Der Reisebericht des Hieronymus Münzer
Ein Nürnberger Arzt auf der „Suche nach der Wahrheit“ in Westeuropa (1494/95)
1207
2020
978-3-7720-5739-7
978-3-7720-8739-4
A. Francke Verlag
Klaus Herbers
Der Nürnberger Arzt Hieronymus Münzer floh 1494 nicht nur vor der Pest, sondern er wollte mehr. Mit Verweis auf Aristoteles wollte er sich "der Suche nach der Wahrheit" widmen. Sein Itinerarium zeugt davon, in welchem Maße ihm das gelang. Vorkenntnisse aus Studium und Nürnberger Zusammenhängen sowie die Unterstützung von Kaufleuten, Druckern, Gelehrten und Höflingen halfen ihm, erfolgreich zu suchen. Sein Itinerarium, das hier erstmals in deutscher Übertragung vorgelegt wird, dokumentiert die Ergebnisse. Es ist ein bunter Strauß an kulturgeschichtlich interessanten Aufzeichnungen aus einer bewegten Zeit. Zwei Jahre nach der ersten Seereise des Kolumbus und nach der Eroberung Granadas ist Hieronymus Münzer am Puls der Zeit, wie er nicht zuletzt in einer Rede vor den Katholischen Königen in Madrid darlegt. Die zahlreichen Beschreibungen von Menschen und Orten, Religionen und Gebräuchen, Klöstern und Pilgerzentren, Kunstwerken und Reliquien, Fauna und Flora regen dazu an, auch heute wieder auf Münzers Spuren den Westen Europas neu zu entdecken.
<?page no="0"?> Der Reisebericht des Hieronymus Münzer Klaus Herbers Ein Nürnberger Arzt auf der „Suche nach der Wahrheit“ in Westeuropa (1494/ 95) <?page no="1"?> Der Reisebericht des Hieronymus Münzer <?page no="3"?> Klaus Herbers Der Reisebericht des Hieronymus Münzer Ein Nürnberger Arzt auf der „Suche nach der Wahrheit“ in Westeuropa (1494/ 95) <?page no="4"?> Umschlagabbildung: Clm 431, fol. 173r © Bayerische Staatsbibliothek München Karte im Umschlag: Münzers Reisen 1483/ 84 und 1494/ 95 (R. Hurtienne, V. Trenkle, Chr. Gürtler) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de CPI books GmbH, Leck ISBN 978-3-7720-8739-4 (Print) ISBN 978-3-7720-5739-7 (ePDF) ISBN 978-3-7720-0128-4 (ePub) www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® <?page no="5"?> Für Gertrud <?page no="7"?> Inhalt Vorwort ..................................................................................................................................................... 9 Hieronymus Münzer in Westeuropa: Person, Reise, Bericht. Eine Hinführung ................... 11 Itinerarium I. Von Nürnberg bis Perpignan ......................................................................................................... 27 II. Von Perpignan bis Alhama ........................................................................................................... 43 III. Von Lorca bis Sevilla ..................................................................................................................... 69 IV. Von Niebla bis Porto ................................................................................................................... 111 V. Von Barcelos bis zum Rabanal ................................................................................................... 125 VI. Von Benavente bis Roncesvalles ............................................................................................. 141 VII. Von der Gascogne bis Paris ................................................................................................... 183 VIII. Von Paris bis Rouen ................................................................................................................ 209 IX. Von Rouen bis Lille ................................................................................................................... 231 X. Von Brügge bis Nürnberg ......................................................................................................... 247 Abkürzungen ...................................................................................................................................... 277 Quellen und Literatur ....................................................................................................................... 279 Abbildungen und Karten ................................................................................................................. 309 Orte und Personen ............................................................................................................................ 311 <?page no="9"?> Vorwort Die Zeichnung zur Kirche von Santiago de Compostela, die Hieronymus Münzer in den Bericht seiner Reise vom 2. August 1494 bis zum 15. April 1495 durch große Teile Westeuropas einfügt, ist schon vielfach verwendet und abgebildet worden. Für dieses Buch ziert sie den Umschlag. Das sogenannte Itinerarium bietet jedoch noch viel mehr, und es ist bei Kennern seit langem als ein kulturgeschichtliches Juwel bekannt. Der Nürnberger Arzt bereiste Frankreich, Spanien, die Schweiz, die Niederlande und Deutschland. Seine Beschreibungen führen den Leser zu vielen unbekannten Orten, die er mit eigenen Augen, aber auch aus der Perspektive anderer wahrnahm, um dann einiges davon aufzuzeichnen. Die ersten Übersetzungen dieses lateinischen Textes stammen von spanischen Kollegen, die sich allerdings nur für den iberischen Teil oder sogar nur für einzelne Regionen interessierten. Schon 1996 habe ich zusammen mit Robert Plötz einen Auszug aus dem Reisebericht in deutscher Sprache zum Besuch Münzers in der Pilgerstadt Santiago de Compostela herausgegeben. Das Pilgerzentrum ist einer der wenigen Orte, bei dem Münzer seine Beschreibungen etwas anders als bei weiteren Örtlichkeiten darbot, wo er oft aus der Höhe eines Kirchturmes die Lage beschrieb. Er verglich den Pilgerort auch nicht mit anderen Orten in Deutschland, was er sonst häufig tat.- Der Bericht des Hieronymus Münzer ist für Pilger nicht nur wegen der Beschreibung Compostelas interessant, sondern auch wegen der zahlreichen Wegstrecken, die in seinem Itinerar mit heutigen Jakobswegen übereinstimmen, in Deutschland, in Frankreich, aber auch in Südspanien oder in Portugal. Münzers Itinerarium ist zwar kein Pilgerbericht, aber Pilgerorte, Reliquien und Frömmigkeit gehören zu seinen Reiseeindrücken dazu. Diese Erfahrungen sind jedoch vielfältiger und werden hier erstmals in einer vollständigen Übersetzung des Textes der Öffentlichkeit vorgelegt. Es ist gleichsam eine Aufforderung, wie Münzer mit offenen Augen und Ohren den Westen Europas zu „erfahren“. Gleichzeitig erscheint bei den Monumenta Germaniae Historica die lateinische Edition dieses Berichtes. Diese ist so umfassend mit Einleitung und Kommentar versehen, dass die hier gebotene Übersetzung sich mit wesentlich kürzeren begleitenden Bemerkungen und Kommentierungen begnügen kann. Der Text soll vor allem für sich selbst sprechen und möglichst viele Leser erreichen. Ich freue mich, dass dieser spannende Reisebericht rechtzeitig zum Heiligen Jahr in Santiago 2021 erscheint und den Mitgliedern der deutschen St. Jakobus-Gesellschaft als Jahresgabe 2020 zugehen kann. Bei der Vorbereitung der Übersetzung, die ich schon vor über zwanzig Jahren in Teilen begonnen habe, standen mir in der jetzt notwendigen Abschlussphase verschiedene Personen zur Seite. Das Druckangebot des Narr-Verlages sowie die Betreuung des Buches durch Dr. Valeska Lembke und Corina Popp förderten die schnelle und gründliche Abwicklung. Bei der Übertragung der Epitaphien und Gedichte waren Rat und Übersetzungsvorschläge von Eric Schlager unentbehrlich, die Korrekturphase unterstützten Sophie Caesperlein, Clara Hoeß und Lena Sahaikewitsch. Das Register lag in den Händen von Viktoria Trottmann. Meine Frau, die schon früher Münzer immer wieder be- und genutzt hat, las und diskutierte die Texte mit mir. Ihr und allen, auch ungenannten Helfern, sei herzlich gedankt! <?page no="11"?> Hieronymus Münzer in Westeuropa: Person, Reise, Bericht. Eine Hinführung 1. Student, Mediziner, Humanist und Reisender: Lebenslinien des Nürnberger Arztes Hieronymus Münzer „Schon im sechsten Jahr meines Doktorates in Pavia in der medizinischen Fakultät […], als in der schönen Handelsstadt Nürnberg in Oberdeutschland eine Epidemie ausbrach…“ So lautet einer der ersten Sätze Münzers im Itinerarium. Und er fährt - offensichtlich ganz Mediziner-- fort: Ich verdanke es meinem Glück und meinen medizinischen Kenntnissen, die Gesundheit bewahrt zu haben. Es war im Jahr des Heiles 1484. Ich fürchtete die Ansteckung und begriff schnell, dass derjenige weder im Krieg oder durch die Pest stirbt, der nicht in ihrer Nähe ist. Ich beschloss also zu fliehen, um nicht das Leben durch eine Unaufmerksamkeit zu verlieren. Zehn Jahre später schreibt der Nürnberger Bürger ganz ähnlich: „Später, im Jahre des Heils 1494, als eine neue Pestwelle ausbrach, wollte ich zum alten Heilmittel der Flucht greifen“ 1 . Trieben also Pestwellen den Nürnberger Arzt Hieronymus Münzer aus der fränkischen Reichsstadt auf den Weg, zunächst nach Italien, dann später nach Frankreich, Spanien und fast ganz Westeuropa? Nur weg aus dem Ort, wo Kontakte auch Ansteckung bedeuten konnten? Der Bericht - schon seit langem als Fundgrube kulturgeschichtlicher Beobachtungen geschätzt - zeigt aber, dass viel mehr als die Pest den Nürnberger Arzt seine Reise beginnen ließ. Deshalb seien zumindest seine Prägungen und sein Lebensweg ganz kurz skizziert. Hieronymus Münzer - oder „Monetarius“, wie sich der Nürnberger Arzt latinisiert nannte-- gehörte zum Kreis der Humanisten, die auch am Hofe Kaiser Maximilians (1493-1519) Ansehen genossen 2 . Geboren wurde Münzer 1437 (oder 1447) in Feldkirch als ältester Sohn des Heinrich Münzer (†-um 1463) und seiner Frau Elisabeth. Er studierte in Leipzig (1464-1474), später Medizin in Pavia (1476-1477), wurde dort 1479 promoviert und erwarb ein Jahr später das Bürgerrecht in der großen Handelsstadt Nürnberg, wo er sich schon nach seinem Leipziger Studium niedergelassen hatte. Zum Erwerb der Bürgerschaft war ein Mindestvermögen nötig. Gefestigt wurde Münzers Stellung auch durch eheliche Bande, denn er heiratete am 3. Juli 1480 Dorothea und schuf damit Verbindungen zur wichtigen Nürnberger Familie der Kiefhaber. Aus dieser Ehe ging eine Tochter hervor. Beruflich verfasste Münzer in der Reichsstadt verschiedene Gutachten und praktizierte mit anderen Medizinern zusammen wie Johann Cramer und Hermann Schedel. Später gehörten zu diesem Kreis auch Hartmann Schedel, Heinrich Geratwohl und Dietrich Ulsen. Nicht nur durch diese Gruppe blieb er auch nach 1 Siehe die Zitate S. 28. 2 Ich biete in dieser Hinführung zum Text nur die wichtigsten Daten eines viel komplexeren Lebens, das ich ausführlich zuletzt in der Einleitung der lateinischen Edition: Münzer, Itinerarium (ed. Herbers) S.- XIII-CIL. dargelegt habe, vgl. auch das dortige Literaturverzeichnis und besonders die Beiträge von Goldschmidt, Münzer, S.-13-105 und generell Herz, Frühhumanist. <?page no="12"?> 12 Hieronymus Münzer in Westeuropa: Person, Reise, Bericht. Eine Hinführung seinem Studium vielfältig interessiert, dies lässt zum Beispiel seine Bibliothek mit fast 200 Titeln erkennen, deren Zusammensetzung deutlich macht, wes Geistes Kind Münzer war. In Nürnberg begünstigten die vielfältigen Aktivitäten des Handels auch Forschung und Wissenschaft. Wichtig waren vor allem Mathematik und Astronomie, dann, darauf aufbauend, auch Kosmographie und Geographie. Regiomontanus kam 1471 aus dem fränkischen Königsberg nach Nürnberg, Hartmann Schedel kehrte 1484 nach Nürnberg zurück. Dessen Vetter, Hermann Schedel, starb am 4. Dezember 1485 in der Reichsstadt; aber schon er hatte einzelne humanistisch Interessierte wie Dr. Hieronymus Münzer, Dr. Sebald Mulner, Dr. Heinrich Geratwol, Dr. Lorenz Schaller sowie weitere Personen wie Johannes Löffelholz, Dr. Conrad Schütz, Johann und Georg Pirckheimer, den Prior der Nürnberger Kartause, um sich geschart. Aus dem Ägidienkloster trat Abt Johannes Radenecker hinzu. Obwohl es in Nürnberg keine Universität gab, blühte der gelehrte Austausch, der mit diesen Namen nur unvollständig charakterisiert ist. Weiterhin dürfte Martin Behaim nach seiner Rückkehr aus Portugal 1491 das geistige Klima in Nürnberg entscheidend mitbestimmt haben. Er vollendete 1492 in Nürnberg seinen „Weltapfel“. Auf diesem Globus ist ein enormes geographisches Wissen erkennbar, an dessen Erarbeitung wohl - wie man schon früh vermutet hat 3 - auch Schedel und Münzer beteiligt waren. Münzer schrieb sogar am 14.-Juli 1493 an König Johann-II. von Portugal einen Brief, in dem er diesen im Namen des Königs Maximilian zur Umsegelung der Welt aufforderte, um China zu erreichen. Für dieses Unternehmen empfahl er dem König Martin Behaim als kundigen Seemann und Begleiter 4 . Ob die Entdeckung der Neuen Welt - Kolumbus kehrte von seiner ersten Reise am 4.-März 1493 zurück - in Nürnberg zu dieser Zeit schon bekannt war, scheint unerheblich, denn an zahlreichen geographischen Erkenntnissen waren wohl schon vorher Nürnberger Gelehrte beteiligt. Seine geographischen Kenntnisse stellte Münzer ebenso bei seinen Korrekturen am Blatt „Europa“ in der Schedelschen Weltchronik unter Beweis; auch an der Schedelschen Karte von Deutschland war Hieronymus Münzer wohl beteiligt 5 . Da Münzer also schon früh zu jenem humanistischen Kreis gehörte, der am Ende des 15.-und zu Beginn des 16.-Jahrhunderts das intellektuelle Leben in Nürnberg bestimmte, dürften diese Kontakte, seine Verwurzelung in einer Handelsfamilie, seine Frömmigkeit und seine medizinisch-anatomischen aber auch allgemein kulturgeschichtlichen Interessen seine Reisen mitbestimmt haben. War die Pest also - gemäß einer klassischen Unterscheidung - eher der Anlass, während die Gründe tiefer lagen? Münzer traf beispielsweise im Januar 1495 den spanischen König Ferdinand, worüber das Itinerarium ausführlich berichtet. Sollte er, wie man vermutet hat, den spanischen Herrscher zu einer Entdeckungsreise in ozeanische Gefilde überreden? Nach 1495 scheint Münzer nicht mehr gereist zu sein; wichtig für ihn wurde die Hochzeit seiner Tochter Dorothea am 3. Juli 1499 mit dem Patrizier Hieronymus Holzschuher, die der sehr hohen Ausgaben wegen (600 Gulden) im Rechnungsbuch Münzers verzeichnet wird. Damit war der Anschluss an die großen Nürnberger Familien endgültig erreicht. Aus der Ehe seiner Tochter gingen Kinder hervor, drei überlebten. Der Tod seiner Frau Dorothea am 30. September 1505 traf Münzer sehr. Vielleicht errichtete er deshalb Anfang 1506 zwei Stiftungen: eine Studienstiftung sowie eine zweite in der Pfarrkirche St. Nikolai. Zwei Jahre 3 Goldschmidt, Münzer, S.-45 f. 4 Dieser Brief ist in deutscher Fassung am einfachsten einsehbar bei Hennig, Terrae incognitae Bd.- 4, S.-254-257; S.-256 f.; vgl. Münzer, Itinerarium (ed. Herbers) S. XXIX mit weiteren Angaben. 5 Goldschmidt, Münzer S.-50-53; Münzer, Itinerarium (ed. Herbers) S. XXXVII-XLI. <?page no="13"?> Organisationsformen des Reisens 13 später, am 27. August 1508 starb Hieronymus Münzer. Sein Epitaph, das von Schedel oder Holzschuher stammen könnte, hebt hervor, dass er fast ganz Europa bereist habe (totam ferme Europam peragrauit) 6 . Wenn man sich verdeutlicht, in welcher Welt der Autor des Reiseberichtes lebte, erschließen sich auch die Interessensfelder in seinem Reisebericht. Seine Mitarbeit in Nürnberger humanistisch-kosmographischen Zirkeln, die Sorge um den Nürnberger und den Handel insgesamt, aber auch die Interessen eines Gelehrten, der die Artes und die Medizin studiert hatte, boten spezifische Voraussetzungen, um sich fremde Welten zu erobern. Recht wenig ist aus Nürnberger Quellen zu Münzers religiösem Hintergrund zu erfahren. Hier scheint es fast so, dass der Reisebericht selbst mit seinen zahlreichen Reliquienbeschreibungen, seinen Bemerkungen zu Pilger- und Devotionsstätten, aber auch zu anderen Religionen wie dem Islam oder dem Judentum die entsprechenden Facetten des Autors erschließt. 2. Pilgerfahrt, Bildungs-, Handels- oder diplomatische Reise? Organisationsformen des Reisens und Schlüssel zum Fremden Hieronymus Münzer war mobil, aus Vorarlberg stammend, mit Studien in Leipzig und Pavia hatte er schon vor und zu Beginn seiner Nürnberger Zeit viele Eindrücke aus der Fremde sammeln können. Soweit wir wissen, unternahm er von Nürnberg aus drei Reisen: 1483/ 84 nach Italien - angeblich auch, um der Pest zu entfliehen - und 1484 nach Lüttich. Von beiden Reisen wissen wir sehr wenig, dafür umso mehr von der hier wichtigen Westeuropareise 1494/ 95. Seine Fahrt und der spätere Bericht sind miteinander verknüpft, aber es ist wichtig, Erlebnis- und Berichtsebene zu scheiden, denn es wurde ja nur ein Bruchteil des Gesehenen in einen möglichen Bericht integriert, ganz zu schweigen von Auslassungen, literarischer Gestaltung und weiteren Aspekten 7 . Deshalb sei der Blick zunächst auf das Reisen und die Reise selbst gerichtet. Dass Reisen ein gefährliches Unterfangen war ist bekannt, wird aber oft nicht ausreichend berücksichtigt. Angesichts der Unsicherheit der Straßen, der Mühen und Strapazen, der Wegelagerer, Diebe und Betrüger und vieler anderer Dinge mehr war die Rückkehr von einer Reise oft mehr als ungewiss. Nicht zuletzt der Pilgerführer nach Santiago de Compostela aus dem 12.- Jahrhundert 8 führt diese Gefahren plastisch vor Augen, auch andere Quellen sind dazu einschlägig. Gleichwohl nahm das Reisen im Laufe des Mittelalters zu, dies betraf aber verschiedene Personengruppen und letztlich auch unterschiedliche Arten des Unterwegsseins 9 . Verschiedene Kategorien mögen helfen, wenn man fragt: Warum reisen die jeweiligen Protagonisten, was nehmen sie wahr und schließlich wohin reisen sie? Die ersten beiden Fragen - die für Münzers Reise noch offen sind - zielen im Grunde zugleich auf Typisierungen von Reiseformen: Was unterschied die Reise eines Adeligen oder eine Brautreise von einer Pilgerfahrt, was die diplomatische Reise von einer Handels- oder Handwerkerreise, vielleicht gar von einer militärischen Expedition? Etiketten wie Adelsreisen, Missionsreisen und 6 Vgl. Herz, Frühhumanist S.- 149 mit Anm. 191 f. Vgl. weiterhin eine etwas ausführlichere Fassung, die Goldschmidt, Hieronymus Münzer S.-104 abdruckt. 7 Vgl. vor allem Esch, Erlebnis und Bericht; Ders., Anschauung und Begriff. 8 Herbers, Der Jakobsweg, bes. S.-62-65 und die zugehörige Predigt ebd. S.-31-46. 9 Vgl. Babel/ Paravicini, Grand Tour und Paravicini, Ehrenvolle Abwesenheit. <?page no="14"?> 14 Hieronymus Münzer in Westeuropa: Person, Reise, Bericht. Eine Hinführung Entdeckungsreisen, Pilgerreisen - sei es nach Rom, Jerusalem oder Santiago - Heidenfahrten und Kavalierstouren, Bäder- oder Bildungsreisen bieten nur einige gängige Klassifizierungen. Da aber häufig - auch im Falle Münzers - weniger eine einzelne Motivation, sondern ein Knäuel von Motiven das Reisen bestimmte, mag ein einzelnes Etikett sogar in die Irre führen: Bei Münzer kamen zum Beispiel kosmographische, wirtschaftliche und religiöse Interessen, vielleicht auch politische Aufträge zusammen. Verglichen werden kann Münzers Reise aber aufgrund des Zielgebietes, das sich mit zwei weiteren großen Reisen trifft: Westeuropa und insbesondere die Iberische Halbinsel standen auch bei dem böhmischen Adeligen Leo von Rožmital und dem Breslauer Kaufmann Nikolaus Popplau, die 1465 bis 1467 und 1483 bis 1486 in Westeuropa unterwegs waren und darüber berichteten, im Vordergrund. Münzer reiste nicht wie Adelige mit großem Gefolge, aber sich ganz allein auf den Weg zu machen, war ebenso undenkbar. Drei Begleiter wählte er aus: Anton Herwart, Caspar Fischer und Nikolaus von Wolkenstein. Laut seiner Einleitungsbemerkungen verfiel er nicht zuletzt auf Grund kaufmännischer Erfahrung und ihrer Sprachkenntnisse auf diese Personen 10 . Diese als socii bezeichneten Männer werden im Bericht nicht mehr so oft erwähnt, dürften ihm aber bei der Reise stets zur Hand gegangen sein, erschlossen auch manchen Kontakt in die Kaufmannswelt. Deshalb waren die neuen Kontakte - die zuweilen vorbereitet waren - fast wichtiger. Ganz besonders wurde Fremdes auch durch die Landsleute im Ausland angebahnt 11 . Der Bericht ist voll von entsprechenden Bemerkungen: Es waren Mitglieder der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft, Künstler, Mönche und Kanoniker, Drucker, Geschützmeister und viele andere mehr 12 , welche die Gruppe empfingen, die Örtlichkeiten zeigten und vielleicht auch in sprachlicher Hinsicht die Kommunikation vereinfachten, somit die Fremde erschlossen 13 . Weiterhin fanden Personen Aufmerksamkeit, die über die Netzwerke des Kartäuserordens mit Nürnberg verbunden waren, wie Münzer in der Kartause bei Antwerpen feststellte 14 , oder gelehrte Humanisten wie in Portugal Duarte Galv-o, der einen akademischen Lehrer (Dr. Johannes Burckstaller) Münzers kannte 15 . Neue Personen traten hinzu, die zugleich als „Türöffner“ durch ihre Empfehlungsschreiben fungierten. So ebnete der neue Erzbischof von Granada, Hernando de Talavera, durch seine Schreiben den Weg zu den Katholischen Königen, die Münzer dann später in Madrid treffen durfte. Die Briefe heißen im lateinischen Text meist Litterae promotionales, es waren Empfehlungsschreiben. Manche dieser Briefe werden auch als Litterae passus bezeichnet, sie sollten offensichtlich den Übertritt der Grenzen in ein weiteres Herrschaftsgebiet erleichtern. Sie werden im Reich Granada, in Portugal, in Madrid und in der Picardie genannt. Diese Schriftstücke dokumentieren vielleicht eine Vorform des Ausweises, des Visums und könnten somit gut mit dem Terminus „Passierschein“ vorläufig bezeichnet werden. 10 Siehe unten S. 28 mit Anm. 4. 11 Vgl. hierzu u. a. Jaspert, Leben und Ders., Gastgeber. 12 Vgl. die Tabelle in: Münzer, Itinerarium (ed. Herbers) S. LII. 13 Herbers, Das kommt mir spanisch vor. 14 Siehe unten S. 262, vgl. auch S. 217. 15 Siehe unten S. 123. <?page no="15"?> Interessen und Wahrnehmung 15 3. Interessen und Wahrnehmung: von Handelszentren und Höfen, Moscheen und Pilgerorten, Reliquien und Kunstwerken Münzer reiste mit seinen drei Begleitern in kleiner Gruppe, zu Pferd, und notierte die Reisedistanzen in der Regel tageweise genau. Allerdings sind die Meilenangaben, die meist mit dem lateinischen Wort leuca (zuweilen auch milia) angegeben werden, nicht völlig verlässlich und nehmen wohl auch auf lokale Gepflogenheiten Rücksicht, wie die Bemerkungen zu den langen Meilen in Katalonien nahelegen 16 . Die auf der Karte 17 eingezeichneten Orte verraten aber noch nicht, was Münzer interessierte oder besser: was ihm des Aufzeichnens wert erschien. Jedoch erschließt die Reiseroute verschiedene Interessensfelder. Erscheint die Italienreise von 1484 noch ganz einem klassischen Ablauf entsprechend, bei dem die wichtigen Städte Ober- und Mittelitaliens besucht wurden, so dringt die Westeuropareise 1494/ 95 in Neuland vor. Münzers Streckenführung über die Schweiz und das Rhônetal nach Katalonien und der Rückweg über Roncesvalles, Tours, Paris und Belgien folgte bekannten Wegen und entspricht teilweise der „Ober“- und die „Niederstraße“, die Hermann Künig von Vach 1496 in seinem Führer für Jakobspilger unterschied 18 . Handels-, Reise- und Pilgerwege waren häufig identisch. Den ersten Teil seiner Fahrt charakterisiert Münzer selbst in seiner Rede vor den Katholischen Königen in Madrid, die er dort gehalten haben soll. Der Bericht integriert diese rhetorische Leistung, die alle Erlebnisse der Reisegruppe auf die prägende Kraft der Katholischen Könige zuspitzt 19 : Heiligste und mächtigste Könige! Die Größe der Taten, die Eure Majestäten vollbracht haben, ist auf dem ganzen Erdkreis bekannt, und die Fürsten und Adligen Deutschlands sind voller Bewunderung, dass die Reiche Spaniens, die in der vergangenen Zeit wegen der zahlreichen inneren Kriege, des heimlichen Hasses und der privaten Interessen fast vollkommen erschüttert schienen, am Boden zerstört, dass diese Reiche nun ein Stern in so kurzer Zeit von der höchsten Zerstrittenheit zu einem so großen Frieden, zu einer so großen Ruhe und zu einem so großen fruchtbaren Zustand hat führen können. Weil viele dies nicht hätten glauben können, habe er sich mit seinen Begleitern selbst auf den Weg gemacht, um die Ergebnisse des königlichen Waltens in Augenschein zu nehmen. Und dann lässt er die Reise ab Katalonien Revue passieren, zunächst den Wiedererwerb der Grafschaft Roussillon: „Diese Grafschaft, die an den König Ludwig verpfändet worden war, gab dessen Sohn Karl freiwillig an Euch zurück und wollte, dass sie wieder Eurem Szepter unterstehe.“ Barcelona sei nach Rebellionen befriedet worden: „jetzt sahen wir sie [die Stadt Barcelona] aber unter Euren Auspizien wiederinstandgesetzt und in einem besseren Zustand.“ Es folgen Bemerkungen zum bekannten Kloster Montserrat, zu Poblet, der Grablege einiger Könige, und schließlich zu Valencia und dem alten, erst vor kurzem durch die Katholischen Könige eroberten Granada. Dort herrschten schon neue Adelige, die Münzer - wie er sagt - Auskünfte gegeben hätten: „Wir wurden über die wichtigsten Dinge durch den Grafen von Tendilla und durch den ehrwürdigsten Herrn Erzbischof informiert“. Alhama, Malaga und Sevilla boten neue „Wunder“, denn „wir sahen einige neue Menschen, zu unseren Zeiten bis- 16 Siehe unten S. 52, vgl. S. 184. 17 Siehe die Karte, unten S. 16. 18 Vgl. dazu Herbers/ Plötz, Strass, Verse 30 u. 524 mit Karte S.-108. 19 Siehe unten S. 165-167; lateinisch: Münzer, Itinerarium (ed. Herbers) S.-255-257. <?page no="16"?> 16 Hieronymus Münzer in Westeuropa: Person, Reise, Bericht. Eine Hinführung her unbekannt, die man aus den Ländern Indiens herbeigebracht hatte, den Ländern, die unter Euren Auspizien entdeckt wurden.“ Auch am Hof des Königs von Portugal wurde die Gruppe „über die Dinge in Äthiopien und die südlichen Länder informiert“. Über Santiago, Salamanca und Toledo seien sie nun auf die „Urheber solch großer Taten“ gestoßen: „Wir kommen, ich sage es, zu den Königen, durch welche die Rechte des Herrn die Völker aufrichtete, Reiche unterwarf und neue Menschen entdecken ließ.“ Die Rede spitzt alles - auch im Stil humanistischer Rhetorik - auf den Besuch bei den Katholischen Könige zu, und in der Tat könnte Münzer Aufträge König Maximilians und anderer zum Kontakt an den Höfen von Évora/ Lissabon und Madrid mitgeführt haben. Weitere Motive für Münzers Reise lassen sich auch an der Verweildauer ablesen, denn auf der Iberischen Halbinsel hielt Münzer sich deutlich länger als in anderen Gegenden auf. Die Karte erschließt gut die etwas längeren Aufenthalte (in Spanien 14 Orte, in den anderen Gegenden, vor allem Westfrankreich und Flandern neun Orte). Rom Viterbo Siena Florenz Mailand Como Brixen Pavia Piacenza Parma Modena Bologna Ancona Rimini Ravenna Venedig Vicenza Verona Bergamo Padua n.Neapel v.Neapel Münzers Reisen 1483/ 84 und 1494/ 95 (R. Hurtienne, V. Trenkle, Chr. Gürtler) Durchreise mehr als zwei Tage Aufenthalt Übernachtung <?page no="17"?> Die Hauptaktivitäten lassen sich bündeln: 1. Münzer traf nicht nur auf der Iberischen Halbinsel zahlreiche Händler und notierte Handelsgüter sowie Handelsströme. Dies scheint vor allen Dingen im katalanisch-valencianischen Raum, in Portugal und in Flandern der Fall gewesen zu sein. Bei diesen Kontakten traten oft die am Ort ansässigen Deutschen in den Vordergrund. Ob Münzer Aufträge zu Sondierungen besaß, ist allerdings nicht sicher. In diesen Zusammenhang gehören auch seine Notizen zu den zahlreichen Schätzen aus den Afrikareisen, die er nicht nur im Itinerarium, sondern auch in einem gesonderten Traktat niederlegte 20 . Wenn man die Bemerkungen zu Barcelona und Valencia mit denen in Portugal vergleicht, so scheint der Nürnberger Arzt die Zeichen der Zeit erkannt zu haben: Der künftige Handel würde mehr auf den Atlantik als auf das Mittelmeer ausgerichtet sein. 2. Besonders die Besuche am Hofe Johanns II. in Portugal und am Hof der Katholischen Könige in Madrid könnten nicht nur auf politische Aufträge schließen lassen. Hier traf Münzer auch Vertreter des Humanismus wie Cataldus und Petrus Martir, deren Werke er erwähnt. Zum zweiten lobte er die Politik dieser Herrscher und die Erziehung der jungen Prinzen am Hof. Vielleicht „sichtete“ er sogar die Ehepartner zur Vorbereitung der 1496 stattgefundenen habsburgischen Doppelhochzeit 21 . 3. Zahlreiche Bemerkungen zur Landschaft, zu den Distanzen, zu Vegetation, Flora und Fauna bieten dem Leser ein breites Spektrum zu den verschiedenen Pflanzen, aber auch zu Bewässerungsverfahren, Herstellung von Rosinen, Glas und Zucker oder zur Funktionsweise von Ölmühlen. Münzer interessierte sich für Gärten, Bewässerung, Pflanzen und Früchte, Bodenschätze, Heilquellen, Märkte, Preise, Handelsaustausch und Städtebilder. Nicht nur die Betrachtung einer „Kosmographie“, womit wohl die Karte des Fra Mauro gemeint ist, lässt die verschiedenen kosmographischen Interessen Münzers deutlich erkennen. Aufträge für den Nürnberger Gelehrtenkreis sind deshalb wahrscheinlich, ohne dass völlig klar wird, wie gezielt diese Aufgaben waren. 4. Daneben waren die Interessen Münzers breit, Lehren und Praktiken des Islam, auch die Frage der Judenpolitik blieben auf der gesamten Reise eine wiederkehrende Thematik. Es ging ihm aber nicht nur um fremde Religionen, vor allem außerhalb Spaniens werden Heiligenzentren der Schweiz und Südfrankreichs ausführlich - auch mit Gedichten und Epigrammen - gewürdigt. Vielfach paarte sich dieses Interesse mit der Beschreibung von Reliquien und Kirchenschätzen. Der wirtschaftliche Sinn kam dem Nürnberger dabei nicht abhanden, denn mehr als einmal notierte er den Wert der einzelnen kostbaren Stücke. Die Abschrift aus dem Liber Sancti Jacobi in Compostela bietet ein Dossier, das sich nicht nur aus dem Interesse für Jakobus, sondern auch aus einem Faible für die Karlsepik speiste 22 . Handel, Politik, Religion und Wissenschaft dürften somit die vielfältigen Reisemotive Münzers charakterisieren. Münzers Wissensdrang war groß, er ging aber noch zuweilen über diese hier kurz skizzierten Interessen hinaus, denn der Nürnberger Arzt beschreibt - was in dieser Zeit noch die Ausnahme war - häufig und detailliert die Landschaft. Dazu traten religiöse Gebräuche - Reliquienkult und Mönchsgemeinschaften -, fremde Religionen, künstlerische 20 Kunstmann, Bericht. 21 Herbers, Humanismus S.-207-219, bes. S.-214-219. 22 Herbers, Jakobus und Karl der Große, siehe unten S. 130 f. Interessen und Wahrnehmung 17 <?page no="18"?> 18 Hieronymus Münzer in Westeuropa: Person, Reise, Bericht. Eine Hinführung Werke, Exotica, Universitäten, Apotheken, Spitäler und praktische Dinge, die seine Aufmerksamkeit erheischen. Dies reichte bis zur Organisation des Abwassersystems in Barcelona. Gewiss spielen auch Empfänge bei Hof eine Rolle, aber weniger als in den anderen Reiseberichten von Adligen und Patriziern. Dass Münzer das viele Neue häufig mit Bekanntem aus seiner Heimat verglich entspricht dem Bedürfnis, Unbekanntes zu begreifen, also auf den Begriff zu bringen 23 . Vergleiche finden sich zuhauf in Münzers Bericht. Münzer hat sich aber nicht nur deshalb auf den Weg gemacht, um sein bisheriges Wissen durch Anschauung zu bestätigen oder zu erweitern, wenn auch die curiositas, die manche für ein Merkmal der beginnenden Neuzeit halten, in seinem Itinerarium zuweilen erkennbar ist. Dies erschließt vielleicht auch sein Interesse an fremden Religionen. Im alten Reich Granada lebten nach der Eroberung durch die Katholischen Könige 1492 noch zahlreiche Muslime: Gebetsriten, Bestattungen und anderes interessieren den Nürnberger Arzt. Dieses Interesse wurde in Zaragoza fortgesetzt, denn dort erläuterte ihm angeblich ein „Priester“ der Muslime, wie es mit der Vielehe stehe. Trotz mancher Kritik lobte der Nürnberger Arzt aber die Arbeitskraft der Muslime, die ihm sogar in manchen Gegenden unentbehrlich erschien. Ganz anders war seine Haltung zu den Juden oder den als „Marranen“ bezeichneten neu getauften sogenannten Conversi, die Münzer am Mittelmeer, aber auch in Lissabon und immer wieder erwähnte und deren Ausweisung er kommentierte: Hier teilte er ganz die rigorose Politik der Katholischen Könige und war in seiner Meinung vielleicht auch von ähnlichen Tendenzen im Reich zu Ende des 15.-Jahrhunderts mitbestimmt. Aber wie hielt er es mit der eigenen Religion? Was bedeutete ihm der kritische Vergleich von Reliquien? Wie können, so fragte sich nicht nur Münzer, sondern später auch Arnold von Harff, Jakobusreliquien in Toulouse vorhanden sein, wo doch der gesamte Leichnam in Compostela ruht? Die Kritik am Reliquienwesen ist alt, gewann aber neue Aktualität und hat später auch Martin Luther zu seiner Kritik an der Compostelafahrt geführt 24 . In Compostela bemängelte Münzer, dass er den Leichnam des Apostels nicht sehen konnte und fügte seufzend - oder ironisch? - hinzu, dass wir dies alles nur glauben könnten 25 . Der praktische Pilgerbetrieb in Compostela schien Münzer aber vor allem zu stören, und ähnlich kritisch vermerkt er zur Aachenfahrt, dass die Pilger dort mit viel Geld kämen und mit leerer Börse heimkehrten 26 . Es wäre einseitig, nur die kritischen Bemerkungen Münzers aufzugreifen: Pilgerorte wie St-Maximin, Les Saintes-Maries-de-la-Mer, Montserrat, Santiago de Compostela, Guadalupe, Toulouse, Tours oder Saint-Josse-sur-Mer fanden ebenso wie Aachen, Köln oder weitere bedeutende, auch künstlerisch interessante Klöster sein Interesse. Er wollte eben alles besuchen und sehen, was es zu sehen gibt. Und wo man den Reisenden Reliquien am Altar, in der Sakristei oder Schatzkammer zeigte, vermerkte Münzer dies gerne, manche Bemerkungen deuten darauf hin, dass er als Gedächtnisstütze vielleicht wie in Toulouse oder Tours einen Reliquienzettel erhielt oder abschrieb. Oft scheint er sich sogar mehr für den materiellen als für den spirituellen Wert zu interessieren, Reliquien und besonders Reliquiare waren schließlich 23 Vgl. Esch, Anschauung und Begriff S.-283 ff. 24 Vgl. Herbers, Der Jakobsweg S.-150 f. Zu Luthers Haltung zum Jakobuskult vgl. zuletzt Honemann, Luther S.-201-222. 25 Siehe unten S. 138. 26 Siehe unten S. 268. <?page no="19"?> zu teuren Kunstwerken geworden. In vielen Dingen sah Münzer aber auch auf den größeren politischen und kulturellen Kontext religiöser Phänomene. Deutlich wird dies zum Beispiel an den Gebräuchen in Saint-Josse-sur-Mer 27 , aber nicht nur dort. Wenn er in Santiago de Compostela Passagen des Liber Sancti Jacobi abschrieb, interessierten ihn vor allem die aus der Epik bekannten angeblichen Heldentaten Karls des Großen in Spanien. Aber er wollte auch mehr über einen so wichtigen Kult wie den Jakobuskult wissen - wenn er zum Beispiel das Kapitel über die Pilgermuscheln in seinen Bericht integrierte. In vielen Abschnitten beschritt die vierköpfige Gruppe Wege, die heutige Pilger wieder für sich entdeckt haben: Neben dem klassischen „Camino francés“, den er nach seiner Abreise aus Compostela bis zu den Bergen von León nutzte, folgte er von Almería nach Granada dem heutigen „mozarabischen Weg“, in Portugal auch dem sogenannten „Camino portugués“. In Frankreich reiste er nicht nur auf dem Hinweg von Arles bis Narbonne, sondern auch bei seinem Weg von Poitiers bis Paris und folgte damit der sogenannten Ober- und Niederstraße. Erst danach entfernte sich Münzers Route - wahrscheinlich des Seehandels wegen, von derjenigen des fast zeitgleich gedruckten Pilgerführers des Hermann Künig von Vach (1496) 28 . Unser Kosmograph notierte aber nicht nur die Distanzen zwischen den Städten, sondern auch die Lage (meist von einem Kirchturm in Augenschein genommen) oder auch die Bauwerke einer Stadt. Für viele (Sakral-)Bauten ist Münzer sogar die einzige Quelle, um den Zustand am Ende des 15.-Jahrhunderts kennenzulernen. Größe, Breite und Höhe der Kirchen werden vermessen, mit Schritten, mit Handspannen, Ellen oder anderen Hilfsmitteln. Kleriker und Pfründen werden ebenso wie Ausstattungsgegenstände oder Gebräuche (Prozessionen in Santiago, Ritterschlag in Saint-Josse usw.) wahrgenommen. Er sah und hörte offensichtlich mit höchster Aufmerksamkeit. Für Kunst und Kunsthandwerk sind seine (freilich nicht immer ganz klaren) Beschreibungen oft einzigartig und werden von Kunsthistorikern sehr geschätzt, denn sie bieten nicht nur eingehende Beschreibungen der Objekte wie zum Genter Altar 29 , sondern auch Hinweise zum Entstehungsprozess, zu den (zuweilen aus Deutschland stammenden) Bauhandwerkern und vieles andere mehr. Förderer waren auch Kaufleute: Kunst und Kommerz hingen zusammen. Auch seine ständige Sorge, ob Klöster der Reformbewegung der Observanz folgten, zeigt, wie sehr der Nürnberger Humanist in den Diskussionen der Zeit zuhause war und wie er die Reformpolitik Ferdinands und Isabellas in dieser Frage zunehmend an den Orten kennenlernte und würdigte. Ob er die spezifisch iberischen Gemeinschaften der Hieronymiten und das Vorbild des Hieronymus so sehr schätzte, weil dies an seinen Namenspatron erinnerte? Ähnliches galt auch für andere Themen der Zeit, wie den Krieg von Granada, die Thronfolge in Frankreich oder Portugal und besonders für die Neuigkeiten zur sogenannten Europäischen Expansion. Die politischen Interessen, die sich in Besuchen niederschlugen und teilweise erst durch Empfehlungen und Vermittlung möglich wurden, sind vielfältig und wirkten wie ein Schneeballsystem. Herausgehoben sind die Besuche am portugiesischen und kastilisch-aragonesischen Königshof. Aber auch bei Statthaltern und Bischöfen war Münzer zu Gast. In Navarra oder in Orléans wollte Münzer die Herrscher sehen und erreichte dies auch, bis hin zu der 27 Siehe unten S. 236-239. 28 Siehe oben S. 15. 29 Siehe unten S. 259 f. Interessen und Wahrnehmung 19 <?page no="20"?> 20 Hieronymus Münzer in Westeuropa: Person, Reise, Bericht. Eine Hinführung etwas merkwürdigen Szene, als ihm der kränkelnde französische Thronfolger gezeigt wurde, den er von einer Brücke aus betrachten durfte 30 . Orte, Bauwerke, Institutionen und Personen waren wichtig, dazu traten aber die der Kosmographie geschuldeten Interessen, die Landschaft aufzunehmen. Zwar scheint hier später manches stereotyp und nicht immer stimmig niedergelegt, aber in der Regel beobachtete Münzer genau. Interesse an Flora und Fauna schloss wirtschaftliche Hintergründe ein, denkt man nur an den Safranhandel des 15.-Jahrhunderts. Jedoch wird fast alles erfasst: Die genannten agrarischen Produkte und Pflanzen stellen für jede Übersetzung auch eine Herausforderung dar. Tiere in den herrschaftlichen Gehegen registrierte der Nürnberger Arzt ebenso, besonders exotische Tiere, von denen zum Beispiel eine Schlangenhaut oder ähnliches in Kirchen aufgehängt war. Und welche Mühe machte es Münzer, eine Gazelle zu beschreiben! Die genannten Früchte und agrarischen Produkte, deren Gedeih auch von den häufig gerühmten Bewässerungssystemen abhing, wurden oft exportiert, wie Malvasierwein, Safran, Wolle oder auch Rosinen. Deren Herstellung interessierte Münzer ebenso wie die Verarbeitung von Oliven zu Öl und anderes. Denkt man daran, dass er in jeder Landschaft immer auch Produkte, an den Kirchen Pfründen und beim Betrachten der Reliquien Geldwerte angab, dann scheint Münzer zwar Kosmograph, aber in vielem auch ein Homo oeconomicus gewesen zu sein. Er machte seinem Namen Münzer oder Monetarius also alle Ehre, obwohl ihn noch viel mehr interessierte, dies lässt der aufgezeichnete Bericht an vielen Stellen erkennen. 4. Was ist aufzeichnenswert? Das Itinerarium Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 431, fol. 173r (siehe unten Abb. 4, S. 129) 30 Siehe unten S. 203. <?page no="21"?> Das Itinerarium 21 Eine Skizze der Kathedrale in Santiago de Compostela steht fast genau in der Mitte des Itinerariums, wie der Bericht sich nennt. Was fand von Münzers Eindrücken Eingang in den Bericht? Konnte Münzer alles angemessen in Worte fassen? Zuweilen greift er - wie in Compostela-- zur Zeichnung, obwohl dies nicht sehr oft geschieht. Die Entstehung des Itinerariums ist eine eigene Geschichte, die hier nur kurz resümiert werden kann 31 . Ohne Hartmann Schedel wüssten wir von Münzers Reise so gut wie nichts, denn fast alle Informationen entstammen dem Itinerarium, das uns nur in einer Abschrift Hartmann Schedels in der Münchener Handschrift (Clm 431) überliefert ist. Die Entstehung des Berichtes wird dort aber nicht explizit thematisiert, grundsätzlich folgt der Text dem Reiseverlauf. Trotzdem ist die gesamte Handschrift aufschlussreich, denn sie enthält neben dem Itinerarium weiteres Material, das zusätzliche Überlegungen zur Reise und zur Abfassung des Berichtes bereithält. So zeigen die weiteren Teile der Handschrift, dass Hartmann Schedel Materialien Münzers als Beilagen aufgenommen hat, die teilweise eine Grundlage zur Abfassung des Berichtes geboten haben dürften 32 . Einzelne Schriften wurden aber nicht wie der Liber Sancti Jacobi in den Text integriert, sondern ausgelagert, zum heiligen Mamertus in Vienne, zur Lobesrede des Alfons de Ortiz auf die Katholischen Könige oder zu den Entdeckungsfahrten nach Afrika. Weitere Ergänzungen betreffen die Epigramme des in Portugal von Münzer aufgesuchten Humanisten Cataldus und einige andere kleine Notizen, wie auf Folio 303. Dort wird die Situation in Freiburg im Üchtland beschrieben; dies zeigt, wie ein Notizzettel Münzers ausgesehen haben könnte 33 . Wer die Verschränkungen und die internen Verweise vornahm, Münzer oder Schedel, bleibt jedoch offen. Da Münzers Itinerarium aber nur über Schedels Abschrift greifbar ist, können Rückschlüsse auf die Eigenheiten im Einzelfall Hartmann Schedel und nicht Hieronymus Münzer selbst betreffen. Trotzdem suggeriert das Itinerarium, dass Münzers persönliche Reiseeindrücke in die schriftliche Fassung eingingen. Die Struktur variiert: Schon beim schlichten Durchlesen werden unterschiedliche Schwerpunkte erkennbar. Dominieren noch in Frankreich vielfältige Notizen zur Hagiographie, zu den Heiligen, zu Gräbern und ihren Epitaphien, so erscheint der insgesamt sehr lange Teil zur Iberischen Halbinsel deutlich ethnographischer. Die Fremdheit führt auch zu „politischen“ Kommentaren: Judenpolitik, Krieg von Granada, dynastische Entwicklungen oder die sogenannten Entdeckungsfahrten treten in den Vordergrund. Beim Rückweg fällt auf, wie sehr die Universität und die Reliquienschätze das Bild von Paris bestimmten. Tagesdaten und Distanzen werden in verschiedener Form notiert, Meilenangaben manchmal am Rand wiederholt. Bei längeren Aufenthalten gibt es aber zuweilen Unstimmigkeiten, zuweilen auch Irrtümer (so in Zaragoza). Besonders interessant ist Folio 129, denn an falscher Stelle sind hier Bemerkungen zum nördlichen Navarra in die Handschrift eingebunden. Zuweilen sollte vielleicht noch etwas ergänzt werden, dies zeigen zum Beispiel die halb leeren Folien vor und nach der Rede, die Münzer vor den Katholischen Königen in Madrid hielt. Manche allgemeine Betrachtungen werden bei längeren Aufenthalten eingeschoben, so zum Beispiel zu den „Marranen“, zum Krieg um Granada oder über das Reich Navarra, so als ob man einen passenden Ort im chronologischen Ablauf gesucht hätte. Ob Kirchen oder Institutionen 31 Vgl. hierzu die lateinische Edition Münzer, Itinerarium (ed. Herbers) S. C-CXXXVIII. 32 Siehe in der lateinischen Edition die Beschreibung der Handschrift Münzer, Itinerarium (ed. Herbers) S.-CXV-CXXVI und die Anhänge S.-429-437. 33 In der Handschrift Folio 303, Münzer, Itinerarium (ed. Herbers) S.-436. <?page no="22"?> 22 Hieronymus Münzer in Westeuropa: Person, Reise, Bericht. Eine Hinführung ausführlich oder nur summarisch beschrieben werden, folgt keiner besonderen Systematik und hing vielleicht auch an den Bedingungen und Informationen während der Reise selbst. Die jeweilige Länge der Schilderungen lässt Unterschiede erkennen: Die Aufenthaltsdauer, die Vermittler und deren Informationsfreude, aber auch das persönliche Interesse und/ oder die schon vorher (oder während der Reise) erhaltenen oder im Zuge der Verschriftlichung hinzugekommenen Informationen könnten eine Rolle gespielt haben. Neue Informationen, besonders hinsichtlich der Größe, der Anordnung und Lage von Städten erschloss Münzer im Vergleich mit Nürnberger oder süddeutschen Verhältnissen. Diente dies nur der Selbstvergewisserung oder betraf das auch Informationen, die zum Beispiel für die Schedelsche Weltchronik relevant waren? Es bleibt auffällig, dass Zeichnungen erst ab seinen Erläuterungen im Reich Granada in nennenswertem Maße erscheinen. Lagepläne, Wappen, Kirchen gehören dazu. Viel trugen die (deutschen) Personen im Ausland bei, Dolmetscher und Begleiter halfen zudem. Es wird deutlich, wie sich im Laufe der Reise und auch des Berichtes zunehmend ein Netzwerk an Personen etablierte, die mündliche Informationen des Reisenden geradezu legitimierten. Dazu trat klassisches Wissen, das Münzer einstreut, zum Beispiel mit Zitaten aus den Werken des Plinius. Die Gestaltung des Itinerariums selbst ergibt sich auch aus den vielen Binnenverweisen. Rück- und Vorgriffe, Hinweise auf Früheres und Späteres, also Vor- und Rückverweise kennzeichnen den Bericht und belegen eine grundsätzlich chronologische Anlage der Aufzeichnungen. Die Notizen, die Münzer wahrscheinlich von seiner Reise mitbrachte, mögen dennoch disparat strukturiert gewesen sein. Natürlich verarbeitete Münzers Itinerarium auch Vorlagen, aber insgesamt eingeschränkt. Neben der resümierenden Abschrift aus dem Liber Sancti Jacobi in Compostela, die darauf hindeutet, dass vielleicht ein anderes und von der heutigen Fassung verschiedenes Exemplar in Compostela vorhanden war, sind es kurze Abschnitte, die übernommen wurden. Inschriften (ein besonderes Interesse Schedels), Epigramme, Reliquienzettel oder Schatzverzeichnisse seien hervorgehoben. Damit ist die Abfassungsweise des Itinerariums angesprochen. Neben Münzers und Schedels schon vorhandenen Wissensbeständen wurden manche Texte in kondensierter Form aufgenommen, dies gilt zum Beispiel für die hagiographischen Traditionen um Mamertus oder die Auszüge aus dem Liber Sancti Jacobi. In beiden Fällen wurde in humanistischer Manier gekürzt und zugespitzt. Notizen in der Handschrift wie zu den Reliquien und Ablässen in Toulouse entlasteten den Text, es wird im Itinerarium sogar darauf verwiesen. Bücher oder Hefte, die Münzer in Orléans zur Gallia (Anthonius Astensis 34 ) oder in Sevilla (Rede des Alfonso Ortiz an die Katholischen Könige 35 ) gezeigt oder gegeben wurden, boten Material zur Darstellung von Zusammenhängen (wie dem Hundertjährigen Krieg oder dem Krieg gegen Granada), ohne dass diese Materialien zu wörtlichen Vorlagen wurden. Zusätzliche Erläuterungen boten die verschiedenen Schriften des in Portugal getroffenen Humanisten Cataldus oder die eigenständige Schrift zu den portugiesischen Fahrten der Europäischen Expansion. Diese Hinweise zur Abfassungsweise müssen mit weiteren Informationen verbunden werden, die dem Itinerarium selbst zu entnehmen sind. Ob Inschriften, Epigramme und anderes 34 Siehe Münzer, Itinerarium (ed. Herbers) S.-434 f. 35 Siehe Münzer, Itinerarium (ed. Herbers) S.-434 f. <?page no="23"?> Zur vorliegenden übersetzten Ausgabe 23 nur am jeweiligen Ort kopiert wurden, bleibt fraglich, manchmal ist das Itinerarium aber der einzige Überlieferungsträger. Offensichtlich wurden auch die Spuren der Abfassungsweise verwischt, denn dass Münzer den Text des Alfonso Ortiz in Sevilla erhielt, berichtet nicht das Itinerarium, sondern ein späterer Abschnitt der Handschrift 36 . Neben schriftlichen Vorlagen, Erweiterungen und Hinweisen ist der Beitrag der mündlichen Informanten nicht zu unterschätzen, denn woher kannte Münzer zum Beispiel die Zahlen zu Einwohnern oder zu den Klerikern und Pfründen einer Kirche? Insgesamt wird deutlich, dass der Reisebericht vielleicht auf Tagebuchnotizen basierte, dann aber in verschiedener Weise „angereichert“ und weiter entwickelt wurde. Wer dies in welchem Maße tat, bleibt wie gesagt offen. Manches deutet darauf hin, dass Münzer vielleicht größere Verantwortung für den spanischen, Schedel für die restlichen Abschnitte besaß. Die Beobachtungen zur Verschriftlichung treffen sich durchaus mit Überlegungen zu den zahlreichen auch neu gefundenen Notizzetteln Hartmann Schedels 37 und damit zur Arbeitsweise der Nürnberger Humanisten. In der Sprache des Itinerariums dominiert ein eher einfaches, umgangssprachliches, zuweilen sogar parataktisches Latein mit grammatischen Eigenheiten. Zahlreiche Floskeln bestimmen den Text, so etwa, dass man etwas - um kurz zu bleiben - nicht weiter ausführen könne. Neologismen (auch aus romanischen Sprachen) finden sich zuweilen, insbesondere ist das Vokabular zu den Südfrüchten bemerkenswert. Dazu treten einzelne deutsche Wörter oder lautmalerische Transkriptionen des muslimischen Gebetsrufes. 5. Zur vorliegenden übersetzten Ausgabe Gerade die Ausführlichkeit dieses in einem einfachen Humanistenlatein verfassten Berichts sowie das breite Interesse des Verfassers machen den Bericht Münzers über fremde Länder, fremde Menschen und fremde Sitten zu einer Fundgrube für den heutigen Leser, der neben kulturgeschichtlichen Details auch die Weltsicht, die Neugier und das geistige Klima im Zeitalter des Humanismus und der „Entdeckungsreisen“ aus einer persönlichen und zugleich für einen gewissen Personenkreis repräsentativen Perspektive kennenlernen möchte. Das Itinerarium wurde lange Zeit nur in seinen spanischen Teilabschnitten ediert, danach folgten einzelne Ergänzungen 38 . Gleichzeitig mit dieser Übersetzung lege ich erstmals eine Gesamtausgabe des lateinischen Textes vor, die mit einer Kommentierung und ausführlichen Literaturangaben den Text in den verschiedenen Facetten erschließt. Deshalb ist für jegliche nähere Auseinandersetzung mit Einzelfragen des Itinerariums auf die Edition des lateinischen Textes zu verweisen; hier finden sich auch einige der erwähnten zusätzlichen Texte der Handschrift ediert 39 . Für die vorliegende Übersetzung wurden Kommentare vor allem auf Zusatzinformationen beschränkt und der Text möglichst wortgetreu in Übersetzung geboten. Die teilweise sehr spezifische und simple Ausdrucksweise des Lateinischen (oft fehlen Verben oder werden Dinge mit einem fast stereotypen habet eingeführt) sollte stilistisch nicht grundsätzlich übertroffen 36 Siehe Münzer, Itinerarium (ed. Herbers) S.-433. 37 Wagner, Schedae S.-261. 38 Hierzu Münzer, Itinerarium (ed. Herbers) S. CXXXV f. 39 Münzer, Itinerarium (ed. Herbers) S.-429-437. <?page no="24"?> 24 Hieronymus Münzer in Westeuropa: Person, Reise, Bericht. Eine Hinführung werden, jedoch wird durch Klammern und Anmerkungen der Sinn zuweilen verdeutlicht. Allerdings ließ sich der parataktische Rhythmus auch im Deutschen nicht ganz vermeiden und spiegelt damit teilweise Münzers spezifische Ausdrucksweise. Bisherige Übersetzungen haben bis auf eine Ausnahme immer nur Teile vorgelegt, ins Deutsche übertragen wurden nur zwei kurze Auszüge 40 , vom ganzen Itinerarium liegt nur eine französische Übersetzung vor 41 . Die römisch bezeichneten Kapiteleinteilungen stammen von mir, um die Reiseabschnitte besser zu gliedern. Die beigegebenen Abbildungen mögen einen Eindruck von der Handschrift und von einigen Zeichnungen verschaffen. Ortsnamen wurden - zuweilen mit den Varianten in Klammern - in moderner Form in die Übersetzung integriert. Das Itinerarium gibt Zahlen recht willkürlich mal in Ziffern, mal ausgeschrieben an, dies wurde übernommen. Zu vielen Begriffen der Fachsprache ist auch das Wortregister in der lateinischen Edition zu vergleichen 42 . Das Orts- und Personenregister dieser Ausgabe erschließt die jeweiligen Orte und Personen des Haupttextes. Bibelzitate werden nach der für mittelalterliche Texte üblichen Form der Vulgata nachgewiesen. Die zahlreichen Maße, Münzen und Gewichte, die Münzer verwendet, bleiben ein Problem: Dazu gehören leuca und milia für Meile, aber auch die verschiedenen Gewichte und Münzen, die von Mark, Gulden, Dukaten, Schillingen und Denaren (Pfennigen) über Écus/ Escudos bis zum Real, zum Maravedi und zur Dobla reichen. Manchmal gibt das Itinerarium selbst einen Gegenwert an, wenn es z.-B. mit rheinischen Gulden vergleicht oder 66.000 Reales mit 600 Dukaten gleichsetzt. Ladungen rechnete Münzer manchmal in Nürnberger Zentner um, bei Schiffen scheint er mit verschiedenen Termini an Tonnen zu denken, aber wie spezifisch er die Gewichte sonst bemaß, offensichtlich auch nach regionalen Traditionen, bleibt offen. Eine Übersetzung bedeutet immer eine Interpretation des Textes. Zwar hoffe ich, dass meine Sichtweisen Zustimmung finden, aber neue Diskussionen dürften die weitere Beschäftigung mit diesem einzigartigen Reisebericht von 1494/ 1495 beleben. 40 Siehe hierzu die Tabelle zu allen (Teil-)Edition und Übersetzungen in Münzer, Itinerarium (ed. Herbers) S.-CXXXVI. 41 Péricard-Méa, De Nuremberg à Grenade. Diese Übersetzung ist vielfach sehr frei. 42 Münzer, Itinerarium (ed. Herbers) S.-515-572. <?page no="26"?> Abb. 1: Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 431, fol. 96r Beginn des Itinerariums in der Münchener Handschrift. <?page no="27"?> Itinerarium oder (Pilger-)Reise des hervorragenden Doktors der Artes und der Medizin, Hieronymus Münzer aus Feldkirch, Bürger von Nürnberg Der Herr sei mein Helfer Jesus Christus I. Von Nürnberg nach Perpignan Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 431, fol. 97r Vorwort des Doktors Hieronymus Münzer aus Nürnberg zu seinem Itinerarium und seiner Pilgerfahrt, die er zur Zeit der Pest 1 im Jahre des Heils 1494 nach Spanien, Gallien und ganz Westeuropa unternahm. Ich glaube mit Aristoteles, dass der Mensch die Intelligenz und eine natürliche Fähigkeit besitzt, sich der Suche nach der Wahrheit zu widmen. Ich glaube auch, dass, wenn sein Geist frei von allen häuslichen Sorgen und allen verpflichtenden Aufgaben ist, er alle Dinge hören und lernen kann; durch die Kenntnis der verborgenen Wahrheiten und der Wunder der Natur wird er zu einem würdigen und glücklichen Leben geführt werden. Und mit diesem Verlangen danach, die Wahrheit zu erkennen, ist die Größe des Geistes verbunden: Durch sie (die Größe) konnte er, so weit wie möglich, Unsterblichkeit erlangen. Deshalb wollten so viele Menschen Geschichte schreiben, Reisen zu Land und zu Wasser unternehmen, die Lage der Orte untersuchen und, was das eigene einer edlen und erhobenen Seele ist, die Menschen verschiedener Nationen kennenlernen, ihre Sitten sehen und dies im Gedächtnis behalten. Ähnliche For- 1 Ende Juni 1494 bis etwa Anfang Januar 1495 grassierte in Nürnberg eine Epidemie, an der ca. 9780 Menschen gestorben sein sollen, vgl. zur „Pest“ in Nürnberg Bühl, Pestepidemien; Bauernfeind, Grundstrukturen S.-210. <?page no="28"?> 28 I. Von Nürnberg nach Perpignan schungen haben Platon, Pythagoras, die Pompeii, die Fabricii, die Cäsaren, Sertorius und die Christen Hieronymus, Augustinus, Antonius, Aegidius aus Athen und andere in unzähliger Zahl vorgenommen 2 . So haben mich alle diese hochbekannten Männer eingeladen, meinen Vorsatz auszuführen. Schon im sechsten Jahr meines Doktorates an der medizinischen Fakultät zu Pavia kam es dazu, als in der schönen Handelsstadt Nürnberg in Oberdeutschland eine Epidemie ausbrach. Ich verdanke es meinem Glück und meinen medizinischen Kenntnissen, die Gesundheit bewahrt zu haben. Es war im Jahr des Heiles 1484 3 . Ich fürchtete die Ansteckung und begriff schnell, dass, wer nicht ihre Nähe sucht, weder im Krieg noch durch die Pest stirbt. So beschloss ich zu fliehen, um nicht durch Nachlässigkeit das Leben zu verlieren; im September desselben Jahres verließ ich Nürnberg und erreichte das schwäbische Gebiet Deutschlands. Nachdem ich die Alpen überquert hatte, durch die Italien von Deutschland getrennt wird, kam ich in die Ebene von Mailand. Von dort ging es nach Genua, dem edlen Hafen Liguriens, ich machte einen Umweg über Pavia, Piacenza, Parma, Cremona, Modena, Bologna, Florenz, Siena, Viterbo und gelangte nach Rom, der Herrin des ganzen Erdkreises. Dort blieb ich einige Tage und sah Velletri, Terracina, die Grafschaft Fondi, Gaeta, Capua; schließlich kam ich nach Neapel. Wieviel Freude bereitete es mir, im Verlauf dieser Reise hochgelehrte Menschen zu treffen und zu hören, zudem die Orte der Heiligen zu besichtigen! Mich begeisterten die Umgänglichkeit der Leute, die Monumente der Väter, die Fruchtbarkeit des Bodens, der Glanz der Städte, um es mit einem Wort zu sagen, der Anblick des Paradieses, aber es ist jetzt nicht an der Zeit, davon zu erzählen. Auf dem Rückweg schlug ich einen anderen Weg ein, über die Marken, Ancona, Pesaro, Rimini, Ravenna, Faenza, Imola, Ferrara, Padua, Venedig; dann kehrte ich über Vicenza, Verona, Brixen, Bergamo und Como zurück. Nach Überquerung des dort gelegenen Sees ging ich über Alpenpässe und die Quellen des Rheines bis nach Deutschland zurück, wo ich am 24. Januar im Jahre des Heils 1485 Nürnberg erreichte, gesund und unbeschadet, und meine Frau, meine Familie und mein ganzes Haus wohlbehalten vorfand. Ende der ersten Fahrt. Es folgt das zweite Itinerarium. Später, im Jahre des Heils 1494, als eine neue Pestwelle ausbrach, wollte ich zum alten Heilmittel der Flucht greifen; erneut dachte ich daran, mir ein paar aufrichtige junge Männer auszuwählen, Söhne wohlhabender Kaufleute, welche in der italischen und gallischen Sprache bewandert waren: Antonius Herwart aus Augsburg, Kaspar Fischer und Nikolaus Wolkenstein, sie wählte ich zu meinen Reisebegleitern 4 . 2 Die Einleitungspassage greift Formulierungen von Cicero, De officiis 1,4,12 auf; Münzer könnte hier indirekt aber auch auf Werke aus seiner Bibliothek verweisen. 3 Schon 1483 und 1484 grassierte eine Epidemie in Nürnberg, wie die Abwehrmaßnahmen des Rates der Stadt dokumentieren, so der Aufruf zu Gebeten und zu Prozessionen, vgl. Bühl, Pestepidemien S.- 133; Bauernfeind, Grundstrukturen S.-208 f. Deshalb könnte auch das Jahr 1483 zutreffen. 4 Die Personen entstammten alle der Welt des Handels, die aber auch Voraussetzungen hinsichtlich der Sprachkenntnisse verschaffte. Anton Herwart (†- 1504), wohl Sohn des Lukas Herwart und der Veronika Ortwein (Reinhard, Eliten S.- 274) entstammte der bekannten Augsburger Handelsfamilie und war Ritter des Heiligen Grabes. - Caspar Fischer (†-1517) stammte aus einer Nürnberger Kaufmannsfamilie. Er war einer von drei Söhnen des Stefan Fischer d. Ä., der ein Gesamtvermögen von 20.000 Gulden be- <?page no="29"?> Schweiz 29 Am zweiten August des genannten Jahres verließ ich Nürnberg und durchquerte in Schwaben die großartigen Städte Nördlingen, Ulm, Biberach, Ravensburg sowie Konstanz, das wegen des Konzils Martins V. und Kaiser Sigismunds bekannt ist 5 . Sodann kam ich durch die Gegend der Schweizer und Orte wie Duregum, heute Zürich, bei einer Eremitensiedlung an die Schwellen der Jungfrau Maria 6 . Dann ging es über die heißen Quellen in Baden zu den Ufern des Limatflusses, dort wuschen wir uns, danach richteten wir unsere Schritte zur uralten Stadt Soloturn und nach Bern, den wichtigsten Städten der Schweizer. Nachdem wir die Schweizer Republik des Volkes in Augenschein genommen hatten, verließen wir deutsches Gebiet und nahmen Kurs auf ein Städtchen namens Murten, das durch die Niederlage des Herzogs Karl von Burgund bekannt ist 7 . Welches Morden an Menschen dort vollzogen wurde! Mehr als 24 tausend Menschen aus dem Heer des burgundischen Herzoges und seiner Anhänger starben durch die Niederlage gegen die Liga der Schweizer und das aufgebrachte Volk. Es wäre unglaublich, von diesem Ereignis zu erzählen, denn man müsste sich die vielen Knochen getöteter Gegner anschauen, was ich weiter unten ein wenig geschildert habe 8 . Nachdem ich nun das Bild des Todes so vieler christlicher Menschen gesehen hatte, bewegten wir unsere Schritte in Richtung Freiburg, der Stadt der Allobroger, dort wurde einstmals die gallische Sprache, nun jedoch größtenteils die deutsche benutzt 9 . Erneut ritten wir durch waldige Schluchten zur ersten Stadt der Allobroger, Lausanne, das mit einem Bischofssitz geziert ist; und an den Ufern des Genfer Sees kamen wir nach 9 weiteren Meilen zur uralten Stadt Genf, bekannte Handelsstätte der Allobroger und ausgezeichnet durch die Wundertaten vieler Heiliger, einstmals von Genabus, einem Exilierten aus Numantia in Spanien, gegründet, wie du im Folgenden genauer erkennen wirst. In diesem Herzogtum Savoyen hat nun Christopherus als Herzog Savoyens die Herrschaft inne, er ist mit Anna, einer Tochter des Königs Maximilian, ehelich verbunden, die vorher vom Sohn des Königs von Spanien geheiratet wurde 10 . Ich habe aber, soweit es die Gelegenheit erlaubte, über wichtigere Orte geschrieben und Sitten und Gebräuche der Völker: in der Gallia Lugdunensis, der Narbonensis und in ganz Spanien wie in der Grafschaft Barcelona, im Reich Valencia, Granada, Kastilien, Aragon, Navarra, saß (Haller von Hallerstein, Grösse S.-129). Vater und Söhne haben nachweislich seit 1478 in Italien, Frankreich und auf der span. Halbinsel gehandelt (u. a. mit Safran; vgl. Schulte, Geschichte II S.-19 und passim). - Nikolaus/ Niclas I. Wolkenstein (†-wohl zwischen 1513 und 1515), entstammte dem aus Leipzig nach Nürnberg gezogenen (14. Jh.? ) Kaufmannsgeschlecht. 5 Konzil von Konstanz (1414-1418), das auf Betreiben von Kg. / Ks. Sigismund zustande gekommen war. Am 11. November 1417 wurde Papst Martin V. gewählt (1417-1431); insgesamt zum Konzil Brandmüller, Konzil und zuletzt Evers, Konzil sowie Signori/ Studt, Konzil. 6 Kloster Einsiedeln. 7 Karl der Kühne, Hzg. von Burgund (1467-1477). 8 Zur Schlacht von Murten gehört offensichtlich auch noch der Abschnitt, der wenig später eingefügt ist (unten S. 30 f.). - Karl der Kühne und dessen Verbündete, besonders die Unterstützungstruppen seines Schwagers, des engl. Kg. Eduard IV. (1461-1483), belagerten beim Vormarsch auf Bern die Stadt Murten. Das burgundische Heer unterlag nach einem Überraschungsangriff am 22. Juni 1476 den Eidgenossen, vgl. Häusler, Schlacht; Schöpfer/ Rück, Murtenschlacht. 9 Hierzu gibt es noch weitere Erläuterungen Münzers in den Ergänzungen, die in die Handschrift aufgenommen wurden, vgl. Münzer, Itinerarium (ed. Herbers) S.-436. 10 Die Identifizierung bleibt unsicher, es könnte sich um ein Versehen handeln, denn der Ehe Maximilians I. mit Maria von Burgund entstammten zwei Kinder: Philipp und Margaretha von Österreich, die 1497 mit den spanischen Infanten Johann und Johanna verheiratet wurden. Zur Problematik der Identifizierung von „Anna“ vgl. Hurtienne, Gelehrter S.-270. <?page no="30"?> 30 I. Von Nürnberg nach Perpignan Gallien, Aquitanien, Belgien, in der Normandie, der Picardie, und in Niederdeutschland bis zur Stadt am Rhein in Oberdeutschland 11 , wie Du im Folgenden sehen wirst. Jesus Christus 1495 (1494), 21. August, Genf Es ist der Ort der Allobroger, früher nannte man ihn „Genf“; ihn schmückt ein See mit Wasser klarer als Kristall. Diesen See durchbrechen in seiner Mitte die reinsten Wasser der Rhône, der Sturzbach der Arve und die Berge von Leman. Als Cäsar die Helvetier angriff, und diejenigen Völker, die gegen die Römer rebellierten, da hielt er sich in dieser Stadt auf. Dort ließ er eine Rhône-Brücke wiederherstellen und den Göttern ehrwürdige Tempel errichten. Nach dem Sieg Scipios über Numantia gründete diese (Stadt) ein Spanier namens Genabus: Jener hatte Numantia verlassen und ihr dann seinen eigenen Namen „Genf“ gegeben. Dies schreibt Frontonius in seinen Epigrammen über die Städte 12 . Die am weitesten entfernte Stadt der Allobroger ist Genf. Dort führt eine Brücke hinüber zu den Schweizern, unter der vom Genfer See her die Rhône fließt. Dies schreibt Cäsar in seinen Commentarii 13 . Die Ruinen der Stadt der Helvetier scheinen heute jenseits des Schlosses von Biel zu liegen, wo sich drei sehr bekannte Seen treffen: der von Neuchâtel, der von Biel und der von Murten. Heute sind Solothurn, Bern und Freiburg die Metropolen der Helvetier. Solothurn ist eine Stadt mit einem sehr alten Turm, und dort steht geschrieben, dass dieser 450 Jahre vor Christi Geburt errichtet wurde. Über die Schlacht und die Niederlage bei der Burg Murten habe ich Folgendes notiert: Im Jahre des Herrn 1476, als Herzog Karl von Burgund gegen die Helvetier Krieg führte, sind 10.000 Kämpfer (die ortsansässigen Leute erzählten mir, mehr als 24.000) getötet worden. Und dort beim See ist eine Kapelle erbaut worden, auf deren Türsturz folgende Inschrift steht 14 : Wohlergehen denen, die den listenreichen Feind Karl, Ruhm und Stolz von Burgund, vom Schlachtfeld vertrieben haben, die durch ihren Gesang die Helden im Himmel ehren, und die Altäre des Mars mit einem süßen Opfer beladen, 11 Worms. 12 Die Hexameter sind in der Handschrift nicht als solche gekennzeichnet. Welcher Epigrammatiker sich hinter dem Namen Frontonius verbirgt, ist nicht gesichert. In seiner Geschichte der Allobroger von 1535 nimmt Aymar du Rivail ebenfalls Bezug auf Frontonius. Möglicherweise handelt es sich bei Frontonius um eine nur lokal bekannte Person aus der Umgebung von Genf. 13 C. Julius Caesar erwähnt eine Rhône-Brücke, die er abbrechen ließ (Gaius Iulius Caesar, Commentarii de bello gallico I Kap. 6-7). 14 Die Inschrift dürfte 1798 bei den Auseinandersetzungen der Französischen Revolution wohl zerstört worden sein. <?page no="31"?> Über die Stadt Lyon 31 all denjenigen, die die zerstörerische Kraft der Waffen erfuhren. Im Lauf der Jahre hatten sich 1000 und 400 und 70 und 6 ( Jahre) vereinigt, und Atlas (= die Erde) hatte sich einmal um die Achse gedreht: Da hatte die niedergemetzelten Körper grausam das feindliche Schwert zu Boden gestreckt. Die Gebeine der Toten sind in zwei Grabkammern niedergelegt. Die Breite der ersten beträgt 20 Schritte, die Länge 6 und die Höhe 6, die Länge der anderen 7 Schritte und die Breite 5. Die Anhäufung so vieler Knochen ist schrecklich anzusehen, und fortwährend bringt der See neue Knochen hervor, die dort beigesetzt werden. Ich habe dies am 17. August 1494 gesehen. Über die Stadt Lyon Die alte Stadt Galliens Lyon ist bestens gelegen. Im Osten fließt außerhalb der Mauern der vielgerühmte Rhônefluss vorbei; die Saône, der allseits bekannte Fluss Burgunds, teilt die Stadt in zwei Teile. Beide (Flüsse) sind schiffbar. Die Steinbrücke der Saône hat 9 ausgezeichnete und hohe Bögen, 13 jedoch die der Rhône. Im Osten liegt Savoyen, im Norden Burgund, woher die Saône kommt, im Westen liegen die Berge Frankreichs und im Süden die Dauphiné der Allobroger. Ausgezeichnet ist der Ort durch 4 Kathedralkirchen und einen Bischofssitz; der vorzügliche Kirchenbau des göttlichen Johannes ist aus Steinquadern erbaut. In der Kollegiatkirche des heiligen Paulus ruht der Leichnam von Johannes Gerson, des Kanzlers von Paris; dessen Epitaph lautet folgendermaßen 15 : Eine kleine Urne enthält Johannes, genannt Gerson, gerühmt für seine Taten und erhaben durch seine Verdienste. Als Pariser Professor für Theologie leuchtete dieser der heiligen Kirche. Er verschied als Kanzler am zwölften Tag im Juli 1429. Außerhalb der Mauern, einige Steinwürfe entfernt, liegt auf einer gewissen Insel im Fluss der Saône ein stolzes benediktinisches Kloster, in dem sich eine Gebetsstätte befindet, die wegen der Wunder der seligen Jungfrau berühmt ist. Und in einer anderen Kapelle ruhen der Leichnam der seligen Anna, der Mutter Mariens und derjenige des Kämpfers Longinus, der mit seiner Lanze die Seite des Herrn durchbohrte; dort findest Du einen Unterarmknochen des seligen Martin, das Haupt des heiligen Mauritius, eine Ampulle aus Smaragden, angeblich mit edlem Silber überzogen - daraus sollen beim letzten Abendmahl die Apostel, kurz bevor sie predigten, getrunken haben -, und viele andere (Reliquien), von denen man hier nicht erzählen muss. Im Kloster ruhen auch die Gebeine des Minderbruders Bonaventura, des bekannten und gelehrten Mannes 16 . 15 Johannes Gerson (†- 1429), Theologe und Kanzler der Universität von Paris (seit 1395). Am Ende seines Lebens wurde er zwar Kanoniker im Stift Saint-Paul, doch bestattet wurde er — anders als Münzer angibt - in der Kirche Saint-Laurent. Zum folgenden Epitaph vgl. Walther, Initia 10600. 16 Die Franziskaner ließen sich 1220 in Lyon nieder. Als auf Veranlassung Kg. Karls VIII. ein zweiter Franziskanerkonvent in Lyon errichtet werden sollte, nannte sich das Kloster zur Unterscheidung nun Saint- Bonaventure, vgl. Beyssac, Abbayes S.- 32 f. - Zu Johannes Fidanza (Ordensname Bonaventura da Bagnoregio) (†-1274), der als Franziskanertheologe und Kirchenlehrer prägend wurde, vgl. Dendorfer u.a., Kardinalat S.-482. Bonaventura starb kurz nach Beendigung des 2. Konzils von Lyon 1274 und wurde im <?page no="32"?> Auf einem Berg Lyons liegen gegen Westen uralte Ruinen, außerdem das Kloster des heiligen Irenäus, des 13. Bischofs von Lyon, der von Severus Antonius mit 19.000 Männern, ausgenommen Frauen und Kleinkinder, durch das Martyrium gekrönt worden ist. Außerdem ruhen im Chorraum in einer tiefergelegenen Krypta weitere Leichname. In der Nähe wurde uns der größte Teil der Säule gezeigt, an der Christus gegeißelt wurde. In diesem Kloster gibt es Regularkanoniker des Augustinerordens. Und aufgrund der behauenen marmornen Monumente und anderer Dinge scheint es sehr alt zu sein. Die vorgenannte Kirche war ein Bischofssitz, der später unterhalb des Berges in eine andere sehr schöne Kirche des heiligen Bischofs Justus übertragen worden ist. Wir sahen zahlreiche Gebeine von heiliggesprochenen Bischöfen. Dort sind diejenigen des heiligen Justus, eines der unschuldigen Kinder und von anderen zu sehen. Nun aber ist im Laufe der Zeit der Bischofssitz an die Ufer der Saône übertragen worden, wo eine hervorragende, mit Steingewölbe versehene Kirche zu Ehren des heiligen Johannes des Täufers erbaut worden ist. Am vierten September verließen wir Lyon und erreichten auf einem Schiff über den Rhônefluss die uralte Stadt Vienne, die bestens erbaut ist. Der dortige Bischofssitz ist in einer wichtigen Kirche mit einem hervorragenden Gewölbe und mit einer sehr bemerkenswerten Säulenhalle, die jedoch noch nicht vollendet ist; Patron der Kirche ist der heilige Mauritius. In einem sehr alten Kloster des Benediktinerordens, einstmals der Bischofssitz, ruht der Leichnam des heiligen Mamertus, eines Bischofs von Vienne, der die kleineren Litaneien (letanias menores) einführte. Einiges habe ich aus dessen Vita zusammengestellt, wie Du auf Folio 216 findest 17 . Wir verließen die Stadt am 5. September; vorbei an sehr schönen Burgen, deren Namen mir nicht alle einfallen, kamen wir zur äußerst berühmten Stadt Valence, einem Bischofssitz. Später gelangten wir nach Pont Saint-Esprit, einer ehrwürdigen Stadt mit steinernen Brückenbögen, zur Stadt Avignon. Avignon liegt auf dem Ostufer der Rhône. Die Stadt ist in einem Kreis erbaut. Dort sahen wir drei staunenswerte Dinge: Die Brücke mit 23 Bogen aus behauenen Steinquadern erbaut. Zum zweiten den Papstpalast, dem, wie ich glaube, nichts auf dem ganzen Erdkreis gleicht. Wie bewundernswert und eindrucksvoll ist das Bauwerk mit so vielen Kapellen, so vielen Palästen, so vielen Umgängen, dass man es fast für ein Labyrinth und ein Werk des Dädalus halten könnte! Die Türen sind zu größten Teilen aus Eisen, alle Fenster sind mit stärksten Eisenstangen gesichert, dazu kommen hohe Türme, beeindruckende Bollwerke, Gärten innerhalb der Mauern mit verschiedenen Früchten wie Maulbeeren, Brombeeren und Quitten. Ich glaube, dieser Palast könnte dem Kaiser und Papst für sich und ihr Gefolge als Aufenthaltsort genügen 18 . Aber weil dort kein wachsamer Bewohner zugegen ist, findest Du dort vieles durch Nachlässigkeit zerstört, und der Ort scheint sich in eine Ruine zu verwan- Franziskanerkloster beigesetzt. Sein Grab wurde zur Zeit der Französischen Revolution ausgeraubt, vgl. Gerken, Bonaventura S.-402-404. 17 Mamertus, Heiliger und Erzbischof von Vienne (ca. 463-475). Vgl. Peiper, Homilia in Rogationibus S.-108-112. Der Verweis führt zu Münzers ergänzenden Schriften in der Handschrift, vgl. Münzer, Itinerarium (ed. Herbers) S.-429 f. 18 Den bischöflichen Palast in Avignon sowie die dazugehörigen und umliegenden Gebäude ließ Papst Johannes XXII. (1316-1334) instand setzen und zur Residenz erweitern. Während des Abendländischen Schismas wurde der Palast durch zwei Belagerungen (1398-99 und 1410-11) und einen Brand (1413) stark in Mitleidenschaft gezogen, vgl. zur Palastanlage Weiss, Versorgung; Pläne und Skizzen nach S.- 716, sowie auch zu den einzelnen Bauphasen Pläne bei Kerscher, Architektur S.-36-167. 32 I. Von Nürnberg nach Perpignan <?page no="33"?> Avignon 33 deln. Dort half uns ein gewisser Gefolgsmann des Leiters, der uns Verschiedenes zeigte; dies alles zu beschreiben würde jedoch zu viel Zeit kosten. Und drittens gibt es dort eine hervorragende Mauer um die Stadt herum. Sie ist aus behauenen Steinen gebaut, mit vielen Türmen, Schutzwerken und Zinnen: Etwas Ähnliches habe ich noch nie gesehen. Die Stadt liegt freilich in einer schönen Ebene beim Rhônefluss und ist nach Art der Gallier mit edlen Häusern ausgestattet. Dort findet sich auch das Kloster des heiligen Petrus vom Orden der Coelestiner der Observanz, das mit ausgezeichneten Bildern dekoriert ist 19 . Hier liegt der Leichnam des heiligen Petrus aus der Familie der Grafen von Luxemburg in Deutschland, schon von seiner Jugend an wurde er Gott und der Askese geweiht und in Paris ausgebildet. Später wurde er Bischof von Metz, dann zum Kardinalat erhoben und führte ein kontemplatives Leben. Schließlich ging er - durch körperliche Gebrechen und ein sehr hartes Leben erschöpft - in Avignon in das Reich des Herrn ein. In der vorgenannten Kirche ist er begraben und leuchtet durch unzählige Wunder 20 . Sein Epitaph folgt: Epitaph des heiligen Petrus‘ von Lützelburg in Avignon In diesem Tempel wird verehrt und zugleich bedeckt goldene Tugend: Der berühmte Spross aus dem Hause Luxemburg, ein überaus glanzvoller Lohn. Auf Erden einmaliger Ruhm wird mit sterblicher Hülle in den Himmel überführt, und für seine Verdienste durch Petrus in das Himmelreich erhoben. Im Jahr Tausend, füge dreihundert, achtzig und sieben hinzu, wurde er begraben: Durch seine großartigen Wunder mächtig erfährt er jedes Jahr am fünften Juli Verehrung durch das Volk. Wir verließen Avignon am 6. September, durchquerten eine sehr schöne Ebene und gelangten dann über den schiffbaren Fluss Isère 21 an Berglandschaften, Tälern und fruchtbaren Ebenen vorbei zur Stadt Aix(-en-Provence), einst für ihr Thermalwasser bekannt. Jetzt im Sommer ist der Ort allerdings seiner heißen Quellen vollkommen beraubt, im Winter hingegen wird er von genug heißem Wasser bewässert. Der Ort ist mit zugerichteten Quadersteinen sehr vornehm erbaut; in den Ebenen sind Weinstöcke und anderes in großer Zahl vorhanden, die Stadt ist mit einem Bischofssitz ausgezeichnet. Patron der Kathedrale ist der Welterlöser (Salvator Mundi); dort ruht inmitten der Leichname der Heiligen unter anderem derjenige des heiligen Maximin, des Bekenners der seligen Magdalena: Er ist mit einem wunderschönen silbernen Gewand geschmückt. Ebenso befindet sich dort das ausgezeichnete Grab des Königs René von Sizilien 22 und einige weitere Dinge. 19 Münzer schreibt hier von Coelestinern der Observanz, vielleicht eine Verwechslung. Die Grundsteinlegung des Klosters erfolgte 1395 am Grab des heiligen Petrus von Luxemburg auf dem Armenfriedhof. Sein Grab zog so viele Pilger an, dass bereits Maria von Blois, Königin von Sizilien, dort die Errichtung eines Holzhauses anordnete, vgl. Joudou, Avignon S.-381-385; Gagnière, Histoire S.-226 f. Zu den Coelestinern allgemein vgl. Borchardt, Cölestiner. 20 Petrus von Luxemburg, zeitweise Bf. von Metz (1384-1385) und Kardinaldiakon von S. Giorgio in Velabro (1384-1387), studierte von 1378 bis 1380 in Paris. Nach der Niederlegung seines Bischofsamtes ging er an den Hof Papst Clemens’ VII. nach Avignon, wo er 1387 starb, vgl. Fourier de Bacourt, Vie; Genequand, Kardinäle S.-327. Das folgende Epitaph ist sonst wohl nicht überliefert. 21 Wohl nicht Isère, sondern Durance gemeint. 22 René von Anjou (†-1480), Hzg. von Lothringen (seit 1420) und Bar (seit 1424), Gf. der Provence (seit 1433), Kg. von Neapel und Jerusalem (seit 1435). Seine Eingeweide liegen in der Karmeliterkirche, die Gebeine <?page no="34"?> Am achten September kamen wir nach Saint-Maximin, ein Kastell, das ehemals Villa lata genannt wurde; dort hörten wir frühmorgens im ehrwürdigen Kloster der Predigerbrüder 23 eine Messe und sahen rasch die Reliquien, zunächst den rechten Arm und das Schienbein des ergebensten Bischofs Maximin; ebenso den Kopf eines Blinden, der von Gott geheilt wurde, auch das Haupt der heiligen Susanna, der Schwester des heiligen Maximin, die Haare, mit denen sie (gemeint Magdalena) Christus berührte und trocknete, sie sind unvergänglich und in der Farbe eines reifen Hafers. An einem gegenüberliegenden Ort jedoch, rechts des Altares, wurden uns der Arm der heiligen Maria Magdalena und andere Reliquien gezeigt. Schließlich kamen wir aus dem Chor in die Kapelle des heiligen Maximin. Es ist die Stelle, wo vor dem Steinaltar Maria Magdalena, nachdem sie den Leib des Herrn empfangen hatte, in dessen Armen ihren Geist aushauchte. Wir sahen ihr Grabmal bei demjenigen des heiligen Maximin und ebenso weitere sehenswerte Gräber 24 . Schließlich erblickten wir an einem Ort, der durch Stangen und anderes gesichert war, das Haupt der heiligen Magdalena, das mit einem Tuch aus Gold und Silber bedeckt war. Es ist schrecklich, dieses Gesicht anzusehen, am vorderen Teil des Schädels, auf der linken Seite, kleben ein wenig Fleisch und Haare am Knochen. An dieser Stelle freilich hat Christus sie nach seiner Auferstehung mit seinem verklärten Leib berührt und gesagt: Noli me tangere 25 . Erhalten ist dort auch der untere Kinnknochen. All dies ist bewunderns- und staunenswert! Ich glaube nicht, dass man auf dem ganzen Erdkreis etwas finden wird, was dem göttlichen Wirken im katholischen Glauben derart ähnelt. Je länger man es betrachtet, desto mehr fühlt man sich von einem ungeahnten Geist entflammt! Wir sahen auch eine kleine Glasampulle, in der sich mit dem Blut des Herrn getränkter Sand befindet, den die heilige Magdalena aufsammelte; immer am Freitag beginnt dieser Sand zu kochen und das Glas mit einer blutroten Farbe zu füllen. Dies ist ohne Zweifel ein sehr großes Wunder. Noch am selben Tag verließen wir das Kastell Saint-Maximin über eine schlecht ausgebaute und steile Straße, 35 Meilen weit bis zu einem Ort, wo sie Buße tat. Unter den übrigen Bergen sticht dieser hervor. Sein Gipfel reicht bis zu den Wolken, und am unteren Ende des Abhangs, innerhalb des Berges nehmen eine Höhle und Krypta großen Raum ein. In dieser Krypta leistete die heilige Magdalena auf einem harten Felsen zweiunddreißig Jahre lang Buße: Jeden Tag wurde sie von Engeln siebenmal über den Abgrund erhoben und durch göttlichen Nektar genährt. Am Ort dieser Krypta steht heute ein Kloster des Dominikanerordens, das mit bewundernswerter Technik am Abgrund des Tals erbaut wurde. Dorthin werden regelmäßig Brüder aus dem Ort Saint-Maximin geschickt, die Tag und Nacht Lobgesänge auf Gott und die heilige Magdalena anstimmen; sie empfingen uns als Pilger in Angers. Das Grab ist wohl das Karls III., Renés Nachfolger, vgl. Amargier/ Charlet, Itinéraire S.-588 Anm. 7. 23 Dominikanerkonvent Saint-Maximin. Die Ursprünge des Klosters gehen wohl zurück auf ein Benediktinerpriorat. 1279 reklamierte Karl II. von Anjou (†- 1309, seit 1289 Kg. von Sizilien und Jerusalem) die Entdeckung der echten Reliquien der heiligen Maria Magdalena in Saint-Maximin, die bisher das Kloster Vézélay für sich beanspruchte, vgl. Smend, Kirche S.-1-37, bes. S.-33. Nach Übergabe des Priorats an die Dominikaner erfolgte 1295 die Gründung des Konvents, Karl II. ließ Kirche und Klosterbauten neu errichten, zur Funktion der Heiligenkulte bei den Anjou vgl. Jaspert, Wort S.-303-305. 24 Der Sarg der heiligen Maria Magdalena steht noch heute in der Krypta der Kirche Sainte-Marie-Madeleine des Klosters Saint-Maximin, vgl. zur Krypta und den dortigen Sarkophagen Smend, Kirche S.-10-19, zum Sarg Maria Magdalenas S.-15. 25 Joh. 20,17. 34 I. Von Nürnberg nach Perpignan <?page no="35"?> Saint-Maximin 35 in ihrem Hospiz und teilten freizügig. Unter ihnen war ein Deutscher aus Freiburg, ein wirklich frommer Priester, der mit uns die sehr lange und noch dazu harte Straße bis zum Gipfel des Berges emporstieg. Dort konnten wir bei einer Kapelle mit dreimaligem Umlaufen Ablässe erwerben, derer wir hoffentlich teilhaftig wurden. Im Kloster hinter dem Hauptaltar gibt es ein äußerst weiches und für die Gegend eiskaltes Wasser. Die Lage des Ortes verweist nach Norden, so dass, wenn die Sonne unter winterlichen Bedingungen scheint, Wolken, heftige Regenfälle und Schnee den Berg heimsuchen. Dennoch nehmen diejenigen, die dort bleiben, dies alles aus Liebe zur heiligen Maria Magdalena auf sich. Am Fuß des Berges gibt es einen geradezu riesigen Wald. Er ist reich an Buchen, Eichen, ebenso an Eiben, Wacholder und Tamarisken. Die Stümpfe dieser Bäume sind so groß, dass sie von den Armen eines einzelnen Mannes nicht umschlossen werden können; so etwas habe ich in Deutschland noch nirgendwo gesehen. Gebet zur heiligen Maria Magdalena Sanfte Freundin Gottes, neige Dich unseren Tränen zu, und erhöre unsere demütigen Bitten, sorge für unser Wohlergehen! Denn das vermagst Du. In der Tat ist es für Dich unstatthaft vergeblich zu berühren, mit Deinen Tränen kannst du die heiligen Füße benetzen, und sie mit strahlend glänzenden Haaren trocknen, die Sohlen darfst Du küssen, über dem Haupt des Herrn kostbaren Duft verbreiten. Im Moment seiner Wiederauferstehung warst Du die erste, der es gewährt war, ihn zu treffen, seine Worte zu hören und seine Glieder zu betrachten. Sie (die Glieder) werden von unsterblicher Herrlichkeit sein und für alle Zeiten leuchten. Christus, König oben im Götterhimmel, gab nicht vergebens: Dieser hatte sie am Kreuze stehen sehen, jene ihn, den weder das schreckliche Foltern durch Judenhand noch die Anschuldigungen und Beleidigungen der aufgebrachten Menschenmenge - und auch nicht solche Äußerungen, die Schlägen gleichkamen - ängstigten. Doch er, tief betrübt und unerschrocken zugleich, sah, wie sie die blutbeschmierten Nägel mit ihren Fingern betastete und die Wunden mit ihren Tränen benetzte, wie sie mit ihren Fäusten fest auf seine fahle Brust schlug, und mit ihren Händen rücksichtslos die bleichen Haare ausrupfte. Und ich wiederhole: er hat das alles gesehen, während die treuen Seelen seiner Gefolgschaft ängstlich auseinandergelaufen waren. Daran hat er sich also erinnert, als er sich vor allen anderen zuerst nach Dir umsah, Dir allein offenbarte er sich schon früher. Du bist es auch, die er, als er dem irdischen Reich entschwunden und zu den Gestirnen zurückgekehrt war, unter diesem Felsen nährte, sodass Du in diesen 30 Lebensjahren niemals irdischer Nahrung bedurft hast. 26 So lange Zeit warst Du ausschließlich von göttlichen Speisen gesättigt und von heilsamem Tau benetzt. 26 In diesen 2mal (bis) 15 Jahren (= 3 mal 5; das lustrum steht metonymisch für einen Zeitraum von 5 Jahren). <?page no="36"?> Dieses Dein Haus, von tropfendem Gestein feuchte Höhlen, furchterregend und finster gelegen, hatte über die Paläste der Könige, und all den anderen Luxus, sowie über fruchtbares Land gesiegt. Hier bist Du gerne abgeschieden, bedeckt von langem Haar, ansonsten aber unbekleidet. Hier sollst Du 30 Dezembertage lang gelitten haben. Hier lebtest Du und bist dabei nicht vor Eiseskälte erfroren. Auch die Angst konnte Dich hier nicht bezwingen. Denn obwohl Du Hunger hattest und es eiskalt war, hast Du durch Deine Liebe und Hoffnung, die im Innersten Deines Herzens wohnte, das Gestein in eine Schlafstätte verwandelt. Du bist zwar für niemanden sichtbar, doch umringt von Engelsheerscharen. Du, die Du würdig warst, sieben Mal am Tag aus dem Kerker Deines Leibes entrückt zu werden, und die himmlischen Chöre dabei zu hören, wie sie Dir im Wechselsang ein Loblied singen. 27 Irgendjemand schrieb in jener Höhle folgende Verse: Die sieben Freuden der heiligen Magdalena Frohlocke, fromme, Magdalena, Du Hoffnung auf Heil, Ader des Lebens, Zuflucht der Gestrauchelten. Frohlocke, edelmütige Fürsprecherin, den Unglücklichen nach ihren Verfehlungen Ideal einer Büßerin. Frohlocke und sei glücklich, Dank sei Gott, Dir sind Deine Sünden erlassen worden, mit besonderer Gnade. Frohlocke, die Du die Füße Christi gewaschen hast, wodurch Du Dir so sehr Zeichen der Liebe verdientest. Frohlocke, die Du als Erste würdig warst, Dich am Antlitz Deines Retters zu erfreuen, der ruhmvoll auferstanden ist. Frohlocke, die Du siebenmal am Tag aus der Höhle nach draußen fährst, auf zu himmlischen Höhen. Frohlocke, die Du jetzt emporgehoben bist, und mit Christus zusammen verherrlicht wirst, in der himmlischen Gemeinschaft. So lass uns hier Buße tun, damit uns nach unserem Tod die Freuden wahren Lichtes zuteil werden. 28 Am elften September hörten wir in der Morgendämmerung die Messe, und nachdem wir aus der köstlichen Quelle hinter dem Hochaltar getrunken hatten, sagten wir den Patres Lebewohl. Über eine lange und schwierige Straße kamen wir nach 35 Meilen durch ein imposantes Tal in die älteste Stadt der Gallia Narbonensis, Marseille. Ihre Lage, am Fuße eines Berges und als Hafen des Meeres, ist perfekt. Dort gibt es einen sehr berühmten Hafen, den 27 Walther, Initia 4790; Bertalot, Initia 1328. 28 Walther, Initia 7061. 36 I. Von Nürnberg nach Perpignan <?page no="37"?> Marseille 37 sie mit eisernen Ketten jederzeit gegen Piraten abriegeln können. Das Land ist fruchtbar, dort wachsen Mandelbäume, Feigenbäume, Baumwollpflanzen, Granatapfelbäume, Ölbäume, Weinstöcke und andere vorzügliche Früchte. Im Umfang ist Marseille größer als Nürnberg, aber die Hügel sind nicht sehr bewohnt, weil sie einstmals durch die Katalanen verwüstet wurden 29 . Wir sahen im benediktinischen Kloster Saint-Victor 30 den Arm und das Haupt des heiligen Viktor, außerdem eine Pyxis aus Alabaster mit der kostbaren Salbe der seligen Magdalena. Das Kreuz des heiligen Andreas, welches wie das Kreuz Christi ist, obwohl dieser transversal gekreuzigt werden wollte, sowie einige andere (Reliquien), worüber man nicht unbedingt schreiben muss, befinden sich ebenfalls dort. In der tiefen Krypta, unter dem Chor, sahen wir den Ort der Buße der heiligen Magdalena, bevor sie in die Einsiedelei ging, ebenso die Steintafel, auf der sie sich wiederherstellte. Sehr früh stiegen wir die Hügel der Stadt hinauf in die uralte Kirche des heiligen Lazarus, eine Kollegiatkirche. Nachdem wir dort die Messe gehört hatten, sahen wir das Haupt und den Leichnam des heiligen Lazarus, des Bischofs, den Christus wiedererweckt hatte 31 . Außerdem gab es dort einige weitere Reliquien und Reliquiare, verziert mit Gold und Elfenbein. Wir sahen auch den Ort, von dem aus Magdalena zum Volk predigte. Wie sie nun aus Judäa dorthin gelangte, ist in ihrer Legende ausführlich berichtet 32 . Wir sahen auch das Haupt des Eremiten und Heiligen Cassianus, der, als er Hymnen der Engel hörte, während der Erhebung der heiligen Magdalena auf deren Geheiß auf den heiligen Maximin zuging, diesem den Lebenswandel der Sünderin darlegte und durch das Sakrament des Leibes unseres Herrn gestärkt wurde. Die Stadt Marseille verfügt über mehrere und unschätzbare Salinen; dort gewinnen sie auf einfache Weise Salz für die gesamte Umgebung und ziehen daraus großen Nutzen. Unter anderem wurde das „Barra“ genannte Kastell durch die Salinen bekannt. Am 12. September verließen wir Marseille und bewunderten außerhalb der Mauern die überwölbten Bögen der beeindruckenden Aquädukte; wir durchquerten 15 Meilen fruchtbare Felder sowie anschließend unfruchtbare Gegenden und kamen zu der alten Stadt Arles in der Provence. Im Umland gingen wir an einem großen See mit vielen Fischen vorbei und sahen 29 Nachdem der Erbübergang von Johanna II. (Königin von Neapel 1414-1435) auf Alfons V., den Großmütigen, zunächst zugunsten Ludwigs I. von Anjou gescheitert war, sank die Einwohnerzahl durch die Plünderungen der sich zurückziehenden Katalanen in Marseille auf knapp 10.000, vgl. Ryder, Alfonso S.-112-114; zu den Plünderungen Maurel, Événement S.-39 f. 30 Das Kloster Saint-Victor ist eine Gründung des Johannes Cassianus (†-430/ 35) wohl um 415 bis 419, die Benediktregel ist seit 977 belegt, vgl. Amargier, Date. 31 Lazarus, Bruder der Maria und Martha, soll Traditionen aus dem 11. und 12. Jh. zufolge mit seinen Schwestern nach Marseille oder Autun geflohen sein. - Bei dieser Kollegiatkirche handelt es sich wohl um die ehemalige Kathedrale La Major, vgl. Amargier/ Charlet, Itinéraire S.-593 Anm. 21. Mit dem Bau wurde wohl um 1040 begonnen. Von dem romanischen Bau steht heute nur noch ein Teil, da der Kreuzgang und Teile des Langhauses der unter Napoleon III. 1852 errichteten neuen Kathedrale weichen mussten, vgl. Rouquette, Provence S.-407-433; Amargier, Marseille. 32 Möglicherweise bezieht sich Münzer hier auf die Legenda aurea, die auch über Maria Magdalena berichtet. Darin heißt es, dass die Heilige zusammen mit den heiligen Maximin, Lazarus und Martha sowie mit deren Dienerin Martilla und dem geheilten Cedonius über das Meer nach Marseille gelangte. Anschließend widmete sich Maria Magdalena der Predigt in Marseille, half den Armen und Unterdrückten und bekehrte den Princeps der Provinz, vgl. Jacobus de Voragine, Legenda Aurea II, Kap. 96 S.-1238-1246. <?page no="38"?> dann unzählige Grabstellen 33 . Es sind rechteckige Sarkophage, die aus sehr hartem Stein hergestellt wurden, so dass 10 oder 14 Leichname in eine solche Urne hineinpassen, die durch Steintüren geschlossen werden. Es sind unzählige Grablegen, und - wenn man sie erhalten wollte - der Lauf der Zeit, der an allem nagt, kann ihnen nichts anhaben. In der Stadt aber, die mir größer vorkommt als Marseille, gingen wir in die Kapelle des heiligen Antonius 34 : Sein Haupt und der größere Teil seiner Gebeine wurden mit großem Pomp und unter Gesängen zur Schau gestellt. Ehrwürdig ist dieses Haupt, und gleichwie ein Blitz jagt es dem andächtigen Betrachter einen Schrecken ein. Wir sahen auch in der oberen Bischofskirche den Leichnam des heiligen Trophimus 35 , des ersten Bischofs, der einer von den 72 Jüngern war. Ebenso sahen wir den Kopf des heiligen Protomärtyrers Stephan und einige andere Reliquiare, die mit Gold und Silber hervorragend geschmückt waren. Außerdem schauten wir uns das Grabmal des heiligen Ludwig von Arles an, eines Bischofs, der mit seinen Mirakeln Berühmtheit erlangte; dessen Gedicht habe ich im Anschluss aufgeschrieben 36 : Oh Arles, Du ruhmreiche Stadt, ausgezeichnet durch einen solchen Vorsteher, dessen mannigfache Wunder ihn strahlen lassen. Geschenkt ward er dir für seine Verdienste, ihn erhöhe jauchzend, und lobe Gott für eine solche Gabe. Er heißt Ludwig - mit Beinamen der Deutsche -, ein Gott in allem gefälliger Kardinalpriester aus dem Hause Savoyen. Er weist uns den rechten Weg. Gott mögen wir also flehentlich darum bitten, dass wir durch Ludwigs Gebet einen Platz im Himmel finden und uns dort der ewigen Herrlichkeit erfreuen. Ein anderes Gedicht über Sankt Ludwig von Arles Als es Abend über der Welt wurde, da erstrahlte ein neues Gestirn, benetzt mit einem heiligen Auftrag, es leuchtet durch Wunderzeichen. Ludwig, der Erzbischof der Kirche zu Arles, 33 Alyscamps. Auf diesem Friedhof, der bereits in gallorömischer Zeit genutzt wurde, waren viele reichverzierte Grabdenkmäler und Sarkophage, teilweise noch aus römischer Zeit zu sehen. Hier wurden nicht nur die ersten als Heiligen verehrten Bischöfe wie Trophimus (später in die Kathedrale von Arles transferiert), Genesius oder Hilarius begraben, sondern auch zahlreiche weitere Heilige, darunter der heilige Roland. Als beliebter Begräbnisort zog Alyscamps bald viele Pilger an. Etwa 30 Kapellen und Kirchen wurden im Laufe der Zeit auf dem Gelände errichtet. Die erste Eisenbahntrasse Paris-Lyon-Marseille zerstörte jedoch einen Großteil des Geländes, vgl. Benoit, Cimetières und Herbers, Der Jakobsweg S.-77 f. mit Anm. zu Z. 7. Vgl. zu den Ausgrabungen Heijmans, Arles S.-296-337. 34 Saint-Julien et Saint-Antoine, vgl. hierzu auch Mischlewski, Antoniusreliquien S.-424. 35 Der heilige Trophimus war vermutlich der erste Bf. von Arles (1./ 3. Jh.? ). Die älteste Nachricht über Trophimus entstammt einem Brief von Papst Zozimus von 417. Trophimus soll vom heiligen Paulus zum Bischof geweiht und anschließend nach Arles gesandt worden sein, um dort das Evangelium zu verkünden, vgl. Herbers, Der Jakobsweg S.-75 mit Anm. zu Z. 4; Krüger, Lokalheilige. 36 Beide folgende Gedichte sind nicht identifiziert. Es geht um Louis Aleman, Eb. von Arles (1423-1450), päpstlicher Statthalter in der Romagna und im Exarchat Ravenna (1424-1428), Kardinalpriester von S. Cecilia (1426-1440, 1449-1450) und Kommendatarabt von Montmajour (seit 1426). 38 I. Von Nürnberg nach Perpignan <?page no="39"?> ein außerordentlich bewundernswerter Kardinal, im fruchtbaren Sizilien ein Titan, machte sich Anstand zur Richtschnur seines Handelns. Licht und Zierde der Keuschheit, glanzvoller Führer auf dem Weg zur Heiligkeit, grundlegende Quelle der Gerechtigkeit! Welch beschwerliche Aufgaben des Papstes hat er auf sich genommen, um Irrtümer auszumerzen! Wie vielen Herausforderungen hat er sich gestellt, um einen Friedensbund zu gründen! Nachdem er harte und sogar grausame Umtriebe über sich ergehen ließ, wurde ihm befohlen, ins Exil zu gehen. Weh, in Bedrängnis, wie durch einen heftigen Sturm wurde er von seinem Hirtensitz gestoßen! Wie Gold glänzen seine Güte und seine Demut. Sein besonnenes Wesen und seine Geduld strahlen sanft. Nachdem er einem so schweren Schicksalsschlag anheimgefallen war, hat er bei Dir, Christus, Zuflucht gefunden, und holte, gestützt auf ein geistiges Schild, folgende Rede hervor: „Christus, als Du meinetwegen Werkzeug für Geiseln und Ohrfeigen warst, da wurdest du geschmäht und hingst mit Dornen und schwarzen Nägeln vom Kreuz herab. Was würde ich deinetwegen nicht alles ertragen? da wurdest du geschmäht und hingst mit Dornen und schwarzen Nägeln vom Kreuz herab. Was würde ich deinetwegen nicht alles ertragen? Was auch immer mich von dir trennen könnte, Deinetwegen, Christus, würde ich in der Verbannung leben, mein Herz würde es jubelnd ertragen.“ Von der Burg her, gewissermaßen von einer Warte, kannst Du klar und deutlich dessen Wehmut hören. Zurückgeführt wird er von seinem Sitz als Vorsteher im Erzbistum zu seinem alten Rang. Denn ist er erst vom Fleisch befreit, dann wird sein Geist die Himmelssphären durchbrechen. Und weil er nun im Besitz der edelsten Krone ist, wird er durch seine Wunder glänzen. Mit den Toten kehrt er ins Leben zurück und ruft all die Geächteten in allgemeine Erinnerung. Den Blinden gibt er das Augenlicht, den Lahmen das Gehvermögen zurück, und allen Kranken schenkt er seine Hilfe. Oh, vornehmster Vorsteher, beschenke diejenigen, die vor Dir niederknien. Bitte bei Gott darum, dass er dort oben unsere Anliegen unterstütze. Du guter und ruhmreicher Hirte, führe Deine Herde zu den Weideplätzen, dorthin, wo wir gemeinsam mit Dir zuckersüß fließenden Honig kosten wollen. Gedenke Deines jungen Dieners, dessen Herz an Dir hängt, leiste ihm Deine Hilfe und sprich zu seinen Gunsten! Arles 39 <?page no="40"?> Arles besitzt ebenso ein Theater, das von den Römern einst hervorragend errichtet wurde. Um eine große, runde Fläche gruppieren sich in Kreisform 62 Bögen aus großen und besonders harten Quadersteinen, mit Nischen und Gewölben in der Art des Theaters von Verona und des Kolosseums in Rom erbaut 37 . Zweifelsohne lässt sich der Aufwand, den man für den Bau eines so bestaunenswerten Werkes aufgebracht hat, nicht schätzen. Allerdings hausen heute arme Leute in diesem Theater und haben ihre Hütten unter den Theaterbögen oder auf freier Fläche. Und ohne den geringsten Zweifel ist die Stadt Arles, wie aus all diesen Ruinen hervorgeht, uralt, und sie wurde schon damals besonders dafür gerühmt. Im Norden, bei den Mauern, da fließt die Rhône, im Osten und im Westen ist jeweils eine höchst fruchtbare Ebene, im Süden hingegen, bis hin zur Burg Salon, erstreckt sich eine unfruchtbare und steinige Niederung, die einst vom Meer umspült war. An der Meeresküste, etwa fünf Meilen von Arles entfernt, liegt ein Ort mit dem Namen der Drei Marien. Dort ruhen die Körper von Maria Kleophas, Maria Salome und Maria Jacobi 38 . Außerdem gibt es dort herausragende Salinen. Oberhalb von Arles, am Ufer der Rhône, liegt der Ort Tarascon, wo der Leichnam der seligen Martha ruht, die von vielen ihrer zahlreichen Hilfeleistungen wegen angerufen wurde. Am 14. September verließen wir Arles, und nach Überquerung der Rhône gelangten wir nach drei Meilen zum befestigten Ort Saint-Gilles. Wir sahen dort das sehenswerte benediktinische Kloster der Heiligen Aegidius und Benedikt 39 , welches Flavius, König der Goten, auf Bitten des Aegidius erbauen ließ. Es liegt in geringer Distanz, nahe der Mündung der Rhône in das Meer. Heute ist es reich begütert, und unter der Kirche befindet sich eine äußerst geräumige Krypta für die Gemeinschaft der Mönche, wo ihnen weder im Sommer die Hitze noch im Winter die Kälte zu schaffen macht. Unter feierlichem Gesang und Kerzenschein zeigte man uns das hinter Gitterstäben und Gestänge gesicherte Haupt des heiligen Aegidius sowie viele seiner Gebeine und einige andere goldene, wertvolle Kleinodien. Später verließen wir das Kloster und kamen zu dem Ort, an dem er Buße getan hat; dort stehen heute die Reste einer alten Kapelle, die unterhalb von einer Höhle schon beinahe komplett verfallen ist; dort wurde er (Aegidius) von einem Bekannten des Flavius verwundet, als dieser einen Hirsch jagte. Zu der Zeit war der Hain ein schwer zugängliches Gebüsch und erhielt Wasser von einer Quelle. Mittlerweile ist die Stelle, an der sich die Quelle befindet, recht feucht: Jedoch kommt die Quelle selbst nicht zum Vorschein, weil sich dort herabgestürzte Felsbrocken getürmt haben. Während wir uns dort aufhielten, sagten uns die Bewohner, dass es seit dem Fest zu Ehren des heiligen Johannes des Täufers (24. Juni), das ist nun fast drei Monate her, nicht mehr geregnet habe. Ich habe aber den Ort genauestens in Augenschein genommen und keinen Zweifel 37 Dieser Vergleich könnte mit Münzers Reise nach Italien zusammenhängen. 38 Les-Saintes-Maries-de-la-Mer. 1448 entdeckte René von Anjou (†-1480), Hzg. von Lothringen (seit 1420) und Bar (seit 1424), Gf. der Provence (seit 1433), Kg. von Neapel und Jerusalem (seit 1453), die vermeintlichen Reliquien der heiligen Maria Kleophe und der Maria Salome sowie ihrer Dienerin Sarah, Patronin der Zigeuner, in der Kirche Sancta Maria de Ratis. Die „dritte“ Maria ist insofern nicht zutreffend bezeichnet. 39 Benediktinerabtei Saint-Gilles. Das wahrscheinlich im 7. Jh. unter dem Patrozinium von Petrus und Paulus gegründete Kloster wurde 1066 von den Grafen von Nîmes an Cluny tradiert. Der Klosterbau wurde im letzten Viertel des 11. Jh. begonnen und verbesserte die Bedingungen für die wachsenden Pilgerströme in Saint-Gilles und für durchziehende Pilger nach Santiago de Compostela. In den Hugenottenkriegen wurde das Kloster weitgehend zerstört, Krypta und Fassade wurden 1842-1868 restauriert, vgl. Diemer, Untersuchungen; Herbers, Der Jakobsweg S.-79-81, 174 f. 40 I. Von Nürnberg nach Perpignan <?page no="41"?> daran gehegt, dass, hätte man zwei bis drei Ellen tief gebohrt, man dann auf frisches Wasser gestoßen wäre. Denn unmittelbar unter jener Höhle gibt es einen wasserreichen Ort voll mit Schilf. Vielleicht beschleunigt eine unterirdische Quellader die Sumpfbildung. Oh, jener Ort ist edel und ein Christ sollte ihn fürchten! Die gesamte Geschichte des heiligen Aegidius geht klar aus Veredemius und Flavius sowie anderen (Schriften) hervor 40 . Nachdem wir an diesem Tag das, was man von Saint-Gilles gesehen haben muss, betrachtet hatten, machten uns wir uns auf zur großen Burg nach Lunel. Dort ist das Ackerland ausgezeichnet und fruchtbar; und die Glocken erzeugen, wenn sie im Einklang ertönen, eine hervorragende Harmonie. Am nächsten Morgen erreichten wir nach 4 Meilen Montpellier, eine bekannte Stadt, alt und ehrwürdig. Inmitten einer schönen Ebene erhebt sich pyramidenartig ein Berg, auf ihm und um ihn herum ist Montpellier erbaut worden. Ich glaube, der Ort ist so groß wie Nürnberg, und besteht aus uralten Bauwerken. Wir sahen auch eine Kapelle der seligen Jungfrau, reich an Wunderwerken, dort brennen am Hauptaltar fortwährend neun silberne Lampen. Später kamen wir zu den Kollegien der Medizin und beider Rechte, welche infolge der drohenden Pestwelle und der dadurch verursachten Abwesenheit der Dozenten und Studenten geschlossen waren. Denn seit Mai (im Juni, Juli und August) sind bereits mehr als 5.000 Menschen an den Folgen der Pest 41 gestorben. Sodann kamen wir zum Kloster Saint-Germain, das der apostolische Papst Urban V. von Grund auf erbauen ließ, es ist so vorzüglich und exquisit ausgestattet, dass man es für den Avignoneser Palast halten könnte. Mönche aus dem Benediktinerorden ließen uns unter anderem das Haupt des heiligen Benedikt, das Haupt des heiligen Germanus und das des Blasius sowie unzählige andere Reliquien sehen, diese waren mit Silber, Gold und Gemmen bestückt. Und auch die Tafeln auf dem Hauptaltar sowie unter dem Altar (diese waren ganz fein aus Gold und Silber gefertigt) wurden gezeigt. Außerdem gab es weitere unzählige Schätze, die alle Urban V. dorthin zu bringen verfügt hatte 42 . Ebenso gibt es die Rechtsbücher Urbans. Weil es so viel ist, kann ich nicht von allem berichten. Nach dem Mittagessen kamen wir zu einem kleinen Kastell, Lupian, etwa 5 Meilen von Montpellier entfernt. Wir standen früh auf und gelangten nach 6 Meilen zur alten Stadt Béziers. Dort gab es nichts Besonderes zu sehen außer fruchtbarem Land. Am 16. September kamen wir nach Narbonne, vier Meilen von Béziers entfernt; es ist eine sehr alte Stadt. Sie gliedert sich in zwei Stadtteile, die in der Mitte ein schiffbarer Fluss trennt. Und eine imposante Brücke zeichnet sich durch Überdachung und Bögen aus: auf ihr wird viel Handel und Verkauf betrieben. Die Stadt ist nun zunächst ausgesprochen groß und berühmt. Sie ziert eine erhabene Kirche, die dem heiligen Justus geweiht ist. Ebenso ist die Mauer jener Stadt so massiv, so dick, aus gigantischen Steinquadern zusammengesetzt, dass Du meinen 40 Veredemius, Heiliger und Eremit, bei dem Aegidius einige Zeit lebte sowie Flavius, der in der Vita sancti Aegidii genannte Gotenkönig: In der anonym verfassten freilich unzuverlässigen lat. Vita sancti Aegidii (10. Jh., BHL 93) wird berichtet, wie auf wundersame Weise der Gotenkönig Flavius zusammen mit dem Bischof von Nîmes die Heiligkeit von Aegidius (†-720) erkennt und ihm eine Klostergründung vorschlägt. 41 Zu Epidemien in Montpellier, vgl. allgemein Jouanna, Ville S.-138. Für das Jahr 1494 fehlende Angaben gründen wohl auf der Quellenlage, nur in den Jahren 1481 und 1498 ist eine Epidemie anderweitig belegt, vgl. Dulieu, Médicine S.-181. 42 Papst Urban V. (1362-1370) hatte auch in Montpellier studiert. Montpellier 41 <?page no="42"?> könntest, sie sei dem Theater im italienischen Verona nachempfunden 43 . Im anderen Stadtteil, Richtung Westen, gibt es eine vornehme Kirche, die zu Ehren des heiligen Paulus Sergius gegründet wurde, dem ersten Bischof von Narbonne, einem Schüler des Apostels Paulus, von dem er auch getauft wurde 44 . Es sind in der vorgenannten Kirche Kollegiatkanoniker, die Gott mit ausreichend Ehrfurcht lobpreisen. 43 Auch hier scheint Münzers Italienreise den Vergleich herausgefordert zu haben. 44 Paulus, Heiliger und erster Bf. von Narbonne (3. Jh.? ) galt in den frühesten Quellen, die den Heiligen erwähnen, als Bischof von Narbonne sowie als Missionar und Apostel Galliens. In manchen Quellen wurde ihm sogar die Missionierung der Iberischen Halbinsel zugewiesen, vgl. Herbers, Politik S.- 195. Die im zweiten Drittel des 9. Jh. verfasste zweite Rezension des Florus-Martyrologiums sieht in Paulus sogar bereits einen Apostelschüler. Die Identifizierung des Heiligen mit dem in der Apostelgeschichte erwähnten Sergius Paulus, Prokonsul Zyperns, erfolgte in der 20 Jahre später entstandenen Rezension des Ado-Martyrologiums. Paulus Sergius wird bis heute als Stadtpatron Narbonnes verehrt, vgl. Krüger, Lokalheilige S.-235-272. 42 I. Von Nürnberg nach Perpignan <?page no="43"?> II. Von Perpignan bis Alhama Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 431, fol. 110v Am 17. September kamen wir, nachdem wir 9 Meilen geritten waren, von Narbonne in die edle Stadt Perpignan. Sie liegt am Fuße des Pyrenäengebirges in einer sehr schönen Ebene, die 7-Meilen breit und ebenso lang ist; sie wird im Norden, Osten und Westen von den Pyrenäenbergen umgeben, im Süden vom Meer 1 . Die Ebene wird Grafschaft von Roussillon genannt. Dort gibt es Städte, Burgen und Befestigungsanlagen, etwa 100, und die Hauptstadt ist Perpignan. Das edelste Land bringt die verschiedenartigsten Früchte hervor, hauptsächlich den hervorragenden Süßwein, der Muskateller heißt. Diese Stadt ist meiner Meinung nach genauso bekannt wie Ulm, vor allem wegen seiner Kaufleute und wegen seiner Tuche aus feiner Wolle 2 . Die edelste unter den übrigen Kirchen ist der Jungfrau Maria geweiht, sie wurde neu erbaut, ist aber noch nicht vollendet. Niemals habe ich größere Bögen gesehen. Ich glaube, dass ihre Breite derjenigen der Sebalduskirche in Nürnberg entspricht, die nur durch einen einzigen Bogen abgeschlossen wird. Wir waren außerhalb der Stadt, in der Nähe der Mauer untergebracht, im Haus eines gewissen Ritters namens Don Sigibert, dessen Haus so großartig war, dass man glauben konnte, es sei ein Kastell oder Palast. Jenseits des Hauses gegen Norden lagen zwei äußerst große und sehr schöne Gärten. Sie waren wie Umgänge und Kreuzgänge der Klöster in Deutschland angelegt. Alle Wandelgänge waren von verschiedenen Arten edelster Rebstöcke umgeben, die Seiten 1 Perpignan wurde gegen Ende des 10. oder zu Beginn des 11. Jh. Herrschaftssitz der Grafen von Roussillon. 1276 erhob Jakob II. Perpignan zur Hauptstadt des Königreiches Mallorca (bis 1344), vgl. Roux, Perpignan S.-38 und 41. 2 Ende des 13. Jh. nahm die eigenständige Tuchproduktion Perpignans in den Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und Flandern starken Aufschwung. Absatzmärkte lagen in Katalonien, dem Languedoc, im Königreich Valencia, in Mallorca, Sizilien und Italien, vgl. Wolff, Centre S.-51-55. <?page no="44"?> 44 II. Von Perpignan bis Alhama aber mit unterschiedlichen Bäumen umsäumt. Das Quadrat des ersten Gartens maß an einer Seite-232 Schritte, und beim anderen waren es 223. Welch großen Raum diese zwei Gärten einnahmen! Jene Gärtlein waren mit den verschiedensten Arten von Obstbäumen bepflanzt, die in jenen Gegenden zu wachsen pflegen. Im September, der Zeit, als wir dort waren, wuchsen dort viele Granatäpfel, Apfelsinen, Trauben, Feigen, Mandeln, Nüsse, Pfirsiche und unzählige andere Obstsorten. Wahrhaftig, ein aufmerksamer Beobachter könnte sich im Paradies wähnen. Durch einen klug angelegten Aquädukt wurden diese Gärten sehr einfach mit dem Wasser eines vorbeiströmenden Flusses bewässert. Eine Stunde würde nicht genügen, um all diese schönen Dinge aufzuzählen. Niemals haben wir ähnliche Gärten gesehen. Das Gefolge des Ritters versicherte uns, dass alle Fremden, die sich dort aufhielten, noch nie etwas Ähnliches gesehen hätten. Diese Grafschaft gehört seit 30 Jahren zur Jurisdiktion des Königs von Frankreich, der sie als Beute vom König von Aragón erhielt. Aber im Jahr der Eroberung von Granada forderte sie der König von Spanien ein, der französische König gewährte ihm dies gern, und nun ist sie unter spanischer Herrschaft 3 . Am 19. September verließen wir Perpignan. Nachdem wir drei Meilen am Fuß der Pyrenäen entlanggegangen waren, gelangten wir zu einem Kastell, das den Namen Volon (Le Boulou) hat. Wir drangen durch einen sehr unwegsamen und rauen Weg weiter in das Gebirge ein, ließen rechts La Guardia, eine schöne Befestigung und eine hohe Bergspitze zurück, und nachdem wir die Pässe schließlich überquert hatten, gelangten wir nach Katalonien, zunächst nach La Junquera und schließlich nach Figueres. Am 20. September, nachdem wir fünf Meilen seit Figueres gegangen waren, erreichten wir die alte und edle Stadt, die Girona genannt wird. Sie hat einen Bischofssitz und eine berühmte Kathedrale, wo der heilige Narcissus, der erste Erzbischof (! ), durch Wunder hervorsticht 4 . Es sind zwei Stadtteile, die ein recht sauberes Flüsschen trennt. Über die Stadt Barcelona Am 21. dieses Monats, nachdem wir seit Girona 14 Meilen gegangen waren, kamen wir zu der edelsten Stadt Barcelona, die an den Ufern des Balearischen Meeres liegt und die Hauptstadt ganz Kataloniens ist. Ihre Mauern sind aus behauenen Quadersteinen erbaut. Mit Zinnen, Bollwerken und Türmen ist die hervorragend bewehrte Stadt bis zu den Stränden des Meeres bestens umgeben. 3 Während des katalanischen Krieges zwischen verschiedenen sozialen Gruppen (1462-1472) konnte Kg. Ludwig XI. von Frankreich das zu Katalonien gehörige Roussillon in seinen Besitz bringen. Zwischen 1473 und 1475 befand sich die Grafschaft kurzzeitig wieder in katalanischer Hand. Als Kg. Karl VIII. (1483-1498) in den Jahren 1492 und 1493 seinen Italienfeldzug plante, trat er zur Sicherung seiner Position im Vertrag von Barcelona 1493 das Roussillon an Ferdinand II. von Katalonien ab, vgl. Marcet, Ville S.-64-72. - Zur Eroberung Granadas (1492) siehe unten S. 88-90. 4 Der heilige Narcissus (†-um 307) wird in den Traditionen der heiligen Afra (†-um 304) als Märtyrer und Bischof von Girona erwähnt, seine Historizität ist jedoch zweifelhaft. Irrig ist jedenfalls eine Bezeichnung als Erzbischof. Narcissus soll in Girona das Martyrium erlitten haben und wurde im 14. Jh. Schutzpatron der Stadt. 1328 erhielt der Heilige ein kostbares Alabastergrab in Sankt Felix. <?page no="45"?> Über die Stadt Barcelona 45 Sie liegt in einem wunderschönen Becken, das im Süden vom Meer begrenzt wird und im Osten, Westen und Norden von einigen fruchtbaren Bergen in der Art eines Halbkreises umgeben ist. Am Ufer des Meeres ist diese ehrwürdigste Stadt Barcelona erbaut worden. Sie hat, wie ich schon sagte, ein stark befestigtes Mauerwerk, das sie ganz umgibt. Gleichsam in der Mitte, auf einem kleinen Berg, steht die wunderbare und hervorragende Kathedral- und Bischofskirche, die dem Heiligen Kreuz gewidmet ist 5 . Dieser Bau ist außergewöhnlich. Im Umgang gibt es mehr als 20 Altäre mit vergoldeten Altarbildern, eine exzellente Bibliothek und einen Garten mit Apfelsinenbäumen, Zitronenbäumen und Zypressen. Man zeigte uns in dieser Kirche große Schätze. Unter anderen Dingen gibt es dort eine wunderbare Monstranz für den Leib des Herrn, die aus etwa 94 Mark reinen Goldes besteht; sie ist mit so vielen Perlen und wertvollen Steinen verziert, dass man nur staunen kann 6 . Die Kirche ist ebenso in bewundernswerter Art gebaut. Unter dem Chor liegt die Krypta, wo der Leichnam der Heiligen Jungfrau Eulalia ruht, die von Diokletian mit dem Martyrium ausgezeichnet wurde 7 . In dieser Krypta leuchten kontinuierlich 20 Lampen. Ich stieg auf den höchsten Turm und betrachtete wie in einem Spiegel die Stadt und ihre Lage. Welch wunderbares Schauspiel! Die Stadt hat innerhalb und außerhalb ihrer Mauern in einem Umkreis von etwa zwei Meilen mehr als 30 Männer- und Frauenklöster, und ich glaube, dass die Stadt zweimal größer als Nürnberg ist. Zum größten Teil sind alle Häuser aus Quadersteinen konstruiert. Aber vom Tor des heiligen Antonius bis zum Meer im Westen ist die Stadt voll mit Gärten, Feldern und lieblichsten Anpflanzungen von Granatäpfeln, Zitronen, Nüssen, Apfelsinen, Datteln, Disteln, Pinien, Weinreben, Pfirsichen und anderem. Der Boden ist fruchtbar. Nahe dem Tor des Heiligen Engels im Norden steht das Kloster der Minderbrüder, das den Namen zur heiligen Maria Jesus hat. Oh, welch schöner Bau mit einer ausgewählten Bibliothek, Mönchszellen, weiterhin Gärtlein, Quellen und Bächlein (zur Bewässerung) der verschiedenen Obstbäume. In der Bischofskirche dienen mehr als 44 Kanoniker und ebenso viele Vikare; die Zahl des Klerus’ dieser Kirche beläuft sich auf 200 Personen, die anderen Pfarrkirchen des heiligen Justus, von Santa (Maria del) Pi, von Santa Maria del Mar und so weiter nicht eingerechnet. Ich glaube, dass mehr als 2000 Religiose beiderlei Geschlechtes in der Stadt leben. Über die Verwaltung der Stadt Vor vierzig Jahren stand Barcelona in seiner höchsten Blüte, denn wegen seines Handels wuchs es außergewöhnlich. Aber die Könige von Aragón führten beständig Kriege untereinander und verpfändeten nach und nach die königlichen Zinse der ganzen Grafschaft Kataloniens an die Stadt. Mit der Zeit gelangten so die königlichen Abgaben der Grafschaften von Roussillon, von Girona, von Tortosa sowie alle königlichen Rechte in der Stadt Barcelona an die Stadt selber. Die Stadt lebt deshalb nun in höchster Freiheit. Dort beachtet man folgende Verfassung. 5 Die Ursprünge der Kathedrale Santa Cruz y Santa Eulalia gehen auf eine frühchristliche Gründung zurück, der gotische Kathedralbau wurde im späten 13. Jh. begonnen. Zu den Bauphasen vgl. Navascués Palacio, Catedral S.-147-152. 6 Eine Marca entsprach im 15. Jh. vermutl. dem Gewicht von 8 Onzas (Unzen), vgl. Kroha, Lexikon S.-271. 7 Eulalia von Barcelona, Märtyrerin unter Diokletian. Der Eulalia-Kult lässt sich bis ins 7. Jh. zurückverfolgen. Möglicherweise ist die Heilige mit der homonymen Märtyrerin aus Mérida identisch. Die Krypta wird ins 14. Jh. datiert. <?page no="46"?> 46 II. Von Perpignan bis Alhama Man-wählt aus der ganzen Grafschaft alle drei Jahre drei Männer: einen aus dem Klerus, einen zweiten aus dem Adel und den dritten aus der Stadtgemeinde. Diese drei versammeln sich jeden Tag in einem großartigen Gebäude, das „Deputat“ heißt, denn das Gebäude ist hierfür bestimmt 8 . Dort empfangen diese drei die Tribute und das, was ehemals den Königen zustand, und bestimmen über deren Verwendung. Sie haben Kanzleibeamte, die alles ordnungsgemäß aufzeichnen. Es gibt auch andere Tributzahlungen: nicht königlicher Herkunft, sondern von Städten und Ortschaften; über deren Verwendung bestimmt ebenfalls dieser Rat. Es ist schon 44 Jahre her, dass sich das Volk aus Übermut und anderen Leidenschaften gegen die Herren der Stadt erhob 9 . Vor diesen Revolten flohen die reichsten Bewohner. Seitdem verlagerte sich der Handel in Richtung des großen Valencia, dem wichtigsten Handelsplatz Spaniens. Inzwischen ist Barcelona fast wie eine tote Stadt, wenn man dies mit seinem früheren Zustand vergleicht 10 . Das Haus der Kaufleute Am Ufer des Meeres erhebt sich ein wunderbares und phantastisch gewölbtes Gebäude, das man als Kirche oder großen Palast ansehen kann. Neben diesem Gebäude gibt es einen sehr schönen Garten mit zehn Reihen von Orangen- und Zitronenbäumen und in der Mitte einen Springbrunnen; an den Seiten sind Sitzplätze aus Quadersteinen. In diesem Haus treffen sich zweimal täglich die Kaufleute, um ihre Geschäfte zu erledigen. Sie haben dem Haus den Namen „La Lonja“ gegeben, das heißt: Versammlungshaus 11 . Darin finden sich Wechselstellen und Banken, um Geld aufzubewahren, mit großer Voraussicht für die Menschen eingerichtet. Das Haus des Infanten Heinrich Der Infant Heinrich, der 1453 in Neapel durch den Schuss eines Geschützes starb, hinterließ einen Sohn mit gleichem Namen 12 . König Ferdinand, augenblicklich König Spaniens, und dieser Heinrich sind die Söhne von zwei Brüdern. Der Infant entschloss sich zu einem Leben, das mehr dem Müßiggang und den Vergnügungen als dem Krieg gewidmet war. Er ließ sich beim heiligen Franziskus ein unvergleichbares Haus bauen, das ausgesprochen edel 8 Die Herleitung des Namens ist selbsterklärend, die Wahlmodalitäten waren nach der Herrschaftsübernahme des Hauses Trastámara festgelegt worden (1413 in Katalonien, 1418 in Valencia und 1436 in Aragón). Demnach sollte jeder Abgeordnete drei Jahre lang sein Amt ausüben und sich diese Kommission aus je zwei Vertretern der einzelnen Stände zusammensetzen, vgl. zusammenfassend González, Diputaciones; vgl. zum Gebäude Ainaud de Lasarte, Palau; Estrada Rius, Casa. 9 Unter der Herrschaft der Trastámara verschärfte sich die Wirtschaftskrise Barcelonas, was zusammen mit sozialen Problemen zu Auseinandersetzungen um die Stadtherrschaft zwischen der Busca (Handwerker und einige Kaufleute) und der Biga (Oligarchie aus reichen Bürgern und Kaufleuten) führte, vgl. Ryder, Wreck bes. S.-40-79. 10 Zu Valencia siehe unten S. 55-57. 11 Vgl. zur Etymologie des Begriffs Lonja Pfandl, Itinerarium S.-9 Anm. 1. Zur Lonja de Barcelona vgl. Carrera Pujal, Lonja del Mar S.-1-6. 12 Heinrich von Aragón und Pimentel (†-1522), Infant von Aragón. Sein Vater Heinrich von Aragón fiel 1445 in der Schlacht von Olmedo, Münzer verwechselt ihn hier mit dessen Bruder Peter, der 1453 bei Neapel starb. <?page no="47"?> Das Haus des Infanten Heinrich - Barcelona 47 und üppig ausgestattet ist. Die Höfe sind im gesamten Haus mit verschiedenen Töpfer- und Kachelarbeiten unterschiedlicher Farbe verziert: alle aus reinstem Gold, geschmückt mit verschiedenen Blumen, ebenfalls aus Gold. Welch herausragendes Gebäude! Dort sahen wir eine Gazelle, dieses Lebewesen spendete Moschus. Sie ist größer als der Fuchs; Kopf, Maul und Ohren ähneln einem Wolf; schwärzlich, hell und grau gefleckt hat sie einen Schwanz und Pfoten wie der Hund. Sie ist ein cholerisches und schnell wütend werdendes Tier. Die Gazelle war in einer Holzhütte mit einer Eisenkette angebunden. Ihr Wärter ließ sie mit dem Kopf an der Kette der Hütte festbinden. Er zog sie an den Hinterpfoten heraus und hob den Schwanz, und er zeigte uns am Glied, dass es ein männliches Tier war. Dann ergriff er die großen Hoden und drehte sie um wie man eine Tasche umstülpt. Und beim Drehen der Hoden erschienen zwei Öffnungen in jedem jeweils eine. Er führte dort einen kleinen flachen Löffel aus Glas ein und nahm dreimal die Menge eines duftenden Sekrets heraus, wie ich glaube zwei Drachmen wert, mit der er mir die Hände bestrich, die den durchdringenden Geruch des Moschus einige Tage lang behielten 13 . Später zeigte uns der Wärter einen Papagei, der so groß war wie eine Dohle oder eine Elster. Er war am ganzen Körper von unterschiedlich gräulichen und weißen Farbtönen, besonders unterhalb des Halses, ähnlich wie die Falken und Sperber in Deutschland. Sein Schwanz hatte etwa die Länge wie der einer Dohle, tiefrot wie Zinnober. Schnabel, Krallen und sein Krächzen entsprachen den Papageien; er ist wirklich einer von ihnen, aber von einer anderen Art als die grünen. Der Wärter zeigte uns auch einige Stare in einem himmlischen Blau. Er sagte, sie würden einige Worte sprechen, obwohl ich dies niemals hörte, während ich dort weilte. Über das Kloster der Minderbrüder In der Nähe dieses Hauses beim Meeresstrand steht das große Kloster des Franziskanerordens. Im Zentrum dieser Anlage gibt es ein anderes, kleineres Kloster mit einem einfachen Kreuzgang, einem Refektorium, Zellen und einer kleinen Kirche in der Art einer Krypta, die der heilige Franziskus bauen ließ 14 . Dort führte er während einiger Jahre ein entbehrungsreiches Leben. Damals, als die Stadt noch klein war, lag das Kloster außerhalb der Mauern. Die Kirche hat ein einzigartiges quadratisches Fenster mit einem Eisengitter, durch welches die Seeleute die Messe und die Predigt hörten. Heute gibt es noch ein altes und einfaches Bildnis der seligen Jungfrau Maria - dies war der Schmuck ihrer Kirche. Inzwischen beginnt aber schon einiges zu verwittern. Die Brüder gehören nicht zur Observanzbewegung, aber unter ihnen gibt es sehr gelehrte Männer wie den intelligenten Juan de Berga, einen schon älteren Mann von 77 Jahren, der nach seinen eigenen Worten das Konzil von Basel besuchte 15 . Er ist ein sehr gelehrter Mann mit einem für sein Alter hervorragenden Gedächtnis. Im Chorraum der Kirche des 13 Gazellenmoschus ist bis heute ein Duftmittel. 14 Seit dem Ende des 14. Jh. führt das Kloster seine Gründung auf den heiligen Franziskus zurück. Von der 1837 zerstörten Klosteranlage sind nur archivalische Spuren erhalten, vgl. den Grundriss der Anlage, die auch den später genannten Brunnen des Gartens als Noria verzeichnet, bei Conejo da Pena, Convent S.- 180. Die Kirche wurde durch von 1236-1240 belegte Stiftungen finanziert, schließlich ab 1247 erbaut und 1297 geweiht, vgl. ebd. S.- 181. Münzers schon oben (S. 45) begonnenen Bemerkungen zur Kirche könnten darauf basieren, dass es eine Ober- und Unterkirche gab. 15 Es findet sich nur eine Supplik Johanns (de Aqua) de Bercka (†-1482) in den Konzilsprotokollen. <?page no="48"?> 48 II. Von Perpignan bis Alhama heiligen Franziskus gibt es die sehr berühmten Grabmäler der Könige von Aragón. Wir sahen den einbalsamierten Leichnam einer Königin, die vor etwa 80 Jahren gestorben war, noch heute ist er vollkommen 16 . Im Chorraum befindet sich weiterhin eine sehr schöne Tafel. Das Kloster hat einen großen Garten, der mit Hilfe eines Esels aus einem Brunnen mit fließendem Wasser bewässert wird; dauernd schöpft er Kübel voll mit Wasser, das durch Kanalläufe den ganzen Garten versorgt. Das Dominikanerkloster 17 ist ebenso bewundernswert, und in einigen Dingen dem vorausgehenden keinesfalls unterlegen. In beiden Kirchen gibt es unzählige Wappen (vexilla) verstorbener Adliger. Dies ist ein schöner und herrlicher Anblick. Über ihre Gerichtsverwaltung Vor Jahren war die Justiz äußerst schlecht, weil die Prokuratoren und Anwälte durch ihre Machenschaften Gerechtigkeit und Recht verdreht hatten, wie es augenblicklich in Deutschland und unseren Ländern geschieht. In dem Jahr, in dem der ehrwürdige König in Barcelona war 18 , versammelte sich die ganze Grafschaft Kataloniens, und mit Zustimmung des Königs wurden acht Rechtsdoktoren ernannt. Sie wurden vom Haus der Deputierten bezahlt, jeder jährlich mit 500- Pfund, was etwa 600 rheinischen Gulden entspricht; außerdem wurde ein königlicher Stellvertreter für die ganze Grafschaft bestimmt. Diese Amtsleute legen, sobald sie die Zeugen der Parteien gehört haben, den Tag zur Urteilsverkündigung fest; man kann nicht mehr appellieren. Es ist ihnen unter Geld- und Körperstrafe verboten, ein Geschenk von irgendjemandem anzunehmen. Man hat jedoch heimlich mehrfach versucht, sie durch Geschenke zu bestechen. In diesem Jahr sind mehr Angelegenheiten erledigt worden als vorher in 20 Jahren. Bei diesem System verlor der König selbst als erster einen Prozess: Ein gewisser Apotheker verlangte mit Recht tausend Dukaten für die Drogen und Arzneien, die ihm für den verstorbenen Vater des Königs geschuldet wurden. Das Urteil erging gegen den König, und als Erbe des Vaters musste er den Apotheker sofort entlohnen. Wenn diese 8 Doktoren und der königliche Stellvertreter ein schlechtes Urteil sprechen, zu dem sie durch Bestechung, Begünstigung, Zorn oder Hass verleitet wurden, kann man anschließend an den König appellieren. Wenn ihnen bewiesen wird, dass falsch geurteilt wurde, wird derjenige, den sie verurteilt hatten, wieder freigesprochen, und sie werden an seiner Statt verurteilt. Folglich sind sie verpflichtet, ihn aus ihrer eigenen Tasche zu entschädigen. Der glorreiche Gott möge diese Rechtsprechung weiter erhalten! In jenen Tagen wurde ein Mann mit seiner Frau ver- 16 Möglicherweise handelt es sich um Königin María de Luna (†-1406), die den Franziskanern zuneigte, vgl. Silleras Fernández, Piedad S.-889-891. 17 Das Dominikanerkloster wurde 1243 unter Raymund von Penyafort (†1275) begonnen. 18 Ferdinand II. (†- 1516), besuchte Barcelona 1492 bis 1493, vgl. besonders die grundlegende Arbeit von Vicens Vives, Ferran II, Bd.-2 S.-177-182; bei dieser Gelegenheit empfing Ferdinand auch Kolumbus nach der Rückkehr von seiner ersten Reise, vgl. Herbers, Geschichte S.- 303. Das Privileg Ferdinands II. zur Stadtverfassung von 1493 wird oft als aristokratiefreundlich bewertet. Sowohl der Wortlaut des Privilegs als auch die wissenschaftlichen Darstellungen zeigen, dass Münzers Bemerkungen den Inhalt nicht exakt wiedergeben, sondern andere Aspekte der wohl damals geführten Diskussion (vgl. Vicens Vives, Ferran II, Bd.-2 S.-195-274) aufgreifen. Vicens Vives, Ferran II, Bd.-1 S.-26 f. folgert grundsätzlich hinsichtlich des Berichtes von Münzer, dass dieser die Diputació del General de Catalunya mit dem Stadtregiment von Barcelona verwechsle. <?page no="49"?> Über ihre Gerichtsverwaltung - Barcelona 49 urteilt, weil sie gegenüber einem ehrbaren Mann falsches Zeugnis abgelegt hatten; sie hatten behauptet, er sei ein Marrane, wofür er verbrannt wurde. Durch andere richtige Marranen wurden sie als falsche Zeugen entlarvt. Deshalb wurden die beiden auf Eselinnen gebunden und zu Tode geschleift 19 . Über das Rathaus Die Stadt Barcelona hat ein wunderbares Rathaus 20 mit einem lieblichen Gärtlein und großen Palästen. Dort tagen die Bürgermeister sowie adlige Herren und verhandeln die Dinge, welche die Stadt betreffen. Man zeigte uns einen Raum, der mit riesigen Büchern gefüllt war und den man als eine große Bibliothek ansehen könnte. Dort wird jeweils in einem Buch jahresweise das Wichtigste aufgeschrieben; nicht nur das, was Abgaben und Regierung betrifft, sondern auch viele andere Dinge. Wenn also irgendjemandem Zweifel zu irgendeiner Sache kommen, die schon vor vielen Jahren geschehen ist, und Jahr und Tag notiert hat, kann er dank dieser Annalen dies mit Sicherheit feststellen 21 . Über die uns erwiesene Ehre Unter anderem waren dort auch weitere deutsche Kaufleute: Gregor Rasp aus Augsburg, Erardus Wigant, genannt Franck, aus Mergentheim, einer Stadt in Franken, und Wolfgang Ferber aus Ulm. Dort weilte auch Bruder Johannes vom Franziskanerorden, den der Doktor Stahel gut kennt 22 , weiterhin sein Freund Nikolaus und Leonhard, der einen Bruder im Haus des Deutschen Ordens in Nürnberg hat. Sie erwiesen uns unbeschreibliche Ehren. Wir wurden in ihre Häuser eingeladen, wo wir nach Art der Katalanen aus Bechern reinsten Goldes tranken und von Silbertellern aßen. Zu unserer Unterhaltung spielten Musiker mit verschiedenen Instrumenten auf. Es wurden Tänze im Stil der Mauren aufgeführt. Was will man mehr? Ich glaube, dass kein Baron oder Graf in Deutschland eine solche Ehre erweisen könnte. Wie viele Speisen, wie viele Früchte und Weine uns gereicht wurden, kann man nicht erzählen. Wenn wir es ihnen doch vergelten könnten-- an ihnen selbst, an ihren Kindern oder an ihren Freunden! 19 Marranen war der Name für Juden und für die vom Judenzum Christentum übergetretenen Personen in Spanien. Münzer verwendet den meist diskriminierenden Ausdruck Marrane hauptsächlich für diese zweite Personengruppe: siehe hierzu den eigenen Abschnitt unten S. 61. 20 Rathaus von Barcelona, Baubeginn um 1370, wesentliche Bauabschnitte waren bis 1448 abgeschlossen. 21 Mit den Jahresaufzeichnungen könnte Münzer den Libre del Consell gemeint haben, der seit 1301 geführt wurde und dessen Bände im Arch. Hist. de la Ciutat de Barcelona aufbewahrt werden. Vielleicht sind es aber auch die Dietaris der Ciutat de Barcelona oder der Generalitat de Catalunya, 22 Georg Rasp aus Augsburg, Erhard Wigand aus Mergentheim, Wolfgang Ferber aus Ulm, Franziskanermönch Johannes sowie Nikolaus und Leonardus, vgl. Jaspert, Gastgeber S.-85. Petrus Stahel, Doktor des kanonischen Rechts, war 1475-1506 Ratskonsulent in Nürnberg. Zum Handel deutscher Kaufleute in Barcelona im 15. Jh. vgl. Jaspert, Leben S.-457. <?page no="50"?> 50 II. Von Perpignan bis Alhama Über die unterirdischen Kanäle Barcelona hat in großen Teilen und bei den am meisten besuchten Plätzen unterirdische Kanäle, die Wasser führen. Durch sie kann der ganze Abfall aus den Küchen und Kloaken ins Meer geleitet werden. Wenn sie unangekündigt von Ausländern bedrängt werden, dann öffnen sie (die Bewohner) an einzelnen Plätzen und Straßen den Abfluss. Die Kanäle gleichen denjenigen in Neapel und in Pavia, einer langobardischen Stadt, und denjenigen in Valencia 23 , dem wichtigsten Handelsplatz Spaniens. Über das Kloster Montserrat Wir verließen Barcelona am 26. (September), und nach sieben Meilen kamen wir recht spät in Montserrat an. Zwischen vielen unterschiedlichen Hügeln gibt es einen großen und sehr hohen Felsen, der sich bis zu den Wolken zu erheben scheint; oben ist er so als ob er mit der Säge abgeschnitten und geteilt wäre. Es sind größtenteils nackte und unbewachsene Felsen; nur in den Spalten und kleinen Öffnungen wachsen verschiedene Bäume. Nachdem wir an den Fuß des Berges gekommen waren, gingen wir etwa eine Meile einen langen und engen Weg hinan, dann traten wir richtig in die Bergwelt ein, wo wir das unvergleichliche Kloster fanden, das Unsere (Liebe) Frau von Montserrat heißt. Die Mönche gehören dem Benediktinerorden von strikter Observanz an. In diesem Jahr schickte sie König Ferdinand aus dem Reich Kastilien dorthin und vertrieb die Brüder, die dort ein ungeregeltes und wenig strenges Leben führten 24 . Ebenso gab er dem Abt ein kleines Bistum in Vic in der Nähe der Grafschaft Roussillon 25 , damit er sich in Streitigkeiten nicht gegen den König erhebe. Montserrat ist ein Ort größter Ehrfurcht. Ohne Unterbrechung brennen Tag und Nacht am Hauptaltar 23 Leuchter, die größtenteils aus Gold und Silber sind. Es gibt dort sehr große Wachskerzen, ich zählte 17. Einige wiegen 10 oder 12 Zentner. Sie werden jährlich durch Geschenke der Leute aus umliegenden Ortschaften vermehrt und brennen an hohen Festen von der Wandlung bis zur Kommunion. Früh am Morgen des Samstags hörte ich ehrfurchtsvoll die feierliche Messe mit Orgelmusik; dann gingen wir durch einen engen, beschatteten und schwierigen Weg über Stufen, die in Stein gehauen waren, und über Abgründe hinauf wie über eine Treppe. Nachdem wir diesen Weg mit großen Mühen hinter uns gebracht hatten, kamen wir zur ersten Einsiedelei, die den Namen Unserer Lieben Frau von Montserrat trägt. Dann stiegen wir noch weiter hinauf und kamen auf der linken Hand zu einer zweiten, die sich Einsiedelei des Heiligen Kreuzes nennt. Bei einem dritten Aufstieg, der ebenfalls sehr gefährlich war, gelangten wir zur Einsiedelei der Heiligsten Dreifaltigkeit, die der Bruder Bernhard Boil, den ich in Madrid kennenlernte, 23 Alle diese Städte kannte Münzer von seinen Reisen. 24 Benediktinerabtei Montserrat, in den gleichnamigen Bergen auf etwa 700-m Höhe gelegen, erstmals 899 bezeugt. - Münzer vereinfacht die Reformversuche um das Kloster, das sich nach verschiedenen Ansätzen mit Zustimmung Ferdinands II. (†-1516) und auch Papst Alexanders VI. (1492-1503) 1493 dem Reformverband von San Benito el Real von Valladolid anschloß, vgl. Colombás, Reformador S.-65-91. 25 Abt Joan de Peralta wurde 1492 Bischof von Vic. <?page no="51"?> Über das Kloster Montserrat 51 erweitern und ausstatten ließ 26 . Nach dem vierten, sehr gefährlichen und mit viel Schweiß verbundenen Anstieg wurden wir in einer vierten Einsiedelei empfangen, die den Namen des heiligen Erlösers trägt. Wir waren von dem zurückgelegten beschwerlichen Weg ermüdet und stiegen nicht zu weiteren Eremitagen empor. Insgesamt gibt es in dem ganzen Bergmassiv 12: Sie liegen ganz oben und ganz unten und sind sehr ansprechend und hervorragend errichtet worden. Jede besitzt eine wunderbare Kapelle, sehr schön mit Verzierungen ausgestattet, und jede hat äußerst schöne Gärtlein. Manche besitzen einen, manche zwei, andere sogar drei, je nach Lage und Möglichkeit des Ortes; es gibt weiterhin Schlaf- und Speiseräume, Küchen und andere Nebengebäude, natürlich auch Zisternen mit sehr kaltem Wasser, das niemals oder nur ganz selten fehlt und das durch Kupferrohre geleitet wird wie der Wein aus dem Fass. Die-Gegend entspricht vollständig den Einsiedeleien. Die Brüder kommen wöchentlich ebenso wie an großen Festtagen zum Kloster, versehen sich mit der sonntäglichen Wegzehrung und versorgen sich mit ausreichend Brot, Wein und anderen Nahrungsmitteln. Ein kontemplativer Einsiedler könnte kaum einen angemesseneren Ort wählen. Da alle (Einsiedeleien) nach Süden gerichtet sind, können sie fortwährend sehen, wie alles ergrünt. Jene Einsiedeleien gefielen mir so sehr, dass ich meine ganzen Mühen und Strapazen vergaß. Einige sind dem heiligen Hieronymus, dem heiligen Onofrius, der heiligen Katharina, dem heiligen Antonius und so weiter geweiht. Es gibt in der Umgebung verstreut etwa ein Dutzend, wie ich schon sagte. Nachdem wir die Zellen mit viel Kraft und unter Gefahr über den schon erwähnten Weg besucht hatten, kamen wir zwei Stunden nach Mittag zum Kloster zurück. Nach dem Mittagessen gingen wir mit dem Prior, einem gelehrten Mann, in die Sakristei und sahen uns die Behältnisse und Gefäße aus Gold und Silber an, die ausgesprochen schön gearbeitet sind und nach den Worten des Priors 800 Mark wiegen. Dann sahen wir die stofflichen Verzierungen, zahlreich und wertvoll, die mit Seidenfäden aus Gold und Silber angefertigt worden waren. Unter anderem betrachteten wir eine Goldkette von 4 Mark, die er (König Ferdinand) um den Hals getragen hatte, als ein Verrückter eines Tages in Barcelona ein Attentat auf ihn verübte; der König schenkte sie (dem Kloster) im selben Jahr 27 . Es war eine äußerst wertvolle Kette, die ich mir um den Hals legte. Wie exquisit und in welchem Überfluss alles vorhanden war! Wir sahen die Geschenke, welche die Tochter des Königs, Johanna, nach dem Tode des Königs von Portugal übereignet hatte 28 , was sieben Monate nach der Feier ihrer Hochzeit in Évora erfolgte, weil der König in der Nähe des Tajo bei der Jagd vom Pferd gefallen war. Diese 26 Bernardo Boil/ Bernal Boyl (†- 1507), zeitweise Sekretär Kg. Ferdinands des Katholischen, Gelehrter und Diplomat. Er war maßgeblich an zahlreichen Klostergründungen auf der Iberischen Halbinsel beteiligt. Auch nach seinem Eintritt als Mönch in Montserrat (dort erstmals 1481 belegt) blieb er für königliche Missionen in Frankreich und Italien zuständig. Zu seiner Beteiligung an den Entdeckungsfahrten des Christoph Kolumbus siehe S. 101. Münzer kommt in Madrid allerdings nicht mehr auf Bernardo Boil zurück, vgl. jedoch seine Erwähnung zum Franziskanerkloster in Málaga S. 101 und zu den Minimen in Amboise unten S. 205. 27 Am 7. Dezember 1492 verübte Juan de Canyamás ein Attentat auf Ferdinand, bei dem der König schwer am Hals verletzt wurde. Die Kette hatte Ferdinand anschließend dem Kloster übereignet, weil die Jungfrau von Montserrat ihm beigestanden sei; vgl. zur Goldkette und zum Attentat Colombás, Reformador S.-78 und 110. 28 Hier ist wahrscheinlich nicht Johanna, sondern Isabella, Infantin von Kastilien, (†-1498) gemeint. Isabella heiratete 1490 zunächst den portugiesischen Thronfolger Alfons (†- 1491), (den Münzer irrig als rex bezeichnet) im Jahr 1496, dann Kg. Manuel I. von Portugal (1495-1521), vgl. Herbers, Geschichte S.-311. Die anschließend genannten Stiftungen sind nicht weiter belegt. <?page no="52"?> 52 II. Von Perpignan bis Alhama Johanna, ich wiederhole es, gelobte, dass sie als Witwe keusch leben und nicht in Leinen-, sondern in Wollkleidern schlafen wolle. Sie führte tatsächlich ein äußerst keusches Leben und schenkte der Jungfrau von Montserrat viele Dinge, die sie selbst mit eigenen Händen angefertigt hatte. Nach dem Verlassen des Klosters betrachteten wir die Umgebung des Ortes und stiegen zu einer Höhle auf, wo im Jahre des Herrn 853 ein gewisser Bürger aus Barcelona, Johannes Garus 29 , eine sehr schwere Buße verbüßte. Nachdem die Nachricht von dessen Heiligkeit an seine Ohren gedrungen war, schickte der damalige Graf von Barcelona seine Tochter, die vom Teufel besessen war, dorthin, damit er (Garus) diese durch seine Heiligkeit vom Teufel befreie. Garus wurde aber von seiner Lust übermannt und erkannte sie fleischlich; danach wurde er von Bußgesinnung erfasst, und, damit dieses Gerücht nicht an die Ohren des Grafen dringe, tötete er sie und begrub sie in einer Höhle. Dann kam er nach Rom und leistete sieben Jahre lang in der Wüste eine harte Buße, während der er immer nackt und auf vier Füßen ging wie ein Tier. Schließlich kehrte er zu seinem ursprünglichen Zustand zurück, wurde von einigen Häschern gefangen, und weil er nicht reden wollte, wurde er in Eisenketten nach Barcelona geführt. Am Eingang sah ihn eine gewisse Frau, die in ihren Händen ein Kind von sechs Monaten hielt und die mit schriller Stimme zu rufen anfing: „Johan Garus, erhebe dich! Deine Sünden sind dir vergeben.“ Er kehrte also zu seinem alten Ort zurück, und als er eine würdige Grabesstätte für die getötete Jungfrau graben wollte, fand er diese lebend vor. Sofort gründete er dort ein Kloster für Männer und Frauen. Beide starben schließlich unter Beachtung der strengsten Regel im Herrn. Im Laufe der Zeit wurden die Nonnen nach Barcelona verlegt, und dort wurde für sie das Kloster des heiligen Petrus errichtet 30 , wo sie noch heute für Gott streiten. Die Jungfrau und Gottesmutter vollbringt dort jeden Tag große Wunder. Es wäre zu lang, sie alle aufzuzählen. Es wäre auch zu ausführlich, alles über die Wunderquelle aufzuschreiben. Denn unterhalb des Klosters steht eine Burg mit einer Quelle fließenden Wassers. Einstmals kamen nämlich am Festtag der Heiligen Jungfrau viele Menschen zusammen, denen es an Wasser gebrach, weil ein Adliger es ihnen nicht gewähren wollte. Sie gingen also zum Kloster hinaus, eine Quelle sprudelte dort, und der Adlige verlor seine Wasserstelle. Sie heißt heute Wunderquelle, und wir tranken aus ihr. Am folgenden Sonntag, dem 28. September, nahmen wir unseren Weg in Richtung Norden, und mit vielen Mühen stiegen wir etwa drei Meilen bis zu der Burg Golada ab. Nach weiteren zwei Meilen kamen wir zu der Befestigung von Santa Colomba 31 , dort zeigte man das Haupt der heiligen Colomba. Die Meilen sind in Katalonien außergewöhnlich lang 32 , und der Weg war sehr bergig. Mit dem Pferd schafften wir kaum mehr als vier oder fünf Meilen. Zwei 29 Die Tradition ist erstmals 1439 belegt, möglicherweise stellt jedoch ein Altarbild in Montserrat aus dem Jahre 1239 das früheste Zeugnis hierfür dar, vgl. Coll Alentorn, Garí S.-476; Böhmer/ Herbers, Regesta Imperii I 4, 2/ 1 Nr. †- 274. Laut Colombás, Reformador S.- 111 könnte Münzer die Geschichte von dem damaligen Abt García de Cisneros erfahren haben. 30 Sant Pere de les Puelles/ San Pedro de Las Puellas; Gründung vor 945. 31 Santa Coloma de Queralt, ca. 90- km nordwestlich von Barcelona. Der Ort ist seit der Zeit Ludwigs des Frommen belegt. 32 Siehe hierzu die Bemerkungen in der Einleitung oben S. 15. <?page no="53"?> Poblet 53 Meilen von Santa Colomba gegen Norden in Richtung Zaragoza steht die Burg Cervera 33 mit einer wunderbaren Geschichte. Am 29. September, es war der Festtag des heiligen Michael, legten wir drei sehr lange Meilen zurück und kamen mittags zu dem sehr ehrwürdigen Kloster Poblet 34 . Es liegt in einer herrlichen Ebene zu Füßen einiger hoher Berge. Das Kloster Poblet ist so wunderbar erbaut, mit so vielen und so großen Palästen, Hallen, Kellern und Kreuzgängen sowie mit einer großen Befestigungsmauer rundherum, dass man sich in einer Burg wähnt. Alle Gebäude sind aus behauenen Quadersteinen erbaut, so stabil, dass man glaubt, sie seien gegen die Unbilden der Zeiten hergestellt. Alles ist zur Beschaulichkeit und zum bequemen Nutzen errichtet worden. Ich habe niemals ein Kloster dieses Ordens gesehen, das besser befestigt oder schöner gewesen ist. Es sind Zisterzienser vom Orden des heiligen Bernhard. Zu dieser Zeit gab es 80 Konventspriester und 40 Konversen. Sie befolgen eine strenge Regel. Das Kloster wurde von den Königen Aragóns gegründet, die dort einige wunderbare Grabmäler erhalten haben. Dort ruhen 7 Könige mit ihren Gemahlinnen. Der erste war König Jakob, der das königliche Szepter im Jahre des Herrn 1223 übernahm und der 53 Jahre regierte. Er war ein strenger Verfolger der Sarazenen in ganz Spanien. So nahm er ihnen die Insel Mallorca weg, das Reich Valencia, die Provinz Murcia und viele andere Ländereien. Schließlich zog er das Mönchsgewand an, führte ein zölibatäres Leben und starb im Herrn 35 . Er ist dort in einem wunderbaren Grabmal aus schneeweißem Marmor begraben. Dort ruhen auch der König Martin, der Großvater, und auch der Vater von Ferdinand, dem heutigen Herrscher. Niemals sah ich so viele und so große Fässer und Gefäße wie in ihrem Weinkeller; in einem zählte ich 17. Ich glaube, dass insgesamt Platz für 30 Fuhren wäre 36 . Sie verfügen über eine sehr edle Apotheke, welche die verschiedensten Arten von Medizin bereithält, ebenso über einen gelehrten Doktor der Medizin, mit dem ich mich unterhielt und der sich als äußerst beschlagener Mann erwies. Alle Amtsleute und Handwerker haben ebenso ihre Räume und Werkstätten, die ihnen zugewiesen sind. Und wie edel deren Kirche ist, im alten Stile erbaut! Dies betrifft sowohl die Kapellen wie auch das Chorgestühl und die äußerst schöne Orgel, die mit Gold und Silber verziert ist. Sie erwiesen uns große Ehren und zeigten uns höflich alle wertvollen Dinge. Am 30. September kamen wir nach der Wegstrecke eines ganzen Tages durch hohe Berge und tiefe abrupte Täler zu einer Kartause in einer Ebene, die rundherum von Bergen umgeben war. Ihr Name ist Scala Dei (Treppe Gottes) 37 . Dies ist ein sehr verehrungswerter Ort, und es gibt dort an Mönchen 28 Patres und 13 Konversen. Sie empfingen uns freundlich und teilten 33 Cervera, heutige Hauptstadt der Sagarra. 34 Poblet, Zisterze in Katalonien, Filiation von Fontfroide. - Das Kloster wurde 1147 oder 1151 von Gf. Raimund Berengar IV. von Barcelona (1131-1162) und der Familie von Cervera gegründet; seit 1162 war Poblet königliche Grablege der Krone Aragón. Münzer berichtet im Folgenden aber nicht ganz exakt: Anders als Münzer angibt sind zur Zeit seines Besuches also nur sechs, nicht sieben königliche Grablegen in dem Kloster, vgl. allgemein Sobrequés Callicó, Reis sowie Gonzalvo Bou, Poblet. 35 Unter Jakob I. (†-1276) wurden 1229-1230 Mallorca und zwischen 1232 und 1238 Valencia erobert. Jakob unterstützte seinen Schwiegersohn Alfons X., Kg. von Kastilien-León (1252-1284), in Murcia im Kampf gegen die sogenannte Mudejarenrevolte 1264. Aufgrund älterer Vereinbarungen verzichtete Jakob auf eine Annexion Murcias. 36 Im Lateinischen plaustra, was der Größe von Karren/ Fuhren entspricht. 37 Santa María d’Escaladei (Scala Dei), Kartause in Katalonien am Fuße des Montsant gelegen, 1194 gegründet. <?page no="54"?> 54 II. Von Perpignan bis Alhama gern mit uns, was sie hatten. Dort gab es einen jungen, sehr gelehrten Priester, Sohn eines beschlagenen Mediziners aus Barcelona. Er litt am Dreitagesfieber. Mit bewundernswerter Aufmerksamkeit hörte er meine Ratschläge an. Wenn Gott ihm doch die Gesundheit wiederschenken würde! Dieses Kloster ist sehr edel und schön. Am selben Tag gingen wir zwei große Meilen auf einem sehr holperigen Weg, dessen Name Malrotsha ist, das heißt: schlechter Felsen. Dort ist der Name wirklich angemessen. Am 1. Oktober legten wir einen sehr schlechten Weg zurück, und nach zwei Meilen gelangten wir zur Burg von Geneser 38 an den Ufern des Flusses Ebro, der aus den Bergen kommend Zaragoza durchfließt und ebenso schiffbar ist wie die Donau in der Nähe von Regensburg; er teilt das Reich von Valencia und Katalonien. Auf beiden Ufern gibt es viele Befestigungen der Sarazenen muslimischer Religion. Die (christlichen) Fürsten übernahmen sie, weil sie (die Sarazenen) in landwirtschaftlichen Dingen sorgfältig und arbeitsam sind und keinen Wein trinken. Sie verlangten von ihnen einen hohen Tribut. Auf beiden Ufern gibt es auch einen Ort, an dem Oliven- und Kilrogenbäume gedeihen; dies sind Bäume so groß wie Steineichen, die eine süße Frucht hervorbringen, sie gibt man Maultieren und Pferden. Bei uns heißt sie Johannisbrot 39 . Am selben Tag gelangten wir zu einem schönen Ort, der Xerta genannt wird, wir ritten vier große Meilen bis zur Mittagszeit. Am zweiten Oktober folgten wir schon früh zwei Meilen lang dem Flusstal abwärts und kamen in die uralte Stadt Tortosa, aber wegen der Pest haben wir sie nicht betreten. Wir ritten im Galopp durch eine ausgedehnte, verlassene Ebene und kamen nach sechs Meilen zum Kastell von Lagana. Am 3. Oktober gelangten wir über das schöne Kastell des heiligen Matthäus und nach sieben weiteren Meilen durch landwirtschaftliche Orte bis zur Befestigung Kureal. Am vierten Oktober, nachdem wir die Steppenlandschaft hinter uns gelassen hatten, erreichten wir eine sehr schöne und fruchtbare Ebene, die überall bewässert wird. Nach sechs Meilen kamen wir über Villa Real zu der Ortschaft Malfreda, dies ist ein wunderschöner Ort, gelegen am Ufer des Meeres mit einem sehr großen und schönen Turm, der auf einem sehr hohen Berg steht. Am fünften Oktober brachen wir früh auf und gelangten nach einer Meile westlich zum Kloster Vallis Ihesu (Tal Jesu) 40 . Dieses Kloster liegt am westlichen Fuß eines ziemlich hohen Berges. Die gesamte Umgebung ist ziemlich unfruchtbar. Dort leben Franziskanerobservanten. Sie haben einen wunderbaren Garten, er wird durch Wasser, das sie mit einem Esel aus einem Brunnen schöpfen, bewässert. Der Kreuzgang ist klein, aber alles ist schön und wunderbar angeordnet. Als wir dort weilten, gab es nicht mehr als 10 oder 12 Personen. Es waren dort 4 Priester, zwei Diakone, zwei Subdiakone und zwei Konversen. Ein Konverse war Deutscher aus Ravensburg, Sohn einer Schwester von Theobald Buckli; er war ein junger und ehrfürch- 38 Wohl Ginestar in der heutigen Provinz Tarragona. 39 Münzer spricht den in Südeuropa verbreiteten etwa 6-10 Meter hohen Kilrogenbaum an; der ebenso gebräuchliche Name Johannisbrotbaum leitet sich davon her, dass Johannes der Täufer sich angeblich in der Wüste von den Früchten dieses Baumes ernährt haben soll. 40 Vall de Jesús, Franziskanerkloster. Zu dem in der Gemeinde an der Grenze zwischen Murviedro/ Sagunto und Puçol errichteten, inzwischen abgegangenen Kloster vgl. Hinojosa Montalvo, Diccionario Valencia IV S.-348 und Jaspert, Corporativismo S.-1791-1794. <?page no="55"?> Über die Stadt Valencia 55 tiger Mann 41 . Das Kloster wurde von Deutschen gegründet auf Initiative des Jodocus Koler; er war damals der Vorsteher der Großen Handelsgesellschaft aus Ravensburg, einer Stadt in Schwaben 42 . Sie haben ein hohes Chorgestühl mit 16 schönen Sitzen, die der erwähnte Jodocus aus Flandern herbeibringen ließ 43 . Für den Betrachter ist es ein altehrwürdiger Ort; (die Gebäude) sind klein, aber ganz aus Stein vorzüglich mit Gewölben und anderem erbaut. Wir gewannen dort einen hervorragenden Eindruck. Der Pater an der Pforte aß-- wie mir die deutschen Kaufleute Heinrich Sporer und Konrad Humpis 44 , die vertrauenswürdig sind, versicherten-- in der vergangenen Fastenzeit während der ganzen Woche nur freitags für die gesamte Woche, er führt ein zölibatäres und asketisches Leben. Ich sah ihn nicht, weil ich dieses Geheimnis noch nicht kannte, in Valencia sagte man mir jedoch, dass er ein sehr religiöser Mann sei. Über die Stadt Valencia Am gleichen 5. Oktober gingen wir drei Meilen von Vallis Ihesu und kamen zu der edelsten Stadt Valencia, der Hauptstadt des ganzen Reiches von Valencia. Sie ist sehr groß, liegt in einem schönen Becken, ähnlich der Umgebung von Mailand und von Köln wird sie allseitig von Bergen umschlossen, nur nicht im Süden, dort liegt das Meer. Die Ebene wird von den Flüssen aus den Bergen durch verschiedene Kanäle überall bewässert. Sie ist fruchtbar und reich an Oliven, Granatäpfeln, Apfelsinen, Limonen und Zitronen sowie unzähligen anderen Früchten. Ich glaube, dass in ganz Europa kaum in irgendeiner anderen Meeresprovinz ähnlich gute Früchte wachsen. In diesem Becken liegt wenig entfernt vom Meer diese sehr berühmte Stadt. Sie ist sehr weitläufig und viel größer als Barcelona, gut bewohnt und dicht bevölkert. Dort leben viele Grafen, Barone und sogar ein Herzog, mehr als 500 güldene Ritter sowie Adlige ohne Zahl. 41 Diepold Bückli ist in Valencia - als Testamentsvollstrecker eines Faktors der Ravensburger Handelsgesellschaft (Humpis-Gesellschaft) - in den Jahren nach 1472 nachgewiesen, vgl. Schulte, Geschichte I S.-155 und 225. 42 Das von Joan Martorell um 1438 gegründete Augustinerstift war nach Ausweis Valencianer Quellen zur Mitte des 15. Jh. durch Misswirtschaft verkommen und aufgegeben. Es wurde auf Betreiben des Jobst Kohler, Faktor der Ravensburger Handelsgesellschaft (Humpis-Gesellschaft), restauriert und um 1456 den Franziskanerobservanten übergeben. Jobst Kohler ist zwischen 1438 und 1456 als Faktor der Humpis in Valencia bezeugt, vgl. Schulte, Geschichte I S.- 225 und Jaspert, Corporativismo S.- 1791-1794, sowie Ders., Gastgeber S.- 81 mit Anm. 7-12. - Die Ravensburger Handelsgesellschaft (Humpis-Gesellschaft) besaß u. a. eine Handelsniederlassung in Valencia. Aufbau und Organisation ähnelten den italienischen Bank- und Handelsgesellschaften (compagnie). Gehandelt wurden vornehmlich Seide, Reis (Reisanbau in den Sümpfen um Valencia), Datteln, Feigen, Gewürze, wie Anis und Kümmel, sowie Tuche, vgl. Schulte, Geschichte I S.-296-300; vgl. auch Meyer, Handelsgesellschaft S.-249-265. 43 Vgl. Jaspert, Gastgeber S.-81 mit Anm. 7 und 12. 44 Heinrich Sporer ist in den Jahren 1494-1498 als Vertreter der Ankenreuter-Gesellschaft des Klemens Ankenreute in Valencia nachzuweisen, Meyer, Handelsgesellschaft S.-270; Jaspert, Gastgeber S.-81 und 91. - Konrad III. Humpis (evtl. identisch mit Konrad II. Humpis), seit 1514 Vorsteher der Ravensburger Handelsgesellschaft war in den Jahren 1491 bis 1497 als Faktor des Onofre Humpis für die Gesellschaft in Valencia, vgl. Schulte, Geschichte I S.-181; Jaspert, Corporativismo S. 1792. <?page no="56"?> 56 II. Von Perpignan bis Alhama Über die Hauptkirche Die Kathedrale ist der Jungfrau Maria geweiht 45 . Sie hat einen Erzbischof 46 , 24 Kanoniker, Vikare, Sänger und Sakristane, sodass die Zahl der Priester dieser Kirche zweihundert beträgt. Sie führen ein ziemlich kanonisches und religiöses Leben. Der Bau ist wunderbar konstruiert; das hervorragend geschnitzte Chorgestühl hat 144 Sitze. Der Turm ist ziemlich hoch. Wir bestiegen ihn über 206, unter einem Gewölbe liegende Treppenstufen. Als wir hochgingen und oben waren, betrachteten wir die Lage und die Stadt, und dies war ein wunderbarer Ausblick. Der hohe Turm ist achteckig. Seine Breite betrug oben 20 Schritte. Der Bau dieser Kirche ist, wie ich schon sagte, hervorragend ausgeführt. Sie ist 156 Schritte lang und 53 Schritte breit, hat die Form eines Kreuzes und besitzt mehr als 20 einzelne Kapellen, die durch Säulen getrennt sind. Die Gesamtsumme der Altäre beträgt 56. Die Kirche ist ziemlich hoch und schön gewölbt. Man könnte noch viele Dinge über sie schreiben. Dort gibt es weiterhin viele und bekannte Klöster für beiderlei Geschlecht. Im Kloster des heiligen Augustinus ist eine Kapelle der Jungfrau Maria geweiht, die ihrer großen Wunder wegen erstrahlt. Dort zählten wir mehr als 120 Silberlampen, aber sie brannten nicht alle. Es ist nämlich Brauch der Spanier, um die Gott gegebenen Gelübde zu erfüllen, Silberlampen zu opfern, jeder nach seinem Vermögen. Noch nie sahen wir eine Stadt, wo alle Kirchen mit Altarverzierungen und mit vergoldeten Altarretabeln so erlesen geschmückt sind wie in Valencia. In der Kathedrale bauen sie einen Hauptaltar, der äußerst teuer und ausschließlich aus Silber ist. Dargestellt werden die sieben Freuden der Jungfrau Maria. Und nichts wird vergoldet werden außer den Bärten, den Haaren und anderen Dingen, die man vergolden muss. Er wird mehr als dreitausend Mark wiegen. Diese Details erzählte mir der Goldschmied, der aus Lauingen stammt, einer Stadt Schwabens in der Nähe der Donau 47 . Schon das alte Altarretabel besaß viel Silber, die Kanoniker und die Einkünfte der Kirche fügten Weiteres hinzu. Es wird ein wunderbares Altarretabel sein. Ich sah noch viele andere Bilder, die mir der Baumeister zeigte. Über das Haus der Kaufleute Der Handel und Austausch ganz Spaniens wurde vor 50 Jahren vor allem in Barcelona betrieben 48 , ähnlich wie heute der Handel Oberdeutschlands fast ausschließlich in Nürnberg stattfindet. Aber nach den Auseinandersetzungen und Kriegen flüchteten sich die Kaufleute nach Valencia, heute die Hauptstadt des Handels. Augenblicklich baut man dort ein großartiges Gebäude, das sie Loya (Börse) nennen, wo sich die Kaufleute treffen, um ihre Geschäfte 45 Der Bau der Kathedrale Nuestra Señora Santa María wurde laut einer Inschrift am 2. Juni 1262 begonnen. Nach der Rückeroberung Valencias im Jahre 1238 durch Jakob I. von Aragón (†-1276) diente bis zur Errichtung der Kathedrale eine Moschee an eben dieser Stelle als Ort für den Gottesdienst, vgl. Benito Goerlich, Valencia S.-269. 46 Erst am 9. Juli 1492 erhob Papst Innozenz VIII. (1484-1492) Valencia zum Erzbistum. 47 Wahrscheinlich ist der hier angesprochene Goldschmied identisch mit Augustin Nikos, der 1495 als alemannus aurifex Valentie habitator in Valencianer Dokumenten erscheint und 1494 mit Goldschmiedearbeiten am Marienretabel beauftragt wurde, vgl. Kehrer, Deutschland S.-119 f.; Tammen, Kunsterfahrungen S.-57 mit Anm. 51. 48 Siehe oben S. 46. <?page no="57"?> Über das Haus der Kaufleute - Valencia 57 zu tätigen 49 . Es ist ein hohes Gebäude, das aus behauenem Stein und edlen Säulen erbaut und 32 Schritte breit und 62 Schritte lang ist. Fast bis zum Dach vollendet, und dies soll auch bald gemacht werden, wird es einen Garten mit verschiedenen Früchten und einem Springbrunnen besitzen. Das Haus wird auch einen sehr hohen Turm und darunter eine Kapelle haben, wo täglich zwei Messen gelesen werden 50 . Die Architekten versicherten, dass sie noch etwa zwei Jahre bis zum Abschluss bräuchten. Die Börse ist nahe dem großen Markt bei der Waage gelegen, und sie wird wesentlich edler und schöner als die Börse von Barcelona sein. Die deutschen Kaufleute Heinrich Sporer und Konrad Humpiss, beide aus Ravensburg, erwiesen uns mit ihrer Gefolgschaft so große Ehren, zeigten einzeln uns alle interessanten Orte, luden uns ein und gaben uns Gewänder; mehr geht nicht! Mögen wir es ihnen oder ihren Freunden einmal vergelten können! Über den Verkauf von Sklaven In einem gewissen Haus sah ich Personen beiderlei Geschlechtes, die zum Verkauf bestimmt waren, auch Kinder und Knaben. Sie waren von Tenerife, einer der Kanarischen Inseln im Atlantischen Ozean, die gegen den König von Spanien rebelliert hatte und von diesem unterworfen wurde. Er ließ sie alle verkaufen 51 . Es gab einen Kaufmann aus Valencia, der in einem Schiff 87 herbeibrachte, von denen 14 starben, weil sie Meer, Luft und Klima nicht ertrugen. Die anderen wurden zum Verkauf freigegeben. Es sind dunkelhäutige Männer, jedoch nicht schwarz wie die Barbaren. Die Frauen waren gut gebaut mit kräftigen Gliedern und recht groß. Sie sind aber tierisch in ihren Gebräuchen, weil sie bis heute nicht unter irgendeinem Gesetz gelebt haben, sondern allesamt Götzen huldigten 52 . Die Kanarischen Inseln liefern Zucker 53 im Übermaß. Der Sklavenhalter informierte mich darüber, dass das Zuckerrohr dort 49 Die gotische Börse von Valencia ist heute noch als Lonja (katalan. Llotja) bekannt. Durch den Anstieg der Handelstätigkeit in Valencia wurde die im 13. Jh. errichtete Lonja bald zu klein, sodass An- und Umbauten vonnöten waren. Der große gotische Saal der Warenbörse wurde bereits 1392 fertiggestellt. Der von Münzer angeführte Hinweis auf die geplante Fertigstellung im Jahr 1496 bezieht sich auf Baumaßnahmen, die zwischen 1482 und 1498 unter den Baumeistern Pere Compte und Joan Ibarra ausgeführt wurden. Die Lonja diente zur Abwicklung des Warenhandels und beherbergte eine Filiale der städtischen Wechselbank, vgl. Montoliu Soler/ Garín Ortiz de Taranco, Lonja S.-18. 50 Die Kapelle orientierte sich vielleicht an derjenigen der Mallorquiner Börse. 51 Bereits seit der Entdeckung der Kanarischen Inseln in der ersten Hälfte des 14. Jh. war die Versklavung der einheimischen Bevölkerung mit Eroberung und Missionierung verbunden. Das Schicksal der Urbevölkerung war von Insel zu Insel unterschiedlich. So wurde ein Großteil der Bewohner La Palmas, aber auch von den anderen Inseln, versklavt und auf dem spanischen Festland verkauft. Die Verschleppung Einheimischer endete erst gegen 1500, als ihre Arbeitskraft für die expandierende heimische Wirtschaft benötigt wurde, vgl. Ladero Quesada, Economía S.-729-731; Herbers, Eroberung S.-54-60 (ND: 202-209). - Im Jahre 1492 wurde Alonso de Lugo (†-1525) von den Katholischen Königen mit der Eroberung Teneriffas beauftragt. Die Bevölkerung, die Guanchen, leisteten erfolgreich Widerstand. Vielleicht meint Münzer dies, wenn er von einer Rebellion berichtet. Die Katholischen Könige billigten die Gefangennahme zahlreicher Guanchen. Der Höhepunkt des Sklavenhandels ist zwischen 1494 und 1496 zu verzeichnen, vgl. Cortes Alonso, Conquista S.-490-500; Herbers, Eroberung S.-59 (ND: 205 f.). 52 Münzer verfällt auch hier wie viele andere Reiseberichterstatter in Stereotypen. 53 Das Zuckerrohr wurde bald zum Hauptexportartikel der Kanaren. Handel, Technik und Kapital lagen bei ausländischen Händlern. So waren vornehmlich die Portugiesen für den Export verantwortlich, die Finanzierung war hingegen den Genuesen vorbehalten. Die Kanarischen Inseln zählten seit dem Ende <?page no="58"?> 58 II. Von Perpignan bis Alhama etwa 6 und 7 Schritte lang ist und von der Dicke eines Unterarms. Sie haben auch viele Tiere und verschiedene Früchte sowie Getreide, essen aber kein Brot, sondern geröstete Gerste, die sie in einer Art Handmühle mahlen, in Wasser oder in Milch auflösen und dann essen oder trinken. Sie verspeisen außerdem gekochtes oder gebratenes Fleisch im Überfluss. Der siegreiche König (Ferdinand) gab ihnen einen Bischof und ließ eine Kirche erbauen 54 . Sie sind bereit, unsere Religion anzunehmen, inzwischen benutzen sie Kleider wie wir. Oh, was bewirken Glaube und Fürsorge, dass aus Tieren im menschlichen Körper sanfte Menschen gemacht werden können! Wenn ich nicht viele von diesen gesehen hätte, würde ich nicht wagen, solche Dinge aufzuschreiben. Die Kanaren bestehen aus 7 Inseln, von denen Canaria größer als ganz Mallorca ist. Die zweite ist Tenerife, die dritte Fuerteventura, die vierte Gomera, die fünfte die Insel Hierro und so weiter. Sie verstehen sich kaum untereinander, so wie es auch mit dem Ober- und Niederdeutschen ist. Vor dem Sieg des spanischen Königs waren sie wie Tiere. Nun werden sie dank der Religion sanfter. Die sechste Insel ist Lanzarote. Ich sah viele Gefangene in Eisenketten und hinter Gittern, die zu sehr harten Arbeiten gezwungen wurden wie zum Beispiel Balken durchzusägen und andere Dinge 55 . Über die Lieblichkeit der Gärten in Valencia Wir wurden zum Garten der Stadt geführt, der vorzüglich mit Zitronen- und Apfelsinenbäumen sowie mit Zitrusbäumen und Dattelpalmen bepflanzt war. Rundherum war alles von Ästen und Blättern der Orangenbäume bedeckt. Es gibt dort ebenso Tische, Altäre, Pulte, Schiffe, Sitze, die aus großen Myrtensträuchern geformt sind. Die Myrte ist eine Mischung aus Baum und Strauch mit immergrünen Blättern, ähnlich wie der Buchsbaum. Sie hat weiße und sehr duftende Blüten wie die Tallilie und ist wie der Buchsbaum immergrün. Mit Leichtigkeit kann sie gebogen werden, sich ausdehnen oder in jegliche Richtung gezogen werden. So lassen sich aus ihr selbst verschiedene Figuren formen. Wir weilten auch in den königlichen Gärten beim Turm und bei der Burg 56 ; sie waren sehr groß und mit verschiedenen Fruchtbäumen bepflanzt, es gab Aquädukte und Wasserbecken. Ähnlich sah es in anderen Gärten von Adligen aus, sie waren alle so geschmückt, dass man sich im Paradies wähnt. des 15. Jh. neben Madeira zu den wichtigsten Zuckerproduzenten. Für Arbeiten in der Zuckerherstellung wurden seit Beginn des 16. Jh. zusätzlich Sklaven aus den afrikanischen Küstengebieten eingesetzt, vgl. Ladero Quesada, Economía S.-733, 742; Herbers, Eroberung S.-59, 76 f. (ND: 205 f., 220 f.). 54 Die Errichtung des ersten Bischofssitzes ist für Telde 1368 belegt. Er wurde nach Rubicon und schließlich 1403 nach La Palma verlegt. Die Katholischen Könige erhielten 1486 von Papst Innozenz VIII. (1484-1492) das Patronatsrecht zur Ernennung der Bischöfe. Vor allem die Katholischen Könige wollten einen Zusammenhang zwischen Christentum und Treue gegenüber der kastilischen Krone fördern, vgl. Herbers, Eroberung S.-63-71 (ND: 209-216). 55 Auch deutsche Kaufleute hielten im ausgehenden 15. Jh. nachweislich selbst Sklaven in Valencia. - Zum Sklavenhandel im mittelalterlichen Valencia vgl. allgemein Ruzafa García, Esclavitud und Hinojosa Montalvo, Esclavitud. 56 Schon die muslimischen Taifenkönige ließen im 11. Jh. in den heutigen Jardines del Real einen Landsitz errichten, der den Namen „Rahal“ erhielt. Unter Jakob I. von Aragón wurde er zu einem Palast umgebaut. Dieses Schloß (Real) wurde zum beliebten Aufenthaltsort zahlreicher Könige. Die Gärten beherbergten bereits im 15. Jh. eine bedeutende zoologische Sammlung. <?page no="59"?> Über die verschiedenen Früchte Spaniens - Valencia 59 Über die verschiedenen Früchte Spaniens Das Land von Valencia 57 ist äußerst fruchtbar, wie ich schon gesagt habe; es bringt Früchte in großer Zahl hervor, die in andere Gegenden exportiert werden und aus denen die Leute große Gewinne ziehen. Die deutschen Kaufleute erzählten mir von weiteren Früchten, aber ich kann sie nicht alle aufzählen 58 . Unter anderem ist das Zuckerrohr sehr verbreitet, ich beobachtete in einem gewissen Haus, wie es in großer Menge gekocht wurde. Ich sah viele Gefäße, in denen sie den Zucker schmelzen und riesengroße Pyramiden daraus bauen! Es war eine höchste Anstrengung, die mit vielen Knechten ausgeführt wurde. Wir sahen, wie der Zucker gereinigt, gekocht, das Beste ausgesucht und wie der Kandiszucker produziert wurde. Für uns war dies eine sehr aufschlussreiche Vorführung. Wir sahen auch, wie Zuckerrohr wächst, und wir probierten den Saft, aus den Rohren extrahiert. Der Besitzer des Betriebs-- ein sehr ehrenwerter und glaubwürdiger Mann - sagte mir, dass in den Gegenden von Valencia, woher er stamme, jährlich etwa 6000 kargi, das entspricht zehntausend Nürnberger Zentnern, produziert werden. Dort wird ebenso in großem Maße Seide von guter Qualität gewonnen und verarbeitet. Es gibt zwei Sträucher, von deren Blättern sich die Seidenraupen ernähren. Der erste ist der schwarze Maulbeerbaum, der als Früchte Maulbeeren hervorbringt. Mit seinen Blättern ernährt man die Seidenraupen in Italien, zum Beispiel in Florenz, Venedig und Bologna. Der andere Baum gleicht dem Maulbeerbaum, aber er trägt keine Frucht und hat grüne und samtige Blätter ähnlich wie die Pappel. Damit nähren sie die Seidenraupen. Wir sahen in Valencia unzählige Werkstätten, wo sie Seide verarbeiten. Ebenso wächst dort reichlich die Kermesbeere, mit deren Hilfe die edelsten Tücher gefärbt werden. Es ist ein kleiner Baum mit kleinen Blättern, gezackt und sehr dornig. Die Früchte erscheinen im November grün, und im Mai, wenn sie reif sind, zeigen sie eine tiefrote Farbe. Sie haben die Form von Wacholderbeeren. Das Pfund wird für einen Dukaten und mehr verkauft, denn man muss die Frucht lange Zeit sammeln, bevor die Armen ein Pfund zusammengebracht haben; ähnlich verhält es sich in Polen mit der Kermesbeere, das heißt mit der Scharlachbeere 59 . Es gibt auch ein sehr mildes Öl in großer Menge. Niemals sah ich größere und mildere Oliven. Wunderbar ist auch der Überfluss an Wolle, die nach Genua und nach Venedig gebracht wird 60 . Ebenso werden in der Stadt Valencia und dem ganzen Reich hervorragende Tücher hergestellt. Der sehr gute Morfedrawein 61 , der früher Saguntwein genannt wurde, ist ebenso anzutreffen. Als das ruhmreiche römische Reich in Blüte stand, reichte das Anbaugebiet fast bis zum 57 Gemeint ist die heutige Huerta. 58 Hier zeigt sich, dass die folgende Aufzählung auch von wirtschaftlichen Interessen getragen war. 59 Die Scharlach- oder Kermesbeere wird zum Färben von Nahrungsmitteln sowie zur Produktion von Schminkfarben verwendet. 60 Die Italiener, besonders Genuesen, waren die mit Abstand bedeutendste Gemeinschaft auswärtiger Kaufleute in Valencia, vgl. zu ihnen ausführlich Igual Luis, Valencia und bereits Kellenbenz, Kaufleute S.-270, 284-289. 61 Im Spanischen: murviedro. <?page no="60"?> 60 II. Von Perpignan bis Alhama Meer; aber heute ist es wie in ähnlichen Fällen kleiner geworden. Aus der Stadt Alicante wird eine große Menge edelsten Weines nach England und Niederdeutschland exportiert. Ebenso werden ganze Schiffe mit gepressten und getrockneten Trauben, die von den Sarazenen sehr gut zubereitet werden, nach ganz Europa bis nach England, Frankreich, Deutschland, Italien und in andere Länder geschickt 62 . Weiterhin findet man Feigen, Reis und süßesten Honig, den die Bienen aus Rosmarinblüten herbringen. Ebenso gibt es Wachs und Leder von Hammelhäuten und so weiter, die mit einer großen Perfektion in verschiedenen Farben gefärbt werden, vor allem mit Apfelsinensaft und mit anderen Flüssigkeiten; es gibt nichts Besseres. Sie haben auch Espartogras, in der Art von Korbweide oder Binse, damit stellen sie dicke Seile und Taue her, wie wir im Seehafen von Alicante sahen, und sie schicken damit voll beladene Schiffe in andere Gegenden. 63 Vor allem gibt es dort eine Art Schlamm oder Tonerde, die anderswo nicht zu finden ist. Daraus stellen sie so große Gefäße her, man könnte glauben, es seien Weinfässer. In einigen von ihnen lassen sich leicht 3 oder 4 Amphoren unterbringen, die wir „aymer“ nennen. Sie fertigen auch Suppennäpfe, Teller, Krüge und verschiedene Dinge dieser Art, und sie bemalen sie so schön, dass du glaubst, sie seien mit Gold oder Silber verziert. Diese schicken sie mit vollbeladenen Schiffen nach Venedig, Florenz, Sevilla, Portugal, Avignon, Lyon und weiteren Orten zum Kauf. Es gibt ausgesprochen viele Töpfer. Was gibt es sonst noch? Wunderbar wirkt der Herr in diesen Gegenden! Ich übergehe den Safran, der dort in beträchtlicher Menge wächst 64 ; ich übergehe ebenso den Anis, den Fenchel, den Kümmel, die Zitrusfrucht und Weiteres. Ich kann nicht alle Dinge aufzählen; so schicken sie den Zimt in großer Menge von Alicante nach Flandern. Dies tun sie auch mit dem Safran Cartamus, der in der Volkssprache „Saffla“ genannt wird. Dies ist ein wilder Safran, um Tücher zu färben. Ebenso übergehe ich die rote Farbe. Über einige Klöster und Kapellen Es gibt ein Nonnenkloster des Predigerordens in strenger Observanz, das den Namen der heiligen Katharina von Siena trägt 65 . Dort leben 70 Nonnen. Ich sage euch, dass es vor ungefähr zwei Jahren erbaut wurde und mit wunderbaren großen Mauern eingefriedet ist. 4 Jahre vorher war es die Kirche des heiligen Christophorus. Die Marranen 66 , das heißt die falschen Christen, die innerlich Juden geblieben waren, besaßen im Innern ihre Grabmäler. Sobald ein Marrane starb, gaben sie vor, alles der christlichen Religion entsprechend zu machen, mit einer großen Prozession, den Sarg mit goldenen Tüchern bedeckt und ein goldenes Bild des heiligen 62 Zur Produktion und zum Export von Trockenfrüchten (nicht nur Rosinen), vgl. Ferrer Mallol, Figues S.-191-208. 63 Das Espartogras, das in den Steppen um Valencia wächst, fand zur Herstellung von Schuhen und Schiffstauen Verwendung. Auch hier traten die deutschen Kaufleute als Exporteure auf, vgl. Peyer, Leinwandgewerbe S.-527-529, Nr.-969. 64 Safran war der wichtigste Exportartikel der oberdeutschen Kaufleute, vgl. Kellenbenz, Safranhändler S.-197-225. 65 Das 1970 abgebrochene Kloster Santa Catalina de Sena wurde im Jahr 1491 auf dem ehemaligen jüdischen Friedhof errichtet. 66 Siehe hierzu oben S. 49. <?page no="61"?> Über einige Klöster und Kapellen - Valencia 61 Christophorus voraustragend. Aber heimlich wuschen sie die Körper der Verstorbenen und begruben sie ihren Gewohnheiten entsprechend. Nachdem dies entdeckt wurde und nachdem viele Marranen verbrannt wurden, hat man diese Kirche in ein Kloster umgewandelt, das von der Königin und anderen frommen Männern gut ausgestattet wurde 67 . Nicht weit von dieser Kapelle liegt das Kloster der Prediger 68 , eine großartige Anlage mit schönsten Gärten und Umgängen. Angeschlossen ist eine sehr große Kapelle, welche die heute noch regierende Königin Isabella in großer Schönheit bauen ließ. Sie ist sehr geräumig, und alle ihre Wände vom Boden bis zur Decke sind mit den Kleidern der Marranen bedeckt, die Buße leisteten. Ebenso hängen dort die Kleider derjenigen, die verbrannt wurden und deren Anzahl sehr groß ist. Auf jedem Kleidungsstück ist der Name des Marranen geschrieben. Ich glaube, es gab mehr als tausend; und ich übergehe diejenigen, die es weiterhin im Verborgenen gibt. In jenen Tagen, in denen wir in Valencia weilten, waren im Gefängnis mehr als 50 Personen, die in den kommenden 14 Tagen verbrannt werden sollten. Über die Marranen Die Marranen sind getaufte Juden. Obwohl sie aber von getauften Vätern abstammen und obwohl sie öffentlich den christlichen Glauben bekennen, leben sie im Geheimen nach dem Ritus der Juden. Sie hatten in Barcelona, Valencia und anderen Orten verborgene Synagogen, denen sie die Namen von Heiligen und von Pfarreien zulegten. So wussten sie schon, wenn sie sagten: „Heute treffen wir uns in der Pfarrei des Heiligen Kreuzes“, dass es die Synagoge war, die sie so getauft hatten 69 . Weil die Juden und die Marranen fast im gesamten spanischen Reich nahezu alle die besseren Ämter innehatten und die Christen bedrängten, hatte Gott Erbarmen und legte in die christlichen Herzen des Königs und der Königin den Geist der Wahrheit. Diese vertrieben aus allen ihren Reichsteilen in nur kurzer Zeit mehr als einhunderttausend Judenfamilien und ließen auch viele Marranen verbrennen. Es wäre ein langes Unterfangen, hierüber zu sprechen 70 . 67 Hier liegt wohl eine Verwechslung vor. Das Kloster San Cristóbal wurde nach den Pogromen von 1391 am Ort der ehemaligen Synagoge errichtet. Münzer dürfte die Christophorusbruderschaft konvertierter Juden meinen, vgl. Aldana Fernández, Monumentos S.-159-161; 177 f., zur Bruderschaft an der Kirche San Cristóbal, vgl. de Bofarull y Sans, Gremios S.-117-129, Nr.-92. Zur Geschichte der Juden in Valencia siehe Garcia Cárcel Orígenes, der zwar auf S.-69-77 das verschärfte Vorgehen der Inquisition in jenen Jahren beschreibt, nicht aber auf die von Münzer genannten Hinrichtungen eingeht. 68 Real Convento de Santo Domingo, am 11. April 1239 gegründet. Die Kirche, deren Vorgängerbau bis 1250 bestand, enthält die Kapelle der Könige, mit deren Bau 1431 unter König Alfons V. (1416-1458) begonnen und die unter seinem Nachfolger Johann II. (1458-1479) 1463 vollendet wurde. 69 Zunehmender gesellschaftlicher Druck führte zu zahlreichen Konversionen von Juden zum Christentum in der zweiten Hälfte des 14. Jh. Dies bewirkte weitere Konflikte. Konvertiten auf hohen, einflussreichen Posten an Höfen christlicher Herrscher nährten Beschuldigungen und Neidgefühle zusätzlich. Nicht zuletzt auf Basis dieser Gerüchte übertrug Papst Sixtus IV. (1471-1484) 1478 die Inquisition in Kastilien dem Königtum. Anders als in Aragón unterstand sie nun der Verfügungsgewalt des Königtums, vgl. Herbers, Geschichte S.-308 f. Vgl. zu den Konvertiten Vones, Vertreibung S.-23-34; Bernecker, Vertreibung, S.-27- 31; Roth, Conversos S.-203-270; Vones, Limpieza S.-63. 70 Die Vertreibung der Juden setzte nicht erst mit dem Edikt vom April 1492 ein; Verordnungen dieser Art wurden bereits seit 1483 für einzelne Bistümer erlassen. Nach Bernecker, Vertreibung S.- 33 sollte durch die Androhung der Vertreibung die Konversion zum Christentum erzwungen werden. Nach Vones, <?page no="62"?> 62 II. Von Perpignan bis Alhama Über das Kloster der Heiligsten Dreifaltigkeit Außerhalb der Tore bei der Burg des Königs steht ein sehr edles und neues Kloster, das zur heiligsten Dreifaltigkeit heißt. Es gehört zum Minderbrüderorden der strengen Observanz. Im Jahre 1462 wurde es von der Königin Johanna aus fränkischem Geschlecht gestiftet, die nach dem Tode ihres Mannes, des Königs Alfons, dieses Kloster gründete und ein religiöses Leben begann. Dort ruht sie und wird wie eine Heilige behandelt 71 . Niemals sah ich eine solche Kirche mit einer so großen Anzahl von reichen und wunderbaren Altartafeln sowie Ornamenten, mit denen sie geschmückt ist. Dieser Anblick erheischt größte Bewunderung. Zu meiner Zeit gab es in dem Kloster etwa 80 Nonnen, deren Äbtissin die Schwester des noch regierenden Königs Ferdinand ist 72 . Die Klostergemeinschaft ist reich und lebt strikt nach der Observanz. Über das Kloster von Santa María de Jesús Zehn Steinwurf weit vom Tor in der Mauer entfernt befindet sich auch das Kloster Santa María de Jesús mit Minderbrüdern der Observanz. Es handelt sich um eine neue Gründung 73 . Im Kreuzgang gibt es einen schönen Garten mit Zitronenbäumen, Zitrusfrüchten und verschiedenen, außergewöhnlichen aus Myrte geformten Figuren. Im zweiten Kreuzgang ist der Boden mit Kieseln bedeckt, und es gibt einen Brunnen in der Mitte, der von in einer Zisterne gesammeltem Regenwasser gespeist wird. Oh, welch schönes Refektorium! Du wähnst dich in einer Kirche! Ebenso schön sind die Zellen, in deren Eingangsbereich es einen ausreichend großen quadratischen Vorraum gibt. Geht man durch eine zweite Tür, so sieht man in ein schönes Studierzimmer. Ebenso besticht das Kloster durch einen hervorragenden Krankenraum. Alles ist dort nützlich eingerichtet. Innen sah ich einen Siccomorobaum, dessen Früchte wie kleine Trauben des Paternosterbaums aussehen; sie fertigen daraus Rosenkränze. Dort wandeln mehr als 60 edle und fromme Brüder, die auch für die Nonnen des Klosters der Heiligen Dreifaltigkeit sorgen. Vertreibung S.-35 ist der Grund für die Vertreibung gesellschaftspolitisch. Zur Entwicklung des jüdischchristlichen Verhältnisses seit 1391 vgl. Vones, Pogrom S.- 927-953; Nirenberg, Enmity bes. S.- 145 f., 153-155 sowie grundsätzlich Ders., Société. 71 Die Gründerin dieses Klosters war nicht Johanna, sondern Maria von Kastilien (†-1458), die Frau Alfons’ V. von Aragon. Sie war auch nicht von fränkischem Geschlecht. Auch beim Gründungsdatum irrt Münzer; es liegt im Jahre 1444/ 1445. 72 Hier irrt Münzer: Die Äbtissin des Klosters war zu jener Zeit Aldonza Monsoriú, eine ehemalige Hofdame der Königin Maria. Allerdings war eine andere Nonne des Klosters Mitglied der königlichen Familie: eine uneheliche Tochter des Königs namens Maria, die 1484 in die Obhut der Isabel de Villena gegeben wurde. 73 Das im 18. Jh. abgerissene Kloster Santa María de Jesús wurde außerhalb der Mauern Valencias von Maria von Kastilien, Königin von Aragón (†- 1458) im Jahr 1428 gegründet und den Franziskanerobservanten übergeben. <?page no="63"?> Über das Haus der Unschuldigen und Dummen - Valencia 63 Über das Haus der Unschuldigen und Dummen Es gibt ein gewisses edles Haus und eine Stiftung, in der nur die Verrückten, die Dummen, die Melancholiker und die Rasenden beiderlei Geschlechtes aufgenommen werden 74 . Ich sah viele, darunter einen sehr jungen Verrückten, der nackt mit einer Eisenkette in einem Käfig festgebunden war. Unsere Begleiter forderten ihn dazu auf, dass er für einige Pfennige etwas aufsagen möge. Er begann in Hebräisch zu beten und blasphemische Worte gegen Christen und Juden zu sagen. Dies machte er auch, weil er der Sohn eines sehr reichen Marranen war, der ihn von klein auf im Judentum erzogen hatte. Nachdem der Vater auf diese Art entdeckt worden war, wurde er verbrannt. Diese Stiftung gibt es nur für die Handwerker der Stadt. Ihr jährliches Einkommen beträgt zweitausend Dukaten. Nur Söhne von Handwerkern, keine Adligen werden aufgenommen. Es ist eine schöne Stiftung, und sie ist in jeder Hinsicht gut geordnet. Man findet andere sehr edle Häuser wie das Haus der Richter, das Haus des Sohnes des gegenwärtigen Papstes Alexander VI. 75 , das noch nicht vollendet ist, das Haus des Grafen von Oliva 76 sowie unzählige weitere Adelshäuser, die vorzüglich gebaut sind mit verschiedenen Hallen, Palästen und Gärtlein, so dass man glaubt, es seien königliche Gebäude oder sogar das Paradies. Über die Umgangsformen (der Valencianer) Das valencianische Volk ist sehr höflich und menschlich. Es gibt dort zwei Herzöge-- einer von ihnen ist der Sohn des Papstes Alexander VI. 77 -, weiterhin viele Grafen wie den Grafen von Oliva und den von Aversa 78 sowie mehrere andere, mehr als fünfhundert Ritter. Händler, Handwerker und Kleriker zählt man mehr als zweitausend. Die Männer kleiden sich mit schönen und langen Gewändern. Ebenso sind die Frauen über das Maß hinausgehend herausgeputzt. Vorn sind ihre Kleider ausgeschnitten bis zum Busen, so dass du die Brustwarzen fast wie Knospen der Bäume sehen kannst. Alle schminken sich im Gesicht, benutzen Öle und Duftwasser, was schlecht ist 79 . 74 Die erste psychiatrische Klinik weltweit, welche im Jahre 1409 in Valencia gegründet wurde, geht auf die Initiative von Bruder Joan Gilabert Jofré zurück. Die in der zweiten Hälfte des 15. Jh. begonnene Erweiterung des Hospitals wurde 1495 abgeschlossen; vgl. insgesamt Hinojosa Montalvo, Diccionario Valencia II S.-449. 75 Papst Alexander VI. (1492-1503), vorher Rodrigo/ Roderic Llançol i de Borja. Dank seines Onkels, Papst Calixts III. (1455-1458), stieg er schnell in der geistlichen Hierarchie auf, in den Jahren war er 1458 bis 1492 Bf. von Valencia, seit 1492 Papst. Vgl. Reinhardt, Alexander VI. sowie Ders., Borgia. 76 Das Adelshaus der Oliva kam im Zuge der Eroberung des Königreichs durch Jakob I. (ab 1238) nach Valencia, vgl. Hinojosa Montalvo, Diccionario Valencia III S.-279. Der Palast der Grafen von Oliva, der noch in der Calle de Caballeros 29 zu sehen ist, wurde im 16. Jh. errichtet. 77 Zwei der Söhne Alexanders VI. waren Hzg. von Gandía: zunächst Pere-Lluís/ Pedro Luis (1485-1488), anschließend Joan/ Juan (1488-1497). Vgl. Reinhardt, Alexander VI. S.-56 f. 78 Es handelt sich um Juan Francisco de Próxita, Gf. von Aversa. 79 Diese mehrfach zitierte Stelle hat zu Fehlinterpretationen Anlaß gegeben. Die Freizügigkeit der Valencianer Frauen dürfte in großem Maße der Tatsache geschuldet sein, dass Münzer in unmittelbarer Nähe zur <?page no="64"?> 64 II. Von Perpignan bis Alhama Sie haben auch die Gewohnheit, dass das ganze Volk beiderlei Geschlechtes in den Straßen vom frühen Abend bis in die Nacht hinein spazieren geht; in so großer Menge, dass du dich auf einem Fest wähnst. Jedoch belästigt niemand die anderen. Hätte ich es nicht mit meinen edlen Begleitern, den Kaufleuten aus Ravensburg, gesehen, so würde ich es kaum geglaubt haben. Die Lebensmittelgeschäfte sind offen bis Mitternacht, so kannst du zu jeder gewünschten Stunde in ihnen kaufen, was du willst. Es gäbe viel über diese Dinge zu schreiben, ich übergehe dies, weil ich mich kurz fassen möchte. Die Sarazenen haben ein eigenes Viertel, das mit einer Mauer umgeben ist wie bei den Juden von Regensburg 80 . In den Gemeinden und Ortschaften bei der Stadt gibt es fast ausschließlich Sarazenen, die sich fleißig der Bearbeitung des Bodens widmen. Am neunten Oktober verließen wir Valencia und durchquerten eine sehr schöne und besiedelte Ebene, 6 Meilen lang, danach kamen wir zum Ort und zur Burg von Alcira. Dieser Ort ist groß und bringt verschiedene Früchte im Übermaß hervor. Schon früh ritten wir dann 16 Meilen und zwei Tage lang durch eine schroffe und steile Bergwelt sowie vornehme Orte. Schließlich gelangten wir zu einem Ort und einer Ebene mit Flüssen, dort lag die Stadt Xàtiva/ Játiva mit einer sehr edlen Burg. Welch großen Kanal hat auch diese Stadt Játiva, der bestes Wasser führt und dessen Ursprung wir in der Nähe des Bergjoches passierten. Wir kamen zu der schönen Seestadt Alicante. Während wir durch eine bergige Gegend ritten, sahen wir fruchtbares Land mit Färberpflanzen, ebenso Kümmel oder Espartogras, mit Anis und anderen Pflanzen. Alicante liegt am Meer gegen Süden. Im Norden ragt ein sehr hoher Berg auf, auf dessen Gipfel eine wunderbare Burg steht 81 . Am Fuß des Berges liegt eine besiedelte Ortschaft mit ungefähr fünfhundert Häusern. Dort gibt es unter anderem eine Kirche der Heiligen Jungfrau Maria, die am Hauptaltar eine wunderbare Altartafel hat, welche die Inhaber der Kirche vor kurzem für 1500 Dukaten kauften 82 . Über die Früchte in Alicante Auf einem Berg am Meer gegen Westen findet man ein edles Mineralsalz, das man wie das Alaun gewinnt und das sie in verschiedene Häfen, zum Beispiel nach Genua und andere Orte transportieren. Es gibt in einem Tal des Küstenbereiches, das von Sarazenen bewohnt wird, Rosinen in solch großen Mengen, dass jedes Jahr etwa 10 oder 15tausend Zentner nach ganz Europa exportiert werden. Man bereitet diese auf folgende Art und Weise: Im August, wenn die Früchte und Trauben reif sind, setzen die Sarazenen eine Lauge aus der Asche von Weinstöcken und anderen kleinen Bäumen an; sie lassen diese 8 Tage lang in einem Gefäß ruhen. Schließlich sieden sie diese in einem großen Topf, und mit einem eisernen, durchlöcherten Schöpflöffel führen sie die Trauben in die siedende Lauge ein. Alles Verfaulte der Früchte wird durch die Lauge absorbiert und bleibt nicht in den Früchten. Sie nehmen die Früchte heraus berüchtigten Pobla, dem 1392 durch Mauern abgetrennten Bordellviertel Valencias, wohnte. Nicht weit davon entfernt hatte die Große Ravensburger Gesellschaft ihren Sitz, vgl. Jaspert, Gastgeber bes. S.-96. 80 Zur Aljama der Muslime vgl. Meyerson, Muslims S.-14, 28, 32, 89 und 154 f. Die Beschreibungen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen sind hier durchaus pointiert bis aggressiv. 81 Gemeint ist die auf die Antike zurückgehende, bedeutende Festung Santa Barbara. 82 Über die kurz vor Münzers Reise im Jahre 1484 fertiggestellte Marienkirche siehe Figueras Pacheco, Provincia S.-385-388. <?page no="65"?> Über die Früchte in Alicante 65 und legen sie 8 oder zehn Tage lang auf Binsenmatten zum Trocknen in die Sonne; schließlich füllen sie diese in Gefäße oder Kiepen aus Espartogras und verkaufen sie. Die Rosine wird auch in anderen Orten zwischen Valencia und Alicante hergestellt. Aber jener ist der wichtigste. Der Graf von Concentaina ist der unumschränkte Herr dieser Mauren 83 . Es gibt dort auch viele Ortschaften, (die Rosinen herstellen), eine heißt Aspe. Die Toledaner fügen (zur Herstellung der Rosinen) der Lauge Öl hinzu und wässern die Früchte in dieser Lauge. Dann nehmen sie sie heraus und trocknen sie. Anschließend besprengen sie sie mit ein wenig Honigwasser, dem etwas Mehl beigegeben ist, und bewahren sie in Körben auf 84 . Es wächst auch in den Meergegenden gegen Osten eine große Menge an Weißwein; allerdings noch mehr schwarzer Rotwein, der ‘Alakant’ genannt wird. Dieser wird nach England, Schottland, Flandern und in andere Orte Europas geschickt. In Flandern färbt und mischt man hiermit Rheinwein, um diesen etwas zu verstärken. Der Alakant-Wein wird in bewundernswert großer Menge hergestellt. An jenem Tag gab es dort 26 Schiffe aus der Biskaya, aus Flandern und anderen Gegenden, die dort mit Wein und anderen Dingen beladen wurden. In dieser Gegend werden ebenso Mandeln und Reis in großer Menge geerntet 85 . Dies sagte mir ein deutscher Kaufmann aus Kempten, ein sehr vertrauenswürdiger Mann namens Jodocus Schedler, der seit vielen Jahren im Namen der Handelsgesellschaft von Ravensburg dort kaufte und der uns große Ehren erwies 86 . Er versicherte mir, dass in vielen Jahren in diesem relativ kleinen Gebiet bis zu siebzig some 87 von süßen Mandeln gewonnen werden, die nach Flandern, England und an andere Orte transportiert werden. Und in ähnlicher Weise unzählbare Mengen an Reis. Am zwölften Oktober verließen wir Alicante und durchquerten eine unfruchtbare Ebene, die früher wegen der wegelagernden Sarazenen als sehr gefährlich galt. Wir ritten zwei Meilen und gelangten dann durch eine andere Niederung, die fruchtbar ist und durch Flüsse bewässert wird, zur Ortschaft Elche, was im Lateinischen „gemischt“ oder „Hermaphrodit“ bedeutet, denn dieser Ort liegt zwischen den Grenzen von Granada und von Valencia, manchmal begünstigten sie die Christen, manchmal die Sarazenen. Es ist ein sehr fruchtbarer Ort, der viel Öl hervorbringt. Nirgendwo gibt es mehr. Niemals habe ich bis heute so viele Palmen gesehen wie auf diesem Weg; die Datteln dieser Bäume sind, wenn sie reif werden, nicht ganz so süß wie in Afrika, weil diese Gegend weniger heiß ist. Oh, wie fruchtbar dieser Ort ist! Ihn bewohnen Christen und auch viele Sarazenen. Am 13. Oktober durchquerten wir eine unfruchtbare Ebene und einige Ortschaften der Sarazenen und gelangten nach 5 Meilen in die Stadt Orihuela, die in einer fruchtbaren und 83 Die Grafschaft Cocentaina entstand 1448 aus der gleichnamigen Baronie. Im ausgehenden 15. Jh. hatte das Geschlecht der Corella die Grafenwürde inne, vgl. Hinojosa Montalvo, Diccionario Valencia I S.- 589. Die deutschen Kaufleute schlossen in jenen Jahren sowohl mit den Muslimen als auch mit ihren adligen, christlichen Herren Verträge zum Kauf von Rosinen ab. Auch hierüber dürfte Münzer durch seine Valencianer Gastgeber informiert worden sein, denn sowohl die Ankenreuter-Gesellschaft als auch die Ravensburger Handelsgesellschaft (Humpis-Gesellschaft) exportierten in jenen Jahren Rosinen. 84 Es folgen Notizen (in der lat. Edition 10 Zeilen) auf einem nicht foliierten eingebundenen Einzelzettel zum Béarn, von späterer Hand wird auf Folio 210, 211 verwiesen, wo die Notizen, die weitgehend Ortsnamen bieten und die Ansiedlung durch Karl Martell erwähnen, hingehören, siehe in der Edition Münzer, Itinerarium (ed. Herbers) S.-82 und unten S. 183. 85 Münzer fängt mit seinen Bemerkungen schlaglichtartig den wirtschaftlichen Aufstieg Alicantes ein. 86 Jobst Schedler ist 1488 erstmals bezeugt; vgl. auch Schulte, Geschichte I S.-198. 87 Dies dürfte etwa 60 Hektolitern entsprechen. <?page no="66"?> 66 II. Von Perpignan bis Alhama bewässerten Gegend liegt. Es ist eine große Stadt mit 5000 Häusern, am Fuße eines südlich gelegenen Berges. Auf der Höhe des Berges gibt es eine vornehme Burg 88 . Die Stadt unterliegt der königlichen Jurisdiktion und ist 11 kleine Meilen von Cartagena entfernt, einer Seestadt, die früher Hannibal, der Afrikaner, gründete und Cartago Nova nannte. Heute ist sie verfallen, so wie andere (Orte), die zu einem kleinen Ort schrumpften 89 . Orihuela ist, wie ich bereits sagte, groß und wird von einem Fluss namens Segura bewässert, der über Murcia aus Kastilien kommt. Der Ort liegt an der Grenze des Reiches von Valencia. Wer aus der Stadt herausgeht, betritt sofort das Reich von Kastilien. Die Gegend von Orihuela ist fruchtbar, eben, reich an Datteln, Feigen und anderen edlen Früchten dieses Landes. Alle Bewohner sind Christen. Am 14. Oktober, nachdem wir 4 Meilen durch eine Ebene und fruchtbare Landschaft geritten waren, kamen wir zur sehr alten Stadt Murcia, die so groß ist wie Nürnberg, wie ich von einem sehr hohen Turm aus feststellte. Der Ort hat eine schmucke, große und gewölbte Kirche, die 82 Schritte breit und 130 lang ist, mit schönen Kapellen, einem großen Chorraum mit einem hervorragenden Chorgestühl sowie mit einem sehr schönen Kreuzgang. Sie ist Mariä Geburt geweiht und hat einen Bischof 90 . Die Stadt liegt in einer schönen und großen Ebene, die ähnlich wie Mailand vollständig von Bergen umsäumt ist. Es gibt einen Fluss mit Namen Secura, der das ganze Land durch verschiedene Wasserläufe bewässert. Es war früher ein eigenes Reich, das Reich von Murcia genannt. Heute gehört es zum Reich Kastilien 91 . Dort liegt die erste Stadt des Königreiches von Valencia im Südwesten. Früher unterstand sie dem Bischof von Cartagena. Nachdem inzwischen Cartagena zu einem kleineren Ort geworden ist, hat Murcia selbst einen eigenen Bischof 92 . Das Land ist sehr fruchtbar, es bringt Öl, Reis, Mandeln, Getreide hervor; alle Lebensmittel werden zu vorzüglichen Preisen verkauft. Am selben Tag verließen wir Murcia, und nach 6 langen Meilen durch ein ebenes Gelände, das überall vor allen Dingen mit Espartogras und einer Pflanze namens Kali-- in der Volkssprache nennen sie sie sosa-- bewachsen ist, kamen wir zu einem kleinen Ort, das heißt einem kleinen Dorf mit etwa 30 Häusern. Auf dem Berg steht eine wunderbare Burg, die Alhama heißt 93 . Wir trafen dort auf zwei Thermen mit heißem und klarem Wasser, in denen wir uns wuschen; es ist sehr gut für die Wassersüchtigen, für Koliken und andere Krankheiten. Wir fanden dort auch eine hervorragende Glaserwerkstatt. Sie nehmen zwei Teile der Asche von dem Kaligras, das sie sosa nennen, und einen Teil schneeweißen Sandes, der mit einem großen Stein fein zermahlen wird, und sie bearbeiten dies mit einem großen Mühlstein. Hieraus machen sie schließlich einen großen Teig, wie für enorme Brote, und brennen ihn im 88 Nordwestlich der Stadt gelegene, heute verfallene Burg aus muslimischer Zeit. 89 Anders als Münzer angibt, wurde Cartagena nicht durch Hannibal (†-183 v.-Chr.), sondern 226 v.-Chr. von Hasdrubal (†-221 v.-Chr.) neu angelegt. Der Name Cartagena leitet sich von Carthago Nova ab. Die Stadt wurde 425 und 615 zerstört. 90 Der Bau der Kathedrale Santa María wurde Ende des 14. Jh. begonnen und ersetzte die nach der christlichen Eroberung als Kirche genutzte islamische Freitagsmoschee. 91 1243 geriet Murcia unter kastilische Herrschaft. Nach der Besetzung durch Jakob II. von Aragón - wurde es in den beiden Verträgen von Torrellas (1304) und Elche (1305) geteilt. Dieser Zustand blieb bis zur Union mit Aragón 1474 bzw. zur Eroberung Granadas (1492) unverändert. 92 1251 wurde Murcia Bischofsitz, vgl. Alamo, Carthagène Sp. 1233. 93 Der Ort Alhama de Murcia liegt etwa 40 Kilometer südwestlich von Murcia. Die Burg geht auf die Zeit unter muslimischer Herrschaft zurück. Nach der Eroberung Granadas verlor sie ihre Bedeutung für die Grenzsicherung und verfiel. <?page no="67"?> Über die Früchte in Alicante - Murcia 67 Backofen 94 . Heraus kommt eine Mischung wie die Asche oder Pottasche, die wir „Waidasch“ nennen. Sie schmelzen diese Masse im Ofen und stellen verschiedene Arten von Glas unterschiedlicher Farbe her, durchsichtig und in verschiedenen Farbgebungen schicken sie dies in verschiedene Länder. Der Eigentümer zeigte mir alle - ein eindrucksvoller Anblick. Die genannte Pflanze wächst hier in so großem Übermaß wie Kraut in Deutschland. Sie ist ähnlich wie der Ginster hochgewachsen, und die Früchte gleichen der Frucht und den Blüten der Haselnüsse; sie sind grün und weich. Die (Glas-) Masse wird an verschiedene Orte gesandt. Wenn du ein kristallklares Glas wünschst, musst du mehr weißen und feinen Sand hinzufügen, der feiner ist als derjenige, der in Nürnberg in die (Sand-)Uhren gegeben wird. Noch bessere sosa wächst jedoch in Katalonien und Valencia; hieraus werden hervorragende Gläser hergestellt. Das Wasser auf der Höhe des Berges und der Burg ist kalt und angenehm, die Menge genügt für den ganzen Ort und die Landwirtschaft. Unten ist es hingegen heiß und versorgt einige schöne Thermen, wie ich schon oben beschrieben habe. Ich habe eine Stunde lang gebadet und bin gut und ausgiebig ins Schwitzen gekommen; 8 Tage lang spürte ich die Erholung des Körpers und meiner Kräfte 95 . 94 Die Asche des auf sandig salzigen Böden wachsende Kali-Salzkrauts wurde aufgrund seines hohen Gehalts an Alkalisalzen häufig für die Produktion von Natriumkarbonat (Soda) verwendet, das eine wichtige Rolle bei der Glasherstellung spielte. Kalziumoxid aus fein zerriebenem Sand stellte eine weitere wichtige Komponente dar, vgl. Kurzmann, Glastechnologie S.-33-35. 95 Die medizinische Experimentierfreude Münzers fand auch noch an anderen Stellen mit heißem Wasser ihre Befriedigung. <?page no="69"?> III. Von Lorca bis Sevilla Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 431, fol. 131v Am 15. Oktober verließen wir den kleinen Ort Alhama und gelangten nach der Durchquerung einer besonders ausgedehnten Ebene nach 6 Meilen zur Stadt Lorca, die am Fuße eines Berges liegt, auf dessen Spitze eine gut befestigte Burg mit einem hohen viereckigen Turm steht. Man sagt, dass es in ganz Kastilien keine vergleichbare Befestigungsanlage gibt 1 . Sie liegt an der südlichen Grenze Kastiliens, direkt vor Granada. Viele Jahre lang gab es fortwährend Krieg mit den Sarazenen von Granada, und immer erwiesen sich die Christen als tapfer und siegreich, indem sie den Sarazenen täglich Niederlagen zufügten 2 . Aus diesem Grunde fiel der König von Granada im Jahre 1478 mit einem Heer von dreißigtausend Fußkämpfern und fünftausend Reitern in jene Provinz ein. Er verwüstete Cartagena und machte viele Gefangene; aber weil den granadinischen Truppen Wasser und Essen während dreier Tage fehlten, waren sie bald erschöpft 3 . So griffen unerwartet und mit Gottes Hilfe die Christen von Lorca, von Murcia, Facheca und andere die Sarazenen mit 700 Pferden, 1 700 Fußkämpfern und zahllosen Armbrustschützen plötzlich an, und die Sarazenen, durch Hunger und Durst erschöpft, wurden in die Flucht geschlagen; mehr als fünftausend töteten sie auf einem großen Feld, das von Lorca eine Meile entfernt liegt. Wir ritten durch diese Gegend, und es wurde uns alles im Einzelnen gezeigt. Welch guten Boden aber Lorca besitzt, wie fruchtbar diese Gegend ist! Sie kann überall von einem kleinen Fluss bewässert werden. Der Ort hat, wie ich schon sagte, ein sehr stark bewehrtes Kastell. Ich glaube, dort sind ungefähr achthundert ebenfalls hervorragend zu verteidigende Häuser, die kontinuierlich von einem starken Heer bewohnt werden 4 . Wie vor- 1 Der Castillo de Lorca war im Mittelalter die größte Festung des Königreichs Murcia. Den Bergfried (Torre Alfonsina) ließ Alfons X. der Weise (†-1284) nach der Einnahme der Stadt am 28. Juni im Jahre 1244 erbauen, vgl. Alonso Navarro, Castillos S.-48-52 mit Lageskizze. 2 Die durch Kastelle gesicherte Grenze war immer wieder umkämpft, die Frontstellung Lorcas zu Granada ist Gegenstand zahlreicher Erzählungen und Lieder. Zum Grenzverlauf und den Auseinandersetzungen vgl. allgemein Ladero Quesada, Guerras mit Karte. 3 Für das Jahr 1478 ließ sich der Einfall eines größeren Heeres aus Granada in Kastilien mit anschließender Verwüstung von Cartagena nicht ermitteln. Zu den Auseinandersetzungen und Waffenstillständen (u. a. 1478) zwischen Kastilien und Granada in dieser Zeit vgl. allgemein Ladero Quesada, Guerras S.-42-50. 4 Wegen seiner Grenzlage war Lorca zunächst von Muslimen, nach der Eroberung dann von Christen weiter ausgebaut worden und durch ein stehendes Heer bewehrt. Seit der zweiten Hälfte des 13. Jh. unterhielt der Santiagoorden Gebäude in Lorca und dürfte sich auch militärisch engagiert haben, vgl. Burns, Kingdom S.-178. <?page no="70"?> 70 III. Von Lorca bis Sevilla züglich und aromatisch die im Übermaß dort vorhandenen Früchte sind! Es hingen zu dieser Zeit sogar noch einige sehr große Birnen an den Bäumen. Über den Einzug in das Reich Granada von Kastilien aus Am 16. Oktober überschritten wir die Grenze von Kastilien und betraten das Reich Granada 5 . Nachdem wir 9 Meilen durch recht fruchtbare Landstriche, jedoch ohne Fluss und Bewohner, geritten waren, kamen wir zur ersten Stadt des Reiches von Granada, die Vera heißt. Es gibt dort einen Berg in einer schönen und fruchtbaren Niederung und auf dessen Spitze ein bemerkenswertes Kastell 6 . Am Fuße des Berges liegt rundherum der Ort mit 600 Häusern. Weil er sich an der Grenze befindet, bewohnten ihn seit der Vertreibung der Sarazenen nur noch Christen. Am Fuße des Berges und der Stadt gibt es lebhaft sprudelnde Quellen, deren Wasser die Einwohner versorgt. Der Ort liegt wunderbar eine halbe Meile vom Meer entfernt und verfügt über einen kleinen Fluss, der mit seiner Bewässerung das Land ziemlich fruchtbar macht. Aber der größte Teil des Ortes ist in einem beklagenswerten Zustand, weil nach Vertreibung der Sarazenen die Kämpfer des spanischen Königs viel zerstörten 7 . Am 17. Oktober verließen wir Vera und gelangten über sehr hohe, furchterregende und unfruchtbare Berge und Täler, in das innere (Reich) Granada, zu einer kleinen Stadt namens Sorbas, die auf einem sehr hohen Berg 6 Meilen von Vera entfernt liegt. Und weil nur Muslime sie bewohnten, nahmen wir unser mitgenommenes Essen am Fuße des Berges ein, bei einer sprudelnden Quelle, und hörten sie um die Mittagsstunde herum vom Turm des Ortes nach ihrem Brauch schreien. Nachdem wir an diesem Tag noch einen sehr weiten Weg zurückgelegt hatten, kamen wir nach 5 Meilen recht spät, in stockfinsterer Nacht, im Ort Tabernas an, der ebenso voll von Sarazenen ist mit Ausnahme eines einzigen Christen, in dessen Hause wir beherbergt wurden. Über den Hafen Almería und die Stadt (im Reich) Granada Am 18. Oktober ritten wir von Tabernas zwei Stunden vor Sonnenaufgang zwei Meilen, bei Sonnenaufgang sahen wir dann ein sehr schönes Tal und ein kleines Flüsschen, an beiden Ufern schöne Gärten und Felder mit Oliven, Palmen, Feigen und Mandeln, als ob wir ein Paradies durchquerten. Dort gewahrten wir auch einen Aquädukt, der von einem fließenden Gewässer aus große Wassermengen etwa eine Meile weit zur Stadt beförderte. Als wir uns der Stadt weiter näherten, erblickten wir wunderschöne Gärten mit Ummauerungen, Wasser- 5 Das Reich Granada war 1492 von den Muslimen zurückerobert worden, deshalb ist Münzers Bezeichnung nicht ganz exakt. 6 Aus strategisch-militärischen Gründen wurde die - vielleicht ursprünglich phönizische - Siedlung Vera wohl nach dem Vertrag von Alcaraz (1243, Grenze nun der Río Almanzora) auf den Cerro del Espíritu Santo verlegt, auf dem sich möglicherweise noch Befestigungsanlagen befanden (archäologische Funde), vgl. Cara Barrionuevo/ Ortiz Soler, Modelo S.-311-313; zur Burg mit Grundriss ebd. S.-323. 7 Vera wurde im Juni 1488 erobert. Die Nachricht von den Zerstörungen dieses Ortes ist wohl nur hier überliefert. Möglicherweise entstand Münzers Eindruck aufgrund ortstypischer, wohl ärmlich anmutender Bauweise oder weiteren Zerstörungen durch Erdbeben. <?page no="71"?> Über den Hafen Almería 71 becken, Türmen und Wasserspielen, die in der Art und Weise der Heiden gebaut waren. Es gibt nichts Großartigeres! Die Stadt liegt am Fuße eines Berges, gegen Süden erstreckt sich das offene Meer, und auf dem Berg steht eine sehr hochaufragende und sehr große weitläufige Burg mit vielen eisernen Toren 8 . Zurzeit errichtet der König auf der Spitze des Berges ein neues Kastell auf den Mauern des alten; es ist aus hartem behauenen Stein gebaut und erweckt Erstaunen. Er ließ auch einen bemerkenswerten quadratischen Garten anlegen, in dessen Mitte fließendes Wasser aus einem Rohr sprudelt. Wir sahen dort auch viele Gefangene in eisernen Fußfesseln arbeiten. Der Kastellan erwies uns jedoch große Ehren, er war ein adliger und sehr gelehrter Mann, der in Neapel geboren war. 9 Er zeigte uns alle Waffen, die man von den Sarazenen erbeutet hatte. Es gab Bögen, Katapulte, Schwerter, Pfeile in unzähliger Menge. Wir sahen ebenso einen sehr großen Straußen mit tiefschwarzen Federn. Der Kastellan führte uns auch zu seiner bildhübschen Frau 10 , die sich sehr nett mit mir unterhielt und mir Empfehlungsschreiben für den Vorsteher von Granada mitgab 11 . Die Kastellane heißen aber in ihrer Sprache „Alkayr“ 12 . Die Stadt (Almería) ist dreieckig. Sie ist von einer Mauer mit vielen Türmen umgeben, im Inneren jedoch durch ein Erdbeben und seit der Eroberung so sehr beschädigt, dass sie an vielen Orten zerstört und unbewohnt ist 13 . Früher hatte sie fünftausend bewohnte Häuser, heute sind es kaum achthundert, und jeder Fremde, der dort mit dem Wunsch ankommt sich niederzulassen, erhält umsonst Haus, Gärten, Felder und Olivenhaine, damit er sich leicht ernähren kann 14 . Deshalb dürfte die Stadt bald wieder besiedelt sein. 8 Stadtstruktur, -entwicklung und Lage knapp bei Torres Balbás, Almería hier S.-416-447 mit Karte zwischen S.-428 und 429; Darstellung der baulichen Entwicklung Cara Barrionuevo, Almería S.-37-135, zur Alcazaba bes. S.-247-256. Hierzu auch Ders., Alcazaba bes. S.-169 (mit Zitat Münzers). 9 Identifizierung unsicher; möglicherweise ist der Alkalde Don Gutierre de Cárdenas gemeint (†-1503), vgl. Ladero Quesada, Granada S.-207-221, hier S.-208 f. Er besaß jedoch keine neapolitanischen Wurzeln, vgl. Sánchez de Rivera, Don Gutierre, zu Abkunft und Familie S.-174-181. 10 Gutierre de Cárdenas (†- 1503) war mit Teresa Enríquez de Velasco (†- 1529), Tochter von Don Alfonso Enríquez de Quiñones (†-1485), III. Almirante von Kastilien, verheiratet. Ihr Bruder Fadrique Enríquez de Mendoza y Velasco (†-1537), IV. Almirante von Kastilien, war mit Anna de Cabrera, Gräfin von Modica (Sizilien), verheiratet, vgl. Früh, Antonio Geraldini S.-36. 11 Das Empfehlungsschreiben ist nicht erhalten. 12 Münzer nennt hier zwar das spanische Wort Alcaide (von arabisch al-qā’id), meint aber wahrscheinlich Alcalde/ Alkalde. Diese Amtsbezeichnung leitet sich von arabisch al-qā’id „Richter“ ab und wird schon um 1490 im Sinne von praefectus verwendet, obgleich die Bezeichnung für einen Richter häufiger ist, vgl. Corominas/ Pascual, Diccionario 1 S.-127. 13 Zu 1487 wird die Zerstörung eines Turmes und großer Teile der Mauer Almerías durch ein Erdbeben in den Quellen erwähnt. Vgl. zu den Erdbeben in Almería und ihrer möglichen Datierung Espinar Moreno, Estudios bes. S.-132-134 (unter Bezugnahme auf Münzer). 14 Nach der Kapitulation am 10. Dezember 1489 ermöglichten verschiedene Verträge die Kontinuität arabischer Siedlung in Almería mit Ausnahme der wegen der strategischen Bedeutung durch christliche Truppen besetzten Alcazaba. Erst nach Niederschlagung von Aufständen im Frühjahr 1490 wurden die Rebellen mit Dekret vom 20. August 1490 zum Verlassen der Stadt gezwungen. Die freigewordenen Besitzungen wurden nach bestimmten Schlüsseln fünf Gruppen von Siedlern zugewiesen, vgl. mit Quellenauszügen Martinez San Pedro, Repobladores S.- 721-724, sowie Dies., Poblacíon mit einer Auflistung der 441 namentlich genannten neuen christlichen Siedler. - Allgemein zur „Siedlungspolitik“ in Granada unter den Katholischen Königen Ladero Quesada, Granada insbes. S.-5-13. <?page no="72"?> 72 III. Von Lorca bis Sevilla Über die Moschee in Almería Die Moschee, das heißt die Hauptkirche von Almería, gehört zu den schönsten im ganzen Reich von Granada 15 . Vor dem Krieg und vor dem Erdbeben gab es so viele Kaufleute, dass in der Stadt und der Umgebung jedes Jahr mehr als zweihundert Zentner Seide umgesetzt wurden. Wegen dieser und wegen anderer Reichtümer erscheint jener teuflische Tempel- (! ) hervorragend ausgestattet. Er ist wunderschön und hat mehr als achthundert Säulen. Zu Zeiten der Sarazenen brannten im Innern den ganzen Tag lang mehr als hundert Lichter. Wir besuchten auch den Raum, in dem das dem Tempel geschenkte Öl aufbewahrt wird, sowie den geheimen Ort, wo ihr Kali 16 , das heißt der oberste Priester, zu den Gläubigen sprach. Im Zentrum der Kirche gibt es einen großen quadratischen Garten mit Zitronen- und anderen Bäumen sowie mit Marmorstatuen gesäumt; in der Mitte plätschert fließendes Wasser, wo man sich, entsprechend den Riten, vor dem Eintritt in den Tempel wusch. Die Moschee ist sehr schön, sie ist 113 Schritte lang und 72 Schritte breit. Man sagte mir, dass es zu Zeiten der Sarazenen 50 Priester gab, die Fakini 17 genannt wurden; sie standen dem Gottesdienst vor, und jeden Nachmittag stiegen 12 oder 14 von ihnen zum Turm hinauf und mit verstopften Ohren und weißgekleidet schrien sie entsprechend ihren Gebräuchen: „Halo, halo“ und so weiter 18 . Anschließend spielten sie auf ihren Trompeten. Danach wagte keiner, ohne ein Licht durch die Straßen zu gehen. Heute ist die Moschee der seligen Jungfrau Maria geweiht, es gibt einen Bischof und etwa 20 Kanoniker. Zur Zeit der Sarazenen bezog dieses Gotteshaus eine Jahresrente aus den Besitzungen, Feldern und Gärten, die sechsundsechzigtausend Reales betrug, was 600 Dukaten entspricht 19 . Über diese Einnahmen verfügen nun die Kirche, der Bischof und die Kanoniker. Der Ort besitzt weitere kleine Moscheen, deren gesamte Einkünfte nun dem Bischof und dem Klerus zukommen, weil die Gotteshäuser der Kathedralkirche inkorporiert wurden. Ebenso gibt es jährliche Einkünfte von 24 000 rubae an Öl für die Lampen, eine Abgabe, die etwa fünfhundert Zentnern unserer Rechnung entspricht 20 . Zwei vertrauenswürdige Deutsche, die den Kastellan gut kannten, einer namens Andreas aus Fulda, einer Stadt in Hessen, und der andere, Johannes aus Straßburg 21 , versicherten mir, sie hätten gesehen, dass im obersten Teil der Moschee an verschiedenen Stellen Glocken aufgehängt seien, welche sie den Christen in verschiedenen Kriegszügen abgenommen hätten. Diese Glocken hätten sie überall durchbohrt und auf der Konvexseite viele Ringe mit kleinen Kandelabern versehen, 15 Wie bereits 1147 nach der Eroberung Almerías durch König Alfons VII. (1126-1157) (vgl. Herbers, Iberische Halbinsel bes. S.-34-37) wurde nach der Einnahme der Stadt durch die Katholischen Könige 1489 die Moschee von 1492 bis 1522 (weitgehende Zerstörung durch Erdbeben) als Kathedrale genutzt, vgl. Torres Fernández/ Nicolás Martínez, Aportación bes. S.-773-777 mit Rekonstruktionsplänen auf S.-783-785. 16 Funktion und Bedeutung des Kali vgl. Arnold, Khalīfa bes. S.-945. 17 Ursprünglich wurde mit dem Begriff faqīh ein gebildeter und einsichtsvoller Mensch bezeichnet, im Lauf der Zeit erfolgte dann der Wandel zu „Theologe“ und schließlich „Rechtsgelehrter“, vgl. Macdonald, Faḳīh. 18 Traditionell besteht der muslimische Gebetsruf aus sieben Formeln. Das laut gerufene „Allah“, der Name Gottes, kehrt mehrfach wieder. „Halo“ beruht wohl auf der verzerrten Wahrnehmung des Ausgerufenen. Der Muezzin durfte sich wohl das Ohr mit dem Zeigefinger der rechten Hand zuhalten. 19 Der Real wurde seit dem 14. Jh. zur gängigen Münzeinheit der spanischen Reiche, vgl. Ladero Quesada, Política S.-82. 20 Vielleicht ist das kastilische „arroba“ gemeint, allerdings entsprächen 500 Zentner nur 2000 arrobas. 21 Beide Personen sind nicht sicher zu identifizieren. <?page no="73"?> Über die Moschee in Almería 73 in die sie Lichter stellten, zuweilen in einer Glocke bis zu dreihundert Lampen 22 . So brennen nachmittags zweitausend oder mehr Lampen in der Moschee. Wir sahen vor dem Altar auch zwei große Leuchter mit Kristallen verschiedener Färbung, die sie aus Mekka in Arabien, wo Mohammed begraben ist, herbeigebracht haben. Es ist nicht verwunderlich, denn die Seestädte, die vom Handel leben, wachsen und schrumpfen schnell. Über die Entfernung Almerías zu Afrika und zur Berberei Almeria ist 25 Meilen von der Stadt Orán im Reich der Berber entfernt. Gegen Osten liegt ein größeres Vorgebirge in etwa 8 Meilen Distanz, das Cabo de Gata. Von da aus kann man an einem klaren Tag die afrikanischen Berge sehen. Dieses Vorgebirge liegt etwa 20 Meilen von der Berberei; bei gutem Wind segelt man in 12, 16 oder 20 Stunden bis nach Orán. Tremesin liegt auf dem afrikanischen Kontinent 30 Meilen von Orán entfernt und ist größer als Valencia. Wir sahen im Hafen von Almería ein Schiff, das mit Feigen, Bohnen, Reis und anderen Lebensmitteln beladen war und nach Orán in See stechen sollte. Weil es dort drei Jahre lang nicht geregnet hatte, herrschte eine so große Hungersnot in Afrika, wie man sie kaum beschreiben kann. In jenen Tagen hatte auch ein Genuese heimlich ein Getreideschiff von Andalusien nach Tunis gesteuert. Dort kaufte er mit großem Gewinn Seide und brachte 300 Sarazenen von Tunis nach Granada. Diese drängte er, für ein Jahr in Spanien zu bleiben 23 , und nahm von jedem von ihnen eine Dobla für die Überfahrt ein 24 . Über die neuerbauten Klöster Drei Klöster gibt es inzwischen dort 25 . Der König gewährte ihnen in der Stadt einen sehr schönen Ort mit Häusern der Heiden, großen und schönen Gärten, mit Aquädukten, Wasserläufen und Kanälen im Stile der Sarazenen. Der größte Teil aller dieser Häuser besitzt Brunnen oder Wasserläufe mit oberen und unteren Läufen sowie gutem Wasser, mit Wasserbecken aus Stein, Gips oder anderen Materialien, um das Wasser aufzubewahren. Die Sarazenen sind nämlich sehr erfinderisch in der Anlage von Aquädukten. 22 Lampen gehören zur Standardausstattung einer Moschee. Sie werden vor allem bei den abendlichen und nächtlichen Ritualen benötigt. Der Raub von Glocken bei den militärischen Raubzügen der Muslime ist mehrfach belegt. Bekannt ist derjenige al-Mansūrs am Ende des 10. Jh. in Santiago de Compostela, vgl. Herbers/ Santos Noia, Liber S.-227. 23 Dies wird wohl hervorgehoben, weil der Handel Regelungen unterlag, gerade in der Eroberungszeit, vgl. allgemein Tapia Garrido, Historia 7 S.- 322-325 sowie zum Genueser Handel mit Tlemcen und Orán López de Coca Castañer, Orán. 24 Eine Dobla entsprach zur Zeit Heinrichs IV. 240 Maravedis, vgl. zur Entwicklung der Münze im 15. Jh. Ladero Quesada, Política S.- 81 sowie Martín-Peñato Lázaro, Política S.- 72-75. Eine Dobla war der festgesetzte Preis, den ausreisewillige Muslime nach der Kapitulation von Granada für die Ausreise nach Afrika entrichten mussten. 25 Für die Gründung der Klöster San Francisco, San Domingo y la Santissima Trinidad sowie des Klarissenklosters Santa Clara (Tapia Garrido, Historia 7 S.-190 f.) bekam Diego de Vargas 1491 die Anweisung, alle notwendige Ausstattung zu bewerkstelligen, vgl. Tapia Garrido, Historia 7 S.-181 f. <?page no="74"?> 74 III. Von Lorca bis Sevilla Sehr gut gebaut sind die Häuser des Prediger- und Minoritenordens des heiligen Franziskus. Die Mönche führen ein zölibatäres Leben. Ihre Frömmigkeit sagte uns ausgesprochen zu. Über den Bananenbaum Am 19. Oktober, dem Tag des heiligen Lukas 26 , betraten wir das Kloster des Predigerordens 27 . Sie waren sechs Brüder. Der König gab ihnen, wie ich schon sagte, ein hervorragendes Kloster, einen Ort mit wertvollen und ausgedehnten Gärten, mit vielen Palmen und Dattelpalmen. Die Anlage gehörte früher den reichsten Sarazenen und genügt zu ihrem Lebensunterhalt. Außerdem verfügen sie über reichlich fließendes Wasser. Als wir in das Kloster der Franziskaner 28 hineingingen, bemerkten wir, dass sie einen noch besseren, wenn auch nicht so ausgedehnten Platz erhalten hatten, ebenso mit vorzüglichem Wasser, das aus einer Röhre rann. In einem ihrer Gärtchen sahen wir jenen berühmten Baum aus Ägypten, der Bananen 29 trägt. Es waren fünf oder 6 Bäume, einer von ihnen war 5 oder 6 Ellen lang, so dick etwa wie mein Bein unterhalb des Knies. Die Bäume haben sehr große Blätter, die etwa zwei Fuß oder mehr breit und zehn oder zwölf Fuß lang sind. Die Frucht wächst als Dolde, wie beim Rizinus, dem Fünffingerkraut und der Weintraube. Die Früchte sind groß und lang wie Gurken. Auf einer Dolde gibt es 30, 40 oder 50 Früchte, und wenn man sie mit einem Messer teilt, erscheint überall ein Kreuzeszeichen 30 . Wenn sie reif ist, ist die Frucht mild wie die Feige, aber dort reift sie nicht so gut wie in Ägypten oder in Afrika. Wir sahen auch in zwei anderen Häusern noch weitere Bäume dieser Art mit ihren doldenartigen Früchten. Ich glaube, dass sie eher zur Zierde als zur Nutzung gepflanzt werden, weil, wie ich bereits sagte, die Früchte nicht so gut reifen wie zum Beispiel die Datteln. Hätte ich es nicht mit meinen eigenen Augen gesehen, hätte ich nicht geglaubt, dass dieser Baum sogar in Europa wächst. Aber weil die Gegend sehr warm ist und nahe bei Afrika liegt, würden die Leute dort sehr schlecht leben, wenn das Wasser nicht aus den Quellen und Flüssen über Kanäle an die verschiedensten Orte geführt würde. Zwei Jahre lang gab es kaum Regen, aber schon vom siebten bis zum zehnten Oktober hatten Valencia, die Küste von Granada, Katalonien und Kastilien ertragreiche Niederschläge, für die sie Gott unendlich dankten. Oh, wie schön waren wohl erst diese Gärten zur Herrschaftszeit der Sarazenen, die sehr begabt sind, um Gärten anzulegen, Früchte zu pflanzen und Aquädukte zu bauen. Wenn man dies nicht selbst sieht, ist es schwer zu glauben. 26 Eigentlich also am 18. Oktober. 27 Zum Dominikanerkonvent Tapia Garrido, Historia 7 S.-183-186. 28 Zum Franziskanerkonvent ebd. S.-188 f. 29 Der Beschreibung nach handelt es sich wohl um einen Bananenbaum; den Bananenbaum erkennt auch Coulet, Jardins hier S.- 207 f. Der allgemeinen Kenntnis der Zeit entsprechend wird seine Herkunft aus Ägypten angenommen. In Granada ist die afrikanische Pflanze schon früh angesiedelt worden, vgl. Hoenerbach, Humanist S.- 63 mit Anm. 63. - Unklar ist hier die Verwendung des Begriffs arbor muzi (vgl. muz/ mauz, arab. für „Banane“) für den Paradies(apfel)baum, die sich auch in Reiseberichten europäischer Jerusalempilger findet, vgl. dazu Wis, Fructus S.-12-33. 30 So zeigt auch die Frucht dieses Baumes ein Kruzifix, so z.-B. die Nachricht von Hans Tucher (1479-1480), vgl. Herz, Reise S.-588. <?page no="75"?> Über den Bananenbaum 75 Am selben Tag verließen wir Almería nach dem Mittagessen und sahen vor der Stadt eine hohe gemauerte Säule, an der 6 Christen aus Italien, die der Sodomie überführt worden waren, an den Füßen hingen. Zuerst hatten sie diese am Hals aufgehängt, wie wir es zu tun pflegen, dann jedoch an den Füßen. Vor dem Urteil schnitten sie ihnen die Geschlechtsteile ab und befestigten sie am Hals, denn die Spanier verachten dieses Laster sehr und bestrafen es äußerst hart 31 ; dies zu Recht, denn es ist gegen die Natur und tierisch. Wir folgten einem sehr fruchtbaren Tal, und nach 5 Meilen schlugen wir das Nachtlager auf. Am 20. Oktober brachen wir drei Stunden vor Sonnenaufgang auf, stiegen kontinuierlich 7 Meilen lang bei hellem Mondschein einige sehr unwegsame Berge hinan, und kamen schließlich zu einer schönen Burg, die Fiñana genannt wird. Dort führte uns der Kastellan, der aus der Biskaya stammte und sehr höflich war, zu den Befestigungen und zeigte uns einen äußerst schönen Straußenvogel mit üppigem grauem Gefieder. Ebenso präsentierte er uns einen weißen Bären, mit dem er die großen Hunde spanischer Rasse spielen ließ, um uns zu unterhalten. Er bat uns, 2 Tage zu bleiben, damit er für uns eine Wildschweinjagd organisiere, denn Wildschweine gibt es dort in den hohen Bergen in großer Anzahl, vor allem westlich des dortigen Schlosses. Er zeigte uns das große Geweih einer Bergziege, die man in der Volkssprache „Steinbock“ nennt und die er in jenen Bergen erjagt hatte; er erläuterte uns auch die Fenster der Mauren, die alle mit großen Fellen von Wildschweinen geschmückt waren. Nachdem wir mit Essen und kaltem Getränk über die Maßen gestärkt worden waren, ritten wir durch eine unfruchtbare Ebene, etwa 4 Meilen lang, und kamen spät zu vorgerückter Nacht in die Stadt Guadix. Wir besichtigten sie früh am nächsten Morgen. Über die Stadt Guadix im Reich Granada Die Stadt Guadix liegt in einer schönen Ebene, in der Nähe eines hübschen königlichen Schlosses, das sich auf einem anliegenden Hügel befindet 32 . Ich glaube, dass die Stadt im Umfang etwa Nördlingen in Schwaben entspricht. Nachdem die Sarazenen aus Guadix vertrieben worden waren 33 , leben dort nur noch Christen. Es entstanden zwei sehr schöne Klöster vom Orden des heiligen Franziskus und von den Predigern 34 sowie weitere. Die dortige, ziemlich schöne Moschee hat eine hexagonale Form und circa 70 freistehende Säulen, in der Mitte einen schönen überdachten Garten, in dessen Zentrum fließendes Wasser für die üblichen Reinigungen zur Verfügung steht. Die Kirche 31 Ein königlicher Erlass von Ferdinand II. und Isabella I. aus dem Jahre 1497 stellte Verhalten contra naturam der Häresie und Majestätsbeleidigung gleich und damit unter schwere Strafe mit dem Argument, die bisherige Rechtsprechung habe zur adäquaten Bestrafung nicht ausgereicht, vgl. Hoenerbach, Humanist S.-52 Anm. 26. 32 Gemeint ist mit dem castellum wohl die Alcazaba, in der auch der Alkaide Hurtado de Mendoza residierte, hierzu Asenjo Sedano, Guadix la ciudad S.-242 f. (zur Verortung Karte nach S.-12). 33 Nach der Einnahme der Stadt (1412, 1430, 1489) erhielten die Muslime zunächst weitreichende Rechte, erst nach den Aufständen von 1490 setzten offenbar verstärkt Auswanderungen ein. Die Wohnstätten der verbliebenen Sarazenen konzentrierten sich auf die Morería, vgl. Espinar Moreno, Arrendamiento S.-62. 34 Das Franziskanerkloster wurde wohl um 1492 errichtet. Münzers Bemerkung legt nahe, dass das Dominikanerkloster bereits vor dem häufig angegebenen Jahr 1500 (urkundliche Nachrichten) bestand, vgl. Asenjo Sedano, Guadix: Guía histórica S.-119-127. <?page no="76"?> 76 III. Von Lorca bis Sevilla ist heute der Jungfrau Maria geweiht 35 . Sie hat einen Bischof und 12 Kanoniker, die von den Einkünften leben, die früher die Moschee zu Zeiten der Sarazenen erhielt. Wir stiegen auf den Turm und sahen uns die Ortslage an, wir erkannten eine große und schöne, fruchtbare Ebene, vor allem, weil kleine Flussläufe diesen üppigen Boden bewässern. Weil Guadix relativ hoch gelegen ist, wachsen dort keine Küstenfrüchte wie Zitronen, Apfelsinen und Oliven, dafür aber gigantische Bäume, so Nuss-, Mandel-, Feigen-, Apfel- und Birnbäume, ähnlich wie man sie in Italien diesseits des Po findet 36 . Wir sahen sogar, dass der Ort von einer geschlossenen Bergkette umgeben war, und erblickten besonders hohe Berge im Südwesten, auf die in jenen Tagen Schnee gefallen war, jedoch war es im Tal noch milder. Dieser Ort gefiel uns sehr gut, er ist recht dicht bevölkert. Die Dörfer (lugarde), welche die Deutschen Villae nennen, sind in der Regel höchstens von Sarazenen bewohnt, die nur karge Mahlzeiten zu sich nehmen und nur Wasser trinken. Der größte Teil des Bodens wird kultiviert, und es wird Ackerbau betrieben. Ein Heide gibt seinem Herrn im Jahr mehr Abgaben als drei Christen. Die Sarazenen sind ehrlich, gerecht und meistens treu, wie du nachher über ihre Sitten hören wirst 37 . Am 21. Oktober verließen wir Guadix auf schmalen und bergigen Wegen und kamen nach einer Meile an heißen Quellen mit heilsamem und sehr klarem Wasser vorbei. Als wir in die Höhle traten, sahen wir dort viele Sarazenen sich waschen. Ich versuchte das Wasser selbst und befand es für gut, angenehm und wohl temperiert. Der Ort gefiel mir, er war hervorragend angelegt, denn die Sarazenen lieben das Baden sehr 38 . Wir reisten weiter, wie ich schon sagte, und kamen nach drei Meilen zur Burg von La Peza, die auf einem hohen Berg liegt; dort verbrachten wir die Nacht. Alle Bewohner dort waren Sarazenen außer dem Kastellan, unserem Gastgeber, der uns am Fuß des Berges Unterkunft gewährte. Am Morgen setzten wir unseren Weg durch Täler und Berge 6 Meilen lang fort und gelangten schließlich zu der edelsten und größten Stadt des Reiches, die Granada heißt. Über Granada und die dortige Moschee Am 22. Oktober betraten wir nach Mittag die glorreiche und sehr große Stadt Granada, wir folgten einer breiten Straße, kamen an unzähligen Sarazenen vorbei und wurden schließlich in einer guten Herberge empfangen. Darauf gingen wir zu ihrer Hauptmoschee, die sich von allen anderen abhebt, und konnten sie nur barfuß betreten 39 . Wegen des Regens war der Boden lehmig. Innen war alles mit feinen Teppichen aus weißen Binsen ausgestattet, ganz ähnlich die Säulen. Die Moschee ist 76 Schritte breit und 113 Schritte lang. Im Zentrum steht ein kleiner 35 Die Moschee wurde nach der Eroberung 1489 bis zum Baubeginn der heutigen Kirche 1597 als Kathedrale Santa María de la Encarnación genutzt, vgl. Asenjo Sedano, Catedral S.-17-27; mit Verweis auf die vorliegende Textstelle für das Aussehen bis etwa 1496 ebd. S.-22. 36 Diese Kenntnisse gehen wohl auf Münzers Studienzeit in Italien zurück. 37 Siehe unten S. 92-94. 38 Zur Nutzung von Bädern durch die Reisegruppe im Zusammenhang mit medizinischen Aspekten der Zeit vgl. Hurtienne, Arzt S.-60-62. 39 Zur Hauptmoschee Fernández Puertas, Mezquita insbes. S.- 45-47 mit Rekonstruktion S.- 56-58 (Plan S.- 58): Die Moschee war ab 1501/ 02 projektierter Kathedral- und Bischofsitz; die Sakristei der heutigen Kathedrale befindet sich an der Stelle der ehemaligen Moschee. Ab 1523/ 1528 wurde ein neuer Kathedralbau unter den Baumeistern Enrique Egas und Diego de Siloé errichtet. <?page no="77"?> Über Granada und die dortige Moschee 77 Pavillon mit einem Brunnen für Waschungen; es gibt neun Schiffe oder Anordnungen von Säulen: In jedem Schiff sind 13 freistehende Säulen und 14 Bögen, außer bei den Säulen an der Seite der Gärten und der Pavillons. Wir sahen auch viele Lampen brennen und ihre Priester, welche die Horen nach ihrer Art sangen: Man glaubt eher, es sei Heulen als Gesang. In der Tat ist diese Moschee mit großen Kosten errichtet worden. In der Stadt gibt es viele andere Moscheen, die kleiner sind, es sind mehr als zweihundert. In einer sahen wir, wie sie ihre Gebete verrichteten, indem sie sich beugten und zu einer Kugel krümmten, wie sie die Erde küssten und sich beim Gesang des Priesters an die Brust schlugen, nach ihren Riten bitten sie Gott so um Verzeihung für ihre Sünden 40 . Wir sahen auch einen äußerst großen Kandelaber, auf dem an ihren Festtagen mehr als hundert Lampen brennen; sie verehren Gott hauptsächlich mit dem Licht und mit dem Element Feuer. Sie glauben, was richtig ist, dass Gott Licht vom Licht ist 41 und dass von ihm alles geschaffen wurde. In jener Nacht war vor dem Morgengrauen ein solches Schreien von allen Türmen der Moscheen zu hören, dass man es kaum glauben mag. Was dieses Schreien bedeutet, wirst du später erfahren 42 . Es gibt weder Bilder noch Skulpturen in ihren Moscheen, was auch im alten mosaischen Gesetz verboten ist 43 . Wir lassen hingegen Bilder und Gemälde zu, weil sie wie die Schrift für Laien sind. Außerhalb jener Moschee gibt es ein Haus, in dessen Mitte ein 20 Schritte langes Marmorbassin steht. Dort waschen sie sich, bevor sie die Moschee betreten. In der Umgebung gibt es kleine Gebäude mit Wasserläufen für ihre Abtritte und Kloaken. Diese sind in Form eines langen Grabens über der Erde, etwa eine Elle breit und eine Handbreit tief. Darunter fließt Wasser. Sie haben auch eine kleine Rinne zum Urinieren. Alles dies ist sehr sorgfältig und hervorragend konstruiert, so dass es bewundernswert ist. Ebenso befindet sich dort ein vorzüglicher Brunnen mit Trinkwasser. Über das Schloss Granadas, das Alhambra heißt Am 23. Oktober gingen wir frühzeitig durch das Tor von Elvira 44 , durch das man nach Córdoba gelangt. Auf dem Weg sahen wir den Friedhof der Sarazenen, der, wie ich glaube, tatsächlich zweimal größer ist als ganz Nürnberg, dies bewunderte ich sehr. Mir sagte Johannes aus Speyer 45 , ein vertrauenswürdiger Mann, dass jeder Sarazene in einem neuen und eigenen Grab beigesetzt wird. Sie bauen die Grabmäler mit vier steinernen Tafeln, so klein, dass kaum 40 Bei der Prostration berührt der Betende mit seiner Stirn den Boden, was wie ein Kuss aussehen kann. Sie schließt damit, dass der Betende sich auf seine Fersen setzt und spricht „Mein Gott, vergib mir! Mein Gott, vergib mir! “, vgl. Watt/ Welch, Islam S.-283. 41 Raimund von Marseille, Lumen luminum, ist eine pseudo-aristotelische Schrift, die aber nicht aus dem Arab. übersetzt wurde. Vgl. Schmitt/ Knox, Pseudo-Aristoteles S.-40 f. Vgl. auch das christliche Glaubensbekenntnis mit dem Passus lumen de lumine (Licht vom Licht). 42 Siehe unten S. 79 und 93. 43 Der Koran enthält zwar kein ausdrückliches Bilderverbot, die göttliche Wahrheit gilt indes als nicht darstellbar. Vgl. allgemein Schimmel, Ausdrucksformen S.-284-290 zur Kunst im Islam. 44 Die noch heute erhaltene Puerta de Elvira wurde im 11. Jh. erbaut. 45 Dieser Johannes gehörte wohl in Granada zu den Begleitern und Informanten, vermutlich handelte es sich um einen Buchdrucker. Geldner, Drucker S.-636 Anm. 5 vermutet eine Zugehörigkeit zur bekannten Druckerfamilie Drach. - Zu den deutschen Buchdruckern in Granada vgl. Herbers, Murcia S.- 175-177 mit Anm. 74-77 und Jaspert, Gastgeber S.-80. <?page no="78"?> 78 III. Von Lorca bis Sevilla ein Leichnam hineingeht. Es wird mit Steintafeln gearbeitet, damit das Erdreich den Leichnam nicht berührt. Erst später geben sie Erde auf das Grab 46 . Unterwegs kamen wir am neuen Kloster des Ordens des heiligen Hieronymus vorbei, das außerhalb der Mauern liegt und das sie vor zwei Jahren recht kunstvoll aus einer alten und ehrwürdigen Moschee bauten 47 . Nach dem Essen gingen wir erneut auf einen sehr hohen Berg zur Alhambra 48 hinauf; am Fuße des Berges liegt wiederum ein großer Friedhof, sechsmal größer als der Marktplatz von Nürnberg 49 . Nachdem wir ein weiteres Stück hinaufgegangen waren, betraten wir zuerst den Ort, der Kerker der gefangenen Christen war. Es ist ein großes Gelände, von einer Mauer umgeben, wie bei der Lorenzkirche (in Nürnberg), es gibt dort vierzehn tiefe Höhlen, die oben sehr eng sind und nur eine einzige Öffnung besitzen. Sie sind sehr tief und in den Felsen eingeschnitten. In einer dieser Höhlen wurden 100 oder zweihundert Gefangene eingesperrt. Alle, die im Kerker starben, wurden herausgezogen und anschließend in der Erde begraben 50 . Manchmal gab es an diesem Ort und in den Häusern der Sarazenen in der Stadt siebentausend gefangene Christen, aber in Zeiten der Belagerung starben so viele an Hunger, dass nur wenige übrigblieben, als Granada erobert wurde. Nur fünfzehnhundert überlebten, sie wurden dem König vorgestellt, als dieser siegreich in Granada einzog 51 . Es war für uns ein trauriger Anblick, dieses schreckliche Monument der (gefangenen) Christen zu sehen. Sie waren sogar dazu gezwungen, Fleisch von toten Pferden, Eseln und Maultieren zu essen. Unter den Gefangenen gab es einen gewissen Priester, der mir viele traurige Geschichten erzählte. Er war mit dem Leben davongekommen, und der König machte ihn zum Kanoniker, er war ein guter und gottesfürchtiger Mann. Wir gingen schließlich in die Befestigungsanlagen durch viele Eisentüren hinein, an vielen Wachleuten und offiziellen Gebäuden vorbei, bis wir zum vorzüglichen und edlen Palast des Kastellans gelangten. Dessen Name ist Iñigo Lopez, er stammt aus dem Haus der Mendoza aus Kastilien, ist Graf von Tendilla und Kastellan von Granada 52 . Als er das Empfehlungsschreiben des Kastellans von Almería gelesen hatte 53 , empfing er uns mit außerordentlichen Ehren. Nachdem ich zunächst eine kleine Rede auf lateinisch vorgetragen hatte, die er bestens verstand, denn er war sehr gelehrt, und nachdem er mir unmittelbar geantwortet hatte, setzte er uns auf Seidenteppiche und ließ Konfekt und andere Dinge herbeibringen. Nach dieser Stärkung führte er uns mit einer beeindruckenden Begleitung an Rittern selbst zur königlichen 46 Vgl. zu muslimischen Bestattungsriten in Spanien Longás, Vida S.-294, 299 f. mit Anm. 1. 47 Das Hieronymitenkloster Nuestra Señora de la Concepción wurde 1492 gegründet und 1495 von seiner ursprünglichen Herberge, einer Moschee vor der Stadt, in Folge einer Pestepidemie an den heutigen Ort verlegt. 48 Zur Entwicklung der Alhambra zusammenfassend Malpica Cuello, Alhambra y Granada, mit Lageplan S.-286. 49 Der Maqbarat al-Sabīka wird ins Verhältnis zum Hauptmarkt von Nürnberg gesetzt. Zu diesem Friedhof vgl. Torres Balbás, Crónica S.-185 (= Nr.-4, fälschlich als Nr.-3 ausgewiesen). 50 Auf der Colina del Mauror waren unter dem heute noch teilweise erhaltenen Carmen de los Catalanes Gefängnisse eingerichtet, in denen während der muslimischen Herrschaft christliche Häftlinge untergebracht waren, vgl. ohne Nennung der Quellen Requesens-Moll, Granada S.-16. 51 Die Zahl der Gefangenen ist kaum exakt zu ermitteln, denn die weiteren Quellen variieren. - Ein relativ verlässlicher Augenzeugenbericht spricht von 700 christl. Gefangenen bei der Übergabezeremonie (Einzug am 6. Januar 1492), vgl. Garrido Atienza, Capitulaciones S.-319. 52 Iñigo López de Mendoza (†-1515), Gf. von Tendilla und Generalgouverneur von Granada aus dem einflussreichen kastilischen Adelsgeschlecht, vgl. Gerli, Iñigo López de Mendoza. 53 Siehe oben S. 71. <?page no="79"?> Über das Schloss Granadas, das Alhambra heißt 79 Burg. Wir sahen dort Paläste, die aus strahlend weißem Marmor gefertigt waren, schönste Gärten, geschmückt mit Zitronen- und Myrtenbäumen, mit Wasserbecken und Sitzbegrenzungen aus Marmor, ebenso vier große reich gefüllte Waffenkammern mit Lanzen, Wurfgeschossen, Schwertern, Brustharnischen, Pfeilen und anderen Sachen, edelste Schlafgemächer und Zimmer. In jedem Palast sind sehr große Schalen aus schneeweißem Marmor, viel größer als die beim heiligen Augustinus 54 , alle voll mit fließendem Wasser, ein wunderschönes Bad mit einer phantastischen Decke und außerhalb des Bades Schlafgemächer, zahlreiche so hohe Säulen aus Marmor, dass es nichts Schöneres gibt, schließlich im Zentrum eines Palastes ein großes Marmorgefäß, das auf dreizehn Löwen ruht, die ebenso aus weißestem Marmor gearbeitet sind. Aus jedem ihrer Mäuler fließt Wasser wie aus einem Kanal. Es gab verschiedene Marmortafeln, 15 Fuß lang und 7 oder 8 Fuß breit und ebenso viele quadratische Tafeln von 10 oder 11 Fuß. Etwas Ähnliches existiert, wie ich glaube, in ganz Europa nicht. Alles dies ist so herrlich, so wunderbar und aus so verschiedenen Materialien gebaut, dass man sich im Paradies wähnt. Ich kann nicht alles aufzählen. Der Graf begleitete uns die ganze Zeit persönlich und erklärte uns selbst alle Einzelheiten. In einem Baderaum gab es ein schönes Marmorbassin, wo die Frauen und Konkubinen nackt badeten. Der König jedoch konnte sie von einem Ort mit Jalousien aus, in einem höheren Stock gelegen, den wir besichtigten, betrachten, und derjenigen, die ihm am besten gefiel, warf er von oben herab einen Apfel zu. Dies war ein Zeichen, dass er in dieser Nacht mit ihr schlafen wollte 55 . Ich fragte den Kastellan nach dem Zeichen des Königs, ob er auch einen Granatapfel als Wappen habe und ob dieses an irgendeiner Stelle abgebildet sei. Er antwortete, dass der König kein Emblem habe, nur einen Schild in jener Form, in dessen Mitte in arabischen Buchstaben geschrieben war: „Bile gallila“, was heißt: „Kein Sieger außer Gott“, oder nur: „Gott ist allmächtig“ 56 . Dieses Emblem ist in hellblauer Farbe gemalt und an verschiedenen Stellen angebracht. Alle Palasträume werden durch die Wasserkanäle geziert, die kunstvoll an die verschiedensten Orte gelenkt werden, dass es nichts Bewundernswerteres gibt. Von einem sehr hohen Berg wird das fließende Wasser durch einen Graben geleitet und im ganzen Palastbereich verteilt. 54 Wohl das Augustinerkloster in Nürnberg als Vergleichsgröße (Augustinerstifte wurden in Granada erst im Laufe des 16. Jh. gegründet) auf der Sebalder Stadtseite, das 1420 Ausgangspunkt der Observanzbewegung wurde, vgl. insgesamt Rosenthal Metzger, Augustinerkloster. 55 Die von Münzer beschriebene Szene könnte an die griechische Sage von Akontios und Kydippe (vgl. Publius Ovidius Naso, Heroides epistulae [ed. Häuptli] Kap. 20 u. 21 S.-216-242), oder - wenn auch entfernt - an das Urteil des Paris erinnern, vgl. allgemein Herbers, Murcia S.-160. 56 Eine Zeichnung ist hier dem Text zugefügt mit einer Wappenzeichnung, siehe Abb. 2. Die dort stehende Einfügung. Das „bile gallila“ ist wohl eine Verballhornung aus dem Arabischen. Hoenerbach, Humanist S.-46 mit Anm. 4 führt das „bile gallila“ Münzers auf den Naṣridenwahlspruch wa-lā ġālib-illa llāh („Kein Sieger außer Gott“) zurück. <?page no="80"?> Abb. 2: Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 431, fol. 140r Auf die Frage nach dem Wappenschild der spanischen Könige verwies man Münzer darauf, dass dieses angeblich arabische Schriftzüge trage; in der Zeichnung der Handschrift steht neben dem Schild „bile gallila“, was lautmalerisch den Gebetsruf der Muslime nachempfindet. <?page no="81"?> Über das Schloss Granadas, das Alhambra heißt 81 So führte uns der Graf, ein Adeliger, als wir den Palast des Königs verließen, zu einer neuen quadratischen Zisterne, so groß wie die Sebalduskirche (in Nürnberg), die er für zehntausend Dukaten im selben Jahre hatte bauen lassen. Es ist ein phantastisches Werk, das seinesgleichen sucht. Alle Paläste und Säle im oberen Teil haben wunderschöne Wölbungen und Dächer, die aus Gold, Lapislazuli, Elfenbein, Zypressenholz und verschiedenen anderen Materialien gefertigt worden sind; man kann es weder aufschreiben noch erzählen. Es gibt allein im Schloss fünfhundert Ritter mit ihren wunderschönen Pferden, die „jinetes“ heißen 57 . Sie kämpfen unter dem Grafen und leisten ihm Gefolgschaft. Wir stiegen auf zwei sehr hohe Türme und betrachteten die Lage der Stadt; wie uns der Graf versicherte, konnten wir kaum die Hälfte der Stadt sehen. Ich glaube, es gibt keine größere Stadt, weder in ganz Europa noch in Afrika. Wir sahen unterhalb des Schlosses gegen Süden ein anderes Kastell, das sehr stark befestigt, aber noch nicht ganz vollendet war. Ebenso liegt ein weiteres Schloss beim Südtor zwischen zwei Mauern mit einem Weg. 58 So kann der König, auch wenn es die Sarazenen nicht wollen, die Stadt verlassen und die Alhambra betreten oder verlassen. Es gibt zahlreiche Sarazenen, die dort bauen. Ebenso findet man viele, die im Schloss und auf königlichem Grund das wiedererrichten, was zerstört war. Als der König von Granada sich dessen bewusst wurde, dass er dem christlichsten König von Spanien keinen Widerstand mehr leisten konnte, erlaubte er, viele Gebäude zu zerstören. Es gibt viele Lebensmittelgeschäfte und Unterkünfte für Geschützmeister und für andere. Keinem Sarazenen ist es erlaubt, im Schloss zu schlafen, sondern jeder muss in die Stadt hinuntergehen oder zu einer anderen Schlafstatt. Wir verließen das Schloss nach Sonnenuntergang und kamen schon spät in der Nacht zu unserem Quartier. Dort trafen wir einen edlen Ritter, der auf einem Maultier saß, mit Hafer, Wein, Brot, Hennen und Fasanen. Alles dies hatte der großzügige Graf zu unserem Quartier schicken lassen. Wir konnten diese Großmut nicht erwidern, aber beim König und unseren Fürsten werden wir sie gebührend loben 59 . Als wir uns von dem Grafen verabschiedeten, erbaten wir eine neue Empfehlung für den Kastellan von Málaga und von Sevilla, die er uns wohlwollend und gern ausstellte. Es gibt auch in der Alhambra eine wunderbare und edle Moschee, die heute der seligen Jungfrau Maria geweiht und Sitz des Erzbischofs ist 60 . Dort sind 40 Kanoniker und 140 Pfründner, das heißt Vikare, die Pfründen erhalten. Ebenso wurde dort ein Kloster von Minderbrüdern des Ordens des heiligen Franziskus gegründet 61 . Der König besitzt außerhalb der Mauern der Alhambra auf der Spitze des Berges einen Garten mit 57 Jinete, spanisch für Reiter, hier von Münzer vielleicht wohl auch für Pferde benutzt. Münzer benutzt das Wort mehrfach, siehe unten S. 94 und 228. 58 Eine Karte des muslimischen Granada bietet Seco de Lucena Escalada, Plano. Hiernach könnte möglicherweise mit dem ersten der Castillo del Mauritano (Hizn Mauror) gemeint sein. Beim zweiten bei der Puerta de Bib Lacha/ Bib Alachar (Puerta del Ocaso/ Puerta del Refugio, seit dem 16. Jh. Puerta del Pescado) gelegenen Schloss mag die nahegelegenen Casa Blanca im Süden des heutigen Barrio Realejo gemeint sein (nicht mehr erhalten). 59 Möglicherweise wird einerseits auf die spätere Begegnung mit Ferdinand, dem Katholischen, angespielt. Vielleicht sind andererseits aber auch Berichte gemeint, die nach der Rückkehr gegeben wurden. Dies könnte indirekt auf diplomatische Aufträge Maximilians I. verweisen, siehe die Einleitung oben S. 17. 60 Nach der Eroberung Granadas wurde die 1302 bis 1309 unter Muḥammad III. (†-1314) erbaute Moschee bis etwa Oktober 1499 als Marienkirche genutzt. 61 San Francisco de la Alhambra, 1492 an der Stelle einer Moschee errichtet. Hier befand sich zu Beginn des 16. Jh. zunächst die Grablege des Königspaares, bis die Überreste in die Capilla Real in Granada (fertiggestellt 1521) verlegt werden konnten. <?page no="82"?> 82 III. Von Lorca bis Sevilla Quellen, Wasserbecken und Wasserläufen; dies alles wurde so wunderbar durch die Mauren gebaut, dass es nichts Besseres gibt 62 . Am 26. Oktober, als wir dort weilten, sahen wir mehrere Sarazenen, die Gemälde und andere Dinge in der ihnen eigenen Art schmückten und restaurierten; wir konnten dort ein wunderbares Schauspiel erleben. Als wir einen anderen, noch höheren Berg hinaufstiegen und die Lage betrachteten, fanden wir eine sehr schöne Ebene mit drei äußerst hohen Türmen, die innen sehr wertvoll, außen jedoch halb zerstört sind; dort veranstalteten die Könige von Granada einstmals ihre Spiele 63 . Über ihren Friedhof außerhalb des Elviratores Am 24. Oktober verließen wir früh die Stadt durch das Elvirator, nahe bei unserem Hospiz, und gelangten zu jenem Friedhof 64 , der sehr groß und auf verschiedenen Ebenen liegt, so dass er Bewunderung hervorruft. Ein Teil war alt und mit Olivenbäumen bewachsen, ein anderer ohne Bäume. Die Gräber der Reichen waren von Mauerquadern umgeben, wie Gärten mit besten Steinen. Wir kamen sodann zu einem neuen Friedhof, wo wir sahen, wie ein Mann begraben wurde; es gab sieben weiß gekleidete Frauen, die in der Nähe des Grabes kauerten, sowie den Priester, der mit dem Kopf in Richtung Süden saß und kontinuierlich laute Schreie ausstieß, während die Frauen ununterbrochen duftende Myrtenzweige auf das Grab warfen 65 . Dieser Friedhof ist zweimal größer als der von Nürnberg. Ich übergehe die anderen Friedhöfe, auch jenen, der am Fuße der Alhambra liegt und ebenso sehr groß ist 66 . Größer, glaube ich sogar, als die Stadt Nördlingen. Ebenso wie sie Gott in Richtung Süden verehren, so begraben sie auch die Toten mit gen Süden 67 geneigtem Kopf. Auf dem höchsten Berg nach Norden hin, gegenüber der Alhambra, gibt es eine weitere Stadt, die an das große Granada anschließt, aber durch eine Mauer abgetrennt ist; sie heißt Albaicín 68 . Dort hatte der junge König 69 seine Bleibe. Ebenso befindet sich dort, so sage ich euch, ein größerer Friedhof als jener, der zu Füßen der Alhambra liegt. Am selben Tag, als wir zur Stadt Albaicín hinaufgingen, hatte ich tatsächlich Gelegenheit, diesen Friedhof zu besuchen. Er nimmt einen großen Teil auf der einen Seite des Berges ein und ist in der Tat so 62 Der Generalife wurde als Garten im 13. Jh. eingerichtet. Der knappen Beschreibung nach sah Münzer den Garten vielleicht nur aus der Ferne oder berichtet nach dem Hörensagen. 63 Zu den Spielen unter der Herrschaft der Sarazenen speziell in Granada vgl. Brisset Martín, Fiestas. 64 Dies ist ein Verweis auf Münzers Eindrücke am Vortag, siehe oben S. 77 f. 65 Zu den Bestattungsriten im Islam vgl. Alba, Viaje S.-101 mit Anm. 58, sowie Franz, Blick bes. S.-38-42. 66 Wohl ein Friedhof am Campo de los Mártires, möglicherweise der Cementerio de la Puerta de los Alfareros (Cementerio de al-ʽAssaāl). Dieser lag südlich der Antequeruela und wurde seit Ende des 15. Jh. verstärkt als Baugebiet und zu Erholungszwecken (Campo del Príncipe, Teil des Campo de los Mártires) genutzt. 67 Eher Südosten gemeint. 68 Albaicín, heute Stadtviertel von Granada. Es zählt zu den ältesten Vierteln der Stadt, dessen Wurzeln in iberischer Zeit liegen, vgl. Carrascosa Salas, Albayzín S.- 27-33 sowie Padilla Arroba, Ciudad bes. S.-209-211, Karte S.-223. Bevölkert wurde der Stadtteil vielleicht von ursprünglich aus Baeza und Úbeda geflüchteten Muslimen, vgl. Seco de Lucena Escalada, Plano S.-36 f. 69 Es ist wohl der letzte muslimische Herrscher Boabdil gemeint. <?page no="83"?> Über die Moschee in Albaicin, einem Teil der Stadt - Granada 83 ausgedehnt wie die Stadt Ulm. Auf der Höhe steht ein sehr hoher Turm, in dem sich die Gräber der Könige von Granada befinden 70 . Über die Moschee im Albaicín, einem Teil der Stadt Außerhalb der großen Stadt Granada und außerhalb der Mauern, aber nahe gelegen gibt es eine weitere große Stadt namens Albaicín mit mehr als vierzehntausend Häusern, die man von der Alhambra nicht sehen kann 71 . In dieser Stadt, oder eher in diesem Teil von Granada, steht, wie ich sage, eine sehr schöne Moschee mit 86 freistehenden Säulen 72 ; sie ist kleiner, aber sehr viel schöner als die große Moschee der Stadt, und sie besitzt einen wunderschönen Garten mit Zitronenbäumen. Vom Gipfel des Berges gegenüber der Alhambra sahen wir, als wir zur großen Stadt hinabstiegen, eine andere schöne Moschee, die nicht so groß ist. Diese nahm der Erzbischof auf Befehl des Königs den Sarazenen ab, weihte sie zu Ehren des heiligen Joseph, des Mannes der seligen Maria 73 , und stattete sie mit Priestern aus. Wir sahen im Garten einen riesigen Olivenbaum, größer als eine Steineiche und voller Oliven. Als wir den Turm bestiegen, zählte ich eine so große Zahl von Moscheen, dass man es kaum glauben kann. Als wir uns am selben Tag 74 um die Mittagszeit der großen Moschee näherten, sahen wir, weil es Freitag und einer ihrer Festtage war, viele Priester auf dem Turm schreien, und es kam eine so große Menge von Sarazenen zusammen, dass viele draußen stehen mussten, nachdem die Kirche gefüllt war. Ich glaube, es waren dort mehr als zwei- oder dreitausend Männer. Wir verfolgten, an einer Tür stehend, ihre Zeremonien und sahen den Hauptpriester von ihnen, der auf einem hohen Sitz saß und fast eine halbe Stunde lang predigte. Dann, nach einem Ruf von ihm und der anderen Priester, beugten alle die Köpfe und beteten; anschließend, nach neuerlicher Aufforderung, warfen sie sich massenweise zu Boden und küssten, wie unsere Mönche in den Kapiteln, die Erde. Dann wiederum, bei einem anderen Zeichen, erhoben sie sich und beteten mit der größten Ehrfurcht, stehend und mit nackten Füßen. Und so erhoben sie sich dreimal und warfen sich wieder zu Boden; schließlich erhoben sie sich, und nach beendetem Gebet ging jeder wieder an seine Arbeit. An der Tür bettelten viele Sarazenen um ein Almosen; sie waren Gefangene der Christen gewesen und inzwischen freigelassen worden. Es kam auch zu einer Beisetzung. Der Priester sprach über den Leichnam ein langes Gebet, und schließlich trugen sie diesen aus der Stadt, um ihn zu bestatten. An eben jenem Festtag waren die anderen Moscheen so voll mit Sarazenen wie jene. Die Moscheen sind in Granada und an anderen Orten so etwas wie die Pfarreien bei uns 75 . 70 Die Zuordnung ist unsicher. 71 Ein Teil des Ortes auf der anderen Seite des Bergrückens war von der Alhambra nicht einsehbar. 72 Eventuell handelt es sich dabei um die zur Kirche Nuestro Salvador umgeweihte Moschee. 73 Die noch heute bestehende Kirche S. José im Albaicín soll nach der Eroberung Granadas vom ersten Erzbischof Hernando de Talavera geweiht worden sein. Die umgewidmete Moschee bestand bereits seit dem 8.-10. Jh. Sie wurde teilweise (außer dem Turm) seit 1517 abgerissen; der schon vorher begonnene Neubau der Josefskirche soll 1525 abgeschlossen gewesen sein. 74 Der 24. Oktober 1495 fiel auf einen Donnerstag. Wahrscheinlich berichtet Münzer hier vorgreifend über den Freitag. 75 Die Beschreibung muslimischer Riten folgt vielfach den christlichen Erfahrungen Münzers. <?page no="84"?> 84 III. Von Lorca bis Sevilla Über die Lage der Stadt Granada Beim Beschreiben von Granada, der größten Stadt des Reiches von Granada, könnte ich sie eher als ein Reich denn als eine Stadt bezeichnen. Sie ist im Osten von vielen und hohen Bergen umgeben, einige davon reichen gleichsam bis zu den Wolken. Ich glaube, sie sind höher als die Alpen in Italien 76 . Aber obwohl die Gegend warm und mediterran ist, sieht man trotzdem während des ganzen Sommers auf den höchsten Bergjochen reichlich Schnee. Gegen Süden, Norden und Westen liegt eine sehr große und sehr schöne Ebene, die weitgehend von kleineren Hügeln umgeben ist. Diese große Ebene lässt sich überall bewässern und hat einen so fruchtbaren und üppigen Boden, dass dieser zweimal jährlich Getreide hervorbringt. Ich verschweige weitere Pflanzen wie Rüben, Möhren, verschiedene Hirsearten, Linsen, Bohnen und weitere Früchte. Und weil es in jener Ebene nicht schneit, gedeihen verschiedene Arten von Bäumen, vor allem Oliven, Quitten, Feigen, Mandeln, Granatäpfel, Apfelsinen, Zitronen usw. Es gibt fast das ganze Jahr über Früchte. Im April reifen die Kirschen, Disteln, die sie Artischocken nennen, und andere Früchte; im Mai verschiedene Arten von Äpfeln und Birnen; schon bald im Juni bis zum November Trauben verschiedener Art. Ende Oktober, als wir dort waren, sahen wir noch viele Trauben an den Weinstöcken hängen. An den Stellen der Ebene, die von der Sonne verwöhnt werden, reifen die Früchte sehr schnell. Aber auch in den Bergtälern und an schattigen, etwas kühlen Orten, wo es immer Tau gibt, wachsen Früchte, jedoch ein bisschen später 77 . In einer schönen Ebene am Fuß der Berge gibt es Gärten fast zu Tausenden sowie liebliche Plätzchen, die alle durch Kanäle bewässert werden. Es sind Gärten, wie ich wiederhole, voll mit Häusern und Türmen, die während des Sommers bewohnt werden; wenn du sie zusammen von ferne siehst, glaubst du, eine sehr große und phantastische Stadt zu sehen. Hauptsächlich nach Nordwesten, etwa eine große Meile oder etwas mehr entfernt, sahen wir diese Gärten, es gibt nichts Bewundernswerteres. Den Sarazenen gefallen die Gärten sehr, und sie sind so geschickt, wenn sie sie anlegen und bewässern, dass man sich nichts Besseres vorstellen kann. Es ist außerdem ein Volk, das sich mit wenig begnügt und größtenteils von den Früchten lebt, die ihnen das ganze Jahr hindurch nicht fehlen. Sie trinken keinen Wein, bereiten jedoch große Mengen an Rosinen, die sie „bautzas“ 78 nennen. Für ihr Vieh wie für Pferde und Esel finden sie leicht Weiden. Granada hat auch hohe Berge, Ebenen und Täler, die wegen des Wassermangels nicht bewässert und nicht von Menschen bewohnt werden können. Dort grasen unendlich viele Viehherden: Ziegen, Schafe, sehr große und dicke Ochsen. In den Bergen gibt es auch unglaublich viele Hirsche, Bären, Damwild, Kaninchen und hauptsächlich Wildschweine. Das Fleisch des Hirsches ist äußerst günstig. Auch ist man über so viele Rebhühner sehr erstaunt. Es sind große Rebhühner mit roten Schnäbeln und Krallen. Als wir durch die Berge von Vera nach Almería ritten, scheuchten wir in einer Stunde 4 oder sechs Schwärme von Rebhühnern auf. In Vera kauften wir eines für 5 Denare, von denen fünfzig einen rheinischen Gulden ausmachen, in Granada kann man hingegen vierzig für einen 76 Die höchste Erhebung in der Sierra Nevada ist der Mulhacén mit ca. 3478 Metern. 77 Zu den Parallelen der Beschreibung der Früchte bei Münzer und einem arabischen Anonymus vgl. Hoenerbach, Humanist S.-62 mit Anm. 60. 78 In der arabischen Welt existiert ein Rauschgetränk namens büza, das als bierartig beschrieben wird, vgl. Wehr, Wörterbuch S.-122. Zur Herstellung von Rosinen siehe oben S. 64 f. <?page no="85"?> Über die Lage der Stadt Granada 85 Dukaten kaufen, weil es dort so viele Esser gibt 79 . Auch wachsen viele Zwergpalmen 80 , deren Strunk schon im Oktober, wenn sie jung sind, ausgeschnitten werden kann und mit Salz eine milde Speise liefert. Von den höchsten Bergen fließen durch zwei Täler, in deren Mitte der Berg der Alhambra liegt, zwei ziemlich große Flüsse und einige andere kleinere durch andere Täler; mit ihrem Wasser wird ganz Granada durch ein phantastisch ausgeklügeltes System von Wasserläufen bewässert 81 . Der größte Teil der Ebene wird sehr gut mit Wasser versorgt. Schließlich vereinigen sich diese Flüsse nach 8 Meilen in einem Tal der bewehrten Stadt Loja, dort ist die Grenze Granadas gegen Westen mit der Provinz von Kastilien, die Andalusien heißt. Sie werden vom Fluss Guadalquivir aufgenommen 82 . Oh, wie fruchtbar ist das Land an aller Art von Früchten, mit denen jedermann sein Leben bestreiten kann! Die Ebene ist ebenso voll von kleinen Orten, die wir villae nennen; dort widmen sich Sarazenen der Bearbeitung des Landes. Über die Größe der Stadt Die Stadt Granada hat 7 Hügel und Berge mit den entsprechenden Tälern, die alle bewohnt sind. Der Hang gegenüber der Alhambra ist jedoch der größte. Südlich der Alhambra gibt es am Fuße eines Berges eine andere Stadt, die sie Antequeruela 83 nennen; diese erbauten vor etwa 80 Jahren nach Granada gekommene Flüchtlinge, nachdem die sarazenische Stadt Antequera von Christen erobert worden war. Auch in der Umgebung der Ebene gibt es viele Berge. Gegen Norden liegt Alfakar, eine weitere Stadt außerhalb der alten Mauern der eigentlichen Stadt Granada. Dort sind die Straßen so eng und schmal, dass die Häuser sich weitgehend im oberen Teil berühren. Meist kann ein Esel einem anderen Esel nicht ausweichen, außer in den wichtigeren und bekannteren Straßen, die vielleicht eine Breite von 4 oder 5 Ellen haben, so dass ein Pferd ein anderes vorbeilassen kann. Man kann es kaum glauben: Die Häuser der Sarazenen sind größtenteils ausgesprochen klein mit winzigen Räumen, die außen schmutzig, innen aber sehr sauber sind. Fast alle besitzen Wasserzuläufe und Zisternen. Sie haben in der Regel zwei Wasserkanäle, einen für das klare Trinkwasser, einen anderen, um Schmutz, Kot usw. abzutransportieren. Die Sarazenen verstehen sich perfekt darauf, so zu bauen. In allen Straßen gibt es offene Kanäle für das Abwasser, so dass jedes Haus, falls es wegen der schlech- 79 Angebot und Nachfrage bzw. schwankende Münzwerte konnten die Preise bestimmen. 80 Im Lateinischen: palmitem agrestem. Chamaerops humilis ist die noch heute in Südspanien beheimatete Pflanze palmito. Der Wurzelapikal ist essbar, vgl. Galán de Mera/ Castroviejo Bolibar, Chamaerops L. 81 Es handelt sich u. a. um die Flüsse Beiro, Genil und Darro. 82 Münzers Beschreibung entspricht nicht den heutigen Flussverläufen, denn Beiro und Darro münden im Stadtbereich Granada in den Genil. Dieser berührt zwar Loja, aber ergießt sich erst in Palma del Río in den Guadalquivir. 83 Lateinisch: Antiquirola, modern: Antequeruela. Ehemaliger Stadtteil von Granada, heute Teil des Barrio Realejo. Seco de Lucena Escalada, Plano S.- 34 verortet das Viertel südlich des Garnata al Yahud, vgl. auch den ebd. enthaltenen Plan. Ayaso Martínez, Site S.-94 f. (mit Erwähnung Münzers) hingegen verweist auf Schwierigkeiten einer eindeutigen Lokalisierung. Wie Münzer richtig darstellt, leitet sich der Name aus Antequera ab, da der Stadtteil nach der Eroberung Antequeras 1410 durch den Infanten Ferdinand „von Antequera“ (Kg. von Aragón, 1412-1416) von der dortigen muslimischen Bevölkerung besiedelt wurde. Die anschließende Zeitangabe ist also ungenau. <?page no="86"?> 86 III. Von Lorca bis Sevilla ten Lage keine Leitung besitzen sollte, während der Nacht alle Abfälle in diese Kanäle werfen kann. Kloaken gibt es nicht im Übermaß, aber die Menschen sind sehr sauber. Im Gebiet der Christen ist ein Haus 4 oder 5mal so groß wie bei den Sarazenen. Innen sind sie so verwinkelt und verschachtelt, dass man sich in Schwalbennestern wähnt. Das ist wohl der Grund dafür, dass man sagt, in Granada gebe es mehr als hunderttausend Häuser; dies glaube ich gern 84 . Die Geschäfte und Häuser werden mit schmalen Holzflügeln geschlossen sowie mit hölzernen Schlössern und Stiften, wie man es in Ägypten und Afrika zu tun pflegt. Alle Sarazenen stimmen untereinander nicht nur in den Gebräuchen des Ritus überein, sondern ebenso in Lebensgewohnheiten, bei Verwendung von Gerätschaften, in der Art ihrer Häuser und anderen Dingen. Der König Ferdinand hat schon bestimmt, dass viele Straßen verbreitert und Verkaufshäuser erbaut werden sollten, dabei mussten einige Häuser abgerissen werden 85 . Er befahl auch, das Judenviertel zu zerstören, wo etwa zwanzigtausend Juden lebten, und ließ auf seine Kosten ein großes Hospital und eine Kathedrale zu Ehren der seligen Jungfrau Maria errichten 86 ; wir sahen sie fast schon vollendet bis zum Dach und der oberen Abdeckung, sie wird der Bischofssitz sein 87 . Oh, wie wunderbar und vielgestaltig sind die Gebäude, die mit königlichen Mitteln gebaut werden! Auch die adligen und reichen Sarazenen besitzen in Granada wunderbare und sehr repräsentative Häuser mit Höfen, Gärtlein, fließendem Wasser und anderen Dingen. Der König schickte mehr als hundert auf seine Kosten gegossene Glocken - einige sahen wir im Garten des Klosters des heiligen Hieronymus -, die er in ganz Granada verteilte 88 . Oh, wie wunderbar und besorgt nimmt der König seine Aufgaben gegenüber der respublica Christiana wahr. Wie ich schon sagte, ist das Volk in Granada unzählbar. In den Zeiten der Belagerung, als die anderen Städte der Umgebung erobert wurden, gab es in der Stadt mit den Flüchtlingen der anderen Orte mehr als zweihunderttausend Männer, die zum Krieg gerüstet waren. Sie waren allerdings von solcher Furcht gelähmt, dass sie nichts gegen den (christlichen) König unternahmen. Man ist erstaunt über die Lebensmittel, mit denen sie sich ernähren. Es gibt das ganze Jahr hindurch ein Übermaß an Früchten, von denen dieses bescheidene Volk lebt, das ebenso wenig Wein trinkt; die Menge (der Lebensmittel) wäre schon ausreichend für ein größeres Volk. Sie stellen Brot aus verschiedenen Zutaten her, so zum Beispiel aus Weizen, Hirse oder Mais. Nachdem Granada erobert und der christlichen Herrschaft unterworfen worden war, flohen mehrere tausend Menschen - mehr als vierzigtausend Männer 89 - mit ihren beiden Königen 84 Zur wohl übertriebenen Anzahl der Wohnhäuser vgl. Hoenerbach, Humanist S.-59. 85 Wenige Jahre später beschreibt auch Lucio Marineo Siculo (†-1533) die rege Bautätigkeit der Katholischen Könige mit ähnlichen Worten, vgl. Ders., Obra Lib. 20 fol. 170r. 86 Das Judenviertel (Garnata al Yahud) ist baulich nicht erhalten, heute liegt dort der Barrio Realejo. Es war südwestlich der Alhambra, zwischen den Torres Bermejas, dem Campo de Príncipe, der Antequeruela und der Loma de Abahul, vgl. die Karte bei Seco de Lucena Escalada, Plano sowie S.-30. 87 Gemeint ist hier das wohl 1501 übergangsweise (bis 1526) in Betrieb genommene Hospital Real de la Alhambra bei den Gebäuden des späteren Franziskanerkonvents, das nach dem Vorbild eines Militärlazaretts gestaltet war, vgl. Jetter, Santiago S.-144. 88 Glocken gelten als deutliches Zeichen des christlichen Kultes und werden hier im Zusammenhang mit der Durchdringung der neu erworbenen Gebiete genannt. 89 Die Zahlen bleiben auch deshalb vage, weil sie sich offensichtlich auf einen längeren Zeitraum erstrecken. <?page no="87"?> Über die Lage des Reiches von Granada 87 nach Afrika 90 . Viele starben während der Belagerungszeit auch an Hunger, andere verließen das Reich. Dennoch blieb bisher eine große Zahl von Sarazenen in der Stadt. Es ist kaum 4 Monate her, dass im Juni etwa fünfzigtausend heimlich gegen die Christen konspirierten, mit der Absicht, diese, die inzwischen kaum zehntausend Einwohner erreicht hatten, bis auf den letzten zu töten. Die Verschwörung wurde entdeckt, weil ein Sarazene vorzeitig gewisse Drohungen einem Christen gegenüber aussprach und gefangengenommen wurde. Im Haus eines Sarazenen wurden Waffen für vierhundert Männer entdeckt. So konnte diese Konspiration beigelegt werden. Und obwohl die Sarazenen die Erlaubnis haben, frei zu leben und ihre religiösen Kulte noch drei Jahre lang praktizieren dürfen, ein Zeitraum, der im Monat Januar endet 91 , zerbricht langsam ihre Standhaftigkeit und ihr Widerstand, weil ihnen alle Meerhäfen abgenommen wurden und die größten Städte der Umgebung schon von Christen bewohnt werden, so dass es sehr schwierig sein dürfte sich aufzulehnen. Über die Lage des Reiches von Granada Das Reich von Granada, das bei den Alten Hispania Baetica genannt wurde, hat die Form eines Halbkreises, dessen Durchmesser gegen Süden das Meer ist 92 . Es ist rundum von sehr hohen Bergen umgeben, und auch das Innere ist größtenteils bergig. Die Breite von Norden nach Süden beträgt drei Tagesreisen, die Länge entspricht etwa 7 oder 8. Die bekanntesten Meeresstädte sind, wenn man vom Osten anfängt, Almería, worüber ich schon weiter oben geschrieben habe, Almuñécar, das für den Zucker bekannt ist, denn dort wachsen Zuckerrohre von 6 oder 7 Ellen Länge und von der Dicke eines Armes am Anfang der Hand, Velez- Málaga, eine große Stadt mit einem sehr schönen Schloss, Málaga, ein bekannter Meerhafen. Die bekanntesten mediterranen Städte sind Baza, Guadix, Granada, Loja, Alhama, Ronda und Marbella. Weiterhin gibt es unzählige Kastelle und Ortschaften. Nirgendwo wird das Land bearbeitet, wenn es nicht bewässert werden kann. Ich glaube, die Stadt Granada liegt an der höchsten Stelle des Reiches, denn zu jener Zeit sahen wir auf keinem der Berge Schnee, nur oberhalb der Stadt Granada auf dem Bergzug, der Sierra (Nevada) heißt. Dort fließen weiterhin Flüsse mit gutem und gesundem Wasser, in denen Forellen und andere Fische schwimmen, die des frischen und sprudelnden Wassers bedürfen. Die Städte des Reiches sind in der Regel auf Bergen oder am Fuße von Bergen gelegen. Sie sind stark befestigt mit Türmen, Wehrtürmen, Mauern, Zinnen und Gräben, so wie nirgendwo sonst. Es ist ein sehr wohlhabendes Reich. Seide, wie es keine bessere auf der Welt gibt, ist dort im Überfluss; außerdem ebensoviel Safran, vor allen Dingen in Baza. Ihre Feigen haben einen sehr süßen Geschmack und sind nicht sehr groß. Es wird auch Öl produziert, außerdem Mandeln, 90 Abū ‘Abd Allāh Muḥammad XII. (Boabdil) (†-1518 oder 1533), der letzte muslimische Herrscher von Granada, ging 1493 nach Fes ins Exil. Der zweite König ist vermutlich „Al Zaġal“ (Muḥammad b. Sa’d), der Onkel Boabdils. 91 Tatsächlich nennen die Übergabekapitulationen von 1492 entsprechende Vorschriften, die drei Jahre kostenfreies Verlassen des Landes sicherstellten, vgl. die Bestimmung in den Quellen, ed. Garrido Atienza, Capitulaciones; Ladero Quesada, Mudéjares S.-172-182. 92 Die römische Provinz Hispania Baetica ist nicht mit dem muslimischen Reich von Granada gleichzusetzen, sondern war bedeutend größer. - Auch hier ist die Zeichnung eines Halbkreises in die Handschrift eingefügt. <?page no="88"?> 88 III. Von Lorca bis Sevilla Espartogras, Aspeln zum Färben, von denen sie jedes Pfund für eineinhalb Dukaten verkaufen, und viele andere Dinge. Alle Flüsse entspringen aus Quellen mit vorzüglichem und weichem Wasser. Im Sommer mangelt es wegen der Schneeschmelze niemals oder nur ganz selten daran. In keiner anderen Gegend Spaniens regnet es so häufig - dies wegen der Höhe der Berge und der aufsteigenden Dämpfe -, wie es in „Meteora“ und Salzburg ebenso der Fall ist 93 . Vom Sieg über das Reich von Granada Als der ehrwürdigste und unbesiegbare König Ferdinand mit seiner keuschesten und ehrwürdigsten Königin Isabella die Reiche ihrer Väter und Großväter als Erbe in Besitz nahmen, gab es so viele Zwistigkeiten zwischen den Adligen, den Städten und den Erzbischöfen, gab es so viele kleinere innere Kriegshandlungen, gab es so viel Streben um das eigene Wohl, belästigten die Juden und Marranen das Volk so sehr, dass der König viele Jahre lang äußerst damit beschäftigt war, alle diese Angelegenheiten friedlich zu regeln und alles in einen guten Zustand zu überführen. Es hatten sich die Fälle von Raub und Diebstahl so gehäuft, dass es kaum mehr werden konnten. Nachdem er alle seine Reiche befriedet hatte, richtete er seinen edlen Sinn darauf, die Sarazenen aus Granada, der Blume Spaniens, zu vertreiben 94 . Granada war nämlich ein schrecklicher Kerker für die Christen, wo normalerweise zehn- oder zwanzigtausend Christen jedes Jahr zu härtester Sklavenarbeit und dem Tragen von Ketten gezwungen wurden, wie Tiere zur Bestellung von Feldern und zu den schmutzigsten Arbeiten 95 . Außerdem flohen die Adligen des Königs von Spanien, die vor ihm wegen ihrer Verbrechen Angst hatten, nach Granada als einem sicheren Unterschlupf und konnten dort ihre unzähligen und schändlichen Intrigen weiterspinnen. Der König überraschte sie aber, weil nur er, die Königin und der Marquis von Cádiz 96 die untereinander getroffenen Absprachen kannten, so dass kein Verräter stören konnte. Bald hatte er mehr als sechzigtausend Esel und Maultiere zu seiner Verfügung, um die verschiedensten Arten von Gütern heranzuschaffen. Ich schweige zu den Ochsen und Wagen, welche die verschiedenen Kriegsgüter herantransportierten. Aber der gütige Herr gab von oben unserem siegreichen Ferdinand den Geist des Rates und der Klugheit sowie einen starken Arm, so dass Ferdinand in zehn Jahren ganz Granada besiegte, teilweise mit Gewalt, teilweise durch Unterwerfung, teilweise mit Vorsicht, teilweise mit Gold und Silber, welches er vielen Kastellanen gab, damit sie nach Übergabe der Befestigungen nach Afrika flöhen. Ferdinand schnitt vor allen Dingen die Versorgung ab, so dass die Betroffenen bis zum Schluss großen Hunger leiden mussten 97 . 93 Laut spanischer Übersetzung bei Alba, Viaje S.- 115: Metz, was aber wenig wahrscheinlich ist. Gaius Plinius Secundus, Naturalis Historia (ed. König/ Winkler) Lib. VI § 25 spricht von Methoricorum desertum. Vielleicht ist es auch Anspielung auf Aristoteles’ Werk Meteora (freundlicher Hinweis von Dr. Veronika Lukas). 94 Allgemein zum Hintergrund vgl. Herbers, Geschichte S.-250 f., 262 f. und 279-281. 95 Zur von Gefangenen erzwungenen Arbeitsleistung in Granada knapp Peinado Santaella/ López de Coca Castañer, Historia S.-310-314, bes. 313. 96 Rodrigo Ponce de León, Marques de Cádiz (†-1492), zu seiner Rolle siehe auch unten S. 90. 97 Die Quellen für diese kurze Zusammenfassung sind unklar. Vgl. die Zusammenstellung der einschlägigen Quellen bei Suárez Fernández/ Carriazo y Arroquia, España I S.-392-396. <?page no="89"?> Vom Sieg über das Reich von Granada 89 Der (muslimische) König von Granada war, wie man berichtet, überzeugt, dass sich unser unbesiegbarster König mit Rat und Vorsicht dazu anschickte, über die Grenzen in das Reich einzufallen; er rief die Adligen und Vornehmen des Reiches zusammen, legte einen großen Teppich auf den Boden, auf dem er in der Mitte einen silbernen, mit Gold gefüllten Pokal stellte, und sagte: „Wer den Pokal heben wird, ohne den Teppich zu verletzen, dem gehöre das Gold.“ Aber niemand war in der Lage, dies zu tun, und der König rollte daraufhin den Teppich zusammen, so ließ sich das Gold leicht aufheben, und er sagte: „Die Städte der Umgebung bedeuten den ausgebreiteten Teppich, und die Stadt Granada ist das Gold, das in der Mitte liegt. Der König der spanischen Reiche wird nun dem Reich eine Stadt nach der anderen wegnehmen, und zum Schluss wird er sich dieses goldenen Granadas bemächtigen.“ Die vollständige Eroberung des Reiches ist in einem speziellen Bericht aufgezeichnet worden; aus Gründen der Kürze schreibe ich hierüber nichts weiter 98 . Der König von Spanien ließ, bevor er im Triumphzug in Granada einzog, ein besonderes Tor bauen 99 und ließ ebenfalls einen Weg an der Befestigung der Alhambra vorbei anlegen, um dort das Kriegsgerät zu transportieren. Zuerst gewann er alle Christen in Ketten für sich, die schon seit vielen Jahren in schrecklichen Kerkern gehalten wurden und die schrien: „Gelobt sei der Gott Israels, der uns besuchte und der sein Volk befreite.“ 100 In einer großen Prozession zog zunächst der ganze Klerus ein, mit heiligen Gewändern bekleidet, dann die Krieger mit ihren Waffen, mit einem erhobenen Kreuz, damit sie von allen gesehen würden. Oh, wieviel Beifall, Tränen und Freude du damals gesehen hättest! Es ist unmöglich, dies alles zu beschreiben. Sie stiegen zur Alhambra empor, und auf dem höchsten Turm zur Stadt hin hissten sie zunächst die Fahne unseres gekreuzigten Herrn, dann die Fahne des heiligen Jakobus, schließlich diejenige Kastiliens und intonierten mit lauter Stimme das Vexilla regis prodeunt 101 . Eine dort aufgehängte Glocke begann zu läuten. Als die Sarazenen dies hörten, beweinten einige ihr Unglück, andere blieben vor Verwunderung stehen, weil sie niemals den Klang und den Schlag einer Glocke gehört hatten 102 . Auf diese Weise erlangte der ruhmreiche König das Reich, dessen Schritte nach seinem Willen der Gott Jakobs gelenkt hatte. Während alle Kastelle und Städte erobert wurden, beschäftigte sich der König verstärkt damit, die Einnahme von Granada zu planen. Zunächst ließ er in einer fruchtbaren Ebene eine kleine Stadt erbauen, etwa eine gute Meile von Granada entfernt in Richtung Westen. Sie wurde mit Mauern, Gräben und anderem Verteidigungswerk befestigt. Er gab diesem Ort den 98 Münzer verweist auf einen eigenen Bericht, der jedoch nicht eindeutig zugeordnet werden kann. Mehrere Autoren hatten die Ereignisse schriftlich fixiert, so z.-B. Bernardo del Roi, abgedruckt bei Vincent, Année S.- 20-22. Die wiedergegebene Anekdote findet sich jedoch nicht in den einschlägigen und wohl möglicherweise auch Münzer bekanntgewordenen, vielleicht sogar vorgelegenen Schriften. 99 Möglicherweise meint Münzer hier die Puerta del Hierro, die von den Katholischen Königen nach der Eroberung erbaut wurde, wie die sich auf dem Türbogen befindlichen Embleme zeigen. 100 Vgl. Luc. 1,68. 101 Die Schilderung entspricht den meisten zeitgenössischen Berichten, vgl. Suárez Fernández/ Carriazo y Arroquia, España I S.- 893. Gesungen wurde nach einem französischen Bericht das O crux ave, spes unica. Vgl. zur Entstehung des Gesanges Venantius Fortunatus, Opera S.-1 f., sowie den Hymnus In honore sanctae crucis mit der oben zitierten ersten Zeile ebd. Libri II Nr. VI S.-34 f. - Die Bedeutung des heiligen Jakobus erklärt sich nicht nur aus seiner Rolle als Schlachtenhelfer, sondern auch aus der Anwesenheit des Meisters des Santiagoordens. 102 Zur Bedeutung der Glocken siehe oben S. 72. <?page no="90"?> 90 III. Von Lorca bis Sevilla Namen Santa Fé 103 . Er existiert noch heute und ist gut besiedelt. Der König schwor bei seiner Krone, die Gegend von Granada nicht zu verlassen, bevor er als Sieger in die Stadt einzöge. Vor den Toren von Santa Fé gab es ein Feld für das Heer. Von diesem Ort aus verhinderte er jeglichen Nachschub für die Belagerten. So vernichtete er mit Sensen und Schwertern die Ernte in zwei aufeinanderfolgenden Jahren. Er stieg sogar selbst vom Pferd und schnitt das Getreide mit eigener Hand, damit die Krieger williger gehorchten. Und im dritten Jahr belagerte er die Stadt vom Monat Mai bis zu den Kalenden des Januars. Er sorgte selbst für eine so große Hungersnot, dass die Belagerten Maultiere, Hunde, Pferde, Ratten und andere Tiere aßen. Schließlich, am 6. Januar, im Jahre des Heils 1491 (1492) 104 zog der König als Sieger im Triumphzug in die Stadt ein und wurde als König von Granada begrüßt. Zur Morgendämmerung erschien eine Menge von mehr als zweihunderttausend Sarazenen und wollte das königliche Heer schlagen, das damals etwa vierzigtausend Menschen zählte. Plötzlich aber bemerkten sie, dass sich der Mond verfinsterte, und sahen darin ein schlechtes Omen: Sie kehrten um und ergaben sich, weil ihnen - wie ich schon sagte - die Kräfte fehlten 105 . Über den eigentlichen Kriegsgrund gegen Granada In der Nähe von Granada im Westen gab es bei der Meerenge den Marquis von der (Halb-)Insel Cádiz, einen siegesgewohnten Mann, der seine Gegner hart anfasste und den Krieg liebte 106 . Vor ungefähr 15 Jahren 107 hatten ihm die Sarazenen des Nachts, an der Vigil von Weihnachten, ein gewisses Kastell weggenommen, und sie bedrängten den Marquis in verschiedener Weise. Da dachte er darüber nach, wie er den Gegner besiegen könnte. Der Marquis war in fortwährender Auseinandersetzung mit dem Herzog von Medina Sidonia, der auch Graf von Niebla und Herzog von Sevilla ist 108 . Dieser war dem Marquis im Heer übergeordnet, obwohl der letztere ihn an Findigkeit übertraf. Nachdem sie ein großes Heer von etwa dreitausend Leuten aufgestellt hatten, griff der Marquis auf den Rat und unter der Führung eines gewissen christlichen Überläufers, der 4 Jahre lang in Alhama gefangen gewesen war, in Richtung Alhama an, 103 Santa Fé wurde von den Katholischen Königen 1491 errichtet. 104 Die Übergabe Granadas erfolgte am 2. Januar 1492. Der Dreikönigstag als Tag des triumphalen Einzugs könnte bewusst gewählt sein. 105 Die Geschichte zur Mondverfinsterung und der mehr als 200.000 angriffslustigen Muslime konnte anderweitig nicht nachgewiesen werden. 106 Rodrigo Ponce de León, Marqués von Cádiz (†- 1492) setzte sich seit dem Jahr 1482 verstärkt im Kampf gegen die Muslime von Granada ein. Zu seiner Beurteilung durch die zeitgenössischen Historiographen als ein zweiter „El Cid“ vgl. mit Gegenüberstellung verschiedener Quellen MacKay, Cid S.-200-207. Als wichtigste Quelle gilt Carriazo Rubio, Historia. 107 Die folgende Episode ist als „Überraschung von Zahara“ bekannt. Muslime aus Ronda sollen noch während der Waffenstillstände in der Weihnachtsnacht 1479 die Burg von Montecorto eingenommen und schließlich 1481 den Ort Zahara de la Sierra sowie die zugehörige Festung erobert haben, vgl. Suárez Fernández/ Carriazo y Arroquia, España I S.-426. 108 Bei den Herzögen von Medina Sidonia handelt es sich um das ursprünglich leonesische Geschlecht Guzmán, die 1368 die Herrschaft Niebla erhielten, 1445 die Stadt Medina mit dem entsprechenden Herzogstitel. Münzer nennt Don Enrique de Guzmán (†- 1492) Capitaneus Sibilie, vielleicht, weil er ihn als den wahren Herrscher von Sevilla wahrnahm. Die Auseinandersetzungen über die Vorherrschaft in dieser Stadt führten zu den Unstimmigkeiten zwischen ihm und Don Rodrigo Ponce de León. <?page no="91"?> Über den eigentlichen Kriegsgrund gegen Granada 91 nachdem er heimlich alle Wachen getötet hatte; er vertrieb den Feind und eroberte Alhama 109 . Als der Herzog von Sevilla dies hörte, eilte er ihm, obwohl er sein Feind war, mit einem stattlichen Heer zu Hilfe, sie gaben sich an den Mauern Alhamas wechselseitig den Friedenskuss und begruben ihren alten Hass 110 . Als es Zeit war zu gehen, sagte der Marquis zu seiner Frau: „Nur der Herzog von Sevilla, mein Todfeind, kann mir bei diesen meinen Plänen helfen.“ Als seine Frau hörte, dass sie Alhama eingenommen und die Mauren diese Stadt belagert hatten, ließ sie den Herzog von Sevilla kommen und erzählte ihm alles. Darauf versammelte der Herzog, wie gesagt, ein Heer und eilte dem Marquis zu Hilfe. Obwohl der Marquis auch den König von Portugal 111 schriftlich um Hilfe bat 112 , ebenso den König Spaniens, so zeigte sich doch der letztgenannte etwas zurückhaltender in dieser Angelegenheit, und die Königin sagte: „Es sei fern von uns, dass die Portugiesen eine solche Ehre erlangen, dies ist unsere Angelegenheit, denn es handelt sich um die Unsrigen“ 113 . Nach diesem Rat rückte der König mit einem wunderbaren Heer in das Gebiet von Granada ein und gewährte dem Marquis Hilfe. Er besaß mit Alhama eine zum Rückzug für alle Fälle bestens bewehrte Stadt und erlangte schließlich das ganze Reich. Der Marquis führte jedoch alles, so als ob es sich um seine eigene Angelegenheit handle, mit der gleichen Sorgfalt aus und ohne ihn wäre, wie alle bestätigen, die Einnahme des Reiches nicht möglich gewesen. Ich kann nicht alles aufschreiben. Nach der Eroberung von Granada starb dieser vorzügliche Graf, dessen Seele in Frieden ruhen möge. 109 Don Rodrigo Ponce de León (†1492) und weitere sowie Diego de Merlo, „Assistent“ von Sevilla, bereiteten einen erfolgreichen Überraschungsschlag vor, der am 28. Februar 1482 in der Einnahme Alhamas gipfelte; vgl. Suárez Fernández/ Carriazo y Arroquia, España I S.-541-546. Im Folgenden scheint der Text nicht ganz vollständig zu sein. Münzer vergaß wohl zu schreiben (oder der Kopist übersprang die Passage), dass kurz nach der Einnahme von Alhama der König von Granada die Bevölkerung belagerte. Er brachte die Christen in große Bedrängnis, woraufhin der Marqués mit der Bitte um Hilfe an verschiedene Städte schrieb. Jedenfalls berichten viele zeitgenössische Historiographen, dass König Ferdinand den Belagerten von Alhama helfen wollte, aber umkehrte, als er erfuhr, dass der Dux schon zur Stelle war. Nach der Version von Barrantes Maldonado sandte die Marquésa einen Brief an den Fürsten mit der Bitte, ihren Gatten zu unterstützen. (Barrantes Maldonado, Ilustraciones S.-321 f.). 110 Zur Versöhnung vgl. González Jiménez, Guerra S.- 457. Münzer und Barrantes schildern diese Episode mit fast den gleichen Worten. Barrantes fügt an, dass die Ritter, die in Alhama waren, herauskamen, um den Herzog von Medina und seine Truppen zu empfangen und fügt hinzu: „Sie schlossen Frieden und gingen in guter Freundschaft“, vgl. Alba, Viaje S.-122 Anm. 69. 111 Johann II. von Portugal (1481-1495). 112 Weder die historiographische Überlieferung noch spätere Kompilationen berichten über ein Hilfegesuch an den König von Portugal. Als dennoch ernstzunehmende Nachricht unterlassener oder im Hinblick auf die kastilisch-portugiesischen Spannungen unterbundener, potentiell aber tatsächlich angeforderter portugiesischer Hilfeleistung wird die Passage Münzers von López de Coca Castañer, Portugal gewertet, der hinter der präsentierten Information als Gewährsmänner Hernando de Talavera, den Conde de Tendilla oder den Exilanten Álvaro de Portugal vermutet, der sich 1482 noch am portugiesischen Hof befand und mit dem eine spätere Begegnung in Madrid nicht ausgeschlossen werden könne, vgl. ebd. bes. S.-737-740. Möglicherweise basiert dies auch auf Informationen, die Münzer erst in Portugal erhielt. 113 Anders als z.-B. die Darstellung in der Chronik des Hernando de Pulgar (Hernando del Pulgar, Crónica II Kap. CXXVII-CXXIX S.-5-18), in welcher die Katholischen Könige als Urheber der Eroberung Granadas erscheinen, hält sich Münzer hier eher an Carriazo Rubio, Historia Kap. XV-XVI S.-199-208. <?page no="92"?> 92 III. Von Lorca bis Sevilla Über goldene Mineralien im Gebiet von Granada Im größten Teil des Schlossberges der Alhambra sind der Boden ebenso wie alle benachbarten Flüsse voll mit einem groben rötlichen Sand. Nachdem Granada erobert worden war, gab es einige Christen, die aus Frankreich dorthin kamen, dies sahen, den Flusssand wuschen und sodann reinstes Gold fanden. Ebenso trafen sie auf Gold, als sie die rote Erde wuschen 114 . Der König Ferdinand, man weiß nicht warum, verbot das Suchen und das Waschen des Goldes bei Todesstrafe. Ich wollte dies nicht glauben und befragte deshalb hierzu den Herrn Erzbischof und den regierenden Grafen, die mir versicherten, dass es in der Tat so sei. Sie fügten hinzu, dass ein Mann allein beim täglichen Waschen etwa so viel Gold gewinnen könne, wie ein Dukat schwer sei. Die Erde dort ist etwas tonhaltig und sehr rot und etwa so dunkel wie Ziegel. Über die Riten und Kleider der Sarazenen Nur Männer betreten die Moscheen und beachten das Gesetz des Pseudopropheten 115 Mohammed skrupulös und mit höchster Ehrfurcht. Mohammed verleugnet im Koran, der im Arabischen eine Sammlung von Vorschriften bezeichnet, er leugnet, so sage ich, wie Arius die Dreiheit der Personen und wie Nestorius das Menschsein (Christi) 116 . Er gesteht nicht zu, dass Gott Vater sei, und bestätigt, dass es ohne fleischliche Vereinigung keinen Vater gebe. Er sagt aber, dass Jesus Christus von der Jungfrau Maria als reiner Mensch geboren wurde, und nicht als Gott, und dass er nicht starb, weil er wegen seiner Güte des Todes nicht würdig gewesen sei. Er habe auch nicht unter der Herrschaft der Juden gelitten, sondern ein anderer an seiner Stelle. Das Paradies der (Muslime) besteht in den Genüssen, im Essen, im Trinken, in Kleidung, im Koitus, in der Musik, in den anderen fleischlichen Freuden, wie er in seinem törichten Koran niederlegt. Mohammed leugnet auch alle Sakramente und sagt, es seien Netze und Verführungen des Klerus. Er gibt auch vor, dass alle nach ihrer Religion gerettet werden könnten, dass Christus im Paradies weile und dass er eines Tages den Antichristen töten werde. Die Muslime befolgen strikt das Geben von Almosen und das Fasten, das von der Stunde des Sonnenaufgangs morgens bis zum Einbruch der Dunkelheit währt 117 . Sie verrichten auch Gebete, die sie sorgfältig ausführen 118 . Sie verehren ebenso die Jungfrau Maria, die heilige Katharina (von Alexandria), den heiligen Johannes (den Täufer) und geben ihren Kindern diese Namen 119 . 114 Siehe auch unten die Beschreibung Lissabons, S. 118. 115 Diese Bezeichnung hat in lateinisch-christlichen Quellen eine lange Tradition. 116 Der Arianismus wird auf Areios (Arius) (†- 336) zurückgeführt. Obwohl es keine einheitliche Theologie des Arianismus gibt, wird der Begriff meist für alle Gegner des Glaubensbekenntnisses von Nizäa angewendet, vgl. Brennecke, Arianismus bes. S.- 25.-- Der Nestorianismus geht auf Nestorius (†-um 451) zurück, vgl. zur Person Abramowski, Nestorios, zur Lehre Leys, Nestorianismus bes. Sp. 885-888. Die einzelnen weiteren Beobachtungen Münzers transportieren vielfache Klischees. 117 Die Praxis des täglichen Fastens von der Morgendämmerung und bis zum Sonnenuntergang wird insbesondere im Fastenmonat Ramadan geübt. 118 Zu den fünf Grundpflichten der Muslime gehören Glaubensbekenntnis, Gebet, Fasten, Almosen sowie gegebenenfalls die Pilgerfahrt nach Mekka (Hadsch). 119 Dass Kinder nach den Namen der genannten Heiligen benannt wurden, lässt sich z.- B. für „Johannes“ ( Juan) zeigen, vgl. Hoenerbach, Humanist S.-53 f. <?page no="93"?> Über die Riten und Kleider der Sarazenen 93 Ein Greis zeigte mir einen Rosenkranz, der aus Dattelkernen gefertigt war, und sagte, dass diese von der Palme stammten, von der Maria aß, als sie nach Ägypten geflohen sei. Er küsste den Rosenkranz und sagte, er sei für die Schwangeren zuträglich, wie er schon festgestellt habe. 120 Sie vertreten auch die Meinung, dass diejenigen, die sich in dieser Welt von allen Gelüsten rigoros enthielten, im anderen Leben mehr genießen können und dass diejenigen, die sich in einem geringeren Grade enthielten, auch weniger Freuden dort genössen. Der Freitag gilt für sie wie der Sabbat. Nach ihren Gebeten kehren sie zu ihren Arbeiten zurück und sagen, dass Müßiggang aller Laster Anfang sei und dass Gott uns aufgetragen habe, unter Schweiß und mit Arbeit zu leben 121 . Sie sind sehr große Anhänger von Gerechtigkeit, sie sind exakt beim Wiegen, meiden die Lüge, aber sehen ihr Ziel einzig im Genuss. Jeden Morgen, zwei Stunden vor Aufgang der Sonne, das heißt zur Stunde der Morgendämmerung, ebenso mittags und abends 122 , steigen ihre Priester auf die Türme, laufen herum und rufen aus „Gott ist groß und mächtig und Mohammed ist sein Bote und Vorläufer“. Sie rufen auch noch viele andere Gebete, in denen sie Gott auf ihre Art als ehrwürdig preisen, sie verwenden übrigens wunderbare Intonationen und Pausen, dass niemand sie ohne Kunst lernen kann. Es wirkt allerdings eher, wie ich oben geschrieben habe, wie ein Heulen, nicht wie ein Gesang 123 . Manchmal dauern ihre Gebete tatsächlich bis zu zwei Stunden, was in einer Moschee in der Nähe unserer Herberge geschah. Wenn sie sich in der Moschee vereinen, bleiben sie stehen, ordentlich und mit nackten Füßen, sie waschen sich vorher ihre Füße, die Hände, die Augen, die Geschlechtsteile und das Gesäß. Auf ein Zeichen des Priesters beugen sie zunächst den Kopf, klopfen sich an die Brust, dann werfen sie sich zu Boden und beten, schließlich erheben sie sich wieder von neuem. Dies machen sie dreimal und sind überzeugt, dass sie so von ihren Sünden befreit sind, dann kehren sie an ihre Arbeit zurück. Sie verehren wirklich auf ihre Weise Gott sehr ehrfürchtig. Es gibt so viele Lichter in ihren Tempeln, dass es nichts Besseres gibt. Ihre Priester, die zu mehreren sind, tragen ein weißes Gewand und haben auf dem Kopf ein ebenfalls schneeweißes Tuch. Sie sind sehr ehrfürchtig und haben ihre Wohnstätten in der Nähe der Hauptmoschee, dort sprechen sie auch Recht und erledigen Notariatssowie andere geistliche Geschäfte. Über die Kleidung (der Sarazenen) Ich habe keinen Mann gesehen, der Schuhwerk trägt, außer einige Fremde, die sie bis zu den Knien tragen, wobei sie hinten mit Knoten zusammengehalten werden, so dass sie zur Stunde des Gebets und der Waschungen leicht ausgezogen werden können. Die Frauen hingegen tragen alle Schuhe aus Leinen, weite und faltige Strümpfe aus Wolle, die sie in der Lendengegend 120 Für die im lateinischen Text verwendete Bezeichnung Paternoster, die erst im 15. Jh. von Rosarium/ Rosenkranz als Ausdruck für die Gebetsschnur verdrängt wurde und zur Schutzfunktion von Dattelkernen im Rosenkranz vgl. Hoenerbach, Humanist S.-52 f. mit Anm. 26a. 121 Das Arbeiten nach dem Freitagsgebet findet sich in Sure 62,10; vgl. Bobzin, Koran S.-502. 122 Die Gebetszeiten hat Münzer reduziert, denn die Ausrufe des Muezzins sind nicht drei-, sondern fünfmal am Tag, nämlich: Gebet der Dämmerung, das Mittagsgebet, das Nachmittagsgebet, das Gebet des Sonnenuntergangs und das Nachtgebet. 123 Hier verwendet der Text wieder das lautmalerische ullulare; siehe auch oben S. 72-79. <?page no="94"?> 94 III. Von Lorca bis Sevilla festschnüren, wie die Mönche dies auf Höhe des Bauchnabels tun. Über den Strümpfen tragen sie ein langes Hemd, ebenfalls aus Leinen, und darüber eine wollene oder seidene Tunika, je nach ihren Möglichkeiten. Wenn sie ausgehen, ist jede mit einem schneeweißen Schleier bedeckt, der aus Leinen, Baumwolle oder Seide ist. Sie verhüllen ihr Gesicht und ihren Kopf so, dass man nur noch die Augen sieht. Die Sarazenen heiraten bis zu vier Frauen, die sie aus geringfügigen Gründen verstoßen können, bestimmten Vereinbarungen bei der Hochzeit entsprechend 124 . Sie geben jeder Frau ihre Räume, die diese, obwohl klein, sauber halten. Sie versorgen sie außerdem geziemend mit Mehl, Öl, Brennholz und anderen Dingen. Jede Frau kann die Mitgift zu eigenen Bedürfnissen wie Kleidung, Schmuck und Hausrat nutzen. Die einzelnen Bedingungen dieser Eheverträge sind nicht aufzuzählen, dies ist etwas für Experten 125 . Die Frauen, die reiche Männer haben, bringen diesen große Ehrerbietung entgegen, denn diese Frauen sind dann vom Glück begleitet, aber bei Missgeschicken leidet keine Frau mit ihrem Mann, abgesehen von einigen besonders guten Frauen. Die Frau kann ihren Mann nicht verstoßen, außer bei einem sehr großen Anlass, der in den Eheabmachungen festgelegt wird; wenn die Frauen aber die Scheidung wünschen, können sie den Mann auf so viele verschiedene Arten belästigen, dass dieser sie schließlich verstößt. In diesem Punkt gehen sie wie die Tiere vor. Die ehrbaren unter den Sarazenen begnügen sich mit einer einzigen Frau und schämen sich, viele zu haben. Über das Spiel mit dem Zuckerrohr Am 26. Oktober, dem Sonntag vor dem Fest von Simon und Judas, ließ der freigiebige Graf von Tendilla 126 zu unseren Ehren etwa hundert seiner besten Ritter zusammenrufen. Sie sollten auf einem Platz der Alhambra, der etwa 130 Schritte lang war, eine Art Kampfspiel vorführen: In zwei Gruppen aufgeteilt, mussten die einen die anderen mit breiten und gespitzten Zuckerrohren angreifen, die wie Lanzen aussahen; andere ergriffen die Flucht, schützten ihren Rücken mit einem Rundschild, dann griffen sie in gleicher Weise andere an - auf ihren Reitpferden 127 , die so pfeilschnell waren und überall hinlaufen konnten, dass sie unübertrefflich schienen. Das Spiel ist ziemlich gefährlich, aber wenn sich die Spieler in dieser fiktiven Schlacht üben, haben die Ritter im wirklichen Krieg weniger Angst vor den Lanzen. Dann, mit kürzeren Zuckerrohren und mit dem Pferd an der Leine, gaben sie vor, Pfeil und Bogen zu benutzen. Niemals sah ich ein so schönes Schauspiel 128 ! 124 Siehe unten zu Zaragoza S. 178. Der Koran spricht von bis zu vier Frauen, empfiehlt aber die Monogamie. 125 Zu Aussteuer, Eheverträgen und Ausstattung der Häuser der Ehefrauen durch den Mann vgl. Puyol, Jerónimo Münzer S.-107. Eine Brautgabe war verpflichtend, die Höhe konnte selbst gewählt werden oder wurde durch den Ḳāḍi bestimmt, vgl. Schacht, Nikāh S.-986. Im Koran werden die Anteile am Erbe sowohl für Männer als auch für Frauen aufgelistet, vgl. Bobzin, Koran, Sure 4 S.-68-91. 126 Siehe oben S. 78 Anm. 52. 127 Zu jinete siehe oben S. 81 Anm. 57. 128 Ritterspiele waren eine gängige Form höfischer Unterhaltung, wie auch aus anderen Reiseberichten hervorgeht. Zum Verlauf des von Münzer richtig bezeichneten Spiels vgl. Alonso de Palencia, Crónica IV S.-256 f.; vgl. bereits Hoenerbach, Humanist S.-50 zum sogenannten ‚Rohrspeer-Turnier‘. <?page no="95"?> Über das Spiel mit dem Zuckerrohr - Granada 95 Früh am 27. Oktober rief der genannte Graf wiederum zu unserer Ehre alle hervorragenden Ritter zusammen, mit Zeichen, Waffen, Pferden und Kriegsgerät. Es waren sechshundert. Er ließ sie antreten und gab danach jedem einzelnen den Sold von zwei Monaten. Diejenigen, die nicht angemessen mit Pferd oder Waffen ausgestattet waren, schickte er fort. Zu unserer Herberge kamen auch Flötisten, Violinisten und Trompeter, die uns mit ihrem Spiel begrüßten. Oh, wunderbarer Graf der bekannten Familie Tendilla, wieviel Ehre hast du uns erwiesen! Der gesegnete Gott möge es dir lohnen, weil wir es dir nicht vergelten können! Ein gewisser Herold des Grafen stand uns dauernd zur Seite, es war ein adliger Mann, der als kleines Kind durch den Böhmen Leo von Bodebrat (Podiebrad) 129 nach Deutschland gekommen war 130 . Er sprach perfekt die böhmische und die lateinische Sprache und erzählte uns viele gute Dinge von Don Gabriel Tegel (Tetzel) 131 und von Gabriel Muffel 132 , Begleiter der Reise von Herrn Leo. Es unterstützten uns auch die deutschen Drucker Jakob Magnus von Straßburg, Johannes von Speyer, Jodocus von Gerlishofen und andere 133 . Über den Herrn Erzbischof Der siegreiche König Ferdinand wollte die notwendigen Verfügungen zur christlichen Religion im Reich von Granada treffen und gab der Stadt als Erzbischof einen sehr gelehrten Mann, ausgezeichnet in der Heiligkeit seiner Lebensführung, in seiner Demut und Frömmigkeit, in seiner Sanftmut und Freigiebigkeit. Sein Name war Fray Hernando de Talavera, aus der Nähe von Toledo und aus dem Orden des heiligen Hieronymus 134 . Niemals sah ich in ganz Spanien 129 Hier werden die Personen Leo von Rožmital und König Georg Podiebrad offensichtlich zu einer einzigen verschmolzen. Leo von Rožmital und Blatna, böhmischer Adliger und nach der Heirat mit Johanna 1458 war Schwager des Georg von Podiebrad, Kg. von Böhmen (1458-1471). - Rožmital unternahm in den Jahren 1465-1467 eine Reise durch Westeuropa. Von den zwei Autoren seiner Reiseberichte dürfte der Nürnberger Patrizier Gabriel Tetzel Münzer namentlich bekannt gewesen sein (siehe unten Anm. 131), vgl. Schmeller, Herrn. 130 Ein bestimmter Herold ist in den Berichten zur Reise Leos von Rožmital nicht eindeutig zu identifizieren und namentlich zu fassen. Martínez García, Cara S.- 150 f. identifiziert diesen Herold mit demjenigen Böhmen aus der Reisegruppe Leo von Rožmitals, der aufgrund einer Krankheit in Guadalupe zurückbleiben musste. 131 Gabriel Tetzel, Nürnberger Patrizier und Ratsmitglied (†- 1479) war Verfasser des frühneuhochdeutschen Berichts zur Reise des Leo von Rožmital. Zu seiner Person Stolz, Tetzel; Johanek, Herrn hier bes. S.-458- 462. 132 Gabriel Muffel (†-1498), Nürnberger Patrizier und Ratsmitglied, Sohn des Obersten Losungers Nikolaus (III.) Muffel, vgl. Hirschmann, Familie insbes. S.-335-342; Fouquet, Affäre hier S.-500. 133 Haebler, Deutsche Buckdrucker S.-498 f. vermutet, dass es sich um Mitarbeiter (Werkleute) von Johann Pegnitzer und Meinard Ungut handelte, die in Granada ab der Mitte der 1490er Jahre zu drucken begannen. Vgl. Jaspert, Gastgeber S.-80 mit Anm. 6. 134 Der Bischofssitz in Granada wurde am 21. Mai 1492 von Kardinal Pedro González de Mendoza (†-1495) eingerichtet. Bereits bei ihrer Ankunft in Granada ernannten die Katholischen Könige Hernando de Talavera zum apostolischen Administrator, am 23. Januar 1493 übernahm er nach Eintreffen des päpstl. Dokuments das Amt des Erzbischofs (bis 1507), vgl. Martínez Medina/ Biersack, Fray Hernando de Talavera. Talavera hatte als Beichtvater von Isabella und Ferdinand großen politischen Einfluss am Hof erlangt. Die Diözese Granada wurde am 11. April 1493 von Alexander VI. auf Bitten der Katholischen Könige als Erzbistum bestätigt. - Zur Biographie Talaveras vgl. vor allem den Sammelband Martínez Medina/ Biersack, Fray Hernando de Talavera, zum 1373 von Papst Gregor XI. approbierten Hieronymitenorden vgl. Engels, Hieronymiten. <?page no="96"?> 96 III. Von Lorca bis Sevilla einen in Theologie und Philosophie gelehrteren Menschen. Er ist in Wahrheit ein zweiter Hieronymus 135 , weil er sich in gleicher Weise für das kontinuierliche Studium und die anderen Aufgaben seines Amtes in heiligmäßiger Lebensführung und in Abstinenz so sehr verzehrte, dass man sogar seine Knochen zählen kann, die nur von Haut bedeckt sind. Er empfing mich gütig und väterlich, informierte mich über alles, was ich ihn fragte. Ich kann nicht beschreiben, welche Zufriedenheit mir die Gegenwart dieses Menschen verschaffte. Er empfing mich freundlich wie ein Vater und informierte mich über die einzelnen Dinge, die ich ihn fragte. Er ist bei der königlichen Majestät höchst angesehen und akzeptierte diese Wertschätzung. Er bekehrt viele Sarazenen zu unserem Glauben 136 , beschützt sie und vermittelt ihnen Kenntnisse. Was gibt es noch zu berichten? Wie Christus handelt und lehrt er. Berühmt und schön ist das Offizium, das er über das Reich von Granada, die Güte Gottes und den Sieg des Königs zusammenstellte 137 ! Der Erzbischof ist auch Berater und Beichtvater der königlichen Majestät und seiner keuschen Frau, der Königin. Er gab mir einige mit eigener Hand geschriebene Empfehlungsschreiben für den König und für einen gelehrten Doktor des königlichen Hofes, damit ich mit eigenen Augen diesen christlichen König sehen könne, durch den der glorreiche Gott Granada unserem Joch unterwerfen ließ 138 . Die Kathedralkirche befindet sich im Schloss der Alhambra, in einer wunderschönen Moschee, ausgestattet mit 40 Kanonikern, für jeden stehen 120 Dukaten bereit, sowie mit 40 Vikaren, die man Pfründner nennt und die weniger empfangen. Weiterhin gibt es 10 Würdenträger und Ministranten, so dass insgesamt etwa 100 Personen zusammenkommen 139 . Sie leben von den Zehnten, die künftig aus dem Reich anfallen werden. Es gibt auch in Granada zunächst ein Kloster des heiligen Hieronymus außerhalb des Stadttores 140 , innerhalb der Stadt das Kloster der Prediger des Dominikanerordens, das Santa Cruz heißt 141 , das Kloster der Brüder vom Heiligen Geist, die ein ganz weißes Habit mit einem roten Kreuz auf der Brust tragen 142 . In der Befestigung der Alhambra sind weiterhin das Kloster der Minderbrüder des heiligen Franzis- 135 Hieronymus (†-419 oder 420), Heiliger und Kirchenvater; dier Text spielt wohl auf seine Zugehörigkeit zu den Hieronymiten an. 136 Zur friedlichen Missionierung und Religionsverständnis Talaveras vgl. Biersack, Magisterio S.-167-170, Martínez Medina, Fray S.-66 sowie die Anordnungen Talaveras von 1494/ 1502 in Martínez Medina/ Biersack, Fray Hernando de Talavera S.-344-357. 137 Zu den verschiedenen Werken Hernando de Talaveras vgl. Biersack, Magisterio; gemeint ist hier wohl das von ihm 1492 zusammengestellte Oficio de la toma de Granada, das jährlich die Einnahme Granadas am Sonntag nach dem Fest Circumcisio am 1. Januar kommemorierte, vgl. das Faksimile von Offizium und Messordinarium, hg. v. Molina/ Gollonet (Fray Hernando de Talavera, Oficio) sowie den dazugehörigen Sammelband Martínez Medina u.a., Oficio. 138 Zum engen Verhältnis Talaveras zu den Katholischen Königen vgl. die vorigen Anmerkungen, zu dem durch seine Vermittlung möglichen Empfang in Madrid siehe unten S. 165-167. 139 Zur Kathedrale siehe oben S. 81. 140 Zum Hieronymitenkloster siehe oben S. 78. 141 Das Dominikanerkloster Santa Cruz la Real ließ Hernando de Talavera im Jahr 1492 errichten; vgl. Garrido Aranda, Grenade Sp. 123. 142 Mit dem Bau der zugehörigen Kirche wurde 1512 begonnen, vgl. zur Baugeschichte Gallego y Burín, Granada S.-242-250; Garrido Aranda, Grenade Sp. 124. - Der Habit der Heilig-Geist-Ordensbrüder bestand aus schwarzen Mänteln mit einem weißen Doppelkreuz, vgl. Heimbucher, Orden 1 S.-419, weißes Habit mit rotem Kreuz trugen hingegen die Templer. <?page no="97"?> Über den Herrn Erzbischof - Granada 97 kus 143 , die Kirche des heiligen Joseph, die ehemals eine schöne Moschee war 144 , die Kirche des heiligen Jakobus 145 und die Marienkirche, die auf Kosten des Königs gebaut wurde, Bischofssitz sein wird und, mit schönsten Gärten und anderen Nebengebäuden für alles genügend Platz bereithält. In dieser neuen Anlage wurden in kurzer Zeit viele Angelegenheiten durch die königliche Verwaltung erledigt. Der König gestand den Zehnten der gesamten Einkünfte aus dem ganzen Königreich von Granada für den Bau der Gotteshäuser zu, außerdem zur Unterstützung der Armen in den Spitälern sowie zu weiterem frommen Nutzen 146 . Für das Lazarett und das Haus der Unschuldigen und Dummen, beide schon durch die Mauren erbaut, erhöhte er (zu ihren Gunsten) den Zins und nahm ihnen nichts weg 147 . In allen Bistümern des ganzen Reiches übt der König das Patronatsrecht aus 148 . Er vergibt alle Pfründen wie ein Gründer und schlägt selbst die Bischöfe dem Papst vor. Ich sah in Granada auch das Gefängnis der Missetäter, das vorher ein Haus und Geschäft der Genuesen war 149 . Dort sah ich an den Wänden viele Wappen von Deutschen 150 , aber sie waren wegen der langen vergangenen Zeit sehr verblasst. Sie sagten mir, dass dort auch das Wappen der Stadt Nürnberg und von gewissen Kaufleuten sei, die damals „Die Mendel“ hießen und große Händler in Genua waren 151 . Über die Burg Moclín, die man von der Alhambra aus sehen kann Wenn man Granada in Richtung Westen verlässt, trifft man nach drei Meilen auf einen sehr hohen und freistehenden Berg mit einem gut befestigten Kastell, das Moclín heißt. In diese Burg setzte der König von Granada großes Vertrauen 152 . Sie ist in militärischer Hinsicht bestens befestigt. Drei Meilen weiter landeinwärts nach Spanien gab es ein anderes Kastell der Christen 153 , von dem man auf Granada schauen konnte. Diese Burgen lagen an der Grenze von beiden Reichen. Von dort sind die Berge offen bis nach Spanien. Im Kastell der Christen 143 Zum Franziskanerkloster siehe bereits oben S. 81. 144 Hernando de Talavera (†- 1507) weihte bereits am 7. Januar 1492 die Mezquita zur Kirche San José, mit dem Neubau der Kirche wurde 1517 begonnen. 145 Münzer meint vielleicht die Iglesia de Santiago, die 1525 auf dem Gelände einer ehemaligen Moschee errichtet wurde, vgl. Gallego y Burín, Granada S.-449. Vergleichbar den anderen Moscheen in Granada war diese vermutlich zuvor ebenfalls umgewidmet und geweiht worden. 146 Zu den zahlreichen Hospitalgründungen der Katholischen Könige (vor allem zu Beginn des 16. Jh.) vgl. Jetter, Hospital S.-96-98 sowie Ders., Santiago S.-19-100, 143-182. 147 Hierbei bezieht sich Münzer vielleicht auf die ehemalige Casa de Carbón und den Maristán, beide vermutlich im 14. Jh. erbaut; vgl. Jetter, Spanien S.-44-53 (mit Erwähnung Münzers). 148 Die Katholischen Könige wurden 1486 mit dem Patronatsrecht in Granada ausgestattet. 149 Zur früheren Niederlassung der Genuesen in Granada und deren Umwandlung zum Stadtgefängnis vgl. Hoenerbach, Humanist S.-64 und Jaspert, Gastgeber S.-82 mit Anm. 15. 150 Zur Praxis, auf Reisen Wappen an den Wänden anzubringen, vgl. Kraack, Zeugnisse S.-274 f. 151 Patrizische Handelsfamilie in Nürnberg. Im Jahr 1449 machte das Unternehmen Bankrott. Vgl. Stromer, Handel insbes. S.-14. Zur Familie Mendel vgl. Fleischmann, Rat S.-696-708 und Jaspert, Gastgeber S.-82. 152 Moclín befand sich seit 1486 im Machtbereich Kastiliens und diente dann mit Loja als Basis militärischer Operationen, vgl. Malpica Cuello, Villas S.-36 und 51 sowie insbes. S.-78-103 mit Belegen zur Bedeutung Moclíns für die Verteidigung Granadas von verschiedenen zeitgenössischen Chronisten sowie dem Hinweis, dass die Beschreibung im Text deren Angaben gut ergänzt (S.-96 f.). 153 Gemeint sein könnte die nördlich von Moclín in etwa in der angegebenen Entfernung gelegene Festung La Mota, auch bekannt als Castillo de Alcalá la Real. <?page no="98"?> 98 III. Von Lorca bis Sevilla brannte jede Nacht eine Leuchte, durch diesen Lichtschein konnten viele gefangene Christen in der Nacht entkommen und die Freiheit erlangen. Bevor der König aber die Stadt Granada belagerte, kam er mit seinem Heer und seinem Kriegsgerät zu diesem Kastell. Und nachdem man lange Zeit unnütz die Mauern bombardiert hatte und sie schließlich mit einem Rammbock zu zerstören suchte, schleuderte man zum größten und stärksten Turm einen großen Stein, der voll mit Schießpulver war. In diesem Moment standen auf dem Turm 16 Sarazenen mit Fackeln: Als das Pulver sie erreichte, ließen sie beim Herabfallen des großen Steines erschreckt ihre Leuchten in das Pulver hineinfallen. So wurde der Turm entzündet und zerstört, bald brannte alles, was es gab, und sie übergaben kurz darauf das Kastell. So bemächtigte sich der König dieser Burg 154 . Die Sarazenen waren so erschreckt, dass sie den letzten Tag ihrer Herrschaft in Europa nahen sahen, und sie vertrauten ihrer Sache immer weniger, ihr Widerstand wurde nach und nach gebrochen 155 . Über den Ausgang aus Granada - die Stadt Alhama Am 27. Oktober verließen wir diese glorreiche Stadt und durchquerten etwa drei Meilen lang eine schöne Ebene. Sodann kamen wir endlich nach Bergüberquerungen zum Kastell von Alhama, das sehr gut befestigt ist und oben auf einem Berge liegt. Dort in der Nähe sahen wir einige schöne Thermen mit klarem und heißem Wasser. Dieses Wasser hinterließ, als ich es probierte, nichts anderes als den Geschmack eines äußerst angenehmen Wassers. Der König von Granada errichtete dort ein schönes Marmorgebäude mit drei wunderschönen Bögen im oberen Teil und mit Gauben auf dem Dach, dass es wunderbar anzusehen ist. Die Stadt von Alhama gehört zu den ersten, die der edelste Marquis von Cádiz auf Rat und unter Führung einiger Christen, die dort viele Jahre lang in harter Kerkerhaft gefangen gewesen waren, während einer Nacht eroberte, nachdem er einige Treppen heraufgegangen und Hunderte von Sarazenen getötet hatte 156 . Es gäbe viel über diesen nun gestorbenen edelsten Grafen zu erzählen, über die Dinge, die er gegen die Sarazenen vollbrachte 157 . Alhama ist 7 Meilen von Granada entfernt. 154 Grabungsbefunde offenbaren eine wechselvolle Siedlungsgeschichte, vgl. García Porras/ Bordes García, Moclín, mit Übersichtsplan S.-642. In der Chronik von Pulgar wird die Geschichte in einer anderen Weise erzählt, Hernando del Pulgar, Crónica II Kap. 190 S.-235. 155 Eine ähnliche Beschreibung der Eroberung Moclíns findet sich bei Lucio Marineo Siculo, Obra Lib. 20 fol. 174. 156 Siehe zur Eroberung oben S. 88-90. 157 Vielleicht Anspielung auf die Historia de los Hechos del Marqués de Cádiz, deren Datierung unsicher ist. Zu Vorschlägen zwischen 1492 und 1495 vgl. die Einleitung der Edition Carriazo Rubio, Historia S.-56-59. <?page no="99"?> Über die Stadt Málaga 99 Über die Seestadt Vélez-Málaga Am 28. desselben Monats bestiegen wir in der Früh höchste Berge, durchquerten Täler und gingen endlich in Richtung Meer hinunter; nach 6 großen Meilen erreichten wir dort die großartige Stadt Vélez-Málaga. Sie ist ziemlich groß und an der Meeresküste gelegen. Auf einem Berg steht eine sehr edle Festung, deren Übergabe der königliche Geist durch Gewalt und Aushungern erreichte 158 . Die Böden sind sehr fruchtbar, es gibt im Übermaß Öl, Feigen, Mandeln, Färberpflanzen und andere Früchte, die ich gesehen habe. Über die Stadt Málaga Am 29. desselben (Monats) verließen wir morgens das Meeresufer und kamen nach 5 Meilen in Málaga an, einer großen Seestadt, die gut bevölkert und für ihren Hafen bekannt ist. Dieser Weg war wegen der Sarazenen außergewöhnlich gefährlich, die während der Nacht, durch Winde begünstigt, aus dem Barbarenland kommen und, weil sie Ortskenntnisse besitzen, alle berauben und abführen, die sie vor Sonnenaufgang antreffen. An jenen Tagen wurden einige Hirten und 5 Bauern verschleppt 159 . Wir kamen an der Küste entlang zu Pferd von Vélez nach Málaga und sahen große Mengen von Aloe 160 , aus denen ein Aloesirup für die Leber hergestellt wird. Die Pflanze hat lange und feste Blätter mit einer großen Wurzel, ähnlich wie das Blatt der Iris, aber sehr fest und knorrig. Sie verstärken diesen Saft mit einer Koloquinte. Der Apotheker von Guadalupe gab mir einen großen Vorrat von dieser Pflanze. Die Stadt ist rund, ja fast eher triangulär angelegt und so groß wie Nördlingen. Während der Herrschaft der Sarazenen hatte sie siebentausend Häuser. Es gibt zwei wunderbare Häfen in Form von Halbkreisen mit drei sehr stark bewehrten Türmen an den Ecken 161 . Beim westlichen Hafen stehen ein großes Gebäude mit sieben Bögen, um die Schiffe und Galeeren unterzubringen und eine wunderbare Moschee mit 113 freistehenden Säulen, inzwischen ist es ein Bischofssitz. 158 Vgl. Delaigue, Castillos (mit Karte des Gebiets auf S.-620). Zur Eroberung und Übergabe von Vélez-Málaga am 27. April 1487 vgl. Suárez Fernández/ Carriazo y Arroquia, España S.-677-691 (mit weiteren Quellen). 159 Zu den Piraten im Mittelmeergebiet des ausgehenden 15. Jh. vgl. Guiral-Hadziiossif, Valencia S.-137-140; sowie im Bereich der Straße von Gibraltar und dem Alborán-Meer Bello León, Apuntes S.-77-84; Aznar Vallejo, Corso; López Beltrán, Cabalgadas bes. S.-169-172 und den Sammelband Jaspert/ Kolditz, Seeraub; darin bes. Fuess, Muslime S.-187-193. 160 Es handelt sich wohl um Aloe, die ursprünglich auf der arabischen Halbinsel, dann auf den Kanarischen Inseln und im Mittelmeergebiet als eingebürgert gelten kann. 161 Am oberen Rand des Folio 155 findet sich eine Zeichnung der beiden Hafenbecken und der drei Türme, siehe Abb. 3. <?page no="100"?> Abb. 3: Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 431, fol. 155v Die wichtige Hafenanlage Málagas, nicht weit vom muslimischen Nordafrika entfernt, war durch zwei Becken und drei Türme gesichert, wie die Zeichnung verdeutlicht. <?page no="101"?> Über die Burgen Málagas 101 Die Stadt hat auch drei Klöster: der Minderbrüder, der Prediger und eine neue Gründung der Minderbrüder, welcher der Aragonese Bruder Bernhard Boil vorsteht. Er wurde als wirklicher Entdecker nach Indien entsandt 162 . Und er war mit uns in Madrid beim König ausgesprochen vertraut 163 . Er erzählte mir viel von den [entdeckten] Inseln. Der Konvent liegt im Süden der Stadt in einer fruchtbaren Ebene mit Gärten, die früher üppig waren, nun aber durch die Belagerungszeit zerstört sind. In der Hauptmoschee ließ der König ein wunderbares Altarbild 164 zu Ehren des heiligen Johannes des Täufers errichten, der sein Patron ist. Gemalt ist der König mit einer Tafel in der Hand, die die Aufschrift trägt: Non nobis domine etc., und die Königin hat folgende Aufschrift: Benedicta sit sancta trinitas et indivisa unitas que fecit misericordiam nobis 165 . Über die Burgen Málagas Am Fuß eines Berges im Osten der Stadt steht ein sehr edles und großes Kastell, gut befestigt und mit vielen Eisentüren und verschiedenen Schlössern versehen 166 . Oh, wie lieblich ist die Aussicht auf das Meer! Es gibt unter anderem drei Grotten oder drei große Verließe, die in das sehr harte Gestein geschlagen sind, wie auch in Granada 167 , in denen die christlichen Gefangenen bewacht wurden. Nachdem wir den Herrn Kastellan 168 der Burg erreicht hatten, empfing uns dieser dank unserer vorgenannten Empfehlungsschreiben 169 sehr freundlich und ließ uns durch einen Bediensteten zur Befestigung der höher gelegenen Burg führen, die auf einem Berggipfel zwischen zwei Mauerreihen steht 170 . Oh welch schönes und gut befestigtes Kastell! Von dort kann man bei freiem Himmel leicht Afrika und das berberische Land erkennen. Ich schätze eine 162 Bedeutung erlangte Bernardo Boil als erster apostolischer Vikar de las Indias; 1493 ist er erstmals in der Nähe des Christoph Kolumbus nachgewiesen. Sein Einfluss am spanischen Hof zeigt sich auch in den Folgen, die sein Bericht über die Entdeckungsfahrten nach sich zog: Kolumbus wurden weitere Fahrten verwehrt. Siehe hinsichtlich seiner Verbindung zu Montserrat oben S. 50 f., siehe auch unten S. 205. 163 Im späteren Bericht über den Aufenthalt in Madrid wird Boil nicht mehr erwähnt, vgl. zu Madrid unten S.-163-170. 164 Heute nicht mehr erhalten, vgl. Tammen, Kunsterfahrungen S.-63. 165 Die Inschriften stammen aus Ps. 113,9 (Non nobis, domine, non nobis; sed nomini tuo da gloriam: Ferdinand) und aus dem auf Tob. 12,6 basierenden Introitus der Messe des Dreifaltigkeitssonntags (Trinitatis) (Benedicta sit sancta trinitatis atque indivisa unitas quae fecit nobiscum misericordiam: Isabella); vgl. González Sánchez, Málaga S.-204 Abb. 4. Der Spruch zur Trinität könnte implizit einen antimuslimischen Akzent enthalten. 166 Die Alcazaba deckt durch ihre Lage an der südöstlichen Flanke sowohl Stadtanlage als auch Hafen und bietet dem Besucher noch heute einen schönen Ausblick auf das Meer. Der militärische Verteidigungscharakter der Anlage findet seinen baulichen Ausdruck in einer Vielzahl von Türmen und Toren sowie einem schneckenförmig angelegten Zugangsweg. 167 Siehe oben S. 78. 168 García Fernández Manrique, vgl. Ruiz Povedano, Málaga S.-105. 169 Siehe oben S. 71. 170 Die östlich etwas höher gelegene Burg Gibralfaro (Ende 13. Jh.) ist mit der befestigten Alcazaba durch einen auch heute noch zum Teil erhaltenen Mauergang verbunden, vgl. Ruiz Povedano, Málaga S.-104- 106. <?page no="102"?> 102 III. Von Lorca bis Sevilla Entfernung von etwa 15 kleinen Meilen 171 . Wir sahen auch eine kleine königliche Moschee und erlesene Monumente mit einigen sehr schönen Beispielen von Mosaiken im Stil der Sarazenen 172 . Über den vom König von Kastilien errungenen Sieg über Málaga Die Lage, der Seehafen und die zwei uneinnehmbaren Burgen machten Málaga zu einer sehr befestigten Stadt 173 . Der König belagerte sie sechs volle Monate 174 vom Lande und vom Wasser her. Er schnitt alle Versorgung ab und unterwarf sie dem Aushungern, so dass die Wachen über den Mauern täglich nur zwei Unzen an Brot ausgaben, und die Armen, ja auch die anderen, sich gezwungen sahen, Brot herzustellen, indem sie Holz und die oberen Teile der Dattelpalmen - wo sie relativ weich sind -zum Mahlen gaben. Schließlich verließen fünftausend Sarazenen mit ihren Frauen die Stadt über das Meer in Richtung auf die westlich gelegenen Küstengebirge, die noch voll von Sarazenen waren 175 . Aber das Heer von König Ferdinand verhinderte dies, tötete viele von ihnen und zwang die anderen wieder zurück in die Stadt. Schließlich übergaben sie sich in die Huld des Königs, der fünftausend Menschen einzeln verkaufte, einen für 30 Dukaten, mit der Maßgabe, dass jeder sich mit weiteren 30 Dukaten freikaufen könne 176 . Nachdem die Stadt erobert worden war, leisteten (die Bewohner der) Burg noch fünfzehn Tage Widerstand. Schließlich ergaben sie sich auch. Es wäre noch viel hierüber zu schreiben, so zum Beispiel, wie ein gewisser Sarazene, der unter ihnen als heilig galt, aus Málaga floh und sich in das Heer des Königs einreihte. Er verletzte einen gewissen Grafen Don Álvaro von Portugal 177 tödlich, von dem er glaubte, dieser sei der König. Diesen Álvaro, dessen Bruder Ferdinand der König von Portugal 178 enthaupten ließ 179 , sah ich in Madrid und sprach mit ihm. Der Sarazene wurde von den Christen in kleinste Teile zerstückelt 180 . Einstmals, vor siebzig Jahren, als die Mohammedaner Málaga beherrschten, töteten sie alle Christen bis zum letzten. Deshalb schwor der König, das gleiche zu tun. Aber er war von 171 Die afrikanische Küste liegt ca. 120-150 km Luftlinie entfernt! 172 Málaga verfügte 1487 über 20 Moscheen; diese übertrugen die Katholischen Könige am 9. Dezember 1495 an den Bischof der Stadt. 173 Münzer bezieht sich wohl auf die Alcazaba und die Festung Castillo de Gibralfaro. 174 Gegen Málaga hatte Ferdinand das zahlenmäßig größte Aufgebot während der Eroberung des granadinischen Reiches zur Formierung eines schon mehrfach erfolgreich eingesetzten Belagerungsringes versammelt. Die Belagerung dauerte insgesamt 103 Tage und endete mit der Einnahme Málagas am 18. August 1487, vgl. Ladero Quesada, Guerras bes. S.-95-117, 143-156. 175 Münzer dürfte hier die Auseinandersetzungen am 28./ 29. Mai im Blick haben, als nach Alfonso de Palencia 3000 Mauren ausbrachen, vgl. Ruiz Povedano, Málaga S.-150. 176 Zwischen 11.000 und 15.000 Muslime gingen in Málaga in Gefangenschaft, von denen rund die Hälfte als Sklaven verkauft wurden, vgl. Peinado Santaella, Historia S.-465 sowie Ladero Quesada, Esclavitud S.-70. 177 Das Attentat verübte Ibrahim al-Gerbí. Zu diesem mehrfach in der bildenden Kunst und der Literatur behandelten Vorfall vgl. Ruiz Povedano, Málaga S.-153-156. 178 Johann II. von Portugal (1481-1495). 179 Er bezieht sich auf Don Fernando, Gf. von Braganza, der in Évora auf Befehl des portugiesischen Königs Johann II. geköpft wurde. Dieser hatte ihm vorgeworfen „Verrat und Verderben über das Königreich und die königliche Person gebracht zu haben“ und vermutete, er habe geheime Kontakte mit dem kastilischen Hof unterhalten. 180 Münzer hält sich auch hier detailgetreu an die Beschreibung der zeitgenössischen Chronisten. <?page no="103"?> Über den vom König von Kastilien errungenen Sieg über Málaga 103 Milde und Menschlichkeit bewegt und verkaufte sie (die unterworfenen Sarazenen) deshalb als Gefangene 181 . In den Tagen des Januar 1494 (schon vor 10 Monaten), gab es in Málaga ein großes Erdbeben, das viele Türme und Gebäude einstürzen ließ 182 . Auch die Erde im Hafen bebte so sehr, dass viele Schiffe aufs Trockene gehoben wurden, bis dass das Land sich wieder beruhigt hatte. Nachdem der König Málaga erobert hatte, stellte man ihm 752 christliche Gefangene vor, die durch so starken Hunger ausgemergelt waren, dass der König sie mit einer Hühnersuppe und anderen Lebensmitteln wieder zur Gesundheit zurückführte. Unter ihnen befand sich ein gewisser Deutscher aus Zürich, Heinrich Murer 183 , der 4 Jahre lang in harter Sklaverei gelebt hatte 184 . Unter den anderen gab es auch einen sehr Alten mit Bart, der versicherte, 48 Jahre lang gefangen gewesen zu sein. Zu ihm sagte die Königin: „Was hättest Du gedacht, wenn man Dir im ersten Jahr deiner Gefangenschaft gesagt hätte: Dein Retter ist wie wir noch nicht geboren worden? “. Darauf antwortete dieser traurig: „Ich wäre vor Schmerz gestorben“. Die Gefangenen verließen die Kerker mit einem kleinen Holzkreuz und riefen mit lauter Stimme: „Du bist gekommen, oh Retter der Welt! 185 Du hast uns aus den Schatten der Hölle befreit! “ Sie warfen sich vor dem König und der Königin zu Boden und sagten unter großen Tränen: „Oh Kreuz, rette uns, Du einzige Hoffnung! Nicht uns, sondern Deinem Namen gebührt die Ehre! “ 186 Wieviel Traurigkeit war dort mit Jubel gemischt! 9 christliche Gefangene, die dem Glauben weiterhin absagten, wurden nach der Eroberung Málagas vom christlichen König mit zugespitzten Schilfrohren tödlich durchbohrt. 2 waren Lombarden und 7 Spanier aus Kastilien. Nachdem sie mit Rohren getötet worden waren, verbrannte man ihre Leichname. Oh christlichster König 187 , dein Lob werde ich ewig singen! In einem gut bewässerten Tal, 5 Meilen von Málaga entfernt, liegt eine Burg, die der König mit Gewalt einnahm. Nachdem er sich der Burg bemächtigt hatte, verlangte er nach den christlichen Gefangenen, welche die Sarazenen vorher in Höhlen mit Steinen gepeinigt hatten. Als die Sarazenen nur noch die Leichen herbeibrachten, befahl der König, alle Sarazenen zu töten. So blieb es: Wenn er irgendeine Stadt belagerte, ordnete er zunächst an, dass sie die Gefangenen nicht töten sollten, andernfalls würde er im Fall des Sieges alle enthaupten lassen. Aus Furcht töteten die Sarazenen später nur noch sehr wenige. Im ganzen Heer hatte (der König) immer Glocken, bei deren Geläut die Sarazenen sagten, als sie das vernahmen: „Wir hörten den Klang der Glocken und der kleinen Glocken, aber dem König fehlt noch die Kuh“. Schließlich jedoch besiegte der König mit göttlicher Hilfe alle Kühe, das heißt die Sarazenen. 181 Siehe oben Anm. 176. 182 Málaga führt die Rangliste der von Erdbeben heimgesuchten Regionen Südspaniens an. Zum Januar 1494 vgl. Olivera Serrano, Terremotos S.-238 f. 183 Möglicherweise ein Mitglied der Zürcher Familie Murer: Heinrich Murer, aber nicht zu verwechseln mit Johann Heinrich Murer des 16./ 17. Jh. Vgl. zum Geleitbrief König Ferdinands II. (1479-1516), der eine sichere Heimreise Murers nach der Befreiung garantieren sollte, Jaspert, Alemanes S.-288 mit Anm. 14. 184 Zu den Gefangenenbefreiungen in Granada und Málaga mit Erwähnung Münzers vgl. Torres Balbás, Mazmorras S.-202-205. 185 Dieses Zitat, bis ins 16. Jh. Augustinus zugeschrieben, entstammt dem pseudoagustinischen Sermo CLX und war spätestens seit dem 10./ 11. Jh. auch vollständig in Spanien bekannt. 186 Vgl. Hymnus: Vexilla regis prodeunt. Siehe oben zu Granada S. 89, der zweite Teil Ps. 113,9, siehe oben S.-101 Anm. 165. 187 Papst Alexander VI. verlieh nach der Eroberung Granadas im Jahre 1494 Ferdinand und Isabella den Ehrentitel „Katholische Könige“, vgl. Hoenerbach, Humanist S.-48. <?page no="104"?> 104 III. Von Lorca bis Sevilla Während aber die christlichen Gefangenen Málaga verließen, gab es viel Trauer, blieb das Bild des Todes lebendig und waren so viele mit Ketten gefesselt, dass kaum zwei große Wagen die Ketten transportieren konnten, die man ihnen von den Füßen genommen hatte. Am 30. Oktober nach Mittag verließen wir Málaga über sehr hohe Berge, wie den Puerto de León oder andere, und durch einige Täler, wo der König zu Kriegszeiten einen wunderbaren Weg hatte befestigen lassen, um Kriegsgerät zu transportieren. Wir ließen zur Linken Ronda und Marbella liegen und kamen nach vielen Ortschaften und Häusern am dritten Tag nach Osuna, einer Stadt des Marquis von Cádiz 188 . Wir sahen dort mehr als 300 Sarazenen hinter Gittern gefangen. Marchena und Mairena (del Alcor), Orte unter der Herrschaft des gleichen Marquis, waren ebenso voller Gefangener. Schließlich kamen wir am vierten Tag nach Sevilla. Der König hatte den Gefangenen das Vorrecht gewährt, dass alle, die nach Granada gingen (das schon drei Jahre zuvor erobert worden war), die Freiheit erhielten. Deshalb bewachten die Christen sie in ihren Gebieten sorgfältig, um zu vermeiden, dass die Gefangenen - von ihren Fesseln befreit - nach Granada als Asyl der Freiheit flüchteten. Über die Stadt Hispalis, die heute Sevilla heißt Am 4. November verließen wir früh Mairena, und nach 4 Meilen kamen wir zu der sehr bekannten Stadt des andalusischen Reiches, die heute Sevilla und auf Latein Hispalis heißt. Diese Stadt liegt in einer sehr schönen und wunderbaren Ebene, größer, als ich je eine in Spanien sah, sehr fruchtbar an Öl, edelstem Wein und allen Arten von Früchten. Ich stieg auf den höchsten Turm 189 der Kirche der seligen Jungfrau Maria, dies war zuvor die Hauptmoschee gewesen 190 ; von dort aus betrachtete ich selbst die Stadt und bemerkte, dass sie zweimal größer als Nürnberg war. Sie ist insgesamt rund angelegt und liegt auf flachem Grund. Entlang der Mauern gegen Westen fließt der Guadalquivir, ein sehr edler Fluss, der breit und schiffbar ist; zu Zeiten von Meeresflut steigt der Wasserstand tagsüber bis zu drei oder 4 Ellen an, dann führt der Fluss ein etwas salziges Wasser. Bei Ebbe sinkt der Wasserspiegel, und das Wasser ist sehr gut und sehr süß. Sevilla verfügt über noch mehr Trinkwasser. Unter anderem gibt es eine Wasserleitung mit 390 Bögen, von denen manche sogar doppelt wegen der Ungleichheit und Unebenheit des Geländes gebaut sind. Dieses Wasser, ich wiederhole es, ist sehr nützlich zum Bewässern der Gärten, zum Säubern der Straßen, der Häuser und auch zu anderen 188 Siehe oben S. 88. 189 La Giralda, ehemaliges Minarett der almohadischen Freitagsmoschee (entstanden 1172-1198), seit christlicher Zeit Glockenturm der Kathedrale Santa María de la Sede. 190 Die ehemalige islamische Freitagsmoschee wurde nach der Eroberung Sevillas 1248 zu einer christlichen Kathedrale geweiht. <?page no="105"?> Über die Hauptkirche der heiligen Jungfrau Maria - Sevilla 105 Dingen 191 . Der Ort hat weiterhin viele bekannte Klöster von Franziskanern 192 , Augustinern 193 , Dominikanern 194 , von Nonnen und anderen 195 . Über die Hauptkirche der heiligen Jungfrau Maria Die Stadt Sevilla wurde vor einhundertsiebzig Jahren den Händen der Sarazenen entrissen und wurde christlich 196 . Noch heute gibt es unzählige Gebäude und Überreste der Sarazenenzeit. Die Leute von Sevilla und Córdoba unterstützten den König deshalb mit großen Hilfstruppen bei der Eroberung von Granada, weil sie benachbart und diesem Gefahrenherd nahe waren. Die Sevillaner trugen zu diesem Krieg mehr als eine Million Dukaten bei, das heißt zehnmal hunderttausend. Das gleiche taten die Cordobeser 197 . Unter anderen Dingen gab es eine sehr große Moschee, deren Garten und drei Gebäude noch bestehen. Die Länge der gesamten Moschee misst 250 Schritte, und die Breite beträgt 190. Die Länge des Gartens messe ich heute mit 140 meiner Schritte. In der Mitte des Gartens gibt es einen sehr schönen Brunnen, in dem sich die Muslime wuschen. Nachdem der Brunnen aber zerstört worden war, wurde an seiner Stelle ein besserer, schönerer aufgestellt. Vorne auf den Steinen stehen folgende Verse geschrieben: „Seine königliche Majestät gab mir nach dem Sieg über die Mauren dieses schöne Wasser, nachdem ich zusammengebrochen war.“ 198 Mit diesem Wasser wird heute der ganze Garten bewässert, in dem viele Zitronen- und Limonenbäume, Apfelsinenbäume, Zypressen und Dattelpalmen wachsen. Die Hälfte von dem, was ehemals Moschee war, ist heute verfallen, und an der Stelle erhebt sich eine wunderbare Kirche zu Ehren der seligen Jungfrau Maria. Es ist ein so bewundernswertes Werk, wie es in ganz Spanien kaum mehrere gibt. Die Kirche ist schon vollendet, aber der Chorraum bisher noch nicht. Das ganze Gebäude misst 200 Schritte in der Länge und 117 in der Breite. Es gibt sieben Schiffe 199 , an deren beiden Seiten wunderbare Kapellen anschließen, weiterhin 45 freistehende Säulen und ein sehr schönes Chorgestühl. Dort dienen 40 Kanoniker und 40 Pfründner sowie 20 weitere Würdenträger und Ministranten. Sie erhalten fette Pfründen von zweihundert und 300 Dukaten, und der Klerus folgt dort der Observanz. Manche sehr hohe 191 Der auf die römische Zeit zurückgehende Aquädukt, die sogenannten Caños de Carmona, wurde unter islamischer wie unter christlicher Herrschaft mehrfach instandgesetzt und war bis 1912 noch nahezu vollständig erhalten; heute finden sich noch drei Abschnitte im Norden der Altstadt. 192 Das Franziskanerkloster San Francisco, an der Plaza Francisco gelegen, ist eine Gründung des 13. Jh. Zu diesem und den folgenden Klöstern vgl. Ladero Quesada, Historia S.-217-225. 193 San Agustín, Augustinerkloster, gegründet 1314 in der Nähe der Puerta de Carmona. 194 Wahrscheinlich San Pablo, Dominikanerkloster aus dem 13. Jh. in der Gemeinde Santa Magdalena. 195 Gegen Ende des 15. Jh. gab es etwa 30 Konvente in der Stadt. 196 Als Münzer in Sevilla war, war es schon mehr als 246 Jahre her, seitdem Sevilla 1248 erobert worden war! 197 Zur Beteiligung von Sevilla und Córdoba an der Eroberung Granadas vgl. mit einer tabellenförmigen Aufstellung zur Anzahl und Herkunft der Truppen Ladero Quesada, Castilla S.- 228-302; beide Städte stellten demnach u. a. mit je 5.000 Fußsoldaten sowie 550 (Sevilla) und 750 (Córdoba) Reitern die Flügel des Heeres, ebd. S.-236. 198 Der Patio de los Naranjos (Orangenhof) war in almohadischer Zeit der Vorplatz der Freitagsmoschee gewesen, wo die Muslime u. a. ihre rituellen Waschungen durchführten. 199 Wie auch an anderen Stellen zählte Münzer offensichtlich auch die Außenseiten mit vorgesehenen Seitenaltarräumen als Schiffe. <?page no="106"?> 106 III. Von Lorca bis Sevilla und oktogonale Säulen haben einen Umfang von 25 Schritten. Außerdem gibt es sehr hohe und sehr breite Bögen. Ich glaube, dass die Kirche in 6 Jahren vollständig vollendet sein wird 200 . Alles ist aus behauenen, härtesten Steinquadern, die aus dem Küstengebirge des Reiches von Granada stammen und über den Fluss Guadalquivir nach Sevilla transportiert werden. Sevilla ist 14 kurze Meilen vom Meer entfernt 201 , und über den Fluss Guadalquivir können Schiffe von 150 Tonnen 202 zur Stadt gelangen. Der Fluss ist der Bevölkerung sehr nützlich, dort wächst edelster Wein 203 . Es gibt Malvasiawein im Überfluss 204 , und die Oliven sind so dick wie bei uns die Damaszenerpflaumen, die „Spilling“ heißen 205 . Man kann es schwer glauben, wenn man es nicht sieht. Der Graf und königliche Präfekt in Sevilla heißt Juan de Silva, Graf von Cifuentes 206 . Er gab uns auf unsere Bitte hin Geleitbriefe, um die Grenze von Kastilien zu überschreiten, und versprach, uns alles mögliche Gute zu erweisen. Der König reformierte in Sevilla viele Klöster 207 , darunter das der Minderbrüder, die in Aufruhr und unter Verwendung ihrer Privilegien den König öffentlich exkommunizieren ließen. Der König erlaubte sogar, dass diese Exkommunikation jeden Sonntag verkündet wurde, blieb jedoch fest bei seinem Vorsatz. Nachdem er durch Geduld von der Fessel seiner Exkommunikation befreit war, verpflichtete er die Mönche, die Observanz zu beachten. Der König wollte auch für Gerechtigkeit sorgen und beauftragte alle Rechtsträger, bei den öffentlichen Sitzungen unter den Arkaden zu stehen; und die Namen der Kläger sollten in einem Register unter Hinzufügung ihrer Entschädigungen neben ihren Namen erfasst werden, denn früher hatten sie die Armen in ihren Häusern schwer ausgepresst 208 . In Sevilla gab es vor der Eroberung durch den König so viel Hass, dass nachts niemand sicher draußen gehen konnte. Die Leichenträger kamen sogar nachts in die Häuser und nahmen wie Diebe Gold, Schmuck und alles mit, was sie fanden. Es gab in der ganzen Provinz keinen sicheren Ort, weder innerhalb noch außerhalb der Mauern. Oh glorreicher König, der mit seiner starken Hand dem allem ein Ende setzte! 200 Mit dem Bau der Kathedrale an Stelle der Moschee wurde 1402 begonnen. Die Arbeiten dauerten jedoch deutlich länger als die vermuteten sechs Jahre, nämlich bis 1519. Zum Zeitpunkt von Münzers Aufenthalt in der Stadt war der Bau also noch nicht abgeschlossen. Die Kathedrale ist fünfschiffig, seitlich schließen sich an die Schiffe Kapellen an. 201 Tatsächlich 87 Kilometer. 202 Die Einheit (de 150 vasis) lässt sich nicht genau umrechnen. 203 Besonders in dem Gebiet um Jerez de la Frontera, El Puerto de Santa María und Sanlúcar de Barrameda wurde bereits seit der Antike Wein angebaut. Seit dem 13. Jh. war Sherry eines der wichtigsten Exportgüter der Region. 204 Der Malvasiawein hat seinen Namen von Monembasia auf der Peloponnes. 205 Pflaumenart, die man heute noch Spilling oder Haferpflaume nennt; vgl. Pfandl, Itinerarium S.-75 Anm. 1. 206 Don Juan de Silva II., Gf. von Cifuentes (1469-1512), wichtiger militärischer Befehlshaber unter den Katholischen Königen. 207 Die Kirchen- und Klosterreform in Kastilien war bis zu Ferdinand dem Katholischen vor allem eine innerklerikale Angelegenheit. Zu den religiösen Reformen zur Zeit der Katholischen Könige vgl. García Oro, Reforma S.-31-44. 208 1485 ließen die Katholischen Könige in Sevilla einige Verordnungen verkünden, in denen sie die Rechte und Pflichten der von ihnen entsandten Corregidores genau festlegten und die vor Amtsantritt der königlichen Vertreter durch einen Schwur bestätigt werden mussten. Bei Hernando del Pulgar, Crónica 2 (ed. Carriazo y Arroquia) Kap. 167 S.-142-144 findet sich auch die von Münzer genannte Anweisung: „que no llevará ni consyntirá llevar a sus ofiçiales, más derechos de los que justamente deviere aver, segúnd la tabla que oviere escrita dellos […] e ponerlo en lo público de su avdiencia“ (ebd. S.-143). <?page no="107"?> Über die Kartause zur Heiligen Maria - Sevilla 107 Über die Kartause zur Heiligen Maria, die „Kofes“ genannt wird Außerhalb der Mauern von Sevilla, auf der anderen Seite des Guadalquivir nach Westen hin, steht ein beachtenswertes Kartäuserkloster, das Santa Maria de las Cuevas genannt wird 209 . Es ist ein sehr vornehmes Gebäude mit einem so schönen Refektorium und Tischen aus schneeweißem Marmor, von denen sie essen, dass es nichts Besseres gibt. Und wie schön die Kapelle des Kapitels ist! Es gibt edelste Zellen und darüber Schlafräume, schöne Gärten und Kreuzgänge, die vor den Zellen bestens angelegt wurden. Im Mittelpunkt befindet sich ein lieblicher Garten mit verschiedenen Figuren aus Myrte, Apfelsinenbäumen und Jasmin, wie man kaum glauben kann. Ich sah auf ihrem Friedhof auch einen Baum mit sehr großen Blättern, deren Breite zwei und deren Länge 4 Fuß betrug. Sie sagten, dass es eine Platane sei, aber dem ist nicht so, weil er in der Höhe nicht breiter wird. Sie glauben, dass sie weder Früchte noch Samen je gesehen hätten. Ihre Blätter jedoch sind sehr grün und ähneln sehr stark in der Form dem Hibiskus 210 . Außerhalb des Klosters und der Zellen werden zwei sehr große Gärten durch zwei Maultiere (mit Wasser) aus dem Fluss Guadalquivir bewässert. Es sind, wie ich wiederhole, wunderschöne Gärten mit Zitrusfrüchten, Apfelsinen, Granatäpfeln, Feigen, Mandeln, Wein und Birnen; die Früchte hingen noch an den Bäumen. In der Tat habe ich nie schönere Gärtlein gesehen. Die Bewässerungskanäle sind vorzüglich angelegt. Die Konversen haben ebenso einen eigenen Kreuzgang mit marmornen Säulen und kleinen, wunderschön angelegten Gärtlein sowie ihre wunderbar angelegten Wohnstätten. Zu jener Zeit gab es 40 Patres und 30 Konversen. Und der Pater Prior war ein sehr ehrwürdiger Mann, alt und gelehrt; er wohnte in einer eigenen Wohnung mit einem sehr schönen Kreuzgang. Wir sahen ebenso ihren langgestreckten Keller, in dem es 93 sehr große Amphoren gab, die mit Wein gefüllt waren. Ich glaube, dass zwei Nürnberger Fässer etwa drei Amphoren entsprechen. Sie enthielten einen köstlichen Wein wie den Malvasier. Wir sahen auch den Tabernakel hinter dem Hauptaltar, der so sehr mit Gold, Silber und Elfenbein verziert war, dass es unbeschreiblich ist. Sie warteten uns in wunderbarer Weise mit verschiedensten Ehrerbietungen auf. Nachdem die Erlaubnis gegeben war, betraten sie mit uns den Garten und versicherten, dass unsere Gebräuche, religiöse Praktiken, Kleider, Spiele und viele andere Dinge sie sehr erfreut hätten. Ich glaube, abgesehen von der Kartause in Pavia 211 , gibt es keine schönere. Außerdem sind sie sehr reich. Sie erhalten viertausend Dukaten an jährlichem Einkommen. Die Lebensmittel sind dort ebenfalls sehr billig, weil die ganze Baetica sehr fruchtbar ist. 209 Santa María de las Cuevas, genannt La Cartuja, 1399/ 1400 auf der der Altstadt gegenüberliegenden Insel des Guadalquivir gegründete Kartause, zu welcher auch Christoph Kolumbus (†-1506) in engem Verhältnis stand, der dort in der Capilla de Santa Ana von 1509 bis 1538 begraben war. 210 Lateinisch malaviskus: wahrscheinlich eine Hibiskusart gemeint. 211 Kartause von Pavia, großer Klosterkomplex, 1394 gestiftet durch den Grafen von Mailand Gian Galeazzo Visconti, Baubeginn war 1396, die Weihe erfolgte 1497. Der Hinweis dürfte auf Münzers Biographie (Studium in Pavia) verweisen. <?page no="108"?> 108 III. Von Lorca bis Sevilla Über das königliche Schloss in Sevilla Das Schloss von Sevilla wurde von Grund auf von König Alfons errichtet 212 , dem Autor der Tafeln zu den Himmelsbewegungen 213 , dessen Vater Ferdinand 214 Sevilla aus den Händen der Mauren befreite. Dieses Schloss ist sehr groß, etwas kleiner als die Befestigung der Alhambra in Granada. Es ist im gleichen Stil gebaut mit den Palästen, Hallen, Wegen und Wasserläufen; es ist verziert mit Marmor, Gold und Elfenbein, obwohl es nicht so große Marmortafeln gibt. Die äußere Anlage gleicht jedoch nicht derjenigen in Granada, denn das Schloss liegt in einer Ebene. Aber es hat 6 oder 10 Gärten, große und kleine, mit Zitronenbäumen, Zitrusfrüchten, Apfelsinenbäumen, Myrten und fließendem Wasser, dass man es nicht beschreiben kann. In jenem Schloss wurde der Sohn des Königs geboren, der künftige Herrscher 215 , und wir sahen den Raum seiner Geburt. Damals litt die Königin unter der kurzen schmerzhaften Entbindung. Die Sevillaner erwarteten die Ankunft ihres Königs, und deshalb pflasterten sie ihre Straße und richteten vieles. Der König baut zurzeit viele neue Gebäude, restauriert die alten zerstörten Häuser und bereitet drei Wohnungen für sich, für seinen Sohn und für die Königin vor. Diese drei sind so einzigartig, vorzüglich und adäquat eingerichtet, dass niemand sie tadeln kann. Wir sahen auch viele andere Dinge. Als wir das Schloss verließen, stiegen wir zu einer in der Kathedrale erhöht gelegenen Kapelle hinauf. Dort hörten wir die Messe und sahen die vorzüglichen Gräber der Könige von Kastilien 216 . Der König Ferdinand III. von Kastilien verehrte besonders die Jungfrau Maria. Er war fest davon überzeugt, dass er mit ihrer Hilfe Sevilla zurückerobern könne. Deshalb ließ er sich ein Bild aus Holz anfertigen, das in allen Gliedmaßen beweglich war, und auch ein Bild Christi, wie er in der Wiege sitzt, ebenso beweglich. Seit alters her gab es in deren Moschee ein Bild der seligen Jungfrau Maria 217 , das diese den Christen weggenommen hatten. Keiner hatte gewagt, es zu zerstören, der Blinden, Tauben und Behinderten wegen. Schließlich erhielt der König im Traum eine Weisung, dass man dieses Bild in besonderer Weise verehren solle und innerhalb kürzester Zeit würde Sevilla fallen. Dies tat er, und in wenigen Tagen ergab sich Sevilla. Seit dieser Stunde verehrte er (Ferdinand III.) die selige Jungfrau Maria ehrfürchtig, nichts war wichtiger. Immer, wenn er in eine Schlacht zog, nahm er dieses Bild mit sich, das aus Gold und Silber gefertigt war, und erreichte durch dessen Wunderkraft vieles. 212 Der Alcázar von Sevilla stammt bereits aus islamischer Zeit, wurde also nicht von Kg. Alfons X. (1252- 1284) errichtet, jedoch von ihm und seinen Nachfolgern, insbes. von Peter I. (1350-1369), umgebaut und erweitert. 213 Offenbar sind die sogenannten „Alfonsinischen Tafeln“, (astronomische Tafeln) gemeint, als deren Urheber Kg. Alfons X. von Kastilien galt. 214 Kg. Ferdinand III. (†-1252), Vater Alfons‘ X. 215 Johann (†-1497), Sohn der Katholischen Könige. 216 In der Capilla Real der Kathedrale befinden sich die Gräber von Alfons X., Kg. Ferdinand III., Beatrix von Schwaben (†-1235, zunächst im Kloster Santa María la Real de las Huelgas in Burgos beigesetzt, ließ ihr Sohn Alfons X. ihre Gebeine später nach Sevilla transferieren) sowie von Peter I. „dem Grausamen“, Kg. von Kastilien (1334-1369) und seiner Gemahlin María de Padilla (†-1361). 217 Gemeint ist wohl ein Marienbildnis aus der Zeit der Reconquista, das möglicherweise ein Geschenk König Ludwigs IX. von Frankreich (1226-1270) war, vgl. Herbers, Jerónimo Múnzer y sus visitas S.- 212 mit Anm.-18. <?page no="109"?> Über das königliche Schloss in Sevilla 109 Wir sahen auch ein Bild Ferdinands des Älteren mit seiner deutschen Frau und eine andere Statue seines Sohns Alfons 218 , weiterhin eine Krone der seligen Jungfrau, aus reinstem Gold gearbeitet und mit wertvollen Gemmen, Saphiren, Smaragden und Marmor verziert, was man nur schwer beschreiben kann. Er nahm dieses Bild immer mit sich in die Schlacht und verehrte es ehrfürchtig, und er schmückte das Haupt mit einer Krone aus reinstem Gold, mit Smaragden, Perlen und anderen Gemmen. Wir haben sie in unseren Händen gehalten und hielten sie für gewichtig. Meistens warf er die Mauren mit Hilfe der seligen Jungfrau nieder 219 . Wir sahen dort auch viele weitere Dinge, die es wert wären, beschrieben zu werden, die ich aber aus Gründen der Kürze weglasse. Außerhalb der Stadt, auf der anderen Seite der Brücke, die mit Kähnen über den Guadalquivir konstruiert ist, gibt es ein sehr langgestrecktes Viertel namens Triana, wo man so große Gefäße aus Töpferlehm für Wein, Öl und anderes herstellt, dass in vielen leicht 12 oder 13 Amphoren mit Wein unterzubringen sind. Hätte ich es nicht gesehen, würde ich es schwerlich geglaubt haben. 218 Es sind wiederum Kg. Ferdinand III. und seine Frau Beatrix von Schwaben sowie Kg. Alfons X. gemeint. 219 Unklar bleibt, welche Marienfigur gemeint ist: die gekrönte und geschmückte Virgen de los Reyes oder die Virgen de las Batallas, welche der Tradition zufolge Ferdinand III. (1217/ 1230-1252) mit ins Feld genommen haben soll. Beide stammen aus dem 13. Jh., vgl. Herbers, Jerónimo Múnzer y sus visitas S.-211-213. <?page no="111"?> IV. Von Niebla bis Porto Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 431, fol. 162v Am 11. November, dem Festtag des heiligen Martin, verließen wir Sevilla und durchquerten eine sehr große und fruchtbare Ebene 1 mit vielen Olivenbäumen und Häusern; sie war 15 Meilen lang und 5 Meilen breit. Wir kamen schließlich bei Sonnenuntergang sehr spät in der Nacht am Ort Sanlúcar an, nachdem wir vom Morgen an und den ganzen Tag hindurch zu Pferde 4 Meilen stramm geritten waren, vorbei an der Stadt Niebla, die zur Grafschaft von Medina Sidonia 2 gehört. Am nächsten Tag passierten wir die Grenzen des Reiches von Kastilien, betraten das Reich Portugal und gelangten zur Stadt Serpa. Von dort aus liegt etwa 12 große Meilen entfernt die Stadt Évora. Es sind von Sevilla bis nach Évora 42 riesige Meilen. Wir ritten mit großer Anstrengung etwa drei oder 4 Stunden vor Sonnenaufgang bis spät in der Nacht, bis wir schließlich am 16. November in Évora ankamen, wo sich der König damals aufhielt 3 . Dort, vor dem Tor, sahen wir in der Kirche des heiligen Blasius 4 Teile einer Schlangenhaut, die aus Guinea in Äthiopien stammte und die 30 Handspannen lang und so breit wie ein Mann war 5 ; die Schlange war mit Feuerpfeilen getötet worden. Sie hatten sie (die Haut) entrollt vom Hals bis zum Schwanz, und dieser Teil war in so vielen verschiedenen und schönen Farben gemustert und mit Sternen und goldenen Bordüren verziert, dass dies Bewunderung hervorruft. Jene Haut misst 22 Handspannen, und man versicherte, dass sie (die Schlange) zwei Menschen verspeisen könne, indem sie sie erwürgt, und dass sie mit Elefanten kämpfe. Dies glaube ich 1 Wohl Vega de Guadiamar. 2 Siehe hierzu oben S. 90. 3 Évora gehörte zu den bevorzugten Aufenthaltsorten der Könige von Portugal. Im Spätmittelalter tagten dort häufig die Cortes (Ständeversammlungen). 4 Einsiedelei (ermida) von S-o Braz, 1479-80 von Johann II. und Bf. García Meneses gegründet und 1494 dem christlichen Kult übergeben. 5 Guinea. Münzer spricht hier von „Guinea Äthiopiens“. Als Äthiopien wurde jedoch in der zweiten Hälfte des 15. Jh. meist der Süden Afrikas bezeichnet. - Die genannte Schlangenhaut könnte wegen der anschließend genannten Herkunft und Größe von einer Boa constrictor gestammt haben. <?page no="112"?> 112 IV. Von Niebla bis Porto vollkommen, denn schon Plinius schrieb über die Tiere Indiens und Äthiopiens 6 , und heute holen sie diese als bewundernswerte Dinge aus Äthiopien und den anliegenden Inseln. In Évora steht auch ein vorzüglicher königlicher Palast 7 und eine wunderschöne gewölbte Kirche, die Bischofssitz 8 ist. Sie hat einen sehr edlen Kreuzgang, durch den wir wie auf einem normalen Weg flanierten und die Lage der Stadt betrachteten, die größer als Ulm ist. Wir sahen im königlichen Hof sogar ein junges und wunderschönes Kamel, das er (der König) aus Afrika herbeiholen ließ, wo es viele gibt. Der König Johann II. 9 ist ein sehr menschlicher Herrscher und in allem sehr weise. Er regiert sein Reich in Frieden und Ruhe. Er ist äußerst leutselig und ein gründlicher Erforscher vieler Dinge. Wer immer zu ihm kommt und sich in Dingen des Krieges 10 , der Schifffahrt 11 oder anderen Wissenschaften zu erkennen gibt, den hört er in Ruhe an, lässt Beweise und Darbietungen erstellen, und wenn er diesen für wahrhaftig und tauglich hält, gewährt er ihm alles 12 . Er hat auch eine große Gabe, durch Handel und andere Dinge Reichtümer zu erlangen. Er schickt Wolltuche verschiedener Farbe nach Guinea, ebenso wie Teppiche, die in Tunis gemacht werden. Auch handelt er mit Wurfspießen, Pferden und verschiedenen Handelswaren aus Nürnberg 13 , mit vielen Kupferkesseln, mit goldbeschlagenen Schüsseln, mit rotem Tuch, mit Stoffen aus England und Irland 14 sowie mit unzähligen anderen Dingen. Ihm werden Gold, Sklaven, Pfeffer, Paradieskörner, zahllose Elefantenzähne und weiteres gebracht 15 . 6 G. Plinius Secundus, Naturalis Historiae VIII § 78-79. Das Kapitel handelt von Schlangen, dürfte Münzer aber nicht als Vorlage gedient haben. In Münzers Buchbesitz befanden sich nur verschiedene Exemplare aus dem Umfeld der Schriften des Plinius. 7 Als Palácio Real „de S-o Francisco" bezeichnet, weil er in der Nähe der von Johann II. gegründeten Franziskanerkirche S-o Francisco gelegen ist. Dort wurden auch die Feierlichkeiten bei der Hochzeit des Infanten Alfonso und der span. Prinzessin Isabel begangen. 8 Die Kathedrale von Évora ersetzte im 13. Jh. eine einfachere Konstruktion aus dem 12. Jh., vgl. hierzu Guerreiro, Catedral S.-4-7. 9 Johann ( Jo-o) II., Kg. von Portugal (1481-1495), vgl. Mendonça, Jo-o II S.-28 und 76 mit Zitat der Münzerstelle zum königlichen Charakter. Zu dieser Passage Herbers, Humanismus S.-210 f. 10 Zu dieser und den weiteren, im Folgenden beschriebenen Qualitäten des Herrschers vgl. in Bezug auf Erziehung und Charakter Mendonça, Jo-o II S.-68-75 und 165-189 mit Rückgriffen auf die Wertung in der Chronik des Rui de Pina. 11 Bereits seit 1471/ 1474, also noch vor seinem Regierungsantritt, war Johann II. für die atlantische Politik Portugals zuständig. Er wurde u. a. mit den Angelegenheiten Guineas beauftragt und war an der Entwicklung des Prinzips des mare clausum beteiligt. Demnach sollten die neuen Küsten und Länder den Entdeckern gehören. 12 Zwischen Münzer und Johann II. (†- 1495) bestanden offenbar schon früher Beziehungen, die nach der Einführung Behaims (†-1507) am portugiesischen Hof auch die weiteren „Entdeckungsfahrten“ betrafen, vgl. den von Kaiser Maximilian I. (1508-1519) in Auftrag gegebenen Brief Münzers an Johann vom 14. Juli 1493 bei Grauert, Entdeckung S.-315 f. (deutsche Übersetzung auf S.-316-319). vgl. weiterhin die Angaben bei Goldschmidt, Hieronymus Münzer S.-46 f.; Hennig, Terrae S.-236-239. 13 Zum Handel Portugals mit Nürnberg vgl. Kellenbenz, Kaufleute hier S.-317-319; sowie Schaper, Hirschvogel S.-178-196; Bernecker, Nürnberg S.-204 f. 14 Zum Handel Portugals mit England, einschließlich des Vertrages von 1489 vgl. Shillington/ Wallis Chapman, Relations bes. S.-68-74. 15 All diese und weitere Handelswaren zählt Münzer auch in seinem Traktat De inventione Africae auf, vgl. Kunstmann, Bericht S.-355 f. <?page no="113"?> Évora 113 Wir erlangten Zugang zu seiner Majestät durch den Doktor Cataldus, den königlichen Redner 16 . Er gab uns Briefe zum besseren Überschreiten der Grenze und Empfehlungsschreiben für Lissabon, damit man uns dort alles zeige. Er rief mich viermal an seinen Tisch, sprach über verschiedene Dinge und erwies sich als sehr menschlich 17 . Meinen Begleiter Antonius Herwart aus Augsburg schlug er öffentlich am Vorabend (des Festes der) der heiligen Katharina (24. November) in seiner Kapelle zum Ritter vom güldenen Sporn, er umgürtete ihn mit dem Schwert und übergab ihm vergoldete Sporen und einen Helm 18 . Als wir uns nach einem Abendessen im Palast von ihm verabschiedeten, am Tag der heiligen Katharina (25. November), umarmte er mich. Er hatte damals eine schlechte Farbe, denn seit dem Tod seines Sohnes Alfons, der vom Pferd gefallen war, ging es ihm stets schlecht. Man fürchtet, dass es Wassersucht sei, was Gott verhüten möge. Die Herrschaft eines so großen und gütigen Königs möge noch lange Zeit andauern 19 ! Er hat auch einen Bastardsohn Georg 20 , der 13 Jahre alt ist; er ist klug und gelehrt und kann Gedichte rezitieren wie kein anderer 21 . Der Erzieher Georgs ist der hochgelehrte Cataldus aus Sizilien (von der Universität) Paris, ein vorzüglicher Redner, der mir unzählige menschliche Liebenswürdigkeiten erwies 22 . Der Junge wäre des königlichen Szepters würdig, vor allem wegen der Schärfe seines Verstandes und seiner Sitten. Als er noch kleiner war, rebellierte er gegen seinen Meister, und Cataldus führte ihn mit Strafen und Drohungen zur Vernunft zurück, härter als normalerweise üblich, und zerstörte so die schlechten Gewohnheiten des Prinzen. Heute verkündet er (Georg) öffentlich: „Die harte Hand von Cataldus hat mir genützt! “ Was gibt es noch? Der junge Heranwachsende ist für sein Alter sehr humanistisch gebildet und kennt Horaz, Virgil und andere Dichter. Er kann sogar selbst Verse zusammenstellen 23 . 16 Giovanni Cataldo Parisio/ Cataldo Siculo (†-1517). Der Italiener studierte in Bologna, Padua und Ferrara und war seit 1485 - auf Wunsch Johanns II. - Erzieher des Prinzen Jorge. Er gilt als Begründer des Humanismus in Portugal und korrespondierte mit den führenden Humanisten seiner Epoche. Zusammenfassende Bemerkungen zu seiner Person in der Einleitung der Faksimile-Ausgabe zu seinen Briefen und Reden: Cataldus Siculus, Epistolae S.-9-19, zu Münzer S.-11 f. Zu seinem Wirken und seinen Werken vgl. auch Ramalho, Estudos S.-31-77 und 83-105; zur Begegnung Münzers mit Cataldus Ders., Camões S.-64, 113 f. Cataldus gab Münzer auch einige Informationen, welche dieser in seinem Werk De inventione Africae verarbeitete, vgl. Kunstmann, Bericht S.-299 und S.-358. Auch Cataldus erwähnt Münzers Besuch in seinen Werken, vgl. Herbers, Humanismus S.-211 f. und Ders., Jérôme Münzer S.-159 f. mit Anm. 17. 17 Gemeint ist wohl ein vierfaches Zusammentreffen mit dem König. 18 Equites aurati („Ritter vom güldenen Sporn“ oder einfach nur „Ritter“) waren auf Grund herausgehobener Leistungen mit der persönlichen Ritterwürde Ausgestattete, sie hatten das Recht, goldene Sporen, eine teilweise vergoldete Rüstung und um den Hals eine goldene Kette zu tragen. Die Zeremonie hing oft mit dem Dichterlorbeer zusammen. 19 Johann II. starb am 25. Oktober 1495. 20 Georg (†-1550), Bastardsohn von Johann II. und Anna von Mendoça. 21 Dass Münzer ein positives Bild des illegitimen Sohnes Johanns II. gewinnt war vom portugiesischen König wohl beabsichtigt, um Georg nach dem Tode Alfonsos als neuen Erben zu legitimieren. 22 Auch am Hof der Katholischen Könige beschreibt Münzer die Erziehung der Infanten, siehe unten S. 168 f. vgl. Herbers, Humanismus S.-211 und Ders., Jérôme Münzer passim. 23 Von Georg sind keine Verse erhalten, die Werke und Briefe des Prinzenerziehers wurden 1500 in Lissabon gedruckt. - Cataldus erwähnt Münzer in zwei Briefen an den Infanten Georg, vgl. Herbers, Humanismus S.-211 f. <?page no="114"?> 114 IV. Von Niebla bis Porto Über Ulixbona, heute Lissabon Am 26. November verließen wir Évora über Montemor - ein wunderschönes Schloss, umgeben von vielen Olivenbäumen -; wir durchquerten eine Landschaft 17 Meilen lang, folgten dann 3 Meilen einem Meeresarm und kamen schließlich in der ehrwürdigen Stadt Lissabon an. Dort gibt es einen sehr hohen Berg, auf dessen Gipfel zwei königliche Befestigungen sind 24 . Unterhalb liegt der ganze bewohnte Hügel, voller Häuser, Klöster und anderer Kirchen. Im Westen erhebt sich ein weiterer Berg, dessen Ostseite ganz besiedelt ist. Die große Ebene in der Mitte ist bis zum Meer vollständig bewohnt. Lissabon ist größer als Nürnberg und wesentlich stärker besiedelt, denn in einem einzelnen Hause leben meistens 3, 4 oder fünf Bewohner. Es sind sogar eher drei Städte als zwei. Die Juden haben drei eigene Viertel, unterhalb des Schlosses, am Fuß des Berges, diese werden jede Nacht geschlossen 25 . Am Samstag, der Vigil von Sankt Andreas (29. November), ging ich in ihre Synagoge. Niemals sah ich etwas Vergleichbares. Vor der Synagoge steht ein großer Palast, den ein riesiger Weinstock verdeckt, dessen Stamm im Umfang 4 Handbreit misst. Oh, welch schöner Ort und Stuhl zur Predigt, fast wie in den Moscheen. Innen brannten 10 große Kandelaber, und in jedem von diesen gab es 50 oder 60 Lampen, ohne noch die weiteren zu zählen. Die Frauen hatten eine eigene Synagoge, in der ebenfalls viele Lampen brannten. Die Juden von Lissabon sind sehr reich, sie erhalten die königlichen Tribute, weil sie diese vom König kauften (pachteten) 26 . Und sie sind den Christen gegenüber unverschämt. Sie haben auch große Angst vor Proskriptionen, weil der König Spaniens dem König Portugals befahl, er solle die Marranen vernichten und ebenso die Juden, oder er würde Krieg mit ihm beginnen 27 . Der König von Portugal verhielt sich korrekt gegenüber dem König von Spanien und befahl, dass vor dem Fest der Geburt des Herrn alle Marranen sein Reich verlassen sollten. Diese hatten das Schiff Regina unter Vertrag genommen, ein sehr schönes Schiff, und schon Mitte Dezember sollten sie nach Neapel aufbrechen 28 . Den Juden gewährte der König 24 Münzer beschreibt hier vermutlich Gebäude der auf einem Hügelkamm gelegenen Oberstadt, dem ältesten Teil Lissabons, unter denen sich die Burganlage des Castelo de S-o Jorge mit dem königlichen Palast (Paço da Alcáçova) sowie die erzbischöfliche Residenz befanden. 1755 wurde der Castelo durch ein Erdbeben weitgehend zerstört. 25 Die durch die Vertreibungen der Katholischen Könige seit 1492 angewachsene jüdische Bevölkerung Lissabons siedelte in drei Vierteln: Judiaria grande bzw. velha (im Bereich der heutigen Baixa Pombalina zwischen Pfarrbezirken Heilige Magdalena, Julian und Nikolaus, im Bereich der heutigen Kirche Nossa Senhora da Conceiç-o Velha); die Judiaria nova, das "neue Judenviertel" auch als Viertel der taracenas (Lagerhäuser) bezeichnet und in der lediglich zwei Straßenzüge um die Synagoge umfassende Judiaria de Alfama (südöstlich des alten Judenviertels im Umkreis der heutigen Straßen Rua da Judiaria und Beco da Judiaria. Die Viertel bestanden bis zum Dezember 1496. Die vermutliche Lokalisierung dieser und weiterer Judenviertel bzw. Synagogen auf dem beigegebenen Plan in Pignatelli, Comunidade nach S.-38; vgl. auch Soyer, Persecution S.-63. 26 Es handelt sich um gepachtete Königssteuern. 27 Seit dem Vertreibungsdekret der Katholischen Könige vom 31. März 1492, aber auch schon vorher waren aus Kastilien Juden oder konvertierte Juden nach Portugal geströmt bzw. geflüchtet. Soyer, Persecution S.- 151-153 verweist auf die Aussage Münzers und fehlende sonstige zeitgenössische Bemerkungen zur Angst der Juden vor Vertreibung. 28 Insbesondere Neapel nahm in den 1490er Jahren zahlreiche portugiesische Juden auf. Von der endgültigen Vertreibung der Juden aus Portugal ist erst für die Zeit Kg. Manuels die Rede. Die Vertreibung 1496 sei offenbar eine Bedingung für die Heirat mit der Infantin Isabella von Spanien gewesen. - Siehe auch unten zu Regina S. 117. <?page no="115"?> Über Ulixbona, heute Lissabon 115 einen Waffenstillstand von zwei ganzen Jahren, damit er sie in einer verträglichen Form aus dem Reich vertreiben könne. Unter diesen Bedingungen verlassen die Juden kontinuierlich das Reich und suchen außerhalb Orte, um zu leben. Die Sarazenen haben bei den Mauern der Stadt unterhalb des Schlosses ihre Wohnviertel und eine Moschee 29 , die wir besuchten. Auf dem Berg, der dem Schlossberg gegenüber liegt, gibt es ein Kloster mit Karmelitinnen 30 , das so wunderbar von dem Infanten Heinrich 31 erbaut wurde, dass du dich in einer Befestigungsanlage wähnst. Ich stieg auf den dortigen Turm und betrachtete die Lage jenes Stadtteiles, dies gefiel mir gut. Auf demselben Berg liegt das Kloster der Heiligsten Dreifaltigkeit 32 und der Minderbrüder 33 . Dort sahen wir ein großes Krokodil, das im Chor aufgehängt war, ebenso einen großen Baum, der Drachenbaum genannt wird und aus dem ein roter Saft wie Drachenblut fließt 34 . Im Kloster des heiligen Augustinus 35 , das oberhalb des Kastells liegt, gibt es ebenso drei weitere Drachenbäume. Einer von ihnen war äußerst dick, zwei Männer können seinen Stamm kaum umfassen. Er ist groß wie eine Pinie, und im Gipfel teilt er sich in viele große Zweige mit Verästelungen auf wie die Wurzel des Kalmus, und aus der letzten Verästelung geht ein großer Strauß an Blättern hervor, die wie die Blätter des Kalmus oder der Iris aussehen, dick und breit. Und eine Dolde ist so groß und dick wie bei den Dattelpalmen, sie trägt viele Kerne wie die Haselnüsse, von gelber Farbe. Im Januar, wenn sie reifen, werden sie süß und rot, aber in dieser Gegend werden sie nicht häufig gegessen. Das Holz dieses Baumes hat außen eine dicke Rinde, innen ist das Holz hell und schwammig wie das innere Holz des Zitrus’ oder der Rübe. Und in den Spitzen der Äste ist es sehr weich, aber an der Wurzel ist der Stamm sehr hart. In Guinea und auf anderen Inseln fressen die Pferde auf der Weide die Blätter dieser Bäume. Dort sind diese so groß, dass die Äthiopier von einem Ast Schiffe für 3 oder 4 Personen machen, und aus dem ausgehöhlten Stamm fertigen sie ein Schiff für 50 oder 60 Leute. Dies erzählten mir vertrauenswürdige Menschen, die das in den Gegenden am Äquator sahen. Das Holz dieses Baumes ist schwammig, hell und leicht wie das Sambuccamark und lässt sich leicht aushöhlen, es ist voll mit kleinen Venen. Und im März kann man einen roten Saft gewinnen, der wie Drachenblut aussieht. Es ist ein wunderschöner Baum, der in den sehr 29 Das muslimische Viertel, die Mouraria, befand sich nördlich des Castelo de S-o Jorge mit zwei Moscheen, dessen genaue Lage aber unklar ist. Bereits zwei Jahre später (1496) wurden die Muslime aus Lissabon vertrieben. 30 Nach dem Sieg über den kastilischen Thronprätendenten in der Schlacht bei Aljubarrota 1385 stiftete der Feldherr Nuño Alvares Pereira (†- 1431) in Lissabon einen Konvent, der ab 1389 errichtet und 1397 den Karmeliten von Moura übergeben wurde. 31 Heinrich „der Seefahrer“, Infant von Portugal (†-1460) unterstützte vielleicht weitere Bautätigkeiten am Kloster. Möglicherweise verwechselt Münzer bei der Beschreibung des Mitwirkens Heinrichs das Karmeliterkloster mit der Marienkapelle Nossa Senhora de Belém. 32 Der Convento da Santissima Trindade. Die Trinitarier waren seit 1218 in Lissabon ansässig. Der Bau des von Münzer beschriebenen Gebäudes wurde 1294 begonnen und 1325 fertiggestellt. 33 Der von Münzer erwähnte Franziskanerkonvent ist das einzige Kloster, das in der späteren Überlieferung nicht auftaucht. Dies spricht dafür, dass an seiner Stelle das 1496 gegründete Hieronymitenkloster Santa Maria de Belém getreten ist. 34 Der „Drachenbaum“ (Dracaena draco) war vor allem auf den Kanarischen Inseln heimisch, er wird bis zu 20 Meter hoch. Bei dem von Münzer erwähnten sogenanntes Drachenblut handelt es sich um ein zähes, dunkelrotes Pflanzenharz, das früher als Heil- und Färbemittel verwendet wurde. 35 Das Kloster S-o Vicente de Fora, mit dessen Bau 1147 begonnen wurde, sollte ursprünglich mit Prämonstratensern besetzt werden, jedoch wurden es schließlich Augustiner. Vgl. zur Gründung im Zusammenhang mit der Eroberung Lissabons Seeger, Gründungsbericht; siehe auch unten S. 119. <?page no="116"?> 116 IV. Von Niebla bis Porto warmen Gegenden zu höchster Größe wächst, vor allen Dingen an Orten mit reichlich Wasser, weil er sehr nach Wasser dürstet. Am Sonntag, dem letzten des Monats November (30. November), gingen wir eine Meile aus Lissabon heraus nach Santa Maria da Luz, wo die Jungfrau ihrer Wunder wegen bekannt ist 36 . Dort sahen wir den Schnabel eines Vogels, der Pelikan heißt, der demjenigen einer Kropfgans ähnelt, obwohl er nicht so breit ist; er hat einen großen Beutel vor der Magenmündung. Der Pelikan ist kleiner als der Schwan, größer als die Gans, und seine Federn sind gänzlich aschgrau. Es gibt ihn vielfach in Guinea 37 . Wir sahen auch einige Zuckerrohre, welche Meeresstürme von Osten bei den Inseln Madeira und Fayal angeschwemmt hatten; eins von zwei Rohren maß 16 Schritte. Es war so dick wie mein Unterarm am Handansatz, und die Astgabeln waren eine Elle weit auseinander. Deshalb glaube ich Plinius, wenn dieser im 6. Buch von der Größe der Zuckerrohre handelt 38 . Wir sahen auch kleine Lanzen, die aus Zuckerrohr messerscharf angespitzt waren, welche die Äthiopier „hasagayas“ 39 nennen; es sind Bögen, und Pfeile mit spitzen Eisenpunkten, die alle aus Zuckerrohr gefertigt sind. Wir erblickten weiterhin ein kleines Krokodil und einige Kämme von sehr großen Fischen; sie gleichen dem Kamm, der aus hartem Knochen gemacht ist, mit dem jener Fisch die Schiffe wie mit einer Säge zerschneidet 40 . Wir sahen solche sehr harten Sägen, die eine Handspanne sowie zwei Ellen in der Länge messen. Am gleichen Tag stiegen wir zum Schloss 41 hinauf und erblickten zwei starke Löwen, so schön, wie ich niemals gesehen habe. Ebenso sahen wir eine Kosmographie, die auf einer großen und vergoldeten Tafel aufgezeichnet war, deren Durchmesser 14 Handspannen betrug 42 . Es ist ein wahrhaft königliches Schloss mit seinen Palästen, Sälen und anderen Dingen. Als wir das Schloss in Richtung Meer verließen, betraten wir ein großes und sehr bekanntes Schiff eines gewissen adeligen Deutschen aus Danzig, dessen Name Bernhard Fechter 43 lautet; er erwies uns größte Ehre. Er ließ für uns einen Schinken zubereiten, der westfälisch „Hamen“ heißt, ebenso einige gegrillte Lammschultern. Und ich trank bestes Bier aus England und Danzig, in reichem Maße, und es bekam mir gut. Derselbe Bernhard Fechter 44 hatte im 36 Beim Heiligtum Nossa Senhora (Santa Maria) da Luz, das 1453 aufgrund einer Lichterscheinung als Wallfahrtsstätte in der Nähe des Zisterzienserklosters Seiça entstand, wurde 1464 eine Einsiedelei errichtet, erst unter Johann III. ein Kloster, das der Papst 1544 bestätigte. 37 Pelikan oder Graupapagei (Psittacus). Vgl. zur Vogelwelt von Guinea Kunstmann, Bericht S.-358. 38 G. Plinius Secundus, Naturalis Historiae bietet erst in Lib. XVI, § 70 Beschreibungen zu Stengelgewächsen. Laut Goldschmidt, Hieronymus Münzer S.- 23 Anm.1 besaß Münzer vermutlich ein Exemplar von Plinius Nat. Hist. in einer Ausgabe von 1468 aus seiner Paveser Zeit. 39 Auf welcher Sprache die angeblich äthiopische Bezeichnung für die beschriebenen Lanzen basiert, ist unklar. Vgl. auch Münzers Schrift De inventione Africae, ed. Kunstmann, Bericht S.-350. 40 Vermutlich ist ein Sägefisch gemeint. 41 Es ist wohl das Castelo S-o Jorge oberhalb Lissabons, dessen Vorgängerbau nach einer lokalen Tradition bereits die Römer errichtet haben sollen. 42 Vermutlich handelt es sich um die Karte des Fra Mauro (†-1460), die dieser 1459 an den portugiesischen Kg. Alfons V. (1438-1481) gesandt hatte. Das Original, das Münzer wahrscheinlich sah, ist heute verloren, eine Kopie existiert in der Bibl. Naz. Marciana in Venedig. Münzer dürfte an dieser Karte höchst interessiert gewesen sein. Zum Hintergrund vgl. Baumgärtner, Kartographie und Dies., Wahrnehmung. 43 Nicht identifiziert; allgemein zur Begünstigung des Danziger Handels durch Johann II. vgl. Kellenbenz, Kaufleute S.-317. 44 Nicht identifiziert; allgemein zur Begünstigung des Danziger Handels durch Johann II. vgl. Kellenbenz, Kaufleute S.-317. <?page no="117"?> Über Ulixbona, heute Lissabon 117 Britannischen Meer 45 , als ein Unwetter auf See sie bedrängte, zwei (Menschen) in ein Boot geschickt, die sich bei dem Unwetter mit ihren Rudern zum Schiff hin bewegten, um das Boot an Bord zu bringen, aber das vom Schiff gelöste Boot wurde plötzlich vom Schiff abgetrieben. Jene zwei blieben 10 Tage und 11 Nächte ohne Speise, Trank und Ruder dem Meer ausgesetzt und wurden am 11. Tag von einem Fischer gefunden. Von ihnen starb der schwächere, als der Fischer sie mit Brot und Bier wieder zu beleben versuchte. Der andere wurde nach und nach ernährt und gewann die Gesundheit wieder. In London, in England traf er Bernhard 46 . Wir sahen diesen auch in Lissabon. Man sehe, dass ein Mensch 11 Tage ohne Essen und Trinken aushalten kann 47 ! Dieses Schiff war mit besten Geschützen ausgerüstet, mit Mörsern, Pfeilen, Lanzen, Wurfspießen und allen Geräten, die für den Seekrieg wichtig sind. Er hatte 100 Leute unter sich und war bestens ausgestattet. Auf dem Schiff war auch ein Mönch des Predigerordens aus Esslingen in Schwaben, den Bernhard sehr lobte, weil dieser sehr gut auf Kriegsdinge vorbereitet sei. Oh Mönch, überall bist du zu finden! Nachdem wir dieses Schiff verlassen hatten, betraten wir das Schiff Regina. Oh, welch schönes und gut ausgerüstetes Schiff dies ist! Es besitzt 36 sehr große Geschosse und 180 andere Geschütze, viele Pulverfässer, Pfeile, Lanzen, Wurfgeschosse, und es ist vorbereitet, um die Marranen in den Dezembertagen nach Neapel zu bringen 48 . Es waren für das Schiff 30 Schützen bestellt, allesamt Deutsche, deren Anführer war Gregor Piet von Atzmoos, einem Ort oberhalb von Feldkirch bei Sargans 49 , ein guter und ehrlicher Mann, den der König sehr schätzte. Im Meereshafen werden in großer Anzahl die verschiedensten Lebensmittel verkauft: Früchte wie Haselnüsse, Walnüsse, Zitronen, Mandeln, Feigen, und so viele Äpfel, wie man sich nicht vorstellen kann. Niemals sah ich eine größere Menge an Äpfeln zum Verkauf, auch nicht in Nürnberg im Herbst oder zu Beginn des Winters, wenn sie normalerweise feilgeboten werden. Und welche verschiedenen Arten von Fisch, die sie Sardinen nennen und die sie 4 Meilen entfernt in der Seestadt Setúbal in so großer Menge fangen, dass es genug für ganz Portugal, Spanien, Rom, Neapel und Konstantinopel gäbe. Ich spreche nicht von Thunfisch, Delphinen und anderen Fischen. An der Vigil Andreas‘ (29. November 50 ) führte man uns auf königlichen Befehl zu dessen La Mina 51 , einem großen Gebäude im Hafenbereich, wo riesige Vorräte an Waren des Königs aufbewahrt werden, die dieser nach Äthiopien schickt. Wir sahen viele Tücher in verschiedenen Farben, die der König aus Tunis herbringen ließ, ebenso Teppiche, Leinwand, Kupferkessel, Schüsseln, Rosenkränze aus Zitronenkernen und aus Glas sowie viele andere Dinge. In einem 45 Ärmelkanal. 46 Nicht identifiziert; allgemein zur Begünstigung des Danziger Handels durch Johann II. vgl. Kellenbenz, Kaufleute S.-317. 47 Münzer greift hier das „Seemannsgarn“ Fechters auf. 48 Das Schiff konnte nicht identifiziert werden; zur Bezeichnung siehe oben S. 114. 49 Azmoos liegt etwa 6-km nordöstlich von Sargans, ca. 40-km südwestlich von Feldkirch. Die Gegend war Münzer aus seiner Jugend bekannt. 50 Hier blendet der Bericht einen Tag zurück. 51 Damit wurden die Lagerräume des Castelo de S-o Jorge bezeichnet, in denen die Waren des Afrikahandels gelagert waren; vermutlich in Anlehnung an den in Ghana, Afrika gelegenen Ort Elmina (port. S-o Jorge da Mina), wo die Portugiesen eine Handelsfestung errichteten; vgl. zum Castelo de S-o Jorge da Mina Meyn, Entdeckungen S.-45. Vgl. Fonseca, Precedentes S.-34 zur obigen Passage als zutreffende Beschreibung. Angesiedelt war das Gebäude in Lissabon wohl im Terriero do Paço bei der Ribeira das Naus (ebd. S.-36). <?page no="118"?> 118 IV. Von Niebla bis Porto anderen Gebäude erblickten wir dann, was sie aus Äthiopien herbeibringen: Paradieskörner 52 , verschiedene Büschel und Dolden von Pfeffer, die sie uns in großer Menge schenkten, und weiterhin Elefantenzähne. Alles Gold wurde nun zu Geld geprägt: Es wird als geschmolzenes und zubereitetes Gold gebracht. Nur selten kommt derartiges Mineral, das sich in rötlichen Böden findet, fast vollständig golden vor. Am Ende dieses Buches, im Kapitel über die südlichen Inseln und Äthiopien, findest du Ausführlicheres über dieses Thema 53 . Am 20. Dezember verließen 4 Schiffe wie das der Regina mit 800 Marranen sowie ein anderes Schiff, das Aguila hieß, mit einer großen Menge Zucker und 200 Menschen, Kaufleuten und Fremden, das einen guten Schiffseigner besaß, den Hafen. Die Aguila, so sage ich, erlitt an jenem Tag 5 Meilen vom Hafen Lissabon entfernt, plötzlich Schiffbruch wegen großer Unwetter 54 . Wir verließen an ebendiesem Tag Santiago 55 , ein starker Wind toste, und ich sagte zu meinen Begleitern: „Wehe denen, die an diesem Tag auf dem Meer sind.“ Als ich in Zaragoza ankam, wurden mir diese Begebenheiten mitgeteilt 56 . In Toulouse erzählte mir ein gewisser Mann aus Valencia auch, dass er in den vielen Jahren seines Lebens noch nie ein vergleichbares Unwetter erlebt habe 57 . An jenen Tagen gingen zwischen Marseille und Valencia mehr als 50 Schiffe auf dem Meer oder in den Häfen unter 58 . Wir sahen weiterhin eine große Werkstatt mit vielen Öfen, wo sie Anker, Geschütze 59 und Ähnliches herstellen, was das Meer betrifft. Alle, die dort arbeiteten, waren so schwarz in ihren Öfen, dass man denken kann, Zyklopen in der Höhle des Vulkans anzutreffen. Wir sahen schließlich in 4 großen Gebäuden sehr schöne und große Geschütze, die dort in unzähliger Anzahl vorhanden sind, ebenso Wurfgeschosse, Schilde, Brustharnische, Mörser, Springarden, Bögen, Lanzen; alles war hervorragend fabriziert und in großer Menge vorhanden. Ich rede nicht von den anderen Dingen, die in den verschiedenen Schiffen auf dem ganzen Meer verteilt sind. Die Instrumente aus Nürnberg sind im Vergleich nichts 60 . Wieviel Blei, Kupfer, Natron und Schwefel es hier gibt, und alles wird in größter Menge herbeigebracht! Dies ist nicht verwunderlich, weil Äthiopien Gold im Übermaß schickt 61 und der König sehr auf die Verwendung bedacht ist. Der König huldigt nicht der Verschwendung und ordnet alles zum größten Vorteil. Ich glaube, dass er jährlich aus dem Seehandel unglaublichen Gewinn zieht. Wir waren in einem großen und bedeutenden Haus des Königs beherbergt, in der Wohnung des Schwiegervaters von Martin Behaim 62 , der Jodocus von Hurtere hieß, aus Brügge, ein edler 52 Eventuell auch Meleguetapfeffer aus Afrika. 53 Münzer verweist auf sein Werk De inventione Africae, das in derselben Handschrift überliefert ist, vgl. die Edition von Kunstmann, Bericht. 54 Laut Tavares, Judaísmo S.-25 sind die hier von Münzer gebotenen Informationen sonst nicht weiter belegt. Offensichtlich hat Münzer im Folgenden verschiedene später gehörte Geschichten zusammengefasst. 55 Am 21. Dezember, siehe hierzu unten S. 138. 56 Zu Zaragoza siehe unten S. 177. 57 Zu Toulouse siehe unten S. 184-188 ohne erneute Nennung des Unwetters. 58 Siehe auch unten S. 251. 59 Pyxis als Kiste, Büchse wird hier als Bezeichnung für „Geschütz“ verwendet. 60 Zur Bedeutung Nürnbergs für die Waffenproduktion und deren Export vgl. Willers, Handfeuerwaffe S.-230-250. 61 Vgl. zu den Wirtschaftsbeziehungen Meyn, Entdeckungen bes. S.-43-45. 62 Martin Behaim. Behaim war seit 1485 bis 1489 mit Johanna de Macedo verheiratet, der Tochter des aus Flandern stammenden Jobst van Hurtere (vgl. die folgende Anm.) und der Beatrix de Macedo, die aus einer alten portugiesischen Familie stammte. Zu ihm und zu den Beziehungen zwischen Behaim und <?page no="119"?> Über den Seehafen von Lissabon 119 Mann und Herrscher der Inseln von Fayal und Pico 63 . Er hat eine adlige Frau, die sehr gelehrt und in allen Dingen beschlagen ist 64 . Sie schenkte mir Proben von Gazellenmoschus und erwies uns höchste Ehre. Dieses Haus liegt am Hauptplatz auf einem großen Grundstück neben dem Kloster des heiligen Dominikus 65 . Wir wurden bestens behandelt. Über den Seehafen von Lissabon Eine halbe Meile unterhalb Lissabons liegen zwei Berge 66 , die eine Viertelmeile voneinander entfernt sind. Zwischen beiden kommt das Meerwasser gegen Nordosten zum Land hin, etwa 14 Meilen lang, die Mündungsbucht ist in einigen Teilen drei Meilen, in anderen weniger breit. Wie fruchtbar alles ist, und wie gut die Ufer an diesem Küstenarm besiedelt sind. Sie sind, wie ich unterstreiche, reich an Salinen 67 , Oliven und allen möglichen Fruchtarten dieses Landstriches. In der Umgebung von Lissabon sind die Schiffe auch bei den stärksten Unwettern vollkommen sicher. In dem Teil, der Lissabon im Süden gegenüberliegt, gibt es einen schönen Berg, auf dessen Spitze man ein Schloss sieht, das ursprünglich „Alemania“ genannt wurde und heute, nachdem das Wort fälschlich verändert wurde, „Almada“ heißt 68 . Als Deutsche, Engländer und Franzosen aus Liebe zu unserer eigenen Religion Lissabon von den Sarazenen eroberten, schlossen die Sarazenen den Hafen bei dieser Eroberung und fügten ihnen viel Unheil zu. Hinter dem Schloss des Königs steht die Kollegiatkirche des heiligen Vinzenz 69 , dort sind viele Deutsche begraben, deren Schädel man uns zeigte. Diese Deutschen starben, als Lissabon belagert und den Sarazenen mit Gewalt entrissen wurde 70 . Kg. Johann II. sowie dessen mögliche Beteiligung an den „Entdeckungsfahrten“ vgl. Willers, Leben bes. S.-177-186. 63 Josse oder Jodocus van Hurtere ( portugisisch Joz d’Utra), ein Sohn Leonhards van Hurtere aus Wynendael/ Wijnendale in Westflandern; er landete 1465 auf der Insel Ilha do Faial mit 15 Landsleuten und bekam am 21. Februar 1468 die Insel Faial verliehen, was 1482 noch um die Insel do Pico erweitert wurde, vgl. Mees, Histoire S.-98-104 und 107 f. 64 Beatriz de Macêdo (†-1531), Dienerin der Infantin Beatríz. Da die Gastfreundschaft von Beatriz erwähnt wird, schließt Kunstmann, Bericht S.-301, dass Jodocus van Hurtere selbst nicht in Lissabon weilte. 65 Der Lissabonner Dominikanerkonvent wurde im 13. Jh. von Kg. Alfons III. (1248-1279) gegründet; Kg. Johann II. (1481-1495), der dem Kloster 1492 reiche Güterschenkungen machte, unterhielt enge Beziehungen zu den Lissabonner Dominikanern. Die Konventsgebäude wurden im großen Erdbeben von 1755 weitgehend zerstört. 66 Gemeint sind offenbar der Burgberg von Lissabon und der Berg von Almada auf der anderen Seite des Tejo. 67 Anlagen zur Salzgewinnung an der portugiesischen Küste werden bereits im 11. und 12. Jh. erwähnt. 68 Diese Herleitung Münzers ist wohl der Bedeutung der Deutschen bei der Eroberung Lissabons geschuldet. Der Name Almada leitet sich jedoch von al-ma’din, Burg des Erzes, her; im lat. Bericht über die Eroberung Lissabons 1147 heißt der Berg „Elmada“. Vgl. zum Palast der Grafen Pereira Sampaio, Almada und allgemein Jaspert, Gastgeber S.-83. 69 S-o Vicente de Fora nordöstlich des Kastells, vgl. zu Gründung 1147 nach der Eroberung Lissabons die folgende Anm. 70 Die Rückeroberung der Stadt erfolgte 1147 durch ein deutsch-flämisch-englisches Kreuzfahrerheer, vgl. den Bericht bei Nascimento, Conquista S.-54-175. Zur Gründung des Klosters vgl. das Indiculum Fondationis monasterii beati Vincentii Vlixbone, ed. Nascimento, Conquista S.-178-201; vgl. auch zu den dort stattfindenden Wundern die Auszüge bei Seeger, Gründungsbericht S.-288-295, einleitend zum Hintergrund S.-288 f. sowie Jaspert, Gastgeber S.-83 Anm. 20. <?page no="120"?> 120 IV. Von Niebla bis Porto Über die Höflichkeit des Volkes und das Land Die Leute beiderlei Geschlechts sind sehr umgänglich. Die Reicheren sind meistens Deutsche aus Flandern. Sie halten sich auf dem Platz und in der Rua Nova auf, die nach Art der Deutschen gemacht ist. Der größte Teil ist im Handel beschäftigt 71 . Man findet dort auch außergewöhnlich reiche Juden, die fast alle Waren verkaufen und die nur von der Arbeit ihrer Sklaven leben 72 . Über das Land Portugal Die Länge Portugals von Norden bis nach Silves, das im Süden in der Algarve liegt, beträgt gut 120 und die Breite von Westen nach Osten kaum 24 Meilen. In vielen Gegenden gibt es gutes fruchtbares Land. Aber die Algarve, das heißt die Ecke vom Kap S-o Vincente bis etwa nach Setúbal, ist gebirgig und nur dünn besiedelt. Dennoch gibt es in der Algarve an der Küste Feigen, Trauben, Mandeln und anderes im Übermaß. Über das meerwärts gelegene westliche Afrika In Afrika bei der Meerenge (Gibraltar) und den Säulen des Herkules 73 liegt die Stadt Ceuta, die einstmals sehr groß war. Die Vorgänger (des heutigen Königs) nahmen diese Stadt dem König von Fez ab 74 . Nun ist die Stadt klein und gegen Angriffe der Sarazenen gut befestigt. Im Jahre 1458 erhoben sich die Könige von Fez 75 , Tunis 76 und von Oran 77 und kamen mit mehr als vierzigtausend Leuten nach Ceuta, um die Stadt zurückzuerobern 78 . Sie waren jedoch unbewaffnet 71 Zu den Deutschen und deutschen Kaufleuten in Lissabon vgl. Jaspert, Gastgeber S.-86-88. Sie vereinigten sich in der Bruderschaft S-o Bartolomeu (mit Sitz in S-o Juli-o). 72 Zur wirtschaftlichen Tätigkeit der Juden in Lissabon siehe Tavares, Judiarias bes. S.-480. 73 Antike Bezeichnung für die Felsen Abyla (Ceuta) und Calpe (Gibraltar) beiderseits der Straße von Gibraltar. Der Sage nach soll Herkules dort Säulen errichtet haben, die das Ende der Welt markierten. 74 Abū Saʿīd ʿUṯmān b.ʾAḥmad, kurz Abū Saʿīd ʿUṯmān III. (1398-1421) aus der Marīnidendynastie. Im Kampf gegen die Eroberung Ceutas durch die Portugiesen verbündete er sich mit den Naṣriden. Ceuta wurde am Jakobstag (25. Juli) 1415 von Portugal erobert. Zur eigentlichen Schlacht und zu den beteiligten Personen, vgl. Bernecker/ Herbers, Geschichte S.-107-110. Bei diesen Kämpfen war der schwäbische Ritter Georg von Ehingen (†-1508) anwesend, nach dessen Bericht Münzer die folgenden Bemerkungen wohl gestaltete, vgl. Paravicini, Reise S.-566 f. Wahrscheinlich folgte Münzer einer mündlichen Tradition, die er durch die Vermittlung der deutschen „Kolonie“ in Lissabon aufgenommen haben könnte. 75 Abū Muḥammad ʿAbd al-Ḥaqq b. ʿUṯmān, kurz ʿAbd al-Ḥaqq II., (†-1465). 76 Abū ʿUmar ʿUṯmān (1455-1488). 77 In Oran herrschten bis 1509 die Abdalwadiden (Banū ʿAbd al-Wād), auch Ziyaniden genannt. 78 Im Bericht des Georg von Ehingen, vgl. Ehrmann, Georg von Ehingen, wird in Bd. I S.-68 der Abschluss der Aktionen in das Jahr 1457 gelegt, vgl. Paravicini, Reise S.-566. Münzer geht vielleicht irrig von der Unterstützung der Meriniden durch weitere islamische Herrscher aus. Zu den Zahlen vgl. Paravicini, Reise S.-566, Anm. 104. Georg von Ehingen nennt eine Schätzung von gegnerischen 20.000 Personen, vgl. Ehrmann, Georg von Ehingen 1 S.-52 f. <?page no="121"?> Über das meerwärts gelegene westliche Afrika 121 und nur mit vielen Schilden aus Eichenholz ausgerüstet, das sie „zockelholtz“ nennen 79 , und näherten sich den Befestigungen wie eine Herde, ohne groß voranzukommen. Es gab achthundert Christen in der Stadt, darunter zwei Deutsche: einer, Georg von Ehingen aus der Grafschaft Württemberg, der in Jerusalem zum Ritter geschlagen worden war 80 , und ein anderer, Gregor von Ramseidner aus Salzburg 81 , beide sehr tapfere Streiter. Georg von Ehingen teilte sogar einen gewissen Sarazenen, einen sehr tapferen Ritter, mit seinem Schwert mittendurch, nahm ihm sein Schwert ab und überließ alles andere den Portugiesen 82 . Ramseidner bewies den Portugiesen sein Können und sein Geschick mit einigen aus Lehm nur halb gebrannten Töpfen, gefüllt mit Pulver und dreieckigen Eisen, die man „fuseysen“ 83 nennt; diese ließ er von außerhalb der Mauern inmitten der Sarazenen werfen 84 . Die Sarazenen wurden geblendet, verwundet und erlitten große Verletzungen. Zu Hilfe kamen einige Schiffe aus Sanlúcar, aus Sevilla, denn der König Portugals konnte wegen ungünstigen Windes nicht helfen. Der oberste Befehlshaber der Sarazenen, der Lazaratisch 85 genannt und von ihnen wie ein Heiliger betrachtet wurde, gab dem König von Fez die Schuld, weil dieser Wein getrunken habe, etwas, was ein Muslim nicht darf. Zwischen ihnen erhob sich Zwietracht, und am fünften Tag zogen sie sich beschämt zurück und ließen, wie es bei ihnen üblich ist, viel Kriegsgerät zurück. Die Christen schmerzte deren nächtlicher Rückzug, weil sie mehr als zweitausend nicht getötet hatten. In den folgenden Jahren nahm der König von Portugal den Sarazenen drei weitere Orte ab, Arzila, Tanger und Alcazarsegur 86 ; alle diese Orte befestigte er aufwändig und machte die in der Umgebung lebenden Völker tributpflichtig. Sie hatten jedes Jahr pro Kopf einen Dukaten abzugeben, was sie „Tablos“ 87 nennen. Der König hat in Alcazarsegur erfahrene Bombardiere aus Deutschland 88 , darunter gab es einen gewissen Schwaben Jakob 89 aus Waiblingen, einer Stadt in der Grafschaft Württemberg, der viele Dinge energisch ausführte. Im vergangenen Monat November verpflichtete er eine rebellische Stadt, einen Tribut von dreitausend Ziegen, 79 Zockel ist ein Lehnwort von zoccolo (italienisch), Holzschuh aus Legföhrenschienen (Bergkiefer) geflochten. „Zockel“, „Zuckel“ und „zockelholz“ mit Zitat der obigen Stelle bei Grimm/ Grimm, Wörterbuch 16 Sp.15. 80 Georg von Ehingen (†- 1508), schwäbischer Ritter, Diener zunächst von verschiedenen österreichischen Herzögen, dann von Hzg. Eberhard im Bart von Württemberg. Er unternahm zwischen 1454 und 1458 ausgedehnte Reisen und beteiligte sich an Kämpfen gegen die Türken im Osten und gegen die Muslime im Westen (Ceuta); vgl. Metzig, Kanonen hier S.- 282. Zum Bericht vgl. Paravicini, Reise (zur Passage Münzers S.-567); Salicrú I Lluch, Caballeros S.-242 f. sowie Jaspert, Gastgeber S.-83. 81 Georg von Ramseiden (Ramseidner), Reisegefährte des Georg von Ehingen. 82 Ehingens eigene Schilderung des Kampfes in Ceuta bei Ehrmann, Georg von Ehingen 1 S.- 51-62, der Zweikampf S.- 57-59. Vgl. auch die Inhaltsanalyse ebd. Bd.- 2 S.- 94-97. Paravicini, Reise S.- 567 sieht in Münzers Itinerarium im Wesentlichen eine Bestätigung der schon im Bericht des Georg von Ehingen geschilderten Zweikampfes, der jedoch bei Münzer um die Zweiteilung des Gegners erweitert wurde. 83 Eine detaillierte Beschreibung der Fußeisen, auch Fußangeln genannt, und ihre Verwendungsmöglichkeiten bietet Pfandl, Itinerarium S.-90 Anm. 1. Im vorliegenden Fall dienten sie als explosive Geschosse. 84 Diese Details fehlen im Bericht des Georg von Ehingen. 85 Nicht identifiziert. Alba, Viaje S.-187 schlägt einen Kapitän namens El-Hayzari vor. 86 Die ersten beiden wurden 1471, der dritte 1458 erobert. 87 Zur Entwicklung der Dobla und ihrer Verwendung unter den Almohaden und den Herrschern Kastiliens vgl. Suárez Fernández, Spanien S.-352 f. Zur Entwicklung der Münzen im 15. Jh. in Portugal vgl. Marques, Portugal S.-213-216. 88 Zu den deutschen Artilleristen vgl. Metzig, Kanonen, hier S.-281 f. 89 Vgl. Jaspert, Gastgeber S.-83. <?page no="122"?> 122 IV. Von Niebla bis Porto zweihundert Ochsen und anderen Dingen zu entrichten, außerdem führten sie 14 Sklaven ab. Diese Städte 90 liegen 17 Meilen von der Region Sevilla entfernt. Der König zieht daraus eher Anerkennung und Ehre als Vorteil. Am 2. Dezember verließen wir das ehrwürdige und ruhmreiche Lissabon nach dem Mittagessen und folgten 5 Meilen lang dem Meeresufer, um schließlich schon spät in der Nacht im Ort Alverca anzukommen. Wir erhoben uns wiederum früh, und nach 9 Meilen strammen Rittes kamen wir in der Stadt Santarem an. Auf dem Weg sahen wir zwei Meilen von Lissabon entfernt ein sehr schönes und großes Schiff des Königs, das vollständig mit allem ausgerüstet war, wie wir es noch nie gesehen hatten. Dieser Abschnitt zwischen Lissabon und Santarem ist an allen Früchten sehr reich, besonders an Öl, Wein und Salz an der Küste, dass es nicht mehr zu wünschen gibt. Santarem liegt in der Bucht des goldenen und bekannten Flusses Tejo (Tajo), der größer ist als der Main in Frankfurt. Der Fluss fließt an der Stadt vorbei, bis er in diesen Meeresarm mündet. Oh, wie fruchtbar ist in der Tat dieser Ort, im Überfluss gibt es besten Wein, Öl und anderes! Am 4. Dezember verließen wir Santarem und sahen einige wunderschöne Orte, gelangten nach 8 Meilen zur Stadt Tomar, die wegen ihrer äußerst großen Olivenbäume, ihrer ausgedehnten Äcker und wegen eines unbedeutenden Flusses (Nab-o), der aus einer Quelle mit kühlem Wasser entspringt und viele Forellen nährt, bekannt ist. Der Ort hat ein erhabenes Schloss, das durch den Infanten Heinrich aufwändig ausgeschmückt wurde 91 , den Entdecker der Inseln, der hier den größten Teil seines Lebens verbrachte. Dieser Ort ist fruchtbar an Oliven, die auf einem Gebiet von über 4 Meilen angebaut werden. Am 5. des oben genannten (Monats) verließen wir nach dem Essen Tomar, legten 12 Meilen Weges zurück, und sehr spät in der Nacht nach einem harten Ritt kamen wir schon mit dem Licht des Mondes in Coimbra an, das auf einem schönen Berg in einer Ebene liegt, die der Fluss Mondego durchquert, über den es eine sehr bekannte Brücke gibt. An diesem Ort wachsen viele Olivenbäume. Am 6. des oben genannten (Monats) verließen wir nach dem Essen Coimbra und ritten zwei Tage durch fruchtbare, ländliche Landschaften und kamen zu der vornehmen, uralten Stadt Porto, die am Fuß eines hohen Berges gelegen ist 92 . An den Stadtmauern vorbei fließt der äußerst bekannte Fluss Douro (Duero), der hier so groß wie der Rhein in Basel ist. Dort ist ein Bischofssitz; es ist ein fruchtbarer und äußerst alter Ort. Die Stadt liegt eine Meile vom Meer entfernt und in Zeiten steigender Flut kommen auch die großen Schiffe bis zu den Stadtmauern. Die Mauern sind ganz aus behauenen Quadern aus uraltem Stein. Porto ist älter als 90 Es sind wohl die drei Städte Arzila, Tanger und Alcazarseguir gemeint. 91 Die Burg in Tomar diente als Hauptsitz des Christusordens, den Heinrich der Seefahrer, der 1420 zum Ordensmeister gewählt wurde, weiter stärkte. So ließ er die Stadt Tomar als Mittelpunkt des Ordens ausbauen, vgl. allgemein Russell, Prince S.- 77. Zur Person und seinem Einfluss auf die portugiesische Expansion vgl. Bernecker/ Herbers, Geschichte S.-107-117. 92 Die folgenden genannten Städte bis Santiago werden fast alle im Zusammenhang mit dem „portugiesischen Weg“ nach Santiago von López-Chaves, Camino portugués, beschrieben, was fortlaufend zu vergleichen ist. <?page no="123"?> Porto 123 Lissabon 93 . Ich fand dort den hochgelehrten Mann Eduard de Calvo 94 , den Redner und Prediger des Königs von Portugal, der den Doktor Johannes von Landsberg 95 , meinen hochgeschätzten Meister, bestens kannte und hoch lobte. Der Redner war zweimal bei König Maximilian (I.). Er lehrte mich viele Dinge über Spanien, denn er war ein großer Kosmograph. Die Stadt Porto liegt, wie ich schon gesagt habe, auf einem großen Berg und in den umliegenden Tälern und am Fuß des Berges ist sie mit sehr alten Bauwerken ausgestattet; sie gehört zum Bistum Coimbra 96 . Viel wäre darüber zu schreiben, was ich aus Gründen der Kürze weglasse. Nach Lissabon ist dies die berühmtere Stadt unter den Städten Portugals. Sie ist 18 Meilen von Coimbra entfernt. 93 Der Ort ist in vorrömischer Zeit belegt und war für das spätere Königreich Portugal namengebend; gelegen an der Mündung zweier Flüsse lag Calis (Portucale). Der Bischofssitz befand sich in der Suebenzeit auf dem rechten Ufer des Flusses. Die Bedeutung Portos in der Interpretation Münzers basiert auf der für das Land seit dem 12. Jh. prägenden und namengebenden Kraft. Vgl. auch Bernecker/ Herbers, Geschichte S.-9 f. und 20-22. 94 Duarte Galv-o (†-1517), portugiesischer Chronist und Diplomat, vgl. Aubin, Duarte Galv-o bes. S.-25 (mit Bezug auf Münzer). 95 Dr. Johannes Burckstaller aus Landsberg am Lech lehrte von 1471 (spätestens) bis 1497 an der Universität Leipzig. Wie aus der Passage ersichtlich, hat Burckstaller einen nachhaltigen Eindruck auf Münzer gemacht, der von 1464-1475 in Leipzig studierte. 96 Die Angabe ist irreführend: Porto gehörte wie Coimbra zur Kirchenprovinz Braga. <?page no="125"?> V. Von Barcelos bis zum Rabanal Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 431, fol. 171r Am 9. (Dezember) verließen wir Porto nach dem Essen und kamen zur Stadt Barcelos, die auf einem Berg liegt 1 . An den Mauern vorbei strömt ein bekannter Fluss, der von der alten Stadt Braga, einstmals Augusta, herkommt. Von Porto ist der Ort 8 Meilen entfernt. Am 10. (Dezember) verließen wir Barcelos und kamen nach fünf großen Meilen zur Stadt Ponte do Lima, an der ein großer, Lima genannter Fluss vorbeifließt, darüber gibt es eine Brücke mit 18 Bögen 2 . Ich aß in einer Herberge, und nach 3 Meilen gelangten wir nach Coserado. Am 11. (Dezember) kamen wir drei Meilen weiter nach Valença do Minho, welches die letzte Seestadt Portugals nach Norden hin ist. Wir setzten mit dem Schiff über den Miño (Minho), der dort etwa so groß ist wie der Rhein bei Basel, und kamen nach Tui (Tuy), das auf einem Berg am Fluss gegenüber von Valença liegt. Es ist die erste Stadt Galiciens, und sie hat einen Bischofssitz mit einer ziemlich schönen Kirche 3 . Am selben Tag verließen wir Tui nach dem Essen und kamen zu schon vorangeschrittener Nacht in einen kleinen Ort Redondela. Er ist an einem Meeresarm gelegen, dort werden Sardinen im Übermaß gefangen. Und wenn ein aus 1 Aufälligerweise erwähnt Münzer mit keinem Wort das sogenannte Hühnerwunder, das sich teilweise auch mit diesem Ort verbindet; vgl. hierzu Plötz, Hunlr S.-169. Die folgenden Orte entsprechen im Wesentlichen wie schon seit Lissabon dem portugiesischen Pilgerweg nach Santiago vgl. hierzu fortlaufend Confalonieri/ López-Chaves Meléndez, Camino. 2 Die Brücke dürfte auf römische Zeit zurückgehen, vgl. Confalonieri/ López-Chaves Meléndez, Camino S.-83. 3 Es ist unsicher, seit wann das Bistum Tui eine kontinuierliche Bischofsliste aufweist. Nach der westgotischen Zeit wissen wir von einem nach den Normanneneinfällen 1012-1016 verschleppten Bischof; nach der Restaurierung der Kirche 1069/ 71 sind Bischöfe belegt. Das Bistum war zeitweise als Suffragan zwischen Santiago und Braga umstritten, erst 1394 wurde Tui endgültig der Metropole Santiago unterstellt, die portugiesischen Gebiete des Bistums wurden erst 1441 bzw. 1452 dem in Nordafrika gelegenen Bistum Ceuta zugeschlagen; zu Bistum und zu der seit 1071 errichteten Bischofskirche vgl. Cendón Fernández, Catedral. <?page no="126"?> 126 V. Von Barcelos bis zum Rabanal Frankfurt 4 gebürtiger, dort ansässiger Deutscher uns keine Gastfreundschaft gewährt hätte, wäre es schlecht für uns gewesen, denn die Nacht war äußerst kalt; er gab uns von allem freigiebig für unser Geld. Am 12. (Dezember) standen wir früh auf und erreichten nach drei Meilen Pontevedra, eine uralte Stadt, die nicht sehr groß, aber für ihren Meerhafen berühmt ist, wo im Übermaß Sardinen gefangen und zu verschiedenen Orten gebracht werden; von diesen ernähren sie sich hauptsächlich. Es gibt ebenso einen Fluss (Lérez) mit einer wunderschönen Brücke, die 14 Bögen hat. Am selben Tag kamen wir nach dem Essen und einem Ritt von 3 Meilen an den Ort Caldas (de Reis), (der so heißt,) weil er heiße und sulfatreiche Wasser und Thermen besitzt, die ich ausprobierte. Aber die Leute dort sind unaufmerksam, sie haben weder ein Gebäude noch ein Bassin gebaut, sondern nur eine Grube, in der sie sich waschen. Das Wasser ist dennoch ausgezeichnet, so heiß wie das der Thermen in Baden bei Zürich in der Schweiz 5 . Am 13. (Dezember) verließen wir Caldas vor Sonnenaufgang und kamen in die sehr alte Stadt El Padrón, einst Iria 6 genannt. Wir traten zuerst in die äußerst alte Jakobskirche und sahen unter dem Hauptaltar die konkave Steinsäule, wo der Leichnam des heiligen Jakobus geruht haben soll 7 . Danach gingen wir zum Flussufer 8 , wo das Schiff war, das den Körper des heiligen Jakobus von Judäa mit einigen Jüngern ohne Ruderknecht hierher führte; und als der Körper auf einem Felsen lag, zerschmolz dieser Stein wie Wachs und nahm den heiligsten Leichnam auf, wie du ausführlicher in seiner Legende beschrieben findest 9 . Wir erblickten 4 Die immer wieder genannten Landsleute, die im Ausland lebten, deuten zumindest etwas von dem Migrationsverhalten im 15.-Jh. an; gerade im Beherbergungswesen scheinen nicht selten Wirte verschiedener Völker an wichtigen Orten in der Fremde gewesen zu sein. 5 Der Schweizer Ort war schon in der Römerzeit wegen seiner Thermalquellen bekannt. Im 15.-Jh. wurden zunehmend Badeorte wegen ihres heilenden Wassers beliebt. Dass sich ein Mediziner für die Balneologie interessiert, wurde schon vorher deutlich, siehe oben S. 29 und S. 67, 76. 6 Der römische Name Iria war noch für den Sitz des Bischofs in Gebrauch, bis der Sitz offiziell 1095 nach Compostela verlegt wurde; vgl. Herbers, Politik S.-211 mit Anm.-171. Zur Verlegung 1095 López Alsina, Urbano II und Ders., Prerrogativa bes. S.-116, 121 f., 124. Zur Etymologie von Padrón vgl. Krochalis, Hieronymus Münzer S.-88 Anm. 18. Vgl. allgemein zu den deutschen Pilgerberichten, die Padrón/ Iria Flavia erwähnen, Herbers, Padrón und Ders., Imagen. 7 Es scheint sich um den Stein mit einer römischen Inschrift zu handeln, die man als Widmung interpretieren kann. Der Überlieferung nach wurde der Stein aus dem Fluss geholt und unter dem Hauptaltar der Jakobus-Pfarrkirche deponiert, weil die Pilger versuchten, Stücke desselben abzuschlagen und als Andenken mitzunehmen; vgl. Otero Pedrayo, Guía S.-498 f. Der knapp 2 Meter hohe Stein ist bis heute erhalten, vgl. Krochalis, Hieronymus Münzer S.-88 Anm. 19. - Zur Tradition des Jakobus, der auf einem Felsen sitzend nach Galicien kam, vgl. auch Plötz, Jacobus Maior S.-193-195. Die wohl mündliche Tradition über die Translation der Jakobusgebeine wird mit anderen Geschichten schon in einer Predigt des Liber Sancti Jacobi (I,17) kritisiert und zurückgewiesen, vgl. Herbers/ Santos Noia, Liber S.-86 f. (deutsch Herbers, Der Jakobsweg S.-15); vgl. zu den Traditionen der Translatio insgesamt zusammenfassend Herbers, Jakobsweg. Geschichte S.- 12-16 und die lateinischen Bemerkungen des Liber Sancti Jacobi zur Translatio aus dem 12. Jh., vor allem in Buch III: Herbers/ Santos Noia, Liber S.-185-190. Die Verbindung der Jakobustraditionen mit Iria Flavia gründet darin, dass die Barke mit den Überresten des Apostels dort angekommen sein soll. 8 Río Ulla. 9 Zu den Traditionen um die Ankunft des Apostelleichnams in Iria Flavia, die vor allem in der sogenannten Translatio und dem Brief eines Bf. Leo niedergelegt sind, vgl. den Liber Sancti Jacobi, Herbers/ Santos Noia, Liber S.-185-190; Díaz y Díaz, Epistola S.-517-568; Henriet, Bellua (zu verschiedenen handschriftlichen Überlieferungen). Zur Passage Münzers im Vergleich mit anderen Berichten Herbers, Padrón bes. S.-278-280 sowie die Angaben der vorigen Anm. Unsicher ist, ob Münzer hier der weit verbreiteten Tradi- <?page no="127"?> Über die Lage Compostelas 127 auch, als wir auf den Berg jenseits der Brücke stiegen, den Ort, wo er den Heiden predigte 10 . Es findet sich eine Ansammlung größter Steine in der Art der Pyramiden, und auf dem Gipfel gibt es einen flachen Stein in Form eines Stuhles. Dort sahen wir auch die Kapelle, unter der die Quelle entspringt, die der selige Jakobus durch die Berührung mit seinem Stab zum Fließen gebracht haben soll 11 . Es ist weiches und süßes Wasser, das wir tranken und das uns gut bekam. Nachdem wir all dies gesehen hatten, kamen wir ernüchtert nach vier Meilen in die heiligste Stadt Compostela, in der, wie man sagt, der Leichnam des heiligen Jakobus des Älteren, des Zebedäussohnes und Bruder des Evangelisten Johannes, vollständig ruht 12 . Über die Lage Compostelas, (Stadt) des heiligen Jakobus Am 13. Dezember kamen wir nach Compostela, das ringsum von Hügeln umgürtet ist. In deren Mitte erhebt sich ein weiterer Hügel. Der Ort hat keinen Fluss 13 , sondern zahlreiche gute Quellen, die Süßwasser hervorsprudeln lassen. Die Stadt ist nicht groß, aber alt und mit einer sehr guten alten Ummauerung und zahlreichen starken Türmen befestigt. Das Land ist freilich gut, und die Gärten der Stadt sind voll mit Apfelsinen, Limonen, Äpfeln, Pfirsichen, Pflaumen und anderen Früchten. Aber das Volk dort ist schweinisch, hat zahlreiche Schweine, die günstig verkauft werden, und ist faul; es kümmert sich weniger um die Bearbeitung des Bodens, sondern lebt hauptsächlich vom Gewinn an den Pilgern 14 . Sie haben ein gutes Klima; innerhalb und auch außerhalb der Stadtmauern finden sich viele Klöster, wie das Dominikanerkloster 15 , in dem es einen hochgelehrten Prediger gibt, der mir vieles gezeigt und beition der Legenda aurea des Jacobus de Voragine folgt, oder ob er sein Wissen aus dem Liber Sancti Jacobi schöpfte, von dem er eine Teilabschrift besorgte, siehe unten S. 130-134 und öfter. 10 Dieser Berg befindet sich auf der anderen Seite des Flusses Sar und heißt heute Monte de San Gregorio; dort soll nach späten Quellen der Apostel in Spanien missioniert haben. Im späten Mittelalter gab es in Padrón vier Orte, um Ablass zu erwerben; die Pilger mussten die Kollegiatkirche Santa María de Iria, die Kirche Santiago de Padrón, la Barca und den Ort aufsuchen, wo sich die Einsiedelei Santiago (heute: „Santiaguiño do Monte“) befand. Die Gewährung der Ablässe wurde einem Papst Gregor (Gregor III., 731-741) zugeschrieben. 11 Gemeint ist die heutige Einsiedelei Santiaguiño do Monte, die über einer Quelle errichtet wurde. Angeblich soll Jakobus dort auch die heidnische Königin Lupa getauft haben. 12 Zum Jakobusgrab und dessen Entdeckung vgl. zusammenfassend Herbers, Jakobuskult S.-9 f. mit Nachweis der älteren Literatur über die archäologischen Ausgrabungen. Vgl. u. a. auch Plötz, Apostel Jacobus in Spanien bes. S 99-104; Herwaarden, Saint James bes. S.-337 f. Knappe Zusammenfassung bei Herbers, Jakobsweg. Geschichte S.- 10-12. Die Bemerkung zum Besitz des vollständigen Leichnams (corpus […] integrum) zielt wohl darauf ab, dass immer wieder (Teil-) Reliquien an anderen Orten auftauchten und dokumentiert hier die Compostellaner Sicht. Zu den Zweifeln einiger Pilger, auch von Hieronymus Münzer hinsichtlich der Echtheit der Reliquien siehe die Bemerkungen unten zu Toulouse, wo den Pilgern ebenso Jakobus-Reliquien gezeigt wurden, siehe S. 185 f. 13 Offensichtliche Fehlinformation, Sar und Sarela gehören zu Santiago de Compostela. 14 Zum Pilgergewerbe in Compostela bietet die Pilgerliteratur seit dem hohen Mittelalter kritische Bemerkungen, vgl. Herbers, Der Jakobsweg S.-183 f.; zu verschiedenen Aspekten des Pilgergewerbes im späten Mittelalter: Ders., Stadt S.- 211-219 sowie vor allem Ferreira Priegue, Ciudad. Zur Beherbergung vgl. Schmugge, Anfänge S.-27-29 und Peyer, Gastfreundschaft S.-57 f., 126, 131-133, 136 f. 15 Laut der Überlieferung 1219 vom heiligen Dominikus (†-1221) gegründet; vgl. Ríos, Santiago de Compostela bes. S.-2197. Zu diesem und den anderen genannten Klöstern vgl. Vázquez de Parga/ Lacarra/ Uría RÍu, Peregrinaciones 2 S.-378 ff. <?page no="128"?> 128 V. Von Barcelos bis zum Rabanal gebracht hat. Ebenso besteht dort das Benediktinerkloster 16 , dessen Abt der König gefangen nach Kastilien abführen ließ, weil er Güter verschleudert habe 17 . Weiterhin gibt es die Klöster der Klarissen 18 , der Karmelitinnen 19 und der Franziskaner 20 . Der König 21 , dessen Leben Gott verlängern möge, begünstigt augenblicklich die Reform der Augustiner 22 . Über die Kirche des heiligen Jakobus Die Kirche des heiligen Jakobus ist eine der drei Hauptkirchen nach der römischen und der von Ephesus in Asien, die letztere gibt es inzwischen nicht mehr 23 . Erbaut wurde sie von Karl dem Großen, dem König der Franken und Kaiser von Deutschland. Dieser, wie du später über seine Kriegstaten hören wirst 24 , ließ sie aus Spolien, Geschenken und der Beute von den Sarazenen erbauen 25 . Es ist ein beeindruckender Bau in Form eines Kreuzes. Das Mittelschiff ist 100 Schritt lang, die Länge der Arme 120 und deren Breite 15; die Breite des Mittelschiffs beträgt 32, die Länge des gesamten Mittelschiffes mit dem Chorraum 150 26 . Alles ist aus Quadern und aus sehr hartem Stein erbaut und überwölbt. Die Kirche hat zwei Seitenschiffe wie die Sebalduskirche (in Nürnberg) und im Umgang des Chores Kapellen. Es ist wirklich ein äußerst solides Werk und hat an den 4 Ecken 4 gut bewehrte Türme, und momentan wird ein weiterer ebenso starker Turm erbaut 27 . 16 Kloster San Martín Pinario. 17 Nach der Absetzung des Abtes war es dem Kloster auf Grund der Urkunde vom 31. Januar 1493 gestattet, die gewünschten Reformen selbst durchzuführen, vgl. García Oro, Cisneros S.-87 mit Anm. 107 sowie Krochalis, Hieronymus Münzer S.-89 Anm. 24. 18 Santa Clara wurde 1260 im Norden der Stadt gegründet. 19 Das Monasterio del Carmen ist heute ein Hotel. 20 San Francisco de Val de Dios wurde nach der Überlieferung 1214 vom heiligen Franziskus (†- 1226) gegründet. Zur Bedeutung des Klosters sowie des heiligen Franziskus in der Stadt Compostela und für den Jakobsweg vgl. die Sammelbände Singul (Hg.), Pellegrino sowie San Francisco e o seu tempo. 21 Ferdinand-II. (1479-1516). 22 García Oro, Cisneros S.-95 zitiert die Bemühungen seit 1487, geht aber von einem Scheitern dieser Anstrengungen während der Regierungszeit der Katholischen Könige aus. 23 Diese Theorie basiert auf der Idee des Vorranges der drei Apostel Petrus, Jakobus und Johannes und ist als Theorie der drei Sitze erstmals im 12.-Jh. im Jakobsbuch belegt, vgl. Liber Sancti Jacobi, Herbers/ Santos Noia, Liber S.-214 f.; dazu Herbers, Jakobuskult S.-70-81. 24 Siehe unten S. 131. 25 Karl der Große (†-814) war römischer, nicht deutscher Kaiser. Diese Bemerkungen beziehen sich ebenfalls auf die Historia Turpini, Kapitel 5; Herbers/ Santos Noia, Liber S.-203 und zur Sache die in der vorigen Anmerkung angegebene Literatur. Laut der Historia Turpini soll sich Karl nach seinen ersten Eroberungen drei Jahre in Compostela aufgehalten haben. 26 Die Größenangaben Münzers werden durch eine Zeichnung auf dem gleichen Folio (Abb. 4) weiter erläutert und können mit den Angaben des Pilgerführers im Liber Sancti Jacobi des 12. Jh. verglichen werden: kommentierte deutsche Übersetzung bei Herbers, Der Jakobsweg S.- 115-119. Zum romanischen Bau nach wie vor unerlässlich (in der überarbeiteten Fassung) Conant, Arquitectura; vgl. bes. die Einführung von Serafín Moralejo Álvarez S.-91-116; zum Aufbau der Kirche vgl. Herbers, Der Jakobsweg S.-115- 130 mit Abb. auf S.-116. Zu den neuen Einzelergebnissen der Bauforschung vgl. die Beiträge in Nicolai/ Rheidt, Santiago de Compostela. 27 Unklar bleibt, welcher Turm gemeint ist; zu einem um diese Zeit wiederhergestellten Turm vgl. López Ferreiro, Historia Bd.-7 S.-384. <?page no="129"?> Abb. 4: Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 431, fol. 173r Die romanische Kathedrale von Santiago de Compostela schien Münzer so wichtig, dass er hier die größte Zeichnung in sein Itinerarium einfügte. Maße in Schritten, Türme, Altar, Türen, Chor und Chorgestühl, aber auch Himmelsrichtungen sind durch Beischriften erläutert. <?page no="130"?> 130 V. Von Barcelos bis zum Rabanal Bild der Kirche Sankt Jakob und Kapellen 28 12 Kapellen umgrenzen den Chorraum, und die Kuppel des Kreuzes ist äußerst hoch 29 . In der Mitte davon wird von einer zur anderen Seite des Querschiffes ein riesiges Weihrauchfass mit aromatischem Rauch geschwungen 30 . [Es folgen Exzerpte aus dem Liber Sancti Jacobi, die eine gekürzte Historia Turpini, den Passions- und Translationsbericht des Apostels, eine Exclamatio pulcra, die Erläuterung der Symbolik der Pilgermuschel - in deren lateinischen Text Münzer interessanterweise auch das deutsche »Muschlen« einschmuggelt - sowie eine Oration enthalten 31 . Hier werden nur Auszüge geboten.] [Auszüge aus dem Liber Sancti Jacobi] 16. Dezember im Jahre des Heils 1494 Der Papst Calixt (II.); ein besonderer Liebhaber des Heiligen Jakobus; schrieb ein großes und ausführliches Werk, in 4 Bücher unterteilt, über dessen Taten und dessen Befreiung Galiciens durch Karl den Großen. Ebenso notierte er die zahlreichen Wunder 32 . In den nachfolgenden kurzen Bemerkungen habe ich, als ich in Compostela im Haus eines gewissen Kaplan Johannes Ramus, eines sehr frommen Mannes 33 , weilte, aus dessen Original auszugsweise abgeschrieben 34 , so wie es folgt, am 16. Dezember 1494. 28 Das Itinerarium enthält hier die größte der beigegebenen Zeichnungen, einen Plan des romanischen Kirchenbaus mit entsprechenden Beischriften und wohl selbst gemessenen Größenangaben, siehe Abb. 4. 29 Zu den Kapellen vgl. Conant, Arquitectura, Anhang, der allerdings für die romanische Kirche nur fünf Kapellen am Hauptchor und je zwei rechts und links am östlichen Querhaus verzeichnet. Abdruck des Planes auch bei Herbers, Der Jakobsweg S.-116; siehe auch S. 128, Anm. 26. 30 Dies scheint eine der frühesten Erwähnungen des berühmten großen Weihrauchfasses, des „botafumeiro“ zu sein, das noch heute an hohen Festtagen (in Heiligen Jahren täglich) im Querhaus geschwungen wird. Dieses Weihrauchfass, das auch in einigen anderen Pilgerberichten des 15. Jh. genannt wird, führen einige Autoren auf das 14.-Jh. zurück, weil eine Randnotiz aus dem 14., vielleicht aber auch erst aus dem 15. Jh. im berühmten Codex Calixtinus es nennt, vgl. Vázquez de Parga, Peregrinaciones, Bd.-2 S.-401. 31 Die lateinische Edition: Münzer, Itinerarium (ed. Herbers) S.- 194-210 bietet den gesamten lateinischen Text. Dort auch S.-194 Anm. 48 zu früheren Editionen und zur Literatur. 32 Gemeint ist der Liber Sancti Jacobi, hier vor allem Buch II (Mirakel) und Buch IV (Historia Turpini), vgl. die Edition: Herbers/ Santos Noia, Liber. Autor des Buches ist angeblich Papst Calixt II. (1119-1124), ein großer Förderer Santiagos. Die Formulierungen suggerieren, dass von dem heute aus fünf Büchern bestehenden Liber vielleicht der Mirakelteil abgetrennt war. Dann hätte Münzer nicht die heute in Santiago aufbewahrte Fassung vorgelegen. Zur Geschichte der heute erhaltenen ältesten Handschrift des Liber Sancti Jacobi: Díaz y Díaz, Códice, passim und bes. S.-314-321; der Verfasser geht davon aus, dass Münzer eine Kopie gesehen habe (ebd. S.-134). Zur von Münzer eingesehenen Fassung vgl. auch Herbers, Jerónimo Múnzer en Santiago mit exemplarischen Vergleichen der beiden Versionen S.-214 f. 33 Nicht identifiziert. 34 Dies deutete Münzers Arbeitsweise eines raffenden Exzerpierens an. <?page no="131"?> Auszüge aus dem Liber Sancti Jacobi 131 Über die Erscheinung des Heiligen Jakobus bei Karl dem Großen Karl der Große 35 war, nachdem er mit Mühen und mit Hilfe Gottes England, Frankreich, Deutschland, Italien und weitere Gebiete seinem heiligen Reich unterworfen und den Heiden entrissen hatte, durch so große Anstrengung und Schweiß erschöpft und nahm sich vor, sich mehr Ruhe zu gönnen. Eines Nachts aus dem Traum gerissen, erschien ihm der Apostel Jakobus und sagte: „Mein Leichnam liegt unerkannt in Galicien; ich wundere mich, der Du doch so viele Länder unterworfen, aber mein Land, das von den Sarazenen besetzt ist, noch nicht befreit hast. Brich also auf so schnell Du kannst. Ich werde Dein Helfer sein.“ Nachdem Jakobus ihm aber dreimal erschienen war, sammelte Karl vom Versprechen des Apostels bewegt, ein Heer und betrat Spanien. Dies machte er 14 Jahre lang, bis er Spanien und Galicien zurückgewonnen hatte […]. [Es folgen die zahlreichen Kriegszüge Karls des Großen entsprechend des Berichtes der Historia Turpini, die in einer gerafften Form erscheinen 36 .] Über die Passion und Translation des heiligen Jakobus nach Galicien Der heilige Jakobus predigte zuerst in Judäa und kam später nach Galicien 37 . Nach nur geringem dortigen Erfolg kehrte er nach Judäa zurück und wurde von Herodes enthauptet 38 . Dies alles kann man ausführlicher in seiner Legende, die „Iacobus“ 39 genannt wird, finden. Allerdings ist viel Apokryphes über dessen Translation nach Galicien aufgeschrieben worden, aber nachdem er alles dies zurückgewiesen hatte, erklärte Calixt 40 jenes Buch, das „Iacobus“ genannt wird, gleichsam als authentisch 41 . Es sagt der Papst Calixt weiterhin, dass während er ( Jakobus) enthauptet wurde, das Haupt nicht auf die Erde fiel, sondern er dies selbst in seinen Armen hielt, damit es nicht von irgendeinem der Verfolger getrennt werden konnte. In der Nacht kamen aber seine Jünger, fanden den 35 Karl der Große (†-814); zum Bild Karls in der Historia Turpini vgl. Tischler, Tatmensch. - Zur Bedeutung der fiktiven Taten Karls in Spanien vgl. die Beiträge in den Sammelbänden Herbers, Jakobus und Karl der Große sowie Ders., Pseudo-Turpín. Es wird hier nur der erste Abschnitt des ersten Kapitels der Historia Turpini, welcher den Traum Karls thematisiert, in Übersetzung geboten. 36 Die folgenden Kapitel stehen in der lateinischen Edition, Münzer, Itinerarium, ed. Herbers auf S.-206-210. 37 Zur Predigttätigkeit des Apostels Jakobus (†-um 44) in Spanien, die hier nur auf Galicien beschränkt ist, vgl. Herbers, Politik S.-192-195 mit Quellenbelegen und weiterer Literatur. 38 Die Enthauptung Jakobus d. Ä. durch Herodes Agrippa (†-wohl 44) ist in Act. 12, 1 erwähnt. Zur Predigttätigkeit in Galicien, die im 12. Jh. wieder stärker auch von Compostellaner Kreisen vertreten wurde, vgl. die vorige Anm. 39 Der lateinische Titel des Jakobsbuches (Liber Sancti Jacobi) lautet in der Handschrift „Iacobus“: Iacobus liber iste vocatur, Herbers/ Santos Noia, Liber S.-7. 40 Papst Calixt II. (1119-1124) war der angebliche Verfasser des Liber Sancti Jacobi. Bemerkungen, auf denen Münzers Paraphrase basieren könnte, finden sich in den verschiedenen Calixt zugeschriebenen Teilen oder Abschnitten, am ehesten wohl im Einleitungsbrief oder in der Predigt Veneranda dies (I, 17), vgl. Herbers/ Santos Noia, Liber S.- 7, 86 und öfter. Anschließend bietet Münzer fünf Passagen aus dem I. Buch des Liber Sancti Jacobi. Vgl. auch die folgenden Anmerkungen. 41 Anspielung auf die Zurückweisung falscher Translationsgeschichten in Liber Sancti Jacobi I, 17, Herbers/ Santos Noia, Liber S.-86 f., dort auch Verweis auf das Buch Iacobus (S.-87). <?page no="132"?> 132 V. Von Barcelos bis zum Rabanal Leichnam selbst und beugten die Knie. Sie legten das Haupt in einen hirschledernen Beutel mit aromatischen Stoffen und übertrugen [alles] von Jerusalem nach Galicien, ein Engel begleitete sie über das Meer. Und sie begruben ihn bei dem Ort, an dem er heute verehrt wird 42 . Der heilige Jakobus wurde 11 Jahre nach der Passion des Herrn enthauptet 43 . In dieser Zeit herrschte die Königin Lupa in Galicien, das kannst du in seiner Geschichte ausführlicher lesen 44 . Exclamatio pulcra Freue 45 Dich also, Galicien, mit einem solchen Glanz ausgestattet und vom Irrtum des Aberglaubens befreit worden zu sein. Freue Dich, dass Du durch die Ankunft eines solchen Gastes die Wildheit der Tiere hinter Dir ließest und das zuvor ungezügelte Hirn dem Joch Christi unterwarfst. Denn die Demut des heiligen Jakobus gewährt Dir sogar mehr als die wilde Entschlossenheit all Deiner Könige. Denn während jene Dich dazu verführten, Götzen zu verehren, reinigte Dich jener und empfahl Dir die wahre Verehrung Gottes. Sei glücklich, Spanien, über das Füllhorn dieser zahlreichen Dinge, aber sei noch glücklicher über die Gegenwart des seligen Jakobus. Einstmals warst Du der Säulen des Herkules wegen berühmt, aber jetzt stützt Du Dich noch glücklicher auf die Säule Jakobs. Herkules hatte Dich durch den verstockten Aberglauben mit dem Teufel verbunden, Jakobus verband Dich mit seinem Schöpfer. Du steigerst mit steinernen Säulen den Unglauben, jene aber führt Dich zu Heil und Gnade. Wir 46 wollen also ehrwürdig seinen Festtag begehen und die Begierden unseres Fleisches zügeln, damit wir weder durch Wollust verstört und befleckt, noch durch Hochmut und Stolz überheblich werden. Wir wollen nicht zu leicht im Zorn entbrennen, und ebenso dürfen wir uns nicht durch Neid oder Eifersucht quälen lassen. Streben wir danach, ihm ähnlich zu sein, wenn wir möchten, dass unsere Bitten erhört werden. Jakobus nämlich zügelten weder die grausamen Juden oder die arroganten Pharisäer, noch hielt ihn der zornige Herodes vom wahren Gott fern. Deshalb dürfen wir uns auch nicht von Reichtum und Überfluss beeindrucken lassen, noch mögen uns fleischliche Regungen umschmeicheln, noch mögen uns die Qualen der wilden Fürsten schrecken, damit wir die Aufgaben der Predigt nicht zu wenig wahrnehmen. In Bezug auf die Translation glauben wir also, wie ich vorher gesagt habe, jenem authentischen Buch, das „Iacobus“ genannt wird, und wir weisen Anderes zurück 47 . Dieses 48 Buch „Iacobus“ berichtet nämlich das, was zum Lesen und an den Festtagen zum Singen notwendig ist. Freuen wir uns also auf Erden über Jakobus, wie die Engel in der himmlischen Heimstatt 42 Teilweise folgt dieser Abschnitt wörtlich der Magna Passio im Jakobsbuch: Herbers/ Santos Noia, Liber S.-63 f. - Zu Münzers Bemerkungen zu den Fels-/ Stein-Traditionen im Zusammenhang mit der Ankunft des Apostelleichnams in Padrón/ Iria Flavia siehe oben S. 126. 43 Dies führt auf das Jahr 44 n.-Chr., vgl. die Bemerkungen der Apostelgeschichte, siehe oben S. 131 Anm. 38. 44 Wohl Anspielung auf die Langfassung der Translatio mit der Erwähnung der Königin Lupa im Liber Sancti Jacobi III, 1, Herbers/ Santos Noia, Liber S.-186-188. 45 Der erste Absatz folgt teilweise wörtlich, teilweise paraphrasierend dem Liber Sancti Jacobi I, 15, Herbers/ Santos Noia, Liber S.-81 f. 46 Neudichtung (mit Sprüngen) von Liber Sancti Jacobi I, 15, Herbers/ Santos Noia, Liber S.-82. 47 Siehe oben S. 131 mit Anm. 40. 48 Die folgenden Abschnitte dieses Kapitels nach verschiedenen Passagen von Liber Sancti Jacobi I 17, Herbers/ Santos Noia, Liber S.-87, 90 und 91. <?page no="133"?> Über die Muscheln 133 frohlocken. Siehe, die Stadt Compostela ist durch die Hilfe des seligen Jakobus geheiligt worden. Dort wird Gläubigen und Ankommenden das Heil zuteil. Wie sehr ist dieser heilige Ort zu verehren, in dem die heiligsten Gebeine des Apostels, die Gott in seinem Fleisch berührten, begraben liegen. Deshalb erstrahlt der große Jakobus in Galicien durch Wunder, und er erstrahlt ebenso an anderen Orten. Lasst uns also pilgern, das bedeutet im wahren Pilgergeist: Unterdrückung der Laster, Abtötung des Fleisches, Hervorhebung der Tugenden, Vergebung der Sünden, Buße der Reumütigen, Weg der Gerechten, Liebe zu den Heiligen, Glaube an die Auferstehung, Ferne von der Hölle und Gewährung des Himmelreichs. Vermieden seien Völlerei, das Verlangen des Bauches sei fern, die Begierde gebremst. Er ( Jakobus) bändigt die fleischlichen Genüsse, reinigt den Geist, regt den Menschen zur Kontemplation an: Er erniedrigt die Hochmütigen, preist die Erniedrigten selig, liebt die Armut und hasst es, wenn jemand durch Raffsucht Besitz erworben hat. Über die Muscheln (De crusillis). Calixt 49 Im Meer 50 des seligen Jakobus gibt es eine gewisse Fischart. Die Fische haben auf jeder Seite einen Schild, und zwischen diesen Schilden verbirgt sich, wie zwischen zwei Schalen, der Fisch in Gestalt einer Auster. Diese Schalen sind wie die Finger einer Hand geformt. Volkssprachlich heißen sie nidulae (Nestchen), bei den Franzosen crusillae (kleine Gefäße), bei den Deutschen „muschelas“ 51 . Die Pilger, die vom Grabe des heiligen Jakobus zurückkehren, heften sie an Hut und Mantel und tragen sie zu Ehren des Apostels, zur Erinnerung an ihn und als Zeichen einer solch großen Pilgerfahrt freudig in ihre Heimat zurück. Durch zwei Schalen werden die zwei Vorschriften der Liebe bezeichnet, mit denen der Träger sein Leben kennzeichnen möge, zum einen, Gott immer über alles zu lieben und den Nächsten wie sich selbst zu lieben. Gott liebt, wer seine Gebote einhält, seinen Nächsten liebt und der so handelt, dass er niemandem etwas zufügt, was er nicht selbst wollte. Oh, Pilger des heiligen Jakobus‘, mögest Du nicht mit jenem Munde lügen, mit dem Du seinen Altar geküsst hast. Mit den Füßen aber, mit denen Du so viele Schritte gemacht hast, schreite nicht zu schlechten Werken und mit den Händen, mit denen Du den Altar berührt hast, wage nichts Schlechtes auszuführen. Wenn Du einen starken Patron und Helfer haben möchtest, habe Jakobus zum Freund. 49 De crusillis, id est Muschlen. Calixtus heißt es im lateinischen Text. Es ist bemerkenswert, dass Münzer seinen Auszug zu den Pilgermuscheln im Zwischentitel mit einem deutschen Wort hervorhebt; er kann sich allerdings auf die Vorlage mit den genannten volkssprachlichen Bezeichnungen stützen; zu den Pilgermuscheln vgl. zuletzt Plötz, Pilgerhut S.-144-147 (mit Vergleich dieser Stelle und einer weiteren Erwähnung in Buch III, 4, ed. Herbers/ Santos Noia, Liber S.-191). 50 Das gesamte Kapitel ist Paraphrase, oft wörtlich, von Liber Sancti Jacobi I, 17, Herbers/ Santos Noia, Liber S.-91 f. 51 Diese Bemerkung zur deutschen Bezeichnung hat ihre Entsprechung in der Überschrift. <?page no="134"?> 134 V. Von Barcelos bis zum Rabanal Gebet zum heiligen Jakobus Oh 52 , großer seliger Jakobus, Freund Christi, Sohn des Zebedäus, Bruder des Evangelisten Johannes, der Du mit dem Herrn glücklich im Himmel regierst, dessen großes Gotteshaus in Galicien steht, der seinen Bittstellern das Heil gewährt, bewirke, dass diejenigen, die Dich dort oder anderswo anrufen, Dich als Fürsprecher bei Gott im Himmel wahrnehmen und von Dir alle heilbringenden Dinge erhalten. Dies geschehe, wen auch immer sie bitten oder wem auch immer sie in all ihrer Not vertrauen. Sei der Begleiter unserer Seelen am Tag unseres Hinscheidens, oh, Fürsprecher der Pilger! Du bist nämlich die Zierde der Spanier, Du bist Zuflucht der Armen, Halt der Schwachen, Tröster der Bedrängten, Heil der Pilger, Fischer der Seelen, Auge der Blinden, Fuß der Lahmen, Hand der Hilflosen, Schützer der Seeleute, Fürsprecher aller Völker, die Dich anrufen, ja der Vater aller, Zerstörer der Laster, Baumeister der Tugenden: Dich bitten wir mit demütigem Herzen, dass Du das Feuer der Laster bald auslöschen mögest. In einem einfachen Stil schrieb dies Papst Calixt, damit seine Schriften sowohl den Gebildeten wie auch den Ungebildeten zugänglich seien. Ohne die einzelnen Krumen, so sagt er, könne keine Kruste entstehen. Ein unvermischter Trank könne umso deutlicher zeigen, was er in sich hat, und eine hell strahlende (Kerze), die allen leuchte, nütze mehr als eine, die den einen gibt, den anderen nicht. Aus dem großen und weitläufigen Werk Calixts habe ich dies abgeschrieben, wie ich oben im Vorwort notiert habe 53 . [Hier enden die Exzerpte aus dem Liber Sancti Jacobi] Über den Erzbischof, die Kardinäle, Kanoniker und Reliquien Papst Calixt (II.) 54 verlieh dieser Kirche viele Privilegien 55 . Heute ist Don Alfonso Erzbischof, der Graf von Cifuentes 56 , ein gelehrter Mann und großer Redner. Seit sechzig Jahren interveniert er in inneren Streitigkeiten und dadurch belastete er die Gegend von Galicien 57 . Der König (Ferdinand), der inzwischen mit stärkerer Hand die Zügel der Regierung in der 52 Das Kapitel mit dem Gebet folgt paraphrasierend und oft wörtlich Liber Sancti Jacobi I, 17, Herbers/ Santos Noia, Liber S.-104, beim Abschluss zur Schreibweise des Papstes dem Einleitungsbrief, ebenda S.-7. 53 Siehe oben S. 130. 54 Diese Bemerkungen beziehen sich auf Calixt II. (1119-1124), in dessen Pontifikat Santiago Erzbistum wurde (1120/ 1124); auch der Liber Sancti Jacobi wird ihm zugeschrieben. Vgl. insgesamt hierzu Herbers, Jakobuskult S.-59-81; Ders., Papado, S.-81. 55 Die Verbindungen des Papstes Calixt II. (1119-1124) mit Compostela basierten auch auf verwandtschaftlichen Grundlagen sowie auf den Privilegien, die die Erhebung zum Erzbistum einbrachten, vgl. hierzu zusammenfassend Herbers, Politik und Heiligenverehrung S.-217 f. 56 Diesen Grafentitel legte Münzer dem Erzbischof Alfons de Fonseca y Acevedo, der zweimal das Erzbischofsamt innehatte (1460-1465 und 1469-1506/ 7) wohl irrtümlich zu; zwischenzeitlich wurde er Erzbischof von Sevilla, und 1506-1508 hatte er die Patriarchenwürde von Alexandria inne. 57 Zu diesen Auseinandersetzungen, die etwa 20 Jahre früher auch Leo von Rožmithal (†- 1480) erwähnt, vgl. Honemann, Santiago de Compostela S.-131 f. mit Angabe der Edition und weiterer Literatur; vgl. zu dessen Bericht auch Paravicini, Bericht. <?page no="135"?> Über den Erzbischof, die Kardinäle, Kanoniker und Reliquien - Compostela 135 Hand hält, schickte ihn nach Salamanca gleichsam ins Exil 58 , beraubte ihn seiner weltlichen Herrschaft(sgüter) und erlaubte ihm, dort von seinen Einkünften zu leben. Er führte in ganz Galicien neue Gesetze und Vorschriften ein 59 . Jener erhabenste König möge ewig leben. Es gibt 45 Kanoniker. Von diesen ist nach der Vorschrift (des Papstes) Calixt (II.) nur sieben allein gestattet, die Messe am Hauptaltar des heiligen Jakobus zu zelebrieren, sie werden Kardinäle des heiligen Jakobus genannt 60 . Auch dem Erzbischof und anderen dort hinkommenden Bischöfen ist dies erlaubt, sonst niemandem. Die Pfründen der Kanoniker belaufen sich auf siebzig Dukaten, von weiteren Einkünften abgesehen. Der König von Kastilien stiftete für die Kirche wunderbare Schmuckstücke 61 . Auch König Ludwig von Frankreich, der Vater jenes Karl 62 , schenkte ihnen viel; unter anderem übereignete er der Kirche drei sehr große Glocken und zehntausend Escudos, deren Hälfte die Kanoniker unter sich aufteilten, und für deren andere Hälfte sie schönste wertvolle (liturgische) Gewänder beschafften. Überall ist die Lilie als Zeichen des Königs (Ludwig) eingefügt. Am 16.-Dezember, am dritten Tag (Dienstag) vor dem Fest des (heiligen)-Thomas 63 , feierten sie das große Fest des heiligen Bischofs Fructuosus, dessen Leichnam dort ruht 64 . In Prozession und Messe wurden kostbare Gewänder mit den Lilien des Königs von Frankreich benutzt. Am 18.-Dezember, dem fünften Tag vor dem Fest des (heiligen) Thomas, feierten sie das Fest der heiligen Jungfrau, wie es bei den Spaniern begangen wird. Und der Name ist „Fest der Erwar- 58 Münzer berichtet hier wohl unzutreffend, denn Alfons de Fonseca y Acevedo (†-1512) war Gefolgsmann des Königs, der 1481 an den Hof gerufen wurde und dann in Valladolid und Salamanca lebte. 1506 bat dieser Alfons um den Patriarchensitz von Alexandria und um den Rücktritt vom Compostellaner Sitz, vgl. bereits López Ferreiro, Historia 7 S.- 296-304. Vgl. zur Person auch García Oro, Cisneros S.- 70 f. und Krochalis, Hieronymus Münzer S.-94 Anm. 75. 59 Münzer hat hier einige Hintergründe der Compostellaner Geschichte nicht genau erfasst. Alfons de Fonseca y Acevedo (†-1512) war entgegen Münzers Behauptungen wohl ein Gefolgsmann des Königs; nicht seine Position in Compostellaner Auseinandersetzungen führten zu seiner Übersiedlung nach Salamanca, siehe auch die vorige Anmerkung. 60 Die Zuschreibung zu Papst Calixt (II.) ist irrig: Schon Papst Paschalis-II. erlaubte mit einem Privileg vom 30.-Mai 1108 die Ernennung von sieben Kardinalpriestern mit dem Recht, am Apostelaltar die Messe zu lesen. Das Vorrecht wurde erst 1851 von Papst Pius- IX. auf die Chorherren des Kathedralkapitels ausgedehnt. Die Bemerkungen Münzers könnten sich aber jedoch eher auf die von Münzer freilich nicht kopierte Passage im Liber Sancti Jacobi V, 9, Herbers/ Santos Noia, Liber S.-256, beziehen, denn auch hier wird Calixt II. als Urheber des Privilegs genannt. 61 Vgl. Krochalis, Hieronymus Münzer S.-94 Anm. 77. 62 Vermutlich Ludwig XI. (1461-1483), Vater des zum Zeitpunkt der Reise amtierenden französischen Königs Karl VIII. (1483-1498). Die anschließend erwähnten Schenkungen werden in der Regel Ludwig dem Heiligen zugeschrieben, offensichtlich verwechselt Münzer diesen mit Ludwig-I. von Frankreich. 63 Der Festtag des Apostels Thomas ist der 21. Dezember; die feria tertia, der Dienstag, fiel 1494 auf den 16. Dezember. 64 Fructuosus war Erzbischof von Braga (656-ca. 665) und ein Förderer des Mönchtums auf der Iberischen Halbinsel; vgl. Herbers, Geschichte S.-55 und 70. Dessen Reliquien waren 1102 nach einem Reliquienraub nach Compostela überführt worden, zum kirchenpolitischen Hintergrund Herbers, Heiligkeit S.- 215- 218. Das Fest des heiligen Fructuosus wurde eigentlich am 16. April gefeiert. Die Prozession erinnerte offensichtlich an die Translatio, wie die Historia Compostellana 1 Kap. 15 vermerkt (Historia Compostellana [ed. Falque Rey] S.- 36). Dies würde aber wahrscheinlicher machen, dass Münzer die Prozession am 19. Dezember sah. Vgl. auch ebd. S.-35 f. zum Verehrungsort der Fructuosus-Reliquien (zunächst beim Altar des heiligen Erlösers, dann mit einem eigenen Altar). <?page no="136"?> 136 V. Von Barcelos bis zum Rabanal tung der Geburt des Herrn“ 65 . Es gab eine besonders wunderbare Festlichkeit samt Prozession, man schwang das Weihrauchfass im Querhaus, außerdem sah man edle Ornate aus reinstem Gold, die der König von Kastilien geschenkt hatte 66 . Auf der vorderen Seite waren die Wappen der Könige mit Pfeilen und hinten die Wappen der Reiche Kastilien und Aragón, alle aus Gold und mit Gemmen. Oh, wie groß ist jener König durch seine Schenkungen an die Kirchen und auch durch deren Erneuerung! Anläßlich dieses Festes zu Ehren der seligen Jungfrau Maria war der Hauptaltar mit zwei Heiligenbildern von 30, 25 und 40 Mark geschmückt, einige aus vergoldetem Silber. Unter ihnen war das größte, das der seligen Jungfrau, wie gesagt wurde, aus reinstem Gold; in der rechten Hand hielt sie ein strahlendes Szepter und in der Linken ihren Sohn mit einer prächtigen Krone. Während der Prozession trug dies ein Kardinal unter dem Velum, den unruhig Halt Suchenden hielten zwei Priester 67 . Es gab zudem ein riesiges Kreuz, welches mit Gemmen und Gold verziert war; dies wird in der Sakristei und Schatzkammer 68 ausgestellt und den Pilgern gezeigt. Von den Reliquien in Compostela besitze ich eine Kopie auf einem gesonderten Blatt 69 . 65 Das Fest Mariä Erwartung oder eher Erwartung des Herrn wird am 18. Dezember, also eine Woche vor Weihnachten, begangen und fiel 1494 auf die feria quinta, also den Donnerstag. Offensichtlich war es aber wegen des Hinweises auf Spanien für Münzer kein geläufiges Fest. 66 Es ist nicht sicher, welcher König diese Kostbarkeiten geschenkt hat, da aber anschließend das Wappen Isabellas (†-1504) genannt wird, könnte hier ein zeitgenössischer Bezug hergestellt werden. Zum Weihrauchfass (botafumeiro), das im Querhaus geschwungen wurde, siehe bereits S.-130. Die Handschrift hat an dieser Stelle am Rand eine Zeichnung von 12 zu je 6 über Kreuz gelegten Pfeilen mit der auf das Wappen der Könige weisenden Unterschrift: Insigne regum, siehe Abb. 5. 67 Die lateinische Vorlage bleibt hier unklar. 68 Das Kreuz war vielleicht eine Schenkung König Alfons’ III. (866-910), die 1906 verlorenging, vgl. Plötz, Apostel Jacobus in Spanien S.-111. Sacrarium könnte die Sakristei, eine Schatzkammer oder eine besondere Kapelle meinen. 69 Laut Pfandl, Itinerarium S.- 97 Anm.- 1 ist diese Reliquienbeschreibung Münzers verloren. Vorstellbar wäre aber, dass Hieronymus Münzer einen Reliquienzettel mitbrachte; Listen über die in Compostela zu erwerbenden Ablässe gab es bereits; vgl. beispielsweise den Bericht des englischen Compostela-Reisenden William Wey, der 1456 von Indulgenzen in Compostela berichtet (vgl. Vázquez de Parga, Peregrinaciones Bd.-1 S.-152, sowie die Abbildung eines Heiltumsbriefes ebd. Bd.-3, Tafel-XVII (aus dem Archiv von Simancas). Zu gedruckten Ablasszetteln (erstmals seit 1491, also vor dem Besuch Münzers) vgl. Odriozola, Concesiones S.-471-476. <?page no="137"?> Abb. 5: Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 431, fol. 181r Mit den Pfeilen, die in der Handschrift am Rande dieses Folios zu sehen sind, weist Hieronymus Münzer auf das Wappen der Katholischen Könige hin, die er immer wieder in einem sehr positiven Licht erscheinen lässt. <?page no="138"?> 138 V. Von Barcelos bis zum Rabanal Von den Kapellen im Chorraum von Sankt Jakobus Von den zwölf Kapellen, die den Chorraum umgeben, ist die erste diejenige des Königs von Frankreich 70 , der diese erbauen ließ und mit einer Jahresrente von zweihundert Dukaten dotierte, damit in ihr die einzelnen kanonischen Horen gesungen werden. Aber, obwohl sie die Einnahmen erhalten, singen die Kanoniker die Tagzeiten nur im Hauptchor. Von den 12 Kapellen gehören sieben einzelnen Pfarreien von Compostela, dort werden die besonders vornehmen Bürger der Pfarreien begraben, und es werden die Sakramente gespendet 71 . Wir sahen, wie zwei Tote bestattet wurden, vor dem Leichenzug des einen trug man einen Weinschlauch, zwei Säcke Brot, zwei vordere Viertel eines Ochsen, zwei Hammel, dies und das beste Kleid steht rechtlich dem Pfarrer zu 72 . [Die Kanoniker] singen Horen und Offizien vorschriftsmäßig im Chorraum, aber sie sind vor allem auf Bezahlung aus. In der Kirche herrscht dauernd ein solcher Lärm, dass man sich auf einem Marktplatz wähnt. Mäßig ist da die Ehrfurcht. Der heilige Apostel wäre es wahrlich wert, dass man ihn mit größerem Respekt verehrt. Man glaubt, dass er mit seinen zwei Schülern unter dem Hochaltar beerdigt ist, einer zu seiner Rechten und der andere zu seiner Linken 73 . Niemand hat aber seinen Leichnam gesehen, nicht einmal der kastilische König, als er im Jahr des Herrn 1487 dort zu Besuch war. Allein durch den Glauben, der uns Menschen rettet, vertrauen wir darauf 74 . Über die Abreise aus Compostela Am 21.-Dezember sagten wir dem heiligen Jakobus Lebewohl und verließen die Stadt nach dem Essen; nach fünf Meilen 75 kamen wir zur Stadt Ferreiros (Ferreros), wo wir schlecht beherbergt wurden. Früh ritten wir durch den kleinen Ort Melide (Mellid) 9 Meilen weit zu dem kleinen Ort Ligonde; ebenso 24 bis nach Portomarín (Puertomarín), nach Durchquerung eines großen Flusses (Miño) kamen wir nach 8 Meilen bis nach Sarria, einer kleinen Burg 76 . Diese 70 Zu den zwölf Kapellen siehe oben S. 130. Es handelt sich wohl um die dem heiligen Erlöser geweihte Kapelle, die Ludwig XI. (†- 1483) noch vor seiner Regierungszeit 1447 mit einer Rente ausstattete (vgl. Vázquez de Parga/ Lacarra/ Uría Ríu, Peregrinaciones Bd. 2 S.-372); deshalb hieß sie auch Capilla San Salvador oder Capilla del rey de Francia. 71 Die bekannteste spätere Chorkapelle mit Parochialfunktion ist die im Nordosten des Kreuzes gelegene Corticela-Kapelle. 72 Vgl. die Beschreibung einer ähnlichen Szene durch den Engländer Andrew Boorde etwa 50 Jahre später bei Pfandl, Itinerarium S.-97 Anm.-2. 73 Zu diesen Apostelschülern Athanasius und Theodor, die in den Quellen vielfach erwähnt werden (Herbers/ Santos Noia, Liber S.-185 und 188) und deren Gräber dort sein sollen vgl. die freilich nicht unumstrittene These von González-Pardo, Autenticación mit Lageplan der Gräber auf S.-61. 74 Ob dieser Satz den gläubigen Menschen oder doch den etwas ironischen, schon neuzeitlichen Skeptiker charakterisiert, ist nicht ganz klar. Jedenfalls würdigt Münzer später die Reliquien in Toulouse auch deshalb, weil ihm mehr „Material“ zum Erwerb der Reliquien geboten wird, vgl. Herbers, Murcia S.- 163; Meyer, Santiago de Compostela S.-213 f. Zu den Apostelreliquien in Toulouse siehe unten S. 185 f. 75 Der im folgenden beschriebene Weg entspricht dem Camino francés, hierzu fortlaufend Vázquez de Parga/ Lacarra/ Uría Ríu, Peregrinaciones Bd. 2 S.- 279-348, der in Laufrichtung nach Santiago den Weg dokumentiert. 76 Der befestigte Ort verfügte im Mittelalter über mehrere Hospitäler, deren Friedhöfe zum Teil auch den Jakobspilgern zur Verfügung standen, vgl. Valiña Sampedro, Camino S.-11. <?page no="139"?> Über die Abreise aus Compostela 139 gesamte Gegend ist fruchtbar und hügelig, aber nicht sehr bevölkert. Das Volk lebt hauptsächlich von Schweinefleisch und ist wahrlich in allen seinen Handlungen unrein und schweinisch. Am 25.-(Dezember), dem Fest der Geburt des Herrn, ruhten wir uns tagsüber aus, an diesem Tag erhielt ich durch einen gewissen Pilger den Brief von Jodocus Mayer 77 , einem Schwager meines Bruders 78 , der über die große Epidemie in Nürnberg berichtete 79 . Am 26.- (Dezember) kamen wir früh über Berg und Tal auf einen hohen Berg, dem Ort Cebreiro (Cebrero) 80 , der auf der Höhe des Berges Malefaber 81 liegt. Es waren neun große Meilen. Am 27.-(Dezember) stiegen wir von diesem hohen Berg herunter und gelangten durch ein langes Tal nach 7 Meilen zu einer Burg, die Villafranca heißt 82 . Diese Burg liegt in einer schönen Ebene und beste Rebstöcke wachsen dort reichlich. Der Ort ist ausgezeichnet durch die beiden Klöster des heiligen Franziskus und des heiligen Benedikt 83 . Dort fließen drei Flüsse aus den höchsten Bergen Galiciens zusammen 84 , sie führten sehr süßes und trinkbares Wasser, voller Forellen. Am 28. (Dezember) verließen wir Villafranca früh, durchquerten jene fruchtbare Ebene, erreichten die Burg Ponferrada, am Fuße eines sehr hohen Berges gelegen, und kamen nach 8 Meilen in den Ort Río 85 . Dort liegt dieser Berg, der Galicien von Kastilien trennt und äußerst hoch ist. Er heißt Mons Rabanal 86 ., 77 Jodocus Mayer wird bei Goldschmidt, Hieronymus Münzer S.-92-95, der dort die von Münzer getroffenen Deutschen in Spanien bespricht, nicht weiter behandelt. Der bei Schulte, Geschichte 1 S.-185 f. aufgeführte Jos Meyer aus Ravensburg, Geschäftsführer der Gesellschaft in Nürnberg, war nicht der Schwiegervater von Ludwig Münzer, da bereits 1482 verstorben. Der 1496 zum Nürnberger Genannten berufene Jobst Mayer (†-1506), dessen Tochter Barbara seit 1487 mit Ludwig verheiratet war, könnte aber Jos’ Sohn gewesen sein, vgl. Haller von Hallerstein, Größe S.-146-148. (herzlicher Dank an Dr. Thorsten Schlauwitz, Erlangen). 78 Ludwig Münzer (†1518). 79 Siehe zur Pest in Nürnberg oben S. 27 f. 80 Hier liegt die Grenze zwischen Galicien und León. Zum Ort und dem vielleicht schon im 9. Jh. gegründeten Kloster samt Hospiz vgl. vor allem die Studie von Valiña Sampedro, Camino de Santiago S.-133-175. 81 Vgl. zu dieser Bezeichnung, die sich als Berg Allefaber auch bei Künig und im Pilgerlied „Wer das elent“ findet, Herbers, Pilgerführer S.-41; Herbers/ Plötz, Santiago S.-158 und 203 sowie Herbers/ Plötz, Strass S.-90 f. mit Anm. 106 (auf S.-117) zum Cebreiropaß. Der Name leitet sich wohl vom kleinen Ort La Faba ab; Münzers Weiterentwicklung zu Malfaber mag die Ängste der Pilger vor der Überquerung aufgreifen. Vgl. zum Routenverlauf Valiña Sampedro, Camino S.-129-131. 82 Der Ortsname verweist auf fränkische Siedler, die sich wohl in der Regierungszeit Alfons’ VI. (1072-1109) hier ansiedelten, vgl. Valiña Sampedro, Camino S.-93 sowie die nächste Anmerkung zum begleitenden cluniazensischen Einfluss. Zu den Siedlungen der Franken am Jakobsweg Herbers, Geschichte S.-160-163. 83 Zu den kirchlichen Institutionen in Villafranca vgl. Vázquez de Parga/ Lacarra/ Uría Ríu, Peregrinaciones Bd. 2 S.-301-306. Demnach bestanden dort nacheinander zwei Franziskanerklöster (S.-304). Santa María de Cluniaco wurde zur Zeit König Alfons’ VI. (1072-1109) von Mönchen aus Cluny gegründet, Anfang des 14. Jh. wurde auf den Ruinen des verfallenen Klosters eine neue Abtei errichtet. Zur Bedeutung Clunys vgl. Reglero de la Fuente, Cluny S.-86 und öfter. 84 Es sind eigentlich nur zwei Flüsse, die in Villafranca zusammenfließen: Valcarce und Burbia, vielleicht meint Münzer noch einen der weiteren Bäche, wie Burburina und San Fiz. 85 Río, wohl Riego de Ambrós, Ort ca. 12 Kilometer östlich von Ponferrada, der unterhalb des Rabanal-Passes auf dem Jakobsweg liegt, vgl. Vázquez de Parga/ Lacarra/ Uría Ríu, Peregrinaciones Bd. 2 S.-285. 86 Auch diese Passüberquerung war wie der Allefaber gefürchtet und wurde gleichermaßen in Pilgerlied und -literatur thematisiert, siehe die Hinweise oben Anm. 81. Eigentlich trennt der schon zuvor genannte Cebreiro Galicien von León; Münzer meint hier vielleicht die Grenze zwischen dem leonesischen Kernland und der Landschaft Bierzo. <?page no="141"?> VI. Von Benavente bis Roncesvalles Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 431, fol. 182v Am 29. (Dezember) stiegen wir auf und wieder ab und gelangten 8 Meilen später nach Kastilien, in eine kleine Stadt Alval 1 , wo wir schlecht beherbergt wurden. Am dreißigsten (Dezember-)Tag erhoben wir uns vor Sonnenaufgang und ritten streng 10 Meilen lang bis zur Stadt Benavente 2 . Von Santiago bis nach Benavente sind es 56 recht gute Meilen Weges, und die Strecke ist bergig und sehr schlecht. Wir ließen aber die bekannte Stadt Astorga liegen, die Bischofsstadt ist und durch starke Mauern und Wälle geschützt wird. Ganz Spanien, als es einstmals vom katholischen Glauben abwich und der Irrlehre Mohammeds 3 zuneigte, ist von dieser Stadt Sturia 4 ausgehend von Kantabrern 5 , die Biscayer heißen, zurückerobert worden 6 . Nur die Asturer und die Biscayer waren starke Streiter Christi im Glauben geblieben, wie du in der Geschichte der Spanier 7 ausgiebig finden kannst. 1 Unklar ist, ob Val de San Lorenzo, Val de San Román oder Val del Rey gemeint ist. 2 Nach der Bergüberquerung verließ also die Münzersche Reisegruppe den Camino francés und schlug eine südliche Richtung ein. 3 Mohammed (†-632), Prophet und Religionsstifter des Islam. 4 Hier scheint Münzer eher Asturien und nicht Astorga zu meinen. 5 Kantabrer, Volksgruppe auf der Iberischen Halbinsel, die u. a. Teile der Biscaya (Mare Cantabrico) bewohnte. 6 Die Eroberung der seit Anfang des 8. Jh. muslimisch beherrschten Gebiete der Iberischen Halbinsel ging von Asturien aus, dessen Orientierungspunkt auch Astorga war, daher möglicherweise die Zuschreibung einer zentralen Rolle an die Stadt bei der Reconquista. Es könnte aber auch der an Asturien erinnernde Ortsname (Asturica Augusta) eine Rolle gespielt haben. Nach der muslimischen Eroberung scheint Astorga zunächst verlassen worden zu sein, im Jahr 854 erfolgte die Wiederbesiedelung unter Kg. Ordoño I. (850-866), vgl. Claude, Anfänge S.-607-639. 7 Vermutlich meint Münzer De rebus Hispaniae des Toledaner Ebf. Rodrigo Jiménez de Rada (1209-1247), verfasst in der ersten Hälfte des 13. Jh.; vgl. Maser, Historia S.-103 f. <?page no="142"?> 142 VI. Von Benavente bis Roncesvalles Über Benavente und seine Wehrbefestigung(en) Benavente ist keine sehr große Stadt, schlecht gebaut und mit vier reformierten Klöstern ausgestattet: das der Franziskaner, der Dominikaner, das zum Heiligen Geist und das der heiligen Klara. Die Stadt liegt in einer fruchtbaren und wunderbaren Ebene, die vom Fluss Esla durchquert wird 8 . Darin schwimmen gute Forellen; der Fluss mündet mit anderen kleinen Flüsschen in den Duero, der sich in der Nähe von Porto 9 ins Meer ergießt. Die Stadt gehört Don Rodrigo, dem Grafen von Benavente 10 , der mit dem Herzog von Sevilla 11 zu den besten und reichsten Adeligen des Königs von Spanien zählt. Er besitzt nämlich viele und sehr große Höfe und erhält wegen der langen Kriegshandlungen mit den Sarazenen in früheren Zeiten die Hälfte aller Zehnten des Distriktes und die Kollation aller Pfründen, und dies alles durch päpstliche Verleihung. In früheren Zeiten führte er auch stets erfolgreiche Kriege mit den Königen von Kastilien, denn er stammt aus dem Blut der Könige von Kastilien 12 . Über das Schloss von Benavente Dessen Schloss 13 gehört zu den edelsten und schönsten ganz Kastiliens, außer den Befestigungen von Granada und Sevilla gibt es in Spanien nichts Vergleichbares. Es liegt außerhalb der Stadt auf einem kleinen Berg, ist quadratisch, und in jeder der 4 Ecken erhebt sich ein gut bewehrter Turm mit Gräben und sehr gut befestigten Vormauern. Innen ist der quadratische Hof mit Kapellen, mit Palästen mit Hallen und mit verschiedenen Arten gebrannter Kacheln geschmückt. Alle Dächer in den Hallen und Palästen sind mit Gold und Marmorsäulen reichhaltig verziert. Was gibt es noch? Alles ist dort zur größeren Ausschmückung angeordnet. Am Fuß des Schlossberges fließt der Fluss Órbigo. Die Fundamente des Schlosses sind überall voll von Gewölben, Kellern und Ställen und so vielgestaltig, dass du dich in einem Labyrinth wähnst 14 . Es existiert ein unterirdischer Gang zum Fluss, so dass die Pferde hinuntersteigen können, und dieser Abstieg ist sehr lang, denn es gibt zahlreiche verschiedene Keller- und Höhlenräume für Mühlen, die Wasser herbeischaffen, so dass ich dies, hätte ich es nicht gesehen, niemals geglaubt hätte. Noch nie sah ich auf Erden ein ähnliches Schloss mit solchen unterirdischen Höhlen und so schön ausgestattet. 8 Die zwei Flüsse durch Benavente sind eigentlich der Órbigo und die Esla, wahrscheinlich irrt Münzer hier. 9 Das circa Portum Gallie des lateinischen Textes könnte auf die alte Bezeichnung Portucale verweisen. 10 Rodrigo Alonso de Pimentel (†-1499), vierter Gf. von Benavente, ab 1473 erster Hzg. von Benavente. 11 Gemeint ist wohl nicht der Hzg. von Sevilla, sondern der Hzg. von Medina Sidonia, zu diesem Zeitpunkt Juan Alonso de Guzmán (1492-1507), siehe auch oben S. 90 Anm. 108. 12 Die aus Galicien und Portugal stammende Familie Pimentel erhielt 1398 den Grafentitel und 1473 den Titel der Herzöge von Benavente. Sie verfügten vom 15. bis zum 17. Jh. über zahlreiche Grundherrschaften sowie großen Einfluss in Kastilien. Vgl. Beceiro Pita, Pimentel. 13 Castillo de la Mota (vermutlich 12. Jh.), nahe der Stadt auf einem Hügel, seit der Übertragung der Stadt an die Herren von Pimentel Amtssitz der Grafen von Benavente; unter Rodrigo Alonso Pimentel zum repräsentativen Palast umgestaltet. 14 Noch heute findet sich dort die Torre de Caracol („Schneckenturm“) des Palacio de los Pimentel (freundlicher Hinweis von Prof. Dr. Teresa Jiménez Calvente, Alcalá de Henares). <?page no="143"?> Über Numantia, heute Zamora, eine Stadt Kastiliens 143 Der Graf, ein sehr ehrwürdiger und äußerst großzügiger Mann, war nicht anwesend, jedoch der Kastellan, den man in spanischer Sprache Alcalde 15 nennt; er zeigte uns alles persönlich. Der Graf erfreut sich an verschiedenen Tieren 16 . Er hatte neun Löwen, ebenso in einem Käfig zwei weitere und einen Wolf, die dort unversehrt miteinander fraßen. Wir sahen einen schwarzen Äthiopier zu ihnen hineingehen und sahen, wie er sie streichelte, was ihnen gefiel. Man siehe doch, was die Vertrautheit bewirkt, die sogar wildeste Tiere ihrem Wärter gegenüber zutraulich macht. Der Halter versicherte uns, dass sie jährlich fünfzehnhundert Dukaten zum Unterhalt dieser Tiere benötigten. Er hatte auch vor wenigen Jahren noch einen Elefanten, der während des Winters starb, weil er die Kälte nicht ertragen konnte. Viel gäbe es über dieses edle Schloss zu schreiben, aber ich lasse dies aus Gründen der Kürze weg. Jedoch ist besonders der Blick auf den Fluss in alle Richtungen äußerst schön. Über Numantia, heute Zamora, eine Stadt Kastiliens 17 Am 2. Januar erreichten wir früh Zamora, vormals Numantia 18 , das von Benavente zehn Meilen entfernt ist. Die Stadt liegt in einem ebenen und besten Land, fruchtbar an Weinreben und Getreide. Die Stadt ist so groß wie Ulm, aber dreieckig in Form einer Pyramide. Im Osten außerhalb der Mauern wird der Ort fast zur Hälfte von dem bekanntesten Fluss Spaniens, dem Duero, gesäumt, der in Portugal ins Meer mündet. Es ist ein wunderbarer, klarer Fluss mit Mühlen, mit einer Brücke, mit süßem Wasser und vorzüglichen Fischen. Unter der neuen Brücke kann man noch die Fundamente der alten Brücke erkennen, die es seit langer Zeit gab 19 . In einem spitzen Winkel in Richtung auf den Fluss hin liegt ein schönes königliches Schloss 20 und damit zusammenhängend die Kathedralkirche des Bischofs, die zu Ehren des heiligen Erlösers geweiht ist 21 . Dort gibt es 25 Kanoniker und 6 weitere Würdenträger, ohne die Pfründner zu zählen. Es ist eine wunderschöne Kirche in altem Stil mit einer sehr hohen Spitze, unterhalb des Chors ist sie vorzüglich mit Tafelbildern und anderen Malereien ausgestattet. Es gibt auch einen wunderschönen und phantastischen Umgang mit einer vergoldeten Bedachung nach Art der Spanier 22 . Ich stieg auf den sehr hohen Turm, betrachtete die Lage des Ortes und des Landes, und es gefiel mir sehr gut. 15 Zu alcaide/ alkalde siehe oben S. 71 Anm. 12. 16 Zu exotischen Menagerien als wichtigem Bestandteil des spätmittelalterlichen fürstlichen Hofes vgl. allgemein Cassett, Menagerie; siehe auch oben S. 46 f. zum Haus des Infanten Heinrich in Barcelona bzw. unten zu Château de Plessis-lès-Tours S. 197. 17 Am unteren Rand findet sich eine Zeichnung der alten Stadtanlage von Numantia, siehe Abb. 6 18 Numantia, keltiberische Stadt. Im Mittelalter vermutete man sie an der Stelle Zamoras, vgl. als Kronzeugen die „Primera Crónica General de España“ aus dem 13. Jh. Nach modernen Ausgrabungen wird Numantia jedoch nordöstlich von Soria lokalisiert, vgl. Schulten, Numantia. 19 Der sogenannte Puente Viejo wurde im 12./ 13. Jh. auf römischen Fundamenten errichtet. 20 Möglicherweise war dies der Palacio de los Condes de Alba y Aliste, erbaut ab 1484, umfangreiche Umbauten erfolgten im 16. und 17. Jh. 21 Kathedrale San Salvador, erbaut 1151-1174 auf Betreiben Alfons' VII. (1126-1157), vgl. zur Kirche Ramos de Castro, Catedral. 22 Dies dürfte ein Hinweis auf den Mudéjar-Stil sein (freundlicher Hinweis von Prof. Dr. Teresa Jiménez Calvente, Alcalá de Henares). <?page no="144"?> Abb. 6: Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 431, fol. 183r Münzer erzählt nicht nur vom Widerstand der Bewohner Numantias gegen die Römer, sondern fügt seinem Itinerarium auch einen Lageplan des alten Numantia am dort bezeichneten Fluss Duero bei. Die kleine Karte ist geostet, Occidens (Westen) und Oriens (Osten) erscheinen ebenso wie die Unterscheidung der civitas im Norden von der Befestigung (castra) in Süden in der Nähe des Flusses. Die archäologische Stätte wurde unter deutscher Beteiligung ergraben und liegt bei Zamora. <?page no="145"?> Über Numantia, heute Zamora, eine Stadt Kastiliens 145 Dieses Numantia widerstand, wie ich euch sage, im Jahre 600 nach der Gründung Roms den Römern sehr tapfer, mit nur viertausend Bürgern brachten diese im Verlauf der Zeit mehr als sechzigtausend römischen Kämpfern den Tod 23 . Schließlich unterwarf der vom Senat geliebte Scipio Africanus die Bevölkerung, eher durch Geschick als durch Gewalt, indem er die Versorgung der Stadt von der Umgebung abschnitt und an den Mauern weder den Einnoch den Ausgang zuließ. Schließlich wählten die Bewohner, durch den Hunger gezwungen, die Übergabe der Stadt, falls man ihnen erträgliche Bedingungen einräume, ansonsten würden sie im Krieg wie Männer sterben. Beides wurde ihnen verweigert, so dass sie, durch den Hunger gezwungen, die ganze Stadt und sich selbst durch Feuer verbrannten, damit dem Sieger nichts bleibe, dessen er sich rühmen könne. So wurde Numantia durch das Feuer besiegt, und (den Römern) blieb nichts weiter als die sichere Lage des Ortes. Scipio fragte einen gewissen Spanier namens Cyrenäus, wie sie den Römern so viele Jahre mit so wenigen Kräften widerstanden hätten. Darauf antwortete dieser ihm: „Die Eintracht ist unbesiegbar, die Zwietracht war ihr Verderben“ 24 . Dieses Sprichwort las man im Senat noch nach vielen Jahren an bestimmten Tagen. Ich glaube, dass du alle diese Ereignisse ausführlicher bei Titus Livius in seinen Berichten über die Taten des Scipio findest 25 . Die Gegend von Numantia ist gut, fruchtbar und bringt vorzüglichen Weizen, Wein und andere Früchte hervor. Über Salamanca und das dortige Studium Generale Salamanca ist 10 Meilen von Numantia entfernt und liegt am Fluss Tormes, der vom Berg Tormes herunterfließt 26 . Obwohl dieser Fluss klein ist, gibt es eine vorzügliche Brücke mit 23 kleinen Bögen. Die Stadt liegt bestens in einer Ebene. Ich stieg auf den höchsten Turm der Kathedrale 27 , und die Stadt kam mir etwas größer als Nürnberg vor. Sie hat viele reformierte Klöster 28 und unter anderem die Kathedralkirche, die der Himmelfahrt der seligen Jungfrau geweiht ist, ein gut befestigtes Gebäude aus Steinquadern mit einer sehr hohen Kuppel vor dem Chorraum, mit einem sehr geschmückten Kreuzgang und zahlreichen Radialkapellen, die sehr reich verziert sind. Den Nebengebäuden des Kreuzganges angeschlossen ist die Bibliothek 29 , ich habe bisher in ganz Spanien keine vergleichbare gesehen. Es ist ein phantastisches 23 Der Aufstand der Stadt Numantia gegen die Römer, der 143 v.-Chr. begann, währte zehn Jahre, bevor ihn Scipio mit seiner Belagerung ab 134 v.-Chr. niederschlagen konnte und die Stadt 133 zerstören ließ. 24 Die Stelle ist nahezu wortgleich zitiert aus Paulus Orosius, Historiarum adversum paganos libri VII, Lib. 5 Kap. 8 § 1. Der Ausspruch wird dort dem keltischen Fürsten Thyresus in den Mund gelegt. Nach ebd. Lib. 5 Kap.7 § 1 wird Scipio allerdings im Jahre 620 ab urbe condita mit der Eroberung Numantias betraut. Das Werk des Orosius befand sich in der Bibliothek Münzers. 25 Titus Livius (†-17 n.-Chr.), römischer Geschichtsschreiber. Buch 57 seiner Libri ab urbe condita, das von der Belagerung Numantias durch Scipio handelte, ist nur als Periocha erhalten, vgl. Titus Livius, Geschichte S.-170-172. 26 Die Quelle des Tormes, eines Zuflusses des Duero, befindet sich im Prado Tormejón in der Sierra de Gredos. 27 Die Kathedrale Santa María de la Sede (Catedral Vieja) wurde 1150 bis 1220 errichtet. Das Bistum war nach der christlichen Eroberung 1102 wieder eingerichtet worden. 28 Zu Reformklöstern in Salamanca vgl. Nieva Ocampo, Creación. 29 Die Kathedralbibliothek wurde 1664 durch Einsturz des Kellers zerstört. Die mittelalterlichen Bestände sind nahezu vollständig verloren. Vgl. zu ihrer Gestalt im 15. und 16. Jh. Marcos Rodríguez, Biblioteca und Pereda, Arquitectura S.-36-44. <?page no="146"?> 146 VI. Von Benavente bis Roncesvalles Gebäude mit einem Gewölbe wie in einer Kirche, mit alten und besten Büchern in Pergament aus allen Fakultäten, besonders der Philosophie und Theologie. Es gibt 25 Kanoniker und ebenso viele Pfründner, 18 Kapläne und 8 weitere Würdenträger. Die Pfründen sind fett, und die gelehrten Männer erwiesen sich mir gegenüber als sehr zuvorkommend. Die Kurie des Bischofs ist ebenso ein schönes Gebäude 30 . Die Leute sind recht zugänglich und leben von den Gütern des Landes sowie vom Handel. Alle Lebensmittel sind sehr günstig. Man kann sechs Hammel für einen Dukaten kaufen und so weiter. Über das Salmantiner Studium Es gibt in ganz Spanien kein bekannteres Studium Generale 31 als das von Salamanca. Als ich dort war, versicherte man mir, dass an den Vorlesungen etwa fünftausend Studenten aus allen Fakultäten teilnähmen. Die Fruchtbarkeit des Landes, das alle Lebensmittel günstig bereitstellt, ist der Grund dafür, dass die Studenten in Scharen herbeiströmen, außerdem die Qualität der Doktoren, die unterrichten. Dort steht ein sehr schönes Kolleg 32 , das jüngst auf Kosten des Königs erbaut wurde, aus behauenen Steinen in der Art der Kreuzgänge der Klöster, mit großen hellen und gut verzierten Pulten. Es gibt ebenso eine große Bibliothek mit Gewölbe; im oberen Teil sind die Zeichen des Himmels und der freien Künste aufgemalt. Sie ist so groß wie die Kapelle der seligen Jungfrau von Nürnberg 33 . Wir sahen, wie die Studenten lasen und rezitierten. Sie sind willfährig, gut gekleidet, aber sie staunten über uns wegen unserer Kleidung und unserer Sprache. Mir gefiel dieses Studium sehr gut. Es gibt andere Studienorte in Spanien, so in Valladolid 34 , in Lissabon 35 und in Toledo 36 , aber in keiner Weise gleichen sie diesem in Salamanca. 30 Der mittelalterliche Bischofspalast stand an der Stelle des heutigen Antiguo Palacio Episcopal vom Ende des 19. Jh. 31 Die Universität Salamanca wurde 1243 von Ferdinand III. von Kastilien und Léon (1217-1252) auf der Basis eines älteren Studium Generale gegründet. Während des späten 15. Jh. entwickelten sich die Fakultäten. Salamanca erlangte sowohl theologisch als auch philosophisch herausragende Bedeutung, vgl. Fleisch, Sacerdotium S.-243-259. 32 Die Bauarbeiten für das neue Universitätsgebäude begannen 1415 und wurden bis ins 16. Jh. fortgesetzt. Eine Rekonstruktion der architektonischen Gestalt zu Münzers Zeit ist wegen fehlender weiterer Quellen nicht möglich, nur der Bericht des Nürnberger Humanisten und die Beschreibung von Lucio Marineo Siculo (†-1533) (Ders., De Hispaniae laudibus fol. 21) geben darüber Auskunft; vgl. Pereda, Arquitectura bes. S.-19-22, 31-75. 33 Frauenkirche auf dem Hauptmarkt in Nürnberg. 34 Die Universität Valladolid geht vermutlich auf das Studium Generale von Palencia zurück und erhielt die päpstliche Bestätigung 1346 von Clemens VI. (1354-1352). 35 Universität Lissabon-Coimbra, gegründet 1288/ 1290 durch Kg. Dionysius/ Dinis (1279-1325); sie wechselte bis ins 16. Jh. mehrmals ihren Standort; zur Zeit Münzers befand sie sich wieder in Lissabon, vgl. Fleisch, Sacerdotium S.-299-360. 36 Sogenannte „Übersetzerschule von Toledo“, die eine zentrale Rolle bei der Übertragung antiken Wissens, vermittelt durch muslimische und jüdische Übersetzer, in den lat.-christlichen Kulturkreis spielte. Ihre Blütezeit lag im 12./ 13. Jh., aber auch noch im 15. Jh. entstanden wichtige Arbeiten; vgl. Jacquart, École; Herbers, Wissenskontakte S.-231-239. Fast sprichwörtlich war daneben die „Nigromantische Schule“ von Toledo als Zentrum für geheime Wissenschaften und Magie. Toledo findet allerdings bei der nachfolgenden Beschreibung der Nigromantik keine Erwähnung mehr, vgl. Herbers, Jérôme Münzer S.-163 f. Siehe den folgenden Abschnitt. <?page no="147"?> Über die Höhle der Nigromantik - Salamanca 147 Über die Höhle der Nigromantik Es gibt eine unterirdische Höhle mit vielen Gewölben und Krypten. Darüber steht eine Kapelle des seligen Cyprianus 37 . Vor der Ankunft des Herrn und noch zur Zeit der Muslime praktizierte man vielfach magischen Aberglauben in Persien, Spanien und in Britannien, wie du im 30. Buch der Naturgeschichte des Plinius sehen 38 kannst. Aber es gibt niemanden, der wüsste oder der glaubt gehört zu haben, dass dort Magie praktiziert wurde. Ich denke, es war eine sibyllinische Grotte, und alte Orakel wurden dort verkündet, wie in der Grotte der Sibylle in der Gegend von Neapel 39 . Das Volk berichtet viele wirre Geschichten über diese Grotte. Es existiert auch in der Bibliothek der Kathedrale ein astronomisches Buch mit Himmelszeichen, mit Punkten, Zahlen und Buchstaben, das fälschlich als magisches Buch angesehen wird. Es gibt zudem ein vorzügliches Haus, das auf Kosten des Erzbischofs von Sevilla errichtet wurde 40 , mit Einkünften, Materialien und anderen Dingen; dort leben 18 Studenten bestens, von denen 2 Philosophie studieren, 4 Medizin, 4 Theologie, 4 kanonisches Recht und 4 Rechtswissenschaft. Ein schönes Kolleg! In der Stadt sind keine weiteren herausragenden Dinge anzusehen. Es gibt jedoch viele Ritter und Adlige, die von ihren Einnahmen leben. 1495 41 Am 4. Januar verließen wir nach dem Essen Salamanca und gelangten nach 4 Meilen zum Ort Alba unter der Herrschaft Friedrichs von Toledo, des Herzogs von Alba und Grafen von Salvatierra 42 , der dort eine wunderbare Burg besitzt 43 . Wir erhoben uns wiederum früh, und über Bonilla (de la Sierra) gelangten wir nach 8 Meilen nach Villafranca. Am 6. Januar ritten wir, nachdem wir die Messe gehört und gefrühstückt hatten, durch hohe und schneebedeckte Berge 6 Meilen lang; am folgenden Tag stiegen wir von dort in ein anmutiges Tal hinab, voller Wein, Oliven und sehr großer Kastanienbäume. Schließlich ge- 37 Die Höhle von Salamanca (La cueva de Salamanca) in der Krypta unter der Kirche San Cebrián war als Ort magischer Praktiken bekannt und stand im Zusammenhang mit der nigromantischen Schule von Salamanca (vergleichbar mit der von Toledo, siehe die vorige Anmerkung). Ihre Gründung wird entweder Herkules, den Arabern oder den Kelten zugeschrieben. Der Stoff wurde später vielfach literarisch verarbeitet, vgl. u. a. Herbers, Wissenskontakte S.-246 f. 38 Gaius Plinius Secundus bietet in seiner Naturalis Historiae Lib. XXX, § 1-18 einen knappen historischen Abriss magischer Praktiken, ihrer Entstehung und Anwendung in verschiedenen Ländern (bes. Persien, Italien, Gallien). 39 Die Einordnung als ehemalige Höhle einer Sibylle beruht auf der noch im Mittelalter als verbindlich angesehenen antiken Vorstellung (vermittelt durch Laktanz) von der Zehnzahl dieser Seherinnen, die an verschiedenen Orten und in unterschiedlichen Ländern wirkten. Die wohl berühmteste Sibylle war die cumäische, deren Grotte bei Cumae auf den Campi Flegrei zwischen Neapel und Miseno lokalisiert wurde, vgl. zur Gleichsetzung der cumäischen mit der erythräischen Sibylle Jostmann, Sibilla S.-144. 40 Das Kolleg St. Bartholomäus (span. Colegio de San Bartolomé), wurde 1418 von Diego de Anaya y Maldonado (†-1437), Bf. von Salamanca (1392-1407) und Ebf. von Sevilla (1418-1431; 1435-1437) gegründet. 41 Merkwürdigerweiser erfolgt erst hier die Notiz zum Neuen Jahr. 42 Fadrique Álvarez de Toledo (†-1531), zweiter Hzg. von Alba, Gf. von Salvatierra. 43 Die Burg der Herzöge von Alba aus dem 15. und 16. Jh. ist heute in weiten Teilen zerstört. Von den ursprünglich sechs Türmen ist noch einer erhalten. <?page no="148"?> 148 VI. Von Benavente bis Roncesvalles langten wir zur Stadt Colmenares, und nach Durchquerung einer schönen Ebene kamen wir zum Ort El Puente del Arzobispo. Die Brücke ist tatsächlich herausragend und sehr hoch, sie ist mit 6 Bedachungen und zwei sehr bewehrten Türmen ausgestattet und wurde von einem gewissen Erzbischof erbaut 44 . Am siebten Tag kamen wir, nachdem wir durch sehr hohe und unwegsame Berglandschaften hart geritten waren, zum hochberühmten und sehr bekannten Kloster Guadalupe. Über das Kloster Guadalupe Auf dem Weg zwischen Salamanca und Sevilla, in Richtung Süden, gibt es einige sehr hohe Gebirgszüge, die sieben oder 8 Meilen breit sind 45 . Ich sage euch, es sind Berge mit Schlupfwinkeln für wilde Tiere, mit steilen Tälern, voll von Abgründen, und in der Mitte liegt wie in der Mitte eines Kreises am kleinen Fluss Guadalupejo das genannte Kloster. „Gwada“ bedeutet in der Sprache der Mauren Fluss. Deshalb entspricht „Gwadaluppa“ Fluss der Wölfe, denn diese Gegend ist voll von diesen Tieren 46 . Als aber vor 700 Jahren die ganze Baetica und Sevilla 47 von den Mauren beherrscht wurde, die nach dem Gesetz Mohammeds leben, vergrub ein gewisser Erzbischof von Sevilla, der den Niedergang Spaniens sah, Reliquien an verschiedenen Orten; einige seiner Kleriker, die geflohen waren, versteckten ein Bild der seligen Jungfrau in dieser waldreichen Gegend, abseits der Wege 48 . Leander, Erzbischof von Sevilla 49 , schickte seinen Bruder Isidor 50 nach Rom zu Papst Gregor (I.) 51 , der ihm dieses Bild schenkte. Der Papst hatte es in Zeiten einer großen Epidemie in Rom zu den Stationen der Heiligen tragen lassen. Als Leander starb, folgte Isidor als Erzbischof. Nachdem Sevilla viele Jahre später von König Ferdinand (III.) 52 wiedergewonnen worden war, hörte ein Hirte, der eine Kuh verloren hatte, eine Stimme, die ihm sagte: „Geh zu diesem Ort, und Du wirst Deine Kuh dort tot finden; aber grabe an diesem Ort, und Du wirst eines meiner Bilder entdecken, und dies wird Deiner Kuh das Leben wiedergeben, wenn Du das Bild auf sie legst. Gehe daraufhin zum Erzbischof von Sevilla, erzähle, was Du 44 Die befestigte Steinbrücke mit Türmen an beiden Ufern wurde im letzten Viertel des 14. Jh. auf Veranlassung von Pedro Tenorio, Ebf. von Toledo (1377-1399), erbaut. 45 Gemeint sind vermutlich Berge der Sierra de Gredos, der Sierra de Guadalupe und der Sierra Morena. 46 Arab. wādin = Fluss, Flussbett. Die Ableitungen Münzers stimmen hier nicht. 47 Gemeint ist wohl das Gebiet der alten römischen Senatsprovinz Hispania Baetica, in der sich auch Sevilla (Hispalis) befindet. 48 Im Folgenden lehnt sich der Bericht an die in verschiedenen Fassungen überlieferten Traditionen von der wunderbaren Auffindung des Marienbildes von Guadalupe an, vgl. García/ Trenado, Guadalupe S.-19-25 (mit einer in Guadalupe aufbewahrten volksprachlichen Version des 15. Jh. auf S.-59-64). Einer Tradition entsprechend soll die Madonna als Geschenk Papst Gregors I. nach Sevilla gelangt, zu Beginn der muslimischen Eroberung Anfang des 8. Jh. an unbekanntem Ort versteckt und Jahrhunderte später an der Wende vom 13. zum 14. Jh. von einem Hirten wieder aufgefunden worden sein. 49 Leander, Erzbischof von Sevilla (579-599). Leander hatte 580 bei einem Aufenthalt in Konstantinopel den späteren Papst Gregor I. kennengelernt und mit ihm Freundschaft geschlossen, vgl. Herbers, Geschichte S.-48; Brennecke, Rom S.-281. 50 Isidor, Erzbischof von Sevilla (599-636), war Bruder und Nachfolger Leanders (†-599) im Amt des Erzbischofs von Sevilla; vgl. zur Bedeutung Isidors u. a. Henriet, Horizon S.-96 f. 51 Papst Gregor I. (590-604); hatte Kontakt mit Leander (†-599) (nicht Isidor! ). 52 Ferdinand III., Kg. von Kastilien und León (1217-1252) eroberte 1248 Sevilla. <?page no="149"?> Über das Kloster Guadalupe 149 gesehen hast, und trage ihm auf, dass er an diesem versteckten und wilden Ort zu meiner Ehre eine Kapelle errichte, in der ich verehrt werden soll“. So tat es der Hirte; und es wurde dort zunächst eine gewisse Einsiedelei erbaut, aber später, nachdem die seligste Jungfrau sich dort mit vielen Wundern bekannt gemacht hatte, errichtete man dieses Kloster 53 . Es ist ein so wunderbares, geschmücktes und den lokalen Gegebenheiten entsprechend ausgestattetes Bauwerk, es gibt nichts Schöneres. Über die Lage des Klosters Das Kloster liegt südlich am Fuß eines sehr hohen Berges, wo vier Quellen entspringen und in verschiedene Richtungen fließen. Es ist ganz von Bergketten umgürtet außer im Süden, dort liegt nach einigen kleinen Hügeln die Ebene der Baetica 54 . Deshalb ist der Ort sehr geschützt, es gibt reichlich Weinstöcke, Oliven, Apfelsinen und andere Früchte im Überfluss. In der Oktav des Januars (8. Januar) sangen in den Olivenhainen Amseln und andere Vögel, so wie bei uns im Mai. So warm ist es hier an diesem Ort Guadalupe! Durch das Tal fließt der Lupus (Guadalupejo), ein kleiner Fluss, aber mit gutem Wasser, das Forellen und andere Fische nährt. Über die Kirche des Klosters Wir gingen also zunächst in die Kirche und sagten der unversehrten Jungfrau Dank; wir besichtigten den Bau selbst, der hoch, wunderbar und hervorragend mit einer hohen Kuppel vor dem Chorraum gestaltet ist. Gegenüber dem Chor liegt der Hauptaltar, durch 13 Stufen weiter erhöht. So können die Patres leicht die Geheimnisse der Messe von ihrem niedrig gelegenen Chorraum aus sehen 55 . Die Altartafel ist sehr groß und sehr hoch, sie ist aus Gold und Elfenbein gefertigt 56 . In deren Mitte gibt es das skulpturierte Bildnis der seligen Jungfrau, wie es vom Hirten entdeckt wurde 57 . Davor brennen 16 Lampen aus Silber oder einige aus vergoldetem Silber, sie leuchten Tag und Nacht. In der Mitte hängt die größte von allen, 128 Silbermark 53 Eine Einsiedelei am Ort der Wiederauffindung der Madonna ist urkundlich erstmals 1327/ 1329 belegt; 1340 wurde sie durch Alfons XI. (†-1350) zum königlichen Säkularstift erhoben und gleichzeitig reich dotiert. Am 15. August 1389 übergab König Johann I. (1379-1390) das Kloster unter Verzicht auf königliche Patronatsrechte der Gemeinschaft der Hieronymiten. Rege Bautätigkeit in den folgenden Jahrzehnten führte zu einer auch heute noch beeindruckenden Anlage, vgl. zur Baugeschichte mit Skizzen zur mittelalterlichen Substanz Ruiz Hernando, Monasterio. Die älteste gedruckte Geschichte des Wunderbildes der Madonna sowie des Klosters selbst ist vermutlich die 1597 erschienene Historia de Nuestra Señora de Guadalupe von Gabriel de Talavera. Eine knappe Beschreibung bietet Pfandl, Itinerarium S.-105 f. Anm. 1. 54 Guadalupe liegt auf einem Höhenzug, der Nordspanien (Hispania Tarraconensis) von Andalusien (Hispania Baetica) trennt. 55 Zu Chor und Hochaltar vgl. Ruiz Hernando, Monasterio S.-153 f. Im Altarraum befanden sich die Grabmäler Kg. Heinrichs IV. von Kastilien (1454-1474) und seiner Mutter Maria von Aragón (†-1445). 56 Das mittelalterliche Altarretabel wurde zwischen 1615 und 1618 nach Plänen von Juan Gómez de Mora umgestaltet. 57 Die aus Zedernholz gearbeitete romanische Madonnenfigur mit Christuskind eines unbekannten Meisters ist etwa auf den Ausgang des 12. Jh. zu datieren, vgl. die farbige Abbildung bei García/ Trenado Guadalupe, zwischen S.-304 und S.-305. <?page no="150"?> 150 VI. Von Benavente bis Roncesvalles schwer, die von den Hirten dieser Gegend gestiftet wurde, deren Vorfahren das Bild zuerst entdeckt hatten. Weitere Lampen stammen vom König und anderen Vornehmen. Wir sahen auch auf einer Seite eine Kerze aus schneeweißem Wachs, die 15 oder 16 Zentner wiegt und die der König von Portugal der seligen Jungfrau stiftete, weil eine gewisse Epidemie Portugal heimgesucht hatte und weil einige seiner Gefolgsleute aus einer sehr großen Meeresgefahr gerettet und zum sicheren Hafen geleitet worden waren 58 . Wir sahen ebenso eiserne Fußfesseln in unzähliger Zahl, welche christliche Gefangene, die durch Interzession der seligen Jungfrau von den Sarazenen befreit worden waren, dorthin brachten. Manche wogen sehr viel, 20 oder 45 Pfund 59 . Wie schrecklich ist es zu sehen und zu hören, dass christliche Menschen mit diesem schweren Gewicht als Sklaven die härtesten Arbeiten haben verrichten müssen! Es ereignen sich dort täglich so viele und so große Wunder, dass schon drei große Bände vollgeschrieben sind und ein weiterer fortlaufend gefüllt wird 60 . Und dies ist nicht verwunderlich, denn bei Gott ist kein Ding unmöglich 61 . Dort sahen wir die Haut eines enormen Krokodils, das gewisse Portugiesen gebracht hatten, die in Guinea auf Bitten der seligen Maria aus Gefahren befreit worden waren 62 . Wir gewahrten auch einen sehr großen gewölbten Panzer, das heißt einer „Schiltkroten“, darin kann sich eine ganze Person wie in einem Becken waschen, weiterhin zwei sehr große Barten 63 von vier Ellen Länge und zwei Handspannen Breite, die man in Portugal einem sehr großen Fisch weggenommen hatte, der 1200 Gräten hatte, und schließlich einen sehr langen Elefantenzahn. Der Chor der Patres liegt im hinteren Teil der Kirche, er ist hoch und groß, hat ein schönes Chorgestühl 64 und sehr schöne Choralbücher, wie ich sie in meinem Leben noch nie gesehen habe 65 . Die Blätter maßen 4 Handspannen in der Breite und 6 in der Länge, und jedes (Pergament-)Blatt stammte von einer ganzen Tierhaut. Mehr als dreißig Altäre stehen in der Kirche, alle Kapellen sind reichhaltig verziert. Es gibt 140 Patres mit den Konversen, darunter 70 Priester 66 , weiterhin viele Amtsträger, unzählige Handwerker, Hirten, Bauern und Arbeiter, dass im Kloster und außerhalb des Klosters täglich 900 Personen verköstigt werden. Dazu kommen die Almosen, die allen, die darum bitten, überreich gegeben werden. Außer den vielen Amts- 58 Möglicherweise beschreibt Münzer dieselbe Kerze wie ca. 100 Jahre später Luis Núñez (†-1645), der auf eine Stiftung der Bürger von Lissabon als Dank für das Ende der Pest 1490 verweist, vgl. Ludovicus Nonius medicus, Hispania sive populorum Kap. 61 S.- 191, vgl. hierzu García Mercadal, Viajeros S.- 394. Allgemein zu portugiesischen Kontakten und Geschenken vgl. Mendes, Mosteiro S.-25-72. 59 Das Spenden der Fesseln an die heilige Jungfrau als Dank für die Befreiung aus der Gefangenschaft war in Guadalupe im Mittelalter übliche Praxis, vgl. Álvarez Álvarez, Guadalupe S.-90 f. Das stärkte auch den Ruf Marias von Guadalupe als Helferin gegen die Muslime. 60 Los milagros de Guadalupe, Sammlung von Berichten über die von der heiligen Jungfrau bewirkten Wunder, die in zahlreichen, archivalisch im Kloster überlieferten Kodizes aufgezeichnet wurden, vgl. dazu Crémoux, Pèlerinages S.-37-60. 61 Luc. 1,37. 62 Vgl. zu diesen Krokodilsgeschenken Mendes, Mosteiro S.-54. 63 Es waren wohl die Barten eines Großwals. 64 Das Chorgestühl (wahrscheinlich im Mudéjar-Stil) wurde wohl Ende des 14. Jh. von einer Betschwester aus Cáceres gestiftet. Es bestand in dieser Form bis 1499 und wurde später in zwei Phasen erneuert. 65 Liturgische Bücher in vergleichbarer Qualität wurden mit Ausnahme von Regensburg im ausgehenden 15. Jh. nicht in den Klöstern in Nürnberg und anderen süddeutschen Städten hergestellt, vgl. Tammen, Kunsterfahrungen S.-60. 66 Die genannte Zahl der Mönche entspricht der auch anderweitig überlieferten Größe des Konvents in der zweiten Hälfte des 15. Jh., für 1464 sind 130 Mönche belegt, vgl. García/ Trenado, Guadalupe S.-144. <?page no="151"?> Über den Kapitelsaal, die Keller und die Kanäle - Guadalupe 151 trägern, Handwerkern, Hirten und Bauern, die ich schon erwähnt habe, gibt es mehrere, die ihnen eines Gelübdes wegen dienen. Aus Liebe zur seligen Jungfrau sind sie besonders eifrig 67 . Sie folgen der Regel des heiligen Augustinus, und ihre Ordenstracht ist die der Hieronymiten: eine weiße Kutte und Skapuliere in tiefbrauner Farbe, der Farbe der Naturwolle. Gregor XI. gründete diesen Orden und gab ihnen die entsprechenden Konstitutionen 68 . Über den Kapitelsaal, die Keller und die Kanäle Nach dem Essen wurden wir auf unsere Bitten ins Kloster gerufen, der ehrwürdige Pater Prior 69 , ein verehrenswerter Mann von 65 Jahren, empfing uns gütig, und durch die Tür des Kapitelsaales führte er uns (in den Saal) mit einer schönen Wasserstelle und einer wunderbaren Halle. Nach einer langen Unterhaltung übergab er uns an zwei Patres, die uns in den großen Weinkeller begleiteten, der in das Innerste des Berges gehöhlt ist. Dort betrachteten wir riesige Fässer und Amphoren, die mit Wein gefüllt waren. Danach führten sie uns zu zwei anderen weitläufigen Weinkellern. Als wir aus den Kellern traten, zeigten sie uns ein großes Becken, das mit Quellwasser vom Berg reich gefüllt war und durch verschiedene Kanäle verteilt wird; es versorgt viele Wasserstellen des ganzen Klosters: in der Küche, im Kapitelsaal, im Krankensaal, im Kreuzgang, in der Sakristei und so weiter und führt so überall hin ein sehr süßes und trinkbares Wasser. Mit bewundernswertem Geschick und hohen Kosten wurden diese Kanäle aus Marmor, Kupfer, Blei und anderen erhitzbaren Metallen gebaut. Über das Refektorium der Patres, das Refektorium der Familiaren und die Küche Das Refektorium der Patres ist weitläufig und sehr hoch, es ist aufwändig gebaut und misst 55 Schritte an Länge. Ähnlich wunderbar, aber größer ist das Refektorium der Familiaren und der Amtsträger. Darin speisen täglich zweihundert Personen und mehr, darunter die fünf Kapläne, die den Familiaren die Sakramente und anderes spenden; bei Tisch wird die Schrift gelesen, und es herrscht absolutes Schweigen. An der Tür steht ein breiter Stein, an den für eine bestimmte Anzahl von Stunden derjenige mit den Füßen angebunden wird, der von den Laien das Schweigen bricht. Sie haben auch eine Küche für die Familiaren mit großen kupfernen Kesseln, in denen man einen ganzen Ochsen kochen kann, sowie andere Gefäße für heißes und kaltes Wasser mit den entsprechenden Ausgüssen. Die Küche der Patres ist ebenso wunderbar. Darunter liegt der Weinkeller und die gut bestückte Vorratskammer. Dies ist dem Refektorium angeschlossen, ist gut angeordnet und gebaut, es gibt nichts Besseres. 67 Zu dieser Devotionsform des ewigen Dienstes für die heilige Jungfrau von Guadalupe, zu dem sich Männer und Frauen durch ein Gelübde und unter Spende des eigenen Besitzes an das Kloster verpflichteten, vgl. García/ Trenado, Guadalupe S.-336. 68 Papst Gregor XI. (1371-1378) bestätigte 1373 das erste Hieronymitenkloster in Lupiana und verpflichtete es auf die Augustinusregel, vgl. Highfield, Jeronimites. 69 Nuño de Arevalo (†-1502), vormaliger Prior des Hieronymitenklosters Yuste, stand dem Konvent in den Jahren 1483-1495 vor. <?page no="152"?> 152 VI. Von Benavente bis Roncesvalles Am 11. Januar, es war ein Sonntag, kam der ehrwürdige Pater (Prior), obwohl unpässlich, und führte uns in den Speisesaal, wo wir mit 100 Patres und Konversen in sehr großer Ehrfurcht und Stillschweigen aßen, bei einer Schriftlesung während des Essens; eine solch ehrfürchtige Zusammenkunft von Patres müsste sogar den verstocktesten Sünder dazu bewegen, Gott zu verehren. Wir wurden vorzüglich behandelt. Über die Schuster, Schneider, Bäcker, Handwerker, Schmiede und andere Ämter In ihrer Schuhmacherwerkstatt erblickten wir viele Leute, die fortwährend arbeiteten, und wir sahen so viele Schuhe, wie wir nie in unserem Leben gesehen hatten. Wir bemerkten Handwerker, die das Leder vorbereiteten, unter denen sich ein gewisser Deutscher aus Preußen, aus Danzig, befand. In der Bäckerei stehen so viele Mehlsäcke, dass man es nur schwer glauben kann; pro Woche brauchen sie zwanzig Ladungen Mehl, um das Brot für das Kloster und die Armenspeisung herzustellen. In der Schneiderei sahen wir ebenso unzählige Gewänder und Hemden aus Wolle für die Brüder; sie waren mit dem Namen von jedem einzelnen gekennzeichnet; alles gab es in überreichem Maße. An der Spitze stand ein gewisser deutscher Mönchspriester aus Stettin, in der Mark gelegen. Es gibt hier viele Handwerker und Priester aus Deutschland 70 . Auch die Schmiede war sehr groß, und der Lärm von Hämmern, Feilen und anderen Geräten ist so stark, dass du an Zyklopen denkst. Noch viele andere Werkstätten gehören zum Kloster; man glaubt, in einer kleinen Stadt zu sein. Es gibt zudem vorzügliche Speicher. Ich kann nicht alles aufzeichnen. Über Gärten und Baumwiesen Wir betraten zwei ausgedehnte und äußerst schöne Gärten, die am Fuß des Berges liegen; dort gab es Wasserkanäle, um Zitrus-, Apfelsinen-, Myrten-, Zitronen-, Oliven- und andere Bäume zu bewässern. Die Zitronen waren schon reif und zwischen den grünen Blättern boten sie einen schönen Anblick. Über die Bibliothek, den Schlafsaal und die Krankenstube Sie haben eine sehr große und äußerst schöne Bibliothek mit 36 Pulten und mit besten und gut eingebundenen Büchern 71 . Der Schlafsaal der Novizen zählt 26 Betten, die gut angeordnet sind; in der Mitte des Raumes brennt die ganze Nacht eine Lampe. In ähnlicher Weise gibt es den Schlafsaal der Konversen mit 22 Betten; alles befindet sich in gutem Zustand. Die Kranken- 70 Beide genannte Personen aus Deutschland sind nicht identifiziert. 71 Die Klosterbibliothek wurde vor 1467 fertiggestellt. Wie in kleineren Bibliotheken dieser Zeit üblich, wurden die Bücher im Arbeitssaal aufbewahrt, nicht in einem separaten Raum. Ein knapper Vergleich dieser mit anderen Bibliotheken findet sich bei Pfandl, Itinerarium S.-111 Anm. 1 sowie Pereda, Arquitectura S.-36-39. <?page no="153"?> stube ist äußerst schön ausgestattet mit vielen Sälen und verschiedenen Kammern, samt einer hervorragenden Quelle und einer gut bestückten Apotheke 72 , dass man es kaum glauben kann. Über die beiden Kreuzgänge Es gibt zwei äußerst schöne und große Kreuzgänge 73 , die einer über dem anderen angeordnet sind; der ebenerdige ist der schönere. In der Mitte hat er einen Brunnen mit einer Kupferschale, die mit schönen eingelegten Bildern verziert ist. In einer Ecke, beim Speisesaal, ist ein weiterer sehr schöner Brunnen, und alles ist unter anderem von Apfelsinenbäumen und Zypressen umgeben. Darüber befindet sich der andere Kreuzgang, der zum Hochchor führt, dort sind in den Ecken wertvolle Bilder vom Kreuz, von der seligen Jungfrau und von anderen (Heiligen); dort halten die Brüder ihre Stationen ab. Weiterhin gibt es wertvolle Kapellen und große Bücher zum Chorgesang. Oh, wie erquicklich und wie ehrwürdig dieser Ort erscheint! Jeder kann mit der Hand Apfelsinen vom Baum pflücken. Man kann diese schöne Ausgestaltung nicht beschreiben. Über die königlichen Hallen Die Könige von Kastilien besitzen dort wunderschöne Hallen 74 mit Brunnen vor den Palästen und mit Aufenthaltsräumen, die wunderbar gebaut sind. Dort sahen wir einige Bedienstete der Königin, die viele königliche Truhen bewachten. Weiterhin sahen wir viele Papageien, darunter gab es einen in fünf verschiedenen Farben mit grauem Kopf, einem grünen Hals, einem schwarzen Bauch, einem roten Schwanz und himmelblauen Flügeln, die in einem Grünton endeten. Die Diener erwarteten den König und die Königin. Der Königin gefällt dieses Kloster ausgesprochen, und wenn sie dort ist, sagt sie, dass sie sich in ihrem Paradies befinde. Zur Matutin und allen kanonischen Horen betritt sie ihr wunderbares Oratorium, das sie oberhalb des Chorraumes besitzt. 72 Zu den medizinischen Einrichtungen siehe unten S. 155. 73 Zum doppelstöckigen Kreuzgang, der - im Mudejarstil erbaut - durch seine Architektur besonders beeindruckte, vgl. Ruiz Hernando, Monasterio, hier S.-139-149 (mit Planskizzen). Im unteren Kreuzgang flossen zwei gefasste Quellen, die schon im Mittelalter für ihre kunstvoll gestalteten Brunnenbecken berühmt waren. 74 Königlicher Palastbau, der im Westen an das Kloster angegliedert war. Ein älteres Gebäude wurde zwischen 1487 und 1491 erneuert, die reich ausgestatteten Königsgemächer gruppierten sich um einen bepflanzten Innenhof, vgl. Ruiz Hernando, Monasterio S.-155 f. (mit Nennung Münzers als zentralem Textzeugen). Über die beiden Kreuzgänge - Guadalupe 153 <?page no="154"?> 154 VI. Von Benavente bis Roncesvalles Über die Sakristei und deren Schatz Am Sonntag, dies war der 11. Januar 75 , gingen wir, nachdem wir wunderbar im Refektorium unter Anwesenheit des Pater Prior und von 100 Patres und Konversen gespeist hatten, mit großer Ehrerbietung und Ehrfurcht in die Sakristei, um die Ornamente und andere Dinge anzusehen. Was man dort zuerst zeigte, war eine Truhe mit zehn ausgesprochen schönen goldüberzogenen Kreuzen, zusätzlich zu den dreißig, die es auf den Altären gab. An Festtagen wird auf jedem der Altäre eines dieser Kreuze aufgestellt. Sie sind künstlerisch wertvoll hergestellt und wiegen zwischen 5 oder 6 und 10 Mark. Es gab dort auch verschiedene Becken und viele kleine Kannen für Wein und Wasser, alles aus Silber und Gold. Die zweite Truhe hatte 16 Fächer mit jeweils drei Tüchern: alle waren aus goldenem Samt gefertigt, manche zusätzlich mit Gold überzogen oder wie ein Sieb gewoben, bestickt mit Edelsteinen, Perlen und anderem. Dort gab es nur Tücher und wertvolle Geschenke der Könige von Kastilien 76 . Die dritte Truhe war voller schwarzer Kreuze, mit Bernstein und Gold verziert, die für die Fastenzeit dienten, mit weiteren silbernen und vergoldeten Bildern. Die vierte Truhe enthielt 24 große Figuren aus reich vergoldetem Silber mit Gemmen und Edelsteinen. Darunter gab es ein großes Kreuz, zu dessen Füßen sich die selige Jungfrau, Johannes, Maria Magdalena und Josef 77 befanden. Es war aus reinstem [Gold] und wurde von einem gewissen König Kastiliens der seligen Jungfrau (zum Dank) für einen bestimmten Sieg geschenkt 78 . Nur dieses Bild allein ist sechstausend Dukaten wert. Ebenso gibt es eine Krone aus reinstem [Gold] mit Gemmen, darunter eine sehr große Perle in der Form einer Birne. Der Küster sagte, dass der Inhalt dieser Truhe mehr als zwanzigtausend Dukaten wert sei. In der fünften Truhe, die sehr groß ist, befand sich die Darstellung des Herrengrabes, die am Karfreitag verwendet wird; sie ist aus Zypressenholz, groß, mit goldenen und silbernen Tafeln geschmückt, mit vergoldeten Darstellungen versehen, mit Gemmen und Perlen verziert, und wiegt so viel, dass kaum zehn Leute es zum Chorraum befördern können. Diese Grabdarstellung sei unschätzbar. Ich glaube, es gibt nichts Vergleichbares auf der Welt. Sie wiegt wohl mehr als tausend Mark. Die sechste Truhe war gefüllt mit hervorragenden Kelchen, einer von diesen war aus reinstem Gold. Weiterhin gab es ein sehr wertvolles Buch, dessen Einband mit Perlen und Gemmen geschmückt war, das in den Prozessionen der Festtage vorangetragen wird, um die Gebete zu sprechen. Ebenso waren dort einige wunderbare Gefäße für den Wein und das Wasser am Altar. Auch (der Inhalt) dieser Truhe ist in der Tat von hohem Wert. 75 Diese Datierung befindet sich bereits oben, siehe S. 152. 76 Siehe unten Anm. 78 und S. 156. 77 Es könnte sich um die Kreuzigungsszene oder die Kreuzabnahme mit Johannes, Maria Magdalena und Josef von Arimathäa handeln. 78 Möglicherweise eine Stiftung Alfons’ XI. von Kastilien (1312-1350) im Anschluss an den Sieg am Salado gegen die Meriniden 1340. Nur die „Gran Crónica de Alfonso XI“ (Ende 1370er Jahre) spricht aber von einem Pilgergelübde an die Jungfrau von Guadalupe vor der Schlacht; vgl. Linehan, Beginning S.-286 mit Anm. 6, 298; García/ Trenado, Guadalupe S.-28-31, 64. <?page no="155"?> Über die Sakristei und deren Schatz - Guadalupe 155 Die siebente Truhe enthielt 16 Bilder, dazu zählen zwei sehr große Kreuze und eine Krone aus reinstem Gold, die sehr wertvoll ist. Man versicherte, dass diese Truhe mehr als 15 Tausend Dukaten wert ist. In der achten Truhe befand sich eine Monstranz für das (heilige) Sakrament von 255 Mark, die Vergoldung kostete zweitausend Dukaten. Der Kreis, in welchem die Hostie sich befindet, ist aus reinstem Gold und mit Gemmen geschmückt. Man sagte, dass sie für 4000 Mark gekauft wurde. In der gleichen Truhe gab es weiterhin zwei sehr hohe und sehr schöne Bernsteinkreuze, mit Pflanzen aus reinstem Gold verziert. In der neunten Truhe mit 12 Fächern lagen 36 Dalmatiken, alle mit Gold gesäumt, mit Perlen und Gemmen, ebenso enthielt ein Fach Tücher für die Vorderseite des Altares, Vela sowie andere ausgewählte Fransentücher. Die zehnte Truhe war voll von großen, hohen Kandelabern und Altarbildern. Weiterhin gab es Rauchfässer und reich verzierte Friedenstäfelchen aus Silber, Gold und Edelsteinen 79 . Die elfte Truhe barg goldene Ornamente, die für die Messe und andere große Feierlichkeiten bereitlagen; ebenso gab es eine weitere Truhe mit roten Tüchern für die Apostelfeste und ein anderes mit Ornamenten aus feinster Seide für die einfachen Feste. Oh, wie wertvoll diese Schmuckstücke sind! Die zwölfte Truhe war voll mit Dingen, um die Altäre zu schmücken, aus Gold, Silber und anderen Materialien. Es gibt dort weitere Truhen mit Paramenten für die normalen Tage, die ich unmöglich aufzählen kann 80 . Wahrhaftig, mit diesem Schatz könnten die Sarazenen ihre verlorenen Reiche wiedererobern, denn so viel Reichtum gibt es dort. Und ich glaube wirklich, dass dieses Kloster keinen geringeren Schatz hat als den der Könige von Kastilien. Über ihr Hospital Außerhalb des Klosters gibt es ein schönes Hospital 81 , es ist quadratisch angelegt und vorzüglich gebaut; es besitzt viele Betten, einige Räume sind für die Verletzten, einige für die Fiebrigen und andere, um die Armen zu stärken. Alle Räume sind voll mit Decken, Betttüchern und allen Dingen, die ein vorzügliches Hospital benötigt. 79 Pax (oder Pacificale, Paxtafel, Kusstafel) bezeichnet ein kleines Täfelchen aus Metall (vergoldete Bronze oder Silber), Holz oder Elfenbein, das meist mit Darstellungen aus der Heilsgeschichte geschmückt ist. Der vor der Kommunion übliche liturgische Friedenskuss wurde, statt der im Frühchristentum üblichen Umarmung, vom Priester mittels dieser Kusstafel an die Gläubigen weitergegeben. Heilsstiftende Wirkung verdankte die Tafel häufig einer eingelegten Reliquie. 80 Einige der in diesem Abschnitt genannten Kostbarkeiten könnten auch bei Prozessionen als pasos (Tragaltäre; noch heute in der Karwoche üblich) gedient haben, siehe die fünfte Truhe. 81 Ein Klosterhospital ist seit 1329 belegt; im 15. Jh. gab es neben der Krankenstation für die Mönche und der Apotheke (siehe oben S. 153) ein für Pilger und andere Fremde zugängliches Männerhospital sowie ein gesondertes Frauenhospital (gestiftet 1435); die Einrichtungen entwickelten sich zum bedeutenden Zentrum medizinischer und pharmazeutischer Innovation und zur Wirkungsstätte renommierter mönchischer Ärzte und Chirurgen, vgl. García/ Trenado, Guadalupe S.-571-582; Arana Amurrio, Medicina S.-405-421. <?page no="156"?> 156 VI. Von Benavente bis Roncesvalles Über ihre Einkünfte Ihr Reichtum und ihre Einkünfte stammen hauptsächlich aus den Rinderaufzuchten, über die sie in unzähligem Maße verfügen. Sie hatten damals, wie ich erfuhr, viertausend Kühe, Tausende von Kälbern und Pferden, weiterhin Öl, Wein und Getreide. Man glaubt, dass sie jährlich Einkünfte von mehr als zwanzigtausend Dukaten beziehen. Sie leben in strenger Observanz. Alles ist dort sorgfältig geordnet, und diese Ordnung in allen Dingen bewahrt ihre Eintracht bei Reichtum und Vermögen. Es gibt unter ihnen Gelehrte, Maler, Schreiber, Illuminatoren, Goldschmiede und Kunsthandwerker, wie man kaum beschreiben kann. Oh, wie viele phantastisch illuminierte Missale haben wir gesehen! Die wunderbaren Werkstätten gereichten dem ganzen Kloster zum Nutzen und zur Zierde. Was gibt es noch? Mir kam folgendes Zitat von Sallust in den Sinn: „In Eintracht wachsen die kleinsten Dinge, in Zwietracht werden die größten Dinge zerstört“ 82 . Und weiterhin: „Für die Tugend ist nichts ungangbar“ 83 ; weiterhin: „Wo Du es willst, herrscht das Außerordentliche“ 84 . Wenn Leidenschaften vorherrschen, kann der Geist nicht wirken. Ich glaube sogar, dass die königlichen Majestäten alle Geheimnisse über den dortigen Schatz kennen und davon eine Niederschrift besitzen, damit nichts entfremdet werden kann. Vieles wäre noch über dieses sehr bekannte Kloster zu schreiben, was ich aus Gründen der Kürze weglasse. Am 11. Januar gingen wir durch jene hohen Berge zurück, passierten die Puente del Arzobispo in Richtung Toledo, das von Guadalupe 27 Meilen entfernt ist. Von El Puente del Arzobispo kamen wir nach Talavera, eine berühmte Stadt, die am Ufer des Tajo liegt, mit einer Brücke aus 22 Bögen 85 . Dort gründete der Erzbischof von Granada 86 zwei Klöster, eines zu Ehren des heiligen Hieronymus 87 und das andere zu Ehren des heiligen Franziskus, hier herrscht Observanz 88 . Es gibt eine Kollegiatkirche 89 , die so groß ist wie diejenige in Nördlingen und die in einer schönen Ebene liegt. Diese ist fruchtbar und bringt Wein, Öl und andere Früchte hervor. Wir verließen diese Stadt am 14. Januar und kamen abends in der berühmten und alten Stadt Toledo an. 82 Die Sallust zugeschriebene Sentenz (vgl. leicht abgewandelt in Gaius Sallustius Crispus, De bello Jugurthino Kap. 10 § 6) findet sich sowohl in der antiken-klassischen Literatur als auch bei Beda Venerabilis, In Marci Evangelium expositio Lib. 1, Kap. 3, 23-25, aber auch bei dem vermutlich aus Braga stammenden Paulus Orosius, Historiarum adversum paganos libri VII, Lib. 2 Kap. 17 § 17. 83 Vgl. Publius Ovidius Naso, Metamorphosen (ed. Fink) Lib. 14 § 113. 84 Vgl. Gaius Sallustius Crispus, Coniuratio Catilinae (ed. Ahlberg) Kap. 51 § 3. 85 Die Brücke wurde bereits in römischer Zeit errichtet, danach aber mehrfach instandgesetzt und erweitert. Über die Zahl der Brückenbögen existieren unterschiedliche Aussagen. 86 Hernando de Talavera war seit 1492/ 93 erster Ebf. von Granada, siehe oben S. 95 f. 87 Hieronymitenkloster Santa Catalina. Die Gründung erfolgte nicht erst durch Ebf. Hernando de Talavera von Granada, sondern es entstand als achtes Hieronymitenkloster bereits unter Pedro Tenorio, Ebf. von Toledo (1377-1399), nach 1389 (1393? ). 88 Kloster San Francisco el Viejo, gegründet 1494 durch den Ebf. von Granada bzw. auf dessen Bitten durch die Katholischen Könige. 89 Stiftskirche Santa María la Mayor, errichtet 1211 unter Ebf. Rodrigo Jiménez de Rada (1210-1247). <?page no="157"?> Über Toledo 157 Über Toledo Toledo ist eine der berühmtesten Städte Spaniens und liegt bestens befestigt auf einem Bergrücken. Die Stadt wird an drei von vier Seiten durch den Fluss Tajo begrenzt, der in einem tiefen Tal fließt. Die Lage, um es so zu sagen, ist derjenigen von Bern in der Schweiz vergleichbar, obwohl der Berg und der Aufstieg von allen Seiten steiler ist. Welch starke Mauern diese Stadt hat, welche die Sarazenen errichteten, und wie sehr die Stadt durch Natur und Baukunst befestigt erscheint. Es gibt eine Kathedrale. Dort starb der Kardinal und Erzbischof mit Namen Pedro de Mendoza 90 ; wir sahen, wie sein Leichnam von Guadalajara über 22 Meilen mit großem Ehrengeleit, Pomp und Feierlichkeiten, so wie man es sich kaum vorstellen kann, überführt wurde. Außerhalb des Ortes und in den Fenstern der Stadt sahen wir unglaublich viel Volk und Personen beiderlei Geschlechtes. Toledo ist größer und dichter bevölkert als Nürnberg. Dieser Kardinal hinterließ unerhörte Reichtümer an Gold und weiteren kostbaren Dingen, insgesamt im Wert von mehr als zweihunderttausend Dukaten 91 . Die Kirche von Toledo zählt zu den reicheren unter den Kirchen Spaniens und ist das Haupt aller Kirchen in Spanien 92 . Über die Toledaner Kirche Wir haben in Spanien niemals eine so schöne und wohlgestaltete Kirche gesehen, deren Bau vollendet ist 93 . Sie misst 220 Schritte in der Länge und 47 Schritte in der Breite. Und sie hat auf jeder Seite zwei Schiffe und hinter dem Chor drei, von denen das am weitesten vom Hochaltar entfernte etwas tiefer gelegen ist; das liegt an den Kapellen, die groß und vortrefflich, zudem herrlich geschmückt sind. In diesen Kapellen befinden sich die Grabmäler der Könige 94 . Dieses Gebäude wurde seit der Rückeroberung Toledos - denn diese Stadt ging den Christen mehrfach verloren und musste von den Mauren zurückerobert werden 95 - mit den von den 90 Kardinal Pedro González de Mendoza (†- 1495), Bf. von Calahorra (1453-1468), Sigüenza (1467-1495), Ebf. von Sevilla (1474-1483) und Toledo (1482-1495), wurde 1473 von Papst Sixtus IV. (1471-1484) zum Kardinaldiakon von Santa Maria in Domnica, 1478 zum Kardinalpriester von Santa Croce in Gerusalemme erhoben (bis 1495). Er war einer der einflussreichsten Politiker seiner Zeit, Kanzler von Kastilien und wichtiger Unterstützer der Katholischen Könige. Daneben trat er als Förderer von Kunst und Kultur in Erscheinung. Zu den Begräbnisfeierlichkeiten Lacadena y Brualla, Cardenal S.-218-222. 91 Zum Kathedralschatz siehe unten S. 158 f. 92 Die noch aus westgotischer Zeit herrührende Primatstellung des Erzbistums Toledo war nach der christlichen Eroberung 1085 auf die kastilische Krone beschränkt wiederbelebt worden, vgl. Holndonner, Kommunikation S.-87 f. Da die Erzbischöfe seit 1206 gleichzeitig auch als Großkanzler von Kastilien fungierten, war ihr Sitz besonders gut dotiert. 93 Die Kathedrale Santa María de Toledo wurde neu begründet unter dem Episkopat von Rodrigo Jiménez de Rada (1209-1247) am Ort der früheren westgotischen Kirche, die während der muslimischen Herrschaft als Moschee diente. Sie war Sitz des Primas von Spanien und gleichzeitig bedeutende Grablege der kastilischen Könige, vgl. Hernández, Catedral S.-81. 94 Die Capilla de los Reyes Nuevos wurde im 15. Jh. als Grablege für die kastilischen Könige aus der Trastámara-Dynastie errichtet; bestattet wurden dort Heinrich II. (1366-1379), Johann I. (1379-1390) und Heinrich III. (1390-1406) mit ihren Gemahlinnen. 95 Von 711 bis 1085 gehörte Toledo zu al-Andalus, dem islamisch dominierten Teil der Iberischen Halbinsel; vgl. zur Umwandlung der islamischen Freitagsmoschee in die christliche Kathedrale nach der Eroberung 1085 Barbé Coquelin de Lisle, Mezquita. <?page no="158"?> 158 VI. Von Benavente bis Roncesvalles Sarazenen erbeuteten Spolien ausgestattet. Es gibt viele Sitze im Chorgestühl, das ganz neu von einem gewissen Skulptor aus Niederdeutschland gefertigt wurde 96 . In jeden der Sitze ist eine Szene von den Siegen im Reich oder der Stadt Granada geschnitzt; dort kannst du gleichsam die Kriegshandlungen von Granada sehen, als ob du sie direkt vor Augen hättest. Die Kirche hat auch einen sehr hohen und sehr schönen Turm 97 , auf den wir stiegen, um die Stadt zu betrachten. Wir sahen dort die größte Glocke ganz Spaniens, die vierhundert große Zentner wiegt wie die unsrigen. Über den Schatz und die Reichtümer der Kirche Zu ihrem Unterhalt bekommt die Kirche jedes Jahr achttausend Dukaten, damit halten sie alles instand, erneuern das Zerstörte und schaffen Neues. Die Sakristei ist nach derjenigen von Guadalupe die größte und vielleicht auch die weitläufigste 98 . Der äußerst bekannte Herr Alfons von Ortiz, Kanoniker, Rechtsgelehrter und sehr gelehrter Poet, zeigte sie uns und erwies uns höchste Aufmerksamkeit 99 . Wir sahen zuerst die große Schatzkammer, die mit so schönen Malereien geschmückt war 100 , dass man glaubt, die Kapelle Sixtus IV. in Rom zu sehen 101 . Ich kann nicht beschreiben, wie wunderbar diese Malereien mit der Darstellung der verschiedenen Tugenden sind. Sie zeigten auch zunächst mehr als hundert Bilder, Kelche, Kreuze sowie andere Gefäße, Kopfreliquiare, alles aus Silber und Gold und voller Reliquien. Zum zweiten öffneten sie eine große Truhe, in welcher wir ein hervorragendes Kreuz sahen, das mit Gemmen und auserlesenen Perlen verziert war und ein großes Holzstück vom heiligen Kreuz enthielt. Dieses Kreuz war wirklich sehr wertvoll. Es gab eine Bibel in drei Bänden 102 , immer zwei Blätter aus 96 Der Künstler Rodrigo Alemán (†- 1542) führte zwischen den Jahren 1489 und 1496 das Schnitzwerk am Chorgestühl aus, dessen Tafeln u. a. Szenen aus der Geschichte der Eroberung Granadas darstellen, vgl. Heim, Suche; Dies., Sillería; Dies., Rodrigo Alemán; Jaspert, Gastgeber S.- 84 mit Anm. 25-29; Ders., Alemanes S.-285 f. sowie Peinado Santaella, Guerra S.-81 f. Zur Person vgl. weiterhin bereits Kehrer, Deutschland S.-100, 106; Heim, Entallador S.-132-139 und Dies., Rodrigo Alemán S.-69 f. 97 Der Turm wurde ab 1425 von Álvar Martínez erbaut, der Turmhelm um 1450 unter der Leitung des flämischen Architekten Hanequin von Brüssel (†-um 1495) aufgesetzt, vgl. Heim/ Yuste Galán, Torre; sowie Yuste Galán, Torres S.-162-167. 98 Die Sakristei erstreckte sich bis zum Ende des 16. Jh. über einige der nördlichen Seitenkapellen des Chorumgangs (Santa Marina, San Augustín und San Poncio sowie San Andrés). 99 Alonso Ortiz (†- 1530), Kanoniker in Toledo. Er verfasste u. a. die Lobrede zu Ehren der Katholischen Könige, die in der Handschrift Clm 431 anschließend an Münzers Itinerarium überliefert ist, deren Text Münzer aber angeblich in Sevilla erhalten habe, siehe Münzer, Itinerarium (ed. Herbers) S.-430-433. 100 Die heutige malerische Ausgestaltung der Capilla del Sagrario stammt aus dem 17. Jh. 101 Sixtinische Kapelle in Rom, erbaut 1475-1482 unter Papst Sixtus IV. (1471-1484). Die ursprüngliche Bemalung der Altarwand (Himmelfahrt Mariä) und die Wandfresken (Geschichten von Mose und Christus) wurden von den florentinischen Künstlern Perugino, Ghirlandaio, Boticelli, Cosimo Rosselli, Signorelli u. a. ausgeführt und dürften zur Zeit des Aufenthalts Münzers in Rom während seiner Italienreise 1483- 1484 (siehe oben S. 28) gerade fertiggestellt gewesen sein. Die Deckenausmalung und die Erneuerung des Altarbildes ( Jüngstes Gericht) durch Michelangelo erfolgten erst 1508-1512. 102 Sogenannte Bibel des heiligen Ludwig, eine lat. Prachtbibel in drei Bänden, angelegt als Bible moralisée, vgl. die Faksimile-Ausgabe von Gonzálves Ruiz, Biblia. Sie wurde wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 13. Jh. in Pariser Werkstätten hergestellt. Nach Aussage des Testaments Kg. Alfons’ X. von Kastilien (1252- 1284) aus dem Jahr 1282 war sie als Geschenk Kg. Ludwigs IX. von Frankreich (1226-1270) nach Kastilien gelangt. Nach Tammen, Kunsterfahrungen S.-61 waren derartige Prachtbibeln Münzer nicht bekannt. <?page no="159"?> Über den Schatz und die Reichtümer der Kirche - Toledo 159 Jungfernpergament kunstvoll mit Harz zusammengefügt 103 . So hat man an den Rändern der Blätter den Text, darunter den Kommentar zum übertragenen Sinn, und im Zentrum wird die jeweilige Geschichte figürlich dargestellt und mit goldenen und blauen Farben illuminiert. Ich glaube, es gibt in der Welt keine ähnliche Bibel. Wie wunderbar war ihr samtener Einband, verziert mit Edelsteinen, Perlen und anderen Dingen. Weiterhin gab es dort eine große silberne Tafel mit kleinen Zwischenräumen, die voller Reliquien waren, und diese Tafel war sehr groß. In der dritten Truhe wurden fünf reich geschmückte Mitren verwahrt, unter denen sich eine befand, die der Kardinal und Erzbischof 104 für 25tausend Dukaten hatte anfertigen lassen. Sie ist sehr wertvoll und mit Perlen und Gemmen geschmückt. Wie reich verziert zudem die Bänder der Mitren waren! Es gab ebenso zwei große Friedenstäfelchen 105 und andere sehr schöne Tafeln. Man urteilte, dass diese Truhe mehr als hunderttausend Dukaten an Werten enthalte. In der vierten Truhe gab es die Monstranz für das (heilige) Sakrament, die mehr als achthundert Mark wog. Ich habe noch nie eine größere gesehen. Es gab zudem silberne Bischofsstäbe und andere großartige Kreuze mit Bernsteineinlagen auf Gold. Die fünfte Truhe enthielt ein großes Goldkreuz von 150 Mark, Weihrauchfässer und silberne Kandelaber. Über Ornamente Danach zeigten sie mir fünf Truhen, jede mit 7 Fächern, und in jedem von diesen gab es einen kompletten Satz von Ausstattungen, das heißt die Cappa, die Kasel, Dalmatiken, Stolen, Alben und so weiter. Für jedes der Hochfeste wie für Ostern, Pfingsten, Epiphanie, Weihnachten, Dreifaltigkeitssonntag sowie für alle Feste der seligen Jungfrau sind spezielle Gewänder vorgesehen, alle aus Gold und Silber mit Gemmen und Perlen von unschätzbarem Wert. Sie konnten uns viele andere Dinge nicht zeigen, weil an jenem Tag der Kardinal gestorben war und die Kanoniker trauerten. Es wundert mich nicht, dass die Kirche von Toledo als sehr reich gilt. Daher heißt es in einem Sprichwort: „In Spanien ist Toledo reich, Sevilla groß, Santiago stark und Léon schön“ 106 . Außen ist dieser äußerst reiche Schatz mit sehr vielen starken Riegeln gesichert. In einer anderen Sakristei werden die üblichen Gewänder für die einfachen Feste verwahrt, so zum Beispiel für die Feste der Apostel, Bekenner und für Werktage. Über Kanoniker und Pfründner 107 Es gibt 40 Kanoniker, deren Pfründen sich auf dreihundert Dukaten belaufen, weiterhin 50 Pfründner mit einhundert Dukaten sowie vierzig Kapläne zur Seelsorge, die für königliche und die anderen Kapellen zuständig sind. Weiterhin leisten fünfzig Kapläne, und ich glaube, 13 Würdenträger ihren Dienst. Der Erzdiakon erhält viertausend (Dukaten). 103 Unter Jungfernpergament versteht man das aus den Häuten ungeborener Lämmer gewonnene Pergament. 104 Pedro González de Mendoza, siehe oben S. 157. 105 Siehe hierzu oben S. 155 mit Anm. 79. 106 Münzer versuchte offensichtlich, diesen Vers in kastilisch zu umschreiben, was ihm nicht ganz gelungen ist. 107 Zur Zusammensetzung des Domkapitels vgl. Lop Otín, Cabildo S.- 157-197. Die Ausstattung einzelner Pfründner beispielsweise mit einer bestimmten Kapelle geht aus einer Aufstellung aus der Zeit Ebf. Cis- <?page no="160"?> 160 VI. Von Benavente bis Roncesvalles Über das Johanneskloster (San Juan de los Reyes) des Franziskanerordens 108 Der König Ferdinand und seine Königin haben dieses Gebäude aus behauenen Steinquadern hervorragend und phantastisch gebaut, so dass man es nur bewundern kann. Die Kirche ist außer dem Chor 109 vollendet und üppig mit den Wappen des Königs und der Königin sowie mit Symbolen des heiligen Johannes des Täufers, ihrem Patron, und von anderen Heiligen geschmückt. Der Kreuzgang wird auch sehr edel sein. Außerhalb der Kirche, um den gesamten Chor herum, hängen auf dem oberen Teil der Mauern die eisernen Fußfesseln der in Granada befreiten Christen. Ich glaube, dass zwei Karren sie kaum transportieren könnten. Dies alles hängt dort zur Erinnerung an den Befreier des christlichen und gefangenen Volkes 110 . Der Kirchenbaumeister 111 versicherte mir, dass der Bau bis zu seiner Vollendung etwa gut zweihunderttausend Dukaten kosten werde. Die Mönche gehören dem Orden des heiligen Franziskus an, sie leben in strenger Observanz und führen ein beispielhaftes Leben. Dort traf ich den General des gesamten Ordens aus der Bretagne, der 1490 in Nürnberg war, ein hochgelehrter Mann, von Königen sehr geschätzt, der mir viel erzählte 112 . Der König und die Königin widmen sich freilich, nachdem sie Granada erobert hatten und Spanien in den besten Zustand zurückgeführt hatten, hauptsächlich und innigst der Religion; sie restaurieren alte Kirchen, begründen neue, bauen und statten zahlreiche Klöster aus. Sie erbauen auch in der Stadt Ávila ein Kloster, das alle anderen übertrifft. Es heißt zum Heiligen Kreuz 113 , gehört zum Dominikanerorden, und dort befinden sich die Inquisitoren der häretischen Marranen 114 . Es wird, wie man sagt, mehr als hunderttausend Dukaten kosten. Ebenso ist in Valladolid ein weiteres Kloster für den Predigerorden gebaut worden 115 , dem für die neros (1495-1517) hervor, vgl. García Oro, Iglesia S.-73-77; der oben genannte Kanoniker Alonso Ortiz war ausgestattet mit 120.000 Maravedis, ebd. S.-74. 108 Das Franziskanerkloster San Juan de los Reyes war zum Gedenken an die Schlacht von Toro 1476, welche die Union der beiden wichtigsten Königreiche der Iberischen Halbinsel festigte, ursprünglich wohl als Stiftskirche und königliche Grablege geplant, wurde dann aber den Franziskanern übergeben. 109 Zum Stand der Bauarbeiten im Januar 1495, für den Münzers Bericht eine wichtige Quelle ist, vgl. Pérez Higuera, Torno S.-14. 110 Die Ketten, die heute noch teilweise sichtbar sind, sollen von den befreiten Christen von Málaga 1485 gespendet worden sein, vgl. Pérez Higuera, Torno S.-14. 111 Vermutlich der flämische Baumeister Juan Guas, der bis zu seinem Tod im April 1496 die Bauarbeiten leitete. Seit Anfang 1495 war außerdem Simón de Colonia am Projekt beteiligt. Nach dem Tod von Guas wurden die Arbeiten im August 1496 von Enrique und Antón Egas übernommen. 112 Francesco Sansone da Brescia (†- 1499), Franziskanertheologe, Generalminister des Franziskanerordens (ab 1475), vgl. Moorman, History S.- 590. Der Besuch in Nürnberg stand vielleicht im Zusammenhang mit der dort im Juni 1489 tagenden Kapitelversammlung, vgl. hierzu Müllner, Annalen 2 S.-100 f. sowie Chroniken der fränkischen Städte 5 S.-551 und 720 f. 113 Dominikanerkloster Santo Tomás in Ávila, gegründet durch Tomás de Torquemada (†-1498), Beichtvater der Königin Isabella und Großinquisitor von Spanien, erbaut ab 1482 mit maßgeblicher finanzieller Beteiligung der Katholischen Könige. Beim genannten Patrozinium könnte eine Verwechslung mit dem von Pedro González de Mendoza errichteten Colegio Mayor Santa Cruz in Valladolid vorliegen. 114 Der Konventsgründer Tomás de Torquemada spielte in seiner Funktion als erster Großinquisitor von Spanien (seit 1485) die zentrale Rolle bei Aufbau und Institutionalisierung der spanischen Inquisition, die in erster Linie gegen vermeintlich judaisierende Konvertiten vorging. 115 Das Dominikanerkloster San Pablo in Valladolid, gegründet 1276, erfuhr im Auftrag von Alfonso de Burgos (†-1499), Bf. von Palencia, Großkanzler von Kastilien und Beichtvater der Königin Isabella, nennens- <?page no="161"?> Über das Kloster der Heiligsten Dreifaltigkeit - Toledo 161 Studenten des Dominikanerordens ein Kolleg 116 angeschlossen ist. Es ist vorzüglich mit allen notwendigen Dingen ausgestattet. Soviel macht der König zugunsten der Religion, dass du ihn für einen weiteren Karl den Großen halten könntest. Ebenso tut es die Königin. Ich glaube aber, dass Gebäude dieser Art vielfach aus den Gütern der Marranen entstehen, denn diese waren die reichsten Leute in ganz Spanien. Auch die überzeugten Häretiker, die zum Feuertod verurteilt worden waren, steuerten mit ihren Gütern zum königlichen Fiskus bei. Der König reformierte jedoch so viele Klöster 117 , dass man es nicht gut erzählen oder glauben kann. Über das Kloster der Heiligsten Dreifaltigkeit In diesem Kloster 118 befinden sich Mönche der Mercedarier, sie haben ein vollständig weißes Habit mit einem kleinen Wappenschild: Darauf ist ein hellblaues Kreuz abgebildet. Unterhalb des Kreuzes sieht man das Wappen des Königs von Aragón. Sie folgen der Regel des heiligen Augustinus. Die Mercedarier wurden gegründet, um die Befreiung der christlichen Gefangenen bei den Heiden zu betreiben. Mit den eingesammelten Almosen segeln sie nach Afrika, und manchmal bringen sie 30, 40 oder 50 ausgelöste Gefangene zurück 119 . In diesem Kloster gehört ihnen eine Kirche, die vorher eine alte Moschee der Mauren war. Dort übersetzt man das Buch der Ethik (des Aristoteles) mit den Kommentaren des Averroes, wie am Ende des Buches der Ethik des Averroes aufgeschrieben ist 120 . Über das Kloster des heiligen Augustinus Dieses Kloster 121 liegt in einem Winkel der Stadt gegen Westen. Früher war es die Burg des Königs der Sarazenen, wie die Fundamente, die Säle, Keller und alles belegen, außerdem war es sehr stark befestigt. Die Brüder lebten mit wenig Bindungen, und weil sie sich dem Vergnügen hingaben, ließen sie den Ruin des Klosters zu. Der König vertrieb die früheren Mönche und werte Erweiterungen und künstlerische Ausschmückungen, die teils zwischen 1484 und 1490, teils nach 1499 ausgeführt wurden. 116 Das Colegio de San Gregorio, eine Gründung Alfonsos de Burgos zum Zweck des Studiums der Theologie und der Artes, wurde 1487 durch Papst Innocenz VIII. genehmigt und ab 1488 errichtet. 117 Am 27. Juli 1493 erhielten die Katholischen Könige durch eine Bestätigung von Papst Alexander VI. die päpstliche Erlaubnis, die geplanten Reformen durchzuführen. 118 Berücksichtigt man den folgenden Text, so dürfte nicht das Trinitarier-Kloster Santísima Trinidad (gegründet 1220) gemeint sein, sondern der Mercedarier-Konvent Santa Catalina (Monasterio de la Merced), gegründet im 13. Jh., zerstört im span. Unabhängigkeitskrieg. Die Verwechslung mag von der ähnlichen Ausrichtung beider Orden auf die Auslösung von Christen aus muslimischer Gefangenschaft herrühren. 119 Der Orden der Mercedarier wurde von Petrus Nolascus (†- 1245) gegründet, um christliche Gefangene von den Muslimen loszukaufen, vgl. Heimbucher, Orden 2 S.- 212-218; Brodman, Captives S.- 17, 106, 108-111. 120 Die „Nikomachische Ethik“ des Aristoteles inkl. der Kommentare des Averroes (arab. Ibn Rušd, †-1192/ 1198) wurde mehrmals übersetzt. Es bleibt unklar, worauf Münzer genau anspielt. 121 Das Augustinerkloster San Agustín (auch: Monasterio de Nostra Señora de Gracia), wurde wohl um 1260 auf Initiative Alfons’ X. oder mit dessen finanzieller Unterstützung gegründet. Der Konvent wurde 1312 ins Innere der Stadtmauern verlegt und am Ort eines ehemals westgotischen, dann muslimischen königlichen Palastes, neu errichtet. <?page no="162"?> 162 VI. Von Benavente bis Roncesvalles setzte Mönche mit strenger Observanz ein 122 . Unter ihnen befand sich der Pater Prior, ein sehr gelehrter und ehrfürchtiger Mann, der mir viel erzählte und der das Kloster erneuern ließ. Das Kloster bietet von außen einen sehr schönen Anblick. Unterhalb dieses Klosters liegt ein großes Feld, das Heiliger Acker genannt wird, weil dort einstmals 25tausend Christen beiderlei Geschlechts durch die Heiden getötet wurden, als sie die Festlichkeiten des Palmsonntags begingen 123 . Die Juden, die sich in großer Zahl versteckt hielten, ließen die Sarazenen durch eine Befestigung 124 ein. Diese besetzten die Stadt, verfolgten direkt die Christen und eroberten deren Stadt. Jene Festung, durch die sie in die Stadt hineingelangten, ist heute zerstört und verlassen. Es gibt zahlreiche weitere Klöster in Toledo. In einem waren fünfzig Klarissen von strenger Observanz. Der König vertrieb gewisse Mönche des Benediktinerordens und ersetzte sie durch Nonnen des Klarissenordens, die aus den besten adeligen Familien des Reiches Kastilien stammen 125 . Der Ordensgeneral des Franziskanerordens, den ich oben erwähnte 126 , sagte mir, dass es in Toledo unter den Auspizien des Königs schon 6 Klöster unter seiner Verantwortung gebe, zwei Franziskanerklöster und vier Frauenklöster 127 . Über die Umgangsform des Volkes Dieses Volk ist sehr höflich, und man ist erstaunt, dass es so viele Kleriker gibt 128 . 122 Die Katholischen Könige unterstützten eine Kongregation des Ordens, die schon 1438 eingesetzt worden war, um weitreichende Reformen durchzuführen. Vgl. García Oro, Reforma S.-115. 123 Münzer spielt hier auf die muslimische Eroberung Toledos durch die Truppen des Feldherrn Tarik (Ṭāriq b. Ziyād) im Jahr 711 an. Sie soll durch Verrat der toledanischen Juden zustande gekommen sein, die mit Tarik paktiert hätten. Als die Stadtbevölkerung den Palmsonntag feierte und bei der Kirche der heiligen Leocadia außerhalb der Mauern Gottesdienst feierte, soll die zum Gebet versammelte Menge von den muslimischen Truppen niedergemetzelt worden sein, während die Juden ihnen die Tore zur Stadt verschlossen, die Feinde aber einließen, vgl. u. a. die Darstellung von Menéndez Pidal, Crónica S.-315-317 Kap. 561. Mittlerweile geht die Forschung davon aus, dass es sich bei dieser Erzählung zum Verrat der hispanischen Juden um einen Topos in der hochmittelalterlichen Historiografie handelt. 124 Der Alcázar von Toledo geht auf eine römische Befestigungsanlage zurück. Das Gebäude wurde unter islamischer Herrschaft verändert, nach der Eroberung der Stadt unter Alfons VI. restauriert und unter Alfons X. umgebaut. Es blieb bis 1542 weitgehend unverändert. Vgl. auch die Erzählung in der vorigen Anm. 125 Das Klarissenkloster Santa Clara la Real wurde um 1250 durch Ebf. Rodrigo Jimémez de Rada gegründet. Um 1370 erhielt die Gemeinschaft, die nunmehr der Regel der heiligen Clara verpflichtet war, von der reichen Witwe María Meléndez Besitztümer innerhalb der Stadtmauer für eine Neugründung des Klosters. Die Bedeutung rührte vor allem aus dem hohen Stand der Nonnen her, unter ihnen die illegitimen Töchter Kg. Heinrichs II., Inés und Isabel. 126 Siehe S. 160 Anm. 112. 127 Die wichtigsten franziskanischen Klöster zur Zeit der Katholischen Könige waren San Juan de los Reyes (siehe S. 160 f.) sowie dessen Pendant für Nonnen Santa Isabel de los Reyes, vgl. Rucquoi, Réforme. Zu den Frauenkonventen in Toledo vgl. Canabal Rodríguez, Comunidades. 128 Die zweite Hälfte dieses Folio ist unbeschrieben, offensichtlich hat der Autor diesen Abschnitt (noch) nicht vollenden können oder wollen. <?page no="163"?> Über Majorit, in der Volkssprache Madrid 163 Über Majorit, in der Volkssprache Madrid Am 17. Januar verließen wir Toledo sehr früh, ritten 12 Meilen durch fruchtbare Gegenden und eine schöne Ebene, die von Wein und Getreide überquoll, und kamen schließlich schon zu nächtlich vorgerückter Stunde in Madrid an. Dort hielten sich zu dieser Zeit die königlichen Majestäten auf 129 . Außerhalb der Stadt, die auf einer Anhöhe liegt, weilten sie eine halbe Meile entfernt im Kloster Santa Maria del Paso des Hieronymitenordens 130 . In jenen Tagen trauerten sie und feierten die Exequien des verstorbenen Kardinals 131 . Dort sah ich den König und die Königin mit ihrem Sohn, die sehr ehrfürchtig die Messe hörten 132 , ebenso zwei Söhne des jüngeren Königs von Granada, junge schöne und große Männer, die in unserer Religion sehr beschlagen und gute Christen sind. Der Ältere trug den Namen Ferdinand, der Jüngere Johannes 133 . Madrid ist so groß wie Biberach, aber es hat sehr ausgedehnte Vororte. Es gibt viele Brunnen mit fließendem Wasser, Lebensmittel sind günstig und die Stadt besitzt zwei Maurenviertel, in denen viele Sarazenen leben. Über den König und die Königin Als der König Alfons von Neapel verstarb 134 , folgte ihm im Reiche Aragón sein ältester Bruder Johann 135 . Diesen hassten die Barceloneser so sehr, dass sie den König von Kastilien riefen, er möge ihr König werden 136 . König Johann besiegte, nach vielen Auseinandersetzungen und mit Hilfe Ludwigs, des Königs von Frankreich, der die Grafschaft Roussillon erobert hatte 137 , die Barceloneser und wurde schließlich zum König ausgerufen 138 . Er hatte einen Sohn, Ferdinand, der heute regiert und der sich seit seinem 14. Lebensjahr dem Kriegshandwerk widmete, ein sehr würdiger König, wie seine Taten beweisen 139 . 129 Die Katholischen Könige hielten sich zwischen Oktober 1494 und Mai 1495 in Madrid auf. 130 Santa María del Paso, das Hieronymitenkloster wurde 1462 (als San Jerónimo del Paso) durch Kg. Heinrich IV. am Ufer des Manzanares in der Nähe Madrids gegründet. Es wurde 1502 als San Jerónimo el Real (auch genannt Los Jerónimos) von den Katholischen Königen ins Stadtzentrum verlegt. 131 Pedro González de Mendoza (†-11. Januar 1495). Siehe hierzu oben S. 157. 132 Kg. Ferdinand II. von Aragón (1479-1516), Königin Isabella von Kastilien (1474-1504) und Johann, Infant von Kastilien und Prinz von Asturien, (†-1497). 133 Iunior rex war ein Beiname Muḥammads XII. von Granada, genannt Boabdil (1483 und 1486-1492), vgl. Arco Garay, Sepulcros. - Hier sind jedoch seine Brüder Sa‘d und Naṣr gemeint, die wie ihr Vater Abū l-Ḥāsan ‘Alī b. Sa‘d (in den lateinischen Quellen Muley Hacén, 1464-1482) zum Christentum konvertiert waren und daraufhin Fernando und Juan de Granada genannt wurden. 134 Alfons V., der Großmütige (†- 1458), Kg. von Aragón und Sizilien (seit 1416) und als Alfons I. Kg. von Neapel (seit 1442). 135 Johann II., Kg. von Aragón (1458-1479) und Navarra (1425-1479), Bruder und Nachfolger Alfons’ V. . Anders als Münzer angibt, war der 1396 geborene Alfons älter als sein Bruder Johann (*1397/ 1398). 136 Während des katalanischen Bürgerkriegs (1462-1472) riefen die Regierungsorgane nacheinander Heinrich IV. von Kastilien (1454-1474), Peter von Portugal und René von Anjou zum Kg. von Katalonien aus, die sich jedoch letztendlich nicht gegen Johann II. durchsetzen konnten. 137 Siehe oben S. 44. 138 Die für seinen Sieg entscheidende Rückeroberung Barcelonas gelang Johann II. 1472, obgleich Kg. Ludwig XI. von Frankreich (1461-1483) zuletzt den dritten Gegenkönig, René von Anjou, unterstützte. 139 Ferdinand II. „der Katholische“ von Aragón (1479-1516), Sohn Johanns II. von Aragón und Navarra. <?page no="164"?> 164 VI. Von Benavente bis Roncesvalles Über die Königin Isabella Johann, der König Kastiliens, hatte als Kinder den Erstgeborenen Alfons, Heinrich und seine Tochter Isabella 140 . Nach dem Tod des Vaters folgte ihm der erstgeborene Alfons, dem nach vier Jahren Herrschaft, als er starb, sein Bruder Heinrich folgte 141 . Dieser Heinrich heiratete Blanca, die Königin von Navarra, die ihm keine Nachkommen schenkte. Und weil er zeugungsunfähig war, vermutete er einen Fluch Blancas und erreichte mit Zustimmung des Papstes, dass er noch zu Lebzeiten Blancas die Tochter des Königs Alfons von Portugal, Johanna, heiraten durfte. Aber auch in dieser Verbindung behielt er seine Impotenz 142 . Er hatte nämlich ein Glied, das krank und klein an der Wurzel, aber groß an der Spitze war, sodass er nicht erigieren konnte. Die Ärzte konstruierten sogar eine goldene Röhre, die sich die Königin in die Gebärmutter einführte, um zu sehen, ob sie auf diese Art den Samen empfangen könnte. Aber auch dies war unmöglich. Auch versuchten sie, den König zu melken, und es kam aus seinem Glied Sperma heraus, aber es war wässrig und unfruchtbar. Als die Adligen des Reiches dies gewahrten, scharten sie sich um seine Schwester Isabella für den Fall, dass sie ihren Bruder überleben sollte. Schließlich gebar die Königin (eine Tochter) Johanna, aber die Adligen akzeptieren diese nicht als Tochter des Königs, denn sie glaubten an einen Ehebruch der Königin 143 . Der Erzbischof Johannes von Carillo 144 favorisierte die Partei Isabellas und verheiratete heimlich Isabella mit Ferdinand 145 , der verborgen mit drei Maultieren zur erzbischöflichen Stadt Alcalá kam. Er legte sie dort nach Trauzeremonie und nach dem Hören der Brautmesse auf das Bettlager, wo die fleischliche Vereinigung stattfand, so dass keine Möglichkeit mehr zu einer Scheidung bestand 146 . Und weil der Vater Ferdinands durch fortwährende Kriegszüge beschäftigt war, konnte er seinem Sohn Ferdinand nicht das Nötige geben, und Isabella erhielt 140 Die missverständliche Darstellung der Thronfolge (siehe auch die folgende Anmerkung) kann auf der „Posse von Ávila“ beruhen, in deren Zuge 1465 König Heinrich IV. (1454- 1474) in Abwesenheit abgesetzt und sein Bruder Alfons (XII.) (†-1468) zum König von Kastilien gekrönt wurde, vgl. Herbers, Geschichte S.-262. 141 Münzer verwechselt einige Notizen genealogischer Art. 142 Die Verwandtschaftsverhältnisse werden etwas missverständlich wiedergegeben: König Johann II. von Kastilien (1406/ 1419-1454) hatte aus erster Ehe mit Maria von Aragón (†- 1445) vier Kinder, von denen jedoch nur Heinrich IV. (1454-1474) überlebte. Seiner zweiten Ehe mit Isabella von Portugal entstammten Alfons (XII.) von Kastilien (1465-1468) und Isabella, „die Katholische“ (1474-1504). Nach der Erbfolge war zunächst Heinrich berechtigt, der 1454 die Herrschaft in Kastilien als Heinrich IV., genannt „el Impotente“, antrat. Wohl aus Gründen machtpolitischer Opportunität ließ der zukünftige König Kastiliens (Heinrich IV.) seine erste Ehe mit seiner Cousine Blanca von Navarra (†-1464) 1453 annullieren und heiratete Johanna von Portugal (†-1475). Die Kinderlosigkeit seiner ersten Ehe und Gerüchte um den Lebenswandel seiner zweiten Frau, die im Jahr 1462 ihre Tochter Johanna, „la Beltraneja“ (†-1530) (nach dem mutmaßlichen Vater Beltrán de la Cueva, †-1492) gebar, dienten seinen Gegnern als Vorwand, um seine politische Entmachtung zu erzwingen. Auf die Ernennung seines Stiefbruders Alfons (XII.) zum König folgte ein Bürgerkrieg. Nach dem frühen Tod Alfons’ und dem Tod Heinrichs IV. 1474 bestieg Isabella den Thron, die 1469 heimlich und gegen den Willen Heinrichs Ferdinand von Aragón (†-1516) geheiratet hatte, vgl. Herbers, Geschichte S.-279-281. 143 Zur Polemik gegen Heinrich IV. vgl. Hoegen, Entwicklung bes. S.-420-459. Zu dieser Stelle bei Münzer Herbers, Humanismus, hier S.-212 f. 144 Es handelt sich hier nicht um Johann, sondern Alfons de Carrillo, Ebf. von Toledo (1446-1482). 145 Da Heinrich IV. offenbar andere Heiratspläne für seine Schwester Isabella verfolgte, ließ sich diese ohne seine Einwilligung heimlich mit Ferdinand vermählen. 146 Die Ehe wurde in Valladolid, nicht in Alcalá geschlossen. <?page no="165"?> Über die Königin Isabella 165 ebensowenig von ihrem Bruder. Deshalb verlieh ihnen der Erzbischof wie ein Vater Alcalá und hielt sie unter den Seinen wie ein Vater seine Kinder. Zwischenzeitlich starb Heinrich (IV.) 147 , und es entstand ein großer Streit. Einige schlugen sich auf die Seite Isabellas, andere auf die Seite Johannas. Der König Alfons 148 wurde gerufen, um die Tochter der Schwester zu schützen, er marschierte mit einem großen Heer in Kastilien ein und unterwarf Zamora, Salamanca, Burgos und fast die Hälfte Kastiliens. Ferdinand stellte sich ihm mit dem Erzbischof und den Seinigen entgegen, besiegte ihn in der Nähe von Toro und nahm ihm Zamora ab. Nach drei Schlachten, die er glücklich gewann, schlug er die Portugiesen in die Flucht, die das Gebiet Kastiliens verließen. Als König gefestigt, befriedete er die Reiche und richtete alles zum Besten. Es gäbe viel darüber zu schreiben, aber ich lasse dies aus Gründen der Kürze weg. Wir blieben acht Tage in Madrid. Am 24. Januar wurden wir zum königlichen Hof gerufen, wo wir bei einer öffentlichen Audienz den König eintreten sahen, rechts von der Königin, die in der Mitte mit dem Sohn zur linken Seite ging. Sie trugen schwarze Trauerkleidung und strahlten große Erhabenheit und Würde aus. Nachdem König und Königin zum königlichen Thron emporgestiegen waren, setzten sie sich und riefen uns. Ich küsste zunächst ihre Hände, und dann kniete ich auf einem golddurchwirkten Kissen und sprach extemporiert eine kurze Rede 149 , deren Tenor etwa folgender war: Heiligste und mächtigste Könige! Die Größe der Taten, die Eure Majestäten vollbracht haben, ist auf dem ganzen Erdkreis bekannt, und die Fürsten und Adligen Deutschlands sind voller Bewunderung, dass die Reiche Spaniens, die in der vergangenen Zeit wegen der zahlreichen inneren Kriege, des heimlichen Hasses und der privaten Interessen fast vollkommen erschüttert und am Boden zerstört schienen, dass diese Reiche nun ein Stern in so kurzer Zeit von der höchsten Zerstrittenheit zu einem so großen Frieden, zu einer so großen Ruhe und zu einem so großen gedeihlichen Zustand hat führen können. Viele glaubten dies nicht. Deshalb und mit der Gunst unseres ehrwürdigsten Königs Maximilian 150 und mit den weiteren Adligen Deutschlands, die auf meine Schultern diese Mission gelegt haben 151 , kam ich mit meiner Begleitung aus den äußersten Ecken Deutschlands, kam nach Spanien, um mit meinen eigenen Augen das sehen zu können, was wir vom Hörensagen schon wussten. Nachdem wir Deutschland, Lyon und Narbonne durchquert hatten, kamen wir in die Grafschaft Roussillon, deren Hauptstadt Perpignan ist. Diese Grafschaft, die an den König Ludwig (XI.) verpfändet worden war, gab dessen Sohn Karl (VIII.) freiwillig an Euch zurück und wollte, dass sie wieder Eurem Szepter unterstehe. Nachdem wir die hohen Berge der Pyrenäen überquert hatten, kamen wir in die Grafschaft Katalonien zu der ehrwürdigen und sehr berühmten Stadt Barcelona, die, hätten wir sie in früherer Zeit gesehen, durch ihre Reichtümer erstrahlte und bei der Rebellion gegen ihre Könige fast in den Ruin geführt wurde; jetzt sahen wir sie aber unter Euren Auspizien wieder instandgesetzt und in einem besseren Zustand. 147 Heinrich starb am 11. Dezember 1474. 148 Alfons V., „el Africano“, Kg. von Portugal (1438-1481). 149 Vgl. zu Rede und Rhetorik allgemein den Überblick bei Helmrath, Humanismus bes. S.-161-163, Helmrath/ Feuchter, Einführung. Parlamentarische Kulturen S.-12-18. Siehe auch die Addiciones in Münzer, Itinerarium (ed. Herbers) S.-431-433. 150 Maximilian I., römisch-deutscher Kg. (1493-1519) und seit 1508 Ks. des Heiligen Römischen Reiches. Zum vorangehenden Lob der Katholischen Könige vgl. Herbers, Humanismus, hier S.-213. 151 Münzer scheint hier auf einen leider nicht näher beschriebenen Auftrag Ks. Maximilians anzuspielen. Vgl. Alba, Viaje S. XIIf.; Herbers, Hispania S.-294. <?page no="166"?> 166 VI. Von Benavente bis Roncesvalles Nachdem wir Barcelona verlassen hatten, kamen wir nach Montserrat, dem Kloster, das besonders wegen seiner Wunder und Einsiedeleien bekannt ist, wir erreichten Poblet, berühmt für die königlichen Grabmäler, für die Berge und Felsen, wir gelangten zu der ehrwürdigen Stadt Valencia, wo wir über alles informiert wurden und die Schritte in Richtung Granada lenkten, durch sehr hohe und fast unpassierbare Berge, die sich wie eine starke Mauer erhoben; von dort aus betraten wir das Innere der Provinz. Wir wurden zuerst in Almería empfangen, einer Stadt, die für ihren Hafen bekannt ist, passierten dann schließlich die Stadt Guadix und kamen anschließend zur äußerst berühmten Stadt Granada. Wir wurden über die wichtigsten Dinge durch den Grafen von Tendilla 152 und durch den ehrwürdigen Herrn Erzbischof 153 informiert; über Alhama und Málaga kamen wir zu dem hohen Berg von Portalon und betraten Sevilla, wo uns ein neues Wunder erwartete. Wir sahen einige neue Menschen, zu unseren Zeiten bisher unbekannt, die man von den Inseln Indiens herbeigebracht hatte 154 , den Ländern, die unter Euren Auspizien entdeckt wurden. Oh welch unglaubliches und bisher unbekanntes Ereignis! Wir verließen Sevilla durch die Baetica und kamen zum Hof des Königs von Portugal, wo wir von seiner königlichen Majestät über die Dinge in Äthiopien und die südlichen Länder informiert wurden. Wir setzten den Weg fort über Santiago und Salamanca und gelangten nach Toledo. Und nur getrieben durch den Wunsch, die Urheber solch großer Taten kennenzulernen, sind wir nach Madrid gekommen, um Eure königlichen Majestäten zu sehen. Wir sind gekommen, ich wiederhole es, indem wir Berge überquerten, und nun sehen wir die Urheber von so großen Taten. Wir kommen, ich sage es, zu den Königen, durch welche die Rechte des Herrn Völker aufrichtete, Reiche unterwarf und neue Menschen entdecken ließ. Der Kerker der Christen ist entzwei! Nun kannst Du, Sämann, in Ruhe säen! Nun ist, oh Reisender, die Furcht, die Du zuvor hattest, verflogen, weil alles in bestem Frieden ist! Ich sehe, dass Euren Majestäten nichts fehlt, außer Euren Triumphen noch die Rückeroberung des Herrengrabes in Jerusalem hinzuzufügen 155 . Ludwig 156 und Richard 157 , der eine König von Frankreich und der andere König von England, versuchten vor vielen Jahren dieses zu unternehmen, indem sie mit einer großen Flotte nach Alexandria segelten, aber der Kalabrier Joachim, ein frommer Mann, predigte, dass die Stunde noch nicht gekommen sei 158 . Diese Könige mussten deshalb mit großem Verlust und mit einer großen Flotte der Ihrigen in ihr Vaterland zurückkehren, ohne den Ruhm zu erlangen. Euch ist dieser Sieg vorbehalten. Euer Triumph wird mit jenen Trophäen ausgezeichnet werden. Ihr könnt es sehr gut ausführen, denn niemandem mehr als Euch ist diese Gelegenheit und Möglichkeit vorbehalten. Die Küsten Afrikas zittern vor Euren Waffen und sind bereit, sich Eurem Szepter zu unterwerfen. Es wird also keinen Feind im Rücken geben. Spanien blüht in der Ruhe, innere Unruhen sind nicht zu fürchten. Sizilien, Sardinen und Mallorca, sehr reiche Inseln, werden Euch bestens versorgen. Rhodos wird Euch sehr gute Soldaten liefern 159 . Die Deutschen und Ungarn 152 Iñigo López de Mendoza, Gf. von Tendilla (†-1515), siehe oben S. 78. 153 Hernando de Talavera, Ebf. von Granada (1493-1507), siehe oben S. 95 f. 154 Gemeint sind hier wohl die Kanarischen und andere Inseln. 155 Die Rückeroberung des Heiligen Grabes für das Christentum war eine immer wiederkehrende Forderung seit dessen (endgültigem) Verlust im Jahr 1244. 156 Ludwig IX. „der Heilige“, Kg. von Frankreich (1226-1270). 157 Richard I. „Löwenherz“, Kg. von England (1189-1199). 158 Gemeint ist Joachim von Fiore (†-1202), der aus Kalabrien stammte. Münzer bezieht sich hier auf mehrere Ereignisse: Kg. Richard I. „Löwenherz“ von England (1189-1199) reiste bereits 1189 während des Dritten Kreuzzugs ins Heilige Land. Kg. Ludwig „der Heilige“ von Frankreich brach hingegen erst im Jahr 1248 zum Sechsten Kreuzzug auf und nahm 1267 nochmals das Kreuz. Vgl. Jaspert, Polymythos (mit weiterer Literatur). 159 Rhodos wurde 1309 von den Johannitern erobert und blieb bis 1522 unter der Herrschaft des Ritterordens. <?page no="167"?> werden die Türken an ihren Grenzen angreifen 160 , damit diese Saladin 161 nicht helfen. Es wird Euch ein Leichtes sein, dieses Grab des Herrn, unseres Erlösers, dem Schlund der Feinde Gottes zu entreißen und Euch mit Ruhm zu bedecken. Was kann es mehr geben? Wir haben Eure heiligsten Majestäten gesehen, wir haben Euren ehrwürdigsten und einzigen Sohn Johann 162 gesehen, der noch jugendlich, aber an Rat, Autorität und Wissen für sein Alter beschlagen ist. Aufgrund der Charakterzüge seines Aussehens halte ich ihn für einen würdigen Nachfolger. Oh Herr, lass Deine deutschen Diener in Frieden gehen 163 , denn wir haben das Heil ganz Spaniens gesehen! Wir haben die Leuchten gesehen, welche die unbekannten indischen Völker entdeckt haben, die Ihr zur Einheit unseres Glaubens führen werdet. Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden den Menschen guten Willens 164 . Ich habe gesprochen. Es bleibt mir als letztes, von Euren Majestäten ein Geleitschreiben zu erbitten, um ohne Widrigkeiten die Grenzen Eurer Reiche zu überqueren und durch Frankreich und andere Länder nach Deutschland zurückzukehren. Dort werden wir verkünden, dass alles, was wir zuvor nur vom Hören wussten, noch viel größer ist. Antwort Nachdem diese kurze Rede vorgetragen worden war, ließen die Könige, die das Lateinische perfekt verstanden, aber es ihrer Erhabenheit wegen nur sehr selten sprachen, nachdem sie heimlich mit einem Prior des Ordens vom Heiligen Geist 165 geredet hatten, einem gewissen sehr gelehrten Mann, folgendermaßen antworten: Heiligste Majestäten … 166 Über das Aussehen von König und Königin Der König ist ein Mann mittlerer Statur, von Ansehen scheint er heiter und freundlich 167 , gepaart mit einer gewissen Erhabenheit. Nur in die großen Dinge legt er sein Herz. Ich glaube, er zählt 44 oder 45 Jahre 168 . Er ist von hervorragender Konstitution. Nachdem er seine Reiche befriedet und alles auf einen guten Weg gebracht hatte, widmete er sich hauptsächlich der 160 Zu der in Europa seit Mitte des 15. Jh. kursierenden Angst vor einer „Türkengefahr“ vgl. Erkens, Europa; Höfert, Feind S.-57-61. 161 Saladin (arab. Ṣalāḥ al-Dīn), Sultan von Ägypten (1171-1193), Begründer der Dynastie der Ayyubiden; er eroberte 1187 Jerusalem von den Christen zurück. 162 Johann, Infant von Kastilien und Prinz von Asturien, (†-1497). 163 Vgl. Luc. 2,29-32, hierzu Herbers, Hispania S.-303 mit Anm. 33. 164 Luc. 2,4. 165 Zum Orden des Heiligen Geistes siehe oben S. 96. 166 Die Anrede steht noch im Manuskript, jedoch die Rede des Priors fehlt leider in der Handschrift. Offensichtlich hatte der Schreiber die Absicht, sie nachzutragen, denn zwei Drittel der Seite des Folios sind frei geblieben. 167 Ferdinand wird mit denselben Attributen wie schon Gregor der Große Jahrhunderte früher im Liber pontificalis beschrieben, vgl. zu derartigen idealisierenden Personenbeschreibungen Herbers, Personenbeschreibungen. 168 Ferdinand wurde im März 1452 geboren, war also knapp 43 Jahre alt. Über die Königin Isabella 167 <?page no="168"?> 168 VI. Von Benavente bis Roncesvalles Religion, restaurierte die zerstörten Kirchen und gründete neue. Er widmete sich auch der Jagd als körperlicher Übung, um länger gesund zu bleiben. Die Königin ist 48 Jahre alt 169 , älter als der König, von großer Statur und ein wenig korpulent, hat aber ein sehr anmutiges Antlitz. Man schätzt sie kaum auf 36 Jahre. Sie besitzt eine äußerst große Kenntnis in den Künsten des Friedens und des Krieges, sie versteht von so vielen Dingen etwas, dass sie anscheinend alle Tugenden in größerem Maß besitzt, als man normalerweise dem weiblichen Geschlecht zubilligt 170 . Sie ist äußerst religiös, und ihre Aufwendungen für die Ausstattung von Kirchen sind so hoch, dass sie unglaublich erscheinen. Sie bringt den Mönchen der Observanz eine bewundernswerte Ehrfurcht entgegen und gründet Klöster 171 . Während der Eroberung von Granada war sie im Heer immer an der Seite des Königs, viele Dinge wurden nach ihren Ratschlägen ausgeführt. In den Gerichtsverhandlungen sitzt sie mit dem König im Gerichtssaal, hört die Angelegenheiten und die Plädoyers an und löst die Streitigkeiten durch eine Einigung oder eine endgültige Sentenz 172 . Ich glaube, dass der Allmächtige diese kluge Frau vom Himmel dem schmachtenden Spanien geschickt hat, damit sie mit ihrem König alles wieder zu einem guten Zustand zurückführe. Was noch? Sie ist sehr religiös, sehr fromm und sehr sanft. Ich bin wahrhaftig nicht in der Lage, alle ihre Tugenden zu beschreiben. Sie hat 4 Töchter. Die erste, Isabella, ist mit Alfons, dem Sohn des Königs von Portugal 173 , verheiratet, der im siebten Monat nach den Hochzeitsfeierlichkeiten durch einen Sturz vom Pferd starb, nun ist sie eine fromme Witwe und beschäftigt sich nur mit der Herstellung von Schmuck und Gewändern für die Kirchen. Die zweite Tochter mit Namen Johanna ist sehr gelehrt für ihr Alter und für ihr Geschlecht. Sie ist 14 Jahre alt 174 und widmet sich ausschließlich der Literatur. Ihr Meister, ein gewisser Mönch des Predigerordens, schon fortgeschrittenen Alters und ehrenwert, lobte sie über die Maßen und wollte, dass ich sie reden höre, aber es war mir nicht möglich, länger zu bleiben. Die dritte Tochter, die den Namen Leonore 175 trägt, ist neun Jahre alt und die letzte, Katharina 176 , sieben. Mit der Hilfe von guten Meistern werden sie vor allen Dingen von der Mutter erzogen, und es ist zu hoffen, dass sie in höchstem Maße in allen Tugenden hervorstechen. Der ehrwürdigste Johann ist der einzige Sohn. Er ist 17 Jahre alt 177 , für sein Alter spricht er gut Latein und ist ein guter Redner, was Bewunderung hervorruft. Ich hielt ihm zu Ehren eine kurze Rede in Latein, die er mit höchster Aufmerksamkeit und Gefallen verfolgte. Auch 169 Isabella wurde im April 1451 geboren, war also zu Münzers Zeit 44 Jahre alt. 170 Zu Königinnen im mittelalterlichen Europa und Isabella von Kastilien im Besonderen vgl. mit weiterführender Literatur Fernández de Córdova Miralles, Corte S.-40-89. 171 Zur Spiritualität Isabellas vgl. Yarza Luaces, Isabel la Católica. 172 Unter den Katholischen Königen wurden regelmäßig abgehaltene öffentliche Gerichtstage zu einem wichtigen Bestandteil höfischen Zeremoniells. Der Bericht Münzers ist eines der wenigen beschreibenden Quellenzeugnisse hierzu. 173 Alfons, Infant von Portugal (†-1491). 174 Johanna „die Wahnsinnige“, spätere Königin von Kastilien und Aragón (†-1555), geboren am 6. November 1479, war zum Zeitpunkt des Zusammentreffens 16 Jahre alt. Vgl. Fernández Álvarez, Johanna die Wahnsinnige. Zur ungleichmäßigen Vorstellung der Kinder vgl. Herbers, Humanismus hier S.-214 f. mit Anm. 23. 175 Eine Tochter der Katholischen Könige namens Eleonore ist nicht bekannt. Wahrscheinlich ist die drittälteste Tochter Maria (†-1517) gemeint, die 1500 nach ihrer im Kindbett verstorbenen Schwester Elisabeth (Isabella) (†-1498) zweite Gemahlin Kg. Manuels I. von Portugal wurde. 176 Katharina von Aragón, spätere Königin von England (†-1536). Geboren am 15. Dezember 1485, war sie bei Münzers Aufenthalt neun Jahre alt. 177 Johann (†-1497) war bei Münzers Aufenthalt 16 Jahre alt. <?page no="169"?> Über das Aussehen von König und Königin 169 merkte ich, dass er mir extemporiert antworten wollte, aber weil er verwundet war und die Unterlippe und die Zunge noch nicht ausgeheilt waren, gab er mir seine Antwort durch seinen Präzeptor, zeigte sich sehr zugewandt und für alles sehr aufnahmebereit 178 . Die Königin stiftet auch reichlich Almosen. Jährlich schickt sie den Mönchen des heiligen Franziskus in Jerusalem 179 tausend Dukaten und schönsten Schmuck und Gewänder. Als wir Madrid verließen, waren zwei Brüder bei uns, einer vom Orden des heiligen Franziskus in Jerusalem, spanischer Herkunft, und der andere vom Orden des heiligen Basilius 180 vom Berg Sinai, der einen Bart trug. Diese hatte der Sultan 181 mit einem Schiff voller Balsam und anderer Geschenke für die Könige geschickt. Diesen Mönch mit Bart sah mein Begleiter Antonius Herwart die Messe zelebrieren in einer Sprache, ich glaube, der griechischen. Die Königin sorgt sich auch darum, gute Gesetze zu erlassen. Mit der Vertreibung der Juden und der Marranen floss viel Gold aus Spanien ab. Das spanische Volk zeigt gern Kleider mit Brokat, Kleider aus Seide und anderem wertvollen Gewebe. Dazu hat sie Gesetze erlassen, denn es soll nicht so viel Zügellosigkeit herrschen, damit die Reichtümer aus Spanien nicht aus diesen Gründen abgezogen werden 182 . Wenn der König abwesend war, schlief die Königin immer in einem verschlossenen Gemach mit Heranwachsenden und ihren Jungfrauen. Nun aber schläft sie mit ihren Töchtern und einigen ehrbaren Frauen zusammen, damit das Gerücht eines Ehebruchs sie nicht befleckt, denn das Volk Kastiliens ist sehr misstrauisch und interpretiert schnell im schlechten Sinne. Der General des Franziskanerordens in Toledo 183 erzählte mir, die Königin habe ihm persönlich gesagt, dass von allen Dingen, die Gott ihr geschenkt habe, die höchste Freude sei, dass er ihr einen so vorzüglichen Mann gegeben habe. Dieser Mönch empfahl sehr die Tugenden der Königin, die wahrhaftig des Lobes und des Lobpreises würdig sind. Zweimal pro Woche, freitags und dienstags, gewähren die Könige eine öffentliche Audienz für alle, Reiche und Arme. Sie sorgen sich sehr um die Nöte und wollen allen Gerechtigkeit widerfahren lassen. Der König trifft große Vorbereitungen mit Schiffen, Pferden und anderen Dingen für die Expedition nach Afrika 184 , dies fürchten vor allem die Könige von Fez 185 , von 178 Die Infanten wurden von dem Dominikanermönch Diego de Deza (†-1523) erzogen, der an der Universität Salamanca Theologie unterrichtete. Zunächst in verschiedenen Diözesen Bischof, wurde er 1504 Erzbischof von Sevilla und kurz vor seinem Tod 1523 von Toledo. An der Universität von Salamanca unterstützte er Christoph Kolumbus bei seinen Plänen, den Seeweg nach Indien über die westliche Route zu finden; von 1498 bis 1507 war er Großinquisitor von Spanien. 179 Der Franziskanerorden besaß eine Niederlassung auf dem Berg Sion in Jerusalem. 180 Basilianer ist eine Sammelbezeichnung für das griechische Mönchtum insbesondere im mittelalterlichen Süditalien und Sizilien. 181 Vermutlich handelt es sich um den mamlukischen Sultan Qā’it Bāy (1468-1496). Die Katholischen Könige bemühten sich in den Jahren nach der Eroberung Granadas um diplomatische Kontakte zu Ägypten. Möglicherweise gehört die Gesandtschaft des Sultans in diesen Kontext, vgl. Herbers, Geschichte S.-310. 182 Wiederholt erließen die Katholischen Könige Verbote bezüglich der Einfuhr von Luxusstoffen sowie der Ausfuhr - gültig vor allem ab 1492 für ausreisende Juden - von Gold- und Silberwerten, vgl. Pfandl, Itinerarium S.-131 Anm. 1. 183 Francesco Sansone da Brescia, siehe oben S. 160 Anm. 12. 184 Nach der Eroberung Granadas machte insbesondere Kg. Ferdinand Pläne für militärische Unternehmungen in Nordafrika. Von kleineren Eroberungen (Melilla und Oran) abgesehen, zeitigte die Initiative jedoch kaum längerfristige Erfolge. Vgl. Herbers, Geschichte S.-310. 185 Fes wurde zu diesem Zeitpunkt von Muḥammad aš-Šaiḫ (†-1505), dem ersten Sultan aus der Dynastie der Wattasiden regiert. <?page no="170"?> 170 VI. Von Benavente bis Roncesvalles Tunis 186 und von Tlemcen 187 . In Afrika gebietet auch ein gewisser mächtiger Anführer 188 über dreitausend Reiter und 20 tausend Fußsoldaten; dieser lädt unseren König nach Afrika ein und erwartet ihn mit seinem Heer in den atlantischen Bergen. Es gibt keinen Zweifel, dass sich der König in kürzester Zeit ganz Afrikas bemächtigt, das nicht stark bewaffnet ist. Und die Waffen werden mit einer so langen Friedensperiode einrosten. Wenn er (Ferdinand) erst einmal ganz Afrika seiner Gewalt unterworfen haben wird, wird er leicht Jerusalem zurückerobern, wie ich schon in meiner erwähnten Rede gesagt habe 189 . Und wenn ihn nicht Kriege mit Befehlshabern und Frankreich gehindert hätten, dann wäre er schon mit seinen bereitstehenden Kommandanten nach Afrika aufgebrochen 190 . Über adlige Studenten Die spanische Sprache ist dem Lateinischen näher als das Italienische; mithin versteht ein Spanier leicht das Lateinische, auch deshalb hat man bisher nicht zu viel Wert auf eine perfekte Beherrschung des Latein gelegt. Inzwischen verbreitet sich auch die Eloquenz besonders unter den Vornehmen und Adligen Spaniens. Durch deren Beispiel angeregt wenden sich auch die Kleriker und andere Bürger verstärkt den Freien Künsten und den Wissenschaften zu 191 . Es gab in Madrid einen gewissen gelehrten und gekrönten Poeten, Petrus Martir aus Mailand 192 , der zur Ehre der Könige ein Heldenlied verfasste 193 . Er erzog , wie ich sage, mehrere adelige Heranwachsende, und er lud mich zu seiner Lektion ein 194 . Dort sah ich den Herzog von Villahermosa 195 , den Herzog von Cardona 196 , den Sohn des Grafen von Cifuentes 197 , Johannes 186 Tunis wurde zu diesem Zeitpunkt von Abū ‘Abdullāh Muḥammad IV. (1494-1526) aus der Dynastie der Hafsiden regiert. 187 Tlemcen wurde zu diesem Zeitpunkt von Abū ‘Abd Allāh Muḥammad IV. (1468-1504) aus der Dynastie der Abdalwadiden regiert. 188 Möglicherweise ist der Heerführer Gonzalo Fernández de Córdoba (†-1515) gemeint, der den Beinamen „El Gran Capitán“ trug. 189 Siehe oben S. 166 f. 190 In der Auseinandersetzung mit Kg. Karl VIII. von Frankreich (1483-1498) um Neapel sandten die Katholischen Könige 1495 Truppen unter dem Oberbefehl von Gonzalo Fernández de Córdoba nach Italien. 191 Zum Humanismus in Spanien vgl. Pérez, Humanisme S.-345-353; zum Austausch Biersack, Kulturtransfer bes. S.-129 f., 133-145. 192 Pietro Martire Anghiera (†-1526), italienischer Geschichtschreiber, seit 1487 am Hof der Katholischen Könige, Hauslehrer der königlichen Pagen, apostolischer Erznotar (protonotario apostólico) und Berater für die amerikanischen Gebiete (Las Indias); vgl. Biersack, Kulturtransfer S.-146-153. Einer guten Ausbildung der Infanten und der Nachkommen des Hochadels wurde am Königshof große Bedeutung beigemessen. Vgl. mit Verweis auf Münzer Pérez Samper, Isabel la Católica S.-507-511 und Herbers, Humanismus S.-211 und 214 f. 193 Münzer bezieht sich hier eventuell auf das Gedicht Pluto furens, welches kurz nach dem Anschlag auf Ferdinand II. (†-1516) von Pietro Martire d’Anghiera (†-1526) für Papst Alexander VI. (1492-1503) verfasst und 1497 einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde (freundlicher Hinweis von Prof. Dr. Teresa Jiménez Calvente, Alcalá de Henares). 194 Wie schon am portugiesischen Hof berichtet Münzer auch in Kastilien von der Gelehrsamkeit der zeitgenössischen Humanisten, vgl. Herbers, Jérôme Münzer S.-161 f. 195 Alfons von Aragón (†-1513), Hzg. von Villahermosa. 196 Juan Ramon Folch (†-1513), Herzog von Cardona. 197 Juan de Silva y Castañeda, III. Graf von Cifuentes (1469-1512), siehe auch S. 106 Anm. 206, hatte zwei Söhne. Über den Erstgeborenen Alonso sind keine weiteren Informationen erhalten, Fernando de Silva y Álvarez de Toledo folgte seinem Vater als IV. Graf von Cifuentes (†-1546). <?page no="171"?> Über den Abschied von Madrid in Richtung Zaragoza 171 (Alfons) von Carrillo 198 , den Sohn der Tochter des Grafen von Tendilla 199 , ich sah Pedro, den Grafen von Mendoza 200 und andere sehr liebenswürdige junge Leute, die mir Verschiedenes von Juvenal, Horaz und anderen rezitierten. Es sind etwa vierhundert, die an den königlichen Hof wollen, und sie haben mehrere Präzeptoren. So breitet sich das Studium der humanitas in ganz Spanien aus 201 . Die Jugendlichen sind sehr aufgeweckt. Sie verbringen ihre Zeit mit Studium und mit anderen Dingen für den königlichen Dienst, auch mit der Jagd, um nicht eine Stunde durch Müßiggang zu verlieren. Über den Abschied von Madrid in Richtung Zaragoza - ein Weg von etwa 51 großen Meilen Am 25. Januar, beim Verlassen Madrids, sahen wir vor der Stadt zwei Männer an den Füßen hängen, deren Hoden an den Hals festgebunden waren, denn sie waren der Sodomie überführt worden 202 . Wir ritten 6 Meilen durch eine schöne Ebene und kamen zur Stadt Alcalá, welche zur Toledaner Kirche gehört. Diese Stadt wurde dem König und der Königin vom Erzbischof Johannes von Carillo 203 zum Unterhalt gewährt, als sie noch arm waren. Sie besitzt sehr fruchtbares und ebenes Land voller Waid, einer Färberpflanze 204 . Über die Stadt Guadalajara Die Stadt Guadalajara ist so groß wie Ulm und liegt auf einem kleinen Berg, unterhalb fließt der Tajo 205 . Diese Stadt gehört, wie ich sage, Don Domingo aus dem Hause der Mendoza. Er ist Herzog „del Infantado“ 206 ; er hat Maria 207 , die Tochter von Don Álvaro de Luna, des Marquis von Santillana 208 zur Frau. Die Familie der Herren von Luna 209 ist groß und ebenso diejenige der Herren von Mendoza. 198 Zur falschen Bezeichnung des Alfons von Carrillo (†-1482) siehe oben S. 164. Möglicherweise meint Münzer hier den Neffen des Grafen Iñigo López de Mendoza y Quiñones, II. Graf von Tendilla, I. Marqués von Mondéjar (†-1515) (freundlicher Hinweis von Prof. Dr. Teresa Jiménez Calvente, Alcalá de Henares). 199 Graf Iñigo López von Tendilla (†-1515). 200 Pedro González de Mendoza (†-1495). 201 Münzer spricht meist von artes oder humanitas. 202 Siehe oben S. 75. 203 Richtig Alfons von Carrillo, Ebf. von Toledo (1446-1482), siehe oben S. 164. 204 Siehe ausführlich unten S. 179. 205 Hier schreibt Münzer irrig Tajo anstelle des Flusses Henares. 206 Der Herzog von Infantado war Iñigo López de Mendoza y Luna (1438-1500). Isabella I. hatte 1475 dem zweiten Marqués von Santillana, Diego Hurtado de Mendoza (†- 1478), den Herzogstitel von Infantado verliehen. Der hier gemeinte Iñigo López war der zweite Hzg. von Infantado. 207 María de Luna; die Hochzeit mit Iñigo López de Mendoza hatte 1460 stattgefunden. 208 Álvaro de Luna (†-1453), doncel (Schildträger) Kg. Johanns II. von Kastilien, zunächst als Condestable von Kastilien und Großmeister des Ordens von Santiago war er einer der mächtigsten Adligen Kastiliens. Er verlor später an politischem Einfluss und wurde vom König zum Tode verurteilt. 209 Luna, eines der wichtigsten aragonesischen Adelsgeschlechter besteht aus drei Hauptzweigen und ist seit dem 11. Jh. belegt. Der bekannte Papst Benedikt XIII. (1394-1417, †-1423) stammte aus dem Haus der Luna. <?page no="172"?> 172 VI. Von Benavente bis Roncesvalles Über die Burg in Guadalajara Ich glaube, dass es in ganz Spanien keinen vergleichbaren Burgpalast gibt, hauptsächlich wegen seiner Größe und ausgesprochen reichen Ausstattung mit Gold 210 . Die Festung ist quadratisch angelegt und hat zwei übereinanderliegende Umgänge aus Steinquadern, geschmückt mit verschiedenen Darstellungen, wie Löwen und Greifen. In der Mitte steht ein sehr hoher Brunnen, und alle Dächer leuchten golden; alles ist mit Blumen geschmückt. In jeder der 4 Ecken gibt es große Säle, von denen zwei schon vollendet sind. Es glänzt so viel Gold auf den Dächern, wer es nicht gesehen hat, kann es nicht glauben. Der Vorsteher sagte uns, dass man eine ganze Grafschaft kaufen könne mit dem Geld, das man für den Bau dieser Burg ausgegeben hat, jedoch war er noch nicht vollendet. In allen Räumen gibt es sehr hohe Kuppeln, von denen eine rundherum mit wilden Männern bemalt ist, sie ist von unschätzbarem Wert. Jedem Saal angeschlossen sind drei oder 4 Räume, alle in verschiedener Art und Weise mit Goldbelägen geschmückt. In einem sehr großen Saal waren die Skulpturen aller Vorgänger der Herzöge mit ihren Ehefrauen, ebenso das Bildnis des Kardinals 211 , des Bruders des Herzogs 212 , der in jenen Tagen gestorben war. Man zeigte uns auch den äußerst großen Pferdestall, dessen Decke aber noch nicht vollendet war. Diese Burg ist mehr zur Zierde als zur Nutzung erbaut worden. Über das Haus des Kardinals Don Pedro de Mendoza Das Haus des Kardinals, vor den Mauern Guadalajaras gelegen, gehört zu den schöneren in ganz Spanien 213 . Ich habe sehr viele große Paläste von Kardinälen in Rom gesehen 214 , aber in meinem ganzen Leben sah ich keinen, der so angenehm mit so vielen verschiedenen Gemächern eingerichtet war. Es gibt dort zwei sehr schöne übereinanderliegende Umgänge mit 4 Sälen und kleinen Räumen, alle handwerklich aufwändig vergoldet und mit verschiedenen blauen und anderen Farben bemalt, jede Decke in einer anderen Art. Zwei Sommersäle sind zum Garten hin offen, mit Marmorsäulen und von so viel Gold erstrahlend, dass man es kaum glauben kann. Und welch edle Kapelle! Sie ist lang und nicht sehr breit, auf dem Altar steht ein ausgewähltes Tafelbild von Petrus und Paulus und von der seligen Jungfrau, auf den Seiten der heilige Georg 215 und die heilige Helena mit dem Kreuz 216 , denn von dieser Kirche (Santa Croce) her hat er den Kardinalstitel 217 . Inmitten eines sehr schönen Gartens steht ein Brunnen, von dem aus man alles bewässern kann. Es gibt auch ein sehr großes Vogelhaus, teilweise überdacht, teilweise mit Kupferdraht gesichert, in dem so viele Vogelarten fliegen, die man 210 Der Palacio del Infantado wurde zwischen 1480 und 1500 durch den bretonischen Architekten Juan Guas im Auftrag von Iñigo Lopez de Mendoza in einem prächtigen spätgotischen Stil erbaut. 211 Zu Pedro González de Mendoza siehe oben S. 157. 212 Zu Iñigo López de Mendoza siehe oben S. 78. 213 Guadalajara ist der Geburtsort von Pedro González de Mendoza. 214 Dies verweist auf Münzers Italienreise, siehe oben S. 28. 215 Heiliger Georg (†-um 305). 216 Helena (†-328/ 329), Heilige, Mutter Ks. Konstantins, wurde später mit der Auffindung des Heiligen Kreuzes in Verbindung gebracht. 217 Die Titelkirche des Kardinals de Mendoza in Rom war zunächst Santa Maria in Domnica und seit 1478 Santa Croce in Gerusalemme. <?page no="173"?> Über das Haus des Kardinals Don Pedro de Mendoza - Guadalajara 173 unmöglich alle nennen kann. Es gab Turteltauben und Tauben verschiedener Art aus Spanien und Afrika, es gab unzählige afrikanische Hühner, schwarze mit weißen Punkten wie auf Würfeln und mit grauen harten Kämmen, kurzem Schwanz, aber hohen Füßen. Es gab Rebhühner verschiedener Art, viele mit Purpurfarben durchsetzt, aber fast schwarz mit Schwanz und schwarzem Schnabel. Ebenso gab es schöne Kraniche mit weißen Kämmen hinter dem Kopf und viele andere Arten von Vögeln. Ein eigener Wärter kümmert sich um die Vögel. Ich glaube, dass es in der ganzen Welt kein vorzüglicheres Haus gibt. Der Kardinal hinterließ unzählbare Reichtümer, seiner Besitzungen wegen: Er war Erzbischof von Toledo, Bischof von Sigüenza und Kardinal 218 und verfügte außerdem über viele andere Pfründen. Zudem besaß er das Vertrauen des Königs und führte ein bescheidenes Leben, aber bei anderen Ausgaben war er sehr großzügig. Er starb am 11. Januar des Jahres 1495. Über die Stadt Sigüenza Am 27. Januar kamen wir von Guadalajara aus über die Stadt Hita, die auf einem sehr hohen Berg liegt, zur Stadt Sigüenza, die so groß ist wie Nördlingen. Dort gibt es eine sehr schöne Kathedrale 219 , die sehr reich ist, und ihr Bischof war der Kardinal 220 . Sie hat 40 Kanoniker, die mit 100 Dukaten bepfründet sind, 20 Pfründner mit 40 Dukaten, 20 Personen, welche die Hälfte dessen erhalten, sowie 13 Würdenträger. Außerdem sind dort gelehrte Menschen. In einer schönen Burg 221 wohnt der Sohn des Herrn Kardinals 222 , und seine Frau ist die Tochter des Herzogs von Medina (Sidonia), des Grafen von Niebla 223 . Ihm hinterließ sein Vater und Kardinal viele Reichtümer 224 . Über die Stadt Medinaceli Am 28. ( Januar) kamen wir zur Stadt Medinaceli, die zum Herzogtum und zum Rechtsbezirk des Herzogs von Medina 225 gehört. Sie liegt auf einem hohen Berg. Es ist die Heimat des Dichters Martial 226 , denn früher hieß sie Bilbilis 227 . Der Ort liegt bei den Quellen des Flusses Jalón. 218 Zum Vermächtnis Kardinal Mendozas vgl. Lacadena y Brualla, Cardenal S.-215-218 und Franco Silva, Herencia. 219 Kathedrale von Sigüenza, begonnen 1124 im Anschluss an die Eroberung der Stadt, fertiggestellt im 16. Jh. 220 Zu Kardinal Pedro González de Mendoza siehe oben S. 157. 221 Die Burg auf einer Anhöhe nahe dem Ort existiert heute nicht mehr. 222 Rodrigo Díaz de Vivar y Mendoza (†1523), Graf von El Cid (seit 1491) und Marqués von Cenete (seit 1492) war ein illegitimer Sohn des Kardinals Pedro González de Mendoza (1473-1495) und der Mencía de Lemus. 223 Der Marqués von Cenete war seit 1491 in erster Ehe mit Leonor, der Tochter des Herzogs von Medinaceli, Luis de la Cerda, verheiratet. 224 Seine Stellung als Marqués von Cenete und Gf. von El Cid hatte ihm sein mächtiger Vater Pedro González de Mendoza beschafft. 225 Isabella I. (die Katholische) erhob die Grafschaft Medinaceli 1479 zum Herzogtum. 226 Marcus Valerius Martialis, kurz Martial, span. Dichter (†-102/ 103), wurde 38/ 41 in Bílbilis geboren. 227 Der antike Name Medinacelis war Ocilis, nicht Bilbilis. Der antike Ort Augusta Bilbilis lag nahe dem heutigen Calatayud. <?page no="174"?> 174 VI. Von Benavente bis Roncesvalles In dieser Stadt endet das Reich Kastilien, und das Reich Aragón beginnt. Der Fluss Jalón fließt durch ein sehr schönes Tal, wie du hören wirst, und mündet schließlich in den Ebro 228 . Am gleichen Tag legten wir drei Meilen am Ufer des Jalón zurück und kamen in einen kleinen Ort mit Namen Arcos (de Medinaceli), dort leben nur Sarazenen, der Kastellan ausgenommen. Wir waren im Haus eines gewissen Sarazenen beherbergt, der uns für unser Geld bestens behandelte. Dort sahen wir viele Sarazenen, die einer Hochzeit beiwohnten und die ihren Sitten entsprechend sangen, außerdem einige sehr schöne Mädchen. Sie leben dort sehr bescheiden, trinken nur Wasser und sind sehr gesund. Die Pest kann den Sarazenen nicht so viel anhaben wie den Christen in Spanien, was ich ihrer bescheidenen Lebensführung zuschreibe. Am 29. ( Januar) verließen wir den Ort Arcos durch ein schönes, breites und großes Tal, das beidseitig vom Fluss Jalón bewässert wird und voller Orte und Burgen ist wie Monreal, Ariza, Ateca; schließlich kamen wir zur bekannten Stadt Calatayud; es war eine Entfernung von insgesamt 10 großen Meilen. Dort wächst im Überfluss Getreide, Wein, Safran bester Qualität, den sie „ort“ 229 nennen, Baumwolle und andere Pflanzen, denn das Land ist fruchtbar und kann auf beiden Seiten bis zur sehr bekannten Stadt Calatayud leicht bewässert werden. Die Stadt ist groß und zählt zu den größeren Städten des Reiches von Aragón. Sie ist voller Kaufleute, berühmter Häuser und mit sieben Klöstern ausgezeichnet. Unterhalb Calatayuds stellt man auf beiden Ufern des Flusses Jalón erstaunlich viel Öl her, ebenso Getreide, Safran, Waid oder Färberwaid und weiteres. Der Fluss strömt von Calatayud noch etwa gute 15 Meilen, bis er in den Ebro mündet. Wie ausgezeichnet die Orte in diesem Tal sind! Wir verließen Calatayud am 30. ( Januar) 230 nach dem Essen und durchquerten einige bergige und karge Landschaften, bis wir wiederum zu einem anderen sehr furchtbaren Tal gelangten, das mit vielen Olivenbäumen bewachsen war; fünf Meilen weiter kamen wir in der Stadt Almunia an, und am 31. (! ) durchquerten wir einige sehr trockene Landstriche und betraten die ehrwürdige Stadt Zaragoza. Über Zaragoza Zaragoza, die vortreffliche Hauptstadt des Reiches Aragon, ist groß und langgestreckt an den Ufern des bekannten Flusses Ebro, der dort so groß ist wie die Isar in Landshut in Bayern. Der Ort liegt in einer schönen Ebene und ist wesentlich größer als Nürnberg, aber vor allen Dingen an den Ufern des Ebro dichter bevölkert. Der Ort hat eine wunderschöne Brücke mit sieben hohen Bögen, unter denen einige schöne Mühlen sind, die von Deutschen erbaut wurden 231 . 228 Der Jalón entspringt in der Sierra Ministra, passiert Calatayud, Arcos de Jalón und Medinaceli und mündet in den Ebro. 229 Der sogenannte Ortsafran wurde aus dem südl. Aragón nach Deutschland importiert und war zumindest unter Kaufleuten als wichtiges Handelsgut unter diesem Namen bekannt. 230 Im lateinischen Text steht irrig 20. anstelle 30. Januar. 231 Die steinerne Brücke, teilweise mit Mauerwerk aus römischer Zeit, wurde 1440 vollendet. Der Ausbau geht zurück auf eine Schenkung Alfons’ I. 1187 an das Kloster San Millán de la Cogolla. Zur Zuschreibung an Deutsche vgl. Jaspert, Gastgeber S.-84. <?page no="175"?> Über die Fruchtbarkeit des Landes - Zaragoza 175 Über die Fruchtbarkeit des Landes Das umgebende Land ist trocken und wenig fruchtbar, außer dort, wo man es bewässern kann. Selten regnet es hier. Schon seit etwa 9 Monaten gab es keinen Regen. Aber 4 Flüsse wie der Ebro, der Jalón und andere kleine reichen aus, um die Täler zu bewässern 232 . Im Ebrotal weiden sehr viele Vieh- und Schafherden, im Tal des Jalón gibt es Getreide und in den anderen beiden Tälern Wein und Öl, obwohl es in allen (Tälern) Wein, Öl und Getreide im Überfluss gibt. Aus Zaragoza werden jährlich etwa hundert Ladungen oder sogar mehr an Safran exportiert, die mehr als hunderttausend Dukaten wert sind, ebenso Schafwolle im Wert von zwei- oder dreihunderttausend Dukaten, weiterhin Vieh verschiedener Art, vorzügliches Öl in größter Menge, ebenso viel Wachs und Honig. Sie haben nämlich unzählige Gärten mit Bienen auf dem Land; an trockenen Orten gedeiht sehr viel Rosmarin und wachsen andere Pflanzen. An jenem Tag, an dem wir dort waren, blühte gerade eine Frucht wie der Pfirsich, die man Aprikose, volkssprachlich „alberkogge“ 233 nennt, ebenso zahlreiche Mandeln. Aus den Feldern wird viel Getreide erwirtschaftet. Es gibt zahlreiche Händler, weil, wie ich schon sagte, vieles im Übermaß vorhanden ist: Safran, Getreide, Wolle der besten Qualität, Waid, Vieh, Schafe, Honig, Wachs und andere Produkte sowie Leder, das vorzüglich für Schuhe und anderes Stiefelwerk geeignet ist. Über die Kathedralkirche und die Klöster Der Erzbischof von Zaragoza ist der Sohn des Königs Ferdinand von Kastilien 234 , der gegenwärtig regiert; dieser zeugte ihn vor der Heirat mit Isabella. Die Kirche 235 ist geräumig, schön und von Benedikt XI. 236 bestens erbaut worden. Sie war früher eine Moschee der Sarazenen, und noch heute gibt es im Kreuzgang eine sehr alte und gut befestigte Moschee, welche die Sarazenen bei ihren Besuchen verehren, obwohl das Gebäude heute eine der seligen Jungfrau geweihte Kapelle ist. Der genannte Benedikt XI. gehörte zur Familie der Herren von Luna und wurde auf dem Konzil von Konstanz abgesetzt 237 . Die Kirche besitzt ein sehr hohes und breites Altarretabel 238 , das von unten bis oben mit besten Darstellungen geschmückt ist, nur aus schneeweißem Alabaster gefertigt und dort, wo es notwendig ist, vergoldet. Es gibt in ganz Spanien kein wertvolleres Altarretabel aus Alabaster. Das Bild wurde von einem gewis- 232 So die Flüsse Huerva und Gállego. 233 Gemeint sind Aprikosen (span. albaricoques), die Münzer für eine Pfirsichart hält. 234 Alfons von Aragón, Ebf. von Zaragoza (1478-1520), Sohn von Ferdinand II. von Aragón und Aldonza Roch de Ibarra (†-1516). 235 Kathedrale del Salvador, genannt La Seo; geweiht 1119 nach Umwandlung der ehemaligen Freitagsmoschee, umfangreiche Um- und Ausbaumaßnamen im 13. und 14. Jh. 236 Münzer meint den avignonesischen Papst Benedikt XIII. (1394-1417; †-1422/ 1423; vorher Pedro de Luna), der ab 1403 größere Erweiterungen an der Kirche vornehmen ließ. 237 Nach langwierigen Auseinandersetzungen und dem Verlust wichtiger Obödienzen wurde in Konstanz am 15. Oktober 1416 der Prozess gegen Benedikt XIII. eröffnet. Nachdem auch Kastilien Benedikt seine Obödienz entzogen hatte, setzte das Konzil von Konstanz ihn am 26. Juli 1417 ab, vgl. Brandmüller, Konzil Bd.-2 S.-259-276. 238 Laut Tammen, Kunsterfahrungen S.-57 wurde das Retabel 1434 begonnen und von verschiedenen Künstlern fertiggestellt. <?page no="176"?> 176 VI. Von Benavente bis Roncesvalles sen Deutschen aus Flandern begonnen, dem nach seinem Tod ein anderer aus (Schwäbisch) Gmünd in Schwaben nachfolgte, der es vollendete 239 . Weiterhin sieht man ein sehr schönes Chorgestühl 240 und eine Orgel, die, wie es heißt, die beste ganz Spaniens sein soll 241 . In Zaragoza steht eine weitere sehr bekannte Kirche, die der heiligen Maria geweiht ist 242 . In dieser gibt es eine Krypta, wo die selige Jungfrau Maria in jenen Tagen große Wunder wirkte 243 und wo Tag und Nacht unzählige Silberlampen brennen. Das Kloster der Minderbrüder 244 liegt außerhalb der alten Mauern im neuen Teil der Stadt; es ist sehr schön und erheischt Bewunderung. Die Kirche ist sehr groß mit einem breiten Schiff von 36 Schritten, und der Turm ist wunderbar. Wir stiegen auf ihn hinauf, um die Ortslage zu betrachten. Im Kloster gibt es ein äußerst großes Refektorium und ein Dormitorium, das dem Speiseraum ähnelt. An der Seite sind kleine Zellen der Schüler. Im westlichen Teil liegen die hervorragenden Zellen der Patres mit kleinen Sälen, Gärtchen und anderen Annehmlichkeiten. Weiterhin besitzen sie eine vorzügliche Bibliothek mit sehr alten Büchern, alle aus Pergament. Unter anderem sah ich ein Regalbrett mit acht besten Büchern, die in italischen Buchstaben geschrieben waren. Es waren die Werke des heiligen Hieronymus über die Propheten, die Evangelien, die Bibel und andere seiner Werke 245 . Dort sind 8 Doktoren und mehrere ehrwürdige Männer, aber das Kloster folgt nicht der Observanz. Es gibt weitere sehr bekannte Klöster des Predigerordens und anderer Gemeinschaften. Außerhalb der Mauern, auf der anderen Seite der Brücke, steht das neue Kloster von Jesús del Valle 246 , mit sehr schönen Gärten, einem Refektorium, Kirche und anderen (Gebäuden). Dort leben die Brüder des heiligen Franziskus, welche der Observanz folgen. Es ist eine neue Gründung von vor etwa 30 Jahren. Daneben liegt das bedeutende Kloster der heiligen Maria Mercedes 247 , worüber ich vorher schon redete. Sie (die Mercedarier) wurden unter anderem gegründet, um die gefangenen Christen in Afrika und anderswo zu befreien. 239 Der polychrom gefasste Alabasteraltar, entstanden 1434-1480, gilt als eines der schönsten Werke gotischer Skulptur. Maßgeblich an seiner Fertigung beteiligt waren Hans Peter Danzer - auch Hans von Gmünd, Ans Piet Danso bzw. d'Anso, Hans de Suabia - (* in Schwäbisch Gmünd, bezeugt 1467/ 1483) und Pere Johann (* in Tarragona, †- nach 1458). Vgl. mit Abbildungen Abbad-Jaime de Aragón Rios, La Seo S.-30-39. Vgl. weiterhin Jaspert, Gastgeber S.-84 f. mit Anm. 30-36 zu lokalen Quellen. 240 Der gotische Chor entstand Mitte des 15. Jh. 241 In der heutigen Kirchenorgel sind Fragmente der gotischen Orgel aus dem 15. Jh. erhalten. 242 Basilika Nuestra Señora del Pilar; der Legende nach sei Maria dort 40 n.- Chr. dem heiligen Jakobus erschienen. In der Überlieferung finden sich Hinweise auf eine mozarabische Kirche im 9. Jh.; nach der christlichen Eroberung der Stadt wurde im 12. und 13. Jh. ein romanischer Kirchenbau errichtet; zwischen Ende des 13. und Beginn des 16. Jh. entstand die Kirche im gotischen Mudejarstil, die Münzer vorfand. Der heutige Barockbau stammt aus dem 17. und 18. Jh. 243 Am Ort des Marienwunders wurde die zur Kathedrale gehörende Kapelle del Pilar errichtet, die - ohne Fenster - bis zum 18. Jh. nur durch kleine Lampen beleuchtet wurde. Vgl. zu Jakobus und Maria am Ebro Herbers, Politik S.-262 mit Anm. 454. 244 Möglicherweise handelt es sich um das heutige Kloster Convento de Jerusalén, das im Jahr 1484 für die Franziskaner gegründet worden war, 1496 aber an Klarissen übergeben wurde. 245 Münzers Namenspatron Hieronymus (†- 419 oder 420) verfasste u. a. exegetische Werke wie den Liber quaestionum hebraicarum in Genesim, die Damasus gewidmete Abhandlung De visione Isaiae (über Isai. 6) sowie fortlaufende Kommentare zu den Psalmen, den Propheten und dem Evangelium nach Matthäus. 246 Nicht eindeutig identifiziert. Laut Tarayre, Jérôme Münzer S.-189 mit Anm. 333 auf S.-241 handelt es sich um das Kloster Jesús del Valle im Vorort Altabás. 247 Nuestra Señora de las Mercedes, gegründet 1262; zu den Mercedariern siehe oben S. 161. <?page no="177"?> Über die Burg und Befestigung von Zaragoza 177 Die alte Stadt besitzt so kräftige und uneinnehmbare Mauern, sehr dick und aus Stein und Ton zusammengefügt, dass man dies bewundert. Die Sarazenen befestigten die Stadt zu ihrer Zeit so sehr, dass sie glaubten, Zaragoza könnte der ganzen Welt widerstehen. Aber für Gott gibt es nichts Unmögliches. Über das Kloster des heiligen Hieronymus Bei den Mauern der neuen Stadt gegen Westen steht eine schöne Kirche 248 mit einer großen und wunderbaren Krypta, in welcher der Leichnam der seligen Jungfrau Engracia 249 und andere viele tausend Körper aus Deutschland, Frankreich und anderen Orten liegen; dies sind die Reliquien derjenigen, die zu Zeiten Karls des Großen im Kampf gegen die Sarazenen starben 250 . Diese Kirche, die vor wenigen Jahren noch Pfarrei war, übergab der König (Ferdinand) den Mönchen des heiligen Hieronymus, die dort ein Kloster erbauten, wo sie das Lob des Herrn singen 251 . Über die Burg und Befestigung von Zaragoza Außerhalb der Mauern der Stadt gegen Süden liegt ein sehr altes und bestens bewehrtes Kastell 252 , welches die Sarazenen errichteten und das augenblicklich König Ferdinand restaurieren und neu erbauen lässt 253 . Am 2. Februar betraten wir es nach der Vesper. Viele Marranen beiderlei Geschlechtes waren dort gefangen und erwarteten jeden Tag die Strafe des Feuers. Wir sahen zunächst einen Saal, der neu angelegt, 35 Schritte lang und 30 breit, und so wunderbar mit vergoldeten Kunstwerken ausgestattet wurde, dass man es kaum glauben kann. Im oberen Teil, in der Nähe des Daches, gab es eine Tribüne mit vergoldeten Verzierungen, die etwa für einhundertvierzig Personen reicht, damit man von dort aus die Spiele und die anderen Dinge, die sich unten ereignen, verfolgen kann. Außer diesem Saal gibt es fünf große Räume, deren Decken so sehr mit Gold und anderen wertvollen Farben verziert und aufwändig konstruiert waren, dass sie jedem Betrachter großes Vergnügen bereiten. Sowohl in diesem Saal wie in allen Räumen läuft rundherum eine Inschrift in goldenen Lettern, die folgendermaßen lautet: 248 Santa Engracia (auch Las Santas Masas). Das erste Kirchengebäude wurde bereits 609 über der Grabesstätte der Innumerabeles Mártires oder Santas Masas errichtet. Das Kollegiatstift bei Santa Engracia wurde den Hieronymiten 1492 übergeben. Die Kirche, die Münzer sah, wurde im Jahr 1808 vollständig zerstört. 249 Die heilige Engracia erlitt angeblich 304 das Martyrium. 250 Im Jahr 778 zog Karl der Große auf Ersuchen eines muslimischen Magnaten gegen die Umayyaden, musste jedoch vor den Toren Zaragozas aufgeben. Die Nachhut der fränkischen Truppen wurde bei Roncesvalles durch christliche Basken überfallen, nicht von Muslimen, wie im um 1100 unter dem Eindruck von Reconquista und Kreuzzugsideologie entstandenen Rolandslied berichtet wird. Zum Zug Karls nach Spanien vgl. Herbers, Geschichte S.-83 f. 251 Siehe oben Anm. 248. 252 Aljafería, muslimischer Palastbau, der unter Aben-Alfaje (864-889) begonnen wurde. Nach der christlichen Eroberung Zaragozas wurde er von den aragonesischen Königen mehrfach erweitert, vgl. Ewert, Denkmäler. 253 Größere Umbauten und prachtvolle Ausstattung hatte Ferdinand II. in den Jahren vor Münzers Aufenthalt durchführen lassen. <?page no="178"?> 178 VI. Von Benavente bis Roncesvalles Ferdinand, König der Spanien, von Sizilien, Sardinien, Korsika, und der Balearen, vortrefflicher Fürst, klug, strebsam, fromm, beständig, gerecht, glücklich und die Königin Isabella, durch Frömmigkeit und herausragende Größe vor den Frauen ausgezeichnet: dieses mit Hilfe Christi äußerst siegreiche Paar ließ dieses Bauwerk im Jahr des Herrn 1492, als der wilde alte Feind geschlagen war, erbauen. 254 Über das Maurenviertel („Morería“) Die Sarazenen, die unterhalb des Klosters der Minderbrüder im neuen Teil der Stadt leben, haben einen für sie gesonderten Raum und eine Art Stadt, in der sie wohnen 255 . Dort besitzen sie schöne, saubere Häuser mit Läden zum Verkauf und eine schöne Moschee 256 , wo ich mich mit einem ihrer Priester mit Hilfe eines Dolmetschers unterhalten konnte. Er gab mir willig auf alle meine Fragen Antwort. Er sagte mir, dass für eine Scheidung folgende Gründe gelten: Trunkenheit, Dummheit, Ehebruch und die Abtreibung bei der Frau; dafür könne er (der Mann) sie verstoßen und er müsse die Mitgift zurückgeben. Sollte sie Ehebruch begangen haben, dann verstoße er sie bar und bloß und behalte die Mitgift unwiederbringlich, selbst wenn der Frau hieraus üble Nachrede erwächst und sie von den anderen verschmäht wird. Die Frau steht immer unter dem Joch des Mannes. Niemals kann sie ihn zurückweisen wegen irgendeines Lasters, das er hat, sondern nur der Mann kann sie verstoßen. Wenn bei der Zurückweisung ein einzelner Sohn vorhanden ist, behält ihn der Mann, sind zwei vorhanden, werden diese geteilt. Sind drei vorhanden, gehören zwei dem Mann und einer der Frau und so weiter 257 . Sie verheiraten sich mit bis zu sieben Frauen 258 , wie es David machte, dem sie angeblich folgen. Aber weil sie unter Christen leben, ist ihnen nicht erlaubt, mehr als eine zu haben, und sie können sie nicht fortschicken wegen unserer Gesetze. Der Koran verbietet den Ehemännern, die Frauen zu schlagen oder sie zu töten, wenn sie sie nicht wegschicken. Auf ihren Türmen und in ihren Moscheen singen sie Psalmen und prophetische Gebete, und sie beten wie wir. Die Sarazenen sind sehr starke Männer und gut gebaut, und sie halten sehr harte Arbeiten aus. Sie widmen sich speziell handwerklichen Arbeiten. So sind sie Schmiede, Töpfer, Maurer, Zimmermänner, Müller oder pressen Wein und Öl. 254 Die Inschrift ist heute noch sichtbar. 255 Das muslimische Viertel in Zaragoza befand sich südöstlich der Stadtmauer und war von einer Mauer umgeben. 256 In der Morería Zaragozas gab es zwei Moscheen, vgl. Barraqué, Saragosse S.-63. 257 Das islamische Recht kennt verschiedene Formen der Ehescheidung. Ein muslimischer Mann kann seine Ehe auflösen, indem er seine Frau aus der Ehe entlässt oder verstößt. Anders als in Münzers Darstellung hat jedoch auch die muslimische Frau Möglichkeiten, eine Scheidung zu bewirken. Sie hat im Fall der Auflösung der Ehe Anspruch auf finanzielle Entschädigung zur Sicherung eines angemessenen Lebensunterhalts. Kinder werden in der Regel dem Vater oder dem nächsten männlichen Verwandten zuerkannt, Kleinkinder bleiben zunächst bei der Mutter, siehe auch oben S.-94. 258 Der Koran (Bobzin, Koran Sure 4,3 S.-69) beschränkt die Zahl legitimer Ehefrauen auf vier, vorausgesetzt, der Mann ist in der Lage, jeder Frau denselben Lebensunterhalt und Schutz zu bieten. <?page no="179"?> Über die Ölmühlen - Zaragoza 179 Über die Ölmühlen Im ihrem Maurenviertel gibt es eine große und sehr bekannte Ölmühle. Dort wird härteste Arbeit geleistet. Folgendermaßen funktioniert es: Sie haben einen großen Mühlstein, den ein im Kreis gehendes Pferd oder ein Maultier zieht und der so die Oliven zerkleinert, wie sie es auch mit der Waidpflanze aus Erfurt machen 259 . Dann nehmen sie 10 oder 12 geflochtene Binsenkörbe, voll mit zerdrückten Oliven, und übereinandergeschichtet stellen sie diese unterhalb der Presse, pressen sie (die Oliven) dann aus und geben ständig heißes Wasser hinzu; damit wird das Öl herausgewaschen, das in ein Gefäß unterhalb der Presse fließt. Es ist eine Eselsarbeit und zudem sehr schmutzig, aber erfreulich anzusehen. Unter allen Reichen Spaniens ist es das Reich von Aragón, in dem sich am meisten Sarazenen aufhalten, vor allem, weil sie sehr sorgfältig beim Bearbeiten des Landes sind. Die Adligen erhalten von ihnen einen sehr hohen Tribut, zum Beispiel den vierten Teil aller Früchte, ohne die weiteren Abgaben zu zählen. Daher stammt folgendes Sprichwort in Spanien: „Wer keine Mauren hat, hat kein Gold.“ Es gibt viele und große Dörfer, die ausschließlich von Sarazenen bewohnt werden. In manchen Landstrichen oder Gebieten, wo etwa 60 Sarazenen überleben würden, könnten dies kaum 15 Christen. Die Sarazenen arbeiten sorgfältig beim Bewässern der Ländereien und beim Bearbeiten des Bodens, sind anspruchslos im Essen und im Verborgenen sehr reich. Über den Abschied aus Zaragoza Am 4. Februar verließen wir nach dem Essen jene ruhmreiche Stadt, kamen an Siedlungen, Städten und Ebenen vorbei, zum Teil dürr, zum Teil ausgesprochen fruchtbar, und gelangten an das Ufer des Flusses Ebro, bis wir nach 16 Meilen die sehr schöne Stadt Tudela erreichten, die schon zum Reich von Navarra gehört. Sie ist sehr bekannt und ist von Zaragoza 16 Meilen entfernt 260 . Die Stadt Tudela liegt auf einer Höhe oberhalb des Flusses Ebro mit einer hervorragenden Brücke. Das umgebende Land kann bestens bewässert werden. Die Stadt besitzt viele Klöster und eine Kollegiatkirche. Es wird Wein und Öl ausgezeichneter Qualität hergestellt. Dort kamen einige Boten an, die sagten, der Graf von Lerín 261 habe dem König von Navarra 262 das wunderbare Schloss von Olite abgenommen. Wir nahmen drei Soldaten unter Vertrag und schlugen den Weg nach rechts ein, über unwegsame Berge und Senken, bis wir schließlich 259 Ein bedeutendes Produkt der Erfurter Wirtschaft war der Färberwaid, das wichtigste pflanzliche Blaufärbemittel des Mittelalters, dessen Anbau im Thüringer Becken sehr verbreitet war. Stiche und Quellen belegen, dass die Verarbeitung der Waidblätter durch göpelartig angetriebene Mühlen erfolgte. Münzer verfügte möglicherweise nicht über den lat. Begriff (vitrum, Isatis tinctoria) oder benutzte bewusst die zwar ebenfalls urkundlich belegte, jedoch abgewandelte Form von guaisdum zu gwalda. Vgl. Schmidt-Händel, Waidhandel, zu den wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Erfurt und Nürnberg bes. ebd. S.-151-170. 260 Münzer wiederholt hier die Meilenangabe. 261 Luis de Beaumont, Condestable von Navarra, Gf. von Lerín, seit 1495 Marqués de Huéscar, Schwager Ferdinands von Aragón. 262 Johann III. von Albret, Kg. von Navarra (1486-1512). Der Aufstand der Beaumont unter der Führung des Grafen von Lerín gegen die Könige von Navarra wurde noch im selben Jahr niedergeschlagen. <?page no="180"?> 180 VI. Von Benavente bis Roncesvalles durch sehr gut gepflegte Orte am dritten Tag seit unserem Aufbruch in Zaragoza Pamplona erreichten, was insgesamt 33 Meilen entfernt ist. Über Pamplona, die Stadt Navarras Pamplona, eine der besseren Städte des Königreiches von Navarra, liegt in einer wunderbaren Ebene, die ein sehr schöner Fluss durchströmt 263 . Diese Ebene ist sehr ausgedehnt, mit Höfen und Städten besiedelt, sie bringt im Überfluss Wein und Getreide hervor, aber es fehlt das Öl, weil die Landschaft am Fuße der Pyrenäenberge und von Roncesvalles liegt. Es gibt eine sehr schöne Kathedralkirche, deren Chor noch nicht vollendet, aber bald abgeschlossen sein wird 264 . Der Tafeln im Chor sind wunderbar mit Darstellungen in Silber geschmückt 265 . Welch vortrefflicher Kreuzgang, der fast in allem dem von Toledo ähnelt 266 ! Der heutige Bischof ist ein Sohn des Papstes Alexanders VI. Nachdem der rechtmäßige Bischof gestorben war, gewährte der Papst die Bischofswürde seinem Sohn 267 . Es gibt außerdem andere schöne Kirchen und zahlreiche Klöster. Die Stadt ist so groß wie Ulm. Über den König von Navarra Das Reich von Navarra ist groß 268 . Schon kurz nach Verlassen von Zaragoza beginnt am Ufer des Ebro nach etwa vier Meilen Navarra, und auch als wir von Pamplona in Richtung Frankreich ritten, legten wir etwa 30 Meilen in diesem Reich zurück. Nachdem der König dieses Reiches gestorben war, ohne einen Sohn zu hinterlassen, kam das Königreich in die Hände seiner Tochter 269 , die den Franzosen Johann (III.) von Albret 270 heiratete. Er ist inzwischen aufgrund seiner Frau zum König proklamiert worden. Aber er hält das Reich nicht in Frieden, denn er wird vielfach durch den Grafen von Lerín bedroht, der sogar Unterstützung vom König Kastiliens erhalten soll. In jenen Tagen hatte dieser Graf ihm eine gute Stadt mit Namen Olite abgenommen, dort, wo er alle seine Waffen versammelt hatte 271 . 263 Río Arga. 264 Kathedrale Santa María. Errichtet 1387-1524 im gotischen Stil; neoklassizistische Fassade aus dem 18. Jh. Die Bauarbeiten waren bei Münzers Besuch also noch im Gange. 265 Zur künstlerischen Ausstattung (Wandmalerei und Tafelbilder) allgemein Lacarra Ducay, Catedral. 266 Am Kreuzgang, errichtet zwischen 1280 (oder 1291) und etwa 1350, wurden um 1500 kleine Veränderungen vorgenommen. 267 Cesare Borgia/ Cèsar Borja (†- 1507) war verwaltender Bf. von Pamplona 1491-1492, Sohn des Rodrigo/ Roderic Llançol i de Borja (späterer Papst Alexander VI.). Cesar Borgia war aber nie richtiger Bischof, sondern nur apostolischer Administrator der Diözese von Pamplona. 268 Münzers Beschreibung Navarras als großes Reich erstaunt insbes. im Vergleich zu den zuvor von ihm durchquerten Reichen. 269 Katharina von Foix, Königin von Navarra (1483-1517). Sie war die Schwester des vorherigen Kg. Franz Phoebus (1479-1483), nicht seine Tochter. 270 Kg. Johann III. von Albret, Kg. von Navarra (1486-1512). 271 Siehe oben S. 179. <?page no="181"?> Über den König von Navarra 181 Wir erhielten Zugang zum König durch Vermittlung des Bischofs von Couserans aus der Gascogne bei Toulouse 272 . Wir sahen den König und küssten ihm die Hände. Er ist groß, edel und würdig. Die Königin verbrachte traurige Tage wegen der Gräfin von Foix 273 , ihrer Mutter, die vor kurzem gestorben war; deshalb konnten wir sie nicht sehen. Die Gräfin war eine Schwester des Königs Ludwig. Sie war vor Zeiten dem König Ladislaus 274 , der angeblich von Lerick 275 vergiftet wurde, versprochen gewesen. Sie heiratete danach den Grafen von Foix, der König von Navarra war 276 . Der König bot uns an, für uns zu tun, was wir wünschten, und dies ließ er durch den Bischof ausrichten. Am 9. Februar verließen wir nach dem Essen Pamplona und gelangten durch ein Tal, fruchtbar an Wein und Getreide, schließlich nach 3 Meilen zum hohen Berg von Roncesvalles. Dort fanden wir das Kloster der Kanoniker vor, das im Nebengebäude ein Hospiz hat 277 , wo sie den Pilgern Wein, Brot, Unterkunft und anderes gewähren. Wir sahen dort in der Kirche neben anderen Reliquien das Horn von Roland, der dort starb, und außerhalb des Klosters eine sehr große Kapelle, in der die Gebeine von Tausenden von Christen lagen, die von den Sarazenen in der Zeit Karls des Großen getötet worden waren, wie ich ausführlicher und detaillierter in der Geschichte des „Iacobus“ geschrieben habe 278 , wo ich erzähle, wie die Christen unvorsichtigerweise und aussichtslos in die Schlucht eintraten und an dem engen Ort von den Sarazenen von vorn und hinten angegriffen wurden und durch deren Schwerter starben 279 . Es ist fürchterlich zu sehen. Auf diesem Berg hat der Ebro seine Quelle 280 . Wenn man gegen Norden durch ein dunkles und waldreiches Tal absteigt, kommt man schließlich zum Zugang des Tales, der Saint-Jean heißt 281 . 272 Möglicherweise Johann III. d’Aule, Bf. von Couserans (†- 1515), der allerdings laut Gams, Series S.- 541 schon 1494 resignierte. Ein Nachfolger ist erst für die Zeit nach seinem Tod bekannt. 273 Magdalena von Frankreich (†- 1495), Tochter Kg. Karls VII. und Schwester Kg. Ludwigs XI. von Frankreich. 274 Ladislaus V. „Postumus“, Kg. von Ungarn (1440/ 1444-1457), Kg. von Böhmen (1453-1457), Hzg. von Österreich (1440/ 1452-1457). 275 Der Name gibt Rätsel auf: Vermutlich Georg v. Podiebrad, Kg. von Böhmen (1458-1471), politischer Opponent und Thronnachfolger Ladislaus’ V. Der plötzliche Tod von Ladislaus während der Hochzeitsvorbereitungen hatte wohl natürliche Ursachen, wurde aber von Zeitgenossen mit seinen Gegnern in Zusammenhang gebracht. 276 Gaston, Prinz von Viana. Er starb 1470 vor seinen Eltern und wurde daher nie selbst König. 277 Das Hospiz wurde 1127-1132 von Bischof Sancho de Larrosa von Pamplona (1122-1142) gegründet und von augustinischen Regularkanonikern geführt, die Kranke und Pilger versorgten. Roncesvalles war gleichzeitig ein wichtiger Ort auf dem Jakobsweg (Zugang zu einem wichtigen Pyrenäenpass nach der Bündelung mehrerer Pilgerrouten) und selbst ein Ort der Pilgerfahrt, vgl. mit weiteren Belegen Vázquez de Parga/ Lacarra/ Uría Ríu, Peregrinaciones 2 S.-90 f. 278 Siehe oben zur Abschrift der Historia Turpini in Compostela S. 130-134. 279 Münzer folgt hier der historisch nicht belegten Version, dass Sarazenen, nicht Gascogner/ Basken die Nachhut Karls bei Roncesvalles angegriffen hätten. 280 Der Ebro entspringt in Fontibre bei Reinosa fast 300-km westlich von Roncesvalles! 281 Wohl Saint-Jean-Pied-de-Port. <?page no="183"?> VII. Von der Gascogne bis Paris Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 431, fol. 211r Dort beginnt die Gascogne, eine Gegend, die vollständig an den nördlichen Ausläufern des Berglandes gelegen ist, sie reicht von Perpignan bis Bayonne, das am Atlantischen Ozean liegt. Zur Gascogne zählen mehrere einzelne Provinzen, so zum Beispiel das Bigorre, ein Teil Navarras, die Grafschaft Fuxum, das heißt Foix, und die Provinz Béarn 1 . Die ganze Region ist bergig und sehr fruchtbar, es gibt Wein, Getreide, Nüsse, Äpfel und anderes. Über das Béarn Der Bischof von Couserans, 2 ein großer Historiker und Gelehrter, sagte, dass zur Zeit der Goten, als diese Gallien verließen 3 und arianische Häretiker 4 waren, sie die Stadt Burdegalis, heute Bordeaux genannt, den Gascognern heimlich entwendet haben. Diese waren zuvor 1 Béarn, siehe auch zur falsch eingeordneten Notiz oben S. 65 Anm. 84, die etwa hierher gehört. 2 Couserans. Bistum in den Pyrenäen bis 1801 mit dem Bischofssitz in Saint Lizier. Während Münzers Reise war Johannes III. von Aule (1475-1494/ 1515) Bischof von Couserans. Münzer traf ihn bereits in Navarra, siehe oben S. 181. 3 Jene Gründungssage des Béarn geht zurück auf den Schatzmeister des Grafen von Foix, Arnaud Esquerrier, und steht im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Souveränität gegenüber dem französichen König. Demnach hätten Schweizer aus der Stadt Bern 715 an der Seite Karl Martells die Sarazenen besiegt und als Dank ein Territorium am Fuße der Pyrenäen erhalten. Die Wahl der Stadt Bern erfolgte nicht nur wegen der sprachlichen Ähnlichkeit, sondern auch wegen den politischen Gegebenheiten: Bern unterstand keinem König. Im 16. Jh. berichten zahlreiche Geschichtsschreiber des Béarn Ähnliches. 4 Arianer bezeichnet diejenigen, welche die Unterzeichnung des Nizäischen Glaubensbekenntnisses (Wesenseinheit von Gottvater und Gottsohn) verweigerten. Der problematische Begriff geht zurück auf Arius (†- 336). Der Arianismus der Goten wurde u. a. vom gotischen Bischof Wulfila (†- 383) geprägt, der die Bibel aus dem Griechischen ins Gotische übersetzte, vgl. Wolfram, Goten S.-88 sowie Brennecke, Arianismus bes. S.-19-26. <?page no="184"?> 184 VII. Von der Gascogne bis Paris gegen die Goten marschiert, zweimal besiegt und in der Ebene fast vernichtet worden. Zur selben Zeit hatten die Helvetier aus Bern ihre Grundherren von deren Gebiet verbannt, kamen zu Karl Martell und erbaten, dass der Ort, an dem sie sich jetzt aufhalten, dauerhaft von ihnen bewohnt werden dürfe. Nach fortwährendem Krieg gegen die Goten - sie führten ihn zusammen mit den Gascognern - besiegten sie diese letztlich und vertrieben sie nach Spanien. Aus diesem Grund gewährte der Papst ihnen auf ewig den Zehnten auf alle Früchte des Landes 5 . Die Adeligen genießen noch heute dieses Privileg und geben beständig ein Viertel dieses Zehnten dem Klerus. Ihre Provinz misst 20 Meilen in der Länge und 15 in der Breite, Höfe und schöne Städte gibt es im Überfluss, und sie (die Provinz) ist sehr reich an Wein, Korn und anderen Früchten. Es gibt zwölf Barone, 800 Adelige und fünfhunderttausend Häuser. Und ihre Häuser, Äcker und anderes ähneln denjenigen der Berner und Schweizer. Sie lieben die Deutschen sehr, weil sie sich in ihrer Abstammung zu diesen bekennen. Sie behandelten uns mit den größten Ehren. Sie haben auch hervorragende Eisenminen in Roncesvalles und an anderen Orten. Äpfel gibt es bei ihnen im Überfluss, und sie stellen jedes Jahr eine erstaunlich große Menge Wein aus dem Saft der ausgepressten Äpfel her, der sich zwei oder drei Jahre hält. Man sagt sogar, dass er sich in einem sehr guten Gefäß mehrere Jahre halten kann. Dieser Apfelwein hat mir sehr geschmeckt. Obwohl ich reichlich getrunken habe, hat er mir sehr gut getan 6 . In der Gascogne kommen ebenso viele Bäche reinsten Wassers von den Bergen und machen sie zu einer sehr gut bewohnbaren Gegend. Die Béarneser sind frei und ähneln in allem den Schweizern und deren Sitten. Ein Teil erkennt jedoch den König von Navarra als Herrn an, ein anderer Teil den Grafen von Foix, ähnlich wie unsere Schweizer es mit der Autorität des Kaisers halten. Als wir den Weg mit unseren Pferden fortsetzten, kamen wir in acht Tagen von Pamplona nach Toulouse; wir durchquerten viele schöne Städte wie Navarrenx, Morláas, Saint-Michel, Saint-Mathieu und so weiter. Von Pamplona bis Toulouse sind es 51 lange Meilen und wegen des regnerischen Wetters war die Straße sehr schlecht. Über Toulouse, Stadt der Gallia Narbonensis Toulouse, die berühmteste Stadt der Gallia Narbonensis, liegt in einer hervorragenden und fruchtbaren Ebene. Es gibt - wie ich glaube - in ganz Gallien kein fruchtbareres Land, das so viel Getreide, Wein, Safran, Färberwaid, Holz und weitere lebensnotwendige Güter hervorbringt. Jedoch ist der Ort sehr seuchenanfällig, ich weiß nicht warum. Nachdem wir auf den höchsten Turm der Kirche Saint Saturnin gestiegen waren, boten Aussehen und Lage des Ortes der Schönheit wegen einen ansprechenden Anblick. Die Stadt ist doppelt so groß wie Nürnberg. Alle Häuser sind seitlich aus Holz und aus Ton gefertigt, Holz liefert der schiffbare Fluss der Garonne in ausreichendem Maße. In der Tat wird, wie ich gesagt 5 Eine entsprechende päpstliche Verfügung ist sonst nicht belegt. 6 Schon die Pilger, die nach Santiago de Compostela zogen, schätzten vielleicht den Cidre im Baskenland. So beklagt der Pilgerführer des 12. Jh. die spärlichen Nahrungsmittel, hebt aber „Äpfel, Apfelwein und Milch“ hervor, vgl. Herbers, Jakobsweg S.-63. <?page no="185"?> Über Toulouse, Stadt der Gallia Narbonensis 185 habe, Toulouse von dem berühmten schiffbaren Fluss Garonne durchquert, dessen Quellen in den Bergen der Pyrenäen liegen und der sich bei Bordeaux in den Atlantischen Ozean ergießt. Er verschafft der Stadt zahlreiche Annehmlichkeiten, denn das Notwendige wird per Schiff vom und zum Meer gebracht. Es gibt unter anderem zwei sehr bekannte Mühlen mit 9 riesigen Mühlsteinen, deren Durchmesser jeweils sechs Handspannen misst. Diese Mühlsteine sind aus fünf oder sechs Teilen in einem runden Eisenring gefasst, und sie mahlen so schnell und so ergiebig, dass man es kaum glauben kann. Der Müllermeister hat uns gesagt, dass er mit einem Rad in einem Tag und einer Nacht 24 Ladungen Getreide mahlt, das ist so viel, wie einst 24 Pferde zu erbringen pflegten. Ich rede nicht von den anderen Mahlwerken, um Papier, Tuch und andere Produkte herzustellen. Jedenfalls bezahlt eine Mühle jährlich eine Abgabe von zweitausend Écus 7 . Über die Reliquien und Kirchen von Toulouse In Toulouse gibt es einen Bischofssitz mit der alten und weitbekannten Kirche, die der Jungfrau Maria geweiht 8 und mit einem hervorragenden Chorgestühl ausgestattet ist. Zu dieser Zeit herrschte ein großes Schisma unter zwei Bischöfen. Das Domkapitel hatte nämlich einen außergewöhnlichen Mann gewählt. Aber der König setzte einen Eindringling ein. Die zwei Kandidaten bekämpften sich gegenseitig und legten sogar die Häuser der Kanoniker in Brand 9 . Es ist erstaunlich, aber ein berühmter promovierter Kanoniker sagte mir, dass es 22 Bistümer im Königreich Frankreich gebe, welche alle durch Unruhen und Streit gebeutelt würden. Über die Kirche des heiligen Saturnin, des ersten Bischofs von Toulouse Diese Kirche ist außergewöhnlich alt, aus Ziegeln und mit sehr soliden Steinen gebaut. Es ist eine Kollegiatkirche mit vielen Kanonikern - vorher waren es Mönche -; das Gotteshaus ist sehr groß und sehr breit und voller Reliquien derjenigen Heiligen, die dort begraben sind. Unter anderem liegen dort die Gebeine von sechs Aposteln in der Krypta unterhalb des Chorraums. Zunächst befindet sich der Leichnam des heiligen Jakobus des Älteren in einem sehr 7 Der Name dieser in Frankreich üblichen Silber- oder Goldmünze leitet sich von dem auch von Münzer genannten lateinischen Wort scutum (Wappenschild) ab, weil in der Regel ein Wappenschild eingeprägt war (im Spanischen Escudo). 8 Es kommen die beiden Pfarrkirchen Notre-Dame du Taur, errichtet zu Beginn des 14. Jh. auf dem Platz, wo der heilige Saturninus starb oder Notre-Dame de la Dalbade in Frage. Letztere wurde allerdings 1422 durch einen Brand zerstört; der Neubau konnte erst 1548 beendet werden. Die Kathedrale war dem heiligen Stephan geweiht. 9 Nach dem Tod von Ebf. Pierre de Lyon 1491 wählten mehrere Kanoniker am 11. September 1491 Pierre du Rosier, Kanzler der Universität, Neffe des Ebf. Bernard du Rosier (1451-1473), der bei Ludwig XI. in Ungnade gefallen war. Am 18. September 1491 schließlich wählten die übrigen Kanoniker, unterstützt von Adel und Papst, Hector de Bourbon zum Erzbischof. Erst 1494 konnte das Schisma durch die Entscheidung des Parlaments in Bordeaux zugunsten Hectors beendet werden, vgl. Faucon, Hieronymus Münzer S.-86; Péricard-Méa, Reliques S.-417. <?page no="186"?> 186 VII. Von der Gascogne bis Paris schönen Schrein 10 , ebenso sein Kopf in einem Silberreliquiar, das mit Gemmen verziert ist. Ein deutscher Kanoniker, der in Biel, in der Nähe von Bern, geboren wurde, ließ es uns zu Ehren öffnen, was sehr selten geschieht, und wir haben den Kopf des heiligen Jakobus geküsst. Auf einer silbernen Säule war ein sehr wertvolles Halsband mit runden Perlen und Gemmen, darunter ein besonders großer Ballasrubin von großem Gewicht und Wert. Und obwohl jene in Compostela behaupten, sie hätten den heiligen Jakob bei sich, bekräftigen sie dies nur durch die Leichtgläubigkeit. Die Tolosaner erzählen eine Geschichte, wonach Karl der Große, nachdem er Spanien besiegt hatte, den heiligen Jakobus und viele andere Reliquien aus Spanien hergebracht und in ganz Gallien verteilt habe 11 . Zum zweiten zeigte man uns den Leichnam des heiligen Simon und den des heiligen Judas 12 ; danach den des heiligen Philipp, dessen Kopf in Rom ist, sowie den Leichnam von Jakobus dem Jüngeren, dessen Haupt in Compostela liegt, ebenso den Leichnam des heiligen Barnabas, den des heiligen Aegidius 13 , dessen Kopfreliquie sich in Saint-Gilles bei Arles befindet 14 . Danach zeigten sie den Leichnam des heiligen Saturnin, denjenigen des heiligen Exuperantius und viele andere Reliquien, die man in einer Urkunde aufgelistet findet 15 . Zum dritten betraten wir die heilige Schatzkammer; dort sahen wir unter anderen Dingen eine wertvolle vergoldete Decke - mit Nadel von Hand mit Goldfäden hergestellt - aus Gold und aus Seide sowie aus anderen Materialien, kostbar und bewundernswert. Dort waren die bekanntesten Passagen des Alten und Neuen Testamentes sehr kunstfertig eingewoben. Ein Pektorale war vorne mit vielen Perlen besetzt. Es war das Werk eines Deutschen, wie sie sagten, der es vor 200 Jahren geschaffen habe; es sei vom einem gewissen Bischof in Rom für 1400 Dukaten erworben worden 16 . Ebenso sahen wir ein Buch mit einem vergoldeten und 10 Den Besitz der Jakobusreliquien erwähnt erstmals das Rechnungsbuch der Tolosaner Bruderschaft der „Corps Saints“, als es von deren Translation 1385 berichtet. Der Tolosaner Ebf. Jean de Cardaillac (1378-1390) „entdeckte“ wohl die Gebeine des Heiligen unter den 1316 zusammen mit denen des heiligen Aegidius wiedergefundenen Reliquien. Die Inventarliste von 1468 nennt erstmals das Kopfreliquiar des heiligen Jacobus maior. Der restliche Körper war oberhalb des ihm geweihten Altars bestattet; vgl. Meyer, Identität S.-126-12; Ders., Santiago de Compostela S.-220-224 mit Anm. 65 zum Kopfreliquiar. 11 In mehreren Reiseberichten wird davon berichtet, die Reliquien des Jacobus maior seien von Karl dem Großen (†- 814) nach Toulouse gebracht worden. Deshalb zeigte man den Besuchern den Olifanten des Roland und die Kamee Karls des Großen, die jener während des Spanienfeldzuges getragen haben soll, jedoch reden ältere Traditionen nur allgemein von Geschenken Karls. Erst in einem Brief König Ludwigs XI. (1461-1483) von 1463 heißt es, Karl habe der Kirche die Reliquien der sechs Apostel geschenkt. Bei der von Münzer erwähnten Historia handelte sich wohl um eine mündlich weitergegebene Geschichte, vgl. Meyer, Identität S.-129 f.; Ders., Santiago de Compostela S.-219-237. 12 Vgl. zu den folgenden Reliquien und Reliquiaren die einzelnen Nachweise bei Douais, Documents. 13 Aegidius (†-720), Heiliger. Seine sterblichen Überreste wurden 1316 unter dem Hauptaltar entdeckt und laut dem Inventar von 1489 in einem steinernen Schrein aufbewahrt. Daneben werden weitere Reliquien des Heiligen aufgeführt, vgl. Douais, Documents S.- 99 Nr.- 305 (Grabstätte), S.- 98 Nr.- 300 und S.- 100 f. Nr.-316. 14 Saint-Gilles-du-Gard. Die Behauptung, in der Abtei Saint-Gilles bei Arles liege nur das Haupt des heiligen Aegidius wurde wohl bewusst gemacht; war doch Saint-Gilles einer der wichtigen Orte der Verehrung des Heiligen, vgl. Meyer, Santiago de Compostela S.- 226. Hieronymus Münzer berichtet in Arles vom Kopfreliquiar des heiligen Aegidius, siehe oben S. 41. 15 Auf fol. 80r bis fol. 81r der Münchener Handschrift Clm 431, die auch den Reisebericht überliefert, findet sich ein Exzerpt Münzers, welches weitere Reliquien aufzählt, darunter auch das Horn Rolands sowie die Kamee Karls des Großen (†-814). Ob Münzer die Reliquienliste am Ort kopierte, ist nicht zu ermitteln. 16 Nach Meyer, Santiago de Compostela S.-237 Anm. 159 ist diese Angabe „mit Vorsicht zu genießen“. <?page no="187"?> Über das Kloster des Predigerordens - Toulouse 187 edlen Einband, einige Teile der Bibel waren mit goldenen Buchstaben geschrieben 17 : ein sehr wertvolles Buch! Wir sahen ebenso auf einer hohen Säule ein Marmorbildnis, das zwei Mädchen darstellte, von denen eine einen Krieger und die andere einen Löwen gebar. Dies war eine Anspielung auf die Verheißung, entsprechend derer die Jungfrau Maria eines Tages ohne männlichen Samen ein Kind gebären werde, wie diese (Mädchen) einen Löwen und einen Krieger. Außerdem betrachteten wir einen sehr großen und sehr schönen vergoldeten Kelch; ich glaube er maß drei Handspannen. Weiterhin sahen wir den Nagel eines gewissen Greifvogels, der schwarz und insgesamt viereinhalb Handspannen lang war. Man sagte, in Paris, in der Sainte-Chapelle könne der vollständige Fuß des Greifen mit den Nägeln gefunden werden, was ich mit Gottes Fügung dort sehen werde 18 . Außerdem betrachteten wir viele andere Dinge, die ich der Kürze halber weglasse. Über das Kloster des Predigerordens Unter den verschiedenen Klöstern sind die Klöster der Minderbrüder 19 und des heiligen Dominikus 20 die schönsten, aber sie folgen nicht der Observanz. Beim heiligen Dominikus ruht hinter dem Hauptaltar oben der Leichnam des heiligen Thomas von Aquin, des größten Philosophen und Theologen, in einem sehr schönen Schrein 21 . Sein Haupt ist in der Sakristei. Die Kirche ist schön und groß und hat einen ausgezeichneten Kapitelsaal. Das Refektorium ist in ähnlicher Weise so groß, dass man es für eine Kirche halten könnte. Es gibt in Toulouse aber sehr schöne und zahlreiche Gärten und Anlagen, weil die Stadt sehr ausgedehnt und kaum zur Hälfte bevölkert ist. Eine sehr lange Straße führt von der Kirche Saint Saturnin bis zum Palast des Königs 22 . Sie gehört zu den bekanntesten der ganzen Stadt; dort befindet sich der größte Teil der Geschäfte. 17 Es handelt sich wohl um das sogenannte Evangeliar Karls des Großen, das von Godeschalk 781 in goldenen Lettern geschrieben wurde. Es befindet sich heute in der Nationalbibliothek, vgl. Costa, Rétablissement S.- 182. Auch das Inventar von 1489 erwähnt ein Evangeliar mit goldenen Lettern, vgl. Douais, Documents S.-60 Nr.-4. 18 Siehe unten S. 223. 19 Wohl um 1222 kamen Franziskaner nach Toulouse. Mit den Bauarbeiten der ersten Franziskanerkirche in Toulouse wurde 1235 begonnen, vgl. Oberste, Heiligkeit 2 S.-31 f. 20 Bf. Fulko (1206-1231) erteilte während der Albigenserkriege dem heiligen Dominikus den Auftrag zur Predigt in Toulouse. Zunächst bezogen Dominikus und seine Brüder 1216 ein nahe der Porte Narbonnaise gelegenes Haus, ehe der Gemeinschaft 1229 ein Grundstück in der Nähe der sarazenischen Mauer geschenkt wurde, wo 1230 der Grundstein für das Kloster gelegt wurde, vgl. Oberste, Heiligkeit 2 S.-29 f. 21 Thomas von Aquin (†- 1274). Die Überführung der Gebeine des Gelehrten in die Tolosaner Jakobinerkirche wurde 1368 auf Bitten der Bevölkerung von Papst Urban V. (1362-1370) veranlasst, vgl. Meyer, Santiago de Compostela S.-229. 22 Château Narbonnais, erstmals nach 1115 schriftlich genannt. <?page no="188"?> 188 VII. Von der Gascogne bis Paris Über die Provinz Languedoc und deren Metropole Toulouse Die Gallia Narbonensis wird heute Languedoc genannt, das heißt „lingua ock“. Die Gallier nämlich, die „so“ (ita) sagen wollen, sagen „oii“, die Tolosaner in der gesamten Provinz sagen jedoch für „oii“ „ock“. Daher (kommt) Languedoc 23 . Diese Provinz ist sehr fruchtbar. Bei Toulouse liegt ein kleiner Distrikt von 4 Meilen Länge und drei Meilen Breite, wo jährlich Waid im Wert von 2000 Écus wächst, der heißt gwalda 24 . Ich übergehe Safran, Getreide, Wein und anderes. Diese Gegend ist gut besiedelt und sehr fruchtbar. Aus keiner anderen Provinz Galliens erhält der König so viel Gold und weitere Einkünfte. Das Land besitzt nämlich fruchtbare Hügel, viele Flüsse, von denen die meisten schiffbar sind und auf denen sie Getreide und Wein nach England, Flandern und in die Bretagne schicken, um dort guten Gewinn zu machen 25 . Ich kann dies nicht im Einzelnen aufzählen. Im Osten reicht die Provinz an das Meer von Marseille nahe bei Narbonne und Montpellier, im Westen an den Ozean bei Bordeaux. Die Entfernung von Narbonne nach Bordeaux über Toulouse beträgt etwa 54 Meilen, und die gesamte Region ist sehr fruchtbar. Über die Qualität dieser Böden könnte man einen umfassenden Kommentar verfassen. Und die Gegend ist äußerst dicht besiedelt. Über das Tolosaner Studium Toulouse verfügt über sehr bekannte Studien 26 mit mehreren Lehrstühlen; beide Rechte und Medizin sind besonders renommiert. Sie verfügen über mehrere Hörsäle beim Kloster der Prediger und Franziskaner 27 . Sechs der dortigen Kollegien wurden von Kardinälen und anderen gegründet 28 . In ihnen gewährt man einer gewissen Anzahl Armer Kost und Logis, so wie es in Italien üblich ist. 23 Langue d’oc bezeichnet die okzitanische Sprache. Der Vergleich, den Münzer anbringt, stammt von Dante Alighieri (†-1321). Er unterschied in seinem Werk De vulgari eloquentia zwischen drei romanischen Sprachen nach den Bejahungspartikeln „oc“ (okzitanisch), „oil“ (französich) und „si“ (italienisch), vgl. Dante Alighieri, De vulgari eloquentia S.-54. 24 Der Lauragais zählte im 14. Jh. neben Thüringen und der Picardie zu den größten Anbaugebieten des Färberwaids in ganz Europa, der ein Hauptexportgut von Toulouse war, insbes. im Handel mit England. 25 Zum Tolosaner Handel vgl. die verschiedenen Abschnitte bei Wolff, Commerces. 26 Die Universitätsgründung wurde Gf. Raimund VII. von Toulouse (1222-1249) im Vertrag von Paris am 12. April 1229 auferlegt. Ihre erste Ordnung erhielt die Universität 1245 von Papst Innozenz IV. 27 Der Unterricht an der Theologischen Fakultät oblag den Dominikanern. 28 Mit dem Aufschwung der Universität von Toulouse wurden im Laufe der Zeit sechzehn Studienkollegien gegründet, die armen Studenten Unterhalt bieten sollten. Münzer hebt offensichtlich die von Kardinälen gegründeten sechs hervor. Die Stifter waren Tolosaner Bürger, Prälaten der Region oder ehemalige Schüler der Universität. <?page no="189"?> Über den Auszug aus Toulouse nach Tours 189 Über den Auszug aus Toulouse nach Tours Am 20. Februar verließen wir die edle Stadt Toulouse nach dem Essen, und nachdem wir eine sehr schöne Ebene durchquert hatten, gelangten wir nach vier Meilen zu einer kleinen Stadt, die Fronton genannt wird. Am 21. (Februar) brachen wir früh auf und kamen nach drei Meilen zur schönen und vornehmen Stadt Montauban, um die sich ein vielgerühmter Fluss (Tarn) windet, den eine hervorragende Brücke 29 überquert. Wie reizend und reich ist dieser Ort an Wein, Getreide, Feigen und anderem! Nach zwei weiteren Meilen gab es einen weiteren schiffbaren Fluss 30 . An diesem Tag legten wir aus Furcht vor Wegelagerern bis weit in die Nacht hinein neun lange Meilen zurück bis zu einer kleinen Stadt, die Hospitalet genannt wird. Am 22. (Februar) standen wir früh auf, ritten zwei Meilen und gelangten zur großen, sehr schönen Stadt Cahors, die ein sehr bekannter schiffbarer Fluss (Lot) umfließt. Dieser Ort ist eine wahre Freude und ausgesprochen fruchtbar. Es herrschte jedoch eine Epidemie in dieser Stadt. Deshalb umgingen wir (den Ort) durch raue, aber fruchtbare Berge bis zur schönen Stadt Catus und von Catus drei Meilen weit bis zur fruchtbaren Stadt, die Gourdon genannt wird. Am 23. (Februar), einem Sonntag, reisten wir von Gourdon aus über hohe Berge und durch Täler, gelangten mit dem Boot über den schiffbaren Fluss, Dordogne genannt, zur schönen und sehr reichen Stadt Soulac und danach zu einem Hof. An jenem Tag legten wir sechs Meilen zurück. Am 24. (Februar) gelangten wir durch die Stadt Brive(-la-Gaillarde), die sehr schön ist und einen edlen Fluss (Corrèze) und eine Brücke mit 12 Bögen aufweist 31 , nach einem ganzen Tag von zehn Meilen sodann zur schönen Stadt Uzerche, mit einem bekannten Fluss, der Vézère heißt. Am 25. verließen wir Uzerche und kamen durch üppige Felder, Orte und kleine Städte nach zehn Meilen zur ehrwürdigen Stadt, welche diejenige des heiligen Leonhard genannt wird. Über Saint-Léonard Diese Stadt liegt auf einem schönen Hügel, im Tal plätschert der anmutige Fluss, der Vienne genannt wird und dessen Wasser mild und trinkbar ist. Einstmals gab es dort einen morastigen Wald voll wilder Tiere, der Pavum heißt 32 . Oft jagten dort König und Königin, welche durch ihre Gebete von den Gefahren und Schmerzen ihrer Geburt durch den heiligen Leonhard befreit wurden 33 . 29 Pont Vieux oder Pont des Consuls. 1335 wurde die Bogenbrücke bereits genutzt. 30 L‘Aveyron, rechter Nebenfluss des Tarn. 31 Möglicherweise meint Münzer die dreizehnbogige Brücke bei Brive-la-Gaillarde, deren Bau 1488 begonnen wurde. 32 Weder Pavum noch die Variante Pafum tauchten in den entsprechenden hagiographischen Traditionen auf, vgl. jedoch heute den Wald Pauvin bei Limoges. 33 Der heilige Leonardus (†- ca. 559) soll zu Beginn des 6. Jh. als Eremit im Wald von Pauvin am Ufer der Vienne gelebt haben. Einer Vita aus der ersten Hälfte des 11. Jh. zufolge war er Schüler des Bf. Remigius von Reims (†-533) und Gründer des Klosters von Saint-Léonard-de-Noblat, vgl. Poulin, Idéal S.-179. <?page no="190"?> 190 VII. Von der Gascogne bis Paris Der heilige Leonhard lebte zur Zeit des Kaisers Anastasius, zu der Zeit, als Chlodwig der erste König Frankreichs, vom heiligen Remigius, dem Bischof von Poitiers (Reims), zum Christen getauft wurde 34 . Die Eltern Leonhards waren Verwandte des Königs von Frankreich. 35 Leonhard selbst errichtete nach vielen Ereignissen an diesem waldigen Ort ein Kloster für Brüder. Mit Hilfe seines Gebetes erschloss er einen Brunnen mit fließendem Wasser, den ich sah. Bei jenem Brunnen steht eine Kapelle, in der er einst begraben war, nun aber wurde er ins Kloster überführt, wo er hinter dem Hauptaltar ruht, sein Haupt aber in einem silbernen Schrein über dem Altar 36 . Die alte, bewehrte Kirche ist der heiligen Jungfrau geweiht. Dort folgen Regularkanoniker der Regel des heiligen Augustinus 37 . Warum Leonhard an diesem Ort ein Kloster errichten ließ und eine fließende Quelle aus einem trockenen Loch erflehte, findest du ausführlich in dessen Legende. Heute erstrahlt der Ort durch viele Mirakel 38 , wir sahen dort sehr große Fesseln, die in Kerkern Schmachtende und Gefangene (als ex-voto) übergaben, weil sie durch seine Bitten befreit wurden. Und es ist eine Stadt, die so groß wie Ravensburg, berühmt und gut bevölkert ist. Über die Stadt Limonia, in der Volkssprache Limoges Diese Stadt liegt am Fuß eines Berges an den Ufern des klaren Flusses Vienne mit einer schönen Brücke 39 . Es ist ein hervorragender und sehr edler Ort, so groß wie Ulm, mit zwei sehr bekannten Vorstädten. Die große und vornehme Bischofskirche 40 ist außerhalb der Stadt beim Fluss gelegen. Es gibt viele Klöster, Türme und Kirchen. Staunend sieht man, wie viel Wein und Getreide dort wächst. Der Ort liegt nicht absolut eben, sondern ihn umgeben bergige Hügel und Täler, die alle üppig und fruchtbar sind. Im Vergleich sah ich von Toulouse bis 34 Die Taufe Chlodwigs (Frankenkönig 481-511) vollzog wohl Bischof Remigius von Reims (459-533), nicht von Poitiers, wie Münzer hier irrig schreibt. Als mögliche Daten gelten die Jahre 496, 498 und 506. Eine These bringt die Konversion mit der Schlacht gegen die arianischen Goten bei Vouillé, auf die Münzer später zu sprechen kommt (siehe S. 191), in Zusammenhang. Hierin könnte die Verwechslung von Reims und Poitiers begründet liegen. Zu den Ereignissen vgl. Becher, Chlodwig I. bes. S.-181-186. 35 Die gebotenen Informationen zum heiligen Leonardus dürften der Legenda aurea des Jacobus de Voragine oder einer ähnlichen Sammlung entstammen. Darin wird von der besonderen Stellung der Eltern des Leonardus am Königshof berichtet, und es finden sich die von Münzer dargelegten Angaben über dessen Wohnort. Enthalten ist dort zudem die Bitte an Gott für die Königin, ihr einen Sohn zu schenken. In der Legenda aurea wird die Taufe des Leonardus durch Remigius von Reims erwähnt, die Münzer aber nicht aufgenommen hat. 36 Nach der Wiederauffindung der Reliquien des heiligen Leonardus 1403 wurden die sterblichen Überreste in einen Schrein mit einem aus Eisen geschmiedeten Gitter gebettet, der oberhalb des Hauptaltars angebracht wurde und noch heute in der Kirche Saint-Léonard zu sehen ist. 37 An der Stelle der Einsiedelei des heiligen Leonardus wurde die Kirche Notre-Dame-sous-les-arbres errichtet, in der die sterblichen Überreste des Heiligen zunächst lagen. Nach der Fertigstellung der Kirche Saint-Léonard um 900 wurden seine Gebeine dorthin überführt. Im 11. Jh. wurden die klösterlichen Gebäude errichtet oder zumindest erneuert. Die Gemeinschaft wurde zu Beginn des 12.- Jahrhunderts den Augustinerchorherren unterstellt. An der Kirche wurden im 12. Jh. große Umbauarbeiten vorgenommen, in deren Zuge auch der Chor neu errichtet wurde. 38 Bereits in der Legenda aurea wird von Wundern zu seinen Lebzeiten, aber auch post mortem berichtet, die vor allem Gefangenenbefreiungen betreffen. 39 Der Pont Saint-Etienne wurde 1203 fertiggestellt. 40 Der Bau der Kathedrale Saint-Etienne wurde um 1260 begonnen. Die Bauarbeiten dauerten bis ins 14. Jh. <?page no="191"?> Über die Stadt Limonia, in der Volkssprache Limoges 191 Poitiers kaum ein so erquickliches Land. Wir ritten also an jenem Tag zu einer kleinen Stadt, die von Saint-Léonard acht Meilen entfernt liegt. Am 26. Februar gelangten wir über die schöne Stadt Saillat(-sur-Vienne) nach 10 Meilen zur Stadt Plaisance, in der die heilige Maria zahlreiche Wunder wirkte. An diesem Tag durchquerten wir größtenteils ebenes Gelände, reich an Wein. Alle kleinen Städte durchfließt der wasserreiche Fluss (Vienne). Am 27. (Februar) reisten wir wiederum durch flache Gegenden, auch zuweilen per Schiff auf dem Fluss Vienne, bis eine gewisse kleine Stadt Civaux erschien. Dort sahen wir einen riesigen Friedhof mit erstaunlich vielen Urnen, Steintafeln und Grabmälern. An diesem Ort tötete Chlodwig, der erste christliche König, viele tausend Goten, die Arianer waren 41 . Es erschien ihm nämlich Hilarius 42 und sagte ihm: „König, ziehe gegen jene Goten, und Du wirst einen Sieg davontragen.“ Als er sich fortbewegte, kam die Magd eines Hirten und zeigte ihm die Furt durch den Fluss Vienne, weil dieser sonst tief und schiffbar ist. Und er (der König) sah auf der Turmspitze der Kirche des heiligen Hilarius in Poitiers, die fünf Meilen von diesem Ort entfernt war, eine brennende Fackel, die seinem Heer leuchtete. Also verwüstete er so viel beim Fluss und beim Ort des Friedhofs, wie man kaum glauben kann. So befreite er die Stadt Poitiers aus den Händen der Goten, die diese besetzt hielten 43 . Noch heute wird am Tag des heiligen Hilarius auf der Turmspitze eine große Fackel als Zeichen dieses Massakers gegen die arianischen Goten entzündet 44 . Über die ruhmreiche Stadt Pictavis, heute Poitiers genannt Wir kamen bei Sonnenuntergang in dieser sehr bekannten Stadt (Poitiers) an. Sie liegt in einer sehr großen, schönen und fruchtbaren Niederung, in deren Mitte sich eine kleinere Hochebene in Art eines Kreises erhebt. Die Stadt ist an drei Seiten von einem tiefen Tal umgeben, im Osten, Westen und Norden. Zwei Wasserläufe durchströmen dieses Tal, einer von ihnen ist groß. Und in der Mitte der Anhöhe befindet sich die so alte und ehrwürdige Stadt. Ich bin zunächst auf die Spitze des höchsten Turmes auf dem Marktplatz gestiegen und betrachtete die Lage, die wie gesagt außergewöhnlich beeindruckend ist. Die Stadt ist doppelt so groß wie Nürnberg, aber sie ist nicht vollständig bebaut; es gibt viele grüne Flächen, aber dennoch ist sie (die Stadt) gut bevölkert. Der äußerst gesunde Ort wird nur selten durch Pestwellen erfasst. Aber jene Gegend ist insgesamt ausgesprochen reich an Früchten, Wein, Getreide, Mandeln und weiteren Dingen. Am letzten Tag im Februar, der Vigil (des Sonntags) Esto mihi (28. Februar), sahen wir dort so viele verschiedene Fleischsorten, Rebhühner, Kapaune und andere Dinge, dass es wunderbar war. Man konnte einen Kapaun für drei Schilling kaufen, von denen 27 ½ einen Écu und einen rheinischen Gulden ausmachen. Alle Lebensmittel gab es äußerst günstig und das Volk ist sehr gesittet und religiös. 41 Schlacht bei Vouillé, wo das westgotische und fränkische Heer 507 unter Führung des westgotischen Alarich II. (†-507) und des fränkischen Chlodwig I. (†-511) aufeinandertrafen. Zum Ort der Schlacht, vgl. zuletzt Mathisen, Vouillé. Zu den politischen Zielen vgl. umfassend den Sammelband Mathisen/ Shanzer, Battle. 42 Hilarius (†-367/ 368), Heiliger und Bischof von Poitiers. 43 Der Historiograph Gregor von Tours schildert die Episode der Flussbewältigung mit Hilfe des Heiligen; ähnlich auch Venantius Fortunatus, vgl. Becher, Chlodwig S.-228 mit Anm. 18. 44 Vgl. hierzu Venantius Fortunatus, Opera pedestria (ed. Krusch) S.-10. <?page no="192"?> 192 VII. Von der Gascogne bis Paris Über die dortigen Kirchen und Klöster Unter den verschiedenen Kirchen und Klöstern sticht zunächst das Kloster der Minderbrüder hervor, die der Observanz folgen 45 . Dort haben wir eine Skulptur der Grablegung unseres Herrn mit den drei Marien, der ehrwürdigen Jungfrau Maria, Sankt Johannes und Josef (von Arimathäa) gesehen. Darüber befanden sich 7 Engel und der Leichnam unseres Herrn. Dies war, wie ich meine, von einer so großen Kunstfertigkeit, dass man aus dem Bild die Gefühle von Trauer und Angst der Personen entnehmen kann, es waren gleichsam lebendige Bilder. Niemals habe ich bisher eine Skulptur so wunderbar ausgeführt gesehen, welche die Emotionen dergestalt ausdrückt. Die Bischofskirche ist jedoch dem heiligen Petrus geweiht, sie ist hervorragend und schön: Sie misst 150 Schritte in der Länge, 46 Schritte in der Breite und das Gewölbe ist in herrlichster Weise ausgestattet 46 . Man findet in der vorgenannten Kirche die größte und schönste Orgel ganz Frankreichs, die ein gewisser bischöflicher Patriarch dort aufstellen ließ 47 . Die größte Pfeife misst 2 Handspannen und 4 meiner Finger im Durchmesser. Sie ist mit goldenen und anderen Farben hervorragend geschmückt. Die Breite (der Kirche) liegt bei achtzehn Schritten. Sie ist größer als diejenige, die sich in Sankt Lorenz in Nürnberg befindet und besonders wertvoll. Es dienen dort viele Kanoniker, die in den verschiedensten Disziplinen beschlagen sind. In der Tat gibt es bei den Poitevinen mehr gelehrte und instruierte Menschen als in allen anderen Gegenden Frankreichs. Diese werden häufig in die Parlamente unter anderem von Paris, Toulouse und sogar von Bordeaux berufen. Und man entsendet sie auch oft ihrer Gelehrsamkeit wegen als Botschafter. Über die Kirche des heiligen Hilarius, des Bischofs von Poitiers Diese Kirche 48 liegt an der südlichen Mauer der Stadt in einem Winkel am Zusammenfluss von zwei Wasserläufen, welche die Stadt umfließen. Die Kirche ist groß und äußerst schön. Es ist eine Kollegiatkirche mit 24 bestens bepfründeten Kanonikern. Vormals wurde sie von Mönchen des Augustinerordens betreut 49 . Wir sahen dort das Grab des Heiligen Bischofs Hilarius, der ein „Hammer gegen die Arianer“ war und der sogar zu seinen Lebzeiten berühmte 45 Die Franziskanerobservanten ließen sich 1388 in Frankreich in Mirebeau nahe Poitiers nieder. Von den 12 Konventen lag 1415 die Hälfte im Poitou bzw. an dessen Grenzen. Ein Hinweis auf die Observanten in Poitiers selbst konnte nicht gefunden werden, vgl. Favreau, Église S.-78. Die Franziskaner sind seit den 40er Jahren des 13. Jh. in Poitiers nachweisbar. Ihr Konvent befand sich wie die anderen Bettelordensklöster nahe des Palastes. 46 Kathedrale Saint-Pierre. Mit dem Bau des heutigen Gotteshauses wurde wohl um 1167 begonnen. 47 1682 wurde eine Orgel bei einem Brand beschädigt und nach 1687 restauriert. Ob es sich um das von Münzer beschriebene Instrument gehandelt hat, ist unklar, vgl. Blomme, Poitiers S.-15 und S.-66. 48 Kirche Saint-Hilaire-le-Grand. Der heutige Kirchenbau stammt im Wesentlichen aus der ersten Hälfte des 11. Jh. Bereits die Vorgängerkirche aus merowingischer Zeit beherbergte das Grab des Heiligen. Vgl. zur Architektur, die das Grab optisch hervorheben sollte, Vinken, Heiligenverehrung. 49 Eindeutig ist eine Regularkanonikergemeinschaft mit 24 Kanonikern erst seit dem 11. Jh. belegt, vgl. Vinken, Heiligenverehrung S.-295 f. <?page no="193"?> Über die Kirche des heiligen Hilarius, des Bischofs von Poitiers 193 Wunder wirkte 50 . Er lebte zur Zeit des Kaisers Konstantius (II.) und des Papstes Leo 51 . Als die arianische Lehre sich so sehr ausbreitete und fast die ganze Erde erfasste, wurde sie durch Dionysius von Mailand, Eusebius von Vercelli und Hilarius von Poitiers bezwungen. Dieser wurde zum Konzil Leos nach Rom gerufen, und weil er ein wenig zu spät den Saal betrat, erhob sich keiner der Bischöfe bei seinem Einzug, um ihm die Ehre zu erweisen oder ihn einfach zu grüßen, und der erzürnte Leo sagte, als er ihn sah: „Bist Du Hilarius, der Gallier? “ „Nicht Hilarius der Gallier, sondern Hilarius aus Gallien“. „Und ich“ so sagte Leo „ich bin Leo, Papst und Richter, der den Sitz Roms innehat“. Aber Hilarius bekräftigte: „Obwohl Du Löwe heißt, bist Du nicht aus dem Stamm Juda 52 , und obwohl Du ein Richter bist, sitzt Du nicht auf dem Stuhl der Majestät“ 53 . Leo antwortete: „Ich werde herausgehen, aber ich werde Dich dieser stolzen Worte wegen erniedrigen“. „Und wenn Du nicht wiederkommst? “ hielt Hilarius ihm entgegen. „Wer wird für Dich antworten? “ Papst Leo ging daraufhin hinaus, und der alte Hilarius blieb in der Versammlung stehen. Er sagte, indem er sich vorgeblich auf den Boden setzen wollte: „Die Erde und die Macht gehören dem Herrn“ 54 . Aber schon bald erhob sich die Erde und formte einen Sitz, der denjenigen der anderen gleich war. Daraufhin entstand ein großes Geschrei, Leo sei tot. Durch dieses Wundergeschehen beeindruckt baten die entsetzten Bischöfe ihrer Verirrungen wegen Hilarius um Gnade. Von diesem Zeitpunkt an war die arianische Häresie im Wesentlichen beendet. Ausführlicher findest Du dies in dessen Legende 55 . Er selbst hat übrigens ein bemerkenswertes Buch über die Heilige Dreifaltigkeit geschrieben, das sich in der dortigen Bibliothek mit weiteren seiner sehr bekannten Werke findet. Sie sind in griechischer Sprache verfasst, denn in der Tat sprach er hervorragend griechisch, obwohl er von bretonischer Herkunft und dort verheiratet war, von seiner Frau auch eine Tochter besaß. Mit der Zustimmung seiner Frau begann er sein geistliches Amt 56 . 50 Hilarius‘ Kampf gegen den Arianismus fand seinen Niederschlag auch in seinen Schriften wie z.- B. in seinem Hauptwerk De Trinitate; vgl. grundlegend Brennecke, Hilarius von Poitiers. - Neben einzelnen Wundern in der ältesten Vita des Hilarius (†-367/ 368) wird von Wundern am Grab des Heiligen berichtet, vgl. Vinken, Heiligenverehrung S.-295. 51 Die folgende Geschichte verwechselt bzw. verschmilzt - wie viele ähnliche Traditionen - verschiedene Personen. Laut Herbers, Der Jakobsweg S.-98 mit Anm. zu Z. 14 ist auch in der Handschrift des Liber sancti Jacobi Arius durch Leo ersetzt worden. In den meisten Fassungen einer entsprechenden legendarischen Erzählung ist Leo zwar als Papst bezeichnet, doch einen solchen gab es zur Zeit des Hilarius von Poitiers (†-367/ 368) nicht. Nach Ansicht von Fuhrmann, Fabel S.-137-140 steht im Kern der Legende vielmehr die Auseinandersetzung zwischen Papst Leo I. (440-461) und Bischof Hilarius von Arles (428/ 429-449). 52 Vgl. Apoc. 5,5. 53 Vgl. Matth. 19, 28. 54 Ps. 23,1. 55 Den Dialog zwischen dem heiligen Hilarius (†-367/ 368) und Papst Leo (440-461) hat Münzer wohl der Legenda aurea entnommen. Da allerdings so gut wie keine wörtlichen Übereinstimmungen zwischen der Legenda aurea des Jacobus de Voragine (†-1298) und dem Bericht Münzers nachweisbar sind, ist es möglich, dass sich Münzer auf eine der zahlreichen anderen Fassungen dieser Erzähltradition bezieht, zu weiteren Überlieferungen vgl. Fuhrmann, Fabel. 56 Münzer bezieht sich hier wohl auf die von Venantius Fortunatus verfasste Vita sancti Hilarii. Darin wird von seiner Herkunft aus Britannien berichtet; so heißt es auch, er habe Frau und Tochter gehabt. <?page no="194"?> 194 VII. Von der Gascogne bis Paris Er verfasste zudem einen vorzüglichen Prosagesang, den man bei den Poitevinen jeden Sonntag zu Ehre der Dreifaltigkeit singt, vom Dreifaltigkeitssonntag bis zum Advent. Hier ist der Wortlaut: Auf den Vater, den Eingeborenen, den Heiligen Geist, dem Wesen nach Eines, auf den einen Gott, in Wahrheit jedoch dreifaltig, das, was den einzelnen Dingen eigen ist: Sie sind so unterteilt, dass sie in Vielem übereinstimmen. Einem jeden der Dreien und auch den Dreien zusammen ist etwas gemein, und in ihrer Verschiedenheit sind sie lobenswert. Der Eingeborene ist nämlich nicht der Vater, und daraus geht Weiteres hervor, und von beiden atmet dieser (der Heilige Geist) in der Einheit aller; dennoch existieren sie, ohne Unterschied. Kurzum - sie sind identisch, jeweils ein Einziges, nicht viele Wesen. Nur einen Ursprung der Dinge gibt es, nicht viele Ursprünge. Einen Urheber, ein einziges Wesen, durch das alles geschaffen ist. Was geschaffen ist, ist auf unterschiedliche Weise veränderbar, doch ist es das nicht von sich aus: Für Vieles gibt es wirklich Subsistenzen. Denn sie sind ausschließlich das, was sie sind, in einer einzigen Substanz, Gottvater und die aus ihm geborene Weisheit (der Sohn), und beider Geist, der gnadenvoll dazugegeben wird. Dadurch sei dem einzig wahren Gott Ehre und Ruhm. Amen. 57 Viel wäre über dessen Wunder zu schreiben, aber aus Gründen der Kürze lasse ich dies weg. In derselben Kirche des heiligen Hilarius ruhen auch die Gebeine der ehrwürdigen Fortunatus und Gelasius, beide Bischöfe von Poitiers, die nicht zuletzt ihrer Wunder wegen berühmt sind 58 . Poitiers besitzt zudem eine Universität, an der viele bemerkenswerte Männer sind, sie halten Vorlesungen, promovieren Doktoren und praktizieren alle akademischen Aufgaben mit dem größten Eifer 59 . 57 Analecta Hymnica 54 S.-251 f. 58 Venantius Fortunatus, (†-um 600), Heiliger und Bf. von Poitiers. - Ob Gelasius in der zweiten Hälfte des 4. Jh. Bischof von Poitiers war, bleibt unklar, vgl. die Liste im Sammelband von Favreau, Diocèse S.-341. 59 Zum Studium Generale in Poitiers vgl. Boissonnot, Histoire S.-10-13. <?page no="195"?> Über die sehr schöne Stadt Turo, volkssprachlich Tours 195 Über den Aufbruch aus der Stadt Poitiers Am ersten März, dem Sonntag Esto mihi, verließen wir zur achten Stunde, nachdem wir die Messe gehört hatten, die ehrwürdige Stadt Poitiers in Richtung einer großen und langgestreckten Stadt Châtellerault, die sieben Meilen von Poitiers entfernt liegt. Auch diese umfließt der bekannte Fluss, der Vienne heißt und jene Gegend fruchtbar macht, die reich an Wein, Getreide und anderem sich bis nach Tours erstreckt, das 21 Meilen von Poitiers entfernt liegt. Wir ritten sodann durch viele klare Wasser, von denen sogar einige schiffbar sind, durch schöne Städte und Weiler bis nach Tours. Der Weg, den wir von Genf bis Perpignan geritten sind, beträgt 134 Meilen. Von Pamplona bis Toulouse sind es 51 große Meilen. Von Toulouse bis Paris 162. Von Paris bis Rouen 28. Nach Dieppe 14. Nach Saint-Josse 19. Nach Abbéville 9. Nach Amiens 10. Nach Arras 14. Es sind von Pamplona bis Arras 307 Meilen 60 . Über die sehr schöne Stadt Turo, volkssprachlich Tours Am 2. März betraten wir nach der Vesper die sehr schöne Stadt Tours. Schon früh gingen wir zur Kollegiatkirche des heiligen Martin 61 und, nachdem wir den Herrn Kustos gesprochen hatten, wurde sie uns geöffnet, damit wir den Leichnam des heiligen Martin, des Erzbischofs (! ) von Tours 62 , sehen konnten. Der Kustos versammelte das gesamte Kapitel. Nach einem von mir vorgebrachten Gebet zum Lob des heiligen Martin und nachdem ich unsere Reise und unseren Wunsch erläutert hatte, jene Reliquien zu sehen, erbaten wir dies. Sie ließen zunächst ein Hochamt vor dem Grab mit (Sänger)knaben von 8 oder 9 Jahren singen. Nach der Messe intonierten sie ein sehr schönes Responsorium des heiligen Martin. Danach wurde das Grabmal mit drei Schlüsseln geöffnet, über die drei wichtige Kanoniker verfügten. Dann zeigte man uns zunächst das Haupt des heiligen Martin. Und nach Ablegen der Krone küssten wir den 60 Vgl. zu diesen eingeschobenen Distanzangaben, die sich auch in anderen Berichten finden, Herbers/ Plötz, Santiago S.- 219-225 und öfter. Die Angaben dürften im vorliegenden Fall mit den kosmographischen Interessen Münzers zusammenhängen, jedoch bietet das Itinerarium nichts Vergleichbares an anderer Stelle. Auch bleibt die Aufzeichnung ab Rouen merkwürdig, wenn man Münzers späteren Weg verfolgt. Findet sich hier vielleicht das Relikt eines seiner Notizzettel? 61 Saint-Martin. Der Bau der Kollegiatkirche wurde Ende des 11. Jh. begonnen und in den folgenden Jahrhunderten, insbes. während des 13. Jh., mehrmals verändert. Die Kirche wird häufig als „Pilgerbasilika“ bezeichnet. 62 Martin, Heiliger und Bf. von Tours (371-397). <?page no="196"?> 196 VII. Von der Gascogne bis Paris Schädel und erhielten Zeichen 63 . Wir betrachteten aber die Krone, die aus reinstem Gold und groß war; wir sahen unzählig viele wertvolle und große Gemmen von unschätzbarem Wert. Und zweifellos sind alle Gemmen echt und nicht gefälscht. Es wäre abwegig, wenn von den Königen Frankreichs in einen so großen ihrer Schätze Fälschungen gemischt würden. Anton Herwart zählte 46 sehr große Gemmen, die so viel wert sind wie das ganze Königreich. Ich verschweige die unzähligen anderen Gemmen und runden Perlen. Ich nenne ebensowenig die Edelsteine auf Brust oder Hals und diejenigen, die sich unterhalb des Halses befinden. Oh, wie breit die Bänder und Bordüren dieser Krone aus reinstem Gold sind 64 ! Danach sahen wir den vorderen Teil des Sarkophages und des Schreins, in dem dessen Leichnam verschlossen ist und der mit so viel Gold, Gemmen, Perlen aller Art verziert ist, dass es nichts Besseres gibt 65 . Wir sahen auf der Spitze des Schreins drei sehr große Smaragde. Sie sind wahrhaftig wertvoller als hunderttausend Dukaten. Und welch großer sechseckiger Diamant! Wegen des unschätzbaren Wertes stockte uns der Atem beim Anblick dieser Dinge. Auch das Gitter war vorne und hinten versilbert, was Ludwig (XI.) kurz vor seinem Tod ausführen ließ 66 . Das gesamte Gitter soll angeblich siebentausend Silbermark wert sein. Die Krone und das Kopf(reliquiar) gab König Karl VII. in Auftrag 67 , und die folgenden Könige fügten bis heute weitere Schmuckstücke hinzu. Ein allgemeines Sprichwort sagt, dass der heilige Martin den Schatz des Reiches besitze. Und ich glaube das gerne, denn so unglaublich und so ausgewählt ist dieses Monument. Etwas Vergleichbares haben wir noch nicht gesehen. Wir verließen die Kirche, und einer der Kanoniker kam uns mit Wein und Brot entgegen. Mit großer Dankbarkeit sei Gott gelobt! Danach bestiegen wir den höchsten Turm dieser Kirche und nahmen die Lage des Ortes in Augenschein. Beim Aufstieg trafen wir auf zwei äußerst große Glocken, die eine Betrachtung mehr als verdienten. Die Stadt Tours liegt aber in einer schönen und äußerst großen Ebene; der sehr berühmte und schiffbare Fluss Galliens, die Loire, umfließt sie im Norden bei den (Stadt)Mauern. Im Süden gibt es einen anderen schönen Fluss, (Cher) genannt, der etwa eine Viertelmeile von den Mauern entfernt ist. Tours hat sehr große Vororte, und (die Stadt) ist groß und sehr gut bebaut. Wahrhaftig ist die Stadt ein Garten und Paradies der Freuden mit Grünflächen und anderen anmutigen Orten. Sie ist doppelt so groß wie Nürnberg. Und ein an einer Stelle mit Häusern bebauter Vorort ist von den Mauern der Stadt bis zum Palast des Königs in der Länge 63 Münzer bezeichnet mit dem Wort corona wohl eine Mitra oder eine andere Kopfbedeckung, vgl. Gasnault, Pèlerinage S.- 198 Anm. 5; zu den signa als Pilgerzeichen vgl. Köster, Pilgerzeichen S.- 17-20; Herbers/ Kühne, Einführung bes. S.-7-12. 64 Das Kopfreliquiar des heiligen Martin, 1562 von Hugenotten zerstört, hatte die Form einer Büste und wurde von Pariser Goldschmieden im Auftrag Kg. Karls VI. hergestellt. Im Inventar des Klosters von 1493 findet sich eine ähnliche Beschreibung wie die von Münzer mit Ausnahme der Anzahl der Edelsteine, bei denen sich Anton Herwart vermutlich verzählte: Nicht 46, sondern 42 Edelsteine zierten das Reliquiar, vgl. Gasnault, Pèlerinage S.-198 f. 65 Der Schrein mit den Gebeinen des heiligen Martin war ein Werk des Turoneser Goldschmieds Jean Lambert. Die Beschreibung des äußerst reich verzierten Sarkophags im Inventar von 1493 stimmt etwa mit der Schilderung Münzers überein, vgl. Gasnault, Pèlerinage S.-199 und Anm. 9. 66 Das eiserne Gitter wurde 1478/ 79 im Auftrag des wenige Jahre später (1483) verstorbenen Kg. Ludwig XI. durch ein Gitter aus Silber ersetzt. Angefertigt wurde es vom Turoneser Goldschmied Jean Gallant le Jeune, vgl. Gasnault, Pèlerinage S.-199. 67 Münzer verstand hier wohl die Erklärungen falsch. Das Kopfreliquiar des heiligen Martin wurde anlässlich seiner Translation am 1. Dezember 1323 von Kg. Karl IV. dem Schönen (1322-1328) in Auftrag gegeben, vgl. Gasnault, Pèlerinage S.-198 f. <?page no="197"?> Über das Schloss des Königs - Tours 197 etwa eine italische oder gallische Meile entfernt. Die Stadt erstreckt sich eher in der Länge als in der Breite an den Ufern der Loire, wie das in Flussstädten üblich ist. Sie zählt viele Klöster, ist sehr dicht besiedelt, und das Volk ist sehr gesittet. Über das Schloss des Königs Nach dem Essen verließen wir die Stadt durch einen sehr langgestreckten Vorort, sahen einige vornehme Häuser innerhalb von Gärten und gelangten nach einem langen Weg endlich zum allseits bekannten Schloss des Königs 68 . Die Bauweise des Schlosses ist nicht exquisit, alles richtet sich zur Zierde der Gärten aus. Das Schloss wird von einem sehr großen Park mit einer Mauer umgeben, in dem sich Damwild, Hirsche, Hasen, Kaninchen und andere Tiere befinden. Wälder, Ziergärten, Apfel- und Weingärten gibt es - man könnte sagen - wie in einem irdischen Paradies. Eine hervorragende Kapelle mit 12 Kanonikern befindet sich dort, die ununterbrochen die Stundengebete zur heiligen Jungfrau singen; der verstorbene König Ludwig hat sie eingesetzt 69 . Ebenso befindet sich in der Nähe der Ummauerung ein neues Kloster der Minderbrüder der strengsten Observanz 70 - wie du unten zur Stadt Amboise hören wirst 71 - wir gingen dorthin, um ihr Kloster zu sehen und wurden von ihnen gütig behandelt. Vom Schloss kehrten wir aber über einen anderen langgestreckten Vorort zurück und schließlich an den Stadtmauern angekommen, erreichten wir wieder nach einem langen Umweg unsere Herberge. Über die Kirche des heiligen Cassian, die Bischofskirche ist Diese sehr schöne Kirche 72 ist 160 Schritte lang und 46 Schritte breit; sie besitzt zwei Lateralschiffe auf jeder Seite sowie ein drittes für die Kapellen. Sie ähnelt der Kirche des heiligen Martin, ist aber schöner, heller und stärker nach geometrischen Plänen erbaut; in Länge und Breite sind beide ähnlich. Sie ist mit 50 Kanonikern, 24 Vikaren und mehreren Kaplänen ausgestattet. Ebenso hat die Kirche des heiligen Martin 50 Kanoniker und Pfründen im Wert von zweihundert Écus. Der König selbst ist ihr Abt. Sie unterstehen wie der Orden des heiligen Benedikt unmittelbar dem Papst . Dieser heilige Cassian war Schüler des heiligen Petrus und der erste Bischof von Tours 73 . Es befinden sich mehrere Reliquien in der Kirche, vor allem 68 Château de Plessis-lès-Tours. Ab 1444 wurde Tours zu einem wichtigen Sitz des Königshofes. Daher erwarb Kg. Karl VII. (1422-1461) 1464 ein außerhalb der Stadt gelegenes kleines Schloß namens Montils, das sein Sohn Ludwig XI. (1461-1483) zu seiner Lieblingsresidenz machte und Plessis-du-Parc nannte. Das Schloss lag nun innerhalb einer ausgedehnten umzäunten Parkanlage mit großem Tierbestand. Zu Ludwig XI. und den in seinem Park gehaltenen Tieren vgl. Paravicini, Tiere S.-584-590. 69 Kapelle Saint-Jean, die in dem Teil des Schlosses lag, wo der König residierte. 70 Kg. Karl VIII. (1483-1498) gründete zu Ehren von Franz von Paola, dem Gründer des Miniminenordens, ein Kloster im Park von Plessis-lès-Tours sowie eines in Amboise, siehe unten S. 204 f. 71 Siehe ebd. 72 Kathedrale Saint-Gatien (Patrozinium vorher: Mauritius), die zwischen 1240 und 1547 wegen des baufälligen Zustandes des romanischen Vorgängerbaus aus dem 12. Jh. errichtet wurde. 73 Der heilige Gatian (französisch auch Cassien oder Gratien; †- Ende 3. Jh.), wird in den meisten Quellen und Dokumenten als erster Bischof von Tours geführt. <?page no="198"?> 198 VII. Von der Gascogne bis Paris jenes Gewand, das sich verlängerte, als der Leib des Herrn erhoben wurde, wie du in seiner Legende hören kannst 74 . Es existieren noch viele andere bekannte Kirchen, aber diese beiden sind die bedeutendsten. Über das große Kloster des heiligen Martin vor den Mauern (Marmoutier) 75 Am 3. (März) überquerten wir früh über zwei sehr große und lange Brücken, deren eine 18 Bögen besitzt 76 , die Loire, einen schiffbaren und großen Fluss. An deren Ufern im Osten stiegen wir eine Meile an und erreichten das sehr große, hervorragende und bekannte Kloster des heiligen Martin. Dazwischen ist jene Gegend vollständig besiedelt, zur rechten Hand waren der Fluss und überall schönste Gärten. Links erhob sich hügeliges Land voll mit Gärten und unzähligen Behausungen, die in die Berge wie Krypten eingeschlagen und eingeschnitten sind. Es befinden sich äußerst schöne und große Wohnstätten in den Hohlräumen des Berges und auf der Anhöhe schöne Wege; niemals sahen wir so viele und so schöne Häuser, die in einen Berg gegraben sind 77 . Diese Behausungen werden von vielen Gärtnern und anderen dort Lebenden bewohnt. Es ist wirklich ein sehr erquicklicher Ort. Wir betraten sodann das äußerst bekannte Kloster, das sehr viel Raum umfasst und insgesamt durch eine hervorragende Mauer umgeben ist. Zunächst traten wir in die Kirche ein, die der Kirche des heiligen Gatien in Tours ähnelt, aber größer, schöner und wertvoller ist. Denn wenn die Kirche des heiligen Martin schön, diejenige des heiligen Gatien schöner, dann ist diese doch am schönsten. Wir sahen zunächst nach dem Anstieg vieler Stufen eine bekannte Kapelle, die in den Berg geschlagen war und in der sich eine schöne Krypta befindet, in der der heilige Martin seine Buße leistete 78 . Wir sahen auch den Ort, an dem der Teufel Erbsen auf die Stufen legte, und der Heilige, als er sich nachts erhob, um zur Matutin zu gehen, der Erbsen wegen die Stufen herabstürzte und sich zwei Rippen brach. Ihm näherte sich dann die selige Jungfrau mit den Heiligen Petrus und Paulus und übergab ihm Balsam in einem besonderen Gefäß. Durch diese Salbung führte sie ihn zur Gesundheit zurück. Das Gefäß sahen wir, wie unten (beschrieben) 79 . 74 Viele Reliquien wurden im Zuge der Reformation und der Französischen Revolution zerstört. Jenes von Münzer hier genannte, auch in der Vita Martini erwähnte Kleidungsstück konnte nicht nachgewiesen werden. 75 Die östlich von Tours gelegene Gründung geht zurück auf den heiligen Martin. Die Blütezeit von Marmoutier war im 11. und 12. Jh., als das Kloster zu einer der mächtigsten Abteien Frankreichs aufstieg. 76 Münzer meint den Vieux Pont, dessen Errichtung 1034 von Odo II., Gf. von Blois-Champagne (†-1037), in Auftrag gegeben wurde. Die Brücke besitzt allerdings 23 Bögen, die weder von gleicher Höhe noch alle miteinander verbunden sind. - Bei der anderen von Münzer erwähnten Brücke handelt es sich wohl um diejenige, welche die Abtei Marmoutier mit der befestigten Stadt verband. 77 Die Ausstrahlungskraft des heiligen Martin zog zahlreiche Schüler an, von denen die meisten in Höhlen wohnten. Der weiche turonesische Kalk eignete sich hierzu. 78 Die Grotte „Le repos de saint Martin“ wurde im 10. Jh. in die Bauten der Abteikirche integriert. Im neuen Kirchenbau aus der Mitte des 13. Jh. bezog man die Grotte in das Querschiff mit ein. 79 Bereits Sulpicius Severus (†- 420/ 425) berichtet in seiner Martinsvita (Kap. 20), dass der heilige Martin (†-397) eines Tages von einer Treppe stürzte und sich dabei schwer verletzte. Darauf erschien ihm ein Engel und heilte seine Wunden mit Balsam. Die von Münzer geschilderte Fassung lässt sich schriftlich erst im 14. Jh. nachweisen. Demnach verursachten die Erbsen, die der Teufel auf die Treppe gestreut hatte, den <?page no="199"?> Über das große Kloster des heiligen Martin vor den Mauern - Marmoutier 199 Zum zweiten sahen wir jenes kleine quadratische Gefäß in dunkelroter Farbe, es besitzt weder Ausguss noch Öffnung und dennoch scheint das Öl herauszufließen, wenn man es auf- oder abwärts bewegt. Jenes Gefäß ist aus einem Material, das weder Metall, noch Glas noch Stein ist. Man kennt das Material eben nicht, und auch ich selbst konnte dies nicht entscheiden. Zum dritten sahen wir den Gürtel des heiligen Martin in einfacher Form, wie die Gürtel der Eremiten zu sein pflegen. Viertens sahen wir drei schöne Gefäße und Schreine auf dem Hauptaltar, die aus vergoldetem Silber waren mit vielen Reliquien der Heiligen und unter anderen diejenigen des heiligen Fulgentius, des sehr bekannten Doktors 80 . Fünftens sahen wir den wertvollen Hauptaltar mit vergoldeten Silbertafeln und den Bildern aus dem Leben Christi von der Geburt bis zu dessen Himmelfahrt, sehr ansprechend zu betrachten. Sechstens: Wir gingen aus der Hauptkirche hinaus und betraten über einige Stufen hinauf die Kapelle der heiligen Siebenschläfer 81 . Ich unterstreiche nachdrücklich, dass diese Kapelle schön und groß in einen Berg gehauen wurde. Es gab nämlich sieben Schläfer, die aus Pannonien stammten 82 . Der König der Hunnen, Florus 83 , war ihr Großvater, und sie waren vom Blut des heiligen Martin. Nachdem sie alles verlassen hatten, irrten sie wie arme Pilger mehrere Jahre umher. Schließlich gelangten sie nach Tours, wo sie unter dem heiligen Martin 16 Jahre und nach dem Tod des heiligen Martin unter dem ersten ihm nachfolgenden Abt <5> lustra, das heißt 25 Jahre, nach einer äußerst strikten Regel wie Eremiten in den Höhlen lebten 84 . Schließlich erschien ihnen der heilige Martin und sagte: „Es ist Zeit, dass Ihr der himmlischen Krone würdig aus dieser Welt scheidet. Morgen wird Euch unser Schüler, der heilige Brictius 85 , samt einer Engelschar mit der Wegzehrung versehen. Und weil Ihr in dieser Welt körperlich die Versuchungen des Fleisches gemieden habt, so werdet Ihr diese Welt ohne körperliche Unfall des Heiligen. Die frühesten bildlichen Darstellungen der Reliquie zeigen Tours, schriftliche Quellen des 15. Jh. nennen Marmoutier als Aufbewahrungsort. Beschreibungen dieses Fläschchens finden sich erst im ausgehenden Mittelalter; eine davon in Münzers Itinerar (nach der Erzählung eines Mönches in Marmoutier? ). Näheres hierzu bei Gasnault, Pèlerinage S.-200 f. und Ders., Ampoule. S.-152. Der Großteil der klösterlichen Schatzkammer wurde 1562 zerstört. Zu den folgenden Schätzen vgl. vor allem Chapu, Trésor S.-121. 80 Fulgentius, Heiliger und Bf. von Ruspe in Afrika (507-527). Er verfasste Schriften vor allem gegen den Arianismus und den Semipelagianismus. Seine Reliquien sind seit 1792 nicht mehr in Marmoutier nachzuweisen. 81 Die Kapelle Sept-Dormants (Siebenschläfer) wurde unterhalb der Grotte gleichen Namens erbaut. 82 Römische Provinz Pannonia, die nach dem illyrischen Aufstand 6-9 n.-Chr. von der Provinz Illyricum abgetrennt wurde. 83 Nach der Legende über die Siebenschläfer von Marmoutier (von vor 1156) entstammte der heilige Martin dem ungarischen Königshaus. Sein Großvater sei der ungarische Kg. Florus gewesen. Der heilige Martin hieß zunächst auch Florus, nahm jedoch nach seiner Taufe den Namen Martin an. 84 Die sieben Cousins, von denen die Tradition berichtet, waren die Söhne zweier jüngerer Brüder von Martins Vater Florus II. und wurden von Martin zum Christentum bekehrt. Sie führten ein asketisches und missionarisches Leben. Nachdem sie Martin in Tours besucht hatten, pilgerten sie nach Rom, Santiago de Compostela und nach Jerusalem, bis sie schließlich nach Marmoutier zurückkehrten. Dort lebten sie in einer kleinen Zelle als Eremiten. Nachdem sie alle zum selben Zeitpunkt verstorben waren, lagen sie friedlich zusammen in ihrer Zelle; daher erhielten sie den Namen „Siebenschläfer“, vgl. Oury, Dormants S.-316-318. - Zur Angabe der lustra siehe S. 35 Anm. 26. 85 Brictius (4.-5. Jh.), Heiliger, Schüler und Nachfolger des heiligen Martin als Bischof von Tours. <?page no="200"?> 200 VII. Von der Gascogne bis Paris Schmerzen verlassen“. Und so geschah es. Mit der Wegzehrung des Herrn ausgestattet, hauchten sie sogleich ohne Schmerz wie Schlafende den Geist aus, mit ihren roten Wangen glichen sie Lebenden und Schlafenden. Ihre Krypta war sieben Tage lang von einem kräftigen süßen Duft erfüllt. Wie wir sahen, wurden schließlich ihre Körper auf beiden Seiten der Krypta bestattet, während ihre Seelen im Herrn ruhen. Siebtens sahen wir ihr sehr großes Dormitorium. Sie haben keine Zellen, sondern schlafen in einem weiten geschlossenen Saal zusammen. Sie besitzen andererseits einen sehr großen Raum für die persönlichen Dinge und die Ausscheidungen. Auch ihr Refektorium ist groß und gewölbt, man wähnt sich in einer großen Kirche. Ebenso haben sie eine wunderbare Küche in Form eines großen Kreises, der in 8 einzelne Kreise aufgeteilt ist und für 8 Küchen ausreicht. Dazu kommen viele hohe Kamine in Form eines erhobenen Turms. Noch nie habe ich in meinem Leben eine solche Küche gesehen 86 . Papst Nikolaus (V.) sagte, als er nach Tours vor Beginn seines Papsttums geschickt wurde und die Küche sah: „Außen hui, innen pfui“ 87 . Die Mönche sind vom Orden des heiligen Benedikt und sehr begütert, sie haben viele Priorate und Pfarreien unter sich, die sie den Ihrigen und anderen übertragen. Der heilige Martin hat freilich zu seinen Lebzeiten unter anderem drei Klöster gegründet: eines bei Mailand, eines bei Tours nach der Regel des heiligen Augustinus, heute der Kanoniker, und jenes dritte, das er als größeres Kloster 88 benannt wissen wollte. Und dies ist wahrlich groß. Dort behandelte man uns sehr zuvorkommend. Der heilige Martin stritt zunächst unter Julianus Apostata 89 , einem Bruder von dessen Mutter Konstanze; der Vater war Florus, König der Bewohner Pannoniens 90 . Er kam in die westlichen Provinzen Galliens, diente Gott und stand (als Abt) 26 Jahre (dem Kloster) vor. Es vergingen freilich von der Passion unseres Herrn bis zur Leitung Martins 370 und bis zu dessen Heiligsprechung 68 Jahre 91 . Dies alles findest du in seiner Geschichte in ausführlicher Weise 92 . 86 Hier findet sich in der Handschrift eine Zeichnung, die das Erstaunen Münzers dokumentiert, siehe Abb. 7. 87 Vgl. das Wortspiel der lateinischen Fassung: Foris polita, intus polluta est. 88 Über eine Einsiedelei bei Mailand, die Sulpicius Severus (†-420/ 425) erwähnt, ist nichts Genaues bekannt. Münzer meint zum zweiten hier möglicherweise das Stift Saint-Martin in Tours, welches jedoch keine Gründung des heiligen Martin von Tours (†-397) ist. Die dritte „Gründung“ bezeichnet die Abtei Marmoutier. 89 Flavius Claudius Julianus ( Julian Apostata), römischer Ks. (361 Gegenkaiser, 362-363). 90 Münzer scheint an dieser Stelle zwei Quellen durcheinander zu bringen. So nimmt er nochmals Bezug auf die Siebenschläfertradition, wenn er den ungarischen Kg. Florus als Vater des heiligen Martin bezeichnet. 91 Diese Zahl ist fiktiv, sie würde auf das Jahr 465 führen. Martin wurde aber durch Verehrung zum Heiligen. Allerdings nahm Bf. Perpetuus von Trier (461-491) Martin in den Heiligenkalender auf und machte so dessen Verehrung und Festtag bekannt, was Münzer hier meinen könnte. 92 Münzer spielt hier wohl auf die Vita des heiligen Martin von Sulpicius Severus oder andere Schriften an, die er in seinem vorstehenden Bericht mehrfach genutzt zu haben scheint. <?page no="201"?> Abb. 7: Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 431, fol. 223v Münzer zeichnet im Kloster Marmoutier bei Tours eine Küche mit mit acht kleineren (auf der Zeichnung sieben) Küchen, die wie Radialkapellen angeordnet sind. Dies beeindruckte ihn sehr, weil hier viele Köche gleichzeitig - jeder in seinem „Reich“ - arbeiten können. <?page no="202"?> 202 VII. Von der Gascogne bis Paris Über das Verlassen von Tours nach Ambasia, volkssprachlich Amboise Am 4. März verließen wir nach dem Essen jene sehr berühmte Stadt entlang den Ufern des Flusses Loire. Durch entzückende Orte und eine fruchtbare und sehr schöne Ebene, die sich über beide Flussufer erstreckt, gelangten wir nach sieben kleinen Meilen zur edlen Stadt Amboise, die rundum schön und ausgezeichnet ist, wie deutlich werden dürfte. Die Stadt ist idyllisch gelegen. Im Norden fließt an den Mauern die sehr berühmte Loire, ein Fluss Galliens, mit einer vorzüglichen überdachten Brücke, die von hervorragenden Mühlen gesäumt wird. Im Süden gibt es ebenso einen kleinen Flusslauf 93 , und nach Osten hin liegt an dessen Quelle ein sehr edles Schloss. Ich glaube, es ist eines der bekannteren Schlösser ganz Frankreichs und der Gallia Aquitania. Dieses Schloss ist nämlich einstmals von Julius Caesar erbaut worden, dessen Überreste und Zeichen bis heute gesehen werden können 94 . Restauriert wurde es von den Königen Frankreichs, bisher so schön, wie man kaum sagen kann 95 . Dieses äußerst große Schloss ist, wie ich sage, kreisförmig angelegt und hat eine Kapelle für 12 Kanoniker, herausragende Säle, Paläste und Höfe, und die meisten Könige verbrachten dort der Lust und Gesundheit wegen lange Zeit. Es ist ein sehr angenehmer Ort, was der Ebene mit ihren Wäldern, Gärten, Wasserläufen und anderem geschuldet ist. Zum Norden gibt es weit ausgedehnte Felder mit Kaninchen, Rebhühnern, Wachteln, Enten und anderen Vögeln. Außerdem ist die Loire reich an verschiedenen Fischarten. Als wir dort waren, fingen sie eine erstaunlich große Menge von Neunaugen. Ich hätte 10 oder 12 große Neunaugen für einen rheinischen Gulden kaufen können. Sie sind eine Elle lang, dick wie Aale und hervorragend im Geschmack. Im Südosten gibt es außerdem einen ausgedehnten Wald, der 7 Meilen in der Breite misst, von der Länge will ich nicht reden. Er ist voller Hirsche, Damwild und anderer Tiere zur Jagd. Zu jener Zeit weilte dort der Dauphin 96 , der Erstgeborene des Königs Karl (VIII.), mit dem Namen Orlandus (Roland) Karl, ein Knabe von 30 Monaten, der für alles geeignet ist 97 . Wir machten die Bekanntschaft des sehr bekannten Doktors Jean Michel, gallischer Herkunft, ein Experte der Medizin, der für die Gesundheit des Dauphins verantwortlich war 98 . Dank dessen 93 Masse. 94 Um 51 v.-Chr. besetzten die Römer unter Caesar den Platz des heutigen Amboise. Die Bemerkung Münzers, Caesar habe dort ein Kastell errichten lassen, geht auf den Liber de compositione castri Ambazie zurück, eine legendenhafte Erzählung über die Eroberung Caesars, derzufolge er bei Amboise einen Wohnsitz errichten ließ, vgl. Babelon/ Leroux, Château d'Amboise S.-18-23. 95 1434 gelang es Kg. Karl VII., die Stadt und das Schloß Amboise in den königlichen Besitz zu integrieren. Unter der Herrschaft Ludwigs XI. war das Schloss vornehmlich Residenz des Thronfolgers, des späteren Karl VIII., und seiner Mutter, Königin Charlotte von Savoyen (†- 1483). Karl VIII. machte es zur königlichen Residenz. Die Umgestaltung des Schlosses im Stil der Renaissance erfolgte in den Jahren um 1495, war wohl zur Zeit Münzers schon weitgehend abgeschlossen. 96 Der Name ‚Dauphin’ (lat. Delfinus, Delphinus) entwickelte sich während des 13.-Jahrhunderts zum senioralen Adelstitel. Spätestens seit dem 15. Jh. wurde der älteste Sohn und Erbe des französischen Königtums in der Umgangssprache als Dauphin bezeichnet. 97 Thronfolger Charles (Karl) Orland (1493-1495), Sohn Kg. Karls VIII. von Frankreich. 98 Man unterscheidet mehrere Personen mit dem Namen Jean Michel, die im 15. Jh. belegt sind. Darunter Jean Michel de Pierrevive (†-1495 in Italien), Leibarzt Kg. Karls VIII., sowie Jean Michel (†-1505), ebenfalls Arzt am Hofe Karls VIII. Goldschmidt identifiziert den Leibarzt Karl Orlands als Jean Michel de Pierrevive und hält ihn für den berühmten Mysteriendichter, vgl. Goldschmidt, Hieronymus Münzer S.-91 f. Nach Labande-Mailfert war Jean Michel Mysteriendichter und Arzt in Angers und vielleicht zugleich als <?page no="203"?> Über das Verlassen von Tours nach Ambasia, volkssprachlich Amboise 203 Anstrengungen und Umsicht sowie derjenigen anderer sehr bekannter Männer sahen wir den Dauphin unter den folgenden besonderen Umständen. Denn in der Tat werden das Schloss ebenso wie der Sohn und Dauphin durch die großen Männer und verdienten Ritter unter einem so festen und strikten Verschluss gehalten, dass niemandem der Zugang offensteht, wenn er nicht einen Siegelbrief des Königs besitzt. Nachdem ich aber mit diesen sehr bekannten Männern über den Wunsch, diesen Knaben zu sehen, gesprochen hatte, taten sie freundlich das, was sie konnten und sogar mehr. Sie gaben uns Anweisung, am Fuß des Schlosses auf der Loire-Brücke zu stehen, und sie brachten mit einer Schar von Höflingen den Heranwachsenden, der in ein weißes Gewand gekleidet war, auf die Mauern und zeigten diesen, von allem weit entfernt, mit großer Ehrfurcht und in Stille. Es waren erstaunlich viele Ritter mit ihren Lanzen anwesend. Uns gefielen dieser Anblick und diese Ehren sehr, die uns als Fremden und Deutschen erwiesen wurden! Der Dauphin wird bis zum Alter von sieben Jahren nur in ein weißes Gewand gekleidet und jeden Samstag wird die gesamte Kleidung um der Liebe Gottes willen verschenkt und neue angezogen. Später sandten sie uns in die Herberge zwei silberne Flaschen mit weißem und rotem Wein des Dauphins. Sein Arzt erklärte uns nämlich, dass er abgestillt und an den Wein gewöhnt werde, er habe mir deshalb den Wein geschickt, damit ich beurteilen möge, ob er ihm guttue. Mir und meinen Gefährten, vor allem Nikolaus Wolkenstein, schmeckte dieser geschenkte Wein sehr gut. Es gab außerdem eine riesige Frau von immenser Größe, die in der Stadt Raymund in Savoyen geboren war und die von einer solchen Statur war, dass dies sonderbar erschien. Sie maß in der Tat 10 Handspannen, war aber trotz ihrer Fülle in ihren Körperteilen bestens proportioniert; sie war verheiratet, aber unfruchtbar und hatte noch nicht geboren. Auf unsere Bitten hin führte der Graf und Befehlshaber sie für uns zu einem Schauspiel aus dem Schloss heraus auf ein schönes Feld; er war begleitet von seiner Ehefrau, vielen Mägden und hundert Rittern, die mit ihren Lanzen bestens ausgestattet waren. Wie viel Ehre uns erwiesen wurde, vermag ich nicht zu erzählen! Dieses Schloss besitzt auch einen ausgehöhlten Berg mit vielen Krypten, Sälen, Stallungen etc., dass man sich in einem Labyrinth wähnt 99 . Über den Namen des Dauphin und seine Sitten Anna, die Tochter des Herzogs von der Bretagne, hatte mit Karl VIII. die Ehe geschlossen 100 . Als sie schwanger geworden war und während im Schloss zu Tours die Stunde und die Mühen der Geburt sich näherten, schickte Karl sogleich nach dem Bruder Franz von Paola, damit er Gott um einen männlichen Spross und um die Befreiung der Königin (von ihren Wehen) bitte. Nachdem der Eremit zu Gott gebetet hatte, sagte er dem Boten: „Eile zu Deinem König Mediziner für Karl VIII. oder seinen Erstgeborenen tätig. Jean Michel de Pierrevive (†- 1495) war ihrer Meinung nach der Leibarzt Karls VIII. und Jean Michel - wohl identisch mit dem, dessen Sterbedatum von Chereau 1505 angesetzt wird - hält sie für den Leibarzt Karl Orlands. Dieser sei auch mit Münzer auf seiner Reise in Kontakt getreten, vgl. Labande-Mailfert, Charles VIII et son milieu S.-439 f. und 607. 99 Münzer meint die Greniers de César, in den Fels geschlagene Höhlen und Grotten, die miteinander verbunden sind und daher wie ein Labyrinth erscheinen mögen. Sie sind seit dem 12. Jh. belegt und dienten höchstwahrscheinlich in Kriegszeiten als Speicher für Lebensmittel, Wein und Getreide. 100 Die Hochzeit von Anne von der Bretagne (1477-1514) und Karl VIII. (1483-1498) fand am 6. Dezember 1491 statt. <?page no="204"?> 204 VII. Von der Gascogne bis Paris und sage, dass ihm früh in der Morgendämmerung ein Sohn geboren werde, dessen Name Orlandus sein wird.“ Orlandus führte nämlich einstmals bei den Kalabriern und Apuliern als siegreicher und katholischer Fürst alles zu Blüte und Sieg 101 . Nachdem die Königin in der Frühe von den Mühen der Geburt befreit worden war, gebar sie einen Sohn. Aber die Vornehmen des Reiches taten sich schwer damit, den Säugling auf einen solchen Namen zu taufen. Die Taufe wurde auf den dritten Tag herausgezögert. Schließlich wurde das Kind getauft und mit dem Doppelnamen Orlandus Karl gerufen: So wurde der Wunsch des Eremiten und das Ansinnen der Großen (gleichermaßen) befriedigt. Und sein Arzt sagte mir, er sei für sein Knabenalter sehr stark und gute Anlagen schlummerten in ihm. Außerdem sei er an allen Stellen seines Körpers unversehrt, und er verhalte sich so vorbildlich, dass man ihm Geschenke machte. Er lebt unter strikter Aufsicht, weil - wie der Doktor sagte - er das einzige Gestirn Frankreichs sei. Über den Bruder Franz von Paola aus Apulien, den größten Eremiten unserer Zeit Franz von Paola aus Apulien 102 wurde in der Nähe des Michaelsberges, der einstmals Berg Garganus (Monte Gargano) genannt wurde, geboren, führte dort ein eremitisches Leben und legte sich dabei die härteste Regel auf. Die Heiligkeit von dessen Leben drang bis zum Bischof von Siponto, der einige neue Kapitel (der Regel) unter Zustimmung des Eremiten konzipierte, die sowohl Sixtus IV. als auch Innozenz VIII. für die Abfassung der Regel zuließen, die der nun den Papststuhl innehabende Alexander (VI.) bestätigte und die neue Ordnung einsetzte. Es gibt insgesamt vier hauptsächliche Ordnungen, unter deren Regeln alle anderen (für Gott) streiten, wie die Ordnung des heiligen Augustinus für die Prediger, Karmeliter, Prämonstratenser, Hieronymiten etc., zum zweiten die Ordnung des heiligen Benedikt, die dritte Ordnung ist die des heiligen Franziskus und die vierte Ordnung die des heiligen Basilius, die heute wenig gebraucht wird, aber bei den Griechen sehr wichtig war. Nun folgen jene der Regel des heiligen Franziskus, aber sie haben mehrere abweichende Konstitutionen und werden Minimen der Observanz genannt. Sie leben wie der heilige Franziskus vom Bettel, empfangen keine Mittel, außer dem, was ihnen der Prokurator zumisst. Sie enthalten sich über das ganze Jahr von Fleisch und allen Milchprodukten und dürfen dies nur in der Fastenzeit nutzen. 101 Münzer war offenbar über den Hintergrund der Namensgebung des Thronfolgers informiert, da er hier auf den siegreichen Prinzen anspielt. Die Namensgebung erfolgte auf Anregung von Franz von Paola; sie ist im Kontext der Türkenbedrohung Italiens 1480 zu sehen und geht vielleicht zurück auf die Chanson d’Aspremont, worin Karl der Große und sein Neffe Roland in der Schlacht im Aspromonte-Massiv, welches in Kalabrien, der Heimat des Franz von Paola, liegt, gegen die Sarazenen kämpften. In der lat. Form hieß der Thronfolger auch Orlandus-Karolus. 102 Einer Randbemerkung an dieser Stelle in der Handschrift zufolge starb der Dauphin im Jahr 1496, also nach Abschluss von Münzers Reise. - Der heilige Franz von Paola (†-1507) lebte in der Nähe von Paola (Kalabrien). Er erbaute dort für die um ihn ersammelten „Eremiten des heiligen Franz von Assisi“ ein Kloster. Papst Sixtus IV. (1471-1484) bestätigte schließlich 1471 den gegründeten Orden der Minimiten oder Minimen und bestellte Franz von Paola zum Generalsuperior; die endgültige Bestätigung erfolgte 1503 von Alexander VI. Franz von Paola stand dem sterbenden Kg. Ludwig XI. zur Seite. Karl VIII. war ein großer Anhänger und Förderer des neuen Ordens. <?page no="205"?> Über den Bruder Franz von Paola aus Apulien 205 Jener Eremit, den ich aufsuchte, lebt heute in der Stadt Amboise, und ich sah einen verehrungswürdigen Greis, von sanftem Aussehen, das eine gewisse Würde ausstrahlte. In der Tat hatte der Bruder Bernhard Boil 103 , einst Sekretär des Königs von Spanien 104 , genug vom weltlichen Leben und trat in eine der Einsiedeleien auf dem Montserrat bei Barcelona in diesen Orden ein 105 . Mit Hilfe des Königs von Spanien baute er in der Stadt Málaga im Königreich Granada ein Kloster, das Kloster zur heiligen Maria vom Sieg heißt 106 . Nachdem er zu den indischen Inseln geschickt worden war 107 und nach Madrid an den Hof des Königs von Spanien zurückkehrte, erzählte er mir dies alles 108 . In der Inventio Insularum Indicarum findest Du das Lob auf diesen Mann 109 . Durch diesen Bernhard erlangte ich Zugang zu diesem heiligen Mann, dem Eremiten Franz, der mir in vielen Themen ein angenehmer Gesprächspartner war. Und auf dessen Bitten erreichten wir es auch, den Dauphin zu sehen. Er gab uns ebenso Briefe an einen sehr bekannten Pariser Mann, damit uns leichter der Schatz des heiligen Dionysius gezeigt würde 110 . Der angenehme Umgang mit jenem Eremiten gefiel uns sehr. Als wir aber weggingen und uns verabschiedeten, trug er selbst uns auf, dass ich dem Bruder Bernard beim König Spaniens einige geheime Dinge in seinem Namen schreiben möge, was ich sorgfältig ausführen werde 111 . Er gab uns ebenso Obst und Kerzen, die er bei sich hatte, und dies in großer Bescheidenheit und Ehrfurcht. Der König unternimmt in schwierigen Angelegenheiten nichts ohne Rat und Bitten dieses Bruders. Und bei den Galliern wird er selbst als guter Mann bezeichnet und seine Brüder als gute Menschen. Tatsächlich brennen sie in Liebe zu Gott und zu den Nächsten. Die schöne Stadt Amboise ist freilich an den Ufern der Loire erbaut, und sie ist so groß wie Lauingen oder sogar größer. Dort stehen viele Klöster. Der König gründete dort sogar ein Kloster der Observanten des heiligen Franziskus 112 , und ebenso ein Haus, das sie Rückzugshaus nennen, wo den Amtsträgern und Bediensteten des Königs, wenn sie in das Alter kommen und arm werden, Unterkunft, Verpflegung, Kleidung und anderes Notwendige gewährt wird 113 . Und, wie ich gesagt habe, zeichnet sich dieser Ort durch eine außergewöhnlich erquickliche Lage aus. 103 Bernardo Boil (†-1503) (zu ihm siehe oben S. 50 f. und S. 101) lernte als aragonesischer Gesandter in Frankreich Franz von Paola kennen und wurde daraufhin Minimit. 104 Zu seinen Tätigkeiten im Dienst der Katholischen Könige siehe S. 101. 105 Siehe S. 50 f. 106 Kapelle Virgen de la Victoria, die kurz nach der Eroberung Málagas 1487 durch die Katholischen Könige errichtet wurde. Sie steht in enger Beziehung zum Minimenkloster San Francisco de Paola, dem sie 1493 übergeben wurde. 107 Westindische Inseln. 1493 begleitete Boil als päpstlicher Gesandter Kolumbus auf dessen zweiter Fahrt nach Amerika. 108 Münzer begegnete Bernard Boil in Madrid, erwähnt ihn im entsprechenden Abschnitt aber nicht mehr, siehe den Hinweis hierzu auf S. 51. 109 Entweder die im gleichen Manuskript enthaltene Abhandlung De inventione Africae, ed. Kunstmann, oder der sogenannte Kolumbusbrief, vgl. hierzu Herbers, Papsttum S.-38-43. 110 Siehe unten S. 224. 111 Hierzu sind nur Vermutungen möglich. 112 In Amboise lassen sich zwei Franziskanerklöster nachweisen: der von Gf. Peter II. von Amboise (†-1422) gegründete Franziskanerkonvent Saint-François-des-Cordeliers und das von Franz von Paola gegründete Minimenkloster. Möglicherweise meint Münzer das letztere. 113 Bezüglich dieses Heims für ehemalige königliche Amtsträger ist Münzer der wichtigste Zeuge, vgl. Labande-Mailfert, Charles VIII et son milieu S.-526. <?page no="206"?> 206 VII. Von der Gascogne bis Paris Am 4. März verließen wir Amboise, durchquerten eine liebliche und anmutige Ebene und kamen bis zur großen Stadt, die Blois genannt wird. Die Lage dieses Ortes ist ergötzlich, denn er besticht durch Weinstöcke, Felder, Apfelgärten und weitere Dinge. Die Stadt liegt am Ufer der Loire und am Fuß eines kleinen Berges, auf dem ein herausragendes Schloss 114 und viele Klöster stehen. Sie ist eine der äußerst alten Städte und so groß wie Ulm. Es sind eigentlich zwei Städte, die von der Loire geteilt und die durch eine große und sehr lange Brücke mit steinernen Bögen 115 verbunden werden. Blesis ist indeklinabel, deshalb (heißen die Einwohner) Blesenses. Am 6. März verließen wir die Stadt Blois äußerst früh und kamen durch eine sehr anmutige Ebene nach 12 Meilen zum Ort Cléry-Saint-André. Dort gibt es eine sehr schön gewölbte Kirche, die äußerst hoch ist, von König Ludwig (XI.) zu Ehren der seligen Jungfrau begründet und mit 10 Kanonikern ausgestattet. Dort liegt dieser König Ludwig mit seiner Gattin Carola, einem ihrer Söhne, dem zweitgeborenen Sohn Karls und der Herzogin Anna von der Bretagne begraben 116 . Wir verließen den Ort nach dem Essen und kamen nach 4 Meilen zur glorreichen und bekannten Stadt Orléans durch eine Ebene, die, wie ich gesagt habe, wegen ihrer Weinstöcke, Apfelbäume und fruchtbaren Äcker hervorsticht. Über die große Stadt Aurelianum, in der Volkssprache Orléans genannt Aurelianum oder Aurelianis sind indeklinabel, deshalb heißen die Bewohner von Orléans Aurelianenses. Die Stadt erhielt von Kaiser Aurelian den Namen, vorher hieß sie Gebenum. Die Stadt ist, wie ich wiederhole, sehr schön und groß. Sie gilt nach Paris als zweite in Frankreich. Wir bestiegen den sehr hohen Turm des Rathauses und betrachteten die Lage 117 . Die Stadt liegt in einer ausgedehnten Ebene, die so groß ist, dass man weder Hügel noch Berge sieht, sondern nur ein sich weit erstreckendes Land, das überall von Weinstöcken, Feldern, Gärten und Bäumen verschiedener Art überquillt. Es gibt kein unbearbeitetes Land. Niemals sah ich eine größere Niederung als jene, in der überall angebaut wird. Und an den (Stadt-)Mauern fließt im Süden die Loire, ein äußerst reiner Fluss mit einer atemberaubenden Brücke, die 20 große 114 Die Baugeschichte des Schlosses von Blois ist kompliziert. Seit dem 5. Jh. ist ein oppidum Blesis belegt. Unter Tedbald VI., Gf. von Blois (1205-1218), wurden wichtige Umbauarbeiten am wohl schon bestehenden Schloss vorgenommen. Nach Anbauten um 1443 wurde das Schloss unter den frz. Königen Ludwig XII. und Franz I. zu einer königlichen Residenz im Stil der Renaissance umgebaut. 115 Die von Münzer beschriebene Brücke über die Loire existierte seit etwa 1089 und war eine der wenigen Passagen über den Fluss zwischen Orléans und Tours. Konstruiert war sie aus 24 Bögen. 116 Die Kirche Notre-Dame in Cléry wurde im Hundertjährigen Krieg fast vollständig zerstört. Karl VII. und Kg. Ludwig XI. ließen das Gotteshaus neu aufbauen. Der Letztgenannte wählte den Ort schließlich 1467 zu seiner Grablege. Neben ihm ruht seine zweite Ehefrau Charlotte von Savoyen (†-1483). - Hinsichtlich Karl VIII. irrt Münzer, denn dieser war der drittgeborene Sohn von Ludwig XI. und Charlotte von Savoyen und liegt in Saint-Denis begraben, so auch Anna von der Bretagne. 117 Münzer stand wohl auf dem Turm des Rathauses, dem Hôtel des Crénaux in der Rue Saint-Cathérine, das 1443-1498 auf der gallorömischen Stadtmauer errichtet wurde. Die Bauarbeiten am Turm waren 1453 abgeschlossen. <?page no="207"?> Über die Kirche und das allgemeine Studium - Orléans 207 Bögen hat und in der Länge 510 meiner Schritte misst 118 . Dorthin gelangen die Schiffe aus dem Meer, aus Angers, Tours, die Wein und anderes bringen, was sie danach mit Wagen nach Paris transportieren 119 . Die Stadt ist zweimal größer als Nürnberg. Und außerhalb der Mauern besitzt sie sehr große, ausgedehnte Vororte mit so vielen Gärten und so vielen lieblichen Plätzen, dass du dich im Paradies wähnst. Die Stadt ist dicht besiedelt und voll von Händlern. Über die Kirche und das allgemeine Studium Unter den verschiedenen Klöstern und sehr berühmten Kirchen gibt es den sehr bedeutenden Erzbischofssitz (! ), der von Konstantin, dem Sohn Helenas, ursprünglich nach altem Ritus zu Ehren des heiligen Kreuzes errichtet wurde 120 . Nun wird er aber neu gebaut und der Chor, der sehr hoch, sehr schön und mit 140 Sitzen im Chorgestühl ausgestattet wurde, ist vollendet. Es gibt 50 Kanoniker, 24 Vikare und 13 weitere Kleriker 121 . Die Kirche besitzt die besten Glocken des gesamten Reiches. Auf der anderen Seite der Loire, zwei Meilen weiter im Süden, entspringt in einer Niederung eine sehr große Quelle, die blubbernd aus der Erde hervorkommt und bald zu einem schiffbaren Fluss (Loiret) anwächst: Er dient zur vielfältigen Versorgung des Landes, das er bewässert, auch mit hervorragenden Fischen, von denen er reichlich hat. Daher rührt das Sprichwort der Bewohner von Orléans: Quelle, Brücke und Glocke schmücken die Stadt Orléans. Es gibt weiterhin außerhalb der alten Stadtmauern im Osten eine sehr schöne und große Kirche, zum heiligen Anianus (Aignan) genannt, der Bischof in Orléans war 122 . Und diese Kirche wurde zur Zeit des Einfalls der Engländer von den Bürgern zerstört, damit die Engländer dort nicht eine Festung gegen die Stadt gründeten. Nun wurde sie aber von Ludwig (XI. ) und dessen Vater Karl (VIII.) hervorragend wiederaufgebaut, ganz mit behauenen Steinen und mit schönen Kapellen 123 . Dort sind Regularkanoniker des heiligen Augustinus, vormals waren es Mönche. Wie schön diese Kirche nur ist! Sie pflegten dort auch ein allgemeines Studium (studium universale), eine Fakultät für ziviles und kanonisches Recht, und zu jener Zeit gab es zweitausend Studenten unter anderem aus 118 Pont des Tourelles. Diese aus 21 Bögen bestehende steinerne Brücke mit einer Länge von 331- Metern wurde 1120 begonnen. 1434-1435 wurde das Bauwerk erneuert und Ende des 16. Jh. nochmals modifiziert. 119 Hauptverkehrsadern für den Handel waren die Loire sowie ein „römisches“ Straßennetz. Über den Landweg verbunden war Orléans mit Paris. 120 Nach den Viten des heiligen Evurtius (um 374), Bf. von Orléans, ließ dieser Mitte des 4. Jh. nach der Zerstörung der Bischofskirche durch Feuer eine neue Kathedrale auf den Namen Sainte-Croix, auch zu Ehren Ks. Konstantins errichten. Ein Neubau der Kathedrale erfolgte 1287. 121 Zur Ausstattung vgl. Chenesseau, Sainte-Croix. 122 Schon Gregor von Tours berichtet darüber, dass über der Grabstätte des heiligen Anianus, Bf. von Orléans (†-453), eine Kirche errichtet wurde. 123 Orléans wurde 1359 und 1428 von engl. Truppen heimgesucht. Die Einwohner von Orléans zerstörten jedes Mal die Gebäude außerhalb der Stadtmauer, darunter auch Saint-Aignan, damit die Feinde nicht in den Vororten Stellung beziehen konnten. Münzer spricht hier wohl die zweite Zerstörung an, denn am Wiederaufbau waren Karl VII. sowie Ludwig XI. und Karl VIII. beteiligt. <?page no="208"?> 208 VII. Von der Gascogne bis Paris Frankreich und Niederdeutschland 124 . Dort weilte auch Felix, der Sohn des Grafen von Werdenberg bei Konstanz, der sich uns gegenüber als sehr freundlich erwies 125 . Wegen des fruchtbaren Landes und den Fischen des Flusses, Fleischarten, Getreide und anderem ist alles sehr günstig auf dem Markt, dort findet man großen Zulauf und viele Besucher; zahlreiche Lebensmittel werden von dort nach Paris transportiert. Die Wegstrecke von Tours bis Orléans beträgt aber 34 gallische Meilen, sie ist sehr lieblich wegen der vielen Obstbäume und wegen des Ufers, das im Norden leicht bergig ist. Das Land ist wunderbar dicht besiedelt mit so vielen Städten, Orten und Eigengütern! Die Gallier nennen diesen Wegverlauf den Garten der Genüsse, und wahrhaftig habe ich auf einer so langen Strecke während dieser Pilgerreise keinen fruchtbareren Wegabschnitt gesehen. Ich kann nicht über das Flussufer und den Hang oberhalb von Orléans und das Tal unterhalb von Tours in Richtung Angers reden, weil ich es nicht gesehen habe, aber angeblich sei dies von nicht geringerer Schönheit. Vor der schönen Kirche des heiligen Anianus gibt es außerdem einen sehr großen Hof und in der Nähe das wunderbare und sehr bekannte Haus des Herzogs von Orléans 126 , der seinen Namen von dieser Stadt herleitet und der auch damit mehrere Einkünfte begründet, aber der größere Teil geht an den König. Nach der Ordnung gebührt dies immer dem zweitgeborenen Sohn, so wie der Titel Dauphin dem Erstgeborenen zukommt 127 . Am 7. (März) verließen wir jene sehr bekannte Stadt Orléans und durchquerten eine große, fruchtbare Ebene mit Getreide. Erst nach 17 Meilen kamen wir zum langgezogenen Ort, der Étampes genannt wird. Diese Ebene ist sehr reich an Getreide, aber sie ermangelt des Flusswassers. Von der Stadt Étampes kamen wir jedoch durch eine fruchtbare Ebene zur schönen Stadt Montlhéry, und bei der dritten Stadt richteten wir uns auf die Stadt Paris, die von Orléans 34 italische Meilen entfernt ist. Es sind zwei große Tagesreisen, die aber durch eine erquickliche und fruchtbare Gegend führen. 124 1235 erhielt die Universität von Orléans die Erlaubnis Papst Gregors IX., römisches Recht unterrichten zu dürfen. Doch die offizielle Anerkennung des Studium Generale erfolgte erst durch die Bullen Papst Clemens’ V. 1306; in den Jahren zwischen 1321 und 1368 erhielt die Universität ihre Statuten. 125 Felix von Werdenberg (†-1530) ist in den Matrikeln der Universität von Orléans seit dem 1. Oktober 1494 nachweisbar. Zuvor studierte er in Tübingen und Freiburg. Münzer irrt allerdings, da Felix nicht der Sohn eines Johannes, sondern von Gf. Georg III. von Werdenberg-Trochtelfingen (†-1500) und der Markgräfin Katharina von Baden (†-1484) war. 126 Um 1466 oder 1477 entschloss sich Kg. Ludwig XI. von Frankreich neben seinem geliebten Stift Saint-Aignan ein Haus errichten zu lassen: die sogenannte „maison royale“, womit wohl das hier als Herzogshaus angesprochene Gebäude gemeint ist. 127 Das Herzogtum Orléans wurde erstmals unter Philipp VI. von Valois im Jahre 1344 für seinen zweitgeborenen Sohn gleichen Namens als Apanage eingerichtet. Verbunden war das Herzogtum mit zehn Kastellaneien. In der Folgezeit wurden zweitgeborene Söhne oder Brüder der jeweiligen Herrscher mit dem Herzogtum belehnt. <?page no="209"?> VIII. Von Paris bis Rouen Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 431, fol. 230r Über die glorreiche Stadt Paris in der Gallia Lugdunensis Am neunten März betraten wir am Mittag die bekannte Stadt Paris, welche die Hauptstadt und Krone aller Städte in ganz Gallien ist. Wir bestiegen den höchsten Turm der Hauptkirche der seligen Jungfrau (Notre-Dame) 1 , es waren 388 Stufen, und die Breite des Turms betrug im Viereck auf der Zinne vierundzwanzig Schritte. Wir bewunderten die Lage der Stadt. Der Tag bot eine klare Sicht. Ich sah, wie die Stadt dreigeteilt ist. Die bekannte Seine, die von Osten in einem breiten Tal herabfließt, verzweigt sich vor der Stadtmitte in zwei Flussarme. Hier liegt zunächst eine sehr schöne Wiese, die breit und mit Bäumen bepflanzt ist, berühmt wegen der Bogenschützen, Tänzer und der Vorführungen verschiedener anderer Spiele 2 . Danach folgt der bewundernswerte Sakralbau, welcher der seligen Jungfrau geweiht ist, sowohl hochragend als auch ausgezeichnet mit behauenen Steinquadern sowie mit wunderschönen kreisrunden Säulen erbaut. Die Kirche hat jeweils zwei Schiffe an beiden Seiten des Mittelschiffs, einen Chorraum mit einem vorzüglichen Chorgestühl. Die gesamte Länge des Gebäudes beläuft sich auf 170 Schritte, die Breite auf 56. Außerdem öffnen sich die Seitenschiffe zu insgesamt 35 Kapellen, die wunderbar ausgestattet sind und die gleichsam eine Art drittes Seitenschiff 1 Die Ursprünge von Notre-Dame gehen wohl auf einen Kirchenbau aus dem 4. Jh. zurück. Pläne zum Neubau wurden erstmalig von Bischof Maurice de Sully (1160-1196) erarbeitet, die mehrfach verändert und angepaßt wurden, vgl. Erlande-Brandenburg, Notre-Dame. 2 Die genannte Wiese wurde 1258 unter dem Namen Motte-aux-Papelards erstmals genannt und war Teil des Klostergartens der Kanoniker von Notre-Dame, vgl. Lazare/ Lazare, Dictionnaire S.-167 f. und Vincent-Cassy, Visite S.-288. Münzer beschreibt hier Gaukler und Tänzer, die ihre Kunststücke in den verschiedensten Städten gegen Geld darboten, vgl. allgemein Schubert, Volk S.-226-244. <?page no="210"?> 210 VIII. Von Paris bis Rouen bilden. Die Kathedrale ist vollständig mit Platten aus Blei nach einem sehr ausgetüftelten System gedeckt und besitzt eine sehr große Statue des Heiligen Christophorus 3 . Um die Kirche herum stehen die sehr schönen Häuser der Kanoniker, der Vikare und der anderen Kirchendiener dieser berühmten Kathedrale. Auf der Südseite, an den Ufern des Flusses, befindet sich der Palast des Bischofs von Paris 4 mit einem - bedenkt man den vorhandenen Raum - schmucken Gärtlein. In der Vorhalle der Kirche stehen 28 Statuen der Könige, die zu diesem Bau beitrugen 5 . Die Kathedrale ist 242 Jahre alt. 6 Außer dieser edlen Kirche findet man viele weitere hervorragende Gebäude. So gibt es das wunderbare und berühmte Hospital, das von dem heiligen Ludwig XI. (! ) dieses Namens gegründet wurde, der den Bau mit hohen Einkünften ausstattete. Wir sahen dort eine große Menge Kranker, die von Ärzten und Krankenschwestern mit Nahrung und allen Dingen hervorragend versorgt wurden, die dazu beitragen, die Gesundheit wiederherzustellen. Schwestern gibt es viele, ebenso weitere religiöse Frauen, die sich wie Martha vollständig der Pflege der Kranken widmen. Ich habe 220 Betten gezählt; das Haus trägt den Namen Hôtel-Dieu 7 . Die Toten werden auf dem Friedhof der Unschuldigen (Cimetière des Innocents) begraben. Im Jahre 1481 starben in diesem Hospital 14.000 Kranke an der Pest. 8 Weiterhin trifft man auf unzählige Geschäfte, Werkstätten und andere Häuser, in denen Leute von ihrer Hände Arbeit und ihren Fertigkeiten leben. Wenn man weiter nach Westen geht, folgt der bekannteste Palast ganz Frankreichs: Im Parlament werden alle Straf- und Zivilangelegenheiten beraten und gelöst. Alle schwierigeren Dinge des gesamten Reiches werden hier entschieden. Die Halle ist sehr groß, und der Palast hervorragend. Man glaubt angesichts des Kommens und Gehens und der Zusammenkünfte des Volkes, dass es sich um einen Wochenmarkt oder um ein Schauspiel von Menschen handeln würde 9 . 3 Die Statue des Christophorus (†-um 250) wurde 1413 vom Pariser Vogt Pierre des Essarts (†-1413) gestiftet. Zerstört wurde sie im Jahr 1784. 4 Unter Maurice de Sully (†- 1196) erfolgte der Neubau südlich der Kathedrale Notre-Dame, vgl. Mortet, Étude S.-73-77; Erlande-Brandenburg, Notre-Dame S.-46. 5 Die Vorderfront der Kathedrale ziert eine Galerie der Könige von Juda, Vorfahren der Jungfrau Maria, von denen Matthäus berichtet. Im Laufe der Zeit hielt man die Statuen immer öfter für die Könige von Frankreich. Die während der Französischen Revolution enthaupteten Statuen wurden 1848 rekonstruiert. 1977 entdeckte man bei Bauarbeiten 21 der 28 Originalköpfe der Könige. Pigmentspuren deuten auf eine ursprüngliche Bemalung, vgl. Erlande-Brandenburg, Sculptures S.-8-13, 47-49. 6 Der Baubeginn der neuen Kathedrale Notre-Dame im Jahr 1200 lag 295 Jahre vor Münzers Parisbesuch, doch die Arbeiten zogen sich noch weitere Jahrzehnte hin. Es ist daher schwer zu sagen, wie Münzer auf das Jahr 1253 kommt, vgl. zu den Bauabschnitten Erlande-Brandenburg, Notre-Dame. 7 Das Hôtel-Dieu war das erste Krankenhaus in Paris und soll unter Bischof Landry (650-653/ 54) im Jahre 651 gegründet worden sein. Nach der ersten Erwähnung im Jahr 829 ist der Name Domus Dei Parisiensis erst seit 1157 sicher belegt. Zu Beginn diente das Hôtel-Dieu als Unterkunft für Pilger und für Bedürftige. Mit etwa 300 Betten war es eines der größten Hospitäler in Paris. Unter Bischof Maurice de Sully (1160- 1196) wurde das Hôtel-Dieu verlegt und der Neubau 1260 endgültig fertiggestellt. Zu der erwähnten Dotierung durch Ludwig (gemeint ist wohl wegen des begleitenden ‚sanctus‘ Ludwig IX. [†-1270], nicht XI.) vgl. Coury, Hôtel-Dieu S.-57. Daneben gab es kleinere Hospize, die entweder durch den jeweiligen Bischof, den König oder durch Pariser Bürger gegründet wurden, vgl. Erlande-Brandenburg, Notre- Dame S.-18, 63. 8 Zur Sensibilität für das Pestgeschehen siehe oben S. 27 f. 9 Im Untergeschoß des Parlamentsgebäudes liegt die im gotischen Stil gehaltene Salle des Gens d’Armes mit einer Grundfläche von knapp 1800 Quadratmetern. Die zwischen 1302 und 1313 erbaute Halle zählt <?page no="211"?> Über die glorreiche Stadt Paris in der Gallia Lugdunensis 211 Weiterhin ist die Heilige Kapelle (Sainte-Chapelle) dem Parlament angeschlossen. Schon durch ihre Größe ist sie ein erstaunliches Kunstwerk, in dem sich, wie du hören magst, die heiligsten Reliquien befinden. Es gibt dort zwölf Kanoniker - ich übergehe hier die Vikare -, welche die Stundengebete zuverlässig und eifrig singen. Es sind insgesamt 100 Pfründner, die ihre Einkünfte teilweise aus der Normandie oder aus der Picardie beziehen. Angeschlossen an das Parlament befinden sich ein Schloss und ein schönes Haus mit Hallen, hervorragenden Höfen sowie schönsten Palästen. Dort pflegen die Großen des Königreiches alle Renten und Steuern des gesamten Reiches zu berechnen und zu verzeichnen. Daneben gibt es weitere wunderbare Gebäude für den Aufenthalt des Königs 10 . Ebenso steht auf der Insel am Fuß der großen Brücke (Grand-Pont) die schöne Kirche des heiligen Dionysius 11 mit einer Krypta, dort war der Heilige gefangen, und dort zelebrierte er die Messe. Heute sieht man noch seinen kleinen Altar. Man nennt diesen Teil der Stadt tatsächlich auch Insel (Île de la Cité), weil sie von zwei Armen der Seine umgeben ist, die sich, wie ich gesagt habe, oben teilen und an der Stelle unterhalb des königlichen Palastes wieder vereinen. Ich glaube, dass dieser Teil größer ist als die Stadt Ulm und dass er ausgesprochen dicht besiedelt ist, von unzähligen Leuten, Händlern, Handwerkern und anderen Personen. Jener Palast besteht aus erstaunlich vielen Räumen, Kapellen und Zellen. Es gibt vor allen Dingen einen riesigen Hof für die königlichen Gefangenen: Während des Tages dürfen sie hier umhergehen, und in der Nacht werden sie in Türme und andere Verliese gebracht. Hinter dem königlichen Gebäude befindet sich ein sehr großer und wunderschöner Garten mit einem königlichen Bad von großer Schönheit; der Garten wird von der Seine und einer hohen Mauer umrahmt. Das Parlament ist riesengroß und hat so viele Säle, Hallen, Kapellen, Räume und Krypten, dass man sich in einem Labyrinth wähnt. zu den ältesten erhaltenen mittelalterlichen Sälen Europas. Zu Beginn des 15. Jh. wurde der Saal vom übrigen Gebäude abgetrennt und als Markthalle genutzt, so dass er für jedermann zugänglich wurde. Vermutlich hielt sich auch Münzer dort auf. 10 Die Ursprünge dieses gesamten Palastkomplexes lassen sich bis in die Zeit der Kapetinger zurückverfolgen. Entscheidende Umbaumaßnahmen erfolgten unter Philipp IV. dem Schönen (†-1314), der neben dem Neubau des Palasts auch ein Gebäude für den königlichen Rechnungshof (Parlament) errichten ließ, vgl. Weigert, Conciergerie S.- 1-3 sowie Liebard, Salle S.- 48. Während Münzers Aufenthalt residierten die französischen Könige allerdings nicht mehr hier, sondern weilten abwechselnd im Hôtel Saint-Pol (Paul), im Château de Vincennes und im Louvre. 11 Die wohl aus dem 7. Jh. stammende Kapelle Saint-Denis de la Charte lag auf der Île-de-la-Cité südwestlich des Pont Notre-Dame. Dort soll sich das Gefängnis des heiligen Dionysius (†-nach 250) befunden haben. Münzer spricht jedoch vermutlich von dem direkt gegenüber gelegenen, 1015 gegründeten Priorat, auf das das Patrozinium übergegangen war. Saint-Denis de la Charte erscheint auf späteren Karten als Chapelle Saint-Symphorien oder Chapelle Saint-Luc. Beide Bauten wurden 1796 bzw. 1808-1810 zerstört. <?page no="212"?> 212 VIII. Von Paris bis Rouen Über die Universität 12 und die Kollegien in Paris Der zweite Teil der Stadt, der im Süden liegt und von einem Arm der Seine berührt wird, ist viel größer als Nürnberg 13 . Er wurde ehemals von Karl dem Großen für die Studenten vorgesehen 14 . Dort befinden sich sehr berühmte und sehr bekannte Kollegien für Studenten, mehr als neunzig 15 . Unter anderem habe ich die renommiertesten besucht, wie das bekannte Kolleg von Montaigu 16 , in dem sie anstelle einer Kapelle ein edles Haus einrichteten. Es gibt im oberen Geschoss viele Räume, und der sehr bekannte Vorsteher bemühte sich zu jener Zeit, (eine Stiftung) ins Leben zu rufen, die es erlaubt, hundert Personen Lebensunterhalt und Unterkunft zu gewähren 17 . Ich besuchte auch das sehr große Kolleg Burgunds (Collège de Bourgogne) 18 , wo momentan mehr als vierhundert untergebracht sind, ebenso das Kolleg der heiligen Barbara (Collège Sainte-Barbe) 19 , das Kolleg von Lisieux 20 , das Kolleg von Reims 21 , das Kolleg des Kardinals (Collège Lemoine) 22 und das Kolleg des Mönches Sorbon (Collège de Sorbonne) 23 . Natürlich ist das riesige Kolleg von Navarra (Collège de Navarre) größer als alle anderen 24 . Dieses Kolleg gründete die Königin von Navarra als Buße für eine Sünde, die sie begangen 12 Zu Beginn des 12. Jh. existierte bereits die Kathedralschule von Notre-Dame, auch arbeiteten freie Magister auf dem Mont Sainte-Geneviève. Um das Jahr 1200 schlossen sich die freien Artistenmagister zu einer Korporation zusammen. Ein exaktes Gründungsdatum der Pariser Universität gibt es jedoch nicht. 1215 verfasste der päpstliche Legat Robert von Courson (†-1219) die ersten offiziellen Statuten, die Papst Gregor IX. (1227-1241) 1231 bestätigte. Unter Karl VII. (†-1461) erfolgte die Revision der Universitätsstatuten im Sinne der Monarchie, vgl. Verger, Grundlagen S.-61 f. 13 Der Mauerring von Paris umfasste zur Zeit Münzers etwa das Gebiet der heutigen Arrondissements 1 bis 6. Das von Münzer hier als südliches Stadtviertel bezeichnete Gebiet entspricht etwa dem heutigen 5. und 6. Stadtbezirk. 14 Die Annahme, die Pariser Studien seien von Karl dem Großen (†-814) gegründet worden, war seit dem späten Mittelalter verbreitet, vgl. z.-B. ein verfälschtes Schreiben Papst Nikolaus I. (858-867) an den westfränkischen König Karl den Kahlen (843-877): Böhmer/ Herbers, Regesta Imperii I 4, 2/ 2 Nr.-505. 15 Die ersten Kollegien sind in Paris bereits für das späte 12. Jh. bezeugt, die Gründung weiterer Kollegien erfolgte Mitte des 13. Jh., wo Studenten Kost, Logis und einen wöchentlichen Zuschuß erhielten. Die ersten dieser Einrichtungen waren zunächst Studenten des jeweils eigenen Ordens vorbehalten. Im Laufe der Zeit verstärkte das Königtum seinen Einfluss, vgl. Verger, Grundlagen S.-68 f. 16 Gegründet 1314. 17 Vorsteher des Collège Montaigu wurde 1483 der Pädagoge Johann Standonck (†- 1504), der sich um die Erneuerung der Bauwerke verdient machte. Bereits 1490 erwarb er in der Nähe von Montaigu ein Haus, in welchem er arme Studenten einquartierte. 1492 lernte er Louis Malet de Graville (†-1516) kennen, Admiral von Frankreich und seit 1494 Gouverneur der Picardie und der Normandie (Münzer sollte ihn später in Amiens treffen, siehe S. 239), der entschlossen war, ihn zu unterstützen. Auf Malet de Gravilles Initiative hin wurden zahlreiche baufällige Häuser abgerissen, darunter wohl auch die von Münzer erwähnte Kapelle. Neu errichtet wurden hierfür u. a. ein Gotteshaus und ein vierstöckiges Gebäude, vgl. zur Person Johann Standoncks und zur Geschichte der Kongregation von Montaigu Godet, Congrégation. 18 Gegründet 1330. 19 Gegründet 1460. 20 Gegründet 1336. 21 Gegründet 1412. 22 Gegründet 1302. 23 Gegründet 1257. 24 Das Collège de Navarre wurde im Jahre 1305 von Königin Johanna von Champagne-Navarra (1271-1305) für 70 Stipendiaten gegründet. Als erstes Kollegium in Paris diente es auch als Ort für Lehrveranstaltungen. Ende des 14. Jh. war es als wissenschaftliches Zentrum fast bedeutender als die Universität. <?page no="213"?> Über die Universität und die Kollegien in Paris 213 hatte, wie Buridan 25 es berichtet 26 . Das Kollegium ist groß, von Mauern und Toren umgeben. Es ist dreigeteilt, ein Teil für die Grammatiker, ein zweiter für die Philosophen und ein dritter für die Theologen. Es gibt neunundneunzig Stipendiaten, die umsonst beherbergt werden und die jede Woche einige Pariser Schillinge empfangen, etwa ein Viertel eines Guldens. Es gäbe viel zu schreiben über die Stipendiaten, die Assoziierten, die Gäste und über weitere, die in diese Kategorien ihren akademischen Aufgaben entsprechend eingeteilt werden. Es gibt auch ein kleines Stadtviertel, das man Viertel des Strohs nennt, wo sich bekannte Lehrstühle aller Nationen befinden und wo sich an bestimmten Tagen, zu vorherbestimmten Stunden, die Gelehrten von allen Kollegien versammeln und wechselseitige Disputationen führen. Zu jener Zeit gab es dort etwa fünfzehntausend Studenten, davon waren mindestens neuntausend Ausländer, die anderen stammten aus der Stadt selbst 27 . Man findet in diesem Stadtteil außerdem unter anderem die Klöster der vier Bettelorden. Die Prediger, die man Jakobiten nennt, besitzen ein vergleichsweise besonders großes Kloster 28 , wo wir in einer Kapelle ein Bildnis des Thomas von Aquin 29 sahen, das nach seinem Aussehen geschnitzt war. Er war ein Mann von sehr guter Statur, dick und von frischer Farbe. Seine rechte Hand, derer er sich zum Schreiben bediente 30 , ist auch dort aufbewahrt, aber sein Körper ruht in Toulouse 31 . Man zeigte uns auch den Kapitelsaal, in dem er und Albertus Magnus 32 zu disputieren pflegten. Zu jener Zeit waren dort - alle Brüder und ausländische Studenten zusammengezählt - mehr als dreihundert. 25 Johannes Buridan (†-ca. 1358-1360) war Philosoph, Lehrer an der Pariser Artistenfakultät und Rektor der Universität von Paris. 26 Im 14. und 15. Jh. wurden Johannes Buridans (†- ca. 1358-1360) Schriften viel gelesen, doch über sein Leben war zu Beginn des 15. Jh. nicht mehr viel bekannt. Legendarische Traditionen sollten seine Person den Scholaren und Magistern näherbringen. Der deutsche Scholar Johannes Jencz verband die Person Buridans 1470 oder 1471 in seiner Historia de Buridano et Regina Navarrae, die er im Auftrag seines Magisters Petrus de Gotingen in Leipzig verfasste, mit dem Collège de Navarre. Dieses Werk fußt auf Traditionen, die bereits François Villon (†-nach 1463) nutzte. Demnach soll Buridan, Mitglied des Collège de Navarre, ein Liebesabenteuer mit der Königin Johanna von Champagne-Navarra (1271-1305), Frau des französischen Königs Philipp IV. des Schönen (1285-1314), eingegangen sein. Münzer bezieht sich an dieser Stelle auf das Werk des Johannes Jencz, vgl. Michael, Johannes Buridan 1 S.-200 Anm. 410 und S.- 287-291. Münzer geht am Ende seines Parisaufenthaltes nochmals genauer auf diese Geschichte ein, siehe S. 229 f. 27 Das unvollständige Personalverzeichnis von 1464 nennt 2500 Universitätsangehörige. Münzers Angaben könnten überzogen sein, vgl. Ehlers, Paris S.-82. 28 Der Konvent der Dominikaner ( Jakobinerkonvent), der seit 1217 in Paris belegt ist, wurde 1256 in der Rue Saint-Jacques fertiggestellt, vgl. Moreau-Rendu, Couvent S.-71; Willesme, Ordres S.-27-29. 29 Thomas von Aquin (†- 1274). Die Statue des heiligen Thomas ist bei Moreau-Rendu, Couvent S.- 75 erwähnt. Da die Konventsgebäude sowie die Klosterkirche während der Französischen Revolution stark zerstört wurden, ist die Skulptur vielleicht nicht mehr erhalten. 30 1369 erfolgte die feierliche Übergabe des rechten Armes des heiligen Thomas an den Pariser Dominikanerkonvent durch die Zisterzienser von Fossanova, wo der Heilige 1274 verstorben war, vgl. Moreau- Rendu, Couvent S.-121. 31 Siehe den Abschnitt zu Toulouse oben S. 187. 32 Albertus Magnus (†- 1280), Heiliger, Kirchen- und Universitätslehrer. In Paris weilte Albertus Magnus von 1243 bis 1248 und traf Thomas von Aquin (†-1274), der von 1245 bis 1248 in Paris studierte und sein Schüler wurde. Zu Albertus Magnus siehe unten den Abschnitt zu Köln S. 270. <?page no="214"?> 214 VIII. Von Paris bis Rouen Die Minderbrüder des Ordens des Heiligen Franziskus haben demgegenüber ein größeres und renommierteres Kloster mit vielen Grabmälern der Könige und Königinnen Frankreichs 33 . Und unter dem Chor der Kirche ist der unvergleichliche franziskanische Doktor Alexander von Hales britischer Herkunft begraben, der im Jahre des Herrn 1245 an den Kalenden des September verschied 34 . Hier ist sein Epitaph: Ruhm der Gelehrten, Ehre und Blüte der Philosophen Herr Alexander Verfasser verschiedener Schriften, Vorbild der Modernen, Quelle der Wahrheit, Licht für andere. Berühmt war er als Erzdiakon der Angeln, da er aber alles verachtete, ging er bald in den Franziskanerkonvent. Dort gilt er als primus doctor der Bedürftigen (Minderbrüder). 35 Es gab aber zu jener Zeit, als ich dort war, mehr als vierhundert Studenten vom Orden der Minderbrüder; darunter viele Knaben, die ihre Studien beginnen, aber großes Elend erleiden und wie die Schweine in ihren Kleidern schlafen. Aber wenn sie größer werden, geraten sie zu stattlichen Männern 36 . Ähnlich steht es mit Karmeliten 37 und Augustinern 38 , die zahlreich sind und studieren, sie unterliegen aber nicht der Observanz. Auch die Cluniazenser vom Orden des heiligen Bernard (! , gemeint Benedikt), besitzen ein sehr schönes Kolleg (Collège de Cluny) 39 . Und alle Kollegien besitzen sehr schöne Kapellen, Höfe, Gärten und anderes, wo man seine Stunden verbringen kann, um sich zu erfrischen. Die meisten Orden haben ihre Kollegien in Paris. Paris hält gegenüber anderen Studienorten in der Theologie den Spitzenplatz, und wahrhaftig findet man dort sehr bekannte Leuchten. Unter anderen gibt es dort auch das Kloster Saint-Esprit zum heiligen Maturinus, der Bischof von Paris gewesen sein soll, die (Mitglieder) widmen sich dem Freikauf der christlichen Gefangenen 40 . Sie ähneln denen, die in Spanien den Namen der heiligen Maria Mercedes (Mer- 33 Die Franziskaner wurden erstmals 1224 in Paris erwähnt. Durch die Unterstützung König Ludwigs IX. (1226-1270) erhielten sie ein großes Grundstück an der Umfassungsmauer Philipp II. Augusts (†-1223), auf dem Gebiet der Abtei Saint-Germain-des-Prés, vgl. Beaumont-Maillet, Couvent S.-11 f.; Willesme, Ordres S.-89-101. 34 Alexander von Hales (†-1245) lehrte Theologie am Kolleg des Franziskanerkonvents in Paris. 35 Walther, Initia 7226. Das Epitaph ist am Ort wohl nicht mehr erhalten. 36 Die Studienorganisation der Mendikanten war Angelegenheit der Gemeinschaften selbst und wurde durch den Papst, der auch die licentia docendi erteilte, unterstützt. Im 13. Jh. musste das Verhältnis der mendikantischen studia zu der universitas studii Parisiensis bestimmt werden, was in den Pariser Bettelordensstreit mündete. Paris war nicht nur der Ort der studia von Dominikanern und Franziskanern, sondern später auch von Karmeliten und Augustinereremiten, vgl. allgemein Frank, Bettelordensstudia. 37 Die Karmeliten sind seit 1256 in Paris belegt und siedelten sich auf dem Gebiet von Saint-Paul an, vgl. Longère, Siècle S.-146 und die vorige Anmerkung. 38 Die Augustinereremiten ließen sich 1259 zuerst in der Nähe der Kapelle Sainte-Marie-l’Égyptienne nieder; vgl. Longère, Siècle S.-146, vgl. auch die beiden vorigen Anmerkungen. 39 Gegründet auf Initiative des Abts Yves von Vergy (1257-1275) in den Jahren 1260/ 61. Mit den Bauarbeiten des Kollegs in der Nähe der Porte d’Enfer wurde 1262 begonnen, vgl. Sullivan, Studia S.-20-26; Longère, Siècle S.-146. 40 Maturinus (angeblich 3. Jh.), Heiliger. Historische Nachrichten über ihn fehlen. Er wird erstmals im Martyrologium des Usuard (†-vermutl. 877) aus dem 9. Jh. genannt. Die in der ersten Hälfte des 13. Jh. nahe der Sorbonne in Paris gegründete Niederlassung, Hauptsitz des mit seinem Namen verbundenen Trinitarier-Ordens, wurde nahe der Kapelle Saint-Mathurin errichtet. Daher wurden die Trinitarier in Paris auch <?page no="215"?> Über die Universität und die Kollegien in Paris 215 cedarier) tragen 41 . Sie beachten die Regel des heiligen Augustinus, tragen weiße Gewänder mit einem Kreuz, das teilweise rot und gelb ist 42 . In diesem Kloster lebte ein sehr bekannter Mann, der General (der Trinitarier), berühmt für seine Carmina 43 . Von ihm stammt dieses Gedicht über die Gebeine der Toten: Erhebe Deinen Blick und sieh, wohin alles Wunderschöne auf der Erde hinausläuft, und häng nur wenig an dem, was verfällt, wenn es sich einmal vermehrt hat. Sieh her, mag es auch vor Gemmen und strahlendem Licht funkeln, wertlos sein wird weißes Gerippe, und alles Fleisch, ebenso wie im Himmel Gebeine die Menschenblicke erschrecken, wenn weder das Antlitz noch Ehrentitel erkenntlich sind. Du auch, vergänglicher zwar als Schilf oder Laub, aber reicher, fällst herab, und obwohl Du glaubst fest zu stehen, wankst Du plötzlich. Also: Beschränke Deine Lüste und begrenze Dein Verlangen nach immer mehr Besitz! Genug sind ein Kämmerchen, Kleider und Gemüse. Wenn Dein Verlangen dies übersteigt, wird Dich Sorge quälen. Und je mehr Mühe Dir der Umgang damit bereitet, desto mehr wirst Du leiden, wenn Du danach strebst. Dafür wirst Du einen Schatz anhäufen: Schutt und Asche. Glücklich wird niemand durch irdische Güter: So sei anständig und mach‘s gut! 44 Ein weiteres Epitaph auf dem Grab seiner Mutter Um Deine Erwartungen nicht zu enttäuschen, will ich Dir eröffnen, was dieses Grab bedeutet. Trotz überaus vieler Verdienste ist der Ruhm bescheiden. Auch Gott kennt jene Deine Verdienste, wie er auch all Deine Sünden kennt. Gut ist es, dass Du vor allem an das Ende erinnert hast. Sein seltenes Abbild steht freilich vielen bei: Viele gibt es, die den Wohlstand, den Balsam, die Musik und die Spiele lieben. Und so war ich gewesen, als ich eben noch jung an Jahren war und ein glänzendes Leben führte. Jetzt bin ich nur noch das widerwärtige Gesicht des finsteren Todes. Maturiner genannt. Gründer dieses Ordens, der die Befreiung bzw. den Loskauf christlicher Gefangener in muslimischen Ländern zum Ziel hatte, war der heilige Johannes von Matha (†-1213), vgl. Heimbucher, Orden 1 S.-449-451, 455. 41 Die Mercedarier bemühten sich - wie die Trinitarier - um die Befreiung der christlichen Sklaven und die Seelsorge bei den Christen in muslimischen Ländern, siehe auch S. 161. Das Ursprungskloster dieses Ordens befand sich in Barcelona, vgl. Jaspert, Gefangenenloskauf bes. S.-99, 113 f. 42 Die Ordenskleidung der Trinitarier war ein weißer Habit mit einem blauroten Kreuz, d. h. blauer Querbalken und roter Stammbalken. Die drei Farben weiß, blau und rot sollen die Trinität symbolisieren, vgl. Cipollone, Trinitaires S.-315. 43 Robert Gaguin (†-1501), französischer Humanist. Als Mitglied im Orden der Trinitarier wurde Gaguin in den Konvent Saint-Mathurin nach Paris gesandt. Dort studierte er und schloß Bekanntschaft mit anderen Humanisten. Zudem wurde er zum Professor für kanonisches Recht berufen. Gaguin übernahm auch den Konvent Saint-Mathurin. 1473 wählte ihn das Generalkapitel zum Generalminister des Ordens. Zu seinem Werk vgl. Dilenge, Robert Gaguin S.-1-30. - Münzer spricht hier in der Vergangenheit von Robert Gaguin, was vielleicht, aber nicht sicher, auf eine spätere Abfassung dieses Abschnitts verweisen könnte. 44 Ed. Dilenge, Robert Gaguin S.-213 mit Angabe der Varianten. <?page no="216"?> 216 VIII. Von Paris bis Rouen Und würdest Du erst ins Innere hineinschauen, dann könntest Du den Verwesungsgeruch nicht einmal im Zorn aushalten: So ekelhaft ist der Gestank, der Dir von meinen Knochen her entgegenweht. Und nicht nur uns steht dies bevor: Dass wir sterben müssen, ist ein Gesetz, das für jeden gleichermaßen gilt. So stinkt das menschliche Fleisch nach seinem Zerfall wie eine Alge. Zunächst schwillt die Haut an - und war sie eben noch hübsch geschminkt, so ekelt man sich bald vor ihr, da sie Falten bekommt, aufweicht, und durch die Fäulnis kraftlos wird. Mitunter kann man sich nicht einmal über das Erworbene freuen: Man ist der Ehre überdrüssig, die Kräfte schwinden, jede Freude peinigt. Und so gilt für jeden gleichermaßen: Niemand unter den Sterblichen besitzt die Fähigkeit, unerschütterlich stehen zu bleiben. Stets aufs Neue verändert sich die Beschaffenheit des Lebens - wie ein Lufthauch. Woher, verehrter Leser, soll man nun Ruhe erwarten, wenn sich vom Aufgang bis zum Niedergang alles wendet? Hoffnung, Angst, Zorn, Furcht. Wenngleich Du auf Erden beigesetzt bist: Sieh Dich als Bürger des Himmels! Dafür sollen die Kraft Deines Herzens und Deine glühende Frömmigkeit sorgen. Wehr‘ die drückende Last Deines Körpers ab, deretwegen Dein unruhiger Geist ermattet. Entkomme dem Joch, damit Dein Kopf nicht in einen Rausch verfällt. Nur wenn Du Dich mäßigst und Deine Netze voll Gold öffnest, wirst Du das tierische Wesen Deines Fleisches lieben. Hast Du nämlich bescheidene Wünsche, bist Du glückseliger als jeder Reiche: Deine Seele wird die Herrschaft im Himmelreich erlangen. Damit hast Du Dich zu lange aufgehalten: Geh jetzt! Jedoch nicht, ohne unterwegs daran zu denken, was Dir die göttliche Liebe ehrerbietig vor Augen führt: Dass die Seele zwei Wohnsitze hat, die Hölle und den Sternenhimmel. Den Sternenhimmel für die Tugend, die Hölle für die Genusssucht. 45 Außerhalb der Mauern auf den Wiesen liegt das alte und sehr bekannte Kloster des heiligen Germanus (Saint-Germain-des-Prés), des Bischofs von Paris, das König Gilbert (Childebert), ein Neffe Chlodwigs 46 , gründete. Im Chorraum ist oben auf der Mauer eine Skulptur der Göttin Isis mit einem langen Hals angebracht 47 . Dies ist eine wunderschöne Kirche mit einem ebenso 45 Ed. Dilenge, Robert Gaguin S.-212 f., mit Angabe der Varianten; vgl. Walther, Initia 11650. Die Klosterkirche wurde 1858/ 1860 vollständig zerstört. Nur wenige Architekturreste blieben erhalten, auch das von Münzer zitierte Epitaph ist daher wohl nicht mehr sichtbar, vgl. Guilhermy, Inscriptions 1 S.- 531. Das Epitaph findet sich aber noch auf fol. 25v-26r in einer weiteren Handschrift Hartmann Schedels (†-1514), die heute in der Bayerischen Staatsbibliothek in München mit der Signatur Clm 716 aufbewahrt wird. 46 Die Gründung erfolgte durch König Childebert I. (511-558), dem Sohn Chlodwigs I. (†-511), der 542 Reliquien aus Spanien ins Frankenreich brachte. Den Bau förderte ebenfalls der heilige Germanus, Bischof von Paris (†- um 555-576). Die Kirche diente von 558 bis um 675 als Grablege der merowingisch-königlichen Familie. Sie trug zunächst den Namen Sainte-Croix et Saint-Vincent und wurde im 8. Jh. dem heiligen Germanus gewidmet, vgl. Pietri, Origines S.-35; Müller-Wille, Welten S.-30 f. 47 Ähnlich berichtet eine aus dem 13./ 14. Jh. stammende Notiz in der Handschrift der Fortsetzung der Chronik des Aimoin von Saint-Germain aus dem 12. Jh. von einer Isis-Statue. Aus jener Notiz geht hervor, dass <?page no="217"?> Über die Universität und die Kollegien in Paris 217 schönen Kapitelsaal. Wie außergewöhnlich die durchstrahlte und gewölbte Kapelle ist! Sie misst 60 Schritte in der Länge und 16 in der Breite, auch das Refektorium ist sehr groß. Dieser Gilbert brachte, nachdem er in Spanien gesiegt hatte, vieles Bekannte aus Toledo herbei, was sie in der Kirche des heiligen Dionysius zeigen, wie unter anderem die Schale und der Kelch Salomos 48 . Nicht weit von diesem Kloster entfernt befindet sich eine sehr schöne Kartause 49 , mit entzückenden Gärtlein, die ich genau ansah. Der Pater empfahl wärmstens unseren Pater Prior Georg Pirckheimer 50 aus Nürnberg, den er in der Grande Chartreuse bestens kennengelernt hatte. In der Kirche des heiligen Marcellus 51 außerhalb der Mauern sah ich auch das Grab des Magister Petrus Lombardus 52 , der Sentenzenkommentare 53 ebenso wie eine Glosse über die Psalmen 54 schrieb. Nicht weit entfernt liegt die vorzügliche Pfarrkirche der heiligen Jungfrau Genoveva 55 , deren Gebeine in einem schönen Schrein hinter dem Altar auf 4 Steinsäulen ruhen 56 und die täglich durch Wunder erstrahlt. Es gibt dort einen Durchgang unter dem Grab, wohin sich die vom Fieber Befallenen legen, und viele wurden durch ihre Interzession (von ihren Leiden) die ägyptische Göttin Isis im spätantiken Paris an einem Ort namens Lucotèce verehrt wurde. Allerdings sei die Statue 1514 vom Abt von Saint-Germain-des-Prés aus Wut darüber zerstört worden, dass eine Frau in der Abteikirche das Isisidol angebetet und zu Ehren der Göttin Kerzen angezündet habe, vgl. Barroux, Statue. 48 Siehe hierzu S. 227 Anm. 115. 49 Die Grande Chartreuse zu Paris im Schloß Vauvert, das den Mönchen im Jahr 1257 von König Ludwig IX. (1226-1270) zugestanden wurde, war das erste Kartäuserkloster in der Nähe einer Stadt. 50 Georg Pirckheimer (†-1505), seit 1477 Prior der Nürnberger Kartause, war mit dem bekannten Humanisten Willibald Pirckheimer (†-1530) verwandt, vgl. Reimann, Pirckheimer S.-43 f. und 182-184. 51 Die Kirche Saint-Marcel entwickelte sich aus einer ursprünglich dem heiligen Clemens (†-97/ 101) geweihten Kapelle, in welcher sich das Grab des heiligen Marcellus (†-vermutl. 436), neunter Bischof von Paris, befand. Während des 11. Jh. entstand ein romanischer Neubau, der im Zuge der Französischen Revolution zerstört wurde, vgl. Christ, Églises S.-24; Friedmann, Paris S.-29 f. 52 Petrus Lombardus (†- 1160) war Theologe und Verfasser eines Sentenzenkommentars. Er wurde 1159 Bischof von Paris. 53 Die wohl in den Jahren 1155-1158 verfassten Sententiae in IV libris distinctae wurden zum theologischen Lehrbuch und in der akademischen Lehre genutzt, vgl. den Überblick über die Inhalte der Sentenzen des Petrus Lombardus (†-1160) bei Hödl, Petrus Lombardus. 54 Die Glossa in Psalmos verfasste Petrus Lombardus (†-1160) zunächst zum persönlichen Gebrauch wohl vor dem Jahr 1148, vgl. Hödl, Petrus Lombardus S.-207 f. 55 Stiftskirche Sainte-Geneviève. Das von Chlodwig (†-511) und seiner Gattin 507 gegründete und zunächst den Heiligen Petrus und Paulus geweihte Kloster wurde über dem Oratorium der heiligen Genoveva (†- ca. 502) errichtet. Die Kirche diente Chlodwig, seiner Tochter Chlodechild, zweien seiner Enkel und seiner Frau Chrodechild (†-544) als Grablege, vgl. Müller-Wille, Welten S.-27-30. Abt Suger von Saint- Denis (1122-1151) berief 1148 Augustinerchorherren aus Saint-Victor in die Abtei. Die Kirche wurde im 19. Jh. zerstört und die Gebeine der heiligen Genoveva wurden in die Kirche Saint-Étienne-du-Mont überführt, vgl. Heinzelmann, Vita S.-104-106. Pfarrkirche hingegen war Sainte-Geneviève-des-Ardents. Das Grab der Heiligen befand sich jedoch während Münzers Aufenthalt in der Stiftskirche Sainte-Geneviève. 56 Um 1223 beschlossen die Kanoniker von Sainte-Geneviève, einen neuen Goldschrein für die Gebeine der heiligen Genoveva anfertigen zu lassen, den ein Pariser Goldschmied namens Bonnardus 1242 vollendete; es folgte daraufhin die Umbettung der Gebeine, vgl. Dubois/ Beaumont-Maillet, Sainte Geneviève S.-83-85. <?page no="218"?> 218 VIII. Von Paris bis Rouen befreit 57 . Dieser Leichnam wird nur bei größten Bedrängnissen wie zum Beispiel bei Pest oder Hungersnot in der Stadt herumgetragen. 58 Sie wird auch als höchste Patronin verehrt. Es gibt noch ein großes Kloster, das dem heiligen Viktor 59 geweiht ist, und viele andere Kirchen, die ich der Kürze halber weglasse, wie etwa die Kirche des heiligen Rechtsgelehrten Ivo 60 oder die sehr schöne Kirche des heiligen Severin 61 , die sich alle in jenem Teil der Stadt befinden, wo die Kollegien und das Studium angesiedelt sind. Über den dritten und größten Teil der Stadt, der im Norden liegt Der dritte Teil ist, wie gesagt, der größte, fast größer als die anderen beiden zusammen; voll von wohlhabenden Händlern, Vertretern des Parlaments, Handwerkern und Kirchen 62 . Es gibt mehrere sehr große und schöne Kirchen wie die des heiligen Eustachius 63 , Martins 64 , des heiligen Jakobus 65 , Antonius´ 66 und weiterhin Klöster, die ich ihrer Zahl wegen nicht einzeln nennen kann. 57 Bereits in der um 520 entstandenen Vita der heiligen Genoveva (†-ca. 502) wird von zwei Wundern berichtet. Gregor von Tours (†-594) erwähnt Ende des 6. Jh. die Heilung von Fieberkranken an ihrem Grab. Eines der bekanntesten Mirakel der heiligen Genoveva ist das Wunder, das in den Zusammenhang von Mutterkornvergiftungen 1130 gebracht wird. Als Papst Innozenz II. (1130-1143) 1131 Frankreich besuchte, ordnete er ein jährliches Fest (26. November) zu Ehren der Heiligen an. Wegen des Wunders wurde die heilige Genoveva häufig bei Seuchen und Fieber angerufen, vgl. Dubois/ Beaumont-Maillet, Sainte Geneviève S.-64 f. und 80-82; Heinzelmann, Vita S.-103 f. 58 Die erste Prozession ist 885-886 belegt, als anläßlich der Normanneneinfälle die Schreine der heiligen Genoveva (†-ca. 502), Germanus (†-um 555-576), Marcellus (†-vermutl. 436) und Chlodoald/ Cloud (†-560) durch die Stadt getragen wurden. Seit 1130 wurden regelmäßig Prozessionen zu Ehren der heiligen Genoveva veranstaltet, vgl. Dubois/ Beaumont-Maillet, Sainte Geneviève S.-80-82. Zum Ablauf ebd. S.-105-116. 59 Das Regularkanonikerstift Saint-Victor wurde 1108 durch den Pariser Archidiakon Wilhelm/ Guillaume de Champeaux (†-1121) gegründet. Die Ursprünge gehen wohl auf eine merowingische Kapelle zurück, vgl. Bautier, Origines S.-26-30. 60 Die dem heiligen Ivo (†-1303), Schutzpatron der Juristen, geweihte Kapelle wurde von Studenten aus der Bretagne und aus Tours 1350 gegründet und gehörte einer Juristenbruderschaft. Sie wurde 1796 völlig zerstört. 61 Die Kirche Saint-Séverin wurde auf einem merowingischen Friedhof errichtet, der durch die Raubzüge der Normannen zerstört worden war. Sie wurde im 13. Jh. durch einen neuen Bau ersetzt, vgl. Christ, Églises S.-28. 62 Der von Münzer als nördliches Stadtviertel bezeichnete Teil (rive droite) umfasste das Gebiet des heutigen 3. und 4. Stadtbezirks sowie die östliche Hälfte des 1. und 2. Bezirks ohne die Île-de-la-Cité. 63 Saint-Eustache, dessen Vorgängerbau die Kapelle Sainte-Agnès war, wurde zu Anfang des 13. Jh. errichtet. 64 An der Stelle des Klosters Saint-Martin-des-Champs stand seit dem 8. Jh. eine kleine Kirche, die allerdings von den Normannen zerstört wurde. Die Abtei wurde 1060 gegründet. 1079 übergab sein Sohn Philipp I. (†-1108) das Kloster an die Cluniazenser, vgl. Sohn, Kanonikerstift. 65 Die Ursprünge der Kirche Saint-Jacques-de-la-Boucherie könnten bis ins 11. Jh. oder noch weiter zurückreichen. Die während des 13. und 14. Jh. wieder errichtete Kirche war seit 1259 Pfarrkirche des Metzgerviertels und wurde im Jahr 1797 völlig zerstört. Erhalten blieb nur die Tour Saint-Jacques, vgl. Christ, Églises S.-37; Friedmann, Paris S.-75-78. 66 Möglicherweise meint Münzer hier die Kirche des gegen Ende des 12. Jh. gegründeten Zisterzienserklosters Saint-Antoine-des-Champs, die um 1220 errichtet wurde. Die Zisterze, die ehemaligen Prostituierten auch als Asyl diente, wurde im Jahre 1797 zerstört, vgl. Christ, Églises S.-39. <?page no="219"?> Über den dritten und größten Teil der Stadt, der im Norden liegt - Paris 219 In diesem Teil stehen die Kirche und der Friedhof der Unschuldigen (Innocents) 67 mit einer sehr großen Umfassung, die mit Steinquadern gewölbt ist 68 . In der Länge haben zwei Seiten je 30 Bögen und in der Breite sind es 20. Welch großes Feld, um Menschen zu bestatten; die Erde dieses Friedhofes ist gipsartig und trocken, so dass sie in kurzer Zeit die Körper der Toten zersetzt. Viele werden dort - der sehr großen Ablässe dieses Friedhofes wegen - zusammen mit den Armen begraben. Und in meinem Leben sah ich noch nie so viele Gebeine von Verstorbenen. Alle Bögen sind im oberen Teil bis zum Dach voll von Totenschädeln, obwohl die Armen im Winter viele wegnehmen, um Feuer zu machen. Jenseits dieser Kirche gibt es im Westen die Hallen 69 , das sind sehr große Gebäude, die für die verschiedenen Handelsgüter paßgenau hergerichtet wurden, zum Beispiel die gewaltigen Hallen, in denen Wolltücher, Erzeugnisse aus Leinen angeboten werden, mit Ständen der Näher und Schneider, mit Händlern für alte Kleider, die zu nähen und zu flicken sind; dort sind Schuster, Krämer, Fisch- und Getreidehandel; ich kann hier nicht zu allem etwas sagen. Jedenfalls ist dies bewundernswert. Über die Brücken und die wichtigsten Alleen und Straßen Paris hat unter vielen an großen Hauptstraßen vier, ebenso 4 Brücken, wie im Osten die Große Brücke (Grand-Pont) 70 , auf der ich auf jeder Seite-80 Buden mit den Läden der Handwerker gezählt habe. Jener Brücke zugeordnet ist sodann die sehr lange Allee des heiligen Martin (Rue Saint-Martin), die von Norden geradeaus in die Stadt zu jener Brücke führt. Unterhalb gegen Westen gibt es die Brücke der Goldschmiede (Pont-des-Orfèvres), sehr groß und mit zahlreichen, mehr als hundert Läden und Ständen der Goldschmiede, der die Allee des heiligen Dionysius (Rue Saint-Denis) zugeordnet ist, die vor die Tore nach Saint-Denis führt und sehr lang ist. Die dritte Brücke heißt kleine Brücke (Petit-Pont) und führt zu dem Teil der Stadt, der Universiät genannt wird, an dessen Fuß befindet sich ein kleines Schloss (Petit Châtelet), wo man die Schuldner und die in Zivilangelegenheiten Beschuldigten gefangen hält 71 . Jener Brücke 67 Mit dem Bau der Kirche Saints-Innocents wurde im 12. Jh. begonnen. 68 Der Friedhof Saints-Innocents ist der älteste in Paris. Seine Gründung dürfte vor das 10. Jh. datieren. Philipp-II. August (†-1223) ließ 1186 eine drei Meter hohe Mauer um den Friedhof errichten, die zwischen dem 14. und Mitte des 16. Jh. durch einen weiteren Maueranbau mit Arkaden verstärkt wurde. Durch den herrschenden Platzmangel wurden zu dieser Zeit die Massengräber aufgelassen und die Knochen in die Arkaden gestapelt, wie Münzer berichtet. Saints-Innocents wurde zudem als Marktplatz und Ort der Begegnung genutzt. Der Friedhof wird seit 1785 nicht weiter belegt. 69 Die Markthallen, die 1183 unter Philipp II. August (†- 1223) errichtet wurden, waren nach dem Ort, an dem sie erbaut wurden, benannt: les Halles en Champeaux. 1192 wurden sie in die städtische Umfassungsmauer einbezogen und stellten bereits Ende des 14. Jh. ein eigenes Viertel innerhalb der Stadt dar. Nach und nach wurden die Markthallen erweitert, so dass auch Nahrungsmittel Absatz fanden. Eine detaillierte Auflistung der einzelnen Hallen mit einem kurzen Abriß der Geschichte bietet Biollay, Halles. 70 Zu Beginn des 15. Jh. wurde der Grand-Pont oder Pont au Change zum Hauptverkehrsweg über die Seine, vgl. Favier, Paris S.-14 f. 71 Der am südlichen Brückenkopf des Petit-Pont gelegene Turm diente ursprünglich zur Verteidigung der Brücke. 1398 wurde er allerdings zu einer Zweigstelle des Gefängnisses, das sich im Grand Châtelet befand, umfunktioniert. Der Petit Châtelet wurde 1782 zerstört, vgl. Fierro, Dictionnaire S.-90. <?page no="220"?> 220 VIII. Von Paris bis Rouen ist die große und äußerst lange Allee des heiligen Jakobus (Rue Saint-Jacques) zugeordnet, die zur Universität führt. Die vierte Brücke des heiligen Michael (Pont Saint-Michel) ist ebenfalls groß; sie führt die sehr lange Allee des heiligen Michael (Boulevard Saint-Michel) fort, die durch das Viertel der Studenten bis nach Saint-Germain führt. Alle diese Brücken sind voll mit Läden und Buden 72 , so dass man kaum die Seine darunter fließen sehen kann. Es gibt unterhalb und oberhalb dieser Brücken viele hervorragende Mühlen 73 . Eigentlich sind diese vier Alleen tatsächlich zwei, weil sie durch alle drei Teile der Stadt vom Norden geradeaus in den Süden führen. Es gibt eine andere große Allee, die von Westen nach Osten führt: Es ist eine sehr lange, die Straße des heiligen Antonius (Rue Saint-Antoine) genannt wird und im Zentrum der Stadt verläuft. In jenem Teil stehen zwei sehr bekannte Schlösser des Königs, eines im Osten beim Eintritt der Seine und eine andere im Westen am Ende der Stadt 74 ; beide liegen nördlich der Seine. Oh, wie vorzüglich diese Schlösser mit ihren Gebäuden, Räumen, Höfen und anderem sind! Übrigens gibt es unzählige andere, auch große und kleine Alleen, die zu jeweils anderen führen. Ich habe mit großer Sorgfalt die Lage von einem hohen Turm in Augenschein genommen, und tatsächlich ist die Stadt viermal so groß wie Nürnberg. Über die Lage und Größe von Paris Diese Stadt liegt in einem fruchtbaren, reichen und ebenen Landstrich, gleichsam in einem sanften Talkessel, umgeben von vielen Gärten, Weinbergen und üppigsten Feldern. Und der berühmte Fluss Seine bietet sehr große Vorteile: Aus Burgund und der Champagne kommen Getreide, Wein und Holz, aus der Normandie Getreide und diverse Meeresprodukte 75 . Und jene Ebene ist im Umkreis mit vielen Städten, Klöstern und Besitzungen der Bürger bestens bevölkert. Noch nie sah ich eine stärker besiedelte Stadt; wer es nicht gesehen hat, kann es nur schwer glauben. Man muss sich wundern, woher die Lebensmittel für eine so große Menge kommen. Einerseits bietet ihnen das nahe Meer in der Normandie großen Vorteil, andererseits die Güte des Bodens sowie die Seine, was wunderbar ist. Ich übergehe hier die Genügsamkeit 72 Der Ponte Vecchio in Florenz mit seinen Läden läßt heute noch ahnen, wie die Seine-Brücken, die laut Münzer voller Geschäfte und Buden waren, ausgesehen haben mögen. 73 Die Pfeiler der Brücken zur Île-de-la-Cité verengten den Flusslauf der Seine so stark, dass die erhöhte Fließgeschwindigkeit genutzt werden konnte, um Mühlen unter Brückenbögen, auf Pfahlkonstruktionen oder gar auf im Fluss verankerten Booten zu betreiben. Die früheste bildliche Darstellung bietet eine Handschrift der Vita sancti Dionisii von 1317, vgl. Fierro, Histoire S.-61-63. 74 Die heutige Rue Saint-Antoine wird durch den Louvre im Westen und die Bastille im Osten begrenzt. Die zwischen 1370 und 1382 erbaute Bastille sollte vor den Engländern schützen. Unter Karl VI. (†-1422) diente diese Festung vornehmlich als Gefängnis, während sie Ludwig XII. (†-1515) und Franz I. (†-1547) auch für Feste und Empfänge nutzten.-- Der Vorgängerbau des heutigen Louvre wurde bereits 1190 erbaut. Karl V. (†-1380) ließ die Festung in ein Lustschloß umbauen. Zur Zeit Münzers hatte diese königliche Residenz bereits an Bedeutung verloren, vgl. Pradel, Palais S.-5 f. Seit 1317 beherbergte die Burg die königliche Schatzkammer, bis sie unter Karl V. schließlich erweitert und neben dem Château de Vincennes und dem Hôtel Saint-Pol (Paul) als königliche Residenz diente. 75 Die Seine, in der Regel elf Monate im Jahr schiffbar, war der Hauptwasserweg für den Handel im Norden Frankreichs. Die Häfen in Paris spezialisierten sich auf Waren, wie beispielsweise Weizen, Wein aus ganz Frankreich, Pflastersteine oder Fisch, vgl. Favier, Paris S.-29-34. <?page no="221"?> Über die Reliquien und Schätze der heiligen Kapelle (Sainte-Chapelle) - Paris 221 des Volkes, das mit wenigem und einfachen Dingen zufrieden ist, so dass sie zu guten Preisen kaufen können. Zu der Zeit, als wir dort weilten, konnte wir 6 große Neunaugen für einen rheinischen Gulden erwerben sowie Brote, Fische, Früchte und verschiedenes Gemüse zu besten Preisen. Und als wir dort waren, war gerade Fastenzeit! Ich war in Venedig, Rom, Florenz, Mailand und in ganz Spanien, aber eine stärker besiedelte Stadt habe ich nicht gesehen. Über die Reliquien und Schätze der heiligen Kapelle (Sainte-Chapelle) Die Sainte-Chapelle im Palast des Parlaments 76 ist sehr berühmt und hat zwei Geschosse. Unten liegt eine Art Krypta, die jedoch hell ist. Oben ist sie sehr schön. Es gibt 12 Kanoniker, mehrere Kapläne 77 , von denen einige in der Normandie bepfründet sind. Und die Kapelle wird wegen der dort aufbewahrten heiligsten Reliquien „heilig“ genannt. Ein Schrein auf dem Hauptaltar 78 enthält die bekanntesten Reliquien der ganzen Welt, die zu Zeiten Ludwigs des Heiligen durch Balduin (II.), dem Kaiser von Konstantinopel mit viel Gold erworben wurden, wie in einer Schrift deutlich erläutert wird 79 . Zu diesem Schrein gehören (zwei) Schlüssel, von denen der König einen besitzt. Zu jener Zeit weilte der allerehrwürdigste König Karl VIII. in Neapel 80 , und der Herzog von Bourbon 81 , der sein Statthalter war, befand sich in der Stadt Moulins. Deshalb konnten wir weder den Schlüssel erhalten noch etwas sehen. Die Kanoniker hätten uns (die Schätze) gerne gezeigt, aber, wie gesagt, konnte dies nicht geschehen. Die Reliquien in der Sakristei, die in ihrer Verfügungsgewalt standen, zeigten sie jedoch zuvorkommend. Zunächst ein großes, sehr edles Kreuz 82 , das sechs Hand- 76 Die Sainte-Chapelle hatte Ludwig IX. (†-1270) als Stätte der Verehrung seiner Familie und zur Aufbewahrung der Reliquien der Passion Christi, insbesondere der Dornenkrone, geplant. Die am 26. April 1248 geweihte Kirche wurde im Hof des königlichen Palastes errichtet; bereits 1243 gewährte Papst Innozenz IV. (1243-1254) der Sainte-Chapelle Privilegien, vgl. Le Goff, Saint Louis S.-147 f. und Billot, Fondation S.-99-102. 77 Im Jahre 1246 gründete Ludwig IX. (†-1270) ein Kanonikerstift. König Philipp V. (1317-1322) erhöhte 1318 die Anzahl der Religiosen, so dass nun 12 Kanoniker und 15 Kapläne im Stift Dienst leisteten. 78 Die Grande Châsse hatte eine Höhe von fast drei Metern und befand sich im Chor der Kirche. Sie stammt aus der Zeit um 1249 und barg die von Kaiser Balduin II. (1228-1261) erworbenen Reliquien (1453 insgesamt 19). Während der Französischen Revolution wurde sie allerdings mit den Reliquien entwendet, die bis auf zwei zerstört wurden, vgl. zur Geschichte Durand, Grande Châsse. 79 1238 reiste Kaiser Balduin II. (1228-1261) mit der Bitte um Hilfe zu König Ludwig IX. (1226-1270) nach Frankreich. Dort erreichte ihn die Nachricht von dem beabsichtigten Verkauf der Dornenkrone Christi in Konstantinopel. Erst nach Verhandlungen gelang es Ludwig IX., venezianischen Händlern die Reliquie abzukaufen, zum Hintergrund vgl. Le Goff, Saint Louis S.-140-146 und Durand, Translation S.-37-41. 80 Karl VIII. (†- 1498) war am 13. März 1494 nach Lyon aufgebrochen, um Ansprüche auf das Königreich Neapel geltend zu machen. 81 Pierre de Beaujeu, Herzog von Bourbon (1488-1503), verheiratet mit Anne von Frankreich (†-1522), der Tochter König Ludwigs XI. (1461-1483). 82 Der Überlieferung nach fand die heilige Helena (†- vermutl. 329) das Kreuz Christi, welches sie in zwei unterschiedlich große Teile teilte: der eine wurde in Konstantinopel aufbewahrt, der andere blieb in Jerusalem. Im Brief Kaiser Balduins II. (1228-1261), in dem die Reliquien an Ludwig IX. (†-1270) aufgelistet sind, werden auch zwei Kreuzreliquien erwähnt: eine crux sancta und eine alia magna pars de ligno sanctae crucis. Der kleinere Teil der Reliquie wurde in einem byzantinischen Reliquiar in Form eines Kreuzes aufbewahrt, welches aber im Zuge der Französischen Revolution zerstört wurde. Münzers Beschreibung bezieht sich wohl auf das byzantinische Reliquiar; interessant ist, dass die Reliquie nicht in der Auflistung des Inhalts der Grande Châsse erscheint, wo sie sich normalerweise befand, vgl. mit Abbildung des zer- <?page no="222"?> 222 VIII. Von Paris bis Rouen spannen misst, mit Gemmen und Perlen, darin ein großes Stück des heiligen Kreuzesholzes. Zum zweiten ein weiteres Kreuz, das mit nicht weniger Gemmen und Perlen verziert, aber nicht ganz so groß ist. Drittens ein Kreuz aus reinstem Gold mit edelsten Gemmen verziert, das die Venezianer als Geschenk einem gewissen König von Frankreich übergaben. Zum vierten ein wunderschönes Bild der heiligen Jungfrau aus schneeweißem Elfenbein geschnitzt mit sehr bemerkenswerten Gemmen 83 . Fünftens, das Haupt des heiligen Clemens 84 , ebenso das Haupt des heiligen Blasius 85 , mit so viel Gold und Gemmen verziert, dass dies höchstes Staunen erweckt. Sechstens, ein goldenes, sehr schönes Schiffchen, um das Sakrament des Herrn umherzutragen. Siebtens, eine sehr breite Tafel, größer als ein ausgerollter Papyrus, aus Gemmenstein mit 26 geschnitzten Bildern. Wie viele Diamanten gebraucht wurden, um diese Tafel zu vollenden! Achtens eine im Umfang recht breite und kostbarste Schale aus Tafeln mit Emaille, Gemmen und anderen wertvollen Dingen und mit Gold verbunden. Neuntens, ein sehr edles mit Goldbuchstaben geschriebenes Buch aus Pergament, auf dem die 4 Evangelisten mit ihren bekannten Zeichen abgebildet sind samt des äußerst wertvollen goldenen Einbandes mit Bildern und Gemmen 86 . Und dieses Buch ließ die Königin von Frankreich, deutscher Herkunft aus dem Haus Bayern 87 , herstellen. Zehntens, eine sehr edle Lilie aus Gemmen und Perlen, die zum Friedens(schluss) für einen großen Preis aus reinem Gold gefertigt wurde. Elftens, zwei kleine Kannen aus Gold mit Gemmen für Wein und Wasser am Altar. Zwölftens, ein großer Becher in der Art eines Kelches aus Porphyrmarmor, mit Gold umfasst. Daneben gibt es viele andere herausragende Schätze, die in der Mehrzahl Geschenke der Könige sind; ich kann nicht alles aufschreiben. Auf dem Hochaltar sahen wir in einem eigenen Behältnis das Haupt des heiligen Ludwig IX. 88 mit einer Krone auf dem Kopf, die sehr wertvoll und aus schönstem Gold mit sehr vielen großen Gemmen gefertigt ist, es gibt nichts Besseres. Es wird angenommen, dass diese Krone und das Pektorale einen weitaus höheren Preis wert sind als das Haupt des heiligen Martin von Tours. Welch wertvoller Schatz! störten Kreuzreliquiars auf S.-64 Durand, Reliquaire; zu den Kreuzreliquien Frolow, Relique S.-105 f. und S.-507 Nr.-712. 83 Die aus Elefantenelfenbein gefertigte gotische Madonna (13. Jh.) mit Jesuskind taucht bereits im ältesten Inventar der Sainte-Chapelle aus der 2. Hälfte des 13. Jh. auf. Die Skulptur trägt - wie das Kind - auf ihrer Brust einen Edelstein. 84 Clemens (†-309), Heiliger und Bischof von Ankara. 85 Die Kopfreliquien des heiligen Blasius (†- um 316), Bischof von Sebaste, und des heiligen Clemens sind zusammen mit den anderen unter Ludwig IX. (†-1270) nach Frankreich gelangten Reliquien im Brief Balduins II. (†-1261) an Ludwig IX. aufgelistet. 86 Sehr unsicher ist, ob sich Münzers Beschreibung auf das Exemplar der Apokalypse bezieht, mit dessen Anfertigung der Meister des Registrum Gregorii von Bischof Egbert von Trier (977-993) 984 beauftragt worden war. Die Handschrift ließ König Karl V. von Frankreich (1364-1380) 1379 der Sainte-Chapelle übergeben, vgl. Laffitte/ Gaborit-Chopin, Evangiles. - Zu Elisabeth von Bayern (†- 1435) siehe die nächste Anmerkung. 87 Elisabeth von Bayern/ Isabeau de Bavière, Königin von Frankreich (1385-1435) durch Heirat mit Karl VI. (1380-1422), vgl. Kimm, Isabeau de Bavière bes. S.-11 f. 88 Wegen des Besuchs zahlreicher Pilger am Grab Ludwigs IX. (†-1270) in Saint-Denis sollten seine sterblichen Überreste 1298 in die Sainte-Chapelle transferiert werden. Philipp IV. der Schöne (†-1314) ließ nur den Kopf des Heiligen in die Sainte-Chapelle umbetten. Das dazugehörige Reliquiar fertigte Guillaume Julien 1306 an. <?page no="223"?> Über die Reliquien und Schätze der heiligen Kapelle (Sainte-Chapelle) - Paris 223 In der Kirche sahen wir auch den Fuß eines Greifen hängen, also eines sehr großen Vogels, am Knie abgeschnitten; er hat fünf riesige Nägel in der Art wie die Nägel der Kapaune. Ein Nagel ist wie das Horn eines Ziegenbockes und gekrümmt wie der Nagel eines Geiers. Der Abstand zwischen beiden äußeren Nägeln beträgt etwa 4 Handflächen. Ich dachte immer, der Greif sei ein Fabeltier, aber nun habe ich die Wahrheit gesehen. Wenn der Fuß so groß ist, wie groß muss man sich dessen Körper vorstellen! Jene Reliquien aber, die wir wegen der Unverfügbarkeit des königlichen Schlüssels nicht sehen konnten, sind folgende entsprechend einer Kopie, die mir gezeigt wurde 89 . Erstens, die Krone des Herrn, mit wenigen Dornen, weil eine größere Zahl davon weggenommen wurde. Zweitens, das Eisen der Lanze des Herrn in Form eines Kreuzes wunderbar gefasst. Ich glaube, dass es ein Teil der Lanze des Herrn ist, weil die Nürnberger glauben, dass sie das wahre Eisenstück 90 und das Blut der Herrenlanze besäßen, aber darüber ließe sich viel schreiben. Drittens, der Schwamm Christi, mit dem der Herr am Kreuz getränkt wurde. Viertens, das Rohr, das man dem Herrn statt eines Szepters gab. Fünftens ein sehr bekanntes Triumphkreuz, das die alten Könige im Krieg mit sich führten. Sechstens einige Blutstropfen des Herrn. Siebtens, ein Teil des Leinengewandes, in das er sich beim Abendmahl gekleidet hatte. Achtens, einige Tuchstücke mit dem Antlitz des Herrn. Neuntens, der Purpurmantel, in dem er verspottet wurde. Zehntens, ein Teil des Schweißtuches vom Grab des Herrn. Elftens, der Stab des Moses. Außerdem vieles andere, was ich der Kürze halber weglasse. Über das Kloster Saint-Denis mit den Gräbern der Könige, den heiligen Reliquien und dem dortigen Schatz 91 Im ganzen Königreich Frankreich gibt es keinen so großen Schatz wie dort an Reliquien, Gold, Gemmen und Reichtümern, die gut aufbewahrt werden. Dieser wird nur bedeutenden Personen gezeigt. Wir kamen also zu dem sehr bekannten Mann, dem Magister Johannes Quintin, dem höchsten Pönitentiar der Hauptkirche, der damals an Gicht litt. Dessen Freundlichkeit 89 Die folgenden Reliquien gehören zu den von Ludwig IX. (†-1270) erworbenen und in der Grande Châsse aufbewahrten Reliquien der Passion Christi, vgl. Flusin, Reliques mit Tabelle auf S.-32 f.; zu den einzelnen Reliquien vgl. die Beiträge im Sammelband Durand/ Laffitte, Trésor S.-20-95. Die Kopie könnte ein Reliquienzettel gewesen sein. 90 Die Heilige Lanze, dem Typus nach eine karolingische Flügellanzenspitze, findet sich erstmals im 10. Jh. beschrieben. Ab dem 14. Jh. setzte sich die Deutung der zu den vornehmsten Reichsinsignien gehörigen Lanze als Passionslanze durch. In ihr Blatt eingelassen ist ein eiserner Stift, der als Nagel vom Kreuz Christi gedeutet wurde. Seit 1424 wurde sie mit dem übrigen Reichsschatz im Heilig-Geist-Spital in Nürnberg verwahrt und bei der alljährlichen öffentlichen Heiltumsweisung, letztmals 1523, gezeigt, vgl. Trnek, Insignien S.-13-16 und Kühne, Ostensio S.-136-144. 91 Den Ursprung des Klosters Saint-Denis bildete das Grab des heiligen Dionysius (†-nach 250), des wahrscheinlich ersten Bischofs von Paris, der nach Aussage Gregors von Tours (†-594) in der zweiten Hälfte des 3. Jh. das Martyrium erlitt. Die Kirche über seiner Grabstätte entwickelte sich seit merowingischer Zeit zu einer der bedeutendsten Grablegen der fränkisch-französischen Könige. Mitte des 7. Jh. wurde ein Mönchskonvent eingerichtet. Der frühgotische Bau der heutigen Kathedrale erfolgte unter Suger (1122-1151). Zwar gelang es nicht, Reims als Stätte der Königskrönungen abzulösen; doch wurde die seit karolingischer Zeit belegte Gewohnheit, die Kroninsignien der Abtei zur Verwahrung zu übergeben, gefestigt. Zudem fanden die Weihen der französischen Königinnen in der Zeit von 1491-1610 in Saint-Denis statt. <?page no="224"?> 224 VIII. Von Paris bis Rouen vermittelte mir die Förderung beim ehrwürdigen Abt-Vater von Saint-Magloire in Paris, durch den ich weitere Empfehlungen für den Prior von Saint-Denis 92 besaß. Das Kloster Saint-Denis liegt zwei Meilen nördlich von Paris. Zwischen diesem Ort und Paris befindet sich etwa auf halbem Weg links der Berg, auf dem der heilige Dionysius Areopagita enthauptet wurde, den der heilige Paulus dorthin geschickt hatte 93 . Und mit seinen Händen trug er das abgeschlagene Haupt zu dem Orte, an dem er nun begraben ist. Es ist ein hochberühmtes Kloster und eine reich begüterte Abtei, die unter der Kommende eines gewissen Kardinals steht; jährlich leistet die Abtei als Tribut zehntausend Écus. Außerdem ist die Kirche überragend und nicht weniger berühmt als die Hauptkirche der seligen Jungfrau (Notre-Dame) in Paris, sie ist sogar viel schöner und heller. Hinten im Chor gibt es einen anderen schönen, erhöhten Chor, unter dem sich die Krypta befindet, und auch in anderen Kapellen liegen die Gräber der Könige; von denen 37 dort begraben sind, ohne die Königinnen zu zählen 94 . Ich schweige von denen, die in Paris und an anderen Stellen begraben wurden. Manche Könige pflegten nämlich für den Leichnam und für das Herz verschiedene Grabstellen vorzusehen, manchmal sogar eine weitere für die Eingeweide. Den oberen und unteren Chor umgeben viele hervorragende Kapellen, die bestens in der gleichen Weise wie in der Kathedrale in Paris ausgestattet sind; in allen ruhen Körper der Heiligen 95 , in einer der Leichnam des heiligen Eustachius 96 , obwohl manche sagen, er liege in Rom. Ebenso der Körper des heiligen Hilarius von Poitiers 97 , den man tatsächlich in Poitiers nicht zeigt; es gibt weiterhin den Leichnam des heiligen Cucufat, des Bischofs von Paris 98 , denjenigen des heiligen Hugo 99 und viele andere, die ich der Kürze halber weglasse. Wir traten aber zunächst in Kontakt mit dem Prior, einem sehr gelehrten Menschen, und nach einer kurzen Erläuterung unseres Ansinnens legte ich unsere Fürschriften 100 vor, die er sofort las und sich allem gütig und sehr aufgeschlossen zeigte. Während er die Messe las, betrachteten wir mit einem anderen Kleriker, den er uns zugewiesen hatte, zunächst die Reliquien im Chor und in der Kirche. 92 Prior der Abtei Saint-Denis war zu dieser Zeit Michel de Troyes (†-1517). Zum Lesen der Empfehlungen siehe Anm. 100. 93 Eine wohl zur Zeit des Abtes Fulrad von Saint-Denis (750-784) entstandene zweite Passio setzt den heiligen Dionysius (†-nach 250) mit dem Paulus-Schüler Dionysios Areopagites (†-1. Jh.) gleich, vgl. zusammenfassend Grosse, Papsturkunden 9 S.-23 mit weiterer Literatur in Anm. 24. 94 Nach Beisetzung Hugo Capets (†-996) in Saint-Denis wurden alle französischen Könige - mit Ausnahme von Philipp I. (†- 1108), Ludwig VII. (†- 1180) und Ludwig XI. (†- 1483) - dort begraben, vgl. Erlande- Brandenburg, Roi; Grosse, Papsturkunden 9 S.- 23-30. Zur Anordnung der Gräber mit Stichen der Grabmäler und den jeweiligen Epitaphien vgl. Félibien, Histoire S.-546-568. 95 Jede Kapelle in Saint-Denis enthielt ursprünglich jeweils Schreine und Reliquiare desjenigen Heiligen, dem sie geweiht war. 96 Eustachius (†-um 118), Heiliger, einer der Vierzehn Nothelfer. 97 Siehe oben S. 192 f. 98 Der heilige Cucufatus (†-303/ 304) war nicht Pariser Bischof. Er stammte wohl aus Afrika und wurde unter Kaiser Diokletian (284-305) verfolgt. Seine Gebeine gelangten 835 nach Saint-Denis. 99 Nicht in den Verzeichnissen von Saint-Denis enthalten. Möglicherweise bezieht sich Münzer auf den in Saint-Denis beigesetzten, aber nicht kanonisierten Hugo Capet (†-996). 100 Siehe Anm. 92. <?page no="225"?> Zuerst einen vollständigen Nagel des Herrn 101 , mit dem er am Kreuz befestigt war. Er zeigte an der konischen Längsseite und an der Nagelspitze ein wenig Blut. Eingeschlossen ist er in ein schönes goldenes Gefäß. Ich betrachtete ihn eingehend, erhielt ihn in die Hand und küsste ihn. Er kam mir größer als mein Mittelfinger vor - etwa so wie mein Zeigefinger, nur ein bisschen länger. Zweitens: eine goldene Krone, ähnlich der Dornenkrone mit Gemmen und wertvollen Perlen verziert; unter den Gemmen verbargen sich einige Dornen (der Krone) des Herrn. Sie wird Triumphkrone genannt, mit der die alten Könige gegen die Ungläubigen triumphierten. Etc. Zum dritten einen Arm des heiligen Simeon, der in Gold gefasst ist 102 . Viertens steht auf dem Hauptaltar hoch erhoben ein sehr großes Kreuz von 8 Fuß Länge, aus reinstem Gold, das Bildnis des Herrn auf der rechten Seite ist mit reinsten Rubinen verziert, welche die Blutstropfen darstellen. Ebenso sind die Schenkel voller Gemmen und Perlen. Die Rückseite des Kreuzes ist hervorragend mit Gemmen bestückt. Es ist wahrhaftig von einem unschätzbaren Wert. Fünftens: in einem anderen Schrein das Haupt des heiligen Dionysius Areopagita 103 in Gold gefasst, mit einer Mitra aus reinstem Gold und so wertvollen und großen Gemmen, die noch größer als bei der Mitra des heiligen Martin von Tours sind. Sechstens: drei silberne Schreine, in einem eigenen die Gebeine des heiligen Dionysius, in dem anderen diejenigen des heiligen Erzleviten Rusticus und im dritten diejenigen des heiligen Erzdiakons Eleutherius; sie waren Schüler des heiligen Dionysius 104 . Siebtens sahen wir im untereren Chor der Patres oben das Horn eines Rhinozeros‘ hängen, das sie Einhorn nennen, es war groß, sechseinhalb Fuß lang und spiralförmig gekrümmt, wie es in der Natur ist 105 . Achtens sahen wir im Hochchor hinter dem Grab des heiligen Dionysius ein großes Gefäß, der Form nach länglich wie eine Karaffe aus Porphyrmarmor, der Farbe nach wie Brasilholz mit kleinen verschiedenen Punkten. Darin weihen sie das Wasser während der Ostervigilien. Es ist ein sehr schönes Gefäß. Nachdem er den Gottesdienst beendet hatte, kam der Vater Prior 106 , ein verehrungswürdiger Mann, und führte uns zum heiligen Schatz, der mit starken Gittern und Toren gesichert ist. Dort sahen wir den Schatz der Könige von Frankreich: 101 Zusammen mit der Dornenkrone galt der Kreuzesnagel als Geschenk Karls des Kahlen (†-877) an Saint- Denis. Beide Passionsreliquien waren wohl im 12. Jh. unter Abt Suger (1122-1151) an die Abtei gelangt. 102 Simeon (†-nach 5 v.-Chr.), Heiliger: Die Armreliquie des heiligen Simeon galt wie die Dornenkrone und der Kreuzesnagel als Geschenk Karls des Kahlen (†- 877) an die Abtei, war aber vermutlich ebenso wie letztere im 12.-Jh. unter Abt Suger (1122-1151) nach Saint-Denis gekommen, vgl. mit graphischer Abbildung Félibiens Gaborit-Chopin, Trésor S.-47. 103 Das mit einer Mitra versehene goldene Kopfreliquiar des heiligen Dionysius (†-nach 250), welches auf drei vergoldeten Engeln ruhte, findet sich auch im Inventar von 1634, vgl. Félibien, Histoire S.-540 und Abb. 3; Montesquiou-Fezensac, Trésor 1 S.-237-244 Nr.-214. 104 Die Märtyrer Rusticus und Eleutherius waren Gefährten des heiligen Dionysius (†-nach 250) und erlitten mit ihm in Paris den Tod. Die aus Silber gefertigten Schreine der drei Heiligen sind noch im Inventar von 1634 nachgewiesen, vgl. Montesquiou-Fezensac, Trésor 1 S.-221 n. 199. 105 Spiralartig gedrehter Zahn eines Narwales, nach mittelalterlicher Deutung das Horn des fabulösen Einhorns (lateinisch: unicornis). Wann und wie Saint-Denis in den Besitz gelangte, ist unklar, Münzers Notiz darf als Erstbeleg gelten, vgl. Gaborit-Chopin, Trésor S.-310. 106 Michel de Troyes. Über das Kloster Saint-Denis 225 <?page no="226"?> 226 VIII. Von Paris bis Rouen Zunächst und erstens: ein sehr edles langes und breites, aus Goldfäden und Seide verschiedener Farben kunstvoll gewebtes Tuch. Dort sind die Geschichten aller vier Evangelisten, die das Leben und den Tod Christi darstellen. Geschenkt hat dies die Königin von Frankreich, die Gemahlin Philipps, die eine Deutsche aus dem Haus der Herzöge von Bayern war 107 . Dieser deutschen Frau eignete große Weitsicht. Zweitens: das große und sehr edle Kreuz von der Länge einer Elle, das im Längs- und Querbalken ein großes Stück des heiligen Kreuzesholzes enthält. Es ist aus reinstem Gold mit Gemmen sowie Perlen geschmückt und von höchstem Wert. Drittens: der berühmte Edelstein Karls des Großen 108 in Form einer pyramidenförmigen Tafel, deren Sockel in der Breite drei und in der Länge nach oben sechs Handspannen misst 109 . Dort gibt es nichts außer Gemmen und runden Perlen, die in reinstem Gold gefasst sind, Diaphane ohne Blatt und Schnörkel, so dass alle Gemmen nebeneinanderstehen. Und dieser Edelstein stammt von den Vorfahren Karls des Großen und ist von unschätzbarem Wert. Es gab dort runde Saphire groß wie Taubeneier, ähnlich den Emailletafeln, außerdem große Tafeln unter anderem mit Smaragden und Saphiren. Viertens: ein goldenes Gefäß, in dem Ampullen mit Gemmen und andere Dinge zur Aufbewahrung mit einzelnen Reliquien waren, welche die Passion des Herrn zeigen, wie unter anderem (Teile) vom Schwamm, von der Krone, vom Gewand, vom Kreuz und vom Blut. Fünftens: viele goldene Adler mit ausgebreiteten Flügeln und mit Gemmen und Perlen 110 , die der Kaiser Karl auf dem Kopf oder vor der Brust trug, aus Gründen eines Sieges oder Triumphes. Sechstens: das Haupt des heiligen Benedikt 111 mit vielen Gemmen, Schnitzwerk von besonders wertvollen Gemmen und Perlen dekoriert. Ich glaube wahrlich, dass es wertvoller als die Mitra des heiligen Martin von Tours ist. Siebtens: in einem sehr edlen goldenen Etui die Hand des heiligen Apostels Thomas mit ausgestrecktem Finger, mit dem er die Seite des Herrn berührte 112 . Oh, welch wunderbarer Kirchenschmuck! Achtens: die Krone Karls des Großen aus reinstem Gold, mit der alle Könige Frankreichs in Reims gekrönt werden 113 . Diese setzte ich auf meinen Kopf. Sie hat vier Teile, in jedem Teil 4 Rubine, 4 Smaragde, 4 Saphire und in der Mitte einem großen Karbunkel in Form einer Birne, 107 Die einzige französische Königin bayerischer Herkunft war Elisabeth von Bayern/ Isabeau de Bavière (†-1435), die allerdings mit Karl VI. (†-1422) verheiratet war, siehe auch S. 222 Anm. 87. 108 Karl der Große (†-814), heiliggesprochen auf Veranlassung Friedrichs I. Barbarossa (†-1190) im Jahr 1165. 109 Sogenannte Schatulle Karls des Großen (Escrain de Charlemagne, von lateinisch scrinium = Schatulle). Die ursprüngliche Funktion dieser nur bruchstückhaft erhaltenen Goldschmiedearbeit ist ungeklärt. Aufgrund von Vergleichsstücken läßt sie sich in die Karolingerzeit einordnen, angefertigt möglicherweise unter Karl dem Kahlen (†-877). Die erste schriftliche Erwähnung stammt aus dem 10. Jh., vgl. mit Abbildung einer Nachzeichnung Gaborit-Chopin, Trésor S.-93 f. 110 Anhand graphischer Darstellungen lassen sich die nicht mehr im Original erhaltenen Schmuckstücke ins 10. oder 11. Jh. datieren, vgl. Gaborit-Chopin, Trésor S.-61 f. 111 Das Kopfreliquiar des heiligen Benedikt (†-um 560) war ein Geschenk Herzog Johannes’ von Berry (1360- 1416) von 1401 an die Abtei Saint-Denis. Mit der im Zuge der Französischen Revolution eingeschmolzenen Büste verbunden war ein Armreliquiar Benedikts aus Gold. 112 Das Handreliquiar war ein Geschenk Herzog Johannes’ von Berry (1360-1416), vgl. Gaborit-Chopin, Trésor S.-199. 113 Die Heilige Krone könnte noch im ausgehenden 13. Jh. gefertigt worden sein. Bei dem in der Mitte platzierten Stein handelte es sich um einen Granat oder Zirkon, in dessen Mitte sich eine Kreuzreliquie <?page no="227"?> der wie brennende Kohle leuchtet. Insgesamt gibt es 48 sehr große Steine und 4 Karbunkel. Keine vergleichbare Krone existiert - wie ich glaube - auf der Welt. Welch wunderbarer Anblick! Diese Krone ist wahrlich ein Königreich wert. Neuntens: ein Birett aus rotem Samt, auf dessen Spitze ein großer Karbunkel mit goldenen Fäden angebunden war, darunter edelste Perlen und einige Gemmen. Dieses wird zuerst auf das Haupt des Königs gesetzt und darauf die Krone. Ich habe ebenso wie meine Gefährten dieses Birett sogar auf meinem Kopf getragen. Zehntens: eine andere Krone von reinstem Gold aus großen und wertvollen Gemmen, mit der die Königin gekrönt wird 114 . Elftens: zwei andere sehr wertvolle Kronen, mit denen die Könige und Königinnen beim Begräbnis gekrönt werden, wenn sie zur Grabesstätte gebracht werden. Oh, wie wertvoll sie sind! Ebenso ein silbernes Szepter, das mit goldenen Blumen und Gemmen verziert war und das vor dem Leichenzug von Königen und Königinnen getragen wird. Zwölftens: eine sehr wertvolle Schale, die im Durchmesser eine Handspanne misst und drei Finger in der Breite. Diese Schale ist, wie ich sage, mit Tafeln von Rubinen, Smaragden und Saphiren in reinstem Gold verziert. Sie ist ein Königreich wert und unschätzbar. Außerdem gibt es einen Becher in der Art eines Kelches, mit verschiedenen Bildern aus einer großen Gemme gefertigt. Er ist unschätzbar wertvoll: Wie viele Diamanten gebraucht wurden, um ihn herzustellen! Man sagt, er sei aus dem Tempel Salomos, es seien die Kleinodien Salomos 115 . Gilbert (Childebert) , der Neffe Chlodwigs, des ersten christlichen Königs der Franken, brachte, als er mit einem großen Heer nach Spanien zog, diesen mit verschiedenen anderen Schätzen und Spolien in das Frankenreich. Wie sie aber nach Spanien kam, dazu sagen einige, dies sei von Julius Caesar geschehen, nachdem Jerusalem von den Römern besiegt worden war. Andere behaupten, dies sei von Juden gebracht worden, nachdem sie aus Judäa nach Spanien gekommen seien. Die Juden waren nämlich sehr mächtig in Spanien, besonders in Toledo, wo wir ihre große Synagoge sahen, als wir dort waren. Dreizehntens: ein sehr schönes Bildnis des gekreuzigten Herrn, aus dem heiligen Kreuzesholz geschnitzt und in reinstes Gold gefasst 116 . Vierzehntens: ein Arm des heiligen Laurentius in wertvolles Gold eingefasst. Ebenso ein Zahn des heiligen Johannes Evangelist, (ebenso) mit reinstem Gold umfasst. Man findet keine andere Reliquie von ihm anderswo. befand. Der Halbedelstein saß auf der Schnittstelle von vier Bügeln, welche von jeweils vier großen goldenen Lilien ausgingen, die am Band der Krone befestigt waren. Die Krone wurde 1794 eingeschmolzen. 114 Das Aussehen der Krone der französischen Königinnen ist lediglich durch ein Aquarell von Montfaucon ansatzweise erkennbar, da sie 1793 eingeschmolzen wurde. 115 Sogenannte Tasse des Salomo, eine Trinkschale, benannt nach der in der Mitte sitzenden Gemme aus Bergkristall, in die das Abbild eines Königs eingraviert war, in dem viele König Salomo erkennen wollten. Wie das in sassanidischer Werkstatt im 6./ 7. Jh. gefertigte Gefäß nach Saint-Denis gelangte, ist ungewiß. Offenbar gab es schon im Mittelalter unterschiedliche Erklärungsversuche, wie Münzers Bemerkungen beweisen. Angeblich war das Gefäß ein Geschenk Karls des Kahlen (†-877) an die Abtei. Siehe oben S. 217. 116 Bei dieser Kreuzreliquie handelte es sich um ein Geschenk König Philipp II. Augusts (†-1223), der sie wiederum zwischen 1187 und 1191 von Papst Clemens III. (1187-1191) bekommen haben soll, vgl. Frolow, Relique S.-349 Nr.-379. Über das Kloster Saint-Denis 227 <?page no="228"?> 228 VIII. Von Paris bis Rouen Fünfzehntens: ein Bildnis der seligen Jungfrau aus hervorragendem Elfenbein geschnitzt, auf ihrer Krone und ebenso auf der Brust strahlen wertvollste Smaragde und auch andere kostbare Steine. Dieses Bildnis ist wahrhaftig sehr schön 117 . Sechzehntens: ein edelstes goldenes Kreuz mit wertvollen Gemmen, das auf seine Kosten Karl der Kahle 118 , der Enkel Karls des Großen, fertigen ließ. Siebzehntens: Eine Vielzahl vieler anderer Schätze in Gold und Silber sowie andere Reliquien, die ich nicht aufzählen kann. Nach diesem edelsten Schrank ließ er eine große Truhe öffnen, in der wir alles sahen, was die Krönung der Könige Frankreichs betrifft: Zunächst und erstens: das Schwert, das heißt die spata Karls des Großen 119 mit Scheide und einem vergoldeten Griff, mit dem alle Könige in Reims umgürtet werden. Ebenso die Stiefel in himmelblauer Farbe, die den Bordüren aus Lilien geschuldet ist 120 , sowie die gelben Sandalen Karls des Großen. Zweitens: die Sporen aus reinstem Gold, mit einer Spitze in der Art der „jinetes“ Spaniens 121 . Drittens: das edelste große Szepter, aus reinem Gold zu 15 bis 20 Mark und auf der Spitze edle Perlen und Gemmen, um oben eine Lilie zu formen 122 . Viertens: weiterhin ein anderes Szepter, auf dessen Spitze eine Hand mit einem ausgestreckten Zeigefinger ist, und dies trägt der König zu seiner Krönung in der rechten Hand; es heißt Szepter des Rechtes, denn er schwört, die Gerechten zu erhöhen und die Bösen zu bestrafen 123 . Fünftens: das schwarze Hemd aus Seide und Velours, das die Könige anziehen. Sechstens: ebenso das Gewand des Diakons und des Subdiakons in hellblauer Farbe, vollständig mit Lilien gesäumt. Weiterhin eine sehr wertvolle Mantilla mit Borten, Bordüren und kreisrunden Perlen. Ebenso ein Edelstein, um das Pallium an der Brust zu befestigen. Siebtens: ein Diadem, in Form einer Lilie aus reinstem Gold und vollständig verziert mit kreisrunden Perlen und Gemmen. Das ziehen die Könige zur Krönung in Reims an. Es gibt in jenem Schrein das Schwert Ludwigs, das am Knauf erweitert wurde und in einen Conus in Form einer Pyramide ausläuft. Ebenso das Schwert Karls VII., des Vaters des letzten 117 Die Jungfrau Maria mit dem Jesuskind aus Elefantenelfenbein stammt aus dem letzten Drittel des 13. Jh. und befindet sich heute im Taft Museum, Cincinnati. Die zugehörige Krone ist seit 1634 verloren, vgl. Gaborit-Chopin, Trésor S.-231-236. 118 Eine detaillierte Beschreibung des Goldkreuzes bei Montesquiou-Fezensac, Trésor 3 S.-32 f.; Tafel 16. 119 Das sogenannte Schwert Karls des Großen wurde wohl erstmals anläßlich der Königskrönung Philipp II. Augusts (†-1223) 1180 erwähnt. Die ältesten Teile stammen aus dem 9./ 10. Jh., vgl. Gaborit-Chopin, Épée. 120 Der Großteil des Futterals ist mit rotem Samt überzogen, auf welchem Lilien aufgestickt sind. Der älteste Teil stammt aus dem 13. oder beginnenden 14. Jh., der Schaft wurde 1775 erneuert. 121 Die genannten Sporne wurden im 12. Jh. gefertigt und bei der Krönung der französischen Könige eingesetzt, vgl. Gaborit-Chopin, Trésor S.-202 f. Zu den spanischen genettos/ jinetes siehe S. 81 und S. 94. 122 Welches Szepter Münzer hier beschreibt, bleibt unklar. Möglicherweise handelte es sich um einen Vorläufer des berühmten sogenannten Szepters Karls des Großen, ein wohl unter Karl V. (†-1380) angefertigtes Goldszepter, auf welchem sich eine kleine, auf einer Lilie thronende Figur Karls des Großen (†-814) befand. 123 Eine der sogenannten Hände der Gerechtigkeit, die zu den Krönungsinsignien gehörten. Das Inventar von 1505 zählt vier davon auf, Félibien (†-1695) noch zwei, doch blieb keine erhalten, vgl. Conway, Abbey S.-147 Abb. 1 und S.-150. <?page no="229"?> Rückkehr nach Paris 229 Ludwig (XI.), der Frankreich nach vielen Jahren der Besetzung durch die Engländer (als Reich) wiederherstellte 124 . Es gibt in dieser sehr bekannten Schatzkammer noch vieles andere, aber der Menge wegen kann ich nicht alles beschreiben. Was ich aber aufgezählt habe, sind die bekanntesten Dinge. Im Kloster sind vier besonders ehrwürdige Patres, die hauptsächlich damit betraut sind, den hochberühmten Schatz der Könige zu hüten. Die Abtei ist, wie ich schon sagte, sehr reich. Und die Stadt, in der dieses Kloster liegt, ist gut, ausreichend groß und der Gewalt des Abtes unterworfen 125 . Rückkehr nach Paris Die Stadt Paris ist aber frei einschließlich der umliegenden Gebiete bis zu einer gewissen Anzahl an Meilen. Und deshalb heißt dieses Gebiet Francia, das heißt frei. Nachdem Karl der Große Spanien unterworfen hatte und nach jener großen Schlacht, in der sein Neffe in Roncesvalles im Reich Navarra umgekommen war, kehrte er nämlich nach Paris zurück und befreite die Stadt, so dass alle Einwohner weder Maut, Steuern noch sonstige Abgaben durch Zwang leisten müssten. Jeder, der Paris betrete, dürfe ein Haus mieten oder kaufen, und wenn er müde wird, möge er frei die Stadt verlassen. Dazu findest du Ausführliches in der Geschichte des heiligen Jakobus über die Kriege Karls des Großen gegen die Spanier 126 . Die Stadt erhält dennoch viele Einkünfte und Einnahmen aus den Buden auf den Brücken und unzähligen anderen Dingen, die das Gemeinwesen nähren und erhalten und den König besänftigen. Es wäre eine Aufgabe, die Pariser Dinge in einem großen Kommentar zu beschreiben. Ich verlasse dieses Feld und begnüge mich mit den bescheidenen Bemerkungen. Über die vier Schlösser zu Paris Es gibt zu Paris vier Schlösser oder Burgen. Das erste liegt im Universitätsviertel nach Westen bei den Mauern der Stadt am Ufer der Seine, und der Name lautet Schloss Navarra 127 , denn die Königin von Navarra pflegte sich dort aufzuhalten. Es hat einen sehr hohen und gut befestig- 124 Münzer spielt hier auf den Hundertjährigen Krieg seit 1337 an, der bis 1453 mit der Eroberung aller englisch beherrschten Territorien in Frankreich, mit Ausnahme von Calais, durch Karl VII. (†-1461) beendet wurde. 125 Die Ortschaft Saint-Denis entstand zu Beginn des 7. Jh. im Zuge der Gründung der gleichnamigen Abtei durch König Dagobert I. (629-639). Eine erste Blüte erlebte sie bereits im Frühmittelalter durch die zahlreichen Pilger, vor allem aber wegen der Handelsmessen Saint-Matthieu, Saint-Denis und Lendit, auf deren Erträge auch die Abtei Ansprüche erhob. 126 Münzer bezieht sich hier erneut auf den Spanienfeldzug Karls des Großen (†-814) in der Überlieferungstradition der Historia Turpini, vgl. Liber sancti Jacobi, IV Kap. 30, ed. Herbers/ Santos Noia, Liber S.-223; siehe auch oben S. 130 f. 127 Münzer nutzt im Folgenden nochmals die Historia de Buridano et Regina Navarrae von Johannes Jencz, auf die er bereits im Zusammenhang mit Johannes Buridan (†- ca. 1358-1360) eingegangen war (siehe S.- 213). Der legendarischen Erzählung zufolge soll die französische Königin Johanna von Champagne- Navarra (1271-1305) ihre Liebhaber, vor allem Scholaren der Universität, gezwungen haben, sich nach dem Schäferstündchen aus einem Turmfenster in die Seine zu stürzen. Johannes Jencz gibt in seiner Histo- <?page no="230"?> 230 VIII. Von Paris bis Rouen ten Turm, von dem sie - will ich der Legende glauben - die Studenten, von denen sie Dienste im Bereich der Venus nutzte, in die Seine herunterstürzte, damit die Tat nicht entdeckt werde. Deshalb gründete sie auch das Kolleg Navarra, ordnete (die Förderung) von 99 Stipendiaten an, denen erstens Unterkunft und zweitens jede Woche 8 Pariser Schillinge gewährt wurden, was dem Viertel eines rheinischen Gulden entspricht. Und sie leistete, wie man sagt, sehr harte Buße. Es gibt auch in der Innenstadt gegen Norden zwei Schlösser; eines ist gut befestigt und liegt beim Eintritt der Seine gegen Osten, ein anderes im Westen dem Schloss Navarra gegenüber 128 . Jenes ist sehr groß, mit Gärten und anderen Dingen umgeben und wurde von den Königen Englands erbaut. Es gibt ein viertes Schloss vor den Mauern im Osten, eine Meile entfernt, mit einem großen Park und Mauer umgeben, in dem verschiedene Arten von wilden Tieren sind, unter anderem Hirsche, Damwild, Hasen und Kaninchen 129 . In Paris stehen weiterhin sehr bekannte Häuser der königlichen Höflinge, der Herren im Parlament oder der sehr reichen Händler; sie haben hervorragende Höfe, Paläste, Gebäude, Hallen und weiteres. Was es noch gibt, kann ich nicht alles erzählen. Über den Auszug aus Paris Am 13. März verließen wir jene ruhmreiche Stadt in der Frühe und gelangten durch eine sehr schöne und reiche Gegend an den Ufern der Seine flussabwärts nach acht Meilen zur Stadt Pontoise (Pontoise-sur-Oise), wo sich der Nebenfluss Oise in die Seine ergießt. Daher rührt der Name Pontoise, also Brücke der Oise. Es ist eine schöne Stadt, die unter der Herrschaft des Erzbischofs von Rouen steht. Danach kamen wir durch fruchtbare Landstriche nach Saint-Clair (Saint-Clair-sur-Epte), überquerten den Fluss Epte und betraten die Normandie, denn dieser schöne Fluss trennt die Francia von der Normandie. Und am 15. (März) erreichten wir jene bekannte Stadt Rouen, die von Paris 28 gallische Meilen und zwei Tagesreisen entfernt ist. ria als Ort des Geschehens einen Palast am Seineufer an, den Münzer hier mit dem castrum Naverre identifiziert, dessen Lokalisierung aber unklar ist. Vgl. Michael, Johannes Buridan 1 S.-288-290 mit Anm.-9. 128 Hier bezieht sich Münzer nochmals auf die beiden oben bereits genannten castra, die Bastille und den Louvre, siehe auch S. 220. 129 Château de Vincennes. Errichtet unter Ludwig VII. (†- 1180) im Wald von Vincennes, wurde das Jagdschloß auf Veranlassung Philipp II. Augusts (†-1223) Ende des 12. Jh. mit einem abgeschlossenen Wildpark umgeben. Zu Beginn des 16. Jh. war Vincennes verlassen, da die Herrscher vornehmlich in den Schlössern im Tal der Loire weilten, vgl. Chapelot, Château. <?page no="231"?> IX. Von Rouen bis Lille Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 431, fol. 243v Über die berühmte Stadt Rothomagus, die Rouen genannt wird Rouen ist eine bekannte und prächtige Stadt, die Hauptstadt der gesamten Normandie 1 , die in einer sehr schönen Ebene liegt und die von Osten, Norden und Westen anmutige und fruchtbare Hügel mit Getreide umgürten. Im Süden berührt der große Fluss der Seine die Mauern der Stadt, der Strom ist dort sehr breit, weil er ruhig und langsam fließt. Und flussabwärts nimmt er viele Flüsse auf wie die Oise, die Epte und die Andelle, die wir überquert haben. Ich verschweige die anderen, die von Süden kommen. Dort steht eine sehr schöne und gut befestigte Brücke mit 16 Bögen 2 . Jenseits der Brücke, nach Süden zur westlichen und südlichen Normandie hin, befinden sich üppige und saftig grüne Wiesen, und in einer sehr großen Ebene gibt es weiterhin große Wälder, Äcker und andere Dinge, die dem menschlichen Wohl zuträglich sind. Die Lage Rouens ist sehr vorteilhaft, dort leben sehr reiche Händler 3 , die Stadt ist deutlich größer als Nürnberg und dicht besiedelt. An einer Ecke gegen Nordosten findet man außerdem mehrere liebliche Gärten und Ländereien. Ebenso kommt an dieser Stelle aus Nordosten durch 1 Bereits unter normannischer Herrschaft (911-1205) war Rouen zum politischen und verwaltungsmäßigen Zentrum aufgestiegen. 2 Gemeint ist hier wohl die Seine-Brücke, deren Bau oder zumindest deren Erneuerung von Mathilde (†- 1167), seit 1128 in zweiter Ehe mit Graf Gottfried von Anjou (1129-1151) verheiratet, in Auftrag gegeben und die etwa zwischen 1151 und 1167 errichtet wurde. 3 Der Handel in Rouen wurde bereits durch König Heinrich II. von England und Herzog der Normandie (1151-1189) und seinem Sohn Johann Ohneland (†-1216) nicht nur durch die Ausbildung einer munizipalen Selbstverwaltung stark gefördert, sondern auch durch gezielte Steuerbefreiungen und die Schaffung einer Monopolstellung in Bezug auf den Handel zur See oder mit bestimmten Gütern, wie z.- B. Wein. Im 15. und 16. Jh. weiteten sich die Handelsbeziehungen Rouens bis nach Nordafrika, Skandinavien, ins Baltikum und nach Amerika aus. <?page no="232"?> 232 IX. Von Rouen bis Lille ein Tal zwischen den Bergen ein wichtiger Fluss herab, der Rotobecka genannt wird und der über die ganze Stadt verteilt viele Mühlen antreibt 4 , er gleicht der Pegnitz in Nürnberg. Drei Gegebenheiten verschaffen diesem Ort so gute Bedingungen. Zunächst ist es die Seine, auf der aus Paris und vielen anderen Orten zahlreiche Dinge herbeigebracht werden 5 , unter anderem Wein und Holz sowie Gips. Weiterhin fahren große Schiffe von 200 Tonnen aus dem Meer flussaufwärts, von denen wir mehrere sahen; sie bringen Meeresgüter aus England, Spanien, Portugal oder Flandern 6 . Das Meer liegt von Rouen eine Tagesreise entfernt, und bei der Mündung der Seine ins Meer gibt es zwischen zwei Meeresstränden die sehr bekannten Häfen und schönen Städte Honflor (Honfleur) und Horflor (Harfleur), die drei Meilen voneinander entfernt liegen, eine im Süden, die andere im Norden, Seine und Meeresstrand befinden sich zwischen beiden Orten. Zweitens ergibt sich ein großer Vorteil aus der Güte des Bodens, dem Reichtum an Holz und Wiesen. Zum dritten werden dort sehr viele Waren gehandelt, wodurch die Stadt stark wächst. Die Bevölkerung ist sehr umgänglich und nüchtern; sie besitzen grundsätzlich ähnliche Verhaltensweisen wie die Flamen. Aber es wächst bei ihnen kein Wein, sondern erst wieder 7 Meilen an der Seine flussaufwärts 7 . Lebensmittel finden sich dort günstig: Brot, Getreide, Fluss- und Meeresfische. Wir aßen dort hervorragende Neunaugen zu einem guten Preis. Dort gab es auch gewisse sehr reiche Händler, die uns wegen Caspar Fischer 8 , den sie in Lyon kennengelernt hatten, große Ehren erwiesen. In der Stadt stehen viele Häuser für den Warenverkauf. Wie viele Hallen und Häuser es sind, in denen alle Waren gehandelt werden! In Rouen produzieren sie so viel Tuch, dass sie es in die ganze Welt verkaufen. Sie fertigen unter anderem bestimmte wertvolle Wolltücher 9 , die sie pro Elle für 4 oder 5 Dukaten feilbieten. Wir sahen auch am Seineufer auf der Brücke unzählige Schiffe aus Paris und aus anderen Orten, die Wein, Gips, Holz und andere Handelsgüter brachten. Es sind vor allem sehr viele Gipshaufen, sie transportieren Gips erstaunlicherweise über das Meer nach England und Flandern. In der Tat gibt es nur in Paris beim Hügel des heiligen Dionysius so guten Gips 10 . Unter 4 Gemeint sind höchstwahrscheinlich vor allem Walkmühlen, für die Rouen bekannt war. 5 Bereits unter den normannischen Herzögen besaß Rouen eine Monopolstellung bezüglich des Handels auf der unteren Seine, welche auch nach der Eroberung der Normandie 1205 durch Philipp II. August (†- 1223) bestehen blieb. Dadurch wie auch aufgrund der Orientierung Rouens auf den Handel mit dem Pariser Becken geriet die Stadt zunehmend in Konkurrenz zu Paris. 6 Schon seit normannischer Zeit bestanden Kontakte nach England. Der Handel mit Spanien und Portugal basierte auf dem Austausch von Wolle, Tuchen und Färbemittel, der Import kastilischer Wolle in die Normandie ist bereits für das 13. Jh. belegt. Die Beziehungen zu Flandern, insbesondere zu Brügge, wurden gegen Ende des 15. Jh. erweitert. 7 Wein, ein wichtiges Exportgut, wurde vor allem in der Umgebung von Paris, im Seinetal oberhalb von Rouen, in den Tälern der Aisne und Oise bis hin zur Region von Auxerre angebaut. 8 Siehe zu Münzers Begleiter Caspar Fischer (†-1517) oben S. 28. 9 Die Tuchproduktion wurde bereits unter normannischer Herrschaft betrieben. Günstige Voraussetzungen für das Färben und Walken der Stoffe bot das Wasser der Flüsse Robec und Aubette. Nicht nur die Schafe aus den Pays de Caux lieferten die Wolle, sondern auch Importe von den Britischen Inseln, aus Irland und Kastilien. Noch im ausgehenden Mittelalter basierte ein Großteil des Handels auf Wolle und Tuchen. 10 Der Gipsabbau im Pariser Raum geht wohl bereits auf die römische Antike zurück, ist jedoch erst für die Merowingerzeit belegt; Gips wurde vor allem zur Herstellung von Sarkophagen benötigt. Ein Königs- <?page no="233"?> Über den Berg und das Kloster der heiligen Katharina - Rouen 233 der Brücke liegen aber Seeschiffe in großer Zahl, darunter sahen wir so viele Mühlwerke, die man kaum alle nennen kann. Ich glaube, dass der König von Frankreich großen Nutzen aus dieser edlen Stadt zieht. Ich vermag keine Einzelheiten zu erzählen. Über den Berg und das Kloster der heiligen Katharina 11 Im Osten, vor den Mauern von Rouen, liegt ein relativ hoher Berg, auf dessen Spitze das ehrwürdige Kloster der Brüder vom Orden des heiligen Benedikt liegt, aber sie folgen nicht der Observanz. Wir stiegen also vom Fuß des Berges bis zum Kloster über eine steinerne Treppe 760 Stufen hinauf. An jenem Tag, an dem wir aufstiegen, ging eine große Menge der Bevölkerung auch hinauf, weil es der Sonntag Reminiscere 12 in der Fastenzeit war. Die heilige Katharina, der eine eigene Kapelle zugeordnet ist, wirkt dort große Wunder 13 . Dieses Kloster ist aber sehr gut wie eine Zitadelle befestigt, mit Mauern und mit Verteidigungsanlagen 14 . Und es bietet der Stadt höchsten Schutz. Vor zwanzig Jahren, als Herzog Karl von Burgund 15 diese Stadt belagerte 16 , wurde er nur dieses Klosters wegen zur Flucht gezwungen. Es gibt vor dem Kloster eine schöne Anhöhe, von wo die Stadt und die Ebene hervorragend betrachtet werden kann, ein sehr erquicklicher Anblick. Über die Kathedralkirche 17 und über Anderes Rouen hat einen Erzbischof, der mächtig ist, aus einer sehr bekannten Familien der Franzosen stammt und dem mehrere andere Bischöfe unterstehen 18 . Die Kathedralkirche ist der Jungfrau Maria geweiht, sehr schön und groß, ähnlich wie Notre-Dame in Paris, aber nicht so breit. diplom aus dem Jahr 1292 nennt bereits 18 Gipsbrüche in Paris. 11 Benediktinerabtei Sainte-Trinité du Mont (Sainte-Cathérine). Gegründet 1030 auf dem Gipfel des Montde-Rouen, war sie der erste Aufbewahrungsort einer Reliquie der heiligen Katharina von Alexandrien (†- angeblich 307/ 315) außerhalb Ägyptens. Nach der Überlieferungstradition soll die Reliquie das Geschenk eines Simeon, Mönch im Katharinenkloster auf dem Berg Sinai, an den Vicomte Gosselin von Rouen (†-11./ 12. Jh.) gewesen sein, der die Klostergründung veranlasste. 12 Zweiter Fastensonntag, 15. März 1495. 13 Die sterblichen Reste der heiligen Katharina von Alexandrien (†-angeblich 307/ 315) wurden in einer Kapelle der Abteikirche verehrt. Jede Woche soll die Reliquie eine Flüssigkeit abgesondert haben, welche die Kranken zur Linderung ihrer Leiden einnahmen. 14 Neben der klösterlichen Umfassungsmauer wurde aufgrund der strategisch günstigen Lage auf dem Berg von der Abtei unabhängig ein Fort zur Verteidigung der Stadt Rouen errichtet, das bereits im 14. Jh. existiert haben muss. Befestigungsanlage und Abtei wurden im Zuge der Religionskriege im 16. Jh. völlig zerstört. 15 Karl der Kühne, Herzog von Burgund (1467-1477). 16 Die erfolglose Belagerung Rouens durch Karl den Kühnen (†- 1477) im Jahr 1471 fand während seines Feldzugs gegen König Ludwig XI. (1461-1483) statt, vgl. Paravicini, Karl der Kühne S.-73. 17 Kathedrale Notre-Dame. Bereits unter Bischof Victricius (386-ca. 404) wurde um 400 der Bau einer Basilika veranlaßt. Der Ausbau zur Kathedrale wurde bereits um 1180 begonnen. Münzer erwähnt hier nicht die Funktion der Kathedrale als Grablege einiger normannischer Herzöge sowie von Mitgliedern der Plantagenêts, vgl. Heinzelmann, Kathedrale. 18 Zur Kirchenprovinz Rouen gehörten um 1500 die Bistümer Bayeux, Lisieux, Évreux, Sées, Avranches und Coutances. Seit der französischen Eroberung der Normandie 1205 war es königliches Vorrecht, die Erzbi- <?page no="234"?> 234 IX. Von Rouen bis Lille Sie hat die Form eines Kreuzes und die gesamte Länge misst 190 Schritte, ausgenommen eine schöne und lange Kapelle, die im Anschluß an den Chor liegt. Und die Breite beträgt - ohne die Kapellen zu rechnen - 40 Schritte; die der Kapellen auf beiden Seiten 16, so dass die Gesamtbreite sich auf 56 Schritte beläuft. Der mittlere Bogen und die Kuppel vor dem Chorraum sind sehr hoch. Auf beiden Seiten gibt es zwei Schiffe, von dort öffnen sich die Kapellen. Die Kirche ist äußerst hoch gebaut und sehr schön. Edel ist auch die Orgel, die mit Pfeifen und goldenen Bildtafeln verziert wurde 19 . Die Breite über dem Eingang der Kirche genügte für die Orgel nicht, deshalb sind auf beiden Seiten bei den Säulen 3 sehr große Pfeifen angebracht. Insgesamt gibt es 38 freistehende Säulen, auf jeder Seite-19. Und die Sedilien im Chorraum sind aufs Schönste geschnitzt, 28 auf den 4 Seiten, insgesamt ergibt dies 112 Sitze. Es dienen dort bestens bepfründete Kanoniker, welche die kanonischen Horen zuverlässig singen. Über die Kirche des heiligen Ouen, Bischof von Rouen 20 Diese Kirche ist in allem der Hauptkirche ähnlich, aber heller und schöner, nur der Chor mit dem Kreuz ist abgeschlossen, aber der untere Teil ist ebenso wie die Kirche bis zum Dach mit edlen Säulen erstellt. Innerhalb kurzer Zeit wird sie vollendet sein. Es gibt ein Kloster des heiligen Benedikt, aber es hat keine Reform durchgemacht. Es ist jedoch eine reiche Abtei, weil es in ganz Gallien bislang kaum fettere Pfründen gibt als in der Normandie mit ihren Abteien, Prioraten, Kanonikern, Pfarreien und anderem. Es bestehen außerdem weitere Klöster und Pfarreien, die ich nicht alle aufzeichnen kann. Über den Auszug aus Rouen zum Meerhafen Dieppe Dieppe liegt 14 kleine Meilen, das heißt eine gute Tagesreise von Rouen entfernt; es ist eine schöne und große Stadt wie Ravensburg, und sie ist gut besiedelt. Sie besitzt einen äußert edlen und gut befestigten geschlossenen Hafen, wo wir mehr als 60 Schiffe sahen, darunter einige von 300 Tonnen. Es gibt dort außerdem einen aus der östlichen Normandie kommenden Fluss, der von Norden an den Mauern der Stadt entlang fließt und der eine enge Mündung zum Meer besitzt 21 . Das Meer dringt zweimal tags und nachts ein und hebt den Wasserstand des Flusses bis zu einer gewissen Höhe, so dass sehr große Schiffe ein- und ausfahren können. Es kommen dort viele Händler aus ganz Frankreich zusammen, die mit dem Schiff nach England schöfe zu benennen, wobei das Kapitel zuvor den Kreis der Kandidaten bestimmte. Zur Reisezeit amtierte Georg von Amboise als Erzbischof von Rouen (1493-1510); nach dem Tod Karls VIII. (†-1498) wurde er erster Minister König Ludwigs XII. (1498-1515) und erlangte 1498 die Kardinalswürde (Kardinalpriester von S. Sisto 1498-1510). 19 Die Orgel wurde 1490 im Auftrag des Erzbischofs Robert de Croixmare (1482-1494) gebaut und existiert heute - bis auf wenige Reste - nicht mehr. 20 Kirche und Benediktinerabtei Saint-Ouen. Gegründet in merowingischer Zeit, war sie zunächst den heiligen Peter (†-um 64) und Paul (†-nach 60) geweiht, ehe sie nach Ouen (Audoenus), Heiliger und Bischof von Rouen (640-684), benannt wurde, der im Kloster beigesetzt ist. Nach der Zerstörung durch die Normannen wurde unter Abt Nikolaus (1042-1092) 1066 mit einem Neubau begonnen, ein weiterer wurde infolge von Bränden 1318 nötig. Erhalten ist nur der Flügel mit dem ehemaligen Dormitorium. 21 Die Arques als Zusammenfluss von Béthune, Eaulne und Varenne mündet bei Dieppe in den Ärmelkanal. <?page no="235"?> Über den Auszug aus Rouen zum Meerhafen Dieppe 235 fahren. Dieser Hafen ist nämlich vor Piraten sehr sicher und hervorragend geeignet, um nach England zu segeln 22 . Wir kamen nach Dieppe mit der Absicht, England zu betreten, um es selbst zu sehen, aber wegen der ostrogotischen Piraten, die sie Oosterlinge nennen 23 und von denen damals mehrere auf See waren, aber auch wegen der Unruhen in England wurde uns davon abgeraten. Der König Englands ließ nämlich zum Beispiel mehrere Große des Reiches und den Konstabler wegen gewisser geheimer Bündnisse enthaupten 24 . Über die Abfahrt aus Dieppe nach Eu, lateinisch Augum Am 16. März verließen wir nach dem Essen Dieppe und gelangten durch Orte mit anmutigen Feldern und Wäldern nach Sonnenuntergang zu einer schönen Stadt, die volksprachlich Eu, lateinisch Awgum heißt 25 . Wir fanden dort eine schöne und große Kirche 26 , ähnlich wie die Hauptkirche in Rouen gestaltet, aber nicht so lang und weniger reich geschmückt und ausgestattet. In dieser Kirche dienen Regularkanoniker vom Orden des heiligen Augustinus, aber keine Observanten 27 . Und in dieser Stadt fließt entlang der Mauern ein gewisser Fluss (Bresla) nach Norden, der die Normandie von der Picardie trennt. Über die Provinz der Normandie Von Paris kamen wir bis zum Fluss Epte bei Saint-Clair(-sur-Epte) und betraten die Normandie und bei den Mauern Eus die Picardie. Die Normandie ist eine sehr schöne Gegend und sie besitzt alles, was nottut, außer Wein. Dort sind aber fruchtbarste Äcker. Ein Bauer, der in seinem Acker eine Elle tief gräbt, findet etwa eine weiße, schwere und speckige Scholle, mit der er sein Feld düngt, und es gibt sehr reichlich Weizen, Hafer, Wiesen, Flüsse und Wälder. Früchte wie Äpfel findet man zudem im Überfluss, so dass der in den Pressen ausgedrückte Saft ihnen für das ganze Jahr genügt; sie nennen ihn Cidre 28 . Auch Fische sind des Meeres wegen mehr als reichlich vorhanden, ebenso Schafe und beste Wolle etc. 22 Der Personen- und Warenverkehr von Dieppe nach England entwickelte sich nach der Eroberung Englands durch die Normannen 1066. Bedeutend wurde die Seehandelstätigkeit in Dieppe durch die Förderung der Könige Ludwig XI. (1461-1483) und Karl VIII. (1483-1498), so dass die Stadt zum Zentrum des Handels mit Heringen, Textilien und Getreide wurde. Handelsbeziehungen bestanden auch in die Niederlande und nach Spanien und Portugal. 23 Oosterlinge, flämische Bezeichnung für die hansischen Kaufleute, siehe auch S. 249 zu Brügge. 24 Münzer spielt hier vielleicht auf Perkin Warbeck (†- 1499) an, der sich als Sohn König Eduards IV. von England (1461-1470, 1471-1483) ausgab und daher Ansprüche auf den englischen Thron erhob. Nach einem Landungsversuch in England 1495 wurden viele seiner englischen Anhänger gefangengenommen und einige hingerichtet; er selbst wurde 1499 angeklagt und gehängt. 25 Münzer wiederholt wenige Zeilen später die Formulierung, er verzichtet nur auf die Beschreibung der Bäume. 26 Stiftskirche Notre-Dame in Eu. Sie wurde in den Jahren 1186-1230 errichtet und nach einem Feuer 1426 erneuert, vgl. Paray, Collégiale. 27 Als Gründer des Stifts gilt Wilhelm von Hiesme, Graf von Eu (nach 996-vor 1040), der 1002 Augustiner in die Kapelle seines Schlosses berief. Um 1119 erteilte König Heinrich I. von England (1100-1135) die Erlaubnis zum Leben in klösterlicher Gemeinschaft. 28 Die Normandie ist bis heute für die Herstellung des Cidre (Apfelmost) bekannt. <?page no="236"?> 236 IX. Von Rouen bis Lille Am 17. Tag verließen wir nach dem Essen Dieppe und kamen nach 7 Meilen nach Eu, wie oben aufgeschrieben ist 29 . Von Eu drangen wir weiter in die Picardie ein und kamen zunächst nach 7 Meilen zur Stadt Saint-Valéry, überquerten den Fluss Somme und gelangten zur Stadt Le Crotoy, lateinisch Crotoyum. Es sind zwei kleine am Meer gelegene Städte, eine Meile voneinander entfernt. Zwischen ihnen gibt es einen ausgedehnten Landstrich, der jeden Tag durch das Steigen und Sinken des Wassers gereinigt und wieder ausgetrocknet wird. In der Mitte fließt die Somme, der große Fluss der Picardie, der auch Abbeville in der Mitte durchquert. Zur achten Stunde war jener Landstrich trocken, und trockenen Fußes gingen wir den Fluss entlang, aber zur ersten Stunde nach dem Essen stieg das Meer durch die Flut in der Höhe um 7 oder 8 Ellen und wir sahen große Schiffe einfahren. Wir bemerkten auch, als wir vorbeigingen, wie die Fischer hölzerne Pfähle fixierten und Netze anbrachten, um bei Ebbe des Meeres die ohne Wasser verbleibenden Fische fangen zu können. Es gibt auch bei Le Crotoy hinter dem Kastell einen hervorragenden Hafen, wo die Schiffe beim Rückfluss des Meeres auf dem Trockenen stehen, aber bei Flut kommen sogar größte Schiffe hinein und hinaus. Unter anderen Schiffen bemerkten wir ein sehr schönes von 200 Tonnen, das er (ein Pirat) vor 5 Monaten dem König von Portugal-- ein Schiff mit Gold aus Äthiopien beladen - abgenommen hatte. Dies geschah bei den Kanarischen Inseln, als wir in Lissabon waren, weshalb der König sich aller ihrer Galeeren und Schiffe in Lissabon bemächtigte, aber, wie ich höre, ist die Sache erledigt, ich weiß nicht genau wie 30 . Auch ein Pirat, der beim Schiff Aufsicht führte, war damals in Le Crotoy zugegen. Nach dem Mittagessen reisten wir aber 6 große Meilen am Meeresstrand entlang und gelangten zum Kloster Saint-Josse, an den Ort, wo dieser lebte und begraben wurde. Und jener Ort am Strand ist eben, und fruchtbar an Weizen, Hafer, Äpfeln, Birnen und anderem. Über das Kloster Saint-Josse 31 Der Ururgroßvater des heiligen Jodocus, Riwalus 32 genannt, besiegte die Angeln mit einem Heer, das er aus Irland zur Zeit Chlothars, des Sohnes von Chlodwig 33 , herangebracht hatte. Dann starb er und ließ einen Sohn zurück, der Juthael hieß 34 . Juthael zeugte 14 Söhne und 29 Hier wiederholt Münzer im Wesentlichen die Formulierung des 16. März (siehe oben S. 235 Anm. 25), er wechselt aber das Datum und fügt die Distanzangabe hinzu. 30 Siehe oben S. 235. 31 Benediktinerabtei Saint-Josse-Sur-Mer. Das 792 erstmals sicher bezeugte Kloster geht zurück auf die Einsiedelei und spätere Grabstätte des heiligen Jodocus (†- 669), eines bretonischen Fürstensohnes, der die Thronfolge verweigerte und stattdessen Priester wurde. Anfang des 9. Jh. gelangten die Reliquien des Heiligen im Zuge der Normanneneinfälle in die englische Abtei Hyde bei Winchester, wo sie angeblich 977 wiederaufgefunden und im Zusammenhang mit Wiederaufbau und Reform von Saint-Josse dorthin zurückgebracht wurden. Seit dem Hochmittelalter war die Abtei bedeutendes Pilgerziel. Münzer sah den baulichen Zustand nach der Wiedererrichtung infolge des großen Brandes von 1232; vgl. Trier, Jodocus S.-113 f., 121 f. und 125. 32 Laut Ingomar, dem Verfasser einer Vita des heiligen Judicael (†-658), eines Bruders des Jodocus (†-669), war Riwal ein Unterkönig Clothars I. (†-561), vgl. Trier, Jodocus S.-4. 33 Chlothar I., merowingischer König (511-561) und Sohn Chlodwigs (†-511). 34 Juthael, Unterkönig der Bretagne und Vater des Jodocus (†-669), vgl. Trier, Jodocus S.-5. <?page no="237"?> Über das Kloster Saint-Josse 237 6-Töchter 35 , darunter den Erstgeborenen Winacus und den Zweitgeborenen Leonhard 36 . Winacus aber, der ein gottgeweihter Mann war, fiel es schwer, das Reich zu regieren, und er bat Jodok, dass er die königlichen Szepter übernehme 37 . Jodok gab seine Antwort aber erst nach 10 Tagen. Inzwischen verließ er England mit 11 Pilgern und ging auf Pilgerfahrt nach Rom. Und nach vielen Jahren kam er zum Fluss Canche (Kwinte) zu dem Ort, wo er nun verehrt wird, begründete beim Meeresstrand dieses Kloster und starb wie ein frommer Bekenner. Sehr viel Erbauliches findest Du in seiner Legende. 38 Dieses Kloster ist schön und die Mönche sind vom Orden des heiligen Benedikt, folgen aber nicht der Observanz 39 . Wir sahen den rechten Arm des Heiligen, in Gold gefasst 40 . Ebenso seinen Kelch, mit dem er zu zelebrieren pflegte und aus dem wir tranken 41 . Außerdem gibt es im Chorraum an der linken Seite oben einen Schrein mit silbernen Tafeln, in dem sein Körper ruht 42 . Sein Festtag wird am Barnabastag im Juni gefeiert 43 , sein Heimgang aber am Luzientag im Dezember 44 . 35 Eine vollständige Liste steht bei de la Borderie, Histoire 1 S.-468 f. 36 In der Literatur findet sich kein Hinweis auf einen Leonhard als Bruder des Jodocus (†- 669). Auch die Nachkommensliste bei de la Borderie, Histoire 1 S.-468 führt ihn nicht auf. 37 Winoc (†-716/ 717), Heiliger und Bruder des Jodocus (†-669), Abt von Wormhout (bei Dünkirchen). Nach anderer Überlieferung war nicht er, sondern Judicael (†-658) der Erstgeborene, der die Herrschaft übernahm, vgl. de la Borderie, Histoire 1 S.-468 und Trier, Jodocus S.-5 und S.-14, Anm. 1. 38 Das Leben des heiligen Jodocus (†-669) findet sich in einer Vita eines unbekannten Mönches aus dem 8. Jh., die später erweitert und verändert wurde, vgl. zu den verschiedenen Fassungen und ihren Quellen immer noch grundlegend Trier, Jodocus. Woher Münzer seine Informationen bezog, ob aus lokaler mündlicher Tradition oder aus schriftlicher Überlieferung, ist unklar, jedoch war Saint-Josse wichtiges Pilgerziel und der Kult entsprechend bekannt. Den von Münzer erwähnten Urahnen Riwal nennt nur Ingomar, der Verfasser der Vita des Judicael (†-658) (Trier, Jodocus S.-4), nach Florentius hingegen entstammte Jodocus dem Geschlecht „Riovali“, der Anonymus berichtet über seine Abstammung nichts. Von den 14 Söhnen und mehreren Töchtern des Juthael handelt ausführlich die bretonische Überlieferung, auf die sich wohl auch Isembard stützte. Der heilige Winoc (†-716/ 717) erscheint beim Anonymus, nicht aber bei Florentius. Motivation für den Rombesuch ist bei ersterem eine Pilgerfahrt, bei letzterem eine Einladung des Papstes. 39 Bereits zu Beginn des 9. Jh. wurde angeblich unter Abt Warembald (†-um 830) die Benediktinerregel verpflichtend gemacht. Nach den Normanneneinfällen, d. h. etwa nach 911, wurden cluniazensische Mönche aus Fleury nach Saint-Josse entsandt. 1210 ordnete Papst Innozenz III. (1198-1216) die Visitation und Reform des Klosters an. Im 15. Jh. gab es Versuche zur Klosterreform, vgl. mit Belegen Trier, Jodocus S.-112-131. 40 Protokolle aus dem 18. Jh. nennen weiterhin einen Armknochen, vgl. Trier, Jodocus S.-224. 41 Auch Siegfried Schrunter, Kammerschreiber des Landgrafen Ludwigs I. von Hessen (1413-1458), führt im Bericht über die Pilgerreise seines Herrn 1431 nach Saint-Josse den Wallfahrtsbrauch des Trinkens aus dem Kelch des heiligen Jodocus (†- 669) an. Das Gefäß, das noch im 18. Jh. gezeigt wurde, soll dem Heiligen als Messkelch gedient haben, vgl. Trier, Jodocus S.-128-130. 42 Die Gebeine des heiligen Jodocus (†- 669) wurden 1194 auf Veranlassung Abt Hugos von Saint-Josse in einem neuen, mit silbernen Leisten und Edelsteinen verzierten Reliquienschrein beigesetzt. Während der Französischen Revolution wurden die Reliquien in die Pfarrkirche überführt, vgl. Trier, Jodocus S.- 222 und 226. 43 11. Juni (St. Barnabas). Die Feierlichkeiten bestanden in einer Prozession mit anschließender Andacht am Vorabend, nach der der Schrein geöffnet und die Reliquien zur Verehrung und Berührung ausgestellt wurden. Am 11. Juni wurden sie in einer feierlichen Prozession umhergetragen, vgl. Trier, Jodocus S.-133 f. 44 13. Dezember. Zur ähnlichen Feier wie am 11. Juni vgl. Trier, Jodocus S.-134. <?page no="238"?> 238 IX. Von Rouen bis Lille Über die Ritter des heiligen Jodok Jedes Jahr, an den Pfingstvigilien, kommen die Niederdeutschen und einige Oberdeutsche an diesem Ort zusammen, ebenso die Engländer. Sie gehen auf eine Wiese außerhalb der Stadt und wählen einen Ritter, den sie als ehrbar ansehen und der von weiter weg wie ein Pilger angekommen ist. Sie präsentieren diesen dem Abt, der ihn als Ritter aufnimmt und die Rechte eines Bruders verleiht, so dass er gleiche Rechte wie ein Bruder des Konvents besitzt. Er verleiht ihm auch die Gewalt, von den Gelübden derer, die sich dem heiligen Jodok geweiht hatten und aus triftigen Gründen nicht kommen können, zu entbinden, zu befreien und diese umzuwandeln. Am Pfingsttag aber setzen sie diesen Ritter auf den Schrein des heiligen Jodok und tragen ihn in einer feierlichen Prozession mit Musikinstrumenten durch die ganze Stadt, und bei der Rückkehr zur Kirche setzen sie ihn auf den Hauptaltar, grüßen ihn als Ritter des heiligen Jodok und verehren ihn sehr. Der Abt gibt ihm aber über diese Angelegenheit ein Zeugnis mit Brief und seinem Siegel 45 . Im vergangenen Jahr war es ein gewisser Johannes Palm aus Köln 46 . Und vor 10 Jahren war es Otto Spiegel, ein edler Doktor aus Leipzig bei Meißen, der mit Johann Tucher einstmals in Jerusalem und auf dem Berg Sinai war 47 . Dieser Ort (Saint-Josse) ist England sehr benachbart, in drei Stunden segelt man bei günstigem Wind dorthin, an einem klaren Tag sieht man auch die Berge Englands. Am 19. März kehrten wir von Saint-Josse, das 17 Meilen abseits unseres Weges lag, 10 Meilen weit zurück zur Stadt Abbeville, das heißt Hof des Abtes. Diese Stadt ist wie man sagt größer als Nördlingen und dicht besiedelt und durch den Ort fließt die Somme, ein reiner Fluss, der sich nahe bei Saint-Valéry ins Meer ergießt. Bei Flut können große Schiffe bis zu diesem Ort fahren, obwohl er 6 Meilen vom Meer entfernt liegt. 48 Man findet dort ebenso viele schöne Klöster und ein sehr bekanntes Schloss des Königs 49 . Sie stellen viel Leinwand, Wolle und Seile her. Niemals in meinem Leben habe ich wie dort eine so große Menge an Hanf gesehen, woraus Kordel gemacht wird 50 . Die Bevölkerung ist sehr zuvorkommend, wie es flämischer Brauch ist, aber sie sind dennoch Franzosen und der Krone Frankreichs unterstellt. 45 Diese Zeremonie vermerkt auch Siegfried Schrunter in seinen Notizen über die Pilgerfahrt des Landgrafen Ludwig I. von Hessen (1413-1458). Einer der Reisebegleiter des Landgrafen wurde in Saint-Josse zum Ritter geschlagen und auf dem Reliquienschrein sitzend getragen, siehe Trier, Jodocus S.-127 f. 46 Johannes Palm gehörte der Kölner Kaufmannsfamilie gleichen Namens an. Hier handelte es sich wohl um den erstmals 1473 erwähnten dritten Sohn des bedeutenden Weinhändlers Godart Palm. Er war Angehöriger der Goldschmiedegaffel, seit 1525 als Ratsherr belegt und starb im Jahr 1527. Zur Familie vgl. Irsigler, Stellung S.-270 f. und Schmid, Stifter S.-409 f. 47 Otto Spiegel (†-1520), Dr. jur., aus dem wettinischen Adelsgeschlecht der Spiegel mit Familiensitz in Gruna bei Meißen. Spiegel studierte ab 1454 an der Universität in Leipzig, wurde dort 1460 Baccalaureus und war ab 1477 sächsischer Kanzler und Geheimrat unter Kurfürst Ernst von Sachsen (1464-1486). In den Jahren 1479-1480 war er mit dem Nürnberger Ratsherrn Hans Tucher d. Ä. (†- 1491) auf Pilgerreise im Heiligen Land, vgl. den Reisebericht bei Herz, Reise, insbes. S.-678 f. 48 Die Handelsschiffe fuhren vom Meer die Somme hinauf, um in Saint-Valéry oder Abbeville anzulegen. 49 Gemeint ist wohl die 1409 errichtete und später im Auftrag von Karl dem Kühnen (†- 1477) ausgebaute Burg. Seit der endgültigen Eroberung Abbevilles 1477 war sie im Besitz des französischen Königs. 50 Wichtige Gewerbe Abbevilles waren die Tuchherstellung mit Spezialisierung auf Stoffe zweiter Wahl, die Gerberei sowie der Anbau von Färberwaid. Hanf fand nicht nur bei der Herstellung von Seilen, sondern auch für Tuche, beispielsweise Segel, Verwendung. <?page no="239"?> Über die Stadt Ambianis, volkssprachlich Amiens 239 Am 20. (März) verließen wir Abbeville und gelangten nach 10 Meilen zur sehr bekannten Stadt Amiens, nachdem wir eine fruchtbare Ebene mit vielen Gehöften und mit einem lieblichen Tal zur Rechten, durch das die Somme von Amiens her fließt, durchquert hatten. Über die Stadt Ambianis, volkssprachlich Amiens Diese Stadt ist wunderschön. Wir betrachteten sie vom höchsten Turm der Hauptkirche. Sie ist an Umfang viel größer als Nürnberg und hat im Umfeld bei den Mauern sehr schöne Gärten und Behausungen. Im Osten, oberhalb der Stadt, fließt aber die schon bekannte Somme, die sich außerhalb der Mauer in drei Arme teilt und sich in der Stadt noch weiter verzweigt, so dass in der Stadt 11 Flussarme verteilt sind. Es gibt zahlreiche, sehr bekannte Kirchen und Klöster, Hallen, Kaufhäuser und viele reiche Händler sowie mehrere Adelige. Die Lage der Stadt ist lieblich, mit vielen Wiesen, Gärten, fruchtbaren Feldern und sogar Weinbergen; Apfelwiesen gibt es unzählbar viele. Die Könige wachen sorgfältig über diese Stadt 51 . Als wir dort waren, befand sich dort ein gewisser großer Kapitän, Monsieur Ludwig von Graville 52 , Herr und Herrscher der gesamten Picardie; Amiens ist nämlich die Hauptstadt der Picardie. Dieser ehrwürdige Admiral der Picardie schickte nach uns. Ihm stand ein gewisser sehr gelehrter Doktor der heiligen Theologie zur Seite, dem ich in lateinischer Sprache den Grund unserer Ankunft und unserer Reise darlegte. Er empfing uns zuvorkommend, gab Empfehlungsbriefe 53 für die Grenze Flanderns, damit wir nicht von seinen Rittern an Wachstellen belästigt würden. Und er schickte uns in die Herberge zwei kleine silberne Flaschen mit Wein. Auch dem Gefolge gegenüber verhielt er sich großzügig. Er lud uns auch zum Essen ein, aber wir hatten es eilig. Deshalb bedankten wir uns für das Mahl und entschuldigten uns, weil die Zeit knapp war. Über die Hauptkirche in Amiens 54 Dieses Gebäude ist schöner als alle, die wir gesehen haben. Wie herrlich dieses Haus des Herrn ist! Es misst 220 Schritte in der Länge, die Kapelle hinter dem Chorraum eingeschlossen, es hat zwei Seitenschiffe, und die Vierung (crux) misst 100 Schritte. In der Breite sind es 53 Schritte, wenn man die Kapellen nicht einberechnet, und die Breite der zwei Kapellen beträgt 24 Schritte. Wie ich schon gesagt habe, besitzt sie auf jeder Seite zwei Seitenschiffe, von denen jeweils eins von den 20 vorhandenen Kapellen eingenommen wird. Und es gibt 4 Reihen freistehender Säulen, mit 16 Säulen pro Reihe, wobei die Säulen an den Enden des Kreuzes, wo sich die Seiteneingänge der Kirche befinden, nicht mitgezählt wurden. Über der 51 Amiens gelangte 1463 bis 1468 vorübergehend, endgültig erst nach dem Tod Karls des Kühnen (†-1477) unter französische Herrschaft. 52 Louis Malet de Graville (†-1516), Admiral von Frankreich und seit 1494 Gouverneur der Picardie und der Normandie. Die Gouverneure - eingesetzt als unmittelbare Stellvertreter des Königs - verfügten in ihren jeweiligen Amtsbezirken über weitreichende politische, administrative, jurisdiktionelle, finanzielle und militärische Vollmachten, vgl. Chevalier, Gouverneurs. 53 Zu den Geleitbriefen bzw. wie hier „Grenzdokumenten“ siehe S. 14. 54 Kathedrale Notre-Dame von Amiens. Als einer der größten Kirchenbauten Frankreichs wurde sie ab 1220 auf Initiative des Bischofs Evrard de Fouilloy (1211-1222) erbaut, vgl. Murray, Notre Dame. <?page no="240"?> 240 IX. Von Rouen bis Lille Spitze der ausgezeichneten Vorhalle, die zwischen den Türmen liegt, befinden sich die Statuen von 20 Königen, die zum Bau der Kirche beigetragen haben 55 . Vor zweihundert Jahren war die alte Kirche ebenso wie viele Einzelhäuser der Stadt durch ein Feuer abgebrannt 56 . Das Volk, vollkommen verstört, nahm den Leichnam des heiligen Firmin, eines mit der Krone des Martyriums gekrönten Bischofs aus Amiens 57 , und führte ihn in einer Prozession mit großer Verehrung durch den Ort. Während dieser Prozession überkam eine spontane und wunderbare Ehrfurcht die Bevölkerung der Stadt und der umliegenden Orte, so dass alle von einer plötzlichen Erregung ergriffen wurden und ihre Ringe von den Fingern, ihre Ketten von den Hälsen und sogar ihre Kleider dem heiligen Firmin schenkten. Dank dieser Freigiebigkeit wurde das große und bewundernswerte Bauwerk errichtet. Diese schönste und ausgezeichnete Kathedrale ganz Frankreichs ist vollständig vollendet. Ihr sehr hohes Dach ist viel höher als das in Ulm in Schwaben 58 . Sie ist auf hölzernen Pfählen gebaut, weil der Grund des Flusses ein bisschen sumpfig ist, und um das Gewicht zu tragen, sind die Pfähle eingeschlagen worden 59 . Wir bestiegen einen der beiden sehr hohen Türme und betrachteten das Bauwerk von hoch oben und sahen dabei große und außergewöhnliche Glocken. Das Dach ist so kunstvoll und hervorragend, dass man es kaum beschreiben kann. Es ist mit quadratischen, präzise zusammengefügten Steintafeln ausgestattet, und unter jenen Tafeln gibt es eine große Rinne rundherum, die mit großen Bleiplatten gefertigt ist. Die Türme sind mit ihrer Spitze sehr hoch, zu dem, den wir bestiegen haben, um die Stadt und die umliegende Landschaft zu sehen, wie ich bereits erwähnt habe, führen 266 Stufen. Es war keine schlechtere Augenweide als in Tours 60 , denn wir sahen das üppige Land und den Fluss, der sich in Kanäle verzweigt. Der Fußboden (der Kathedrale) besteht aus schwarzen und weißen quadratischen Steintafeln in der Art eines Damespiels 61 . Es gibt ebenso viele herausragende Skulpturen mit schönen Bildern, die in Kupfertafeln eingelassen sind. Die Ausschmückung in dieser Kirche ist wahrhaftig bewundernswert. Ihr Patron ist Sankt Firmin, ein Märtyrer und Bischof dieser berühmten Kirche. 55 Die Galerie der Könige an der Westfassade der Kathedrale mit dem übrigen Skulpturenschmuck entstand etwa zwischen 1225 und 1240. 56 Der romanische Vorgängerbau der Kirche Notre-Dame wurde 1218 durch einen Großbrand zerstört. 57 Firminus (†-um 290), Heiliger, erster Bischof von Amiens und Märtyrer. Sein Nachfolger war ein Firminus der Bekenner (†-um 390). In der Litanei der Kirche von Amiens taucht der Name jedoch nicht vor dem 8. Jh. auf. 58 Das Kirchenschiff zählte mit seinen 42,3 Metern zu den höchsten der Zeit. Es war aber nur etwas höher als das des Ulmer Münsters (41,6 Meter), dessen Turm mit 161,5 Metern aber alle anderen Kirchtürme in den Schatten stellte. 59 Die Behauptung, die Kathedrale sei wegen der Nähe zum Fluss auf hölzernen Pfählen errichtet worden, geht auf eine lokale Tradition zurück. Ausgrabungen in den Jahren 1894-1897 ergaben, dass das Gebäude vollständig auf steinernen Fundamenten errichtet wurde. 60 Siehe oben S. 196 f. 61 Den Boden der Kathedrale zieren geometrische Muster aus schwarzen und weißen Steinfliesen, die in der Mitte des Kirchenschiffes ein Labyrinth ergeben; die Meister Robert de Luzarches (†-um 1222), Thomas (†-1228) und Renaud de Cormont fertigten das Kunstwerk im 13. Jh. <?page no="241"?> Über das Antlitz des heiligen Johannes’ des Täufers - Amiens 241 Über das Antlitz des heiligen Johannes’ des Täufers, des Vorläufers des Herrn und über den Schrein des heiligen Firmin Auf der linken Seite des Chors stiegen wir viele Stufen empor und gelangten in eine außergewöhnliche, sehr gut bewachte Kapelle 62 . Dort stand auf vier Säulen der schöne, mit goldenen Tafeln und kunstvollen Bildern geschaffene Schrein, den ein gewisser Herzog von Burgund 63 und einer der Bretagne 64 begannen und den König Ludwig (XI.) schließlich vollendete. Nach Öffnung des Schreins brachte man das Haupt des heiligsten Johannes des Täufers 65 in einem Repositorium. Dieses war quadratisch mit einer sehr hohen Spitze und entspricht 80 Mark reinsten Goldes. Der Kanoniker und Schatzmeister öffnete sodann jene Kapsel und zeigte mit großer Ehrfurcht bei Kerzenschein das Antlitz des heiligen Johannes, das vollständig schien, höchstens an der Nasenspitze war es etwas abgenutzt. Man sah es durch einen sehr durchsichtigen großen Beryll. Ich weiß nicht, ob es Glas oder ein Beryll war, aber jedenfalls leuchtend und diaphan. Dieses Antlitz berührte unsere Herzen, lähmte und machte stumm. Die Schale, in der das Antlitz sich befand, war aus reinstem Gold und rundherum waren 16 außergewöhnliche Gemmen, funkelnde Rubine in der Größe eines rheinischen Guldens, glänzende 9 Karfunkel und unter dem Antlitz der Schild des Königs von Frankreich mit Lilien. Und dieses wertvolle Stück ließ der letzte Ludwig 66 , der Vater jenes Karl 67 , herstellen. Über jenem wahren Antlitz gibt es ein weiteres silbernes Antlitz, das jenes schützt. Auch dort finden sich schönste Gemmen und ein ausgewählter großer Rubin 68 . Wir sahen dies mit Kerzenschein sehr gut. Während des Zeigens sagte der Priester Inter natos mulierum 69 mit einem gewissen Gebet (collecta). Oh, wie verehrungswürdig jene Reliquien des heiligen Johannes sind! In den nächtlichen Lektionen zum Fest der Übertragung von Konstantinopel nach Amiens wird sehr klar beschrieben, wie jenes heilige Antlitz im Jahre des Herrn 1306 (lies: 1206) 70 gebracht wurde. Zur Zeit Balduins 71 waren die Franken mit einem großen Heer in Griechenland 62 Die ursprünglich zweigeschossige, 1759/ 60 zerstörte Schatzkammer läßt sich nur aus älteren Aufzeichnungen rekonstruieren. 63 Herzog Philipp der Gute von Burgund (1419-1467) stiftete beim ersten Besuch in Amiens im Jahre 1435 Geld, das teilweise für die Anfertigung des Reliquiars diente. 64 Vermutlich Johann von Gent, Herzog von Lancaster (1362-1399), dritter Sohn König Eduards III. von England (1327-1377), für den eine Schenkung im Jahr 1392 belegt ist. 65 Das Originalreliquiar verschwand während der Französischen Revolution bis auf den Sturz aus Bergkristall, welcher die Reliquie enthält; er wurde in eine Gesamtrekonstruktion von 1876 einbezogen. 66 Dass es tatsächlich im Auftrag Ludwigs XI. (†-1483) unterhalb der Reliquie deponiert wurde hält Dubois, Voyageur S.-250 für wahrscheinlich. 67 Karl VIII., König von Frankreich (1483-1498). 68 Diesen Rubin stiftete König Ludwig XI. (1461-1483) im Jahr 1474, vgl. Dubois, Voyageur S.-249 Anm. 2. 69 Mt 1,11. Der Hymnus ist vielfach verbreitet, vgl. beispielhaft Analecta Hymnica 39 S.-173 f. Nr.-194. 70 Die Tradition der Überführung des Schädels Johannes’ des Täufers (†- etwa um 29) von Konstantinopel nach Amiens, die Münzer den Nokturnen entnahm, findet sich auch in der Translatio; diese wurde nicht 1306, sondern 1206 mit einer feierlichen Prozession in die Kathedrale am 17. Dezember abgeschlossen. 71 Balduin, Graf von Flandern (1194-1205) und Hennegau (1195-1205), erster lateinischer Kaiser von Konstantinopel (1204-1205). <?page no="242"?> 242 IX. Von Rouen bis Lille und nach der Niederlage und dem Tod Balduins 72 folgte im Reich Heinrich 73 , der Bruder des Kaisers Balduin. Es gab im Heer aber eine gewisse Person aus der Stadt Amiens in Frankreich, die sich nach der Niederlage in Konstantinopel zum Kleriker weihen ließ. Er wurde Kanoniker der Kirche Sankt Georg 74 in Konstantinopel. Jener sah nach einigen Jahren in einer gewissen Ecke unter den Türmen und unter einem Fenster einen großen Haufen mit Heu, Mist und anderen schmutzigen Dingen, aus dem jedoch einige Strahlen blinkten. In der Abwesenheit aller anderen ging er heimlich dorthin, entsorgte den Kehricht und fand zwei Behältnisse in Form von Bechern, die er öffnete und worauf geschrieben stand: Ayos Georgius, das heißt auf Latein: sanctus Georgius, und zweitens Agyos Iohannes Ypodromos, das heißt Sanctus Iohannis Baptista. Als er sich verwirrt fragte, was zu tun und wie dies nach Frankreich zu bringen sei, schaffte er es mit viel List und Mühe, alles über das Meer nach Amiens zu transportieren. Es waren eben zur Zeit der Belagerung Konstantinopels diese heiligsten Reliquien an einer schäbigen und wenig aufgesuchten Stelle versteckt worden. Sehr klar und in schönem Stil wird diese Legende in den nächtlichen Lektionen dieses Festes gesungen 75 . Ich konnte nicht alles bis ins Letzte würdigen. Wir sahen auch das sehr bekannte Reliquiar, das mit silbernen und vergoldeten Tafeln sowie mit Gemmen verziert war auf dem Hochaltar, das die Gebeine des heiligen Firmin enthält. Es gibt dort 10 Kanoniker und beste Sänger. Über die Stadt Atrebatum in der Grafschaft Artois, die volkssprachlich Arras heißt. Sie ist 14 Meilen von Amiens entfernt. Diese sehr bekannte und altehrwürdige Stadt ist die Hauptstadt der Grafschaft Artois 76 . In dieser Grafschaft befinden sich mehrere herausragende Städte, wie Saint-Thomas oder Saint- Paul 77 . Die Stadt gehört den Erzherzögen von Burgund 78 . Nachdem nämlich Karl, der letzte Herzog Burgunds, im Krieg gestorben war, bemächtigtes sich König Ludwig von Frankreich der ganzen Grafschaft und beherrschte sie etwa 13 Jahre mit Gewalt 79 . Weil aber die Bewohner von Arras von den Galliern schlecht behandelt wurden, konspirierten sie heimlich und drangen mit 1500 Rittern des römischen Königs nachts ein, führten die Stadt nach Vertreibung der Gallier zur früheren Freiheit zurück und übergaben sie dem Erzherzog Philipp 80 , dem Sohn 72 Münzer spielt auf die militärischen Auseinandersetzungen zwischen Kaiser Balduin I. (1204-1205) und dem bulgarischen Zaren Kalojan (1197-1207) an, in denen das Heer Balduins 1205 bei Adrianopel unterlag; er selbst kehrte aus bulgarischer Gefangenschaft nie zurück. 73 Heinrich von Flandern, Kaiser von Konstantinopel (1206-1216) und Nachfolger seines Bruders Balduin I. (†-1205). 74 Wohl die heutige Sankt Georgs-Kathedrale in Istanbul. 75 Siehe oben S. 241 mit Anm. 70. 76 Arras war bereits unter den fränkischen Grafen im 9. und 10. Jh. Hauptort des pagus Atrebatensis. Die Bezeichnung als Grafschaft erhielt das Artois offiziell 1226. 77 Sankt Thomas ist nicht identifiziert, desweiteren ist wohl Saint-Pol (Paul)-sur-Ternoise gemeint. 78 Die Grafschaft Artois gehörte seit 1414 zum Herzogtum Burgund. 79 Nach dem Tod Karls des Kühnen, Herzog von Burgund (1467-1477), am 5. Januar 1477 in der Schlacht von Nancy gegen Ludwig XI. (†-1483) nahm der König im März 1477 die Stadt Arras ein; sie blieb bis 1492 in französischer Hand. 80 Philipp der Schöne, Erzherzog der Niederlande (1494-1506). <?page no="243"?> Über die Stadt Atrebatum in der Grafschaft Artois - Arras 243 des Königs 81 . Nach einiger Zeit, als drei Jahre vergangen waren, fiel die ganze Grafschaft an den legitimen Erben Philipp zurück 82 . Über diesen Krieg wäre viel zu schreiben, was ich der Kürze halber weglasse. Arras ist aber zweigeteilt: ein Teil ist die Civitas mit der Bischofskirche und groß in der Ausdehnung, aber nur zwei Straßen sind besiedelt. Die (übrige) Stadt jedoch ist sehr groß und nur ein Graben trennt beide Teile 83 . Ich stieg aber auf den höchsten Turm der Kirche 84 306 Stufen hinauf und habe das selbst gesehen. Die Lage ist sehr schön, weil das Land überall flach ist, es gibt weder Berg noch Hügel, die Scholle ist fett und äußerst fruchtbar. Sie (die Stadt) ist viel größer als Nürnberg, sogar größer als Amiens, und rund wie ein Kreis. Bei den Mauern liegen mehrere Gärten und Apfelwiesen, aber die Bevölkerung ist nicht sehr zahlreich, sondern wegen der fortwährenden Kriege stark dezimiert. Es gibt jedoch zwei Stadttore im Norden und Süden, zwei gut bewehrte Festungen 85 . Aber nachdem sie (die Bewohner) die Gallier vertrieben hatten und zu ihrem natürlichen Herrn zurückkehrten, zerstörten sie die Festungen bis zum Grund, um die Gelegenheit zum künftigen Mißbrauch zu vermeiden 86 . Über Kirchen und Klöster Unter verschiedenen Kirchen ragen zwei besonders heraus: zunächst der Bischofssitz, dessen Kirche der seligen Jungfrau geweiht ist 87 . Sie ist mit 180 Schritten sehr lang, die Breite beträgt 50. Sie hat eine Vierung und die Arme (des Querhauses) sind 100 Schritte lang und mit zahlreichen Kapellen ausgestattet. Die vielen Säulen sind stärker als die in Amiens. Wahrhaftig ist das Bauwerk sehr solide aus hartem und gehauenem Stein errichtet mit einem Boden, der aus weißen und grauen Steinplatten gemacht ist. Es sind dort 40 Kanoniker, die zuverlässig die Offizien singen. Der Turm, von dem ich dies selbst bestens sehen konnte, ist sehr hoch und kunstvoll. 81 Die Vertreibung der Bewohner von Arras in den Jahren 1479 bis 1481 erlaubte es dem französischen König zugleich, die Stadt mit Franzosen zu besiedeln und Arras so an die Krone zu binden. Im Frieden von Arras (1482) wurde die Grafschaft Artois offiziell Frankreich zugesprochen; der Vertrag erlaubte zugleich den vertriebenen Bewohnern von Arras die Rückkehr in ihre Stadt. Nach dem Vertrag von Senlis 1493, der den Burgundischen Erbfolgekrieg beendete, ging die Grafschaft Artois an Maximilian I. 82 Die Regierungsübergabe in den Niederlanden an Erzherzog Philipp den Schönen (1494-1506) erfolgte 1494, vgl. Wiesflecker, Kaiser Maximilian I. 1 S.-382-385. 83 Arras war gegliedert in die civitas, den Sitz des Stadtherrn, und das wesentlich größere oppidum. 84 Kathedrale Notre-Dame. 85 Gemeint sind wohl die im Nordwesten des Mauerrings gelegene mit vier mächtigen Türmen ausgestattete Porte de Méaulens, die nur über eine Zugbrücke erreichbar war sowie die im Südosten gelegene, mit vier mächtigen Türmen ausgestattete Porte de Ronville. 86 Nach anderen Quellen wurde nicht die von Münzer beschriebene Mauer des oppidum, sondern die der civitas nach Rückgabe der Stadt an Maximilian I. (†-1519) 1493 in dessen Auftrag niedergelegt. 87 Kathedrale Notre-Dame von Arras, 1799 abgebrochen. Die Grundsteinlegung des Baus erfolgte wohl um 1160, die Weihe der noch nicht gänzlich vollendeten Kirche 1484. Sie gehörte neben den Kathedralen von Amiens, Cambrai und Laon zu den Meisterwerken der gotischen Architektur im nördlichen Frankreich. <?page no="244"?> 244 IX. Von Rouen bis Lille Der Historiker Orosius 88 und der selige Hieronymus berichten über das Leben des Servasius 89 , Vinzenz (von Beauvais) im 5. Teil des Speculum historiale 90 , dass es im Jahr 369 in Arras Wolle mit Wasser gemischt geregnet habe. Ebenso liegt dort ein sehr bekanntes Kloster und eine sehr schöne und sehr große Kirche, die fast so groß ist wie die Kathedralkirche und die dem heiligen Vedastus 91 , der Bischof von Arras war, geweiht ist. Dort leben Mönche vom Orden des heiligen Benedikt, sie sind reich und folgen nicht der Observanz 92 . Ebenso ruhen dort viele Leichname heiliger Bischöfe von Arras und von anderen, die ich nicht alle aufzeichnen kann. Die Stadt ist uralt und das Volk sehr umgänglich, aber nicht sehr reich wegen der fortwährenden Kriege. Dieses Kloster gründete übrigens der König Theoderich 93 mit seiner Frau Duoda 94 . In der Stadt gibt es nur einen kleinen Fluss, aber außerhalb der Mauern, zwei Steinwürfe entfernt, fließt ein ausreichend großer Fluss (Scarpe) mit vielen Mühlen, Wiesen und Gärten. Und nun steht die Stadt unter der Hoheit Philipps, des Sohnes Maximilians, des römischen Königs 95 . Sie besitzt große Plätze und Märkte, die nach verschiedenen Produkten aufgeteilt sind, weil sie in einem sehr fruchtbaren Landstrich liegt. Über die Stadt Rissel, in gallischer Sprache Lille in Flandern genannt Dies ist eine wunderschöne Stadt, größer als Ulm; von Arras aus kommt man über eine sehr schöne und fruchtbare Ebene dorthin, 14 Meilen lang durch Felder, Wiesen, Wälder sowie an Gehöften vorbei. Die ehrwürdige Stadt wird gallisch Lille genannt, das heißt Insel. Sie ist in der Tat überall von Wasser und Wassergräben umgeben, so als ob es eine Insel sei. Aber in flämischer Sprache sagt man Rissel 96 . Es gibt dort viele schöne Plätze, in den Häusern herrscht große Ordnung, das Volk ist sehr sittsam. Sie sprechen zwar die französische Sprache, gehören 88 Paulus Orosius (†- um 418), spätantiker Geschichtsschreiber. Münzer zitiert im Folgenden erneut (siehe S.-145 und 156) aus dessen auf Veranlassung des Augustinus (†-430) 417/ 418 verfassten Hauptwerk Historiarum adversum paganos libri VII (ed. Zangemeister): Eodem anno apud Atrebatas uera lana de nubibus pluuiae mixta defluxit, vgl. Lib 7 Kap 32 § 8. Die Datierung Münzers ins Jahr 369 könnte sich aus dem vorhergehenden Satz bei Orosius ergeben. 89 Entgegen Münzers Angabe findet sich die entsprechende Stelle bei Sophronius Eusebius Hieronymus (†-420) in dessen Chronicon: Aput Atrabatas lana caelo pluuiae mixta defluxit, Eusebius, Werke. Chronik des Hieronymus (ed. Helm) Kap. CCLXXXVI Olymp., III. 90 Nicht im 5., sondern im 14. Buch des Speculum Historiale (verfasst um 1250) des Vinzenz von Beauvais (†-1264) heißt es: Apud Attrebates lana e caelo pluuiae mixta defluxit, Vincentius Bellovacensis, Speculum historiale Lib. 14 Kap. 50. An dieser Stelle bezieht sich Vinzenz auf die Chronik des Hieronymus. 91 Vedastus (†-um 540), Heiliger, Bischof von Arras. 92 Benediktinerabtei Saint-Vaast. Gründung und Anfänge sind unklar. Neue Kloster- und Kirchenbauten entstanden im Laufe des 13. bis 15. Jh. Die heutige Klosterkirche ist ein Neubau des 18. Jh. 93 Theuderich III., merowingischer König (673-690/ 91). Eine Gründung durch ihn ist nicht belegbar, doch soll er seine letzten Jahre in der Abtei verbracht haben und dort begraben worden sein. Noch 1724 befand sich das Mausoleum unterhalb des Hauptaltars. 94 Die weitere Überlieferung nennt als Gattin Theuderichs III. (†-690/ 691) nicht wie die Inschrift Doda, sondern Chrodichild (†-nach 5. Juni 692), vgl. Ewig, Studien S.-39 f. 95 Philipp der Schöne, Erzherzog der Niederlande (1494-1506). 96 Der Ursprung des Stadtnamens ist unbekannt. Die Bezeichnung Isla ist erstmals für 1066, das korrespondierende illa, illensis, insula oder insulanus Ende des 11. Jh. bezeugt. Die flämische Übersetzung ist Rijsel, vgl. Sivéry, Histoire S.-165 Anm. 27. <?page no="245"?> Über die dortige bewehrte Burg - Lille 245 aber dennoch zur Herrschaft des Herzogs von Burgund. Die Stadt ist bestens bewehrt durch Wasser und Sümpfe, also von Natur aus befestigt. Über die dortige bewehrte Burg 97 Im Norden, bei den Mauern, gibt es in der Ebene eine gut bewehrte Festung, fast quadratisch in den Ecken, aber dennoch insgesamt rund angelegt. Sie hat 16 große und gut befestigte Türme und sehr hohe und dicke Mauern, die oben 12 Schritte messen, jedoch unten weitaus mehr. In der Mitte dieser Befestigung stehen die Wohngebäude, 140 wie man sagt, denn ich habe sie nicht gezählt. Sie dienen den wachhabenden Rittern, ihren Familiaren, sowie den Händlern. Ebenso gibt es dort eine sehr schöne große Kapelle, größer als die Marienkapelle in Nürnberg 98 . In einem großen Gebäude verwahrt man das Kriegsgerät. In den Türmen sind ausreichend sichere Wohnstätten eingerichtet; dort lagerten die Herzöge immer ihre Schätze. Mit allen notwendigen Lebensmitteln ist vorgesorgt: Mehl, Öl, Salz, Stroh, Hafer, insgesamt reicht es mindestens für zwei Jahre. Sie sagten uns, sie hätten gepökeltes Fleisch, das 40 Jahre halte, aber dies ist kaum zu glauben 99 . Dort steht ein großer eckiger Brunnen mit fließendem Wasser, es ist eher eine Quelle, weil ein kleiner Strahl aus ihm hervorgeht. Im Westen bei den Mauern strömt ein Fluss, der mit einem großen Kanal verbunden ist, welcher den Schiffen erlaubt, ihn zu nutzen. Der Graben der Stadt ist tief, breit und mit Wasser gut gefüllt. Ich kenne in der Ebene keine bessere Befestigung. Dort herrscht größte Sicherheit. Der Befehlshaber 100 , der uns persönlich herumführte, sagte uns, er habe stets 200 Kämpfer um sich, ebenso aufmerksame Nachtwächter sowie weitere Leute, die sich für den Schutz (der Festung) einsetzten 101 . Wie ich schon sagte, ist es fürwahr ein sehr sicheres und einstmals von den Königen Frankreichs errichtetes und von den Herzögen Burgunds noch weiter befestigtes Gebäude 102 . Er erklärte uns, dass beim Tod des Herzogs Karls von Burgund 103 , als die Dinge in Flandern schwierig standen, König Ludwig (XI.) von Frankreich 104 sehr gerne diesen Befestigungsort besitzen wollte 105 . Er ver- 97 Château de Lille oder Château de Courtrai (nicht zu verwechseln mit der Festung Courtrai/ Kortrijk nahe Lille). Die Burg mit viereckigem Grundriß im Norden der Stadt war in die Stadtmauer Lilles integriert und besaß zahlreiche Türme. 98 Frauenkirche in Nürnberg. 99 Neben der Kapelle, den Wohnungen der Soldaten und dem Waffenarsenal befanden sich innerhalb der Mauern ein umfangreiches Lebensmittellager sowie Gärten, in denen sogar Weinbau betrieben wurde, vgl. Blieck, Château Courtrai S.-198 und 200 f. 100 Balduin von Lannoy (†-1501) versah wohl seit 1489 bis etwa 1501 das Amt des Gouverneurs in Kortrijk. 101 Im 15. Jh. war in Kortrijk ein Großteil der herzoglichen Artillerie stationiert. 102 Der Bau der Zitadelle, der 1299 von König Philipp IV. dem Schönen (1285-1314) veranlasst wurde, steht im Zusammenhang mit dem militärisch ausgetragenen Konflikt zwischen dem französischen König und Guido III. von Dampierre, Graf von Flandern (1278-1305), der letztlich mit der Abtretung des wallonischen Flandern an Frankreich und jährlichen Tributzahlungen durch die Verträge von 1305 und 1312 beendet wurde. Unter den burgundischen Herzögen wurde Lille zur bevorzugten Residenz und das Château de Courtrai unter Herzog Philipp dem Kühnen (1364-1404) instandgesetzt. 103 Karl der Kühne, Herzog von Burgund (1467-1477), fiel am 5. Januar 1477 in der Schlacht von Nancy. 104 Gemeint ist Ludwig XI., König von Frankreich (1461-1483). 105 Die Auseinandersetzungen um Lille stehen im Kontext des Burgundischen Erbfolgekrieges. Nach dem Tod Karls des Kühnen (†- 1477) ließ der französische König die Picardie, das Artois, Boulogne sowie <?page no="246"?> 246 IX. Von Rouen bis Lille suchte vieles, Gewalt, Geld, Verrat, aber nichts führte zum Erfolg, weil man gut wusste, dass er von diesem Ort aus Flandern und Brabant leicht unterwerfen könne. Der bekannte und edle Befehlshaber gab uns sogar zwei ausgewachsene Männer mit, die mit uns zu höheren Orten der Festung hinanstiegen und uns bei einem Rundgang alles zeigten. Nach unserem Abstieg ließ uns der Kommandant eine Mahlzeit bringen und nach deren Verzehr verließen wir den Ort mit großen Danksagungen. Über das Haus des Fürsten 106 Die Fürsten haben bei den Mauern in Richtung Norden ein wunderschönes und geräumiges Haus mit sehr vielen Zimmern, Sälen, Palästen, Gängen, Gärten und anderen angenehmen Dingen. Es ist mit solchem Luxus und Überfluss errichtet, dass man es kaum erzählen kann. Dort hielten sich die Herzöge oftmals auf, weil dies wirklich ein sehr erquicklicher Ort in Rissel ist. Über die Kirchen in Rissel Unter anderem gibt es zwei schöne sehr große Kirchen mit bemerkenswerten Türmen: die Kirche des heiligen Petrus 107 bei der Festung, und die andere des heiligen Stephan 108 . Außerdem gibt es mehrere Klöster, und das christliche Volk ist sehr religiös. Ich kann nicht beschreiben, wieviel Annehmlichkeiten ich des Ortes und der gesitteten Leute wegen in dieser Stadt hatte. Cambrai besetzen und griff anschließend u. a. auf das flandrische Grenzgebiet über. Im Frieden von Senlis im Jahr 1493 wurde Philipp dem Schönen, Erzherzog und Fürst der Niederlande (1494-1506), Flandern zugesprochen, vgl. Wiesflecker, Kaiser Maximilian I. 1 S.-136-228 und Pierrard, Histoire S.-48-51. 106 Palast der Herzöge von Burgund (Palais Rihour). Von Herzog Philipp dem Guten von Burgund (1419- 1467) in Auftrag gegeben, wurde der Bau 1452 begonnen, seit 1463 bereits bewohnt, doch erst unter Herzog Karl dem Kühnen (1467-1477) fertiggestellt. 107 Kollegiatstift Saint-Pierre, 1790 aufgehoben. Die Stiftskirche wurde möglicherweise zwischen 1055 und 1065 errichtet. 108 Pfarrkirche Saint-Étienne, 1066 erstmals erwähnt. Der Kirchenbau aus dem 14./ 15. Jh. wurde nach einem Brand im Jahr 1792 abgerissen. <?page no="247"?> X. Von Brügge bis Nürnberg Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 431, fol. 255r Über die glorreiche Stadt Brügge Am Sonntag Oculi (3. Fastensonntag), der auf den 22. März fiel, verließen wir nach Mittag den Ort und gelangten durch Wiesen, Äcker und kleine Wälder, die wir auf beiden Seiten zurückließen, nach 4 Meilen zu einem großen Gehöft, wo der Fluss Liza strömt, der die Sprachen scheidet, denn dort beginnt man die deutsche (flämische) Sprache zu sprechen. Am 23. März kamen wir zur fünften Stunde in die Stadt Brügge, 12 Meilen von Rissel (Lille) entfernt. Die Stadt ist von Kanälen und Gräben durchzogen, überall ist Wasser, sie ist gut besiedelt und weist viele schöne Orte auf. Über die Stadt Brügge Dies ist eine wunderschöne Stadt, die in einer hübschen Ebene gelegen ist. Ich bestieg den höchsten Turm 1 mit 380 Stufen, und ich schätzte sie in ihrem Umfang so groß ein wie Mailand in der Lombardei. Die Stadt ist kreisförmig angelegt, besitzt ein dickes und massives Mauerwerk aus Ziegeln auf einige Steinwürfe bei den Stadttoren, ansonsten einen großen Wall, auf 1 Turm der Liebfrauenkirche, siehe S. 252. <?page no="248"?> 248 X. Von Brügge bis Nürnberg dem insgesamt mindestens 30 bis 40 Mühlen mit Windkraft mahlen 2 . Und vor und hinter diesem großen und mächtigen Wall gibt es einen doppelten Wassergraben. Durch diese breiten und tiefen Gräben ist die Stadt zusätzlich bestens geschützt 3 . Außerhalb der Mauer, gegen Süden, wird mit einem Rad und Pferdekraft aus einem Graben eine sehr große Menge Süßwassers geschöpft, es durchfließt die Kanäle in der ganzen Stadt und versorgt die Brunnen 4 . Man kann sich seiner für die Küche bedienen und es trinken. Das Flusswasser in den Kanälen ist nämlich brackig und modrig, es ist nicht zum Kochen und Trinken geeignet. Brügge besitzt in der Tat zahlreiche Kanäle, in denen viele und unterschiedliche Schiffe einfahren und alle Lebensmittel und Handelswaren herbeibringen. Es gibt so viele steinerne Brücken, dass man es kaum glauben kann, wenn man es nicht sieht 5 . Deshalb, denke ich, bezieht die Stadt ihren Namen Brügge von den zahlreichen Brücken, das heißt „Bruggen“ 6 . Sie ist im Umfang sicherlich so groß wie Mailand, allerdings ist sie nicht so dicht besiedelt, und es gibt nicht so viele Häuser. Man sieht dort gepflasterte Plätze, die breit und sehr schön sind, weiterhin viele Gärten und Grünflächen, hauptsächlich beim Stadttor Heiligkreuz, beim Tor nach Gent 7 und beim Tor nach Sluis, das auch Johannestor heißt 8 , gibt es viele. Alles ist so schön und ordentlich hergerichtet, dass man sich in einem Paradies wähnt. Vor einigen Jahren musste die Stadt einen sehr großen Krieg wegen des Königs der Römer erleiden, der von den Bewohnern zum Gefangenen gemacht worden war: Deshalb kamen Brügge, Gent und fast ganz Flandern ziemlich herunter 9 . Vor 20 Jahren war Brügge der größte Messeplatz und das größte Lager der ganzen Welt, aus vielen Reichen strömten die Händler dort zusammen und machten den Ort groß. Wegen des großen Wohlstands wurden die flämischen Gebiete mit Krieg und Missständen überzogen, wie Juvenal sagt: „Nun erleiden wir seit langer Zeit das Übel des Friedens, schlimmer als Waffen 2 Wasser- und Windmühlen, die fast ausschließlich am Wassergraben um die Stadt lagen. Die erste Wassermühle ist bereits für das frühe 12. Jh. bezeugt, Windmühlen erstmals für das letzte Viertel des 12. Jh., vgl. Ryckaert, Brugge S.-177 f. 3 1127/ 28 wurde im Auftrag Dietrichs von Elsass, Graf von Flandern (1128-1168), die erste Stadtmauer Brügges errichtet, die zusätzlich mit Abwehrtürmen und Toren ausgestattet wurde. Ebenso wurde die Stadt mit einem Wassergraben umgeben. Während der französischen Besatzung Brügges wurde 1297 bis 1300 eine zweite Stadtmauer mit neun Toren errichtet und ein weiterer Wassergraben angelegt, vgl. insbesondere den Stadtplan von Jan Lobrecht (1690) bei Ryckaert/ Vandewalle, Ville S.-37 f. 4 Zur Wasserversorgung und zu den Kanälen der Stadt Brügge vgl. Houtte, Geschiedenis S.-31-33. 5 Zur Hydrographie Brügges und der großen Zahl von Kanälen und Brücken vgl. Ryckaert, Brugge S.-28- 38. 6 Münzers volksetymologische Erklärung für den Namen Brügge findet sich ähnlich bei anderen Reisenden. In neueren Forschungen wird der Ortsname - in den Quellen seit Mitte des 9. Jh. belegt - teilweise als Kontamination aus der früheren Ortsbezeichnung Rugja (abgeleitet vom Fluss Reie) und dem altnorwegischen Wort bryggia (Landungssteg, Anlegestelle) angesehen, vgl. Ryckaert, Histoire S.-18. 7 Kruispoort und Gentpoort. 8 Johannestor (Sluispoort). 9 Die Gefangenschaft des römisch-deutschen Königs Maximilian I. (1486/ 93-1519) in Brügge vom 1.-Februar bis zum 16. Mai 1488 steht im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um die Anerkennung seiner Herrschaft über Burgund nach dem Tod seiner Gemahlin Maria von Burgund (†- 1482). Der aus dem Widerstand der flämischen Städte entstehende Krieg schwächte nicht nur Brügge und Gent, sondern hinterließ ein stark verwüstetes Flandern, vgl. Wiesflecker, Kaiser Maximilian I. 1 S.-160-228. <?page no="249"?> Die Reichtümer der Stadt - Brügge 249 hat sich hier der Reichtum installiert, von daher kommen alle schlechten Dinge“ 10 . Um dies alles zu diskutieren, bedürfte es eines langen und ausführlichen Kommentars. Die Leute dort sind sehr gesittet und umgänglich, die Männer tragen schöne Kleidung; ihre Kleider sind lang, so wie es dem Klerus geziemt. Die Frauen, sehr schön, grazil gebaut, kleiden sich dezent, sind von rötlicher Gesichtsfarbe und sowohl für die Liebe 11 als auch für die Religion aufgeschlossen. In allen Gegenden des Nordwestens müht man sich im Kleinsten wie im Größten, wie an Kleidung und an anderen Verhaltensweisen leicht erkannt werden kann. Die Frauen wissen mit großem Einfallsreichtum, wie sie Jungen mit Liebe umgarnen können, man könnte sie Venustöchter nennen. Hierüber wäre viel zu erzählen, was ich aus Gründen der Kürze weglasse. Die Reichtümer der Stadt Zur Zeit des Friedens, bevor der Krieg kam, war es wunderbar, die dort angehäuften Reichtümer zu sehen. Im ganzen deutschen Bereich gab es keine reicheren Kaufleute, jedoch wurde wegen des Krieges der Hafen für die Kaufleute geschlossen, die sich dann nach Brabant in die Stadt Antwerpen zurückzogen und diese Stadt reich machten 12 . Nun sind die Friedenszeiten wieder angebrochen, und in alter Gewohnheit kommen auch wegen des günstig gelegenen Hafen Sluis 13 die Kaufleute wieder: insbesondere Spanier 14 , Florentiner, Genuesen, Venezianer und Ostrogoti, das heißt Oosterlinge 15 . Bald wird Brügge seine Flügel erheben, die Stadt hüte sich nur vor überzogenem Übermut, dann wird sie bald groß werden 16 . Die Güte der Felder verhilft Brügge zum Reichtum, ebenso die Bescheidenheit des Volkes: Sie begnügen sich mit einem leichten Bier und geben nicht viel Geld für Wein aus. Aber vor allem sind es die Vorteile des Meeres, wodurch alles Notwendige reichlich herangeschafft wird und was den Ort durch einen guten Markt sehr wohlhabend werden ließ. Das Volk ist ähnlich wie die Ameisen von Natur aus dazu angetan, Reichtümer zu sammeln. 10 Nunc patimur longae pacis mala. Saevior armis/ luxuria incubuit victum que ulciscitur orbem, Decimus Junius Juvenalis, Saturae (ed. Ribbeck) Lib. 2 Carm. 6 V. 216 f. 11 Vermutlich spielt Münzer hier und in den folgenden Zeilen auf das wegen einer vergleichsweise wenig restriktiven Politik blühende Prostitutionsgewerbe in den Brügger Badehäusern an, eine der Hauptattraktionen für Fremde und Reisende in der Stadt. 12 Durch die Konflikte während der Regentschaft Maximilians I. (†-1519) wurde der im 15. Jh. schon feststellbare wirtschaftliche Niedergang der Stadt noch beschleunigt. Die Bevorzugung des Handels mit England bedeutete letztlich zu Lasten Flanderns einen Vorteil für Antwerpen und Brabant, vgl. Wiesflecker, Kaiser Maximilian I. 1 S.-205, 207 und 214 f. 13 Zu Sluis, dem Hafen von Brügge, siehe auch unten S. 254-256. 14 Bemerkenswert ist, dass Münzer die spanischen Kaufleute im Gegensatz zu den Italienern (Genuesen, Florentiner, Venezianer) nicht stärker differenziert. Allein kastilischen Kaufleuten war es gestattet, den Namen „Spanische Nation“ zu führen. Daneben waren Katalanen, Basken und Aragonesen in Brügge vertreten, vgl. Vandewalle, Brügge und Iberische Halbinsel S.-170-171. 15 Oosterlinge, Name für die hansischen Kaufleute, siehe oben S. 235. 16 Nach dem endgültigen Friedensschluß Brügges mit Maximilian I. (†-1519) 1493 versuchte das Stadtregiment, die abgewanderten Kaufleute unter anderem durch Erweiterung der Privilegien wieder zurückzugewinnen, aber nur mit eingeschränktem Erfolg. <?page no="250"?> 250 X. Von Brügge bis Nürnberg Über Hallen und Paläste zum Handeln Es gibt viele Plätze und Paläste, die zum Handel bestimmt sind, so der große Platz, der sogenannte Freitagsmarkt, wo an jedem Freitag alte Möbel und Kleider sowie anderes verkauft werden 17 . Man findet weiterhin einen großen Platz in der Mitte der Stadt 18 , wo Lebensmittel, Fluss- und Meeresfische angeboten werden, außerdem Kräuter, Früchte für die Fastenzeit, Orangen, Feigen, Trauben, Öl, Essig und anderes; es wird sauber und ordentlich feilgeboten. Es gibt auch große Gebäude, die Hallen genannt werden 19 , in einem von diesen wird Wolltuch in großer Menge verkauft. Unterhalb davon verläuft ein wasserreicher Kanal, in dem Schiffe fahren und Fische schwimmen. Dort ragen Kalkfelsen hervor. In einer anderen Halle befinden sich die unzähligen Stände der Krämer und Händler, oberhalb verkauft man auch Stoffe. Alle Gebäude sind sorgfältig und bestens bestückt und angeordnet, dies ist hier aber nicht zu erzählen. Auf einem anderen Platz kommen die Kaufleute zusammen, er wird die „Boers“ genannt 20 . Dort treffen sich, wie ich sage, Spanier, Italiener, Engländer, Deutsche, Ostrogothi 21 und alle Nationen 22 . Man hat dort gewisse Straßen den Spaniern zugewiesen 23 , andere den Häusern für Florentiner oder Genuesen 24 . Die Ostrogothi besitzen einen sehr schönen Hof und ein sehr hervorstechendes Gebäude, wo sich ein äußerst hoher und schön verzierter Turm erhebt, und rundherum gibt es unterirdische Keller, wo sie ihre Waren verkaufen 25 . Die Ostrogothi bringen verschiedene Biersorten herbei, weiterhin Wachs und wertvolle Felle aus Rußland, außerdem Eichenholz vom Feinsten, um Tafeln zu machen und schöne Gebäude auszustatten. Sie handeln ebenso mit Leinen, Hanf, Leder, Pech für die Schiffe und Boote und mit anderen Dingen mehr 26 . 17 Offensichtlich wurde der Hauptmarkt auch als Freitagsmarkt bezeichnet. 18 Marktplatz von Brügge. 19 Die Handelshallen auf dem Marktplatz waren verbunden mit Kanälen, so dass Frachtschiffe unmittelbar anlegen konnten. In den oberen Geschossen befanden sich Warenlager, im Erdgeschoss offene gewölbte Galerien für die Abwicklung der Geschäfte; zu sehen beispielsweise in der sogenannten Waterhalle, vgl. Vandewalle, Centre S.-74-77. 20 Beursplein (Platz der Börse). 21 Gemeint sind die hansischen Kaufleute, siehe S. 235. 22 Dies ist die älteste schriftlich überlieferte Nachricht zur Brügger Börse. Am Platz besaß die Brügger Familie Van der Beurse zwei Herbergen, in denen vor allem italienische und spanische Geschäftsleute wohnten. Der kleine Platz vor den Herbergen, an dem auch die Häuser der Genuesen und Florentiner standen, wurde Treffpunkt der italienischen Händler und Bankiers, die ihre Kenntnisse im Finanzwesen mit nach Brügge brachten. Bereits um 1400 unterschieden sich die Aktivitäten nur wenig von denen an den modernen Börsen. Notiert wurden die Wechselkurse der Hauptwirtschaftszentren sowie die der wichtigen europäischen Banken, vgl. Vandewalle, Centre S.-78 f. 23 In Brügge ließen sich die kastilischen Kaufleute 1494 nach den Auseinandersetzungen unter Maximilian-I. (†-1519) erneut in der heutigen Spanjaardstraat nieder. Hier entwickelte sich ein spanisches Viertel. 24 Die Logen der Florentiner und Genueser Kaufmannschaft befanden sich am Beursplein. 25 Obwohl die Anzahl der deutschen Händler in der zweiten Hälfte des 15. Jh. abnahm, entschied sich die Hanse zu einem Neubau der hansischen Loge 1478; aufgrund des hohen Turms zählte das Haus zu den Septem admirationes civitatis Brugensis. Es befand sich aber nicht am Platz der Börse, sondern an einem Seitenarm der Reie, der Gouden Handrei. 26 Die Hansekaufleute hatten sich vor allem auf den großen Bedarf an Nahrungsmitteln spezialisiert, insbesondere Getreide. Gehandelt wurden auch Hamburger Bier oder rheinischer Wein. Andere wichtige Einfuhrgüter waren Holzbretter und -bohlen, Produkte aus dem Bergbau und der Verhüttung, die aus den Karpaten und Skandinavien importiert wurden; außerdem Stiefel, Leinenstoffe und Wolle sowie Luxuswaren aus Osteuropa wie russische Pelze und Bernstein. Nach Deutschland exportiert wurden flandrische Tuche und Luxuswaren wie Gewürze, Früchte oder seltene Tiere, vgl. Paravicini, Brügge S.-116 f. <?page no="251"?> Über Hallen und Paläste zum Handeln - Brügge 251 Die Spanier bringen jedoch Wolle, Eisen, Seide, Früchte wie Feigen, Trauben, Orangen, Öl, Reis, Wein, kleine Schaffelle zur Herstellung von Pelzen, Körner und andere Dinge mehr 27 . Die Engländer steuern ihrerseits Wolle, Zinn, Blei, Stoffe aus London 28 und anderes bei. Die Venezianer bringen Gewürze sowie silber- und golden durchwirkte Stoffe 29 . Sie exportieren beste aus Wolle hergestellte Tücher, weiterhin Stoffballen aus Leinen sowie Tuch mit verschiedenen Mustern, Teppiche und unzählige andere Handelswaren 30 . Als Flandern in Blüte stand, kamen in ganz Europa nirgendwo so viele und so reiche Händler zusammen. Man muss hoffen, dass innerhalb kurzer Zeit der Wohlstand zurückkehrt. In jenen Tagen, fast den ganzen Winter über, von Anfang Dezember bis Ende März, gab es so zahlreiche Unwetter auf dem Meer, von denen man in vielen Jahren zuvor nie gehört hatte. Und deshalb, wie ich schon früher, Mitte Dezember, schrieb 31 , gingen bei Valencia so viele Schiffe unter, die an verschiedenen Küsten kenterten. Auch in Portugal, in der Nähe des Kap S-o Vicente, ging ein großes Schiff unter. Und allgemein wird gesagt, dass in der Mitte des Monates März bei der Küste Britanniens und Englands 48 spanische Schiffe gekentert seien, die mit Eisen und Wolle schwer beladen waren; weiterhin drei voll bepackte Schiffe, mit denen reichlich Gewürze aus Venedig transportiert wurden. Die Brügger schmerzte dies sehr, denn sie erwarteten großen Profit, wenn sie (die Schiffe) glücklich angekommen wären. Wenn sie nur bald gut im Hafen ankämen und dort die Freude der Angst folgen würde! Über die Kirchen in Brügge Es gibt unter anderem drei Hauptkirchen: Die erste ist die Kirche des heiligen Donatianus 32 , des siebten Bischofs von Reims, dessen Leichnam 33 unter dem Hochaltar ruht. Dieser Altar wurde einstmals von den Königen Frankreichs dem Grafen Flanderns zur Bekräftigung eines 27 Ein wichtiger spanischer Exportartikel war die Wolle aus der kastilischen Hochebene, die mit der englischen als Rohstoff für das flämische Tuch diente. Weitere Einfuhrgüter waren Roheisen aus dem kantabrischen Gebirge und der Wein, an dessen Handel vor allem die Basken beteiligt waren, vgl. Vandewalle, Brügge und die Iberische Halbinsel S.-170 f. 28 Obwohl der Woll- und Tuchhandel zwischen England und Brügge im 15. Jh. an Bedeutung verlor, blieb die Stadt wichtiges Handelszentrum für England. Damit verbunden war ein diplomatischer Austausch. 29 Unter den italienischen Händlern waren die Venezianer am längsten in Brügge vertreten. Sie importierten vor allem Textilien, Zucker, Gewürze aus dem Fernen Osten sowie Schmuck und Früchte, vgl. Vandewalle/ Geirnaert, Brügge und Italien S.-183 f. 30 Während des 12. Jh. erreichten flämische und artesische Städte mit der Herstellung von Qualitätstuchen eine Monopolstellung in Europa, die sie jedoch langfristig nicht halten konnten. Während des 14. Jh. stieg die englische Tuchproduktion so enorm an, dass Flandern gezwungen war, sich auf hochwertigere Tuche zu spezialisieren. Darüber hinaus wurde in kleineren Städten Flanderns der sogenannte Sergen, ein Stoff von minderer und leichterer Qualität, produziert, der in Europa großen Absatz fand. Brügge blieb daher bis ins 16. Jh. der wichtigste Markt für Wolle in den Niederlanden, vgl. Blockmans, Brügge S.-44-46. 31 Siehe S. 118. 32 Pfarrkirche Sint-Donaas (St. Donatian). Innerhalb der Brügger Burg gelegen, wurde sie im Auftrag Arnulfs-I., Graf von Flandern (918-965), als Nachbildung der Aachener Pfalzkapelle errichtet. Nach einem Brand 1184 wurde die Kirche neugebaut und im 14./ 15. Jh. gotisch umgestaltet; die Kirche besteht nicht mehr. 33 Donatian (Ende 4. Jh.), Heiliger, Erzbischof von Reims und Patron von Brügge. Zur Reliquientranslation unter Graf Balduin I. von Flandern (863-879) vgl. Grierson, Translation bes. S.-189 f. und Schlegelmilch, Jugendjahre S.-472. <?page no="252"?> 252 X. Von Brügge bis Nürnberg Friedensschlusses, den sie nach langen Kämpfen geschlossen hatten, geschenkt. Diese Kirche ist freilich ansprechend und hoch: Sie ist aus behauenem Stein, misst in der Länge 130 Schritte und in der Breite 70. Auf den Seiten und hinter dem Chorraum gibt es sieben schöne Radialkapellen, die mit Kupfergittern verschlossen sind. Der Chorraum ist herausragend, auf einer Seite befindet sich ein Altar, auf dem ein kleines und schönes Tafelbild steht, und nicht weit von dort das bestaunenswerte Grabmal eines gewissen Prinzen von Bourbon samt dessen Bildnis in Kupfer. In der Mitte des Chorraumes, vor dem Altar, erhebt sich ein bewundernswertes Marmorgrabmal mit dem weißen Abbild eines gewissen Grafen von Flandern 34 . Die Tafel des Hauptaltars wirkt wie eine lange Truhe mit Brettern, die in Silber und Gold gefasst sind. 35 . Im Zentrum befinden sich die 12 Apostel, aus Silber bestens gearbeitet, in deren Mitte ist das Bildnis des Erlösers, und über allen ihren Häuptern schweben verschiedene Throne 36 , die hervorragend aus Silber hergestellt sind. Im ganzen Chor und in der Kirche überhaupt gibt es sehr große weitere Kupfertafeln, andere aus schwarzem und härtestem Marmor, den man aus der Provinz Hennegau herbeibringt. Einige dieser Tafeln messen 12 Fuß in der Länge und 7 in der Breite. All dies ist wunderbar anzusehen. Die Kirche besitzt zwei Schiffe, sie ist sehr schön und wird von den Vornehmen, ja sogar von Handelsleuten sehr gerühmt. Es ist eine Kollegiatkirche mit 24 Kanonikern und besten Kantoren. Ich habe 26 kleine Sängerknaben gezählt, die dort unter anderen als Akoluten dienen und hervorragend singen 37 . Die zweite Kirche ist die Marienkirche 38 , sie hat 8 Kanoniker, mehrere Vikare und sie ist sehr schön. In der Länge misst sie 170 Schritte, besitzt drei Schiffe, von denen eins für den Anschluss von Kapellen dient; außerdem kann man von ihrem sehr hohen Turm bei schönem Wetter die Segel der Schiffe auf dem Meer betrachten. Niemals habe ich einen in Ziegelstein gearbeiteten Turm gesehen, der höher und schöner war und der, wie ich schon bemerkt habe, mit 380 Stufen zu besteigen ist. Von oben aus habe ich die Lage des Ortes betrachtet. Die Kirche hat auch eine sehr große wunderschöne Orgel. In der Kapelle des heiligen Bartholomäus 39 habe ich folgende Verse notiert, die in Jerusalem über der Tür des Herrengrabes geschrieben sind 40 : 34 Jakob von Bourbon (†-1468), Sohn Herzog Karls I. von Bourbon (1434-1456) und der Agnes von Burgund (†-1476). 35 Ludwig I., Graf von Flandern (1322- 1346) und Nevers. Die Grablegen gingen im Jahr 1799 bei der Zerstörung der Kirche verloren. 36 Hier sind wohl die entsprechende Kategorie der Engel gemeint. 37 Die schola cantorum wurde vielleicht bereits im 12. Jh. gegründet. Im 15. Jh. entwickelte sich Sint-Donaas zum Zentrum der Kirchenmusik in Hinblick auf gregorianischen Gesang und liturgische Polyphonie, vgl. Dewitte, Muziekleven und Geirnaert, Culture S.-89-92. 38 Onze-Lieve-Vrouwekerk (Liebfrauenkirche). Die Anfänge des Gotteshauses gehen möglicherweise auf das 9. Jh. zurück, zu Beginn des 12. Jh. erfolgte ein romanischer Neubau. 39 Bartholomäus von Brügge (†-1356), Philosoph, Arzt und seit 1331 Kanoniker in Cambrai. 40 Die folgende Inschrift befindet sich tatsächlich auf dem Dach der Jerusalemer Heiliggrabkapelle, vgl. Bertalot, Epitaphiensammlung S.-273 Nr.-1 mit leichten Abweichungen; Walther, Initia 20680; Bertalot, Initia I 6718. - Abschriften der Verse sind häufig in Palästina-Reiseberichten des 14. und 15. Jh. überliefert. In der Ausgabe des Tucherschen Reiseberichts des mit Münzer befreundeten Hartmann Schedel (†-1514) finden sie sich in leicht veränderter Form (fol. 5v); möglicherweise besteht eine Abhängigkeit, vgl. Herz, Studien S.-135 Abb. 24. <?page no="253"?> Über die Kirchen in Brügge 253 Das Leben wollte sterben und so schlief es in diesem Grab. Da der Tod Leben bedeutete, siegte das Leben und zerstörte unseren Tod. Denn derjenige, der die Hölle zerbrach und sie sich unterwarf, indem er sein Volk - dessen Anführer und Eroberer er war - in die Freiheit entließ, ist hier an diesem Ort als starker Löwe wieder auferstanden. Und so wehklagt die Hölle: Denn dieser ist für seinen Tod mit dem Leben belohnt worden! Noch ein Epitaph des Stifters der Kapelle des Heiligen Bartholomäus zu Brügge: Leblos liegt hier innen der Körper desjenigen begraben, der das Fest zu Ehren des Bartholomäus begründet hat. Ihn möge die heilige Jungfrau Maria nach dessen Empfehlung behüten, indem sie jenes „Ave Sanctum“ aus dem Munde Gabriels singt. Die dritte Kirche ist die Salvatorkirche 41 , die auch sehr schön ist und als Pfarrkirche dient. Über den Palast 42 bei St. Donatianus Außerhalb und in der Nähe der Kirche des heiligen Donatianus liegt im Süden ein sehr schönes Gebäude, das zur Rechtssprechung dient, es wird Justizpalast genannt und besitzt wunderschöne Säle, Räume und eine Kapelle, in der vom Magistrat der Bürger eine tägliche Messe gestiftet worden ist. Vor diesem Haus sind wunderschöne, vergoldete Bildnisse aller Grafen von Flandern und deren Gemahlinnen 43 angebracht; in der Mitte zwischen der Kirche und dem Justizpalast stehen ein sehr schönes Atrium und ein hervorragender Palast. Über die Klöster In der Stadt bestehen vier Klöster der Bettelorden 44 , unter denen sich das Kloster der Minderbrüder 45 befindet. Es ist wunderschön und durch ein sehr sehenswertes Retabel im Chorraum ausgezeichnet, das mit vergoldeten Skulpturen geschmückt ist. 41 Die Sint-Salvators-Kathedraal (St. Salvator) als älteste Pfarrkirche Brügges wurde 988 erstmals schriftlich erwähnt. Der heutige gotische Kathedralbau wurde in der zweiten Hälfte des 13. Jh. begonnen, die endgültige Fertigstellung erfolgte erst im 16. Jh. 42 Das Stadhuis (Rathaus) wurde als spätgotischer Bau gegenüber der Kirche Sint-Donaas ab 1376 im Auftrag Ludwigs II., Graf von Flandern (1346-1384) errichtet und 1421 fertiggestellt. 43 Die Fassade des Rathauses zierten Skulpturen biblischer Gestalten sowie der Grafen und Gräfinnen von Flandern, die Jan van Eyck (†-1441) farbig bemalt hatte; die Originale gingen während der Französischen Revolution verloren. 44 Fast alle Bettelorden hatten sich im Lauf des 13. Jh. in Brügge außerhalb der ersten Stadtmauer niedergelassen. Belegt sind die Franziskaner seit 1227, die Dominikaner seit 1234, die Karmeliten seit 1264, die Sackbrüder seit 1271, die Augustiner seit 1286 und die Elsterbrüder seit dem dritten Viertel des 13. Jh; Klarissinnen und Dominikanerinnen ließen sich 1255 bzw. 1292 nieder. 45 Das Franziskanerkloster in Brügge wurde in den Jahren 1227-1233 von Hendrik Ram, mehrmaliger Bürgermeister Brügges, gegründet. Der erste Standort des Klosters befand sich im Bereich der Pfarrei Sint- Gilliskerk, im Jahr 1246 wurde das Kloster auf den Braamberg in Brügge verlegt. <?page no="254"?> 254 X. Von Brügge bis Nürnberg Über das Kartäuserkloster Außerhalb des Heiligkreuztores 46 liegt drei Steinwurf entfernt die recht schöne Kartause 47 . Ihr Chorraum ist sehr lang mit vielen Chorstühlen. Zu jener Zeit waren dort sechzehn Patres, drei Konversen, fünf Oblaten und 6 Familiare. Außerdem habe ich eine sehr schöne Bibliothek gesehen 48 , die ein Bruder Wilhelm 49 aus einem Vorort von Brügge leitete. Er war in der Poetik beschlagen. Niemals habe ich in jenem Orden einen in den humanitates so gelehrten Mann kennengelernt. Der Pater Prior 50 stammte gebürtig aus Brügge, aus der Familie Adornes, die große Bedeutung besitzt bei den Genuesen 51 . Über die Hospitäler Dort steht ein ausgezeichnetes Hospital, in dem den Kranken sehr viele gute Dienste von den Schwestern erwiesen werden, die in Klausur leben. Man kann es kaum erzählen 52 . Wir wurden auf dem Marktplatz, den man Börse (Beursplein) nennt, von Johannes Franck 53 empfangen, der uns alle Ehre erwies und der Gastgeber für die Kaufleute ist, die aus Oberdeutschland kommen, das heißt zum Beispiel aus Nürnberg, Frankfurt oder Augsburg. Über die Stadt Sluis („Schlusa“) Wenn man aus dem Johannestor (Sluispoort) die Stadt verläßt und etwa eine Meile geht, kommt man an der wunderschönen Stadt Damme vorbei. Dort wird das steigende Meerwasser durch einen Kanal geführt, auf dem auch die Boote aus Brügge fahren 54 . Setzt man den Weg 46 Kruispoort. 47 Kartause Val-de-Grâce bei der Pfarrkirche Sint-Kruis, gegründet 1318. 48 Die Bibliothek der Kartause war auch für Personen von außerhalb des Klosters zugänglich. 49 Möglicherweise handelt es sich um den bei Grauwe, Prosopographia S.-132 Nr.-950 genannten Gulielmus Plochoyt/ Plochoys (†-8. Juni 1498), der Kartäuser in Brügge war. 50 Martin Adornes, Prior der Kartause Val-de-Grâce (1491-1507), Sohn des Anselm Adornes (†-1483), der zu den Wohltätern des Klosters gehörte. 51 Angehörige der ursprünglich aus Genua stammenden Fernhändler- und Bankiersfamilie Adornes hatten sich bereits um die Wende zum 14. Jh. in Brügge niedergelassen. Sie zählten bald zu den vermögendsten Geschlechtern des Brügger Patriziats und traten durch vielfältige Stiftungen hervor, unter anderem der Ritter Anselm Adornes (†-1483) mit dem Bau der Heilig-Grab-Kirche im Anschluss an seine Jerusalempilgerfahrt. 52 Brügge besaß um 1500 neun Hospitäler, die von Schwestern betreut wurden, allen voran das Sint-Juliaanshospital nahe der Boeveriepoort, entstanden durch den Zusammenschluss der Filles-de-Dieu, die etwa seit 1290 in Brügge Obdachlose und Reisende betreuten, mit der Sint-Juliaansgilde, und das Onze-Lieve-Vrouw van de Potteriehospitaal, erstmals 1275 erwähnt. Letzteres stand unter der Leitung des Stadtmagistrats und wurde von Schwestern versorgt. Um 1319 wurde das Onze-Lieve-Vrouw van de Potteriehospitaal mit dem Heilige Geesthuis vereinigt. 53 1495 ist Jan Franck als Wirt für Kaufleute aus Frankfurt a. M., Nürnberg und Augsburg belegt, vgl. Greve, Hansekaufleute S.-248. 54 Damme lag am Meeresarm Zwin, dem wichtigen Verbindungsweg zur Nordsee. Durch den Bau des Reie- Kanals nach Damme im 12. Jh. erhielt Brügge Zugang zum Meer. In Damme wurden die Waren der <?page no="255"?> Über den Hafen in Sluis 255 zwei Meilen lang weiter fort, gelangt man nach Sluis, einer schönen Stadt mit ebenso schönen Plätzen, die größer als Ravensburg ist, gut gebaut im Stile des Landes. Bei dieser Stadt liegen ein sehr schöner Hafen und das am besten befestigte Kastell, das in einer Ebene liegt. Über den Hafen in Sluis Der Hafen von Sluis 55 liegt bei den Mauern der Stadt und umgibt diese zur Hälfte oder fast zu drei Vierteln. Er ist groß genug, um unzähligen Schiffen Ankerplatz zu gewähren. Zu der Zeit, als Brügge eine florierende Stadt war, kamen dort mehr als 700 oder sogar 800 Segel zusammen. Wenn das Meer sich zurückzieht, stehen viele Schiffe 6 Stunden lang auf dem Trockenen, aber im Kanal gibt es immer genug Wasser für die Schiffe, die dort warten. Das Meer überflutet den Hafen nur durch einen kleinen schmalen Kanal, der tief ist und an den Seiten schräg gegraben wurde; deshalb können bei Unwetter große Schiffe nicht hereinfahren, weil sie fürchten müssen, dass sie an die Ränder oder die Ufer des Hafens geschleudert werden. Wenn sie aber im Hafen sind, können sie durch keine Unbillen des Meeres gestört werden. Dieser Hafen ähnelt in mancher Hinsicht dem Hafen von Lissabon in Portugal, aber er ist nicht so groß und nicht so tief. In jenen Tagen gab es sehr starke Stürme, so sehr, dass man an den Ufern einen Fisch sah, den das Meer dorthin geschwemmt hatte. Er war, so glaubten sie, größer als ein großes Schiff. Aber er wurde nicht gefangen, weil das Unwetter so stark war, dass keiner sich auf das Meer traute. Manchmal spuckt der Ozean Walfische von einem enormen Gewicht aus. Vor etwa 24 Jahren wurde dort ein Wal gefangen, aus dem man 48 Tonnen Talg und Fett holte. Und in der Stadt Brügge auf dem Feld der Bogenschützen kann man heute noch den Unterkiefer eines Wales sehen; darin können zwei Männer wie in einem kleinen Boot Platz nehmen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass Plinius in seiner Historia naturalis bekräftigt, dass alle Walfische, die man im Indischen Ozean fängt, so groß seien 56 . Über die Festungen von Sluis An beiden Seiten, wo der Kanal in den Hafen mündet, gibt es zwei stark befestigte Kastelle, eines im Westen, ein anderes im Osten. Das im Westen wird zwar „kleines Schloss“ genannt, aber es ist nicht weniger wehrhaft 57 . Das „große“ im Osten hingegen ist hervorragend begroßen Güterschiffe auf kleinere verladen, um sie anschließend in die Stadt transportieren zu können. Damme verlor seit Ende des 14. Jh. an Bedeutung. 55 Sluis war die erste zu passierende Kanalschleuse des Zwin auf dem Weg nach Brügge. Bedeutsam war die Stadt als einer der Vorhäfen von Brügge insbesondere im 14. und 15. Jh., als sie vom Niedergang des landeinwärts gelegenen, versandenden Damme profitierte. 56 Gaius Plinius Secundus (†-79), römischer Staatsmann und Historiker, spricht in seiner Naturalis Historia mehrmals von Walen, auch von deren Größe, Gaius Plinius Secundus, Naturalis Historia (ed. König/ Winkler), Lib. IX 1 § 3 und 2 § 4. 57 Als Reaktion auf die Niederlage gegen die Engländer in der Schlacht bei Rozebeke 1382 ließ Graf Ludwig-II. von Flandern (1346-1384) Sluis stark befestigen, 1385 erfolgte der Baubeginn des großen Kastells. In der ersten Hälfte des 15. Jh. wurde die Stadtbefestigung weiter verstärkt durch Mauern, Tore, Zugbrücken und Barbakanen. <?page no="256"?> 256 X. Von Brügge bis Nürnberg festigt, ein großer Graben umgibt es bei den Mauern, im Norden und Osten erstreckt sich ein riesiger Platz mit einer hohen Schanze. Bei steigender Meeresflut wird alles überschwemmt, und das Kastell wirkt wie eine Insel. Die Stadt befindet sich im Süden. In der Mitte liegt ein großes Feld, und außerhalb des Hafens dienen große Erdwälle als Sicherung, in deren Mitte ein Platz für tausend Pferde entstanden ist. Die Befestigung selbst ist rundum mit 16 starken Türmen bewehrt, sehr solide und hoch sind sie aus behauenem Stein gefertigt und in Mauern und Vormauern integriert. Die Mauern sind 18 Fuß dick, die Türme mit den Vormauern 24. Insgesamt sind die Mauern sehr hoch. Es gibt außerdem äußerst viele bewundernswerte Hallen, Säulengänge, Paläste sowie das sehr große und edle Haus des Fürsten 58 . Ebenso liegt dort die schöne und große Kapelle. In der Mitte der Stadt befindet sich eine große Zisterne mit reichlich Süßwasser, in die das Regenwasser des ganzen Schlosses fließt, weiterhin gibt es drei eiserne Tore. Ich kann die Befestigung nicht ausführlich beschreiben. Von einem früheren König Frankreichs 59 wurde dies alles gebaut, der trotz eines freien Geleits Johann von Burgund 60 ermorden ließ. Der Sohn von diesem Johann, Herzog Philipp von Burgund 61 , appellierte im Parlament von Paris, wurde aber verurteilt und gezwungen, als Ausgleich die zwei Kastelle Sluis und Rissel 62 auf seine Kosten zu erbauen, um Flandern zu schützen. Vor 36 Jahren waren aber noch nicht alle Türme vollendet. Die Herzöge von Burgund haben inzwischen den Platz sehr viel schöner und befestigter gestaltet. Er wurde mit Kriegsgerät, Lebensmitteln und anderem ausgestattet, und man unterhält dort eine große Wachtruppe, weil von den Befestigungen Sluis (Schlusa) und Rissel ganz Niederdeutschland geschützt werden kann. Der Befehlshaber erwies uns große Ehren und ließ uns die einzelnen Dinge zeigen. Zur Zeit des Krieges, als der Herr von Rabenstein beide Befestigungen belagerte 63 , hatte er eine Brücke über den Kanal bauen lassen, um leichter von einem Platz zum anderen zu gelangen. Unter der Brücke im Kanal befanden sich große Piratenschiffe. Seitdem alles in den Händen des Königs Maximilian und seines Sohnes ist, hat der König drei schöne und große Schiffe bauen lassen, welche Piraten und anderem Übel auflauern sollen. Diese Schiffe sind bestens ausgestattet, wie wir gesehen haben 64 . 58 Gemeint ist wohl der Belfort von Sluis. 59 Karl VII., König von Frankreich (1422-1461). 60 Die Ermordung Johann Ohnefurchts, Herzog von Burgund (1371-1419), erfolgte wohl mit Zustimmung des damaligen Dauphins Karl VII (†-1461) im Jahr 1419 im Kontext der Kämpfe zwischen Armagnac und Bourgogne. 61 Philipp der Gute, Herzog von Burgund (1419-1467). 62 Château de Courtrai bzw. Château de Lille, siehe hierzu S. 245. 63 Philipp von Kleve, Graf von Ravenstein (1492-1528) ging nach Einfall des kaiserlichen Heeres auf die Seite der Rebellen über. Seiner Führung unterstanden Flandern, Teile von Brabant, Seeland und Holland; Hauptstützpunkt der Rebellion war Sluis. Zeitweise gelang ihm sogar die Eroberung ganz Flanderns und die Besetzung wichtiger Städte in Brabant. Nach Unterzeichnung des Friedens von Cadzand 1492 ging Philipp von Kleve ins Exil, vgl. Wiesflecker, Kaiser Maximilian I. 1 S.-219-228. 64 Brügge versuchte 1485 vom Sluiser Hafen aus den Seeweg nach Antwerpen und Brabant zu sperren. Maximilian I. (†-1519) ging gegen die Stellungen der Korsaren, u. a. auch in Sluis, vor, vgl. Wiesflecker, Kaiser Maximilian I. 1 S.-174 f. <?page no="257"?> Über die große Stadt Ganda, in der Volkssprache Gent 257 Der Herzog Albert von Sachsen 65 hat einen Befehlshaber in das „kleine Schloss“ abgeordnet, und Graf Engelhard von Nassau 66 hat einen solchen im „großen Schloss“. Durch die so aufgeteilten Befehlsgewalten können Verräter und Konspiratoren nur schwer handeln, und so kann der Fürst Philipp 67 seine Autorität vor Ort besser bewahren. Ohne Zweifel ist die Stadt schön und groß, die Bevölkerung wurde durch die verschiedenen Kriegshandlungen dezimiert, außerdem durch die Pest 68 und durch den Abzug der Händler aus Brügge. Die Spanier nämlich und alle anderen, die früher nach Sluis segelten, fahren nun zur Insel Zeeland bis zum Hafen Vlissingen und Haren. Über die Insel Cadzand und Zeeland Sieben Meilen trennen die Insel Zeeland von Sluis. Middelburg ist die Hauptstadt von Zeeland. Dort gibt es drei große Türme 69 , die wir vom Kastell in Sluis bestens sehen konnten. Zwischen Sluis und Zeeland liegt eine sehr große Ebene, die 4 Meilen breit und 5 Meilen lang ist: Sie heißt Cadzand und ist fast wie eine Insel. Dort stehen viele Höfe und Häuser; die Bauern sind sehr reich. Sie leben vor allen Dingen von der Viehzucht, denn Pferde und Kühe gibt es in höchstmöglicher Zahl, auch der Fischfang ernährt sie. Der Bürgermeister von Sluis, ein ehrenwerter Mann, Georg Linolt genannt, zeigte uns alles und im Einzelnen. Über die große Stadt Ganda, in der Volkssprache Gent Am 26. März verließen wir Brügge und ritten durch schöne Wiesen und Felder 8 Meilen bis zu jener Stadt Gent, der Hauptstadt ganz Flanderns 70 . Wir stiegen auf den höchsten Turm des Rathauses, etwa im Mittelpunkt der Stadt, und konnten die Stadt in ihrer beeindruckenden riesigen Größe betrachten. Sie ist in der Form eines Sterns konstruiert, der einen großen Kern besitzt und einen Kranz, dessen Strahlen zu den Toren in die Vorstädte führen. Alles liegt in der Mitte einer Ebene von schönen Wiesen umgeben. Im Umfeld der Stadt gibt es einen Wall statt einer Mauer, er dient dazu, dort mehrere Windmühlen zu betreiben. Die Stadt erscheint nicht kleiner als Paris, ist aber nicht so dicht mit Häusern besiedelt. Die Plätze sind breit und sehr schön, die Häuser groß mit Höfen und Gärten. Die Kriegshandlungen haben viele Verwüstungen verursacht, viele Häuser sind unbewohnt 71 ; aber trotzdem ist es eine wunderbare Stadt, sehr gut gebaut und befestigt. Man kann im Verlauf von drei Stunden die umgebenden 65 Albrecht der Beherzte war als Statthalter der Niederlande (1488-1493) maßgeblich an der Niederwerfung der flämischen Städte beteiligt. 66 Engelbrecht, Graf von Nassau und Vianden (1475-1504), seit 1486 Statthalter von Flandern und Gouverneur von Lille, später Generalstatthalter der Niederlande (1496 und 1501). 67 Philipp der Schöne, Herzog von Burgund (1494-1506). 68 Siehe hierzu allgemein S. 27 f. 69 Zu den drei hohen Türmen gehörten der 85 Meter hohe Lange Jan der Abteikirche aus dem 14. Jh. sowie der 55 Meter hohe Uhrenturm des 1458 fertiggestellten Rathauses. 70 Seit etwa Mitte des 10. Jh. ist ein Grafensitz (Gravensteen) in Gent nachzuweisen. Gent war im 14. Jh. neben Paris die größte mitteleuropäische Stadt. 71 Münzer spielt erneut auf die Auseinandersetzungen Gents mit Maximilian I. (†-1519) an. <?page no="258"?> 258 X. Von Brügge bis Nürnberg Ländereien bis zu einer Meile Entfernung überschwemmen, sodass die Stadt wie eine Insel aussieht. Sie hat mehrere Stadttore. Von den vier Flüssen, die sich an diesem Ort vereinigen, sind zwei besonders wichtig, die Leie, ein großer Fluss, der aus der Grafschaft Artois kommt und ein brackiges Wasser mit sich führt, zum zweiten die Schelde, die sie „Schel“ nennen, beide vereinen sich außerhalb der Stadtmauern zu einem Fluss. Die Schelde kommt aus dem Südosten, aus der Gegend von Tournai, die Leie aus dem Südwesten. Man kann den Unterschied beider Wasser sehr gut beim Durchfluss in der Stadt vergleichen, denn eines erscheint klarer als das andere, ein anderes Mal ist es anders. Auf diesen Flüssen fahren sehr große Schiffe, mit denen für die Bevölkerung reichlich Getreide aus der Picardie 72 und dem Artois 73 gebracht wird, ebenso Holz und andere Güter. Und wenn man den Zufluss des Wassers bei den Mauern sperrt, dann umfließen die Flüsse die Stadt und machen sie gleichsam zu einer Insel. Darauf beruht die Redensart, dass Gent eine sehr gut befestigte Stadt sei. Die Genter leben aber vor allem vom wechselseitigen Austausch, denn viele sind Handwerker. Auch von den Feldern, von denen sie weniger erhalten, bestreiten sie Ihren Lebensunterhalt; aber sie ernähren sich außerdem von allem, was das Meer und die Flüsse hergeben 74 . Sie haben ihr Auskommen auch ihrer Sparsamkeit wegen, denn das Volk begnügt sich mit Wenigem. Adlige, Handwerker und Weber regieren die Stadt, und was immer von diesen drei Gruppen Wichtiges beschlossen worden ist, wird ausgeführt 75 . Deshalb ist ihre Herrschaft schlecht und unsicher: Sie hat seit vielen Jahren den Niedergang der Stadt bewirkt und diese ihres Reichtums und Einflusses beraubt. Denn beide Gruppen, die Wollweber und Handwerker, besitzen einen Dickschädel, sie denken nur an die Gegenwart und nicht an die Zukunft; in ihren Beratungen versagten sie mehrfach, sie gaben ihren Leidenschaften und geistigen Verwirrungen entsprechend manchmal miserable Ratschläge. Insgesamt sind sie sehr stark durch Krieg geschwächt, der ihnen erklärt wurde, weil sie den römischen König gefangen hielten 76 . Die hauptsächlichen Einkünfte der Stadt stammen von Wein, Getreide und Bier. Vom Wein geht jeder vierte Denar (Pfennig) an den Fiskus, vom Brot und vom Bier jeder zehnte. Ich übergehe hier andere kleinere Steuern. Ja, der Krieg und die Pest 77 haben die Bevölkerung geschwächt und ausgedünnt. Ich glaube, dass nur noch halb Gent dicht bevölkert ist. 72 Aus der Picardie kam seit dem 14. Jh. Getreide, das die Kaufleute über den Seeweg bis zu den Häfen von Abbeville und Saint-Valéry brachten. 73 Im Artois trug vor allem die Baillage von Arras maßgeblich zur Getreideversorgung der flämischen Städte bei. 74 Gent büßte seine wirtschaftlich bedeutende Stellung bereits im 14. Jh. ein und wurde mehr und mehr zum regionalen Marktzentrum. 75 Die Herrschaft der sogenannten Drie Leden seit 1385 wurde gebildet aus der Bürgerschaft, den 53 kleinen Zünften als Vertreter der kleineren Handwerks- und Gewerbezweige sowie dem Webereigewerbe. Nach vorübergehender Absetzung 1435 wurden die Drie Leden nach dem Tod Karls des Kühnen 1477 neu etabliert. 76 Die Gefangennahme Maximilians I. (†-1519) 1488 in Brügge erfolgte maßgeblich auf Initiative der Stadt Gent. Es schloss sich ein verheerender Krieg bis zur Unterwerfung Gents 1492 an. 77 Siehe hierzu oben S. 257 und allgemein S. 27 f. <?page no="259"?> Über die dortigen Kirchen - Gent 259 Über die dortigen Kirchen Unter den vielen Kirchen sind die vornehmsten diejenigen des heiligen Jakobus 78 , des heiligen Nikolaus 79 , des heiligen Johannes 80 . Ebenso sind alle Bettelorden 81 in ganz Gent vertreten. Es gibt in der Stadt zwei sehr große Abteien: diejenige des Heiligen Petrus 82 und diejenige des Heiligen Bavo 83 , der Bischof von Reims 84 war. Man kann noch viele andere Klöster und andere Kirchen sehen. Die drei Hauptkirchen sind schön, reich ausgestattet und groß; die Kirche des heiligen Jakobus erhebt sich in der Mitte der Stadt, rechts und links umrahmen sie zwei große Plätze, einer dient als Viehmarkt, der andere zum Handel mit weiteren Gütern; dieser letztgenannte Platz ist riesig 85 . Zur Zeit als wir dort waren, fand dort eine Messe statt, wir haben so große Mengen an Geweben, Leinen, Leinenfaden, Wolle und Tüchern sehen können, dass ich beim Anblick dieser Waren dachte, kein geringer Teil Deutschlands (Flanderns) lebe von Leinen und Wolle. Über ein bemerkenswertes Bild, das in Sankt Johannes ist und, wie ich glaube, kaum seinesgleichen auf der Welt hat. 86 Die Kirche des heiligen Johannes ist unter den drei Hauptkirchen die schönere, größere und längere, sie misst 156 Schritte. Dort gibt es unter anderen Dingen eine gemalte Tafel, die über einem großen Altar steht und die als Gemälde äußerst wertvoll ist. Im oberen Teil dieses Bil- 78 Die ältesten Teile der 1870-1909 neugotisch überbauten Pfarrkirche Sint-Jacob (St. Jakob) stammen aus dem 12. Jh., vgl. Milis, Grootstad S.-75. 79 Pfarrkirche Sint-Niklaas (St. Nikolaus). Der heutige Kirchenbau wurde in der zweiten Hälfte des 13. Jh. mit finanzieller Unterstützung des Patriziats begonnen und erst im 15. Jh. fertiggestellt. 80 Die Pfarrkirche Sint-Jan (St. Johannes) wurde wohl um 941/ 42 gegründet und nach dem seit 1540 dort ansässigen Kapitel in Sint-Baafs (St. Bavo) umbenannt, sie ist seit 1559 Bischofskirche. 81 Die Franziskaner ließen sich zwischen 1223 und 1226 in Gent nieder, die Dominikaner sind seit 1228 belegt. Seit der zweiten Hälfte des 13. Jh. sind Augustiner (um 1296) und Karmeliten (1287/ 88) nachzuweisen, die Sackbrüder bzw. Fratres de Poenitentia Jesu Christi zu Beginn des 14. Jh. (um 1304/ 1317). 82 Die Benediktinerabtei Sint-Pieters (St. Peter) wurde wohl zwischen 650 und 674/ 75 gegründet, vielleicht unter direkter Beteiligung des heiligen Missionars Amandus (†-um 676/ 679/ 684). Nur wenige schriftliche Quellen berichten über die 1579/ 80 durch die Calvinisten zerstörte und im 17. Jh. wiedererbaute Kirche. 83 Benediktinerabtei Sint-Baafs (St. Bavo). Das ursprünglich dem heiligen Petrus (†-vermutl. um 64) geweihte Kloster geht auf eine Kirchengründung des heiligen Amandus (†- um 676/ 679/ 684) vor dem Jahr 639 zurück, die nach der Grabstätte des heiligen Bavo (†-um 650), Schüler des heiligen Amandus, das Patrozinium Sint-Baafs erhielt. 84 Der heilige Bavo (†-um 650) war nicht Bischof von Reims, sondern Schüler des heiligen Amandus (†-um 676/ 679/ 684; Bischof von Tongern-Maastricht) und starb als Rekluse; siehe auch die vorherige Anmerkung. 85 Heute Vrijdagmarkt (Freitagsmarkt) und Vlasmarkt (Flachsmarkt). 86 Der Genter Altar wurde gestiftet von dem Genter Patrizier Joos Vijd und seiner Gemahlin für die Vijd-Kapelle in der Pfarrkirche Sint-Jan (heute Kathedrale Sint-Baafs). Er wurde 1441 von Jan van Eyck (†-1441) vollendet, die Mitwirkung seines Bruders Hubert van Eyck (†-1426), die in einer später hinzugefügten Inschrift genannt ist, wird mittlerweile bezweifelt, vgl. umfassend auch zur Ikonographie Herzner, Jan van Eyck und Ders., Inschrift. Als Vorlage für Münzers Aufzeichnungen könnte ein niederländischer Reiseführer gedient haben, der die gleiche Überschrift bringt: „Van de vvonderlijcke gheschilderde Altaer Tafel te Ghendt, vvelcx ghelijcke nauvvelick inde vveerelt en is“ (Marcu van Vaernwyck 1568), vgl. Lehmann, <?page no="260"?> 260 X. Von Brügge bis Nürnberg des ist Gott als Majestät dargestellt, zu seiner Rechten die ehrwürdige Jungfrau und zu seiner Linken der heiligen Johannes der Täufer. Im unteren Teil hat man die acht Seligpreisungen gemalt 87 . Auf dem rechten Flügel sieht man Adam von Engeln umgeben, welche die göttliche Herrlichkeit besingen, auf dem linken Flügel Eva und die Engel mit Orgeln. Im untersten Teil des rechten Flügels kann man die gerechten Richter und Ritter erkennen, auf der linken die gerechten Eremiten und Pilger. Alles dies ist so wundervoll und kunstfertig, dass man nicht nur das Bild, sondern die gesamte Malkunst dort erfassen kann. Alles scheint lebendig zu sein. Als der Künstler dieses Werk vollendet hatte, wurden zum vereinbarten Preis sechshundert Kronen hinzugefügt. Ein anderer Maler von Ansehen versuchte, dieses Bild in seiner Werkstatt zu imitieren, aber er schaffte es nur zu einer fahlen Kopie, ohne besondere Ausdruckskraft. Welch wunderbaren Anblick die Figuren von Adam und Eva bieten! Alles scheint lebendig zu sein! Und alle Glieder passen zueinander. Der Meister der Tafel ist aber vor dem Altar begraben 88 . Über Antwerpen, in der Volkssprache Antorf Am 28. März verließen wir Gent, um nach 9 Meilen an die Ufer der Schelde zu gelangen, die Flandern und Brabant 89 trennt. Wir nahmen das Schiff bis zur bekannten Stadt Antwerpen, der Hauptstadt von ganz Brabant. Die Schelde fließt entlang der westlichen Befestigungsmauern der Stadt. Zu Flutzeiten, tags oder nachts, steigt der Wasserstand des Flusses, und das Wasser füllt die verschiedenen Kanäle, durch welche die Schiffe in das Innere der Stadt gelangen. Wir bestiegen den höchsten Turm der Hauptkirche, die dem heiligen Johannes 90 geweiht ist, 385 Stufen führen zur Spitze. Von dort habe ich die Lage bewundert, denn man schaut auf eine äußerst große und wunderschöne Ebene. Die Stadt ist größer als Nürnberg, hat aber in der Nähe der Mauern eine sehr stattliche Zahl von großen Gärten, sie ist schön und gut gebaut. Beim unteren westlichen Stadttor befindet sich der gut befestigte und beeindruckende Flusshafen, wo die Schiffe vor Anker gehen, von denen wir unzählige sahen 91 , abgesehen von denen, die sich in der Stadt befanden. Diese Stadt lebt aber vor allem vom Warenhandel und profitiert vom Fluss, denn dieser verschafft Zugang zu allen notwendigen Dingen, die sowohl Haut S.-57 mit Anm. 294. - Münzer beschreibt das Altarbild in geöffnetem Zustand ausgehend vom in der Mitte thronenden Christus. 87 In diesem Teil des Altarbildes ist die Verehrung des mystischen Lammes durch mehrere Gruppen heiliger und alttestamentarischer Gestalten dargestellt. Münzers Bezeichnung folgt möglicherweise den Erläuterungen einer anläßlich des Besuches Herzog Philipps des Guten (1419-1467) in Gent 1458 aufgestellten Stellage, auf der der Altar erklärt und als Chorus beatorum in sacrificium Agni pascalis betitelt wurde, vgl. Fris, Altaartafel S.- 34-38, dort S.- 42 auch erwähnt die Beschreibung Münzers; vgl. Ciselet/ Delcourt, Voyage S.-55 Anm. 1. 88 Unterhalb des Altars war Hubert van Eyck (†-1426) beigesetzt, siehe aber S. 259 Anm. 86. 89 Die Grenzen Brabants bildeten die Schelde im Norden und Westen, die Dijle (Dyle) im Osten und die Haine im Süden. Durch die Ehe Marias von Burgund (†-1482) mit Maximilian I. (†-1519) 1477 war Brabant an das Haus Habsburg gelangt. 90 Gemeint ist die Onze-Lieve-Vrouwekathedraal (Liebfrauenkathedrale) mit ihrem 123 Meter hohen Nordturm, siehe unten S. 261 f. 91 Die Infrastruktur der Häfen in Antwerpen reichte nach Norden und Süden. Da die Schelde durch Antwerpen führt, konnten viele der Flussbuchten als Häfen genutzt werden. <?page no="261"?> Über die Kathedrale - Antwerpen 261 über den Fluss als auch vom Meer herbeigebracht werden. Die Bevölkerung ist sehr gesittet, die Leute umgänglich, weil sie es gewohnt sind, mit vielen Händlern zu reden 92 . Über die Kathedrale 93 Die Hauptkirche ist sehr schön, äußerst groß, hat drei Schiffe und ist 190 Schritte lang und 100 Schritte breit. Es gibt 51 Altäre, die so sehr geschmückt sind, wie ich dies in ähnlicher Weise noch nie gesehen habe 94 . Dort stehen wunderbare Kandelaber und kunstvoll gemeißelte Statuen aus Stein. Der große Chorraum ist mit sehr schönem Chorgestühl und Sedilien ausgestattet 95 . Die Kapelle der seligen Jungfrau an der rechten Seite ist an drei Seiten mit großen kupfernen Stäben umgeben, von denen ich 96 zählte 96 . Es gibt dort unzählige Kandelaber aus Kupfer vor allen Altären und Bildern, die ich wegen der großen Zahl nicht selbst gezählt habe, es waren große und kleine und insgesamt wohl mehr als 400. Ich übergehe diejenigen auf den Altären. Ich fragte mich, woher so viel Altarschmuck herrührt. Ein gewisser Kanoniker von den 24, die dort sind, erklärte mir, dass jede Handwerkerbruderschaft einen Altar wähle, um diesen auf eigene Kosten auszustatten. Und jeder versuche, seinen Altar besser zu schmücken. Wenn man hineingeht, gibt es rechts eine große hohe Kapelle, in welcher der Altar der seligen Jungfrau steht; dort wird die Beisetzung und Aufnahme der seligen Jungfrau (in den Himmel) mit den dabeistehenden Aposteln und drei Engeln (Throne) dargestellt: Die Seele der heiligen Jungfrau wird von Engeln auf Throne aus weißem und kunstvoll behauenem Marmorstein aufgenommen, man könnte dies in Metall kaum ausführen 97 . Wer dies nicht gesehen hat, kann es nur schwer glauben. Und unter dem Alter in der Krypta befindet sich das sehr edle Grabmal der seligen Jungfrau. Ein Handwerksmeister lebt noch heute und sagte, dass das Werk dreitausend Dukaten gekostet habe. Es ist eine erstaunliche Altartafel, wer sie nicht gesehen hat, dem fällt es schwer, dies zu glauben. Weiterhin gibt es aber unzählige andere Bilder von Heiligen, aus Stein bestens und fein gehauen 98 . Die Kollegiatkirche versorgt 24 Kanoniker sowie, wie ich glaube, mehr als fünfzig Vikare und Kapläne. 92 Das durch die Hafenlage besonders begünstigte Antwerpen stieg ab etwa 1300 zu einer Handelsdrehscheibe für englische Wolle und Tuche auf. Ende des 15. Jh. profitierte Antwerpen zusätzlich vom Ende der Zentralfunktion Brügges, siehe oben bes. S. 249. 93 Onze-Lieve-Vrouwekathedraal (Liebfrauenkathedrale). Ein gotischer Neubau der 1124 erstmals erwähnten Kirche wurde 1352 begonnen und 1521 abgeschlossen; erst 1559 wurde sie zur Kathedrale erhoben. 94 Um 1500 dürften über 70 Altäre in der Liebfrauenkathedrale gestanden haben; die meisten wurden 1566 während des Bildersturms der Calvinisten zerstört. 95 Das mittelalterliche Chorgestühl ist nicht erhalten (Erneuerung 1839). 96 Die Liebfrauenkapelle auf der Nordseite der Kathedrale wurde 1479 fertiggestellt und ihr Altar 1482 geweiht. 97 Möglicherweise meint Münzer das heute zerstörte Marienretabel aus Stein, welches 1474 von Laureys de Witte entworfen und von den Brüsseler Steinmetzen Peter de Vogel und Jan Bormans (†- ca. 1520) unter der Leitung von Peeter Tack 1486 vollendet wurde. Das für den Altar gefertigte Retabel stellt die Himmelfahrt Mariens dar, begleitet von 21 Engeln, den Propheten, den Heiligen Georg und Michael, den Evangelisten und Kirchenvätern, vgl. Grieten/ Bungeneers, Onze-Lieve-Vrouvekathedraal S.- 355. Der lateinische Text bleibt teilweise unklar. 98 Von der spätgotischen Innenausstattung der Kathedrale ist aufgrund des Kirchenbrandes 1533 und des calvinistischen Bildersturms kaum etwas erhalten. <?page no="262"?> 262 X. Von Brügge bis Nürnberg Und es gibt hervorragende Sänger 99 , wahre Kenner der musikalischen Kunst, sehr exakt bei Gesang im Chor, wo sich in einer Reihe 28 Sedilien befinden, die sorgfältigst und sehr genau gemacht wurden. Das Kreuz (die Vierung? ) im Chorraum ist wie die Füße und Arme noch nicht überdacht, dies wird aber vollendet. Antwerpen hat unter anderem auch ein sehr schönes und sehr großes Kloster, zum heiligen Michael genannt, in dem Mönche des Prämonstratenserordens sind. Sie haben eine sehr schöne Kirche, die Abtei ist sehr reich 100 , denn es werden dem Abt jährlich gut zehntausend Goldmünzen gezinst. Es ist ein Kloster mit unzähligen Gärten, Sälen, Feldern, dass man sich wundert. Sie singen die Horen sehr zuverlässig. Nachdem wir Antwerpen nach dem Essen verlassen hatten, betraten wir vor den Mauern die schöne Kartause 101 , die vor 160 Jahren ein gewisser Deutscher, Heinrich aus Ellwangen bei Nördlingen 102 , gründete. Sie haben dort schöne Gärten. Der Pater Prior gilt als heilig 103 und ist ein gläubiger und frommer Mann, der den Pater Prior in Nürnberg 104 bestens kannte und diesen (bei seiner Weihe) mit dem Zingulum umgürtete. Wir stärkten uns also bei ihnen, dann verließen wir sie und kamen nach einer halben Meile zu einem Haus und Lustschloss, das dem Abt von Sankt Michael gehörte, der Bersot 105 genannt wird. Dort sahen wir ein schönes quadratisches Haus von einem Wassergraben umgeben, ebenso wunderschöne Zimmer, sogar eine Orgel, die mit einem Register die Luftzufuhr sicherstellt 106 . Außerdem gibt es ein sehr schönes Eichenholzkreuz mit mehreren Bildern der (drei) Marien beim Kreuzespfahl und vieles andere mehr. Der Garten ist ebenso von unvergleichlicher Schönheit, fast wie ein Labyrinth 107 , mit vielen konzentrischen Umwegen, sogar oft aus dornigen Hecken geformt, ähnlich wie wir Zäune in Gärten Spaniens sahen. Es gibt wirklich viel Schmuck, und ich kann nicht alles einzeln aufführen. 99 Die Sänger waren seit 1421 im Chorhaus hinter der Kirche untergebracht. 100 Prämonstratenserabtei Sint-Michiels (St. Michael). Erbaut am Ort der ursprünglichen Pfarrkirche Antwerpens, wurde sie 1124 der Regel Norberts von Xanten unterstellt (1789 aufgelöst, 1831 vollständig abgebrochen). 101 Kartause Sinte-Catherina (St. Katharina). Gegründet um 1320/ 24 außerhalb der Stadtmauern Antwerpens im sogenannten Kieler Viertel, wurde sie 1544 nach Lierre verlegt. 102 Der sonst nicht belegte Heinrich Heltewagen/ Hellewagen (†-1334), deutscher Händler (aus Ellwangen bei Nördlingen) gehörte zu den Gründern der Kartause und vermachte ihr eine große Summe Geldes für die Errichtung der Kirche, vgl. Berlière, Monasticon 8,2 S.-682. 103 Heinrich (van) Duyvelant (um 1480-1497) war Prior der Kartause Sinte-Catharina. 104 Georg Pirckheimer (†-1505), seit 1477 Prior der Nürnberger Kartause, Verwandter des Humanisten Willibald Pirckheimer (†-1530), vgl. Reimann, Pirckheimer S.-43-44 und 182-196; siehe auch S. 217. 105 Château de Beerschot, Landhaus des Abtes von Sint-Michiels nahe der Kartause Sinte-Catherina. 106 Der lateinische Text läßt offen, ob es sich um eine Orgel oder nur einen „Belüftungsapparat“ handelt. 107 Eine Zeichnung dieses “Labyrinths” findet sich auf einem unteren Teil der Handschrift, siehe Abb. 8. <?page no="263"?> Abb. 8: Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 431, fol. 265v Wie Münzer den Irrgarten in der Kartause Sinte-Catherina bei Antwerpen wahrnahm, kann diese Zeichnung kaum wiedergeben. Eingeschrieben findet sich nur ortus (Garten). <?page no="264"?> 264 X. Von Brügge bis Nürnberg Über Mecheln Am 30. März verließen wir Antwerpen durch Gärten, Wiesen und weitere Felder und gelangten durch eine Art Meerenge nach Mecheln, einer großartigen Stadt Flanderns. Ich stieg auf den Turm der Hauptkirche 108 und betrachtete die Stadt selbst, die gleichsam rund angelegt und mit Mauern, Vormauern, Gräben und stärksten Befestigungen gesichert war. Die sehr bekannte und berühmte Hauptkirche ist mit vielen wertvollen Kultgegenständen ausgestattet. Es gibt weiterhin zahlreiche Klöster und Schatzkammern. Ein schiffbarer Fluss (Dijle) zieht mitten durch die Stadt, je nach Flut oder Ebbe des Meeres steigt oder fällt (der Wasserstand). Schmucke Plätze, weitläufige Paläste und ein für seine Sittsamkeit berühmtes Volk begegneten uns. Sie leben von wechselseitigem Handel und vor allem von den feinen Tuchen aus Leinen und Wolle 109 . Den Männern eignet eine strenge Würde, die Frauen sind grazil gebaut und anmutig, sie üben sich in Zurückhaltung, aber auch in großer Gastfreundschaft. Unter anderem befindet sich außerhalb der Mauern ein großes Schloss, das mit einer Mauer bewehrt ist, in dem eine bekannte Gemeinschaft lebt, die sie „Beginen“ 110 nennen. Die Schwestern sind, wie ich sage, Jungfrauen und Witwen, die noch zahlreicher waren, als Flandern in Blüte stand und Frieden herrschte. Es waren etwa eintausend und zuweilen bis fünfzehnhundert an der Zahl. Sie leben aber von weiblichen Tätigkeiten, vom Weben der Tuche aus Leinen und Wolle sowie von anderen Aufgaben der Frauen. Sie besitzen sehr viele Häuser, eine große und schmuckvolle Kirche, und sie leben nach ihren Regeln in ehrenvoller und frommer weiblicher Weise. Wenn es aber irgendeiner von ihnen gefällt, kann sie die Ordenstracht ablegen und jener Regel entsagen, ihren Status ändern und heiraten. Sie leben sehr keusch und fromm, sind den Kranken verpflichtet und haben keinen schlechten Ruf 111 . In jenen Tagen fanden wir dort die Königin unseres unbesiegten Königs Maximilian, die aus der Familie der Grafen von Mailand stammt 112 , ebenso wie den Erzherzog Philipp 113 und dessen Schwester Margarete 114 , die leiblichen Kinder des genannten Königs und Marias, einer Tochter des großen Herzogs von Burgund 115 . Wir sahen sie aber selbst in einem großen 108 Sint-Rombout (St. Rumold/ Romuald). Der gotische Kirchenbau entstand in mehreren Phasen seit dem 13. Jh., die Bauarbeiten am massiven 94 Meter hohen Westturm begannen 1452 und wurden 1520 vorzeitig eingestellt. 109 Mecheln als Handelszentrum zeichnete sich durch die Lage an den Flüssen Zenne und Dijle aus. Bedeutendster Wirtschaftszweig war die Wollindustrie. Im Laufe des 15. Jh. spezialisierte sich die Tuchindustrie Mechelns auf Luxusprodukte. 110 In Mecheln existierten zwei Beginenhöfe, der Groot Begijnhof (gegründet um 1245) sowie der Klein Begijnhof (seit 1259), vgl. Simons, Cities S.-289 f. N. 72A und 72B. 111 Die Beginengemeinschaften, die während des 12. Jh. im heutigen Belgien entstanden, schlossen sich keiner der bestehenden Ordensregeln an. Die Frauen lebten zurückgezogen von ihrem eigenen Vermögen, oder sie mussten ihren Lebensunterhalt mit Krankenpflege oder Handarbeiten selbst verdienen. Da sie nur ein Gelübde auf Zeit ablegten, konnten sie die Gemeinschaft jederzeit verlassen. Zu einem Beginenhof gehörten eine Kirche mit einem Priester, ein oder mehrere Häuser, Eremitagen und ein Spital. Einer der größten Beginenhöfe Flanderns lag vor dem Brügger Tor in Gent. Vgl. Grundmann, Bewegungen S.-319-354, zu den Niederlanden und Belgien vgl. Simons, Cities. 112 Bianca Maria Sforza von Mailand (†-1510), zweite Gemahlin Maximilians I. (†-1519). 113 Philipp der Schöne, Regent der Niederlande (1494-1506). 114 Margarete von Österreich (†-1530), Regentin der Niederlande, Herzogin von Savoyen. 115 Herzogin Maria von Burgund (†-1482), Tochter Karls des Kühnen, Herzog von Burgund (1467-1477). <?page no="265"?> Über Mecheln 265 königlichen Saal, als sie aßen und sich gegenseitig unterhielten und die sie Umgebenden vollständig schwiegen. Am nächsten Tag verließen wir Mecheln, durchquerten eine wegen der Diebe und kriegerischen Söldner gefahrvolle Gegend, aber mit einem erfahrenen und für kleine Schleichwege ausgewiesenen Lotsen kamen wir nach Diest, einem edlen Ort mit einer Zitadelle, und sodann schließlich nach Maastricht, einer hervorragenden Stadt. Maastricht, ist wie ich sage, eine sehr bekannte Stadt, die von der Maas, dem vielgerühmten und schiffbaren Fluss Lothringens durchquert wird, über den man in drei Tagesreisen zur Nordsee kommt und der den Einwohnern viele Annehmlichkeiten bietet. Dort stehen hervorragende Gebäude und bekannte Kirchen sowie viele Klöster. Der berühmte Konvent der Deutschordensritter 116 befindet sich ebenso dort wie unter anderen Gebäuden die Kollegiatkirche, die dem heiligen Bischof Servatius geweiht ist 117 samt der angefügten wunderschönen Kapelle, die König Ludwig (XI.) von Frankreich dort vor einigen Jahren auf seine Kosten errichten ließ 118 . Die Gemeinschaft der Kleriker ist groß, das Volk nüchtern, findig und den Sitten Flanderns sehr ähnlich. Um nicht zu lang zu werden, lasse ich vieles weg. Über Lüttich, die reiche und bekannte Stadt Am 2. April verließen wir Maastricht bei Sonnenaufgang und gelangten über das Flusstal aufwärts zu einer sehr alten Stadt. Wie hervorragend und bewundernswert dieser Ort ist! Die Stadt ist in der Gallia Belgica sehr berühmt. Der wohlbekannte Fluss Maas teilt sie fast genau in der Mitte in zwei Teile und fließt auch entlang mehrerer Straßen, aber es gibt eine hervorragende Brücke 119 mit steinernen Bögen. Die Gemeinschaft des Klerus beider Arten (reguliert und säkular) ist sehr groß; dort sind sind mehr als 12 Abteien und Kollegiatkirchen. Die größte Kirche ist aus gehauenen Steinquadern kunstvoll erbaut und dem heiligen Bischof Lambert 120 geweiht 121 . In ihr findet man ferner die Monumente vieler Kardinäle. Einstmals war die Stadt sehr reich. Aber die Stadtbevölkerung ist sehr rebellisch und unmenschlich. Im Vertrauen auf ihre Kräfte wurde viel gegen den Bischof und den gesamten Klerus unternommen und sogar ebenso gegen alle umliegenden Nachbarn. Deshalb zerstörte Herzog Karl von Burgund 122 vor 116 Deutschordenskommende Pitzenburg (gegründet 1190). 117 Sint-Servaaskerk (Basilika St. Servatius), errichtet über dem Grab des heiligen Servatius (†-384), erster Bischof von Tongern, der um die Mitte des 4. Jh. die Verlegung des Bischofssitzes nach Maastricht veranlaßt haben soll. Das Heiligengrab war bedeutendes Pilgerziel. Um 1232 wurde das Sint-Servaas Chorherrenstift gegründet. 1160 wurde mit dem Westbau der Kirche begonnen, der im 15. Jh. mit einem Kranz von Kapellen umgeben wurde. 118 Sogenannte Königskapelle (Koningskapel), gestiftet 1463 von König Ludwig XI. von Frankreich (1423- 1483). Die architektonische Gestalt der ursprünglich an das nördliche Seitenschiff anschließenden, 1806 bis auf wenige Überreste abgebrochenen Kapelle ist in einer zeitgenössischen Darstellung des 15. Jh. überliefert, vgl. Mekking, Sint-Servaaskerk S.-147 f. 119 Wohl der unter dem Episkopat des Reginard (1025-1038) erbaute Pont des Arches. Die siebenbögige Steinbrücke verband das Zentrum Lüttichs mit dem Quartier d’Outremeuse. 120 Lambert (†-um 705), Heiliger, Bischof von Maastricht und Patron von Lüttich. 121 Kathedrale Saint-Lambert. Die erste unter Bischof Notker (972-1008) errichtete, durch Brand 1185 stark beschädigte Kirche wurde bis Ende des 13. Jh. wiederaufgebaut. Erneut schwer beschädigt durch die Plünderungen 1468 unter Karl dem Kühnen (†-1477) wurde der Bau 1794 endgültig zerstört. 122 Karl der Kühne, Herzog von Burgund (1467-1477). <?page no="266"?> 266 X. Von Brügge bis Nürnberg über vierzig Jahren mit Hilfe König Ludwigs (XI.) von Frankreich und des Bischofs von Lüttich 123 fast die gesamte Stadt, ließ die Befestigungen und Mauern einreißen 124 . So sehr wütete er gegen Bürger und Laien, dass er ohne Erbarmen diese teilweise enthauptete und mit dem Schwert tötete, andere in die Flüsse werfen ließ, wieder andere enteignete und mit Frauen und Kindern ins Exil schickte und so fast die gesamte Stadt ruinierte. Die Sakralbauten und die Häuser des Klerus ließ er verriegeln. Er entzog dem Senatorenstand jegliche Rechtmäßigkeit, raubte im gleichen Zug dessen Embleme und nahm ihm hiermit die alte Ehrwürde. Oh, wieviel Elend und schreckliche Todesbilder 125 waren damals dort gegenwärtig! Land und Landschaft sind dort sehr fruchtbar. Im Süden liegt ein sehr hoher Berg 126 , der Wein und Früchte im Übermaß hervorbringt, so dass er jährlich genügend vor allem roten Weines liefert 127 . Der Boden ist dermaßen gut, dass wenn der Halm sich zur Ähre erhebt, dieser die Höhe eines Reiters erreicht. Immer wenn der Boden durch die vielen Ähren und die Trockenheit ausgelaugt ist, graben die Bauern Löcher in die Äcker, holen fruchtbaren Boden aus Gräben und verteilen diese üppige Erde auf den ganzen Äckern. So düngen sie den Boden und machen ihn fruchtbar, so dass er in den folgenden Jahren nicht weniger reiche und volle Ähren hervorbringt. Wie groß diese Gabe der Natur ist! Es gibt in Lüttich Kohleminen, aus denen sie so viele schuppenartige Steine, die früher brannten und die nun zu Steinkohle wurden, fördern, dass dies für die ganzen Lande um Lüttich, Maastricht und für die umliegenden Orte als Brennstoff genügt, was für sie sehr angenehm ist 128 . Auch die Apfelgärten und andere zuträgliche Dinge sind in reicher Zahl vorhanden. In den großen Wäldern findet man Eichen und anderes Gehölz, sie sind hervorragend zur Jagd geeignet. Im Osten erheben sich am Flussufer hohe Berge, aus denen harte Steinquader für die Fundamente und Ecksteine in so großer Menge wie in Nürnberg gewonnen werden. Am westlichen Ufer gibt es weitere Berge mit weicherem Gestein, aus denen sie mit einer Eisensäge Steinquader schneiden, die sie für den oberen Abschluß der Mauern nutzen, dieser Stein wird mit der Zeit hart 129 . Während meiner gesamten Reise sah ich keinen Ort, der mit so vielen Annehmlichkeiten des Landes, Flüssen und anderen Vorteilen ausgestattet ist. 123 Ludwig von Bourbon, Bischof von Lüttich (1456-1482). 124 Schon im 14. Jh. gab es in Lüttich Auseinandersetzungen zwischen dem bischöflichen Stadt- und Landesherrn und seinen Untertanen. Seit Anfang des 15. Jh. griffen die nach territorialer Expansion strebenden burgundischen Herzöge immer wieder auf Seiten der Bischöfe in die Konflikte ein. Münzer bezieht sich auf die nicht 40, sondern erst 30 Jahre zurückliegenden Maßnahmen Karls des Kühnen (†- 1477), der Lüttich nach wiederholten Aufständen der Städte des Lütticher Landes 1468 zerstören ließ und ins burgundische Territorium eingliederte. Nach dem Tod Karls des Kühnen 1477 stellten die Lütticher ihre Selbständigkeit wieder her. 125 Vgl. Publius Vergilius Maro, Aeneis (ed. Holzberg) Lib. 2 §369: plurima mortis imago. 126 Der Sart-Tilman, mit etwa 220- Metern die höchste Erhebung im Umland von Lüttich, vgl. Stiennon, Histoire S.-19. 127 Die Weinberge im Norden von Lüttich wurden zunächst von den Lütticher Klöstern und Stiften betrieben, im 13. bis 15. Jh. dann auch zunehmend durch Mitglieder des Stadtpatriziats. 128 Der Steinkohlebergbau Lüttichs, seit 1195 belegt, war bereits im 14. Jh. wichtigster Wirtschaftsfaktor der Stadt. 129 In den südlich von Lüttich gelegenen Steinbrüchen wird der sogenannte Petit Granit abgebaut, der gute Baueigenschaften besitzt. Daneben gibt es große Sandsteinvorkommen, die denen in der Region Nürnberg vergleichbar sind. <?page no="267"?> Über Lüttich, die reiche und bekannte Stadt 267 Wie mündlich und schriftlich bezeugt wird, soll Johannes von Mandeville 130 ein großer Reisender des Erdkreises gewesen sein. Nachdem dieser Mann den Orient und jeden Winkel auf der ganzen Welt gesehen hatte, kam er schließlich nach Lüttich, gewissermaßen Asylort für ein langes und anständig geführtes Leben in Freude 131 . Wenn jenes alte deutsche Sprichwort wahr ist, dass ein Ort immer angenehm und erfreulich ist, wenn der Klerus sich dort niederläßt, das heißt, wie Magdalena den besseren Teil erwählt 132 , dann wird das sicher in diesem Lüttich sein, das in rechtlichen Fragen der Religion ganz dem Klerus unterworfen ist. Entsprechend wird auch der allseits bekannte Rheinfluss, das Paradies Deutschlands, von zehn Bischöfen wie von Chur, Konstanz, Basel, Straßburg, Speyer, Worms, Mainz, Trier, Köln und Utrecht gesäumt, und dieser letzte Ort ist gleichsam ein Tor zum Meer der Cimbern. Darüberhinaus gibt es dort andere Würden, Klöster, Einsiedeleien, Abteien und Klerikergemeinschaften. Was sonst noch vorhanden ist, übergehe ich mit Schweigen, um den Leser nicht zu langweilen. Am 3. April verließen wir Lüttich, fuhren auf dem Fluss Maas 133 und gelangten durch fruchtbare Landschaften und bewaldete Hügel nach einem Tag zur vorzüglichen und vielgerühmten Stadt Aachen. Bekannt wurde diese Stadt durch die häufigen und ständigen Aufenthalte Karls des Großen, des erhabenen Kaisers und Sohnes Pippins. Dieser Karl, König Galliens und der deutschen Nation, allzeit Augustus, pflegte in Aachen immer wieder zu verweilen 134 . Der Ort lag in der Tat mitten im Grenzgebiet zwischen Gallia und Germania, wo die Fragen von Krieg und Frieden aller Königreiche geregelt werden konnten. Es gibt dort viele Thermen mit heißem Wasser, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Stadt bei einem Hügel mit dem Namen Burtscheid 135 . Es sind, wie ich meine, heilende Wasser, die einer Vielzahl von Kranken die Gesundheit zurückgaben; besonders Karl hatte große Freude daran 136 . Dort gibt es ebenso bewaldete Weiden, sumpfige Orte und auch mehrere Gebiete, in denen der Adel sich bei der Jagd erholt. Diese Stadt Aachen hat auch unter anderem ein Kollegiatstift 137 , von Karl edel und hervorragend gefördert; dort ruht der Leichnam Karls des Großen im 130 Johannes von Mandeville, Verfasser eines um 1356 in altfranzösischer Sprache abgefassten äußerst populären, teilweise fiktiven Reiseberichts, der eine Schilderung der Pilgerwege nach Jerusalem und in den Nahen Osten, weitere entfernte Gebiete und in das Reich des Priesters Johannes enthält. Vgl. grundlegend zu den verschiedenen Fassungen Deluz, Livre S.-25-37 und zur Verbreitung in Europa S.-271-291 sowie Seymour, John Mandeville S.-38-49. 131 Nach der Lütticher und der Vulgata-Version des Reiseberichts soll Johannes von Mandeville seine Erlebnisse in Lüttich niedergeschrieben haben, vgl. Seymour, John Mandeville S.-46. 132 Vgl. die Martha-Maria-Erzählung bei Luc. 10,42. 133 Die Flussfahrt kann höchstens einen Teil der Reise nach Aachen ausgemacht haben. 134 Zu den Aufenthalten Karls des Großen (†-814) in Aachen vgl. Einhard, Vita Karoli magni (ed. Holder-Egger) bes. Kap. 22 S.-27. 135 Die heißen Quellen im Stadtgebiet wurden wohl seit dem 2. Jh. n.-Chr. für Thermalbäder genutzt. 136 Die heißen Quellen gelten als ein wesentlicher Grund für die Aufenthalte Karls des Großen (†- 814) in Aachen während der Wintermonate, vgl. Falkenstein, Pfalz S.-150 f. 137 Aachener Marienkirche mit angeschlossenem Kanonikerstift, gestiftet durch Karl den Großen (†-814) im Zuge der Errichtung der Königspfalz seit 790/ 94. Die ursprüngliche Pfalzkapelle wurde im 13. Jh. aufgrund großer Pilgerströme u. a. durch den Anbau der Chorhalle erweitert; vgl. Müller u. a., Pfalz S.-143-152 zur Bauabfolge im 8./ 9. Jh. (mit Abb. auf S.-151) und S.-193-209 zur Funktion der Marienkirche. Zur Geschichte der Kirche im Spätmittelalter vgl. den Sammelband Müller/ Bayer/ Kerner, Marienkirche. <?page no="268"?> 268 X. Von Brügge bis Nürnberg Chor 138 zusammen mit vielen edlen Reliquien, die nicht jedes Jahr gewiesen werden 139 . Aber jedes siebente Jahr gibt es einen so großen Zulauf der Ungarn, Wandalen und Pannonier, dass du an ein römisches Jubeljahr denkst 140 . Die Beichtwilligen und Zerknirschten 141 bringen Gold herbei und gehen mit leerer Börse wieder nach Hause. Über den Aufbruch aus Aachen in Richtung Köln Am 3. April verließen wir Aachen und kamen durch das Herzogtum Jülich und die Stadt Düren nach neun Meilen zur Stadt Köln. Köln wurde, wie ich sage, vom römischen Feldherrn Agrippa ausgezeichnet 142 , liegt an den Ufern des Rheinflusses und ist das Aushängeschild unter den niederdeutschen Städten. Ich bestieg einen recht großen Turm und ging dann zu einem Dachvorsprung über dem Hochchor, dessen Lage ich in Augenschein nahm. Die Stadt ist sehr groß, liegt in einer sehr schönen Bucht in der Form eines Halbkreises, dessen Diameter der Rhein ist, der auf beiden Uferseiten eingepresst wird, so dass er, wie ich sage, in einem engen Bett fließt. Er ist schiffbar und bietet durch Seeschiffe und Fischreichtum der ganzen Stadt bestmögliche Versorgung. Es gab einstmals eine sehr große Brücke 143 , deren Spuren und Fundamente man noch heute sieht, sie führte von der Stadt auf die andere Rheinseite zu den Sachsen und Westfalen, mit denen früher die Römer, später Karl der Große, Kriege führten. Dieser bekehrte die Götzenverehrer zur Befolgung der katholischen Religion und gab ihnen Gesetze, die auf Kapitel (Kapitularien) und Sätze reduziert wurden und die heute Spiegel Karls des Großen genannt werden 144 . Diesen Satzungen folgen heute Sachsen, Thulinger, Westfalen, Bewohner von Meißen, Thüringer und andere Völker. Neben verschiedenen Kollegiatkirchen und Abteien bestehen zahlreiche Klöster. 138 Die Reliquien Karls des Großen (†-814) ruhten im Karlsschrein im Chor des Münsters, der bald nach der Erhebung der Gebeine und der Kanonisation 1165 in Auftrag gegeben wurde und 1215 fertiggestellt war. 139 Die vier Aachener Hauptreliquien (Marienkleid, Windeln, Lendentuch Christi und Enthauptungstuch des heiligen Johannes), die im Marienschrein aufbewahrt waren, wurden nur im siebenjährigen Turnus bei der Aachener Heiltumsfahrt (erstmals sicher 1312 belegt) gezeigt, vgl. Wynands, Geschichte S.- 58-72; Herbers, Stadt S.-219-229 und Plötz, Aachenfahrt. 140 Zum Heiligen Jahr in Rom vgl. Herbers, Stadt S.-202-210 sowie Johrendt, Wege S.-86-101 mit weiterer Literatur. 141 Aachen war im Spätmittelalter bedeutendstes Pilgerziel nördlich der Alpen und wurde besonders stark von Ungarn, Böhmen, Mähren, Slowenen, Kroaten und Polen frequentiert. 142 Marcus Vipsanius Agrippa (†- 12 v.- Chr.), Freund und Feldherr des Kaisers Augustus (27 v.-14 n.- Chr.), Statthalter von Gallien, der 19/ 18 v.-Chr. die Ubier auf die linke Rheinseite umsiedelte, wo das spätere Köln entstand. Namensgeberin für Köln, ehemals Colonia Agrippinensis, war allerdings die von dort gebürtige Kaiserin Agrippina (†- 59 n.- Chr.), Ehefrau des Kaisers Claudius (54-68). Münzers Beschreibung Kölns weist Ähnlichkeiten mit den Laudes Coloniae des 15. Jh. auf, vgl. Böhmer, Henricus de Diessenhofen S.-463-470 (freundlicher Hinweis von Prof. Dr. Peter Orth, Köln). 143 Steinbrücke über den Rhein, errichtet zwischen 308 und 310 unter Kaiser Konstantin dem Großen als militärische Ausgangsbasis im Kampf gegen die rechtsrheinischen Germanenstämme. 144 Die Sachsenkriege Karls des Großen (†-814) dauerten mit Unterbrechungen von 772 bis 804. Die von ihm erlassene Capitulatio de partibus Saxoniae (782) bildete eine der Voraussetzungen für die Eingliederung Sachsens in das Frankenreich. Ergänzt wurde sie durch das Capitulare Saxonicum (797) und die Lex Saxonum, die Aufzeichnung des sächsischen Volksrechts (802). <?page no="269"?> Über den Aufbruch aus Aachen in Richtung Köln 269 Die höchste Kirche ist mit einem Erzbischofssitz geziert, der seligen Jungfrau geweiht und gut ausgestattet 145 . Im Inneren befindet sich ein Chor aus behauenem Stein mit sehr hohen Bögen und Wölbungen, was mit größtem Aufwand vollendet wurde. In der Kirche ruhen aber die Gebeine der drei heiligsten Könige, die von Jerusalem durch Konstantin den Großen 146 zunächst nach Konstantinopel gebracht und später nach Mailand überführt wurden 147 . Schließlich wurden sie von Kaiser Otto III. 148 auf Bitten des Kölner Bischofs Bruno 149 nach Köln übertragen 150 . Und jeden Tag werden im Beisein eines Kanonikers deren Häupter gezeigt. Das Hauptschiff der Kirche wurde mit hervorragenden und starken Säulen im Bau begonnen, ist aber noch nicht vollendet 151 . Über die Umgänglichkeit und Frömmigkeit der Bewohner Es gibt Kollegiatkirchen in großer Zahl, wie die des heiligen Andreas 152 oder des heiligen Pantaleon 153 , außerdem mehrere Abteien, verschiedene Einrichtungen der Bettelorden, 12 Klöster von Schwestern und Ordensfrauen, mehrere Pfarreien, alle sind zweckmäßig erbaut und würdevoll eingerichtet, dass sie der Frömmigkeit eines jeden dienen. Es gibt keine andere Stadt am Rheinfluss, die mit Köln verglichen werden könnte. Der damalige Erzbischof trug den Namen Hermann und war aus dem Haus der Landgrafen von Hessen und Thüringen 154 , ein sehr verehrungswürdiger Mann, äußerst kundig, Kriege zu führen und Frieden zu schließen, wie aus seinem Tatenbericht hervorgeht. Er ist einer der Kurfürsten, die den römischen Kaiser wählen 155 . Er widmet sich in den Gebetszeiten der Religion, sonst auch der Jagd und der Regierung seines gesamten Gebietes, oft weilt er außerhalb der 145 Dom Sankt Peter und Maria. Die Grundsteinlegung des spätmittelalterlichen Baus erfolgte am 15. August 1248 durch Erzbischof Konrad von Hochstaden (1239-1261); vgl. zu den verschiedenen Bauphasen Beuckers, Kölner Dom. 146 Kaiser Konstantin I. der Große (306-337). 147 Nach der in mehreren Fassungen überlieferten Vita Beati Eustorgii Confessoris hatte die heilige Helena (†- vermutl. 329), Mutter des römischen Kaisers Konstantin (306-337), die Gebeine von Jerusalem nach Konstantinopel bringen lassen, von wo sie Mitte des 4. Jh. durch Bischof Eustorgius (†-um 331/ vor 355) nach Mailand gelangten, vgl. auch zu den verschiedenen Fassungen der Vita Finger, Translation bes. S.-21-47. Zum Schrein mit den Gebeinen der Heiligen Drei Könige vgl. Lauer, Schrein. 148 Otto III., König (seit 983) und Kaiser (996-1002), siehe auch die folgenden Anmerkungen. 149 Gemeint sein kann nur Bruno I., Erzbischof von Köln (953-965) und Bruder Kaiser Ottos I. (962-973), der zu Lebzeiten Ottos III. (†-1002) freilich bereits verstorben war und auch nicht in den zeitlichen Zusammenhang der Translation gehört. 150 Münzer irrt hier. Tatsächlich übergab Friedrich I. Barbarossa (†- 1190) die Reliquien 1164 nach der endgültigen Eroberung Mailands dem Kölner Erzbischof Rainald von Dassel (1159-1167), der sie nach Köln überführte, vgl. Finger, Translation bes. S.-40-47. 151 Die zu Münzers Reisezeit noch laufenden Bauarbeiten wurden 1560 eingestellt und erst im 19. Jh. wieder aufgenommen. 152 Stiftskirche St. Andreas, erstmals belegt unter Erzbischof Bruno von Köln (953-965), der auch einen neuen Kirchenbau errichten ließ (Weihe 974). 153 Benediktinerabtei St. Pantaleon, gegründet um 957 vom Kölner Erzbischof Bruno (953-965). 154 Hermann IV. von Hessen, Erzbischof und Kurfürst von Köln (1480-1508). 155 Zum Kurfürstenkolleg im 15. Jh. vgl. unter anderem Erkens, Kurfürsten S.-1-4. <?page no="270"?> 270 X. Von Brügge bis Nürnberg Stadt in verschiedenen Schlössern 156 . Der gesamte Klerus lebt aber zusammen mit dem Bischof vom Besitz der Ländereien, Weinberge und Städte sowie von anderen Dingen, womit sie einen großen Teil der Stadt versorgen. Die dort auch bestehende Universität ist sehr bekannt 157 , vor allem wegen der theologischen Fakultät, in welcher der begnadete Bischof Albert der Große 158 hervorsticht, der dort im Predigerkloster beigesetzt ist 159 , usw. Die Bürger freilich, die es ohne Zahl gibt, leben vom wechselseitigen Handel, dank der Vorteile, die Rhein und Meer für den Handel bieten. Es gibt dort sehr reiche Händler, die aus allen Regionen zu Land und zu Wasser verschiedene Meeresgüter bringen, so Gewürze, Seide aus Venedig 160 , Tuch und Wolle aus England 161 , Fische verschiedenster Art aus Holland 162 sowie unterschiedliche Getreidearten und anderes, besonders Ochsen, Schafe oder Pferde aus Friesland 163 , sowie weitere Dinge. Die Handwerker verlangen nach den verschiedenen Waren, besonders nach Seide 164 und vielem anderen, was lange aufzuzählen wäre. Wollte man die verschiedenen Dinge in Köln nacheinander geordnet beschreiben, bedürften sie wahrhaftig eines je eigenen Kommentares. Die Männer sind höflich, von ehrbarem Aussehen, Würde mischt sich mit einer Güte der Sitten. Die Frauen sind schamhaft, in den Gliedmaßen gut gebaut, schön und grazil, ich glaube es gibt auch viele Liebesdienerinnen. Ganz Köln ist dennoch zu sehr auf den Erwerb von Gold und Silber ausgerichtet, man glaubt, dass jeder, der reicher wird auch glücklicher als die anderen sei, obwohl es dumm erscheint, dass man arm lebt, Ausgaben mäßigt und sich dem Geiz ergibt, um reich zu bleiben. Das möge genügen, um kurz zu bleiben. Am sechsten April verließen wir Köln, folgten dem Rheintal durch Weinberge, Äcker, Wiesen und Städte wie Bonn. Wir zogen an mehreren Burgen vorbei bis zur edlen Stadt Andernach, das zwischen Bergen und Steinbrüchen liegt, aus denen Steintafeln geholt werden, 156 Seit der Schlacht von Worringen 1288 residierten die Kölner Erzbischöfe nicht mehr in der Stadt, sondern in ihren Schlössern wie beispielsweise in Lechenich, Brühl und Poppelsdorf/ Bonn. 157 Universität zu Köln, gegründet 1388 auf der Grundlage der ab 1248 errichteten Generalstudien der Bettelorden. Die Mendikanten prägten die theologische Fakultät, vgl. Meuthen, Universität S.-150-152. 158 Albertus Magnus (†-1280), bedeutender Theologe der Hochscholastik und Bischof von Regensburg (1260- 1262), im 15. Jh. regional als Heiliger verehrt. Er war einer der maßgeblichen Professoren des neugegründeten Studium Generale in der Zeit von 1248 bis 1254 und von 1257 bis 1260, vgl. zu ihm und Thomas von Aquin auch die Passage zu Paris, oben S. 213. 159 Albertus Magnus wurde im Chor der Dominikanerkirche Heilig Kreuz beigesetzt. Seit der Zerstörung 1804 ruhen die Reliquien in St. Andreas in Köln, die Hirnschale befindet sich in dessen Geburtsort Lauingen. 160 Bereits seit Beginn des 14. Jh. lassen sich Handelsbeziehungen Kölner Kaufleute nach Venedig nachweisen, die teilweise auch über Flandern und den Seeweg verliefen. Importgüter waren vor allem orientalische Waren wie Aromata und Gewürze, aber auch venezianische Seide. 161 In England gehörte London zu den bedeutendsten Handelsplätzen der Kölner Kaufleute. Im 15. Jh. dominierten diese unter den hansischen Londonfahrern, ihr Anteil am Handel betrug zwischen 42-% und 85-%. Wichtigstes Handelsgut im 15. Jh. waren die englischen Tuche. 162 Die Einfuhr von Fischen erfolgte im 15. Jh. vor allem aus den Städten Nimwegen, Dordrecht und Rotterdam sowie dem Norden der Grafschaft Holland, wobei auch landwirtschaftliche Produkte wie Butter eine Rolle spielten. Die Kölner Kaufleute exportierten im Gegenzug vor allem Rheinwein. 163 In den niederdeutschen Raum hinein bestanden keine allzu intensiven Handelskontakte. 164 Der Bedarf an Seidenartikeln wurde zunächst durch Importe gedeckt, im 13. Jh. entstand ein eigenes Kölner Seidenverarbeitungsgewerbe. Die Seidenstickerinnen bearbeiteten hauptsächlich liturgische Gewänder, später entstand eine Wappenstickerei, die ritterliche Ausrüstungsgegenstände mit Kölner Borten bestickte. <?page no="271"?> Über die Umgänglichkeit und Frömmigkeit der Bewohner - Mittelrheintal 271 die sich eignen, um Dächer von Sakralgebäuden oder von Türmen zu bedecken 165 . Danach gelangten wir über eine große Ebene zu den Ufern des bekannten Flusses Mosel, sodann über eine hervorragende steinerne Bogenbrücke in die Stadt Koblenz. Diese Stadt ist gut befestigt im Winkel von Mosel und Rhein gelegen, sie wird Confluentia genannt, weil dort die Flüsse zusammenfließen 166 . Die Mosel kommt aber aus den Bergen Lotharingiens, fließt durch die sehr alte Stadt Metz, dann durch Trier und an anderen wichtigen Kastellen vorbei und wird hier vom Rhein aufgenommen. Nikolaus von Kues 167 stammte aus einer gewissen Moselstadt unterhalb von Trier und war einstmals Kardinalpriester; er liebte seine Stadt sehr und gründete dort verschiedene Einrichtungen für die Armen 168 . Nikolaus war, wie ich sage, ein Mann, der sowohl im Griechischen wie im Lateinischen sehr gelehrt war, der mehrere hervorstechende Werke schrieb, wie De docta ignorancia, De beryllo und Ydiota 169 und mehrere weitere, nun gedruckte Werke und Referenzmittel für alle Gelehrten, besonders Platoniker 170 . Nachdem wir Koblenz verlassen hatten, folgten wir den Ufern des Rheins aufwärts durch das sehr anmutige und fruchtbare Tal, und durchquerten Städte wie Oberwesel, Boppard, Bacharach, Bingen und andere befestigte Orte, um zu der berühmten und altehrwürdigen Stadt Mainz zu gelangen. Das Tal von Koblenz bis Mainz ist auffallend dicht mit Gutshöfen, Burgen und Städten auf beiden Ufern besiedelt, es ist so reich an Wein und anderen Früchten, dass man sich in einem Paradies wähnt. Die Distanz von Mainz bis Köln beträgt vier Tagesreisen. Wein gibt es in solchem Überfluss, dass man glaubt, das ganze nördliche Europa, ebenso Niederdeutschland, Sachsen, Hessen, Westfalen, die Cimbern und Brutenen mit Rebensaft versorgen zu können. Viel wäre über jenes sehr fruchtbare Tal zu schreiben. Mainz aber ist eine sehr alte Stadt, die am Ufer des Rheinflusses liegt, in den vom Osten her der bekannte Fluss Main fließt, der von Plinius 171 so bezeichnet wurde, unterhalb gibt es einen gewissen Fluss Scya, daher der Name Maguncia, weil zwischen Main und Scya gelegen. Einstmals war das eine Kolonie der Römer 172 , von Drusus 173 und anderen sehr geliebt, noch heute bestehen Spuren von dessen Bauwerken. 165 Seit der Antike war Andernach bedeutender Handelsplatz für den begehrten rheinischen Basalt und Tuffstein; letzterer wurde bis nach Skandinavien exportiert. Bekannt waren auch die in Andernach hergestellten Mühlsteine. Im späten Mittelalter war der Andernacher Hafen Umschlagplatz für Dachschiefer, der aus dem Nettetal bei Mayen stammte. 166 Die Benennung nach der Lage am Rhein-Mosel-Dreieck stammt aus römischer Zeit. 167 Nikolaus von Kues (†- 1464), geboren in Kues an der Mosel, Kardinalpriester von San Pietro in Vincoli (1448-1464) und Gelehrter. 168 Nikolaus von Kues (†-1464) stiftete in Kues das St. Nikolaus-Hospital (1458 fertiggestellt) für ursprünglich 33 bedürftige ledige Männer über 50 Jahre, das er 1464 auch als alleinigen Erben einsetzte, vgl. Marx, Geschichte, insbes. die Stiftungsurkunde S.-53-64. 169 De docta ignorantia (beendet 1440); De beryllo (1457) und Ydiota de vera sapientia (beendet 1449). 170 Münzer bezieht sich hier wohl auf die früheste Sammelausgabe der Werke Nikolaus’ von Kues (†-1464), gedruckt 1488 in zwei Bänden in Straßburg, vgl. Nikolaus von Kues, Werke 1 (ed. Wilpert) S. VIf. Zu den Schriften vgl. den Sammelband Kremer/ Reinhardt, Nikolaus von Kues. In Münzers Bücherbesitz ist diese Ausgabe heute nicht mehr nachweisbar. 171 Gaius Plinius Secundus (†- 79) geht in seiner Naturalis Historia (ed. König/ Winkler) Lib. IV § 100-101 auch auf Flüsse in Germanien ein, ohne den Main direkt zu nennen. 172 Mainz geht zurück auf ein Doppellegionslager am linken Rheinufer aus der Mitte des 2.-Jahrzehnts v.-Chr. Unter Kaiser Domitian (81-96) wurde Mainz Verwaltungsmetropole der Provinz Germania Superior. 173 Nero Claudius Drusus (†-9 v.-Chr.), Feldherr in Germanien. <?page no="272"?> 272 X. Von Brügge bis Nürnberg Innerhalb und außerhalb der Mauern gibt es viele Kollegiatkirchen wie Sankt Alban 174 , Sankt Viktor 175 , die schöne Kartause 176 am Rheinufer, mehrere Klöster und viele weitere Kirchen. Dort besteht ein Erzbistum, dem heute der bekannte Prälat und Herr Berthold aus der Familie der Grafen von Henneberg vorsteht, ein Mann, der sich, wie ich sage, auf Dinge von Krieg und Frieden bestens versteht, ein Wähler des römischen Kaisers und jemand, der ernsthaft die Zügel seiner Herrschaft führt 177 . Am neunten April verließen wir Mainz in der Frühe und gelangten über die bekannte Stadt Oppenheim zur alten Hauptstadt der Vangionen, die heute volkssprachlich Worms heißt 178 . Es war die Vigil von Palmsonntag 179 , und wir fanden den römischen König Maximilian 180 mit vielen Fürsten, Bischöfen, Prälaten, Rittern und den aus Reichsstädten Zusammengekommenen, die dort zur Beilegung der Streitigkeiten in Deutschland herbeigeströmt waren 181 . In der Früh wurde eine edle und ausgezeichnete Prozession mit Palmen und anderem veranstaltet, welcher der König mit allen Adeligen und dem herangekommenen Volk folgte; wir sahen eine sehr schöne Zeremonie. Wir wurden vom Herrn Johannes Talburg 182 , der damals dem Bischofssitz vorstand, einem Mann, der sowohl in der lateinischen wie der griechischen Sprache sehr gelehrt war, eingeladen und der mir, sozusagen jedwedes Gebiet nach Gutdünken beherrschend, viel über das Alter der Vanionen, über die Fruchtbarkeit des Bodens und über die Vorzüge des Ortes erzählte. Danach kehrten wir nach Hause zurück und bereiteten uns so schnell wie möglich auf den Weg vor, fuhren auf dem Rhein per Schiff nach Frankfurt 183 , dem ältesten Handelsplatz ganz Deutschlands. Frankfurt ist nämlich eine berühmte Reichsstadt, die am Ufer des Mainflusses liegt. Die dortige Scholle ist fruchtbar und bringt reichlich Getreide, Wein und andere notwendige Güter hervor. 174 Stift St. Alban vor Mainz. Die ursprüngliche karolingische Benediktinerabtei (gegründet im 8. Jh.) wurde 1419 in ein Kollegiatstift umgewandelt (1552 zerstört). 175 Das Stift St. Viktor vor Mainz wurde gegründet von Erzbischof Willigis von Mainz (975-1011) und 995 in Gegenwart Ottos III. (†-1002) geweiht. 176 Kartause St. Michaelsberg. Der Mainzer Erzbischof Peter von Aspelt (1306-1320) schenkte den Kartäusern ursprünglich 1320 einen Platz im Rheingau, bereits 1322 wurde das neue Kloster auf den Michaelsberg nahe dem Benediktinerkloster St. Alban vor Mainz verlegt. 177 Berthold von Henneberg, Erzbischof und Kurfürst von Mainz (1484-1504). Zum Kurfürstenkolleg siehe bereits oben zu Köln S. 269. 178 Zur Verbindung zw. Mainz, Oppenheim und Worms, die bereits von den Römern angelegt wurde, vgl. Heinzelmann, Straßen S.-20-22. 179 11. April 1495. 180 Maximilian I., römisch-deutscher König (1486/ 93-1519), ab 1508 erwählter Kaiser. 181 Der Wormser Reichstag, der vom 18. März bis zum 13. August 1495 tagte (ausgeschrieben für den 2. Februar, Eintreffen Maximilians [†-1519] am 18. März, erste Proposition 26. März), unternahm den letztlich gescheiterten Versuch einer umfassenden Reichsreform. Der von Maximilian verkündete Ewige Landfriede sollte durch das neu eingerichtete Reichskammergericht überwacht werden, vgl. Angermeier, Reichstag und Helm, Kaiser. Am Palmsonntag, 12. April 1495, wohnten König und Fürsten gemeinsam der Messe bei, vgl. Angermeier, Reichstagsakten 5,2 S.-1678. Zum möglichen Anlaß des Besuches Münzers im Zusammenhang mit der späteren „Doppelhochzeit“ vgl. Herbers, Humanismus S.-208 und S.-215-219. 182 Johann von Dalberg, Bischof von Worms (1482-1503), Kanzler der Universität Heidelberg (1481-1497), Humanist und Förderer humanistischer Studien, unterhielt auch Verbindungen mit Nürnberg. 183 Zur Rhein-Main-Schifffahrt nach Frankfurt im Spätmittelalter, die vor allem von Kaufleuten, aber auch von Pilgern genutzt wurde vgl. Fimpeler-Philippen, Schiffahrt S.-247-252. <?page no="273"?> Über die Umgänglichkeit und Frömmigkeit der Bewohner - Worms, Frankfurt und Würzburg 273 Regelmäßig werden dort zweimal jährlich große Messen abgehalten, dort treffen Niederdeutsche aus Flandern mit Leuten aus England, Westfalen, Köln, Sachsen, Polen, Böhmen, Italien, Gallien zusammen, und wie man sagen kann, aus fast ganz Europa; mit ihren Waren betreiben sie ausgedehnten Handel, und sie erreichen die Stadt auf dem Wasser- und dem Landweg 184 . Es gibt dort auch eine Kollegiatkirche 185 sowie mehrere Klöster; auf eine bemerkenswerte Weise ehrt man hier Gott. Es ist ein Volk, das sehr findig ist, um Güter zu erwerben. Am 12. April verließen wir Frankfurt nach dem Essen und gelangten am Mainufer entlang zur edlen Stadt Aschaffenburg, wie ich meine, eine Kleinstadt, die sich durch eine bemerkenswerte Burg auszeichnet 186 . Mit ihren beeindruckenden und kostspieligen Bauten ist sie an der Flanke eines Berges angelegt. Dort steht auch eine reiche Kollegiatkirche 187 , an der hochgebildete Männer wirken. Unterhalb der Stadt befindet sich eine sehr bekannte Mühle 188 , mit derart ausgetüftelten Rädern, die sich sowohl in der Höhe wie in der Breite auf und ab bewegen lassen. Dieser Anblick ist phantastisch. Am nächsten Tag kamen wir durch den edlen Ort Seligenstadt mit der vornehmen Abtei des Benediktinerordens 189 und danach durch die Städte Miltenberg und Bischofsheim zu einer ehrwürdigen Stadt Ostfrankens, Würzburg. Es war die Zeit der Ostervigilien 190 . Ich wurde vom Herrn Bischof Rudolf (II.) aus der Familie der Forcipiferi, in der Volkssprache Scherenberg 191 , zum Ostermahl geladen, mit seinem Kanzler 192 , einem Mann, der in beiden Rechten sehr gelehrt war. Ich stieg den sehr hohen Berg der seligen Jungfrau (Marienberg) 193 hinan, wurde sehr freundlich behandelt, und wir verbrachten 6 volle Stunden im wechselseitigen Gespräch. Er erzählte mir seine Erlebnisse von Kindheit an, wie er in der Jugendzeit in Rom und an anderen Orten unter Armut gelitten habe 194 und wie er zum Bischofsamt gekommen sei. Und wie sehr, nachdem er zum Bischof geweiht worden war, deutlich wurde, wie es dem ganzen Bistum an Mitteln gebrach und dies fast völlig zerstört gewesen sei, und wie er nun im 28.-Jahr das heruntergekommene und durch Todesfälle geschädigte Bistum durch fremde 184 Die jährlichen Frankfurter Handelsmessen, die jeweils im Frühjahr und Sommer stattfanden, erlangten bereits im frühen 14. Jh. europaweite Bedeutung. 185 Stiftskirche St. Bartholomäus (Dom), gegründet 852 durch König Ludwig II. den Deutschen (843-876) am Ort einer älteren Pfalzkapelle. Die ab dem 13. Jh. gotisch neu errichtete Kirche war Wahlort der deutschen Könige. 186 Die mittelalterliche erzbischöfliche Burg auf dem Schlossberg wurde wohl 1122 unter Erzbischof Adalbert-I. von Mainz (1109-1137) im Rahmen der Erneuerung der Stadtbefestigung errichtet (1552 zerstört). 187 Kollegiatstift St. Peter und Alexander, gegründet von Herzog Liudolf von Schwaben (950-954) und seiner Gemahlin Ita (†-986) am Ort eines Grabheiligtums der Königin Liutgard (876-882), Gemahlin König Ludwigs III. (876-882), und deren Tochter. 188 Die Walkmühle südöstlich der Alten Burg am Main. 189 Benediktinerabtei Seligenstadt. Die Gründung geht auf Einhard (†-um 840) zurück, der um 830 mit Förderung Ludwigs des Frommen (†-840) und Ludwigs II. des Deutschen (†-876) eine Basilika über den von ihm 828 aus Rom überführten Reliquien der Märtyrer Marcellinus und Petrus errichten ließ. 190 Die Ostervigil fiel 1495 auf den 18. April. Diese Angabe fügt sich nicht in die vor und nach dem Würzburger Aufenthalt angegebenen Tagesdaten. 191 Rudolf II. von Scherenberg, Bischof von Würzburg (1466-1495). 192 Johannes von Allendorf, bischöflicher Kanzler (1470-1496). 193 Die dortige bischöfliche Residenz wurde im Auftrag des Bischofs Konrad von Querfurt (1198-1202) erbaut. 194 Die Erinnerungen Bischof Rudolfs II. (1466-1495) zu seinen Wanderungen und Reisen, die ihn bis nach Rom führten, scheinen nur durch Münzer überliefert worden zu sein, vgl. Schubert, Rudolf von Scherenberg S.-134. <?page no="274"?> 274 X. Von Brügge bis Nürnberg Mittel befreit habe. Er erzählte noch mehrere andere Dinge, die ich der Kürze halber weglasse 195 . Er war damals ein ehrwürdiger Mensch, bestens gepflegt im Alter von 94 Jahren, verehrenswert ergraut und in greisenhafter Würde. Er litt an einem Blasenleiden, was ihm dann den Tod brachte. Er starb nämlich am 24. Tag nach meiner Abreise 196 und nach Anatomie und Untersuchung ist in der Blase ein Stein von fast 8 Unzen gefunden wurden, der ihn zu Lebzeiten fast 30 Jahre plagte 197 . Durch jene angenehme Unterhaltung aber gestärkt, sagte ich dem ehrwürdigen Vater und seinem zugehörigen Kanzler 198 , dem Herrn Kämmerer Georg 199 , Lebewohl. Ich habe die edelste Baukunst dieser Festung besichtigt, die mit Wein gefüllten Keller und die Vorratsräume, Speicher und die sehr reichen Vorräte aller täglichen und häuslichen Dinge bewundert. Ich stieg zu einer gewissen Hütte, die mit grüner Farbe bemalt war, und betrachtete aufmerksam die Lage und vieles andere. Die Stadt Würzburg liegt in einer schönen Ebene zwischen zwei Bergen und entlang der Mauern fließt der schiffbare Fluss Main, den eine sehenswerte steinerne Brücke mit Bögen überspannt, die aber noch nicht ganz vollendet ist 200 . Es gibt inner- und außerhalb der Mauern ziemlich viele Kollegiatkirchen 201 , ebenso Klöster und Abteien, eine Kartause 202 und einen großen Klerikerkonvent. Die Kathedral- und Bischofskirche 203 ist zur Ehre des heiligen Kilian geweiht, seinerzeit Dux der Franken, wobei er sich später für das monastische Leben entschied und bald dem Bischofssitz vorstand 204 . Dort sind viele Kanoniker, die nur aus dem Adel erwählt werden, außerdem gibt es viele Vikare und zahlreiche andere Würdenträger. Sie leben von Pfründen und Besitzungen, von denen sie mehrere haben, denn das Land ist fruchtbar, sowohl Berge und Ebenen sind mit so viel Wein bepflanzt, dass man es kaum erzählen kann. Das Volk ist aber ziemlich gesittet wegen des dauernden Umgangs mit dem Klerus. Sie leben von ihrer Hände Arbeit in Weinbergen und auf Feldern, teilweise auch von Handwerk und Handel. In der Tat bieten Fruchtbarkeit an Getreide, Wein und weiteren 195 Bischof Rudolf II. von Scherenberg (1466-1495) gelang während seines 28jährigen Episkopats die finanzielle Sanierung seines hochverschuldeten Bistums, worauf auch seine Grabinschrift verweist, vgl. Schubert, Rudolf von Scherenberg S.-138 f. 196 Bischof Rudolf II. von Scherenberg (1466-1495) starb nach anderer Überlieferung am 29. April 1495, vgl. Wendehorst, Bistum Würzburg 4 S.-48. 197 Aufgrund großer Schmerzen ordnete Bischof Rudolf II. von Scherenberg (1466-1495) eine Sezierung seines Körpers nach dem Tod an, bei der schließlich ein Blasenstein diagnostiziert wurde, der etwa ein Pfund gewogen haben soll, vgl. Schubert, Rudolf von Scherenberg S.-156. 198 Johannes von Allendorf, bischöflicher Kanzler (1470-1496). 199 Jorg Besinger, Chorherr im Stift Neumünster und 1492 als bischöflicher Kammermeister erwähnt, vgl. Zeissner, Rudolf II. von Scherenberg S.-94. 200 Mit dem Bau der ersten steinernen Brücke über den Main wurde 1130 unter dem Episkopat des Embricho (1127-1146) begonnen. Aufgrund großer Schäden veranlaßte Bischof Rudolf II. von Scherenberg (1466- 1495) 1476 einen Neubau. 201 Säkularkanonikerstifte St. Johannis in Haug (gegründet um 1000), Neumünster (gegründet 1057) und St. Burkard (1464 aus einer Benediktinerabtei hervorgegangen). 202 Kartause Engelgarten, gegründet am 13. Mai 1352. 203 Dom St. Kilian. Gegründet im 8. Jh. (ursprünglich Salvator- Patrozinium) erfolgte der Bau wesentlich während des Episkopats Brunos (†-1045). 204 Kilian (†-um 689), irischer Missionar und „Apostel Frankens“ war weder „mainfränkischer“ Herzog noch Würzburger Bischof, vgl. Sprandel, Kilian S.-5-17. <?page no="275"?> Über die Umgänglichkeit und Frömmigkeit der Bewohner - von Würzburg bis Nürnberg 275 Früchten ausreichend Lebensmittel, nicht nur für die Bevölkerung selbst, sondern auch für ihre Nachbarn 205 . Ich glaube weder in Italien noch in Spanien gibt es ein so reiches Herzogtum und ein so vermögendes Bistum. Der Bischof nutzt nämlich die Gewalt beider Schwerter: Der Herzog der Franken ist zugleich der Bischof von Würzburg 206 . Ich lasse vieles andere aus Gründen der Kürze weg. Am 14. April verließen wir Würzburg an den Ufern des Mains entlang und gelangten durch edle und sehr reiche Höfe und Schlösser zur Stadt Ochsenfurt mit einem sehr berühmten Kolleg 207 , später zur Stadt Kitzingen an den Ufern des Mains mit einer Holzbrücke und seinem Kloster mit hervorragenden Nonnen 208 . Sodann hielten wir auf Neustadt (an der Aisch), einer Stadt Friedrichs, des Markgrafen von Brandenburg 209 , wo sich dessen Mutter 210 , die alte Markgräfin, nach dem Tod des Markgrafen Albert 211 in einem Schloss 212 als Witwe aufhielt. Dieses Land ist freilich wie das ganze Tal des Mainflusses mit den umliegenden Schlössern reich an Wein, Getreide und anderem, es ist eine liebliche Gegend, ähnlich wie das Rheintal von Mainz bis nach Köln. Am 15. April verließen wir Neustadt und kamen durch üppiges Land mit viel Getreide schließlich nach Nürnberg, unserem ersehnten Hafen und ans Ende unserer Reise. Ich befand mich, wie gesagt, in bester Gesundheit und fand sowohl meine Frau 213 wie meine einzige Tochter 214 und die gesamte Familie wohlauf. Deshalb sei der dreifaltige und einige Gott gepriesen, der den Lauf der ganzen Welt regiert. Amen. Das Itinerarium oder die (Pilger-)Reise des sehr genauen Doktors der Medizin Hieronymus Münzer, die durch Spanien, Frankreich und Ober- und Niederdeutschland mit der Beschreibung der Orte, Städte und Schlössern führte, endet hier glücklich. Gott -sei gelobt! 205 Der Weinanbau um Würzburg, der vor allem von Stiften und Klöstern betrieben wurde, ist seit 779 belegt. 206 Würzburg beanspruchte insbesondere gegenüber Bamberg die Rechtsnachfolge des frühmittelalterlichen ostfränkischen Herzogtums. Seit 1446 führten die Würzburger Bischöfe auch den Titel eines Herzogs von Franken. 207 Das Kartäuserkloster Tückelhausen (südwestlich von Ochsenfurt) wurde ursprünglich gegründet als Prämonstratenserstift in den 1130er Jahren und Mitte des 14. Jh. an die Kartäuser übergeben. 208 Das Frauenkloster Kitzingen wurde wohl im 8. Jh. als Eigenkloster durch die Mattonen gegründet und durch Brand 1484 größtenteils zerstört. 209 Friedrich V. d. Ä., Markgraf von Brandenburg-Ansbach (1486-1515) und Brandenburg-Kulmbach (1495- 1515, †-1536). 210 Anna von Sachsen (†- 1512), zweite Gemahlin des Albrecht Achilles und Mutter von Friedrich d. Ä. (†-1536). 211 Albrecht Achilles, Markgraf von Ansbach und Kulmbach, Kurfürst von Brandenburg (1470-1486). 212 Festung Neustadt, Witwensitz der Anna von Sachsen. 213 Dorothea Kiefhaber (†-1505), Tochter des Nürnberger Kaufmanns Ulrich Kiefhaber, verheiratet mit Hieronymus Münzer seit 3. Juli 1480, siehe die Einleitung S. 11. 214 Dorothea Münzer (†- 1539), ab 1499 verheiratet mit dem Ratsherrn Hieronymus Holzschuher (†- 1529), siehe die Einleitung S. 12. <?page no="277"?> Abkürzungen Bf. Bischof bibl. biblisch DHGE Dictionnaire d’histoire et de géographie écclésiastiques Ebf. Erzbischof EI Enzyklopaedie des Islams/ Encyclopaedia of Islam Gf. Graf Hl. Heiliger Hzg. Herzog Jh. Jahrhundert K. Kirche Kg. König Kl. Kloster Ks. Kaiser L. Land, Landschaft Lat. Lateinisch LexMA Lexikon des Mittelalters LThK Lexikon für Theologie und Kirche MGH Monumenta Germaniae Historica Mkgf. Markgraf P. Papst u. a. unter anderem Vizegf. Vizegraf <?page no="279"?> Quellen und Literatur Das Verzeichnis erfasst die gekürzt zitierten Quellen sowie die Literatur. Die jeweils verwendeten Kurztitel sind in eckigen Klammern dem Titel vorangestellt. Antike klassiche Autoren werden unter ihren Gentilnamen eingeordnet, mittelalterliche Autoren bis ca. 1500 unter ihrem Vornamen. Editionen sind den Kurztiteln entsprechend zuweilen unter dem Namen des Editors eingeordnet. Zugrundegelegte lateinische Edition: Hieronymus Münzer: [Münzer, Itinerarium, ed. Herbers], Itinerarium, hg. von Klaus Herbers unter Mitarbeit von Wiebke Deimann, René Hurtienne, Sofia Meyer, Miriam Montag, Lisa Walleit. Mit einem Beitrag von Tina B. 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Gürtler) .......................................................................................... 16 Abildungen Alle Abbildungen stammen aus Clm 431 © Bayerische Staatsbibliothek München: fol. 173r ............................................................................................................................................... 20 fol. 96r ................................................................................................................................................ 26 fol. 97r ................................................................................................................................................. 27 fol. 110v .............................................................................................................................................. 43 fol. 131v .............................................................................................................................................. 69 fol. 140r ............................................................................................................................................... 80 fol. 155v ........................................................................................................................................... 100 fol. 162v ........................................................................................................................................... 111 fol. 171r ............................................................................................................................................ 125 fol. 173r ............................................................................................................................................ 129 fol. 181r ............................................................................................................................................ 137 fol. 182v ........................................................................................................................................... 141 fol. 183r ............................................................................................................................................ 144 fol. 211r ............................................................................................................................................ 183 fol. 223v ........................................................................................................................................... 201 fol. 230r ............................................................................................................................................ 209 fol. 243v ........................................................................................................................................... 231 fol. 255r ............................................................................................................................................ 247 fol. 265v ........................................................................................................................................... 263 <?page no="311"?> Orte und Personen Vorbemerkung Das Register erschließt nur die Orts- und Personennamen des Itinerarium (ein ausführliches Register bietet die lateinische Edition: Münzer, Itinerarium [ed. Herbers] S. 446 bis 514). Größere Namensvarianten werden angegeben; Personen werden in der Regel unter dem Vornamen angeführt, soweit sie vor 1500 verstorben sind, Personen der Antike stehen unter dem nomen gentile. Ortsnamen, die mit einem Artikel gebildet werden, sind in der Regel unter dem Hauptwort eingeordnet. Mit f. wird die Folgeseite, mit ff. werden die beiden folgenden Seiten angegeben. Aachen, Ort 267 f. Kanonikerstift 267 Abbeville, Ort 236, 238 f. ʿAbd Allah Muḥammed XII. / Boabdil (†-1518/ 1533) 87, 163 ʿAbd al-Ḥaqq II. / Abū Muḥammad ʿAbd al-Ḥaqq ib. ʿUṯmān, Herrscher von Marokko (1421- 1465) 120 f. Adam, bibl. Gestalt 260 Adornes / Adorno, Kaufmannsgeschlecht in Brügge 254 Aegidius von Saint-Gilles/ Aegidius aus Athen (†-720/ 26), Hl. 28, 40 f., 186 Afrika, L. 65, 73 f., 81, 86 ff., 101, 112, 120, 161, 166, 169, 173, 176 Agrippa ↗ (M.) Vipsanius Agrippa Ägypten, L. 74 Aix-en-Provence, Ort 33 Cathédrale Saint Sauveur, K. 33 Alba de Tormes, Ort 147 Albaicín ↗ Granada San José, K. 83 Albertus Magnus (†-1280), Hl., Gelehrter und Bf. von Regensburg (1260-1262) 213, 270 Albrecht der Beherzte, Hzg. von Sachsen (1464- 1500), Statthalter der Niederlande (1488-1493) 257 Albrecht Achilles, Mkgf. von Brandenburg- Ansbach (1440- 1486) 275 Alcalá de Henares, Ort 164, 171 Alcazarsegur, Ort 121 Alexander VI. / Rodrigo de Borja, P. (1492-1503) 63, 180, 204 Alexander von Hales (†-1245), Scholastiker 214 Alexandria, Ort 166 Alfakar, Ort 85 Alfons V., Kg. von Aragón und Sizilien (1416- 1458), Kg. von Neapel (1442-1458) 163 Alfons X. der Weise, Kg. von Kastilien und León (1252- 1284) 108 f. Alfons V., Kg. von Portugal (1449-1481) 165 Alfons von Carrillo (fälschlich Iohannes de Carillo, Iohannes Karillo), Ebf. von Toledo (1446-1482) 164, 170 f. Alfons von Aragón (†-1513), Hzg. von Villahermosa 170 Alfonso von Aragón, Ebf. von Zaragoza (1478- 1520), Sohn Kg. Ferdinands II. von Aragón 175 Alfons de Fonseca y Acevedo, Ebf. von Santiago de Compostela (1460-1465 und 1469-1506/ 07), Patriarch von Alexandria (1506-1508) 134 f. Algarve, L. 120 Alhama de Granada, Ort 87, 90, 98, 166 Alhama de Murcia, Ort 43, 66, 69 Alhambra ↗ Granada Alicante, Ort 60, 64 f. Almería, Ort 70, 71 ff., 75, 78, 84, 87, 166 Kastell 71 Moschee / Kathedrale 72 San Domingo y la Santissima Trinidad, Kl. 74 San Francisco, Kl. 74 La Almunia de Doña Godina, Ort 174 Almuñécar, Ort 87 Alpen, Gebirge 28, 84 Alval, Ort 141 <?page no="312"?> 312 Orte und Personen Álvarez de Toledo, Fadrique (Fridericus de Toleto), Hzg. von Alba de Tormes (1523-1531) 147 Álvaro de Luna (†-1453), Condestable von Kastilien 171 Álvaro de Portugal-Braganza / Álvaro de Braganza y Castro (†-1504), portugiesischer Adliger, Exilant 102 Alverca do Ribatejo, Ort 122 Amboise, Ort 197, 202, 205 f. Amiens, Ort 195, 239, 240, 241 ff. Notre-Dame, K. 239 f. Anastasius, oström. Ks. (491-518) 190 Ancona, Ort 28 Andalusien, L. 73, 85 Andelle, Fluss 231 Andernach, Ort 270 Andreas, Apostel, Hl. 37, 114, 117, 269 Andreas aus Fulda 72 Angers, Ort 207 f. Anianus (Saint-Aignan) (†-453), Hl., Bf. von Orléans und K. 207 f. Anna, Selige, bibl. Gestalt 31 Anna / Anne, Herzogin der Bretagne (1489-1491 und 1498-1514), Gemahlin Kg. Karls VIII. von Frankreich und Kg. Ludwigs XII. von Frankreich 206 Anna von Sachsen (†-1512), Gemahlin Mkgf. Albrechts Achilles 275 Anna, Tochter des Königs Maximilian I. 29 Antequera, Ort 85 Antonius der Große (†356), Hl., Mönch 28, 169, 218, 220 Severus Antonius (Caracalla), röm. Ks. (211-217) 32 Antwerpen, Ort 249, 260, 262, 264 Château de Beerschot (Bersot), Landhaus des Abtes von Sint-Michiels in Antwerpen 260, 262 Flusshafen 260 Onze-Lieve-Vrouwekathedraal, K. 260 f. Sinte-Caterina, Kl. 262 Sint-Michiels, Kl. 262 Apulien, L. 204 Aquitanien, L. 30 Aragón, L. 29, 45, 48, 136, 161, 163, 174, 179 Arcos de Jalón, Ort 174 Arga, Fluss 180 Aristoteles (†-322 v. Chr.), griechischer Philosoph 27, 161 Arius (†-336), Presbyter aus Alexandria 92 Ariza, Ort 174 Arles, Ort 37 f., 40 f., 186 Alyscamps, Friedhof 38 Saint-Julien-et-Saint-Antoine, K. 38 Saint-Trophime, K. 38 Theater 40 Arras, Ort 195, 242 ff. Notre-Dame, K. 243 Saint-Pol-sur-Ternoise, K. 242 Saint-Vaast, Kl. und K. 244 Artois, L. 242, 258 Arve, Fluss 30 Arzila, Ort 121 Aschaffenburg, Ort 273 Burg 273 Sankt Peter und Alexander, Kl. und K. 273 Walkmühle 273 Asien, L. 128 Aspe, Ort 65 Astorga, Ort 141 Asturien, L. 141 Ateca, Ort 174 Athen, Ort 28 Äthiopien, L. 111, 117 f., 166, 236 Atlantik 57, 183, 185 Atzmoos, Ort 117 Audoenus (Ouen), Hl., Bf. von Rouen (640-684) 234 Augsburg, Ort 28, 49, 113, 254 Aurelius Augustinus, Hl., Kirchenvater, Bf. von Hippo (395-430) 28, 56, 79, 115, 151, 161, 190, 200, 204, 207, 215, 235 M. Aurelius / Marc Aurel / Mark Aurel (Aurelius), röm. Ks. (161-180) 206 Averroes / Ibn Rušd, arabischer Gelehrter 161 Aversa, Ort und Geschlecht 63 Avignon, Ort 32 f., 60 Papstpalast 32, 42 Pont-Saint-Bénézet 32 Saint-Pierre 33 Ávila, Ort 160 Santo Tomás, Kl. 160 Azoren, Inselgruppe Fayal 116, 119 Pico 119 <?page no="313"?> Orte und Personen 313 Bacharach, Ort 271 Baden, Ort 29, 76, 126 Baetica (Hispania Baetica), röm. Provinz 87, 107, 148 f., 166 Balduin, Graf von Flandern (1194-1205) und Hennegau (1195-1205), erster lateinischer Ks. Konstantinopels (1204-1205). 221, 241 f. Balearische Inseln 178 Mallorca 53, 58, 166 Barcelona, Ort 29, 44 ff., 48, 49, 50 ff., 54 ff., 61, 165 f., 205 Haus des Infanten Heinrich 46 Kathedrale Santa Cruz y Santa Eulalia 45 Llotja / Lonja 46 Portal de l’Àngel 45 Portal de Sant Antoni 45 Rathaus 49 Santa Caterina / Santa Catalina, Kl. 48 Santa María de Jesús, Kl. 45 Santa María del Mar / Santa María de las Arenas, K. 45 Santa Maria del Pi / Santa Maria del Pino, K. 45 Sant Francesc / San Francisco, Kl. 47 Sant Pere de les Puelles / San Pedro de las Puellas, Kl. 52 Sants Just i Pastor / Santos Justo y Pastor, K. 45 unterirdische Kanäle 50 Barcelos, Ort 125 Barnabas (†-vermutlich 61), Apostel, Hl. 186 Barra/ Berre, Kastell bei Marseille, Ort 37 Bartholomäus von Brügge (†-1356), Philosoph, Arzt, Kanoniker in Cambrai 252 f. Basel, Ort 47, 122, 125, 267 Basilius von Caesarea (†-379), Hl. und Kirchenlehrer 169, 204 Bayern, L. 174, 222, 226 Bayonne, Ort 183 Baza, Ort 87 Béarn, L. 183 Beatrix von Schwaben (†-1235), Gemahlin Kg. Ferdinands III. von Kastilien und León 109 Behaim, Martin (†-1507), Nürnberger Kaufmann und Gelehrter 118 Belgien, L., röm. Provinz (Gallia Belgica) 30, 265 Benavente, Ort 141 ff. Castillo de la Mota 142 Dominikanerkl. 142 Franziskanerkl. 142 Heilig-Geist-Kl. 142 Klarissenkl. 142 Benedikt von Nursia (†-um 560), Hl., Mönchsvater 40 f., 139, 197, 200, 204, 214, 226, 233 f., 237, 244 Benedikt XIII. / Pedro de Luna (†-1423), P. (1394-1417) 175 Bergamo, Ort 28 Bernardo Boil / Bernal Boyl (†-1507), zeitweise Sekretär Kg. Ferdinands des Katholischen, Gelehrter und Diplomat 50, 101, 205 Bern, Ort 29 f., 157, 184, 186 Berthold von Henneberg, Ebf. von Mainz (1484-1504) 272 Besinger, Jorg, Chorherr im Würzburger Stift Neumünster, bischöflicher Kammermeister 274 Béziers, Ort 41 Bianca Maria Sforza von Mailand (†-1510), Gemahlin Ks. Maximilians I. 264 Biberach, Ort 29, 163 Biel, Ort 30, 186 Bieler See / Lac de Bienne 30 Bigorre, L. 183 Bingen, Ort 271 Bischofsheim, Ort 273 Biskaya, L. 65, 75 Blanca von Navarra (†-1464), Gemahlin Kg. Heinrichs IV. von Kastilien 164 Blasius (†-vielleicht um 316), Hl., Bf. von Sebaste 41, 222 Blois, Ort 206 Boabdil ↗ Abd Allah Mohammed XII. Böhmen, L. 95, 273 Bologna, Ort 28, 59 Bonaventura da Bagnoregio / Johannes Fidanzo, Hl., General des Franziskanerordens und Bf. Von Albano (1273-1274) 31 Bonilla de la Sierra, Ort 147 Bonn, Ort 270 Boppard, Ort 271 Bordeaux, Ort 183, 185, 188, 192 Le Boulou / Volon, Ort 44 Brabant, L. 246, 249, 260 Braga, Ort 125 Bresla, Fluss 235 Bretagne, L. 147, 160, 188, 203, 241, 251 Brictius, Hl., Bf. von Tours (397-443) 199 <?page no="314"?> Brive-la-Gaillarde, Ort 189 Brixen, Ort 28 Brügge, Ort 118, 247 ff., 251, 253 ff., 257 Beursplein / Börse 250, 254 Franziskanerkl. 253 Gentpoort 248 Kruispoort 248, 254 Onze-Lieve-Vrouwekerk (Liebfrauenkirche),-K. 252 Sint Donaas, K. 251 Sint-Salvators-Kathedraal (St. Salvator), K. 253 Sluispoort 248, 254 Stadhuis 253 Val-de-Grâce, Kl. 254 Bruno, Ebf. von Köln (953-965) 269 Bückli, Diepold (Theobaldus Bucklus) 54 Burgos, Ort 165 Burgund, L. 31, 220, 241 f., 245, 256, 264 Burtscheid, Ort 267 Cabo de Gata, L. 73 Cadzand, Ort 257 Caesar ↗ (G.) Iulius Caesar Cahors, Ort 189 Calatayud, Ort 174 Caldas de Reis, Ort 126 Calixt II., P. (1119-1124) 130 f., 133 ff. Calvo, Eduard / Galv-o, Duarte (†-1517), portugiesischer Chronist, Diplomat und Hofprediger 123 Capua, Ort 28 Caracalla ↗ (S.) Antonius Cartagena, Ort 66, 69 Cataldus Siculus / Giovanni Cataldo Parisio (†-1517), ital. Humanist 113 Catus, Ort 189 O Cebreiro / El Cebrero, Ort 139 Cervera (auch Geschlecht), Ort 53 Cèsar de Borja / Cesare Borgia (†-1507), Bf. von Pamplona (1492-1503) 180 Ceuta ↗ Gibraltar Champagne, L. 220 Charles Orland / Karl Roland (Orlandus Karolus) (†-1495), erster Sohn Kg. Karls VIII. von Frankreich 202, 203 ff. Charlotte von Savoyen (†-1483), Gemahlin Kg. Ludwigs XI. von Frankreich 206 Châtellerault, Ort 195 Cher, Fluss 196 Childebert I. fränkischer Kg. (511-558) 216 f., 227 Chlodwig I., fränkischer Kg. (481-511) 190 f., 216, 227, 236 Chlothar I., fränkischer Kg. (511-561) 236 Christopherus, laut Münzer Hzg. von Savoyen 29 Christophorus (†-um 250), Hl. 61, 210 Chur, Ort 267 Cifuentes, Ort 106, 134, 170 Civaux, Ort 191 N. Claudius Drusus / Drusus (†-9 v. Chr.), röm. Politiker und Feldherr 271 F. Claudius Julianus, röm. Ks. (360-363) 200 Clemens I. (†-97/ 101), Hl., P. 222 Cléry-Saint-André, Ort 206 Cocentaina, L. 65 Coimbra, Ort 122 Colmenar de Montemayor, Ort 148 Coloma / Colomba / Columba (†-3. Jh.), Hl. 52 Como, Ort 28 Córdoba, Ort 77, 105 P. Cornelius Scipio Aemilianus Africanus minor Numantinus (†-129 v. Chr.), röm. Politiker und Feldherr 145 Corrèze, Fluss 189 Cossourado (Coserado), Ort 125 Couserans, L. und Bistum 181, 183 Cremona, Ort 28 Le Crotoy, Ort 236 Cucufatus (†-303/ 304), Hl. 224 Cyreneus, keltischer Fürst 145 Damme, Ort 254 Danzig, Ort 116, 152 Dauphiné, L. 31 Deutschland, L. 28, 33, 35, 43, 47 ff., 60, 67, 95, 121, 128, 131, 152, 165, 167, 177, 259, 267, 272 Dieppe, Ort 195, 234 ff. Diest, Ort 265 Dijle, Fluss 264 Diokletian ↗ (G. A.) Valerius Diocletianus Dionysios Areopagita (†-1. Jh.), Hl. 224 f. Dionysius (†-nach 250), Hl., Bf. von Paris 211 Dionysius (†-nach 355), Hl., Bf. von Mailand 193 Donatian (†-Ende 4. Jh.), Hl., Ebf. von Reims 253 Donau, Fluss 54, 56 Dordogne, Fluss 189 Drusus ↗ (N.) Claudius Drusus 314 Orte und Personen <?page no="315"?> Duero, Fluss 122, 142 f. Düren, Ort 268 Ebro, Fluss 54, 174 f., 179 ff. Ehingen, Georg von (†-1508), Reichsritter, Reisender 121 Eleutherius (†-nach 250), Hl. 225 Elisabeth von Bayern / Isabeau de Bavière (†-1435), Gemahlin Kg. Karls VI. von Frankreich 222, 226 Ellwangen, Ort 262 El Mina / S-o Jorge da Mina, Ort 117 El Puente del Arzobispo, Ort 148, 156 Engelbrecht II., Gf. von Nassau und Viaden (1475-1504) 257 England, L. 60, 65, 112, 116, 131, 166, 188, 230, 232, 234, 237 f., 251, 270, 273 Engratia (Engracia) (†-303), Hl. 177 Ephesos, Ort 128 Epte, Fluss 230 f., 235 Erfurt, Ort 179 Esla, Fluss 142 Esslingen, Ort 117 Étampes, Ort 208 Eulalia von Barcelona (†-303), Hl. 45 Eu, Ort 235 f. Notre-Dame, K. 235 Eusebius von Vercelli (†-371), Hl. 193 Eustachius (†-um 118), Hl. 218, 224 Eva, bibl. Gestalt 260 Évora, Ort 51, 111 f., 114 Palácio Real de S-o Francisco 112 S-o Braz, Einsiedelei des Hl. Blasius, Kl. und K. 111 S-o Francisco, K. 112 Exuperius (†-um 405/ 411), Hl. 186 Facheca, Ort 69 Faenza, Ort 28 Fechter, Bernhard, dt. Adliger 116 f. Feldkirch, Ort 27, 117 Felix von Werdenberg (†-1530), Gf. von Werdenberg-Trochtelfingen, Student in Orléans 208 Ferber, Wolfgang, Kaufmann 49 Ferdinand II., Kg. von Aragón (1479-1516) 46, 48, 50 f., 53, 58, 62, 86, 88 ff., 92, 95, 101 ff., 106, 108, 114, 128, 134 f., 148, 153, 160 f., 163 ff., 167, 168, 169 ff., 173, 175, 177 f., 189, 205 Ferdinand III. der Hl., Kg. von Kastilien und León (1217-1252) 108 f., 148 Ferrara, Ort 28 Ferreiros, Ort 138 Fès / Fez, Ort 120 f., 169 Figueras, Ort 44 Fiñana, Ort 75 Firminus (Firmius) (†-um 290), Hl., Bf. von Amiens 240 ff. Fischer, Kaspar (†-1517), Nürnberger Kaufmann 28, 232 F. Julius Constantius / Constantius II., röm. Ks. (337-361) 193 Flandern, L. 55, 60, 65, 120, 176, 188, 232, 239, 244 f., 248, 251, 253, 256 f., 259 f., 264 f., 273 Flavius, angeblich König der Goten 40 f. Florenz, Ort 28, 59 f., 221 Florus (3. Jh.), pannonisch-ungarischer Kg. (? ) 199 f. Foix, Ort 181, 183 f. Folch, Johann Ramon (†-1513), Hzg. von Cardona 170 Fondi, Ort 28 Francesco Sansone da Brescia (†-1499), Theologe 160, 169 Franck, Jan, Hostelier in Brügge 254 Franken, L. 49, 128, 227, 241, 274 f. Frankfurt am Main, Ort 122, 126, 254, 272 f. Sankt Bartholomäus, K. 273 Frankreich, L. 27, 30 f., 60, 92, 131, 166 f., 170, 177, 180, 184 ff., 190, 192 f., 196, 200, 202, 204, 206, 208, 210, 214, 222 f., 225 f., 228 ff., 233 f., 238, 240, 242, 245, 251, 256, 265, 267, 273, 275 Franz von Assisi (†-1226), Hl., Ordensgründer 46 f., 74 f., 81, 96, 139, 156, 160, 169, 176, 205, 214 Franz von Paola 203 ff. Freiburg, Ort 29 f., 35 Friedrich V. der Ältere (†-1536), Mkgf. von Brandenburg-Ansbach (1486-1515) und Brandenburg-Kulmbach (1495-1515) 275 Friesland, L. 270 Frontonius 30 Fronton, Ort 189 Fructuosus, Bf. von Braga (656-um 665) 135 Fulgentius, Hl., Bf. von Ruspe (507-527) 199 Gaeta, Ort 28 Gaguin, Robert (†-1501), frz. Humanist 215 f. Orte und Personen 315 <?page no="316"?> Galicien, L. 125, 130, 131, 132 ff., 139 Gallia Aquitania, röm. Provinz. 202 Gallia Lugdunensis, röm. Provinz. 29, 209 Gallia Narbonensis, röm. Provinz 29, 36, 184, 188 Gallien, L. 183, 209 García Fernández Manrique, Kastellan in Málaga 101 Garín, Juan, Bürger von Barcelona 52 Garonne, Fluss 184 Gascogne (Gascogner), L. 181, 183 f. Gaston, Prinz von Viana, Vizegf. von Castelbon (1462-1470) 181 Gelasius (†-4./ 5. Jh.), Bf. von Poitiers 194 Genf / Genabus, Ort 29 f., 195 Genfer See / Léman 29 Genoveva (†-um 502), Hl. 217 Gent, Ort 248, 257, 258 ff. Sint-Baafs, Kl. 259 Sint-Jacob, K. 259 Sint-Jan, K. 259 Sint-Niklaas, K. 259 Sint-Pieters, Kl. 259 Genua, Ort 28, 59, 64, 97 Georg (†-um 305), Hl. 172 Germanus, Hl., Bf. von Paris (um 555-576) 41, 216 Gerson, Johannes (†1429), Theologe und Kanzler der Universität von Paris 31 Gibraltar, L. und Meerenge 120 Abyla / Ceuta, Felsen und Ort 120 Ginestar / Geneser, Ort 54 Girona / Gerona, Ort Sant Feliu, K. 44 Gonzalo Fernández de Córdoba (†-312), „El Gran Capitán”, Heerführer 170 Goten 183 f., 191 Gourdon, Ort 189 Granada, Ort 29, 44, 65, 69, 70, 71, 72, 73, 74 ff., 78, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88 ff., 92, 95, 96 ff., 101, 104 f., 108, 142, 156, 158, 160, 166, 168, 205 Albaicín 82 f. San José, K. 83 al-Ğāmiʿa al-Murābiṭīn, Moschee, später K. San José 76 f. Alhambra 77 f., 81 ff., 85, 89, 92, 94, 96 f., 108 Dar al-Horra, Palast 81 Kathedrale 81, 96 maqbara Sa ̔d ibn Mālik, Friedhof der Sarazenen 77 San Francisco de la Alhambra, Kl. 81, 96 Antequeruela 85 Heiliggeistkl. 96 Hospital 86 Iglesia de Santiago, K. 97 Judenviertel 86 Kathedrale 86 Kloster des Hl. Hieronymus 86 Maqbarat as-Sabīka, Friedhof 78 Maristán Nazarí, Lazarett 97 Nuestra Senora de la Concepción, Kl. 78, 86, 96 Nuestro Salvador, K. 83 Puerta de Elvira 77, 82 Puerta del Hierro 89 San José, K. 97 Santa Cruz la Real, Kl. 96 Gregor I. der Große, Hl., Kirchenvater, P. (590-604) 148 Gregor XI., P. (1371-1378) 151 Griechenland, L. 241 Guadalajara, Ort 157, 171 ff. Haus des Kardinals Don Pedro de Mendoza 172 Palacio del Infantado 172 Guadalquivir (Betis), Fluss 85, 104, 105 ff., 109 Guadalupejo (Lupus), Fluss 148 f. Guadalupe, Ort 99, 149, 156, 158 Santa María de Guadalupe, Kl. 148, 149, 150 ff., 155 f. Guadix, Ort 75 f., 87, 166 Dominikanerkl. 75 Franziskanerkl. 75 Santa María de la Encarnacíon, K. 75 Guinea, L. 111 f., 115 f., 150 Hannibal (†-183 v. Chr.), karthagischer Feldherr 66 Hans Peter Danzer / Hans von Gmünd / Ans Piet Danso / Hans de Suabia (* 1467/ 1483) 176 Haren, Ort 257 Harfleur, Ort 232 Hector de Bourbon, Ebf. 185 Heinrich von Flandern, lateinischer Ks. Konstantinopels (1206-1216) 242 Heinrich IV., Kg. von Kastilien und León (1454-1474) 164 f. 316 Orte und Personen <?page no="317"?> Heinrich von Aragón und Pimentel (†-1522), Infant von Aragón 46 Heinrich der Seefahrer (†-1460), Infant von Portugal 115, 122 Heinrich (van) Duyvelant (um 1480-1497), Prior aus Antwerpen 262 Heinrich von Guzmán, Hzg. von Medina Sidonia (1468-1492) 90 f. Heinrich aus Hellewagen (†-1334), dt. Händler aus Ellwangen bei Nördlingen 262 Helena (†-vermutlich 329), Hl., Mutter Ks. Konstantins des Großen 172, 207 Hennegau, L. 252 Hermann IV. von Hessen, Ebf. von Köln (1480- 1508) 269 Herodes Agrippa (†-wohl 44) 131 f. Herwart, Anton (Antonius) (†1504), Augsburger Kaufmann, Ritter des Hl. Grabes 28, 113, 169, 196 Hessen, L. 72, 269, 271 Hieronymus (†-419/ 20), Hl., Kirchenvater 28, 86, 95 f., 156, 176 f., 244 Hilarius (†-367/ 68), Hl., Bf. von Poitiers 191, 192 ff., 224 Hita, Ort 173 Holland / Niederlande, L. 270 Honfleur, Ort 232 Q. Horatius Flaccus (†-8 v. Chr.), röm. Dichter 113, 171 Hugo von Grenoble (†-1132), Hl. 224 Humpis, Konrad (†-16. Jh.), Kaufmann, Vorsteher der Ravensbur