktur. Es ist die explorative, heuristische Form des Experiments». Weniger als im klassischen Experiment geht es um die Verifikation bzw. Falsifikation von Hypothesen, und eine weniger standardisierte Durchführung ist zulässig, um dem handlungsforschenden Gütekriterium der Offenheit Folge leisten zu können. Außerdem sind auch hier die unmittelbare Nähe zum Gegenstand und die Erprobung unter natürlichen Rahmenbedingungen relevant. Mayring (2007, S. 60) schlägt folgenden Ablauf eines qualitativen Experiments vor: Deskription des Gegenstandes - experimenteller Eingriff - Deskription des Gegenstandes - Schlussfolgerungen auf seine Struktur. Dem beschreibenden und Struktur aufzeigenden Element wird dabei ein hoher Stellenwert zugesprochen, um komplexe humanwissenschaftliche Phänomene verständlich zu machen. Am treffpunkt sprachen, um ein Beispiel zu nennen, wurde das qualitative Instrument im Rahmen eines Projekts durchgeführt, um die Korrelation von sprachlicher Kompetenz und Lerntypeninstrumentarien zu testen. Qualitative und prozessbegleitende Evaluation: Evaluation hat am treffpunkt sprachen Tradition. Lehrveranstaltungen, Sprachkurse, Workshops und Seminare werden sowohl formativ als auch summativ evaluiert (vgl. Nuissl 2013, S. 27). Lehrende wenden Evaluierungsverfahren und eva- Fachdidaktik: Forschende Zugänge und Methoden 43 <?page no="44"?> luierende Methoden während der Lehrveranstaltungen an, um Zwischenfeedbacks zu erhalten und Sprachenlernenden zu ermöglichen, ihre Lernprozesse selbstevaluativ zu reflektieren (zur Thematik Selbstevaluierung vgl. Hofer 2009). Des Weiteren wird jede Lehrveranstaltung anhand eines eigens konzipierten Feedbackbogens evaluiert (vgl. Hofer 2006, S. 178 f.). Diese Evaluierungsergebnisse werden jedes Studiensemester zentrumsübergreifend und statistisch ausgewertet. Die Ergebnisse fließen sowohl in die Qualitätsentwicklung des Zentrums als auch in die fachdidaktische Forschung mit ein. Lehrende haben zudem die Möglichkeit, anhand der Evaluierungen ihre Tätigkeit zu reflektieren und ihre Selbstkompetenz zu entfalten. Neben der Evaluationstätigkeit, welche sich im hochschulischen und erwachsenenbildnerischen Bereich etabliert hat (vgl. Nuissl 2013, S. 137), ist treffpunkt sprachen verstärkt bestrebt, diese evaluierende Tradition in den wissenschaftlichen Rahmen sowie Diskurs zu transferieren. Denn neben Legitimation, Kontrolle und Entwicklung hat Evaluation in ihrem funktionsbezogenen Ansatz (vgl. Stockmann/ Meyer 2010, S. 145 ff.) Erkenntnisgewinn zum Ziel. Evaluationsforschung ist seit den letzten Jahren ein diskutierter und besprochener Forschungsschwerpunkt, wobei der amerikanische Raum eine Vorreiterrolle einnimmt (vgl. Nuissl 2013, S. 27). Disziplinär ist Evaluationsforschung eng mit der Psychologie bzw. der pädagogisch-psychologischen Diagnostik als auch mit der Erziehungswissenschaft, im Speziellen der Lehr- und Lernforschung, verbunden. Nicht zuletzt aus diesem Grund sind die fachdidaktischen Forschungsaktivitäten am treffpunkt sprachen lehr- und lernforschend orientiert. «Die Lehr-/ Lernforschung betrachtet Lernprozesse vorrangig mit Erkenntnisinteresse - wie laufen die Prozesse ab, welche lernrelevanten Beobachtungen lassen sich machen.» (ebd., S. 38) Im Rahmen der handlungsforschenden Aktivitäten stellt das Evaluieren eine geeignete Methodik dar, um derartigen erkenntnisorientierten Fragestellungen auf den Grund zu gehen. Am Zentrum wird gegenwärtig zum einen das Projekt Vorevaluation durchgeführt (vgl. den Beitrag in diesem Buch); zum anderen werden in speziellen Evaluationsprojekten Aktivitäten und Schwerpunkte des Zentrums begutachtet. Im bereits erwähnten Projekt TEP-TandemEvaluationsProjekt werden eingegangene Sprachlernpartnerschaften aus der Lernendensicht evaluiert. Die ausgewerteten Evaluierungsergebnisse, dies ist aus der Sicht des Autors dieses Textes wesentlich, sind sowohl auf leitenderqualitätsentwickelnder als auch auf wissenschaftlich-diskursiver Ebene wertvolle Daten- und Erkenntnisquellen. Diese können sowohl der Weiterentwicklung des administrativ-organisatorischen Bereichs dienen als auch den lernprozessforschenden Aktivitäten. Als weitere evaluati- 44 Christian Hofer <?page no="45"?> onsforschende Maßnahme sei das Projekt Kollegiales Hospitieren und Beraten erwähnt, in welchem absolvierte Kollegiale Hospitationen anhand eines Reflexionsbogens evaluiert werden (siehe den Anhang in diesem Beitrag). Wiederum sind die Ergebnisse aus organisatorischer und aus lerntheoretischer Sicht interpretierbar und zu verwerten: Aus lerntheoretischer Sicht interessiert etwa die Frage nach der Lernweise oder den Lerninhalten in einer Kollegialen Hospitation, einem non-formalen Lernsetting. Forschendes Lernen in Modulen Geforscht wird am treffpunkt sprachen nicht nur im Rahmen der fachdidaktischen Projekte, sondern auch innerhalb eines konkreten Lehrveranstaltungsangebots, der modularen Aus- und Weiterbildung Sprachenlernen mit Erwachsenen. Diese Ausbildung ist berufsbegleitend und in modularer Form angelegt. Neben den acht Blockmodulen mit voller Anwesenheitspflicht gibt es Seminar- und Reflexionsarbeiten zu erledigen; des Weiteren sind ein Praktikum und eine Kollegiale Hospitation zu absolvieren. Innerhalb der Ausbildung wird mit verschiedenen Lernformen gearbeitet. Über den Lehrvortrag hinaus sind der gemeinsame Erfahrungsaustausch bzw. das erfahrungsgeleitete Lernen zentral (vgl. Unger-Ullmann 2011). Gerade im gemeinsamen Diskurs und im Austausch miteinander wird die berufliche Praxis auf hohem Niveau reflektiert und gewinnbringend weiterentwickelt. Eine konzeptionelle Besonderheit der Ausbildung stellt die gezielt eingesetzte Zielgruppenheterogenität dar. Diese Zielgruppenheterogenität wird in Sprachenlernen mit Erwachsenen als strategisches, didaktisches Prinzip eingesetzt und präsentiert sozusagen den Alternativpol zu der gängigen fachdidaktischen Kategorie Zielgruppenorientierung (vgl. Siebert 2003). Basierend auf dem Stellenwert des erfahrungsgeleiteten Lernens und dem Erfahrungsaustausch als zentraler Lernform (diese wird moderierend und unter Zuhilfenahme verschiedenster Sozialformen, die wiederum in die eigene Lehrpraxis einfließen können, umgesetzt) richtet sich das Prinzip der Zielgruppenheterogenität nach den erwähnten Kompetenzstufen Novize/ Novizin, Fortgeschrittene/ r, Kompetente/ r, Gewandte/ r, Experte/ Expertin (siehe oben). So sind in der hochschuldidaktischen Ausbildung nicht nur LektorInnen und angehende HochschuldidaktikerInnen vertreten, sondern auch Studierende im Masterstudium oder in einer fortgeschrittenen Lehramtsausbildung sowie Native Speakers, denen es an einer didaktischen und erwachsenenbildnerischen Ausbildung fehlt. Auch Lehre- Fachdidaktik: Forschende Zugänge und Methoden 45 <?page no="46"?> rInnen mit Schulpraxis haben die Möglichkeit, mit der Ausbildung ihr berufliches Handlungsfeld auszubauen. Gerade diese Zielgruppenheterogenität erzeugt eine forschend-entdeckende Grundhaltung, da die Teilnehmenden selbst in hohem Maße voneinander lernen. Professionals bzw. erfahrende Lehrende stellen im Rahmen des Erfahrungsaustauschs nicht nur ihre eigenen Wissensressourcen zur Verfügung; sie präsentieren darüber hinaus selbst ihre eigenen Forschungsvorhaben, sodass besonders das forschende Lernen gefördert wird. Die in der Weiterbildung integrierten Kollegialen Hospitationen (siehe oben) sorgen zudem für Wissenserzeugung im handlungsforschenden Sinne. Zur Veranschaulichung werden die acht Module zu Sprachenlernen mit Erwachsenen präsentiert: Sprachenlernen mit Erwachsenen 1. Wissenschaftliche, methodische und didaktische Grundlagen der Erwachsenenbildung In diesem Seminar beschäftigen sich die Teilnehmenden mit Prinzipien, Grundlagen und den Besonderheiten der Erwachsenenbildung, auch im Vergleich zu anderen Handlungsfeldern der Bildung. Kernelemente derartiger Überlegungen sind: lebensbegleitendes Lernen, wissenschaftstheoretische Hintergründe, lerntheoretische Modelle zur Kompetenzentwicklung, offene und geschlossene Lernformen, formales und non-formales Lernen. Daraufhin wird ein Bogen zu sprachendidaktischen Überlegungen geschlagen, wobei in Folge die Makroebene des Sprachenunterrichts und der Sprachenlehre von Interesse ist: Die Teilnehmenden erstellen eigenständige Unterrichtskonzepte, wobei unterschiedliche Lernformen, wie autonomes oder interkulturelles Lernen, Aspekte des Medieneinsatzes, Möglichkeiten und Instrumente zur Leistungsbewertung und (Selbst)Evaluierung Berücksichtigung finden. Sprachenlernen mit Erwachsenen 2. Kompetenzorientiertes Sprachenlernen: Sprechen - Schreiben - Grammatik - Wortschatz Aufbauend auf den Inhalten zu Sprachenlernen mit Erwachsenen 1 und dem Wissen um Aspekte einer kommunikativ-interaktiven sowie kompetenzorientierten Didaktik im Hintergrund (die Termini und Zugänge zu Interaktion, Kommunikation und Kompetenz finden besondere Berücksichtigung) beschäftigen sich die Teilnehmenden mit der Mikrostruktur der Sprachenlehre, sprich der methodischen Ebene einzelner Lehr- und Unterrichtssegmente. Folgende Bereiche werden behandelt und abgedeckt: Elemente, die Bildungsveranstaltungen an sich betreffen: Vorstellen, Auflockern - Konzentration, konstruktives Feedback, Methoden einer 46 Christian Hofer <?page no="47"?> Selbst-Evaluierung; Übungen zur Förderung der Schreibkompetenz mit der Ausrichtung: «Schreiben kann auch gemeinsam stattfinden»; Kommunikative und interaktive grammatikalische Inhalte mit der Ausrichtung: «Weg mit den Einsetzübungen»; Möglichkeiten zur Erarbeitung und zum Ausbau des Wortschatzes. Es sollen Möglichkeiten aufgezeigt werden, Sprachenlehre ohne vollkommene Orientierung auf ein Lehrbuch gestaltbar zu machen. Diverse Unterrichtsmethoden werden veranschaulicht mit Blick auf unterschiedliche Handlungsfelder und Zielgruppen. Einzelne kommunikativ und interaktiv orientierte Methoden werden selbst entwickelt, mit dem Wissen im Hintergrund, was es bedeutet, kommunikative Sprachlehrkonzeptionen vorzunehmen. Sprachenlernen mit Erwachsenen 3. Lernendenzentriertes Sprachenlernen. Hören - Lesen - Lernen lernen In der Bildungslandschaft generell und speziell in der universitären Lehre vollzog sich in den letzten Jahren - nicht zuletzt im Zuge der Umsetzung von Bologna - ein Paradigmenwechsel von der Lehrzur Lernorientierung, also von einer Input-Orientierung (Welche Lehrinhalte werden vermittelt? ) zu einer Output-Orientierung (Was sollen die Lernenden wissen und können? ). Dieser Perspektivenwechsel vom Lehren zum Lernen (shift from teaching to learning) hat massive Auswirkungen auf das Lehr- und Lerngeschehen. In diesem Seminar werden die Teilnehmenden mit dem Konzept des lernendenzentrierten Sprachenlernens vertraut gemacht, und zwar im Speziellen was die Fertigkeiten Hören und Lesen anbelangt. In Zusammenarbeit mit ihren KollegInnen adaptieren und entwickeln sie praktische Übungen zum Textverständnis (Hören und Lesen) und werden dafür sensibilisiert, welch großen Einfluss Lernhaltungen von Sprachenlernenden bei der Entwicklung effektiver Lernstrategien haben. Der Zusammenhang zwischen rezeptiven und produktiven Fertigkeiten wird insofern thematisiert, als es beim Textverständnis nicht um ein Verstehen um des Verstehens willen geht («Beantworten Sie die Fragen! »), sondern um ein Text-Verstehen mit einem konkreten Ziel (z. B. die weitere Bearbeitung der Aufgabe). Die Teilnehmenden sollen ihre Lernenden dabei unterstützen können, bei Hör- und Leseverstehensaufgaben ihr Weltwissen zu aktivieren, außersprachliche Hilfen beim Textverstehen einzubeziehen und bereits vorhandene Kenntnisse aus anderen Fremdsprachen zu nutzen. Fachdidaktik: Forschende Zugänge und Methoden 47 <?page no="48"?> Sprachenlernen mit Erwachsenen 4. Die heterogene Lernendengruppe: Herausforderungen, Chancen, Umgangsmöglichkeiten Erwachsenenbildung sowie Sprachenlehre sind häufig von Heterogenität geprägt. Das Seminar stellt das Phänomen sowie das Konstrukt der Heterogenität ins Zentrum, wobei auch auf theoretische Aspekte im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang eingegangen wird. Lernende divergieren: Lernniveaus, Lernvoraussetzungen, Lernmotivation, soziokulturelle Hintergründe können verschieden sein. Dies soll in der Planung und Gestaltung einer Lehrveranstaltung berücksichtigt werden. Die Teilnehmenden diskutieren Möglichkeiten, eine Lernendengruppe zu moderieren und zu steuern und trotzdem Aspekten einer lernendenzentrierten Didaktik Folge zu leisten. Die Teilnehmenden sollen in der Lage sein, sich auf dynamische und alternierende Zielgruppen einzustellen und ihre methodisch-didaktische Kompetenz darauf abzustimmen. Vertiefend wird auf Lernformen und Unterrichtsinstrumente, die diesbezüglichen Stellenwert innehaben, eingegangen: Selbsteinstufung und Selbstevaluierung, autonomes und mediengestütztes Lernen, Gender und Diversity in der Sprachenlehre, interkulturelles Lernen. Es gilt: «Es ist normal, verschieden zu sein». Sprachenlernen mit Erwachsenen 5. Beurteilen - Bewerten - Evaluieren Schriftliche oder mündliche Prüfungen zu konzipieren, durchzuführen und zu bewerten ist gleichermaßen zentrale Anforderung an Lehrende wie ein vernachlässigter Aspekt in vielen Ausbildungszweigen. Von Sprachenlehrenden wird professionelles und kompetentes Prüfen und Beurteilen erwartet, die geforderten Kompetenzen sind zahlreich: Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Prüfen; konstruktives Abgleichen von Lernzielen, Lehrmethoden und Prüfungsformen (Alignment); Wissen über verschiedene Prüfungsformate, geeignete Bewertungskriterien und deren Gewichtung; Orientierung an testtheoretischen Gütekriterien (Objektivität, Validität, Reliabilität); angemessenes Prüfungsverhalten, etc. Ziel dieses Seminars ist es, die Teilnehmenden zu einer kritischen Reflexion ihrer Prüfungspraxis anzuregen und sie mit dem state of the art im didaktisch-wissenschaftlichen Diskurs zum Thema Assessment vertraut zu machen. Zu diesem Zweck wird auf genug Raum für gegenseitigen kollegialen Austausch über Test- und Prüfungsformate und das eigenständige Erarbeiten verschiedenster formativer und summativer Beurteilungsformen Wert gelegt. 48 Christian Hofer <?page no="49"?> Sprachenlernen mit Erwachsenen 6. Sprachenlernen im Kontext der Interkulturalität Interkulturelles Lernen ist inhärenter Bestandteil jedes Fremdsprachenunterrichts und stellt die Lehrenden vor die Aufgabe, die interkulturelle Kompetenz als Lernziel zu fördern und den Blick für die Vielfalt kultureller Begegnungen zu schärfen. Dabei genügt es nicht, die kulturelle Identität der Lernenden zu berücksichtigen, sondern vor allem sich der eigenen Selbst- und Fremdbilder sowie der eigenen kulturellen Prägung bewusst zu sein. Zudem konfrontieren Lerngruppen mit großer Diversität die Lehrenden in besonderer Weise mit unterschiedlichen, kulturell geprägten Erwartungen, Verhaltensweisen und Lernstilen. In diesem Seminar werden einige theoretische Konzepte behandelt und anhand praktischer Beispiele folgende Themen interaktiv bearbeitet: ● Interkulturalität und interkulturelle Kommunikation mit Fokus auf den Fremdsprachenunterricht, ● Sensibilisierung für Störungen in der interkulturellen Kommunikation, ● Auseinandersetzung mit kulturell geprägten Lehr- und Lernstilen, ● Umgang mit Transiterfahrung, ● Reflexion der eigenen kulturellen Prägung und Fremdwahrnehmung, ● Reflexion der eigenen interkulturellen Erfahrung im Unterricht und Sensibilisierung für die eigene interkulturelle Kompetenz. Sprachenlernen mit Erwachsenen 7. Autonomes Sprachenlernen und schreibdidaktische Begleitung Ohne Zweifel stellt das Konzept des autonomen Sprachenlernens (learner autonomy) seit geraumer Zeit einen zentralen Begriff der Fremdsprachendidaktik dar, doch hat es kaum Einzug in die Welt der Klassenzimmer gehalten. Obwohl sich das autonome Sprachenlernen auf konstruktivistische Lerntheorien und Erkenntnisse aus der Zweitsprachenforschung stützt, wird der Begriff noch immer vielerorts missverstanden und gilt als zu idealistisch, um tatsächlich in die Praxis des Sprachunterrichts umgesetzt werden zu können. In diesem Seminar werden die Teilnehmenden mit den zahlreichen Facetten des Konzepts des autonomen Sprachenlernens vertraut gemacht. In Zusammenarbeit mit ihren KollegInnen, entdecken sie selbst die grundsätzlichen Charakteristika, die eine autonome Sprachenpädagogik ausmachen. Teilnehmende bekommen auch die Gelegenheit, ihre theoretischen Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen, indem sie praktische Übungen und Instrumente adaptieren und Fachdidaktik: Forschende Zugänge und Methoden 49 <?page no="50"?> entwickeln, die sie in ihrem eigenen Unterricht einsetzen können. Des Weiteren werden die Teilnehmenden im Rahmen einer schreibdidaktischen Begleitung dabei unterstützt, eine Abschlussarbeit zu verfassen. Gemeinsam arbeiten sie an inhaltlichen und formal-stilistischen Aspekten der jeweiligen Arbeitsthemen. Sprachenlernen mit Erwachsenen 8. Lehrhaltungen und Lehrendenrollen: Potenziale, Selbstbetrachtung, Praktikumsreflexion Dieses Seminar richtet den Fokus auf den/ die Teilnehmende/ n als Lehrperson und ErwachsenenbildnerIn. Das Lehr- und Lerngeschehen ist zu einem großen Teil geprägt von der Interaktion zwischen Lernenden und Lehrenden. Gesprochen werden kann von einer Lernendenbeziehung. Dabei sind natürlich die Arbeitsweise sowie das Auftreten von Bedeutung. Das Ausmaß der Lernmotivation hängt zum Teil mit dem lernenden Ich zusammen. Die Teilnehmenden arbeiten am Rollenverständnis eines/ einer fachorientierten Erwachsenenbildners/ ErwachsenenbildnerIn. Moderne und innovative Kompetenzkonzepte ergeben ein facettenreiches Lehrendenverständnis: Wie gehe ich in meiner Rolle als Fachvortragende/ r vor, wie in meinem Auftrag als ModeratorIn und Coach? Eigene Stärken und Verbesserungspotenziale sollen exploriert werden. Coaching- und Reflexionsstrategien helfen dabei. Zudem finden eine Reflexion und Supervidierung des begleitenden Praktikums statt. Zusammenfassung Folgende Eckpfeiler umreißen die fachdidaktischen Forschungsaktivitäten am treffpunkt sprachen: Forschungszielgruppen Sprachenlernende, Studierende, Lehrende Didaktisches Setting Fachdidaktik und Sprachendidaktik, Hochschuldidaktik Forschende Lehrende (ExpertInnen und Professionals) Forschungsrahmen Handlungsforschung Charakteristika Forschung der Betroffenen Fragestellungen aus der Praxis Aktion, Reflexion, Integration Veröffentlichung von PraktikerInnenwissen 50 Christian Hofer <?page no="51"?> Gütekriterien Verfahrensdokumentation Regelgeleitetheit Nähe zum Gegenstand Triangulation Herangezogene Forschungsmethoden und Forschungsinstrumente Gespräch Interview schriftliche Befragung direkte Prozessbeobachtung standardisierte Beobachtung Kollegiale Hospitation Dokumentenanalyse qualitatives Experiment Evaluation Dieser Forschungsrahmen gibt die Abteilung Fachdidaktik als lernende Institution zu erkennen, in der Forschung einen gemeinschaftlichen Entwicklungsprozess darstellt. In der Regel erklären sich die Sprachenlernenden und Studierenden, dank der kooperativen Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden, bereit, an den Forschungsaktivitäten zu partizipieren. Dies stört den Präsenzunterricht nicht, sondern bietet den Studierenden vielmehr die Möglichkeit, das eigene Lernverhalten zu reflektieren und zu überdenken. Die Studierenden leisten einen wesentlichen Beitrag, um Fachdidaktik und Sprachlernforschung voranzutreiben. Zudem nehmen Lehrende als Forschende einen wesentlichen Part ein, wobei das Zentrum durch deren Forschungsinteresse und persönliche Entwicklungsbereitschaft eine enorme Bereicherung erfährt. Die LektorInnen stellen das Fundament der handlungsforschenden Aktivitäten dar. Sie tragen wesentlich dazu bei, Fachdidaktik, Sprachendidaktik und Hochschuldidaktik in den wissenschaftlichen Diskurs zu heben, diese zu professionalisieren und als eigenständige Forschungsdisziplin zu etablieren. Dieser Sachverhalt müsste von Seiten der Universität durch Nachwuchsförderung und personelle Verankerung noch verstärkt honoriert werden. Die handlungsforschenden Aktivitäten am treffpunkt sprachen folgen keinem traditionellen oder vorgegebenen Forschungskonzept. Als junge Forschungsabteilung werden bestimmte Modelle entwickelt, erprobt, evaluiert und so hinsichtlich ihres weiteren Einsatzes geprüft. Insofern ist die Forschung als dynamisch und sich entwickelnd zu bezeichnen, wobei neben den handlungsforschenden Methoden, wie Beobachtung und Hospitation, je nach Zielsetzung der jeweiligen Projekte auch andere Verfahren, wie die Dokumentenanalyse oder Evaluation, herangezogen werden. Diese Offenheit erweist sich aufgrund des Fachdidaktik: Forschende Zugänge und Methoden 51 <?page no="52"?> dynamischen und wachsenden Charakters der Forschungsaktivitäten als relevantes Kriterium. Nicht zuletzt ist es der Abteilung Fachdidaktik des treffpunkt sprachen ein großes Anliegen, die dort lernenden LektorInnen, Forschenden und Studierenden ins Zentrum zu stellen. Bibliographie Altrichter, Herbert/ Posch, Peter (2007): Lehrerinnen und Lehrer erforschen ihren Unterricht. 4. Aufl. Regensburg: Klinkhardt. Cendon, Eva (2010): Kompetenz- und Lernergebnisorientierung: Neue Perspektiven für die Umsetzung von lebenslangem Lernen. In: Schröttner, Barbara/ Hofer, Christian (Hrsg.): Kompetenzen - Interdisziplinäre Rahmen. Competences. Interdisciplinary Frameworks. Graz: Leykam Grazer Universitätsverlag. S. 41 - 52. Dehnpostel, Peter (2007): Lernen im Prozess der Arbeit. Münster: Waxmann. Fleischmann, Andreas/ Hein, Caroline/ Thielsch, Angelika (2013): «Gehet hin und mehret euch! » - Das Multiplikatorenprogramm der TU München zur Unterstützung engagierter Lehrender in den Fakultäten. In: Hofer, Christian/ Schröttner, Barbara/ Unger-Ullmann, Daniela (Hrsg.): Akademische Lehrkompetenzen im Diskurs. Theorie und Praxis. A Discourse on Academic Teaching Competencies. Theory and Practice. Münster/ New York/ München/ Berlin: Waxmann. S. 126 - 140. Hofer, Christian (2009): SprachKompetenzProfil. Ein Projekt der Eigenverantwortlichkeit in der globalisierten Welt. In: Schröttner, Barbara/ Hofer, Christian (Hrsg.): Education - Identity - Globalization. Bildung - Identität - Globalisierung. Graz: Leykam Grazer Universitätsverlag. S. 153 - 182. Hofer, Christian (2010): Kompetenzen in Spannungsfeldern. Vielfalt als Chance begreifen. In: Schröttner, Barbara/ Hofer, Christian (Hrsg.): Kompetenzen - Interdisziplinäre Rahmen. Competences - Interdisciplinary Frameworks. Graz: Leykam Grazer Universitätsverlag. S. 29 - 40. Hofer, Christian (2013): Vom Wesen der Hochschuldidaktik. Das Kollegiale Beratungs- und Weiterbildungssystem bei treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik. In: Hofer, Christian/ Schröttner, Barbara/ Unger-Ullmann, Daniela (Hrsg.): Akademische Lehrkompetenzen im Diskurs. Theorie und Praxis. A Discourse on Academic Teaching Competencies. Theory and Practice. Münster/ New York/ München/ Berlin: Waxmann. S. 75 - 94. Kleinig, Gerhard (1986): Das qualitative Experiment. Kölner Zeitschrift für Psychologie und Sozialpsychologie. Nr. 34. S. 224 - 253. Mayring, Philipp (2007): Qualitative Sozialforschung. 5. Aufl. Weinheim/ Basel: Beltz. Neuböck, Kristina (2013): Kompetenzportfolios für Lehrende: ein Erfahrungsbericht aus der Arbeit mit Sprachenlehrenden. In: Hofer, Christian/ Schröttner, Barbara/ Unger-Ullmann, Daniela (Hrsg.): Akademische Lehrkompetenzen im Diskurs. Theorie und Praxis. A Discourse on Academic Teaching Competencies. Theory and Practice. Münster/ New York/ München/ Berlin: Waxmann. S. 195 - 225. 52 Christian Hofer <?page no="53"?> Nuissl, Ekkehard (2013): Evaluation in der Erwachsenenbildung. Bielefeld: wbv. Paetz, Nadja-Verena et al. (2011): Kompetenz in der Hochschuldidaktik. Ergebnisse einer Delphi-Studie über die Zukunft der Hochschullehre. Wiesbaden: VS. Pellert, Ada (2013): Rollenkonzepte in der Akademischen Weiterbildung - eine Aufgabe für die Personalentwicklung. In: Hofer, Christian/ Schröttner, Barbara/ Unger-Ullmann, Daniela (Hrsg.): Akademische Lehrkompetenzen im Diskurs. Theorie und Praxis. A Discourse on Academic Teaching Competencies. Theory and Practice. Münster/ New York/ München/ Berlin: Waxmann. S. 95 - 102. Schlee, Jörg (2008): Kollegiale Beratung und Supervision für pädagogische Berufe. Hilfe zur Selbsthilfe. Ein Arbeitsbuch. Stuttgart: Kohlhammer. Siebert, Horst (2003): Didaktisches Handeln in der Erwachsenenbildung. Didaktik aus konstruktivistischer Sicht. 4. Aufl. München: Luchterhand. Stockmann, Reinhard/ Meyer, Wolfgang (2010): Evaluation. Eine Einführung. Opladen: Verlag Barbara Budrich. Tremp, Peter (2009): Hochschuldidaktische Forschungen - Orientierende Referenzpunkte für didaktische Professionalität und Studienreform. In: Schneider, Ralf et al. (Hrsg.): Wandel der Lehr- und Lernkulturen. Bielefeld: Bertelsmann. S. 206 - 219. treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik (2014): Forschende Fachdidaktik. http: / / treffpunktsprachen.uni-graz.at/ de/ forschung/ fachdidaktik/ [19. 03. 2014]. Unger-Ullmann, Daniela (2011): Lernen und Management. Prozessorientiertes Arbeiten und erfahrungsgeleitetes Lernen im Bildungs- und Lehrmanagement. In: Schröttner, Barbara/ Hofer, Christian (Hrsg.): Looking at learning. Higher Education. Language. Place. Blicke auf das Lernen. Hochschule. Sprache. Ort. Münster/ New York/ München/ Berlin: Waxmann. S. 83 - 100. Unger-Ullmann, Daniela (2013): Ressourcenmanagement: Dokumentation, Entwicklung und Förderung von akademischen Lehrkompetenzen in der universitären Sprachenlehre. In: Hofer, Christian/ Schröttner, Barbara/ Unger- Ullmann, Daniela (Hrsg.): Akademische Lehrkompetenzen im Diskurs. Theorie und Praxis. A Discourse on Academic Teaching Competencies. Theory and Practice. Münster/ New York/ München/ Berlin: Waxmann. S. 226 - 249. Unger-Ullmann, Daniela (2013): Mehrsprachigkeitsforschung und forschungsbasierter universitärer Fremdsprachenunterricht - das Grazer Modell. In: Fremdsprachen und Hochschule. Arbeitskreis der Sprachenzentren, Sprachlehrinstitute und Fremdspracheninstitute. Nr. 87. S. 81 - 106. Westphal, Elisabeth/ Friedrich, Margret (2009): Non-formales und informelles Lernen als Herausforderung für die Universitäten. In: Westphal, Elisabeth/ Friedrich, Margret (Hrsg.): Anerkennung von non-formalem und informellem Lernen an Universitäten. Graz: Leykam Grazer Universitätsverlag. S. 9 - 26. Fachdidaktik: Forschende Zugänge und Methoden 53 <?page no="54"?> Anhang Evaluierung meiner Kollegialen Hospitation Die Kollegiale(n) Hospitation(en) hat (haben) stattgefunden am: 1. Habe ich eine Kollegiale Hospitation in einer Sprache, die ich selbst lehre, besucht? □ ja □ nein 2. Wie kompliziert und zeitaufwendig stufe ich die persönliche Organisation und Durchführung der Kollegialen Hospitation ein? □ nicht kompliziert und zeitaufwendig □ wenig kompliziert und zeitaufwendig □ recht kompliziert und zeitaufwendig □ sehr kompliziert und zeitaufwendig Kommentar: 3. Welche Vorteile bringt eine Kollegiale Hospitation aus meiner Sicht, unter anderem im Vergleich zu anderen Formen der Weiterbildung? □ Lernen im direkten beruflichen Handeln □ Austausch mit KollegInnen möglich □ direktes Feedback □ offenes und entdeckendes Lernen möglich □ Weiteres: 4. Habe ich in der Kollegialen Hospitation Nachteile oder Schwierigkeiten wahrgenommen? 5. Auf welche Art und Weise habe ich in der Kollegialen Hospitation gelernt? □ durch Beobachtung □ durch Reflexion bzw. Nachdenken über eigenes Lehr- und Lernverhalten □ durch Gespräche mit der Kollegin/ dem Kollegen/ den KollegInnen □ Weiteres: 54 Christian Hofer <?page no="55"?> 6. Für welche Bereiche habe ich mich in der Kollegialen Hospitation interessiert bzw. für mich Wertvolles mitgenommen? □ Rhetorische Aspekte, Auftreten und Kommunikation der Kollegin, des Kollegen □ Struktur und Aufbau □ Präsentation und Erklärung der Inhalte □ fachliche Inhalte □ Übungen und methodische Szenarien □ Umgang mit (einzelnen) Lernenden □ Steuerung von Gruppenprozessen □ Wiederholen und Festigen □ Beurteilen und Evaluieren □ Umgang mit Hausübungen □ kommunikative und interaktive Unterrichtsgestaltung □ Weiteres: 7. In welchen Bereichen habe ich zukünftig und nach der Kollegialen Hospitation vor, meinen Unterricht und mein berufliches Handeln zu verändern, zu adaptieren und zu bereichern? □ Rhetorische Aspekte, Auftreten und Kommunikation □ Struktur und Aufbau □ Präsentation und Erklärung der Inhalte □ fachliche Inhalte □ Übungen und methodische Szenarien □ Umgang mit (einzelnen) Lernenden □ Steuerung von Gruppenprozessen □ Wiederholen und Festigen □ Beurteilen und Evaluieren □ Umgang mit Hausübungen □ kommunikative und interaktive Unterrichtsgestaltung □ organisatorische und administrative Tätigkeiten □ Erstellung und Abhalten von Prüfungen und Klausuren □ Sorgen für persönlichen Ausgleich □ Weiteres: 8. Verbesserungsvorschläge und Kritikpunkte: Fachdidaktik: Forschende Zugänge und Methoden 55 <?page no="57"?> Eva Seidl/ Birgit Simschitz Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Prüfen am universitären Sprachenzentrum treffpunkt sprachen : Herausforderungen und Lösungsansätze Abstract Zu den zentralen Anforderungen akademischer Lehrkompetenz gehört es, schriftliche und mündliche Prüfungen zu konzipieren, durchzuführen und zu bewerten. Aus diesem Grund wurde am universitären Sprachenzentrum treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik ein fachdidaktisches Projekt initiiert. Dieses soll eine angemessene, anspruchsvolle und faire Prüfungspraxis sichern und eine von allen Lehrenden getragene Prüfungskultur etablieren. Die Autorinnen dieses Artikels beobachteten dafür das Unterrichts- und die mit ihm verschränkten Prüfungsarrangements von fünf KollegInnen, analysierten Klausuren, erhoben die Einschätzung der Studierenden vom Prüfungsgeschehen und erstellten auf dieser Grundlage einen Prüfungsleitfaden. Bei der Suche nach den Gründen für die eher zögerliche Reaktion im Kollegium entdeckten die Autorinnen den partizipativen Forschungsansatz. Wenngleich er im fortgeschrittenen Projektstadium nur mehr zu Vergleichszwecken herangezogen werden kann, so enthält er doch in der demokratischen Beteiligung aller Lehrenden einen möglichen Lösungsansatz für eine stärkere Identifikation mit dem Anliegen des Projekts. Ausgangssituation An einem universitären Sprachenzentrum zu unterrichten, bedeutet, Sprachunterricht so zu gestalten, dass die behandelten Lehrveranstaltungsinhalte und mithin auch die angestrebten Sprachkompetenzen sowohl studienals auch berufsrelevant sind. Es gilt, sowohl die Internationalität als auch die Interdisziplinarität, die solche Kurse charakterisieren, als Chance zu begreifen und den Studierenden wesentliche professionelle Kompetenzen von HochschulabsolventInnen zu vermitteln. <?page no="58"?> Zum Anforderungsprofil von Hochschullehrenden gehört dabei auch hochschulgerechtes Prüfen, Testen, Beurteilen und Bewerten von Studierenden, die sich in den letzten Jahren als heterogenere Lernendengruppe darstellen. Immer öfter finden sich in Kursen an universitären Sprachenzentren ältere LernerInnen, die in der Literatur als returner oder refresher bezeichnet werden und nicht selten um einiges älter als ihre SprachkursleiterInnen sind (vgl. Pellert 2013, S. 97). Von Hochschullehrenden wird erwartet, Lehr- und Prüfungssituationen so zu gestalten, dass diese von «Wertschätzung, Respekt und klaren Kommunikationsstrukturen» (Egger 2012, S. 79) gekennzeichnet sind. Vor allem die Rolle von PrüferIn und NotengeberIn einzunehmen sowie ECTS-Punkte und Lehrveranstaltungszeugnisse zu vergeben, erweist sich zum Teil als Unterfangen, das mit einigem Unbehagen verbunden ist. Eine Untersuchung von Kanape-Willingshofer hat gezeigt, dass sich Hochschullehrende am Anfang ihrer Laufbahn insbesondere in den Bereichen Methodik/ Didaktik und Beurteilung/ Bewertung als ungenügend vorbereitet fühlen und diesbezügliche Weiterbildungen begrüßen. «It can be seen that further training in grading and assessing students ’ work is valued as much as didactics and methodologies of teaching by teachers in their early teaching careers.» (Kanape-Willingshofer 2013, S. 183) Vor allem die Gestaltung von Nähe und Distanz kann sich Egger zufolge (2012, S. 78) beim Rollenwechsel von LehrerIn zu PrüferIn als schwierig erweisen. Zusätzlich zu diesem atmosphärischen Aspekt sind es jedoch nicht zuletzt ganz konkrete Anforderungen, wie Konzeption, Durchführung und Bewertung schriftlicher wie mündlicher Prüfungen, die gleichermaßen ein zentrales Postulat wie ein vernachlässigter Aspekt in der Ausbildung sind. Kompetent kompetenzorientiert prüfen Hochschullehrende sind beim Hineinwachsen in ihre Rolle als Lehrende und Prüfende oft allein gelassen, dabei wäre die begleitete Kompetenzentwicklung von Lehrenden eine Aufgabe der Universität bzw. der jeweils unmittelbaren Vorgesetzten. Bildungsforscher wie Egger sehen die Universität als zuständig dafür an, die Kompetenzprofile ihrer Lehrenden abzuklären und deren Professionalisierung sicherzustellen (vgl. Egger 2012, S. 121). Genau dies erfolgte bei treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik erstmals im Sommersemester 2010, und zwar im Rahmen des Projekts Lehrenden- KompetenzProfil für Sprachlehrende (vgl. Unger-Ullmann 2013 b und 58 Eva Seidl/ Birgit Simschitz <?page no="59"?> Neuböck 2013). Ziel dieser Initiative ist unter anderem ein verstärktes Rollenverständnis und die Förderung der Selbstreflexionskompetenz von Sprachlehrenden, was ihre Stärken, Schwächen und ihr Entwicklungspotenzial anbelangt. Die Lehrenden sollen durch die Profil-Erstellung dabei unterstützt werden, «sich selbst als Lehrende/ r und die KursteilnehmerInnen sowie die Rahmenbedingungen im universitären Umfeld wahrzunehmen» (Unger-Ullmann 2013 b, S. 228). Eine statistische Auswertung des LehrendenKompetenzProfil bei treffpunkt sprachen ergab speziell im Hinblick auf berufs- und bildungsbiographische Angaben, dass eine für qualitativ hochwertigen Unterricht entscheidende Fertigkeit wie Beurteilungs- und Bewertungskompetenz weder in Ausnoch in Weiterbildung in ausreichendem Maß vorhanden ist (vgl. ebd., S. 235 ff.). Dies veranlasste die Zentrumsleitung, verstärkt Akzente zu setzen hinsichtlich zielgruppenspezifischer und bedarfsgerechter Weiterbildungsangebote zum Festlegen von Lernzielen, Durchführen einer angemessenen Leistungsbeurteilung und Einhalten von Beurteilungskriterien. Die Autorinnen dieses Beitrags, selbst Lehrende für Deutsch als Fremdsprache bei treffpunkt sprachen und Teilnehmerinnen am Projekt LehrendenKompetenzProfil, wurden vor diesem Hintergrund ab dem Wintersemester 2011/ 12 mit dem Forschungsprojekt Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Beurteilen und Bewerten in der universitären Sprachenlehre betraut. Die Arbeit am Projekt verfolgt dabei eine doppelte Zielsetzung: Einerseits sollen die Prüfungskompetenz der Sprachlehrenden gesteigert sowie die Prüfungs- und in weiterer Folge die Lehr- und Lernkultur am Sprachenzentrum verbessert werden. Andererseits gilt es, im Sinne einer verbesserten Identifikation mit der eigenen Universität, «die Gestaltungskompetenz für den eigenen Arbeitsbereich (. . .) zu erhöhen, die Motivation der MitarbeiterInnen zu fördern, ihnen persönliche Verantwortung zu übertragen» und «sie mit Unterstützung der Führungskraft innerhalb des universitären Umfelds zu vernetzen» (ebd., S. 248). Im Rahmen des genannten fachdidaktischen Forschungsprojekts soll untersucht werden, wie sehr in Sprachkursen bei treffpunkt sprachen sowohl im Unterrichtsgeschehen als auch beim mündlichen und schriftlichen Prüfen auf die hochschuldidaktische Forderung nach Lernenden-, Kompetenz- und Handlungsorientierung Wert gelegt wird. Ziel ist zum einen die Professionalisierung der Lehrenden hinsichtlich ihrer Beurteilungskompetenz, ihres Vermögens, in der Prüfendenrolle routiniert, souverän und empathisch zu sein, ihr Prüfungsverhalten selbstkritisch zu reflektieren und den Lernenden aufgrund deren Leistung annehmbares Feedback zu geben. Zum anderen soll das Bemühen um ein kompetenz- Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Prüfen 59 <?page no="60"?> orientiertes Lehr- und Prüfungsgeschehen langfristig zu einer veränderten Prüfungs- und letztlich auch Lehr- und Lernkultur führen. Spezifische Rahmenbedingungen an universitären Sprachenzentren Vermutlich sind sich Lehrende, welche in das Studium integrierten Fremdsprachenunterricht gestalten, nicht immer der Tatsache bewusst, dass universitäre Sprachenzentren als «Laboratorien der mehrsprachigen Gesellschaften Europas und darüber hinaus» oder als «Forschungsstätten für das Zusammenleben in Europa» (Vogel 2013, S. 14) gesehen werden können. Vogel attestiert Hochschulsprachenzentren außerdem, «vermutlich der einzige Sprachlernkontext» zu sein, «in dem von der Bedarfsanalyse über das Design der Curricula bis hin zur Administrierung von Unterricht und Tests alles in einer Hand liegt» (ebd., S. 15 f.). Diese Besonderheit trägt unter anderem dazu bei, dass Forschung an solchen Sprachenzentren darauf ausgerichtet sein muss, der Spezifik des Sprachenlehrens und -lernens an Hochschulen gerecht zu werden. Diese Spezifik ist Jordan zufolge auch Grund dafür, dass weder die Fachdidaktik noch die Sprachlehrforschung viel zur Erforschung der spezifischen Situation hochschulintegrierter Sprachausbildung beigetragen haben (vgl. Jordan 2013, S. 32). Sie plädiert für eine auf Sprachenzentren zugeschnittene Forschung, die genau dort stattfinden und angesiedelt sein muss. Zu den Grundmotivationen dafür gehören für Jordan (d)ie eigenen Bedürfnisse im Hinblick auf Forschung zu erkennen und Ideen für Forschung zu entwickeln, die zu einer wissenschaftlich fundierten Praxis führen, oder anders gesagt, das Bedürfnis, das, was wir machen müssen, besser zu machen (. . .). (ebd.) Das, was Hochschullehrende an Sprachenzentren machen müssen, ist unter anderem, ihre Studierenden schriftlich und mündlich zu prüfen und angemessen zu beurteilen. Das hier beschriebene Projekt soll eine forschungsbasierte Prüfungspraxis bei treffpunkt sprachen im Kollegium sichern und entwickeln. Bevor im Folgenden das forschungsmethodologische Vorgehen sowie Projektergebnisse präsentiert werden, soll kurz auf die Forschungskonzeption am Zentrum eingegangen werden. Methodische Ausrichtung bei treffpunkt sprachen Die strategische Ausrichtung der fachdidaktischen Forschungsprojekte lässt sich mit einem Schlagwort charakterisieren: Interdependenz. Diese 60 Eva Seidl/ Birgit Simschitz <?page no="61"?> besteht auf zwei Ebenen: Der forcierte wechselseitige Austausch zwischen Lehre und Forschung basiert darauf, «Lehre als Entwicklungsbasis für die Forschung zu sehen sowie Forschung als wichtiges Instrument für die Entwicklung der Lehre» (Unger-Ullmann 2013 a, S. 101). Da die Wirkungs- und Anwendungsorientierung der Forschungsprojekte in der Sprachenlehre im Vordergrund steht, werden die unmittelbar Betroffenen, also die Studierenden, nicht als «passive RezipientInnen wahrgenommen, sondern als aktive ProduzentInnen von Erkenntnissen, die für die Gestaltung der Lehre von großer Bedeutung sind (ebd.). KursteilnehmerInnen werden immer wieder in den wissenschaftlichen Diskurs eingebunden, indem sie Fragebögen zu hochschuldidaktischen Aspekten ausfüllen, Lehr- und Prüfungsgeschehen kommentieren oder erleben, dass Unterrichts- oder Prüfungssituationen von ForscherInnen teilnehmend beobachtet werden. Natürlich erfordert dieses Modell der partnerschaftlichen Kooperation zwischen Lehrenden und Studierenden von beiden Seiten eine hohe Reflexionsbereitschaft, die für den Erkenntnisgewinn unabdingbar ist (vgl. ebd.). Forschungsethisch ist es als absolutes Plus anzusehen, dass Sprachkursteilnehmende erleben, dass ihre Meinung und ihr Erfahrungswissen, was hochschulischen Sprachunterricht betrifft, ernst genommen und geschätzt werden und sie aktiv an Forschungsprojekten teilnehmen bzw. an der Gestaltung der Lehre mitwirken können. Dadurch, dass sie Sprachlehr- und -lernforschung sozusagen hautnah erleben, werden sie dazu ermutigt, sich mit verschiedenen kulturellen Denk- und Herangehensweisen auseinanderzusetzen und sich möglicherweise selbst als potenzielle ForscherInnen zu sehen. Forschende Sprachlehrende wiederum haben die Möglichkeit, «ihre methodologischen Gedanken mit Unterstützung der Studierenden auf ihre Umsetzbarkeit zu überprüfen» (ebd., S. 102), da sie unmittelbare Rückmeldungen über die Anwendbarkeit ihrer Forschungsergebnisse erhalten. In diesem Kontext steht das Projekt Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Beurteilen und Bewerten in der universitären Sprachenlehre. Fachdidaktisches Projekt zum Prüfen in der Sprachenlehre Bei einem treffpunkt-sprachen-Workshop zum Thema Handlungsorientiertes Sprachprüfen an der Hochschule im Sommersemester 2011 äußerten die TeilnehmerInnen einen deutlichen Bedarf an weiterführender Information, aber auch an Fest- und Klarlegung, an Austausch und institutionalisierter Reflexionsmöglichkeit im Kollegium. Allerdings zeichnete Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Prüfen 61 <?page no="62"?> sich auch ab, dass trotz des Interesses an Prüfungskonzeption und Beurteilungskriterien nicht alle Lehrenden Ressourcen für eine weitere oder den Wunsch nach vertiefender Auseinandersetzung haben beziehungsweise andere Schwerpunkte in ihrer Tätigkeit als Lehrende setzen. Um diesen differenten Ansprüchen gerecht zu werden, entschieden die Autorinnen dieses Beitrags, als Projektteam fünf erfahrene Lehrende unterschiedlicher Sprachen, denen im Kollegium eine role-model-Funktion zukommt, einzubinden, und konzipierten ein mehrteiliges Verfahren: Mit einem detaillierten Beobachtungsbogen wurde zunächst im Unterricht in Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch und Deutsch als Fremdsprache auf den GER-Niveaustufen von A1 bis C1 zwei Mal im Wintersemester 2011/ 12 hospitiert. Das Projektteam analysierte die Klausuren unter dem Aspekt der Lernenden-, Kompetenz- und Handlungsorientierung und beobachtete die mündliche Schlussprüfung von durchschnittlich zehn KandidatInnen pro Lehrveranstaltung anhand von zwölf zuvor entworfenen Kriterien. Die Studierenden erhielten zwei Fragebögen, einen zu ihrer Einschätzung der Schlussklausur und einen zu ihrer Sicht auf die Art der Überprüfung ihrer kommunikativen Fertigkeiten in einem Prüfungsgespräch. Zu den einzelnen Projektschritten: Die Unterrichtsbeobachtung konzentrierte sich auf mögliche Formen lernförderlicher Rückmeldung. Es wurde notiert, welche wiederholenden Maßnahmen Lehrende im Unterricht setzen, damit die Progression im Spracherwerb gesichert wird, und wie die Fehlerkultur im Allgemeinen aussieht. Besondere Aufmerksamkeit erfuhren dabei die Aufgabenstellungen zum Lesen, Hören, Sprechen und Schreiben im Unterricht. Die Reaktion auf Abweichungen in der soziolinguistischen Angemessenheit war ebenso von Interesse wie der Umgang mit inkorrekter Intonation, mit deutlich wahrnehmbarem Akzent oder mit Fehlern im formalen Bereich. Es zeigte sich in den Unterrichtssituationen rasch, dass der für diese Fragen entworfene, dreiseitige Bogen zu umfangreich war und es daher notwendig war, relevante Beobachtungen einfach mitzuschreiben. Die involvierten Lehrenden stellten ihre Zwischen- und Schlussklausuren zur Verfügung, sodass auch hier die Orientierung der Aufgabenstellung an den Lernenden, den Kompetenzbereichen und der Sprachhandlung untersucht werden konnte. Darüber hinaus verglich das Projektteam die unterschiedlichen Beurteilungssysteme. Eine besondere Zielsetzung des Projekts war, die Sicht der direkten Adressaten der Schlussklausur, also der Studierenden, zu erheben. Dies erfolgte mittels eines kurzen schriftlichen Fragebogens, der von den fünf KollegInnen bei der Schlussklausur ausgeteilt wurde. Die Items waren: Verständlichkeit der Aufgabenstel- 62 Eva Seidl/ Birgit Simschitz <?page no="63"?> lung, Klarheit der Beurteilungskriterien, Angemessenheit des Vorbereitungsaufwands, Umfang und zeitliche Machbarkeit, anregender und motivierender Charakter der Aufgabenstellung, Lernendenorientierung (grundsätzliche Übereinstimmung zwischen der Klausur und den wahrgenommenen sprachlichen Anforderungen im studentischen Alltag). Auch waren freie Anmerkungen möglich. Ein zentraler Projektschritt war schließlich die Beobachtung von mündlichen Schlussprüfungen am Ende des Wintersemesters 2011/ 12. Aus der Erfahrung mit dem zu umfangreich konzipierten Fragenkatalog zur Unterrichtsbeobachtung wurde für die Prüfungsbeobachtung ein einseitiger Bogen zu folgenden Aspekten entwickelt: Atmosphäre, Sitzordnung, Aufgabenstellung, Berücksichtigung des kulturellen Hintergrunds, Umgang mit Fehlern oder Schweigen, Zeiteinteilung, Beurteilungskriterien sowie Zeitpunkt der Ergebnisbekanntgabe. Die Prüfungen waren weitgehend als Paarprüfung mit Gesprächsimpulsen konzipiert, sodass für die Lehrenden die Doppelrolle als GesprächspartnerIn und als PrüferIn entfiel und die Konzentration auf der Beurteilung und Bewertung lag. Um auch hier die Perspektive der Studierenden zu erfassen, wurde aufgrund der einfachen Handhabung wiederum auf einen Fragebogen zurückgegriffen, den die Studierenden unmittelbar nach der Prüfung unter Wahrung der Anonymität ausfüllten. Dieser ermittelte ihren Eindruck von der Atmosphäre, der Sitzordnung, der Aufgabenstellung, der Beachtung ihres kulturellen Hintergrunds sowie ihre Zufriedenheit mit der persönlichen Sprechzeit. Nachzulesen ist der genaue Wortlaut der Studierenden-Fragebögen zu Klausur und mündlicher Prüfung bei Seidl/ Simschitz 2013, S. 267 f. Feedback an Lehrende Die in den zuvor beschriebenen Projektschritten gewonnenen, unterschiedlichen Daten wurden von den Autorinnen ausgewertet, verglichen, geordnet und teilweise neu kategorisiert. Für die involvierten KollegInnen, die bereit waren, Einblick in ihr Prüfungswissen und -können zu geben, wurde ein umfassendes schriftliches Feedback erstellt. Dieses enthält getrennt nach Unterricht und mündlicher Prüfung sieben Punkte: Atmosphäre, Sozialformen, Handlungs-, Lernenden- und Kompetenzorientierung, Lehrendenpersönlichkeit sowie Unterrichts- und Prüfungsgestaltung. Ein eigener Punkt bezieht sich auf das Test-Design. Ferner erhielten die ins Projekt eingebundenen Lehrenden die Auswertung der beiden studentischen Fragebögen zur schriftlichen und mündlichen Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Prüfen 63 <?page no="64"?> Prüfung. Als große Herausforderung empfanden die Autorinnen, sich im Anschluss an Unterrichts- und Prüfungshospitationen sozusagen anzumaßen, ihren eigenen KollegInnen schriftlich Feedback zu geben. Sie legten dabei großen Wert auf Formulierungen, durch die eventuelle Verbesserungsvorschläge wertschätzend, konstruktiv und annehmbar unterbreitet werden können. Eine schöne Aufgabe war es, bei der Erstellung der einzelnen Rückmeldungen, KollegInnen ihre Stärken und Ressourcen deutlich sichtbar zu machen. Beispielshalber seien aus den fünf verschiedenen Feedbacks hier einige Formulierungen angeführt, die eindeutig zeigen, dass den erfahrenen Lehrenden zurecht eine role-model- Funktion zukommt. Unterricht Prüfung Atmosphäre ● angenehme und angstfreie Unterrichtsatmosphäre ● entspanntes Arbeitsklima ● sehr angenehme Prüfungsatmosphäre ● Redefluss wird nicht durch Fehlerkorrektur unterbrochen und gehemmt Sozialformen ● Es wäre möglich, gestalterisch in die Gruppenbildung einzugreifen ● Im Unterricht eingesetzte und daher vertraute Übungsformen kommen bei deiner mündlichen Prüfung zum Einsatz Handlungsorientierung ● handlungsorientiert (z. B. zu welchen Anlässen schenkt man was in welchen Ländern? ) ● handlungsorientiert durch authentische Dialoge über Reisen und Feste Lernendenorientierung ● lernendenorientiert durch direktes Fragen (z. B. Was brauchst du, um dich in einer Stadt wohlzufühlen? ) ● Die Prüfungen haben durch dein persönlich interessiertes Nachfragen echten Gesprächscharakter und die Gesprächsthemen sind lernendenorientiert Kompetenzorientierung ● Dein Unterricht und deine Prüfung sind kompetenzorientiert. ● Wie machst du das den Studierenden bewusst? ● Machst du Implizites explizit und verweist du auf den Europäischen Referenzrahmen? 64 Eva Seidl/ Birgit Simschitz <?page no="65"?> Unterricht Prüfung Lehrendenpersönlichkeit ● hohe Identifikation mit der Lehrendenrolle ● ausgezeichnete Selbstorganisation ● guter Umgang mit persönlichen Ressourcen (du achtest darauf, Pausen einzuhalten) ● hohe Identifikation mit der PrüferInnenrolle ● große Kompetenz, wertschätzend auch ein «Nicht genügend» geben zu können ● große Professionalität beim Prüfen Gestaltung von Unterricht und mündlicher Prüfung ● du machst strukturierten Unterrichtsaufbau durch Vor- und Rückverweise transparent ● klare Hinweise auf die Prüfung während des Unterrichts ● dein Unterricht bereitet gezielt auf die Prüfung vor ● einladend gestaltetes Prüfungssetting (gute Stimmung, frische Luft, hell) ● du hast Relevanz eingefordert (beim Prüfungsthema bleiben, nicht davon abschweifen) ● mögliche Änderung: Sitzordnung über die Ecke ist weniger konfrontativ ● du motivierst zum Weiterlernen und berätst die Studierenden über Kursangebote ● Prüfungsdauer wäre zu kontrollieren und wenn möglich zu vereinheitlichen (Schwankung zwischen 10 und 20 Minuten pro KandidatIn) ● gute Prüfungsgestaltung (Einstiegsphase, klarer Ablauf und Schluss - wie ein Drehbuch) Auch beim Erstellen des Feedbacks zur Klausur war den Autorinnen bewusst, welch großes Vertrauen ihnen von den am Projekt partizipierenden KollegInnen entgegengebracht wurde. In den seltensten Fällen besteht an der Hochschule die Möglichkeit eines formalisierten Austauschs über selbst erstellte Tests. Informell passiert es eher, dass Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Prüfen 65 <?page no="66"?> befreundete KollegInnen zum Zweck eines Erfahrungsaustauschs einander Einblick in ihre Klausuren geben. Nicht zuletzt aus diesem Grund ging das Projektteam sehr verantwortungsvoll mit der Überlassung der Zwischen- und Schlussklausur durch die fünf KollegInnen um. Exemplarisch sind hier aus verschiedenen Feedbacks einige Rückmeldungen zusammengefasst: Test ● Der Bezug zu Graz bei der Stadtbeschreibung ist handlungsorientiert. ● Die Verschriftlichung der persönlichen Meinung ist lernendenorientiert. ● Die Testlänge ist angemessen und deckt sich gut mit Kursinhalten. ● Bewertungskriterien: In der Klausur sind zwar Punkte verteilt, aber ein Notenschlüssel wäre im Sinne der Transparenz für die Studierenden von Vorteil. Diese individuellen Feedbackbögen wurden den KollegInnen per E-Mail mit der verbindlichen Zusicherung zugesandt, dass vom Projektteam keine Weiterleitung von Daten an die Zentrumsleitung erfolgt. Gleichzeitig regten die Autorinnen die Lehrenden jedoch an, diese aussagekräftige Dokumentation ihres hohen Professionalisierungsgrads selbst sehr wohl an ihre Vorgesetzte weiterzuschicken. In einem nächsten Projektschritt wurde von den Autorinnen die parallel zur empirischen Erhebung gelesene Literatur zu Testen und Prüfen genutzt, um im Sommersemester 2013 einen Prüfungsleitfaden für treffpunkt sprachen zu erstellen (siehe Anhang). Prüfungsleitfaden Der Leitfaden ist so konzipiert, dass jedes Kapitel in sich geschlossen ist und je nach Anlass herangezogen werden kann. Er bildet die typischen Anforderungen an Sprachlehrende im Semesterverlauf ab und hat demnach folgende chronologische Kapitelabfolge: Prüfungsvorbereitung, -erstellung, -durchführung, -korrektur und schließlich Prüfungsabschluss. Aufgabe dieses Kompendiums ist es, Sprachlehrenden beim Beurteilen und Bewerten mehr Sicherheit und Know-how zu vermitteln. Er enthält theoretische und praktische Hinweise, wie Gütekriterien für Prüfungen oder Tipps zur Unbehagen reduzierenden Gestaltung der Sitzordnung bei mündlichen Prüfungsgesprächen. Mit der Zentrumsleitung abgestimmtes Ziel ist eine verstärkte Standardisierung des Prüfungsgeschehens bei treffpunkt sprachen, um die Qualität von so bedeu- 66 Eva Seidl/ Birgit Simschitz <?page no="67"?> tenden Angelegenheiten, wie Prüfungen an der Hochschule sie darstellen, zu sichern. In der Einleitung werden die Lehrenden explizit zu einer weiteren kritischen Auseinandersetzung und zum Einbringen von Adaptierungsvorschlägen eingeladen. Die Autorinnen wissen um die praktisch erworbenen Kenntnisse im Kollegium und sehen den Leitfaden als lebendiges Dokument, das ständige Überarbeitung und Verbesserung erfahren soll. Weiters werden im Geleitwort das Rollenverständnis als PrüferIn und die Bedeutung des konstruktiven Abgleichens von Unterricht und Prüfung thematisiert. Im Kapitel zur Prüfungsvorbereitung betont der Leitfaden, wie wichtig es ist, bereits bei der Kursplanung den Lehr- und Prüfungsstoff abgestimmt auf Lehr- und Lernziele vor Augen zu haben. Empfohlene Vorgehensweisen sind in der kollegialen Du- Anrede formuliert, als Aufzählung angeführt und sehen im Abschnitt zur Prüfungsvorbereitung beispielsweise so aus: ● Besprich zu Lehrveranstaltungsbeginn die Kursanforderungen inklusive Beurteilungs- und Bewertungskriterien mit den Studierenden. Dies verbessert die Qualität des studentischen Lernens, da entsprechend den Vorgaben für die Prüfung gelernt werden kann. Ohne Richtlinien für das Lehr-, Lern- und Prüfungsgeschehen fühlen sich die Studierenden häufig orientierungslos und ohne Lernziele schieben sie das Lernen immer wieder vor sich her. Die beiden Kapitel Prüfungserstellung und -durchführung gliedern sich jeweils in die Teile Klausur und mündliche Prüfung. Um der hochschuldidaktischen Forderung nach Lernenden- und Handlungsorientierung gerecht zu werden, lautet ein Tipp bei der Klausurerstellung: Orientiere dich bei der Testerstellung an den Lernenden und an Sprachhandlungen. Aus demselben Grund heißt es bei der Prüfungserstellung unter anderem: ● Überlege dir Prüfungsfragen, zu denen du aus echtem Interesse gern die Meinungen, Gedanken und Erfahrungen der KandidatInnen hören möchtest. Das gibt einer mündlichen Prüfung einen echten Gesprächscharakter und ist weder bloßes Abfragen noch monologisches Sprechen. Den Autorinnen ist dabei klar, dass diese Handlungsempfehlung bei Sprachkursen auf fortgeschritteneren Niveaus leichter umzusetzen ist als auf Niveau A1 oder A2. Im Abschnitt zur Durchführung mündlicher Prüfungen erinnert der Leitfaden daran, die erforderliche Anstrengung dabei nicht zu unterschätzen. Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Prüfen 67 <?page no="68"?> ● Mündliche Prüfungen durchzuführen, erfordert sehr viel Konzentration und Disziplin. Plane daher Pausen für dich und halte sie ein, nicht zuletzt, um Verlaufsfehler zu minimieren. In eine ähnliche Richtung zielt derselbe Hinweis zur Klausur-Korrektur im Kapitel Prüfungskorrektur. Auch hier wird die Bedeutung von Pausen während der Korrekturarbeit betont, um Fehlerquellen zu mindern, Störfaktoren gering zu halten und damit fair und gerecht bleiben zu können. Der letzte Abschnitt widmet sich dem häufig vernachlässigten Prüfungsabschluss, der wegen seines Reflexionscharakters bereits als Vorbereitung auf die nächste Prüfungszeit gesehen werden kann. Damit Lehrende aus durchgeführten Prüfungen Erkenntnisse für die kontinuierliche Weiterentwicklung und Verbesserung ihres Prüfungsverhaltens gewinnen können, ist eine Prüfungsanalyse nach Abschluss der Korrektur zu empfehlen. Diese Prüfungsauswertung sollte etwas über die Qualität der Prüfung als Ganzes, die Qualität der Aufgabenstellung und die Art der Notenvergabe aussagen. Empfehlungen in diese Richtung lauten beispielsweise: Haben die Studierenden mehr oder weniger Zeit zur Lösung der Prüfung benötigt, als du vorgesehen hattest? oder Wie oft hast du pro Klausur oder als Semesternote welche Note vergeben? Hast du das Notenspektrum von «sehr gut» (1) bis «nicht genügend» (5) tatsächlich ausgenutzt oder die Noten einseitig verteilt? Prüfungssituationen offenbaren, ob der Lehrstoff auch tatsächlich bei den Studierenden angekommen ist, ob sie Erkenntnisschritte vollzogen haben und in der Lage sind, das Gelernte auch anzuwenden. Die Anregungen in diesem Leitfaden wollen dazu beitragen, die Güte von Prüfungen bei treffpunkt sprachen beizubehalten und zu verbessern, die Durchführung kommender Prüfungen zu erleichtern und für mehr Standardisierung und Transparenz zu sorgen. Partizipativer Ansatz innerhalb der Aktions- und Handlungsforschung Im Zuge des Projekts lernten die Autorinnen einen besonders ansprechenden Ansatz kennen, der einerseits einen Methodenrahmen und neue Verfahren und andererseits eine mögliche Erklärung für die eher zögerliche Reaktion auf das Produkt des Projekts - den Prüfungsleitfaden - im Kollegium bietet. Die Anliegen des Projekts decken sich mit den drei grundlegenden Komponenten partizipativer Forschung (Unger 2014, S. 35): Es beteiligt praktizierende sowie forschende Lehrende und in 68 Eva Seidl/ Birgit Simschitz <?page no="69"?> gewissem, institutionell bedingtem Ausmaß auch Studierende, intendiert die Stärkung durch gemeinsame Lernprozesse und beabsichtigt die Entwicklung und Weiterentwicklung von (Prüfungs)Kompetenz. Somit ist es anwendungsorientiert und handlungsverändernd. Dieser methodische Ansatz der qualitativen Forschung, der handlungsorientiert und nicht allein deskriptiv ausgerichtet ist, beruht auf den in den späten 1940er-Jahren formulierten Einsichten Lewins, dass eine dauerhafte Handlungsveränderung auf Erkenntnisveränderung beruht, die nicht nur Erkenntnisvermögen, sondern auch Wahlfreiheit in einem demokratischen Sinn voraussetzt (vgl. Lewin 1948, dt. 1968, S. 106). Im angloamerikanischen Raum kommt es zur Ausbildung einer kontinuierlichen Wissenschaftstradition (vgl. Kindon/ Pain/ Kesky 2007), in der gegenwärtig zwei Hauptströmungen «with subject matter-oriented studies on one hand and critical or postmodern studies on the other» (Erickson 2011, S. 54) oder abhängig von der philosophischen Grundhaltung vier Ausrichtungen zu differenzieren sind (vgl. Johnson et al. 2006). Im deutschsprachigen Raum folgt währenddessen auf den unberücksichtigt gebliebenen Ansatz von Moreno die erste Welle der Aktionsforschung in den 1970er- und frühen 80er-Jahren und eine zweite Welle der Handlungsforschung in der ersten Dekade dieses Jahrhunderts (vgl. Altrichter 2008, S. 29 - 42). Zu beantworten hat nach Altrichter (vgl. ebd., S. 50 f.) jedes Projekt in dieser partizipativen Form erstens die Frage nach dem Prozedere in der Praxis und der konkreten Gestaltung der Zusammenarbeit von Praktizierenden und Forschenden und zweitens die Frage nach dem angemessenen Nachweis des Veränderungsprozesses. Um zu klären, ob das hier beschriebene Projekt in seiner grundsätzlichen Ausrichtung diesen Anforderungen entspricht, wird sein Prozess zunächst mit dem schematischen Ablauf der partizipativen Forschung von Unger (2014) verglichen und es wird analysiert, inwieweit es mit den spezifischen Kriterien übereinstimmt beziehungsweise wo es abweicht. Die Thematisierung der Differenzen ist dabei notwendige Vorbedingung für Überlegungen der abschließenden Projektschritte, um ein gemeinsames Prüfungswissen innerhalb der tertiären Bildungseinrichtung treffpunkt sprachen zu sichern und eine individuelle Kompetenzentwicklung der Lehrenden zu fördern. Zudem ist zu ermitteln, wie die Handlungsempfehlungen, die in Form eines Prüfungsleitfadens vorliegen, in der Lehre umgesetzt werden. Im Folgenden wird diskutiert, wie das Ergebnis gemessen und der Nachweis einer Entwicklung erbracht werden kann. Eine graphische Gegenüberstellung verdeutlicht sowohl Konvergenz als auch Divergenz zwischen der partizipativen Aktionsforschung und der im Projekt angewandten Vorgangsweise: Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Prüfen 69 <?page no="70"?> Abb. 1: Gegenüberstellung partizipative Studie und Projektverlauf Stationen einer partizipativen Studie (Unger 2014, S. 52) konkreter Verlauf des fachdidaktischen Projekts (zur Beurteilung und Bewertung) PartnerInnen finden, Thema eingrenzen, Bedarf bestimmen, Recherchen ò Gemeinsam Ziele setzen Bedarf von Lehrenden artikuliert, Institution ermöglicht Projekt ò Gemeinsames Ziel gesetzt ò ò ò ò ò ò Studien- Design Schulung der Co-Forscher- Innen Beteiligung ermöglichen Projekt- Design (nicht-partizipativ) Demonstration von Unterrichts- und Prüfungspraxis durch praktizierende Lehrende Beteiligung ermöglicht ð Aktion Daten erheben ò ð Aktion Daten erheben ò Coï Forscher- Innen unterstützen Coï Forscher- Innen unterstützen ð ï ð ï Reflexion Daten auswerten Reflexion Daten auswerten Einbindung von Literatur ò Bericht und Präsentation ò Prüfungsleitfaden Distribution und Bekanntmachung ð Reflexion ò ò Nutzung und Umsetzung ò Nutzung und Umsetzung Das Anliegen der Zentrumsleitung, die Prüfungskompetenz von Lehrenden zu verbessern, trifft sich weitgehend mit dem Entwicklungsziel der dort tätigen LektorInnen. Prinzipiell besteht somit Übereinstimmung mit der partizipativen Station des gemeinsamen Ziels. Konvergenz ist in den anschließenden Stationen sowohl in der Möglichkeit zur Beteiligung als auch in der Co-Forschung gegeben. Die Bildung einer kleineren Gruppe schränkt die Partizipation nicht ein, doch wurde der demokratische Gedanke in puncto Projekt-Design nicht realisiert: Das Projektteam legte das methodische Vorgehen fest und diskutierte es nicht wie in einer partizipativen Studie in der Gruppe. Auch kamen für partizipative Forschung typische alternative, die Sinne ansprechende Methoden, 70 Eva Seidl/ Birgit Simschitz <?page no="71"?> wie Foto oder Video, nicht zum Einsatz. Die Divergenz zwischen diesem Projekt und einer partizipativen Studie stellt sich als folgenreich dar. Sie zeigt sich in einem Unterschied im Erleben und in der Einstellung im Kollegium und wirkt sich weiters auf die Bereitschaft zur Veränderung der Handlungspraxis aus. Zum Handlungsziel des partizipativen Ansatzes Im Idealfall lautet die Reaktion auf eine partizipative Studie, «that was our research and it helps us to see ourselves and our context anew and to act in all sorts of new ways» (Bradbury/ Reason 2011, S. 448). Im hier beschriebenen Projekt jedoch könnte der Prüfungsleitfaden als äußere Verpflichtung oder bloße Handlungsvorschrift mit mehr oder weniger bindendem Charakter interpretiert werden. Die Beteiligung und Mitbestimmung erweist sich demnach als zentrales Element, um sowohl gemeinschaftliches Wissen als auch lebendige Praxis hervorzubringen. Während also das Projekt-Design nicht partizipativ angelegt ist, besteht in der Folge Teilhabe und Teilnahme wieder insofern, als die fünf bereits erwähnten Lehrenden, Einblick in ihre Unterrichts- und die damit verschränkte Prüfungspraxis geben. Die Bezeichnungen für diese praktizierenden Lehrenden, die von Partizipierenden über PartnerInnen-im-Dialog bis zu Scaffolder und Co-Forschenden reicht (vgl. Nind 2011; Unger 2014), spiegeln klar ihre Bedeutung im demokratisierten Forschungsprozess wider: Sie stellen ihr Fachwissen und fachliches Können zur Verfügung, ebenso werden die Studierenden in einem beschränkten, doch gewissen Maß beteiligt. Die Daten der Beobachtung und der Erhebung bilden die Grundlage für den weiteren Lern- und Forschungsprozess, welcher zunächst in die «kleine - selbst gewählte und durch besondere Vertrauensbedingungen gekennzeichnete - Gruppe von Kollegen (sozial) eingebettet» ist (Altrichter/ Feindt 2008, S. 460). Das Potenzial von Gruppenprozessen in diesem Teil des Kollegiums wird dabei aufgrund der von den Autorinnen gewählten Kommunikationsstruktur nicht ausgeschöpft, da lediglich zwischen den Partizipierenden und dem Projektteam Kontakte bestehen, jedoch nicht für entsprechenden Austausch unter den Partizipierenden gesorgt wird. Dies veranschaulicht die folgende Darstellung. Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Prüfen 71 <?page no="72"?> Abb. 2: Vergleich der Kommunikationsstrukturen Kommunikationsstruktur in einem partizipativen Projekt Kommunikationsstruktur zwischen partizipierenden und forschenden Lehrenden Der Austausch über verschiedene Formen unterstützender Beurteilung, über Bewertungen sprachlicher Leistungen von Studierenden sowie über Beurteilungskriterien und Prüfungssettings fand im Nachhinein betrachtet in dem zu engen Rahmen des Projektteams statt. Der nächste und der vorletzte Projektschritt war die Erstellung eines detaillierten Prüfungsleitfadens, um alle Lehrenden am Erkenntnisgewinn aus der reflektierten Prüfungspraxis und der Lektüre der Fachliteratur teilhaben zu lassen. Die vorletzte Station einer partizipativen Studie kann ein gemeinsam verfasster Bericht, eine Präsentation oder auch eine andere, die Ergebnisse zusammenfassende Form sein (vgl. Unger 2014, S. 64). Da in den Prüfungsleitfaden zwar das Expertenwissen der KollegInnen, gemeinsam erworbenes Wissen und vorbildliches, der Literatur entnommenes Wissen einfließen, er jedoch keine gemeinschaftliche Produktion darstellt, erscheint eine abschließende kollegiale Reflexionsphase wichtig. Sie ist umso mehr von Bedeutung, zumal die Reaktion auf die Kurzvorstellung des Leitfadens in den einmal im Semester stattfindenden Arbeitsgemeinschaften und auf die Verteilung per E-Mail und in ausgedruckter Form zurückhaltend verlief. Wenngleich die Gründe dafür vielfältig sein können, so mag die mangelnde Einbindung der Lehrenden in der Phase des Projekt-Designs und in der Darstellung der Ergebnisse zu der eher abwartenden Haltung beigetragen haben. Daher lautet die Frage an dieser Stelle: Wie ist das Konzept anzupassen, um das Handlungsziel partizipativer Forschung zu erreichen? Dieses besteht bei treffpunkt 72 Eva Seidl/ Birgit Simschitz <?page no="73"?> sprachen darin, schriftlich wie mündlich angemessen und kompetenzorientiert zu prüfen und die dafür im Kollegium notwendige Atmosphäre zu haben. Es ist geplant, in einer kollegialen Reflexion kritische Kommentare, Anmerkungen und im Prüfungsleitfaden Unberücksichtigtes zu diskutieren. Auch ist anzunehmen, dass die fünf ins Projekt eingebundenen Lehrenden in ihrer Rolle als RezensentInnen und KritikerInnen des erarbeiteten Prüfungsleitfadens zu wenig Beachtung fanden. Möglicherweise können sie in der Abschlussphase des Projekts noch einen besonderen Beitrag zum beschriebenen Handlungsziel leisten. Zum Erkenntnisziel des partizipativen Ansatzes Neben dem klaren Handlungsziel verfolgt der partizipative Ansatz als zweites klares Ziel, Erkenntnis zu produzieren. Und gerade diesem Ziel der Handlungs- und Aktionsforschung stehen einige AutorInnen insofern skeptisch gegenüber, als sie seine Erreichung bezweifeln: Nagel (1983, S. 284) hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass «Forschung nicht dem Streben nach unmittelbarer Praxis, sondern dem Interesse an theoretisch gesicherter Erkenntnis als Voraussetzung praktischen Handelns» verpflichtet sein muss und Aktionsforschung damit ihr erklärtes Ziel, Theorie und Praxis zu verbinden, nicht erreicht. Bortz/ Döring (2006, S. 342 f.) bemängeln ebenso das Wissenschaftsverständnis und führen dafür die «Gleichberechtigung von Forschern und Beforschten», «die Praxisbezogenheit und Parteilichkeit» und die «Gleichzeitigkeit von Forschung mit einem Lern- und Veränderungsprozess» an. Böhme (vgl. 2008, S. 130 f.) konstatiert des Weiteren einen grundsätzlichen und nicht zu lösenden Konflikt zwischen praxisorientierter bzw. praxisrelevanter und grundlagentheoretischer Forschung. Und Krüger (2012, S. 196 ff.) schreibt schließlich der Ausrichtung in ihrer Gesamtheit bestenfalls eine randständige Bedeutung zu und betont die Notwendigkeit, die «Ebene des Wissenschaftssystems» und die «Ebene des Praxissystems» auseinanderzuhalten. Dagegen ist einzuwenden, dass für die konkrete Aufgabenstellung bei treffpunkt sprachen, also Handlungskompetenz und Erkenntnisgewinn, eine Trennung zwischen praktisch nutzbaren Ergebnissen und «reinen, vom Gebrauch befreiten Erkenntnissen» nicht opportun erscheint. Auch wird die bestehende Spannung zwischen individuellem Prüfungskönnen und individuellem Prüfungswissen durch eine Separation des Wissens der Einzelnen von dem nur in der Gruppe zu generierenden, wissenschaftlichen Wissen verstärkt. Es liegt daher nahe, sich zunächst die Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Prüfen 73 <?page no="74"?> allgemeinen Aussagen von Whitehead (1929; 1967, S. 1) in Erinnerung zu rufen: (. . .) above all things we must beware of what I call inert ideas - that is to say, ideas that are merely received into the mind without being utilised, or tested, or thrown into fresh combinations. Die Vorstellung von inert ideas als trägem Gedankengut überträgt Renkl (vgl. 2009, S. 744) auf das Wissen und damit wird die Frage, warum vorhandenes Wissen nicht in komplexen Situationen eingesetzt wird, schlagwortartig mit trägem Wissen beantwortet. Renkl führt die Kontextgebundenheit von Wissen aus: Wissen wird also «immer aus der Relation oder Interaktion zwischen einer Person und einer Situation konstituiert» (ebd.). Übertragen auf die wissenschaftliche Intention des Projekts Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Beurteilen und Bewerten in der universitären Sprachenlehre bedeutet dies daher nicht, Prüfungswissen allein zum Selbstzweck zu erweitern, sondern dieses in Beziehung zu fünf Fragen zu setzen: 1) Welche Anforderungen müssen schriftliche wie mündliche Prüfungen im universitären Fremdsprachenerwerb erfüllen? 2) Was können Lehrende, was wissen sie bereits und welche Fragen zur Prüfungspraxis bestehen? 3) Was lässt sich aus der Prüfungspraxis von ExpertInnen am Zentrum lernen? 4) Wie lässt sich der Zusammenhang von Anforderung und Prüfungspraxis für Lehrende in allen Professionalitätsgraden beschreiben? 5) Mit welchen Kriterieren ist die Veränderung zu messen? Mit den Antworten auf diese fünf Fragen entsteht ein erweiterter, vielleicht fluider Begriff des Wissens, der - angesiedelt an der Grenze zwischen modellhafter Betrachtung und Praxis - mehrere Aspekte aufweist: Klarheit über den Anforderungsbereich, Explikation von implizitem Wissen, Zusammenführung von Wissensbeständen zum Prüfen, Identifikation von relevantem Wissen, Ergänzung des individuellen Prüfungswissens und Umsetzung in die reale Prüfungssituation. Nachweis für den Veränderungsprozess Zur zweiten bereits genannten Forderung Altrichters an Projekte, die der Handlungs- und Aktionsforschung verpflichtet sind, gehört die Darlegung ihrer Wirksamkeit. Welche Verfahren dafür anzuwenden sind, ist ein Thema, zu dem in der Dekade zwischen 2001 und 2011 unterschied- 74 Eva Seidl/ Birgit Simschitz <?page no="75"?> liche Vorstellungen entwickelt wurden. Während Bradbury/ Reason (2001) Hauptfragen und Unterfragen entwerfen, sind nach der AutorInnengemeinschaft um Johnson (2006) fünf Leitpunkte zu betrachten. Denzin (2011, S. 645) reagiert ostentativ mit «Like an elefant in the living room, the evidence-based model is an intruder whose presence can no longer be ignored» und bekennt sich zu einer Forschung, die Objektivität und Evidenz als politische Begriffe zurückweist, da mit ihnen kritisches Engagement und demokratische Bewegungen unterlaufen werden. Er leistet einen Beitrag zur US-amerikanischen Debatte um nationale Richtlinien zur Forschungsbeurteilung und -förderung, eine Berufung auf ihn käme hier jedoch einer Immunisierungsstrategie gleich. Daher greifen die Autorinnen zur Unterstützung des Projekts auf die älteren Vorschläge zurück, stellen diese einander gegenüber und leiten daraus vier Projekterfolgskriterien ab. Zunächst zu den Fragen von Bradbury/ Reason (vgl. 2001, S. 454): 1) Entwickelt das Projekt die Qualität der Beziehungen innerhalb der Gruppe? 2) Gibt es ein praktisches Ergebnis und sagen die Beteiligten, dass sie anwenden, was sie gelernt haben? 3) Besteht Pluralität des Wissens und wurden angemessene, das heißt auf Beziehung gerichtete Erhebungsmethoden ausgewählt? 4) Kann die Arbeit als wesentlich bezeichnet werden? Sind die Untersuchungsfragen so gestellt, dass ein Prozess initiiert wird, der zu dem gewollten Ergebnis führt? Wird durch das Projekt sowohl die individuelle Selbstbestimmung als auch jene der Gruppe gefördert? 5) Hat das Projekt dauerhafte Konsequenzen und kommt es zu einem langfristigen Engagement der Gruppenmitglieder? Nach Johnson et al. (2006) sind Evaluationskriterien an die methodischen Prinzipien der Projektarbeit anzupassen. Die Grundsätze der angewandten Verfahren ergeben sich dabei aus unterschiedlichen, philosophischen Vorannahmen zum Begriff der Wahrheit, des menschlichen Verhaltens oder auch der Erkennbarkeit der Realität. Aus diesem Grund nimmt die AutorInnengemeinschaft um Johnson zunächst eine Kategorisierung von Studien und Projekten in vier Richtungen vor (Positivismus, Neo-Empirie, Kritische Theorie und affirmative Postmoderne), führt auf dieser Basis Vorschläge aus der Literatur für angemessene Evaluationskriterien zusammen und entwirft Überprüfungssets. Die partizipative Forschungshaltung wird hierbei der Kritischen Theorie zugeordnet, da sie deren epistemologische und ontologische Überzeugung teilt. Das Ziel besteht in der partizipativen Forschung, die Gründe für ein Geschehen zu Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Prüfen 75 <?page no="76"?> verstehen und im Dialog Strategien zu entwickeln, um die Situation zu verändern. Eine Projektevaluation hat demzufolge fünf zusammenhängende Punkte zu beachten (vgl. ebd., S. 142 f.): 1) Die Werte und Interessen, die dem Projekt zugrunde liegen, sind offenzulegen, da sie das Wissen als Produkt bestimmen. 2) Forschende sensibilisieren sowohl sich als auch Partizipierende für das Thema der Untersuchung und die asymmetrischen Machtverhältnisse. 3) Das positivistische Konzept der Validität wird zurückgewiesen und durch demokratische Studien-Designs ersetzt, die dialogisch orientiert sind. 4) Generalisierbarkeit wird zugunsten von Übereinkunft zurückgestellt. 5) Katalytische Validität wird präferiert. Sie steht für das Ausmaß, in dem das Projekt die Beteiligten verändert, so dass sie die entsprechenden Ausschnitte der Welt auf neue Weise verstehen und dieses Wissen für Veränderung nutzen. Die Überschneidung zwischen den Fragen von Bradbury/ Reason und den obengenannten Punkten von Johnson et al. ist offensichtlich. Gemeinsam ist ihnen, dass sie vier Aspekte eines Projekts hervorheben: die Beziehung zwischen den Beteiligten, den Prozess, das Produkt und schließlich das Ergebnis. Wird das Projekt Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Beurteilen und Bewerten in der universitären Sprachenlehre nun an diesen Erfolgskriterien gemessen, zeigt sich, dass der Prüfungsleitfaden als Projektprodukt nur dann zu einer von allen Lehrenden geteilten, angemessenen Prüfungspraxis führen kann, wenn das Projektteam versucht, Lehrende von treffpunkt sprachen in diesem späten Projektstadium noch zu involvieren. Eine Möglichkeit, die zugleich die kollegiale Beziehung und das Projektergebnis fördert, könnte darin bestehen, eine Sammlung von gelungenen Prüfungsteilen auf unterschiedlichen Niveaustufen und in unterschiedlichen Sprachen gemeinschaftlich anzulegen. Dies fördert den Austausch, motiviert und stellt Muster für zukünftige Prüfungssettings zur Verfügung. Fazit Lehrende in der universitären Sprachenlehre stehen vor der Herausforderung anspruchsvoll, angemessen und fair zu prüfen, sehen sich jedoch häufig wenig vorbereitet dafür. Ein fachdidaktisches Projekt bei 76 Eva Seidl/ Birgit Simschitz <?page no="77"?> treffpunkt sprachen hatte die Funktion, die mit dem Unterricht verschränkte Prüfungspraxis zu unterstützen. Zunächst wurden entsprechende Beobachtungen und Dokumentenanalysen unter dem Aspekt der Orientierung an Lernenden, der Sprachkompetenz und der Sprachhandlung durchgeführt, um die Modalitäten von schriftlichen und mündlichen Prüfungen zu erfassen. Nach einer Auseinandersetzung mit der Literatur zu Prüfungen wurde ein am Semesterverlauf ausgerichteter Prüfungsleitfaden erstellt. Eine mögliche Erklärung für die unerwartet verhaltene Reaktion auf die Handreichung im Kollegium bietet den Autorinnen der partizipative Forschungsansatz. Dieser erweitert nicht nur das methodische Spektrum, sondern stellt neben das Erkenntnisziel ein Handlungsziel, das nur über demokratische Beteiligung zu erreichen ist. Eine späte Einbindung von Lehrenden kann nun dazu beitragen, eine gemeinsame Prüfungskultur zu etablieren. Bibliographie Altrichter, Herbert/ Feindt, Andreas (2008): Handlungs- und Praxisforschung. In: Helsper, Werner/ Böhme, Jeanette (Hrsg.): Handbuch für Schulforschung. 2., durchges. und erw. Aufl. Wiesbaden: VS. S. 449 - 466. Altrichter, Herbert (2008): Die Debatte um Aktionsforschung in der deutschsprachigen Bildungsforschung - Geschichte und aktuelle Entwicklungen. In: Unger, Hella/ Wright, Michael T. (Hrsg.): An der Schnittstelle von Wissenschaft und Praxis - Dokumentation einer Tagung zu partizipativer Forschung in Public Health. Berlin: WZB. S. 29 - 57. Böhme, Jeanette (2008): Qualitative Schulforschung auf Konsolidierungskurs: Interdisziplinäre Spannungen und Herausforderungen. 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Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Prüfen 79 <?page no="80"?> Anhang Prüfungsleitfaden für Lehrende treffpunkt sprachen Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik erstellt von Eva Seidl und Birgit Simschitz 80 Eva Seidl/ Birgit Simschitz <?page no="81"?> Einleitung Ohne die Bereitschaft und das uns entgegengebrachte Vertrauen von fünf Lehrenden bei treffpunkt sprachen, die uns erlaubten, im Wintersemester 2011/ 12 sowohl in ihrem Unterricht als auch bei ihren mündlichen Prüfungen zu hospitieren und die von ihnen erstellten Klausuren nach prüfungsdidaktischen Gesichtspunkten zu analysieren, wäre dieser Leitfaden nicht zustande gekommen. Wir bedanken uns an dieser Stelle ganz herzlich bei Andrea Osterer, Carole Bourgadel, Christian Hofer, Christoph Waldhaus und Romina Espinal. Der Leitfaden ist so konzipiert, dass jedes Kapitel in sich geschlossen ist und je nach Anlass herangezogen werden kann, so z. B. vor der Erstellung einer Prüfung oder vor der Korrektur von Klausuren. Er ist von der Überzeugung getragen, dass Prüfen eine zentrale Aufgabe von Lehrenden ist und dass eine reflektierte Prüfungspraxis die Lehr- und Lernhaltungen an einer Institution verändern kann und soll: Ändert sich das Prüfen, ändert sich in der Folge auch das Lehren und Lernen. Die vorliegenden Anregungen verstehen sich als Beitrag zur Entwicklung einer gemeinsamen Lehr-, Lern- und Prüfungskultur bei treffpunkt sprachen. Grundvoraussetzung für das Zustandekommen dieses Leitfadens war das kollegiale und unterstützende Klima und die offene Kommunikation zwischen allen Beteiligten. Unser Dank gilt Daniela Unger-Ullmann für die Ermöglichung des Projekts Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Beurteilen und Bewerten in der universitären Sprachenlehre, in dessen Rahmen dieser Leitfaden erstellt wurde. Aufgabe des Prüfungsleitfadens ist es, Sprachenlehrende bei der Erstellung, Durchführung, Korrektur und Reflexion von schriftlichen und mündlichen Prüfungen zu unterstützen und ihnen beim Beurteilen und Bewerten mehr Sicherheit und Know-how zu vermitteln. Er enthält theoretische und praktische Hinweise, wie Gütekriterien für Prüfungen (z. B. Reliabilität) oder Tipps zur Gestaltung der Sitzordnung bei mündlichen Prüfungsgesprächen. Die Lektüre soll zu einem Nachdenken über ausgewählte Aspekte akademischer Lehrkompetenz anregen. Diese sind u. a. Beurteilungskompetenz, selbstkritische Reflexion der Prüfungspraxis und empathisches Verhalten in der PrüferInnenrolle sowie das Vermögen, den Lernenden annehmbares Feedback zu geben. Ziel ist eine verstärkte Standardisierung des Prüfungsgeschehens in der universitären Sprachenlehre bei treffpunkt sprachen, um die Qualität von so bedeutenden Angelegenheiten, wie Prüfungen an der Hochschule sie darstellen, zu Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Prüfen 81 <?page no="82"?> sichern. Über kritische und konstruktive Rückmeldungen und Ergänzungsvorschläge freuen wir uns. Prüfen als Schlüsselaufgabe von Lehrenden Eine der Schlüsselaufgaben für Sprachenlehrende an universitären Sprachenzentren ist es, ihre Studierenden anspruchsvoll, angemessen und fair zu prüfen. Schriftliche oder mündliche Prüfungen zu konzipieren, durchzuführen und zu bewerten, ist allerdings gleichermaßen zentrale Anforderung wie ein lange vernachlässigter Aspekt in der Ausbildung. Von den Lehrenden wird einiges erwartet: professionelles, kompetentes und kompetenzorientiertes Prüfen und Beurteilen; lernenden- und handlungsorientierte Leistungsbeurteilung; konstruktives Abgleichen von Lernzielen, Lehrmethoden und Prüfungsformen (Alignment); Wissen über verschiedene Prüfungsformate, geeignete Bewertungskriterien und deren Gewichtung; Orientierung an testtheoretischen Gütekriterien (Objektivität, Validität, Reliabilität) und angemessenes Prüfungsverhalten. In Anbetracht dieser Fülle an Erwartungen an die Prüfungspraxis ist es verständlich, dass Lehrveranstaltungsprüfungen oft nicht nur bei den Studierenden, sondern genauso bei den Lehrenden Unbehagen und mitunter auch Stress auslösen, zumal Prüfungen das Verständnis oder Unverständnis der Studierenden offenbaren und daher ein indirektes Maß für die eigene Lehrleistung darstellen können. Zur Rolle als PrüferIn Die Rolle des Prüfers oder der Prüferin integrieren LehranfängerInnen oft erst langsam in ihre Persönlichkeit und entwickeln nur durch zunehmende Lehrtätigkeit Routine und Souveränität, was ihr Rollenverständnis anbelangt. Manche Lehrende prüfen ausschließlich schriftlich, andere wiederum bevorzugt mündlich, oder das mündliche Prüfen wird - aus unterschiedlichen Gründen - weitgehend vermieden. Allgemein spielt die Prüfungszeit für Lehrende bezogen auf die gesamte Lehrtätigkeit im Rahmen einer Lehrveranstaltung eher eine untergeordnete Rolle, das Bewerten und Beurteilen von Leistungen der Studierenden wird manchmal bloß als «lästiges Anhängsel» des Unterrichts gesehen. Für Studierende allerdings ist das Bestehen von Prüfungen von existenzieller Bedeutung und Prüfungssituationen stellen für sie eine Möglichkeit dar, zeigen zu können, was sie gelernt haben. Unsicherheiten beim Beurteilen und Bewerten führen oft dazu, dass Lehrende diese Aufgabe 82 Eva Seidl/ Birgit Simschitz <?page no="83"?> en passant übernehmen oder mit ungutem Gefühl so schnell wie möglich über die Bühne bringen wollen. Selbst erfahrene Lehrende übernehmen für ihre eigene Prüfungspraxis manchmal bewusst oder unbewusst Einstellungen und Verhaltensweisen, die sie - selbst noch Studierende - bei ihren PrüferInnen gesehen haben. Im Sinne einer professionellen und reflektierten Lehrhaltung sollte jedoch die langjährige Erfahrung aus der Komplementärperspektive als Lernende/ r nicht unreflektiert übernommen, sondern alles daran gesetzt werden, den Anforderungen einer zeitgemäßen Prüfungspraxis gerecht zu werden. Eine solcherart reflektierte Lehrhaltung ist eine sich über das ganze Berufsleben erstreckende Aufgabe aller Hochschullehrenden. Prüfung als Schnittmenge aus Lehr- und Lernzielen Zur Rolle als GestalterIn von Lehr- und Lernprozessen gehört auch, dass Lehrende ihre Erwartungen und Anforderungen bereits in der ersten Unterrichtseinheit den Studierenden kommunizieren. Klarheit in den Vorgaben vereinfacht den Lernenden das Lernen und den Lehrenden das Lehren. Dies bedeutet, den Studierenden muss explizit vermittelt werden, welche Kompetenzen in welchen Lehrveranstaltungen zu erwerben Abb. 1: Lehr-Lern-Prozess und Leistungsnachweis - ein Regelkreis (Leistungsnachweise in modularisierten Studiengängen, Universität Zürich 2007, S. 8) Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Prüfen 83 <?page no="84"?> sind und wie diese geprüft werden. Für Sprachenlehrende heißt das, in ihren Kurs-Syllabi die Kompetenzen transparent zu machen und ihren Unterricht so zu gestalten, dass dieses Kompetenz-Training sichtbar wird. Für Studierende sind die anzustrebenden Kompetenzen nämlich nur dann gut zu verstehen, wenn sie sich diese als mögliche Prüfungsaufgaben (tasks) vorstellen können (vgl. Woschnak et al. 2008, S. 64). Eine graphische Darstellung der Arbeitsstelle für Hochschuldidaktik der Universität Zürich veranschaulicht prägnant, wie Lehren, Lernen und Beurteilen zusammenhängen. Diese Wechselbeziehung wird in einem Regelkreis dargestellt, der die unterschiedlichen Perspektiven von Lehrenden und Lernenden auf das Unterrichts- und Prüfungsgeschehen darlegt. Eine an den zu erwerbenden Kompetenzen orientierte Prüfung bedarf einer Vorbereitung, die zeitgleich mit der Lehrveranstaltungsplanung beginnt. Dieses Abstimmen von a) Lehrveranstaltungszielen (learning outcomes), b) Prüfungsformen (inklusive Punkte- und Notenvergabe) und c) Lehrmethoden (Lehr-Lern-Arrangement) ist unter dem Begriff Alignment oder konstruktiver Abgleich in der einschlägigen Literatur bekannt. Tobina Brinker (2011, S. 52) präzisiert diese Kongruenz zwischen Lernzielen, Prüfungsformen und Lehrmethoden wie folgt: Konstruktives Abgleichen von Lehre und Prüfung, ein wesentliches Merkmal kompetenzorientierter Prüfungen, bedeutet vom Planungsbeginn an, Ziele der Lehrveranstaltung und Ziele der Prüfung wie auch Methoden der Lehrveranstaltung und Prüfungsformen aufeinander zu beziehen und abzustimmen. Eine konsequente Output-Orientierung macht Lernziele zu echten Lern- Zielen, «weil Lernende ihr Lernen direkt daran ausrichten können, und gleichzeitig sind sie eigentliche Lehr-Ziele, weil sie offen legen, wohin der Unterricht führen will und muss.» (Woschnak et al. 2008, S. 63) Eine kompetenzorientierte Prüfungsarchitektur anzustreben und Prüfungskriterien und -methodik aus den Lernergebnissen abzuleiten, führt schließlich zu einer veränderten Prüfungs- und letztlich auch Lehr- und Lernkultur. Prüfungsvorbereitung Mit der Planung des Sprachkurses beginnt die Vorbereitung auf die Prüfung, wobei die rezeptiven, produktiven und interaktiven Lernziele mit der Kursbeschreibung der Lehrveranstaltung auf https: / / online.unigraz.at abgeglichen werden sollen. Zur inhaltlichen Festlegung und 84 Eva Seidl/ Birgit Simschitz <?page no="85"?> Abgrenzung des Semester- und damit des Prüfungsstoffes ist zu empfehlen, das darüber- und darunterliegende Sprachniveau zu berücksichtigen. Dieses Vorgehen bewirkt, bei Offenlegung in der ersten Lehrveranstaltungseinheit, zweierlei: Den Studierenden werden die Voraussetzungen für das jeweilige Kurs-Niveau (A1-C1) verdeutlicht und man ermöglicht ihnen, Wissenslücken eigenverantwortlich im Selbststudium zu schließen. Den KollegInnen der nachfolgenden Sprachniveaus gegenüber zeigt man sich verantwortungsvoll und fair, weil sie darauf vertrauen können, dass sie in ihrem Unterricht auf bereits Vermitteltes aufbauen können. Das Festlegen des Semester- und Prüfungsstoffs geht immer einher mit der Formulierung von Lehr- und Lernzielen. Bei den Lernzielen unterscheidet der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen zwischen allgemeinen, weniger eng mit der Sprache verknüpften Kompetenzen und kommunikativen Sprachkompetenzen. Bilden die allgemeinen Kompetenzen, wie z. B. Sprachbewusstsein und Motivation die Grundlage für jeden Unterricht, ist es Aufgabe des universitären Sprachenunterrichts, die kommunikative Sprachkompetenz mit ihrem linguistischen, soziolinguistischen und pragmatischen Teil zu trainieren. Die Förderung speziell der linguistischen Kompetenz umfasst sowohl lexikalische, grammatische, semantische als auch phonologische Elemente. Die operationalisierten Lernziele, von den Studierenden besonders gut in den bekannten Kann-Formulierungen verstanden, sind auch die Zielvorgaben für die schriftliche und mündliche Prüfung. Diese werden in ihrer Realisierung unterstützt, wenn bei der Prüfungsvorbereitung eine Reihe von Eckpunkten beachtet werden, die wir uns erlauben, in der kollegialen Du- Anrede zu formulieren: ● Besprich zu Lehrveranstaltungsbeginn die Kursanforderungen inklusive Beurteilungs- und Bewertungskriterien mit den Studierenden. Dies verbessert die Qualität des studentischen Lernens, da entsprechend den Vorgaben für die Prüfung gelernt werden kann. Ohne Richtlinien für das Lehr-, Lern- und Prüfungsgeschehen fühlen sich die Studierenden häufig orientierungslos und ohne Lernziele schieben sie das Lernen immer wieder vor sich her. ● treffpunkt sprachen sieht eine Zwischen- und eine Schlussklausur, vier beurteilte Hausübungen und eine mündliche Prüfung vor. Das Heranziehen der Mitarbeit, der Einsatz von alternativen Nachweisen, wie Präsentation, Lerntagebuch, Portfolio oder Gruppenprüfung benötigen eine transparente Darstellung der jeweiligen Akti- Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Prüfen 85 <?page no="86"?> vität und ihrer Beurteilung. Lege die Gewichtung der Einzelleistungen fest und kommuniziere sie. ● Fixiere die Prüfungstermine in der ersten Kurseinheit. Bestimme, ob Wörterbücher und wenn ja, welche Art (zweisprachig, einsprachig, elektronisch, Handy-App, etc.) verwendet werden dürfen. Ersatztermine anzubieten, ist nicht notwendig. Definiere, ob die Schlussklausur den Semesterstoff oder nur die Lerninhalte ab der Zwischenklausur abdeckt. ● Sorge dafür, dass die Prüfungsformen bereits in deinen Lehr- und Lern-Arrangements präsent sind, ohne den einseitigen Ansatz des «teaching to the test» zu verfolgen. Ist in einer Klausur z. B. eine Hörverstehensaufgabe vorgesehen, dann sind solche Settings notwendigerweise auch Teil des Unterrichts. Die Studierenden sind dadurch mit den Prüfungsformen vertraut, was ihnen Angst vor dem Ungewissen nimmt und Sicherheit vermittelt. Stelle auch genügend Übungsmaterial (z. B. auf Moodle) zur Verfügung. ● Wiederholung stützt das Lernen. Repetiere - nicht nur - in der Unterrichtseinheit vor der Klausur bereits Vermitteltes. Unterstütze durch das Thematisieren von Lernhaltungen deine Studierenden bei der Entwicklung von Lernstrategien. ● Du kannst in der ersten Unterrichtseinheit sowie vor der Zwischen- und Schlussklausur eine Checkliste von erreichten oder zu erreichenden Kompetenzen austeilen oder auf den Syllabus verweisen. Wichtig ist, dass die Studierenden eine Rückmeldung über ihren Leistungsstand bekommen. ● Wenn du Zwischenklausuren nach Einsichtnahme wieder einsammelst, kannst du sie in der Woche vor der Schlussklausur noch einmal austeilen, damit die Studierenden über ihre Stärken und Schwächen Bescheid wissen und sich gezielt vorbereiten können. Prüfungserstellung Klausur ● Frage, wenn möglich, verschiedene Fertigkeiten (Textproduktion, Hör- und Leseverstehen), aber auch Grammatik und Wortschatz in der Klausur ab. Orientiere dich bei der Testerstellung an den Lernenden und an Sprachhandlungen. ● Sorge für Transparenz deiner Leistungsmessung (Zuordnung von Punkten) und Leistungsbewertung (Zuordnung von Noten), indem du die Punkte- und Notenvergabe offenlegst. Gib bei den einzelnen 86 Eva Seidl/ Birgit Simschitz <?page no="87"?> Aufgabenstellungen die erreichbare Punkteanzahl sowie den Notenschlüssel für die Klausur als Ganzes an, z. B.: 70 - 64 = 1 63 - 57 = 2 56 - 50 = 3 49 - 42 = 4 41 - 0 = 5. ● Wäge die Gewichtung der verschiedenen Aufgaben gut ab. Soll man z. B. beim Hör- oder Leseverstehen gleich oder annähernd viele Punkte erreichen können wie bei Grammatik- oder Wortschatzfragen, auf die man sich besser vorbereiten kann als auf ein Hör- oder Leseverstehen? Generell gilt: Je mehr (gleichwertige) Einheiten, desto reliabler ist deine Messung. Es ist also zuverlässiger, 10 Mal einen Punkt zu vergeben als 1 Mal 10 Punkte. ● Erstelle eine Musterlösung, bevor du die Klausur verwendest, um Inkonsistentes (Fehler, falsche Punktevergabe) sowie diverse Antwortmöglichkeiten rechtzeitig zu bemerken und um den Zeitaufwand abzuschätzen. Es ist besser, du entdeckst Unstimmigkeiten selbst, als deine Studierenden tun dies während der Klausur. ● Formuliere die Anweisungen verständlich. Bemühe dich um eine präzise Formulierung der Fragen und des erwünschten Antwortformats. Das erleichtert die Bewertung, da für dich ebenso wie für die Studierenden die Anforderungen klar sind. ● Achte auf eine übersichtliche Formatierung und ein ansprechendes Layout. Verwende am besten die Word-Vorlage mit dem treffpunkt sprachen-Logo in Moodle. ● Erstelle bei einer großen TeilnehmerInnenzahl eventuell zwei Klausuren, um Schummeln zu vermeiden. Du kannst nicht nur bei einem Leseverstehen zum selben Text beiden Gruppen unterschiedliche Fragen stellen, sondern auch bei einem Hörverstehen. Greifst du auf bereits ausgearbeitetes Material zurück (in Lehrwerken oder standardisierten Prüfungen), teile z. B. 8 vorgegebene Fragen wie folgt auf: Gruppe A bekommt die Fragen 1, 3, 5, 7, Gruppe B: 2, 4, 6, 8. In der Klausur hat jede Gruppe 4 Fragen mit der Nummerierung 1, 2, 3, 4. Mündliche Prüfung ● Analysiere den Prüfungsstoff hinsichtlich der Lernziele. Vermeide, nur zuletzt Behandeltes zu prüfen, sondern frage auch nach Themen, die du zu Beginn der Lehrveranstaltung besprochen hast. ● Prüfe nichts, was du nicht auch im Unterricht behandelt hast, aber auch nicht weniger. Überprüfe vor dem Prüfungstermin deine Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Prüfen 87 <?page no="88"?> Unterlagen bzw. besprich im Unterricht mit den Studierenden, was prüfungsrelevant ist. ● Erstelle ein Angabenblatt mit den Prüfungsaufgaben, das du für alle KandidatInnen kopierst. Oft beruhigt es Prüflinge, etwas in der Hand halten zu können. Der Schwierigkeitsgrad sollte sich im Verlauf der Prüfung allmählich steigern. ● Studierende sollten in Prüfungssituationen nicht nur als Reproduzierer, sondern auch als Ideen-Lieferanten gesehen werden. Überlege dir also durchaus Aufgaben mit kreativem Potenzial. ● Wenn die KandidatInnen etwas Ausgearbeitetes zur Prüfung mitbringen müssen, erteile diese Aufgabe rechtzeitig und erinnere die Studierenden daran, dass die verlässliche Abgabe am Prüfungstag in die Note einfließt. ● Plane Aufbau und Ablauf der Prüfung penibel und halte dich daran, indem du im Prüfungsgespräch z. B. nicht bei einem Thema «hängenbleibst», sondern wirklich alles abfragst, was du dir im Vorfeld vorgenommen hast. Ein formalisierter Ablaufplan wie in einem Drehbuch unterstützt dich in der Prüfungssituation. ● Entscheide, ob die KandidatInnen ein Prüfungsthema wählen dürfen, ob du dies vorgibst oder ob Würfel oder zu ziehende Kärtchen mit Fragen zum Einsatz kommen. ● Definiere, wie lange du die einzelnen KandidatInnen prüfen wirst und erstelle einen entsprechenden Terminplan. Gib den Studierenden die Möglichkeit, sich bereits zwei Wochen vor der Prüfung in den Terminplan einzutragen. ● Überlege dir Prüfungsfragen, zu denen du aus echtem Interesse gern die Meinungen, Gedanken und Erfahrungen der KandidatInnen hören möchtest. Das gibt einer mündlichen Prüfung einen echten Gesprächscharakter und ist weder bloßes Abfragen noch monologisches Sprechen. ● Lege deine Beurteilungskriterien fest und kommuniziere diese ebenso wie den geplanten Ablauf. Gütekriterien Bei der Erstellung deiner Leistungsnachweise (Klausur, mündliche Prüfung) solltest du folgende Gütekriterien berücksichtigen. Diese können in allen Phasen der Prüfung einen wichtigen Beitrag zur Qualitätssteigerung leisten: bei der Planung, der Durchführung und der Bewertung von Prüfungen. 88 Eva Seidl/ Birgit Simschitz <?page no="89"?> Tab. 1: Gütekriterien nach Winteler (Winteler 2011, S. 107) Objektivität Das Ergebnis wird allein durch die Leistung der KandidatInnen (K) bestimmt. Vorbereitungs- Objektivität Durchführungs- Objektivität Auswertungs- Objektivität Alle K verfügen über die gleichen Informationsquellen und Informationen. Verschiedene PrüferInnen kommen unabhängig voneinander zu ähnlichen Ergebnissen. Die Bewertung erfolgt anhand vorab definierter Kriterien in standardisierter Form. Reliabilität Die Prüfung misst das, was geprüft wird, zuverlässig. Paralleltest-Reliabilität Retest-Reliabilität In einer Klausur mit den gleichen Fragen erhalten die K ein ähnliches Ergebnis wie in einer mündlichen Prüfung. In einer Wiederholung der Prüfung mit vergleichbaren Fragen (Inhalt, Schwierigkeit) wird ein ähnliches Ergebnis erzielt. Validität Die Prüfung misst tatsächlich das, was sie messen soll. Lernziele und Bewertungskriterien sind vorab festgelegt worden. Inhalts-Validität Prognostische Validität Übereinstimmungsvalidität Kriterienbezogene Validität Gestellte Fragen repräsentieren das Prüfungsthema angemessen. Bewertet wird nur, was auch geprüft worden, geprüft nur, was auch vorher festgelegt worden ist. z. B. bezogen auf den Zusammenhang zwischen erreichter Note und beruflicher Bewährung. Vergleich der Einzelnote mit der Gesamtnote, mit der Note in der Klausur bzw. in der mündlichen Prüfung. Vergleich der Note mit Außenkriterien, welche die zu bewertenden Leistungen repräsentieren oder widerspiegeln. Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Prüfen 89 <?page no="90"?> Prüfungsdurchführung Klausur ● Überprüfe rechtzeitig den Raum (Sitz- und Schreibgelegenheit, Abstand, Luftqualität, Licht- und Temperaturverhältnisse) sowie die erforderliche Technik. ● Die Prüfungsabnahme braucht beruhigende und ermutigende Einleitungsworte. ● Stelle sicher, dass die Studierenden die Klausur mit ihrem Namen versehen. ● Gib klare Hinweise zum Ablauf, um die Prüfungsobjektivität zu gewährleisten. Beantworte keine Einzelfragen individuell, sondern richte die Antwort an die Gruppe. Beantworte nichts, was die Studierenden ohnehin wissen sollten. ● Überlege dir mögliche Konsequenzen bei Täuschungsversuchen der Studierenden und verdeutliche sie ihnen. ● Die Prüfung erfüllt eines der Objektivitätskriterien, wenn du auf gleichzeitigen Beginn und gleichzeitiges Ende der Prüfungsdurchführung achtest. Teile deshalb die Klausuren mit der Rückseite nach oben aus. Kündige ferner in zeitlich angemessenem Abstand zur Abgabe das Prüfungsende an, da dies den Studierenden die Einteilung der verbleibenden Zeit erleichtert. Mündliche Prüfung ● Die Prüfungsorganisation besteht in der Vergabe von Prüfungsterminen und der rechtzeitigen Überprüfung des Raumes (Luftqualität, Licht- und Temperaturverhältnisse). Kurze oder keine Wartezeiten verringern die Nervosität der PrüfungskandidatInnen. ● Du unterstützt den Gesprächscharakter der Prüfung, wenn du eine Sitzmöglichkeit über die Ecke anstelle einer konfrontativen Sitzordnung nutzt. Außerdem signalisierst du durch die Veränderung der Tischordnung im Raum, dass es sich um eine Prüfungs- und keine Unterrichtssituation handelt. Einzelprüfung Doppelprüfung LP = Lehrperson K = KandidatIn K Tisch K Tisch LP LP 90 Eva Seidl/ Birgit Simschitz <?page no="91"?> ● Verwende bei der Prüfungsabnahme die Einstiegsphase dazu, die Anspannung der Studierenden zu mildern und eine angenehme Gesprächsatmosphäre herzustellen. ● Informiere die Studierenden vorab darüber, was es bedeutet, wenn du Notizen machst. Sage, dass du dir nicht ausschließlich Fehler, sondern auch korrekte Formen, gelungene Formulierungen, den Einsatz von im Unterricht besprochenen Redewendungen, etc. notierst. ● Lege die Prüfungsaufgabe in schriftlicher Form vor. Das gibt den Studierenden Sicherheit (sie können die Frage nachlesen, haben etwas in der Hand) und es erhöht deine Konzentration als PrüferIn auf den Gesprächsakt. ● Stelle eine einfach zu lösende Aufgabe vor einer anspruchsvolleren, damit sich der Schwierigkeitsgrad allmählich steigert. ● Halte die vorgesehene Prüfungszeit ein und achte bei Prüfungen von zwei oder mehreren KandidatInnen auf gleiche Sprechanteile. ● Mündliche Prüfungen durchzuführen, erfordert sehr viel Konzentration und Disziplin. Plane daher Pausen für dich und halte sie ein, nicht zuletzt um Verlaufsfehler zu minimieren. Fehlerquellen bei mündlichen Prüfungen Bei der Benotung von mündlichen Prüfungen können sich verschiedene Urteilsfehler einschleichen, die sich in Verlaufs- und soziale Wahrnehmungsfehler unterteilen lassen (vgl. Winteler 2011, S. 106). Verlaufsfehler Darunter versteht man Fehler, die aus dem zeitlichen Verlauf einer Prüfung oder dem Prüfungszeitpunkt innerhalb des gesamten Prüfungszeitraums (z.B eines Vor- oder Nachmittags) resultieren. Primacy-Effekt: Man behält frühe Eindrücke besser als spätere. Gute Antworten zu Beginn der Prüfung können spätere Leistungen überdecken. Recency-Effekt: Eindrücke am Ende der Prüfung dominieren über frühere Leistungen. Positions-Effekt: Wird über größere Zeiträume geprüft, zeigen sich periodische Verläufe der Notengebung. Kontrast-Fehler: Vergleichende Bewertung aufeinanderfolgender oder gleichzeitig geprüfter KandidatInnen (einer schlechten folgt eine bessere Bewertung und umgekehrt). Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Prüfen 91 <?page no="92"?> Prüfungsdauer: Noten gegen Ende sind besser; je kürzer die Prüfung, desto geringer die Objektivität; Beurteilungskriterien verändern sich im Verlauf. Soziale Wahrnehmungsfehler Das sind Fehler, die sich aufgrund der Wahrnehmung von (Persönlichkeits-)Eigenschaften der KandidatInnen auf die Leistungsbewertung auswirken. Halo-Effekt: Eine einzelne Eigenschaft (z. B. Sprachflüssigkeit oder sicheres Auftreten) kann erkennbare fachliche Schwachstellen abmildern. Sympathie/ Antipathie: Das Gefühl stellt sich innerhalb der ersten Sekunden automatisch ein und beeinflusst Prüfungsverlauf und -bewertung. Vorurteile: Wissen über frühere Leistungen und Verhaltensweisen beeinflusst die Wahrnehmung der aktuellen Leistung. Persönlichkeit: Der Gesamteindruck des/ r KandidatIn beeinflusst die Notengebung. Störfaktoren bei mündlichen Prüfungen Störfaktoren für die Objektivität sind sowohl auf Seite der KandidatInnen als auch auf PrüferInnen-Seite sowie für die Prüfung selbst empirisch nachgewiesen (vgl. Roloff 2008, S. 312). Merkmale der KandidatInnen Besser bewertet werden: ● weibliche Kandidatinnen, ● beliebte bzw. sympathische KandidatInnen, ● KandidatInnen mit gutem Benehmen und sichtbarem Respekt, ● bei KandidatInnen mit guten Leistungen werden Fehler eher übersehen. Schlechter bewertet werden: ● KandidatInnen aus sozial benachteiligten Schichten, ● KandidatInnen, über die du negative Vorabinformationen hast. 92 Eva Seidl/ Birgit Simschitz <?page no="93"?> Merkmale der PrüferInnen ● weibliche Prüferinnen urteilen milder, ● müde PrüferInnen oder solche, die in schlechter körperlicher Verfassung sind, urteilen milder, ● PrüferInnen halten in der Regel an einmal gegebenen Noten fest, ● gute KandidatInnen, die auf schlechtere folgen, werden besser bewertet als gerechtfertigt (Kontrast-Effekt), ● Prüfungen am Anfang des Prüfungszeitraums werden strenger bewertet, ● Tief-, Zentral- und Hochbeurteilende bewerten kontinuierlich mit der jeweiligen Beurteilungspräferenz. Merkmale der Prüfung Die Beurteilung ist objektiver resp. intersubjektiv, ● je wichtiger das Prüfungsfach in den Augen von Prüfenden und Geprüften, ● je genauer die Durchführungsbestimmungen und je besser die Durchführung sind und weniger objektiv, ● je umfangreicher die Aufgabenstellung und ● je größer der Erfahrungsbezug der Aufgabenstellung ist. Prüfungskorrektur: Klausur ● Mit der Prüfungskorrektur wird die Leistung gemessen und beurteilt. Diese ist Sehr gut wenn sie erheblich über den durchschnittlichen Anforderungen liegt, Gut wenn sie über den durchschnittlichen Anforderungen liegt, Befriedigend wenn sie den durchschnittlichen Anforderungen entspricht, Genügend wenn sie trotz Mängel den durchschnittlichen Anforderungen entspricht, Nicht genügend wenn sie wegen erheblicher Mängel nicht mehr den Anforderungen genügt. Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Prüfen 93 <?page no="94"?> ● Korrigiere nicht immer mit roter Farbe, sondern auch mit grüner oder anderer Farbe. ● Achte gut auf dich, um fair und gerecht bleiben zu können. Mach während der Korrekturarbeit Pausen, um danach wieder gut und objektiv bewerten zu können. ● Pflege dich als «Messinstrument». Klausuren zu bewerten, erfordert sehr viel Konzentration und Disziplin. Fehlerquellen bei der Korrektur Beobachte die Häufigkeitsverteilung der von dir vergebenen Noten über einen längeren Zeitraum, um deine persönliche Urteilsweise zu reflektieren (vgl. Winteler 2011, S. 106). ● Milde-Fehler: Tendenz zu positiven Urteilen (linksschiefe Verteilung), ● Strenge-Fehler: Tendenz zu negativen Urteilen (rechtsschiefe Verteilung), ● Extrem-Fehler: Tendenz zu extremen Urteilen (zweigipflige Verteilung), ● Zentral-Fehler: Tendenz zu mittleren Urteilen (eingipflig steile Verteilung). Störfaktoren bei der Korrektur Bei der Benotung von Klausuren können sich verschiedene Urteilsfehler einschleichen. Derartige Störfaktoren für die Objektivität sind sowohl auf Seite der KandidatInnen als auch auf PrüferInnen-Seite empirisch nachgewiesen (vgl. Roloff 2008, S. 312). Merkmale der KandidatInnen Störfaktoren wie bei mündlichen Prüfungen können auch bei der Benotung von Klausuren zu einer besseren Bewertung führen. Schlechter bewertet werden: ● Klausuren mit schlechter oder unleserlicher Handschrift, ● Klausuren mit vielen orthographischen Fehlern, ● KandidatInnen aus sozial benachteiligten Schichten. 94 Eva Seidl/ Birgit Simschitz <?page no="95"?> Merkmale der PrüferInnen Zusätzlich zu den bereits bei den mündlichen Prüfungen genannten Merkmalen können folgende Beurteilungstendenzen auftreten: ● PrüferInnen halten in der Regel an einmal gegebenen Noten fest (Nachkorrekturen führen nur zu geringen Änderungen), ● Klausuren am Anfang der Prüfungskorrektur werden strenger bewertet. Prüfungsabschluss Damit du aus durchgeführten Prüfungen Erkenntnisse für die kontinuierliche Weiterentwicklung und Verbesserung deines Prüfungsverhaltens gewinnen kannst, ist eine Prüfungsanalyse nach Abschluss der Korrektur zu empfehlen. Diese Prüfungsauswertung sollte etwas über die Qualität der Prüfung als Ganzes, die Qualität der Aufgabenstellung und die Art der Notenvergabe aussagen. Der Prüfungsabschluss ist im Grunde genommen bereits die Vorbereitung auf die nächste Prüfungszeit. Im Rahmen deiner Prüfungsauswertung sollten auch die Lernziele deiner Lehrveranstaltung einer Reflexion und gegebenenfalls einer Überarbeitung unterzogen werden. Prüfungsbesprechung ● Da eine Prüfungsbesprechung für Studierende motivierend sein kann, sollte es bei entsprechendem Wunsch eine Möglichkeit dafür geben. ● Überlege dir eine geeignete Form für dieses individuelle Feedback, sodass möglichst viele Studierende davon profitieren (auch introvertierte, die es nicht einfordern würden). Sei nicht zu enttäuscht, wenn bei Weitem nicht alle Studierenden von diesem Angebot Gebrauch machen. Diese Rückmeldung kann auch während des Semesters, z. B. durch Anmerkungen zu Hausübungen, erfolgen. ● Entscheide dich für einen Modus der Klausur-Rückgabe und der Einsichtnahme. Können die Studierenden Fragen zur Klausur stellen? Gibst du Klausuren zurück oder behältst du sie? ● Bei einer Klausur-Einsichtnahme sollten die Stärken und Schwächen der KandidatInnen besprochen werden. Eine nachträgliche Änderung der Note soll jedoch nur dann erfolgen, wenn ein formaler Fehler begangen wurde (Übersehen eines Teils der Klausur, falsche Punktevergabe oder Additionsfehler). Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Prüfen 95 <?page no="96"?> ● Gib individuelle Hinweise und Tipps, wie Studierende sich sprachlich verbessern können und berate sie über Lernangebote und Lernaktivitäten. Prüfungsauswertung ● Haben die Studierenden mehr oder weniger Zeit zur Lösung der Prüfung benötigt, als du vorgesehen hattest? Analysiere deine Klausuren dahingehend, ob manche Aufgabenstellungen problematisch waren (z. B. nicht eindeutige Anweisungen, eingeschlichene Fehler, die die korrekte Beantwortung erschwerten oder unmöglich machten). ● Korrigiere bemerkte Fehler in deinen Klausuren sofort am Computer. Wenn du dieselbe Klausur wiederverwendest, erinnerst du dich höchstwahrscheinlich nicht mehr an den Fehler und die nächste Lernendengruppe hat damit wieder dieselben Schwierigkeiten. ● Eine Notenverteilungsanalyse zeigt dir deine persönliche Beurteilungstendenz. ● Wie oft hast du pro Klausur oder als Semesternote welche Note vergeben? Hast du das Notenspektrum von «sehr gut» (1) bis «nicht genügend» (5) tatsächlich ausgenutzt oder die Noten einseitig verteilt (rechts- oder linkslastig)? Abb. 2: Beispiel einer Prüfungsstatistik Note Zwischenklausur Schlussklausur Semester-Note Sehr gut 1 x 6 x 3 x Gut 4 5 7 Befriedigend 3 3 2 Genügend 3 1 3 Nicht genügend 5 1 1 Teilnehmende 16 16 16 Prüfungsreflexion ● Das zeitnahe Besprechen von Klausuren mit KollegInnen und eine kollegiale Prüfungshospitation bei mündlichen Prüfungen helfen dir, die Güte deiner Prüfungen zu bestimmen. 96 Eva Seidl/ Birgit Simschitz <?page no="97"?> ● Zur Messung der Objektivität kannst du KollegInnen bitten, eine zuvor kopierte Klausur zu korrigieren und dann zu vergleichen, ob du dieselbe Note gegeben hättest. ● Der Vergleich mit älteren Klausuren derselben Lehrveranstaltung bietet Einsicht in die Reliabilität der schriftlichen Prüfung. ● Zur Messung der Reliabilität empfiehlt es sich, Prüfungen, die du bereits vor mehreren Semestern korrigiert hast, erneut zu korrigieren und dann die alten und neuen Noten miteinander zu vergleichen. Dazu musst du Klausuren vor der Korrektur kopieren und eindeutig wiederauffindbar «zwischenlagern». In gewisser Weise sind Prüfungen immer auch ein Feedback über die Qualität deiner Lehre. Welche Leistungen deine Studierenden erbringen, spiegelt zum Teil auch deine Leistung in der Lehre wider, weil die Prüfungssituationen offenbaren, ob der Lehrstoff auch tatsächlich bei den Studierenden angekommen ist, ob sie Erkenntnisschritte vollzogen haben und in der Lage sind, das Gelernte auch anzuwenden. Die Anregungen in diesem Leitfaden sollen die Güte deiner Prüfungen verbessern, dir die Durchführung kommender Prüfungen erleichtern und für mehr Standardisierung und Transparenz sorgen. Wenn du als Lehrende/ r deine Prüfungspraktiken immer wieder analysierst und reflektierst und eine intersubjektive, reliable und valide Beurteilung anstrebst, leistest du einen wichtigen Beitrag zur studentischen Überzeugungsarbeit, dass Noten etwas bedeuten und gute Leistungen die Mühe wert sind. Bibliographie Arbeitsstelle für Hochschuldidaktik der Universität Zürich (2007): Leistungsnachweise in modularisierten Studiengängen. Dossier. Universität Zürich. http: / / www.hochschuldidaktik.uzh.ch/ instrumente/ dossiers/ Leistungsnachweise_Juli_07.pdf [24. 02. 2013]. Brinker, Tobina (2011): Kompetent prüfen - Performanz bewerten: Konstruktives Abgleichen von Lehre und Prüfung. In: Dorfer, Alexandra et al. (Hrsg.): Prüfen auf dem Prüfstand. Sammelband zum Tag der Lehre 2010 der Karl-Franzens- Universität Graz. Grazer Universitätsverlag. Grazer Beiträge zur Hochschullehre. S. 37 - 53. Europarat (2001): Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin/ München: Langenscheidt. Lehrveranstaltungsbeschreibungen bei treffpunkt sprachen (2014): http: / / treffpunktsprachen.uni-graz.at/ de/ lehre/ bzw. https: / / online.uni-graz.at/ [20. 05. 2014]. Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Prüfen 97 <?page no="98"?> Roloff, Sighard (2008): Prüfungen in der Hochschullehre. In: Stelzer-Rothe, Thomas (Hrsg.): Kompetenzen in der Hochschullehre. Rüstzeug für gutes Lehren und Lernen an Hochschulen. 2. Aufl. Rinteln: Merkur. S. 309 - 342. Winteler, Adi (2011): Professionell lehren und lernen. 4. Aufl. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Woschnak, Ute/ Schatz, Wolfgang/ Eugster, Balthasar (2008): Prüfungen als Schlüsselelement kompetenzbasierter Curricula - das Lernziel-Leistungskontroll-orientierte Curriculummodell (LLC). In: Dany, Sigrid/ Szczyrba, Birgit/ Wildt, Johannes (Hrsg.): Prüfungen auf die Agenda! Hochschuldidaktische Perspektiven auf Reformen im Prüfungswesen. Bielefeld: Bertelsmann. (= Blickpunkt Hochschuldidaktik 118). S. 58 - 73. Kurzfassung Die einzelnen Phasen des Prüfungsgeschehens (Vorbereitung, Erstellung, Durchführung, Korrektur und Abschluss) sind in der folgenden Tabelle übersichtlich zusammengefasst. Diese Darstellungsform dient zum einen einer schnellen Orientierung und zum anderen erleichtert sie die Überprüfung, ob relevante Aspekte in der jeweiligen Phase Berücksichtigung finden. Die Ziffern beziehen sich dabei auf die einzelnen Kapitel des Leitfadens und sollen das Nachschlagen erleichtern. 98 Eva Seidl/ Birgit Simschitz <?page no="99"?> Prüfungsvorbereitung bei Kursplanung Orientierung an Lernziel/ Sprachkompetenz ● Beachten der Lernzielvorgabe in der Kursbeschreibung der Lehrveranstaltung ● Überprüfen der Lernzielgewichtung ● Festlegen der Lernziele ● Lernziele des Unterrichts = Prüfungsziele zu Kursbeginn ● Festlegen und Kommunizieren der Leistungsnachweise ● Festlegen der Prüfungstermine und des Prüfungsumfangs ● Festlegen der Verwendung von Hilfsmitteln (Wörterbuch: einspr., zweispr., elektr., Handy-App) bei Klausur im Unterricht ● Prüfungsformen sind u. a. auch Unterrichtsformen ● Übungsmaterial steht zur Verfügung ● Wiederholungen einplanen ● Rückmeldungen über Leistungsstand sichern Prüfungserstellung Klausur Aufgabenstellung ● verschiedene Fertigkeiten abfragen ● Lernenden- und Handlungsorientierung ● Transparenz der Leistungsmessung (Punktezahl) und der Leistungsbewertung (Notenschlüssel) ● Gewichtung der Aufgaben überprüfen ● reliabler, je mehr gleichwertige Einheiten ● Musterlösung erstellen ● verständliche Anweisungen, präzise Frageformulierung Formalia ● übersichtliche Formatierung, Layout mit treffpunkt sprachen - Logo ● Testgruppen: Vorkehrung gegen unerwünschte Zusammenarbeit Mündliche Prüfung Aufgabenstellung ● Analyse des Prüfungsstoffes auf Lernziele ● Prüfung bezieht sich auf gesamte Lehrveranstaltung ● Prüfungsrelevantes kommunizieren ● nicht Reproduktion, sondern kreative Produktion fördern ● gezielte Prüfungsvorbereitung durch Ausarbeitung forcieren Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Prüfen 99 <?page no="100"?> ● Schwierigkeitsgrad im Verlauf der Prüfung steigern ● Angabenblatt vorbereiten Planung ● Aufbau und Ablauf festlegen ● Zeitvorgaben setzen und kommunizieren ● flexibles Agieren und interessantes Gespräch vorbereiten ● Beurteilungskriterien festlegen und kommunizieren Gütekriterien Objektivität ● Vorbereitungsobjektivität ● Durchführungsobjektivität ● Auswertungsobjektivität Reliabilität ● Paralleltest-Reliabilität ● Retest-Reliabilität Validität ● Inhalts-Validität ● Prognostische Validität ● Übereinstimmungsvalidität ● Kriterienbezogene Validität Prüfungsdurchführung Klausur Prüfungsorganisation ● Raum und Technik überprüfen Prüfungsabnahme ● beruhigende und ermutigende Worte ● Sicherstellen, dass Name auf Klausur steht ● Einzelfragen nicht individuell beantworten, Antwort an die Gruppe ● keine Beantwortung von Vorausgesetztem ● Konsequenz bei Täuschungsversuch festlegen und verdeutlichen ● gleichzeitiger Beginn, gleichzeitiges Ende ● Ende der Prüfungszeit ankündigen Mündliche Prüfung Prüfungsorganisation ● Terminvergabe ● Raum überprüfen, Sitzplatz über die Ecke Prüfungsabnahme ● Einstiegsphase zur Herstellung einer Gesprächsatmosphäre ● Offenlegen der Art der Notizen ● Prüfungsfrage schriftlich vorlegen ● einfach zu lösende Aufgaben zuerst stellen ● Prüfungszeit einhalten, Sprechanteile ausgewogen halten ● Pausen für sich einplanen und einhalten 100 Eva Seidl/ Birgit Simschitz <?page no="101"?> Fehlerquellen für die mündliche Prüfung Verlaufsfehler ● Primacy-Effekt ● Recency-Effekt ● Prüfungsdauer ● Positionseffekt ● Kontrast-Effekt Soziale Wahrnehmungsfehler ● Halo-Effekt ● Sympathie/ Antipathie ● Vorurteile ● Persönlichkeit Störfaktoren für die mündliche Prüfung Merkmale der KandidatInnen ● Besserbewertung weiblicher Kandidatinnen, sympathischer KandidatInnen, bei gutem Benehmen, bei vorherigen guten Leistungen ● Schlechterbewertung sozial benachteiligter Schichten, bei negativer Vorabinformation Merkmale der PrüferInnen ● Einfluss des Geschlechts ● Müdigkeit ● Festhalten an gegebener Note ● Einfluss des Kontrast-Effekts ● strengere Bewertung am Beginn der Prüfungskorrektur ● persönliche Beurteilungstendenz Merkmale der Prüfung objektiver, ● je bedeutsamer das Prüfungsfach eingeschätzt wird ● je genauer die Durchführungsbestimmungen weniger objektiv, ● bei zu umfangreicher Aufgabenstellung Prüfungskorrektur Fehlerquellen Vorlieben bei Beurteilung ● Tendenz zu sehr positiven Urteilen ● Tendenz zu negativen Urteilen ● Tendenz zu extremen Urteilen ● Tendenz zu mittleren Urteilen Lernenden-, kompetenz- und handlungsorientiertes Prüfen 101 <?page no="102"?> Störfaktoren Einflüsse auf Bewertung ● Besserbewertung weiblicher Kandidatinnen sympathischer KandidatInnen bei gutem Benehmen bei vorherigen guten Leistungen ● Schlechterbewertung schlecht lesbare Klausur orthographische Fehler sozial benachteiligter Schichten Merkmale der PrüferInnen ● Einfluss des Geschlechts ● Müdigkeit, körperliche Verfassung ● Festhalten an gegebener Note ● Einfluss des Kontrast-Effekts ● strengere Bewertung am Beginn der Prüfungskorrektur ● persönliche Beurteilungstendenz Prüfungsabschluss Prüfungsbesprechung ● Einplanung einer Prüfungsbesprechung ● Einsichtnahme in Klausur ● individuelles Feedback und Beratung Prüfungsauswertung ● Analyse der Zeitvorgabe ● Analyse der Aufgabenstellung ● Fehlerkorrektur bei Wiederverwendung der Klausur ● Notenverteilungsanalyse durchführen ● Beurteilungstendenz erkennen ● Notenspektrum ausgeschöpft? Reflexion ● evt. Besprechung der Klausur mit KollegInnen ● Prüfung auf Objektivität ● Prüfung auf Reliabilität ● Besprechen der Prüfung mit KollegInnen ● Vergleich mit älteren Prüfungen derselben Lehrveranstaltung 102 Eva Seidl/ Birgit Simschitz <?page no="103"?> Marjorie Rosenberg/ Anja Burkert Learning Styles and their Effect on Learning and Teaching Abstract In this paper, we will report on the findings of a small-scale research study carried out among participants in three general English B1 courses. The courses were held at treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik at the University of Graz in the winter semester 2013/ 14. The aim of the study was to find out to what extent raising students ’ awareness of their personal learning styles and discussing learning strategies conforming to different styles assisted them in becoming more successful language learners. We will first provide some background information on the concept of learning styles and then present in some detail the methods and procedure of the study in question. A further section will be devoted to a thorough analysis of the research results, followed by potential implications for teaching and learning. Introduction The concept of learning styles is widely seen as a controversial topic with proponents both strongly in favour of the concept of learning styles as well as those against the theory behind it. The first part of this paper will attempt to address these issues by considering a few definitions of learning style, citing research in the field, and looking at some widespread myths and misconceptions. The main part of the paper will focus on the study carried out, discussing in some detail the procedure as well as presenting and analysing the results obtained. Finally, a brief chapter will be devoted to potential implications which an implementation of learning styles in the language classroom might have for teaching and learning. It is important to note at this point that the present study and paper are a product of the cooperation of the two authors indicated above. Marjorie Rosenberg was the teacher and researcher of her classrooms and also the initiator of the project under question, having comprehensive experience in the field of learning styles. Anja Burkert, on the other hand, came to the <?page no="104"?> project with a so-called open mind and assisted in questions of procedure and analysis of data. Both researchers seemed to complement each other and found the cooperation productive and stimulating. Definitions Numerous definitions have been put forward to identify exactly what the term learning styles means. For example, Guild and Garger (1998, p. 23) offer the following definition: «The way we perceive the world governs how we think, make judgments and form values about experiences and people. This unique aspect of our humanness is what we call style». Keefe (1979, p. 4), on the other hand, contends that styles are «characteristic cognitive, affective and psychological behaviours that serve as relatively stable indicators of how learners perceive, interact with and respond to the learning environment». A further definition is offered by Kinsella (1995, p. 171), who states that «learning style refers to an individual ’ s natural, habitual and preferred ways of absorbing, processing and retaining new information and skills which persists regardless of teaching methods of content area». Finally, Dunn and Dunn (1992; 1993) and Dunn et al. (1994, p. 11) define learning styles as «the way each person begins to concentrate on, process, internalize and retain new and difficult academic information». They also point out that «more than three-fifths of learning style is biological; less than one-fifth is developmental». It can be suggested from these definitions that acknowledging these unique characteristics and preferences in learners could lead to helping learners develop successful strategies and encouraging them to discover for themselves what they need in order to be effective learners. Research in the Field As mentioned above, the concept of learning styles is a rather controversial topic among researchers in the field. Thus, Coffield et al. (2004) maintain that learning style theory moves away from learning to learner characteristics, and they continue by saying «we found little good evidence to suggest that teaching influenced by the idea of learning styles has a significant effect on achievement or motivation». In addition, they feel that learning style awareness is only a «cog in the wheel of the learning process» and that «it is not very likely that the self-concept of a student, once he or she has reached a certain age, will drastically develop by learning about his or her personal style» (Coffield et al. 2004, p. 132). 104 Marjorie Rosenberg/ Anja Burkert <?page no="105"?> They go on to warn about the dangers of labelling, stereotyping and discrimination against certain styles (ibid., p. 133) as well as the choice of instruments which can be used to determine style (ibid., p. 119). Stress is also placed on the idea that teachers are expected to change their styles in order to teach different types of learners, a concept which may be impossible to carry out. They do, however, point out that learning styles can provide learners with a much needed lexicon of learning - a language with which to discuss, for instance, their own learning preferences and those of others, how people learn and fail to learn, why they try to learn, how different people see learning, how they plan and monitor it, and how teachers can facilitate or hinder these processes. (ibid., p. 120) On the other side of the argument, Fleming (2012) contends that Coffield et al. wrote extensively about «lack of evidence» but their report did not include a definition of what learning actually is. He maintains that claiming that styles do not exist eliminates the chance of natural debate between learners and teachers to adapt activities or presentation of materials to make them more accessible when necessary. Barbe et al. (1981, p. 378 - 379), early researchers in modalities, i. e., the field of the channels in which perception occurs, contend that «students vary with respect to their modality strengths» and that students with mixed modality strengths have a better chance of succeeding as they can acquire information through a variety of channels. Kinsella (cf. 1995) suggests that students often lack the appropriate skills for learning and that learning styles sessions can be used to train learners in these strategies. In a similar vein, Roche (2006, p. 63) and Cohen and Weaver (2013, p. 7) suggest that «the greater the number of styles students can use, the more successful they will be at learning language». And they add: «You can help students by getting them to think about learning in strategic terms and to expand or stretch their learning approaches». Myths and Misconceptions The most persistent myth about learning styles seems to be that learning styles are a kind of excuse. Finding out about one ’ s strengths and weaknesses does not mean that one is allowed to simply give up because one is not particularly good at something. The goal instead is to create a mindset in which the person is made cognizant of their particular situation and to expand on it and grow. In any discussion with learners about their styles, the option of falling back on a weakness as a reason not to do something is simply not an option. In fact, according to Rosenberg (2011, p. 153) «it is Learning Styles and their Effect on Learning and Teaching 105 <?page no="106"?> important to point out that the responsibility lies with the learner to discover means of adapting to the instruction as much as it is the responsibility of the teacher to help the learner do that». It would also be a misconception to assume that learners cannot stretch out of their styles. Although the style can be seen as a foundation, most learners are able to incorporate methods ascribed to other styles to learn and acquire knowledge. Being aware of the wide range of possibilities in learning can aid a learner to make use of them if necessary to achieve a particular goal or when learning a particular subject. What is more, if the learner is successful with this, motivation may improve resulting in a positive self-fulfilling prophesy. Another mistaken belief is that teachers tend to label or pigeon-hole learners once they know their styles. This is most certainly not the aim of educators working in this field. It is interesting to observe students and to be aware of their styles as it makes it easier to give specific advice regarding individual learning when asked, but it does not mean that a teacher should assume a learner cannot grow or change. Teachers can reassure learners that any strength or strategy which will help them achieve a goal can be adopted, there is no need to only use ones most commonly employed by the style. However, they also need to have the self-confidence to use strategies comfortable for them, even if they have been told in the past that these strategies will not help them to learn. In addition, styles are not right or wrong, there is no value assigned to them. No style is better than another; one may be more suited to learning a particular skill but each of the styles has their strong and weak points. Furthermore, style and competence should not be confused. In a language class, for example, it is certainly possible that two people with very similar learning style profiles are at completely different levels of the language. So many other factors must be considered that simply basing all conclusions about learners on style would be a mistake. For example, it could also be that a learner is enrolled in a study programme which is not the right one for him or her. Discoveries about style could lead to making a change to another field of studies, but it may also simply lead to finding new ways to learn the material more effectively. The Study Personal Observations My interest in the field of learning styles began in the early 1990 s in a course on superlearning techniques where I heard about visual, auditory 106 Marjorie Rosenberg/ Anja Burkert <?page no="107"?> and kinaesthetic learners for the first time. It was as if a door had opened for me and I finally understood why my years of trying to learn French through the audio-lingual method had been so resoundingly unsuccessful. As a visual and kinaesthetic learner, being told not to picture the words in my head was not the right way for me to first be confronted with a language. Just listening to the sounds and finding automatic responses or sitting in a language lab with nothing to look at did not help me at all. Years later, when I learned German, I wrote words down myself, carried a dictionary around to look words up and made use of a number of visual aids. This method was certainly more rewarding for me as a learner and this discovery of what the difference was in the two experiences began my journey into this fascinating area. As a language teacher I became very interested in finding out how I could help my learners to have positive experiences both inside and outside the classroom; discovering and developing different possibilities of doing this soon became a mission. Style Types As there are a large number of learning styles and surveys to determine them used by researchers and practitioners (see, for example, Dunn and Dunn (1999), Kolb (1984), Honey-Mumford (1982), Gregorc (1982)), it was necessary to decide which ones to focus on in this research project. This logical sequence of gathering information led to the choice of three distinct areas to cover, beginning with visual, auditory and kinaesthetic modalities (i. e., sensory channels of perception), global/ analytic thought processes (i. e., cognitive processing) and Mind Organisation (i. e., behaviour based on perception and organization of information). By adding on to the knowledge provided by one style, a more composite picture of a learner can be made. After doing all three surveys, the individuality of each of the learners becomes more apparent, the uniqueness of each learner can be appreciated, and suggestions for strategies can be tailored to the particular learner and situation. For the purpose of this research report, however, we have concentrated on sensory-based perception and cognitive processing as they seemed to have the largest influence on the learning strategies used by students in the study. VAK Learners The standard model of VAK generally includes visual, auditory and kinaesthetic learners. These were researched early on by Walter Barbe and Raymond Swassing, who defined what they called modalities as «any of Learning Styles and their Effect on Learning and Teaching 107 <?page no="108"?> the sensory channels through which an individual receives and retains information». (Barbe/ Swassing 1979, p. 1) However, through observations in tertiary-level teaching, adult education and teacher training for over thirty years, one can say that adults tend to be either kinaesthetic motoric (tactile) learners or kinaesthetic emotional ones. The exact age as to when this split takes place has not yet been researched but it seems to show up in the later years of high school and is certainly apparent by the time learners reach tertiary level education or take on a job. For this reason the checklists used in this research project looked at these two areas separately, and the learners were provided with information and ideas for both types as shown below. Visual learners generally remember best when they can see something or write it down. They normally have to write out words to check the spelling. These learners usually take notes in class and like visual materials and handouts. They mostly have good handwriting and like to use colours and highlighters. It may be necessary for them to draw images of material in order to remember it and they tend to remember classroom activities which made use of pictures or drawings and connect them to grammar or vocabulary. Activities which they especially enjoy include those in which they are asked to notice things about them, use colours, draw or create pictures in their minds, recognise shapes, and describe items or people in writing. Auditory learners, on the other hand, remember what they hear or say. These learners may sub-vocalise while reading or move in rhythm while actively studying. They often do not take notes in class as they prefer to concentrate on the spoken word coming from the teacher. They do, however, enjoy taking part in class discussion and can generally repeat back what they have heard. As they do not enjoy being surrounded by silence, they often study with music in the background. They may need to think aloud and it is very helpful for them when someone explains things to them carefully. Activities which work well for these learners include passing on sentences to each other orally, telling stories or putting them in the correct order through listening, giving oral descriptions, asking questions, and matching beginnings and endings of jokes they read aloud. Kinaesthetic emotional learners need to feel comfortable with others and want to have the feeling of belonging. They especially enjoy working in a group in which they feel comfortable and they also need to know that they can ask someone else for help. These learners often search for personal meaning to attach to material they need to learn. In addition, they like the chance to be creative and use their imaginations and feelings. In class they generally profit from working in groups on projects or 108 Marjorie Rosenberg/ Anja Burkert <?page no="109"?> playing games. Other activities which suit this style include telling each other ’ s horoscopes or fortunes, finding positive adjectives to describe classmates, or telling others how they feel about a particular topic within a safe setting. The kinaesthetic motoric learners need to move about and learn best when they can try things out for themselves. While concentrating, they may play with small objects and learn with through the use of manipulatives and realia which they can touch. They tend to connect learning with real-life experiences. When they are given the opportunity to walk around and mingle to gather information, create the moving parts of a machine in a group, pass on a word by writing on someone ’ s back, or act words for others to guess they have the chance to understand information in a way which makes sense to them. Global/ Analytic Learners As far as cognitive processing is concerned, we can differentiate between the global and the analytic learning style. One of the first researchers to look into these styles was Herman Witkin (cf. 1981) who worked with fighter pilots to discover what influenced their decisions and sense of orientation while piloting planes. He created his theory of field-dependent (global) learners and field-independent (analytic) learners based on this study and went on to develop the Group Embedded Figures Test, still used today to determine cognitive learner styles. Global learners tend to process information holistically and by remembering the entire experience rather than just details. They prefer to try things out rather than reading detailed explanations of how something works. They are also relationship-oriented and may be more emotional than analytic learners. This learning style may also exhibit a high element of extrinsic motivation as they usually attempt to please others. They value feelings over facts and they also tend to be more spontaneous. Activities which appeal to them include group drawing exercise to create a person or picture, writing stories about others in the class, and working together to come up with an idea for a class excursion. Analytic learners, on the other hand, like details and structure. They may prefer to work alone as they prefer not to be distracted. They are normally intrinsically-motivated and may be quite goal-oriented. These learners perceive information in a detailed way and generally remember specifics or rules of what they have learned. For them facts are more important than feelings and they can usually deal with criticism in a more Learning Styles and their Effect on Learning and Teaching 109 <?page no="110"?> rational way than global learners can. Activities they enjoy include finding mistakes in texts or drawings, solving logical puzzles, figuring out a detective story, and creating rules for specific activities. Methods and Procedure of Study At the beginning of the winter semester 2013/ 14, students in three B1level general English classes were informed that they were going to be part of a study on learning styles and learner strategies. The project was explained to them and they were told it would last for a semester. On the first day of class, they were given three learning style surveys (see appendices 1 and 2) and asked to look them over. A discussion ensued regarding unclear vocabulary and the students were asked to fill them out at home. The following week they saw a presentation (see appendix 3) which gave them the information about their styles. The characteristics were discussed and students were able to relate this to their own learning style profiles. For those who had missed the class, they could download a pdf of the presentation which had been uploaded to Moodle. After the second class, students were asked to send the results of the survey to the teacher by email. All in all, 64 students out of 68 responded, 21 males and 43 females. In the third class of the semester the students were given a selfreflection questionnaire (see appendix 4) and asked to fill it out during the semester. It was made clear to the learners that they could write as little or as much as they wanted. As the first part of the questionnaire dealt only with a check-list, students were encouraged to observe themselves outside the classroom and to notice what they did while studying. Each learning style was addressed separately and the self-reflection consisted of eight questions. The first five questions included strategies generally attributed to the style, whereas the last three were strategies these particular learners need to implement in order to stretch out of their styles. The learners, however, were only given the questionnaires but not told about the difference in the strategies (Note: This part of the questionnaire has not yet been exploited for the present study but will provide data for a future study.). The second part of the self-reflective questionnaire consisted of personal notes about activities done in class which students felt helped them personally to learn. They were asked to note down the activity, which particular aspect of learning was covered (grammar, vocabulary, speaking, writing, etc.) and to comment on what about the activity aided their comprehension (see appendix 5). Learners 110 Marjorie Rosenberg/ Anja Burkert <?page no="111"?> were reminded of the self-reflection sheets throughout the semester and as the instructor had a list of the styles, there were possibilities to comment on homework assignments regarding the personal profile of the learner. Motivation on the part of the students was quite high and some three-quarters of the group said this was new information for them. They found it quite interesting to take a meta-position on their own learning abilities and observe for themselves not just what they were learning but also how. At the end of the semester, the students were asked to bring along their self-reflection sheets and were given a final questionnaire to fill out (see appendix 6). It can be suggested that having the self-reflection with them to refer to helped to make the final questionnaire more accurate as they had had an entire semester to observe themselves and their personal learning strategies. Results of Study As this study was carried out at treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik which offers language courses to students of all faculties, the students came from a wide range of fields including natural sciences, social sciences, languages, sports and technical subjects. Several students came out with equal numbers on parts of the surveys. This has been taken into account when analyzing the results. Eleven students had the same number of points in either visual, auditory, kinaesthetic emotional or kinaesthetic motoric categories: 41 % were visual, 9 % auditory, 29 % kinaesthetic emotional and 20 % kinaesthetic motoric. The global/ analytic survey showed only four students were scored the exact same points in both, meaning that from 68 replies in all, 49 % were global and 51 % analytic. This information was gathered at the beginning of the class with the students reporting on their results to the instructor per email. All in all, 54 questionnaires with both open and closed questions were completed. All together 41 (76 %) reported that having knowledge of their own learning style helped them to discover new ideas regarding what they needed to do themselves in order to learn. Eleven students (20 %) said that the knowledge did not help them in any way and two did not answer the question. This question was followed by ranking questions in which students could choose between always, usually, sometimes, seldom and never. In the first question: Do you feel that understanding your style makes you more self-confident as a learner? 8 (15 %) said always, Learning Styles and their Effect on Learning and Teaching 111 <?page no="112"?> 21 (39 %) usually, 23 (42 %) sometimes, and 2 (4 %) seldom, indicating that more than half found that knowing their preferences helped them to feel more confident in their studies. The next question asked if they used any of the tips to study in subjects aside from English. Here 9 (17 %) said always, 22 (41 %) usually, 17 (31 %) sometimes and 6 (11 %) seldom. Again more than half found that the tips discussed in class carried over to the other areas of their studies. The final question asked if they had become more tolerant of others (with different styles) when working in groups and this appeared to be the case with 8 (15 %) responding always, 26 (48 %) with usually, 16 (30 %) with sometimes and 4 (7 %) with seldom. Analysis of Results Visual-global Learners Seven students classified themselves as visual-global. Of the current strategies in use, the most common mentioned were visual such as using colours, highlighters and writing down what they needed to learn (6: 86 %). The only global strategy being used at the moment seemed to be making summaries and brainstorming (2: 29 %). Style stretching strategies included studying aloud and listening to music (3: 43 %) and writing lists and timetables (2: 29 %). New strategies were also mostly visual and global including writing, using graphic organisers, being more relaxed and visualisation (7: 100 %). Interestingly, category of new tips (see question 3) included the use of colours and writing down main points (3: 43 %). Only one student (1: 14 %) mentioned studying out loud as a helpful technique. The changes mentioned in question four included more auditory and analytic approaches such as making plans and speaking aloud and using fewer highlighters (3: 43 %). The feeling of independence (see question 5) was expressed as a lack of guilt if they did not learn in a style which they were not comfortable in (2: 29 %) and of being more motivated because they could learn more easily (1: 14 %). These answers suggested that knowledge of style helped them to be more confident in choosing the way in which they prefer to learn. Visual-analytic Learners This was the largest group of learners with 15 students classifying themselves as belonging to these styles. The majority (13: 86 %) make use of the standard visual strategies of using highlighters and writing down what they need to learn. Analytic strategies mentioned included 112 Marjorie Rosenberg/ Anja Burkert <?page no="113"?> highlighting specific words or information (9: 60 %), and studying in a quiet place (1: 6 %). In addition, auditory strategies such as studying aloud were mentioned by several (5: 33 %). The new strategies included making use of graphic organisers, drawings and colours (9: 60 %). Style stretching was mentioned in making use of more global approaches such as keeping the goal in mind rather than the details and creating overviews (4: 27 %). The helpful strategies and tips mentioned included visual techniques such as writing everything down and practicing visualisation (6: 40 %). What changed for this group included using more auditory techniques (3: 20 %), and the global technique of finding a comfortable place to study (2: 13 %). The other changes included setting goals rather than just concentrating on the details (3: 20 %) and a small group said they hadn ’ t changed anything as they are comfortable in the way they study (3: 20 %). Similar answers came for the question of a feeling of independence as one said they were glad not to feel badly about how they learned (1: 6 %) and one felt more confident and less stressed (1: 6 %). Auditory-global Learners The group of auditory-global learners consisted of four students. Each of them currently studies aloud (4: 100 %) and repeats the information several times but all also use visual strategies and write the material down or use highlighters (4: 100 %). New strategies included the auditory one of recording material (1: 25 %), global strategies of studying with people they like (2: 50 %) and an analytic strategy of becoming more organised (1: 25 %). The tips which were most helpful were global such as creating overviews (2: 50 %) and taking more breaks (1: 25 %). Global changes mentioned were studying where they feel comfortable and giving themselves more time (2: 50 %) whereas analytic changes included concentrating more and working on one thing at a time (2: 50 %). The feeling of independence came through knowing about the possibilities of the style (1: 25 %) and using an analytic approach to prioritising (1: 25 %). Auditory-analytic Learners Two students fell into this category. No current auditory strategies were mentioned but both learn using an analytic approach by splitting materials into smaller units and working alone and setting goals (2: 100 %). New techniques were analytic, making checklists (1: 50 %), and auditory, repeating information aloud (1: 50 %). What changed for these students were instituting, analytic tips: trying to cope with stress Learning Styles and their Effect on Learning and Teaching 113 <?page no="114"?> (1: 50 %) and preparing in advance (1: 50 %). The feeling of independence was expressed as having less stress and more confidence (1: 50 %). Kinaesthetic-motoric Global Learners This was a group of three learners. The current strategies included kinaesthetic-motoric ones such as standing while studying and breaking material up into smaller pieces (2: 66 %) whereas the only new strategies taken on were those for auditory learners (1: 33 %). Useful tips included analytic ones such as learning vocabulary and setting priorities (2: 66 %). Setting priorities and studying when necessary (2: 66 %) was also mentioned as what had changed. The feeling of independence mentioned global characteristics as feeling better about understanding style and knowing everyone has a different style were the points made by these learners (2: 66 %). Kinaesthetic-motoric Analytic Learners This group also consisted of three students. The current strategies mentioned were analytic as they comprised writing down important facts, and reading again and again (2: 66 %). Only one mentioned a more global approach by making summaries (1: 33 %). One new strategy of writing things down was mentioned (1: 33 %), and the most important tips were divided between analytic, working on one thing at a time (1: 33 %), and global, trying to think more globally (1: 33 %). Changes included analytic tips such as having exact information before starting and studying less but more effectively (2: 66 %) and a global one, keeping an overview (1: 33 %). Kinaesthetic-emotional Global Learners This was the second largest group of learners with ten students having classified themselves as falling into these two categories. The current strategies made use of kinaesthetic emotional ones such as working in groups, finding personal connections to the materials, and studying in a comfortable place (5: 50 %) as well as global techniques such as making overviews, flashcards and getting an idea of the whole picture (4: 40 %). Some style stretching techniques were mentioned such as first working alone, repeating things aloud, recording material and making checklists (4: 40 %). The new strategies included kinaesthetic emotional ones such as 114 Marjorie Rosenberg/ Anja Burkert <?page no="115"?> asking for help, working in groups, creating a personal, relaxed learning atmosphere, and connecting materials with emotions (3: 30 %) and global ones such as being flexible rather than perfect and using mind-maps (3: 30 %). A number of useful strategies and tips were mentioned which included some style stretching with visual strategies such as visualisation and using highlighters (2: 20 %), or analytic ones such as making checklists and setting goals (2: 20 %). The other new tips consisted of kinaesthetic global strategies such as creating a personal atmosphere for studying and positive feelings about learning (3: 30 %). One analytic strategy which was mentioned was keeping emotions out of learning (1: 10 %). The changes which took place included kinaesthetic emotional ideas such as finding a fun way to organise a timetable and studying with others (2: 20 %) and global ones such as making more mind-maps (1: 10 %) or analytic ones of checklists and goals (2: 20 %). Regarding the feeling of independence, answers to this question included a kinaesthetic emotional answer of feeling more confident due to the understanding why the student learns in a particular way, a general good feeling about learning and a feeling of confidence (3: 30 %). Kinaesthetic-emotional Analytic Learners Four students fell into this category. Current strategies included kinaesthetic emotional ones of talking with others and studying in a place where they are comfortable (2: 20 %) whereas analytic characteristics were quite prominent in the group as well; writing down important things and key words or facts (3: 75 %). New strategies included auditory ones of listening to TV announcers (1: 25 %) as well as two analytic ones such as sitting still for a long time and making checklists (2: 50 %). Useful tips were analytic, creating a system to study and knowing that reading and writing are important (2: 50 %) whereas the strategies which changed included stretching into auditory techniques of speaking aloud (2: 50 %) and global ones of being more flexible and taking more breaks (2: 50 %). The feeling of independence was also described as being more flexible and creative (1: 25 %). Discussion It can be suggested that learners tend to make use naturally of the strategies that are most comfortable for them, especially in regard to the sensory perception model of visual, auditory and the two types of Learning Styles and their Effect on Learning and Teaching 115 <?page no="116"?> kinaesthetic learners. The majority of students mentioned using strategies which support this hypothesis. It was interesting to note, however, that a number of students also mentioned the strategies ascribed to their styles as useful tips, meaning that they had not been using them previously. Style stretching was present, both in the sensory-based style as well as in cognitive processing of information. These techniques were often mentioned in answer to the question of new strategies or changes they had made after learning about their styles and the characteristics although, in the case of the auditory-global learners, they all mentioned visual techniques in the way they currently learn in addition to the standard auditory techniques. The final question which dealt with the feeling of independence of the learners elicited a number of different responses. Several mentioned feeling better about the methods they currently use, some felt more motivated, some more able to be flexible and creative and others said that their confidence had risen through the understanding of style and the possibilities they felt they now had. Looking at the project as a whole, it can be concluded that awareness for the students led them to think more about what they needed to learn successfully. They were glad to take on new ideas and the large majority made changes in the way they study. The feeling of independence, however, did not come through as strongly has we had originally thought, although the students were extremely open to the project and several mentioned the relief at knowing that what they are currently doing is right for them. For these reasons, continuing to work with students in the above described manner seems to be a valid use of time and it is hoped that the knowledge they have gained will help them to become successful language learners and gain confidence in their abilities to make use of familiar strategies as well as to adapt new ones necessary to achieve their goals. In view of the answers obtained in this small-scale study it seems appropriate to say that using questionnaires to determine learning style preferences and then discussing them with students at the beginning of the semester leads to an awareness which provides students with new ideas which can also be applied in their studies in general. In addition, students aware of their styles appear to feel more self-confident but also more tolerant of others when working together in groups. Implications for Teaching and Learning Before pointing out potential implications for teaching and learning which emanated from the present study, let us briefly look at what 116 Marjorie Rosenberg/ Anja Burkert <?page no="117"?> several writers and researchers into second language acquisition and learning have to say about the benefits of style awareness. As Guild and Garger (1998, p. 19) state, «it is possible to strive for uniform outcomes but to intentionally diversify the means for achieving them». Harmer (1997, p. 85) addresses this issue as well when he states: The moment we realise that a class is composed of individuals (rather than being some kind of unified whole) we have to start thinking about how to respond to those students individually so that while we may frequently teach the group as a whole, we will also, in different ways, pay attention to the different identities we are faced with. This is not to say that we need to constantly change our instruction to make sure that we reach each and every learner all of the time. However, a variety of methods and approaches can provide learners with new possibilities and resources for them to explore, both in and outside the classroom, including those which are new and different for them. In cases where a learner simply has not understood material, explaining it in a different way or presenting it by means of another approach can aid comprehension and help the learner to grasp a concept which earlier made little sense to him or her. In addition, encouraging learners to try out new methods for themselves can encourage them to become more independent and autonomous learners, which is another goal achieved by helping them to discover their styles. Cohen (2010, p. 162) put this as follows: Indeed we learn in different ways and what suits one learner may be inadequate for another. While learning styles seem to be relatively stable, teachers can modify the learning tasks they use in their classes in a way that may bring the best out of particular learners with particular learning style preferences. It is also possible that learners over time can be encouraged to engage in style-stretching so as to incorporate approaches to learning they were resisting in the past. Without doubt, there are a variety of ways in which learning styles can be implemented into the foreign language classroom. One way is to make use of checklists which teachers can go through with their learners such as the ones used in this study. It is important, however, to carefully discuss the results with learners. The characteristics of each type can be presented along with learner strategies and practical ideas on how to stretch out of a particular style. In addition, teachers can fill in the checklists as well in order to become more aware of their own style. As many educators teach in the way they learn best, they may at times overlook particular learners ’ needs. Discovering this information about themselves, therefore, can help Learning Styles and their Effect on Learning and Teaching 117 <?page no="118"?> a teacher to expand his or her repertoire in order to reach as many learners as possible and find both joy and satisfaction in doing so. This has also led to the idea of having teachers at treffpunkt sprachen complete the questionnaires in the upcoming semester in order to compare their style preferences with those of their learners. Such an undertaking might provide some useful insights into the implications of matching or mismatching styles in language instruction. Finally, this study seems to have confirmed the idea that using a mix of methods is a very good way to reach most students in the classroom. It also appears to have shown that raising students ’ awareness of their personal learning styles and discussing learning strategies is beneficial for successful language study. Bibliography Barbe, Walter B./ Swassing, Raymond H. (1979): Teaching through modality strengths: Concepts and practices. Columbus: Zaner-Bloser Inc. Coffield, Frank et al. (2004): Learning Styles and pedagogy in post-16 learning. A systematic and critical review. London: Learning and Skills Research Centre. Cohen, Andrew D./ Weaver, Susan J. 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Visual learners: ● need to see things written down ● write out words to check spelling ● usually take notes in class ● like visual materials and handouts ● generally have good handwriting ● like to use colours and highlighters ● may draw ideas to remember them Auditory learners: ● need to listen or speak to remember ● may sub-vocalise or move in rhythm while learning ● do not usually take notes ● like class discussions ● often listen to music while learning ● can repeat back what they have heard Kinaesthetic emotional learners: ● feel comfortable in a group in which they like the people ● need to connect learning with positive feelings ● often personalise their learning materials ● may need to find their own reasons for learning ● like the freedom to be creative ● need to be able to ask for help Kinaesthetic motoric learners: ● like to move about ● may play with small objects ● need to try things out for themselves ● learn by doing and real-life experiences ● learn well with manipulatives and things they can touch Global learners: ● remember the entire experience rather than the details ● prefer to try things out rather than read detailed explanations ● perceive information holistically 122 Marjorie Rosenberg/ Anja Burkert <?page no="123"?> ● are relationship-oriented in groups ● like to please others ● value feelings over facts ● tend to be spontaneous Analytic learners: ● perceive information in detailed way ● remember specifics ● may prefer to work alone ● are generally self-motivated ● are task-oriented ● value facts over feelings ● can usually take criticism more rationally Learning Styles and their Effect on Learning and Teaching 123 <?page no="124"?> Appendix 4 Self-reflection questionnaire filled out during the semester Self-reflection on learning styles and learner strategies WS 2013/ 14 My learning style: (Please write in the number of points you had in each category.) VAK Visual Auditory Kinaesthetic Emotional Kinaesthetic Motoric Global-Analytic Global Analytic VAK Learner Strategies Visual learners When studying how often do you . . . always usually sometimes seldom never write down important things? use colours and highlighters? draw pictures or images? use graphic organisers (charts, mindmaps, etc.)? visualise what you need to do? rearrange material in a new order? find a way to practice pronunciation? work on listening actively? Is there anything else you do? 124 Marjorie Rosenberg/ Anja Burkert <?page no="125"?> Auditory learners When studying how often do you . . . always usually sometimes seldom never study out loud? practice for tests with an imaginary person? participate orally in class? record material you need to learn? repeat information aloud to yourself? write material down and learn it again? try to take notes in classes and lectures? practice visualising? Is there anything else you do? Kinaesthetic emotional learners When studying how often do you . . . always usually sometimes seldom never make personal connections to the material? discover personal reasons for learning? study in a place where you feel comfortable? create positive feelings about learning? study with people you like to be with? find a way to keep emotions away from learning? learn to use facts more than feelings? try to work with all types of people? Is there anything else you do? Learning Styles and their Effect on Learning and Teaching 125 <?page no="126"?> Kinaesthetic motoric learners When studying how often do you . . . always usually sometimes seldom never try information out for yourself? take frequent breaks? walk about the room or outside? hold small objects? make flashcards to learn with? practice writing clearly? learn to sit still for a long time? write down what you learned while moving about? Is there anything else you do? Global/ Analytic Learner Strategies Global learners When studying how often do you . . . always usually sometimes seldom never create an overview for yourself? find ways to use your creativity and imagination? create your own system of learning? use the whole picture to decide on the details? ask for help if you need it? practice prioritising tasks? find ways to motivate yourself? learn organisational techniques to keep from being overwhelmed? Is there anything else you do? 126 Marjorie Rosenberg/ Anja Burkert <?page no="127"?> Analytic learners When studying how often do you . . . always usually sometimes seldom never put the details together to make a big picture? work alone? set goals and record your progress? work on one thing at a time? make sure you know what is expected of you? practice finding and accepting alternative ideas? try to be flexible rather than perfect? keep the goal in mind rather than all the details? Is there anything else you do? Learning Styles and their Effect on Learning and Teaching 127 <?page no="128"?> Appendix 5 Activities in class Use this space to make notes about activities in class which you felt helped you to learn a new concept, grammar, vocabulary, etc. The activity What was practiced Why you think it helped you learn? 128 Marjorie Rosenberg/ Anja Burkert <?page no="129"?> Appendix 6 Final questionnaire Learning styles questionnaire WS 2013/ 14 Your learning style: (Please write in the number of points you had in each category.) VAK Visual Auditory Kinaesthetic Emotional Kinaesthetic Motoric Global-Analytic Global Analytic Mind Organisation Power Planner Expert Investigator Flexible Friend Radical Reformer Please answer the question below with yes or no Question yes no 1 Did the knowledge of your style help you to discover any new ideas about what you need to do in order to learn? Please answer these questions by ticking always, usually, sometimes, seldom and never Questions always usually sometimes seldom never 1 Do you feel that understanding your style makes you more selfconfident as a learner? 2 Do you use any of the tips to study in your other subjects? Learning Styles and their Effect on Learning and Teaching 129 <?page no="130"?> Questions always usually sometimes seldom never 3 Did you find that you were more tolerant of others when working in groups? Please write out answers to these questions 1 Which strategies do you usually use when learning? 2 Which new strategies did you try out after discovering your learning style? 3 Which strategies or tips were the most helpful? 4 If you changed anything about the way you study, what was it? 5 If there was an effect on your feeling of independence when learning, what was it? 130 Marjorie Rosenberg/ Anja Burkert <?page no="131"?> Angela Seidl Vielfalt in der Sprachenlehre - Chancen und Herausforderungen Abstract Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit dem Forschungsprojekt Vielfalt in der Sprachenlehre - Chancen und Herausforderungen. Ausgehend von den Rahmenbedingungen am treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik werden Forschungshintergrund, -ziele und -design erläutert, auf denen pädagogische Implikationen, die zur qualitativen Optimierung des Unterrichtsgeschehens beitragen sollen, basieren. Weiters werden aussagekräftige heterogenitätsbezogene Aspekte, die mittels Fragebogen erhoben wurden, aus lernenden- und lehrendenzentrierter Sicht analysiert. Daraus ergeben sich Impulse für die Sprachenlehre, die als Anregung für den eigenen Unterricht dienen sollen und in einem abschließenden Punkt überblicksmäßig dargestellt werden. Forschungshintergrund des Projekts Zielgruppe universitärer Sprachenzentren wie treffpunkt sprachen sind vorwiegend Studierende aus verschiedensten Studienrichtungen, die neben ihrem Studium eine oder mehrere Fremdsprachen erlernen oder vertiefen möchten. Mittels sehr detaillierter Kursbeschreibungen auf der Homepage sowie schriftlichen und mündlichen Einstufungen im Bereich Deutsch als Fremdsprache (in Planung auch in Englisch, Italienisch, Spanisch und Französisch) wird versucht, der äußeren Differenzierung bestmöglich Rechnung zu tragen. Dennoch sind heterogene Lernendengruppen omnipräsent: Studierende bringen äußerst heterogenes Wissen in die Lehrveranstaltungen ein und differieren überwiegend in Bezug auf schulische Vorkenntnisse, Lernerfahrungen, Motivation und Lehrbzw. Lernstile (vgl. Graßmann 2009, S. 143). Diese «Verschiedenheit der Köpfe» (Tillmann 2007, S. 1) stellt Lehrende vor große didaktische, methodische und gruppendynamische Herausforderungen: «Lernen im Gleichschritt ist schließlich eine pädagogische Illusion» (Siebert 2008, S. 31). LektorInnen am treffpunkt sprachen beschäftigen sich mit der Heterogenitätsthematik nicht nur in den Lehrveranstaltungen, sondern auch im Rahmen von Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, die regelmäßig am treffpunkt <?page no="132"?> sprachen angeboten werden (vgl. treffpunkt sprachen 2014). Individuelle Coachings, Kollegiale Hospitationen und Arbeitsgemeinschaften tragen zusätzlich zur Optimierung des Unterrichtsgeschehens bei. Da ein wesentliches Merkmal des treffpunkt sprachen der beiderseitige Austausch von Lehre und Forschung ist (vgl. Unger-Ullmann 2013), wird im Projekt Vielfalt in der Sprachenlehre - Chancen und Herausforderungen eine forschende Analyse der Heterogenitätsthematik durchgeführt. Forschungsziele des Projekts Im Rahmen des Aktionsforschungsprojekts wurde sowohl die Sichtweise der Lernenden als auch jene der Lehrenden im Hinblick auf heterogenitätsbezogene Aspekte untersucht. Eines der lernendenzentrierten Ziele war, Aufschluss über die Auswahl der Kursstufe und die persönliche Adäquatheit des Kurses zu bekommen. Die studentische Wahrnehmung von Unterbzw. Überforderung sollte in Erfahrung gebracht werden, da diese einen Anhaltspunkt für die gegenwärtige Binnendifferenzierung und die persönliche Leistungseinschätzung der Studierenden bietet. Außerdem wollte man Kenntnis darüber erhalten, welche Methoden, Sozialformen und Differenzierungsmaßnahmen zum gegenwärtigen Zeitpunkt am treffpunkt sprachen angewandt werden, um die didaktisch-methodische Unterrichtsqualität gezielt weiterzuentwickeln. Ein weiteres Forschungsziel sind Einblicke in die Einschätzung von Kursteilnehmenden, ob diese ihres Erachtens vom/ von der Lehrenden in richtigem Maße gefordert bzw. gefördert werden. Weiters sollte in Erfahrung gebracht werden, welche Formen der Heterogenität die Lehrenden vor besonders große Herausforderungen stellt, um Impulse zu liefern, die das Unterrichten in heterogenen Lernendengruppen erleichtern (siehe Impulse für die Sprachenlehre in diesem Beitrag). Die lehrendenzentrierte Frage Was könnte mir helfen, meinen Unterricht noch besser auf heterogene Lernendengruppen auszurichten? erfasst ebenfalls den Bedarf an weiterführenden Angeboten, die zur qualitativen Optimierung des Unterrichtsgeschehens am treffpunkt sprachen beitragen sollen. Letztlich werden didaktische Umsetzungsbeispiele für die Sprachenlehre, basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen, in Form eines Blogs und eines Workshops angeboten. Pädagogische Implikationen Der folgende theoretische Rahmen soll einerseits zur qualitativen Optimierung des Unterrichtsgeschehens am treffpunkt sprachen beitragen, 132 Angela Seidl <?page no="133"?> andererseits bei Lehrenden den Bewusstmachungsprozess bewirken, dass innere Differenzierung nicht unweigerlich mit enormem Arbeitsaufwand in Verbindung steht. Es sind vielmehr konzeptionelle Überlegungen, die das Unterrichten heterogener Lernendengruppen als gern gesehene Herausforderung willkommen heißen und Lehrende mit folgenden Impulsen unterstützen: Öffnung des Unterrichts Mit zunehmender Öffnung des Unterrichts erhöhen sich die Möglichkeiten des individuellen Förderns. Damit ist keine konkrete Lehr- oder Lernform im engeren Sinn gemeint, sondern vielmehr die Hinwendung zu den Studierenden (vgl. Hallet 2006, S. 59) als wesentliches Ziel des Bologna-Prozesses. Basierend auf den Theorien des Konstruktivismus stellt der Shift from Teaching to Learning nicht das Lehren in den Mittelpunkt, sondern den aktiven Lernprozess des/ der selbstgesteuerten Lernenden. (vgl. Paetz et al. 2011, S. 28). Konkret handelt es sich um eine Ausgewogenheit zwischen frontalen, lehrendenzentrierten Phasen, die besonders gut zur Erschließung von neuen Wissensgebieten oder sachlichen Zusammenhängen geeignet sind sowie zur Darstellung von Problemen und Fragestellungen aus der Sicht der Lehrperson, und dezentralen Vertiefungs- und Bearbeitungsphasen, in denen individuellen Anforderungen Rechnung getragen werden kann (vgl. Von der Groeben 2011, S. 64). In Unterrichtsformen, die Freiraum schaffen, wie z. B. Gruppenarbeiten, Stationenlernen oder Projektarbeit, kann die Heterogenität und Eigendynamik der Gruppe positiv genutzt werden, indem die Perspektivenvielfalt erhöht und das Helferprinzip angewandt wird. Weiters hat der/ die Lehrende die Möglichkeit, individuell auf Lernende/ Kleingruppen einzugehen, um diese gezielt zu fördern bzw. zu fordern. Arbeitsaufträge sollen das eigenständige, individuelle Produzieren und das somit verbundene Zulassen mehrerer Lösungswege ermöglichen. Das selbstentdeckende Lernen und die Auswahl verschiedenster Lernwege, die allesamt zum Ziel führen, leisten ebenso einen wesentlichen Beitrag zur bestmöglichen Erreichung aller Lernenden (vgl. Salner-Gridling 2009, S. 68). Das Bereitstellen dieses komplexen Unterrichtsarrangements erfordert von den Lehrenden sehr große Methodenkompetenz. Meyer (2013, S. 80) hält fest, dass es keine «optimalen Unterrichtsmethoden» gibt, dennoch «besteht nicht der geringste Anlass, vor einem Zuviel an Methodenvielfalt zu warnen». Vielfalt in der Sprachenlehre - Chancen und Herausforderungen 133 <?page no="134"?> Sich den Druck nehmen Siebert (2008, S. 7) geht davon aus, dass «Lernen eine selbständige, biographie- und erfahrungsbasierte Tätigkeit (ist), die durch Lehre unterstützt, aber nicht gesteuert werden kann». Demnach müssen die Eigenverantwortung der Lernenden gefördert und Lernprozesse bewusst aus dem Unterricht ausgelagert werden. Die Lehrperson hat die Aufgabe, autonomes Lernen insofern zu ermöglichen, als sie Denkprozesse im Unterricht aktiviert und Lernende mit authentischen Fragestellungen motiviert, sich eigenständig mit Themenbereichen auseinanderzusetzen - sie delegiert die Funktion des Didaktikers/ der Didaktikerin zumindest teilweise an die Lernenden. Dies ermöglicht nicht nur individuelle Lernprozesse, sondern erteilt Lernenden mehr Mitbestimmung in Bezug auf ihr eigenes Lernen und nimmt Unterrichtenden den Druck, hauptsächlich für die Lernerfolge der Gruppe verantwortlich zu sein. Die Vielzahl an Medien, die zwischenzeitlich für jede/ n zugänglich sind, erleichtert das autonome Lernen zusätzlich. Voraussetzung für effektives, selbstgesteuertes Lernen ist die Fähigkeit zur Reflexion: das Erkennen eigener Stärken und Schwächen und die selbstkritische und angemessene Reaktion darauf. Forschendes Lernen Eine weitere pädagogische Implikation, die Individualisierung ermöglicht, ist jene des forschenden Lernens. Bei konkreten, anwendungsorientierten Forschungsansätzen sind Individuen keine passiven KonsumentInnen von Wissen, sondern gestalten ihren Lernprozess nach eigenen Interessen und Fragestellungen. Diese Praxisorientierung motiviert Lernende und stellt wiederum das eigene Tun in den Mittelpunkt des Lernens (vgl. Hofer 2014, S. 45 ff.). Lernatmosphäre Die Gruppe an sich kann ebenso eine wertvolle Ressource sein, in der sich LernerInnen gegenseitig unterstützen. Erfolgreiche Schulsysteme zeigen, dass heterogene Lernendengruppen sowohl zum Erfolg von leistungsstarken als auch leistungsschwächeren LernerInnen beitragen, sofern die Interaktion in der Gruppe für ein gemeinsames Erlebnis und als stärkender Prozess genutzt wird. Wenn die Lernatmosphäre positiv wahrgenommen wird und sich alle Gruppenmitglieder akzeptiert fühlen, sind Lernende eher bereit, Dinge zu tun, die mit Stress und Zeitdruck einhergehen. Demzufolge sind Lehrende gefordert, für ein angenehmes Klima zu sorgen und Sozialformen bewusst einzusetzen, um die erwünschte Kommunikation zu ermöglichen. 134 Angela Seidl <?page no="135"?> Herstellen von persönlich bedeutenden Kontexten Jede Biographie ist zugleich auch eine Lernbiographie, in der neues mit bereits vorhandenem Wissen verglichen und aufgrund von Vorerfahrungen selektiert und uminterpretiert wird. Dieses sogenannte Anschlusslernen bringt in der Erwachsenenbildung und an der Hochschule den Vorteil, dass Lehrende das Vorwissen bewusst aktivieren können, birgt aber auch den Nachteil in sich, dass Erfahrungen neue Lerninhalte blockieren und ein Zuviel an Neuem sogar zu Verwirrungen führen kann (vgl. Siebert 2012, S. 26). Die Kenntnis, dass das Herstellen verschiedenster Kontexte für die persönliche Bedeutsamkeit der Individuen einen wichtigen Beitrag zum Lernerfolg leisten kann, ist demzufolge für Lehrende von großer Bedeutung. Lerntypengerechtes Lehren Ebenso soll die Präsentation der Lehr- und Lerninhalte nicht nur in Bezug auf die Methoden und Sozialformen vielfältig sein, sondern auch die Lerntypenorientierung beachten und mehrere Sinne ansprechen. In Anlehnung an die Sinnesorgane, die beim Lernen eine wesentliche Rolle einnehmen, ergeben sich vier Lerntypen (auditiv, visuell, kommunikativ, motorisch), die im Unterricht dementsprechend berücksichtigt werden müssen (vgl. Rosenberg 2011, S. 151 f.). Hilfreich ist es, den Lernstoff auf möglichst unterschiedliche Weise zu präsentieren, um die jeweiligen Eingangskanäle zu aktivieren und somit auf die unterschiedlichen Arten des Lernens bewusst einzugehen. Weiters werden Lernende durch die zielorientierte spezifische Anwendung von Methoden in ihrem Lernprozess unterstützt (vgl. Sorrentino et al. 2009, S. 32). Analyse lernenden- und lehrendenzentrierter Fragestellungen Das Aktionsforschungsprojekt Vielfalt in der Sprachenlehre - Chancen und Herausforderungen startete im Sommersemester 2012. Nach der konkreten Konzeptionierung wurde jeweils ein Fragebogen für Studierende (siehe Anhang 1) und für Lehrende (siehe Anhang 2) entwickelt. Diese enthielten sowohl offene als auch geschlossene Fragen. Mithilfe einer schriftlichen Erhebung konnten im Sommersemester 2013 die Wahrnehmungen und Beobachtungen von 189 Studierenden und 32 Lehrenden des treffpunkt sprachen erfasst werden. Die Ergebnisse fanden in weiterer Folge in Form von Kreisdiagrammen ihre graphische Darstellung. Zusätzlich wurden in fünf Lehrveranstaltungen der Grund- und Mittelstufe (nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen) Hos- Vielfalt in der Sprachenlehre - Chancen und Herausforderungen 135 <?page no="136"?> pitationen durchgeführt. Das Hauptaugenmerk richtete sich auf Differenzierungsmaßnahmen des/ der Lehrenden. Diese direkten Beobachtungen des Unterrichtsgeschehens bildeten die Grundlage für Interviews, die im Anschluss an die Hospitationen geführt wurden. Ausgehend von den Erkenntnissen aus Fragebögen für Studierende und Lehrende, Hospitationen und Interviews wurden in einem letzten Schritt Anregungen für eine differenziertere Gestaltung von Lernwegen entwickelt. Welches Kriterium war für die Auswahl der Kursstufe ausschlaggebend? 43,8% 4,6% 4,6% 3,9% 25,2% 0,4% 12,5% Vorhergehendes Niveau im vorigen Semester bei anderem Sprachkursanbieter besucht Einstufungstest im Internet Selbsteinschätzung Maturaniveau als Anhaltspunkt Einschätzung von Bekannten, FreundInnen, … Weitere Vorhergehendes Niveau im vorigen Semester bei tre besucht Abb. 1: Kriterium für die Auswahl der Kursstufe Da sich der Großteil der Studierenden selbst für ein bestimmtes Kursniveau entscheiden muss, befasst sich eine der Fragen mit dem Kriterium für die Auswahl der Kursstufe. Sehr interessant ist die Rückmeldung, dass rund 44 % der TeilnehmerInnen bereits einen weiterführenden Kurs bei treffpunkt sprachen besuchen. Als weitere Kriterien für die Einstufung werden überwiegend Einstufungstests in Deutsch als Fremdsprache und in Vorbereitenden Sprachkursen für Studierende der Romanistik, Slawistik und des Instituts für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaft genannt. 136 Angela Seidl <?page no="137"?> Verwendet der/ die Lehrende Ihres Kurses differenzierte Lesetexte? 30% 48% 11% 11% sehr häufig häufig selten nie Abb. 2: Verwendung differenzierter Lesetexte Die Rückmeldungen der Kursteilnehmenden zeigen klar, dass der Großteil der Lehrenden auf die Heterogenitätsthematik innerhalb des Kurses eingeht und konkrete Differenzierungsmaßnahmen setzt. Da sich die Studierenden dieser Maßnahmen bewusst sind, können das reflektierende Moment und die Transparenz in Bezug auf die verwendeten Materialien als bestehende Unterrichtsmerkmale aufgefasst werden. Welche Methoden werden in Ihrem Sprachkurs angewandt? 57% 39% 4% 0% Gruppen bzw. Partnerarbeit sehr häufig häufig selten gar nicht Abb. 3: Anwendung von Methoden Vielfalt in der Sprachenlehre - Chancen und Herausforderungen 137 <?page no="138"?> Im kommunikativ- und handlungsorientierten Unterricht am treffpunkt sprachen sind Gruppen- und Partnerarbeit omnipräsent. Diese Form des Lernens ermöglicht eine Vielzahl an Differenzierungsmaßnahmen und die Lehrperson kann ihrer Rolle als Coach gerecht werden (vgl. Gautschi 2002, S. 30 f.). Haben Sie den Eindruck, dass Sie durch Differenzierungsmaßnahmen des/ der Lehrenden Ihres Kurses im richtigen Maß gefördert/ gefordert werden? 39% 45% 10% 6% ja eher ja eher nein nein Abb. 4: Förderung der Lernenden durch Differenzierungsmaßnahmen Die Rückmeldung der Teilnehmenden in Bezug auf Differenzierungsmaßnahmen der Lehrperson gibt Aufschluss darüber, dass 84 % der Befragten den Eindruck haben, in angemessenem Maße gefördert/ gefordert zu werden. Dieser Prozentsatz ist als zufriedenstellend zu interpretieren, lässt aber dennoch Handlungsspielraum, um in Zukunft intensiver auf Teilnehmende einzugehen und diese differenzierter in ihrem Sprachlernprozess zu unterstützen. 138 Angela Seidl <?page no="139"?> Welche Formen der Heterogenität sind in Sprachlehrveranstaltungen bei treffpunkt sprachen deutlich erkennbar und stellen uns Lehrende vor besonders große Herausforderungen? (Mehrfachnennungen möglich) Sprachkenntnisse in der Fremdsprache 20% Kognitive Vorerfahrungen im Allgemeinen 10% Arbeits und Lerntempo 14% Motivation bzw. erbrachter Zeitaufwand, die Sprache zu lernen 20% Persönlichkeit 2% Kultureller Hintergrund 8% Persönliches Interesse 8% Lerntypen 5% Geschlecht 1% Alter 1% Ausgangssprache / Muttersprache 7% Unterschiedliche Lernkulturen 4% Abb. 5: Formen der Heterogenität Diese Darstellung zeigt nicht nur, wie individuell Studierende in Bezug auf ihr Lernverhalten sein können, sondern sensibilisiert Lehrende dahingehend, auf diverse Aspekte zu reagieren. In weiterer Folge lassen sich einige Impulse für die differenziertere Gestaltung von Lernwegen ableiten (vgl. Impulse für die Sprachenlehre in diesem Beitrag). Vielfalt in der Sprachenlehre - Chancen und Herausforderungen 139 <?page no="140"?> Differenziere ich in meinem Unterricht bei der Art der Aufgabenstellungen? 39% 52% 9% 0% sehr häufig häufig selten nie Abb. 6: Differenzierung der Aufgabenstellungen Die Rückmeldung, dass 91 % der Lehrenden die Aufgabenstellung (sehr) häufig hinsichtlich der Bedürfnisse von TeilnehmerInnen adaptieren, gibt Aufschluss darüber, dass sich Lehrende am treffpunkt sprachen bewusst mit der Heterogenitätsthematik auseinandersetzen und in ihren Lehrveranstaltungen darauf reagieren. Differenziere ich in meinem Unterricht nach Interessen des/ der Lernenden? 14% 48% 38% 0% sehr häufig häufig selten nie Abb. 7: Differenzierung nach Interessen der Lernenden 140 Angela Seidl <?page no="141"?> Obwohl persönlich bedeutsame Kontexte wesentlich zum erfolgreichen Lernen beitragen, differenzieren 38 % der Lehrenden am treffpunkt sprachen nur selten nach den Interessen der Teilnehmenden. Das Projekt Vorevaluation zielt u. a. auf die optimale Abstimmung der Kursinhalte auf die Lernenden ab und kann Lehrende dahingehend unterstützen, gezielter auf die Interessensgebiete der Lernenden einzugehen (vgl. Waldhaus 2014). Ist es möglich, alle LernerInnen eines Kurses optimal zu fördern/ fordern? 14% 43% 29% 14% trifft voll zu trifft eher zu trifft weniger zu trifft nicht zu Abb. 8: Optimale Förderung der Lernenden 14 % der Lehrenden vertreten die Meinung, alle Studierenden eines Kurses bestmöglich fördern bzw. fordern zu können, während 72 % davon ausgehen, dass das optimale Erreichen aller Lernenden nur bedingt möglich ist. 14 % der befragten LektorInnen sind der Annahme, dass es nicht möglich ist, jedem/ jeder Kursteilnehmenden die benötigte individuelle Unterstützung bzw. Förderung entgegenbringen zu können. Basierend auf den Ergebnissen der lehrendenzentrierten Datenerhebungen werden im folgenden Kapitel Umsetzungsbeispiele vorgestellt, die als Anregung für den eigenen Unterrichtsalltag dienen sollen. Vielfalt in der Sprachenlehre - Chancen und Herausforderungen 141 <?page no="142"?> Impulse für die Sprachenlehre Anschließendes Sprachenlernen Die divergierenden kognitiven Vorerfahrungen der KursteilnehmerInnen (vgl. Abb. 5) können für Lehrende eine große Herausforderung darstellen. Es ist bekannt, dass Lernen im Erwachsenenalter fast ausschließlich Anschlusslernen ist: Studierende lernen kaum etwas völlig Neues, sondern erweitern, differenzieren und korrigieren vorhandene Wissensbestände. Da Neues immer anschlussfähig sein soll, ist es sinnvoll, bereits erworbenes Wissen zu aktivieren und daran anzuknüpfen (vgl. Siebert 2012, S. 301). Mit einführenden Aktivitäten, wie Brainstormings, Impulsen in Form von Bildern, Videos, Texten u. dgl., Mind-Maps, kurzen Diskussionen, etc., können sich alle Kursteilnehmenden auf ein Thema einstimmen und an Vorerfahrungen anknüpfen. Jenen Lernenden, die sich bis dato weniger intensiv mit einem konkreten Inhalt auseinandergesetzt haben, wird die Möglichkeit geboten, sich während der Vorentlastungsphase damit zu beschäftigen und Meinungen zu bilden. Motivationsförderndes Sprachenlernen «Die Motivation zur Teilnahme an Bildungsveranstaltungen ist ein Geflecht aus intrinsischen und extrinsischen Faktoren, aus thematischen und sozialen Anreizen, aus kognitiven und emotionalen Komponenten.» (Siebert 2008, S. 187) Wenn auch laut Rückmeldung der Lehrenden am treffpunkt sprachen die (intrinsische) Motivation der Studierenden in den Lehrveranstaltungen beträchtlich divergiert (vgl. 20 % in Abb. 5), kann diese mit folgenden motivationsfördernden Maßnahmen aktiviert bzw. unterstützt werden: ● Lernerfolge sichtbar machen (Metakognitives Lernen: Bewusstmachen von persönlichen Lernprozessen, Umgang mit/ und Reflexion über eigene Wissensressourcen), ● Anerkennung und Verstärkung von Lernfortschritten (gezieltes positives Feedback, Lernfortschritte bewusst thematisieren), ● Authentische, anschlussfähige Themenbereiche behandeln (praxisrelevante, persönlich bedeutsame Themen, die nicht zur Gänze neu sind), ● Aufzeigen von Zusammenhängen und Verknüpfungen (Querverbindungen zu anderen Themenbereichen schaffen, Herstellen verschiedener Kontexte), ● Übersichten, Schemata und Visualisierungen darbieten, 142 Angela Seidl <?page no="143"?> ● Angenehme Lernatmosphäre ermöglichen (akzeptierendes, unterstützendes Gruppenklima, Gruppendynamik berücksichtigen, Humor, positive Gefühle unterstützen den Lernerfolg maßgeblich), ● Vielfältigen Input anbieten (abwechslungsreicher/ sinnvoller Einsatz verschiedenster Methoden, unterschiedliche Sozialformen, mehrere Sinne - Lerntypen - ansprechen). Reflektierendes Sprachenlernen Lehrende merken an, dass die Sprachkenntnisse in der Fremdsprache von besonderer Heterogenität geprägt sind (vgl. Abb. 5) und diese vor große Herausforderungen stellt. Das Reflektieren der Studierenden über die persönlichen fremdsprachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse ist eine wesentliche Kompetenz, die nicht nur Lernende zu besseren Erfolgen führt, sondern auch Lehrende deutlich unterstützt. Studierende, die über ihre Stärken und Schwächen Bescheid wissen, können Defizite leichter überwinden und Lernziele effektiver verfolgen. Folgende praktische Umsetzungsmöglichkeiten fördern das Bewusstmachen von individuellen Lernprozessen: ● Beispiele aus Sprachlehrbüchern: Die wichtigsten Wörter dieser Lektion sind für mich . . ., Die drei Wörter, die ich für schwierig halte, aber lernen möchte, sind für mich . . ., Grammatische Strukturen, die ich wiederholen sollte, sind . . ., Was mir an dieser Lektion gut gefallen hat . . ., Außerdem . . ., etc. (vgl. Carrara 2007), Ich kann jetzt (mit Lückentexten und dem Ampelsystem, grün = kann ich sehr gut, gelb = geht so, rot = muss ich noch lernen) Zufriedenheit/ Unzufriedenheit ausdrücken (vgl. Breitsameter et al. 2013), ● Was habe ich heute gelernt? , Wie habe ich es gelernt und warum habe ich es auf diese Art und Weise gelernt? , Das hat mir gut/ schlecht gefallen . . ., Was könnte man anders machen? , etc., ● Individuelles Lerntagebuch: subjektives Arbeiten an einem Thema, indem persönliche Gedanken, Eselsbrücken, Assoziationen, Erlebnisse u. v. m. notiert werden. Das Lerntagebuch ist vertraulich und dient der Reflexion, Auseinandersetzung und Dokumentation von Lernerfolgen und Lernzielen, ● Sprachenportfolio: Sammlung von studentischen Arbeiten, welche die eigenen Leistungen bzw. den Wissenszuwachs sichtbar macht. Die Dokumente werden von den Kursteilnehmenden in Hinsicht auf deren Aussagegehalt ausgewählt und sollen den Lernprozess im Laufe der Zeit (mindestens ein Semester) widerspiegeln. Vielfalt in der Sprachenlehre - Chancen und Herausforderungen 143 <?page no="144"?> Strukturiertes Sprachenlernen Strukturiertes Sprachenlernen kommt im Besonderen Studierenden mit verbesserungswürdigem Arbeits- und Lerntempo zugute. Gutes Unterrichtsmanagement beinhaltet u. a. Rituale, Regelklarheit, klare Aufgabenstellungen und Konsequenz und führt zu höherer Aufmerksamkeit sowie zur Reduzierung und Prävention von Störungen (vgl. Meyer 2013). Rituale, wie beispielsweise eine kurze Wiederholung oder aktivierende Tätigkeit zu Beginn bzw. eine Reflexion oder vorausblickende Aktivität am Ende der Unterrichtseinheit, schaffen Ruhe, Ordnung und Verlässlichkeit und unterstützen Lehrende dahingehend, einen dramaturgisch gegliederten Unterrichtsablauf herzustellen. Didaktische Überlegungen hinsichtlich Ziele, Inhalte und Methoden sollten transparent gemacht werden, da sich Studierende besser auf den Unterricht einlassen können, wenn die Handlungen des/ der Lehrenden klar nachvollziehbar sind. Kurze Erklärungen, die das Warum beschreiben, schaffen Klarheit. Kompetenzbereich Hören Eine zeitsparende und effektive Möglichkeit, einen komplexen fremdsprachlichen Hörtext auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen und Komplexitätsgraden zu erfassen, ist jene der arbeitsteiligen Erarbeitung. Dafür werden die Studierenden bewusst gruppiert und erhalten einen Raster mit W-Fragen, der folgendermaßen aussehen könnte: Who? What? Where? Why? When? Innerhalb der Gruppe bekommen Lernende den Auftrag, sich auf jene von der Lehrperson vorgegebene Frage/ n zu konzentrieren. Diese sind - abhängig vom Text - unterschiedlich anspruchsvoll. Studierende machen sich Notizen zu ihrer Frage, wodurch sowohl Überforderungen als auch Unterforderungen vermieden werden: Leistungsfähigere Lernende können durchaus mit mehreren Fragestellungen beauftragt werden. Die Ergebnisse werden anschließend innerhalb der Gruppe gesammelt und rekonstruiert. Weiterführend werden die Ergebnisse nach einer kurzen Gruppendiskussion im Plenum besprochen oder eine Selbstkontrolle in Form von Tafelbildern, Plakaten oder Arbeitsblättern durchgeführt. Jede/ r Einzelne trägt zum Entstehen des Gesamtergebnisses bei: Dies wirkt motivierend und die Studierenden werden in ihrem Lernprozess bestärkt (vgl. Vogel 2002, S. 77 ff.). Eine weitere Möglichkeit, Lernende beim Verständnis eines Hörtextes differenziert zu unterstützen, ist, verschiedene Hilfestellungen anzubieten: Studierende werden diesmal in möglichst homogene Gruppen 144 Angela Seidl <?page no="145"?> geteilt. Auf dieser Tischgruppe befinden sich Kärtchen mit einzelnen Wörtern, Phrasen, ganzen Sätzen oder mehrzeiligen Sequenzen, die aus dem Hörtext stammen und als Orientierungshilfe dienen sollen. Anfangs können Wörter vorentlastet werden (gruppenintern mit Hilfestellung der Lehrperson oder lehrendengesteuert im Plenum), damit sich Studierende gedanklich auf das Thema des Textes einstellen. Möglicherweise wird bereits der Textinhalt erraten. Während des Hörtextes haben die Studierenden die Aufgabe, die Kärtchen in die richtige Reihenfolge zu bringen. Nachdem die Richtigkeit der Reihenfolge sichergestellt ist (Kontrolle durch die Lehrperson, im Plenum oder durch Selbstkontrolle), kann der Text als weiterführende Arbeit auf verschiedenste Weise rekonstruiert werden: ● mündlich (in Form eines Fernsehberichts oder eines Interviews, als Dialog, als Gespräch unter Freunden, etc.), ● schriftlich (unterschiedliche Textsorten: Zeitungsartikel, Brief, Lückentext, Text mit falschen Aussagen zur Kontrolle für andere Gruppen, etc.), ● in Form eines Rollenspiels, ● als Plakat: mit den wichtigsten Schlagworten und möglicherweise mit Bildern, ● als Bildgeschichte u. v. m. Die Art, den Text wiederzugeben, wird von den Studierenden selbst gewählt. Auf diese Weise kommt man den unterschiedlichen Lerntypen entgegen und das Ergebnis - und nicht der Weg dorthin - rückt in den Mittelpunkt. Kompetenzbereich Lesen Am Beispiel eines italienischen Textes (siehe Anhang 3) auf dem Niveau A2 könnten folgende Differenzierungsmaßnahmen gesetzt werden: Die Studierenden werden zunächst in möglichst heterogene Gruppen geteilt und lesen den Text auf die von ihnen bevorzugte Weise (leise, laut sprechend, vor sich hinmurmelnd, stehend, gehend, etc.). Dabei unterstreichen sie unbekannte Wörter und Phrasen, die im Anschluss in der Gruppe diskutiert werden. Im Austausch mit den Gruppenmitgliedern können einige Wörter erschlossen werden, das Helferprinzip kommt zur Geltung. Andere - für die gesamte Gruppe unbekannte Wörter und Phrasen - werden auf Kärtchen geschrieben. Die Studierenden verteilen sich im Raum und erkundigen sich bei KollegInnen, ob ihnen die Bedeutung des Wortes/ der Phrase geläufig ist. Wörter/ Phrasen, die allen Studierenden unbekannt sind, und bei Bedarf auch der Inhalt Vielfalt in der Sprachenlehre - Chancen und Herausforderungen 145 <?page no="146"?> des Textes werden danach im Plenum besprochen. Im Anschluss daran können die Studierenden folgende Aufgabenstellungen bekommen: ● Plakat zum Thema Cosa fare ad un colloquio? : Gestaltung und Präsentation (mittelmäßig anspruchsvoll), ● Plakat zum Thema Cosa non fare ad un colloquio? : Gestaltung und Präsentation (mittelmäßig anspruchsvoll), ● Interview auf Grundlage des Textes (schriftlich und/ oder mündlich) mit ReporterInnen und ExpertInnen (anspruchsvoll), ● Plakat oder Arbeitsblatt zur Grammatik: Cercate nella lettura i verbi all ’ imperativo plurale e risponderete alle domande! Spiegate l ’ imperativo in generale e date esempi! (wenig anspruchsvoll), ● Rollenspiel: Presentate un colloquio perfetto! (sehr anspruchsvoll). Anhand dieser Erarbeitungs- und Weiterführungsaktivitäten werden nicht nur klare Differenzierungen vorgenommen, sondern auch verschiedene Lerntypen angesprochen. Abschließende Bemerkungen In der folgenden Übersicht sind konkrete, leicht umsetzbare Möglichkeiten zur inneren Differenzierung im Sprachunterricht zusammengefasst: Anschließendes Sprachenlernen Einführende Aktivitäten wie ● Brainstormings ● Impulse in Form von Bildern, Videos, Texten u.dgl. ● Mind-Maps ● kurze Diskussionen Motivationsförderndes Sprachenlernen ● Lernerfolge sichtbar machen und bewusst thematisieren ● Persönlich bedeutsame Themenbereiche behandeln ● Anregendes, gut strukturiertes Arbeitsmaterial anbieten ● Für ein gutes Gruppenklima sorgen ● Vielfältigen Input anbieten ● Verknüpfungen und Querverbindungen schaffen bzw. aufzeigen Reflektierendes Sprachenlernen Bewusstmachungsprozesse z. B. durch: ● Individuelles Lerntagebuch ● Sprachenportfolio ● Die wichtigsten Wörter dieser Lektion sind für mich . . . 146 Angela Seidl <?page no="147"?> ● Die drei Wörter, die ich für schwierig halte, aber lernen möchte, sind für mich . . . ● Grammatische Strukturen, die ich wiederholen sollte, sind . . . ● Was mir an dieser Lektion gut gefallen hat . . . ● Was habe ich heute gelernt? ● Das hat mir gut/ schlecht gefallen Strukturiertes Sprachenlernen ● Ziele, Inhalte und Methoden transparent machen ● Rituale, wie z. B. eine kurze Wiederholung oder aktivierende Tätigkeit zu Beginn bzw. eine Reflexion oder vorausblickende Aktivität am Ende der Unterrichtseinheit ● Regelklarheit ● klare Aufgabenstellungen ● Konsequenz Kompetenzbereich Hören ● arbeitsteilige Erarbeitung (W-Fragen Raster) ● verschiedene Hilfestellungen anbieten (Wörter, Phrasen, Sätze) ● Differenzierte weiterführende Aktivitäten Kompetenzbereich Lesen ● Helferprinzip: Erschließen von Wörtern und Phrasen ● Differenzierte Aufgabenstellungen zum Text, die nicht nur verschiedene Schwierigkeitsgrade aufweisen, sondern auch verschiedene Lerntypen ansprechen Guter Unterricht lebt die Vielfalt, die ein buntes, breites Spektrum an Lernarrangements, Möglichkeiten und Lernwegen im Unterrichtsprozess erfordert und Lehrenden viel abverlangt. Dennoch bezieht sich Heterogenität nicht nur auf Lernende, sondern gleichermaßen auf Lehrende, was deutlich machen soll, dass jede Lehrperson - vom individuellen Unterrichtsstil und von der Persönlichkeitsstruktur ausgehend - ihren persönlichen Weg finden muss, um die Vielfalt innerhalb heterogener Lernendengruppen als gern gesehene Herausforderung willkommen zu heißen. Bibliographie Breitsameter, Anna/ Glas-Peters, Sabine/ Pude, Angela (2013): Menschen. Deutsch als Fremdsprache. Arbeitsbuch. A2.1. Ismaning: Hueber. Carrara, Elena (2007): UniversItalia. Corso di italiano. Eserciziario. Ismaning: Hueber. Vielfalt in der Sprachenlehre - Chancen und Herausforderungen 147 <?page no="148"?> Errico, Rosa/ Esposito, Maria A./ Grandi, Nicoletta (2010): Campus Italia. A1/ A2. Lehr- und Arbeitsbuch Italienisch mit 2 Audio-CDs. Stuttgart: Klett. Gautschi, Peter (2002): Wissenschaftler, Manager oder Coach? Veränderung der Lehrerrolle im binnendifferenzierten Unterricht. In: Ahlring, Ingrid (Hrsg.): Differenzieren und individualisieren. Praxis Schule 5 - 10. Braunschweig: Westermann. S. 30 - 33. Graßmann, Regina (2009): Handlungsorientierung und Binnendifferenzierung im studienbegleitenden und berufsvorbereitenden Fremdsprachenunterricht. In: Poletti, Axel (Hrsg.): Sprachen als akademische Schlüsselkompetenz? Dokumentation der 25. Arbeitstagung 2008. Bochum: AKS. S. 140 - 146. Hallet, Wolfgang (2006): Didaktische Kompetenzen. Lehr- und Lernprozesse erfolgreich gestalten. Stuttgart: Klett. Hofer, Christian (2014): Fachdidaktik: Forschende Zugänge und Methoden. In: Unger-Ullmann, Daniela/ Hofer, Christian (Hrsg.): Forschende Fachdidaktik. Projektergebnisse. Tübingen: Francke. S. 29 - 55. Meyer, Hilbert (2013): Was ist guter Unterricht? Berlin: Cornelsen. Paetz, Nadja-Verena et al. (2011): Kompetenz in der Hochschuldidaktik. Ergebnisse einer Delphi-Studie über die Zukunft der Hochschullehre. Wiesbaden: VS. Rosenberg, Marjorie (2011): Learning and Styles - Learner-Differentiated Approaches and Methods. In: Schröttner, Barbara/ Hofer, Christian (Hrsg.): Looking at Learning. Higher Education. Language. Place/ Blicke auf das Lernen. Hochschule. Sprache. Ort. Münster/ New York/ München/ Berlin: Waxmann. p. 151 - 162. Salner-Gridling, Ingrid (2009): Querfeldein - individuell lernen, differenziert unterrichten. Wien: Özeps. Siebert, Horst (2008): Konstruktivistisch lehren und lernen. Augsburg: Ziel. Siebert, Horst (2010): Methoden für die Bildungsarbeit. Leitfaden für aktivierendes Lehren. Bielefeld: Bertelsmann. Siebert, Horst (2012): Didaktisches Handeln in der Erwachsenenbildung. Didaktik aus konstruktivistischer Sicht. Augsburg: Ziel. Sorrentino, Wencke/ Linser, Hans J./ Paradies, Liane (2009): 99 Tipps. Differenzieren im Unterricht. Berlin: Cornelsen. Tillmann, Klaus-Jürgen (2007): Kann man in heterogenen Lerngruppen alle Schülerinnen und Schüler fördern? Der Blick der Bildungsforschung im Regelsystem. http: / / bildungsserver.berlinbrandenburg.de/ fileadmin/ bbb/ schulqualitaet/ lehren_und_lernen/ schulanfang/ tillmann07heterogenitaet_ selektion_auch_GSOR071 230__1_.pdf [31. 03. 2014]. treffpunkt sprachen (2014): Seminare/ Workshops. http: / / treffpunktsprachen.unigraz.at/ de/ forschung/ fachdidaktik/ seminare-workshops/ [31. 03. 2014]. Unger-Ullmann, Daniela (2013): Mehrsprachigkeitsforschung und forschungsbasierter universitärer Fremdsprachenunterricht - das Grazer Modell. In: Fremdsprachen und Hochschule. Arbeitskreis der Sprachenzentren, Sprachlehrinstitute und Fremdspracheninstitute. Nr. 87. S. 81 - 106. Vogel, Beate (2002): Who ’ s afraid of differentiation? (1). In: Ahlring, Ingrid (Hrsg.): Differenzieren und individualisieren. Praxis Schule 5 - 10. Braunschweig: Westermann. S. 77 - 83. Von der Groeben, Annemarie (2011): Verschiedenheit nutzen. Besser lernen in heterogenen Gruppen. Berlin: Cornelsen. 148 Angela Seidl <?page no="149"?> Waldhaus, Christoph (2014): Vorevaluation (VorEval). In: Unger-Ullmann, Daniela/ Hofer, Christian (Hrsg.): Forschende Fachdidaktik. Projektergebnisse. Tübingen: Francke. S. 203 - 261. Vielfalt in der Sprachenlehre - Chancen und Herausforderungen 149 <?page no="150"?> Anhang 1 Fragebogen für Studierende 1. Welches Kriterium war für die Auswahl der Kursstufe ausschlaggebend? Wieso haben Sie sich z. B. für das Niveau B1.1 angemeldet? (bitte maximal 2 Antworten) □ Vorhergehendes Niveau im vorigen Semester bei treffpunkt sprachen besucht □ Vorhergehendes Niveau im vorigen Semester bei anderem Sprachkursanbieter besucht □ Einstufungstest im Internet □ Selbsteinschätzung □ Maturaniveau als Anhaltspunkt □ Einschätzung von Bekannten, FreundInnen, KollegInnen . . . □ Weitere: 2. Fühlen Sie sich im Sprachkurs unterfordert? ja eher ja eher nein nein ○ ○ ○ ○ Bitte begründen Sie Ihre Auswahl: 3. Fühlen Sie sich im Sprachkurs überfordert? ja eher ja eher nein nein ○ ○ ○ ○ Bitte begründen Sie Ihre Auswahl: 4. Verwendet der/ die Lehrende Ihres Kurses sehr häufig häufig selten nie a) Unterschiedliche Arbeitsblätter das Niveau betreffend ○ ○ ○ ○ b) Differenzierte Lesetexte (zu einem Lesetext werden unterschiedliche Arbeitsblätter mit Arbeitsanweisungen angeboten) ○ ○ ○ ○ 150 Angela Seidl <?page no="151"?> sehr häufig häufig selten nie c) Differenzierte Lückentexte (derselbe Text ist mit mehr Lücken schwieriger zu ergänzen, mit weniger Lücken wird er leichter) ○ ○ ○ ○ d) Niveaudifferenzierung durch Tischgruppen (heterogene LernerInnen bzw. möglichst homogene LernerInnen zusammen an einem Tisch) ○ ○ ○ ○ e) Unterschiedliche Materialien und Methoden für parallele Kleingruppen innerhalb eines Kurses ○ ○ ○ ○ f) «Fundamentum (was jeder machen muss)/ Additivum (was zusätzlich gemacht werden kann) - Lernen» ○ ○ ○ ○ g) Weiters: ○ ○ ○ ○ 5. Welche Methoden werden in Ihrem Sprachkurs angewandt? sehr häufig häufig selten gar nicht a) Gruppen bzw. Partnerarbeit ○ ○ ○ ○ b) Freiarbeit (offener Unterricht, in dem LernerInnen eigene Themen nach eigener Lernstruktur erarbeiten) ○ ○ ○ ○ c) Werkstattarbeit (offener Unterricht, LernerInnen bearbeiten in unterschiedlichen Sozialformen Lernmaterialien, meist Selbstkontrolle) ○ ○ ○ ○ d) Stationenarbeit (Lernende arbeiten an Stationen an unterschiedlichen Inhalten) ○ ○ ○ ○ e) Planarbeit (Lernende arbeiten mit Zeitlimit nach einem Plan) ○ ○ ○ ○ Vielfalt in der Sprachenlehre - Chancen und Herausforderungen 151 <?page no="152"?> sehr häufig häufig selten gar nicht f) Projektarbeit ○ ○ ○ ○ g) Arbeit mit Portfolios, Learner Diaries, etc. ○ ○ ○ ○ h) Weiters: ○ ○ ○ ○ 6. Haben Sie den Eindruck, dass Sie durch die Differenzierungsmaßnahmen der/ des Lehrenden Ihres Kurses im richtigen Maß gefördert/ gefordert werden? ja eher ja eher nein nein ○ ○ ○ ○ Bitte begründen Sie Ihre Auswahl: 7. Inwieweit könnte Sie der/ die Lehrende unterstützen, Ihre angestrebten Lernziele noch besser zu erreichen? 152 Angela Seidl <?page no="153"?> Anhang 2 Fragebogen für Lehrende Liebe/ r Lehrende/ r bei treffpunkt sprachen, zunächst möchte ich mich für die Bereitschaft bedanken, diesen Fragebogen auszufüllen. Im Projekt Vielfalt in der Sprachenlehre - Chancen und Herausforderungen wird die Zusammensetzung von Sprachlerngruppen im Hinblick auf die Homogenität bzw. Heterogenität der TeilnehmerInnen untersucht. Die Wahrnehmungen und Beobachtungen der Lehrpersonen sowie der Studierenden sollen erfasst werden und in das Endprodukt des Projekts - einen Leitfaden für Lehrende, der bei einer (noch) differenzierteren Gestaltung von Lernwegen unterstützen soll, einfließen. Der Fragebogen für Lehrende konzentriert sich auf die Fragen, welche Formen der Heterogenität in Sprachlehrveranstaltungen erkennbar sind, ob bzw. wie du als Lehrende/ r in deiner Unterrichtsorganisation darauf reagierst und inwieweit es deiner Einschätzung nach möglich ist, alle Lernenden zu erreichen. Über diese Fragestellungen soll außerdem in Erfahrung gebracht werden, inwieweit ein reflektierendes Moment und Überlegungen zu einem binnendifferenzierten Unterricht im Speziellen in den Unterrichtsalltag bei treffpunkt sprachen einfließen. Ich bitte dich, beim Ausfüllen des Fragebogens, das ca. 20 Minuten deiner Zeit beanspruchen wird, in dich zu gehen und ehrlich zu dir selbst zu sein. Der Fragebogen ist absolut anonym und soll keine Kontrolle, sondern eine Bestandsaufnahme sein, um die Unterrichtsqualität am treffpunkt sprachen stetig zu verbessern. Ich bedanke mich sehr herzlich! 1. Welche Formen der Heterogenität sind in Sprachlehrveranstaltungen bei treffpunkt sprachen deutlich erkennbar und stellen uns Lehrende vor besonders große Herausforderungen? (Bitte maximal 5 auswählen) Unterschiede bezüglich □ Sprachkenntnisse in der Fremdsprache □ Kognitive Vorerfahrungen im Allgemeinen □ Arbeits- und Lerntempo □ Motivation bzw. erbrachter Zeitaufwand, die Sprache zu lernen □ Persönlichkeit □ Kultureller Hintergrund □ Persönliches Interesse Vielfalt in der Sprachenlehre - Chancen und Herausforderungen 153 <?page no="154"?> □ Lerntypen □ Geschlecht □ Alter □ Konzentration □ Ausgangssprache/ Muttersprache □ Weiters: 2. Inwieweit differenziere ich in meinen Sprachlehrveranstaltungen, um auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Lernenden einzugehen: In meinem Unterricht differenziere ich sehr häufig häufig selten nie a) bei der Art der Aufgabenstellungen (offene, weniger offene Aufgaben) bzw. Hilfestellungen für schwächere LernerInnen ○ ○ ○ ○ b) beim Schwierigkeitsgrad der Aufgabenstellung (Niveaudifferenzierung) ○ ○ ○ ○ c) die Lernziele ○ ○ ○ ○ d) nach Interessen des/ r Lernenden ○ ○ ○ ○ e) bei der Hausübung ○ ○ ○ ○ f) mittels Zusatzmaterial ○ ○ ○ ○ g) beim Korrekturverhalten (bei mündlichen Aufgaben) ○ ○ ○ ○ h) nach Lerntypen ○ ○ ○ ○ i) im Umgang mit Kompetenzportfolios (z. B. Sprachenportfolio) ○ ○ ○ ○ j) Weiters: ○ ○ ○ ○ 3. Konkret verwende ich für die innere Differenzierung innerhalb meines Kurses sehr häufig häufig selten nie a) Unterschiedliche Arbeitsblätter das Niveau betreffend ○ ○ ○ ○ 154 Angela Seidl <?page no="155"?> sehr häufig häufig selten nie b) Differenzierte Lesetexte (zu einem Lesetext werden unterschiedliche Arbeitsblätter mit Arbeitsanweisungen vorbereitet) ○ ○ ○ ○ c) Differenzierte Lückentexte (derselbe Text ist mit mehr Lücken schwieriger zu ergänzen, mit weniger Lücken wird er leichter) ○ ○ ○ ○ d) Niveaudifferenzierung durch Tischgruppen (heterogene LernerInnen bzw. möglichst homogene LernerInnen zusammen an einem Tisch) ○ ○ ○ ○ e) Unterschiedliche Materialien und Methoden für parallele Kleingruppen innerhalb eines Kurses ○ ○ ○ ○ f) «Fundamentum (was jeder machen muss)/ Additivum (was zusätzlich gemacht werden kann) - Lernen» ○ ○ ○ ○ g) Weiters: ○ ○ ○ ○ 4. In meinem Kurs arbeite ich mit sehr häufig häufig selten gar nicht a) Gruppen bzw. Partnerarbeit ○ ○ ○ ○ b) Freiarbeit (offener Unterricht, LernerInnen erarbeiten eigene Themen nach eigener Struktur) ○ ○ ○ ○ c) Werkstattarbeit (offener Unterricht, LernerInnen bearbeiten in unterschiedlichen Sozialformen Lernmaterialien, meist Selbstkontrolle) ○ ○ ○ ○ Vielfalt in der Sprachenlehre - Chancen und Herausforderungen 155 <?page no="156"?> sehr häufig häufig selten gar nicht d) Stationenarbeit (Lernende arbeiten an Stationen an unterschiedlichen Inhalten) ○ ○ ○ ○ e) Planarbeit (Lernende arbeiten mit Zeitlimit nach einem Plan) ○ ○ ○ ○ f) Projektarbeit ○ ○ ○ ○ g) Arbeit mit Portfolios, Learner Diaries, etc. ○ ○ ○ ○ h) Weiters: ○ ○ ○ ○ 5. Ich habe den Eindruck, alle LernerInnen meiner Lehrveranstaltungen bestmöglich zu erreichen bzw. zu fördern: trifft voll zu trifft eher zu trifft weniger zu trifft nicht zu ○ ○ ○ ○ Bitte begründe deine Auswahl: 6. Ist es möglich, alle LernerInnen eines Kurses optimal zu fördern/ fordern? trifft voll zu trifft eher zu trifft weniger zu trifft nicht zu ○ ○ ○ ○ Bitte begründe deine Auswahl: 7. Was könnte mir helfen, meinen Unterricht noch besser auf heterogene Lernendengruppen auszurichten? trifft voll zu trifft eher zu trifft weniger zu trifft nicht zu a) Allgemeine Hinweise zum Umgang mit heterogenen Lerngruppen ○ ○ ○ ○ b) Beispiele von differenzierten Unterrichtsmaterialien in den Fertigkeiten Sprechen, Schreiben, Hören, Lesen und Grammatik ○ ○ ○ ○ 156 Angela Seidl <?page no="157"?> trifft voll zu trifft eher zu trifft weniger zu trifft nicht zu c) Tipps bei der zeitsparenden Erstellung niveaudifferenzierter Unterrichtsmaterialien ○ ○ ○ ○ d) Informationen zur konkreten Umsetzung diverser Methoden wie Planarbeit, Projektarbeit, etc. ○ ○ ○ ○ e) Informationen zu «Fundamentum/ Additivum - Lernen» ○ ○ ○ ○ f) Weiters: ○ ○ ○ ○ Vielfalt in der Sprachenlehre - Chancen und Herausforderungen 157 <?page no="158"?> Anhang 3 Errico, Rosa/ Esposito, Maria A./ Grandi, Nicoletta (2010): Campus Italia. A1/ A2. Lehr- und Arbeitsbuch Italienisch mit 2 Audio-CDs. Stuttgart: Klett. S. 126. La «prima impressione». La prima impessione che create nel vostro interlucatore vi resterà sempre appiccicata addosso. Che si tratti di vostra moglie o marito, o del vostro capo, sicuramente chi vi sta vicino ricorderà le sensazioni suscitate nei primissimi momenti della vostra conoscenza. Vi sono alcuni accorgimenti ovvi, ma importanti: non arrivate in ritardo e non presentate ansimanti una mano sudaticcia. Dobbiamo farci vedere da subito tranquilli, curiosi e affidabili, ma dobbiamo anche cercare di stabilire una buona intesa personale con il selezionatore. I vostri punti deboli. Poiché nessuno di noi è perfetto, qualcosa di spiacevole affiorerà. Non mentite, ma usate qualche frase per trarvi d ’ impaccio: «Si, il voto di laurea non è granché. Non cerco scuse: non ho né lavorato per mantenermi agli studi, né fatto alcunché di memorabile nel frattempo. C ’ è chi matura prima. E chi dopo, e io appartengo a questa seconda categoria. Timido? Io, timido? Beh, di natura, è vero, sono un po ’ timido. Da piccola lo ero parecchio, ma poi, per amore o per forza, sono cambiato.» Informazioni sull ’ azienda. Quanto più disinformati sarete sull ’ azienda e sul business, tanto più anonima e scipita sarà la discussione, che vi relegherà nella veste passiva dell ’ ascoltatore o vi esporrà a brutte figure. La comunicazione non verbale. In un colloquio, non sono solo le parole che contano: tutto il nostro corpo comunica. Il nostro interlucatore ci ascolta anche con la vista e con il tatto (speriamo non con l ’ odorato! ) I nostri gesti, i nostri sguardi, il tono della nostra voce confermano, integrano o smentiscono le nostre affermazioni. Il modo in cui siamo 158 Angela Seidl <?page no="159"?> vestiti, in cui salutiamo, in cui stiamo seduti può contribuire in maniera determinante a formare il giudizio su di noi. Oltre a ciò che indossate, badate a come lo indossate: non mettetevi vestiti troppo larghi ecascanti, niente colletti di cravatta allentati, niente forfora sul bavero, niente lenti degli occhiali sporche: è un appuntamento importante, chi ci arriva trasandato sarà giudicato superficiale, disordinato o poco furbo. Vielfalt in der Sprachenlehre - Chancen und Herausforderungen 159 <?page no="161"?> Veronika Rezi ć Lernreflexion: Ein Moment für die Erwachsenenbildung Abstract Zugänge und Methoden zum Lehren einer Fremdsprache sind vielfältig, da sich engagierte Lehrende vorrangig das Ziel setzen, ihren Unterricht möglichst anspruchsvoll zu gestalten. Aus diesem Grund sind sie bemüht, unterschiedliche Arbeitsweisen, Methoden und Materialien zu verwenden, um Lernenden den Zugang zur Sprache zu erleichtern. Die Wahl der Lehrbücher und Skripten sollte für den Unterricht gut überlegt sein. Lernende sind im Hinblick auf das Unterrichtsmaterial kritisch und identifizieren veraltete oder fehlerhafte Lehrwerke nicht nur mit dem Unterricht, sondern auch mit der Lehrperson. Unter diesem Aspekt bewerten sie in der Folge die Lehrkompetenz derselben. Im vorliegenden Beitrag werden daher nach einem historischen Rückblick auf die Lernreflexion und ihre begriffliche Bestimmung Lehrwerke für die Sprachvermittlung vorgestellt, darin vorhandene Lernstrategien analysiert und auf ihre lernreflektierenden Momente hin überprüft. Daraus ergeben sich Impulse für die Gestaltung des Unterrichts, die mit der Qualitätssicherung der Sprachenlehre einhergehen. Forschungshintergrund des Projekts Seit sechs Jahren leitet die Autorin Kurse für Kroatisch sowie Bosnisch/ Kroatisch/ Serbisch als Fremdsprache im universitären Bereich. Für ihren Unterricht verwendet sie, wie ein Großteil ihrer KollegenInnen, Lehrbücher. Im ersten Jahr wurde der Unterricht durch das Lehrbuch U č imo hrvatski 1 unterstützt. Schon nach einem Semester konnten die Nachteile festgestellt werden: Vor allem bei grammatikalischen Themen wies das Lehrwerk Lücken und Ungenauigkeiten auf, aber auch auf anderen Gebieten - Kommunikation, Verfassen von Texten - bestand Aufholbedarf. Auf der Suche nach neueren Lehrwerken entdeckte die Autorin das damals neu erschienene Hrvatski za po č etnike, welches genauso wenig zufriedenstellend war, da es vorwiegend aus Einsetzübungen bestand. <?page no="162"?> Diese Schwachstellen wurden der Autorin jedoch erst bewusst, nachdem sie die einzelnen Lehrwerke im Unterricht verwendet hatte. Abgesehen von unzureichenden inhaltlichen und grammatikalischen Themen sind es mittlerweile vor allem die moderneren Zugänge zum Thema Lernenstrategien, die in den genannten Lehrbüchern im Vergleich mit Lehrwerken für romanische Sprachen keine Berücksichtigung finden. Um etwaigen Problemen von Studierenden entgegenzuwirken, ist es für jede/ n Einzelne/ n wichtig, über das eigene Lernverhalten nachzudenken und den Lernprozess zu reflektieren. Vielen Studierenden fällt es schwer, sich mit dem Thema Lernen und dem eigenen Lernverhalten auseinanderzusetzen. Wer sich damit beschäftigt, erkennt alsbald das Potenzial und die Hilfestellung, die eine Lernreflexion bieten kann. Nach Dewey (vgl. Hilzensauer 2008, S. 2) ist Lernreflexion eng verbunden mit dem Prozess der Evaluierung des eigenen Tuns und stellt eine Voraussetzung für die persönliche und professionelle Entwicklung dar. Die Reflexion über das Lernen und den Lernprozess beinhaltet ein unbewusstes und langfristig wirkendes Leistungspotenzial. Hierbei haben Lernende die Möglichkeit, nicht nur ihre Stärken zu festigen, sondern etwaige Defizite wahrzunehmen und ihnen rechtzeitig vorzubeugen. Aus diesem Grund versuchte die Autorin festzustellen, ob und wie Unterrichtsmaterialien bei Studierenden reflektierende Lernmomente zulassen und eine individualisierte Sprachendidaktik und selbstständige Entwicklung von Lernstrategien fördern. Denn werden erlernte Strategien verinnerlicht, können diese immer wieder - gleichermaßen für andere Sprachen und Fächer - angewandt werden. Um das eigene Lernverhalten zu reflektieren und Strategien zum Sprachenlernen zu erkennen, wird in den meisten Lehrbüchern der Schreibprozess eingesetzt. Eine weitere Motivation für dieses Thema war der Wunsch nach einer praxisbezogenen Aufgabenstellung, in die nicht nur die eigene Unterrichtserfahrung eingebracht wird, sondern auch das theoretisch erworbene Wissen. Theorie und Praxis können letztlich zur Erhöhung der Unterrichtsqualität in der eigenen Sprachenlehre beitragen und KollegenInnen einen anderen Zugang zum Thema Lernen ermöglichen (vgl. Hofer 2014, S. 45 ff.). 162 Veronika Rezi ć <?page no="163"?> Was ist Reflexion? Historischer Rückblick Seit den frühen 1970er-Jahren werden Lernstrategien im Rahmen von kognitiven Theorien untersucht und analysiert. Die Popularität der Lernstrategien begann mit den ersten Untersuchungen in Kanada (vgl. Naiman et al. 1978) und der damit verbundenen Entwicklung des Idealbilds des Good Language Learner. Dabei wurde vor allem die Frage nach dem Wie? in den Mittelpunkt gestellt: Wie lernt ein/ e gute/ r Lernende/ r? Wie kann er/ sie dem poor learner mit seinen/ ihren Strategien helfen? Wie können beide Seiten von einem Austausch profitieren? Worauf achte ich, worauf die anderen? Was kann ich von ihnen lernen, was können sie von mir lernen? Diese Veränderungen im Unterricht führten zu interessanten Ergebnissen, jedoch waren sie allein nicht ausschlaggebend für die Popularität und Förderung der Lernreflexion. Viel wichtiger war die Erkenntnis, dass man «ohne die aktive Teilnahme der Lernenden nicht wirklich von Fortschritt im schulischen (Fremdsprachen-) Unterricht» sprechen kann (Nodari 1996, S. 4). Eine solche Sichtweise kann beim Erwerb einer Fremdsprache nützlich sein, aber nur in einem Rahmen, der von Motivation, Neigungen, Dispositionen und Fähigkeiten des/ r Lernenden bestimmt wird (vgl. Riemer 2009, S. 20). Die Popularität dieses Themas hält weiterhin an, insbesondere auf dem Gebiet der Erziehungswissenschaften, aber auch der Fremdsprachendidaktik. Hier versucht man seit Jahren neben den Zielen, Inhalten und Methoden den/ die Fremdsprachenlernende/ n in den Mittelpunkt zu rücken. Aus diesem Grund wurde der Fokus im Unterricht verstärkt auf die Interessen und Bedürfnisse der Lernenden gelegt. Dabei erkannten die Fachleute, dass Gruppen (vor allem in der Erwachsenenbildung) heterogener sind als bisher angenommen. Infolgedessen sollten vor Beginn eines Kurses die Berührungspunkte einer Gruppe - Alter, Geschlecht, Herkunft, Beruf, Lernerfahrung - erforscht werden, um den Unterricht bestmöglich an die Bedürfnisse der Lernenden anzupassen. Dazu entwickelt der Lehrende idealerweise einen Syllabus - eventuell ein darauf abgestimmtes Skriptum - , wählt sorgfältig die Themen aus und bringt auch das Thema Reflexion über Lernprozesse sowie Lernstrategien ein, um den/ die Lernende/ n erfolgreich in den Fremdsprachenunterricht einzubinden. Lernreflexion: Ein Moment für die Erwachsenenbildung 163 <?page no="164"?> Begriff Lernreflexion Der Terminus Reflexion wird in unterschiedlichen wissenschaftlichen Zweigen verwendet: Physik, Philosophie oder Technik. In den letzten Jahren gewann dieser Begriff ebenso in den Bereichen Pädagogik und Fachdidaktik an Bedeutung und wurde somit ein wichtiger Teil der Grundprinzipien zur Entwicklung der eigenen Kompetenzen (vgl. Hilzensauer 2008, S. 1). Abgeleitet wird der Begriff Reflexion vom lateinischen Wort reflectere, was ins Deutsche mit zurückdrehen oder zurückwenden übersetzt werden kann. Auf das Thema Lernen bezogen bedeutet es, einen Schritt zurückzugehen und aus einer anderen Perspektive und mit Zeitabstand auf Vergangenes zu blicken. Auf dem Gebiet der Pädagogik und Fachdidaktik beobachtet man das eigene Lernverhalten und den Lernprozess, um im Anschluss die Lernsituationen auf einer Metaebene von Neuem aufleben zu lassen. Der Stellenwert der Reflexion ist in der Praxis mittlerweile höher als in der Theorie, deshalb wird sie oft unterschiedlich interpretiert, je nach Standpunkt und disziplinärer Herangehensweise. Dementsprechend gibt es eine Reihe von Publikationen, in denen verschiedene Reflexionsbegriffe abgehandelt werden. Das erklärt, weshalb die Theorie nicht zur Gänze konkretisiert wurde. Im Folgenden werden daher einige Annäherungen zur Bestimmung des Begriffs vorgestellt. Aus pädagogisch-didaktischer Sicht ist das Reflexionsverständnis von Dewey (vgl. 1938; 1997) attraktiv, weil es zentrale Elemente des konstruktivistischen Lehr- und Lernverständnisses vorwegnimmt. Bei Dewey spielt die problematische Situation als Auslöser von Unsicherheit und Zweifel eine zentrale Rolle für das Lernen. Das bedeutet, dass man eine Blockade, die durch äußere oder innere Umstände ausgelöst werden kann, braucht, um das Lernen zu reflektieren. Holzkamp (vgl. 1995) stellt sich hingegen die Zentralfrage Warum lernt man? und rückt das Individuum in den Mittelpunkt, da es für sich selbst und sein Lernverhalten verantwortlich zeichnet. Für ihn bedarf es zunächst auch einer Blockade, damit die Notwendigkeit zur Reflexion gegeben ist. Diese Reflexion kann jedoch nur vom Individuum selbst vorgenommen werden. Die Theorie von Holzkamp scheint naheliegend zu sein, da der Großteil der Lernenden zuerst eine Blockade braucht, um nachzudenken, warum das Lernen (oder ein Projekt) nicht gelingt, denn solange der Prozess (gut) funktioniert, ist es unwahrscheinlich, dass das Bedürfnis nach Reflexion aufkommt. Der amerikanische Bildungstheoretiker David A. Kolb, dessen Arbeiten auf denen von Dewey aufbauen, gilt als (Mit)Begründer des experi- 164 Veronika Rezi ć <?page no="165"?> mental learning (Erfahrungslernen). Der learning cycle ist eines der einflussreichsten Lehr- und Lernmodelle, die das Lernen aus Erfahrung in den Blick nehmen: «Learning is a continuous process grounded in experience» (Kolb 1984, S. 27). Anders als bei Dewey und Holzkamp setzt er keine Blockade für reflektiertes Lernen voraus, sondern begründet die Reflexion durch Erfahrung. Lernende machen zuerst konkrete Erfahrungen, die sie reflektieren. Im Anschluss versuchen sie, über diese Beobachtung zu einer Verallgemeinerung zu gelangen, um die gewonnenen Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen und damit neuerliche konkrete Erfahrungen zu gewinnen. Ähnlich definiert Donald A. Schön, ein bedeutender Vertreter der Entwicklung der Theorie des reflective professional learning, den Begriff der Reflexion. Dennoch stützt er sich in seinen Arbeiten vorwiegend auf Dewey und Kolb. Bei seinem Konzept des double loop learning sucht er nach den Gründen des Misserfolgs. In seinen Ansätzen der reflective practice unterscheidet er zwischen den zwei Begriffen reflection-in-action (Bewertung der Aktion während der Aktion) und reflection-on-action (Reflektieren nach einer Situation). Dabei bedeutet der erste Begriff, dass die Person noch während einer Aktion reflektiert, der zweite Terminus beschreibt das Reflektieren nach einer Aktion, bei der ein Individuum zuerst die Erfahrung macht und im Nachhinein seine Gedanken dazu dokumentiert und diskutiert (vgl. Schön 1983, S. 10 f.). Horst Siebert sieht die «Selbstreflexion als kritische Beobachtung der eigenen Welterzeugung» (Siebert 1998, S. 96). Aus diesem Grund ist er der Meinung, dass in allen Lehrveranstaltungen, ob in der Schule, an der Universität oder in der Erwachsenenbildung, die Förderung der Lernfähigkeit im Vordergrund stehen muss. Auf dem Weg zu einem fachübergreifenden Lehr- und Lernziel sollte sie durch Lerntechniken, aber auch durch Metakognition unterstützt werden. Siebert versteht unter dem Begriff Metakognition eine «Beobachtung zweiter Ordnung» (ebd., S. 69). Er sieht die Selbstbeobachtung auf das Lernen als einen wichtigen Schritt zur Selbstaufklärung und Persönlichkeitsentwicklung (vgl. ebd.). Für Siebert kann sich diese Selbstbeobachtung auf unterschiedliche Ebenen des Lernens beziehen: 1. Auf die volitive Ebene: Hier werden die Fragen nach Lernmotiven und Lerninteressen diskutiert. 2. Auf die emotionale Ebene: Dazu gehört die Auseinandersetzung mit den Ängsten und der Freude am Lernen, um eine lernfördernde Stimmung zu schaffen. Lernreflexion: Ein Moment für die Erwachsenenbildung 165 <?page no="166"?> 3. Auf die kognitive Ebene: Auf dieser Ebene werden die kognitiven Stärken und Schwächen, also gleichermaßen die Qualität und Relevanz von Lernaktivitäten und Lerninhalten, reflektiert. (vgl. ebd., S. 70) Zum Abschluss soll noch Hilzensauers Unterscheidung zum Thema Reflexion über das Lernen, die ebenso auf drei verschiedenen Ebenen erfolgt, angeführt werden: 1. Reflexion über den Lerngegenstand, 2. Reflexion über die Lernhandlung und 3. Reflexion über das Lernvermögen. (vgl. Hilzensauer 2008, S. 9 f.) Auf der ersten Ebene stehen die Lerninhalte im Mittelpunkt. Dazu bietet sich ein Portfolio an (für den Fremdsprachenunterricht zum Beispiel das Europäische Sprachenportfolio), in dem Lernziele evaluiert und beobachtet werden. Dabei sei angemerkt, dass die Reflexion über den Lerngegenstand schon im Lehrplan für die Volksschule verankert ist: «Das Tun soll zum Überlegen, Abwägen, Ordnen, Planen und zum Erkennen führen» (Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur 2005). Unter dem Begriff Lernhandlung, der sich auf der zweiten Ebene befindet, versteht Hilzensauer (2008, S. 9) die «Lernplanung und Organisation, Lernmethoden und Strategien, Lernsetting, Vorwissen und soziale Eingebundenheit». Das bedeutet vorrangig ein bewusstes Organisieren und Durchführen von Lernschritten, die von den Lernenden selbstständig erarbeitet und im Anschluss reflektiert werden müssen. Für den vorliegenden Beitrag ist die dritte Ebene die wichtigste, weil sie sich mit der Reflexion über den eigentlichen Lernprozess (unabhängig vom Gegenstand oder anderen Umständen) beschäftigt. Für Hilzensauer stellt das Lernvermögen «die Fähigkeit dar, sich seiner eigenen Lernprozesse bewusst zu sein und diese durch Reflexion positiv beeinflussen zu können» (ebd., S. 10). Hilzensauer setzt ähnlich wie Holzkamp und Dewey eine Blockade im Lernprozess eines Lernenden voraus, um das eigene Lernen reflektieren zu können. Das bedeutet, dass der Reflexion ein Moment vorausgehen muss, in dem ein Lernunvermögen festgestellt wird. Denn solange ein Lernprozess funktioniert und erfolgreich ist, besteht bei den meisten Lernenden keine Notwendigkeit zur Selbstreflexion (vgl. ebd., S. 2 ff.). Für den eigentlichen Reflexionsprozess muss nach Kolb (vgl. 1984, S. 28 f.) zuerst die Erfahrung durch den Lernenden gemacht werden, um diese vor dem Versuch der Analyse und Generalisierung zu evaluieren. Dieser Aspekt der Generalisierung ist für den Lernprozess äußerst 166 Veronika Rezi ć <?page no="167"?> interessant, da er den Lernenden die Möglichkeit gibt, gewisse Lernhandlungen zu erkennen und auf andere zu übertragen. Der Reflexionsprozess über das Lernen ist komplex, und um ihn einzuleiten, muss ein Zusammenhang zwischen dem Lernmisserfolg und dem Lernvermögen hergestellt werden. Diese reflexiven, metakommunikativen Phasen sind nicht nur für die Lernenden gewinnbringend und ausbaufähig. Auch Lehrende können die Ergebnisse zum einen als Rückmeldung für den Unterricht sehen, zum anderen aber als Lernberatung für die TeilnehmerInnen. Reflexives Lernen sollte jedoch nicht nur auf dem Gebiet der Erwachsenenbildung eine bedeutende Rolle spielen. Wünschenswert und gewinnbringend wäre es, diese Selbstbeobachtung schon in den Schulunterricht zu integrieren, um die Lernenden frühzeitig dafür zu sensibilisieren. Bedauerlicherweise ist diese Methode in der Praxis noch nicht weit verbreitet, obwohl die Reflexion (zum Teil) schon im Lehrplan für die lebenden Fremdsprachen verankert ist: Ein bewusster und reflektierter Umgang mit Sprache (auch im Vergleich mit der Unterrichtsbzw. Muttersprache) ist zu fördern. Komparative und kontrastive Methoden sind vor allem dort angebracht, wo sie zu einem verbesserten sprachlichen Bewusstsein der Fremdsprache gegenüber führen und den Lernerfolg wesentlich verstärken. (Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur 2000) Die Frage, die sich dabei stellt, ist, ob neben den Lehrenden die Lehrwerke in diese Richtung arbeiten, vorausgesetzt der Lehrplan sieht einen reflektierten Umgang vor. Unterstützen Lehrwerke das Thema (Lern-) Reflexion und somit den Lernprozess der Lernenden? Werden Lehrende in ihrer Arbeit dazu ermutigt? Warum Lernreflexion? Grundsätzlich sei gesagt, dass jedes Individuum für sich selbst und für seinen eigenen Lernprozess verantwortlich ist. Dabei werden jedoch ein Grundinteresse sowie die Neugier am Leben vorausgesetzt, denn dann besteht diese auch fürs Lernen. Sollte dieser Wissensdurst nicht vorhanden sein, können Probleme oder Blockaden beim Lernen entstehen. Schäffter meint, dass die reflexive Transformation in der Erwachsenenbildung unumgänglich ist, und schreibt dazu, dass nicht nur das Tempo, sondern auch die Art und Weise, wie sich Arbeitsplätze, Strukturen und Institutionen verändern, unberechenbar geworden sind. Nun reicht es nicht mehr, immer schneller Neues zu lernen, vielmehr wäre es notwendig, sich mit dem Thema Wandel selbst zu befassen. Auf die neuartigen Transformationsmuster müsse mit reflexiver Lernorganisation für Lernreflexion: Ein Moment für die Erwachsenenbildung 167 <?page no="168"?> lebensbegleitendes Lernen geantwortet werden (vgl. Schäffter 1998, S. 12). So besteht der Anspruch auf Reflexion nicht nur im schulischen, sondern auch im beruflichen Alltag. Beobachtet man die leichtfertigen, wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen der letzten Jahre, beherrschen zahlreiche Menschen, vor allem in Führungspositionen, die Grundkompetenz der Reflexivität nicht. Die Frage, die sich aus dieser Problematik ergibt, ist: Wie können Menschen/ kann ein Individuum diese Reflexionskompetenz erwerben? In der Erwachsenenbildung wird die Möglichkeit geboten, die Kompetenz des reflexiven Lernens zu erwerben, indem die Lernenden - im Gegensatz zum Schulunterricht oder zur Arbeitswelt - von einem alltäglichen Handlungszwang befreit sind. Auf diese Weise können sie ohne Vorbehalte auf die aktuellen Handlungsproblematiken blicken und diese reflektieren, zumal die Konsequenzen ihres Agierens und ihrer Entscheidungen nicht dermaßen folgenschwer sind wie im realen Leben (vgl. Schüßler 2008, S. 2). Formen reflexiven Lernens In welcher Form Lernende reflektieren hängt einerseits von den Reflexionsinhalten und andererseits von den Reflexionsimpulsen ab. Die Methode der Selbstreflexion eignet sich gut, um das eigene Denken und Lernverhalten zu beobachten. Diese kann mithilfe von inneren Monologen oder Lerntagebüchern durchgeführt werden. Sobald allerdings die Probleme auf dieser Ebene komplexer werden und nicht von einem selbst zu bewältigen sind, ist es ratsam, auf die Ebene der Gruppen- oder Peerreflexion zu wechseln. Durch gruppendynamische Übungen wird den Lernenden ermöglicht, vom Feedback und der Evaluation anderer zu profitieren, aber auch mithilfe von Fachleuten/ Coaches eine Lösung zu suchen. Die Problemreflexion beschreibt die beobachtende Arbeit an einem konkreten Fall (Problem) auf mehreren Handlungsebenen. Anbei eine anschauliche Zusammenfassung von Schüßler (ebd., S. 14) über die unterschiedlichen Formen des reflexiven Lernens: Abb. 1: Formen reflexiven Lernens Reflexionsebene Reflexionsinhalte Reflexionsimpulse Selbstreflexion ● Reflexion des eigenen Denkens und Lernens (routinierte Deutungsmuster, Lernstrategien, -stile und -schwierigkeiten) ● Innerer Dialog (begleitet durch den Lehrenden oder in Form einer Alter-Ego- Übung) 168 Veronika Rezi ć <?page no="169"?> Reflexionsebene Reflexionsinhalte Reflexionsimpulse ● Reflexion von Gefühlen (routinierte Wertmuster, Ängste, Rekonstellierungen, Affekte) ● Angeleitete Selbstevaluation des eigenen Lernprozesses (z. B. Lerntagebuch) Prozess-/ Gruppenreflexion ● Reflexion von Störungen im Lernprozess auf der Sach- und Beziehungsebene ● Reflexion (Evaluation) des gemeinsamen Lernprozesses ● Metakommunikation (z. B. angeregt durch ein Blitzlicht) ● Gruppendynamische Übungen ● Evaluation und Feedback des Lernprozesses Problemreflexion ● Reflexion subjektiver Handlungsprobleme in ihrem individuellen und gesellschaftlichen Kontext ● Fallarbeit ● Initiierung konkreter Handlungsaufgaben und deren Bearbeitung auf mehreren Handlungsebenen Lernstrategien und Reflexionsmomente in ausgewählten Lehrwerken Vorweg sei gesagt, dass sich generell eine Tendenz beobachten lässt. Die Lehrwerke für Deutsch als Fremdsprache sowie Englisch integrieren seit Jahren Lernstrategien, Lerntipps oder Überprüfungen des Gelernten (Checklisten) in ihren Aufbau. Diese beiden Sprachen haben in Österreich jedoch nicht denselben Stellenwert wie andere Fremdsprachen, da Englisch ein Pflichtfach an fast allen Schulen ist und somit der Bedarf nach modernen und überarbeiteten Lehrwerken gegeben ist. Bei Deutsch als Fremdsprache oder als Zweitsprache handelt es sich vor allem um Unterricht in der Erwachsenenbildung, der im Land, in dem die Sprache gesprochen wird, stattfindet. Aus diesem Grund werden für die Untersuchung vorrangig Lehrwerke für romanische (Französisch, Italienisch und Spanisch) und slawische (Kroatisch, Russisch und Slowenisch) Sprachen herangezogen. Neuere Lehrwerke, vor allem für die Sprachen Französisch, Italienisch und Spanisch sind - verlagsabhängig - auf dem neuesten Stand. Eine problemlose, unkomplizierte und intuitive Einbettung der Lernstrategien (Lerntipps, Portfolio, Lerntagebuch, Dossier, etc.) findet man mittlerweile in den meisten Lehrwerken für diese Fremdsprachen. Lernreflexion: Ein Moment für die Erwachsenenbildung 169 <?page no="170"?> Anders verhält es sich mit den slawischen Sprachen sowie anderen Randsprachen. Hier besteht generell ein hoher Aufholbedarf, nicht nur auf dem Gebiet der Lernstrategien, sondern auch im Hinblick auf handlungsorientierte Aufgaben, die bei genauerer Analyse (vgl. Rezic 2014, S. 56 ff.) großteils noch immer vernachlässigt werden. In den untersuchten Lehrwerken für Kroatisch als Fremdsprache (Dobro do š li 1&2, Hrvatski za po č etnike, U č imo hrvatski 1&2) lassen sich weder lernreflektierende Momente noch Lernstrategien finden, da sich diese Bücher ausschließlich auf die Vermittlung der Sprache mit grammatikalischem Schwerpunkt beschränken. Prinzipiell wird in diesen Lehrwerken nicht auf die Metaebene eingegangen, und der/ die LernerIn sieht sich mit einem Aufbau konfrontiert, der den gegenwärtigen Erkenntnissen der Methodik und Didaktik nicht mehr entspricht: mit einer reinen Informationsquelle für Übungen, Grammatik und Wortschatz. Anzumerken ist jedoch, dass Lernende unter dem Begriff Lernreflexion nicht zwangsläufig die gleiche Vorstellung haben wie Lehrende oder FachexpertInnen. Aus diesem Grund ergab die Auswertung der Befragung der Studierenden bei treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik ein anderes Bild der gegenwärtigen Situation als es in Fachkreisen kommuniziert wird. Dies betrifft vor allem das Lehrwerk U č imo hrvatski 1&2: 87 % der 40 befragten Studierenden gaben an, dass das Lehrwerk keinerlei Lernstrategien aufweise. Als Lernstrategien wurden von den Studierenden, welche die Frage mit «Ja» beantworteten, die Anordnung des Lernstoffs, genügend Übungen und Lösungen sowie der Grammatikteil mit Erklärungen in Deutsch angeführt. Auf die Frage, ob das Lehrwerk Möglichkeiten zur Reflexion des eigenen Lernprozesses biete, reagierten 27 von 36 Studierenden mit «Nein». Als Möglichkeiten zur Lernreflexion wurden bei den Studierenden, die mit «Ja» antworteten, Dialogübungen, Bilder, Einsetzübungen und Vokabeltests am Ende der Lektion genannt (vgl. ebd., S. 129 f.). Französisch Bei den Lehrwerken für Französisch als Fremdsprache wird das Lehrwerk On y va! des Hueber Verlags herangezogen, da es in Richtung Lernreflexion und Lerntipps besonders gut aufgestellt ist. Im Vorwort der Autorinnen heißt es: In On y va! können Sie Ihren Lernweg selbst mitbestimmen. Das Journal d ’ apprentissage (Lerntagebuch) fasst die wesentlichen Lernziele jeder Lektion zusammen und gibt Ihnen die Möglichkeit, Ihren Lernfortschritt eigenständig zu überprüfen, sowie gezielt zu wiederholen. Mithilfe der Rubrik Nachdenken über das Lernen können Sie sich Ihre persönlichen Ziele und Lern- 170 Veronika Rezi ć <?page no="171"?> strategien bewusst machen. Viele Aktivitäten werden zudem von konkreten Lerntipps begleitet, die Sie sofort im Kontext der jeweiligen Aufgabe ausprobieren können. (Bernstein-Hodapp et al. 2008, S. 3) Diese Unterstützung erfolgt im Lehrwerk unauffällig und nicht fordernd. Ob man als Lernende/ r die Chance nützt und sich die verschiedenen Tipps durchliest, bleibt jedem/ r selbst überlassen. Das Lehrwerk bietet lediglich Vorschläge - was die Lernenden daraus machen, kann und soll nicht gelenkt werden. Die ersten Lerntipps findet man gleich zu Beginn in kleinen orangen Kästchen: Wollen Sie sich Namen besser merken? Dann verbinden Sie jeden Namen mit einer für Sie passenden Vorstellung (Bild, Bewegung oder Klang) und wiederholen Sie diese Vorstellung oft. So sollten Sie es auch mit französischen Wörtern oder Wendungen machen: Nehmen Sie sich Zeit zu visualisieren. (ebd., S. 11) Viel interessanter ist jedoch die Frage: Was beinhalten die Rubriken Nachdenken über das Lernen? Die hier gestellten Fragen sind eine Anregung zur Reflexion, bei der man sich mit anderen Lernenden austauscht, um zu sehen, wie ihre Antworten lauten: ● Warum lerne ich Französisch? ● Welche Ziele möchte ich erreichen? ● Was mache ich gern, wenn ich Französisch lerne? ● Wie merke ich mir am besten Vokabeln? ● Wie verbessere ich meine mündliche Kommunikation? ● Was bedeutet Grammatik für mich? Wie lerne ich Grammatik? ● Wie lese ich französische Texte? ● Wie arbeite ich mit der CD? ● Welche Schreibgewohnheiten habe ich? Um ein weiteres Lehrwerk für Französisch zum Vergleich heranzuziehen, wurde das Voyages des Klett Verlags ausgesucht. Hier wird in der Einleitung der Aufbau des Lehrwerks genau erklärt: Drei Lektionen heißen «Savoir-faire» und dienen der Wiederholung und Bestandsaufnahme. Hier finden Sie Strategien, die Ihnen das Lernen erleichtern, ein Spiel zur Wiederholung der Redemittel mit landeskundlichen Informationen und eine Möglichkeit zu Selbsteinschätzung nach dem Muster des Europäischen Referenzrahmens. (Jambon 2006, S. 6) In Voyages findet man bei allen drei Lektionen ein Wiederholungskapitel, das darauf abzielt, sich mit dem Lernen, der Landeskunde und der Selbsteinschätzung zu befassen. Die Frage Commment apprendre du vocabulaire? , die im ersten Kapitel gestellt wird, erinnert an das Lehrwerk Lernreflexion: Ein Moment für die Erwachsenenbildung 171 <?page no="172"?> On y va! , jedoch werden hier vorrangig Ratschläge zum Vokabellernen gegeben. Die Anregungen sind nützlich und gut, lassen Lernenden jedoch keinen Raum, um selbstständig nachzudenken und Ideen zu sammeln. Ein ergänzender Vorschlag wäre, dass bei einer Diskussion zu diesem Thema in Kleingruppen oder im Plenum noch mehr Tipps gesammelt werden, um den Lernenden das Denken nicht vorwegzunehmen. Die zwei weiteren Savoir-faire Lektionen beschränken sich ausschließlich auf das Wiederholen des Gelernten. Spanisch Das Lehrwerk Perspectivas des Cornelsen Verlags bietet in einigen Kapiteln Lerntipps, wie z. B. «Lernen Sie Vokabeln nach Themengebieten! Legen Sie sich ein Heft oder Lernkärtchen an und erweitern Sie Ihren themenspezifischen Wortschatz nach jeder Einheit! » (Amann Marín et al. 2009, S. 56). Im Kapitel Opción finden Lernende Spiele (Aprender jugando) und Anleitungen, wie man spielerisch lernen kann. Dabei wird versucht, einen unterhaltsamen Zugang zum Lernen zu ermöglichen. Eine weitere Unterteilung dieses Kapitels ist die Rubrik Aprender mejor, in der Lernende angeleitet werden, mit Lernkarten zu arbeiten. Es wird beschrieben, wie die Lernkartei gestaltet und nach welchen Kriterien sie unterteilt werden kann. In einem späteren Kapitel werden Strategien zur Bedeutungserschließung von neuen Wörtern vorgestellt und der Umgang mit einem zweisprachigen Wörterbuch erklärt. Das Perspectivas beschränkt sich nur auf Ratschläge und präsentiert den Lernenden ein fertiges Rezept mit Anleitung, das leicht umgesetzt werden kann. Das Lehrwerk Vía rápida des Klett Verlags steht den Lernenden beratend zu Seite, indem es mehrmals innerhalb einer Lektion Ratschläge für den Umgang mit der Sprache oder mit dem Lernen gibt: «Wir ziehen unsere Muttersprache oder eine Fremdsprache heran, um die Bedeutung unbekannter Wörter zu erschließen: adaptarse: to adapt (Englisch); atractivo: attraente (Italienisch)» (Ainciburu/ Gonzalez Rodríguez 2011, S. 53). In späteren Kapiteln werden auch Fragen gestellt, wie z. B. «Welche Wörter konntest du am besten behalten? Lernst du eher Wörter, die du liest oder die du hörst? Das sagt viel über deinen bevorzugten Lernstil aus. Ist er dir schon bekannt? » (ebd., S. 54). Im Lehrwerk eñe des Hueber Verlags findet man am Ende eines jeden Kapitels die Seite ¡Ya lo sabes! , die nur in Deutsch verfasst und in drei Rubriken unterteilt ist: ● Das kann ich schon! 172 Veronika Rezi ć <?page no="173"?> ● Mein Dossier. ● So lerne ich leichter. In der letzten Kategorie sind 38 Lerntipps untergebracht, wie z. B.: Eine Sprache lernt man mit allen Sinnen: durch Hören, durch Sehen, durch Sprechen - und auch durch Bewegung. Zahlen kann man sich besonders gut merken, wenn man sie mit regelmäßigen Bewegungen verknüpft. So können Sie z. B. bei jedem Treppensteigen die einzelnen Stufen auf Spanisch mitzählen. (González Salgado 2007, S. 36) Italienisch Beispielhaft auf dem Gebiet, wie man erfolgreich lernreflektierende Übungen oder Fragen in ein Lehrwerk einbinden kann, ist das Buch UniversItalia von Carrara Elena. Hier findet man am Ende eines jeden Kapitels eine Seite, die die Autorin bilancio nennt und die ab dem elften Kapitel in Italienisch geführt wird. Auf dieser Seite heißt es: Am Ende dieser Einheit kann ich . . . ● erzählen, was ich an einem bestimmten Tag tun muss, will oder kann, ● eine Mail mit allgemeinen Informationen über den üblichen Tagesablauf eines Studenten verstehen, ● über meinen Tagesablauf berichten, ● erzählen, mit welcher Häufigkeit ich etwas mache, ● über regelmäßige Tätigkeiten in der Woche berichten. (ebd., S. 45) Dazu findet man Hinweise (Nummerierungen), in welcher Übung diese Themen bearbeitet werden, sowie eine Abstufung durch Emoticons (  ,  ,  ) zur leichteren Selbsteinschätzung. In weiterer Folge bietet das bilancio Einleitungen für die Gestaltung eines Lerntagebuchs, die sich hauptsächlich auf das Lernen der italienischen Sprache beziehen: ● Fünf Wörter dieser Lektion, die für mich besonders wichtig sind . . ., ● Drei Wörter, die mir vom Klang her besonders gut gefallen haben . . ., ● Was mir gut gefallen hat, ist . . ., ● Was ich noch üben sollte . . ., ● Meine Mitarbeit im Unterricht war . . . (ebd.) Im dritten Punkt des bilancio wird das Sprachenlernen reflektiert: ● Warum lernen Sie Fremdsprachen? ● Ihr persönlicher Lehrplan für Italienisch: Welche Ziele möchten Sie erreichen? In welchem Zeitraum? Lernreflexion: Ein Moment für die Erwachsenenbildung 173 <?page no="174"?> ● Welche Prioritäten haben Sie beim Lernen? ● Welche der folgenden Techniken hilft Ihnen am besten, unbekannte Wörter in einem Text zu erschließen? 1. Wörter aus der Muttersprache oder aus anderen Fremdsprachen ableiten, 2. Wörter aus ihren Bestandteilen erschließen, 3. Wörter aus dem Kontext verstehen. ● Sind Sie ein fleißiger Student? Welche dieser Aktivitäten machen Sie? → Ich versuche, alleine die Grammatikregeln zu erschließen und schreibe mir immer einen Beispielsatz in mein Heft. - Ich mache immer alle Übungen, notiere mir die häufigsten Fehler und versuche diese auszumerzen, indem ich noch mehr Übungen mache. ● Ich kann Wörter besonders gut behalten, . . . → die ich laut ausspreche - die ich oft nachspreche - die ich mehrmals wiederhole - die ich auf Bildern wieder erkenne - die ich fühle - die komisch klingen - die mich interessieren (. . .) ● Wie lernen Sie neue Wörter? → Hier ist eine Liste von Vokabeln, die der Lektion entnommen sind. Sie haben zwei Minuten Zeit, um sich diese Wörter einzuprägen. Decken Sie danach die Liste zu und schreiben Sie alle Wörter auf, an die Sie sich erinnern. (ebd.) Im vierten und letzten Abschnitt des bilancio versucht die Autorin, den Lernenden Hilfestellungen zur Erstellung eines eigenen Portfolios zu geben. Sie nennt dies Für mein Dossier und stellt, passend zu der erarbeiteten Lektion, Aufgaben an die Lernenden: Sie haben eine/ n Freund/ Freundin mit einem sehr ungesunden Lebensstil! Schreiben Sie ihm/ ihr die <zehn Gebote> eines gesunden Lebensstils und versuchen Sie ihn/ sie zu überzeugen, warum er/ sie Ihren Ratschlägen folgen soll. (ebd., S. 138) Im Vergleich zu den anderen Lehrwerken widmet sich das UniversItalia ausführlich und aufbauend dem Thema Reflexion. In solchem Umfang eröffnet es den Lehrenden die Möglichkeit, diese Seite am Ende eines Kapitels schematisch und übersichtlich in den Unterricht zu integrieren und auf diese Art die Lernenden an das Thema heranzuführen. 174 Veronika Rezi ć <?page no="175"?> Möglichkeiten, wie reflexives Lernen in die Praxis integriert werden kann In der Aus- und Weiterbildung sind Lernende überwiegend selbst für ihren Fortschritt verantwortlich. Lehrende stellen zwar das Material zur Verfügung und versuchen, durch einen abwechslungsreichen Unterricht den Lernstoff in kürzester Zeit zu bewältigen, dennoch bleibt es jedem/ r Einzelnen überlassen, sich um seine/ ihre Entwicklung als selbstständige/ r LernerIn zu bemühen. Dabei können Reflexion und Analyse des eigenen Lernverhaltens behilflich sein, um zu erkennen, wo die eigenen Prioritäten liegen, was bereits gut beherrscht wird, wo noch Aufholbedarf besteht. Reflexion sollte zur Gewohnheit werden, da sie den Lernenden auch in anderen Lebensbereichen helfen kann. Anbei finden sich einige Möglichkeiten, wie man das eigene Lernen reflektieren kann. Unabhängig davon, welche Hilfestellung man auswählt, ist es von Bedeutung, dass man ehrlich zu sich selbst ist. Wenn man in einem Bereich schlecht vorbereitet ist, wäre es vor allem wichtig, sich Gedanken über die Gründe zu machen. Dies bedeutet in weiterer Folge, den Umstand schlecht vorbereitet zu sein zu definieren: Ist man schlecht vorbereitet, weil man zu wenig Zeit in das Fach (Arbeit, Projekt) investiert hat? Ist man schlecht vorbereitet, weil man zu wenig gelernt hat? Ist man schlecht vorbereitet, weil man Defizite in anderen Bereichen hat? Falls Lernende Schwierigkeiten bei der Selbsteinschätzung haben oder dazu neigen, sich zu über- oder unterschätzen, dann sollten sie am besten auf vorgefertigte Fragebögen zurückgreifen. Dabei ist es wesentlich, seine/ ihre Gedanken niederzuschreiben, denn der Schreibprozess hilft dem/ r LernerIn dabei, seine/ ihre Gedanken besser zu strukturieren und umzusetzen. Weiters ermöglicht es dem/ r Lernenden seine/ ihre Entwicklung leichter zu beobachten sowie den Fortschritt besser einzuschätzen. Natürlich können diese Reflexionsaufgaben ebenfalls mündlich bewältigt werden, jedoch nimmt sich der/ die Lernende auf diese Weise die Möglichkeit, später seine/ ihre Gedanken nachzulesen. In weiterer Folge werden nun Beispiele angeführt, auf welche Weise das Thema der Reflexion in den eigenen Unterricht eingebunden werden kann. Dabei ist es unwesentlich, welche Form gewählt wird. Die Fragen bleiben ähnlich und ermöglichen den Lehrenden, sie beliebig auszutauschen. Viel entscheidender ist, dabei zu beachten, dass die Form dem eigenen Unterricht angepasst und auf diesen abgestimmt wird: ● Lerntagebuch, ● Fragebogen, ● Portfolio, Lernreflexion: Ein Moment für die Erwachsenenbildung 175 <?page no="176"?> ● Selbsteinschätzungsbogen, ● Feedback von anderen TeilnehmerInnen. Fragebögen und Selbsteinschätzungsbögen können ohne großen Aufwand in jedem Unterricht beliebig oft angewendet werden. Ihr Nachteil ist, dass sie lediglich eine punktuelle Aussagekraft haben. Der Einsatz von Portfolios und Lerntagebüchern bedarf hingegen einer Unterrichtsgestaltung, die auf das individuelle Lernen ausgerichtet ist und vergleichsweise hohe Anforderungen an die Reflexionsfähigkeit der Lernenden stellt. Lerntagebuch Ein Lerntagebuch kann jede/ r Lernende selbst anlegen (fächerübergreifend und für das ganze Semester) oder der Lehrende kann ihm/ ihr eines für den betreffenden Kurs zur Verfügung stellen. Falls das Lerntagebuch vom Lehrenden vorgeschlagen wird, möge in der ersten Stunde betont werden, dass die Häufigkeit der Einträge nicht in die Leistungsbeurteilung einfließt. Jede/ r soll und muss für sich entscheiden, inwiefern ihn/ sie diese Reflexionsaufgabe interessiert und welchen persönlichen Nutzen er/ sie daraus ziehen kann. Dabei werden die Einträge nicht nach dem Schema richtig/ falsch kategorisiert, denn die Lernenden können brauchbare Schlussfolgerungen aus den niedergeschriebenen Gedanken ziehen, auch wenn der Lehrende darin keinen Sinn erkennt. Die obligatorischen Fragen, die in den ersten Einheiten der Lehrveranstaltung vorgegeben werden, betreffen vorrangig das Thema Motivation: ● Aus welchen Beweggründen hast du dich entschlossen, diese Lehrveranstaltung zu besuchen? ● Warum hast du dich für diese Lehrveranstaltung (Sprache, Kurs, Studium) entschieden? ● Was erwartest du dir von diesem Kurs? ● Welches Ziel hast du dir gesetzt? ● Gibt es etwas (einen Gegenstand, eine Geschichte), das du mit dieser Lehrveranstaltung verbindest? ● Wie viele Stunden in der Woche möchtest du für diesen Kurs investieren? Ein weiteres Anliegen ist es, dass die Lernenden ihre Lernerfahrung (vor allem mit Fremdsprachen) bis zu diesem Zeitpunkt reflektieren: ● Welche Sprachen hast du bis jetzt gelernt? ● Bei welcher Sprache war deine Begeisterung am höchsten? Warum? 176 Veronika Rezi ć <?page no="177"?> ● Wie waren deine Erfahrungen? ● Was blieb dir vom Fremdsprachenunterricht besonders gut in Erinnerung? ● Woran erinnerst du dich nicht so gerne? In der Folge wird explizit auf das Thema Lernen eingegangen: ● Welche Arbeitsatmosphäre schaffst du für dich, wenn du lernst? ● Lernst du zu einer bestimmten Tageszeit besser? ● Lässt du dich leicht ablenken (Musik, Lärm, Handy, Internet)? ● Machst du Pausen? Wie oft? ● Wie lernst du Vokabeln? ● Gibt es andere Möglichkeiten, Vokabeln zu lernen? ● Wie liest du einen Text? ● Was machst du, wenn du viele Wörter im Text nicht verstehst? ● Wie bereitest du dich auf eine Prüfung vor? Hierbei geht es nicht darum, dass Lehrpersonen sich die Antworten ansehen und überprüfen, sondern vielmehr, dass Lernende dazu angehalten werden, sich über ihr Lernen und ihren Lernprozess Gedanken zu machen. Anschließend können Lernende die Antworten in Gruppen besprechen, da diese soziale Form ihnen ermöglicht, sich mit anderen auszutauschen, andere Strategien kennenzulernen oder anderen Lernenden weiterzuhelfen. Der Erfahrungsaustausch ist von Bedeutung, weil über dieses Thema kaum gesprochen wird. Viele Lernende denken, dass es nur einen Weg beim Lernen gibt. Deshalb ist es gut, wenn sie in einer Diskussion mit anderen sehen, welche Möglichkeiten ihnen noch offen stehen. Es wäre wünschenswert, ihnen dafür einen entsprechenden zeitlichen Rahmen zu geben. Zu Beginn oder am Ende einer Einheit reichen schon fünf bis zehn Minuten, um einen Austausch anzuregen, der außerhalb der Lehrveranstaltung weitergeführt werden kann. Abschließend sollen im Verlauf des Semesters die niedergeschriebenen Gedanken nachgelesen werden, damit der Lernprozess und die Fortschritte kommentiert und dokumentiert werden können. Portfolio Übersetzt man den Begriff Portfolio aus dem Französischen (portefeuille) und Italienischen (portafoglio), so meint man damit eine Brieftasche oder Mappe. In der Berufswelt existiert dieser Begriff seit Längerem und bedeutet eine Sammlung von Diplomen und Dokumenten, mit deren Hilfe man die eigenen Fähigkeiten veranschaulichen und nachweisen kann. Für viele Berufsgruppen (ArchitektInnen, JournalistInnen) ist diese Lernreflexion: Ein Moment für die Erwachsenenbildung 177 <?page no="178"?> Mappe eine Voraussetzung, die sie bei Vorstellungsgesprächen den möglichen AuftraggeberInnen vorlegen. Im Bildungsbereich versteht man unter dem Begriff Portfolio ebenfalls eine Sammelmappe, in der die Lernenden ihre Lernerfolge sichtbar machen. Sie enthält gelungene Arbeiten, Reflexionen, Zeugnisse und Prüfungsbescheinigungen zur Information und Dokumentation. Ein Portfolio hilft dabei, den eigenen Lernweg zu beschreiben, darüber nachzudenken, ihn bewusst zu planen und seine Lernstrategien zu verbessern. Für die Arbeit mit Portfolios im Fremdsprachenunterricht eignet sich das Europäische Sprachenportfolio mit dem Sprachenpass. Das Europäische Sprachenportfolio (ESP) wurde von der Language Policy Division des Europarats herausgegeben, mit dem Ziel, Sprachenlernenden als Lernbegleiter und Selbstevaluationsinstrument zu dienen. Die Arbeit mit dem ESP im Fremdsprachenunterricht fördert Mehrsprachigkeit und Sprachbewusstsein, sie leitet zur Reflexion an und dient damit der Entwicklung von lebensbegleitendem, autonomem Lernen. Das Österreichische Sprachen-Kompetenz-Zentrum in Graz hat drei verschiedene Modelle des ESP entwickelt, die an österreichischen Schulen pilotiert wurden (vgl. Newby et al. 2005): ● ESP-G (Grundschule), ● ESP-M (Sekundarstufe I, Mittelstufe), ● ESP 15+ (Sekundarstufe II AHS/ BMHS gemeinsam mit dem CEBS). Das Sprachenportfolio besteht aus folgenden drei Teilen, die sich auf die Referenzrahmenbeschreibungen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER) beziehen: ● Sprachenpass, ● Sprachenbiographie, ● Arbeitsdossier. Der Sprachenpass verschafft einen Überblick über die Sprachkenntnisse, gemessen an den Niveaustufen (A1-C2) des Referenzrahmens. Die Sprachenprofile im Sprachenpass und die Kann-Beschreibungen in den Checklisten der Sprachenbiographie beziehen sich auf den Raster zur Selbstbeurteilung des GER in den Fertigkeiten Hören, Lesen, an Gesprächen teilnehmen, zusammenhängendes Sprechen und Schreiben auf sechs ansteigenden Niveaus. Die Sprachenbiographie beinhaltet den Blick auf das ICH und die erworbenen Sprachen, man nimmt Erfahrungen wahr, dokumentiert und strukturiert sie. Es wird der Zugang der Lernenden zu den verschiedenen Sprachen, die ihnen im Laufe ihres Lebens begegnet sind, aufgezeigt. Der 178 Veronika Rezi ć <?page no="179"?> Lernende soll das eigene Lernen reflektieren und sich fragen: Wie lerne ich am erfolgreichsten? Dabei wird versucht, erfolgreiche Lernwege zu finden und sich auch die Lernstrategien bewusst zu machen. In weiterer Folge können die persönlichen Lernziele und nächsten Schritte festgelegt werden. Die Selbsteinschätzung der eigenen Sprachkenntnisse mithilfe der Checklisten erleichtert die Definition der eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie die Einschätzung der Lernfortschritte. Das Dossier, auch Arbeitsdossier oder Präsentationsdossier genannt, ist eine Sammlung persönlicher Arbeiten, die anschaulich und repräsentativ zeigt, welche Leistungen in den einzelnen Sprachen erbracht wurden. Dabei werden die Entstehung eines Dokuments und die Arbeitsweise reflektiert. In diesem Sinne hat das ESP zwei Hauptaufgaben: Zum einen ist es ein Vorzeigeinstrument, zum anderen ein Wegbegleiter. Seine drei inhaltlichen Schwerpunkte im Unterricht sind somit Mehrsprachigkeit, Lernstrategien und Selbsteinschätzung. Das für diesen Beitrag relevante Thema der Lernstrategien regt Lernende an, folgende Fragestellungen zu reflektieren: Was hilft mir beim Lernen? Wie erarbeite ich den Wortschatz und die Fertigkeiten Hören, Lesen, Sprechen und Schreiben am besten? Viele Lernende bedenken nicht, dass sie für eine neue Fremdsprache unbewusst (Sprach)Lernstrategien nutzen, die sie sich bei früheren Lernerfahrungen angeeignet haben. Warum soll man Lernstrategien explizit und systematisch vermitteln? Wenn man eigene Lernstrategien dokumentiert, wird man den eigenen Lerntyp erörtern, außerdem kann man Lernstrategien trainieren, neue ausprobieren und sie von einem Fach beziehungsweise einer Sprache zur anderen transferieren. Abb. 2: Strategien zur Verbesserung meiner schriftlichen Arbeiten (Nezbeda/ Annau 2008, S. 19) Strategien zur Verbesserung meiner schriftlichen Arbeiten Welche Fehler habe ich bei Hausübungen, Tests, Aufsätzen, Buchbesprechungen, Handouts für Präsentationen, etc. immer wieder gemacht? Waren es Flüchtigkeitsfehler, oder habe ich die Regeln nicht verstanden? Wie kann ich Flüchtigkeitsfehler reduzieren oder vermeiden? Welche Regeln stelle ich dabei für mich persönlich auf (z. B. bessere Konzentration, gezieltes Durchlesen der Arbeit auf ganz bestimmte Fehler . . .)? Lernreflexion: Ein Moment für die Erwachsenenbildung 179 <?page no="180"?> Strategien zur Verbesserung meiner schriftlichen Arbeiten Was nehme ich mir vor, um mein Wissen über die Regeln zu erhöhen? Welche Materialien brauche ich zu welchen bestimmten Problembereichen (Grammatikbuch, Wörterbuch, Lernsoftware)? Wo kann ich noch Hilfe bekommen (KollegInnen, Lerngruppe, LehrerIn . . .)? Was nehme ich mir außerdem vor, um meine schriftlichen Arbeiten zu verbessern (z. B. beim Hören oder Lesen von Texten auf bestimmte Strukturen achten, Korrektur lesen und überarbeiten, konkrete Teilziele für die nächste Woche setzen . . .)? Das Portfolio liegt für verschiedene Altersstufen, vom Kindergartenalter bis zum Erwachsenenalter, vor. Zu erwähnen ist jedoch, dass es sowohl an Schulen als auch in der Erwachsenenbildung zu wenig verwendet wird. Man übergibt es den Lernenden zur eigenen Handhabung, in der Hoffnung, dass sie sich damit auseinandersetzen. Viel sinnvoller wäre es, das Portfolio von Zeit zu Zeit in den Unterricht einzubinden. Fragebögen Lernreflexion kann mit einfachen Mitteln in den Unterricht integriert werden, wofür sich besonders gut Beobachtungs- oder Selbsteinschätzungsbögen eignen. Hierbei können Fragebögen mit offenen Fragen zum Reflektieren über die eigenen Stärken und Schwächen oder Selbsteinschätzungsbögen mit vorgefertigten Antworten herangezogen werden. Fragebögen eignen sich besonders gut für den Unterricht mit einem Skriptum, da diese - ähnlich wie bei den Lehrwerken - am Ende eines Kapitels hinzugefügt werden können. Von Bedeutung ist es, dass die Fragen nach einiger Zeit wiederholt und noch einmal ausgefüllt werden, um den eigenen Lernprozess optimal zu beobachten. Dabei werden dieselben Fragen wie beim Lerntagebuch verwendet sowie einige weitere, bei denen die Reihenfolge variabel ist: ● Wie schätze ich mich in dieser Lehrveranstaltung ein? ● Wie begründe ich meine Einschätzung? ● In dieser Lehrveranstaltung bin ich besonders gut in . . .? ● Warum bin ich in diesem Bereich gut? ● Wo sehe ich noch Verbesserungspotenzial? ● Wie begründe ich diese Einschätzung? 180 Veronika Rezi ć <?page no="181"?> ● Was muss ich leisten, um mich in dieser Lehrveranstaltung zu steigern? ● Wie kann ich diese Veränderungen umsetzen? Wie viel Zeit gebe ich mir dafür? ● Was habe ich seit Beginn der Lehrveranstaltung gelernt oder in welchen Bereichen habe ich mich verbessert? ● Woran erkenne ich meinen Lernfortschritt? Selbsteinschätzungsbögen Hierbei handelt es sich um vorgefertigte Fragebögen, die von den Lehrenden entweder ausgeteilt oder online zur Verfügung gestellt werden können. Wie bei den Fragebögen ist es angebracht, die Fragen nach einiger Zeit zu wiederholen, um den eigenen Lernprozess bestmöglich beobachten zu können. immer oft manchmal selten nie 1. Es fällt mir schwer, mit dem Lernen überhaupt anzufangen. 2. Ich plane meine Arbeitsschritte. 3. Ich lerne an einem Ort, an dem ich ungestört bin. 4. Mein Arbeitsplatz ist aufgeräumt. 5. Ich lerne ohne lange Pausen durch. 6. Das Lernen unterbreche ich durch andere Dinge, z. B. telefonieren, etwas essen. 7. Wenn ich lerne, plane ich gezielt Pausen ein. 8. Es fällt mir schwer, nach einer Pause wieder mit dem Lernen anzufangen. 9. In der Pause belohne ich mich für meine Lernphasen. 10. Ich glaube, dass ich in einer anderen Art und Weise lernen sollte. Lernreflexion: Ein Moment für die Erwachsenenbildung 181 <?page no="182"?> immer oft manchmal selten nie 1. Ich arbeite selbstständig und konzentriert. 2. Ich verwende gerne Unterlagen von KollegInnen. 3. Ich bitte gezielt um Hilfestellung von anderen. 4. Ich verwende Nachschlagewerke und benutze oft das Internet. 5. Am besten lerne ich mit meinen eigenen Unterlagen. 6. Ich arbeite ausdauernd und konzentriert. 7. Meine Eltern helfen mir bei den Hausaufgaben. 8. Während des Unterrichts stelle ich keine Fragen, weil die anderen Lernenden diese Fragen dumm finden könnten. 9. Ich lasse mich leicht von anderen verunsichern. 10. Ich lerne gerne in Lerngruppen. immer oft manchmal selten nie 1. Ich führe meine Unterlagen sorgfältig und ordentlich. 2. Für das Lernen verwende ich Lernkärtchen. 3. Bevor ich mit dem Lernen beginne, schreibe ich mir noch einmal alles zusammen. 4. Um mir einen Überblick über den Lernstoff zu verschaffen, gestalte ich eine Mind-Map. 5. Ich ordne meinen Lernstoff, bevor ich mit dem Lernen beginne. 182 Veronika Rezi ć <?page no="183"?> immer oft manchmal selten nie 6. Beim Lesen eines Textes erkenne ich das Wesentliche auf Anhieb. 7. Ich verwende die Zusammenfassung von anderen KollegInnen, um den Lernstoff zu bewältigen. 8. Ich bin faul. 9. Ich weiß immer, wo sich meine Unterlagen befinden. 10. Beim Lernen verwende ich unterschiedliche Unterlagen (Skriptum, Nachschlagewerke, Internet, etc.) und nicht nur die eigenen. immer oft manchmal selten nie 1. Der Zeitdruck bei Prüfungen macht mir zu schaffen. 2. Ich habe Angst vor Prüfungen. 3. Bei Prüfungen vergesse ich Dinge, die ich vorher genau gekonnt habe. 4. Oft vergesse ich Vokabeln, die ich am Tag davor noch sehr gut beherrscht habe. 5. Während der Prüfung lasse ich meine Gedanken schweifen. 6. Ich ärgere mich selbst, wenn ich vor einer Prüfung zu wenig gelernt habe. 7. Nach einer Prüfung bin ich mit meiner Vorbereitung zufrieden. 8. Wenn ich bei einer Prüfung eine Antwort nicht weiß, sage ich auch nichts. 9. Wenn der Test zu schwierig ist, gebe ich auf und schreibe ihn nicht fertig. Lernreflexion: Ein Moment für die Erwachsenenbildung 183 <?page no="184"?> immer oft manchmal selten nie 10. Nach der Prüfung habe ich das Gelernte schnell wieder vergessen. Feedback von anderen Die Feedback-Kultur entwickelt sich zu einer wichtigen Reflexionsmethode sowohl im Bildungsbereich als auch in der Berufswelt. Dabei ist es die größte Kunst, jemandem ehrlich zu sagen, wie man ihn/ sie (sein/ ihr Projekt, seinen/ ihren Lernprozess oder seine/ ihre Arbeit) sieht, ohne ihn/ sie dabei zu verletzen. Um junge Menschen bestmöglich darauf vorzubereiten, sollte diese Methode verpflichtend in den Unterricht eingeführt und die Regeln dafür aufgestellt werden. Dabei ist es wesentlich, dass Feedback ● konkret, ● beschreibend, ● zielorientiert, ● subjektiv, ● konstruktiv und ● nicht nur negativ sein sollte. Zu beachten ist auch, dass der/ die EmpfängerIn ● sich nicht rechtfertigen oder verteidigen, ● den anderen ausreden lassen und ● dankbar für das Feedback sein soll. Im Unterricht eignet sich das Peer-Feedback besonders gut als Einstiegsmöglichkeit in das Thema Lernreflexion. Dabei stellen sich zwei LernerInnen gegenseitig ihren Lernprozess vor und analysieren diesen. Als Diskussionsgrundlage kann ein generelles Thema (z. B. Motivation) oder eine in diesem Beitrag vorgestellte Frage herangezogen werden. Bei diesem Austausch wäre es wünschenswert, dass Lernende untereinander kommunizieren, welche Anforderungen erwartet werden und wie sie diese erfüllen können. Der Vorteil liegt darin, dass die Außenperspektive eines/ r Lernpartners/ Lernpartnerin möglicherweise eher akzeptiert wird als die Perspektive des/ r Lehrenden. 184 Veronika Rezi ć <?page no="185"?> Fazit und Ausblick Zum Thema Lernreflexion kann zusammenfassend gesagt werden, dass die Selbstbeobachtung des Lernverhaltens nicht die Lösung für alle Lern- und Entscheidungsschwächen ist, die Kinder, Jugendliche und Erwachsene heutzutage aufweisen. Sie ist lediglich eine Hilfestellung und bietet jedem/ r Einzelnen die Möglichkeit, sich mit dem eigenen Lernverhalten auseinanderzusetzen. Es ist naiv vorauszusetzen, dass Lernschwächen nur den Unterricht betreffen. Wenn diese Schwierigkeiten zu einem frühen Zeitpunkt nicht bewältigt werden, setzen sie sich in allen Segmenten unseres Lebens fort. Vor allem ist es bei diesem Thema wichtig, Lehrende dafür zu sensibilisieren, Lernreflexion in den Unterricht zu integrieren und auf diese Weise den Lernenden die Gelegenheit zu bieten, sich damit zu beschäftigen. Lernreflexion bietet den Lernenden viel mehr als nur über das eigene Lernverhalten und den Lernprozess nachzudenken, denn indem das eigene Lernverhalten reflektiert wird, eröffnet sich die Chance, viele Informationen über die eigene Persönlichkeit zu sammeln. Gewisse Verhaltensmuster zeigen sich nicht nur in einem Bereich (z. B. Lernen). Wenn Hausübungen unzureichend und schnell erledigt werden, spiegelt sich dieses Verhaltensmuster in anderen Aufgabenfeldern wider. Wenn man nur die Hälfte des Prüfungsstoffes lernt, sollte man sich fragen, ob diese ungenaue Arbeitsweise in anderen Bereichen des Lern- und Arbeitsalltags zu finden ist. Die Einschätzung der eigenen Leistung mithilfe diverser Frage-, Evaluations- und Einschätzungsbögen ist als sinnvoll zu erachten, zumal die Wahrnehmungsfähigkeit für das eigene Lernen verbessert wird, die Lernenden ihre eigenen Stärken und Schwächen erkennen und damit gute Voraussetzungen für den Erwerb von Lernstrategien geschaffen werden. Lehrwerke werden auch in Zukunft viel mehr auf Lernreflexionen zurückgreifen, denn bedingt durch die Veränderung der Gesellschaft, in der immer weniger Zeit für einen selbst - aber ebenso für die eigenen Kinder - bleibt, wird ein Rahmen geschaffen werden müssen, der uns eine solche Auseinandersetzung mit uns selbst ermöglicht. 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Diese allgemeinen Anforderungen und Herausforderungen werden im Erfahrungsbericht aus Sicht der E-Tutorin aufgenommen, die die Besonderheit des Settings im Interactive Virtual Classroom hervorhebt und für die Leserschaft unterschiedliche Unterrichtserfahrungen der letzten Jahre bereithält. Einleitung Viele Hochschulen stehen veränderten gesellschaftlichen Strukturen gegenüber: Studierende sehen sich neben ihrem Studium mit zusätzlichen Herausforderungen konfrontiert, sind berufstätig, wohnen vom Studienort entfernt oder nehmen Betreuungspflichten wahr. Die Universitäten, die sich gerade im deutschsprachigen Raum nicht selten auf ihren Status als Präsenzhochschulen berufen, können diesen Veränderungen nur langsam entsprechen (vgl. Kerres et al. 2005). Der Einsatz neuer Medien im Sinne einer mediengestützten Lehre leistet einen wichtigen Beitrag, den Forderungen nach Flexibilität und Unabhängigkeit im Sinne der Ermöglichung eines zeit- und ortsunabhängigen Lernprozesses ohne Lehrsäle und fixe Stundenpläne nachzukommen (vgl. Kopp et al. 2013). Ein erster Schritt in diese Richtung stellt das Bereitstellen einer Lernplattform dar, auf der Materialien und dazugehörige Übungen und Aufgaben zugänglich gemacht werden. Ein zweiter Schritt ist in Lehrveranstaltungsübertragungen und -aufzeichnungen zu sehen, wie <?page no="190"?> sie gerade in Massenstudien, beispielsweise an der Universität Graz oder der Technischen Universität Graz, den Studierenden zur Verfügung gestellt werden (vgl. ebd.). Ein dritter Schritt besteht darin, nicht nur Lehrveranstaltungen, vor allem Vorlesungen, aufzuzeichnen und sie auf Lernplattformen oder Podcast-Portalen anzubieten, sondern ganze Kurse auf die Übertragung und Aufzeichnung hin zu designen. Dieser Schritt wurde mit dem Interactive Virtual Classroom, der am treffpunkt sprachen 2011 als Projekt ins Leben gerufen wurde, realisiert. Das von Bourgadel (vgl. 2013) beschriebene Lehrveranstaltungsformat zeigt deutlich, dass Online-Lehre funktionieren kann, wenn bestimmte Rahmenbedingungen beachtet werden und das didaktische Setting stimmt. Dabei spielt die Betreuung der Online-Studierenden eine zentrale Rolle und soll im folgenden Beitrag näher beschrieben werden. Kommunikation und Interaktion als Schlüssel zum Lernerfolg Online-Lehre und Online-Lernen gewinnen als Phänomene immer mehr an Bedeutung, wie auch der aktuelle Boom der aus Nordamerika stammenden MOOCs, sogenannter Massive Open Online Courses, zeigt. Diese offenen Online-Kurse zeichnen sich vor allem durch ihre hohe Anzahl an Teilnehmenden aus und scheinen sich gerade im Bereich der Hochschullehre als neue Form des Wissenserwerbs und der Wissensvermittlung zu etablieren. So sieht der jährlich erscheinende Horizon Report, der Entwicklungen und Trends im Bereich von Unterricht und Lehre analysiert und beschreibt, in seiner Ausgabe aus dem Jahr 2013 MOOCs als eine Entwicklung an, die sich kurzfristig, also mit einem Zeithorizont von maximal einem Jahr, im Bereich der Hochschullehre durchsetzen wird. Diesen MOOCs, unabhängig davon ob sie auf behavioristisch orientierte Instruktion oder konstruktivistisch orientierten Konnektivismus aufbauen, ist nicht nur gemein, dass sie eine hohe Anzahl an Teilnehmenden ansprechen, sondern auch eine besonders hohe Abbruchrate aufweisen. Lediglich zwischen zwei und zehn Prozent schließen die Kurse auch wirklich ab (vgl. Yang et al. 2013). Diese hohe Quote ergibt sich unter anderem aufgrund der unterschiedlichen motivationalen Aspekte, einen MOOC zu besuchen, die vom bloßen Interesse am Thema bis hin zum Erwerb einer Teilnahmebestätigung reichen und verschiedene Partizipationsgrade von inaktiv bis aktiv zur Folge haben (vgl. Haug/ Wedekind 2013). Andere sehen die Erklärung in der Lernsituation und im Lernprozess der Lernenden, die beim mediengestützten Lernen 190 Elke Lackner <?page no="191"?> und besonders in der Online-Lehre auf sich alleine gestellt sind, sich selbst organisieren müssen und dabei nicht selten den Überblick über die bereitgestellten Lernressourcen verlieren und in weiterer Folge ein Gefühl der Überforderung entwickeln (vgl. Kerres 2012, S. 161 ff.). Die fehlende Interaktion und Kommunikation mit den Mitstudierenden, aber auch den Lehrenden, werden dabei als Hinderungsgrund gesehen, der für einen nicht-einsetzenden Lernprozess und schließlich das Abbrechen des Kurses verantwortlich zeichnet. Khalil und Ebner (vgl. 2013) betonen dabei nicht nur die Wichtigkeit der Interaktion unter den Lernenden, sondern auch die unter den Lernenden und Lehrenden sowie den Lernenden und den verwendeten Materialien. Ähnlich sehen es Ebner et al. (2013, S. 158), wenn sie die Bedeutung von Kommunikation im Lernprozess hervorheben: Zwar kann das isolierte Aneignen von Informationen in manchen Fällen ausreichen, insbesondere für komplexe Themen und kompetenzorientiertes Lernen ist Kommunikation für das (technologiegestützte) Lernen jedoch essentiell: Sozial-konstruktivistische Lerntheorien gehen davon aus, dass der Wissensaufbau vor allem an aktive Teilnahme und Partizipation gebunden ist. (ebd.) Dies trifft auf den Präsenzunterricht genauso zu wie auf die Bereitstellung von Online-Lernumgebungen, die folglich beide das Ziel haben, «die Aktivität und Konstruktivität der Lernenden zu fördern» (Gräsel et al. 1997, S. 6). Der Austausch unter den Studierenden soll genauso ermöglicht und gefördert werden wie der Austausch zwischen Lehrperson und Lernenden. So stellt Schulmeister (2006) für das Lernen fest: «Kommunikation ist Dialog, Dialog impliziert Rückmeldung, Lernen basiert auf Verstehen, Verstehen benötigt Rückmeldung. Ohne Rückmeldung ist demnach Lernen nicht möglich». Das Ermöglichen von funktionierender Kommunikation und Interaktion ist somit eine Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Lernprozess, sowohl im traditionellen Präsenzals auch im Online-Unterricht. Anforderungen an den/ die E-TutorIn Gerade das Erlernen einer Sprache bedarf der von Schulmeister angesprochenen Elemente des Dialogs und der Rückmeldung, um einen erfolgreichen Lernprozess zu ermöglichen, denn «il ne faut pas oublier que les étudiants souhaitent en premier lieu acquérir des compétences orales et verbales» (Bourgadel 2013, S. 275). Kompetenzorientierter Sprachunterricht, der stark kommunikativ ausgerichtet ist, um neben den rezeptiven Interactive Virtual Classroom: ein Erfahrungsbericht aus Sicht der E-Tutorin 191 <?page no="192"?> auch die produktiven Kompetenzen zu stärken, setzt auf die Interaktion zwischen den Lernenden, die gemeinsam Wissen konstruieren und ihre sprachlichen Fertigkeiten trainieren, um voneinander und von der Lehrperson Rückmeldungen zu erhalten. Im Präsenzunterricht sorgt die Lehrperson durch den Einsatz unterschiedlicher Methoden und Sozialformen dafür, genügend Lernräume zu schaffen, in denen Dialoge dominieren und Rückmeldungen gegeben werden. In der Online-Gruppe, die nicht in einem gemeinsamen Raum sitzt, obliegt diese Aufgabe den E-TutorInnen. Diese haben im Wesentlichen drei Funktionen zu übernehmen, wie sie von Buchegger et al. (2007, S. 56 f.) zusammengefasst werden: a) auf fachlicher Ebene, b) auf Ebene der E-Facilitation und c) auf Ebene der E-Moderation. E-TutorInnen leisten somit nicht nur fachliche Arbeit, indem sie «den inhaltlichen Rahmen für die Aufgabenstellungen» (ebd., S. 56) vorgeben, sondern kümmern sich auch um die Betreuung in technischer und organisatorischer Hinsicht. Sie sind darüber hinaus für die soziale Komponente verantwortlich, indem sie motivieren und Feedback geben und durch ihre Präsenz den Lernenden das Gefühl vermitteln, im virtuellen Raum nicht alleine zu sein. Diese drei Funktionen können von einer Person übernommen werden, oder aber sie werden in einem Team aufgeteilt. Als Anforderungen an E-TutorInnen formulieren Buchegger et al. deshalb a) eine gute inhaltliche Vorbereitung, die als Voraussetzung für das Beantworten von inhaltlichen Fragen zu sehen ist, b) eine breite Verfügbarkeit, um auf Fragen auch zeitnah reagieren zu können, c) ein flexibles Auftreten, um schnell zwischen den drei oben genannten Funktionen wechseln zu können, d) eine soziale Aufmerksamkeit, um darauf zu achten, dass sich alle Lernenden in die Gruppe einbringen, e) ein technisches Grundverständnis, um auf technische Fragen antworten zu können, f) Übung im Umgang mit Online-Kommunikation und den verwendeten Programmen sowie g) Freude am Online-Unterricht, um den Enthusiasmus auch weitergeben zu können (vgl. ebd., S. 57 ff.). Rakoczi und Herbst (2010, S. 134 f.) fassen drei zentrale Aufgaben zusammen, die sich weitgehend mit jenen von Buchegger et al. (2007, S. 134 f.) decken, nämlich a) Lehrinhalte/ Contentaufbereitung (ebd., S. 134), wobei hierunter vor allem das Konvertieren von Inhalten zwischen Medien gemeint ist und nicht die eigenständige Erstellung von Materialien, b) Kommunikation, Verbesserung der Betreuung von Studierenden (ebd.), worunter eine Entlastung der Lehrenden zu verstehen ist, die nicht mehr alle E-Mail-Anfragen selbst beantworten müssen und c) Förderung des kollaborativen Lernens (ebd., S. 135), indem sie «durch Moderationstätigkeit zur Communitybildung und zum konstruktiven Gruppenklima 192 Elke Lackner <?page no="193"?> beitragen» (ebd.). Die E-TutorInnen sollen demnach vor allem Aufgaben im Bereich der Förderung von Kommunikation und Interaktion, hier besonders der Kollaboration, übernehmen und dieses betreuungsintensive Feld, das über die fachliche Instruktion hinausgeht und gleichzeitig für den fachlichen Lernerfolg zentral ist, abdecken. Im Sprachunterricht scheint dabei besonders der Prozess der E-Moderation im Vordergrund zu stehen, um den Spracherwerb zu fördern, der sich um das Community-Building bzw. das Schaffen von Kommunikationsmöglichkeiten dreht. E-ModeratorInnen sollten nach Buchegger et al. (vgl. 2007, S. 65 ff.) nicht nur Regeln der Online-Kommunikation kennen und aktiv einsetzen, sondern auch das virtuelle Community-Building durch die Schaffung einer auf Vertrauen und Sicherheit basierenden Atmosphäre fördern. Sie sollen die Motivation der Online-Gruppe aufrecht erhalten, mit den unterschiedlichen Bedürfnissen der heterogenen Gruppe der Lernenden, die nicht nur aus verschiedenen Lerntypen besteht, sondern vor allem auch unterschiedliches Basiswissen mitbringt, umgehen können (vgl. Seidl 2014) und den Überblick bewahren, wenn mehrere Diskussionen und Arbeitsaufträge parallel laufen oder etwas Unerwartetes - nicht nur in technischer Hinsicht - eintritt. E-Tutorin im Interactive Virtual Classroom: ein Erfahrungsbericht Weisen klassische E-Tutoring-Konzepte Settings auf, in denen es Präsenz- und Online-Einheiten gibt, die von denselben Personen besucht werden, so zielt der 2011 von treffpunkt sprachen als Projekt initiierte Interactive Virtual Classroom (IVC) auf eine spezifische Situation ab. Ein Sprachkurs, konkret für Französischlernende, wird parallel in einer Präsenz- und einer Online-Gruppe geführt. Die Präsenzgruppe wird von einer Französin betreut, die Online-Gruppe von einer E-Tutorin (Anm.: Da im Projekt eine E-Tutorin zur Verfügung steht, wird in diesem Abschnitt ausschließlich die weibliche Form verwendet.). Diese korrigiert die Hausübungen, gibt zusätzliche Arbeitsaufträge und Erklärungen und fungiert somit als zweite Sprachlehrende, die sich ausschließlich um die Online-Gruppe kümmert. Lediglich Zwischen- und Endklausuren der Online-Gruppe werden von der muttersprachlichen Lehrenden der Präsenzgruppe abgenommen, da sowohl die Präsenzals auch die Onlinegruppe dieselben Klausuren zu absolvieren haben. Interactive Virtual Classroom: ein Erfahrungsbericht aus Sicht der E-Tutorin 193 <?page no="194"?> Allgemeine Herausforderungen und Aufgaben Das Unterrichtsgeschehen im Lehrsaal wird live gestreamt und anschließend aufgezeichnet. Die Lernenden sehen sich vor den Computern den Livestream an, wodurch es zu einer Wissensvermittlung durch Instruktion kommt. Um nun aber, konstruktivistisch gesehen, auch Kommunikation und Interaktion zu gewährleisten, um gleichzeitig das Gefühl des «einsamen» Lernens (Kerres 2012, S. 105) zu vermeiden, wird die Online- Gruppe parallel in einem schriftbasierten Chat auf Moodle betreut (vgl. Bourgadel 2013). Die Lernplattform Moodle ist sowohl für die Präsenzals auch für die Online-Gruppe jener Ort, an dem Materialien und Übungen zu finden sind, Foren und Aufgaben angelegt sind sowie Hausübungen gepostet werden können. Auf der Lernplattform findet sich auch der Link zum Live-Stream sowie der für alle TeilnehmerInnen offene Chat, dessen Protokolle gespeichert werden und für alle jederzeit nachlesbar sind. Während die Präsenzgruppe gemeinsame Übungen zu zweit oder in größeren Teams erledigt, werden diese - meist mündlichen - Übungen auch von der Online-Gruppe auf Skype, ebenfalls zu zweit oder in größeren Teams, durchgeführt. Die Lernenden - und auch die E-Tutorin - richten ihre Konzentration somit gleichzeitig auf drei Kanäle: den Moodle-Chat, Skype und das Betrachten des Live-Streams, wobei Skype nicht immer offen ist, sondern nur dann in Anspruch genommen wird, wenn mündliche Übungen zu zweit oder in Teams zu erarbeiten sind. Durch das Wechseln zwischen diesen drei Kanälen ergibt sich für die Studierenden nicht selten ein gewisses Gefühl an Überforderung. Um diesem Gefühl entgegenzuwirken, ist es notwendig, Arbeitsaufträge im Chat zu wiederholen und auch schwierige und neue Vokabeln oder Grammatikgebiete schriftlich festzuhalten, damit beim Wechseln der Kanäle nicht das Gefühl entsteht, wichtige Inhalte zu versäumen. In diesem Bereich ist die fremdsprachliche Kompetenz der E-Tutorin gefragt, die zwar den Vorteil hat, Online-Wörterbücher und -Nachschlagewerke zur Verfügung zu haben, aber dennoch eine hohe sprachliche Kompetenz aufweisen muss, um das - nicht selten - schnell Gesprochene niederzuschreiben und Übersetzungen zu ergänzen. Da, wie die Erfahrung der letzten Jahre gezeigt hat, die TeilnehmerInnen der IVC-Gruppe im Hinblick auf Herkunft (Erasmus-Studierende vs. Studierende mit deutscher Muttersprache) bzw. Vorwissen und Technikaffinität (AnfängerInnen vs. zum Teil weit Fortgeschrittene) durchaus heterogen sind, werden oft Fragen von den Lernenden gestellt, die über den gerade aktuellen Lernstoff hinausgehen. In diesen Situationen muss die Tutorin entscheiden, ob eine Antwort im Chat oder auf 194 Elke Lackner <?page no="195"?> einem anderen Kanal - insbesondere zum Beispiel über E-Mail - erfolgen sollte, um die Dynamik der Gruppe nicht zu unterbrechen. Kompetenzen im interkulturellen Bereich sind hier ebenso gefragt wie ein hoher Grad an Sprachkompetenz in der Muttersprache, da mitunter auch Erklärungen zum Deutschen zu geben sind. Das betrifft nicht nur Übersetzungen, sondern auch grammatikalische Konzepte wie die Possessivpronomen oder unterschiedliche Satztypen bzw. den Bereich der Phonetik. Werden zwei Lerngruppen parallel geführt, so ist es absolut notwendig, dass sich die Lehrpersonen untereinander absprechen und im Vorfeld der einzelnen Lehreinheiten koordinieren. In den ersten IVC- Kursen befand sich die E-Tutorin noch im gleichen Lehrraum wie die Präsenzgruppe. Da dies aber aufgrund des Lärmpegels eine Betreuung über Skype erschwert und nicht alle Übungen ganz parallel ablaufen, wurde dieses gemeinsame Setting im Laufe der Zeit aufgegeben. Die räumliche Distanz bedingt auch, dass die E-Tutorin den Live-Stream und eventuell auftretende technische Probleme sofort wahrnimmt und nicht auf die Rückmeldungen der Studierenden angewiesen ist. Um bei technischen Schwierigkeiten mit der Präsenzgruppe in Verbindung zu treten, wird üblicherweise das Mobiltelefon genutzt. Gleichzeitig kann die AV- Medienstelle, die an der Universität Graz für die Bereitstellung der Streaming-Infrastruktur zuständig ist, bei Abbruch des Streams via Telefonanruf informiert werden, was ein direktes und schnelles Reagieren ermöglicht. Der Wechsel auf Skype für das Stellen einer kurzen Frage ist oft nicht sinnvoll, da der organisatorische Aufwand größer ist als in der Präsenzgruppe. Die Studierenden im Lehrsaal drehen sich zueinander und beginnen mit dem Beantworten der Frage. In der Online-Gruppe werden die Teams zwar jeweils am Beginn jeder Unterrichtseinheit festgelegt, da aber Skype nicht ständig offen ist, müssen die GesprächspartnerInnen erst angerufen werden. Das Aufbauen dieser Verbindung dauert somit länger als in der Präsenzgruppe. Die E-Tutorin muss in diesem Fall entscheiden, ob sich der Medienwechsel lohnt oder ob einzelne in der Präsenzgruppe mündlich und zu zweit durchgeführte Übungen nicht schriftlich im Chat zu absolvieren sind. Bei längeren Übungen ist der Wechsel auf Skype sinnvoller. Die E-Tutorin sollte dabei genau den Überblick bewahren, in welche Skype-Gespräche sie sich hineinklickt, um das Gesprochene mit Feedback zu versehen und gegebenenfalls zu korrigieren. Die Aufteilung sollte jedoch immer so ausfallen, dass alle Mitglieder der Online-Gruppe im Laufe einer Einheit oder zumindest eines kurzen Zeitraums angehört werden können. Interactive Virtual Classroom: ein Erfahrungsbericht aus Sicht der E-Tutorin 195 <?page no="196"?> Bereits bei der Teameinteilung sollten didaktische Entscheidungen getroffen werden. Nicht nur das Durchmischen der Gruppen erscheint wichtig, sondern auch das Berücksichtigen der Stärken der einzelnen Lernenden. Werden in der Präsenzgruppe Übungen durchgeführt, die sich online auf Skype nicht gleich abbilden lassen, so muss sich die E-Tutorin für ein geändertes und dem Online-Setting angepasstes Übungsformat entscheiden. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Studierende einzelne Wörter auf einen Zettel schreiben, diese Zettel austauschen und sich dann gegenseitig Fragen stellen sollen. Ein zusätzliches Fenster - um beispielsweise den Austausch über E-Mail zu ermöglichen - ist nicht in jeder Gruppe ratsam (immer in Abhängigkeit der Technikaffinität bzw. des Grads des Gewohnt-Seins im Arbeiten mit mehreren Fenstern). Der Austausch über den geschriebenen Moodle-Chat ist im Hinblick auf die Privatsphäre mitunter zu vermeiden, der Austausch über den Skype-Chat kann angedacht werden. Ein zweites Beispiel für eine Abweichung der Struktur zwischen der Präsenz- und der Online-Gruppe, das am Beginn jeder Einheit auftritt, ist die Verbesserung der Hausübung, vor allem der Übungszettel. Die Übungszettel werden in der Präsenzgruppe im Plenum korrigiert, die Online-Gruppe jedoch hat die ausgefüllten Übungszettel an die E-Tutorin geschickt und diese bereits in korrigierter Form zurückbekommen. Die Zeit, die in der Präsenzgruppe für die gemeinsame Korrektur verwendet wird, wird in der Online- Gruppe mit zusätzlichen Übungen - etwa Frage- und Antwortspielen oder Blitz-Wiederholungen der Grammatik, zum Beispiel von Konjugationen oder Vokabeln - überbrückt. Die einzelnen eingesetzten Werkzeuge, eben der Livestream, der Moodle-Chat sowie Skype, müssen von der E-Tutorin soweit beherrscht werden, dass bei Problemen Hilfestellungen gegeben werden können. Die Erfahrung zeigt, dass es sich nicht nur um technische Probleme handelt, für die ein Plan B vorhanden sein muss, sondern dass die Fragen auch grundlegender Natur sind. So darf beispielsweise nicht davon ausgegangen werden, dass die Lerngruppe bereits Erfahrungen mit Skype oder Moodle gemacht hat. Skype und Moodle werden daher in einem Präsenz-Workshop, der vor der ersten Einheit stattfindet, in ihrer Funktionalität und Bedienung vorgestellt. Darüber hinaus gibt es Informationsblätter, die über den genauen Ablauf informieren. Da für das Ansehen des Live-Streams der VLC-Player empfohlen wird, bekommen die Studierenden die Information, sich diesen zu installieren und mittels eines Video-Tutorials auch eine Erklärung, wie der Live-Stream dann schlussendlich zu starten ist. Des Weiteren erhalten sie den Auftrag, sich vor der ersten Einheit per E-Mail an die E-Tutorin zu wenden und ihr den 196 Elke Lackner <?page no="197"?> jeweiligen Skype-Namen bekannt zu geben. Dies erfolgt auch in den meisten Fällen, einige Skype-Namen sind jedoch nachträglich einzuholen. Die Skype-Namen werden von der E-Tutorin, die sich für diese Aufgabe einen eigenen Skype Account angelegt hat, an die Gruppe geschickt, damit die Lernenden nicht am Beginn der Einheiten erst die Namen erfragen müssen, um sich für die mündlichen Übungen auf Skype verbinden zu können. Dies erfolgt nach Möglichkeit vor Beginn der ersten Einheit. Während der ersten Einheit wird im Sinne des Konzepts von Gilly Salmon (vgl. 2007) versucht, eine Sozialisierungsphase einzubauen. Die Lernenden sollen sich an das Setting gewöhnen und - bevor es inhaltlich relevant ist - erste Erfahrungen mit dem Wechsel der unterschiedlichen Kanäle machen. Das Setting der Lehrveranstaltung wird in diesem Zusammenhang noch einmal ausführlich im Moodle-Chat erklärt. Die Lerngruppe hat die Möglichkeit, Fragen zu stellen und sich vorzustellen, sodass eine Personalisierung der Lerngruppe stattfinden kann. Die E-Tutorin fragt hier nicht nur die Lernerfahrungen mit der französischen Sprache ab, sondern weitere Sprachkenntnisse, um Hinweise für die mögliche Einteilung effektiver Übungsteams zu bekommen. Damit wird der Versuch unternommen, leistungsschwächere und leistungsstärkere Studierende in Teams zusammenzuführen, um qualitativ hochwertiges Peer-Feedback zu ermöglichen. Auch wird darauf geachtet, Erasmus- Studierende mit gleicher Muttersprache nicht in gleiche Teams einzuteilen, damit der Austausch in französischer Sprache gewährleistet ist. Das Besondere: die Individualisierung des Lernprozesses Am Ende jeder Einheit fasst die E-Tutorin die Inhalte der Lehrveranstaltung noch einmal zusammen. Dabei werden nicht nur die einzelnen durchgenommenen Inhalte genannt, sondern auch die Hausübung explizit angeführt, da sie sich nicht immer mit jener der Präsenzgruppe deckt. Die Studierenden bekommen diese Zusammenfassung am selben oder am Folgetag geschickt. Sollten spezielle Erklärungen notwendig sein, werden auch diese in der elektronischen Zusammenfassung ausgeschickt. Die Lernenden der Online-Gruppe erhalten so eine zusätzliche Betreuung in Form von auf ihre speziellen Bedürfnisse abgestimmten Inhalten und Materialien. Gleichzeitig erfolgt durch die zusätzliche Zusammenfassung eine Verfügbarmachung der Kursinhalte auf mobilen Endgeräten. Die Moodle-Plattform ist auf mobilen Endgeräten, vor allem aber auf Smartphones, wenig praktikabel. Gerade das schnelle Nach- Interactive Virtual Classroom: ein Erfahrungsbericht aus Sicht der E-Tutorin 197 <?page no="198"?> schlagen von Informationen, wie beispielsweise der Hausübung, ist nicht möglich. Durch das Zusammenfassen der Inhalte und der Hausübung in einer E-Mail wird diese Mobilität erreicht. Die Lernenden können auf die Informationen problemlos zugreifen. Die Erfahrung und vor allem die Rückmeldungen der Studierenden zeigen, dass sie diese zusätzliche Ebene als Entlastung bzw. Erleichterung wahrnehmen. Viele nutzen die E-Mail auch, um über die Antwortfunktion direkt die Hausübung zu schicken, was das Sortieren des Posteingangs für die E-Tutorin erleichtert. Eine weitere Individualisierung erfolgt durch spezielle mündliche Checks. Die Mitglieder der Online-Gruppe können mit der E-Tutorin - je nach Gruppengröße - ein Mal pro Woche oder alle zwei Wochen einen Termin für eine individuelle Sprechstunde vereinbaren, die einem mündlichen Check entspricht. Die Inhalte der Einheiten werden besprochen, Unklarheiten können geklärt werden. Diese Checks dienen vor allem dazu, Aussprache und Intonation sowie das vom Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (GER) auf Ebene der Interaktion geforderte An Gesprächen teilnehmen zu fördern und zu trainieren (vgl. Goethe-Institut 2014). Die Lernenden werden von der E-Tutorin in Dialoge verwickelt, in denen sie spontan reagieren müssen und so das Gelernte wiederholen können. Darüber hinaus wird die Aussprache trainiert und es werden individuelle Tipps gegeben. Der Präsenzunterricht fokussiert mit den Tipps eine deutschsprachige Lerngruppe. Da jedoch gerade die Mitglieder der IVC-Gruppe immer wieder aus unterschiedlichen Ländern stammen und somit nicht zwingend Deutsch als Muttersprache haben, gibt es hier unterschiedliche phonetische Probleme, auf die speziell eingegangen werden kann. Eine Individualisierung des Lernprozesses findet statt, was eine von Schulmeister (vgl. 2013, S. 34) angesprochene Schwäche von Online-Kursen, die im Sinne von MOOCs auf Instruktion setzen und Interaktion und Kommunikation in Foren verlagern, kompensiert, wobei er feststellt, diese Form der Kommunikation und Interaktion «reicht vielleicht, um den Stoff zu verstehen, sie reicht aber nicht, um motivationale und soziale Aspekte des Lernens untereinander zur Sprache zu bringen, Empathie zu zeigen und zu erleben usw.» (ebd.). Die Online-Gruppe erfährt diese sozialen Aspekte und Empathie somit nicht nur während der Einheiten im Plenum im Moodle-Chat und in Kleingruppen auf Skype, sondern auch außerhalb der Einheiten in Abhängigkeit ihrer eigenen Voraussetzungen und Bedürfnisse. Gleichzeitig erhalten die Studierenden in diesen Eins-zu-Eins-Einheiten, die - ebenfalls je nach Gruppengröße - zehn bis 15 Minuten dauern, individuelle Tipps für das Lernen. Da die Termine individuell 198 Elke Lackner <?page no="199"?> vereinbart werden, können die Lernenden den für sie passenden Zeitpunkt für diese kleinen Überprüfungen wählen, was dem flexiblen Charakter der Online-Gruppe und der in der Einleitung genannten von studentischer und gesellschaftlicher Seite geforderten Flexibilität und Mobilität entspricht (vgl. Kopp et al. 2013). Die Erfahrung zeigt, dass nicht alle Lernenden diese als zusätzliches Service angebotenen Checks wahrnehmen, dass jedoch jene, die regelmäßig individualisiertes, mündliches Feedback bekommen, bei den Klausuren besser abschneiden. Ein dritter zentraler Punkt im Kontext der Individualisierung ist die Motivation der TeilnehmerInnen. Empfindet es die Präsenzgruppe beinahe als normal, sich vor und nach der Einheit noch zusammenzustellen und über den Kurs zu reden, so ist dies in der Onlinegruppe nur eingeschränkt möglich. Die Zeit, die die Studierenden davor und danach im Chat oder auf Skype verbringen, ist oftmals aufgrund beruflicher Verpflichtungen oder anschließender Lehrveranstaltungen eingeschränkt. Der gemeinsame Austausch über Inhalte und das gegenseitige Motivieren im Sinne des sozialen Lernens (vgl. Kerres 2012) kommen dabei nicht selten zu kurz. Die Eins-zu-Eins-Einheiten werden deshalb zum einen auch zur Motivation der Studierenden genutzt. In jeder Gruppe gibt es unterschiedlich aktive und motivierte TeilnehmerInnen, die auf einer Bandbreite von inaktiv-rezipierend bis aktiv-produzierend anzusiedeln sind (vgl. Haug/ Wedekind 2013, S. 192). Als E-Tutorin ist es notwendig, diese unterschiedlichen Lerntypen zu erkennen und auf sie einzugehen, die Rezipierenden zu aktivieren und die Aktiven in ihrer Arbeit zu bestärken oder eventuell zu bremsen. Zusammenfassung Die Aufgaben einer E-Tutorin sind sehr vielfältig und abwechslungsreich. Nicht nur jede Gruppe, sondern jede einzelne Einheit kann Überraschungen bereithalten, zumal die Lernenden sowohl inhaltlich als auch technisch und organisatorisch zu betreuen sind. Im Interactive Virtual Classroom fungiert die E-Tutorin als zweite Sprachlehrende, die sich speziell auf die Bedürfnisse der Online-Gruppe einlässt. Die Studierenden können so eine spezielle und individuelle Betreuung erhalten, die zu einem mit der Präsenzgruppe vergleichbaren, wenn nicht sogar besseren Lernergebnis führt, da eine Einzelbetreuung von mehr als 20 Studierenden im Präsenzunterricht kaum möglich ist. Als besondere Herausforderungen im Interactive Virtual Classroom sind das Einstellen auf die Heterogenität der Sprachenlernenden und die hohe Interactive Virtual Classroom: ein Erfahrungsbericht aus Sicht der E-Tutorin 199 <?page no="200"?> Eigenverantwortlichkeit der E-Tutorin zu nennen, die die Online-Gruppe alleine betreut. Als Voraussetzung ist hierfür nicht nur eine hohe sprachliche Kompetenz, sowohl in der Mutterals auch in der Zielsprache, sondern vor allem auch ein didaktisches Verständnis zu nennen. Die Online-Gruppe verfolgt den Live-Stream des Präsenzunterrichts, absolviert aber nicht immer die gleichen Übungen. Die Entscheidung, ob und wann eine zusätzliche Übung eingeflochten wird, hängt von der E-Tutorin ab. Was die technische Kompetenz der E-Tutorin betrifft, bleibt anzumerken, dass hier vor allem Problemlösungskompetenz und Flexibilität gefragt sind. Treten technische Probleme auf, so kann die E-Tutorin ebenfalls nur warten, bis diese behoben werden, sollte dabei aber ruhig bleiben und die Lernenden über andere Kanäle beschäftigen, um Frustbildung zu vermeiden. Abschließend bleibt mit Buchegger et al. (vgl. 2007) zu konstatieren, dass - neben der fachlichen Kompetenz - eine kommunikativ-offene Einstellung sowie die Freude am Arbeiten im virtuellen Raum mit heterogenen Lerngruppen die wohl wichtigsten Voraussetzungen für die Arbeit als E-TutorIn darstellen. Die übrigen Kompetenzen entwickeln sich durch Übung und Erfahrung, die man im Laufe der einzelnen Kurse sammelt. Bibliographie Bourgadel, Carole (2013): La mise en œ uvre d ’ une classe interactive virtuelle dans l ’ enseignement des langues. 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Dieser Beitrag stellt im Wesentlichen einen kurzen Ausschnitt aus der Dissertation des Autors dar und kann aufgrund der inhaltlichen Reichweite und den für die Abhandlung dezimierten Rahmen nicht alle Aspekte im gewünschten Umfang behandeln, weswegen für eine detailliertere Abhandlung auf Waldhaus (siehe 2014) verwiesen wird. Einleitung Die Sentenz «Auch eine Reise von tausend Meilen beginnt mit dem ersten Schritt.» ist eine sehr bekannte und häufig zitierte Stelle aus dem Tao-te- King (Wilhelm 2008, S. 75) und bewahrheitet sich in ihrer Mannigfaltigkeit wahrscheinlich in sämtlichen Bereichen des Lebens auf die eine oder andere Art und Weise. Sie ist auch im Kontext des universitären Fremdsprachenunterrichts gültig, denn sowohl das Lehren als auch das Lernen von Fremdsprachen ist durchaus mit einer langen Reise zu vergleichen, zu deren Beginn - aus Studierenden-, aber auch aus Lehrendenperspektive - oftmals vieles unklar und schwierig erscheint. Aus Sicht der Studierenden können sowohl beim Erlernen einer neuen Sprache als auch beim Erweitern sprachlicher Kompetenzen einer bereits <?page no="204"?> gelernten Fremdsprache viele Unsicherheiten und Fragen auftreten, wie z. B. Wie kann ich mir (neue) Vokabeln (besser und schneller) einprägen? Wie kann ich meine Angst vor dem Sprechen in der Fremdsprache verlieren? Wie kann ich theoretisches Wissen über die Sprache erfolgreich in die (Kommunikations-)Praxis umsetzen? Über welche (zusätzlichen) Kompetenzen möchte ich am Ende des Kurses gerne verfügen? Aus Sicht der Lehrenden können Unsicherheiten beispielsweise bei erfahrenen Lehrpersonen im Hinblick auf die Planung und/ oder Vorbereitung eines für sie neuen Kurses auftreten oder bei LehrdebütantInnen zu finden sein, wenn sie sich in ein für sie völlig neues Metier, jenes der Lehre, begeben. Mögen auch die Zugänge bzw. Lösungsansätze, die erfahrene Lehrende und DebütantInnen in Bezug auf derartige Herausforderungen haben, unterschiedlich sein, weil erstere beispielsweise über eine langjährige Unterrichtserfahrung und eventuell zahlreiche Fortbildungen in den Bereichen der Methodik und Didaktik verfügen, so stellen sich dennoch bei beiden zu Beginn dieser Reise viele Fragen, wie etwa: Was genau soll ich in diesem Kurs unterrichten? Welchen Zugang haben die LernerInnen zum Sprachenlernen? Mit welchen Lehr-/ Lernmethoden sind sie vertraut? Welche Interessen bzw. Lernziele haben die Studierenden? Bei welchen Aspekten der Sprache haben sie Probleme? Über welche Vorkenntnisse verfügen sie? Was erwarten sich die LernerInnen von mir? Wie kann ich ihren Lernprozess optimal unterstützen? Die Liste der Fragen ließe sich sowohl bei den Studierenden als auch bei den Lehrenden noch lange fortsetzen, was jedoch nicht Intention dieses Beitrags ist. Vielmehr geht es hier darum, zu erörtern, wie man diese und andere zentrale Fragen der Fremdsprachendidaktik möglichst ergiebig, aber zugleich ressourcenschonend beantworten kann. Eine Möglichkeit hierfür soll in diesem Beitrag expliziert werden, wobei es sich im konkreten Fall um einen Zugang handelt, der intendiert, die Antworten auf diese und weitere Fragen in Form von Selbstreflexion, Reflexion, Kommunikation und Kollaboration zu finden. Als Methode wird VorEval, ein Online-Evaluationsprogramm vorgestellt, welches in Form eines Eingangsfragebogens vor bzw. zu Beginn des Kurses an die Studierenden distribuiert wird. Damit sollen bei den Studierenden Reflexionsbzw. Selbstreflexionsprozesse ausgelöst und metakognitive Kompetenzen entwickelt und gleichzeitig für die Lehrenden möglichst viele relevante Informationen bezüglich der Studierendengruppe generiert werden, auf Basis welcher sie den Unterricht konzipieren oder ein bereits bestehendes Unterrichtskonzept an die Bedürfnisse der jeweiligen LernerInnengruppe anpassen können. Das hierfür entwickelte Online- Evaluationsprogramm wurde für den allgemeinen Einsatz im Fremd- 204 Christoph Waldhaus <?page no="205"?> sprachenunterricht an universitären Sprachenzentren konzipiert und am treffpunkt sprachen der Universität Graz mehrfach getestet. Theoretische Basis Zu den primären Erwartungen, welche LernerInnen an Fremdsprachenkurse richten, die sie an universitären Sprachenzentren besuchen, zählt das Entwickeln bzw. Ausbauen ihrer fremdsprachlichen Kompetenzen. Dabei kann es sein, dass der universitäre Fremdsprachenunterricht den an Schulen oder außerschulischen Institutionen begonnenen Unterricht fortsetzt, oder die LernerInnen mit dem Lernen einer Fremdsprache komplett neu beginnen, wie Hufeisen (vgl. 2007, S. 92 f.) ausführt. Die mit dem Kursbesuch verbundenen persönlichen Ziele bzw. Motive können von LernerIn zu LernerIn generell sehr unterschiedlich sein und von einem allgemeinen Interesse an der Sprache über deren Einsatz im Berufsleben bis hin zum Erhalt eines Zertifikats als Voraussetzung für ein Sprachenstudium reichen. Gleichgültig, welche initiale Motivation hinter dem Besuch eines Fremdsprachenkurses steht, nach Absolvieren desselben sollen die Studierenden nicht nur ihre eigenen Ziele erreicht haben, sondern auch über die nötigen sprachlichen Standards verfügen, wie diese beispielsweise auf Basis des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER) für die einzelnen Niveaustufen definiert werden können (siehe Quetz et al. 2001). Diese sind vor allem im Kontext des europäischen Hochschulraums von eminenter Wichtigkeit, da so u. a. gewährleistet werden soll, dass z. B. der/ die InhaberIn eines Zertifikats über einen bestimmten Kurs auf einer konkreten Niveaustufe an einer z. B. spanischen Universität über die gleichen fremdsprachlichen Kompetenzen verfügt wie ein/ e StudentIn, der/ die dieses Zertifikat beispielsweise an einer deutschen oder österreichischen Universität erhalten hat. Neben fremdsprachlichen Kompetenzen und individuellen Forderungen sollen zudem noch andere Schlüsselkompetenzen entwickelt werden, wie z. B. lebenslanges (siehe Kraus 2001) und vor allem auch autonomes Lernen (siehe Little 2009). Ein Stichwort in dieser Hinsicht ist Metakognition, die als eine Kernkompetenz erfolgreicher FremdsprachenlernerInnen angesehen wird (siehe Anderson 2008). Vorevaluation (VorEval) 205 <?page no="206"?> Förderung metakognitiver Kompetenzen Metakognition bezeichnet ganz allgemein das Wissen über Kognition, also über Fähigkeiten und Vorgänge, die die Wahrnehmung, die Aufmerksamkeit, das Problemlösen und vor allem auch das eigene Lernen (und auch Lehren) betreffen. Metakognitive Aktivitäten heben sich von übrigen mentalen Aktivitäten dadurch ab, dass kognitive Zustände oder Prozesse die Objekte sind, die reflektiert werden, wie Hasselhorn (vgl. 1993, S. 36) ausführt. Sie werden also durch Nachdenken, durch Reflexion über das Wissen und die Kontrolle über das eigene kognitive System initiiert. Verfügt ein/ e LernerIn über metakognitive Kompetenzen, kann das Reflektieren über eine bestimmte Sache, wie etwa die Fremdsprache, das Unterrichtsgeschehen, oder über sich selbst, was auch als Selbstreflexion bezeichnet wird, zur Bildung eines LernerInnen-Selbstkonzepts beitragen. Dies wird von vielen Lehrenden und ForscherInnen als vielleicht der zentrale Faktor für erfolgreiches Lernen angesehen (vgl. Jerusalem 1993). Vor diesem Hintergrund stellt das Entwickeln metakognitiver Fähigkeiten somit auch eine conditio sine qua non für erfolgreichen Unterricht dar und sollte bei den LernerInnen bereits von Kursbeginn an gebildet bzw. gefördert werden. Entwicklung fremdsprachlicher Kompetenzen - Lernen forcieren War das Unterrichtsgeschehen bis weit in das 20. Jahrhundert von einer sehr starken Lehrendenzentriertheit gekennzeichnet, in der, wie Winteler (vgl. 2008, S. 16) expliziert, die Lehrperson im Mittelpunkt des Geschehens stand und die Lehre als reine Wissensvermittlung angesehen wurde, bei welcher die Studierenden eine sehr passive Rolle einnahmen und quasi die EmpfängerInnen des Stoffinhalts waren, der durch das Curriculum bzw. die Lehrpersonen definiert wurde, so hat sich diese Rolle nun dahingehend verändert, dass die Lehrpersonen nach neuesten didaktischen Ansätzen als Coaches (vgl. Blom 2000) fungieren, die die LernerInnen dabei unterstützen, selbstständig fremdsprachliche (und andere) Kompetenzen zu entwickeln. Sie schaffen eine «attraktive, stimulierende, sozial reiche Lernumgebung» (ebd., S. 11) und strukturieren den Lernprozess so, dass die Studierenden lernen, eigenständig Probleme zu lösen. Seit diesem Paradigmenwechsel, dem sogenannten shift from teaching to learning, wird die Lehrperson verstärkt als jemand wahrgenommen, der die Lernumgebung schafft, in welcher Lernen stattfindet, und die LernerInnen beim Lernen begleitet bzw. unterstützt. Zentral ist in diesem Hinblick auch die vielfach gestellte Forderung, die LernerInnen dort 206 Christoph Waldhaus <?page no="207"?> abzuholen, wo sie stehen, also auf ihr Vorwissen aufzubauen, auf ihre Lernziele einzugehen und ihre Probleme und Schwierigkeiten zu berücksichtigen. Die Fragen, die sich in diesem Hinblick und auch in Bezug auf den Umgang mit heterogenen LernerInnengruppen häufig stellen, sind: Wie soll man als Lehrperson wissen, wo genau die LernerInnen stehen, welche Probleme und Schwierigkeiten sie in der Fremdsprache haben und welche Lernziele sie sich für einen bestimmten Kurs setzen? Zudem wäre es hilfreich zu wissen, wie man ihnen am besten beim Entwickeln ihrer Kompetenzen und Erreichen ihrer Ziele helfen kann. Eine besonders naheliegende Antwort ist, die Studierenden vor Kursbeginn zu befragen und die gewonnenen Informationen sinnvoll in die Kurskonzeption bzw. potenzielle Adaption zu integrieren. Dadurch wird nach Ansicht des Autors im Wesentlichen erst ein teilnehmerInnenzentrierter bzw. -orientierter Unterricht ermöglicht. Je genauer man als Lehrende/ r über seine/ ihre Studierenden Bescheid weiß, desto besser kann man den Unterricht auf sie bzw. ihre Bedürfnisse abstimmen, die von LernerIn zu LernerIn und von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich sind. Die LernerInnen dort abholen, wo sie sind Theoretische Überlegungen in Bezug auf die Analyse der LernerInnen sind weder völlig neu noch in der Literatur in geringer Zahl vorhanden und stammen überwiegend aus der learner needs analysis. Bereits seit den 1970er-Jahren wurden auch im deutschsprachigen Raum vereinzelt Eingangsfragebögen entwickelt, die z. B. die Erwartungen der Studierenden an die Lehrveranstaltung abfragten und jene Qualitätskriterien zu ermitteln versuchten, nach welchen die LernerInnen die Lehrveranstaltung am Ende des Semesters bewerten würden (siehe Ritter 1978; Stork/ Adamczak-Krysztofowicz 2008). Obwohl die Anfänge bereits über 35 Jahre zurückliegen und die Forschung im Bereich der Hochschulevaluation in diesen letzten Jahren geradezu boomte, ist es umso verwunderlicher, dass dieses aktive Miteinbeziehen der Studierenden von Kursbeginn an bis dato nicht wirklich systematisiert wurde bzw. sich im universitären Bereich nicht durchgesetzt zu haben scheint. Im Rahmen dieser Arbeit konnten in der Literatur generell wenige Eingangsfragebögen gefunden werden und keine dokumentierten systematischen Evaluationsansätze, die an deutschsprachigen Universitäten zu Kursbeginn zum regelmäßigen Einsatz kommen würden, wie dies etwa bei den üblichen summativen Vorevaluation (VorEval) 207 <?page no="208"?> Evaluationen am Ende des Kurses der Fall ist. Hier ist die Anzahl der Inventare und Fragebögen nahezu unzählbar und im Rahmen eines qualitativen Literaturreviews nicht mehr zu bewältigen, wie auch Mittag/ Mutz/ Daniel (vgl. 2012, S. 14) feststellen. Dies beginnt bei Inventaren, die flächendeckend an gesamten Universitäten zum Einsatz kommen, und geht über jene, die an einzelnen Instituten eingesetzt werden, bis hin zu solchen, die nur in einigen wenigen oder überhaupt nur in einzelnen Kursen Verwendung finden. Während die regelmäßige Lehrveranstaltungsevaluation, die überwiegend am Ende eines Kurses durch eine summative Befragung der Studierenden durchgeführt wird, in allen deutschsprachigen Ländern mittlerweile auch gesetzlich verankert ist (für Österreich vgl. Kohler 2009, für Deutschland vgl. Schmidt 2009 und für die Schweiz vgl. Rhyn 2009), scheinen einige Bereiche in Bezug auf Qualitätssicherung und Evaluation nach wie vor vernachlässigt. Dies trifft auch auf den universitären Fremdsprachenunterricht zu, wie Kociucki/ Kühn (vgl. 2009, S. 212 f.) festhalten, dem in dieser Hinsicht bisher generell sehr wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Hier kommen beispielsweise erst seit wenigen Jahren, und nicht an allen Instituten, Fragebögen zum Einsatz, die speziell auf die Anforderungen einer Sprachlehrveranstaltung zugeschnitten sind. Oftmals wird mit Evaluationsbögen evaluiert, die für Vorlesungen oder andere Arten von Lehrveranstaltungen konzipiert wurden und die Besonderheiten des universitären Fremdsprachenunterrichts nur marginal berücksichtigen. Ursachen oder Gründe, warum sich Eingangsfragebögen nicht oder nur sehr vereinzelt durchgesetzt haben und kaum dokumentiert wurden, sind vielfältig. Wissenschaftliche Untersuchungen hierzu wurden bei den Recherchen für diese Arbeit nicht gefunden. So wäre es beispielsweise denkbar, dass realistische Modelle bzw. Methoden bis dato fehlen, die die nötigen Informationen auf schnelle und effektive Art erheben, ohne einen allzu großen zusätzlichen Aufwand für Lehrende oder Studierende zu bedeuten. Letzteres scheint vor allem vor der aktiven Integration des Internets in den Fremdsprachenunterricht und der damit möglichen Nutzung von Online-Evaluationsbögen eine sehr realistische Begründung zu sein, denn wenn derartige Fragebögen, vor allem im größeren Rahmen und von einer Lehrperson in mehreren Kursen zum Einsatz kommen, dann ist die damit verbundene Distributions- und Auswertungsarbeit durchaus beachtlich. Dies kann jedoch im 21. Jahrhundert nicht mehr als Begründung angegeben werden, da es mittlerweile nicht nur zahlreiche Online- Evaluationsprogramme gibt, die auch gratis im Internet angeboten 208 Christoph Waldhaus <?page no="209"?> und genutzt werden können (z. B. LimeSurvey), sondern auch deren Verknüpfung mit Datenbanken verhältnismäßig einfach zu bewerkstelligen ist. Sehr oft ist jedoch der Export, den diese Programme in der Gratisversion - vor allem bei komplexen Fragebögen - zur Verfügung stellen, sehr unübersichtlich und für die Praxis wenig brauchbar. Dies war auch der Hauptgrund, warum VorEval in seiner Basis zwar auf LimeSurvey aufbaut, in der Release-Version für den Export jedoch ein eigenes Programm geschrieben wurde, damit dieser für die Lehrenden per Knopfdruck möglich und optisch ansprechend bzw. übersichtlich ist. Zudem ist der Fragebogen von VorEval dynamisch, was bedeutet, dass das Beantworten einer Frage X oftmals erst die darauffolgende Frage Y determiniert. Wird beispielsweise X mit «Nein» beantwortet, wird eine andere Frage «Y» gestellt, als wenn X mit «Ja» beantwortet worden wäre. Diese Wenn-Dann-Bedingungen sind in den meisten Online-Fragebögen nicht oder nicht in der gewünschten Tiefe bzw. der gewünschten Form vorhanden und wurden für VorEval eigens programmiert. Ein weiterer denkbarer Grund, warum der Einsatz von Eingangsfragebögen bisher kaum Verwendung fand, ist, dass die Wichtigkeit dieser Vorabanalyse vielleicht generell unterschätzt wird, wie dies auch durch die Vorabbefragung bei 15 % der Lehrenden am treffpunkt sprachen der Fall war, die nicht davon überzeugt waren, dass sie den Unterricht auf Basis der daraus gewonnenen Informationen besser an die Studierenden anpassen könnten. Gründe für diese Annahme wurden jedoch nur vereinzelt angegeben und waren - wenn überhaupt vorhanden - wissenschaftlich nicht zu untermauern (siehe unten). Die Angaben können zum einen auf potenziell fehlende didaktischmethodische Expertise von Seiten einiger Lehrender zurückzuführen sein, zum anderen auf eine mangelnde Bereitschaft derselben, ihren Unterricht adaptieren oder auf Basis der Informationen konzipieren zu wollen, wie dies vereinzelt bei Interviews mit einigen wenigen Lehrenden indirekt kommuniziert wurde. Ein Grund hierfür könnte auch sein, dass die Informationen, die aus einer Vorevaluation gewonnen werden, durchaus auch größere Veränderungen hinsichtlich der Kursplanung nach sich ziehen könnten und dies nicht von allen Lehrenden gewünscht oder aufgrund der zeitlichen Überlastung nur als schwer realisierbar empfunden wurde. Darüber hinaus könnte dieser Zugang von manchen Lehrpersonen auch als zu viel Mitbestimmung von Seiten der Studierenden aufgefasst werden und vielleicht sogar die Lehrkompetenz in Frage stellen oder schlichtweg als nicht realistisch abgetan werden. Es könnte u. U. auch mit einer als sehr gering erwarteten Rücklaufquote zu tun haben und mit der Annahme einhergehen, dass die Studierenden an Vorevaluation (VorEval) 209 <?page no="210"?> einer möglichen Mitgestaltung nur mangelndes Interesse zeigen würden. Möglicherweise steht dies auch in Verbindung mit Erfahrungen, die manche Lehrende mit eventuell bereits durchgeführten und vielleicht ähnlichen Befragungen in Zusammenhang bringen, die jedoch nicht die gewünschten Informationen zutage gefördert haben. Natürlich ist es auch denkbar, dass vereinzelt - vor allem von engagierten Lehrenden - bereits ähnliche Befragungen in kleinem Rahmen durchgeführt werden, die jedoch nie dokumentiert wurden und auf die man in der Literatur daher keinen Zugriff hat. Dies wurde zumindest in den Interviews bestätigt, die im Rahmen der Arbeit durchgeführt wurden. Ist dies der Fall, würde dies die Konzeption eines umfassenden und automatischen Programms zusätzlich untermauern, denn dann könnte man die Lehrenden durch die Bereitstellung von VorEval erheblich entlasten. Die Liste ließe sich noch weiter fortführen, worauf an dieser Stelle jedoch verzichtet wird, da aufgrund mangelnder empirischer Daten letztlich keine exakte Begründung gefunden werden kann, warum Eingangsfragebögen nicht oder kaum zum Einsatz kommen. Wenngleich die einzelnen bisher genannten Punkte jeweils bereits als Begründung reichen würden, warum Vorevaluationen nicht durchgeführt werden, so kann in der Praxis wahrscheinlich von einer Kombination aus mehreren Gründen ausgegangen werden. Ein für den Autor besonders triftiger Grund ist jedoch die scheinbare Absenz geeigneter Modelle, denn wenn effektive Evaluationsprogramme vorhanden wären, die wenig Zeit für die Erhebung der Daten in Anspruch nehmen und die Ergebnisse bereits in einer übersichtlichen Form darstellen, sodass die Lehrenden nur mehr mit den Ergebnissen arbeiten müssten, wäre es durchaus denkbar, dass die Bereitschaft der Lehrenden, diesen Ansatz in den Unterricht zu integrieren, steigen würde. Aus diesem Grund soll in dieser Arbeit die Annäherung an ein derartiges Modell skizziert werden, welches zudem über die bisherigen Analysen der LernerInnenbedürfnisse, wie sie aus der learner needs analysis bekannt sind, hinausgeht und auch die oben angesprochenen selbstreflexiven Prozesse der LernerInnen zu einem Kernfaktor macht. Dadurch sollen die Entwicklung metakognitiver Kompetenzen forciert und die Kollaboration zwischen Studierenden und Lehrenden gefördert werden. Unterricht kann vor diesem Hintergrund verstärkt als gemeinsames Projekt von Lehrenden und Studierenden wahrgenommen werden und findet in einem Kontext statt, in welchem alle daran beteiligten AktantInnen für das Erfüllen ihrer eigenen Aufgaben verantwortlich sind 210 Christoph Waldhaus <?page no="211"?> und dadurch zum Gelingen dieses komplexen dynamischen Unterfangens beitragen. Positive Aspekte von VorEval VorEval erfüllt im Vergleich zu anderen Evaluationsinstrumenten nicht nur statistische oder qualitätsoptimierende Forderungen, sondern kann vor allem auch als didaktisch-methodisches Hilfsmittel gesehen werden. Es ermöglicht den Lehrenden, nicht nur die Gruppe vor Kursbeginn kennenzulernen und dadurch einen Einblick in die Interessen, Erfahrungen, Lernziele, etc. der Studierenden zu gewinnen, sondern sie auch dort abzuholen, wo sie sich zum Zeitpunkt der Befragung befinden (Vorkenntnisse, Lernschwierigkeiten, etc.). Den Studierenden wird neben der aktiven Selbstreflexion zudem auch die Möglichkeit der aktiven Mitgestaltung des Unterrichts eingeräumt. Sturm (1994, S. 17) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Studierende durch einen Eingangsfragebogen aufgefordert würden, «den Themen und dem Verlauf der Lehrveranstaltung gegenüber eine bewusstere Haltung einzunehmen», und dass sie durch die selbstständige Formulierung von Zielen eine eigene Planungsgrundlage für die Lehrveranstaltung entwickeln bzw. Gütekriterien für deren Beurteilung bereits im Vorhinein erstellen würden. Gerade auch der letzte Punkt ist ganz besonders wichtig im Hinblick auf die Durchführung einer Endevaluation und die damit in Verbindung stehende Qualitätsfrage, die des Weiteren als Überprüfung dienen kann, ob die anfangs angestrebten Ziele tatsächlich erreicht wurden bzw. wenn nicht, wo die Gründe hierfür zu suchen sind. Wenn auch die Lehrenden die studentischen Gütekriterien kennen, nach welchen sie die Veranstaltung bewerten, können sie, wenn auch nicht alle und immer, so doch zumindest einige davon berücksichtigen. Ob, und wie relevant Vorevaluationen für andere universitäre Kurse sein können, hängt von vielen Faktoren ab und muss immer vor dem Hintergrund der jeweiligen Veranstaltung gesondert beurteilt werden. Für universitäre Sprachkurse, ganz besonders ab einem leicht fortgeschrittenen Niveau, scheinen sie jedoch durchaus sinnvoll, wie auch die hier durchgeführte Untersuchung gezeigt hat. Im Kontext des universitären Fremdsprachenunterrichts ist z. B. entscheidend, dass man auf dem (sprachlichen) Vorwissen der Studierenden aufbaut. Nicht zuletzt handelt es sich bei den LernerInnen um Erwachsene, und Erwachsenenlernen ist immer auch Anschlusslernen, worauf u. a. auch Siebert (vgl. Vorevaluation (VorEval) 211 <?page no="212"?> 2009, S. 26) hinweist. Kann fehlendes Wissen in vielen Inhaltskursen durch entsprechendes Eigenstudium oftmals verhältnismäßig rasch wettgemacht werden, so erfordern bestimmte sprachliche Aspekte nicht nur das gründliche Verstehen derselben, sondern auch verstärktes Üben und Wiederholen mit anderen SprecherInnen. Nur dann können sie automatisiert und in unterschiedlichen Alltagssituationen authentisch eingesetzt werden. Darüber hinaus ist auch das aktive Miteinbeziehen der Interessensgebiete der Studierenden wichtig (vgl. Stork/ Adamczak- Krysztofowicz 2008) für den guten Verlauf einer Lehrveranstaltung und trägt zum Lernerfolg der Studierenden bei. Dieses Integrieren von Interessen ist gerade in allgemeinen Sprachkursen oft relativ einfach zu bewerkstelligen und kann auf vielfältige Weise erfolgen, wie etwa durch Referate oder Ergänzungsthemen zu den Unterrichtswerken, Essays, Diskussionsrunden, etc. Auch die Muttersprache(n) der LernerInnen sind beim Erlernen einer neuen Sprache zu berücksichtigen. Handelt es sich beispielsweise bei einem Spanischkurs um eine LernerInnengruppe einer anderen romanischen Sprache, so werden nicht nur der Unterrichtsaufbau, sondern ganz besonders auch die Erklärungen vieler sprachlicher Konstrukte anders sein, als wenn es sich etwa um deutschsprachige Studierende handelt. Diese und andere Aspekte werden auch oft als LernerInnenvariablen bezeichnet und bilden seit vielen Jahren einen fixen Bestandteil der Fremdsprachendidaktik und können mithilfe von VorEval rasch ermittelt werden. Da es sich bei der hier vorgestellten Vorevaluation um eine Evaluation im Sinne einer Wissensgenerierung und Bewertung mit daran anschließenden potenziellen Implementierungen handelt, werden bei deren Konzeption nicht nur der praktische Zugang (siehe unten) gewählt, sondern auch die theoretischen Forderungen bzw. Standards berücksichtigt, die im Handbuch der Evaluationsstandards definiert wurden (vgl. Sanders 2006), um dadurch einer von Spiel (vgl. 2001, S. 7) festgestellten Problematik entgegenzuwirken, die bei vielen Evaluationen im Kontext von Lehrveranstaltungen immer wieder zutage tritt: die vielfach vorhandene Konzeptlosigkeit. Evaluationsstandards Damit sowohl die Anforderungen aus der Praxis als auch wissenschaftliche Standards und Richtlinien beim Durchführen von Evaluationen berücksichtigt bzw. die Qualität von Evaluationen optimiert und gesichert werden können, entwickelte das Joint Commitee on Standards for 212 Christoph Waldhaus <?page no="213"?> Educational Evaluation Richtlinien, die beim Planen, Durchführen und Bewerten von Evaluationen als Orientierung dienen. Diese Qualitätsmaßstäbe sind im Handbuch der Evaluationsstandards festgehalten und richten sich sowohl an EvaluatorInnen als auch an AuftraggeberInnen. Sie sind nicht als starre mechanische Regeln, sondern als Leitprinzipien zu verstehen und enthalten Hinweise und Warnungen zur Vermeidung leicht auftretender Fehler. Zudem beschreiben sie, welche Vorgehensweisen allgemein für akzeptabel bzw. inakzeptabel gehalten werden, und zeigen die zurzeit jeweils beste Praxis auf (vgl. Sanders et al. 2006, S. 35). Die aktuelle Version sieht folgende Standards bei Programmevaluationen vor: Tab. 1: Inhalte der Evaluationsstandards in Anlehnung an Sanders et al. (vgl. 2006, S. 31f.) Nützlichkeitsstandards Nützlichkeitsstandards legen fest, ob eine Evaluation den tatsächlichen Informationsbedürfnissen der jeweiligen AdressatInnen gerecht wird. Dazu werden die AdressatInnen und deren Evaluationsbedürfnisse genau ermittelt und die Evaluation demgemäß durchgeführt. Zudem müssen die gewonnenen Informationen bedeutsam sein und rechtzeitig ermittelt werden. Durchführbarkeitsstandards Durchführbarkeitsstandards betonen die Praxisbezogenheit von Evaluationen. Diese werden in der Regel nicht in einem Labor, sondern in einem natürlichen Umfeld durchgeführt und verbrauchen daher Ressourcen. Folglich müssen sie so konzipiert sein, dass sie nur so viel Material, Personal, Zeit, etc. in Anspruch nehmen, wie es erforderlich ist. Korrektheitsstandards Die Korrektheitsstandards fordern, dass Evaluationen rechtlich und ethisch korrekt durchgeführt werden und die Rechte (Privatsphäre, Zugang zu Informationen, Schutz der Persönlichkeit, etc.) der an Evaluationen beteiligten Personen gewahrt und respektiert werden. Genauigkeitsstandards Die Genauigkeitsstandards legen fest, ob eine Evaluation angemessene Informationen hervorbringt. Es sollen die relevanten und als wichtig erachteten Daten erhoben und beurteilt werden. Die Daten sollen technisch angemessen sein und die Urteile müssen in einem logischen Zusammenhang mit den Daten stehen. Damit wird die Güte und Verwendbarkeit der Informationen bestimmt. Vorevaluation (VorEval) 213 <?page no="214"?> Die Konzeption des Fragebogens zur Vorevaluation basiert auf diesen Standards, die aufgrund des Umfangs in diesem Beitrag nicht näher erläutert werden können. Es sei jedoch auf Waldhaus (siehe 2014) verwiesen. Zur Konzeption von VorEval Zielsetzung Das oben bereits kurz angeführte Modell VorEval wurde im Rahmen meiner Dissertation konzipiert und im Projekt Vorevaluation am treffpunkt sprachen umgesetzt. Ziel des Projekts war es, einen Eingangsfragebogen zu kreieren, der in universitären Fremdsprachenkursen zu Beginn des Unterrichtsgeschehens, oder wenn möglich, bereits davor zum Einsatz kommt und drei zentrale Forderungen erfüllt: Erstens soll er für die Lehrperson möglichst viele relevante Informationen hinsichtlich jener Studierenden generieren, die bei ihr einen bestimmten Fremdsprachenkurs besuchen. Auf diesen Informationen aufbauend können die Lehrenden den betreffenden Kurs (im dafür möglichen Rahmen) optimal und sinnvoll und auch unter Berücksichtigung der Lehrziele auf die jeweilige Studierendengruppe abstimmen. Zweitens soll er bei den LernerInnen (Selbst-)Reflexionsprozesse auslösen, die ihnen zum einen aufzeigen, dass sie maßgeblich am Gelingen des Unterrichts beteiligt sind, und zum anderen bei ihnen metakognitive Kompetenzen entwickeln, die à la longue auch zur Bildung bzw. Veränderung ihres LernerInnen-Selbstkonzepts beitragen. Drittens soll das Modell sämtlichen Evaluationsstandards gerecht werden und nicht nur in der Praxis realistisch einsetzbar sein, sondern sich auch durch Effizienz und geringen Aufwand für Lehrende und Studierende auszeichnen. Fragestellungen Die mit diesen Zielen verbundenen primären Fragestellungen lauten wie folgt: ● Wie muss ein Evaluationsprogramm beschaffen sein, damit es zum einen die Lehrenden bei der Konzeption bzw. Adaption des Unterrichts auf eine konkrete LernerInnengruppe unterstützt und gleichzeitig bei den LernerInnen (selbst-)reflexive Prozesse auslöst, die die Entwicklung metakognitiver Kompetenzen fördern und zur Bildung bzw. Veränderung des LernerInnen-Selbstkonzeptes beitragen? 214 Christoph Waldhaus <?page no="215"?> ● Wie sollte das Programm eingesetzt werden, damit es in der Praxis genutzt wird und die gewünschten Effekte auslöst? ● Welche Rahmenbedingungen sind für dessen Einsatz notwendig? Methode Die Beantwortung dieser Fragen erweist sich bereits im Vorfeld als schwierig, da in der analysierten Literatur kein vergleichbarer Versuch bzw. kein ähnliches Modell für diesen Kontext gefunden werden konnte, welches als Anhaltspunkt für weitere Überlegungen hätte dienen können. Es gibt zwar eine Vielzahl an unterschiedlichen Evaluationsmodellen (für eine Übersicht siehe Rindermann 2009), die jedoch unter anderen Voraussetzungen geschaffen wurden, in anderen Kontexten eingesetzt werden und andere Ziele verfolgen. Zu kritisieren wäre an den aktuell eingesetzten Modellen vor allem, dass diese rein retrospektiv in Form summativer Evaluationen zum Einsatz kommen, was bedeutet, dass sie am Ende des Kurses oder Semesters einmalig eingesetzt werden. Zudem werden sie überwiegend nach dem paper-pencil-Verfahren distribuiert und müssen vielfach von den Lehrenden selbst ausgewertet werden. Dieses Prozedere ist sowohl unter didaktischen Aspekten als auch unter Kriterien der Effizienz bzw. Qualitätsoptimierung im 21. Jahrhundert mitunter höchst bedenklich, zum einen, weil die Informationen erst am Ende des Kurses zur Lehrperson gelangen, wenn diese keine Möglichkeit mehr hat, Änderungen für die betreffende Gruppe vorzunehmen, und zum anderen, weil diese oftmals von den Lehrenden selbst (unentgeltlich) ausgewertet werden müssen, was nach eigener Erfahrung pro Kurs bis zu einer Stunde an Zeit in Anspruch nehmen kann und bei der in der Regel in diesem Berufsfeld verhältnismäßig geringen Entlohnung (vgl. Voss 2007, S. 359) eigentlich kaum zu rechtfertigen ist. Da viele Lehrende aktuell sehr oft bereits an den Folgen einer «Evaluitis» (Frey 2007) leiden, war die anfängliche Befürchtung, ob die KollegInnen einer weiteren Evaluation, die zusätzlich zur bereits verpflichtenden Endevaluation und auf freiwilliger Basis durchgeführt werden sollte, überhaupt zustimmen würden. Aus diesem Grund wurde im Sommersemester 2012 ein Vorab-Fragebogen an alle Lehrenden von treffpunkt sprachen geschickt, der im Wesentlichen zwei Fragen im Vorfeld zu klären versuchte: (1) Würde eine Vorevaluation aus Ihrer Perspektive überhaupt dazu beitragen, den Unterricht besser auf die Studierenden abzustimmen, und wenn ja, (2) welche Fragen wären Ihrer Meinung nach dabei hilfreich? Darauf aufbauend wurde dann die Beta-Version von VorEval konzipiert, die in 20 Kursen am treffpunkt sprachen getestet Vorevaluation (VorEval) 215 <?page no="216"?> und im Anschluss daran modifiziert wurde und die Basis für die aktuelle Release-Version darstellt (siehe Anhang 1). Die Annäherung an das Modell erfolgte in folgenden Schritten: 1. Phase 1 - Vorerhebung (Sommersemester 2012): ● Lehrendenbefragung, ● Auswertung und Interpretation der Ergebnisse. 2. Phase 2 - Konzeption der Beta-Version (Wintersemester 2012): ● Erstellen der Beta-Version, ● Test der Beta-Version, ● Befragung der Lehrenden (Interviews), ● Befragung der Studierenden (Interviews, Fragebogen), ● Auswertung der Ergebnisse, Modifikationen. 3. Phase 3 - Konzeption der Release-Version (Sommersemester 2013): ● Test der Release-Version, ● Konzeption eines Leitfadens für die erfolgreiche Anwendung. Konzeptionsphasen im Detail Phase 1 - Vorerhebung: Lehrendenbefragung Die bereits oben angesprochene Lehrendenbefragung wurde zu Beginn des Wintersemesters 2012 am treffpunkt sprachen durchgeführt. Dabei wurden mithilfe eines Online-Formulars folgende zwei Fragen an 40 Lehrende (n=40) gestellt: 1. Glauben Sie, dass Sie den Sprachenunterricht (z. B. Unterrichtsaufbau, Erstellung des Readers, Auswahl des Lehrbuchs, etc.) besser auf die jeweilige LernerInnengruppe abstimmen können, wenn Sie gewisse Informationen zu den Studierenden (z. B. Vorkenntnisse, Wünsche, Erwartungen, Auslandserfahrung, etc.) bereits im Vorfeld - also vor Beginn des Semesters/ Kurses - hätten? 2. Welche Informationen wären für Sie in dieser Hinsicht von besonderem Interesse bzw. besonders hilfreich/ relevant? Zur Beantwortung hatten die Lehrenden zwei Wochen Zeit, wobei nach einer Woche eine Erinnerungs-E-Mail versandt wurde. Vor dieser E-Mail wurden 28 vollständig ausgefüllte Fragebögen retourniert und danach zehn. Die Beteiligung mit einer Rücklaufquote von über 95 % ist für eine Online-Befragung in diesem Rahmen überdurchschnittlich hoch - sie liegt in der Regel bei herkömmlichen MitarbeiterInnenbefragungen bei 50 - 80 % (vgl. Thielsch/ Weltzin 2012, S. 125) - und verdeutlicht das Interesse an der Fragestellung, vor allem weil die Lehrenden zu Semester- 216 Christoph Waldhaus <?page no="217"?> beginn oftmals die Vorbereitung all ihrer Kurse noch nicht völlig abgeschlossen haben und daher unter hohem Druck stehen. 70% 25% 5% Rücklaufquote, 95% Woche 1 Woche 2, nach Erinnerungs E Mail Keine Antwort Diagr. 1: Lehrendenbefragung Folgende Überlegungen standen mit der Vorerhebung in direkter Verbindung: Erstens, wenn Frage eins mehrheitlich mit «Ja» beantwortet würde, dann wäre im Vorfeld zumindest von Seiten der Lehrenden bereits ein gewisses Interesse an einer Vorevaluation vorhanden bzw. würden sie darin eine gewisse Nützlichkeit für die Gestaltung des Unterrichts und somit für die Optimierung ihrer Lehrtätigkeit erkennen. Dies ist, wie auch in den Nützlichkeitsstandards (vgl. Sanders et al. 2006) beschrieben, eine erhebliche Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz jeglicher Evaluation und ist auch insofern wichtig, als die Lehrenden die Studierenden in weiterer Folge für eine aktive Teilnahme an der Befragung motivieren können, was wiederum die Rücklaufquote bei der Studierendenbefragung steigern würde. Dies kann jedoch nur dann glaubwürdig erfolgen, wenn die Lehrenden selbst von der Sinnhaftigkeit des Vorhabens überzeugt sind. Weitere Nützlichkeitsstandards, wie z. B. die Glaubwürdigkeit der EvaluatorInnen und der Umfang bzw. die Auswahl der Informationen (vgl. ebd.) werden zudem durch die Tatsache gestützt, dass die Lehrenden direkt an der Konzeption des Fragebogens beteiligt werden. Dies erfolgte durch die Beantwortung der zweiten Frage, in welcher sie wesentliche Informationen aus ihrer Lehrexpertise und Erfahrung beisteuerten. Die Lehrenden wurden dadurch am Projekt beteiligt und hatten die Möglichkeit, die für sie relevanten Informationen anzuführen, Vorevaluation (VorEval) 217 <?page no="218"?> die in weiterer Folge in den Fragebogen integriert wurden. Dies stellt einen unmittelbaren Bezug zu ihrer Lehrpraxis dar und erfüllt einen weiteren Nützlichkeitsstandard (N1), die Beteiligung bzw. Miteinbeziehung der Betroffenen. Dadurch, dass sie maßgeblich an der Entwicklung der einzelnen Items mitwirken, ist ein potenzieller Einsatz des Modells wahrscheinlicher, weil sie durch die Partizipation die Möglichkeit haben, jene Fragen zu integrieren, die sie unmittelbar interessieren. Phase 1 - Vorerhebung: Ergebnisse Von den 95 % (n=38) der Lehrenden, die den Fragebogen vollständig ausfüllten und retournierten, beantworteten 85 % (n=32) Frage eins mit «Ja» und 15 % (n=6) mit «Nein», wobei insgesamt fünf Begründungen angeführt wurden, warum diese Vorab-Informationen für die Optimierung des Unterrichts aus Sicht dieser Lehrenden als nicht relevant erachtet werden (siehe unten). Ja 85% Nein 15% Studierendenrelevante Vorabinformation ermöglicht bessere Abstimmung auf LernerInnenbedürfnisse Diagr. 2: Vorabinformation zur besseren Abstimmung auf LernerInnenbedürfnisse Eine Inhaltsanalyse der Antworten zu Frage zwei ergab, dass für die Lehrenden Informationen zu unterschiedlichen Bereichen relevant waren, die zu folgenden Kategorien zusammengefasst werden konnten: A. Angaben zur Sprache, B. Angaben zum Kurs, C. Angaben zur Person, D. Angaben zum Lernstil, E. Wünsche/ Erwartungen/ Vorstellungen. 218 Christoph Waldhaus <?page no="219"?> Im Detail wurden folgende Punkte von den Lehrenden vorgeschlagen: A - Angaben zur Sprache 1. Angaben zur Muttersprache 2. Angaben zur Fremdsprache a. Gründe für das Erlernen der Fremdsprache bzw. das Verbessern bereits vorhandener Kompetenzen b. Genaue Angabe der Vorkenntnisse (in den jeweiligen Fertigkeiten): i. Niveaustufe (mit Zertifikat? ) ii. Zeitangabe: Seit wann lernen die TeilnehmerInnen diese Sprache? iii. Angabe zum Spracherwerb: ● Wie wurden die Vorkenntnisse in dieser Sprache erworben? ● Wo? ● In welchem zeitlichen Ausmaß? ● Fand der Erwerb institutionalisiert, systematisiert, mündlich, schriftlich, etc. statt? c. Absolvierten die TeilnehmerInnen davor bereits andere Sprachkurse? i. Am treffpunkt sprachen? ii. An anderen Universitäten? iii. Im Ausland? iv. Anderes? 1. Mit welcher Note/ welchem Zertifikat wurde der Kurs abgeschlossen? 2. Wie lange wurden diese Kurse besucht? d. Gab es eine (längere) Pause/ mehrere Pausen im Erwerb der Sprache? e. Welche Erfahrungen haben die LernerInnen mit der Sprache bzw. den Kulturen, in denen diese Sprache gesprochen wird? i. Wurde ein Auslandsaufenthalt absolviert? ii. Haben sie in ihrem persönlichen Umfeld Kontakt mit Personen, die diese Sprache sprechen? 3. Angaben zu weiteren Fremdsprachen, die von den LernerInnen gesprochen werden. B - Angaben zum Kurs 1. Grund für Kursbesuch 2. Welche Ziele werden mit dem Kursbesuch verfolgt? Vorevaluation (VorEval) 219 <?page no="220"?> 3. Besondere Interessen/ Schwerpunkte/ Themen (Inhalte), die im Kurs behandelt werden sollten (Kursinhalte) 4. Erwartungen bzw. Wünsche an den Kurs 5. Angaben zum Kursaufbau 6. Erwartungen an die Lehrperson 7. Besondere Bedürfnisse 8. Auswahl des Lehrbuchs 9. Einsatz von Medien 10. Wunsch nach Hausübungen vorhanden 11. Wird eine Sprachprüfung angestrebt? 12. Sollte ein bestimmtes Niveau bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erreicht werden? C - Angaben zur Person 1. Alter 2. Geschlecht 3. Beruf bzw. Berufsvorstellungen 4. Studienfach/ Studium 5. Erfahrung mit Akademischem Arbeiten 6. Bisherige Ausbildung 7. Interessen D - Angaben zum Lernstil 1. Angaben zum Unterrichtsaufbau 2. Angaben zum Lernstil 3. Angaben zum Feedback 4. Angaben zum Lehrbuch (Welches Lehrbuch wurde bereits verwendet? ) 5. Einsatz von Neuen Medien (Erwünscht? / Welche? ) E - Wünsche/ Erwartungen/ Vorschläge (allgemein) Phase 1 - Vorerhebung: Interpretation der Ergebnisse Aufgrund der hohen Rücklaufquote von 95 % kann das Interesse der Lehrenden an dieser Befragung grundsätzlich als überdurchschnittlich hoch eingeschätzt werden. Dies ist vor allem im Zeitalter der Onlinebefragung und der damit vielfach einhergehenden Überflutung elektronischer Postkästen ein wichtiges Indiz für die Relevanz einer Befragung und kann u. a. wie folgt gedeutet werden: Zum einen kann es generell als starkes Interesse der Lehrenden an der Thematik per se zu sehen sein, zum anderen als eine potenzielle Bestrebung, den eigenen Unterricht optimieren zu wollen und diesen eventuell durch eine Eingangsbefragung verstärkt an die LernerInnenbedürfnisse anzupassen. Indirekt 220 Christoph Waldhaus <?page no="221"?> impliziert diese rege Teilnahme möglicherweise auch eine gewisse, vielleicht partielle Unzufriedenheit der Lehrenden mit dem eigenen Unterricht bzw. den oft heterogenen LernerInnengruppen und die Suche nach Möglichkeiten, dieser suboptimalen Situation entgegenzuwirken. Für 85 % der Befragten, also für eine sehr deutliche Mehrheit, kann eine Eingangsevaluation demnach dazu beitragen, den Unterricht besser auf eine bestimmte LernerInnengruppe abzustimmen. Dieses Ergebnis gibt im Endeffekt zwar noch keine Auskunft über die Anzahl der Lehrenden, die letztlich auch dezidiert bereit dazu wären, eine derartige Vorevaluation in ihren Kursen durchzuführen, kann jedoch als Hinweis für ein potenzielles Interesse gedeutet werden, was als Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz von VorEval zu sehen ist. Bei Frage zwei hatten die Lehrenden die Möglichkeit, maximal 20 Einträge vorzunehmen. Da die Befragung anonym erfolgte, kann nicht rückverfolgt werden, wer genau welche und wie viele Einträge tätigte, jedoch ergab die statistische Auswertung, dass pro Lehrperson im Schnitt drei bis vier Einträge vorgenommen wurden und der Maximalwert bei zwölf Einträgen lag. Viele Angaben, wie z. B. Vorkenntnisse, Erwartungen, Interessen, etc., wurden besonders häufig genannt, andere weniger oft, aber in der Regel wurden fast alle mehrfach angeführt, was eine klare Tendenz zu bestimmten Inhalten zeigte und zu den fünf oben angeführten Kategorien führte, die für die Lehrenden besonders relevant schienen. Auf Basis dieser Angaben wurde die erste Version des Vorevaluationsfragebogens (VorEval Beta 1) erstellt, der in einem ersten Probelauf primär auf seine Funktionalität getestet wurde (siehe unten) und die Basis für weitere darauf aufbauende Versionen darstellte. Gründe, die gegen die Vorevaluation angeführt wurden Wie oben bereits erwähnt, vertraten sechs Lehrende die Ansicht, dass eine Vorevaluation keine Optimierung des Unterrichts bedeuten würde und gaben insgesamt fünf Gründe dafür an, was bedeutet, dass zumindest eine Lehrperson keine Angabe tätigte. Die Gründe, die angeführt wurden, sind: 1. Die LernerInnengruppen im Deutsch als Fremdsprache-Bereich sind generell sehr heterogen. Informationen zu den Studierenden sind daher wenig hilfreich. 2. In Allgemeinsprachlichen Kursen ist die Information wenig sinnvoll aufgrund der unterschiedlichen Studienrichtungen der Studierenden, in Spezialkursen jedoch sehr wichtig. Vorevaluation (VorEval) 221 <?page no="222"?> 3. Vorkenntnisse sind nicht nötig, da das «Kennenlernen» in der ersten Einheit sehr spannend sein kann und genaue Kenntnisse keine Veränderungen herbeiführen würden. 4. Es sind keine Informationen bezüglich der Studierenden erwünscht. 5. Das Besuchen der richtigen Niveaustufe ist wichtiger als eine Vorevaluation und kann durch Einstufungstests erreicht werden. Interpretation der Ergebnisse Die DaF-Gruppen stellen in vielerlei Hinsicht bestimmt eine Sonderform des Fremdsprachenunterrichts dar. Ein Großteil der LernerInnen, die in diesen Kursen vertreten sind, sind Austauschstudierende aus den verschiedensten Ländern, die diese Kurse als Teil ihres Austauschprogramms belegen. Andere leben bereits seit einiger Zeit in Österreich und wollen durch diese Kurse ihre Deutschkenntnisse vertiefen, um bessere Berufschancen zu bekommen, um sich in Österreich gut integrieren zu können, um ein Studium an einer österreichischen Universität zu beginnen, etc. Ein Hauptgrund für die Heterogenität dieser Kurse sind z. B. die unterschiedlichen Schwerpunkte, die in den verschiedenen Ländern auf die verschiedenen sprachlichen Fertigkeiten gelegt werden. So liegt in einigen Ländern der Schwerpunkt vorwiegend auf der Grammatik. Diese Studierenden sind sehr oft firm im schriftlichen Deutsch und beherrschen die deutsche Grammatik für das jeweilige Niveau mitunter sehr gut, befinden sich jedoch vielfach in niedrigeren Niveaustufen, weil ihre mündlichen Fertigkeiten nicht besonders gut elaboriert sind. Bei anderen Studierenden ist oftmals das Gegenteil der Fall. Sie schneiden in den mündlichen Einstufungsgesprächen besser ab, weil sie durch ihre kommunikative Kompetenz über grammatikalische Defizite hinwegtäuschen oder diese umgehen können. Dies ist vor allem auch bei LernerInnen zu beobachten, die schon einige Zeit im Land leben, die Grammatik als solche jedoch nie wirklich gelernt und ihre sprachlichen Fertigkeiten hauptsächlich in der Interaktion mit Einheimischen erworben haben. Für den Unterricht bedeutet das natürlich eine besonders schwierige Ausgangslage und in jedem Fall wäre eine schriftliche und mündliche Einstufung erfolgversprechend. Diese wird mittlerweile am treffpunkt sprachen in beiden Varianten für die DaF-Intensivkurse durchgeführt, war in der Konzeptionsphase von VorEval jedoch nur in mündlicher Form vorhanden. Mithilfe der Vorevaluation ist - selbst wenn keine offizielle Einstufung erfolgt - wenigstens eine partielle Verbesserung dieser oben explizierten suboptimalen Situation möglich, denn gerade wenn die 222 Christoph Waldhaus <?page no="223"?> Gruppen sehr heterogen sind, wäre eine genauere Vorabinformation für die Lehrenden sehr hilfreich, da man sich so bereits vor der ersten Kurseinheit Techniken zurechtlegen kann, um aus dieser schwierigen Situation von Beginn an das Bestmögliche zu machen. Der Kommentar, dass Vorkenntnisse nicht erwünscht wären, da das Kennenlernen in der ersten Einheit sehr spannend sein kann und Kenntnisse keine Veränderungen herbeiführen würden, widerspricht nicht nur sämtlichen wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der needs analysis und der Curriculumforschung (vgl. Nunan 1988), sondern zeigt auch von geringer bis keiner Bereitschaft der Lehrperson, vom vorbereiteten Lehrinhalt abzuweichen. Die Vorevaluation egalisiert die Phase des ersten Kontakts zwischen Lehrenden und Studierenden nicht, sondern ganz im Gegenteil, professionalisiert diese, denn wer als Lehrende/ r von Anfang an über seine/ ihre Gruppe Bescheid weiß, kann dieser systematischer begegnen. Zudem kann die Zeit, die in der ersten Einheit für das genaue Kennenlernen der Studierenden, vor allem ihrer Wünsche, Probleme und Ziele bereit gestellt wird, bereits dafür genutzt werden, genauer auf jene Informationen einzugehen, die aus der Vorevaluation gewonnen wurden. Die Informationen aus der Vorevaluation können mit den LernerInnen diskutiert und der Lehrplan adaptiert werden. Dies kann eine enorme Zeitersparnis bedeuten. Der Kommentar, dass sich die Studierenden zum richtigen Kurs anmelden, der ihrer tatsächlichen Niveaustufe entspricht, wirft ein Grundproblem auf, welches durch die Vorevaluation nicht direkt gelöst werden kann. Mitunter kommt es durch die Verwendung von Checklisten zur Selbsteinschätzung (vgl. treffpunkt sprachen 2014) zu einer Fehleinschätzung des Niveaus, weil die LernerInnen entweder ihre eigenen Fähigkeiten über- oder unterschätzen oder weil sie am Ende ihres Auslandsaufenthalts eine bestimmte Niveaustufe erreicht haben müssen, um ihr Stipendium nicht zu verlieren, und sich aus diesem Grund für - vom Niveau her - meist zu hohe Kurse anmelden. Die Selbsteinschätzung ist jedoch für die Förderung metakognitiver Fähigkeiten wichtig und trägt wesentlich zur Bildung bzw. Veränderung des LernerInnen-Selbstkonzepts bei, wie auch aus den Interviews mit den Studierenden deutlich wurde. Der Kommentar, dass diese Art der Information besonders für Spezialkurse relevant ist, wird hier ausdrücklich untermauert. Wenn man als Lehrperson einen Kurs, z. B. Wirtschaftsdeutsch oder Englisch für TechnikerInnen, hält, sind Vorkenntnisse besonders relevant, da diese Kurse in der Regel auf keine bestimmte Niveaustufe hin abzielen, sondern primär inhaltliche Kenntnisse zu vermitteln versuchen. Das belegen auch unter- Vorevaluation (VorEval) 223 <?page no="224"?> schiedliche Untersuchungen, wie z. B. jene von Kaewpet (vgl. 2009). Je genauer man über die Gruppe Bescheid weiß, desto besser kann folglich der Unterricht auf diese Gruppe abgestimmt werden. Dies trifft jedoch generell auf alle Arten von Kursen zu, nicht nur auf Spezialkurse. Aus dem bisher Gesagten wird auch deutlich, dass eine eingehende Information der Lehrenden in Bezug auf die Vorevaluation, das Prozedere und auch mögliche Implikationen vor der Studierendenbefragung durchaus sinnvoll erscheinen. Dass eine überwältigende Mehrheit an Studierenden, die universitäre Fremdsprachenkurse belegen, zudem an der Auswahl der Themen beteiligt werden wollen, ergab eine Studie aus dem Jahr 2008 (siehe Stork/ Adamczak-Krysztofowicz). Phase 2 - Konzeption der Beta-Version ● Erstellen und Vortest der ersten Beta-Version von VorEval aufbauend auf den Ergebnissen von Phase 1, ● Modifikationen; Konzeption der Beta-Version, ● Test der Beta-Version, ● Befragung der Lehrenden (Interviews), ● Befragung der Studierenden (Interviews, Fragebögen), ● Auswertung der Ergebnisse, Überlegungen zu Modifikationen. Erstellen und Testen der Beta-Version von VorEval Aufbauend auf den Angaben, die durch die Lehrendenbefragung generiert wurden, konnte die Beta-Version des Vorevaluationsfragebogens (VorEval Beta) erstellt werden, die in einem ersten Probelauf primär auf ihre technische und organisatorische Funktionalität sowie auf die Funktionalität beim Export der Daten getestet wurde. Zudem sollten potenzielle (technische) Schwierigkeiten und Probleme aufgezeigt und Anhaltspunkte für den erfolgreichen Einsatz von VorEval gefunden werden. Nicht zuletzt sollten auch erste Hinweise über die Rücklaufquote gewonnen werden, ob und wie stark motiviert die LernerInnen in Bezug auf die Teilnahme an einer derart beschaffenen Eingangsbefragung sind, und wo Gründe für eine eventuell geringe Rücklaufquote liegen könnten. Dieser erste Probelauf des Fragebogens fand in einem Englischkurs (Niveau B2) mit einer TeilnehmerInnenzahl von 22 Studierenden statt. Zum Ausfüllen des Online-Fragebogens hatten die LernerInnen eine Woche Zeit. Es wurde keine Erinnerungs-E-Mail verschickt. 224 Christoph Waldhaus <?page no="225"?> Von den 22 Studierenden nahmen 18 an der Befragung teil, was einer Rücklaufquote von 82 % entspricht und als sehr hoch einzustufen ist. Dies ist als starkes Interesse der LernerInnen dieses Kurses an einer derartigen Befragung zu deuten, vor allem, weil keine Erinnerungs-E-Mail versandt wurde und zudem Gespräche mit den LernerInnen im Kurs ergaben, dass Probleme in Bezug auf die Befragung vorhanden waren. Zwei Studierende konnten beispielsweise den Fragebogen nicht zu Ende ausfüllen, weil dieser in Deutsch verfasst war und ihre Deutschkenntnisse hierfür nicht ausreichten. Dies wurde beim tatsächlichen Probelauf der Beta- Version bereits berücksichtigt, indem der Fragebogen in Deutsch und Englisch angeboten wurde und die Studierenden zwischen diesen beiden Sprachen wählen konnten. Andere LernerInnen gaben an, dass sie technische Probleme mit ihrem E-Mail-Account hatten bzw. die E-Mail nicht rechtzeitig gelesen hätten oder die Zeit zum Ausfüllen zu kurz bemessen gewesen wäre. Die Ergebnisse wurden durch die automatische Exportfunktion von LimeSurvey generiert. Der Vorteil dieser Exportfunktion ist, dass sie per Knopfdruck erfolgen kann und keine weiteren Schritte notwendig sind, um die Daten zu erhalten. Dies kann relativ leicht von jeder Lehrperson selbst durchgeführt werden und die Ergebnisse stehen unmittelbar danach als Word-Datei, Excel-Datei oder im PDF-Format zur Verfügung. Für den Export des Vorevaluations-Fragebogens wurde eine sogenannte gemischte Form gewählt, die neben Text auch Graphiken und Statistiken anzeigt. Das Problem, das hierbei zu verzeichnen war, ist, dass sich dieses Exportformat vor allem durch Unübersichtlichkeit aufgrund der großen Graphiken auszeichnete. Dadurch hatte der Export eine enorm hohe Seitenanzahl (71 Seiten bei 16 vollständig beantworteten Fragebögen) und benötigte gleichzeitig relativ viel Speicher (1.7 MB). Oftmals wurde nur eine Graphik pro A4-Seite angezeigt, die von der Größe her die Hälfte der Seite ausmachte. Der Hauptgrund hierfür war, dass die Graphen und Diagramme wesentlich größer dargestellt werden, als dies für deren Interpretation notwendig wäre. Zudem wurden bei einzelnen Fragen, wenn es sich um Auswahlfelder, wie z. B. die Angabe der Muttersprache handelte, immer sämtliche Antwortmöglichkeiten angezeigt, auch wenn nur fünf davon von den Studierenden dezidiert aktiviert wurden. Die Art dieses Exports ist daher nicht ideal und stellt insofern ein Problem dar, als bei den von LimeSurvey zur Verfügung gestellten automatischen Exportfunktionen nur leichte Verbesserungen erzielt werden konnten und für einen wirklich übersichtlichen Export ein eigenes Programm geschrieben werden muss, welches die Daten in einer überschaubareren Form darstellt. Vorevaluation (VorEval) 225 <?page no="226"?> Test der Beta-Version Der Test der Beta-Version wurde in mehreren Etappen durchgeführt und zielte darauf ab, möglichst viele unterschiedliche Aspekte zu berücksichtigen. Zum einen stellten die aus diesen Tests gewonnenen Erkenntnisse die Basis für die Konzeption der Release-Version dar, zum anderen sollten die Parameter für den erfolgreichen Einsatz einer Vorevaluation möglichst genau eruiert werden. Darüber hinaus sollte herausgefunden werden, inwieweit sich der Fragebogen für die unterschiedlichen Niveaustufen eignet und welche Gründe für eine potenziell unterschiedlich starke Rücklaufquote ausschlaggebend sind. Zuerst wurde der Fragebogen in mehreren Fremdsprachenkursen (n=20) eingesetzt, die von unterschiedlichen Lehrenden (n=10) geleitet wurden. Wichtig war dabei, möglichst viele Lehrende zu inkludieren und alle am treffpunkt sprachen angebotenen Niveaustufen (A1.1-C1) abzudecken. Dadurch sollten nach wie vor vorhandene potenzielle Fehlerquellen ausgeschaltet und Probleme aufgezeigt werden, die den erfolgreichen Einsatz einer Vorevaluation hemmen könnten. In einem weiteren Schritt wurden die Lehrenden interviewt, wobei sich das Hauptaugenmerk der Befragung darauf richtete, herauszufinden, ob die Ergebnisse von VorEval für Lehrende hilfreich waren, und wenn ja, wie sie diese in den Unterricht einbinden könnten bzw. würden. Zudem wurde versucht, potenzielle Probleme und Optimierungsvorschläge zu erfragen. In einem weiteren Schritt wurden die Studierenden interviewt, wobei hier zum einen ihr LernerInnen-Selbstkonzept analysiert wurde, zum anderen ihre generelle Einstellung zur Befragung, ob es eventuell Probleme in irgendeiner Form gab und ob es von ihrer Seite Verbesserungsvorschläge gibt. Danach wurden Fragebögen an zwei Kurse verteilt, die sich dadurch auszeichneten, dass einer eine sehr hohe und der andere eine sehr niedrige Rücklaufquote aufwies. Durch diese Befragung sollten die Gründe der LernerInnen für das aktive Beteiligen an der Vorevaluation in Erfahrung gebracht werden bzw. die Frage beantwortet werden, warum manche nicht daran teilnahmen. Als letzter Schritt wurden die Studierenden am Ende des Semesters befragt, inwieweit die Vorevaluation zu einer Optimierung des Fremdsprachenunterrichts aus ihrer Sicht beitrug. Dieser Aspekt wird aus Gründen des Umfangs in diesem Beitrag jedoch nicht mehr behandelt. 226 Christoph Waldhaus <?page no="227"?> Beschreibung des Testlaufs Phase 1 - Vor der Vorevaluation Die einzelnen Kurse und Lehrenden, die an der Vorevaluation mit eingebunden werden sollten, wurden im Vorfeld von der Zentrumsleitung ausgewählt. Kriterien hierfür waren ein möglichst breit gefächertes Spektrum an Sprachen bzw. die Teilnahme aller angebotenen Niveaustufen, die in den jeweiligen Sprachen am treffpunkt sprachen unterrichtet werden. Dabei handelte es sich um die Niveaustufen A1-C1. Im Wintersemester werden die Niveaustufen A1.1, A2.1, B1.1, B2.1 und C1 angeboten und im Sommersemester A1.2, A2.2, B1.2, B2.2 und C1. Zudem sollten neben den überwiegend allgemeinsprachlichen Kursen auch fachsprachliche integriert werden. Die Liste der teilnehmenden Lehrpersonen wurde dem Versuchsleiter per E-Mail zugesandt, der sich in Folge mit den Lehrenden in Verbindung setzte. In dieser ersten Phase wurden die Lehrenden per E-Mail kurz über das Projekt, dessen Ziele und das Prozedere informiert. In einem weiteren Schritt wurde ein Termin für eine Einschulung der Lehrenden vereinbart, in welcher das Evaluationsprogramm, die einzelnen Items, der genaue Ablauf, etc. im Detail vorgestellt wurden und die Lehrenden Fragen stellen bzw. allfällige Bedenken äußern konnten. Dieses Treffen mit den Lehrenden war für die Projektleitung sehr aufschlussreich und für den erfolgreichen Einsatz von VorEval essenziell, da einige der Lehrenden z. B. Bedenken hatten, dass die Vorevaluation eventuell Informationen - vor allem in Form von Wünschen und Erwartungen von Seiten der Studierenden - generieren könnte, die sie als Lehrende nicht bzw. nicht im gewünschten Ausmaß erfüllen könnten. Dadurch wurde auch die Wichtigkeit eines Leitfadens für den Einsatz von VorEval erkannt, der unter anderem den Lehrenden auch Methoden aufzeigen soll, wie und inwieweit die jeweiligen Informationen bei der Kurskonzeption bzw. potenziellen Adaption einzelner Inhalte integriert werden können. Die Auswahl der Lehrenden war zudem nicht an ihre Rückmeldung bei der Vorabbefragung gekoppelt, was bedeutete, dass Lehrende beider Gruppen anwesend waren, jene, die sich in der ersten Befragung für eine Vorevaluation ausgesprochen hatten, aber auch solche, die dagegen waren. Dadurch sollten die Testergebnisse möglichst objektiv sein, denn eine positive Grundhaltung impliziert möglicherweise auch leicht verfälschte oder einseitige Ergebnisse. Die Teilnahme an VorEval war letztlich jedoch freiwillig und alle ausgewählten Lehrenden entschieden sich, daran teilzunehmen. Vorevaluation (VorEval) 227 <?page no="228"?> Nach der Einschulung wurden die Links zu den jeweiligen Evaluationsbögen für die einzelnen Kurse freigeschaltet und die Lehrenden konnten diese an die Studierenden weiterleiten, mit einem kurzen vom Versuchsleiter verfassten Begleitschreiben, in welchem die LernerInnen über die Befragung, deren Ziele und den Ablauf informiert wurden. Das erfolgte im Idealfall eine Woche vor Unterrichtsbeginn, in weniger optimalen Konstellationen in einem kürzeren Abstand. Diese Heterogenität ist bedingt durch die Nachfrage und Organisation der Kurse am treffpunkt sprachen. Manche Kurse erfreuen sich einer stärkeren Nachfrage und sind daher schneller ausgebucht als andere, für die es noch Nachmeldungen in der ersten Unterrichtswoche gibt. Dieser Umstand ist natürlich nicht nur aus didaktischen, sondern auch aus untersuchungstechnischen Gründen suboptimal, stellt aber aufgrund von verspäteten Einzahlungen der Kursbeiträge seitens der Studierenden den status quo dar. Wie aus den Interviews mit den Lehrenden jedoch hervorging, wurde dieser Umstand von den meisten letztlich als kein allzu großes Problem empfunden, da viele Veränderungen auch nach der ersten Einheit oder später verhältnismäßig leicht umzusetzen sind, was den Einsatz von VorEval auch zu einem späteren Zeitpunkt, wie etwa in der ersten Unterrichtswoche, realistisch macht. Phase 2 - Testlauf VorEval wurde in insgesamt 20 Kursen getestet, die von zehn unterschiedlichen Lehrenden abgehalten wurden: Kurstyp: Allgemeinsprachliche Kurse (ASK): 18 Fachsprachliche Kurse (FSK): 2 Niveaustufen: Niveau A1 A2 B1 B2 C1 Anzahl (ASK) 6 4 3 4 1 Anzahl (FSK) 0 0 0 2 0 Sprachen: Englisch Spanisch Japanisch Russisch Kroatisch Italienisch Französisch 6 5 2 2 2 2 1 228 Christoph Waldhaus <?page no="229"?> Ergebnisse Die Beteiligung der Studierenden an der Vorevaluation war sehr unterschiedlich. Gab es in manchen Kursen eine überdurchschnittlich hohe Rücklaufquote zu verzeichnen, war diese bei anderen Kursen vergleichsweise niedrig. Die Rücklaufquote wurde aus der Anzahl der vollständig ausgefüllten Fragebögen im Vergleich zur für den jeweiligen Kurs angemeldeten TeilnehmerInnenzahl berechnet, wobei hier festzuhalten ist, dass sich oftmals TeilnehmerInnen für einen Kurs anmelden, diesen jedoch aus unterschiedlichsten Gründen, wie beispielsweise Überschneidungen mit anderen Kursen, nie besuchen. Daher sind zu Beginn des Kurses in der Regel mehr Studierende für den Kurs gemeldet, als sie in der ersten Lehrveranstaltungseinheit erscheinen oder in weiterer Folge aktiv daran teilnehmen bzw. diesen erfolgreich beenden. Zum Zeitpunkt der Vorevaluation kann jedoch nicht abgeschätzt werden, wer im Endeffekt tatsächlich am Kurs teilnehmen wird und wer nicht. Daher ist auch das Ergebnis der Vorevaluation im Hinblick auf die Rücklaufquote in einigen Fällen leicht verfälscht und es kann von einer höheren Rücklaufquote ausgegangen werden als jene, die für die Auswertung in diesem Beitrag ermittelt wurde. Sollten Studierende nicht an der Vorevaluation teilnehmen, obwohl sie sich für den Kurs angemeldet haben, weil sie daran nicht teilnehmen können, stellt das kein Problem dar. Es wirkt sich statistisch gesehen zwar auf die Rücklaufquote aus, jedoch spielt sie für den weiteren Verlauf nur eine untergeordnete Rolle, da für die Lehrenden primär die Inhalte relevant sind. Bei der aktuellen Auswertung lag der obere Maximalwert bei der Rücklaufquote bei 100 % und der unterste betrug 16 %. Aus den Ergebnissen konnte ein Median von 41,5 % errechnet werden. Die mit Abstand größte Anhäufung war im zweiten Viertel (25 - 50 %) zu finden, was der typischen Rücklaufquote einer KundInnenbefragung - um die es sich im Wesentlichen ja handelte - entsprach. Hier liegen die Ausschöpfungsquoten üblicherweise zwischen 20 - 60 %, wie Gräf (vgl. 2010, S. 60) festhält. Interessant war zudem, dass die Rücklaufquote im obersten Viertel (75 - 100 %) höher war als jene im untersten Viertel (0 - 25 %). Vorevaluation (VorEval) 229 <?page no="230"?> Diagr. 3: Rücklaufquoten in Prozent Da weder eindeutige Zusammenhänge zwischen Rücklaufquote und Niveaustufe noch zwischen Rücklaufquote und Lehrperson festgestellt werden konnten, scheint die Beteiligung vorwiegend mit den LernerInnen selbst in Verbindung zu stehen oder durch andere Gründe bestimmt zu sein. Die Frage, die sich in dieser Hinsicht aufdrängt, ist, warum in manchen Kursen eine überdurchschnittlich hohe (> 80 %) und in anderen eine vergleichsweise niedrige (< 25 %) Rücklaufquote festgestellt werden konnte. Zur Beantwortung dieser für den erfolgreichen Einsatz von VorEval zentralen Frage wurde jeweils eine Studierendengruppe aus jenem Viertel mit der niedrigsten und der höchsten Rücklaufquote befragt. Als Befragungsmittel wurden zwei Fragebögen distribuiert, einer, der u. a. die Motivation jener Studierenden ergründen sollte, die an der Befragung teilgenommen hatten, und ein zweiter, der in Erfahrung bringen sollte, warum manche der Studierenden daran nicht teilgenommen hatten. Die Ergebnisse waren wie folgt: Kurs mit vergleichsweise niedriger Rücklaufquote Ein Kurs, der sich durch eine Rücklaufquote im unteren Viertel auszeichnete, wurde im Bereich der Grundstufe A1.1 gefunden und verfügte über folgende Eckdaten: KursteilnehmerInnen zu Beginn des Kurses 21 KursteilnehmerInnen am Ende des Kurses 16 Ausfallsquote 5/ 24 % 230 Christoph Waldhaus <?page no="231"?> TeilnehmerInnen an Befragung zu VorEval 15 Teilnahme an VorEval 5/ 24 % Teilnahme an VorEval und an Befragung 4 Rücklaufquote bei Befragung zu VorEval 100 % A - Befragung der TeilnehmerInnen, die sich an der Vorevaluation beteiligten: Frage: Was war Ihre primäre Motivation, an der Vorevaluation teilzunehmen? Die Studierenden konnten eigene Gründe angeben, die in der Folge inhaltlich ausgewertet und in zwei Kategorien, (1) extrinsische und (2) intrinsische Motivation, zusammengefasst wurden: Extrinsische Motivation ● Aufforderung durch die Lehrperson. Intrinsische Motivation ● Wunsch, Lehrperson Feedback zu geben, ● Interesse an Befragung zur Qualitätsverbesserung, ● Wunsch, persönliche Vorstellungen darzulegen, ● Hoffnung/ Erwartung, dass auf Wünsche eingegangen wird, ● Wunsch, bei Optimierung der Sprachkurse mithelfen zu können. B - Befragung der TeilnehmerInnen, die sich an der Vorevaluation nicht beteiligten: Frage: Was war der Grund, warum Sie an der Vorevaluation nicht teilnahmen? Als Hilfestellung bei der Beantwortung dieser Frage wurden fünf potenzielle Antwortmöglichkeiten (siehe unten) und eine weitere Kategorie Andere, die die Angabe anderer Gründe ermöglichte, direkt im Anschluss an die Frage bereitgestellt. Potenzielle Antworten: ● Kein Interesse an der Befragung, ● Es war nicht genügend Zeit zur Verfügung, Vorevaluation (VorEval) 231 <?page no="232"?> ● Technische Probleme (Link funktionierte nicht, E-Mail-Programm, etc.), ● Ich fühlte mich durch die Lehrperson nicht genau genug über die Auswirkungen informiert, ● Ich dachte mir, dass das Ausfüllen keine Veränderungen nach sich ziehen würde, ● Andere Gründe. Folgende Antworten wurden von den Studierenden gegeben: Kein Interesse an Befragung 8% Zu wenig Zeit 25% Technische Probleme 17% Vergessen 17% Zu wenig Information 33% GRÜNDE FÜR NICHTTEILNAHME Diagr. 4: Gründe für die Nichtteilnahme an der VorEval Kurs mit vergleichsweise hoher Rücklaufquote Ein Kurs mit vergleichsweise hoher Rücklaufquote wurde im Bereich der Mittelstufe (B2.1) gefunden und verfügte über folgende Eckdaten: KursteilnehmerInnen zu Beginn des Kurses 20 KursteilnehmerInnen am Ende des Kurses 16 Ausfallsquote 4/ 20 % TeilnehmerInnen an Befragung zu VorEval 16 Teilnahme an VorEval 16/ 80 % Teilnahme an VorEval und an Befragung 13 Rücklaufquote bei Befragung zu VorEval 100 % 232 Christoph Waldhaus <?page no="233"?> A - Befragung der TeilnehmerInnen, die sich an der Vorevaluation beteiligten: Frage: Was war Ihre primäre Motivation, an der Vorevaluation teilzunehmen? Extrinsische Motivation ● Aufforderung durch die Lehrperson. Intrinsische Motivation ● Beitrag zur Qualitätsoptimierung a. des Unterrichts (Lernklima), b. Vergrößerung des Lernerfolgs/ der fremdsprachlichen Kompetenzen, c. des Kurses. ● Hilfestellung für die Lehrperson a. hinsichtlich der Erwartungen der Studierenden an die Lehrperson, b. hinsichtlich der Stärken und Schwächen, die die Studierenden nach eigenem Einschätzen in der Fremdsprache haben, c. hinsichtlich der Lernziele der Studierenden und d. der Probleme, die die Studierenden in der Fremdsprache haben. ● Hoffnung/ Erwartung der Studierenden, dass ihre Angaben auch berücksichtigt werden. ● Wunsch nach aktiver Mitgestaltung des Kurses a. hinsichtlich der Kurskonzeption, b. hinsichtlich der Themenwahl. B - Befragung der TeilnehmerInnen, die sich an der Vorevaluation nicht beteiligten: Frage: Was war der Grund, warum Sie an der Vorevaluation nicht teilnahmen? Begründungen: ● Technische Probleme (n=1), ● Ich dachte mir, dass das Ausfüllen keine Veränderungen nach sich ziehen würde (n=1), ● Vergessen, dann Link abgelaufen (n=1). Vorevaluation (VorEval) 233 <?page no="234"?> Interpretation der Ergebnisse und Konsequenzen für VorEval-Beta Frage 1 - Motivation für die Beteiligung Die Motivationsgründe für die Beteiligung an der Vorevaluation schienen in beiden Gruppen sehr ähnlich zu sein und es konnten klare Angaben zu externen und internen Motivationsfaktoren ausfindig gemacht werden. Die Analyse der Ergebnisse beider Gruppen zeigte, dass die Lehrperson der externe Motivationsfaktor war. Bei den internen Faktoren wurden neben dem allgemeinen Bestreben, an der Qualitätsoptimierung des Kurses mitzuwirken, auch andere Faktoren genannt, wie z. B. der Lehrperson bei der Kurskonzeption zu helfen, und auch der Wunsch auf Mitbestimmung bzw. die Hoffnung, dass einige der Vorschläge umgesetzt werden würden. Dies zeigte zum einen, dass sich die LernerInnen beider Gruppen, die sich an der Vorevaluation beteiligten, ihrer zentralen Rolle im Fremdsprachenunterricht durchaus bewusst waren und auch den Wunsch hatten, sich an der Unterrichtskonzeption aktiv zu beteiligen, und harmonisiert zum anderen auch mit der oben angeführten Studie von Stork/ Adamczak-Krysztofowicz (vgl. 2008), die sich primär mit der Beteiligung der Studierenden an der Themenwahl befasste. Es ist zu erwarten, dass das auch mit der diesbezüglichen Motivierung von Seiten der Lehrperson zusammenhängt. Wenn die Lehrenden ernsthaft an einem Dialog mit den Studierenden interessiert sind und dies den LernerInnen auch kommunizieren, wie dies bei Lehrperson zwei durch ein persönlich verfasstes Begleitschreiben der Fall war (siehe unten), ist die Motivation bei den Studierenden potenziell als höher einzuschätzen, an der Vorevaluation teilzunehmen. Frage 2 - Gründe, warum sich LernerInnen nicht an VorEval beteiligten Die Analyse der Ergebnisse zeigte, dass der Großteil der Studierenden der ersten Gruppe angab, im Vorfeld zu wenig Informationen hinsichtlich der Vorevaluation erhalten zu haben und sich aus diesem Grund nicht an der Befragung beteiligte, was in Gruppe zwei nicht der Fall war. Auf die Wichtigkeit, dass die Beteiligten einer Evaluation genau darüber Bescheid wissen sollten, wird auch in den Evaluationsstandards (vgl. Sanders et al. 2006) hingewiesen. Die Information der Studierenden in Bezug auf VorEval sollte primär von der Lehrperson ausgehen, da sie die Verbindung zwischen der Studierendengruppe und der Evaluation bzw. der Integration der Ergebnisse in den Unterricht darstellt. In der ersten 234 Christoph Waldhaus <?page no="235"?> Gruppe mit der geringen Rücklaufquote könnte dies nun bedeuten, dass die generelle Motivation der betreffenden Lehrperson für die Vorevaluation nur gering vorhanden war und sie die LernerInnen daher nicht ausreichend informierte, oder dass sie selbst zu wenig über die Vorevaluation wusste. Eine Rücksprache mit der betreffenden Lehrperson ergab, dass sie zur Vorevaluation durchaus positiv eingestellt war und auch an der Vorabbefragung der Lehrenden teilgenommen hatte, jedoch bei der Einschulung aus Zeitgründen nicht anwesend sein konnte. Ihr eigenes Wissen in Bezug auf die Vorevaluation könnte daher nicht ausreichend gewesen sein, um die LernerInnen genau zu informieren. Lehrperson zwei war der Vorevaluation gegenüber auch positiv eingestellt und verfasste ein persönliches Begleitschreiben für die Studierenden, in welchem sie die LernerInnen aufforderte, sich an der Befragung zu beteiligen. Ein Viertel der Studierenden des Kurses mit der geringen Beteiligung gab an, dass die Zeit für das Ausfüllen des Fragebogens zu kurz gewesen wäre. Die gesondert durchgeführten mündlichen Interviews mit Studierenden aus unterschiedlichen Gruppen ergaben jedoch, dass der zur Beantwortung der Befragung bereitgestellte Zeitraum von einer Woche ausreichend ist. In Rücksprache mit der Lehrperson des besagten Kurses wurde in Erfahrung gebracht, dass die anberaumte Zeit von einer Woche nicht eingehalten werden konnte, da die betreffende E-Mail nicht rechtzeitig an die Studierenden weitergeleitet worden war, weswegen die LernerInnen im Endeffekt nur vier Tage für die Beantwortung zur Verfügung hatten, was im Vergleich zur anderen Gruppe nur 57 % der Zeit ausmachte. Aufgrund dieser kurzen Zeitspanne wurde auch die Erinnerungs-E-Mail durch die Lehrende nicht versandt, was bestimmt auch einen erheblichen Anteil an den 17 % in der Kategorie Vergessen verursachte. Das Versenden einer Erinnerungs-E-Mail führt, wie Thielsch/ Weltzin (2012, S. 125) festhalten, zu einer «deutlichen Zunahme der Beteiligungen» und stellt daher einen wichtigen Schritt einer erfolgreichen Online-Evaluation dar. Die Lehrperson des zweiten Kurses hielt sich genau an die Anweisungen und verschickte auch die Erinnerungs- E-Mail wie gebeten. Jener Anteil an Studierenden aus dem ersten Kurs, der angab, aus mangelndem Interesse nicht an der Umfrage teilgenommen zu haben, hätte unter Umständen durch bessere Information über die Ziele und Vorteile, die mit VorEval in Verbindung stehen, motiviert werden können. Im Kurs mit der hohen Rücklaufquote wurde dieser Grund nicht genannt, was vielleicht auf die bessere Information durch die Lehrperson zurückzuführen ist. Vorevaluation (VorEval) 235 <?page no="236"?> Der Anteil an Studierenden, der aufgrund technischer Schwierigkeiten nicht an der Umfrage teilnehmen konnte, stellt nach Ansicht des Autors in beiden Fällen die größte Herausforderung dar, da die Gründe hierfür sehr verschieden und nicht immer leicht zu eruieren sind. Dies beginnt bei simplen Dingen, wie z. B. kein funktionierendes Internet, technische Probleme mit dem PC oder Schwierigkeiten mit dem Browser, etc. Rückmeldungen von den Lehrenden (Interviews) Die Interviews mit den Lehrenden von treffpunkt sprachen, in deren Kursen VorEval getestet wurde, ergaben durchwegs sehr positive Rückmeldungen, wenngleich die eine oder andere Lehrperson auch potenzielle Probleme und Befürchtungen bzw. vereinzelt sogar Ängste zum Ausdruck brachte. Potenzielle Probleme ● die Ergebnisse für substanzielle Veränderungen kommen zu spät, ● Unklarheiten bei der Umsetzung von Veränderungen, ● bei geringer Rücklaufquote: Wie repräsentativ sind die Ergebnisse für die gesamte Gruppe? , ● Gewichtung bzw. Wertigkeit der Ergebnisse: Wenn LernerIn X angibt, er/ sie würde gerne Thema A behandeln und LernerIn Y genau dieses Thema nicht behandeln will, ● bei der Umsetzung von z. B. Themenwünschen in niedrigen Niveaustufen. Befürchtungen bzw. Ängste ● dass Studierende glauben, die Lehrperson mache sich über den Inhalt des Kurses erst so spät im Semester Gedanken, ● dass die Studierenden durch ihre Angaben zu hohe Erwartungen an die Lehrenden hätten, ● dass die Lehrenden bei den Endevaluationen schlecht bewertet würden, wenn sie nicht alle Erwartungen der LernerInnen aus der Vorevaluation umsetzen würden/ könnten, ● zu erfahren, was die LernerInnen alles umsetzen wollen, und die Befürchtung, ob dies alles in der zur Verfügung stehenden Zeit machbar ist, 236 Christoph Waldhaus <?page no="237"?> ● dass die LernerInnen glauben, dass sie durch die Vorevaluation gewisse Dinge einfordern können, ● wenn die LernerInnen z. B. gewisse Materialien wollen, die es für ihr Niveau in bestimmten Sprachen nicht gibt (z. B. Hörübungen, etc.), ● dass die Studierenden an der Vorevaluation nicht teilnehmen würden, ● weil nicht alle Angaben gleich umgesetzt werden können und sich dadurch manche LernerInnen vor den Kopf gestoßen fühlen, wenn ihre Angaben nicht berücksichtigt wurden, ● dass nicht alle LernerInnen die Vorevaluation mit dem nötigen Ernst ausfüllen würden, ● dass dadurch ein erheblicher Mehraufwand auf die Lehrenden zukommen könnte. Was war für die Lehrenden positiv an VorEval ? Wie oben bereits angeführt, war die Resonanz der Lehrenden durchwegs sehr positiv. Eine Lehrende wies in dieser Hinsicht explizit auf ein Problem hin, nämlich dass viele Lehrende bereits an einer Evaluitis leiden würden und dass sie persönlich die Vorevaluation der Endevaluation insofern vorziehe, als sie dadurch wesentliche Informationen bereits zu Beginn des Kurses hätte und nicht erst am Ende. So könne sie allfällige Veränderungen rechtzeitig durchführen und müsste sich am Ende des Semesters nicht mehr bewerten lassen. Auch wenn manche der Lehrenden in den Interviews zugaben, dass sie zu Beginn der Vorevaluation - vor allem auch vor der Einschulung - Bedenken hatten, was die Organisation und den Ablauf anbelangte (siehe unten) bzw. einen Mehraufwand für sich befürchteten, so waren sie von der Einfachheit der Durchführung und den Ergebnissen umso positiver überrascht. Als besonderes Plus wurde genannt, dass sie trotz der Fülle an Informationen, die durch VorEval gewonnen wurden, keinen erheblichen Mehraufwand hatten, da die Ergebnisse automatisch ausgewertet und in einer übersichtlichen Form an sie geschickt wurden und sie diese auch später im Semester noch nutzen konnten. Die Analyse der Ergebnisse war vom zeitlichen Aufwand bei allen Lehrenden ähnlich und betrug im Schnitt pro Kurs ca. 10 - 15 Minuten. Manche wollten die Ergebnisse noch genauer analysieren und mit Parallelgruppen vergleichen, was diesbezüglich ein wenig mehr Zeit in Anspruch nahm, aber nicht als negativ bewertet wurde. Vorevaluation (VorEval) 237 <?page no="238"?> Die Antworten auf die Frage, welche der aus der Vorevaluation gewonnenen Informationen für sie besonders wichtig waren, waren breit gefächert und bestätigten in vielen Bereichen jene Daten, die in der Vorabbefragung schon eruiert und erfasst worden waren. Diese reichten von sehr allgemeinen Aussagen, wie z. B., dass die Lehrenden dadurch viele wertvolle Tipps und ein generell gutes Bild von der LernerInnengruppe gewonnen hätten bis hin zu sehr detaillierten Angaben, wie z. B., welche Lernstrategien die Studierenden im Kurs erarbeiten möchten oder welche Art des Feedbacks sie sich von den Lehrenden erhoffen. Die Lehrenden gaben u. a. an, dass sie durch VorEval besser Bescheid wussten, ● welche Wünsche die LernerInnen in Bezug auf den Kurs haben, ● mit welchen Schwierigkeiten sich LernerInnen in der Fremdsprache konfrontiert sehen, ● welche Themen sie besonders interessieren, ● welche Grammatik für sie besonders relevant ist, ● welche Lernstrategien sie gerne erarbeiten würden, ● welche Erwartungen sie an die Lehrperson stellen, ● was LernerInnen im Kurs motiviert bzw. demotiviert, ● was einen Sprachkurs für Studierende interessant macht, ● was für LernerInnen eine angenehme Atmosphäre im Kurs schafft, ● welche Lernziele die LernerInnen verfolgen, ● mit welchen Materialien die LernerInnen bevorzugt arbeiten (wollen), ● nach welchen Kriterien die Studierenden den Sprachkurs am Ende bewerten werden, ● wie sie ihre Vorkenntnisse in den vier Fertigkeiten einschätzen, ● welche Art von Feedback sich die Studierenden von der Lehrperson wünschen. Alle diese Antworten sind für den erfolgreichen Lehr-/ Lernprozess essenziell und stellen Meilensteine bei der Beantwortung der Frage dar, was gute Lehre sei. Besonders interessant erschienen dem Autor drei weitere Punkte, die von einigen Lehrenden genannt wurden: Erstens, dass die Ergebnisse der Vorevaluation mit vielen Überlegungen von Seiten der Lehrenden kongruent waren und diese sie daher in ihrem Tun bestärkten. Dies schien sich nach Angaben der Lehrenden auch sehr fördernd auf ihr Lehrenden-Selbstbild auszuwirken und war auch insofern positiv, als der folgende zentrale Ansatz damit einherging: Die Lehrenden wussten von Anfang an, was in dieser Gruppe im Unterricht 238 Christoph Waldhaus <?page no="239"?> funktionieren würde und was nicht, und sie mussten nicht auf die Endevaluation warten, um zu sehen, was sie hätten besser machen können. Sie konnten die jeweiligen Methoden auf Basis der Angaben der LernerInnen bereits im Vorfeld wählen. Ein Aspekt, der auch immer wieder genannt wurde, war, dass viele Studierende angaben, z. B. verstärkt an Politik, Landeskundebzw. Kulturunterricht interessiert zu sein, und einige der Lehrenden dies bereits seit längerem gerne intensiver oder öfter in den Unterricht einbringen wollten, es jedoch nie taten, weil es zum einen nicht explizit im Curriculum für allgemeinsprachliche Kurse steht, und sie zum anderen nicht wussten, wie die LernerInnen es annehmen würden. Durch die Ergebnisse aus der Vorevaluation würden sie dies jedoch in Zukunft ändern. Ein weiterer interessanter Punkt war, dass manche Lehrende gewisse Methoden - wie etwa Lernspiele - bis zur Vorevaluation verstärkt im Unterricht einsetzten, weil sie der Auffassung waren, dass die Mehrheit der LernerInnen dies begrüßen würden oder sie positive Rückmeldungen diesbezüglich von anderen Gruppen hatten. Nach Auswertung der Vorevaluation schien das jedoch nicht auf alle Gruppen zuzutreffen, und eine Lehrende war sehr verwundert, dass ihre Meinung in dieser Hinsicht stark von jener der LernerInnen abwich. Als Konsequenz wurde der Einsatz dieser Spiele im Unterricht bei der betreffenden Gruppe reduziert. Ein weiterer interessanter Aspekt war, dass alle Lehrenden angaben, für sie wäre lernerInnenorientierter Unterricht sehr wichtig, sich in den Interviews jedoch zeigte, dass die wenigsten dies in der Kurskonzeption aktiv berücksichtigten. Nahezu alle Lehrenden gaben an, dass sie sich bei der Kursgestaltung und Konzeption der Lehrunterlagen ausschließlich an die Lehrziele hielten, die Wünsche der LernerInnen bzw. ihre Lernziele bis dato also nicht dezidiert berücksichtigt hatten. Die Vorevaluation verdeutlichte die Wünsche der LernerInnen und die Interviews zeigten, dass einige Lehrende sensibler für die Bedürfnisse der Studierenden wurden und für die meisten die Umsetzung vieler Aspekte auch bei bereits erstellten Unterlagen kein Problem darstellte. An dieser Stelle ist auch darauf hinzuweisen, dass diese Befragung der Studierenden keineswegs so aufzufassen ist, dass die Lehrenden dadurch alle ihre Konzepte und Pläne verwerfen müssen oder sollten. Es geht vielmehr darum beide Seiten der Münze zu betrachten und die gewonnenen Informationen vor dem Hintergrund des Lehrauftrags zu bewerten und eine sinnvolle, aber zugleich sichere Gradwanderung zwischen Lehr- und Lernzielen zu finden. Vorevaluation (VorEval) 239 <?page no="240"?> Wie planen die Lehrenden die Ergebnisse umzusetzen? Die Lehrenden gaben in den Interviews unterschiedlichste Methoden an, wie sie die Ergebnisse im Unterricht umsetzen würden. Folgende zentrale Strategien konnten zusammengefasst werden: ● die Ergebnisse mit den LernerInnen im Kurs besprechen und feststellen, was möglich ist und was nicht, und sich dann gemeinsam auf Änderungen einigen, die im Rahmen des Kurses denkbar bzw. durchführbar sind, ● den LernerInnen mehr Tipps für das Arbeiten mit der Sprache zu Hause geben, ● zusätzliche Übungen (Grammatik, Aussprache, Texte, Landeskunde, etc.) bereitstellen, ● verstärkt angesprochene Themen in den Unterricht integrieren; dies kann z. B. durch kurze Zusatzübungen, (Klein-)Gruppenarbeiten oder Präsentationen erfolgen, ● den LernerInnen zeigen, wo man Zusatzmaterial zu bestimmten Themen finden kann, ● das Skriptum verstärkt als Richtlinie sehen und Zusatzmaterial auf die Lernplattform stellen bzw. das Skriptum bei gewissen Themenbereichen erweitern und andere Themenbereiche eventuell kürzen, ● den Einsatz der Lernplattform forcieren, ● den LernerInnen dezidiert erklären, warum manche Dinge so und nicht anders vermittelt werden und warum bestimmte Aspekte für das Beherrschen der Fremdsprache wichtig sind, ● mehr PartnerInnenübungen und Gruppenarbeiten, ● sensibler auf die LernerInnen reagieren, vor allem auch beim Feedback. Diese Antworten können auch als gute Hilfestellung und Rohmodell für jene Lehrenden betrachtet werden, die potenzielle Probleme bei der Umsetzung der Ergebnisse hatten, und werden in einem Leitfaden (siehe Anhang 2) für die Umsetzung der Ergebnisse angeführt und diskutiert. Welche Verbesserungsvorschläge äußerten die Lehrenden in Bezug auf VorEval ? ● Konkrete Angaben zu einzelnen Fragen, wie z. B. a. gewisse Fragen, die nicht unmittelbar zur Optimierung des Unterrichts beitragen (z. B. Welche weiteren Fremdsprachen sprechen die LernerInnen? ), aus dem Fragebogen zu streichen, 240 Christoph Waldhaus <?page no="241"?> b. Fragen zu Lerntypen in den Fragebogen aufzunehmen, c. gewisse Fragen eventuell umzuformulieren und die Möglichkeit anzubieten, manche Fragen nicht beantworten zu müssen, d. bei AnfängerInnenniveau die Frage nach den Kompetenzen nicht zu stellen, e. statt zu fragen, wie viele Stunden die LernerInnen für den Kurs außerhalb des Unterrichts investieren wollen, wäre die tatsächlich zur Verfügung stehende Zeit interessant bzw. wissenswert, f. die Frage nach ihren bisherigen Lernstrategien aufzunehmen, ● den LernerInnen mehr Zeit zum Beantworten der Fragen zu geben/ die Befragung früher durchzuführen, ● wenn möglich, den Lehrenden die Ergebnisse früher zukommen zu lassen. Rückmeldungen von den Studierenden Nach Durchführen des Testlaufs von VorEval wurden 13 Studierende unterschiedlicher Gruppen und Niveaustufen interviewt. Damit sollte ihr Gesamteindruck zur Vorevaluation erfahren werden und auch, welche positiven Veränderungen sich für die Studierenden aus ihrer Sicht ergaben. Zudem sollten allfällige Probleme und Schwierigkeiten aufgedeckt und Verbesserungsvorschläge für VorEval und dessen Einsatz eruiert werden. Aufgrund des Umfangs der inhaltlichen Auswertung werden in diesem Beitrag nur die zentralen positiven Punkte kurz angeführt, die von den Studierenden genannt wurden oder sich aus der Inhaltsanalyse der Interviews ergaben. An dieser Stelle ist natürlich darauf hinzuweisen, dass man aufgrund der Ergebnisse von einer kleinen Gruppe an Studierenden keine Verallgemeinerungen treffen kann, vor allem auch, weil manche Aspekte bei einigen Studierenden stärker ausgeprägt waren als bei anderen, jedoch sind Tendenzen sichtbar, die sich aller Voraussicht nach auch in größeren Gruppen widerspiegeln und folgende positiven Effekte der Vorevaluation unterstreichen: ● Initiierung bzw. Förderung selbstreflexiver Prozesse, die zur Bildung oder Veränderung des LernerInnen-Selbstkonzepts beitragen, ● Verdeutlichung der Lernziele und bessere Berücksichtigung dieser durch die Lehrenden, ● verbesserte Zusammenarbeit zwischen Lehrenden und Studierenden, Vorevaluation (VorEval) 241 <?page no="242"?> ● Motivationssteigerung durch die Möglichkeit, sich aktiv an der Unterrichtskonzeption zu beteiligen und auf Wünsche und Bedürfnisse hinzuweisen, ● verstärktes Gefühl ernstgenommen und wertgeschätzt zu werden, ● bessere Abstimmung des Kurses auf die TeilnehmerInnen. Konsequenzen für VorEval-Release Einige der Anregungen bzw. Verbesserungsvorschläge (z. B. Streichung der Frage nach der zweiten bis vierten Fremdsprache, Einführen der Option, gewisse Fragen nicht beantworten zu müssen, Streichung der Frage nach den Kompetenzen bei AnfängerInnen, etc.) wurden bei der Konzeption der Release-Version bereits umgesetzt, auf andere, wie etwa das Integrieren der Frage nach Lerntypen, wurde aus zwei Gründen verzichtet: Erstens fehlen in der Literatur bis dato überzeugende Beweise, die für deren Berücksichtigung sprechen würden, wie Pashler et al. (vgl. 2008) in einer sehr umfangreichen Analyse feststellten, und zweitens, weil die meisten Lehrbzw. Lernsettings sich ohnehin durch den Einsatz unterschiedlicher Methoden auszeichnen, die die LernerInnen über alle Kanäle ansprechen. Das frühere Durchführen der Befragung ist aus organisationstechnischen Gründen nicht möglich, jedoch wird in Zukunft verstärktes Augenmerk auf das Einhalten der zeitlichen Abfolge gerichtet werden. Der Vorschlag, den Studierenden mehr Zeit für das Ausfüllen des Fragebogens zur Verfügung zu stellen, scheint auf den ersten Blick sinnvoll, würde aller Voraussicht nach aber keine allzu großen Veränderungen bewirken, da bei Online-Befragungen zu Beginn eine sehr hohe Beteiligung festzustellen ist, die nach der ersten Woche steil abfällt, wie Thielsch/ Weltzin (vgl. 2012, S. 124 f.) festhalten. Im Hinblick auf eine höhere Beteiligung wäre es nach Ansicht des Autors wichtiger, wenn die Lehrenden die Fragebögen wie vereinbart an die Studierenden schicken und sie mit einem persönlichen Begleitschreiben auf die Wichtigkeit ihrer Beteiligung hinweisen würden. Ebenso ist das Versenden einer Erinnerungs-E-Mail zweckdienlich, was von den interviewten Studierenden bereits bestätigt wurde. Alternativ wäre es denkbar, in Zukunft die E-Mails mit den Links zur Vorevaluation vom Zentrum aus zu verschicken, wodurch gewährleistet wäre, dass sie exakt zum gewünschten Datum an die LernerInnen weitergeleitet würden. Dasselbe trifft auf die Erinnerungs-E-Mail zu. Des Weiteren wurde der Release-Fragebogen im Wintersemester 2013/ 14 auch über eine app für Android-Handys und 242 Christoph Waldhaus <?page no="243"?> iPhone zur Verfügung gestellt, was den Studierenden ermöglichte, die Umfrage jederzeit und allerorts mit ihren Smartphones zu beantworten. Einen weiteren wesentlichen Punkt stellt die Einschulung dar, die für an VorEval interessierte Lehrende eventuell verpflichtend gemacht und zusätzlich als Podcast zur Verfügung gestellt werden sollte, damit jene Lehrenden, die nicht live anwesend sein können, auch an die nötigen Informationen gelangen. Dieser Punkt ist besonders wichtig, damit die Ziele der Vorevaluation für die Lehrenden völlig klar sind. Nur so können sie die Ergebnisse nutzen und auch die Studierenden motivieren, mitzumachen. Darüber hinaus ist ein Leitfaden zu erstellen, der nicht nur alle nötigen Informationen zur Vorevaluation enthält, sondern auch den genauen organisatorischen Ablauf erklärt, sowie betont, dass das vorgeschriebene Prozedere für den erfolgreichen Einsatz unerlässlich ist. Die Fragebögen sollen so früh wie möglich, aber zumindest eine Woche vor Kursbeginn an die LernerInnen geschickt werden, damit die Lehrenden die Ergebnisse zumindest einen Tag vor Kursbeginn haben. Zudem sollte ein vorgefertigtes Begleitschreiben verfasst werden, welches die Studierenden genauestens über die Ziele von VorEval informiert und ihnen auch die Möglichkeiten und Grenzen aufzeigt, die damit verbunden sind. Dadurch können sie nicht nur die Vorteile an der Teilnahme erkennen, sondern werden auch vor falschen Vorstellungen geschützt. Um die Ergebnisse greifbarer zu machen, wäre es durchaus sinnvoll, Erfahrungen Studierender aus anderen Semestern in dieses Schreiben zu integrieren, das würde den LernerInnen auch glaubwürdig vermitteln, dass die Lehrenden ehrlich an ihren Antworten interessiert sind und diese - im Rahmen ihrer Möglichkeiten - im Unterricht berücksichtigen wollen und werden. Für die Behebung technischer Schwierigkeiten wäre das stundenweise Bereitstellen eines Support-Teams oder eines/ r Online-Betreuers/ Betreuerin sinnvoll. Dies wäre entweder direkt bei treffpunkt sprachen oder via Online-Support möglich. Als letzter Punkt soll ein didaktisch-methodischer Leitfaden erstellt werden, der den Lehrenden Möglichkeiten aufzeigt, wie man bestimmte Informationen aus der Vorevaluation im Unterrichtsgeschehen umsetzen kann, vor allem auch dann, wenn Bücher und Skripten bereits ausgewählt bzw. zusammengestellt wurden. Zudem wäre es denkbar, Erfahrungen in einem kollegialen Gespräch auszutauschen, wie dies zu anderen Themen am treffpunkt sprachen am Ende des Semesters bereits Usus ist. Vorevaluation (VorEval) 243 <?page no="244"?> Resümee Ziel dieses Beitrags war es, einen Evaluationsansatz vorzustellen, der in universitären Fremdsprachenkursen zu Kursbzw. Semesterbeginn zum Einsatz kommen kann. Dabei wurde im theoretischen Teil erläutert, welche Vorteile damit verbunden sind, und im praktischen Teil gezeigt, wie dieses Modell entwickelt und in einer Beta-Version am treffpunkt sprachen getestet wurde. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse führten in der Folge zur Release-Version des Fragebogens und zeigten Vorteile auf, aber auch potenzielle Probleme bzw. Befürchtungen, die mit einer Vorevaluation dieser Art in Zusammenhang standen. Das Resümee, das aus dieser Untersuchung zu ziehen ist, kann durchaus positiv bewertet werden. Die Analyse zeigte u. a. auf, dass durch den Einsatz von VorEval nicht nur viele wichtige Informationen für die Lehrenden in Bezug auf die Studierendengruppe erfasst werden können, sondern auch, dass bei den Studierenden (selbst-)reflexive Prozesse ausgelöst werden, die u. a. für die Bildung bzw. Veränderung ihres LernerInnen-Selbstkonzepts sowie für die Förderung metakognitiver Kompetenzen (mit)verantwortlich sind. Zudem konnten die LernerInnen aktiver in die Konzeption des Unterrichts einbezogen werden, wodurch ein verstärkt teilnehmerInnenzentrierter Unterricht ermöglicht wurde. Darüber hinaus ließ sich eine erhöhte Sensibilität der Lehrenden im Hinblick auf die Bedürfnisse der Studierenden beobachten und damit ein Perspektivenwechsel arrangieren, der eine gute Basis für die Unterrichtsplanung und -adaption darstellte. VorEval kann daher dazu beitragen, dass Lernen und Lehren zu einer gemeinsamen Angelegenheit aller daran Beteiligten wird und weist bereits im Vorfeld auf potenzielle Fehler und Probleme hin, noch bevor diese gemacht werden bzw. entstehen. Bibliographie Anderson, Neil J. (2008): Metacognition and good language learners. In: Griffiths, Carol (Ed.): Lessons from good language learners. Cambridge/ New York: Cambridge University Press. p. 99 - 109. Blom, Hermann (2000): Der Dozent als Coach. Berlin: Luchterhand. Brandenburg, Torsten/ Thielsch, Mainald T. (Hrsg.) (2012): Praxis der Wirtschaftspsychologie II. Themen und Fallbeispiele für Studium und Anwendung. 2., überarb. Aufl. Münster: Monsenstein und Vannerdat (= MV-Wissenschaft). Frey, Bruno S. (2007): Evaluierungen, Evaluierungen . . . Evaluitis. In: Perspektiven der Wirtschaftspolitik. Nr. 8 (3). S. 207 - 220. Gräf, Lorenz (2010): Online-Befragung. Eine praktische Einführung für Anfänger. 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Wenn X = «Nein», dann Y1. Vorevaluation (VorEval) 247 <?page no="248"?> Abschnitt 1: Personenbezogene Angaben Wurde bei Frage 3 entweder Option ordentliche/ r Studierende/ r oder außerordentliche/ r Studierende/ r gewählt, wird der/ die Studierende gebeten, die Zusatzfrage 3 a zu beantworten: Wurde bei Frage 3 Option Austauschstudierende/ r gewählt, entfällt diese Zusatzfrage. 248 Christoph Waldhaus <?page no="249"?> Abschnitt 2: Sprachbezogene Angaben Nach Frage 1, dem Ermitteln der Muttersprache, wird in Abschnitt 2 eruiert, ob die LernerInnen bereits Vorkenntnisse haben, und wenn sie über Vorkenntnisse verfügen, wie sie diese selbst einschätzen. Dies erfolgt bei Frage 2. Hat der/ die LernerIn keine Vorkenntnisse, kann er/ sie direkt im Anschluss an Frage 2, Frage 3 beantworten, wo Gründe angegeben werden können, warum er/ sie die Sprache erlernen bzw. vorhandene Kompetenzen ausbauen möchte. Sind Vorkenntnisse vorhanden, müssen vor der Beantwortung der Frage 3 zuerst die Zusatzfragen 2 a, 2 b und 2 c beantwortet werden. Abschnitt 2 - Keine Vorkenntnisse vorhanden Vorevaluation (VorEval) 249 <?page no="250"?> Abschnitt 2 - Vorkenntnisse vorhanden 250 Christoph Waldhaus <?page no="251"?> Vorevaluation (VorEval) 251 <?page no="252"?> Abschnitt 3: Kursbezogene Angaben In Abschnitt 3 wird eine Verzweigung bei Frage 2 ermöglicht, wo die Studierenden entscheiden können, ob im Kurs Lernstrategien erarbeitet werden sollen (Frage 2 a). Abschnitt 3 - Lernstrategien erwünscht 252 Christoph Waldhaus <?page no="253"?> Abschnitt 3 - Keine Lernstrategien erwünscht bzw. weiter mit Frage 3 Vorevaluation (VorEval) 253 <?page no="254"?> Eine weitere potenzielle Zusatzfrage in Abschnitt 3 ist bei Frage 10 gegeben. Wird die Option «Ja» bei dieser Frage aktiviert, erscheint die Zusatzfrage, ob ein Zeugnis, eine Teilnahmebestätigung oder weder noch angestrebt wird: 254 Christoph Waldhaus <?page no="255"?> Wird bei Frage 10 «Nein» aktiviert, setzt der Fragebogen unmittelbar bei Frage 11 fort. Vorevaluation (VorEval) 255 <?page no="256"?> Abschnitt 4: Lernbezogene Angaben 256 Christoph Waldhaus <?page no="257"?> Zusatzfrage: Lehrbuch Diese Frage wird nur dann aktiviert, wenn in Abschnitt Sprachbezogene Angaben die Frage nach den Vorkenntnissen mit «Ja» beantwortet wurde. Vorevaluation (VorEval) 257 <?page no="258"?> Abschnitt 5: Wünsche/ Anregungen 258 Christoph Waldhaus <?page no="259"?> Anhang 2 Leitfaden für Lehrende Informieren Sie sich ausreichend und frühzeitig über VorEval Nur wenn Sie selbst genau über die Hintergründe und Ziele von VorEval bzw. das Prozedere bei der Befragung Bescheid wissen, können Sie allfällige Fragen von Seiten der Studierenden beantworten und die gewonnenen Ergebnisse optimal nutzen. Aus diesem Grund wird dringend dazu geraten, die Frequently Asked Questions (siehe 1.1) zu lesen sowie die Informationsveranstaltung zu VorEval zu besuchen. Dadurch können Sie sich mit den nötigen inhaltlichen und organisatorischen sowie didaktisch-methodischen Themen vertraut machen und sich mit KollegInnen austauschen. Zusätzlich können Sie bei Bedarf auch das VorEval- Support-Team per E-Mail kontaktieren. Darüber hinaus wäre es ratsam, wenn Sie den Fragebogen selbst eingehend durchsehen, damit Sie wissen, welche Fragen darin enthalten sind. Informieren Sie die Studierenden ausreichend und rechtzeitig über VorEval Die Untersuchungen im Rahmen des Projekts VorEval zeigten, dass die Beteiligung an der Umfrage bei den LernerInnen in jenen Gruppen am geringsten war, in welchen die Studierenden sich nicht ausreichend informiert fühlten. Aus diesem Grund ist es essenziell, die LernerInnen direkt und innerhalb der vorgeschlagenen Frist per E-Mail zu kontaktieren und entweder das vorgefertigte oder ein selbst verfasstes Begleitschreiben mitzuschicken, in welchem die Ziele und Hintergründe von VorEval beschrieben sind und der Ablauf exakt erklärt wird. Zudem sollten Sie die Ergebnisse möglichst rasch nach deren Erhalt analysieren, damit Sie diese mit den Studierenden bereits in der ersten Unterrichtseinheit besprechen können. So werden zum einen Möglichkeiten und Grenzen bei der Integration der Ergebnisse aufgezeigt und zum anderen die LernerInnen eingeladen, sich an der Umsetzung der Ergebnisse zu beteiligen. Weisen Sie die Studierenden auf die Wichtigkeit von VorEval und die zentrale Rolle ihrer Mitarbeit bei der Unterrichtskonzeption bzw. -optimierung hin. Neben ausreichender Information hinsichtlich VorEval und der exakten Beschreibung des Ablaufs ist für die Motivation der LernerInnen, sich an der Befragung zu beteiligen, zentral, dass die Ergebnisse von Lehrendenseite ernst genommen und für die Unterrichtsoptimierung genutzt werden und der diesbezügliche Aufwand von Seiten der LernerInnen Vorevaluation (VorEval) 259 <?page no="260"?> honoriert wird, indem der Unterricht im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten auf die Bedürfnisse der Studierenden abgestimmt wird. Darauf muss in der ersten E-Mail und auch in der Erinnerungs-E-Mail explizit hingewiesen werden. Den LernerInnen sollte zudem verdeutlicht werden, dass ihre aktive Teilnahme direkt und auch ihre Entscheidung, nicht an VorEval teilzunehmen, indirekt dazu beitragen, inwieweit und wie der Unterricht auf ihre Bedürfnisse abgestimmt wird. Neben dem primären Ziel der TeilnehmerInnenorientierung sollten bei den LernerInnen auch Selbstreflexionsprozesse ausgelöst werden, die zur Veränderung ihres LernerInnenselbst und zu einer potenziellen Vergrößerung des Lernerfolgs beitragen können. Beides ist nur möglich, wenn die LernerInnen mitarbeiten. Die Befragungen der LernerInnen zeigten auf, dass die extrinsische Motivation diesbezüglich einen sehr hohen Stellenwert einnimmt und die Lehrenden den Hauptmotivationsfaktor in dieser Hinsicht darstellen. Halten Sie die vorgeschlagenen Fristen genau ein Zu Semesterbeginn klagen viele Studierende über großen Zeitmangel, was - wie aus den Befragungen hervorging - mitunter auch dazu führt, dass viele LernerInnen ihren E-Mails zu diesem Zeitpunkt geringere Aufmerksamkeit schenken und auch den Fragebogen eventuell in einem für sie ungünstigen Moment oder Ort öffnen. Das Ausfüllen des Fragebogens nimmt zwar nur ungefähr 15 Minuten in Anspruch, dennoch erfordert das Beantworten einiger Fragen größere Konzentration, vor allem auch deswegen, weil damit Selbstreflexionsprozesse einhergehen. Die interviewten Studierenden gaben an, dass sie sich mit dem Fragebogen am liebsten zu Hause beschäftigten, da sie dort über die nötige Ruhe verfügten. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, dass Sie den LernerInnen den Link zum Fragebogen möglichst früh - aber spätestens zum vom VorEval-Team vorgeschlagenen Zeitpunkt - zukommen lassen, damit ihnen ausreichend Zeit zur Beantwortung bleibt. Als sehr wichtig stellte sich auch das zeitgerechte Senden der Erinnerungs-E-Mail heraus. Dadurch können Sie zu einer erhöhten Rücklaufquote beitragen, indem Sie verhindern, dass Studierende das Ausfüllen des Fragebogens vergessen. Reflektieren Sie die Ergebnisse und tauschen Sie sich mit KollegInnen aus Aus den Interviews mit den Lehrenden ging hervor, dass sie auch hinsichtlich ihrer Lehrkompetenz bzw. ihres Lehrendenselbstbilds von 260 Christoph Waldhaus <?page no="261"?> den Vorevaluationsergebnissen profitieren konnten. Zentral ist in dieser Hinsicht, dass Sie sich ausreichend Zeit nehmen, um über die Ergebnisse und deren potenzielle Konsequenzen für das Unterrichtsgeschehen nachzudenken. Als hilfreich empfanden einige Lehrende, ihre Überlegungen zu notieren und sich auch mit KollegInnen darüber auszutauschen, vor allem was die konkrete Umsetzung der Informationen in den einzelnen Sprachen und Niveaustufen betrifft. Nutzen Sie auch das diesbezügliche Angebot des Support-Teams, an einem informellen Treffen teilzunehmen. Vorevaluation (VorEval) 261 <?page no="263"?> AutorInnen Anja Burkert, geboren 1963 in Graz/ Österreich. Lehramtsstudium Anglistik/ Amerikanistik und Französisch an der Karl-Franzens-Universität Graz und der Université Aix-Marseille III. Doktoratsstudium im Bereich der englischen Fachdidaktik. Von 1993 - 1995 Universitätsassistentin (Karenzvertretung) am Institut für Anglistik, seit Sommersemester 1996 am dortigen Institut als Lektorin im Bereich der Sprachausbildung tätig. Ab Wintersemester 2009/ 10 Kursleiterin für akademisches Englisch am treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik, Universität Graz. Sprachtrainerin für Französisch in der Erwachsenenbildung. Seit 2008 im Komitee der Learner Autonomy Special Interest Group of IATEFL (International Association of Teachers of English as a Foreign Language). 2010 Lehrpreis der Karl-Franzens-Universität Graz. Christian Hofer, geboren 1978 in Graz/ Österreich. Diplomstudium Italianistik und Erziehungs- und Bildungswissenschaften. Doktoratsstudium der Erziehungs- und Bildungswissenschaften - Fachbereich Erwachsenenbildung und lebensbegleitende Bildung. Dissertation zum Thema Schreibkompetenz. Lehramtsstudium Italienisch und Psychologie/ Philosophie. Senior Lecturer bei treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik, Universität Graz. Lehrer in einer Allgemeinbildenden Höheren Schule. Erwachsenen- und LehrerInnenbildner. Gewerbe im Bereich Unternehmensberatung und Unternehmensorganisation e. a. auf Coaching. Forschungsschwerpunkte: Lernen, Lehren, Didaktik. Elke Lackner, geboren 1981 in Graz/ Österreich. Diplomstudium der Romanistik und des Fächerbündels Bühne, Film und andere Medien. Lehramtsstudium mit den Unterrichtsfächern Französisch und Italienisch sowie Doktoratsstudium im Fach Literaturwissenschaft an der Karl- Franzens-Universität Graz. Leiterin des Fachbereichs Mediendidaktik an der Akademie für Neue Medien und Wissenstransfer. Lehrbeauftragte der Universität Graz (in den Bereichen Fachdidaktik und Mediendidaktik) und der Fachhochschule Kärnten (im Bereich Mediendidaktik). <?page no="264"?> Veronika Rezi ć , geboren 1985 in Novska/ Kroatien. Lehramtsstudium Bosnisch/ Kroatisch/ Serbisch und Spanisch an der Karl-Franzens- Universität Graz und der Universidad de Valladolid/ Spanien. Erwachsenenbildnerin, Lerntherapeutin, Lehrbeauftragte und wissenschaftliche Mitarbeiterin bei treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik, Universität Graz. Marjorie Rosenberg, born 1949 in Elizabeth, New Jersey/ USA. Master of Fine Arts in music performance, University of Buffalo, Buffalo, New York and New York State teaching certification for music. NLP Trainer, Adult educator, Teacher trainer, Conference presenter. Certificates in Suggestopedia and Business English teaching. Author of business English materials for Cambridge University Press, Pearson, Cengage and Macmillan. Author of Spotlight on Learning Styles, Delta Publishing 2013. Angela Seidl, geboren 1981 in St. Veit an der Glan/ Österreich. Lehramtsstudium für Volksschulen an der Pädagogischen Akademie Graz/ Eggenberg. Universitätslehrgang Deutsch als Fremdsprache an der Karl- Franzens-Universität Graz, Masterstudium Fremdsprachendidaktik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg/ Deutschland. Volksschullehrerin, Erwachsenenbildnerin, Lerncoach, Lehrbeauftragte und wissenschaftliche Mitarbeiterin bei treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik, Universität Graz. Eva Seidl, geboren 1971 in Bruck an der Mur/ Österreich. Diplomstudium der Germanistik und Romanistik/ Italienisch an der Karl-Franzens-Universität Graz. Universitätslehrgänge Deutsch als Fremdsprache und Internationales Projektmanagement. Lehrbeauftragte für Deutsch als Fremdsprache und Deutsch als Muttersprache am Institut für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaft; wissenschaftliche Mitarbeiterin bei treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik, Universität Graz. Birgit Simschitz, geboren 1966 in Lienz/ Österreich. Lehramtsstudium der Deutschen Philologie und Philosophie, Psychologie und Pädagogik. Universitätslehrgang Deutsch als Fremdsprache; Doktoratsstudium der Erziehungs- und Bildungswissenschaft an der Karl-Franzens-Universität Graz. Erwachsenenbildnerin, Lehrbeauftragte und Projektmitarbeiterin bei treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik, Universität Graz. 264 AutorInnen <?page no="265"?> Daniela Unger-Ullmann, geboren 1971 in Klagenfurt/ Österreich. Studium Deutsch und Latein Lehramt an der Karl-Franzens-Universität Graz. Universitäre Weiterbildung in den Bereichen Deutsch als Fremdsprache und Medienkunde. Doktoratsstudium am Institut für Germanistik in Graz mit einer Dissertation in Älterer Deutscher Literatur. Von 1999 bis 2003 Universitätslektorin für deutsche Sprache und Literatur an der Schlesischen Universität Opava/ Tschechische Republik. Seit 2007 Leiterin von treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik der Universität Graz. Verantwortlich für die universitäre Verankerung und Absicherung sowie die strategische Weiterentwicklung von Lehre und Forschung. Seit 2010 Direktorin des Konfuzius- Instituts der Karl-Franzens-Universität Graz. Forschungsschwerpunkte: Bildungs- und Lehrmanagement, Personal- und Organisationsentwicklung, Sprachlehr- und -lernforschung. Christoph Waldhaus, geboren 1979 in Graz/ Österreich. Diplomstudium Übersetzen und Dolmetschen (Englisch/ Spanisch/ Deutsch) an der Karl- Franzens-Universität Graz. Universitätslehrgang Deutsch als Fremdsprache an der Karl-Franzens-Universität Graz, Masterstudium Highland Studies an der University of Edinburgh/ Schottland; Doktoratsstudium Englische Fachdidaktik/ Deutsche Sprache an der Karl-Franzens-Universität Graz. Lehrbeauftragter und wissenschaftlicher Mitarbeiter bei treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik, Universität Graz. Lehrbeauftragter an der Fachhochschule der Wirtschaft CAMPUS 02/ Graz. AutorInnen 265 <?page no="267"?> Narr Francke Attempto Verlag GmbH+Co. KG • Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen Tel. +49 (07071) 9797-0 • Fax +49 (07071) 97 97-11 • info@narr.de • www.narr.de JETZT BES TELLEN! Sabine Doff (Hg.) Fremdsprachenunterricht empirisch erforschen Grundlagen - Methoden - Anwendung narr studienbücher 2012, 325 Seiten €[D] 24,99/ SFr 33,90 ISBN 978-3-8233-6721-5 Die Bedeutung der empirisch begründeten Erforschung des (Fremdsprachen-)Unterrichts hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen; dies gilt für das Studium - inklusive einschlägiger Bachelor- und Masterarbeiten - ebenso wie für die Promotionsphase. Das Studienbuch bietet eine theoretisch fundierte und mittels Anwendungsbeispielen illustrierte Einführung in hierzu häufig verwendete Methoden. Es umfasst die verschiedenen Phasen des Forschungsprozesses (methodologische Vorüberlegungen, Untersuchungsdesign, Datenerhebung und -analyse) und stellt diverse Erhebungsinstrumente bzw. Analyseverfahren sowohl für quantitative als auch für qualitative Datenformate vor (u.a. Erstellung und Auswertung von Fragebögen, Tests, Lautes Denken, Führen und Auswertung qualitativer Interviews, statistische Verfahren sowie dokumentarische Methode). 072912 Auslieferung August 2012.indd 2 15.08.12 15: 00 <?page no="269"?> Der vorliegende Band bietet einen wissenschaftlich fundierten und verständlichen Überblick über die methodisch-didaktischen Forschungsaspekte in der universitären Sprachenlehre. Ziel dieser Forschungen ist es, die Qualitätssicherung im hochschuldidaktischen Umfeld zu gewährleisten. Am Beispiel des treffpunkt sprachen - Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik der Universität Graz werden verschiedene Forschungsschwerpunkte vorgestellt und deren Ergebnisse in den wissenschaftlichen Diskurs integriert. Der Band enthält neben handlungsorientierten Forschungsansätzen auch Fragebögen, Tests, Interviews und dokumentarische Analysen aus konkreten Lehr- und Unterrichtsprozessen. Lehrenden und EntscheidungsträgerInnen wird hiermit ein wertvoller Leitfaden für die Ausrichtung des Fremdsprachenunterrichts an die Hand gegeben.