Syntaktischer Atlas der deutschen Schweiz (SADS)
Bd. 1: Einleitung und Kommentare; Bd. 2: Karten
0404
2022
978-3-7720-5744-1
978-3-7720-8744-8
A. Francke Verlag
Elvira Glaser
CC BY-SA 4.0https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de
Das zweibändige Werk gibt erstmals einen umfassenden Überblick über den Satzbau der schweizerdeutschen Dialekte und ergänzt das Standardwerk "Sprachatlas der deutschen Schweiz", in dem syntaktische Fragen weitgehend ausgespart blieben. Die vorgestellten Ergebnisse basieren auf einer vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten Erhebung mit Fragebögen an 383 Ortspunkten bei durchschnittlich sieben Gewährspersonen in den Jahren 2000-2002.
Der Atlas stellt zahlreiche bisher nicht oder kaum beachtete Phänomene in der Syntax der Nominal- und Verbalphrase sowie Satzverbindung detailliert vor und belegt die lange bestrittene Raumgliederung im Bereich der Morphosyntax. Die Ergebnisse werden unter Berücksichtigung der Variation am Ort in 78 thematischen Kommentaren besprochen (Bd. 1) und auf 216 - je nach Kartentyp auch farbigen - Dialektkarten (Bd. 2) präsentiert.
9783772057441/Zusatzmaterial.html
ISBN 978-3-7720-8745-5 Das zweibändige Werk gibt erstmals einen umfassenden Überblick über den Satzbau der schweizerdeutschen Dialekte und ergänzt das Standardwerk „Sprachatlas der deutschen Schweiz“, in dem syntaktische Fragen weitgehend ausgespart blieben. Die vorgestellten Ergebnisse basieren auf einer vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten Erhebung mit Fragebögen an 383 Ortspunkten bei durchschnittlich sieben Gewährspersonen in den Jahren 2000-2002. Der Atlas stellt zahlreiche bisher nicht oder kaum beachtete Phänomene in der Syntax der Nominal- und Verbalphrase sowie Satzverbindung detailliert vor und belegt die lange bestrittene Raumgliederung im Bereich der Morphosyntax. Die Ergebnisse werden unter Berücksichtigung der Variation am Ort in 78 thematischen Kommentaren besprochen (Bd. 1) und auf 216 - je nach Kartentyp auch farbigen - Dialektkarten (Bd. 2) präsentiert. Syntaktischer Atlas der deutschen Schweiz (SADS) • Bd. 1 Syntaktischer Atlas der deutschen Schweiz (SADS) Elvira Glaser (Hrsg.) Band 1: Einleitung und Kommentare bearbeitet von Elvira Glaser und Gabriela Bart sowie Claudia Bucheli Berger, Guido Seiler, Sandro Bachmann und Anja Hasse Syntaktischer Atlas der deutschen Schweiz (SADS) Syntaktischer Atlas der deutschen Schweiz (SADS) Herausgegeben von Elvira Glaser Band 1: Einleitung und Kommentare bearbeitet von Elvira Glaser und Gabriela Bart sowie Claudia Bucheli Berger, Guido Seiler, Sandro Bachmann, Anja Hasse unter Mitarbeit von Matthias Friedli und Janine Richner-Steiner Die Karten wurden unter Verwendung einer vom Bundesamt für Landestopografie swisstopo zur Verfügung gestellten Basiskarte erstellt. Verlag und Herausgeberin danken dem Bundesamt für Landestopografie für die freundliche Genehmigung. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. Prof. Dr. Elvira Glaser Universität Zürich Philosophische Fakultät Deutsches Seminar Schönberggasse 9 8001 Zürich SCHWEIZ eglaser@ds.uzh.ch https: / / orcid.org/ 0000-0002-9620-3851 Publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung. DOI: https: / / doi.org/ 10.24053/ 9783772057458 © 2021 · Elvira Glaser Das Werk ist eine Open Access-Publikation. Es wird unter der Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen | CC BY-SA 4.0 (https: / / creativecommons.org/ licenses/ by-sa/ 4.0/ ) veröffentlicht. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. 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Januar 2000 ein vom Schweizerischen Nationalfonds zunächst für drei Jahre gefördertes Projekt zur Erforschung der schweizerdeutschen Syntax. Erklärte Absicht dieses Forschungsprojekts war es von Anfang an, letztlich dem damals gerade abgeschlossenen Sprachatlas der deutschen Schweiz (SDS), der in 8 Bänden ausführlich Wortschatz, Phonologie und Morphologie der schweizerdeutschen Dialekte darstellt, einen Atlasband zur Syntax zur Seite zu stellen, da im SDS nur wenige Karten diesem Bereich gewidmet waren. Dass das nun mit der vorliegenden zweiteiligen Publikation gelingt, daran hatten viele Personen, denen allen an dieser Stelle ein genereller grosser Dank ausgesprochen werden soll, in unterschiedlichen Phasen Anteil. Das im Frühling 1999 auf der Basis von vorausgehenden Pilotstudien beim Schweizerischen Nationalfonds beantragte Forschungsprojekt „ Dialektsyntax des Schweizerdeutschen “ wurde im Herbst desselben Jahres für 36 Monate genehmigt (SNF-Forschungsbeitrag 1114-057121.99/ 1). Die Arbeit startete am 1. 1. 2000 mit den Projektmitarbeitern Guido Seiler und Claudia Bucheli (je 50 %). Bald nach dem Start kamen Matthias Friedli, Janine Steiner und Gabriela Bart als Hilfskräfte dazu, die ebenfalls langjährig dem Projekt verbunden blieben. In dieser Projektphase war auch Natascha Frey, die ebenfalls später noch mit dem Projekt zusammenarbeitete, einige Monate am Projekt angestellt. Nach den ersten drei Jahren wurde das Forschungsprojekt im gleichen Umfang für weitere 36 Monate verlängert (SNF-Forschungsbeitrag 1113-068244), mit einer administrativen Erstreckung bis 31. 8. 2006. In der 2. Phase waren wiederum Guido Seiler und Claudia Bucheli Berger als wissenschaftliche Mitarbeiter beschäftigt, dazu vertretungsweise Janine Steiner (von Jan. 2004 bis Feb. 2005) sowie Katrin Lüthi (1. 1. 2004 - 15. 5. 2004), die sich um die Akquirierung von zusätzlichen Gewährspersonen kümmerte. Eine dritte Phase wurde letztmalig 2006 bewilligt (SNF-Forschungsbeitrag 100015-113574), wobei nun Claudia Bucheli Berger als alleinige Projektmitarbeiterin (75 %) bis August 2008 (mit Unterbrechungen) die Hauptlast der Arbeit trug. Von Jan. bis Sept. 2007 arbeitete zusätzlich Gabriela Bart als Doktorandin mit. Auch die ehemaligen Hilfskräfte Matthias Friedli und Janine Steiner werteten in ihren Dissertationen das entsprechende Projektmaterial aus. In einem unbezahlten Freisemester versuchte die Projektleiterin im Herbstsemester 2007 die Arbeiten für den geplanten Atlas bis zum Projektende so weit voranzubringen, dass die Publikation hätte in Angriff genommen werden können, was allerdings aufgrund verschiedener ungeplanter Verpflichtungen nicht wie vorgesehen gelang. Nachdem restliche Sachmittel bis Ende 2009 aufgebraucht waren, wurde das Nationalfondsprojekt zunächst im Januar 2010 offiziell abgeschlossen. Bis dahin waren zahlreiche wissenschaftliche Publikationen aus dem Kreise der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erschienen, 1 und für eine grosse Anzahl von Fragen aus den Questionnaires waren als Grundlage für den geplanten Atlas bereits Kommentare und Karten von Claudia Bucheli Berger erstellt. Das Unternehmen der Fertigstellung eines gedruckten Atlas musste nun gänzlich neu organisiert werden und konnte von da an im laufenden Universitätsbetrieb nur mit stark reduzierten Kräften und in verlangsamter Geschwindigkeit vorangetrieben werden. Bereits seit 2008 hatte Claudia Bucheli Berger mit einer minimalen Lehrstuhlanstellung bis Juni 2010 an der Überarbeitung der bis dahin vorhandenen Karten und Kommentare gearbeitet, unterstützt zuletzt von Melinda Fuchs als Hilfskraft. Ab dem Herbstsemester 2010 nahm dann Gabriela Bart die Arbeit an ihrer Dissertation im Rahmen einer Teilzeitanstellung als Lehrstuhlassistentin wieder auf und betreute bis zum Juli 2017 die laufenden Arbeiten am Atlasprojekt, was insbesondere die Vereinheitlichung und Überarbeitung der Kommentare und Karten bedeutete. Als Hilfskraft arbeitete seit 2011 Sandro Bachmann am Projekt mit, der nach dem Ausscheiden von Gabriela Bart 2017 dann selbst die Assistentenstelle und die damit verbundene Aufgabe der Weiterbetreuung des Atlas bis zum Schluss übernahm. Seit 2010 arbeitete auch Anja Hasse, zunächst als Hilfskraft, dann als Assistentin (mit Unterbrechungen) am Projekt bis zum Abschluss mit. 2016 war Fatima Stadler v. a. für Literaturrecherchen mit universitären Mitteln temporär angestellt. Vermehrt übernahm ab Januar 2017 Judith Hug als Hilfsassistentin 1 Vgl. die Angaben auf der Homepage (www.dialektsyntax.uzh.ch/ de/ publikationen) sowie in S. 15 - 17 der folgenden Einleitung und in den Kommentaren. am Lehrstuhl auch Aufgaben für das Projekt. Anschliessend war Manuela Jetter und seit Ende 2018 Solange Morel als Hilfskraft v. a. für bibliographische Arbeiten verantwortlich. Gabriela Bart hat mit grossem Einsatz neben der Fertigstellung ihrer Dissertation und neuen Aufgaben sehr viel zur Fertigstellung der vorliegenden Publikation beigetragen. Sandro Bachmann hat die Kartierung mit vielen Ideen bereichert und verantwortlich zu Ende geführt. Für das Kapitel Komparativanschlüsse hat Matthias Friedli die Kommentare entworfen. Als temporäre studentische Mitarbeiter v. a. für Literaturrecherchen waren über die Jahre hinweg jeweils für eine gewisse Zeit Karin Meyer, Florence Croizier, Elke Weinberger und Katrin Lüthi tätig. Am Anfang des Projekts halfen die studentischen Mitarbeiter Daniel Rey, Gianna Buchli, Christian Bordin und Gwyneth Hughes beim Fragebogenversand sowie der Eingabe von Daten in die Filemaker-Datenbank. Alina Mächler hat uns in der letzten Phase sehr zuverlässig bei verschiedenen Korrekturarbeiten unterstützt. Während der langen Zeit der Entstehung des Atlas musste das Projekt mehrere Umzüge verkraften, die v. a. wegen der jeweils aufwendigen technischen Installationen (Zugang zum Server und Internet) wesentlich zeitaufwendiger waren, als man sich das heute noch vorstellen kann, insbesondere in Zeiten, in denen das Deutsche Seminar nur über wenige Stellenprozente für die EDV-Betreuung des gesamten Seminars verfügte. Zunächst musste das Projekt nach einer ersten provisorischen Unterbringung am Deutschen Seminar 2001 an der Schönberggasse 9 schnell wieder die Räume wechseln. Im Sommer 2003 folgte der Umzug in grosszügige universitäre Projekträume an der Zürcher Plattenstrasse 28, 2010 ein Teilumzug in einen provisorischen Raum an der Rämistrasse 69. Im Laufe des Jahres kam es dann wieder zu einer Zusammenführung des Projekts in neue Projekträume des Deutschen Seminars an der Rämistrasse 42, in Nachbarschaft des Folgeprojekts SynMod, vgl. Kapitel 1.7 der Einleitung. Schliesslich zog das verkleinerte Projekt 2016 zurück an die Schönberggasse 9, wobei ein Teil der Unterlagen bereits im Archiv des Deutschen Seminars untergebracht wurde. Die räumlichen und personellen Wechsel haben fast zwangsläufig zu Uneinheitlichkeiten in den Kommentartexten geführt, deren Beseitigung nicht mehr ohne unvertretbar grossen Aufwand möglich gewesen wäre. Das betrifft mehr oder weniger ausführliche Literaturangaben ebenso wie Abweichungen in der Terminologie oder Auszeichnung von Varianten, was jedoch das Verständnis nicht behindern sollte. Die Administration des Projekts am Deutschen Seminar lag nach einer ersten Phase, in der die Finanzen und Anstellungen von den Projektmitarbeitern selbst erledigt werden mussten, von 2002 bis 2010 bei Ursula Landert, anschliessend bei Béatrice Fleiner, die uns beide während der vielen Jahre in allen Höhen und Tiefen stets hilfsbereit zur Seite standen. Für die Kartierung wurde in Abweichung von den ursprünglichen Plänen, die schnell von der technischen Entwicklung überholt waren, im Kontakt mit dem Geographischen Institut der UZH (Heiri Leuthold † ), den Claudia Bucheli und Guido Seiler hergestellt hatten, mit der GIS-Software ArcView gearbeitet. Dessen Installation für das Projekt besorgte 2002 Barbla Schmid von der Firma geoconcept, die das Projekt dann über einige Jahre hinweg in geoinformatischen Belangen und Visualisierungsfragen unterstützt hat. Bei schwierigen Fragen konnten wir viele Jahre auch auf GIS-Support vom Geographischen Institut zählen (v. a. durch Ronald Schmidt). Dieser Kontakt stand auch am Beginn späterer gemeinsamer Initiativen im Universitären Forschungsschwerpunkt (UFSP) Sprache und Raum. Zu danken habe ich auch dem Deutschen Seminar, das durch all die Jahre immer wieder Arbeitsräume zur Verfügung gestellt hat und bemüht war, die zumindest in der Anfangszeit anspruchsvollen technischen Probleme zu lösen. 2002 konnte mit finanzieller Unterstützung des Deutschen Seminars und der Philosophischen Fakultät eine MySQL-Datenbank von Marc Luder programmiert werden, die - passwortgeschützt - einen Zugang für Interessierte ausserhalb des Projekts auf die Daten ermöglichte, insbesondere aber für Studierende in Seminaren oder für Abschlussarbeiten nützlich war. Die Aktualisierung der Online- Daten entsprechend der von uns weiterhin zentral benutzten Filemakerdatenbank haben zunächst Guido Seiler, dann ein Datenbankspezialist der UZH (Albert Ochsner) und anschliessend Noah Bubenhofer, damals Assistent am Deutschen Seminar und u. a. für EDV-Belange der Linguistik zuständig, besorgt. Noah Bubenhofer hat damals ausserdem die Online-Datenbank mit verschiedenen Funktionalitäten, insbesondere mit der Möglichkeit, einfache Karten auf der Basis der Datenbankabfrage zu erstellen, erweitert, wofür ihm viele Nutzer und Nutzerinnen, insbesondere die Studierenden für ihre Arbeiten, bis heute sehr dankbar sind. Um die Online-Datenbank haben sich später Luzius Thöny, Alexandra Bünzli und Simone Ueberwasser sowie zuletzt Sandro Bachmann gekümmert. Ein besonderer Dank geht ausserdem an Dieter Studer als ehemaligen VI Vorwort Assistenten, der die Planung und Leitung der Digitalisierung der Fragebögen in den Jahren 2006 und 2007 verantwortlich und kompetent durchgeführt und die Verknüpfung mit den Datenbanken bewerkstelligt hat. Bedanken möchte ich mich auch bei den vielen Kolleginnen und Kollegen, mit denen wir an verschiedenen Veranstaltungen unsere Ergebnisse und Probleme diskutieren durften. Ein herzlicher Dank geht auch an Thomas Strobel (Frankfurt a. M.), Guido Seiler (Zürich) und Claudia Bucheli Berger (Innsbruck, Zürich) für die Durchsicht einzelner Kapitel sowie bereichernde Diskussion in Vergangenheit und Gegenwart. Andreas Nievergelt danke ich für verschiedene hilfreiche dialektologische und landeskundliche Hinweise und Auskünfte. Ein spezieller Dank geht auch an Hans-Peter Schifferle, den ehemaligen Chefredaktor des Schweizerdeutschen Wörterbuchs, und Christoph Landolt, den jetzigen Redaktionsleiter, für wiederholte, immer sehr hilfreiche Auskünfte zu Angaben des Idiotikons sowie weitere Beobachtungen. Leider erreicht unser Dank nicht mehr Rudolf Trüb ( † 2010), der den grossen SDS zu Ende gebracht hat und unser Projekt immer mit wertvollen Auskünften und Hinweisen wohlwollend begleitet hat. Nicht zuletzt gilt meine Dankbarkeit all den Helferinnen und Helfern beim Aufbau des Ortsnetzes sowie den Gewährspersonen in der Deutschschweiz, die bei den schriftlichen und mündlichen Erhebungen bereitwillig mitgemacht haben und so unsere Forschungen überhaupt erst ermöglicht haben. Dank für langjährige finanzielle Unterstützung geht an den Schweizerischen Nationalfonds, für punktuelle Unterstützung in der Überarbeitungsphase (2016) an den UFSP Sprache und Raum sowie an die Philosophische Fakultät, die in den Anfangsjahren gelegentlich Zusatzmittel für Hilfskraftarbeiten zur Verfügung gestellt hat. Schliesslich ist dem Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung auch für die Unterstützung der Publikation zu danken. In der folgenden Einleitung wird über die Anlage und Durchführung des Forschungsprojekts Rechenschaft abgelegt. Anschliessend werden der Aufbau und Inhalt der Publikation sowie die Gestaltung der Kommentare und der Karten erläutert. Zürich, im Frühling 2021 Elvira Glaser Vorwort VII Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Teil 1 Einleitung 1 Das Forschungsprojekt ‚ Dialektsyntax des Schweizerdeutschen ‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.1 Die Anfänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.2 Ortsnetz und Gewährspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 1.3 Syntaktische Variation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1.4 Die schriftlichen Questionnaires . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.5 Datenbankstruktur und -inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1.6 Zur Auswertung und Kartierung des Materials . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.7 Flankierende Unternehmungen, Qualifikationsarbeiten und Folgeprojekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2 Der Syntaktische Atlas der deutschen Schweiz (SADS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2.1 Aufbau des Kommentarteils und der Kommentare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2.2 Kartentypen und Gestaltung der Karten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Teil 2 Kommentare 1 Nominalphrase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1.1 Possessivkonstruktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1.1.0 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1.1.1 Possessivkonstruktionen (attributiv, Sg.M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1.1.2 Possessivkonstruktionen (prädikativ, Männername) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 1.1.3 Possessivkonstruktionen (prädikativ, Frauenname) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1.1.4 Possessivkonstruktionen (prädikativ, Nominalphrase, Sg.F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 1.1.5 Possessivkonstruktionen (prädikativ, Personalpronomen 1.Sg.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1.2 Rufnamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 1.2.0 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 1.2.1 Artikel und Flexion bei Rufnamen (Akk., Männername) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 1.2.2 Artikel und Flexion bei Rufnamen (Akk., Frauenname) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 1.2.3 Artikel und Flexion bei Rufnamen (Dat., Männername) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 1.2.4 Artikel und Flexion bei Rufnamen (Dat., Frauenname) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 1.2.5 Neutrale pronominale Referenz auf Personen (Frauen- & Männername) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 1.3 Präpositionale Dativmarkierung (PDM) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 1.3.0 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 1.3.1 PDM (Interrogativpronomen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 1.3.2 PDM (Nominalphrase, Sg.F.) I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 1.3.3 PDM (Personalpronomen 2.Sg.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 1.3.4 PDM (Nominalphrase, Sg.F.) II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 1.3.5 PDM: Die Ergebnisse im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 2 Pronomina . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 2.1 Personalpronomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2.1.1 Personalpronomen (1.Sg., Akk., betont) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2.1.2 Personalpronomen (2.Sg., Akk. nach Präposition, betont) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2.1.3 Personalpronomen (2.Sg., Akkusativ, nicht eindeutig betont) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2.1.4 Personalpronomen (3.Sg.M., prädikativ, unbetont) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 2.1.5 Personalpronomen (3.Sg.M., prädikativ, betont) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2.1.6 Generisches Personalpronomen (direktes Objekt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 2.2 Reflexivpronomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2.2.0 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2.2.1 Reflexivpronomen (3.Sg.Dat.M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2.2.2 Reflexivpronomen (1.Pl.Dat.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 2.2.3 Reflexivpronomen (3.Sg.M., Akk. nach Präposition) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 2.3 Interrogativpronomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 2.3.1 Persönliches Interrogativpronomen (direktes Objekt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 2.3.2 Persönliches Interrogativpronomen (Akk. nach Präposition) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 2.3.3 Persönliches Interrogativpronomen (Subjekt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 2.4 Expletives es . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 2.4.1 Expletives es im unpersönlichen Passiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 2.5 Partitivpronomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2.5.1 Partitivpronomen (Sg.F.) I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2.5.2 Partitivpronomen (Sg.F.) II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 2.6 Pronomencluster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 2.6.0 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 2.6.1 Pronomencluster (es mir) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 2.6.2 Pronomencluster (es ihm) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 2.6.3 Pronomencluster (ihr es) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 3 Verbalgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 3.1 Verbcluster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 3.1.0 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 3.1.1 Zwei-Verb-Cluster im Nebensatz (Modalverb im Präsens) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 3.1.2 Zwei-Verb-Cluster im Nebensatz (Perfekt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 3.1.3 Zwei-Verb-Cluster im Nebensatz (Modalverb im Konjunktiv) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 3.1.4 Drei-Verb-Cluster im Nebensatz (Modalverb im Perfekt) I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 3.1.5 Drei-Verb-Cluster im Nebensatz (Modalverb im Perfekt) II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 3.1.6 Drei-Verb-Cluster im Nebensatz (Modalverb im Konjunktiv Perfekt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 3.2 Ersatzinfinitiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 3.2.0 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 3.2.1 Ersatzinfinitiv (hören) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 3.2.2 Ersatzinfinitiv (helfen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 3.2.3 Ersatzinfinitiv (lernen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 3.2.4 Ersatzinfinitiv im Nebensatz (lernen) I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 3.2.5 Ersatzinfinitiv im Nebensatz (lernen) II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 3.2.6 Ersatzinfinitiv und Partizip II im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 3.3 Position und Verdoppelung von lassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 3.3.0 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 3.3.1 Position und Verdoppelung von lassen (Präsens) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 3.3.2 Position und Verdoppelung von lassen (Imperativ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 3.3.3 Position und Verdoppelung von lassen (Perfekt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 X Inhalt 3.3.4 Position und Verdoppelung von lassen (nach Modalverb) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 3.4 Syntax von anfangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 3.4.0 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 3.4.1 Syntax von anfangen im Hauptsatz (Präsens) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 3.4.2 Syntax von anfangen im Hauptsatz (Perfekt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 3.4.3 Syntax von anfangen im Nebensatz (Perfekt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 3.4.4 Syntax von anfangen im Nebensatz (Präsens) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 3.4.5 Syntax von anfangen: Die Ergebnisse im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 3.5 Gerundium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 3.5.1 Gerundium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 3.6 Vorgangspassiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 3.6.1 Hilfsverb und Kongruenz beim Vorgangspassiv (Perfekt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 4 Sekundäre Prädikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 4.1 Koprädikativ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 4.1.0 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 4.1.1 Koprädikatives Adjektiv (Akk.Sg.F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 4.1.2 Koprädikatives Partizip II (Akk.Pl.N.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 4.1.3 Koprädikatives Partizip II (Nom.Pl.N.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 4.1.4 Koprädikatives Adjektiv (Nom.Sg.N.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 4.1.5 Die Koprädikativkonstruktionen im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 4.2 Adjektivflexion in der machen-Periphrase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 4.2.1 Adjektivflexion in der machen-Periphrase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 4.3 Resultativkonstruktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 4.3.1 Resultativkonstruktion mit haben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 4.3.2 Resultativkonstruktion mit sein (Zustandspassiv) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 4.4 kommen-Konstruktion mit infiniter Verbform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 4.4.1 kommen-Konstruktion mit infiniter Verbform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 4.5 Konverb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 4.5.1 Deverbale Ableitung als Konverb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 5 Junktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 5.1 Finaler Infinitivanschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 5.1.1 Finaler Infinitivanschluss (mit Objekt) I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 5.1.2 Finaler Infinitivanschluss (ohne Objekt) I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 5.1.3 Finaler Infinitivanschluss (mit Objekt) II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 5.1.4 Finaler Infinitivanschluss (ohne Objekt) II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 5.1.5 Finaler Infinitivanschluss: Die Ergebnisse im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 5.2 Relativsatzanschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 5.2.0 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 5.2.1 Relativsatzanschluss (Akk.Sg.N.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 5.2.2 Relativsatzanschluss (Dat.Sg.F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 5.2.3 Relativsatzanschluss (Dat.Sg.M.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 5.2.4 Relativsatzanschluss (Dat.Sg.M. nach Präposition) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 5.3 Komparativanschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 5.3.0 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 5.3.1 Komparativanschluss (prädikativ, Subjekt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 5.3.2 Komparativanschluss (adverbial, Infinitiv) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 5.3.3 Komparativanschluss (prädikativ, Nebensatz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 Inhalt XI Teil 3 Verzeichnisse und Fragebuch 1 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 2 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 2.1 Allgemeine und grammatische Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 2.2 Kantonssiglen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 2.3 Bibliographische Abkürzungen (Zeitschriften und Reihen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 3 Aufnahmeorte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 3.1 Systematische Liste der Aufnahmeorte mit SDS-Entsprechungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 3.2 Verzeichnis zu einem Ortspunkt zusammengezogener Ortschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 3.3 Alphabetisches Ortsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 4 Fragebuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 SADS-Fragen aus Questionnaire I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 SADS-Fragen aus Questionnaire II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 SADS-Fragen aus Questionnaire III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 SADS-Fragen aus Questionnaire IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 Band 2 der Druckversion liegt eine transparente Folie bei, mit der die Ortspunkte auf den thematischen Karten mit den jeweiligen Ortsnamen und Nummern identifiziert werden können. Eine PDF-Datei dieser Folie ist, ebenso wie eine Datei des alphabetischen Ortsverzeichnisses ( ► Bd. 1, S. 413 - 414), im Narr Online- Shop (https: / / www.narr.de/ ) und in der Narr eLibrary (https: / / elibrary.narr.digital/ ) beim Syntaktischen Atlas der deutschen Schweiz hinterlegt und kann heruntergeladen und ausgedruckt werden. XII Inhalt Teil 1 Einleitung 1 Das Forschungsprojekt ‚ Dialektsyntax des Schweizerdeutschen ‘ 1.1 Die Anfänge Als 1997 der letzte Band des Sprachatlas der Deutschen Schweiz (SDS) erschien, begannen sich Ideen zur Ergänzung dieses Grundlagenwerks mit einem Überblick über die (Morpho-)Syntax der schweizerdeutschen Dialekte zu konkretisieren. Ab den späten achtziger Jahren wurde verschiedentlich die Vernachlässigung dieses Bereichs in der traditionellen Dialektologie, insbesondere in der Dialektgeographie, beklagt (vgl. Tatzreiter 1989). Nur wenige Karten waren im SDS der Syntax gewidmet, was gleichwohl zeigte, dass es raumbildende Verteilungen syntaktischer Varianten grundsätzlich sehr wohl gab und dass es sich wohl lohnen würde, nach weiteren spezifischen dialektalen syntaktischen Varianten zu forschen (Glaser 1997). Gleichzeitig begann das Interesse an Substandard-Varietäten, einschliesslich der Dialekte, in verschiedenen Bereichen der Linguistik, sowohl theoretisch orientierten Richtungen, wie der Generativen Grammatik, als auch in der typologischen Linguistik zu wachsen. Das Wissen über dialektale Syntax des Deutschen war damals aber noch sehr beschränkt, wenn auch durchaus ältere einschlägige Arbeiten vorlagen, wie Schiepek (1899/ 1908), Binz (1888), Reis (1891), Szadrowsky (1930, 1936, 1937), Hodler (1969) und Sperschneider (1959), um nur einige für den hochdeutschen Bereich zu nennen. Andererseits wurde damals von verschiedener Seite verstärkt daran gearbeitet, das dialektsyntaktische Desiderat zu beheben, sei es in Sammelbänden wie Abraham & Bayer (1993), Penner (1995), in Projekten, wie dem Sonderprojekt Syntax innerhalb des Bayerischen Sprachatlas (SNiB 2006), in Überblicken, wie Werlen (1994), oder in einzelnen Monographien zu ausgewählten dialektsyntaktischen Themen, wie etwa Cooper (1994) und Weiß (1998) sowie Patocka (1997) zur Satzgliedstellung 2 oder Henn-Memmesheimer (1986) - mit einem eher variationslinguistischen Fokus - zur Nominalphrase. Der damalige Aufbruch führte zu einer mittlerweile wesentlich verbesserten Situation in der Erforschung dialektaler Syntax, zu der das Zürcher Projekt nicht unwesentlich beigetragen hat, vgl. zum jetzigen Stand der Forschung den jüngsten Überblick bei Fleischer (2019) sowie Weiß & Strobel (2018) zum vielfältigen linguistischen Ertrag dieses Forschungszweigs. In den ersten Jahren nach ihrem Wechsel an die Universität Zürich behandelte die Herausgeberin in verschiedenen Lehrveranstaltungen und Vorträgen Probleme der dialektalen Syntax und ihrer Erforschung, wobei sich in zahlreichen Diskussionen mit Studierenden, Kolleginnen und Kollegen allmählich das Bild eines künftigen Projekts, bezogen auf die Deutschschweizer Dialektlandschaft, zu formieren begann. 1998 wurde ein Antrag beim Schweizerischen Nationalfonds auf Finanzierung der Erforschung der syntaktischen Strukturen der deutschsprachigen Schweiz mittels schriftlicher Fragebögen eingereicht, der 1999 genehmigt wurde. Bis dahin war ein zusammen mit Guido Seiler erstellter Grundstock an Variablen in der Dialektsyntax des Schweizerdeutschen auf der Basis der Sekundärliteratur, zahlreicher Beobachtungen und einiger Pilotstudien erarbeitet worden, wobei Probeauswertungen ergeben hatten, dass eine schriftliche Befragung aufgrund der spezifischen Diglossie-Situation in der Deutschschweiz, die es den Dialektsprechern in der Regel möglich macht, Dialekt vom Standard zu unterscheiden, durchaus erfolgversprechend war. 3 Hinsichtlich der konkreten Fragemethoden entschieden wir uns nach intensiven Auseinandersetzungen mit den Explorationsmethoden verschiedener Projekte, worunter nicht nur verwandte dialektologische Projekte wie der niederbairische Sprachatlas (vgl. SNiB 2006), sondern auch der erste dialektsyntaktische Atlas überhaupt, der in den achtziger Jahren für das niederländische Sprachgebiet erarbeitete Atlas van de Nederlandse Dialectsyntaxis (AND) (Gerritsen 1991) sowie auch der Questionnaire des eurotyp -Projekts (vgl. z. B. Dahl 2000: 789 - 818) waren, für eine Kombination von in einen Kontext eingebetteten Übersetzungen und Bewertungsfragen, aufgeteilt auf mehrere Questionnaires. 2 Für einen weiteren Literaturüberblick über die damalige dialektsyntaktische Forschung, mit speziellem Fokus auf der Satzgliedstellung vgl. Patocka (1997). 3 Vgl. dazu und zum folgenden die ausführliche Darstellung der Vorphase des Projekts in Glaser (2000). Das Projekt Dialektsyntax startete dann mit Claudia Bucheli und Guido Seiler als Mitarbeitenden am 1. 1. 2000 mit der Erarbeitung des ersten Fragebogens und der Akquirierung von möglichst ortsfesten Gewährspersonen, die bereit waren, bei der schriftlichen Erhebung mitzumachen, sowie der Festlegung des Ortsnetzes. Die grundsätzlichen Entscheidungen, die zu Beginn getroffen wurden, sind bereits bei Bucheli & Glaser (2002), Glaser (2006), Bucheli Berger (2008) und Glaser & Bart (2015) festgehalten, sie seien hier aber aus praktischen Gründen in den wichtigsten Punkten wiederholt. Bei der Auswahl der zu untersuchenden Phänomene wurde der Syntaxbegriff zunächst grosszügig gehandhabt, insofern Variablen aus den Übergangsbereichen zu Morphologie oder Lexik ebenfalls einbezogen wurden, wenn bislang über deren räumliche Verteilung wenig bekannt war. Andererseits war klar, dass der Umfang beschränkt sein musste, so dass auch eindeutig syntaktische Merkmale, wie die Serialisierung im Verbalkomplex, nur punktuell erfragt wurden, zumal teilweise an deren Erfragbarkeit mit der gewählten schriftlichen Methode erhebliche Zweifel bestanden, etwa wenn prosodische Verhältnisse beteiligt sind. In der ersten Projektphase wurden dann in einem gewissen Abstand insgesamt vier Fragebögen zu 54 ausgewählten syntaktischen Variablen verteilt auf 118 Fragen zusammengestellt und verschickt, s. zu den Fragen weiter unten. 1.2 Ortsnetz und Gewährspersonen Bezüglich des Ortsnetzes orientierten wir uns aus Gründen der Vergleichbarkeit am SDS, auch hinsichtlich der traditionellen Definition des Deutschschweizer Territoriums, unter Ausschluss der Sprachinseln im Jura, des tirolischsprachigen Samnaun sowie der übrigen traditionell romanischsprachigen Orte in Graubünden (vgl. SDS A: 91 - 92), deren ‚ neue ‘ Dialekte noch ein Forschungsdesiderat darstellen. 4 Gegenüber den 573 Ortspunkten des SDS hatten wir von vornherein eine Reduktion - jedoch nicht auf eine Zahl unter 300 - vorgesehen, in der durch Vorstudien gestützten Annahme, syntaktische Varianten seien weniger kleinräumig verteilt als lexikalische und lautliche. Insbesondere sollten aber die verschiedenen Talschaften auch bei einer Reduktion abgedeckt bleiben. Das quantitative Verhältnis der SADS-Ortspunkte zum SDS ist daher je nach den Gegebenheiten der Kantone etwas unterschiedlich. Anders als beim SDS wurden die Südwalser Gemeinden einschliesslich der einzigen deutschsprachigen Siedlung im Tessin, Bosco Gurin (vgl. Bachmann & Glaser 2019), aus methodischen Gründen nicht in die Untersuchung einbezogen. Eine schriftliche Befragung mit Übersetzungen aus dem Standarddeutschen wäre hier aufgrund der Überdachung durch das Italienische nicht in Frage gekommen, insbesondere auch angesichts der Probleme, die sich bei der Verschriftung für die Gewährspersonen ergeben hätten. Unser auf die Sprachgeographie der syntaktischen Variation im schweizerdeutschen Raum gerichtetes Forschungsinteresse wäre hier, insbesondere in Italien, auch auf eine Sprachsituation getroffen, die nach der einschlägigen bisherigen Forschung (Bauen 1978, Zürrer 1999, Dal Negro 2004) gerade in der Syntax spezifisch kontaktlinguistische Fragestellungen erfordert hätte. Das wäre innerhalb des Projekts nicht zu leisten gewesen. Es bestand von Anfang an der Plan, abweichend von der traditionellen dialektologischen Praxis, wie sie auch den SDS charakterisiert, mehrere Personen an einem Ort zu befragen. Das geschah nicht nur, um die Nachteile der schriftlichen Befragung durch Quantität wettmachen zu können, sondern auch um einer möglichen Variation am Ort besser Rechnung zu tragen. Wenn auch die variationslinguistische Forschung Labovscher Prägung seit längerer Zeit auf die Variabilität sprachlicher Merkmale hingewiesen hatte, hatte das in dialektgeographischen Unternehmungen, auch aus praktischen Gründen, bis dahin wenig systematischen Widerhall gefunden. 5 Die Entscheidung für die indirekte, schriftliche Befragung eröffnete hier nun neue Forschungsmöglichkeiten durch Einbeziehung von mehreren Gewährspersonen pro Ort (Stoeckle 2016: 195 - 197). Die SADS-Erhebungsmethode hat verschiedene weitere dialektsyntaktische Befragungen inspiriert, 4 Eine knapp zusammengefasste Orientierung über die Sprachensituation in der Schweiz findet sich in KSDS (2019), vgl. v.a. die Einleitung sowie S. 235 zum SDS. 5 Natürlich sind auch in älteren Unternehmungen soziale und sonstige Differenzierungen innerhalb der Ortsdialekte nicht unbeachtet geblieben, es blieb aber meist bei Einzelbemerkungen, vgl. Lameli (2010: 574 - 582). Der in den achtziger Jahren gestartete Mittelrheinische Sprachatlas (MRhSA) weist allerdings eine grundsätzlich generationenbezogene, ‚ bidimensionale ‘ Anlage auf, vgl. Girnth (2015). 4 1 Das Forschungsprojekt ‚ Dialektsyntax des Schweizerdeutschen ‘ insbesondere das Projekt „ Syntax hessischer Dialekte (SyHD) “ (Fleischer et al. 2015: 261 - 265) sowie das Projekt „ Syntax des Alemannischen (SynAlm) “ (Brandner 2015: 289). Gegenüber dem ursprünglichen Plan, an jedem Ortspunkt zehn Personen zu befragen, vgl. Bucheli & Glaser (2002: 52), mussten allerdings leichte Abstriche gemacht werden. Wie viele Gewährspersonen pro Ort bei Dialektbefragungen angemessen sind, ist bis heute ein umstrittenes Problem, das mit der Frage zusammenhängt, was Repräsentativität in sprachlichen Erhebungen bedeutet und was eigentlich die Zielgruppe bzw. die Zielvarietät der Erhebung ist, vgl. König (2010: 500 - 501). In jedem Fall ist es von Vorteil, mehr Gewährspersonen zu befragen als nur eine, wenn eine gewisse Variabilität vermutet werden kann. 6 Zwar war einerseits klar, dass wir in Übereinstimmung mit den traditionellen dialektologischen Unternehmungen die intendierte Mundart der weitgehend ortsfesten Bevölkerung, also den Basisdialekt mit der geographisch engräumigsten Gültigkeit, anzielten, um eine Vergleichsgrundlage für spätere Untersuchungen zur Sprachveränderung zu legen, andererseits sollte die Befragung aber nicht auf sogenannte NORMs (non-mobile, old, rural males, vgl. Chambers & Trudgill 1998: 29 - 30) beschränkt sein. Im Gegenteil stand seit den Vorstudien fest, dass möglichst viele Frauen einbezogen werden sollten, da diese sich als kooperative, geduldige und aufmerksame Gewährspersonen bei grammatischen Fragen erwiesen hatten. Das Kriterium der Ortsfestigkeit, das wir als weitgehend auf den Ort, dessen Dialekt dokumentiert werden soll, beschränkten Aufenthalt definierten, musste flexibel gehalten werden. Gelegentliche und nicht viele Jahre dauernde Unterbrechungen oder erst kürzliche Ortswechsel wurden toleriert. Das gilt ebenso für die Forderung, dass möglichst beide Elternteile auch am Ort, oder in der nahen Umgebung, leben oder gelebt haben sollten. Oft gilt das nur für ein Elternteil, was uns ausreichend erschien. Die Sozialdaten der Gewährspersonen sind grundsätzlich festgehalten worden, so dass eventuellen Abweichungen bei Bedarf nachgegangen werden kann. Es wurden allerdings keine Personen in unsere Umfrage einbezogen, bei denen wir den Eindruck gewannen, dass sie grundsätzlich nicht in der Lage waren, den von ihnen angegebenen Ortsdialekt zu produzieren und zu bewerten. Zu Beruf und Ausbildung wurden angesichts des allgemeinen Dialektgebrauchs in der Deutschschweiz keine Vorgaben gemacht. Wir waren zwar bemüht, eine ausgeglichene Altersverteilung zu erreichen, allerdings war es teilweise schwieriger, an jüngere Gewährspersonen mit der geforderten Ortsfestigkeit zu gelangen. Das auch, weil wir oft auf Vermittlung angewiesen waren und jüngere Gewährspersonen allgemein für weniger dialektkompetent gehalten und daher nicht empfohlen wurden. Dadurch sind die älteren Gewährspersonen trotz aller Bemühungen übervertreten, wie die folgenden Darstellungen zeigen. 7 Jahrgang GP Anzahl GP 1897 - 1920 194 1921 - 1940 1259 1941 - 1960 1124 1961 - 1980 524 1981 - 1988 84 Auch die angestrebte mindestens gleiche Anzahl Frauen wie Männer konnte nicht erreicht werden. Von den 3187 Gewährspersonen, die den ersten Fragebogen ausgefüllt haben, sind 1334 Frauen und 1853 Männer. Das Verhältnis von Frauen und Männern war über die Fragebogenserien hinweg praktisch gleich (ca. 43 % vs. 57 %). 6 Im SyHD-Projekt wurde ein Minimum von drei Gewährspersonen festgelegt, vgl. Fleischer et al. (2015: 263). 7 Von zwei Personen fehlt die Altersangabe. 1.2 Ortsnetz und Gewährspersonen 5 Nach verschiedenen Phasen von Nacherhebungen konnte schliesslich ein Ortsnetz aus 383 Ortspunkten festgelegt werden (vgl. Bucheli Berger 2008: 33), an denen mindestens drei Personen eine vollständige Fragebogenserie ausgefüllt haben. Über deren geographische Verteilung orientiert die Karte „ Ortsnetz “ in Band 2. Teilweise mussten wir statt der ursprünglich anvisierten SDS-Orte auf nahegelegene, häufig etwas grössere Orte ausweichen, insbesondere auch um die gewünschte Zahl an Gewährspersonen rekrutieren zu können, z. B. Stein AG statt dem SDS-Ortspunkt Obermumpf AG, vgl. dazu die „ Systematische Liste der Aufnahmeorte mit SDS-Entsprechungen “ in Teil 3 (S. 406), aus der auch die Verteilung der Orte auf die Kantone ersichtlich ist. In einzelnen Fällen sind benachbarte Siedlungen in wenig besiedelten Regionen zu einem Ortspunkt zusammengefasst worden, z. B. die Bündner Orte Sufers, Medels und Splügen zum SADS- Ortspunkt Rheinwald, 8 dem im SDS die beiden Orte Hinterrhein und Sufers entsprechen. Bei Ersatz eines SDS- Ortes durch einen Nachbarort, z.T. auch nur durch einen anderen Ortsteil, ist die Nummer des SDS-Ortes in eckige Klammern gesetzt. In einigen Fällen sind auch zwei Orte durch einen dazwischen oder etwas abseits liegenden benachbarten Ort ersetzt worden, wobei dann zwei SDS-Nummern in eckigen Klammern stehen, so z. B. Boniswil AG 29 für die beiden SDS-Orte Egliswil AG 39 und Seengen AG 40. Über die dialektologische Äquivalenz ist damit natürlich nichts grundsätzlich ausgesagt. Für einen SADS-Ortspunkt sind manchmal einzelne Gewährspersonen aus einem Nachbarort, etwa aus Ibach SZ zu Schwyz SZ, hinzugezogen worden, wenn das aufgrund der Biographie der Personen oder anderer Hinweise auf dialektologische Nähe vertretbar schien. Wenn systematisch Gewährspersonen aus einem anderen Ortsteil einer (heutigen) Gemeinde oder aus benachbarten Ortschaften zu einem SADS-Ortspunkt zusammengezogen wurden, z. B. aus Saland zu Bauma ZH (SADS 25), 9 ist das durch Hinzufügung eines Asterisk bei dem angegebenen Aufnahmeort in der genannten Liste angegeben, wie etwa bei Birwinken TG 11, worunter Birwinken, Happerswil und Mattwil zusammengefasst sind. Die Aufschlüsselung für die betroffenen 48 der insgesamt 383 SADS-Ortspunkte findet sich in Verzeichnis 3.2 (S. 411). An 90 % der Ortspunkte haben zwischen 5 und 10 Gewährspersonen alle vier Questionnaires retourniert, vgl. Kap. 1.4 der Einleitung, an 28 Orten lagen die Zahlen sogar z. T. deutlich darüber, so etwa in Steffisburg BE, wo mit 25 die höchste Zahl vollständiger Fragebogenserien vorliegt. Die Städte Bern und St. Gallen weisen immerhin 19 bzw. 20 vollständige Serien auf, wobei wir nicht versuchten, die Heterogenität grosser Städte systematisch zu erfassen. Für Zürich, Winterthur und Basel liegen beispielsweise ‚ nur ‘ acht bzw. im Falle von Basel fünf Fragebogenserien vor. Die grösseren Städte erfuhren als gleichwertige Ortspunkte inmitten einer umliegenden Dialektlandschaft keine spezifische Behandlung. Die moderne stadtsprachliche Variabilität müsste in einer eigenen Untersuchung erhoben werden, vgl. Hofer & Häcki Buhofer (2002) zu Basel. Lediglich sechs Orte weisen nur die geforderte Mindestzahl von drei Gewährspersonen auf, die alle vier Questionnaires ausfüllten (Roggenburg BL, Solothurn SO, Neftenbach ZH, Bleienbach, Tüscherz BE, Binn VS). An 369 Orten liegen fünf oder mehr vollständige Fragebogenserien vor. Die Zahl der Gewährspersonen an den einzelnen Orten differiert also stark. Wir wollten jedoch keine (passenden) Gewährspersonen ausschliessen, weshalb wir beschlossen, diese Uneinheitlichkeit in Kauf zu nehmen. Einzelne Gemeinden sind damit zwar bei einer Gesamtbetrachtung stark überrepräsentiert, bei der ortsbezogenen Auswertung fällt das jedoch durch die blosse Unterscheidung von Einzel- und Mehrfachnennungen auf unseren Hauptkarten nicht ins Gewicht, vgl. dazu Kap. 2.2 der Einleitung. Von den ursprünglich verschickten 3770 Fragebögen der ersten Runde kamen zunächst ca. 70 % zurück, vgl. Bucheli & Glaser (2002: 53), was eine gute Rücklaufquote darstellt. Das war eventuell auch damit verbunden, dass die Gewährspersonen zusammen mit dem Fragebogen persönlich angeschrieben wurden. In einigen Fällen stellte sich nachträglich heraus, dass Gewährspersonen aufgrund fehlender Passgenauigkeit oder wegen Problemen mit der schriftlichen Fragemethode ausgeschlossen werden mussten. Mit gezielten Nacherhebungen, zur Ergänzung von Ortspunkten und Gewährspersonen mit passendem Profil, ergab 8 Die Bezeichnung Rheinwald wurde entsprechend damaligen Gemeindefusionsbemühungen gewählt. Die heutige Gemeinde Rheinwald umfasst Sufers nicht. 9 Auch im SDS bilden „ Bauma + Saland “ einen Ortspunkt (ZH 46), ebenso wie „ Egg + Esslingen “ (ZH 61), die SADS 38 entsprechen. Andererseits entsprechen dem Ortspunkt SDS 42 „ Uster + Nänikon “ im SADS nun zwei Ortspunkte (SADS 19, 39). 6 1 Das Forschungsprojekt ‚ Dialektsyntax des Schweizerdeutschen ‘ sich schliesslich die genannte Zahl von 3187 Gewährspersonen für den ersten Questionnaire. Die Beteiligung blieb auch weiterhin gut. Personen, die nach etwa drei Monaten den jeweils aktuellen Fragebogen noch nicht zurückgeschickt hatten, wurden nochmals persönlich dazu ermuntert, was meistens erfolgreich war. Mit dem vierten und letzten Fragebogen erhielten die Gewährspersonen eine kleine Anerkennung für ihre Mitarbeit. Dennoch war es nicht möglich, alle vier Fragerunden auf dem gleichen quantitativen Niveau zu halten. Im Laufe der weiteren Befragungen nahm die Zahl der Teilnehmenden durch verschiedene Gründe (Tod, Wegzug, Krankheit, fehlende Zeit oder Motivation u. ä.) wieder etwas ab. Folgende Aufstellung gibt einen Überblick über die Beteiligung an den vier Fragerunden: 10 Questionnaire Teilnehmerzahl I 3187 II 2923 III 2803 IV 2776 Von 2771 Personen verteilt auf 383 Orte liegen alle vier Questionnaires ausgefüllt vor. 11 Fünf Personen haben zwar den vierten Questionnaire, aber nicht den dritten ausgefüllt, weshalb die Zahl beim letzten Questionnaire etwas höher ist als die Gesamtzahl. 23 Gewährspersonen haben einen Questionnaire doppelt ausgefüllt. Im ersten Questionnaire wurden die persönlichen Daten - Alter, Geschlecht, Geburtsdatum, Wohnort(e), Mobilität, Ausbildung, Beruf, eigene Dialektzuordnung und Dialekt der Eltern - erfragt, und es bestand die Möglichkeit zu weiteren Bemerkungen. 1.3 Syntaktische Variation Die von dem Projektteam (Elvira Glaser, Claudia Bucheli Berger, Guido Seiler) zur Exploration vorgesehenen (morpho-)syntaktischen Variablen wurden auf die vier bereits genannten Questionnaires verteilt, um sicherzustellen, dass die Gewährspersonen für die Beantwortung der Fragen nicht allzu viel Zeit investieren mussten, was sie sonst vielleicht von der Mitarbeit abgeschreckt hätte. Die einzelnen Questionnaires enthielten zwischen 20 und 38 Fragen und waren zwischen 11 und 15 Seiten lang. Der erste war mit 20 Fragen auf 11 Seiten der kürzeste. Questionnaire II hat 32 Fragen auf 13 Seiten, Questionnaire III hat 28 Fragen auf 13 Seiten, und Questionnaire IV war mit 38 Fragen auf 15 Seiten der umfangreichste. Die einzelnen Fragen werden, wie bereits in verschiedenen Publikationen praktiziert, mithilfe einer römischer Ziffer, die auf den Questionnaire bezogen ist, und dann der laufenden Nummer zitiert, also z. B. I.1 für die erste Frage im ersten Questionnaire. Für die Zusammenstellung der Fragen war bereits in den Vorstudien viel Material gesammelt worden, vgl. Glaser (1997: 25 - 28), sei es durch Prüfung der Sekundärliteratur, wozu neben dem SDS, den einschlägigen Monographien der Reihen Beiträge zur Schweizerdeutschen Grammatik und Beiträge zur schweizerdeutschen Mundartforschung auch die vorhandenen teilweise normativ ausgerichteten Dialektgrammatiken von Weber (1948), Fischer (1960), Suter (1976, 1992) und Marti (1985) sowie weitere Einzelstudien gehörten, wie Binz (1888), Frey (1906), Stucki (1921), Szadrowsky (1930 a, 1939 b, 1936, 1937), Hodler (1969), Lötscher (1984),Werlen (1994), Penner (1995), Haas (2000), um nur einige herauszugreifen. Geplant war eine möglichst breite Abdeckung an Phänomenen, um einen ersten Überblick zu erhalten, weniger die tiefe linguistische Erschliessung einzelner Themenbereiche in all ihren Facetten. Eine umfassende und gleichzeitig in dieTiefe gehende Erhebung wäre mit den damaligen Mitteln nicht möglich gewesen. Aber selbst im Hinblick auf die breite Abdeckung mussten Abstriche gemacht werden. Dabei wurden solche Phänomene wieder gestrichen, bei denen Probleme mit der schriftlichen Erhebung zu erwarten waren, etwa bei diskursgesteuerten Modalpartikeln, oder keine Raum- 10 Gegenüber den Angaben bei Bucheli Berger (2008) haben sich die Zahlen nochmals leicht geändert. 11 Die in Glaser & Bart (2015: 83) versehentlich mitgeteilte Zahl 3187 für alle vier Questionnaires ist zu korrigieren. 1.3 Syntaktische Variation 7 bildung vermutet wurde, wie bei der Verwendung des Doppelperfekts und der tun-Periphrase. 12 In anderen Fällen, so etwa bei verschiedenen Walser Besonderheiten, wurde vermutet, dass das räumliche Vorkommen sehr engräumig sein würde. So wurden einige bei Hotzenköcherle (1934) für Mutten GR genannten Besonderheiten nicht aufgenommen. 13 Ebensowenig wurde nach der für das Oberhasli bezeugten Reflexivkonstruktion anstelle einer man-Konstruktion (Hopf 1969: 13; Dauwalder 1992: 31) gefragt. Es war weniger die Kleinräumigkeit an sich, als der bei der flächendeckenden Erhebung nötige Aufwand und die erwartete Irritation vieler mit der Konstruktion nicht vertrauter Gewährspersonen, die gegen die Aufnahme einiger solcher Spezialfälle sprachen, während andere Konstruktionen aufgenommen wurden, weil eine gewisse weitere Verbreitung oder auch allgemeineres Interesse an der Erscheinung vermutet wurde, so etwa die Fokuskonstruktion, die in IV.31 nach Hotzenköcherle (1934: 350) das kfallen täte-me šū n 14 ‚ das würde ihm schon gefallen ‘ erfragt wurde. Solche Entscheidungen müssen aber letztlich subjektiv bleiben. Abgesehen von den genannten Fällen sind weitere, zunächst in Erwägung gezogene Konstruktionen nicht in die Untersuchung aufgenommen werden, z. B. doppelter Definitartikel (stark/ schwach), 15 Variation des unbestimmten Artikels in einfacher oder erweiterter Nominalphrase, 16 Variation des Negationsartikels bei Massennomina, 17 Subjektpronomen im Imperativ, 18 Doppelsetzung lokaler Präpositionen/ Adverbien. 19 Auch wenn wir davon überzeugt waren, die wichtigsten abfragbaren Phänomene erfasst zu haben, sind vielleicht dennoch einige relevante Fälle gänzlich unbeachtet geblieben, auch weil die Abgrenzung zur Morphologie oder Lexik nicht immer ganz eindeutig gezogen werden konnte. Insbesondere ist bei der Betrachtung der untersuchten Variablen zu bedenken, dass in den meisten Fällen nur einige wenige Fragen gestellt werden konnten, um das Vorkommen bestimmter Varianten festzustellen, aber nicht die ganze Bandbreite möglicher Unterscheidungen abgedeckt werden konnte. So wären im Bereich der Serialisierung innerhalb des Verbkomplexes noch viele weitere Fälle von Modalverbkonstruktionen und andere Periphrasen in Betracht gekommen. Wir beschränkten uns dagegen auf einige zentrale Fälle von Verbstellungsbesonderheiten, um die sprachgeographische Relevanz der verbalen Wortstellung aufzuzeigen. Die geschilderten Überlegungen führten schliesslich zur Festlegung von 54 Phänomenbereichen, die man als syntaktische Variablen ansehen kann, wobei die Einteilung v. a. auch praktische Gründe hatte, zumal über die Bestimmung syntaktischer Variablen bis heute keine Einhelligkeit in der Forschung besteht. Die bereits alte Diskussion um den Variationsbegriff insbesondere im Bereich der Syntax kann hier nicht ausgebreitet werden. 20 Sowohl dialektsyntaktische als auch sprachhistorische Projekte zu syntaktischer Variation müssen sich mit dem Problem der Bestimmung derjenigen Konstruktionen, die sie als Varianten einander zuordnen, beschäftigen, müssen aber auch pragmatische Entscheidungen fällen. Diese bewegen sich in dem Rahmen, den Krasselt (2017: 2, mit Bezug auf Rosenbach 2002) im Zusammenhang der Bestimmung historischer Variation formuliert: „ Damit zwei syntaktische Muster als Varianten voneinander aufgefasst werden können, müssen sie [ … ] einen gewissen Grad an struktureller Vergleichbarkeit sowie deskriptiver Synonymie aufweisen. “ Es geht hier also um die problematische Frage struktureller Vergleichbarkeit verschiedener Ausdrucksmöglichkeiten. Die Zuordnung zu „ ein und de[m]selben kommunikativen Zweck “ (Weiß 2013: 172) mag eine Vorstellung geben, worum es geht, ist aber sicher für die praktische Klassifikation nicht ausreichend, da sie viel zu unscharf ist. Entsprechend ist die Bestimmung der syntaktischen Variable als der abstrakten Einheit, der die 12 Zur tun-Periphrase finden sich aber bei zahlreichen Fragen Belege, die noch einer Auswertung harren. Zum Plusquamperfekt bzw. Doppelperfekt vgl. die Ausführungen bei Squartini (1999: 60 - 68, 75 - 77) zum Zürichdeutschen sowie jüngst Salzmann & Schaden (2019), die auch sprachgeographisch relevante Aspekte aufzeigen. 13 So etwa Stellungsbesonderheiten von Pronomina wie tue nit stupfen ti ‚ stich dich nicht ‘ (in vereinfachter Schreibung) (Hotzenköcherle 1934: 417) oder Partitivkonstruktionen wie šī aine ‚ einer von ihnen ‘ (1934: 379). 14 Auch bei diesem Beispiel ist die Schreibung wiederum vereinfacht. Vgl. zur Konstruktion an einigen westlichen Walserorten auch SDS (III: 126). 15 Dazu ist allerdings viel Material in den vorhandenen Fragen aufgetreten, das in Studler (2011) behandelt ist. 16 Hierzu gibt es zwei SDS-Karten (III 142, 143), die mit aktuellen Daten verglichen werden könnten. 17 Vgl. den Hinweis bei Penner & Bader (1995: 15). 18 Vgl. die Angaben bei Frey (1906: 25 - 26). 19 Gemeint sind hier neben Fragepronomen, wie etwa a was a ‚ woran? ‘ (z. B. a was a hesch das gmerkt? ), auch die öfters thematisierten Doppelsetzungen in Richtungsbezeichnungen dur e öpfel dure, ufs tach ufe, vgl. Glaser & Frey (2007). 20 Vgl. dazu den kurzen Überblick aus der Sicht der Dialektsyntax in Glaser et al. (2020). Zu einer allgemeineren Perspektive vgl. die knappe Charakterisierung bei Durrell (2004), die Ausführungen bei Barbiers (2013) sowie die Diskussion in Fuß et al. (2017). 8 1 Das Forschungsprojekt ‚ Dialektsyntax des Schweizerdeutschen ‘ Varianten zugeordnet werden, ein ebenso schwieriger Prozess, bei dem funktionale, aber auch formale Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Der Rückgriff auf „ außersprachliche Konzepte “ (Brandner 2015: 292) benennt nur einen Endpunkt der Gemeinsamkeit, die die Variable auszeichnet, es geht aber auch darum, ob es strukturell vergleichbare Ausdrucksoptionen gibt. 21 Auch wenn sich im Dialektsyntaxprojekt die Klassifikation syntaktischer ‚ Phänomene ‘ , die letztlich die vorhandene formale Variation pragmatisch zusammenfassen, als praktikabel erwies, z. B. „ Expletives es (im unpersönlichen Passiv und bei Witterungsverben) “ oder „ Serialisierung im komplexen Prädikat im Nebensatz “ mit jeweils mehreren Fragen zu einzelnen Aspekten, so stellte sich das Klassifikationsproblem bei der Analyse erneut auf der Ebene der Zuordnung der teilweise zahlreichen konkreten Ausdrucksformen, die die Gewährspersonen notierten, s. dazu Kap. 2.1 der Einleitung. Nach der grundsätzlichen Zusammenstellung der abzufragenden Phänomene, die allerdings auch später noch flexibel gehandhabt werden konnte, indem Phänomene dann doch nicht berücksichtigt wurden oder andere spontan aufgenommen wurden, war es die Aufgabe der Mitarbeiter, konkrete Aufgaben zu den einzelnen Themenbereichen vorzubereiten, zu testen und endgültig zu formulieren. 1.4 Die schriftlichen Questionnaires Nicht nur die Entscheidung für die indirekte, schriftliche Methode stand bereits zum Projektstart fest, auch das Fragedesign mit einer Mischung von Übersetzungsfragen und Bewertungsfragen (Ankreuzfragen), die in einen kurzen Kontext eingebettet sind, war bereits grundsätzlich festgelegt. Von dem vorgesehenen Typ der Ergänzungsfragen wurde nur in drei Fällen im ersten Questionnaire Gebrauch gemacht, einmal zusammen mit einer vorgegebenen Abbildung. Da sich zeigte, dass sich die Ergänzungsfragen nicht wesentlich von den Übersetzungsfragen unterscheiden, wurde in den späteren Questionnaires auf diesen Typ verzichtet. Nur bei insgesamt zehn Fragen v. a. im letzten Questionnaire wurde auch auf eine Einbettung in einen Kontext verzichtet und lediglich nach der Existenz einer Variante (II.30, II.31, II.32, IV.27, IV.28, IV.34, IV.35, IV.36, IV.37) oder einer Bewertung (IV.38) gefragt. Auch wenn wir gelegentlich bei der Auswertung den Eindruck hatten, dass die Gewährspersonen dennoch nicht kontextadäquat geantwortet haben, hat sich diese durch frühere Projekte inspirierte Methode, vgl. oben 1.1, grundsätzlich bewährt, zumindest auch, um eine angenehme Erhebungssituation zu kreieren und die Motivation zu erhöhen. 22 Jüngere Projekte, wie etwa das SyHD- Projekt (Fleischer et al. 2017), das sich in wesentlichen Punkten an unsere Explorationsmethode anlehnte, haben die Methode für ihre eigenen Zwecke variiert. 23 WelcherAbfragetyp gewählt wurde, hing ganz von der jeweiligen Problemstellung ab, und in einigen Fällen wurde auch mehr oder weniger dieselbe Problemstellung einmal als Übersetzungsfrage und einmal als Ankreuzfrage formuliert, weil die Annahme bestand, dass sich hier vielleicht Unterschiede zeigen könnten. Das gilt beispielsweise für die Fragen I.1 und I.11 zum finalen Infinitivanschluss, vgl. dazu den Vergleichskommentar 5.1.5, in dem die Unterschiede besprochen werden. Wir hätten gerne öfter eine solche Möglichkeit, den Einfluss der Abfragemethode zu kontrollieren, eingebaut, mussten uns aber aus Kapazitätsgründen weitgehend darauf beschränken, eine Problematik nur einmal abzufragen. 24 Kurz gesagt, liegen die Vor- und Nachteile der beiden Hauptfragetypen darin, dass die Übersetzung eine - wahrscheinlich prestigereiche - Struktur vorgibt, die im Dialekt u. U. nicht verankert ist, aber dennoch zu Vorlageeffekten führt. Der zweite Nachteil der Übersetzungen ist, dass sie andererseits auch sehr offen sind und zu zahlreichen, nicht intendierten Varianten führen können. Ohne dass diese Zusammenhänge bereits genauer analysiert wären, 21 Das Problem der Festlegung der Variablen und zugehörigen Varianten scheint sich in der historischen Syntax im „ correspondence problem “ (Walkden 2013) zu manifestieren. 22 Grundsätzliches zur schriftlichen Erhebung findet sich bei Seiler (2010). 23 Die Grunddaten, Fragebögen und Ergebnisse des SyHD-Projekts können online konsultiert werden unter: [www.syhd.info/ startseite/ index]. 24 Im SyHD-Projekt, das mit 111 Fragen nur 29 Phänomene erfasst hat, wurden „ die meisten untersuchten Konstruktionen [ … ] mehrfach abgefragt “ (Fleischer et al. 2017: 7). Bei Fleischer et al. (2017: 679) sind die Fragen zusammengestellt, die - z.T. adaptiert - aus unseren Questionnaires übernommen wurden. 1.4 Die schriftlichen Questionnaires 9 lässt sich schon jetzt sagen, dass sich diese Effekte interessanterweise wohl nur bei manchen Phänomenen auswirken, nicht bei allen. Bei den Ankreuzfragen bestehen die Nachteile darin, dass die Gewährspersonen gewissermassen zu bestimmten Varianten gedrängt werden und Varianten, die nicht vorgegeben sind, eventuell gar nicht auftreten oder umgekehrt, dass vorgegebene Varianten, die nicht dialektkonform oder zumindest selten sind, aufgrund der Vorgabe dennoch als möglich angekreuzt werden. Durch die konkrete Ausgestaltung der Ankreuzfragen, wie sie unten noch besprochen wird, ergeben sich aber auch zusätzliche Möglichkeiten der Erfassung optionaler Strukturen. Insgesamt wurden neben den erwähnten drei Ergänzungsfragen 32 Übersetzungsfragen und 83 Ankreuzfragen gestellt, zusammen also 118 Fragen. Von den wenigen oben genannten Ausnahmen abgesehen sind die Fragen stets durch einen kurzen Vortext eingeleitet, vgl. etwa die Übersetzungsfrage I.1, die Ergänzungsfrage I.6 sowie die Ankreuzfrage I.7 im beigegebenen Fragebuch. Die Verteilung der Fragetypen auf Questionnaires ist folgender Tabelle zu entnehmen. Questionnaire Übersetzungsfragen Ergänzungsfragen Ankreuzfragen total I 3 3 14 20 II 5 - 27 32 III 12 - 16 28 IV 12 - 26 38 total 32 3 83 118 Die Ankreuzfragen weisen dialektalisierte Vorgaben auf. Zunächst wurde ein Questionnaire erstellt und verschickt, der unter möglichster Vermeidung allzu kleinräumiger Varianten in den meisten Regionen - nach unseren Vorsondierungen - sprachlich akzeptabel sein sollte, auch wenn klar war, dass es nicht die eigene Variante der Gewährspersonen war, was auch in der Anleitung zum Ausfüllen der Questionnaires angesprochen wurde. Die meisten Gewährspersonen kamen mit dieser Methode gut zurecht, korrigierten aber hie und da, wenn ihnen die Vorlage zu abwegig schien, die vorgegebene Schreibung oder den Wortschatz. Umformulierungen mit eigenen Worten oder entsprechende Kommentare erwiesen sich dann manchmal als besonders wertvoll, weil dadurch eine Art Spontanmaterial entstand, das wir ebenfalls in der Datenbank, s. dazu 1.5, festhielten. Dass für das Wallis aufgrund zahlreicher stark abweichender lexikalischer und lautlicher Merkmale eine eigene Fragebogenvariante nötig war, um die Akzeptanz des Vorhabens zu erhöhen, stand aber von Anfang an fest. Es stellte sich jedoch nach den ersten versandten Fragebogen schnell heraus, dass es auch für den Kanton Bern unabdingbar war, eine dialektal adaptierte Variante zu erstellen. So wurden schliesslich für alle vier Questionnaires mit der Hilfe von zwei weiteren Muttersprachlern jeweils drei dialektalisierte Varianten erstellt, eine, die an die meisten Orte verschickt wurde, eine für das Wallis und eine für den Kanton Bern. Wie sich die jeweiligen Versionen unterschieden haben, ist an den im beigegebenen Fragebuch enthaltenen Fragen zu sehen. 25 Die vorgegebenen Varianten sollten dabei syntaktisch gleich bleiben, dialektalisiert wurde lediglich im Wortschatz und der Lautung/ Schreibung, wobei wir uns bei den Anpassungen auf die Fälle beschränkten, die im Laienwissen in der Eigen- und Fremdwahrnehmung eine wichtige Rolle spielen. In den Vorstudien hatte sich gezeigt, dass die binäre Unterscheidung ja/ nein für die Angabe der Akzeptabilität zusammen mit der zusätzlichen Möglichkeit, eigene Varianten zu notieren oder die vorhandenen Varianten zu kommentieren oder zu variieren, praktikabler war als eine mehrstufige Skala, die die Gewährspersonen teilweise verunsicherte. 26 Unserer Erfahrung nach gibt es keine ideale Möglichkeit, um 25 Die einzelnen Questionnaires sind auf der Homepage des Dialektsyntaxprojekts zugänglich: [www.dialektsyntax.uzh.ch/ de/ phenomena/ questionnaire]. 26 SynAlm (Brandner 2015) hat dagegen zumindest teilweise eine mehrstufige Skala verwendet, während SyHD auf die nein-Option verzichtete. Eine Evaluation dieser verschiedenen Verfahren steht noch aus, wohingegen Kasper & Pheiff (2018) sich mit der Dialektalisierungsmethode des SyHD auseinandergesetzt haben, die offenbar einen wesentlich höheren Aufwand erforderte, als das im Falle des Schweizerdeutschen nötig war. 10 1 Das Forschungsprojekt ‚ Dialektsyntax des Schweizerdeutschen ‘ sprachliche Urteile zu erheben. 27 Jede Methode hat ihre Vor- und Nachteile, und es scheint uns wichtiger, das jeweilige Vorgehen möglichst transparent zu beschreiben, so dass sich alle Nutzer und Nutzerinnen ein Bild vom Entstehen der Daten machen können. So ist beispielsweise für die Beurteilung dessen, was im Folgenden, im Einklang mit den bisherigen Publikationen zum Material des Dialektsyntax-Projekts, „ akzeptiert “ genannt wird, wichtig zu wissen, dass es das Resultat auf die Frage „ Welche der folgenden Sätze können Sie in Ihrem Dialekt sagen ("ja"), welche sind nicht möglich ("nein")? “ ist. Diese Frage blieb durch alle Frageserien hindurch in derselben Form, was die Antworten zumindest vergleichbar macht. Bei den Ankreuzfragen wurden die Gewährspersonen - von einigen Ausnahmen abgesehen, s. u. - gebeten, zusätzlich zur Beurteilung der vorgegebenen Varianten hinsichtlich ihrer Akzeptabilität eine ,natürlichste ‘ Variante zu wählen, stets mit der Formulierung „ Welche Variante ist für Sie die natürlichste? “ Auch wenn Natürlichkeit sicher in theoretischer Hinsicht eine problematische Kategorie ist, hat sich gezeigt, dass die Frage im praktischen Umgang keine Irritationen erzeugte. Allerdings kam es hie und da vor, dass die Antwort offengelassen wurde, was bei der Auswertung zu Problemen führen kann, s. u. Die Ankreuzfragen weisen im Übrigen zwei Versionen auf. Die meisten Ankreuzfragen (52), im ersten Questionnaire alle, sind so gestaltet, dass die Gewährspersonen zuerst die dialektal vorgegebenen Varianten im Hinblick auf ihre Akzeptabilität bewerten mussten und anschliessend eine ,natürlichste ‘ Variante auswählen sollten, z. B. Frage II.22 im Fragebuch. Erst danach folgte die Aufforderung, bei Bedarf auf einer dafür vorgesehenen Linie eine eigene, alternative Variante zu notieren. Das geschah zunächst in derAnnahme, dass die relevanten Varianten bereits vorgegeben waren, so dass durch die alternative Variante keine wesentlichen syntaktischen Varianten ergänzt würden. Die Formulierung „ Würden Sie den Satz normalerweise in einer Form sagen, die nicht aufgeführt ist? “ zielt dabei auf die Angabe einer Variante, die als eigene präferierte Variante zu werten ist. Oft werden hier, wie angenommen, lexikalische oder lautliche Unterschiede zu einer der vorgegebenen Varianten verschriftet, die keinen Einfluss auf die Beurteilung der natürlichsten Variante haben. So etwa von einer Gewährsperson aus Schwanden GL, die zu Frage III.20 (vgl. SADS-Kommentar 2.2.3) nach einem Reflexivpronomen im Akkusativ die Schreibung Er luagät nu für sich selber statt der zuvor als natürlichste Variante bewerteten Vorgabe Er lueget nume für sich sälber angibt. Eine solche Notation bestätigt im Grunde nur die vorherige Angabe, auch wenn die Gewährsperson sie als zusätzliche Variante sieht. Es gibt aber auch Fälle, bei denen die selbst notierte Variante zu einer Veränderung in der Beurteilung der natürlichsten Variante führt, wie etwa im Falle einer Gewährsperson aus Diepoldsau SG, die bei Frage I.12 zum koprädikativen Partizip II ‚ gefroren ‘ (vgl. SADS-Kommentar 4.1.2) zwar zunächst als natürlichste Variante die vorgegebene unflektierte Variante angibt, dann aber selbst eine Satzform notiert, die mit der Variante der erstarrten Koprädikativmarkierung identisch ist, die sie zuvor abgelehnt hat. Das ist damit zu erklären, dass die Form gfrornä vorgegeben war, die der Gewährsperson zu fremd erschien, um sie mit der eigenen Form gfrorna zu identifizieren. In diesem Fall erscheint in der Datenbank die erstarrte Koprädikativmarkierung als natürlichste Variante. Bei 24 Ankreuzfragen (II.6, II.8, II.13 - II.15, II.17, II.30 - II.32, III.22 - III.28, IV.21 - IV.28) konnten die Gewährspersonen aber bereits vor der Frage nach der ‚ natürlichsten ‘ Variante eine eigene, zusätzliche Variante notieren. Die dafür vorgesehene Linie befindet sich unterhalb der suggerierten Antworten mit fortlaufender Nummerierung und wird mit der Vorgabe anders eingeleitet, vgl. z. B. Frage II.30 im Fragebuch. In der Folge sollte die ‚ natürlichste ‘ Variante aus diesen suggerierten und selbst notierten Antworten ausgewählt werden. Dadurch ist die Interpretation der Antworten einfacher, es geht aber möglicherweise Information über die Bevorzugung einer der vorgegebenen Varianten, die als Hauptvarianten angesehen werden, verloren. Dieser Typ Ankreuzfragen wurde v. a. dann gewählt, wenn aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht zu viele Vorgaben gemacht werden sollten und gleichzeitig die Vermutung bestand, dass es noch weitere einschlägige Konstruktionstypen gebe, die dann mit in die Bewertung der natürlichsten Varianten einbezogen werden konnten, so etwa bei Frage II.6 zu den Serialisierungen im Verbalkomplex im Nebensatz (Kommentar 3.1.4). 27 Die Leistung verschiedener Verfahren der direkten Erhebung syntaktischer Variation diskutieren Buchstaller & Corrigan (2011) mit Verweis auf weitere Literatur. 1.4 Die schriftlichen Questionnaires 11 Neben diesen Hauptfragetypen bestehen einige Sonderfälle (I.13, IV.29 - IV.33, IV.38), bei denen es nur eine oder zwei vorgegebene Varianten gibt, ohne dass die Frage nach der ,natürlichsten ‘ Variante gestellt wurde. Darüber hinaus konnte allerdings - mit Ausnahme von Frage IV.38 - jeweils eine eigene Variante notiert werden. Jedem Questionnaire waren mehr oder weniger umfangreiche Tipps zum schriftlichen Ausfüllen vorangestellt. Im ersten Questionnaire wurde zu Beginn etwas ausführlicher darauf hingewiesen, dass es nicht um die Feststellung richtiger oder falscher Antworten gehe, und die Teilnehmenden wurden gebeten, möglichst unbefangen und ohne Rücksicht auf Schreibregeln ihre eigene Aussprache zu verschriften und sich nicht nach anderen Personen zu richten, vgl. die Abbildung am Ende von Kap. 1 dieser Einleitung (S. 18). 1.5 Datenbankstruktur und -inhalt Ab Mitte August 2000 wurden die eingegangenen Adressen der Personen, die ihre Mitwirkung zugesagt hatten, in einer Datenbank (FileMakerPro) erfasst, deren Struktur zunächst Guido Seiler anlegte. Gleich darauf wurden die ersten Questionnaires (mit einem Gratis-Retourcouvert) verschickt, die teilweise sehr schnell ausgefüllt zurückkamen, so dass mit der Eingabe sowohl der persönlichen Daten als auch der Ergebnisse aus der Befragung in die Datenbank begonnen werden konnte. Der grundsätzliche Aufbau der Datenbank, die aus den Gewährspersonen zugeordneten einzelnen Datensätzen besteht, wurde von Claudia Bucheli Berger zusammen mit Guido Seiler konzipiert. 28 Dabei mussten gerade am Anfang die Eingabefelder der Datenbank laufend ergänzt und optimiert werden, was in gemeinsamen Besprechungen mit den Hilfskräften, die die Eingabe vornahmen, diskutiert wurde. Der zweite Questionnaire wurde 2001 verschickt, der dritte und vierte im Laufe des Jahres 2002, so dass in den ersten drei Jahren ein ständiger Bedarf an einer Datenbankbetreuung bestand. Seit 2002 übernahm ein Datenbankspezialist vom Rechenzentrum der UZH (Albert Ochsner) periodisch die weitere Anpassung der Datenbankfelder und Programmierung nötiger Scripts für die Datenbankabfragen. Nach verschiedenen Kontrollgängen mussten immer wieder neue Anpassungen vorgenommen werden. Seit Ende 2004 wurden wir bei der kontinuierlichen Anpassung der Datenbank von Noah Bubenhofer, damals Assistent am Deutschen Seminar, unterstützt. Die Datenbank enthält Felder für die einzelnen von uns gebildeten Kategorien, denen die Antworten der Gewährspersonen, sowohl aus den Übersetzungsfragen als auch aus den Ankreuzfragen, zugeordnet wurden. 29 Das bedeutet insbesondere, dass die originalen Übersetzungen nicht in der Datenbank erfasst sind, sondern lediglich deren Kategorisierung, also etwa bei der Übersetzungsfrage I.1 nach dem finalen Infinitivanschluss, welcher Anschlusstyp vorliegt, z. B. zum, für, um, für zum etc., oder ob einzig eine unbrauchbare Antwort gegeben wurde, vgl. den Kommentar 5.1.1. Bei den Ankreuzfragen sind in der Regel die vorgegebenen Varianten als Felder mit ja/ nein-Struktur angelegt sowie eventuell die weiteren notierten Strukturen. Darüber hinaus ist auch festgehalten, welche Variante als „ natürlichste “ gewertet wurde, sei es aufgrund der Angaben der Gewährspersonen allein, oder sei es aufgrund unserer Interpretation der Sachlage, wenn die Antworten komplex oder gar widersprüchlich waren. Bei dieser Festlegung musste auch auf die unterschiedlichen Typen von Ankreuzfragen Rücksicht genommen werden. Beim Haupttyp wurde, wie in 1.4 erläutert, eine von der Gewährsperson eigens notierte brauchbare Variante in der Regel höher gewichtet als die zuvor getroffene Wahl der ,natürlichsten ‘ Variante aus den vorgegebenen Sätzen. Das führte bei diesem Typ dazu, dass die selbst notierte brauchbare Variante als natürlichste Variante in der Datenbank erscheint. Beim Nebentyp wurde die ,natürlichste ‘ Variante als präferierte Antwort gewertet, egal, ob es sich um eine suggerierte oder um eine notierte Antwort handelt, sofern diese brauchbar war. Gelegentlich mussten auch zwei Varianten als natürlichste Varianten kodiert werden, zum einen, wenn eine Gewährsperson mehrere als gleichwertig angegebene Varianten übersetzte, 28 Die einzelnen Datensätze sind über die vom Schweizer Bundesamt für Statistik vergebene BFS-Nr., mit denen die Schweizer Gemeinden eindeutig identifizierbar sind, auf Orte zu beziehen, womit ortsbezogene Auswertungen gemacht werden können. 29 Vgl. hierzu und zum Folgenden die ausführliche Darstellung bei Bucheli Berger (2008: 34 - 35). 12 1 Das Forschungsprojekt ‚ Dialektsyntax des Schweizerdeutschen ‘ zum anderen aber auch, wenn in Ankreuzfragen explizit mehrere Varianten als natürlichste Varianten angegeben wurden. Wenn eine unbrauchbare Antwort als natürlichste Variante gewählt wurde oder die Angaben widersprüchlich waren, wurde die Antwort dieser Gewährsperson für die vorliegende Frage als nicht brauchbar in der Datenbank klassifiziert, es sei denn es wurde auch eine vorgegebene Variante angekreuzt. Bevor die Hilfskräfte diese z.T. auf komplexen Algorithmen basierenden Angaben in die Datenbank eingeben konnten, musste von der Projektleiterin zusammen mit den Hauptmitarbeitern die Klassifikation der Konstruktionen in einzelne Varianten und die Bestimmung unbrauchbarer Antworten Frage für Frage vorgenommen werden. Während inhaltlich stark abweichende Übersetzungen und Antworten, die sich nicht von der standardsprachlichen Vorlage lösen konnten, relativ leicht als unbrauchbar zu bestimmen waren, ergab sich in zahlreichen weiteren Fällen erst nach intensiven Diskussionen im Team eine Entscheidung über die Zuordnung von Konstruktionen zu den Zielkonstruktionen oder zu den unbrauchbaren Antworten. In vielen Fällen wurde dann die Antwort der Gewährspersonen in einem eigenen Datenfeld festgehalten, um, wenn nötig, auch später die Entscheidung nochmals überprüfen zu können. Die Einschätzung als unbrauchbare Antwort wird in Kap. 2 der Einleitung weiter ausgeführt, da diese Festlegung eine wichtige Rolle für Zahlenangaben in den Kommentaren und für die Kartierung, insbesondere bei den Prozentkarten, spielt. Auch Bemerkungen und Zusatzbeispiele der Gewährspersonen wurden in der Regel in diesem Feld festgehalten, z.T. mit Codes versehen, so dass bestimmte Typen von Bemerkungen bei Bedarf schnell auffindbar sind. Das war insbesondere in den Anfangsjahren für die ersten Auswertungen in Publikationen und Vorträgen wichtig, weil auf diese Weise nicht jedes Mal die Konsultation der Original-Questionnaires nötig war. Mit der 2007 erfolgten Verlinkung der gescannten Einzelfragen mit der Datenbank ergab sich allerdings eine zusätzliche Möglichkeit der schnellen Überprüfung und Ergänzung der Datenbankangaben anhand der Scans. Die Datenbank ist damit das zentrale Arbeitsinstrument für die Analyse der im Rahmen des Projekts Dialektsyntax erhobenen Daten. Zusammen mit den Scans stellt sie die Basis für weitere mögliche Auswertungen dar. Nach Abschluss des Projekts und nach dem Erscheinen des SADS, in dem ein grosser Teil des Materials in Karten und Kommentaren ausgewertet ist, wird sie zunächst an der Universität Zürich archiviert werden. Bereits 2002 wurde für externe Interessierte (Studierende, Doktorierende und sonstige Forschende) eine webbasierte Datenbank (MySQL) programmiert, die über die Homepage des Projekts passwortgeschützt vielfältig genutzt wurde. Sie basiert auf den Daten der Filemaker-Datenbank, mit anonymisierten Personaldaten und reduzierten Abfragemöglichkeiten, seit 2004 auch mit der Möglichkeit, die Ergebnisse zu kartieren. 30 Auch hier war prinzipiell der Zugang zu den Scans möglich. Während die Filemaker-Datenbank bis zum Abschluss der SADS-Arbeiten immer wieder korrigiert und ergänzt wurde, wurden die Daten der MySQL-Datenbank ab 2014 nicht mehr erneuert, so dass sie in manchen Teilen nicht mehr auf dem allerneuesten Stand waren. Aktuell bestehen Pläne, das Material im Rahmen einer neuen Online-Datenbank der Forschungsgemeinde zur Verfügung zu stellen. 1.6 Zur Auswertung und Kartierung des Materials Schon in einem sehr frühen Stadium waren Auswertungen aufgrund von Datenbankabfragen der ersten eingegebenen Questionnaires möglich, vgl. Bucheli & Glaser (2002). Bald darauf nahmen Claudia Bucheli Berger und Guido Seiler Kontakt mit Heiri Leuthold ( † ) vom Geographischen Institut (Geographische Informationssysteme GIS) der Universität Zürich auf, um passende Kartierungsmöglichkeiten zu besprechen, wobei die Wahl auf die Software Esri ArcGIS fiel, für die wir auf Unterstützung durch das Geographische Institut rechnen konnten. Mit der Unterstützung von Barbla Schmid (Firma geoconcept) wurde das Programm mit allen nötigen Zusätzen auf den Projektcomputern installiert, so dass wir ab 2002 die Ergebnisse unserer 30 Die Kartierung wurde von Noah Bubenhofer, damals Assistent am Deutschen Seminar, der zeitweise auch den Datenexport aus der Filemaker-Datenbank übernahm, implementiert. 1.6 Zur Auswertung und Kartierung des Materials 13 Datenbankabfragen in das Kartierungsprogramm ArcMap importieren und visualisieren konnten. Die seither publizierten Karten wurden ebenso wie die im SADS enthaltenen durchweg mit diesem Programm erstellt. Es ist hier nicht der Ort, um die in den zahlreichen bisherigen Publikationen mitgeteilten Resultate, die aus dem Projekt zur Dialektsyntax des Schweizerdeutschen hervorgegangen sind, zu wiederholen. Einige Bemerkungen und generelle Hinweise dazu sollen hier genügen. Zum einen wurden im Zusammenhang des Projekts verschiedene Phänomene der schweizerdeutschen Syntax, die vorher kaum bekannt waren, einer näheren Analyse unterzogen, so unter anderem die Präpositionale Dativmarkierung, die Koprädikativmarkierung, die Doppelsetzung des unbestimmten Artikels, der Komparativanschluss und die Fragewortverdopplung. 31 Ausserdem war bereits in den ersten Auswertungen erkennbar, dass sich die Hypothese bestätigte, dass sich verschiedene raumbildende Varianten nachweisen lassen würden, vgl. Glaser (2003). Dieses Ergebnis zeigte sich übereinstimmend in verschiedenen anderen mehr oder weniger gleichzeitig arbeitenden Projekten zur Erforschung dialektaler Syntax, vgl. Kortmann (2010). Von besonderem Interesse waren auch die Erkenntnisse, die bei der genaueren Analyse der räumlichen Verteilung syntaktischer Varianten anhand einiger ausgewählter Phänomene gewonnen werden konnten und beispielsweise bei Seiler (2005) in der These der ‚ schiefen Ebene ‘ zusammengefasst sind. In seiner Studie von 2004 befasst sich Seiler mit der verbreiteten Optionalität syntaktischer Varianten, d. h. dem Nebeneinander mehrerer konkurrierender Varianten inter- und intrapersonell, und diskutiert die Konsequenzen für die Syntaxtheorie. 32 Solche Analysen wurden aufgrund der spezifischen Projektanlage mit mehreren Gewährspersonen pro Ort sowie der Frage nach der Akzeptanz neben der Bewertung als natürlichste Variante ermöglicht. Die genauere Betrachtung der Variation in den Daten ist das Thema in Glaser et al. (2020), wobei insbesondere die intrapersonelle Variation bei 71 für die Atlaspublikation vorbereiteten Fragen (zu 25 Phänomenen) im Zentrum steht. 33 Selbst bei der Frage nach der natürlichsten Variante treten bei den meisten Fragen einige Fälle von intrapersoneller Varianz auf. Besonders hoch ist die intrapersonelle Varianz bei der Akzeptanz von Varianten durch jüngere Gewährspersonen. Die Berücksichtigung mehrerer Gewährspersonen am Ort sowie der intrapersonellen Varianz macht auch weitere quantitative Bearbeitungen möglich, wie sie in einem Nachfolgeprojekt unternommen wurden, s. u. 1.7. Mit Blick auf die schweizerdeutsche Dialektologie waren darüber hinaus verschiedene Konstellationen räumlicher Verbreitung von Varianten von Interesse, vgl. Glaser (2014), Glaser & Bart (2015), die bekannte Dialekträume und -grenzen bestätigen, so etwa die bekannte Nord-Süd-Verteilung, die sich v. a. bei konservativen Merkmalen, wie etwa der Kongruenz, 34 zeigt, aber auch die Ost-West-Verteilung, die mit verschiedenen Beispielen aus der Syntax, v. a. im Verbalbereich, zu belegen ist, etwa der Serialisierung in Verbkomplexen, der sogenannten Verbverdoppelung bei ‚ lassen ‘ und ‚ anfangen ‘ sowie beim Auftreten eines Ersatzinfinitivs der Verben ‚ lernen ‘ , ‚ hören ‘ und ‚ helfen ‘ . 35 Besonders interessant ist aber, dass es auch eine ganze Reihe von recht kleinräumig auftretenden Varianten gibt, wie etwa pronominale Dativformen für Akkusativ im Kanton Freiburg oder Artikellosigkeit bei Rufnamen im Berner Oberland. 36 Die Präpositionale Dativmarkierung folgt keiner sonst bekannten Raumverteilung, 37 wobei hier konfessionelle Zusammenhänge ins Spiel gebracht wurden (Bucheli Berger & Landolt 2014). Schliesslich zeigte sich auch die Situation, dass Varianten über das gesamte Erhebungsgebiet hinweg prinzipiell gleichwertig nebeneinander vorkommen, wie die Doppelsetzung des Indefinitartikels, vgl. dazu Richner-Steiner (2011) sowie Sibler (2011) mit einer genauen quantitativen Analyse, die bestimmte räumliche Schwerpunkte aufzeigt. 31 Soweit die Phänomene in den SADS eingegangen sind, finden sich die einschlägigen Publikationen der Projektmitarbeiter in den jeweiligen Kommentaren, zu den übrigen Phänomenen sind sie unter 1.7 zusammengestellt. 32 Zu solchen theoretischen Überlegungen ist auch Barbiers (2013) zu vergleichen. 33 Die dort angegebenen Zahlen beruhen auf einem älteren Stand und können von denen in den Kommentaren des vorliegenden Atlasbandes leicht abweichen. 34 Vgl. dazu auch die Kommentare in den Unterkapiteln 4.1 - 4.3. 35 Vgl. dazu auch die Kommentare in den Unterkapiteln 3.1 - 3.4. 36 Vgl. dazu insbesondere auch die Kommentare 1.2., 2.1.1 - 2.1.3. 37 Vgl. dazu auch die Kommentare unter 1.3. 14 1 Das Forschungsprojekt ‚ Dialektsyntax des Schweizerdeutschen ‘ Neben der Auswertung einzelner Fragestellungen im Zusammenhang von Vorträgen, Publikationen und Qualifikationsarbeiten wurde bereits früh an der Konzeption eines Atlas gearbeitet. Dazu wurden für zahlreiche Fragen Karten erstellt, um zu beurteilen, ob einzelne Varianten von sprachgeographischem Interesse sind. Die Fragenummern mit relevanten Ergebnissen wurden schliesslich weiterverfolgt und mit Kommentaren versehen, die Hintergrundinformation zu diesen Karten liefern sollten. Bis zum Abschluss des SNF-Projekts waren Prototypen solcher Kommentare von Guido Seiler und insbesondere von Claudia Bucheli Berger bereits für zahlreiche Karten erstellt worden. 38 In der Überarbeitungsphase ab 2010 wurden von Elvira Glaser und Gabriela Bart die Kommentare in ihrem Aufbau dann vereinheitlicht, mit verschiedenen Zahlenangaben ergänzt und mit zusätzlichen Bemerkungen versehen, die Hinweise für eine Auswertung geben sollen. Einige Fragenummern kamen in dieser Phase noch neu hinzu, einige wurden schliesslich ausgesondert. In 17 Fällen wurden Karten und Kommentare von Gabriela Bart neu erstellt: zu Possessivkonstruktionen (II.22, II.23, II.30, IV.29, IV.33), zu Rufnamen (IV.27, IV.38), zum Partitivpronomen (III.6), Pronomencluster (IV.8), zum expletiven es (I.13), Drei-Verb-Cluster (II.14, II.2), Gerundium (II.4), Koprädikativ (I.17). Die Kommentare zum Komparativanschluss hat Matthias Friedli entworfen (III.22, III.25, III.28). Zu 48 Fragenummern sind im SADS keine Kommentare enthalten. 39 Questionnaire Nicht im Kommentarteil enthaltene Fragenummern I I.4, I.5, I.10, I.14 - I.16 II II.8, II.10, II.15, II.16, II.21, II.24, II.25, II.26, II.27, II.29 III III.9, III.14, III.15, III.18. III.21, III.24, III.26, III.27 IV IV.1, IV.5 - IV.7, IV.9, IV.10, IV.12, IV.13, IV.15, IV.16, IV.18 - IV.20, IV.22, IV.23, IV.24, IV.26, IV.30, IV.31, IV.32, IV.34 - IV.37 Einige dieser nicht im Kommentarteil abgehandelten Fragen sind in separaten Publikationen, z.T mit Karten, behandelt, von denen die wichtigsten Arbeiten im Folgenden zusammengestellt sind: I.10, IV.1 (Doppelter Indefinitartikel): Steiner 2005, 2006, Richner-Steiner 2011, Bart et al. 2013. II.19 (Stellung Indefinitpronomen), II.8 (Indefinitpronomen vor Massennomen), II.10 (Doppelter Definitartikel): Steiner 2006. IV.24, IV.26 (Satzverschränkung): Brandner & Bucheli Berger 2018. IV.23 (Doppeltes W-Wort): Frey 2005, 2006, 2010. Zu verschiedenen Fragen rund um die Verwendung von Subjektpronomina inklusive expletives es (III.15, II.29, I.13, II.18, II.2 a, I.15, II.21, II.14, II.2) hat Meyer-Schwarzenberger 2015 eine wirtschaftswissenschaftliche Auswertung vorgelegt. III.10: Die Fragenummer ist im SADS zwar enthalten, aber dort nicht hinsichtlich der ursprünglich intendierten Fragestellung (bekommen-Passiv) ausgewertet. Teilauswertungen dazu finden sich aber in Bucheli 2005 b, Glaser 2005 b. Darüber hinaus sind in Überblicksdarstellungen, wie Bucheli & Glaser (2002), Glaser & Frey (2007), Bart et al. (2013), Glaser (2014), Glaser & Bart (2015) einige dieser Fragen kurz angesprochen. Zu weiteren behandelten Fragen sind die Qualifikationsarbeiten unter 1.7 zu vergleichen. 38 Guido Seiler hatte bis zu seinem Ausscheiden Kommentare und Karten zu folgenden Phänomenen entworfen: Syntax von anfangen, Resultativkonstruktionen, Finaler Infinitivanschluss, Passiv, Pronomina, PDM, expletives es, Relativsatzanschluss, Verberstnebensatz sowie Karten zu verschiedenen Possessivkonstruktionen. Claudia Bucheli Berger hatte bis zu ihrem Ausscheiden insbesondere folgende Themenbereiche bearbeitet bzw. weiterbearbeitet: Koprädikativ, Passiv, lassen-Konstruktionen, Verbcluster, Relativsatzanschluss, Rufnamen, Ersatzinfinitiv, kommen-Konstruktion, Konverb, Gerundium, pronominale Kasusformen. 39 Für die grau markierten Fragen gibt es mehr oder weniger umfangreiche Teilauswertungen im sogenannten Zusatzmaterial einzelner Kommentare, vgl. Kap. 2.1 der Einleitung. 1.6 Zur Auswertung und Kartierung des Materials 15 1.7 Flankierende Unternehmungen, Qualifikationsarbeiten und Folgeprojekte Zusätzlich zur schriftlichen Befragung wurden zur Kontrolle der Ergebnisse einige mündliche Befragungen im Rahmen von Exkursionen an dialektologisch besonders interessante Orte durchgeführt, bei denen mit Teilnehmenden unserer schriftlichen Befragung in mündlichen Befragungen weiteres Material zu einigen ausgewählten Themenbereichen gesammelt wurde. Solche Befragungen fanden in der ersten Projektphase in Muotathal SZ, in Visperterminen und im Lötschental VS statt. Bei dem ersten Treffen in Muotathal ( Jan. 2001) ging es neben Fragen zur Präpositionalen Dativmarkierung v. a. um Rückmeldungen der Gewährspersonen auf unseren ersten Questionnaire, um gegebenenfalls daraufhin den zweiten Questionnaire noch anpassen zu können. An den beiden Walliser Orten ( Juni 2001) wurden u. a. Fragen zur Kongruenz, zum Possessiv, zu Rufnamen und Final- und Relativsatzanschlüssen gestellt. In der zweiten Phase wurde eine Exkursion in die Walsersiedlung Vals GR ( Juni 2004) durchgeführt, wo das Projektteam dieses Mal zusammen mit Studierenden wiederum einzelnen Phänomenen, die in der Auswertung der Questionnaires auffielen, gezielt nachging (z. B. Passiv, Resultativ, Fragepartikel geb, Relativsätze). Eine weitere Exkursion der Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeiter fand im September 2005 nach Schwarzsee FR statt, wo Interviews zu verschiedenen Einzelproblemen, wie Kasus, Kongruenz, Passiv, Possessiv, Komparativ, Verdopplung von Artikeln und W-Wörtern, durchgeführt wurden. 2009 fand nochmals eine Exkursion zusammen mit Studierenden in die Walsersiedlung Langwies GR statt, bei der u. a. Relativsätze, Verbcluster, Possessivkonstruktionen und die Artikelsetzung bei Eigennamen erhoben wurden. Die Aufnahmen der Interviews und spontanen Gespräche sind im Phonogrammarchiv der Universität Zürich archiviert. Die mündlichen Befragungen sind punktuell in einzelne Publikationen eingegangen, aber nicht in die Auswertung für den Atlas systematisch einbezogen worden. Dort wird nur ganz gelegentlich in Ausnahmefällen darauf Bezug genommen. Die mündlichen Befragungen waren für uns v. a. wichtig, um eine Vorstellung davon zu bekommen, inwieweit die schriftlichen Befragungen ungefähr dieselben Ergebnisse erbrachten wie die mündlichen. Das liess sich bestätigen, wenn auch bei variativen Phänomenen die Gewährspersonen teilweise andere Varianten wählten als in der schriftlichen Antwort. Dass auch bei der mündlichen Befragung manche Fragekomplexe nicht ganz problemlos zu erheben waren, z. B. die Relativsatzkonstruktionen, bestärkte uns in der Überzeugung, dass beide Erhebungsmethoden ihre Vor- und Nachteile haben und die schriftliche Befragung durchaus neben den Ergebnissen der mündlichen Befragung bestehen kann. Im Rahmen des Projekts ‚ Dialektsyntax des Schweizerdeutschen ‘ fanden auch zwei Workshops statt, an denen Fragen der Projektarbeit mit Kollegen und Kolleginnen aus dem In- und Ausland diskutiert wurden. Auf dem ersten Workshop (5. 10. 2001) ging es v. a. darum, über den Stand der Projektarbeit und die ersten erkennbaren Ergebnisse zu informieren und das weitere Vorgehen mit Fachkollegen zu diskutieren. Die vorgelegten Ergebnisse zur Sprachgeographie syntaktischer Varianten wurden allgemein als überzeugend und vielversprechend beurteilt. Im März 2005 führten wir, nachdem mittlerweile zahlreiche Karten mit ArcMap entstanden waren, einen weiteren Workshop durch, zu welchem wir Spezialisten auf dem Gebiet der Sprachkartenerstellung und -interpretation einluden, mit dem Ziel, unsere Kartierungsmethoden zu diskutieren. Dabei wurden Fragen der Symbolwahl, der Nutzung der Farben sowie des Umgangs mit absoluten und relativen Quantitäten besprochen. Anschliessend wurde die Geographin Barbla Schmid (Firma geoconcept), die mit dem Projekt gut vertraut war, damit beauftragt, für ausgewählte Phänomene Vorschläge für eine Kartierung insbesondere unter Berücksichtigung der Quantitäten zu machen. Die Vorschläge wurden zwar nicht direkt übernommen, aber anschliessend wurden in den Projektpublikationen verschiedene Kartierungen, auch mit Prozentangaben, explorativ angewandt, vgl. z. B. Bucheli Berger et al. (2012), Bucheli Berger (2019). Für die Kartierung in der Atlaspublikation entschieden wir uns aber - anders als das SyHD-Projekt - gegen eine grundsätzliche quantitative Repräsentation der Varianten, etwa in Kreisdiagrammen, als Hauptkartierung. Die Kombination von Hauptkarten, die die Existenz einer Variante am Ort unter gesonderter Ausweisung der Einzelnennungen visualisieren, mit, wo nötig, zusätzlichen Prozentkarten schien uns den Verhältnissen des Materials mit stark schwankenden Antwortzahlen pro Ort besser angepasst zu sein, vgl. auch 2.2 dieser Einleitung. Aufgrund der langjährigen Kontakte mit dem Geographischen Institut durch die Nutzung der Software ArcGis zur Erstellung von Karten ergab sich ab 2008 eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Elvira Glaser 16 1 Das Forschungsprojekt ‚ Dialektsyntax des Schweizerdeutschen ‘ und Robert Weibel und den jeweiligen Teams. In diesem Rahmen entstanden u. a. eine gemeinsam betreute Masterarbeit in der Geographie (Sibler 2011) auf der Basis der Daten des Dialektsyntaxprojekts sowie einige gemeinsame Publikationen (Bart et al. 2013; Glaser & Bart 2012; Sibler et al. 2012), in denen u. a. Flächenkarten vorgestellt wurden. Die Zusammenarbeit mündete in einem interdisziplinären Folgeprojekt (SynMod, 2013 - 2017), 40 mit Philipp Stoeckle als linguistischem PostDoc und Péter Jeszenszky als Doktorand in der Geographie (GIS). In diesem Projekt wurden gezielt raumstatistische und dialektometrische Untersuchungen anhand der Daten des Dialektsyntax-Projekts durchgeführt, z. T. auch in Zusammenarbeit mit Yves Scherrer (damals Genf, jetzt Helsinki), vgl. Scherrer & Stoeckle (2016). Neben der Dissertation von Péter Jeszenszky ( Jeszenszky 2018) entstanden zwei weitere Masterarbeiten in der Geographie (Kellerhals 2014; Sieber 2017) wiederum mit den Daten des Dialektsyntax-Projekts sowie verschiedene Publikationen der Projektmitarbeiter ( Jeszenszky & Weibel 2014, 2015, 2016; Stoeckle 2016; Stoeckle & Jeszenszky 2017; Jeszenszky et al. 2017, 2019; Stoeckle 2018; Glaser et al. 2020). 41 Weitere Kollaborationen folgten dann im Kontext des Universitären Forschungsschwerpunkts (UFSP) Sprache und Raum, insbesondere mit der dort angesiedelten GIS-Gruppe unter der Leitung von Curdin Derungs, z. B. Derungs et al. (2019). Neben zahlreichen Seminararbeiten sind im Laufe der Jahre folgende Abschluss- und Qualifikationsarbeiten auf der Basis oder mit Berücksichtigung der Daten des Projekts ‚ Dialektsyntax des Schweizerdeutschen ‘ entstanden. Die Arbeiten sind im Folgenden mit Kurztitel (in chronologischer Reihenfolge) zusammengestellt, ausführliche Angaben finden sich im Literaturverzeichnis. Die Dissertationen von Richner-Steiner, Friedli, Bart und Hasse bauen auf Lizentiatsarbeiten auf, die ebenfalls SADS-Daten behandelt haben. Seiler (2003): Präpositionale Dativmarkierung. Diss. 2002 Univ. Zürich. Inderbitzin (2006): Und dänn isch en Fuchs z schliiche cho! Lizentiatsarbeit Univ. Zürich. Pérez (2006): I ha de vill z vezöllid! Lizentiatsarbeit Univ. Zürich. Burgmeier (2006): I gang go schaffa. Lizentiatsarbeit Univ. Zürich. Richner-Steiner (2011): E ganz e liebi Frau. Diss. 2007 Univ. Zürich. Weber (2008): Er loot de Schriiner choo und Er het d Uhr flicke loo. Lizentiatsarbeit Univ. Zürich. Studler (2011): Artikelparadigmen. Diss. 2008 Univ. Zürich. Friedli (2012): Komparativanschluss. Diss. 2008 Univ. Zürich. Frey (2010): Verdoppelung des w-Wortes. Diss. 2010 Univ. Bern. Damiano (2012): Es foht afo rägne. Lizentiatsarbeit Univ. Zürich. Hasse (2021): Indefinitartikelflexion. Diss. 2018 Univ. Zürich. Bucheli Berger (in Druckvorb.): Syntax von ‚ lassen ‘ . Habilitationsschrift 2018 Univ. Zürich. Bart (2020): Possessivkonstruktionen. Diss. 2019 Univ. Zürich. Dazu kommen Dissertationen, die ausserhalb des Projekts entstanden sind, aber massgeblich Daten des Dialektsyntax-Projekts herangezogen haben: Wilde (2015): Konjunktiv im Schweizerdeutschen. Diss. 2012 Univ. Bern. Perrig (2018): Kasussynkretismus im Alemannischen. Diss. 2013 Univ. Bern. Meyer-Schwarzenberger (2015): Grammatik und Sozialkapital. Diss. 2015 Univ. St. Gallen. Kobel (2020): Är isch ga schwümme. Diss. 2019 Univ. Bern. 40 [www.spur.uzh.ch/ de/ research/ associated/ synmod2]. 41 Die Publikationen sind unter dem folgenden Link zusammengestellt: [www.spur.uzh.ch/ de/ research/ associated/ synmod2/ publications]. 1.7 Flankierende Unternehmungen, Qualifikationsarbeiten und Folgeprojekte 17 U N I V E R S I T Ä T Z Ü R I C H D E U T S C H E S S E M I N A R Schönberggasse 9, CH-8001 Zürich Tel. (01) 634 25 47 (MO 10-12, DO 10-12), Fax (01) 634 49 05 Projekt Dialektsyntax Leitung: Prof. Dr. Elvira Glaser Mitarbeiter: lic. phil. Claudia Bucheli, lic. phil. Guido Seiler Erster Fragebogen zum Satzbau des Schweizerdeutschen a) Tipps Mit diesem Fragebogen möchten wir herausfinden, wie Sie Ihre Mundart im Alltag sprechen. Es soll also keineswegs getestet werden, wie gut Sie Ihren Dialekt beherrschen, sondern wir wollen wissen, wie Sie normalerweise und spontan sprechen. Schreiben Sie einfach so, wie Sie zu sprechen gewohnt sind, ohne Rücksicht auf die Rechtschreibung. Lassen Sie sich nicht durch die vorgegebene Schreibung der einzelnen Wörter stören. Der Fragebogen wird von Mundartsprechern aus der ganzen Deutschschweiz beantwortet, und es ist klar, dass sich Ihre Aussprache der Wörter deshalb von dem unterscheiden kann, was wir geschrieben haben. Sicher hilft es Ihnen, wenn Sie sich die Sätze laut vorlesen. Für uns ist vor allem die Anzahl, Auswahl und Reihenfolge der Wörter wichtig, nicht die Aussprache. Sie werden manchmal eine ganze Reihe ähnlicher Sätze nacheinander anschauen müssen, was auch ermüdend sein kann. Wenn Sie merken, dass die Fragen Sie zunehmend verwirren und Sie nicht mehr sicher sind, wie Sie spontan sagen würden, ist es am besten, Sie legen den Fragebogen für eine Weile zur Seite. Damit wir ein möglichst getreues Bild Ihres tatsächlichen Sprachgebrauchs erhalten, bitten wir Sie, die Fragen alleine zu beantworten und sich nicht beeinflussen zu lassen. Falls eine andere Person ebenfalls Interesse hat, unseren Fragebogen auszufüllen, kann diese sich gerne an uns wenden, um einen weiteren Fragebogen zu erhalten. Erste Seite mit Tipps für die Gewährspersonen zum Ausfüllen des Fragebogens 18 1 Das Forschungsprojekt ‚ Dialektsyntax des Schweizerdeutschen ‘ 2 Der Syntaktische Atlas der deutschen Schweiz (SADS) Der SADS behandelt eine Auswahl an Fragenummern aus den vier Questionnaires des Projekts Dialektsyntax, vgl. Kap. 1.3 und 1.4 der Einleitung. Die Auswahl orientiert sich v. a. daran, dass die behandelten Varianten sprachgeographisch aussagekräftige Kartenbilder ergeben. Zweifellos sind für die Syntax der schweizerdeutschen Dialekte auch andere Charakteristika relevant, wie etwa die Doppelsetzung des Indefinitartikels (Steiner 2011), vgl. dazu Kap. 1.6 und 1.7 der Einleitung. Da sich hier aber kein klares Raumbild zeigt und zudem eine Dissertation dazu publiziert ist, verzichten wir im Atlas auf die Auswertung der entsprechenden Fragen. Im Übrigen wurde die Auswahl auch noch dadurch geleitet, dass möglichst verschiedene Bereiche abgedeckt und auch solche Phänomene einbezogen werden sollten, die in der Fachliteratur bereits einige Aufmerksamkeit erhalten haben, ohne dass bisher eine breite Erhebung und Dokumentation erfolgt ist, wie etwa die in den Kommentaren 3.1 - 3.4 behandelten Fragen zur Verbalsyntax. Der SADS besteht aus zwei Bänden, dem vorliegenden Band 1, mit Einleitung, Kommentartexten und weiteren Anlagen inklusive Fragebuch, und Band 2, der die Karten enthält. Die Kommentare und die Karten sind eng aufeinander bezogen. Zu jedem Kommentar einer behandelten Frage aus einem der Questionnaires gibt es mindestens eine Karte (Hauptkarte genannt). Die Struktur der Bände und die interne Gliederung der Kommentare im vorliegenden Band werden im Folgenden erläutert, um die Benutzung des Atlas zu erleichtern und zu helfen, das dargebotene Material richtig zu interpretieren. 2.1 Aufbau des Kommentarteils und der Kommentare Die Kommentare sind in fünf Grosskapitel gruppiert, die bestimmte Themenbereiche zusammenfassen, wobei es hier aus praktischen Gründen um eine grobe linguistische Einordnung ohne weitergehende theoretische Implikationen geht. Unter 1 Nominalphrase werden in drei Unterkapiteln Fragen, die den Aufbau der Nominalphrase betreffen, behandelt, unter 2 Pronomina geht es in sechs Unterkapiteln um Formen und Funktionen verschiedener Pronomina einschliesslich ihrer Position. Im 3. Kapitel Verbalgruppe sind in sechs Unterkapiteln v. a. mehrteilige Verbalphrasen hinsichtlich der Position und Form einzelner Bestandteile behandelt. Kapitel 4 Sekundäre Prädikation befasst sich in fünf Unterkapiteln v. a. mit der formalen Markierung von Adjektiven und Partizipien neben Prädikatsverben, einschliesslich der hier eingereihten Resultativkonstruktionen, die durch potentielle Kongruenz mit den anderen Fragen dieser Gruppe verbunden sind. Im letzten Kapitel 5 Junktion werden in drei Unterkapiteln verschiedene Nebensatzanschlüsse abgehandelt. Die Unterkapitel wiederum umfassen dann ein bis sechs einzelne Fragen. Die laufenden Nummern setzen sich aus der Angabe des Kapitels, des Unterkapitels und einer für die einzelne Frage geltenden Nummer zusammen, z. B. 1.1.1 usw. In einigen Unterkapiteln ist den Einzelfragen ein kurzer gemeinsamer Einleitungstext vorgeschaltet, der dann als letzte Ziffer 0 aufweist, z. B. 1.1.0. In diesem spezifischen Kapitel werden z. B. die Thematik der Possessivkonstruktionen und der Forschungsstand dargestellt sowie der im Atlas besprochene Themenbereich eingegrenzt. Einzelne Unterkapitel (1.3, 3.2, 3.4, 4.1, 5.1) enthalten als letztes einen Vergleichskommentar, der mit der laufenden Nummer versehen ist und die Ergebnisse aus den Einzelkommentaren bespricht. Der Kommentarteil umfasst Kommentare zu 70 Fragen. In einem Fall ist eine Fragenummer (II.5) mit zwei Kommentaren zu verschiedenen Gesichtspunkten vertreten, in einem andern Fall (II.2) mit drei Kommentaren, so dass insgesamt 73 auf Fragenummern bezogene Kommentare vorliegen. Neben 26 Übersetzungsfragen und einer Ergänzungsfrage gibt es insgesamt 46 Ankreuzfragen, die im SADS behandelt werden. Alle auf einzelne Fragenummern bezogenen Kommentare, ausgenommen den Kommentar 1.2.5 zu Frage IV.38, der in verschiedener Hinsicht inhaltlich und formal einen Sonderfall darstellt, sind gleich aufgebaut. Die einzelnen Abschnitte sind nach dem Kommentartitel in der nachfolgend dargestellten Weise durchnummeriert und einheitlich benannt. Abschnitt 8 erscheint nur, wenn Zusatzmaterial vorhanden ist. Abgeschlossen wird der Kommentar jeweils mit Kurztiteln der zitierten Literatur, falls vorhanden, sowie gegebenenfalls mit Hinweisen auf Sekundärliteratur, in der Material aus dem Dialektsyntax-Projekt bereits behandelt wurde. 1. Kartenthema und Datengrundlage 2. Typisierung der kartierten Varianten 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung 4. Bemerkungen der Gewährspersonen 5. Weitere Varianten 6. Unbrauchbare Antworten 7. Weitere Bemerkungen 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS (falls vorhanden) Die einzelnen Abschnitte sollen im Folgenden kurz charakterisiert werden. Jeder Kommentar beginnt mit einem fett gedruckten Kommentartitel, der in der ersten Zeile aus der laufenden Nummer und einer grammatischen Kurzcharakterisierung des betroffenen Phänomens besteht, z. B. 1.1.2 Possessivkonstruktionen (prädikativ, Männername). In der zweiten Zeile sind die Fragenummer aus dem originalen Fragebuch, der Aufgabentyp in Abkürzung (A = Ankreuzfrage, Ü = Übersetzungsfrage, E = Ergänzungsfrage) und der abgefragte Satz angegeben. Wenn es sich um eine Übersetzungsfrage handelt, ist hier der vorgegebene Satz aus dem Fragebuch in Kapitälchen wiedergegeben. Bei Ankreuzfragen, bei denen im Fragebuch die verschiedenen syntaktischen Varianten in dialektalisierter Form und teilweise in drei Versionen (Hauptversion, BE, VS) vorgeben wurden, wird im Titel eine ‚ verhochdeutschte ‘ Version dieser Sätze, ebenfalls in Kapitälchen, angegeben, die relativ nah an der schweizerdeutschen Struktur bleibt, aber allgemein verständlich sein soll. Die Sätze sind also nicht als standardsprachliche Übersetzungen gemeint, sondern sie dienen v. a. dazu, unter Beibehaltung von Helvetismen zusammen mit der grammatischen Charakterisierung die erfragte Satzstruktur nachvollziehbar zu machen. Das Verfahren lässt sich am Beispiel der Frage II.22 N ein, das ist dem P eter (1.1.2) illustrieren, bei der, wie in der grammatischen Kurzcharakterisierung angegeben, eine prädikative Possessivkonstruktion mit einem Männernamen erfragt werden sollte. Der hier in der ‚ verhochdeutschten ‘ Version verwendete prädikative Dativ ist zwar nur regionalsprachlich gebräuchlich, sollte aber doch zusammen mit der grammatischen Charakterisierung verständlich sein und gibt gleichzeitig bereits einen Hinweis auf die sprachlichen Varianten, die hier zu erwarten sind bzw. abgefragt wurden. Die möglichst weitgehende Bewahrung einer spezifisch schweizerdeutschen Struktur gilt auch in Fällen, in denen diese nicht im Fokus steht, aber auch nicht einfach in eine standarddeutsche Übersetzung überführt werden kann, so etwa bei Frage I.8, bei der die im Schweizerdeutschen übliche Modalphrase im Fall, die etwa dem in manchen deutschen Dialekten und Regiolekten gebräuchlichen fai entspricht, 42 im Kommentartitel zu 3.2.2 belassen wurde: A ber ich habe im F all schon gestern abwaschen geholfen . Bei Ergänzungsfragen wird der vorgegebene dialektalisierte Satzteil in analoger Weise standardsprachlich vervollständigt angegeben. Diese Regeln der Präsentation der Fragen gelten nicht nur für die Kommentartitel, sondern auch bei der Präsentation von Zusatzmaterial innerhalb der Kommentare unter 8, s. u. S. 27 zu weiteren Details. In Abschnitt 1 „ Kartenthema und Datengrundlage “ werden je nach Phänomen mehr oder weniger ausführliche Anmerkungen zu der zu untersuchenden syntaktischen Variable, dem gewählten Fragetyp sowie zu den vorgegebenen bzw. zu erwartenden Varianten bei Ankreuzfragen bzw. Übersetzungs- und Ergänzungsfragen gemacht. Die konkreten dialektalisierten Vorgaben bei den Ankreuzfragen lassen sich im beigegebenen Fragebuch nachsehen. Je nach Phänomen enthält dieser Abschnitt auch bereits Hinweise, meist aus der Sekundärliteratur, auf das Vorkommen bestimmter Varianten innerhalb des Schweizerdeutschen bzw. 42 Vgl. zur Funktion von fai und Entsprechungen davon Glaser (1999). 20 2 Der Syntaktische Atlas der deutschen Schweiz (SADS) im deutschen Sprachraum überhaupt. Insbesondere wird in diesem Abschnitt auch festgehalten, welche Varianten das Thema der Hauptkarte bilden. Unterhalb des Textblocks finden sich stets Zahlenangaben zum zugrundeliegenden Material. Es wird zunächst angegeben, wie oft die behandelte Frage beantwortet wurde, was einerseits von der Fragebogenserie abhängt, vgl. Kap. 1.2 zu den Eckdaten des Projekts, andererseits aber auch von Frage zu Frage leicht schwanken kann, weil einzelne Fragen nicht beantwortet wurden. Weiterhin wird angegeben, wie viele der beantworteten Fragen brauchbar sind, d. h. in wie vielen Fällen Gewährspersonen eine oder mehrere brauchbare Antworten gegeben haben. Ausserdem wird festgehalten, wie viele Fragen für die Analyse der Fragestellung nicht brauchbar beantwortet wurden, d. h. in wie vielen Fällen eine Gewährsperson auf eine Frage nur unbrauchbare Antworten gegeben hat, vgl. dazu die Ausführungen im Folgenden, insbesondere zum Abschnitt 6, S. 26. Der rechte Zahlenblock schlüsselt auf, wie viele Personen eine oder mehrere brauchbare Antworten präferiert haben. Durch die Mehrfachantworten ist die Zahl der brauchbaren präferierten Antworten gegenüber der Zahl der brauchbar beantworteten Fragen entsprechend erhöht. So ist etwa bei Kommentar 1.1.1 die Zahl der brauchbar beantworteten Fragen 2918, das Total der brauchbaren präferierten Antworten beläuft sich aber auf 3005, was sich aus 2832 einfachen Antworten, 85 doppelten Antworten (= 170) und einer Dreifachantwort (= 3) ergibt. Es ist wichtig, bei der Interpretation der weiteren Ausführungen in den Kommentaren zu bedenken, dass sich die Zahlen bei den Ankreuzfragen, ohne dass etwas anderes angegeben ist, durchweg auf die präferierten Antworten beziehen. Dabei werden die brauchbaren Übersetzungen der Gewährspersonen den präferierten Antworten bei den Ankreuzfragen gleichgestellt, vgl. dazu auch Kap. 1.5 der Einleitung. Wenn mehrere brauchbare Übersetzungen angegeben werden, werden diese auch als Mehrfachpräferenz behandelt und sind in den Zahlen der brauchbaren Antworten integriert. Bei vier Ankreuzfragen wird allerdings nur nach der Akzeptanz einer oder mehrerer vorgegebener Varianten gefragt, nicht nach der Präferenz (I.13, IV.29, IV.33, IV.38). Bei diesen sind folglich hier die Akzeptanzzahlen angegeben. Im jeweils 2. Abschnitt „ Typisierung der kartierten Varianten “ wird aufgezeigt, welche Varianten zu der jeweiligen syntaktischen Variable für die Kartierung definiert und ausgewählt wurden. Die hier getroffene Auswahl ist vom jeweiligen Forschungsinteresse geleitet und kann je nach Phänomen mehr oder weniger umfassend sein. Was als Variante angesetzt wird, ist nur in seltenen Fällen klar vorgegeben, wie z. B. bei Frage III.13 E r gibt sich einfach keine M ühe nach dem Pronomen, das zum reflexiven Bezug auf die 3.Sg.M. gewählt wird (2.2.1). Hier werden die Formen sich und em/ im vorgegeben und von den Gewährspersonen beurteilt, wobei lediglich eine „ weitere Variante “ , s. unter 5, singulär auftritt, nämlich eine Kombination beider Pronominalformen. In elf Fällen waren die Antworten aus verschiedenen Gründen unbrauchbar und kamen nicht für die Variantenbildung in Frage. Hier wurde entschieden, lediglich die beiden Hauptvarianten zu kartieren, weshalb diese unter 2. in Kapitälchen typisiert als sich und ihm angeführt und grammatisch charakterisiert sind. Da die kartierten Varianten im 3. Kommentarabschnitt besprochen werden, wird ihnen in der tabellarischen Anordnung, die auch auf die zugehörige Karte Bezug nimmt, die Nummer hinzugefügt, unter der sie dort nach Frequenz geordnet zu finden sind (3 a, 3 b). In den meisten Fällen sind die Entscheidungsprozesse, die zu den kartierten Varianten führen, aber wesentlich komplizierter. Es geht hier um die schwierige und seit Jahrzehnten umstrittene Frage nach der Existenz syntaktischer Variation, vgl. die obigen Ausführungen unter 1.3 sowie die Bemerkungen zur Problematik der Bestimmung syntaktischer Varianten bei Strobel (erscheint). Zweifellos tritt in den Antworten auf die vorgegebenen Übersetzungen und in den angegebenen Alternativen zu vorgegebenen Ankreuzfragen viel Variation in einem umgangssprachlichen Sinn auf. Die für jedes dialektsyntaktische Projekt zu lösende Frage ist aber, welche Antworten dabei als syntaktische Varianten gelten können und bei welchen es sich um stilistische Variation, um Missverständnisse, Fehler oder zumindest ein Ausweichen auf andere als die intendierten Konstruktionen handelt, wo also der zulässige Grad an Abweichung überschritten ist. Solche Fälle klassifizieren wir als unbrauchbare Antworten. Allerdings ist die Abgrenzung eben nicht einfach und stark vom eigenen Forschungsinteresse bestimmt. Wir liessen uns bei der Entscheidung in der Regel davon leiten, ob funktional und semantisch annähernd äquivalente Strukturen vorliegen, also ein ‚ gewisser Grad an struktureller Vergleichbarkeit ‘ gegeben ist. Es ist in einem Atlasprojekt unmöglich, diese Entscheidungen im Detail zu begründen, weshalb man wohl dazu auch kaum Äusserungen in vergleichbaren Projekten findet. Um das zu kompensieren, gehen 2.1 Aufbau des Kommentarteils und der Kommentare 21 wir den Weg der ausgiebigen Dokumentation auch der als unbrauchbar erachteten Antworten, jeweils unter Abschnitt 6, dazu weiter unten. In anderen Fällen haben wir uns dazu entschieden, eine relativ grosse Zahl an prinzipiell brauchbaren Varianten anzunehmen, etwa im Falle der Übersetzungsfrage III.6 W illst du noch welche? nach einem singularischen Partitivpronomen bei femininem Bezug (2.5.2), aber doch nur eine Auswahl davon, die wir als die strukturell relevantesten ansehen, auf der Hauptkarte zu präsentieren. Das ist aber nur eine Seite der Typisierung. Zunächst müssen die konkreten Antworten der Gewährspersonen für die Auswertung im Hinblick auf die Fragestellung typisiert werden. Ausgangspunkt sind bei den Übersetzungsfragen die Originalantworten, wohingegen bei den Ankreuzfragen weitere Gesichtspunkte zu beachten sind. Zum einen gibt es bei den Ankreuzfragen im Idealfall vollständige Angaben zur Akzeptanz der vorgeschlagenen Varianten und eine klare Angabe zur Präferenz einer oder mehrerer Varianten. Da diese Varianten bereits vorgegeben waren, sind sie in der Regel Kandidaten für die Kartierung. Zum anderen sind bei den Ankreuzfragen - auch durch die Aufforderung, eine eventuell abweichende eigene Variante zu notieren - viele eigene Übersetzungen oder Teile einer Übersetzung, die von den Gewährspersonen eigens verfasst wurden, miteinzubeziehen. Hier stellt sich zunächst wie bei den Übersetzungen die Aufgabe der Zuordnung der vorliegenden Schreibungen zu Typen, die dann als Varianten im obigen Sinn oder Bestandteile dieser Varianten herangezogen werden können. Von der Typenbildung sind in jedem Fall Schreibungen betroffen, die zusammengruppiert werden, wenn sie für die morphosyntaktische Fragestellung irrelevant sind, je nach Phänomen können hier aber auch Formvarianten oder lexikalische Varianten erscheinen. Wenn eine grosse Menge an Schreibvarianten vorliegt, wurden diese nicht vollständig, sondern nur in Auswahl aufgeführt, was am Zusatz „ o. ä. “ erkennbar ist. Die Auswahl soll aber für den Leser nachvollziehbar machen, welche Unterschiede zusammengefasst wurden. Teilweise sind hier auch lexikalische Abweichungen eingeordnet, bei Frage II.30 D er H und des L ehrers z. B. Schuelmeister o. ä. statt Lehrer (1.1.1). Die Entscheidung, wann Abweichungen von den Vorgaben im Hinblick auf die Fragestellung toleriert werden und wann sie zu unbrauchbaren Varianten gerechnet werden, ist natürlich das Resultat einer abwägenden Beurteilung aus der Perspektive der einzelnen Frage heraus. Zu den tolerierten Abweichungen, die keinerlei Einfluss auf die Einordung zu der einen oder anderen Variante haben, zählen neben den Schreibvarianten in der Regel auch lexikalische Synonyme, wie im oben genannten Fall, aber insbesondere auch, wenn sie nicht die für die Fragestellung zentralen Lexeme betreffen, so etwa bei Frage II.1 E r lässt den S chreiner kommen , bei der als abhängige Infinitive neben ‚ flicken ‘ auch ‚ reparieren ‘ , ‚ reisen ‘ oder ‚ machen ‘ auftreten (3.3.1). Das gilt entsprechend auch für grammatisch abweichende Formen, wenn deren Wahl keine grammatischen Folgen hat, die die Antwort hinsichtlich der untersuchten Variable unbrauchbar machen, weil sie zu anderen Konstruktionen führen. Das sei an einigen Beispielen illustriert: Bei Frage I.9 … ob er einmal heiraten will , bei der es um die Stellung der Verbalteile im Modalverbkomplex geht, wird in wenigen Fällen in dem betroffenen Nebensatz statt der vorgegebenen 3.Sg. die 1.Sg. gewählt (3.1.1). Dieser Wechsel dürfte ohne Belang für die Beurteilung der Verbstellung sein, weshalb diese Fälle kommentarlos bei einer der beiden Varianten integriert sind. In anderen Fällen sind Wortstellungsabweichungen oder Umstellungen von Haupt- und Nebensatz - z. B. in der Frage IV.21 … dass er so spät fahren gelernt hat (3.2.4) zum Ersatzinfinitiv von ‚ lernen ‘ im Nebensatz - bei der Klassifikation der Antworten stillschweigend ignoriert worden, in derAnnahme, dass sie für die fragliche Variable nicht von Bedeutung sind. Für die Auswertung des Relativsatzanschlusses im Dativ - II.2 D as ist doch die F rau, der ich schon lange das B uch bringen sollte (5.2.2) - waren Änderungen in der Position, derAnzahl und derArt der Prädikatsteile im Nebensatz nicht von Belang und werden ebenfalls nicht ausgewiesen. Nur in besonderen Fällen wird auf solche Abweichungen explizit in Abschnitt 2 hingewiesen. Nach Möglichkeit sind die wichtigsten lexikalischen und grammatischen Abweichungen jedoch unter den Beispielen in Abschnitt 3 aufgeführt, woraus der Schluss gezogen werden kann, dass die fragliche Abweichung von uns als irrelevant für die Typisierung erachtet wurde. Diese relativ ausführliche Dokumentation der Typisierung erfolgt für die kartierten Hauptvarianten, wobei hier teilweise auch auf existierende Subtypen, die unter einer Variante zusammengefasst sind, etwa durch Einklammerung, Bezug genommen wird. Bei Bedarf werden aber im Kommentar zusätzliche Subvarianten gebildet, um Schreibformen etc. zusammenzufassen. Diese sind ebenfalls in Kapitälchen gesetzt, wie z. B. die Erweiterung der koprädikativen Adjektive und Partizipien (4.1) durch asä, ase, asa etc., die als asä zusammengefasst sind. Zur Erhöhung der Lesbarkeit ist die Kapitälchenschreibung teilweise auch bei der 22 2 Der Syntaktische Atlas der deutschen Schweiz (SADS) Sortierung der Beispielangaben unter 3, z. B. II.19 (4.4.1), oder bei den ‚ weiteren Varianten ‘ unter 5 angewendet, z. B. I.12 (4.1.2) oder I.1 (5.1.1). In Abschnitt 3 „ Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung “ werden die in Abschnitt 2 bestimmten Varianten mit Bezug auf die Hauptkarte und auf der Grundlage der Zahlen zur Präferenz nach ihrer Häufigkeit einzeln in ihrem Vorkommen besprochen. Dabei wird die regionale Verteilung charakterisiert, und es werden insbesondere Regionen hervorgehoben, in denen die Variante fehlt, oder umgekehrt, in der sie häufig vorkommt oder gar zu 100 % Präferenz erfährt. Das soll nicht die Karten ersetzen, sondern die Wahrnehmung der räumlichen Distribution unterstützen, indem z. B. auch auf einzelne Orte hingewiesen wird, die der Leser/ die Leserin vielleicht beim unangeleiteten Betrachten der Karten übersehen würde. Bei solchen Angaben zur räumlichen Verbreitung wird oft auf die Kantone Bezug genommen, aber auch auf allgemein gebrauchte Termini, wie Mittelland, Zentralschweiz, Ostschweiz oder geläufige Bezeichnungen für kleinräumigere Verbreitungen, wie etwa St. Galler Rheintal, Emmental, Oberaargau, Berner Oberland, Sensebezirk, Zürcher Oberland, Bündner Walserorte usw. Prozentangaben werden, wenn es sinnvoll erscheint, durch Prozentkarten nachvollziehbar gemacht. Bei den Prozentkarten sind im Unterschied zu den Hauptkarten stets auch die weiteren Varianten (im Kommentar jeweils unter 5) - meist en bloc - einbezogen. Wenn in diesem Zusammenhang Angaben dazu gemacht werden, wie viele Gewährspersonen eine bestimmte Variante präferieren, ist stets zu bedenken, dass das nicht identisch mit der Prozentzahl derAntworten sein muss, da Doppelpräferenzen vorliegen können. So präferiert die Hälfte der zehn Gewährspersonen in Schiers GR in Frage II.13 D u musst die M ilch aber heiss trinken die kongruierende Variante des Adjektivs, also den Typ heiss-e , was sich auf der Prozentkarte aber nicht direkt ablesen lässt, da wegen einer Doppelpräferenz der Varianten ohne Suffix (Typ heiss ) und mit kongruierendem Suffix (Typ heiss-e ) durch eine Person insgesamt 11 Antworten existieren, so dass die genannte Variante nicht 50 % erreicht (4.1.1). Ein weiteres Beispiel stellt die auf das Partizip II bezogene Bemerkung bei Variante 3 a zu Frage IV.25 … dass sie so früh lesen gelernt hat (3.2.5) dar, das Partizip werde an 331 Orten von allen Gewährspersonen präferiert. An 3 dieser 331 Orte ist die Variante 3 a aber nicht die alleinige Variante. So bedeutet «von allen Gewährspersonen präferiert» nicht unbedingt dasselbe wie «zu 100 %». Die sich dadurch gelegentlich ergebenden Diskrepanzen zwischen Zahlenangaben werden nicht im Einzelnen erläutert, da sie sich systematisch durch den erläuterten Sachverhalt erklären. Die Präferenzangaben basieren im Wesentlichen auf den Angaben zur natürlichsten Variante bei den Ankreuzfragen. Da sich diese aber in ihrem Aufbau hinsichtlich der Frage nach der natürlichsten Variante unterscheiden, vgl. Kap. 1.4 der Einleitung, reflektieren die Präferenzangaben verschiedene Verfahren der Interpretation. Bei den meisten Ankreuzfragen im SADS - bei 27 der insgesamt 46 - folgt auf die Bewertung der Akzeptabilität (ja/ nein) der dialektal vorgegebenen Varianten die Frage nach der ‚ natürlichsten ‘ Variante. Danach besteht auf einer dafür vorgesehenen Linie die Möglichkeit, eine eigene, alternative Variante zu notieren, vgl. z. B. Frage II.22 (1.1.2) im Fragebuch. Eine eigens notierte brauchbare Variante wird in der Regel höher gewichtet als die zuvor getroffene Auswahl der ,natürlichsten ‘ Variante und somit als präferierte Variante gewertet. Bei 15 der 46 Ankreuzfragen wird die Frage nach der natürlichsten Variante erst nach der Möglichkeit, eine eigene, zusätzliche Variante zu notieren, gestellt, vgl. z. B. Frage II.30 (1.1.1) im Fragebuch. Bei diesem Typ wird die ,natürlichste ‘ Variante in jedem Fall als präferierte Antwort gewertet, egal, ob die Gewährsperson von der Notationsmöglichkeit Gebrauch macht oder nicht. Häufig werden in Abschnitt 3 bei der Besprechung der Varianten zusätzliche Angaben zur Akzeptanz einer Variante gemacht. Da die Akzeptanz sehr unterschiedlich stark von der Präferenz abweichen kann, was für den Vergleich von Varianten aufschlussreich sein kann, werden gegebenenfalls zusätzlich Akzeptanzkarten erstellt, auf denen Akzeptanz und Präferenz gemeinsam kartiert sind. Vorsicht bei der Interpretation der Zahlen gilt im Übrigen in ähnlicher Weise und sogar noch verstärkt bei Zahlen für die Akzeptanz, da es hierbei besonders häufig vorkommt, dass mehrere Varianten intrapersonell akzeptiert werden und sich dadurch eine höhere Gesamtzahl an Antworten im Vergleich zur Zahl der Gewährspersonen ergibt. 2.1 Aufbau des Kommentarteils und der Kommentare 23 Die auf der Hauptkarte dargestellten Varianten fassen teilweise verschiedene Typen zusammen. Ein Beispiel hierfür sind die Fragen zum finalen Infinitivanschluss (5.1.1 - 5.1.4), bei denen mehr oder weniger häufig bei den beiden Anschlusstypen mit für und zum der zusätzliche Infinitiveinleiter zu erscheint, der jedoch nicht als eigener Typ ausgewiesen ist. In solchen Fällen wird im Kommentartext auf eventuelle weitere Unterscheidungen mit den entsprechenden Zahlenangaben eingegangen. Teilweise werden solche Subtypen mit eigenen zusätzlichen Tabellen illustriert, wie etwa in den Kommentaren zur Präpositionalen Dativmarkierung (PDM), bei denen die jeweilige Variante 3 b in einer eigenen Tabelle nach den Formen/ Schreibungen aufgeschlüsselt ist, vgl. die Kommentare unter 1.3. In bestimmten Fällen wird die Verteilung von Subvarianten, die ja auf der Hauptkarte zusammengefasst sind, in einer eigenen Beikarte dargestellt, wie im gerade angesprochenen Fall der präpositionalen Markierungen; vgl. die Kommentare 1.3.1 - 1.3.4 jeweils unter dem Abschnitt 3 b. Nach den sachlichen Erläuterungen zu einer Variante unter Einbeziehung eventueller Subvarianten werden diese jeweils anschliessend mit Beispielsätzen illustriert, die von den Gewährspersonen stammen. Während es bei den Übersetzungen jeweils automatisch Beispiele aus allen betroffenen Regionen gibt, sind die vorhandenen Originalbeispiele bei den Ankreuzfragen nicht systematisch verteilt, da im Normalfall ja nur die vorgegebenen Sätze im Hinblick auf ihre grammatische Struktur bewertet werden mussten. Da die Gewährspersonen allerdings in zahlreichen Fällen auch bei Akzeptanz eines vorgegebenen Beispiels dennoch eigene Übersetzungen angeboten haben, in denen sie lautliche und lexikalische Anpassungen vorgenommen haben, gibt es auch bei diesen Fragen in der Regel genügend Beispiele, um eine Variante zu illustrieren. Wenn es für eine Variante keine originalen Beispiele gibt, wird das erwähnt, da das ein Hinweis darauf sein kann, dass die Akzeptanz und sogar Präferenz der Variante nicht unbedingt zuverlässig angegeben wurde. Die Aufzählung der Beispiele zu den Varianten folgt einem bestimmten geographischen Schema, bei dem wir uns an das Verfahren des SDS angelehnt haben, d. h. die Orte werden in drei ‚ Bändern ‘ nach Kantonen geordnet vom Nordwesten nach Südosten - und innerhalb der Kantone alphabetisch - angegeben: Basel- Stadt, Basel-Landschaft, Solothurn, Aargau, Zürich, Schaffhausen, Thurgau, St. Gallen, Appenzell; Freiburg, Bern, Luzern, Nidwalden, Obwalden, Zug, Schwyz, Uri, Glarus, Graubünden; Wallis, vgl. auch SDS (A: 137 - 138). Jeweils beim letzten genannten Ort eines Kantons stehen die Kantonssiglen, die auch sonst bei der Beschreibung häufig neben geographischen Bezeichnungen zur Orientierung verwendet werden, vgl. Teil 3 (S. 404). Über die von uns gewählte Abfolge orientiert die nach Kantonen - entsprechend den drei ‚ Bändern ‘- geordnete „ Systematische Liste derAufnahmeorte “ in Teil 3 (S. 406) oder im Kartenband, Teil 1 (S. 12), die auch die Ortsnummern enthält, über die die Orte auf dem Ortsnetz im Kartenband (S. 16) - gegebenenfalls unter Zuhilfenahme der Karte „ Ortsnetz mit Hilfslinien “ (S. 17) - aufzufinden sind. Das Verzeichnis der Aufnahmeorte des SADS (S. 406) ist zusätzlich auf die Aufnahmepunkte des SDS bezogen, so dass schnell zu sehen ist, welche Orte in beiden Atlanten als Aufnahmepunkte vorhanden sind. Die Beispiele werden in der Originalschreibung der Gewährspersonen, manchmal verkürzt angegeben, was mit Pünktchen angezeigt wird. Klare Schreibfehler werden gelegentlich zur besseren Verständlichkeit korrigiert bzw. in eckigen Klammern ergänzt. Manchmal wird bei Schreibungen, z. B. Auslassungen, die auch als Verschreibungen in unserem Text angesehen werden könnten, ein [sic] eingefügt, um klarzustellen, dass das die originale Schreibung ist. Die zitierten Beispiele werden allerdings ohne Berücksichtigung der originalen Orthographie/ Interpunktion mit Majuskel am Satzbeginn und ohne Satzzeichen am Ende wiedergegeben, ausser bei vorhandenen Frage- und Ausrufezeichen. Abschnitt 3 wird mit einer Tabelle zur intrapersonellen Variation abgeschlossen. Hier werden - mit Ausnahme der oben genannten Fragen, bei denen nicht nach der natürlichsten Variante gefragt wurde - alle Fälle von Variation zwischen den zuvor angeführten präferierten Varianten aufgeführt. Es geht hier also in der Regel nicht um Variation zwischen akzeptierten Varianten, die meistens deutlich häufiger ist, vgl. Kap. 1.6 dieser Einleitung. Selten kommt intrapersonelle Variation nicht dadurch zustande, dass Gewährspersonen zwei Varianten präferieren, sondern dadurch, dass sie - aus verschiedenen Gründen und meist unbemerkt - zweimal denselben Fragebogen ausgefüllt haben und bei der fraglichen Aufgabe unterschiedliche Varianten präferierten. Auf solche Fälle wird jeweils explizit hingewiesen, indem hinter der Ortsangabe in Klammer „ 2 FB “ vermerkt wird. Für die Interpretation der in der Tabelle angegebenen Zahlen ist es wichtig daran zu denken, dass es sich hier um die Variation zwischen den Varianten der Hauptkarte handelt. Im Falle von 24 2 Der Syntaktische Atlas der deutschen Schweiz (SADS) zusammengefassten Subvarianten gilt das in diesem Sinn nicht als Variation, da sich hier die Variation innerhalb der Variante abspielt. Intrapersonelle Variation zwischen den Subtypen einer Variante wird aber meist bei der Darstellung der Subtypen selbst in knapper Form erwähnt, vgl. z. B. die Variation zwischen Stellungstypen bei ‚ lassen ‘ im Präsens (Frage II.3, 3.3.1, 3 b). Gelegentlich findet sich auch intrapersonelle Variation mit einer der ‚ weiteren Varianten ‘ oder gar innerhalb der ‚ weiteren Varianten ‘ , worauf dann unter 5 hingewiesen wird. Die Fälle intrapersoneller Variation, die bei der von uns gewählten engen Definition bei den kartierten Varianten nicht sehr häufig sind, werden im Abschnitt 3 jeweils aufgeführt, aber nicht diskutiert. Sie werden für weitere Forschungen zur grammatischen Variation dokumentiert, vgl. auch die Beobachtungen zum Auftreten intrapersoneller Variation in Glaser et al. (2020), die aufgrund der SADS-Daten angestellt wurden. In Abschnitt 4 „ Bemerkungen der Gewährspersonen “ werden v. a. solche Bemerkungen wiedergegeben, die das erfragte Phänomen betreffen, etwa „ ich brauche beide Formen “ von einer Gewährsperson aus Büren a. A. BE zu Frage II.7 I ch habe erst mit vierzig fahren gelernt (3.2.3) nach dem Ersatzinfinitiv bei ‚ lernen ‘ . Dazu werden aber auch Bemerkungen, die lediglich den (gewissermassen spontanen) Gebrauch einer Konstruktion zeigen, ansonsten aber nicht einschlägig sind, aufgenommen, z. B. die Bemerkung einer Gewährsperson aus Bauma ZH zu Frage II.12 I ch habe eurer K atze aber nichts gegeben! (1.3.4), die einen Satz ohne Präpositionale Dativmarkierung bezeugt. Die Angaben der Gewährspersonen werden nicht kommentiert und auch nicht bewertet, d. h. ihre Wiedergabe bedeutet nicht, dass wir sie inhaltlich für richtig erachten. Wenn keine Bemerkungen angegeben sind, heisst das andererseits nicht, dass es überhaupt keine gegeben hat, aber dass keine darunter sind, die wir als zumindest marginal für die vorliegende Fragestellung einschlägig einschätzen. Es gibt Fragen, bei denen praktisch keine Bemerkungen angebracht wurden und solche, bei denen viele Bemerkungen vorliegen, wobei in Frage IV.38 (1.2.5) zur neutralen Referenz auf eine Person ein Extremfall vorliegt. Hier haben wir uns trotz des grossen Umfangs dazu entschlossen, einen grossen Teil der Bemerkungen wiederzugeben, da sie interessante Einblicke sowohl in aktuellen Sprachwandel als auch in laienlinguistische Überlegungen bieten. Auch die Bemerkungen sind durchweg in der Schreibung der Gewährspersonen wiedergegeben. Gelegentlich wird, wie auch bei den Beispielsätzen unter 3, explizit durch [sic] darauf hingewiesen, dass keine fehlerhafte Wiedergabe vorliegt, sondern die Originalschreibung so ist. Zusätze von uns sind gelegentlich zur Erklärung und besseren Verständlichkeit in eckigen Klammern hinzugesetzt. Manchmal nehmen die Gewährspersonen in den Bemerkungen explizit Bezug auf vorgegebene Varianten bzw. Nummern. Zur besseren Verständlichkeit sind diese meist von uns durch die in Abschnitt 2 und 3 verwendete Nummerierung der Varianten (3 a, 3 b etc.) ersetzt worden, wobei solche Zusätze durch eckige Klammern gekennzeichnet sind. Ausserdem wird zur besseren Einschätzbarkeit der Bemerkungen - jeweils ebenfalls in eckigen Klammern unter der Bemerkung - angegeben, welche Varianten von der Gewährsperson akzeptiert und präferiert werden. In Abschnitt 5 „ Weitere Varianten “ werden gegebenenfalls über die auf der Hauptkarte angegebenen und unter 3 ausführlich besprochenen Varianten hinaus weitere brauchbare präferierte Varianten angeführt und besprochen. Sowohl die Anzahl weiterer Varianten als auch deren Gebrauch schwankt sehr stark zwischen den einzelnen Fragen. So gibt es in einer Reihe von Kommentaren keine ‚ weiteren Varianten ‘ , in anderen Fällen sind wenige Varianten von wenigen Personen genannt worden, so z. B. bei Frage III.1 … fängt das E is an zu schmelzen! zur Syntax von ‚ anfangen ‘ (3.4.1), wo insgesamt 8 Gewährspersonen auf drei Typen verteilt Antworten präferierten, die nicht zu den Hauptvarianten gezählt wurden. Es gibt aber auch Fragen, bei denen aufgrund des oben erwähnten Problems der Beurteilung syntaktischer Variation viele Antworten zu ‚ weiteren Varianten ‘ gruppiert wurden, z. B. bei der Übersetzungsfrage III.6 zum femininen Partitivpronomen W illst du noch welche? (2.5.2), die neben sechs Hauptvarianten noch acht ‚ weitere Varianten ‘ aufweist. Die Aufteilung zwischen Varianten, die auf der Hauptkarte erscheinen und solchen, die unter 5 genannt werden, ist teilweise rein praktisch und kartentechnisch bedingt. In der Regel sind es die quantitativ und/ oder strukturell weniger bedeutsamen Varianten, die unter 5 zusammengestellt sind, wobei hier in Einzelfällen auch andere Entscheidungen denkbar gewesen wären. Gelegentlich werden unter Punkt 5 aber auch Varianten genannt, 2.1 Aufbau des Kommentarteils und der Kommentare 25 die von Gewährspersonen zwar genannt, aber nicht präferiert werden, wenn sie von Interesse für die Fragestellung sind, so etwa bei Frage III.22 S ie ist grösser als ich (5.3.1) zum Komparativanschluss die Vergleichspartikeln denn und weder as. Je nach Variante sind die hier gegebenen Informationen mehr oder weniger umfangreich, was Quantität und räumliche Distribution betrifft. Manchmal werden wie bei den Hauptvarianten auch Angaben zur Akzeptanz gemacht, wenn sich dabei Auffälligkeiten oder Diskrepanzen zeigen. Grundsätzlich werden auch hier die Varianten mit Beispielen illustriert, für deren Präsentation dieselben Regeln gelten wie unter Abschnitt 3. Unter Abschnitt 6 „ Unbrauchbare Antworten “ werden als unbrauchbar im Hinblick auf die Zielkonstruktion erachtete Antworten in verschiedene Typen aufgeteilt und kurz beschrieben. Hier werden nicht systematisch Beispiele genannt, aber gerade dann, wenn der Konstruktionstyp, zwar vielleicht nicht für die vorliegende Fragestellung, aber potentiell für andere Fragen, interessant ist, werden illustrativ ein oder mehrere Beispiele genannt, aber auch um die ausgeschiedenen Beispiele als Typ zu illustrieren. So werden z. B. bei der Frage nach dem betont realisierten Personalpronomen in III.11 A lso mich erwischt keiner! (2.1.1) unter 6 a mehrere Beispiele angeführt, um unsere Einschätzung der Betonungsverhältnisse zu illustrieren. Unter den im jeweiligen Kommentar als unbrauchbar klassifizierten Antworten finden sich also durchaus welche, die wertvolle Information für weitere Fragestellungen enthalten, wie z. B. bei Frage I.9 … ob er einmal heiraten will (3.1.1) zum Zwei-Verb-Cluster die unter Abschnitt 6 a, b eingereihten Antworten, die Futurbildung und tun-Periphrase belegen. Die Einstufung als unbrauchbar ist in vielen Fällen das Ergebnis einerAbwägung, welche Varianten als funktional äquivalent erachtet werden können und berührt hiermit das oben angesprochene Problem der Behandlung und Bestimmung syntaktischer Variation. Das lässt sich in dem gerade genannten Kommentar zur Frage I.9 auch noch bei weiteren Varianten zeigen, die statt der intendierten Modalverbgruppe heiraten will semantisch nahe Periphrasen zeigen, die aber eine andere syntaktische Struktur, etwa einen zu-Anschluss, verlangen (vgl. 3.1.1, 6 c, e, f ) oder einfach ein flektiertes Vollverb aufweisen (vgl. 3.1.1, 6 d). Das sind natürlich keinesfalls generell unbrauchbare Sätze, sondern lediglich im Hinblick auf die intendierte Modalverbgruppe, die vermutlich ein eigenständiges Positionsverhalten zeigt. Unbrauchbar sind in jedem Fall Übersetzungen, die durch Wortwahl und Syntax erkennen lassen, dass keine dialektale Übersetzung, sondern eine standardsprachliche oder sehr weitgehend standardnahe Wiedergabe vorliegt. Wir nennen das „ standarddeutsch/ hochdeutsch übersetzt “ . Ebenso sind inhaltlich stark abweichende Sätze, etwa Antworten auf gestellte Fragen (statt Übersetzungen), weiterführende Aussagen oder Kommentare zum vorgegebenen Satz zweifellos im Hinblick auf die Zielkonstruktion als unbrauchbar einzustufen. Nicht immer sind die Fälle aber so klar. Die in Frage III.8 … dass ich angefangen habe zu rauchen unter 6 a (3.4.3) zusammengestellten Antworten zeigen, dass es gelegentlich schwierig ist, einzuschätzen, ob es sich um eine fehlerhafte, unbrauchbare Variante handelt oder um eine bisher unbekannte Variante, nämlich ein Perfekt ohne Auxiliar. Ähnliches gilt für die Antwort unter 6 i mit doppeltem Auxiliar. Wir haben sie sozusagen vorläufig als nicht entscheidbar unter die unbrauchbaren Antworten eingereiht. In solchen Fällen sind in der Regel Beispiele angegeben, damit sich die Leser selbst ein Bild machen können. Die Zahlen, die für die unbrauchbaren Antworten genannt werden, beziehen sich bei den Ankreuzfragen wiederum auf die von den Gewährspersonen präferierte Variante. Wenn unbrauchbare Antworten zusätzlich zu einer brauchbaren Variante als natürlichste Variante genannt werden, werden diese bei der Auswertung nicht berücksichtigt. Gerade wenn es sich aber um potentiell in anderem Zusammenhang interessante unbrauchbare Antworten handelt, wird manchmal auf die Gesamtzahl der angegebenen unbrauchbaren Antworten mit der Angabe „ insgesamt “ Bezug genommen. Z. B. wird bei Frage I.2 wem will er denn die schönen B lumen bringen? (1.3.1) zum Dativ des Interrogativpronomens unter 6 a der Fall genannt, dass 89 Mal statt einer pronominalen Dativform eine Präpositionalphrase mit der Präposition für als präferierte Variante angegeben wird. Die dazu stehende Angabe „ insgesamt 115 Mal notiert “ bezieht sich darauf, dass es weitere 26 Fälle gibt, in denen Gewährspersonen die Präpositionalphrase zusätzlich zu der Variante mit Dativform angeben. Wenn unter den für die spezifische Frage unbrauchbaren Fällen solche sind, die Zusatzmaterial für eine andere Frage bieten, kann es sinnvoll sein, diese Gesamtheit der Antworten 26 2 Der Syntaktische Atlas der deutschen Schweiz (SADS) einzubeziehen und nicht nur die Fälle zu beachten, in denen die unbrauchbare Variante als einzige Antwort im Kontext der ursprünglichen Frage präferiert wurde. Im Abschnitt 7 „ Weitere Bemerkungen “ werden je nach Thematik und zuvor präsentierten Ergebnissen ganz unterschiedliche zusätzliche Informationen gegeben, weshalb es hier keine generelle interne Struktur oder obligatorische Inhalte gibt. Es kann sich um weitere Informationen zur Verbreitung und grammatischen Charakterisierung der Varianten handeln, um Erklärungen zu einzelnen Typisierungen, um Vergleiche mit anderen Fragen, aber auch um Ansätze zu einer Interpretation der Daten, z. T. mit Bezug auf weiterführende Sekundärliteratur. In diesem Abschnitt werden auch zusätzliche Hinweise auf die behandelten Varianten in Arbeiten und Standardwerken zum Schweizerdeutschen angegeben, ohne dass hier jedoch Vollständigkeit angestrebt werden konnte. Die Angaben sollen eine grobe Orientierung zum bisherigen Wissen über die Varianten bezüglich ihres räumlichen und zeitlichen Auftretens geben und wenn möglich die Varianten in den deutschen Sprachraum einordnen. Auf allgemeine Informationen im Rahmen vorhandener Überblicksdarstellungen, wie etwa Stucki (1921) und Lötscher (1983), wird teilweise verzichtet, insbesondere wenn spezifischere Literatur vorliegt. Andererseits wird für manche Fragen auch auf eher sprachdidaktisch orientierte Übungsbücher wie Bäbler (1949) oder von Greyerz (1904) zurückgegriffen. Auf ältere, insbesondere theoretische Literatur wird meist sparsam Bezug genommen, wenn jüngere einschlägige Literatur mit Verweisen auf die Forschungsgeschichte existiert, wie etwa Schallert (2014 a) zum Ersatzinfinitiv. Bei der zitierten Literatur zum Schweizerdeutschen ist erwähnenswert, dass wir die Grammatiken zum Zürichdeutschen und Luzerndeutschen jeweils in der ersten Auflage als Weber (1948) und Fischer (1960) zitieren, um den Zeitraum, aus dem der Sprachgebrauch stammt, der auch in den jüngeren Nachdrucken unverändert blieb, zu verdeutlichen. Angaben aus dem Nachwort der von Walter Haas neu herausgegebenen Luzerndeutschen Grammatik von Fischer werden aus der entsprechenden jüngeren Ausgabe zitiert. Bei veränderten Auflagen von Handbüchern werden natürlich die jüngeren Ausgaben zitiert. Das dialektologische Standardwerk Schirmunskis wird in der Neuausgabe von 2010 zitiert, da diese leichter zugänglich ist und veränderte Seitenzahlen sowie nützliche Zusatzinformationen aufweist. In einigen Fällen gibt es ältere publizierte Auswertungen des SADS-Materials. Dabei treten gelegentlich Zahlendifferenzen auf, die z. T. auf spätere Ergänzungen oder auch Umkategorisierungen in der Datenbank zurückzuführen sind. Solche meist geringen Diskrepanzen werden nicht besprochen, es wird jedoch darauf aufmerksam gemacht, dass in älteren Arbeiten mit einem älteren Datensatz gearbeitet wurde, z. B. bei 3.2.5, 7 b zu Schallert 2014 a. In Abschnitt 8 wird gegebenenfalls „ Zusatzmaterial aus anderen Fragen “ zusammengestellt, das im Hinblick auf die im Kommentar behandelte Fragestellung ebenfalls einschlägig ist oder zumindest für einen Vergleich nutzbringend herangezogen werden kann. Das kommt teilweise daher, dass manche Fragen genau genommen mehrere Fragestellungen in sich vereinen, so etwa die Possessivfragen zum prädikativen Dativ (1.1.2 - 1.1.5), bei denen es genau um diese spezifische Kasusverwendung geht, wobei sie aber ebenfalls auf eine präpositionale Verstärkung dieses Kasus (PDM) hin ausgewertet werden können, vgl. z. B. den Kommentar 1.3.2 zur Frage I.7 mit umfangreichem PDM-Zusatzmaterial aus anderen Fragen unter 8. Umgekehrt kann die PDM-Frage I.7 N ein, nein, das gehört meiner S chwester! für das Thema des prädikativen possessiven Dativs herangezogen werden, da ein Teil der Gewährspersonen statt des lexikalischen Verbs ‚ gehören ‘ das Kopulaverb ‚ sein ‘ verwendet hat, was bei der Behandlung der Präpositionalen Dativmarkierung nicht von Bedeutung ist und dort nur kurz vermerkt wird, vgl. 1.3.2, 7 f. Die Antworten mit dem Verb ‚ sein ‘ sind dann aber für Frage IV.33 D as ist der L ehrerin als Zusatzmaterial zusammengestellt (1.1.4, 8 a). Häufig wird unter 8 auch auf unbrauchbare Antworten aus anderen Fragen zugrückgegriffen. So sind Antworten mit Modalverb bei der Frage nach der Serialisierung im Perfekt I.19 … ob sie das A uto schon bezahlt hat unbrauchbar (3.1.2, 6 b), sie sind aber bei Frage I.9 … ob er einmal heiraten will passend und werden dort unter 8 b (3.1.1) angeführt. Dass hier im Zusatzmaterial das Verb ‚ können ‘ statt ‚ wollen ‘ im Hauptmaterial verwendet wird, dürfte keinen Einfluss auf die Serialisierung haben, um die es im Kommentar 3.1.1 geht. Allerdings ist bei der Interpretation des Zusatzmaterials deshalb Vorsicht geboten, weil es oft unter mehr oder weniger verschiedenen methodischen Vorgaben zustande gekommen ist. So werden bei Frage I.9 2.1 Aufbau des Kommentarteils und der Kommentare 27 beide Serialisierungen vorgegeben, während sich bei Frage I.19 das Material sozusagen zufällig ergibt, weil die Gewährspersonen alternative Konstruktionen zum vorgegebenen Satz im Perfekt angeben, aber sich nicht bewusst zu der Frage der Serialisierung beim Modalverbcluster äussern. So sind auch die Zahlen des Zusatzmaterials stark schwankend. Dennoch scheint es uns wertvoll, diese zusätzlichen Informationen zu liefern, da sie mit der gebotenen Vorsicht durchaus erlauben, das Hauptmaterial zu ergänzen und zu stützen. Manchmal ist das unter 8 angeführte Zusatzmaterial nicht ganz genau passend, sondern gibt nur einen Hinweis auf potentiell vergleichbare Fälle, etwa zur Serialisierung bei der genannten Frage I.9 (3.1.1), wo auch Beispiele für die Abfolge zweier Infinitive in der rechten Satzklammer angeführt werden. Die Hinweise auf Zusatzmaterial aus anderen Fragen stammen aus der Bearbeitung der Fragen für den SADS oder für eine andere Publikation des Projekts Dialektsyntax. Sie sind nicht vollständig, insofern nicht die gesamten Daten des Forschungsprojekts Dialektsyntax systematisch auf vorhandenes Zusatzmaterial durchgesehen wurden. Auch das unterstreicht, dass das Zusatzmaterial als zusätzliche Information anzusehen ist, aber nicht auf die gleiche Stufe wie das systematisch erhobene und ausgewertete Hauptmaterial gestellt werden kann. Zusatzmaterial aus Fragen, die nicht selbst im Atlas behandelt sind, betreffen die folgenden Fragenummern aus den vier Questionnaires: I.5, I.10, II.15, II.24, II.27, II.29, III.26, IV.1, IV.9, IV.15, IV.18, IV.23, IV.24, IV.26, IV.30, IV.31, IV.32. Falls zu einem Kommentar kein Zusatzmaterial vorhanden ist, entfällt Punkt 8. Den Abschluss jedes Kommentars bildet die Zusammenstellung der jeweils zitierten Literatur in Kurzform, wobei in einzelnen Fällen keine zusätzliche, für den Einzelkommentar spezifische Literatur zitiert wurde, wenn dies in vorausgehenden Kommentaren schon der Fall war. Um sich ein Bild von der insgesamt für einen Themenbereich herangezogenen Literatur zu machen, sind daher auch immer die thematisch verwandten Kommentare, insbesondere gegebenenfalls vorhandene Einführungstexte und Vergleichskommentare zu konsultieren. Die Literaturangaben streben keine Vollständigkeit an, sondern beschränken sich auf die Literatur, die zur Erstellung des Kommentars herangezogen wurde. Dazu werden am Schluss unter dem Titel Bezug auf SADS-Material diejenigen bereits erschienenen oder in Druckvorbereitung befindlichen Arbeiten - mit Stellenangaben - angeführt, die Daten der jeweiligen SADS- Frage unter dem entsprechenden Gesichtspunkt wie im vorliegenden Kommentar einbezogen haben. Ebenso sind hier bereits publizierte Karten, die auf den Daten der jeweiligen Fragenummer basieren, mit der Sigle Ⓚ nachgewiesen. Auf die Angabe von Erwähnungen des SADS-Projekts in allgemeiner Form wird verzichtet. Wie eingangs erwähnt, sind alle Kommentare nach dem angegeben Muster erstellt, ausser 1.2.5 zu Frage IV.38. Dieser Kommentar zur Frage nach der neutralen Referenz auf Frauen und Männer ist intern in Teil I und Teil II aufgeteilt, um die unterschiedlichen Ergebnisse der beiden Teilfragen darstellen zu können. Andererseits sind aber die Bemerkungen der Gewährspersonen, die nicht sinnvoll aufteilbar waren, für beide Teilfragen gemeinsam unter Abschnitt III angegeben. Dadurch ist die interne Nummerierung der einzelnen Abschnitte hier nicht genau mit den anderen Kommentaren zu vergleichen, die Äquivalenzen dürften aber leicht herzustellen sein. Auf eine weitere Besonderheit ist noch bei den Relativsätzen hinzuweisen, bei denen im Falle der obliquen Kasus jeweils 2 Hauptkarten erstellt wurden, denen wiederum eigene Varianten unter dem jeweiligen Abschnitt 3 zugeordnet sind. Im Übrigen sind diese Kommentare aber ganz entsprechend dem geschilderten Schema gestaltet. 2.2 Kartentypen und Gestaltung der Karten Der Kartenband enthält - zusammen mit den Karten „ Ortsnetz “ , „ Ortsnetzkarte mit Hilfslinien “ sowie „ Kantone und Regionen “ - 219 Karten, die verschiedene Funktionen erfüllen. Zu den auf eine Frage bezogenen Kommentaren gehört jeweils mindestens eine als Hauptkarte bezeichnete Karte, die die grundlegende Verteilung der wichtigsten Varianten darstellt. Wir folgen bei der Kartierung der SDS-Tradition der Punkt- Symbol-Kartierung, also der ortsbezogenen Wiedergabe der Varianten durch ein Symbol, so dass die Benutzer des Atlas die Varianten genau an einzelnen Ortspunkten lokalisieren können (vgl. Bucheli Berger et al. 2012, 28 2 Der Syntaktische Atlas der deutschen Schweiz (SADS) Bucheli Berger 2008). Quantitativ basierte, interpolierte Flächenkarten sind nicht einbezogen, sie sind Gegenstand verschiedener Einzelpublikationen, vgl. dazu Kap. 1.7 der Einleitung. Die Karten wurden unter Verwendung einer vom Bundesamt für Landestopografie swisstopo zur Verfügung gestellten Basiskarte jeweils aufgrund von Abfragen der Filemaker-Datenbank nach den gewählten Kriterien mit Hilfe der GIS-Software Esri ArcGIS erstellt, vgl. dazu und zum Folgenden Bucheli Berger (2008: 34 - 37). Die Ortspunkte sind damit im Unterschied zum SDS georeferenziert, basieren also auf den Koordinaten der gewählten Ortspunkte. Für die Punktsymbolkartierung ergibt sich so z.T. das Problem, dass sich die Symbole bei nahe gelegenen Orten überlappen, da sie nicht per Hand - wie z. B. bei den SDS-Karten - an eine passende Stelle gesetzt werden. Alle Karten basieren auf derselben Basiskarte im Massstab 1 : 775'000, auf der sowohl Flüsse und Seen als auch, anders als beim SDS, ein Relief erkennbar ist, das allerdings nicht stark hervortritt, um die Wahrnehmung der Symbole nicht zu stören. Andererseits sollte die wahrnehmbare Topographie insbesondere der alpinen Gegenden die Interpretation der geographischen Verteilung erleichtern. Zusätzlich sind zur besseren Orientierung auf den Karten generell die Kantonsgrenzen und -siglen angegeben. Die Ortspunkte sind durch kleine Pünktchen gekennzeichnet, neben denen die Symbole im Normalfall positioniert sind. Die Identifizierung der Ortspunkte, die in den thematischen Karten keine Nummern und Namen tragen, ist über die Karte „ Ortsnetz “ (mit Ortsnamen) im Kartenband (S. 17) gewährleistet. Die Wahl der Symbole war schon immer eine besondere Herausforderung für die Dialektkartographie, und die verschiedenen Atlasprojekte haben hier jeweils ihre eigenen Prinzipien verfolgt. Bei Bucheli Berger (2008: 39 - 42) ist beschrieben, wie die Erarbeitung der Kartierungsmethode des SADS in verschiedenen Phasen bis dahin vor sich gegangen ist, vgl. dazu auch Kap. 1.6, 1.7 dieser Einleitung. Gewisse Grundkonstanten, wie die zurückhaltende Verwendung von Farbkarten, die Verwendung neutraler bzw. ‚ leichter ‘ Symbole für die häufigste Variante (oft ein waagrechter Strich), die Beschränkung auf die Unterscheidung von Einzel- und Mehrfachnennungen bei den Hauptkarten und die Bemühung, über Karten hinweg möglichst gleiche Symbole für dieselben Merkmale zu verwenden, wurden bis zum Schluss beibehalten bzw. nach verschiedenen Experimenten, vgl. dazu Glaser (2006), wieder aufgenommen. Bezüglich der Symbolisierung im Einzelnen kam es in der Folgezeit aber auch zu Veränderungen. Insbesondere ist die zusätzliche Erstellung von Prozentkarten unter Einbeziehung der ‚ weiteren ‘ Varianten eine Entscheidung, die erst in einer späteren Phase getroffen wurde, ebenso auch die Verwendung von Akzeptanzkarten und einigen Beikarten. In der Regel basieren die Karten bei Ankreuzfragen auf den Antworten zur Frage, welche Variante für die Gewährsperson die natürlichste sei bzw. darauf, was von uns als natürlichste Variante aus den Antworten interpretiert wurde. Ohne dass die Vorgabe das erzwungen hätte, fühlten sich die meisten Personen angehalten, bei dieser Frage nach der natürlichsten Variante nur eine Option aus den oft mehreren akzeptierten Varianten auszuwählen. Diese als „ natürlichste “ angegebene Variante wird im Text als präferierte Variante bezeichnet. Das ist primär eine terminologische Festlegung, ohne dass hier Behauptungen über den genauen Stellenwert der ausgewählten Varianten im Repertoire der Sprecher aufgestellt werden sollen. Es sind aber auch Mehrfachpräferenzen möglich, da sich gelegentlich Gewährspersonen eben doch nicht auf eine Variante festlegen mochten. Bei den Übersetzungs- und Ergänzungsfragen basiert die Hauptkarte auf den von uns klassifizierten Antworten im Hinblick auf das in Frage stehende Phänomen. Diese Antworten werden den präferierten Varianten der Ankreuzkarten in gewisser Weise gleichgestellt. Bei den Hauptkarten, für welche die Symbolisierung in der Regel in schwarz gehalten ist - als erste Sekundärfarbe fungiert normalerweise rot - , geht es bei beiden Fragetypen v. a. um einen ersten Eindruck, in welchen Regionen die kartierten Varianten präferiert werden. 43 Dabei ist in Bezug auf die Quantität der Vorkommen an einem Ort zusätzlich durch die Grösse der Symbole angezeigt, wo Einzel- und Mehrfachnennungen der präferierten Variante - im Sinne der obigen Erläuterungen unter 2.1 - vorliegen. Wenn an einem Ort also Variation zwischen mehreren präferierten Varianten besteht, ist das an dem Vorkommen mehrerer Symbole erkennbar. Ist ein Symbol als Einzelnennung kartiert, gibt das bereits einen Hinweis auf die quantitativen Verhältnisse. Einzelnennungen sind unserer Einschätzung nach nicht in gleichem Masse 43 Die beiden Hauptkarten bei Frage IV.38 (1.2.5) folgen einer anderen Logik und stellen eigentlich Prozentkarten dar. 2.2 Kartentypen und Gestaltung der Karten 29 zuverlässig wie Mehrfachnennungen. Wenn sie am Rand von Kernzonen zu finden sind, sind sie im Kontext der angrenzenden Kernzonen als robuster einzuschätzen, als wenn es um Einzelnennungen geht, die verstreut oder ganz abseits der Kernzonen vorkommen. Allerdings gibt es bei einigen Themen mit vielen Varianten, wie z. B. den Drei-Verb-Clustern, aus praktischen Gründen auch ein anderes Kartenlayout, das lediglich mit Farbsymbolen unter Verzicht auf die Ausweisung der Einzelnennungen die grundsätzliche Präferenz der Varianten angibt, vgl. Hauptkarte S. 116 (3.1.5). Um Angaben in den Kommentaren unter Abschnitt 3 (kartierte Varianten / Hauptvarianten) bzw. 5 (weitere Varianten) zum quantitativen Verhältnis der Varianten zueinander, z. B. zu mehrheitlichem Vorkommen in bestimmten Regionen, zu illustrieren, werden gegebenenfalls Prozentkarten erstellt, die sich dann auf die Summe aller brauchbaren präferierten Varianten beziehen. Zusätzlich zum Verhältnis der Hauptvarianten wird hier also auch sichtbar, inwiefern mehr oder weniger weitere Varianten - v. a. auch in welchen Regionen - angegeben wurden. Bei einigen Relativsatzfragen gibt es je zwei Hauptkarten (A und B), da die Berücksichtigung der beiden Hauptgesichtspunkte ‚ Partikelanschluss ‘ und ‚ Resumptivpronomen ‘ auf einer Karte sehr unübersichtlich geworden wäre. Ebenso wird bei diesen Fragen zwischen zwei Prozentkarten (A und B) unterschieden, wobei etwa die Prozentkarte A die relativen Verhältnisse für die Hauptkarte A wiedergibt. Die Symbolisierung von Prozentkarten erfolgt durch Kreisdiagramme, die wenn immer möglich die Farben der Hauptkarte wiederaufnehmen. Die auf der Hauptkarte durch einen waagrechten Strich angegebene (meist häufigste) Variante wird auf der Prozentkarte in grau dargestellt, so dass diese auch auf der Prozentkarte durch eine ‚ leichte ‘ Symbolisierung nicht zu stark von den arealbildenden Varianten ablenkt. Wenn in den Kommentaren derAnkreuzfragen Angaben zurAkzeptanz der Varianten gemacht werden, s. o. Kap. 2.1 zu den jeweiligen Abschnitten 3 und 5, wird teilweise zur besseren Nachvollziehbarkeit der Ausführungen eine sogenannte Akzeptanzkarte erstellt. Akzeptanzkarten geben - wiederum mit Unterscheidung von Einzel- und Mehrfachnennungen - für eine Variante Auskunft darüber, wo diese akzeptiert und wo sie präferiert wird, so dass Abweichungen in der Distribution und Häufigkeit auf einen Blick erkennbar sind. Die Symbolisierung der Akzeptanzkarten soll dies unterstützen, indem für die Präferenz einer Variante jeweils ein schwarzer Punkt gewählt wurde, für die Akzeptanz ein etwas grösserer, grauer Punkt, so dass Regionen ohne präferierte Varianten visuell schnell erkennbar werden. Gelegentlich sind den Kommentaren auch sogenannte Beikarten hinzugefügt. Auf diesen kann Unterschiedliches dargestellt sein. Teilweise sind Subvarianten dargestellt, die unter Abschnitt 2 des betroffenen Kommentars zu einer Variante zusammengefasst wurden, teilweise Varianten aus dem Zusatzmaterial unter 8. Was genau dargestellt wird, ist dem Kommentar zu entnehmen. Eine grobe Orientierung über die dargestellte Variante gibt die jeweilige Legende. Bei den Beikarten ist es aber vom Einzelfall abhängig, ob auf präferierte oder notierte Nennungen von Varianten Bezug genommen wird, was aus dem Kommentar ersichtlich ist. Die Symbolisierung der Beikarten folgt im Grunde dem Zweck des dargestellten Materials. Werden Varianten der Hauptkarte in Subvarianten aufgeschlüsselt, werden diese in der Regel durch farbige Quadrate dargestellt, welche je nach Anzahl der Varianten auch in Einzel- und Mehrfachnennungen aufgeschlüsselt sein können. Sind auf der Beikarte Varianten aus dem Zusatzmaterial dargestellt, wird in der Regel dieselbe Symbolisierung verwendet wie auf der entsprechenden Hauptkarte, um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Das Prinzip der Vergleichbarkeit wird etwa auch bei Beikarten angewendet, welche die Abfolge in Drei-Verb-Clustern zeigt; hier wird die Symbolisierung mit farbigen Symbolen entsprechend den Hauptkarten beim Drei-Verb-Cluster verwendet. Bei einigen Unterkapiteln gibt es Vergleichskarten, die für bestimmte Varianten über mehrere Kommentare hinweg deren Verteilung aufzeigen. Die genaue Interpretation der Vergleichskarten ergibt sich aus den Kommentaren. Die Symbolisierung von Vergleichskarten erfolgt in der Regel mithilfe farbiger Quadrate, welche, je nach Anzahl der Varianten, auch in Einzel- und Mehrfachnennungen aufgeschlüsselt sein können. 30 2 Der Syntaktische Atlas der deutschen Schweiz (SADS) Alle Karten sind links oben mit einem Titel versehen, der sich auf den Titel des Kommentars bezieht und angibt, um welchen Kartentyp es sich handelt: Hauptkarte, Prozentkarte, Akzeptanzkarte, Beikarte oder Vergleichskarte. Die Karten folgen, soweit vorhanden, immer der angegebenen Reihenfolge, unabhängig vom Zusammenhang ihrer Nennung im Kommentar. Darunter auf einer zweiten Titelzeile erfolgt die Angabe der Frage, auf welcher das dargestellte Material beruht, inklusive Fragetyp (abgekürzt A, Ü, E) und Originalsatz. Bei Beikarten kann diese Frage von der Hauptkarte abweichen, wenn z. B. Zusatzmaterial kartiert wird. Bei Vergleichskarten sind hier alle Fragen angegeben, deren Material auf der Karte dargestellt ist - in diesen Fällen wurde auf die Angabe des Fragetyps und des Originalsatzes aus Platzgründen verzichtet. Rechts oben auf den Karten steht die Legende, aus der hervorgeht, welche Varianten mit welchen Symbolen oder Farben kodiert sind, was je nach Kartentyp variiert. Ausser bei den genannten Fragen, bei denen die präferierte Variante nicht erfragt wurde (I.13, IV.29, IV.33, IV.38), handelt es sich zumindest bei den Haupt- und Prozentkarten ohne weitere Angabe im Kommentar um die präferierten Varianten. 2.2 Kartentypen und Gestaltung der Karten 31 Teil 2 Kommentare 1 Nominalphrase 1.1 Possessivkonstruktionen 1.1.0 Einleitung Das SADS-Fragebuch enthält fünf Fragen zum Ausdruck possessiver Verhältnisse. Im Bereich der Possessivausdrücke ist grundsätzlich zwischen adnominalen und prädikativen Konstruktionen zu unterscheiden, wie sie in der Hund des Lehrers einerseits und der Hund gehört dem Lehrer andererseits vorliegen. Das Interesse der Forschung lag bisher meist auf den adnominalen Verhältnissen, mit nominalem Possessor und nominalem Possessum, die in verschiedener Weise verbunden werden können (Mironow 1957: 388 - 414; WDU 4: Karte 4- 77; AdA, Runde 9, „ possessives Attribut “ , 2 f; Schirmunski 2010: 496 - 500; Kasper 2015 a: 57 - 99; 2015 b: 211 - 226, 505 - 506, 2017: 300 - 327; Kallenborn 2019: 177 - 218; Goryczka 2019), wobei insbesondere die Konstruktion des possessiven Dativs, die der standardsprachlichen Genitivkonstruktion gegenübersteht, Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, vgl. Henn (1983: 1255 - 1282), Henn-Memmesheimer (1986: 132 - 151), Ramat (1986: 579 - 590), Werlen (1990: 179 - 184; 1994: 62), Weiß (1998: 81 - 84; 2008: 381 - 401; 2012: 271 - 293; 2018: 429 - 447), Koptjevskaja-Tamm (2001: 960 - 970; 2002: 141 - 172; 2003: 621 - 722), Demske (2001: 258 - 265), Zifonun (2003: 97 - 126; 2005: 25 - 51), Davies & Langer (2006: 157 - 169), Simon (2008: 59 - 70), Fleischer & Schallert (2011: 83 - 101), Salzmann (2011: 141 - 221), Brandner (2015: 317 - 318). Für die schweizerdeutschen Dialekte ist darüber hinaus regional noch mit Genitivkonstruktionen zu rechnen (Stalder 1819: 79, 82; Id. 1: 585, 1842, Id. 7: 1013 - 1015, 1029; Henzen 1932: 107 - 108; Szadrowsky 1937; Schirmunski 2010: 500). Zu den prädikativen Ausdrucksmöglichkeiten in den verschiedenen Dialekten gibt es kaum Angaben in der Sekundärliteratur (vgl. II.22, IV.29), weshalb im SADS-Projekt insbesondere diese Konstruktionen erfragt wurden. Der umgangssprachliche Gebrauch beim Fragepronomen ist für den deutschsprachigen Raum im AdA dokumentiert (AdA, Runde 10, „ Frage nach dem Besitzer “ , 13 g). Der Gebrauch der Kopula mit pronominalem Dativ (Ist der Ball dir? ) ist umgangssprachlich in WDU (3: 61) bezeugt. Bart (2020) behandelt unter Berücksichtigung der fünf SADS-Fragen die Possessivkonstruktionen im Schweizerdeutschen mit besonderer Berücksichtigung des possessiven Genitivs im Lötschental VS. Zur Ermittlung der verschiedenen adnominalen Konstruktionsmöglichkeiten und ihrer räumlichen Distribution wurde im SADS-Projekt eine Ankreuzfrage (II.30) mit belebtem Possessor gestellt. Mit den übrigen vier Fragen wurden prädikative Konstruktionen mit Kopula und Possessorangabe in Form eines männlichen (II.22) und weiblichen Rufnamens (II.23), einer Berufsbezeichnung (IV.33) und eines Pronomens (IV.29) ermittelt. Zunächst wird die Konstruktion mit attributivem Possessor behandelt, dann folgen die prädikativen Konstruktionen. Literatur AdA 9 ▪ 10 ▪ Bart 2020 ▪ Brandner 2015 ▪ Davies & Langer 2006 ▪ Demske 2001 ▪ Goryczka 2019 ▪ Henn 1983 ▪ Henn-Memmesheimer 1986 ▪ Henzen 1932 ▪ Id. 1 ▪ 7 ▪ Kallenborn 2019 ▪ Kasper 2015 a ▪ 2015 b ▪ 2017 ▪ Koptjevskaja-Tamm 2001 ▪ 2002 ▪ 2003 ▪ Mironow 1957 ▪ Ramat 1986 ▪ Salzmann 2011 ▪ Schirmunski 2010 ▪ Simon 2008 ▪ Stalder 1819 ▪ Szadrowsky 1937 ▪ WDU 3 ▪ 4 ▪ Weiß 1998 ▪ 2008 ▪ 2012 ▪ 2018 ▪ Werlen 1990 ▪ 1994 ▪ Zifonun 2003 ▪ 2005 1.1.1 Possessivkonstruktionen (attributiv, Sg.M.) Frage II.30 (A) - D ER H UND DES L EHRERS 1. Kartenthema und Datengrundlage Frage II.30, die ohne Kontext gestellt wurde, zielte darauf ab, die schweizerdeutschen Entsprechungen des vorgegebenen standarddeutschen Possessivsyntagmas, in dem zwei substantivische Konstituenten als Possessor (maskuline Berufsbezeichnung) und Possessum (maskuline Tierbezeichnung) in einer attributiven Beziehung stehen, zu ermitteln. Das Syntagma war nicht in einen Satz eingebunden, ist aber aufgrund der Nominativform des Artikels beim Possessum als Subjekt oder Gleichsetzungsnominativ interpretierbar. Dabei 1.1 Possessivkonstruktionen 37 wurden drei Varianten zurAngabe des Possessors suggeriert, der possessive Dativ, ein einfacher pränominaler Genitiv sowie ein pränominaler Genitiv zusammen mit einem Possessivpronomen, wie es auch beim possessiven Dativ erscheint. Weitere Varianten konnten die Gewährspersonen selbst notieren. Sowohl der possessive Dativ, der in den Dialekten des Deutschen allgemein gilt, vgl. Henn (1983: 1255 - 1282), Henn- Memmesheimer (1986: 132 - 152), als auch der Genitiv waren in den schweizerdeutschen Dialekten zu erwarten, vgl. 7 a. Die ► Hauptkarte (S. 23) stellt die Verbreitung von zwei der drei suggerierten Konstruktionen, dem possessiven Dativ und dem pränominalen Genitiv, dar, zusammen mit zwei weiteren Konstruktionen, die von einer Anzahl Gewährspersonen notiert und präferiert wurden: die Präpositionalphrase mit von und eine Mischkonstruktion, bei welcher der Artikel im Dativ steht, der nominale Possessorausdruck aber die Genitivendung -s aufweist. Das Auftreten der artikellosen Variante beim Genitiv wird im Text behandelt. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei drei total 2923 2918 5 2832 85 1 3005 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a DEM L EHRER SEIN H UND Dativ + Possessivpronomen 3 b ( DES ) L EHRERS H UND Genitiv 3 c DER H UND VOM L EHRER Präpositionalphrase mit VON 3 d DEM L EHRERS H UND Mischkonstruktion Typenbildung DEM L EHRER SEIN H UND em Leerer sin Hond, im Lehrer sy Hund, am Lehrer si Hung, äm Leerer sinä Hund, um Lehrer si Hund, dem Schuelmeister sin Hund o. ä. ( DES ) L EHRERS H UND ds Lärers Hund, z ’ Lehrers Hund, z ’ Lehrersch Hund, Leerers Hond, Leerersch Hund, z Schumeischters Hund o. ä. DER H UND VOM L EHRER dä Hond vom Lehrer, dr Hung vom Lehrer, dar Hund vom Lehrer, de Hund vam Schumeischter o. ä. DEM L EHRERS H UND im Lehrersch Hun, am Lehrersch Hun, um Lehrersch Hunn, em Lehrers Hung, em Schoumeischtersch Hund o. ä. 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Am häufigsten wird die Variante dem L ehrer sein H und mit 2208 Mal an 356 Orten präferiert. Sie erscheint im gesamten Untersuchungsgebiet fast überall mehrheitlich, vgl. ► Prozentkarte (S. 24). In Weisstannen SG, Jaun FR, Guttannen BE, Elm, Obstalden GL, Davos Monstein, Langwies, Mutten, St. Antönien, Trimmis GR, Agarn, Ausserberg, Betten, Binn, Blatten, Bürchen, Ferden, Fiesch, Mörel, Oberwald, Randa, Saas-Grund, Salgesch, Simplon Dorf, Steg, Visperterminen, Zermatt VS ist keine Präferenz belegt, Einzelnennungen finden sich in Grabs SG, Tafers FR, Gadmen, Habkern, Mürren BE, Innerthal SZ, Davos, Fläsch, Klosters, Safien, Schiers GR, Guttet-Feschel, Inden, St. Niklaus VS. Die Variante wird nur leicht häufiger akzeptiert (2383 Mal an 366 Orten). Beispiele: im Lehrer si Hund Aesch BL, am Leahrar sina Hund Diepoldsau SG, em Leerer sin Hond Appenzell AI, um Lehrer si Hund Schwarzsee FR, em Schuelmischter si Hund Lenk BE, em Leerer si Hund Entlebuch LU, äm Leerer sei Hund Wolfenschiessen NW, am Leerer si Hund Alpthal SZ, em Leerer sinä Hund Andermatt UR. b) Am zweithäufigsten wird 568 Mal an 177 Orten die Variante ( des ) L ehrers H und präferiert. Das Verbreitungsgebiet der Präferenz konzentriert sich in den südlichen Gebieten von VS bis nach GR. 38 1 Nominalphrase Hier ist die Konstruktion mehrfach vertreten, an vielen Orten sogar mehrheitlich, vgl. ► Prozentkarte (S. 24). An 8 Orten (Weisstannen SG, Guttannen BE, Obstalden GL, Davos Monstein, St. Antönien GR, Blatten, Steg, Visperterminen VS) ist die Variante obligatorisch. Im Norden - mit Ausnahme von SH - treten nur noch Einzelnennungen auf. 866 Mal an 253 Orten wird die Variante akzeptiert. Das Verbreitungsgebiet der Akzeptanz reicht weiter in Richtung Norden als das der Präferenz. 54 Mal an 22 Orten in FR, BE, GR wird die Endung -sch notiert (im VS-Fragebogen ist die Schreibung Lehrer-sch bereits vorgegeben). Beispiele: Ds Lehrers Hond Guttannen, ds Schuelmiischters Hund Habkern BE, z Leerers Hund Giswil OW, ds Leerersch Hund Betten VS. Die Variante kommt auch ohne Artikel vor: L ehrers H und . 12 Mal an 11 Orten von den 568 Antworten wird die artikellose Variante notiert und präferiert: 2 Mal in Matten BE, je einmal in Bühler, Herisau, Trogen AR, Jaun FR, Langnau, Signau, Täuffelen BE, Davos, Klosters, Küblis GR. Weitere 3 Mal (2 Mal in Langnau, einmal in Schangnau BE) wird die Variante ohne Artikel notiert, aber nicht präferiert. Beispiele: Leerers Hond Bühler AR, Lierersch Hund Jaun FR, Schuelmiischtersch Hund Matten BE, Leerersch Hund Davos GR. c) An dritter Stelle steht die nicht suggerierte Variante mit nachgestellter Präpositionalphrase zurAngabe des Possessors ( der H und vom L ehrer ). Sie wird 181 Mal an 125 Orten notiert und präferiert. Die Konstruktion tritt im gesamten Untersuchungsgebiet auf. Eine deutliche Häufung der Mehrfachnennungen gibt es in den Kantonen FR, GR und VS. In Chur, Trimmis GR wird die Variante mehrheitlich präferiert, vgl. ► Prozentkarte (S. 24). Insgesamt wird die Variante 283 Mal an 162 Orten notiert. Das Verbreitungsgebiet der notierten Variante deckt sich weitgehend mit dem der Präferenz. Beispiele: dr Hund vom Lehrer Aesch BL, De Hunn vam Leerer Giffers FR, dr Hund vom Schulmeister Safien, dar Hund vum Lehrar Tamins GR, där Hund vam Leerär Agarn VS. d) Die nicht suggerierte Mischkonstruktion dem L ehrers H und wird 37 Mal an 16 Orten notiert und präferiert. Sie wird fast ausschliesslich in FR und dabei mehrfach präferiert, in Plaffeien, Tafers FR von der Mehrheit der Gewährspersonen, vgl. ► Prozentkarte (S. 24). Die Variante wird insgesamt 44 Mal an 18 Orten notiert (zusätzlich in Erlach, Interlaken BE). 18 Mal wird an 9 Orten die Endung -sch notiert: je 4 Mal in Giffers, Plaffeien FR, je 2 Mal in Heitenried, Schwarzsee, Tafers FR und je einmal in Jaun FR, Boltigen, Schwarzenburg, Trub BE. Beispiele: im Lehrersch Hun Giffers, um Lehrers Hun Heitenried, em Schoumeischtersch Hund Jaun, am Lehrersch Hun Schwarzsee FR, em Lehrersch Hund Boltigen BE. e) Intrapersonelle Variation: präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte DEM L EHRER SEIN H UND und ( DES ) L EHRERS H UND 36 Personen an 34 Orten (je 2 Mal in Matten BE, Dagmersellen LU, je einmal in Aesch BL, Boniswil AG, Unterstammheim ZH, Gächlingen, Hallau SH, Pfäfers, Stein, Wartau SG, Bühler, Herisau, Trogen AR, Appenzell AI, Adelboden, Iseltwald, Langnau, Signau, Spiez, Zweisimmen BE, Marbach LU, Alpnach, Giswil, Melchtal OW, Walchwil ZG, Küssnacht, Muotathal SZ, Andermatt UR, Engi, Glarus, Linthal, Luchsingen, Näfels GL, Visp VS) DEM L EHRER SEIN H UND und DER H UND VOM L EHRER 31 Personen an 28 Orten (je 2 Mal in St. Gallen, Wil SG, Steffisburg BE, je einmal in Aesch BL, Solothurn SO, Brugg, Lenzburg, Merenschwand, Stein AG, Illnau, Pfäffikon, Urdorf ZH, Mörschwil SG, Herisau, Trogen AR, Bern, Gadmen, Melchnau, Münchenbuchsee, Neuenegg, Saanen, Signau, Wengi BE, Luzern LU, Schwyz SZ, Maderanertal UR, Jenins GR, Brig VS) DEM L EHRER SEIN H UND und DEM L EHRERS H UND 2 Personen an 2 Orten (Heitenried FR, Schwarzenburg BE) ( DES ) L EHRERS H UND und DER H UND VOM L EHRER 11 Personen an 9 Orten (je 2 Mal in Schiers GR, Saas-Grund VS, je einmal in Vättis SG, Jaun FR, Sarnen OW, Jenins, Küblis, Safien GR, Brig VS) DES L EHRERS H UND und DEM L EHRERS H UND 1 Person in Diemtigen BE 1.1 Possessivkonstruktionen 39 präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte DER H UND VOM L EHRER und DEM L EHRERS H UND 4 Personen an 3 Orten (2 Mal in Tafers FR, je einmal in Düdingen, Gurmels FR) DEM L EHRER SEIN H UND , DES L EHRERS H UND und DER H UND VOM L EHRER 1 Person in Tamins GR 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ [zu 3 b] ist Oberbaselbieter Dialekt (Oltingen) “ , Liestal BL. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ [zu 3 b] alte Version nicht mehr Gebräuchlich “ , Zunzgen BL. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ [zu 3 b] etwas veraltet “ , Zofingen AG. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 a] - „ [zu 3 b] früher “ , Marthalen ZH. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ [zu 3 b] alte Form “ , Frauenfeld TG. [GP akzeptiert 3 a, 3 b, 5 a und präferiert 3 a] - „ [zu 3 b] Heute, d. h. von unter 40jährigen, wird auch in unserer Gegend der direkte Genitiv kaum noch angewendet. Wie übrigens auch der Konjunktiv nicht mehr ( … ) “ , Grabs SG. [GP akzeptiert und präferiert 3 b] - „ [zu 3 a] ist etwas gepflegter und höflicher / [zu 3 b ohne Artikel] ist dafür gröber und abschätziger “ , Bühler AR. [GP akzeptiert 3 a, notiert 3 b ohne Artikel und präferiert 3 a, 3 b] - „ [zu 3 b ohne Artikel] ohne s; eigentlich: Pfarrers Bube / nicht s …“ , Herisau AR. [GP akzeptiert 3 a, notiert 3 b ohne Artikel und präferiert 3 a, 3 b] - „ [zu 3 b, 5 a] undenkbar “ , Laupen BE. [GP akzeptiert 3 a, notiert 3 c und präferiert 3 c] - „ [zu 3 b] je nach Dorf “ , Thun BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ [zu 3 b] das sagten eher die älteren Einheimischen oder zum Beispiel s ’ Leer [sic] Schmide Mareile = Marie Schmid, Frau vom Lehrer Schmid “ , Flühli LU. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 a] - „ [3 a] & [3 b] je nach der Fragestellung resp. Satzstellung “ , Küssnacht SZ. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ [zu 3 b] im Muotatal “ , Schwyz SZ. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ [zu 3 b] selten noch gehört “ , Schwyz SZ. [GP akzeptiert 3 a, 3 b, notiert 3 c und präferiert 3 a, 3 c] - „ Es kann auch heissen: in Kerns bei älteren Sprechern öfters beobachtet: Äs isch a der Muäter syy Hund / a der Muäter syys Huis. “ , Sarnen OW. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 b] 40 1 Nominalphrase - „ [zu 3 b] ev. früher “ , Schwanden GL. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ z. B. z ’ Ottisch Geisse, z ’ Bärtasch Kurt usw. “ , Visperterminen VS. [GP akzeptiert und präferiert 3 b] 5. Weitere Varianten a) Die dritte suggerierte Variante des L ehrers sein H und wird nur 2 Mal an 2 Orten als präferiert angegeben: Bäretswil ZH, Binn VS. Insgesamt haben 13 Gewährspersonen an 13 Orten die Variante akzeptiert (zusätzlich: Amriswil, Frauenfeld TG, Urnäsch AR, Bern, Bleienbach, Rubigen, Zweisimmen BE, Alpnach OW, Menzingen ZG, Göschenen UR, Schwanden GL). Die Variante wird nie selbst notiert. b) 7 Mal wird an 6 Orten, konzentriert auf VS, eine Konstruktion mit vorangestellter Präpositionalphrase notiert und als präferierte Variante gewählt: 2 Mal in Mörel VS, je einmal in Agarn, Betten, Ferden, Fiesch, Salgesch VS. 13 Mal an 10 Orten wird die Variante insgesamt notiert (zusätzlich: 2 Mal in Fiesch, je einmal in Tamins GR, Blatten, Bürchen, St. Niklaus VS). Beispiele: vam Leerär där Hund Agarn, vam Leerer dr Hund Mörel VS. c) Die Variante vom L ehrer sein H und wird einmal in Langwies GR notiert und präferiert (vam Lehrer schin Hund ), in Inden VS nur als Alternative notiert (vom Leerär schi Hund ). d) Die Konstruktion dem L ehrer der H und (possessiver Dativ + Possessivpronomen) wird einmal in Muotathal SZ notiert und präferiert (am Lehrer dr Hund ). 6. Unbrauchbare Antworten a) Eine Gewährsperson in Meiringen BE notiert nur eine prädikative Konstruktion mit ‚ gehören ‘ : Där Hund gheerd dem Lehrer. (Eine Person in Sennwald SG notiert em Leahrer köert dä Hund neben brauchbaren Varianten.) b) 2 Mal erscheinen (inhaltlich) abweichende Varianten. c) 2 Mal ist die notierte Variante nicht interpretierbar. 7. Weitere Bemerkungen a) Bei Stalder (1819: 79, 82), im Idiotikon (Id. 1: 585, Id. 7: 1014 - 1015) sowie bei Stucki (1921: 69) finden sich Beispiele für den possessiven Genitiv im Schweizerdeutschen (vgl. 3 b). Laut Brandstetter (1904: 45 - 49) kommt der „ alte “ possessive Genitiv in der Luzerner Mundart im Singular meist bei Personenbezeichnungen in einem verwandtschaftlichen, freundschaftlichen oder nachbarschaftlichen Verhältnis vor. Henzen (1932: 97 - 102) beschreibt den Genitiv im Wallis und beschränkt sich dabei auf die Verhältnisse im Lötschental, vgl. aber Henzen (1932: 107 - 108) zu den Bündner Walsern. Szadrowsky (1937: 273 - 278) erwähnt ebenfalls „ die lebenskraft des genitivs “ in Klosters GR. Nach Suter (1901: 114 - 115) und später auch Weber (1948: 110 - 111, 209 - 211) ist der Genitiv im Zürichdeutschen nur noch in Resten vorhanden und als „‚ Besitzer ‘ kommen nur Angehörige des Familienkreises oder einer engeren dörflichen Gemeinschaft und als ‚ Besitz ‘ meist nur enger und dauernd mit ihnen verbundene Personen und Dinge in Betracht. “ (Weber 1948: 210). Ähnliche Bemerkungen finden sich bei Fischer (1960: 190 - 192; 316 - 317) für das Luzerndeutsche, Bossard (1962: 43, 47 - 49) für die Zuger Mundart, Suter (1992: 65; 112 - 113) für das Baseldeutsche sowie Dauwalder (1992: 22) für das Haslideutsche. Für das Berndeutsche insgesamt behandelt Hodler (1969: 388 - 393) das Vorkommen bzw. den Schwund des Genitivs ausführlich, dazu auch Marti (1985: 85, 226). Auch im WDU (4: Karte 4-77) ist die Genitiv-Variante für VS mit einem Eigennamen (neben der von - Phrase) belegt: d ’ s Rutsch Kleid. Der (possessive) Genitiv wird zudem in folgenden Dialektbeschreibungen - als mehr oder weniger lebendig - erwähnt: Wipf (1910: 119) für Visperterminen, Bohnenberger (1913: 186) für die Mundart der deutschen Walliser, Stucki (1917: 255 - 256) für Jaun, Brun (1918: 145) für Obersaxen, Meinherz (1920: 164 - 165) für die Bündner Herrschaft, Baumgartner (1922: 138) für das Berner Seeland, 1.1 Possessivkonstruktionen 41 Weber (1923: 156) für das Zürcher Oberland, Henzen (1927: 179) für die Deutschfreiburger Mundart, Clauß (1929: 173 - 174) für Uri, Hotzenköcherle (1934: 377 - 378) für Mutten, Wanner (1941: 160 - 161) für den Kanton Schaffhausen sowie Sonderegger & Gadmer (1999: 129, 143) für das Appenzellische. In anderen deutschen Dialekten ist der possessive Genitiv selten belegt: in Steininger (1994: 101 - 102) für die Mundart von Oberneureutherwaid im unteren Bayerischen Wald und in Kasper (2017: 300 - 327) für Hessen - dort „ auf den Norden beschränkt, also auf die westfälischen, ostfälischen, nordhessischthüringischen Dialekträume sowie auf die nördlichen Teile des Nordhessischen “ . Bei Schirmunski (2010: 500) sind Beispiele mit Personenbezeichnungen aus dem „ Elsässischen, Bairischen, Schweizerischen “ zusammengestellt. Zum Gebrauch im Egerländischen vgl. Schiepek (1908: 332, 335 - 337). b) Die neben dem possessiven Genitiv beiden häufigsten Possessivkonstruktionen, der possessive Dativ und die Präpositionalphrase mit von (vgl. 3 a, c), sind auch bei Stalder (1819: 82 - 83) und im Idiotikon (Id. 1: 842, Id. 7: 1014 - 1015) dokumentiert, vgl. weiter Binz (1888: 10, 32) und Suter (1992: 113 - 114) für die baselstädtische Mundart, Suter (1901: 117 - 118), Stucki (1921: 71 - 72) und Weber (1948: 212 - 215) für Zürichdeutsch, Brandstetter (1904: 75 - 76) sowie Fischer (1960: 320 - 323) für die Luzerner Mundart, Bossard (1962: 48 - 49) für die Zuger Mundart, Hodler (1969: 400 - 401, 448) und Marti (1985: 101; 226) für das Berndeutsche sowie Sonderegger & Gadmer (1999: 129, 143) für das Appenzellische. Auch der WDU (4: Karte 4-77) belegt den possessiven Dativ und die von -Phrase für die Deutschschweiz. Laut Henzen (1932: 100 - 101) erscheint als Ersatz für den possessiven Genitiv im Lötschental VS keinesfalls der Dativ, sondern nur die Umschreibung mit der vorangestellten von -Phrase (vgl. 5 b), so auch Hotzenköcherle (1934: 378) zur Mundart von Mutten GR. Szadrowsky (1937: 278) gibt für Klosters GR die nachgestellte von -Phrase an (vgl. 3 c). In anderen deutschen Dialekten sind bei Lessiak (1903: 163 - 164) für Pernegg im österreichischen Kärnten, Sperschneider (1959: 83) für die Mundarten im östlichen Thüringer Wald, Steininger (1994: 119) für die Mundart von Oberneureutherwaid, Weiß (1998: 81 - 84, 2008: 381 - 401) für das Bairische, Kasper (2017: 300 - 327) für die Mundart von Hessen, Kallenborn (2019: 177 - 218) für das Moselfränkische sowie bei Goryczka (2019) dialektal für die „ ländlichen Gebiete Österreichs “ beide Ersatzkonstruktionen (possessiver Dativ und von -Phrase) belegt. Zum possessiven Dativ als einer jüngeren Form vgl. man Holzträger (1912: 72, 80 - 81) über das Nösnische. c) Zur Konstruktion unter 5 d schreibt Hodler (1969: 258) für das Berndeutsche: „ Em Ruedi dr Götti [ … ] Ersatz des Possessivums durch Verbindung eines possessiven Dativs mit einem Nom.-Akk. ist dagegen häufig. “ Eine entsprechende Konstruktion erwähnen auch Marti (1985: 101), Fischer (1960: 323) sowie Brandstetter (1904: 75). Zur grammatischen Analyse vgl. Salzmann (2011: 181). d) Stucki (1917: 255 - 256) und Henzen (1927: 179) erwähnen die Mischkonstruktion 3 d für Jaun bzw. den Sense- und südöstlichen Seebezirk, ebenso ist die Mischform bei Hodler (1969: 393 - 394) in Beispielen aus Laupen, Heimiswil, dem Untersimmental sowie dem Gantrischgebiet belegt, die er „ neue (dativische) Genitivform “ nennt. e) Die suggerierte Mischkonstruktion mit Genitiv und Possessivpronomen, die in den SADS-Daten kaum erscheint (vgl. 5 a), erwähnt bereits Stalder (1819: 83), aber auch Suter (1901: 119) für die Zürcher Mundart, Brandstetter (1904: 75) für Luzerndeutsch, Stucki (1917: 256) für Jaun FR sowie in gewissen Fällen Hodler (1969: 391, 400) für Bern ohne genaue geographische Verankerung. Dieselbe Konstruktion ist nach Lessiak (1903: 163 - 164) in der Mundart von Pernegg belegt. Lessiak sieht die Konstruktion als „ Ausgangspunkt “ für die Entwicklung zum possessiven Dativ. Zu dieser im Nösnischen charakteristischen, „ verstärkten “ Form gibt Holzträger (1912: 76 - 81) einen vergleichenden Überblick. Weitere Angaben zum historischen Vorkommen finden sich bei Schiepek (1908: 337 - 338), Schirmunski (2010: 498), vgl. ausserdem Salzmann (2011: 178). f) Unter den Dativformen (3 a, d, 5 d) könnten sich eventuell auch solche mit einer präpositionalen Markierung befinden, vgl. 1.3. Beim maskulinen Artikel lässt sich das allerdings nicht sicher bestimmen, vgl. dazu ausführlich Seiler (2003: 59 - 60). Unklare Konstruktionen sind in diesem Zusammenhang die 42 1 Nominalphrase notierten, aber nicht präferierten Varianten in Kesswil TG (ä Leerer sin Hond ), Giswil OW (a Lehrer sii Hund ), Näfels GL (ä Leerer sinä Hund ) sowie in Schwarzsee FR (A Lehrer ’ s Hun). Die Formen a, ä können als indefiniter Artikel oder Präpositionale Dativmarkierung ohne nachfolgenden Artikel interpretiert werden. g) Viele Bemerkungen der Gewährspersonen (vor allem BL, AG, ZH, teilweise TG, SG, AI) beziehen sich darauf, dass die Genitivform zur Bezeichnung der Lehrersfamilie oder allgemein bei Familiennamen auftreten kann und sind daher oben nicht berücksichtigt: „ [zu 3 b] Das wäre: der Hund der Familie des Lehrers “ , Frauenfeld TG, vgl. dazu z. B. auch Suter (1901: 115), Weber (1948: 210), Fischer (1960: 316), Bossard (1962: 47), Schirmunski (2010: 499 - 500). h) Die erweiterte Form des Possessivpronomens sein wird 99 Mal an 52 Orten als sinä, sine notiert (häufig in SG, LU, UR, GL GR, VS und vereinzelt in AG, BE, FR) und 93 Mal an 50 Orten präferiert, vgl. 3 a. 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS a) Frage II.22 (A) - N ein, das ist dem P eter 2 Mal werden bei der prädikativ ausgerichteten Frage attributive Possessivkonstruktion mit Angabe des Possessums Dreirad/ Velo präferiert: Einmal ein possessiver Dativ (Das isch dum Peter sis Dreirad Valens SG) und einmal ein possessiver Genitiv ohne Artikel (Nei, das isch Peters Velo Plaffeien FR), vgl. II.22, 6 b. An vier weiteren Orten werden attributive Konstruktionen notiert, aber nicht präferiert: Nei, das isch em Peter sis Velo Rapperswil BE, Nei, das isch ds Petersch Velo (Driirad) Mörel, Nei, das ischt z Petärsch Welo Simplon Dorf, Nei, das ischt z ’ Petersch Velo VispVS. Die Genitivnennungen konzentrieren sich also auch hier auf VS. b) Frage II.23 (A) - N ein, das ist der S andra Bei der prädikativ ausgerichteten Frage II.23 wird einmal in Visp VS der attributive possessive Genitiv notiert, aber nicht präferiert: Nei, das ischt z ’ Sandrasch Velo. Unter II.23, 4 notiert auch eine Gewährsperson aus Grabs SG eine Genitivkonstruktion. c) Frage IV.33 (A) - D as ist der L ehrerin Auch in der prädikativ ausgerichteten Frage IV.33 finden sich attributive Konstruktionen, vgl. IV.33, 6 b - e. Der possessive Genitiv wird einmal in Ferden VS notiert (Das ischt dr Lehräri Velo), der possessive Dativ je einmal in Matten BE (Das ischt der Lehreri iru Velo) und Oberägeri ZG (Das isch dr ’ Lehrerin ihres Velo! ), die Präpositionalphrase mit von je einmal in Giffers FR (Das isch doch z ’ Velo va de Lehreri), Münchenbuchsee BE (Das isch Welo vo der Lehrere [sic]) und Glarus GL (Das isch z ’ Velo vu dr Lehreri) sowie die Mischkonstruktion einmal in Schwarzsee FR (Das isch der Lehreris Velo). Zudem formuliert eine Person aus Gächlingen SH einen indirekten Fragesatz, der einen prädikativen possessiven Dativ (Interrogativpronomen) mit einem nachfolgenden attributiven possessiven Dativ nach der Präposition vor dokumentiert (IV.33, 6 i): Dä Hans fröget sini Frau, wem da Velo vors Nochbers Hus sei? d) Frage I.3 (Ü) - O h, ich habe den F ritz kommen hören 12 Mal finden sich bei dieser auf den Ersatzinfinitiv ausgerichteten Frage Possessivkonstruktionen, die sowohl den possessiven Dativ (je einmal in Liestal BL, Rafz, Rorbas, Winterthur ZH, Grabs SG, Urnäsch AR, Wengen BE) als auch die von -Periphrase (je einmal in Wald ZH, Mels SG) und den possessiven Genitiv (je einmal in Meiringen BE, Klosters GR, Agarn VS) belegen, darunter auch artikellose Verwendungen, vgl. 3.2.1: I ha em Fritz sis Auti ghört Liestal BL, iech han z ’ Auto vum Fritz kört Mels SG, Ich han Fritzen Auto khöört chon Klosters GR, I ha z ’ Fritzsch Auto kehrt Agarn VS. e) Frage II.3 (Ü) - E r lässt den S chreiner kommen Auch unter den Antworten zu dieser auf die Syntax von ‚ lassen ‘ ausgerichteten Frage gibt es einen Beleg für eine Possessivkonstruktion, und zwar mit von -Periphrase, vgl. 3.3.1: Där Schreinär hett widär ämal miessu Schtägu [sic] vam Bruno flikku Steg VS. f) Frage I.7 (Ü) - N ein, nein, das gehört meiner S chwester! Unter den Antworten auf die Übersetzungsfrage I.7 (1.3.2, 6 b) zur Präpositionalen Dativmarkierung sind drei attributive Konstruktionen mit possessivem Dativ belegt (einmal davon mit PDM): Nänei, das isch 1.1 Possessivkonstruktionen 43 minere Schwöschter ihres Auto! Stallikon ZH, Los Peter das ist dä de Schwöster ire Wage Wollerau SZ, … das isch ä minerä Schwöschter ires Auto Näfels GL. g) Frage III.26 (A) - K evin bekommt gerade die H aare gewaschen Bei dieser auf das bekommen-Passiv gerichteten Frage, die für die vorliegende Publikation nicht ausgewertet wurde, tritt eine Umformung in ein ‚ werden ‘ -Passiv auf, 3.6.1, 8 a. Dabei wird der Patiens in eine Possessivphrase integriert. Der Beleg zeigt die räumlich begrenzt auftretende Mischkonstruktion, vgl. oben 3 d. I m [sic] Kevin ’ s Haar chäme grad gwäsche Giffers FR. Literatur Baumgartner 1922 ▪ Binz 1888 ▪ Bohnenberger 1913 ▪ Bossard 1962 ▪ Brandstetter 1904 ▪ Brun 1918 ▪ Clauß 1929 ▪ Dauwalder 1992 ▪ Fischer 1960 ▪ Goryczka 2019 ▪ Henn 1983 ▪ Henn-Memmesheimer 1986 ▪ Henzen 1927 ▪ 1932 ▪ Hodler 1969 ▪ Holzträger 1912 ▪ Hotzenköcherle 1934 ▪ Id. 1 ▪ 7 ▪ Kallenborn 2019 ▪ Kasper 2017 ▪ Lessiak 1903 ▪ Marti 1985 ▪ Meinherz 1920 ▪ Salzmann 2011 ▪ Schiepek 1908 ▪ Schirmunski 2010 ▪ Seiler 2003 ▪ Sonderegger & Gadmer 1999 ▪ Sperschneider 1959 ▪ Stalder 1819 ▪ Steininger 1994 ▪ Stucki 1917 ▪ 1921 ▪ Suter 1901 ▪ Suter 1992 ▪ Szadrowsky 1937 ▪ Wanner 1941 ▪ WDU 4 ▪ Weber 1923 ▪ 1948 ▪ Weiß 1998 ▪ 2008 ▪ Wipf 1910 Bezug auf SADS-Material Bart 2006 ▪ 2020: 86 - 100, 143 - 144 ▪ 2020: 236 - 250, 331 Ⓚ ▪ Zellweger 2014 1.1.2 Possessivkonstruktionen (prädikativ, Männername) Frage II.22 (A) - N EIN , DAS IST DEM P ETER 1. Kartenthema und Datengrundlage In der Ankreuzfrage II.22 geht es um eine prädikative Possessivkonstruktion mit Kopula, bei der der Possessor mit einem männlichen Rufnamen angegeben ist. Die Gewährspersonen mussten zwei Varianten beurteilen, die den mit Artikel versehenen Rufnamen im Genitiv bzw. im Dativ vorgaben, wie das aus der Literatur zu erwarten war, vgl. 7 a. Die ► Hauptkarte (S. 25) stellt die Verbreitung der beiden suggerierten Varianten zusammen mit drei weiteren dar, die von einerAnzahl Gewährspersonen notiert und präferiert wurden. Dabei handelt es sich um den possessiven Dativ mit Possessivpronomen, wobei das Possessivpronomen im Nominativ mit dem im Rahmentext genannten Dreirad kongruiert, um die Präpositionalkonstruktion mit von und um eine Mischkonstruktion, bei welcher der Artikel im Dativ steht, der Rufname aber die Genitivendung -s aufweist. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei drei total 2922 2915 7 2837 77 1 2994 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a ( DEM ) P ETER Dativ 3 b ( DEM ) P ETER SEINES Dativ + Possessivpronomen 3.Sg.M. 3 c ( DES ) P ETERS Genitiv 3 d ( DEM ) P ETERS Mischkonstruktion 3 e VON ( DEM ) P ETER Präpositionalphrase mit VON 44 1 Nominalphrase Typenbildung DEM P ETER em Peter, em Pete, dem Peter, am Petur, am Petar, am Petsch, im Peter, um Peter, om Peter, dum Petär, dm Peter, em Pesche, dem Pieter, dam Peter, am Petsch, inn Peter o. ä. Ø P ETER Peter, Petere, i Piäter DEM P ETER SEINES em Peter sis, em Pegu sys, im Peter sis, dem Peter siis, än Peter sis, am Petär seis, in Peter si ’ s, um Peter siis o. ä. Ø P ETER SEINES Peter sis, Peter sys, Pegisch schis [wohl falsche Abtrennung Pegi schis; laut Rückfrage am Ort, Nov. 2015] DES P ETERS z Peitarsch, ds Petersch, ds ’ Petisch, z Peters o. ä. Ø P ETERS Peters, Petersch, Piätersch, Pietersch o. ä. DEM P ETERS em Peters, im Peters, am Peters, m Peters, em Petersch, am Petersch, im Petersch, im Petus, um Petersch, an Peters o. ä. Ø P ETERS i Petersch VON DEM P ETER vam Peter, vum Petar, vam Petär o. ä. VON Ø P ETER vo Peter 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Am häufigsten wird die Variante ( dem ) P eter mit 1603 Mal an 367 Orten präferiert. Im Kanton Freiburg, im Simmental BE, Prättigau GR und Lötschental VS gibt es meist nur Einzel- oder gar keine Nennungen. Keine Nennungen gibt es an folgenden 16 Orten: Rheineck SG, Trogen AR, Giffers, Gurmels, Plaffeien FR, Brienz, Gadmen, Grindelwald, Habkern, Innertkirchen, Laupen BE, Klosters, St. Antönien GR, Saas-Grund, Visperterminen, Zermatt VS. Der blosse Dativ erscheint an vielen Orten im Vorkommensgebiet mehrheitlich, vgl. ► Prozentkarte (S. 26). 2438 Mal wird die Variante praktisch überall, mit Ausnahme von Grindelwald BE und St. Antönien GR, akzeptiert. Beispiele: Nei das isch em Peter Aedermannsdorf SO, Nei, da isch om Peter Schaffhausen SH, Nei, da isch äm Peter Ermatingen TG, Ni, das isch d ’ em Peter Adelboden BE, Nei, das isch am Peter Engelberg OW, Nei, das isch äm Petsch Engi GL, Nei, da ischt am Petsch Churwalden GR, Nei, das ischd inn Peter Blatten VS. Die präferierte Variante kommt 4 Mal ohne Artikel vor ( ø P eter ), davon 2 Mal mit dem Flexionssuffix -e und einmal mit Präpositionaler Dativmarkierung, vgl. ► Beikarte (S. 27): Nei, das isch i Piäter Jaun FR, Nei, das isch Petere Langnau, Nei, das isch Petere Lützelflüh BE, Nei, das ischt Peter Schiers GR. b) Am zweithäufigsten wird 849 Mal an 305 Orten die nicht suggerierte Variante ( dem ) P eter seines notiert und präferiert. Das Verbreitungsgebiet konzentriert sich nördlich der Alpen. In VS erscheint die Variante nie, in GR selten. Die Dativ-Konstruktion mit Possessivpronomen ist in ihrem Vorkommensgebiet vereinzelt mehrheitlich, vgl. ► Prozentkarte (S. 26). Beispiele: Nei, das isch im Peter sis Möhlin AG, Nei, da isch in Peter si ‘ s Hallau SH, Nei, das ischt em Peter siis Appenzell AI, Ni, das ischt dem Pieter sis Boltigen BE, Nei, das isch im Peter seys Buochs NW, Nei, das isch am Petär seis Engelberg OW, Nei, das isch um Peter sis Muotathal SZ, Nei, das isch äm Peter siis Glarus GL. Die präferierte Variante kommt 13 Mal an 11 Orten ohne Artikel vor ( ø P eter seines ), je 2 Mal in Mürren, Wengen BE und einmal in Boltigen, Habkern, Iseltwald, Leissigen, Rüeggisberg, Saanen, Seftigen, Zweisimmen BE, Schiers GR vgl. ► Beikarte (S. 27): Nei, das isch Peter sis Boltigen, Nei, das isch Peter sys Wengen BE, Nei, das isch Pegisch schis Schiers GR. c) An dritter Stelle steht die Variante ( des ) P eters . Sie wird 292 Mal an 121 Orten präferiert. Das Verbreitungsgebiet konzentriert sich in den südlichen Gebieten. In VS, Berner Oberland und GR tritt die Variante teilweise mehrheitlich auf, vgl. ► Prozentkarte (S. 26). 467 Mal an 177 Orten wird die Variante akzeptiert, wobei das Verbreitungsgebiet weiter in Richtung Norden bis nach Schaffhausen reicht. 57 Mal an 26 Orten in FR, BE, GR wird Peter mit der Endung -sch notiert und präferiert (im VS-Fragebogen ist die Schreibung Peter-sch bereits vorgegeben). Beispiele: Nei, das ischt z ’ Peters Weisstannen SG, Nii, das isch z ’ Peters Adelboden BE, Nei, das isch ds Petersch Safien GR, Nei, das ischt ds Petrsch Blatten VS. 1.1 Possessivkonstruktionen 45 111 Mal an 41 Orten wird die Variante ohne Artikel präferiert ( ø P eters ), vgl. ► Beikarte (S. 27): Nei, das isch Pietersch Jaun, Nei, das isch Peters Plaffeien, Nei, das isch Petersch Schwarzsee FR, Ni, das ischt Pietersch Boltigen, Nein, das ischt Peters Guttannen, Das isch Pesches (Peters) Langnau BE, Nei, das ischt Petersch Davos GR. Darunter sind auch zwei einzelne Antworten, die weit ausserhalb des Kerngebietes der artikellosen Variante vorkommen: Nei, da ischt Peters Gais, Nèè, das isch Peters Herisau AR. d) Die nicht suggerierte Variante ( dem ) P eters wird 36 Mal an 11 Orten notiert und präferiert. Sie tritt fast ausschliesslich im Kanton Freiburg und dabei mehrfach auf, in Giffers, Heitenried, Plaffeien, Tafers sogar mehrheitlich, vgl ► Prozentkarte (S. 26). 19 Mal an 7 Orten in FR wird Peter mit der Endung -sch notiert: Freiburg, Giffers, Heitenried, Plaffeien, Schwarzsee, Tafers, Ueberstorf. Beispiele: Nei, das isch am Peters Düdingen, Nei, das isch im Petersch Giffers, Nei, das isch an Peters Gurmels, Nei, das isch um Petersch Ueberstorf FR. Einmal in Plaffeien FR erscheint die Variante ohne Artikel, vgl. ► Beikarte (S. 27), aber mit Präpositionaler Dativmarkierung: Nei, das isch i Petersch. e) Die nicht suggerierte Variante von ( dem ) P eter wird 20 Mal an 17 Orten notiert und präferiert, vor allem in VS und GR. Sie tritt nie mehrheitlich auf, vgl. ► Prozentkarte (S. 26). Beispiele: Nai, das isch vum Peter Obersaxen GR, Nei, das ischt vam Peter Betten, Das isch vam Petär Oberwald VS. Die Variante kommt einmal ohne Artikel vor ( von ø P eter ), vgl. ► Beikarte (S. 27): Nei, das ischt vo Peter St. Antönien GR. f) Intrapersonelle Variation: präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte DES P ETERS und DEM P ETER 15 Personen an 13 Orten (je 2 Mal in Grabs SG, Escholzmatt LU, je einmal in Aesch BL, Bäretswil ZH, Mels, Pfäfers SG, Horw LU, Elm GL, Jenins, Malans GR, Blatten, Steg, Visp VS) DES P ETERS und Ø P ETER 1 Person in Schiers GR Ø P ETERS und DEM P ETER 1 Person in Herisau AR DES P ETERS und DEM P ETER SEINES 1 Person in Engi GL Ø P ETERS und DEM P ETER SEINES 6 Personen an 5 Orten (2 Mal in Matten, je einmal in Boltigen, Langnau, Meiringen, Rüeggisberg BE) Ø P ETERS und Ø P ETER SEINES 1 Person in Saanen BE Ø P ETERS und VON Ø P ETER 1 Person in St. Antönien GR DEM P ETER und DEM P ETER SEINES 4 Personen an 4 Orten (Wädenswil ZH, Valens SG, Ursenbach BE, Küssnacht SZ) DEM P ETER SEINES und DEM P ETERS 1 Person in Frauenkappelen BE 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ [zu 3 c] Vor 50 Jahren noch möglich. “ , Zofingen AG. [GP akzeptiert 3 a, notiert und präferiert 3 b] - „ [zu 3 a] Nei, das isch em Peter = das gehört P.; aber ‚ das ist Peters ‘ [3 b] Nää, da ischt em Peter sys. “ , Gais AR. [GP akzeptiert 3 a, notiert und präferiert 3 b] - „ als gleichwertig: Nee, das isch Peters (nicht: s Peters) “ , Herisau AR. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 c] - „ [zu 3 c] undenkbar “ , Laupen BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] 46 1 Nominalphrase - „ Nei, das ischt Peters. oder auch Petsches (wenn er grösser ist) “ , Leissigen BE. [GP akzeptiert 3 a, 3 c und präferiert 3 c] - „ Nei, das isch Petere. (Diese Form wird nicht mehr häufig verwendet) “ , Lützelflüh BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ Nein, das ischd Peeters. (Ohne Artikel! Der nur bei ‚ modernen ‘ weiblichen Namen verwendet wird, was natürlich immer mehr der Fall ist.) “ , Meiringen BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 c] - „ das isch des Peters = in Oberländer Dialekten üblich “ , Thun BE. [GP akzeptiert 3 a, notiert und präferiert 3 b, 3 e] - „ [zu 3 a, 3 c] heute auch gebräuchlich, früher nicht. “ , Horw LU. [GP notiert und präferiert 3 b] - „ Nei, das isch (ghört) dem Peter! “ Davos Monstein GR. [GP akzeptiert 3 a, notiert 5 a und präferiert 3 a, 5 a] - „ Die Variante hängt ab von der Person welcher das Velo gehört: Kind, Vater, Nachbar, Kollegen “ , Visp VS. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 c] - „ Visper-Dialekt: Nei, das isch dum Peter. Oder: Nei, das ischt z ’ Petersch Velo. “ , Visp VS. [GP akzeptiert 3 a, 3 c und präferiert 3 a] 5. Weitere Varianten a) 192 Mal an 142 Orten wird eine Konstruktion mit dem Verb ‚ gehören ‘ notiert und präferiert, 44 Mal neben einer kartierten Variante (35 Mal neben ( dem ) P eter seines , 4 Mal neben ( des ) P eters , je 2 Mal neben dem P eters , dem P eter , einmal neben von ( dem ) P eter ) und einmal neben zwei kartierten Varianten (( des ) P eters und dem P eter ). Das Verb ‚ gehören ‘ erscheint über das gesamte Untersuchungsgebiet verteilt, aber vor allem in VS und GR gehäuft. Beispiele: Nei, das ghöört im Peter Birmenstorf AG, Nei, das ghört em Peter Bäretswil ZH, Ne ’ i das kourt am Petar Diepoldsau SG, Nei, das ghört däm Petär Wiesen GR, Nei, das keert dum Peter Inden VS. Die Variante kommt 9 Mal an 8 Orten auch ohne Artikel vor (2 Mal in Davos GR, je einmal in Grindelwald, Habkern, Signau BE, Arosa, Küblis, Schiers, St. Antönien GR), davon einmal mit Flexion -e: Nei, das kehrd Peter Grindelwald, Das ghört Petere Signau BE, Nei, d ’ säb ghöört Peter! Arosa GR. b) In Giffers FR wird einmal neben der Dativform in der Konstruktion mit dem Verb ‚ gehören ‘ eine Mischform notiert und präferiert: Das köhrt dum Peters. c) In Brig VS wird einmal neben von dem P eter der Name im Genitiv mit Possessivpronomen notiert und präferiert: Nei, das isch ds Petersch schiis. 6. Unbrauchbare Antworten a) 5 Mal wird an 5 Orten als einzige Variante eine Konstruktion mit Demonstrativpronomen (Possessum) und abhängiger Präpositionalphrase (Possessor) notiert (insgesamt 42 Mal an 32 Orten, mit einer Häufung in GR). Beispiele: Nei, das isch das vum Peitr Pfäfers SG, Nei, das isch das fam Petär Agarn VS. Die Variante erscheint 2 Mal ohne Artikel: Nei, das isch das vo Peter Meiringen BE, Nei, das isch das vo Peter Davos GR. b) 2 Mal wird eine attributive Konstruktion mit nominalem Possessum Dreirad/ Velo als einzige Variante präferiert (insgesamt 6 Mal notiert): Das isch dum Peter sis Dreirad Valens SG, Nei, das isch Peters Velo Plaffeien FR. 1.1 Possessivkonstruktionen 47 c) 28 Mal wird ‚ Peter ‘ als Familienname interpretiert, aber nie präferiert: Nei das isch s Peters ihres Maisprach BL, Nei, da send sPeters Hägglingen AG, vgl. 7 f. 7. Weitere Bemerkungen a) Zum Dativ als Kasus für den Ausdruck des Possessors in Kopulakonstruktionen sei allgemein auf die Ausführungen im Kommentar IV.29 zum pronominalen Possessor verwiesen. Nominale Possessorausdrücke bzw. Rufnamen werden im Unterschied zu Pronominalformen in der Sekundärliteratur nur gelegentlich angeführt, z. B. für das Schweizerdeutsche Hodler (1969: 436) und Id. (7: 1029), wo Dativformen neben Formen im Genitiv ( „ häufig in ä.[lterer] Spr.[ache] “ und „ als Dativ gefühlt “ ) erwähnt werden. Zum Alemannischen vergleiche weiter BadWB (7: 50), Holzträger (1912: 68) zum Nösnischen, Heitzler (1975: 50 - 51) zum Elsässischen. Vajss (2004: 109) erwähnt die Prädikativkonstruktion im Schweizerdeutschen mit Dativ in einer Fussnote, in der er seinen zürichdeutschen Gebrauch bei Pronomina und Eigennamen dokumentiert, bei Appellativa aber ein Fragezeichen setzt, vgl. dazu IV.33, 7 d. Für das Lötschental VS sind in Henzen (1932: 97 - 98) zahlreiche Beispiele des possessiven Genitivs „ sowohl in prädicativer wie in attributiver function “ belegt. Zum Nebeneinander von Genitiv und Dativ in prädikativer Stellung schreibt Henzen (1932: 101): „ Wohl aber findet in prädicativer stellung der dat. neben dem gen. verwendung: dits i š t em luik χ as diese gehört dem Lukas, īš m etri(n) unserm onkel. “ Zum Genitiv vgl. Henzen (1932: 100). Bei Hotzenköcherle (1934: 377 - 378) ist der possessive Genitiv für die Mundart von Mutten GR „ häufiger attributiv als prädikativ “ belegt, was sich generell im Vergleich der Ergebnisse aus der vorliegenden Frage mit denjenigen aus der Frage nach der attributiven Konstruktion II.30 bestätigt. Zwar wird der possessive Genitiv jeweils hauptsächlich in den südlichen Regionen präferiert, die Nennungen in attributiver Stellung treten aber weiter nach Norden auf, insbesondere auch in SH. Am nordwestlichen Rand des Genitivareals gibt es allerdings einige Orte, an denen der Genitiv nur prädikativ präferiert wird, vgl. Bart (2020: 143 - 144, 331). Bei Szadrowsky (1937: 277) finden sich für die Mundart von Klosters GR zwei prädikative Beispiele mit männlichen Personennamen: „ där bodn i š t ds gr ō ssn Hansn der boden gehört dem grossen Hans, där hued i š t T ō ni š dieser hut gehört Anton “ . Brandstetter (1904: 79) führt eine Verwandtschaftsbezeichnung im Genitiv an. Zu Beispielen für den possessiven prädikativen Genitiv bei männlichen Eigennamen ausserhalb des Schweizerdeutschen vgl. Schiepek (1908: 223, 337). b) Bei dieser Aufgabe sind viele Varianten aufgetreten, die, auch wenn sie teilweise nicht der intendierten Kopulakonstruktion mit blossem Dativ- oder Genitivpossessor im Prädikat entsprechen, dennoch teilweise als brauchbar eingestuft wurden. Das ist der Annahme geschuldet, dass die auszuwählenden Varianten mit blossem Rufnamen zumindest teilweise nicht als üblich - wenn nicht gar ungrammatisch - eingeschätzt wurden, was auch eine bemerkenswerte implizite Information zur Konstruktion von prädikativen Possessivkonstruktionen darstellt. Die Gewährspersonen mussten also gewissermassen auf andere Konstruktionen ausweichen, etwa mit dem Verb ‚ gehören ‘ oder auf die durch ein Possessivpronomen gestützte Dativkonstruktion (3 b), wie sie auch im AdA (Runde 10, „ Frage nach dem Besitzer “ , 13 g) als Variante aufgeführt ist. Deren areale Verteilung innerhalb des deutschen Sprachraums stützt jedenfalls grundsätzlich eine Interpretation als regionale Variante. Dies wird allerdings kaum für alle belegten Fälle bei Frage II.22 zutreffen, da sich auch blosse Ausweichformulierungen darunter befinden können. Die elliptische Gleichsetzungskonstruktion mit Demonstrativpronomen, das sich auf das vorgegebene Dreirad bezieht, wurde generell als Ausweichkonstruktion und als nicht funktional äquivalent eingestuft (6 a). Ebenso wenig kann bei Wiederholung des Possessums von einer funktional äquivalenten Konstruktion zurAusgangsstruktur ausgegangen werden. Für die letztendliche Beurteilung derÄquivalenz der verschiedenen aufgetretenen Konstruktionen wäre eine breitere, flächendeckende Erhebung notwendig. c) Die Mischkonstruktion unter 3 d ist prädikativ nicht in der Literatur erwähnt, vgl. zu deren attributivem Gebrauch II.30, 7 d. d) Auch bei dieser Aufgabe, in der ein männlicher Rufname mit Artikel vorgegeben war, sind artikellose Varianten aufgetreten. Wie auf der ► Beikarte (S. 27) zu den Varianten 3 a - e zu sehen ist, finden sich diese in den bekannten Regionen, vgl. dazu 1.2.1, 8 d sowie 1.2.3, 8 a. 48 1 Nominalphrase e) Bei Possessorangaben im Dativ (3 a, b, d, 5 a) könnte teilweise Präpositionale Dativmarkierung vorliegen, wobei jedoch der Status der Formen im, am, äm, um bei Maskulina nicht eindeutig zu bestimmen ist, da es sich je nach Ort auch um einen reinen Dativartikel handeln könnte, vgl. dazu II.30, 7 f. Nur die beiden unter 3 a und 3 d genannten artikellosen Varianten aus FR (i Piäter Jaun, i Petersch Plaffeien) lassen sich eindeutig der Präpositionalen Dativmarkierung zuordnen, wobei sie sich in das bekannte Vorkommensgebiet einfügen, vgl. 1.3.2, 1.3.4 zu PDM bei Nominalphrasen. f) Viele Bemerkungen (vor allem aus ZH, teilweise BL, AG) beziehen sich auf den Familiennamen und sind daher oben nicht berücksichtigt, z. B. „ Das wäre das Dreirad von Familie Peter. “ Möhlin AG, vgl. auch II.30, 7 g. Literatur AdA 10 ▪ BadWB 7 ▪ Bart 2020 ▪ Brandstetter 1904 ▪ Heitzler 1975 ▪ Henzen 1932 ▪ Hodler 1969 ▪ Holzträger 1912 ▪ Hotzenköcherle 1934 ▪ Id. 7 ▪ Schiepek 1908 ▪ Szadrowsky 1937 ▪ Vajss 2004 Bezug auf SADS-Material Bart 2006 ▪ 2020: 100 - 112, 143 - 144 ▪ 2020: 252 - 266, 331 - 332 Ⓚ 1.1.3 Possessivkonstruktionen (prädikativ, Frauenname) Frage II.23 (A) - N EIN , DAS IST DER S ANDRA 1. Kartenthema und Datengrundlage In der vorliegenden Ankreuzfrage geht es in Ergänzung zur Frage II.22 um eine prädikative Possessivkonstruktion mit Kopula, bei der der Possessor mit einem weiblichen Rufnamen angegeben ist. Dabei mussten die Gewährspersonen drei vorgegebene Varianten der Possessorangabe beurteilen, einmal mit Genitivartikel s/ ds und Genitiv-s beim Rufnamen sowie zwei weitere Varianten mit unterschiedlichen Artikelformen, die als Dat.Sg.F. intendiert waren, jedoch mit dem femininen Genitiv formgleich sind, vgl. 7 b. Die beiden Formvarianten des Dativartikels sind im Folgenden zusammengefasst. Die ► Hauptkarte (S. 28) stellt die Verbreitung der suggerierten Varianten zusammen mit drei weiteren dar, die von einer Anzahl Gewährspersonen notiert und präferiert wurden. Dabei handelt es sich um den possessiven Dativ mit Possessivpronomen, wobei das Possessivpronomen im Nominativ mit dem im vorangehenden Kontext genannten Dreirad kongruiert, um die Präpositionalkonstruktion mit von und um eine mit der Mischkonstruktion beim männlichen Rufnamen (vgl. II.22, 3 d) verwandte Konstruktion, wobei der weibliche Rufname mit dem bezüglich Genitiv oder Dativ ambigen Artikel und der Genitivendung -s auftritt. Zu den Konstruktionen im Neutrum vgl. 5 a, b, e. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei drei total 2920 2912 8 2805 104 3 3022 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a DER S ANDRA Dativ / Genitiv 3 b DER S ANDRA IHRES Dativ + Possessivpronomen 3.Sg.F. 3 c ( DES ) S ANDRAS Genitiv 3 d DER S ANDRAS Mischkonstruktion 3 e VON DER S ANDRA Präpositionalphrase mit VON 1.1 Possessivkonstruktionen 49 Typenbildung DER S ANDRA er Sandra, dr Sandra, i de Sandra, i der Sandra, a dä Sandra, a dr Sandra, e der Sandra, dar Sandra, ar Sandra, är Sandra, dä Sandra o. ä. DER S ANDRA IHRES er Sandra ires, dr Sandra ihres, dä Sandra ihräs, de Sandra erres, dar Sandra iras, i de Sandra ihres, e de Sandra eres, a dä Sandra ihräs, ar Sandra ihres, är Sandra ires o. ä. DES S ANDRAS s Sandras, ds Sandras, z Sandras, z Sandräsch, z Sandrasch o. ä. Ø SANDRAS Sandras, Sandrasch VON DER S ANDRA vonär Sandra, va der Sandra, va dr Sandra, var Sandra, vor Sandra, vur Sandra, vanär Sandra, va där Sandra o. ä. DER S ANDRAS er Sandra ’ s, der Sandras, d ’ Sandrasch, i de Sandras o. ä. 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Am häufigsten wird die Variante der S andra mit 1821 Mal an 377 Orten präferiert, 1713 mit dem Artikel der (der, där, dar, dr, de, dä) und 108 Mal mit einer Form ohne d- (er, ar, är), 8 Mal werden davon der und er nebeneinander präferiert. Die Variante erscheint im gesamten Verbreitungsgebiet mehrfach und mit Ausnahme der Kantone FR, GL und GR auch fast überall mehrheitlich, vgl. ► Prozentkarte (S. 29). In Giffers, Heitenried, Schwarzsee, Tafers FR, St. Antönien GR, Saas-Grund VS wird die Variante nicht präferiert. 2736 Mal an allen 383 Untersuchungsorten wird die Variante akzeptiert. Beispiele: Nei, das isch dr Sandra Laufen BL, Nei, das isch e der Sandra Muhen AG, Nei, da isch dä Sandra Hallau SH, Nei, das isch är Sandra Interlaken BE, Nei, das isch i dr Sandra Alpthal SZ, Nei, das isch a dr Sandra Altdorf UR, Nei, das isch ä der Sandra Näfels GL. Die präferierte Variante kommt 123 Mal an 71 Orten mit Präpositionaler Dativmarkierung vor dem der - Artikel vor. b) Am zweithäufigsten wird 543 Mal an 248 Orten die nicht suggerierte Variante mit femininem Possessivpronomen ( der S andra ihres ) notiert und präferiert, 492 Mal mit dem d-haltigen Artikel der und 51 Mal mit einer Form ohne d- (er, ar, är), 2 Mal werden davon der und er nebeneinander präferiert. Das Verbreitungsgebiet konzentriert sich nördlich der Alpen. Hier ist die Konstruktion meist mehrfach vertreten, aber nur vereinzelt und über das ganze Verbreitungsgebiet verstreut mehrheitlich, vgl. ► Prozentkarte (S. 29). In den Kantonen VS und GR tritt die Konstruktion nie bzw. nur mit Einzelnennungen auf. Beispiele: Nei, das isch ar Sandra ihres Bettlach SO, Nei, da isch de Sandra ihres Bremgarten AG, Nei, da isch de Sandra eres Romanshorn TG, das isch de Sandra ires Ebnat-Kappel SG, Nei, dasch er Sandra Huttwil, Nei das isch er Sandra ires Laupen BE, Nei, das isch i de Sandra iires Entlebuch LU, Nei, das isch ede Sandra eres Hünenberg ZG, Nei, das isch a dr Sandra ihres Obstalden GL, Nei, das isch dar Sandra iras Thusis GR. Die präferierte Variante kommt 53 Mal an 41 Orten mit Präpositionaler Dativmarkierung vor. c) An dritter Stelle steht die Variante ( des ) S andras , die mit Artikel suggeriert wurde. Sie wird insgesamt 204 Mal an 104 Orten (mit oder ohne Artikel) präferiert. Die Verbreitung konzentriert sich in den südlichen Gebieten der Deutschschweiz, wo die Variante meist mehrfach auftritt. Mehrheitlich erscheint sie in Grabs, Valens SG, Brienz, Guttannen BE, Avers, Davos Monstein, St. Antönien GR, Saas-Grund, Visperterminen, Zermatt VS, zu 50 % in Wartau SG, Grindelwald, Saanen BE, Klosters GR, vgl. ► Prozentkarte (S. 29). 440 Mal an 184 Orten wird die Variante akzeptiert. Das Verbreitungsgebiet der akzeptierten Varianten reicht weiter in Richtung Norden bis nach Schaffhausen. 32 Mal an 22 Orten wird in GR, VS die Endung -sch notiert. Beispiele: Ni, das isch ds Sandras Boltigen BE, Nei, das isch z ’ Sandras Mollis GL, Das ischt z Sandräsch Schiers GR, Nei, das isch ds Sandrasch Saas-Grund VS. Die präferierte Variante kommt 23 Mal an 17 Orten, vor allem in BE und GR, ohne Artikel vor: Nei, das ischt Sandras Langwies GR. d) Die nicht suggerierte Mischkonstruktion der S andras wird 61 Mal an 21 Orten notiert und präferiert, 57 Mal mit einer d-haltigen Artikelform und 4 Mal ohne d- (er). Die Mischkonstruktion tritt fast 50 1 Nominalphrase ausschliesslich im Kanton FR und dabei mehrfach auf, in Giffers, Gurmels, Heitenried, Plaffeien, Schwarzsee und Tafers FR sogar mehrheitlich, vgl. ► Prozentkarte (S. 29). Beispiele: Nei, däsch de Sandras Schwarzsee, Nei, das isch i de Sandra ’ s Schwarzsee FR, Ni, das isch dr Sandras Diemtigen, Nei, das isch er Sandras Rüeggisberg BE. Die präferierte Variante kommt 2 Mal in Giffers und einmal in Schwarzsee FR mit der Präpositionalen Dativmarkierung i vor. e) Die nicht suggerierte Variante von der S andra wird 18 Mal an 17 Orten notiert und präferiert, vor allem in VS und GR. Neben zwei Nennungen in Obersaxen GR treten nur Einzelnennungen auf. Beispiele: Nei, da isch vo dr Sandra Vättis SG, Nei, das isch vu dr Sandra Fläsch, Nei, das isch var Sandra Safien GR, Nei, äs isch vanär Sandra Agarn VS. f) Intrapersonelle Variation: präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte DES S ANDRAS und DER S ANDRA 20 Personen an 18 Orten (je 2 Mal in Gais AR, Brienz BE, je einmal in Bäretswil ZH, Ebnat-Kappel, Grabs, Mosnang, Pfäfers SG, Haslen AI, Gsteig, Guttannen BE, Horw LU, Davos Monstein, Jenins, Malans, Schiers GR, Blatten, Mörel, Zermatt VS) Ø S ANDRAS und DER S ANDRA 1 Person in Herisau AR Ø S ANDRAS und DER S ANDRA IHRES 3 Personen an 3 Orten (Matten, Meiringen, Schangnau BE) DER S ANDRA und DER S ANDRA IHRES 7 Personen an 7 Orten (Turbenthal ZH, Gächlingen SH, Signau, Steffisburg BE, Stans NW, Hünenberg ZG, Schwyz SZ) DER S ANDRA IHRES und DER S ANDRAS 1 Person in Frauenkappelen BE DES S ANDRAS , DER S ANDRA und DER S ANDRA IHRES 1 Person in Obstalden GL 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „‚ dr Klara ‘ , ‚ dr Mona ‘ etc. tönt bei uns gestelzt! “ , Hölstein BL. [GP notiert und präferiert 5 a] - „ Nai, das isch im Sandra sys. Wenn Sandra erwachsen/ wichtige Person: nai, das isch der Sandra iires. “ , Zunzgen BL. [GP notiert und präferiert 3 b und 5 b] - „ Je nach Name: … das isch em Susy. “ , Meilen ZH. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ [zu 3 c] würde verwendet, wenn ‚ Rad ‘ angehängt wäre: Nei, das ischt s ’ Sandras Rad. Wir sagen hier natürlich ‚ dr Sandra ‘ und nicht ‚ de Sandra ‘ ( … ) “ , Grabs SG. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ [zu 3 a] wenn man sagen will ‚… das gehört …‘ ; meistens falsch gebraucht: … de Sandra sys, aber wer drauskommt, sagt: … de Sandra eres oder ernes “ , Gais AR. [GP akzeptiert 3 a, notiert 3 b und präferiert 3 b] - „ [zu 3 b] Wenn Besitzverhältnisse klargestellt werden sollen. “ , Adelboden BE. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 b] - „ Kevin + Sandra sind höchst unschweizerische Vornamen! “ , Brienz BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ (bin unsicher, weil Name Sandra nicht geläufig) ds Grittlis, dr Margrit, ds Mariannis, dr Mariann usw. … aber auch dr Sandra, ds Sandras? “ , Grindelwald BE. [GP akzeptiert 3 a, 3 c und präferiert 3 c] 1.1 Possessivkonstruktionen 51 - „ Possessive Genitive sind im Thuner Dialekt nicht gebräuchlich “ , Thun BE. [GP akzeptiert 3 a, 5 f und präferiert 5 f] - „ Nei, das isch em Sandra sys, ABER der Schwöschter ires! “ , Glarus GL. [GP akzeptiert 3 c, notiert und präferiert 5 b] - „ Frauen/ Mädchen sind bei ‚ uns ‘ sächlich: Ds Doris …“ , Schwanden GL. [GP notiert und präferiert 5 a] - „ Nei, das gheert dr Sandra. Zu Sandra: Heute ist es hier üblich, die Namen nach Schriftsprache zu gebrauchen. Früher hätte man gesagt dr Sandrun. Heute kaum mehr zu hören. “ , Blatten VS ( Jg. 1934). [GP akzeptiert 3 a, notiert und präferiert 5 d] - „ das gheert dum S. das ischt där S. neutrum bei uns häufig “ , Simplon Dorf VS. [GP akzeptiert 3 a, 3 c, notiert 5 d, 5 e und präferiert 3 a, 5 d, 5 e] - „ Visper-Dialekt: Nei, das ischt z ’ Sandrasch Velo. ODER: Nei, das ischt dr Sandra. “ , Visp VS. [GP akzeptiert 3 a, 3 c und präferiert 3 a] 5. Weitere Varianten a) 51 Mal wird an 30 Orten der Frauenname mit neutralem Dativartikel notiert und präferiert (je 2 Mal neben des S andras, der S andra und einmal neben dem S andra seines ), vgl. 1.2.4, 8 a. Die Variante kommt in zwei Arealen mehrfach vor: Kanton GL und in der Nordwestschweiz in den Kantonen BS, BL, SO. Zwischen den beiden Gebieten treten verstreut Einzelnennungen auf. Beispiele: Nei, das isch em Sandra Laufen BL, Nei, das isch im Sandra Magden AG, Nei, das isch am Sandra Linthal, Nei, das isch äm Sandra Mollis GL. b) 29 Mal an 22 Orten wird eine Variante mit neutralem Dativartikel dem und Possessivpronomen notiert und präferiert (2 Mal neben der S andra ihres , je einmal neben ( des ) S andras, der S andra , gehört dem S andra ). Sie erscheint in GL und der Nordwestschweiz. Einzelnennungen gibt es dazwischen in den Kantonen LU, NW. Beispiele: Nei, s ’ isch em Sandra sys Liestal BL, Nei, das isch im Sandra sis Bettlach SO, Nei, das isch jo am Sandra sis Niederbipp BE, Nei, das isch em Sandra seys Wolfenschiessen NW, Nei, das isch äm Sandra sys Glarus GL. c) 88 Mal wird an 77 über das Untersuchungsgebiet verstreuten Orten eine Variante mit femininem Dativartikel und neutralem Possessivpronomen notiert und präferiert (5 Mal neben der S andra ihres , 4 Mal neben der S andra , je einmal neben der S andras, gehört der S andra ), 83 Mal mit d-haltiger Artikelform und 5 Mal ohne d- (er, är, ar). Beispiele: Nei, das isch de Sandra siis Rorbas ZH, Nei, das isch ar Sandra siis Diepoldsau SG, Nei, dass isch är Sandra sys Langnau BE, Nei, das esch i de Sandra sis Sempach, Nei, das esch e de Sandra siis Zell LU, Nei, das isch ä dr Sandra sis Schwanden GL. Die präferierte Variante kommt 15 Mal an 15 Orten mit Präpositionaler Dativmarkierung vor. d) 196 Mal an 145 Orten wird eine Variante mit dem Prädikatsverb ‚ gehören ‘ über das gesamte Untersuchungsgebiet verteilt notiert und präferiert (27 Mal neben der S andra ihres , 9 Mal neben der S andra , 3 Mal neben der S andras , 2 Mal neben ( des ) S andras und einmal zusammen neben der S andra und gehört dem S andra ), 193 Mal mit d-haltiger Artikelform und 3 Mal ohne d- (er, är). In Blatten VS kommt die präferierte Variante einmal mit der Dativendung -un vor: Nei, das gheert dr Sandrun. Beispiele: Nei, das ghört dr Sandra Aesch BL, Nenei, das ghört e de Sandra Menziken AG, Nei, das ghört är Sandra Münchenbuchsee BE, Nei, äs kört ä dr Sandra Glarus GL. Die präferierte Variante kommt 20 Mal an 18 Orten mit Präpositionaler Dativmarkierung vor. e) Die Variante mit dem Prädikat ‚ gehören ‘ kommt 5 Mal an 5 Orten mit Neutrumartikel vor: Grosswangen LU, Glarus, Mollis GL, Inden, Simplon Dorf VS. 52 1 Nominalphrase Beispiele: Nei, s ’ ghört em Sandra Grosswangen LU, Nei, das gkört ja äm Sandra Glarus, Es kört am Sandra Mollis GL, Das keert dum Sandra Inden, Das gheert dum Sandra Simplon Dorf VS. f) Die Mischkonstruktion mit Genitiv-s und femininem Artikel und Possessivpronomen wird neben der S andras in Giffers FR einmal notiert und präferiert (Nei, das isch de Sandras ires). g) Im Lötschental (Blatten, Ferden) und Simplon Dorf VS wird 4 Mal eine Variante mit der Dativ-/ Genitivendung -u(n) notiert und präferiert, einmal neben der S andra und einmal zusammen mit der S andra und gehört der S andra . Beispiele: Nei, das ischt dr Sandrun Blatten, Nei das isch dr Sandru Ferden, Das ischt där Sandru Simplon Dorf VS. h) Einmal erscheint eine Konstruktion ohne Artikel, wobei das Genus des Frauennamens unbestimmt ist: Nei, das isch Sandra sis Signau BE. 6. Unbrauchbare Antworten a) das von ( der ) S andra : 8 Mal wird an 8 Orten eine Konstruktion mit Demonstrativpronomen (Possessum) und abhängiger Präpositionalphrase (Possessor) als einzige Variante notiert (insgesamt 36 Mal an 30 Orten, vor allem in GR und VS). Einmal tritt die Variante ohne Artikel auf: Nei, das isch das vo Sandra Davos GR. Beispiele: Nei, das ischt das vor Sandra Wengen BE, Nei, das isch das vu dr Sandra Trimmis GR, Das isch das vonär Sandra Agarn VS. 7. Weitere Bemerkungen a) Zum prädikativen possessiven Dativ bei Nominalphrasen bzw. männlichen Eigennamen vgl. II.22, 7 a, b. Die Verhältnisse bei Frauennamen werden in der Sekundärliteratur selten angesprochen, vgl. aber Schiepek (1908: 223, 337). b) Bei den Varianten unter 3 a, b, d und 5 c mit dem Artikel der kann grundsätzlich Dativ oder Genitiv vorliegen. Es gibt sowohl Hinweise für Dativ (Präpositionale Dativmarkierung, Possessivpronomen, areale Verteilung) als auch für Genitiv (Suffix -s), die Formen lassen sich ansonsten jedoch nicht pauschal den Typen zuordnen. Wenn der + S andra beispielsweise in einer PDM-Zone auftritt, kann davon ausgegangen werden, dass der + S andra ein Dativ ist. In den Gebieten, wo der possessive Genitiv des P eters beim maskulinen Rufnamen auftritt (vgl. II.22), könnte der + S andra auch ein Genitiv sein - neben des S andras . Zur Bildung bei Feminina vgl. zum Genitivsuffix -s Baumgartner (1922: 138) für die Mundart des Berner Seelandes, Hodler (1969: 389, 391 - 392) für das Wallis und das Berner Oberland sowie Marti (1985: 85, 226); zur Bildung mit dem Artikel des und dem Suffix -s vgl. Stucki (1921: 69), Suter (1901: 117) für die Zürcher Mundart, Weber (1923: 124, 156) für das Zürcher Oberland, Wanner (1941: 160 - 161) für Schaffhausen, Fischer (1960: 316) für Luzern, Clauß für die Mundart von Uri (1929: 173) und Meinherz (1920: 164) für die Bündner Herrschaft; zum Nebeneinander von der und des Brandstetter (1904: 42, 56 - 57) für das Luzerndeutsche, Weber für das Zürichdeutsche (1948: 110, 210), der die Bildung mit dem Artikel s und dem Suffix -s als „ ,unrichtigen ‘ Genitiv “ bezeichnet, sowie Dauwalder (1992: 22) für das Haslital; für Bildungen mit dem Artikel der und dem Suffix -s vgl. Stucki (1917: 255 - 256) für Jaun sowie Henzen (1927: 179) für die Mundart im Sense- und südöstlichen Seebezirk, und für Bildungen mit dem Artikel der ohne -s-Suffix vgl. Stalder (1819: 79), Hotzenköcherle (1934: 377 - 378), Szadrowsky (1937: 274). c) Nach Wipf (1910: 132) und Henzen (1932: 93 - 94, 101) enden die meisten „ weiblichen Taufnamen “ auf -a im Dativ und Genitiv im Wallis auf -un, vgl. 5 g, so dass auch bei diesen Formen grundsätzlich der Kasus unsicher ist. Allerdings spricht die Seltenheit des Dativs beim Maskulinum in dieser Region, vgl. II.30, 3 a sowie II.22, 3 a - c, auch hier für einen Genitiv. d) Die Mischkonstruktion unter 3 d ist über das bekannte Kerngebiet in FR verbreitet, wobei strenggenommen nicht entscheidbar ist, ob der weibliche Rufname mit dem Artikel der im Dativ oder Genitiv vorliegt, vgl. 7 b. Das Vorkommensgebiet der Variante stimmt jedoch mit jenem in II.22, 3 d zum männlichen Rufnamen, 1.1 Possessivkonstruktionen 53 bei dem eine Dativform des Artikels vorliegt, weitgehend überein, so dass mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch bei den weiblichen Rufnamen von einem Dativ ausgegangen werden kann. Ausführungen zu den Mischkonstruktionen in attributiver Stellung vgl. II.30, 7 d. e) 25 Mal erscheint eine brauchbare Variante ohne Artikel, wie zu erwarten vor allem im Berner Oberland und GR. 23 Mal erscheint der artikellose Name an 17 Orten bei Variante 3 c, je einmal bei 5 h und 6 a. Das Gebiet deckt sich mit jenem der Auswertung zu den Rufnamen, vgl. 1.2.4, 3 c, e, 8 a. f) Das Vorkommensgebiet der einzelnen femininen PDM-Varianten (3 a, b, d, 5 c, d) deckt sich mit dem aus der Forschungsliteratur bekannten PDM-Gebiet (Seiler 2003: 67 - 68, 77 - 78), vgl. auch 1.3.2. g) Die vokalisch anlautenden neutralen Artikelvorkommen im Dativ (5 a, b, e, vgl. ► Beikarte 2 (S. 47)) könnten je nach Region auch eine Form der Präpositionalen Dativmarkierung aufweisen (vgl. zu den Artikelformen im Detail Bart 2020: 121 - 122). Die Zuweisung ist jedoch aufgrund der Form allein praktisch unmöglich, da es sich wie bei den Maskulina auch um einen reinen Dativ-Artikel handeln kann (Seiler 2003: 59 - 60). Auch bei nicht d-haltigen (er, ar, är) Artikelvarianten im Dat.Sg.F. (3 a, b, d, 5 c, d), bei denen die suggerierte Form er klar dominiert (153 Mal er, 10 Mal ar, 8 Mal är, vgl. im Detail Bart 2020: 121 - 122), ist es kaum zu entscheiden, ob fusionale Artikelformen, die für eine PDM stehen, oder einfache Artikelformen, vgl. Marti (1985: 77 - 78) zu BE, vorliegen. Die Zuweisung kann nur in Bezug zu den bekannten PDM-Zonen erfolgen. Nach Seiler (2003: 87) erscheint im Kanton Bern PDM aber nur vereinzelt, im Berner Oberland kommt sie nicht vor. Nur ganz sporadisch (Berner Seeland und Stadt Bern) sind fusionale Artikelformen im Dat.Sg.F. nachgewiesen (Seiler 2003: 66). Das stimmt grundsätzlich mit den Resultaten der SADS-Fragen zu PDM überein (vgl. 1.3). Dies spricht dafür, dass die bei der vorliegenden Frage auftretenden vokalisch anlautenden Formen er, ar, är, die sich v. a. auf den Kanton Bern konzentrieren, keine PDM-Formen sind, weshalb sie oben unter 3 und 5 auch nicht bei den dort angegebenen Zahlen subsumiert sind. Anders Bösiger (2017: 69 - 79), die in ihren Daten PDM beispielsweise für das Berner Oberland annimmt. h) Zur Variante 5 c sind die Ausführungen zum femininen Appellativum, IV.33, 5 b, 7 g, zu vergleichen. Literatur Bart 2006 ▪ 2020 ▪ Baumgartner 1922 ▪ Bösiger 2017 ▪ Brandstetter 1904 ▪ Clauß 1929 ▪ Dauwalder 1992 ▪ Fischer 1960 ▪ Henzen 1927 ▪ 1932 ▪ Hodler 1969 ▪ Hotzenköcherle 1934 ▪ Marti 1985 ▪ Meinherz 1920 ▪ Schiepek 1908 ▪ Seiler 2003 ▪ Stucki 1917 ▪ 1921 ▪ Suter 1901 ▪ Stalder 1819 ▪ Szadrowsky 1937 ▪ Wanner 1941 ▪ Weber 1923 ▪ 1948 ▪ Wipf 1910 Bezug auf SADS-Material Bart 2006 ▪ 2020: 112 - 127, 143 - 144 ▪ 2020: 268 - 299, 332 Ⓚ ▪ Bösiger 2017 1.1.4 Possessivkonstruktionen (prädikativ, Nominalphrase, Sg.F.) Frage IV.33 (A) - D AS IST DER L EHRERIN 1. Kartenthema und Datengrundlage In derAnkreuzfrage IV.33 geht es um eine prädikative Possessivkonstruktion mit Kopula, bei der der Possessor mit einer femininen Berufsbezeichnung angegeben ist. Die Gewährspersonen wurden anhand einer einzigen zu beurteilenden Variante (in verschiedenen regionalen Lautungen) nach ihrer Kenntnis der prädikativen Possessivkonstruktion mit nominalem Possessor im Dativ gefragt, was bislang kaum dokumentiert ist, vgl. II.22, 7 a. Die vorgegebene Variante mit femininem Substantiv kann auch als Genitiv verstanden werden. Die Gewährspersonen wurden nicht nach der Präferenz einer Konstruktion gefragt, sie hatten aber die Möglichkeit, weitere Ausdrucksmöglichkeiten zu notieren. Die Frage war darauf gerichtet, Kasus als Possessormarkierung in einer Kopulakonstruktion in seiner eventuellen räumlichen Distribution zu ermitteln. Das einleitende Demonstrativpronomen bezieht sich im Kontext auf das Possessum Velo. 54 1 Nominalphrase Die ► Hauptkarte (S. 30) stellt die Verbreitung der vorgegebenen Variante zusammen mit drei weiteren dar, die von einer Anzahl Gewährspersonen notiert wurden. Dabei handelt es sich um den possessiven Dativ mit Possessivpronomen, das mit dem im vorangehenden Kontext genannten Velo kongruiert, um die Präpositionalkonstruktion mit von und um eine mit der Mischkonstruktion in II.22, 3 d und II.23, 3 d verwandte Konstruktion, bei der die feminine Berufsbezeichnung ein Genitiv-s aufweist. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei drei total 2774 2742 32 2418 311 13 3079 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a DER L EHRERIN Dativ / Genitiv 3 b DER L EHRERIN IHRES Dativ + Possessivpronomen 3.Sg.F. 3 c DER L EHRERIN - S Mischkonstruktion 3 d VON DER L EHRERIN Präpositionalphrase mit VON Typenbildung DER L EHRERIN dr Lehrerin, dä Leheri, dä Lehrerin, er Lehrere, ar Lehrerin, där Lehräri, a dr Lehreri, e dr Lehreri, ä der Lehrerin, är Lehrere o. ä. DER L EHRERIN IHRES dr Lehrerin ihräs, de Lehreri eres, dr Lehrere ihres, a dr Lehreri iris, i de Lehreri ihres, er Lehrerin ihres, ar Lehrere ihres, är Lehrere ihres o. ä. VON DER L EHRERIN vo dr Lehrerin, va der Lehräri, vor Lehreri, va när Lehräri, vo dar Lehrerin, van dr Lehreri, var Lehreri, vu dr Lehrerin DER L EHRERIN - S de Lehreris, der Lehreris, de Lehrerins, i der Lehreris o. ä. 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Am häufigsten wird die Variante der L ehrerin mit 2269 Mal an 380 Orten akzeptiert. 2260 Mal mit einer dhaltigen Artikelform der (de, dr, dä, der, där) und 9 Mal ohne d- (er, ar), davon 6 Mal nebeneinander. Sie tritt im gesamten Untersuchungsgebiet mit Ausnahme von drei Orten im Kanton Freiburg auf: Heitenried, Plaffeien, Tafers FR. Diese Variante ist an vielen Orten mehrheitlich und an 130 Ortspunkten zu 100 % angegeben, vgl. ► Prozentkarte (S. 31). An 4 Orten liegt nur eine Einzelnennung vor: Rifferswil ZH, Düdingen FR, Davos, St. Antönien GR. Beispiele: Das isch de Lehreri Urdorf ZH, Das isch er Lehrere Oberwichtrach BE, Das esch e de Lehrerin Pfaffnau, Das esch i de Lehreri Ruswil LU, dr Lehrerin sälber Giswil OW, Da isch ä der Lehrerin Göschenen UR, Das isch a dr Lehreri Näfels GL. Die Variante kommt 183 Mal an 77 Orten mit der Präpositionalen Dativmarkierung vor d-haltigem Artikel vor, vgl. 7 e. b) Am zweithäufigsten wird mit 274 Mal an 175 Orten die Variante der L ehrerin ihres notiert, 265 Mal mit einer d-haltigen Artikelform und 9 Mal ohne d- (er, är, ar), davon 5 Mal nebeneinander. Die Variante kommt im nördlichen Untersuchungsgebiet vor: in GR nur einmal in Davos Monstein, nie in VS. Beispiele: Da ischt de Lehreri eres Bühler AR, Das isch dr Lehrere ihres Frauenkappelen, Das isch är Lehrerä ihres. Langnau, Das isch ar Lehrere ihres Schwarzenburg BE, Das esch e de Lehreri ehres Eschenbach, Das esch i de Lehreri ihres Horw LU, Das isch der Lehreri ihres Buochs NW, Daas isch ä dr Leereri ires Näfels GL. Die Variante kommt 20 Mal an 18 Orten mit der Präpositionalen Dativmarkierung vor, vgl. 7 e. c) Die Mischkonstruktion der L ehrerin s wird 41 Mal an 16 Orten FR und BE notiert (je 6 Mal in Giffers, Plaffeien FR, 5 Mal in Heitenried FR, je 4 Mal in Freiburg, Tafers FR, 3 Mal in Ueberstorf FR, je 2 Mal in 1.1 Possessivkonstruktionen 55 Düdingen, Gurmels, Schwarzsee, je einmal in Jaun FR, Boltigen, Diemtigen, Grindelwald, Habkern, Iseltwald, Meiringen BE), immer mit einer d-haltigen Artikelform. Beispiele: Das isch de Lehreris Heitenried, Das isch i der Lehreris Schwarzsee FR, Das ischt dr Lehreris Iseltwald BE. Die Variante kommt 4 Mal an 3 Orten (2 Mal in Plaffeien, je einmal in Giffers, Schwarzsee FR) mit der Präpositionalen Dativmarkierung vor, vgl. 7 e. d) An vierter Stelle steht die Variante von der L ehrerin . Sie wird 10 Mal an 9 Orten in VS, GR und im angrenzenden St. Gallen notiert (2 Mal in St. Antönien GR, je einmal in Valens SG, Arosa, Safien, Thusis GR, Brig, St. Niklaus, Visperterminen, Zermatt VS). Beispiele: Das ischt var Lehreri St. Antönien GR, Dasch van dr Lehreri Zermatt VS. e) Intrapersonelle Variation: akzeptierte/ notierte Varianten Anzahl Personen und Orte DER L EHRERIN und DER L EHRERIN IHRES 97 Personen an 77 Orten (BS, BL, SO, AG, ZH, SH, TG, SG, AR, AI, FR, BE, LU, OW, ZG, SZ, UR, GL) DER L EHRERIN und VON DER L EHRERIN 5 Personen an 5 Orten (Valens SG, Thusis GR, Brig, St. Niklaus, Zermatt VS) DER L EHRERIN und DER L EHRERIN - S 5 Personen an 4 Orten (2 Mal in Ueberstorf FR, je einmal in Freiburg, Giffers FR, Habkern BE) DER L EHRERIN IHRES und DER L EHRERIN - S 1 Person in Jaun FR 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ Natürlicher: Dasch dr Lehrerin ihres. Oder: Das ghört dr Lehrerin “ , Pratteln BL. [GP akzeptiert 3 a, notiert 3 b, 5 a] - „ Regional wird noch ein i eingeschoben: Das isch i de Lehreri “ , Stein AG. [GP akzeptiert 3 a, notiert 5 b] - „ [zu 3 b] ires = Velo “ , Urdorf ZH. [GP akzeptiert 3 a, notiert 3 b] - „ [zu 5 b] ganz richtig “ , Oberriet SG. [GP akzeptiert 3 a] - „ Dasch de Leereris. (s = das Auto) “ , Tafers FR. [GP notiert 3 c] - „ [zu 3 b, 5 a] beide Varianten sind gut “ , Meikirch BE. [GP notiert 3 b, 5 a] - „ [zu 3 b] Variante: Das isch dr Lehrere ihres. (häufiger) “ , Steffisburg BE. [GP akzeptiert 3 a, notiert 3 b] - „ Der Begriff ‚ Lehrerin ‘ wird bei uns in der Mundart umgangen; es heisst dann z. B.: Das isch i de Frou Hofstetter! “ , Entlebuch LU. [GP akzeptiert 3 a] - „ Ich sage in Bezug auf gehören: Das gherd dr Lehrerin “ , Lungern OW. [GP akzeptiert 3 a, notiert 5 a] 5. Weitere Varianten a) 469 Mal wird an 246 Orten verstreut eine Variante mit dem Prädikat ‚ gehören ‘ notiert, 465 Mal mit einer dhaltigen Artikelform und 4 Mal ohne d- (er, är, ar). Davon wird die Variante 197 Mal neben einer kartierten Variante notiert und 13 Mal neben zwei kartierten Varianten. 56 1 Nominalphrase Beispiele: Das ghört är Lehrere! Schnottwil SO, Das ghöört der Lehreri Brugg AG, Das ghört ar Lehrere Münchenbuchsee, Das ghört er Lehrere Rüeggisberg, Das ghört dr Schuemeischtere Utzenstorf BE, Das ghöört e de Leereri Luzern LU, As ghört a där Lehräri Alpthal SZ, Das kört ä dr Lehreri Mollis GL, Das gheert där Lehräri Steg VS. Die Variante kommt 38 Mal an 31 Orten mit der Präpositionalen Dativmarkierung vor, vgl. 7 e. b) 14 Mal wird an 13 Orten (2 Mal in Alpthal SZ, je einmal in Metzerlen SO, Urdorf ZH, Homburg TG, Oberriet, St. Gallen SG, Ursenbach BE, Escholzmatt, Grosswangen, Triengen LU, Stans NW, Gurtnellen, Unterschächen UR) eine Variante mit dem Possessivpronomen 3.Sg.M./ N. notiert, 13 Mal mit einer d-haltigen Artikelform und einmal ohne d- (är). Die Variante wird 6 Mal neben der L ehrerin notiert. Beispiele: Das isch dr Lehrere sis Metzerlen SO, Das isch da Lehrerin sis St. Gallen SG, Das isch är Lehrere sis Ursenbach BE, Das esch i de Lehreri sis Grosswangen LU, Das isch a dä Lehreri sis Gurtnellen, Das isch ä dr Lehreri sis Unterschächen UR. Die Variante kommt 5 Mal an 5 Orten mit der Präpositionalen Dativmarkierung vor, vgl. 7 e. c) Ablehnung der vorgegebenen Variante ohne alternative Antwort: je einmal in Wilchingen SH, Walchwil ZG, vgl. 7 g. 6. Unbrauchbare Antworten a) Eine Konstruktion mit Demonstrativpronomen (für Possessum) und abhängiger Präpositionalphrase (Possessor) wird 2 Mal an 2 Orten als einzige Variante notiert (insgesamt 5 Mal an 5 Orten, je einmal in Basel BS, Küsnacht ZH, Altstätten, St. Gallen, Weisstannen SG). Beispiele: Das isch das vo de Lehrerin Küsnacht ZH, Da isch da vo dr Lehreri Altstätten SG. b) Eine attributive Konstruktion mit Wiederholung des Possessums und Possessorausdruck in der Präpositionalphrase wird 2 Mal an 2 Orten als einzige Variante notiert (insgesamt 3 Mal an 3 Orten, je einmal in Giffers FR, Münchenbuchsee BE, Glarus GL). Beispiele: Das isch doch z ’ Velo va de Lehreri Giffers FR, Das isch z ’ Velo vu dr Lehreri Glarus GL. c) Die attributive Konstruktion mit Possessor im Genitiv wird einmal in Ferden VS neben gehört der L ehrerin notiert: Das ischt dr Lehräri Velo. d) Die attributive Konstruktion mit possessivem Dativ und Wiederholung des Possessum wird je einmal in Matten BE, Oberägeri ZG neben der L ehrerin notiert: Das isch dr ’ Lehrerin ihres Velo! e) Einmal wird in Schwarzsee FR die attributive Konstruktion mit Genitiv-s beim Possessor notiert: Das isch der Lehreris Velo. f) Einmal wird ein possessiver Dativ mit einer maskulinen Berufsbezeichnung und Possessivpronomen 3.Sg.M. als einzige Variante notiert (Lauterbrunnen BE), einmal neben der L ehrerin (Faulensee BE). g) 23 Mal wird an 23 verstreuten Orten als einzige Variante eine als Gleichsetzungsnominativ interpretierbare Schreibung statt einer Possessivkonstruktion notiert (insgesamt 24 Mal an 24 Orten), wobei nicht ganz auszuschliessen ist, dass auf diese Weise ein Dativartikel verschriftet werden sollte: Das esch d ’ Lehreri! Hünenberg ZG. h) Je einmal ist die notierte Variante nicht interpretierbar oder unleserlich. i) Eine Person aus Gächlingen SH formuliert einen indirekten Fragesatz, der einen prädikativen possessiven Dativ (Interrogativpronomen) sowie einen attributiven possessiven Genitiv nach der Präposition vor dokumentiert: Dä Hans fröget sini Frau, wem da Velo vors Nochbers Hus sei? 7. Weitere Bemerkungen a) Auch wenn die Frage weiträumig auf einen Possessor im Dativ zielte, dürfte die vorgegebene Variante der L ehrerin regional auch als Genitiv verstanden worden sein, so dass nur im Einzelfall eine Entscheidung 1.1 Possessivkonstruktionen 57 möglich ist. Das Auftreten der Präpositionalen Dativmarkierung gibt aber einen klaren Hinweis auf einen Dativ, vgl. zum Genitiv bei Feminina II.23, 7 b. b) Auch bei der vorliegenden Frage tritt in 3 c wie beim Männer- (II.22, 3 d) und Frauennamen (II.23, 3 d) ein Genitivsuffix -s beim Possessor auf, das bei II.22 klar eine Mischkonstruktion aus Dativ und Genitiv anzeigt. Bei der hier vorliegenden femininen Berufsbezeichnung kann ähnlich wie beim Rufnamen nicht mit gleicher Sicherheit von einer Mischkonstruktion aus Possessor mit Artikel im Dativ und Genitivsuffix -s ausgegangen werden. Die weitgehend übereinstimmende regionale Verteilung dieser Varianten bei den drei Fragen spricht allerdings dafür, dass es sich in allen drei Fällen um die gleiche Konstruktion handelt. Bei der vorliegenden Frage zeigt sich aber doch eine etwas grössere Verbreitung im Berner Oberland. Regional kann hier auch eine Genitivkonstruktion mit Übernahme des Genitiv-s vorliegen. Man vergleiche auch den Kommentar zu II.30 (II.30, 7 d) mit Ausführungen zu den Mischkonstruktionen in attributiver Stellung. c) Auch bei dieser Possessivaufgabe sind viele Varianten aufgetreten, die, auch wenn sie teilweise nicht der intendierten Kopulakonstruktion mit blossem Dativ- oder Genitivpossessor im Prädikat entsprechen, überwiegend als brauchbar eingestuft wurden. Bei der Wiederholung des Possessums wird jedoch von einer nicht mehr funktional äquivalenten Konstruktion ausgegangen, vgl. die Bemerkungen zu II.22, 7 b. Auffällig ist die Diskrepanz in der Häufigkeit der Konstruktion mit Possessivpronomen, die bei der vorliegenden Frage deutlich seltener ist (3 b: der L ehrerin ihres , 274 Mal an 175 Orten; 5 b: der L ehrerin seines 14 Mal wird an 13 Orten) als beim männlichen (II.22, 3 b: ( dem ) P eter seines , 849 Mal an 305 Orten) oder weiblichen Rufnamen (II.23, 3 b: der S andra ihres , 543 Mal an 248 Orten; II.23, 5 c: 88 Mal an 77 Orten der S andra seines ). Die Abweichung könnte mit der Art der Kontextvorgabe und/ oder dem Fragetyp zusammenhängen, wobei aber in keinem Fall diese Variante vorgegeben war. Die regionale Verteilung stimmt ebenso auffällig überein. d) Vajss (2004: 109) erwähnt die Prädikativkonstruktion mit possessivem Dativ im Schweizerdeutschen in einer Fussnote, in der er seinen zürichdeutschen Gebrauch bei Pronomina und Eigennamen dokumentiert, bei Appellativa aber ein Fragezeichen setzt. Die Auswertung der vorliegenden Frage mit einer Berufsbezeichnung unterstützt vorderhand keine solche Unterscheidung. e) Das Vorkommensgebiet der Präpositionalen Dativmarkierung bei den einzelnen Konstruktionsvarianten (3 a - c, 5 a, b) deckt sich mit dem aus der Forschungsliteratur bekannten PDM-Gebiet (Seiler 2003: 67 - 68, 77 - 78), vgl. auch das Vorkommen beim weiblichen Rufnamen, vgl. II.23, 7 f. sowie die Zusammenstellung in 1.3.2, 8 zur Frage I.7 nach PDM im Dat.Sg.F. f) Bei den, nicht suggerierten und gegenüber Frage II.23 wesentlich selteneren, nicht d-haltigen Artikelvarianten (3 a, b, 5 a, b) ist es wiederum nicht generell zu entscheiden (14 Mal er, 5 Mal ar, 4 Mal är), ob Präpositionale Dativmarkierung oder eine einfache Artikelform vorliegt, weshalb nur die d-haltigen Varianten in die Zählung der PDM-Fälle (unter 3 und 5) einbezogen wurden, vgl. II.23, 7 g. g) Zum vereinzelt auftretenden Gebrauch eines Possessivpronomens im M./ N. (5 b) sind die Angaben bei Sonderegger & Gadmer (1999: 151) zum pronominalen Possessor zu vergleichen. Zu entsprechenden Formen im Bairischen vgl. SBS (9.2: 102 - 103), SOB (4: 58 - 59) sowie Weiß (1998: 79) zur Genuskongruenz der Possessivpronomen im älteren Bairischen. h) Aufgrund des Fragetyps mit nur einer vorgegebenen Variante, die bewertet werden soll (ja/ nein), wird die Frage insgesamt auch dann als brauchbar gewertet, wenn die vorgegebene Variante abgelehnt und keine eigene Variante alternativ notiert wird. 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS a) Frage I.7 (Ü) N ein, nein, das gehört meiner S chwester! Bei Frage I.7 (1.3.2) zur Präpositionalen Dativmarkierung treten vereinzelte Possessivkonstruktionen auf. Zum einen wird 23 Mal eine bei I.7 unbrauchbare Possessivkonstruktion mit dem Verb ‚ sein ‘ und 58 1 Nominalphrase Nominalphrase mit ergänztem selbständigem Possessivpronomen genannt (1.3.2, 6 a), davon 21 Mal mit dem femininen Possessivpronomen (vgl. oben 3 b) und 2 Mal mit dem Possessivpronomen der 3.Sg.M./ N. (vgl. oben 5 b). Beispiele: Das isch miner Schwöschter sis Urdorf ZH, Nei, nei, das isch miinere Schwöster ires Küssnacht, Das isch a minere Schwöschter ires Schwyz SZ. Zum anderen sind bei dieser Frage auch zwei Konstruktionen mit prädikativer possessiver Nominalphrase belegt (1.3.2, 7 f). Formal könnte es sich um einen femininen Genitiv oder Dativ handeln, vgl. oben 2, 3 a sowie die Bemerkungen unter II.23, 7 b. Beispiele: Dä isch dr Schweschter Basel BS, Neneen, där ischt mir Schweschter! Brienz BE. Literatur SBS 9.2 ▪ Seiler 2003 ▪ SOB 4 ▪ Sonderegger & Gadmer 1999 ▪ Vajss 2004 ▪ Weiß 1998 Bezug auf SADS-Material Bart 2020: 127 - 135 ▪ 2020: 301 - 315 Ⓚ 1.1.5 Possessivkonstruktionen (prädikativ, Personalpronomen 1.Sg.) Frage IV.29 (A) - H E , DAS IST MIR ! 1. Kartenthema und Datengrundlage In derAnkreuzfrage IV.29 geht es um eine prädikative Possessivkonstruktion mit Kopula, bei der der Possessor mit einem Personalpronomen (1.Sg.) angegeben ist. Die Gewährspersonen wurden, ähnlich wie bei Frage IV.33, anhand einer einzigen zu beurteilenden Variante (in verschiedenen regionalen Lautungen) nach ihrer Kenntnis der prädikativen Possessivkonstruktion mit pronominalem Possessor im Dativ gefragt, wie sie für das Schweizerdeutsche bezeugt ist (vgl. Id. 7: 1015, 1029). Dazu konnten die Gewährspersonen auch eigene Konstruktionen notieren. Das Demonstrativpronomen das bezieht sich im Kontext auf das Possessum Dreirad. Unter den Antworten erschienen weitere Kopula-Konstruktionen, mit flektiertem, auf das Possessum Dreirad bezogenem Possessivpronomen, mit unflektiertem, aus dem Genitiv des Personalpronomens stammendem Possessivpronomen und mit einer daraus entstandenen, erstarrten Form mine (vgl. Id. 4: 315). Die ► Hauptkarte (S. 32) zeigt die Verbreitung dieser genannten Formen des pronominalen Possessivausdrucks im Prädikat. Zu anderen Antworten (mit von -Phrase und ‚ gehören ‘ ) vgl. 5. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei drei vier total 2775 2762 13 2202 532 27 1 3351 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a MIR Personalpronomen im Dativ 3 b MEINES Possessivpronomen (flektiert) 3 c MEIN (mii) unflektiert (< ahd. mhd. Possessivpronomen 1.Sg. mîn) 3 d MEINE unflektiert (vgl. Id. 4: 315; SDS III: 220) 3 e MEIN (miin) unflektiert (< ahd. mhd. Possessivpronomen 1.Sg. mîn) 1.1 Possessivkonstruktionen 59 Typenbildung MIR miir, mir, mier, miär, mer, meer, miar, mee, i miir, i mer, i miär, a miir, a mier, ä miär, e mer o. ä. MEINES miis, myys, mis MEIN (mii) mii, mi, mie, my, mih MEINE mine, miine MEIN (miin) min, miin, myyn 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Am häufigsten wird mit 1498 Mal verteilt auf 358 Orte das vorgegebene Dativpersonalpronomen mir als Variante bestätigt. Es tritt fast im gesamten Erhebungsgebiet auf, jedoch nicht an 25 Orten, von denen sich 19 im Berner Oberland, FR und VS befinden (Düdingen, Heitenried, Plaffeien FR, Boltigen, Diemtigen, Faulensee, Frauenkappelen, Gsteig, Habkern, Innertkirchen, Matten, Mürren, Reichenbach, Rüeggisberg BE, Guttet-Feschel, Inden, Saas-Grund, Steg, Visperterminen VS). Bei den übrigen handelt es sich um das benachbarte Andermatt UR sowie den Walserort St. Antönien GR und weitere vier verstreut liegende Orte (Liesberg BL, Welschenrohr SO, Birmenstorf AG, Kirchberg SG). Die Dativform erreicht Anteile von über 50 % v. a. im Zentrum und Nordosten, vgl. ► Prozentkarte (S. 33). Beispiele: He, dasch mir Pratteln BL, He, da isch miir! Gächlingen SH, He, da isch meer! Kesswil TG, Hee, da ischt mee Appenzell AI, He, das esch meer! Eschenbach LU, Nei, das isch i miär! Wolfenschiessen NW, He, das isch a miir Giswil OW, He das isch ä miär Altdorf UR, He, das isch miar! Mutten GR, He, das we mer! Ausserberg VS. Erwartungsgemäss erscheint das Pronomen mir in der Innerschweiz, Glarus und Schaffhausen auch mit der Präpositionalen Dativmarkierung (138 Mal an 54 Orten). b) Am zweithäufigsten wird mit 1035 Mal verteilt auf 299 Orte das mit dem Possessum kongruierende Possessivpronomen meines (Nom.Sg.N.) als übliche Ausdrucksform für den prädikativen Ausdruck der Zugehörigkeit angegeben. Sie kommt im Westen und in der Zentralschweiz flächendeckend und dort ebenso wie an den meisten Bündner Walserorten in Mehrfachnennungen vor, im Osten stellenweise mit Einzelnennungen. Die Anteile über 50 % liegen im Westen und Zentrum, vgl. ► Prozentkarte (S. 33). Beispiele: He, das isch miis! Pratteln BL, He das isch miis Teufenthal AG, He, da isch miis! Herisau AR, Hei, das isch mis Guggisberg BE, He, das esch miis! Eschenbach LU, Hee, das isch myys Altdorf UR, He, das isch mis! Mutten GR. c) Deutlich weniger wird mit 286 Mal verteilt auf 109 Orte die unflektierte Pronominalform mein (mii) notiert. Sie tritt im Osten (ohne SH; einmal AI) und im äussersten Nordwesten auf. Im Nordwesten und an der östlichen Grenze erreicht sie häufig mehr als 50 %, vgl. ► Prozentkarte (S. 33). Beispiele: He, das isch mi Bettingen BS, He, das isch my Leibstadt AG, He, das isch mii! Hütten ZH, He, daisch mii! Basadingen TG, Hee, das ischt mih Flums, He, das isch mie Sevelen SG, Hee, da isch denn mii Bühler AR, He, das isch mi Untervaz GR. d) Noch weniger wird mit 100 Mal verteilt auf 40 Orte die Pronominalform meine genannt. Sie tritt hauptsächlich im AG und in Einzelnennungen in den benachbarten Kantonen auf. Sie erreicht an wenigen Orten im AG sogar mehr als 50 %, vgl. ► Prozentkarte (S. 33). Beispiele: Nei das isch mine! Hölstein BL, He, das isch mine Densbüren AG, He das isch miine Bülach ZH. e) Auf die östliche Basler Landschaft konzentriert wird 29 Mal verteilt auf 7 Orte (Buckten, Gelterkinden, Hölstein, Liesberg, Maisprach, Ziefen, Zunzgen) die unflektierte Pronominalform mein (miin) notiert. In Hölstein und Gelterkinden erreicht ihrAnteil über 50 %, in Maisprach genau 50 %, vgl. ► Prozentkarte (S. 33). Beispiele: He, dasch min! Liestal, He, das isch myyn! Zunzgen BL. 60 1 Nominalphrase f) Intrapersonelle Variation: akzeptierte/ notierte Varianten Anzahl Personen und Orte MIR und MEINES 223 Personen an 149 Orten (verstreut über das Untersuchungsgebiet mit etwas weniger Nennungen im Osten) MIR und MEIN (mii) 53 Personen an 43 Orten (Nordwesten und Osten) MIR und MEINE 17 Personen an 13 Orten (AG) MIR und MEIN (miin) 5 Personen an 3 Orten (je 2 Mal in Gelterkinden, Maisprach, einmal in Ziefen BL) MEINES und MEIN (mii) 10 Personen an 9 Orten (2 Mal in Liesberg BL, je einmal Unterstammheim ZH, Diepoldsau, Grabs, St. Gallen, Walenstadt, Wartau SG, Heiden AR, Schiers GR) MEINES und MEINE 5 Personen an 5 Orten (Aarau, Birmenstorf, Bremgarten, Lupfig, Niederrohrdorf AG) MEINES und MEIN (miin) 1 Person in Gelterkinden BL MIR , MEINES und MEIN (mii) 1 Person in Arosa GR MIR , MEINES und MEINE 3 Personen an 3 Orten (Aarau, Aarburg, Bremgarten AG) MIR , MEINES und MEIN (miin) 1 Person in Gelterkinden BL 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ auch möglich bzw. wahrscheinlich sogar häufiger: ‚ he, das isch mine ‘ oder ‚ he, das isch mis ‘“ , Bremgarten AG. [GP akzeptiert 3 a] - „ He, das isch mii (besser) “ , Brunnadern SG. [GP akzeptiert 3 a] - „ a) das ischt miis / b) das khöört mii (in diesem Fall gleichlautend wie ‚ mich ‘ ! ! Aber: Gebs meer! Gib es mir) “ , Appenzell AI. [GP lehnt 3 a ab] 5. Weitere Varianten a) Einmal wurde eine Konstruktion mit Präpositionalphrase mit von neben 3 a notiert: He, das isch vu miar Valens SG. b) Insgesamt wurden 402 Antworten mit dem Prädikat ‚ gehören ‘ notiert: 327 Mal an 213 Orten wurde die Variante gehört mir angegeben, 5 Mal an 5 Orten gehört meines (Gadmen BE, Buochs NW, Brunnen SZ, Agarn, Salgesch VS), 65 Mal an 44 Orten gehört mein (mii), 4 Mal an 4 Orten gehört meine (Boniswil, Bremgarten, Frick, Menziken AG) und einmal in Gelterkinden BL gehört mein (miin), vgl. ► Beikarte (S. 34). Einmal gehört mir und gehört mein nebeneinander, einmal gehört mir und gehört meines nebeneinander. Dabei ergibt sich für den pronominalen Possessivausdruck dasselbe Formenspektrum wie bei der Kopula-Konstruktion. Meist wird die Variante mit ‚ gehören ‘ neben einer Kopula-Konstruktion notiert (217 Mal neben einer anderen Variante, 22 Mal neben 2 anderen Varianten, einmal neben 3 anderen Varianten), 161 Mal erscheint sie als einzige Variante. Beispiele: He, das ghört miin! Gelterkinden BL, He, das ghört miir! Aarburg, He, da ghört mine! Bremgarten AG, Das khöört mii Appenzell AI, Das gheert mis Agarn VS. Die Varianten mit ‚ gehören ‘ erscheinen 28 Mal an 24 Orten mit der Präpositionalen Dativmarkierung. 6. Unbrauchbare Antworten a) Je einmal wurde an 10 verstreut liegenden Orten als einzige Antwort das Possessum (Dreirad, Velo oder Velöli) wiederholt: das isch de mis Velo Plaffeien FR. b) 3 Gewährspersonen haben eine unbrauchbare, inhaltlich andere Variante als einzige Antwort notiert. 1.1 Possessivkonstruktionen 61 7. Weitere Bemerkungen a) Der Dativ als Kasus zum Ausdruck des Possessors in Kopulakonstruktionen wird gelegentlich als Gallizismus (nach franz. à moi) angesehen, vgl. dazu Holzträger (1912: 67 - 68). Behaghel (1923: 617) führt nur wenige Belege seit frühneuhochdeutscher Zeit, insbesondere aus dem 18. Jh., an. Er spricht sich eher für lateinischen Einfluss aus bzw. nimmt eine Mischung aus das ist mein und das gehört mir an. Die Dativ- Konstruktion ist zumindest in der 3. Person dialektal weiter verbreitet, gerade auch in westlichen Dialekten, z. B. im Elsässischen (Heitzler 1975: 50), Rheinfränkischen (RhWB 5: 1041), Pfälzischen (Pf WB 6: 40) und Luxemburgischen (Holzträger 1912: 68), vgl. auch Schiepek (1908: 416 - 417). Umgangssprachlich dokumentiert WDU (3: 35, Karte 3-61) das Vorkommen für das Hochalemannische und Mitteldeutsche. Der aktuelle umgangssprachliche Gebrauch des Dativs beim Fragepronomen wird in der 10. Runde ( „ Frage nach dem Besitzer “ , 13 g) des AdA erfragt, für das Schweizerdeutsche sind die Varianten „ wem gehört / wem seine ist / wem ist / in wem isch “ belegt. Friedli (1927: 429) stellt den „ Unterberner “ Gebrauch des prädikativen pronominalen Dativs den flektierten Formen des Possessivpronomens in Saanen gegenüber. b) Die Verwendung einer unflektierten possessiven Pronominalform lässt sich darauf zurückführen, dass hier ursprünglich der Genitiv des Personalpronomens vorliegt. Auch diese Konstruktion, die bis ins Althochdeutsche zurückverfolgt werden kann (vgl. mhd. ih bin dîn, du bist mîn), wird noch in anderen Dialekten, z. B. im Badischen (BadWB 3: 602, 5: 52), Südhessischen (Mottausch 2009: 54) und Bairischen (vgl. Schiepek 1908: 428) gebraucht. Die Mischung der beiden genannten Possessiv-Konstruktionen hat dort umgekehrt auch zu das gehört mein geführt, was gelegentlich auch in unserem Material vorkommt, vgl. 5 b. Die beiden auf der Karte unterschiedenen Typen mii und min (3 c und 3 e) dürften auf dieselbe pronominale Quelle zurückgehen. Sie wurden hier auseinandergenommen, da sie jeweils eine eigene räumliche Distribution aufweisen und nicht miteinander variieren. c) Die Form mine wird im Id. (4: 315 Anmerkung) als erstarrte Nominativform des Possessivpronomens im Sg.M. betrachtet. Der Typ wird (Id. 7: 1013) für Aargau, Solothurn und Zürich genannt, vgl. auch 7 d. Eine Zurückführung auf den Genitiv des Personalpronomens (meiner) wird als weniger wahrscheinlich erachtet. Für beide Entwicklungsmöglichkeiten ist die Motivation unklar. Die e-haltigen Formen könnten eher in Analogie zu der aus ahd. ira, iro entwickelten Form ire gebildet worden sein. Eine entsprechende Entwicklung wird von Behaghel (1923: 351) jedenfalls für die in mitteldeutschen Dialekten belegten Bildungen meine, deine, seine, ihre angenommen. Im SDS (III: 220.6) finden sich einige Berner Belege für indeklinable Formen der 3.Sg. und 3.Pl. in „ freier Verwendung “ , wobei das Phänomen indeklinabler prädikativer Formen ansonsten nicht dokumentiert ist. d) Bei Weber (1948: 231 - 232) sind für das Zürichdeutsche, ohne regionale Einschränkung, neben dem Dativpronomen und dem flektierten Possessivpronomen auch die unflektierten Pronomina my und myne angeführt. Vgl. auch Id. (4: 315) sowie Id. (7: 1014, 1029, 2.a. β ) zu den Typen mein (mii), meine und meines , Id. (7: 1015) zum unflektierten Possessivpronomen und Dativpersonalpronomen in Appenzell und ZH. Binz (1888: 46) dokumentiert für Basel-Stadt den Gebrauch des unflektierten Typs mein (mii), auch mit dem Prädikatsverb ‚ gehören ‘ , vgl. 5 b, während Suter (1992: 127, 170) das Dativpronomen, die flektierten Formen myyne, myyni, myys und unflektiertes myy anführt. Stuckis Ausführungen (1921: 114) sind bezüglich flektierter Possessivpronomina in Maskulinum und Neutrum unklar. Fischer (1960: 342 Anm. 1) verweist explizit darauf, dass im Luzerndeutschen die beiden unflektierten Pronominalausdrücke nicht belegt sind, was mit den SADS-Daten übereinstimmt. Bei Brandstetter (1904: 61) ist eine unflektierte Variante in einem Sprichwort belegt: „ alles ist mii “ . Seiler (1879: 206) verzeichnet ohne weitere Spezifizierung die Varianten mi, min, mine als mögliche baseldeutsche Formen. Für Kesswil TG sind in Enderlin (1911: 95) unflektierte Formen (mii) belegt. Für ZG ist nach Bossard (1962: 71) nur die flektierte Variante myne belegt. Bäbler (1949: 58) gibt für GL „ mein, dein, sein “ an, führt aber v. a. Beispiele mit Personalpronomen im Dativ an. e) Die Zuordnung von mee zu mir basiert darauf, dass im Osten auslautendes -r entfällt und so der Dativ mit mee notiert werden kann. Die Variante erscheint je einmal in Appenzell, Brülisau AI, vgl. dazu die bei Sonderegger & Gadmer (1999: 150) genannten Lautvarianten. 62 1 Nominalphrase 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS Bei einigen weiteren SADS-Fragen finden sich unter den nicht intendierten Antworten teilweise Belege für die Verwendung des prädikativen Dativs bei Pronomina. a) Frage III.4 (Ü) - D ie sind nicht für dich Bei dieser auf den Pronominalkasus in der Präpositionalphrase ausgerichteten Frage wurde 7 Mal lediglich ein Personalpronomen gesetzt, vgl. 2.1.2, 6 b, wodurch sich zusammen mit dem (z.T. elliptischen) Prädikatsverb ‚ sein ‘ eine prädikative Possessivkonstruktion ergibt, mehrheitlich mit PDM. Beispiele: Die sind nöd diir Illnau, Die sind nüd dir Regensberg ZH, Die sind nid i Dir Gächlingen SH, Die sind nüd i dier Tuggen SZ, Nüd ä Dir! Glarus, Diä sind nüd ä diär Luchsingen, De sind nüd a dir! Schwanden GL. b) Frage III.3 (Ü) - F ür wen sind denn die B lumen? Bei dieser auf den Pronominalkasus in der Präpositionalphrase ausgerichteten Frage erscheinen 42 Übersetzungen mit dem Interrogativpronomen im Dativ, vgl. 2.3.2, 6 a, die somit einen prädikativen possessiven Dativ bei einem Pronomen belegen (teilweise mit Präpositionaler Dativmarkierung, vgl. 1.3.1, 8 b) und als Zusatzmaterial bei der vorliegenden Frage IV.29 angesehen werden können. Mit je 8 Nennungen zeigt sich in GL und LU eine gewisse räumliche Häufung. Beispiele: I wem si die Blumä? Wegenstetten AG, Wäm si de di Blueme da? Langnau BE, I wem send die Blueme? Ruswil LU, Wem sind diä Bluäma? Oder A wem sind diä Bluäma? Sarnen OW, Wem sind de die Blueme? Hünenberg ZG, A wem sind diä Blueme? Muotathal SZ, A wemm sind dä die Bluemä Luchsingen GL, Wemm sintia Bluama? Chur GR. Literatur AdA 10 ▪ Bäbler 1949 ▪ BadWB 3 ▪ Behaghel 1923 ▪ Binz 1888 ▪ Bossard 1962 ▪ Brandstetter 1904 ▪ Enderlin 1911 ▪ Fischer 1960 ▪ Friedli 1927 ▪ Heitzler 1975 ▪ Holzträger 1912 ▪ Id. 4 ▪ 7 ▪ Mottausch 2009 ▪ Pf WB 6 ▪ RhWB 5 ▪ Schiepek 1908 ▪ SDS III ▪ Seiler 1879 ▪ Sonderegger & Gadmer 1999 ▪ Stucki 1921 ▪ Suter 1992 ▪ WDU 3 ▪ Weber 1948 Bezug auf SADS-Material Bart 2020: 136 - 143 ▪ 2020: 317 - 329 Ⓚ 1.1 Possessivkonstruktionen 63 1.2 Rufnamen 1.2.0 Einleitung Im Standarddeutschen stehen Rufnamen ohne Artikel und werden im Dativ und Akkusativ nicht flektiert. Im Schweizerdeutschen ist wie in der süddeutschen Umgangssprache der Artikelgebrauch üblich, vgl. WDU (4: 37 - 38, Karte 4-76), SDS (III: 141) sowie weitere Literatur unter 1.2.1, 7 d. Nach der Sekundärliteratur war aber regional auch mit Rufnamen ohne Artikel (SDS III: 141) und mit Flexion im Dativ und Akkusativ, vgl. 1.2.1, 7 e, f, zu rechnen. Zu diesem Themenbereich wurden die vier Ankreuzfragen II.31, II.32, IV.27, IV.28 mit unterschiedlichem Kasusbezug und Frauen- und Männernamen gestellt. Die Fragen werden in der Reihenfolge Akkusativ vor Dativ beginnend mit dem Männernamen besprochen. Bei den Fragen, die einen Fraunnamen enthalten, ist neben dem femininen Artikel auch der neutrale Artikel dokumentiert, wie das ebenfalls für schweizerdeutsche Dialekte zu erwarten war. Ergänzend zu dieser ursprünglich nicht eigens abgefragten Problematik des Genus von Frauennamen wurde schliesslich noch eine Frage zur pronominalen Referenz auf einen erwachsenen Mann bzw. eine erwachsene Frau gestellt (IV.38), die anschliessend an die vier genannten Fragen in diesem Kapitel behandelt wird. 1.2.1 Artikel und Flexion bei Rufnamen (Akk., Männername) Frage II.32 (A) - I CH HABE F RITZ GESEHEN 1. Kartenthema und Datengrundlage Im Standarddeutschen stehen männliche Rufnamen ohne Artikel und im Dativ und Akkusativ unflektiert. Im Schweizerdeutschen ist wie in der süddeutschen Umgangssprache der Artikelgebrauch üblich, vgl. 7 d. Nach der Sekundärliteratur war aber regional auch mit Rufnamen ohne Artikel (SDS III: 141) und mit Flexion im Dativ und Akkusativ, vgl. 7 e, f, zu rechnen. Die vorliegende Frage II.32, die auf einen männlichen Rufnamen im Akkusativ bezogen ist, wird durch drei weitere Ankreuzfragen II.31, IV.27, IV.28, mit anderem Kasusbezug und mit Frauennamen, ergänzt. Die folgenden Ausführungen basieren auf der Frage II.32, in der vier Varianten mit dem Männernamen Fritz, im Akkusativ mit und ohne Artikel und mit und ohne Flexionssuffix, vorgeschlagen wurden. Die ► Hauptkarte (S. 35) zeigt die Verbreitungsgebiete der vier suggerierten Formen als präferierte Variante. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 2923 2923 0 2915 8 2931 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a DEN F RITZ mit Artikel, ohne Flexionssuffix 3 b Ø F RITZ ohne Artikel, ohne Flexionssuffix 3 d DEN F RITZEN mit Artikel, mit Flexionssuffix 3 c Ø F RITZEN ohne Artikel, mit Flexionssuffix Typenbildung F RITZ Fritz, Fridu, Frigg, Fritzu, Fritzel, Fritzi F RITZEN Fritze, Fritzen, Fritzun, Fridun DEN de, d, dr, där, di, i, in(n), n, du 64 1 Nominalphrase 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Am häufigsten wird mit 2675 Mal an 374 Orten die flexionslose Variante mit Artikel den F ritz präferiert. Sie kommt im ganzen Untersuchungsgebiet und dabei meist mehrheitlich vor, vgl. ► Prozentkarte (S. 36), ausser an einigen Orten v. a. im Berner Oberland, wo ausschliesslich eine artikellose Variante zur präferierten Variante erklärt wurde, vgl. 3 b. Der Name erscheint 7 Mal in modifizierter Form (Fridu, Fritzu, Fritzi, Frigg). Die Variante wird 2746 Mal an 380 Orten akzeptiert (Ausnahmen: Diemtigen, Gsteig BE, St. Antönien GR). Beispiele: Ii ha dr Fritz gsee Aesch BL, Ich ha de Fritz gsee Möhlin AG, I ha de Fritz gsee Stein SG, I ha de Fritz gseh Gurmels, I ha de Fritzu gsee Tafers FR, I ha dr Fridu gseh Münchenbuchsee BE, Ich ha de Fritzi gseh Menzingen ZG, Ich ha de Fritz gsee Brunnen SZ, Ich ha grad der Fritz g ’ see Gurtnellen UR, Ich han in Fritz gseen, Ich han di Fritz gseen, Ich han i Fritz gseen Blatten VS. b) Die Variante ø F ritz (ohne Artikel, ohne Flexionssuffix) wird 203 Mal an 68 Orten präferiert, davon 6 Mal in modifizierter Form (Fritzu, Fridu, Fridel). Sie erscheint mehrheitlich v. a. im Berner Oberland und in einigen Bündner Walserorten, vgl. ► Prozentkarte (S. 36). An folgenden 9 Orten wird die Variante von allen Gewährspersonen präferiert: Boltigen, Diemtigen, Grindelwald, Gsteig, Habkern (mit Doppelpräferenz), Mürren, Saanen, Wengen BE, St. Antönien GR. Auffällig ist, dass diese Variante im oberen Simmental und Engstligental (Adelboden, Lenk, Matten BE) nicht genannt wird. Die artikellose Variante wird 375 Mal an 134 Orten akzeptiert. Die Kernzone der akzeptierten Variante deckt sich grösstenteils mit den Vorkommensgebieten der präferierten Variante (mit Ausnahme von verstreuten Nennungen), vgl. ► Akzeptanzkarte 1 (S. 37). Zusätzlich zu den oben genannten Ortspunkten mit 100 % Präferenz wird die Variante in Lauterbrunnen, Reichenbach, Rüeggisberg, Spiez BE, Davos Monstein, Küblis GR zu 100 % akzeptiert. Beispiele: I ha Fritz gsee Schwarzsee FR, I ha Fritz gsehn Mürren, I han Fritzel gsehn Mürren, I ha Fridu gseh Rüeggisberg, I ha Fritzu gseh Steffisburg BE, I han Fritz gsee Schiers GR. c) Die Variante ø F ritzen (ohne Artikel, mit Flexionssuffix) wird 50 Mal an 14 Orten präferiert. Die Kernzone befindet sich im Hasli- und Emmental. Die Variante wird in Brienz BE und im Haslital (Guttannen, Innertkirchen, Meiringen BE) mehrheitlich präferiert, vgl. ► Prozentkarte (S. 36). Sie wird 77 Mal an 23 Orten akzeptiert. Das Gebiet, in dem die Variante akzeptiert wird, deckt sich grösstenteils mit dem der präferierten Variante, reicht aber im Nordwesten darüber hinaus, vgl. ► Akzeptanzkarte 2 (S. 38). Beispiele: I han Fritzen gsehn Guttannen, I ha Fridun gseh Langnau, I ha Fritzun gseh Oberwichtrach, I ha Fritze gseh Trub BE. d) An drei Orten wird die suggerierte Variante den F ritzen (mit Artikel und Flexionssuffix) je einmal präferiert (als einzige Variante): Zug ZG, Trimmis GR, Reckingen VS. Insgesamt wird diese Variante 9 Mal an völlig verstreuten Orten akzeptiert, ausserhalb der Zone, wo die artikellose Form ø F ritzen auftritt. Keine Gewährsperson hat diese Form selbst notiert. e) Intrapersonelle Variation: präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte DEN F RITZ und Ø F RITZ 6 Personen an 5 Orten (2 Mal in Schiers GR, je einmal in Flums SG, Habkern, Schwarzenburg, Steffisburg BE) DEN F RITZ und Ø F RITZEN 2 Personen an 2 Orten (Oberwichtrach, Röthenbach i. E. BE) 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ de Fritz: allgemein; de Fritzu: jemand, den man gut kennt “ , Tafers FR. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ [3 b] + [3 c] archaisch “ , Langnau BE ( Jg. 1959). [GP akzeptiert 3 a, 3 b, 3 c und präferiert 3 a] - „ [3 b] nicht bei uns, [3 c, 3 d] undenkbar “ , Laupen BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] 1.2 Rufnamen 65 - „ I ha Fridun gseh = das isch gang und gäb, aber es Bizeli ordinär “ , Oberwichtrach BE. [GP akzeptiert 3 a, 3 b, notiert 3 c und präferiert 3 a] - „ [3 c] Nur mit Diminutiv (Fritzlin) oder Rufnamen (Fridun, Chlöisun) “ , Oberwichtrach BE. [GP akzeptiert 3 a, 3 b, 3 c und präferiert 3 b] - „ Ich ha Fritze gseh. I ha Fritzen grueft. “ , Signau BE. [GP akzeptiert 3 a, 3 b, notiert 3 c und präferiert 3 a] - „ [3 b, Fritz/ Fritzu] je nach Verwandtschaftsgrad “ , Steffisburg BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 b] - „ [3 b] ältere Form “ , Langwies GR ( Jg. 1939). [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 a] 5. Weitere Varianten a) 2 Mal wird eine Form auf -i mit dem Artikel im Neutrum notiert, aber nicht zur präferierten Variante erklärt: I ha d ’ s Fritzi gseh Gsteig BE, ich ha ds Fritzi gseh Andermatt UR. b) Einmal notiert eine Gewährsperson eine wohl flektierte Diminutivform ohne Artikel, erklärt diese aber ebenfalls nicht zur präferierten Variante: Ich han Fritzlin gsee Oberwichtrach BE. 6. Unbrauchbare Antworten keine 7. Weitere Bemerkungen a) Zu einer ersten Auswertung der SADS-Daten und Vergleich mit den SDS-Daten, die die Verhältnisse im Nominativ darstellen (III: 141), vgl. Bucheli Berger (2006: 92-94). Auffällig ist die weitgehende Übereinstimmung darin, dass neben den westlichen Bündner Walserorten sowohl das Wallis als auch einige in den hinteren Talabschnitten gelegene Berner Oberländer Orte die Artikellosigkeit nicht aufweisen. Szadrowsky (1930 b: 283) gibt an, dass die Rheinwalder Walserorte die Artikellosigkeit nicht bewahren, allerdings verzeichnet SDS (III: 141) für Hinterrhein (Rheinwald) beide Möglichkeiten. Generell sind die Abweichungen gegenüber dem SDS relativ gering, gehen aber in beide Richtungen. Einerseits fehlt im SADS beispielsweise die Artikellosigkeit am nördlichen Rand des Gebietes in Belp BE, andererseits ist im SADS zusätzlich vereinzelte Artikellosigkeit im Kerngebiet und auch ausserhalb, z. B. in Diepoldsau SG (vgl. dazu 7 d), belegt. Artikellosigkeit ist nur (noch) an wenigen Orten kategorisch, ansonsten handelt es sich um einen Variationsraum (Glaser & Bart 2015: 92; Stoeckle 2016: 211). b) Es wurden lediglich erkennbare Flexionssuffixe, nicht jedoch die wenigen Diminutive und Hypokoristika auf -el, -u, -i, als eigene Typen bildend berücksichtigt. Für alle angegebenen Formen wird angenommen, dass sie - ohne explizite gegenteilige Evidenz - auch im Diminutiv maskulin sind, vgl. dazu Baumgartner & Christen (2017: 135, 137). Eine neutrale Verwendung, wie oben 5, ist - neben der maskulinen Verwendung, vgl. 3 a - auch in einer bei Frage I.3 unbrauchbaren Antwort aus Adelboden BE (Ds Fritzi chunnt, ig muss umhi go) bezeugt. Man vergleiche zu den Formen auch Hodler (1969: 33, 357 - 358), Id. (1: 1285), Marti (1985: 84 - 85, 196 - 197, 199), Szadrowsky (1930 b: 287). c) In Oberwichtrach BE, das am Rande des Gebietes der Artikellosigkeit und des Auftretens der Flexion liegt, wird mit der Wahl der präferierten Variante der Schwund des Flexionssuffixes intrapersonell dokumentiert: Eine Gewährsperson notiert I ha Fridun gseh, erklärt jedoch dr Fritz zur präferierten Variante, und eine Gewährsperson notiert Fritzlin, Fridun, Chlöisun, präferiert jedoch Fritz. Eine weitere Gewährsperson notiert und präferiert die Varianten I ha dr Fritzu gseh und I ha Fritzun gseh. In Röthenbach i. E. BE gibt es eine weitere Gewährsperson, die die Varianten I ha dr Fritz gseh und I ha Fritzun gseh präferiert, vgl. oben 3 e. Die Tendenz zur Aufgabe der Artikellosigkeit ist auch in den Bemerkungen (vgl. 4) erkennbar. Die in manchen Bemerkungen erwähnten pragmatischen Bedingungen für die Setzung bzw. das Fehlen des 66 1 Nominalphrase Artikels in Variationszonen werden durch Hinweise in der Sekundärliteratur untermauert, vgl. Szadrowsky (1930 b: 282), Id. (13: 1194), Fuchs (2009). d) Rufnamen sind im umgangssprachlichen Standarddeutschen südlich einer Linie Köln-Fulda-Plauen mit Artikel dokumentiert (Bellmann 1990: 275; Henn-Memmesheimer 1986: 81 - 83; WDU 4: 37 - 38, Karte 4-76 ( „ Ruth “ ); AdA (Runde 9, „ Artikel + Vorname “ , 2 a/ 2 b); Glaser 2008: 92 - 93, 109 - 111 mit weiterer Literatur; Werth 2016, 2017: 192 - 206), für das Schweizerdeutsche vgl. Id. (13: 1154, 1194), SDS (III: 141) sowie Stucki (1921: 107 - 108) und Glaser (2008: 93 - 94, 110 Karte 4). Artikellosigkeit ist für Bern (Haslital, Hopf 1969: 12, Dauwalder 1992: 18, 21; Emmental und Schwarzenburgerland, Marti 1985: 84 - 85; Emmental und Oberland, Hodler 1969: 33) und Graubünden (Szadrowsky 1930 b: 281 - 283) bezeugt, vgl. auch Id. (13: 1157 - 1162, 1194). Hotzenköcherle (1934: 434) hebt explizit den Kontrast zwischen Mutten GR, wo männliche Personennamen mit Artikel gebraucht werden, und den nordöstlichen Bündner Regionen (Prättigau, Davos, Schanfigg), die die Artikellosigkeit kennen, hervor. Die einzelne Präferenz des artikellosen Männernamens in Diepoldsau SG, im unteren Rheintal, könnte - in Abweichung von SDS (III: 141) - im Kontext des für Vorarlberg bezeugten Gebiets mit Artikellosigkeit (und Flexion) zu sehen sein, vgl. VALTS (V: K 478 - 479) sowie Gabriel (1963: 245) zu Dornbirn und Schatz (1903: 50) zu Tirol. Die Artikellosigkeit der (männlichen) Rufnamen ist ein konservatives Merkmal, vgl. Behaghel (1923: 50 - 55). Der Gebrauch des Artikels im Wallis ist zumindest teilweise im Zusammenhang der häufigen Hypokoristika und Diminutiva zu sehen, vgl. SDS (III: 141). e) Szadrowsky (1930 b: 283) sieht als Ursache für die Bewahrung der Artikellosigkeit in Graubünden Sprachkontakt mit dem Rätoromanischen. f) Sturm (2005: 191 - 192, 211, 224 - 226) geht in ihrer theoretischen Auseinandersetzung mit den syntaktischen und semantischen Eigenschaften von Eigennamen auch kurz auf das Schweizerdeutsche und den verbreitet obligatorischen Artikel bei Rufnamen ein. Zum grammatischen Zusammenhang zwischen Artikellosigkeit und Flexion, u. a. im Haslital, vgl. Hoekstra (2010: 759 - 760), Werth (2017) sowie bereits Hopf (1969: 12). 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS Unter den SADS-Fragen gibt es einige, in denen Rufnamen verwendet werden. In den Ankreuzfragen wurde dabei der Artikel vorgegeben. Die notierten Ergänzungen und Übersetzungen der Gewährspersonen können als Zusatzmaterial v. a. für den Nachweis der Artikellosigkeit herangezogen werden. Im Folgenden wird das Material aus einigen ausgewerteten Fragen mit einem männlichen Rufnamen in verschiedenen syntaktischen Kontexten zusammengestellt. Zum Dativ vgl. IV.28. a) Frage I.3 (Ü) - O h, ich habe den F ritz kommen hören In der Übersetzungsfrage I.3 (3.2.1) notieren 170 Gewährspersonen an 56 Orten den artikellosen und unflektierten Typ ø F ritz (Fritz, Fridu, Fritzel, Fridel ), 40 Gewährspersonen an 13 Orten den artikellosen und flektierten Typ ø F ritzen (Fritzen, Fritze). Die Verbreitung dieser artikellosen Formen, vgl. ► Beikarte 1 (S. 39), entspricht ungefähr derjenigen auf der ► Hauptkarte (S. 35) zu II.32. Folgende Unterschiede treten hervor: Im nördlichen Teil des Kantons BE weisen in der Übersetzungsfrage I.3 andere und mehr Orte als bei der Ankreuzfrage II.32 Belege auf. Im Simmental treten in Matten BE zwei Notationen von Fritz (ohne Artikel, ohne Flexionssuffix) in der Frage I.3 auf, während keine solche Form in Frage II.32 präferiert wird (wohl aber 2 Mal akzeptiert). Im Kanton GR gibt es bei I.3 etwas weniger Belege für die artikellose Verwendung als bei II.32. Beispiele: Jetzt han i grad Fritz kherd verbi fahren … Wengen BE, Jetz hani grad Fritz kört härä fahrä … St. Antönien GR. b) Frage I.10 (A) - A lso S usi wäre eine ganz liebe F rau für M arkus In der Ankreuzfrage I.10 wurde nach der Präposition für der Rufname Markus mit Artikel suggeriert. 39 Gewährspersonen notieren an 20 Orten (Berner Oberland und GR) korrigierend den artikellosen und unflektierten Typ ø M arkus (Markus, Margs, Märkel ), 5 Gewährspersonen an drei Orten (Brienz, Innertkirchen, Meiringen BE) den artikellosen und flektierten Typ ø M arkussen (Markussen), vgl. 1.2 Rufnamen 67 ► Beikarte 2 (S. 40). Dies sind wesentlich weniger Nennungen als in den Fragen I.3 und II.32. Ob auch die Präposition oder der konkrete Name eine Rolle für das geringere Vorkommen der Artikellosigkeit spielt, kann an dieser Stelle nicht entschieden werden. Den Artikel beim Neutrum, vgl. 5 sowie 7 b, belegen in I.10 zwei Gewährspersonen aus Steg VS: fär z ’ Marki. c) Frage IV.23 (A) - W as macht U rs jetzt? Bei dieser mit Artikel vorgegebenen Ankreuzfrage finden sich unter den zusätzlichen Angaben der Gewährspersonen 32 Belege an 20 Orten mit artikellosem Gebrauch des Männernamens im Nominativ. Abgesehen von einer Einzelnennung in AR liegen alle anderen Orte im erwartbaren Gebiet (je 3 Mal in Guttannen, Meiringen BE, je 2 Mal in Jaun FR, Brienz, Grindelwald, Gsteig, Habkern, Wengen BE, Klosters, Schiers GR, je einmal in Herisau AR, Boltigen, Fankhaus, Innertkirchen, Leissigen, Mürren, Reichenbach, Saanen, Trub BE, St. Antönien GR). Beispiele: Was macht Urs itze? Jaun FR, Was macht Urs jetze? Gsteig BE, Was tuäd Urs denn jetz? Schiers GR. d) Frage II.22 (A) - N ein, das ist dem P eter In der Ankreuzfrage nach der prädikativen Possessivkonstruktion mit dem Namen Peter notierten Gewährspersonen bei den beiden vorgegebenen und weiteren Konstruktionen auch Namen ohne Artikel, allerdings insbesondere im Genitiv (111 Mal an 41 Orten), vgl. 1.1.2, II.22, 3 a - e sowie die dortige ► Beikarte (S. 27) zur geographischen Verteilung. Zum generell häufigeren Vorkommen der Artikellosigkeit im Genitiv vgl. Bösiger (2017: 49 - 58) v. a. zu Frauennamen. ZurArtikellosigkeit im Dativ bei Frage II.22 vgl. die Ausführungen zum männlichen Rufnamen im Dativ bei IV.28, 8 a. e) Frage II.14 (A) - E r ist gerade gekommen, als ich habe essen wollen Bei der auf den Verbalkomplex ausgerichteten Ankreuzfrage (3.1.5) tritt eine dort unbrauchbare Antwort als Beleg für Artikellosigkeit auf: Wani am ässen bin gsiin, isch ’ d grad Hans chun Meiringen BE. Literatur AdA 9 ▪ Baumgartner & Christen 2017 ▪ Behaghel 1923 ▪ Bellmann 1990 ▪ Bösiger 2017 ▪ Bucheli Berger 2006 ▪ Dauwalder 1992 ▪ Fuchs 2009 ▪ Gabriel 1963 ▪ Glaser 2008 ▪ Glaser & Bart 2015 ▪ Henn-Memmesheimer 1986 ▪ Hodler 1969 ▪ Hoekstra 2010 ▪ Hopf 1969 ▪ Hotzenköcherle 1934 ▪ Id. 1 ▪ 13 ▪ Marti 1985 ▪ Schatz 1903 ▪ SDS III ▪ Stoeckle 2016 ▪ Stucki 1921 ▪ Sturm 2005 ▪ Szadrowsky 1930 b ▪ VALTS V ▪ WDU 4 ▪ Werth 2016 ▪ 2017 Bezug auf SADS-Material Bucheli Berger 2006: 93 - 94 ▪ Glaser 2013: 203 ▪ Glaser 2014: 55 ▪ 2014: 56 Ⓚ ▪ Fuchs 2009: Anhang 1 Ⓚ 1.2.2 Artikel und Flexion bei Rufnamen (Akk., Frauenname) Frage II.31 (A) - I CH HABE A NNA GESEHEN 1. Kartenthema und Datengrundlage Ausser nach der syntaktischen Einbettung eines männlichen Personennamens (II.32, IV.28) wurde mit zwei Fragen auch nach der grammatischen Einbindung eines Namens für weibliche Personen gefragt, um die ebenfalls in der Sekundärliteratur erwähnte Artikellosigkeit und Kasusflexion (vgl. Id. 13: 1158 - 1160; Hopf 1969: 12; Dauwalder 1992: 21; Szadrowsky 1930 b: 281 - 282) genauer zu bestimmen und Abweichungen gegenüber den männlichen Rufnamen zu prüfen. In Frage II.31 wurden daher vier Varianten mit dem weiblichen Rufnamen Anna im Akkusativ, mit und ohne (femininen) Definitartikel und mit und ohne Flexionssuffix, analog zum männlichen Rufnamen in II.32 vorgeschlagen. Die ► Hauptkarte (S. 41) zeigt die Verbreitungsgebiete der erwähnten Varianten sowie der zusätzlich genannten Verwendung eines Neutrumartikels. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei drei total 2923 2923 0 2907 15 1 2940 68 1 Nominalphrase 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a DIE A NNA mit fem. Artikel, ohne Flexionssuffix 3 b DAS A NNA mit neutr. Artikel, ohne Flexionssuffix 3 c Ø A NNA ohne Artikel, ohne Flexionssuffix 3 d DIE A NNEN mit fem. Artikel, mit Flexionssuffix 3 e Ø A NNEN ohne Artikel, mit Flexionssuffix Typenbildung [f. Art.] A NNA Anna, Anne, Annä, Änne, Ännela [n. Art.] A NNA Anna, Anni, Änni, Annä, Änneli, Anny, Annele [ Ø ] A NNA Anna, Annä, Anni [f. Art.] A NNEN Annen, Annun, Annu [ Ø ] A NNEN Annen, Annan, Annin DIE D ’ , de DAS ds, d ’ s, s ’ , z ’ 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Insgesamt wird am häufigsten mit 2679 Mal an allen 383 Orten die Variante mit femininem Definitartikel die A nna präferiert. Diese Variante tritt fast überall mehrheitlich auf, mit Ausnahme von 10 Orten (Liesberg BL, Aedermannsdorf, Welschenrohr SO, Meiringen BE, Stans NW, Engelberg OW, Glarus GL, St. Antönien GR, Blatten, Ferden VS). Beispiele: I ha d ’ Anne gseh Brülisau AI, Iz hani umi as mau d Ännela gse Giffers FR, Ich ha d Änne gseh Steffisburg BE, Äz hani grad d Anne gsee Maderanertal UR, Ich hän de Anna gsee Vals GR, I hä d Annä gsee Oberwald VS. b) Mit neutralem Definitartikel wird der Frauenname 162 Mal an 88 Orten zur präferierten Variante erklärt. Es ist eine leichte räumliche Konzentration auf die Nordwest- und Innerschweiz und den Kanton GL zu verzeichnen. 86 Mal erscheint der Neutrumartikel zusammen mit i-Endung beim Frauenamen und 69 Mal mit a-Endung, vgl. ► Beikarte (S. 42). Je eine Person in Aeschi SO, Glarus, Schwanden GL notiert die Form Anna neben Anni. Die i-Endung dominiert in der Innerschweiz. In GL erscheinen beide Formen ausgeglichen nebeneinander. Es gibt darüber hinaus folgende Schreibformen: Änni (2 Mal in Innertkirchen und je einmal in Guttannen, Täuffelen BE), Annä (je einmal in Meilen ZH, Stans, Wolfenschiessen NW) und je einmal Anny (Liesberg BL), Annele (Ettingen BL) und Änneli (Guggisberg BE). Insgesamt wird die Variante mit Neutrumartikel 215 Mal an 112 Orten in ähnlicher räumlicher Verbreitung notiert, aber eben nicht immer präferiert. Beispiele: I ha s Annele gsee Ettingen, Ih ha s ’ Anny gsee Liesberg BL, Ig ha s Anna gsee Aedermannsdorf, Ig ha s ’ Anna gseh Bettlach, Ig has Anna gsee Erschwil SO, I ha s ’ Änneli gseh Guggisberg, I han ds Anna gsehn Meiringen BE, Ech ha s ’ Anni gseh Malters LU, Ich ha ds ’ Anni gsee Göschenen UR, Ich ha ds Anna gsee Linthal GL. c) Der unflektierte Frauenname ohne Artikel wird 69 Mal an 51 verstreut im ganzen Untersuchungsgebiet liegenden Orten präferiert (einmal in Schwarzsee mit der Endung -i). Er kommt nur in Klosters und St. Antönien GR mehrheitlich vor. Eine gewisse räumliche Konzentration ist im Kanton BE und einigen östlichen Walserorten im Kanton GR zu verzeichnen. Die vorgegebene Variante wird wesentlich häufiger, 196 Mal an 126 Orten im Untersuchungsgebiet verstreut, akzeptiert. Beispiele: Ich ha Anni gseh Schwarzsee FR, I han Anna gsee Davos, I han Annä gsen Küblis, I han Anna gseh Langwies GR, Ich hä Anna gseh Betten VS. 1.2 Rufnamen 69 d) Der vorgegebene Typ einer flektierten Form mit femininem Definitartikel die A nnen wird 22 Mal an 10 relativ verstreut liegenden Orten präferiert. Dabei wird im Lötschental 14 Mal die Form d Annu(n) notiert (je 7 Mal in Blatten und Ferden VS). Bei den anderen 8 Einzelnennungen wurde die vorgegebene Form - ohne eigene Wiedergabe - je einmal präferiert (Bibern, Metzerlen SO, Altstätten SG, Brienz, Mürren BE, Elm, Engi GL, Trimmis GR). Die Variante wird insgesamt 35 Mal weiter verstreut akzeptiert. Beispiele: Ich han d ’ Annun gseen Blatten VS, Ich han d ’ Annu gseen Ferden VS. e) 8 Mal wird der artikellose flektierte Typ ø A nnen präferiert, wobei räumlich konzentriert 6 Mal die Form Annin, in Brienz (2 Mal), Langnau, Röthenbach i. E., Signau, Trub BE, und einmal Annan notiert wurde (Meiringen BE). Eine Einzelpräferenz in Solothurn SO bezieht sich auf die vorgegebene Form Annen. Die Variante wird insgesamt 12 Mal akzeptiert (zusätzlich je einmal in Solothurn SO, Diepoldsau SG, Langnau, Oberwichtrach BE), vgl. 5. Beispiele: I han Annan gseen Meiringen BE - Ich han Annin gseen Brienz, I ha Annin gseh Langnau BE. f) Intrapersonelle Variation: präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte DIE A NNA und DAS A NNA 11 Personen an 11 Orten (Aesch, Liestal BL, Boniswil, Frick AG, Meilen ZH, Gächlingen SH, Iseltwald, Steffisburg BE, Buochs NW, Sarnen OW, Obstalden GL) DIE A NNA und Ø A NNA 2 Personen an 2 Orten (Pfäfers SG, Rüeggisberg BE) DIE A NNA und DIE A NNEN 1 Person in Blatten VS DIE A NNA und Ø A NNEN 1 Person in Trub BE DIE A NNA , DIE A NNEN und A NNEN 1 Person in Brienz BE 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ besonders wenn Kind: I ha s Anna gsee. “ , Zunzgen BL. [GP akzeptiert 3 a, notiert und präferiert 3 b] - „ [3 a, 3 b] je nach Namen (gewisse Namen sind sächlich, gewisse weiblich) “ , Meilen ZH. [GP akzeptiert 3 a, notiert 3 b und präferiert 3 a, 3 b] - „ Na söfu Jahr zrug hani umi amau z ’ Anni gse. Oder wenn die Pers. nicht beliebt = säge mier d ’ Äna gse “ , Giffers FR. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ I ha d Anna / Anneli gsie oder früher sagte man ds Äni “ , Boltigen BE. [GP notiert und präferiert 3 a] - „ [3 e] ist im Diminutiv möglich: Ich ha Annin gseh (jedoch archaisch) “ , Langnau BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ [3 c] nicht bei uns; [3 d]/ [3 e] undenkbar “ , Laupen BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ [3 e] = Nur im Diminutiv möglich: i ha Ännelin gseh “ , Oberwichtrach BE. [GP akzeptiert 3 a, 3 e und präferiert 3 a] - „ Ig ha ds Anni gseh. (Bei uns sagt man nicht <Anna>) “ , Reichenbach BE. [GP akzeptiert 3 a, notiert und präferiert 3 b] - „ [3 a, 3 b] je nach Beliebtheit von dieser Anna “ , Steffisburg BE. [GP akzeptiert 3 a, notiert 3 b und präferiert 3 a, 3 b] - „ Je nachdem ob ich Anna oder Anni sage. Bei Anna ist [3 a] die natürlichste Variante, bei Annin ist Variante [3 e] für mich richtig “ , Trub BE. [GP akzeptiert 3 c, 3 a, notiert 3 e und präferiert 3 a, 3 e] 70 1 Nominalphrase - „ heute [3 a] und früher [3 b] “ , Horw LU ( Jg. 1937). [GP akzeptiert 3 a, notiert 3 b und präferiert 3 a] - „ Ich ha s Anna gseh. (Auch für Erwachsene! ) “ , Buochs NW. [GP akzeptiert 3 a, notiert 3 b und präferiert 3 b] - „ [zu 3 a] Bei geachteter eher vornehmer Person “ , Buochs NW. [GP akzeptiert 3 a, notiert und präferiert 3 b] - „ [zu 3 a] f: neuer, seit die Form Anna die ältere Form Anni verdrängt “ , Sarnen OW ( Jg. 1931). [GP akzeptiert 3 a, notiert 3 b und präferiert 3 a, 3 b] - „ Persönlich gebrauche ich noch Annun, man hört aber bereits viel d ’ Anna, besonders bei den Jungen “ , Blatten VS ( Jg. 1934) [GP akzeptiert 3 a, 3 d und präferiert 3 d] 5. Weitere Varianten a) Einmal wird eine Diminutivform ohne Artikel und mit Flexionssuffix notiert, aber nicht zur präferierten Variante erklärt: Ich ha Ännelin gseh Oberwichtrach BE, vgl. 3 e und 4. 6. Unbrauchbare Antworten Eine Gewährsperson aus Boltigen BE (vgl. 4) notiert eine nicht interpretierbare Variante Anneli als Nebenform zu die A nna . Es ist nicht klar ersichtlich, ob die Person die Variante mit oder ohne Artikel verwendet. 7. Weitere Bemerkungen a) Allgemein zu Artikellosigkeit und Flexion von Rufnamen im Schweizerdeutschen und anderen deutschen Dialekten, vgl. II.32, 7 d, f. b) Für die Frage nach der Artikellosigkeit wurde in II.31 ein traditioneller Frauenname gewählt, da in der Sekundärliteratur Restriktionen für die regional erwartete Artikellosigkeit bei modernen Namen für weibliche Personen erwähnt sind (z. B. Dauwalder 1992: 18). Bei der Interpretation der verstreut präferierten artikellosen Verwendungen kann auch an standardsprachlichen Einfluss gedacht werden, wobei der Unterschied zum selteneren Vorkommen beim männlichen Personennamen auffällt, vgl. II.32 sowie Bösiger (2017). Zwar stimmen die Kerngebiete der Artikellosigkeit für die männlichen und weiblichen Personennamen weitgehend überein, allerdings ist dort die Anzahl der Belege bei den weiblichen Rufnamen geringer. Einen Abbau der Artikellosigkeit erwähnt bereits Szadrowsky (1930 b: 282) für Klosters GR. Für das Lötschental VS belegt Henzen (1928/ 29: 127, 1932: 96) die Artikelverwendung. c) Wie aus der Umgangssprache (WDU 4: 37 - 38, Karte 4-76; AdA, Runde 9, „ Artikelform “ , 2 e) und anderen Dialekten des Deutschen bekannt (vgl. Nübling et al. 2013), können auch in Deutschschweizer Dialekten Rufnamen für weibliche Personen mit neutralem Definitartikel gebraucht werden, vgl. Christen (1998), Baumgartner & Christen (2017) mit weiterer Literatur. Die vielfältigen lautlichen und morphologischen Varianten des Namens Anna sind ohne Kenntnis des jeweiligen Ortssystems nicht eindeutig einem Genus zuzuordnen, so dass die Genusunterscheidung in der obigen Darstellung lediglich am Artikel festgemacht wurde. Bei den artikellosen Formen kann auf der Basis unseres Materials - ohne Kongruenzdaten - nicht entschieden werden, ob Neutrum oder Femininum vorliegt. Die Formen mit i-Auslaut bzw. i-haltigem Suffix kommen in unserem Material allerdings nicht bei eindeutig femininer Verwendung vor, vgl. auch die Klassifikation in Id. (13: 1159). Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, dass die i-haltigen Formen gegenüber vorgegebenem (femininem) Anna eigens notiert wurden. Die Bemerkungen einer Gewährsperson aus Oberwichtrach BE (vgl. unter 4), die eine flektierte Diminutivform kommentiert, die sie aber nicht präferiert, und einer weiteren aus Langnau BE zu einer Diminutivform geben keinen expliziten Hinweis zum Genus der Diminutivformen. Die nicht vorgegebene Variante mit Neutrumartikel wurde anders als beim männlichen Rufnamen in die Auswertung mit einbezogen, da das Neutrum bei Frauennamen eben nicht generell an eine Diminutivform 1.2 Rufnamen 71 gebunden ist, vgl. Weber (1948: 121) mit Beispielen aus dem Zürichdeutschen. Diminutivformen weiblicher Rufnamen mit neutralem Artikel erwähnt Szadrowsky (1930 b: 287) gegenüber sonst artikellosem Gebrauch für einige Bündner Walserorte (vgl. auch 1930 b: 282). Szadrowsky (1930 b: 288) erwähnt explizit den Neutrumartikel bei nicht diminuierten weiblichen Rufnamen als Ausweitung des Neutrumgebrauchs im Bernischen, wobei dieses Gebiet in unseren Daten kaum Neutrum aufweist, vgl. aber Hodler (1969: 17). Stucki (1921: 77) stellt den Neutrumartikel in ZH „ bei allen Frauenspersonen “ dem Gebrauch „ in der Stadt Bern aber nur bei Mädchen “ gegenüber, bezieht die Aussage aber nicht ganz klar auf angeführte diminuierte und nicht diminuierte Formen. Henzen (1932: 96) hält für das Lötschental explizit fest, dass der neutrale Definitartikel bei Rufnamen bzw. beim Bezug auf erwachsene Personen nur ausnahmsweise vorkommt. Nach Bächler (2018: 321) ist bei nicht auf -i auslautenden Frauennamen im Senslerdeutschen (FR) der Neutrumartikel ausgeschlossen. Bossard (1962: 44) führt für ZG Beispiele mit Neutrumartikel einzig zusammen mit Namen auf -i an, die sich auf „ jüngere Pers. und Kinder “ beziehen. In der vorliegenden Frage II.31 wurde nicht eigens nach dem Genus gefragt. Die Notationen der Gewährspersonen erlauben aber, als Kerngebiete der neutralen nicht-modifizierten Frauennamen den Nordwesten und Glarus zu bestimmen, vgl. ► Beikarte (S. 42). Die Ausdehnung der i-haltigen Namen mit Neutrumartikel dürfte allerdings nicht das Gesamtverbreitungsgebiet darstellen, da wohl viele der Gewährspersonen, die auch den Neutrumartikel beim i-haltigen Namen verwenden, das vorgegebene Femininum Anna als Normalform kennen. Zum Neutrumartikel bei Frauennamen auf -i ist die stark abweichende Karte bei Baumgartner & Christen (2017: 137) zu vergleichen. d) Die unter 5 erwähnte Gewährsperson aus Oberwichtrach BE notiert bei Frage IV.27 ebenfalls die Form Ännelin. Allerdings ist dort nicht klar, ob es sich um eine Form mit oder ohne Artikel handelt. e) Das Genus des Artikels bei weiblichen Rufnamen, ist nicht mit dem bei pronominaler Referenz erscheinenden Genus gleichzusetzen, wozu eigens eine Frage gestellt wurde, vgl. IV.38. 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS Unter den SADS-Fragen gibt es einige, in denen weibliche Rufnamen vorkommen. In den Ankreuzfragen wurde dabei jeweils der Artikel vorgegeben. Die notierten Ergänzungen und Übersetzungen der Gewährspersonen können als Zusatzmaterial v. a. für den Nachweis der Artikellosigkeit herangezogen werden. Im Folgenden wird Zusatzmaterial zur Artikellosigkeit aus Fragen mit einem weiblichen Rufnamen zusammengestellt, der in Subjekt- oder Objektposition erscheint. Zum Dativ vgl. Frage IV.27. Dazu wird das Auftreten neutraler Artikel vermerkt. a) Frage IV.1 (Ü) - A lso M artina wäre eine ganz gute G emeindepräsidentin Bei dieser auf den Indefinitartikel gerichteten Frage kann auch der Artikelgebrauch beim Frauennamen Martina in Subjektposition ausgewertet werden. 515 Personen an 261 Orten haben über das ganze Gebiet verteilt keinen Artikel gesetzt. Die gegenüber II.31 sehr viel höhere Zahl und weitere Verbreitung könnte durch den Einfluss der standarddeutschen Vorlage ohne Artikel oder aufgrund einer Assimilation im Anlaut, die die Verschriftung behindert hat, zustande gekommen sein. In den Übersetzungen finden sich ausserdem 48 Fälle, in denen ein Neutrumartikel ds, z oder s verwendet wird, in einem Fall zusammen mit der Endung -i beim Namen. Neutrumbelege finden sich v. a. in GL, aber auch BL, SO, VS und vereinzelt in AG, BE, NW, OW, ZG. b) Frage I.10 (A) - A lso S usi wäre eine ganz liebe F rau für M arkus Bei dieser ebenfalls auf den Indefinitartikel gerichteten Ankreuzfrage wurde bei eigenen Notationen der weibliche Rufname nicht eindeutig artikellos gebraucht, bei einem Beleg mit dem Kurznamen Züsi aus Innertkirchen BE dürfte allerdings ein solcher Fall vorliegen, zumal die Gewährsperson im gleichen Satz auch den Männernamen artikellos verwendet. Eine Gewährsperson aus Meiringen BE notiert auch explizit: „ Taufname u. Familienname ohne Artikel “ . 72 1 Nominalphrase c) Frage IV.15 (A) - A nita will wissen, ob du noch etwas vorhast Hier wurde 40 Mal der Satz bei einer eigenen Notation gegen die Vorgaben mit dem Frauennamen ohne Artikel konstruiert, davon 12 Mal in BE (Faulensee, Frauenkappelen, Gsteig, Kiental, Langnau, Lauterbrunnen, Lenk, Meiringen, Melchnau, Saanen, Spiez, Wengi), 7 Mal in SG (2 Mal Weisstannen, je einmal Flums, Krinau, Mosnang, Quarten, Ricken) und 5 Mal in Bündner Walserorten (Davos, Klosters, Langwies, Safien, Tamins GR). Ausser einigen Streubelegen (Schwarzsee, Ueberstorf FR, 2 Mal in Roggenburg BL, je einmal in Villigen AG, Eglisau ZH, Gächlingen, Merishausen SH, Herisau AR, Fiesch VS) konzentrieren sich weitere Nennungen im Raum GL (2 Mal Mollis), SZ (Alpthal), UR (2 Mal Göschenen, einmal Unterschächen). Während in einigen Fällen vielleicht von Schriftspracheinfluss ausgegangen werden muss, könnten zumindest die Belege aus BE sowie den Walserorten artikellosen Gebrauch dokumentieren: Anita will wüsse … Davos GR. Bei eigenen Notationen finden sich ausserdem 37 Fälle, in denen ein Neutrumartikel ds/ z oder s verwendet wird, wobei in allen Fällen der Frauenname nicht verändert wurde. Die Belege mit Neutrumartikel finden sich wiederum v. a. in GL und im Nordwesten (BL, SO), vereinzelt auch in AG, BE, NW, UR, VS und einmal in BS. d) Frage IV.27 (A) - I ch habe es A nna gegeben Bei dieser Frage nach dem Frauennamen im Dativ hat eine Gewährsperson aus Wiesen GR fälschlich einen Satz mit dem Rufnamen im Akkusativ notiert, wobei hier der Gebrauch des femininen Artikels dokumentiert wird: I han d Anna gseh. Literatur AdA 9 ▪ Bächler 2018 ▪ Baumgartner & Christen 2017 ▪ Bossard 1962 ▪ Bösiger 2017 ▪ Christen 1998 ▪ Dauwalder 1992 ▪ Henzen 1928/ 29 ▪ 1932 ▪ Hodler 1969 ▪ Hopf 1969 ▪ Id. 13 ▪ Nübling et al. 2013 ▪ Stucki 1921 ▪ Szadrowsky 1930 b ▪ WDU 4 ▪ Weber 1948 1.2.3 Artikel und Flexion bei Rufnamen (Dat., Männername) Frage IV.28 (A) - I CH HABE ES F RITZ GEGEBEN 1. Kartenthema und Datengrundlage Im Themenbereich Rufnamen mit und ohne Artikel sowie mit und ohne Flexion wurden vier Ankreuzfragen gestellt, vgl. II.32,1. Mit Frage II.32 wurden die Ausdrucksmöglichkeiten bei einem männlichen Rufnamen im Akkusativ erfragt, in der vorliegenden Frage IV.28 geht es um einen Männernamen im Dativ. Die vier vorgeschlagenen Varianten bieten den Rufnamen Fritz im Dativ mit und ohne Flexion und mit und ohne Artikel an. Die ► Hauptkarte (S. 43) unterscheidet zwischen den Varianten dem F ritz und ø F ritz einerseits, denen jeweils verschiedene unflektierte Formen zugeordnet wurden, und dem F ritzen und ø F ritzen andererseits, unter denen jeweils verschiedene flektierte Formen zusammengefasst sind (vgl. 2), und zeigt die Verteilung dieser vier Variantentypen. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei drei total 2775 2771 4 2756 14 1 2787 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a DEM F RITZ mit Artikel, ohne Flexionssuffix 3 b Ø F RITZ ohne Artikel, ohne Flexionssuffix 3 d DEM F RITZEN mit Artikel, mit Flexionssuffix 3 c Ø F RITZEN ohne Artikel, mit Flexionssuffix 1.2 Rufnamen 73 Typenbildung F RITZ Fritz, Fritzel, Fridu, Fritzu, Fritzi, Frigg, Fridel F RITZEN Fritzen, Fritze, Fritzä, Fridele, Fritzun, Fridun DEM dem, dum, dm, em, äm, am, im, m, en 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Am häufigsten wird mit 2544 Mal an 375 Orten die flexionslose Variante mit Artikel dem F ritz zur natürlichsten Variante erklärt. Sie tritt im gesamten Untersuchungsgebiet pro Ort mindestens einmal auf, ausser an folgenden Orten, an denen ausschliesslich eine der artikellosen Varianten (vgl. 3 b und c) als natürlichste Variante genannt wurde: Boltigen, Diemtigen, Grindelwald, Guttannen, Habkern, Innertkirchen, Mürren BE, St. Antönien GR. Beispiele: I has im Fritz gää Aesch BL, I has em Fritz geh Möhlin AG, I has em Fritz gee! Brunnadern SG, I has em Fritz gee Heiden AR, I ha das dum Fritzu gäh Giffers FR, I has em Fritzel ge Leissigen, I has em Fridu ggä Rüeggisberg BE, I has im Fritzi ggäh Menzingen ZG, Ich has en Fritz gä Altdorf UR, Ich has em Frigg gäh Luchsingen GL, Ich ha sus dum Fritz gigää Agarn VS. b) Die artikellose Variante ø F ritz (ohne Flexionssuffix) wird insgesamt 167 Mal an 63 Orten zur natürlichsten Variante erklärt, beschränkt auf das Berner Oberland, den Sensebezirk, die Bündner Talschaften Schanfigg, Prättigau, Davos und das Wallis (je einmal in Bürchen, Fiesch, Mörel, Oberwald, Saas-Grund VS). Im Berner Oberland wird sie an folgenden Orten nie als natürlichste Variante gewählt und auch äusserst selten akzeptiert: Adelboden, Faulensee, Frutigen, Lenk, Reutigen BE. Verstreute Einzelpräferenzen gibt es in Baldingen AG, Flaach ZH, Aesch LU, Engelberg OW, Oberägeri ZG. Beispiele: I has Fritz gä Schwarzsee FR, I has Fritz gge Boltigen, I has Fritzel gän, i har [sic] Friedel gän Mürren, I has Fridu gäh Oberwichtrach BE, I hans Fritz gän Davos GR. Die artikellose Variante wird insgesamt deutlich mehr akzeptiert: 335 Mal an 151 Orten. Die Kernzone der Akzeptanz deckt sich dabei grösstenteils mit den Vorkommensgebieten der präferierten Variante. Dazu kommen viele verstreute Einzelnennungen im Gesamtgebiet, vgl. dazu die ► Akzeptanzkarte (S. 44). Je einmal in Jaun und Plaffeien erscheint die artikellose Variante mit präpositionaler Dativmarkierung: i has i Fritz gee Jaun, I has i Fritz gä Plaffeien FR. c) Die artikellose Variante ø F ritzen (mit Flexionssuffix) wird insgesamt 62 Mal an 16 Orten als natürlichste Variante bezeichnet. Die Kernzone konzentriert sich auf das Hasli- und Emmental. In Guttannen, Innertkirchen, Meiringen, Röthenbach i. E. und Trub BE tritt sie mehrheitlich auf. Beispiele: I has Fritze ggä Lützelflüh, I has Fritzen gän Meiringen, I has Fridun ggä Oberwichtrach, I has Fridele ggä Röthenbach i. E., I has Fritzun gäh Steffisburg BE. d) Die Variante dem F ritzen (mit Artikel und Flexionssuffix) wird 14 Mal als Einzelnennung, ohne räumliche Konzentration, in Muttenz BL, Bäretswil ZH, Hüttwilen TG, Degersheim, Krinau, Ricken SG, Düdingen, Giffers FR, Bleienbach BE, Horw, Malters LU, Gurtnellen, Isenthal UR, Ferden VS präferiert. Insgesamt wurde die vorgegebene Variante an 35 Orten mit Einzelnennungen akzeptiert. Beispiel: Ich has am Fritzen gä Ricken SG. e) Intrapersonelle Variation: präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte DEM F RITZ und Ø F RITZ 7 Personen an 7 Orten (Schwarzsee FR, Bern, Seftigen, Spiez, Zweisimmen BE, Arosa, Küblis GR) DEM F RITZ und Ø F RITZEN 5 Personen an 5 Orten (Langnau, Matten, Meiringen, Signau, Sumiswald BE) DEM F RITZ und DEM F RITZEN 2 Personen an 2 Orten (Degersheim SG, Düdingen FR) Ø F RITZ , DEM F RITZ und Ø F RITZEN 1 Person in Langnau BE 74 1 Nominalphrase 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ Interessant: Im Nachbardorf Widnau SG, 8 km Luftlinie, wäre es Nr. [3 c] “ , Oberriet SG. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ Je nach Name: z. B. ‚ I has Housin, Fridun, Ursun ggä ‘ ist sehr natürlich “ , Langnau BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 c] - „ Da brauche ich abwechslungsweise [3 a, 3 b] und [3 c], je nach Situation und Fritz “ , Langnau BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b, 3 c] - „ [zu 3 c] Veraltet! Mit einigen Namen noch gebräuchlich “ , Steffisburg BE. [GP akzeptiert 3 a, 3 c und präferiert 3 a] 5. Weitere Varianten keine 6. Unbrauchbare Antworten a) 3 Mal sind die Antworten nicht interpretierbar. b) Einmal hat eine Gewährsperson eine inhaltlich abweichende Variante als einzige Antwort notiert. 7. Weitere Bemerkungen a) Zur Typenbildung ist Frage II.32 zu vergleichen. b) Bucheli Berger (2006) führt in ihrem Überblick über die beiden SADS-Fragen zu Männernamen (vgl. II.32, 7 a) auch eine erste Karte zur vorliegenden Frage IV.28 an (2006: 96). c) Das Auftreten der Artikellosigkeit und Flexion im Dativ des Männernamens deckt sich weitgehend mit den Befunden im Akkusativ, vgl. II.32. Abweichungen gibt es vornehmlich bei Einzelnennungen in Randgebieten, z. B. im Südosten, wo anders als beim Akkusativ im Dativ Artikellosigkeit in Weisstannen SG und Churwalden, Fläsch GR bezeugt wird. Dafür zeigen Diepoldsau, Flums SG und Vals GR im Akkusativ Einzelpräferenzen für die Artikellosigkeit. Die vereinzelte Nennung in Diepoldsau SG lässt sich mit der Bemerkung einer Gewährsperson (vgl. 4.) zum nicht im SADS enthaltenen Nachbarort Widnau SG für den Dativ stützen. Es ist wahrscheinlich, dass sich diese Nennungen an das angrenzende Vorarlberger Gebiet mit Artikellosigkeit (und Flexion) anschliessen, vgl. II.32, 7 d. Im Berner Oberland ist die im SDS (III: 141) südlich des Thunersees dokumentierte Artikellosigkeit in Faulensee, Frutigen, Reutigen ebenfalls nur noch im Akkusativ bezeugt, wohingegen am nördlichen Rand des Gebiets in Lützelflüh und Sumiswald nur im Dativ artikellose flektierte Formen belegt sind. Der SDS, der nur den Nominativ erfragt hat, dokumentiert hier nur die Form mit Artikel, was auf eine Bindung der Artikellosigkeit an die Flexion deuten könnte, vgl. ähnlich Hopf (1969: 12) für das Haslital. Im Dativ finden sich weitere Einzelpräferenzen der Artikellosigkeit im nordwestlichen Randgebiet in Heitenried, Tafers FR, Neuenegg BE, wo der Akkusativ mit den SDS-Befunden übereinstimmt. Nördliche Einzelpräferenzen der Artikellosigkeit beim männlichen Rufnamen im SADS finden vereinzelt schon im SDS Entsprechungen in Fankhaus und Utzenstorf BE, während die Einzelpräferenzen in Baldingen AG, Flaach ZH, Ligerz, Meikirch BE, Aesch LU und Oberägeri ZG, die ausser Ligerz nur den Dativ betreffen, im SDS keine Entsprechung haben. Werth (2017: 196) stellt für die Verhältnisse in Hessen fest, dass zwischen Artikelverwendung bzw. Flexion und syntaktischer Position kein Zusammenhang besteht. d) Der Vergleich der SADS-Befunde mit SDS (III: 141) deutet darauf hin, dass sich der Artikel bei den männlichen Rufnamen im Berner Oberland auch von den Orten am Talende her ausbreitet (Adelboden im Engstligental, Lenk im Simmental). Komplexer gestalten sich die Verhältnisse an den Orten mit ursprünglicher Flexion. Hier scheint im Dativ eher Variation mit dem Typ dem F ritz zu bestehen (v. a. im Emmental), während im Akkusativ auch ø F ritz gewählt wird. Der Typ dem / den F ritzen , der verstreut gerade ausserhalb der Zonen mit Artikellosigkeit vorkommt, spielt beim Abbau offenbar keine Rolle. 1.2 Rufnamen 75 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS a) Frage II.22 (A) - N ein, das ist dem P eter In Ankreuzfrage II.22 (1.1.2) nach der prädikativen Possessivkonstruktion mit dem Rufnamen Peter notierten Gewährspersonen in einigen Konstruktionen mit Dativ auch Namen ohne Artikel. Es handelt sich um den prädikativen Dativ (4 Mal, davon 2 Mal flektiert), die Konstruktion mit nachgestelltem, selbständigem Possessivpronomen (13 Mal an 11 Orten) sowie um je einen Fall in der sogenannten Mischkonstruktion und der von -Periphrase, vgl. zu weiteren Details 1.1.2, 3 a, b, d, e sowie die dortige ► Beikarte (S. 27). Weitere Belege für Artikellosigkeit finden sich dort unter 5 a und 6 a, 6 b zusammengestellt. Die Nennung solcher artikellosen Varianten ist auf BE, GR und - vereinzelt - FR beschränkt. b) Frage IV.24 (A) - W er hast du gesagt, hat K evin geholfen ? In dieser auf die Satzverschränkung gerichteten Ankreuzfrage, die nicht für die vorliegende Publikation aufbereitet wurde, vgl. aber Brandner & Bucheli Berger 2018, haben Gewährspersonen 14 Mal an 10 Orten eine eigene Übersetzung notiert, in der der Männername im Dativ ohne Artikel erscheint (3 Mal in Klosters GR, je 2 Mal in Grindelwald, Saanen BE, je einmal in Neftenbach ZH, Herisau AR, Guttannen, Meiringen, Mürren, Wengen BE, Schiers GR). Beispiele: Wär hescht gseid, hed Kevin gholfen? Grindelwald BE, Wär hescht jetz gseid, hed Kevin gholfä? Schiers GR. c) Frage III.26 (A) - K evin bekommt gerade die H aare gewaschen Bei dieser Ankreuzfrage haben 4 Personen bei der Umformulierung in ein werden-Passiv den Männernamen im Dativ artikellos angegeben (2 Mal in Grindelwald BE, je einmal in Jaun FR, Guttannen BE), eine Person bei der eigenen Notation der Vorgabe im Nominativ (Kiental BE). Beispiele: Kevin wird grad ds ’ Haar gwäschen Grindelwald, Kevin bechund grad d Haar gwäschä Kiental BE. d) Frage IV.3 (Ü) - I ch habe es ihm schon geschickt Bei der auf das Pronominalcluster gerichteten Übersetzungsfrage (2.6.2) wurde 14 Mal - dort unbrauchbar, vgl. 2.6.2, 6 c - statt dem Dativpronomen der Name Fritz eingesetzt, wodurch sich Zusatzmaterial für die vorliegende Frage nach dem Auftreten artikelloser und flektierter Formen im Dat.Sg. bei einem männlichen Rufnamen ergibt. In zwei Fällen wurde der Name artikellos übersetzt, einmal davon flektiert: I has Fritzen scho gschickt Innertkirchen BE, I han Fritz z Gschenk scho gschickt Schiers GR. Die übrigen 12 Übersetzungen mit Eigennamen, die den Artikel aufweisen, sind über das Gebiet verstreut, wobei je ein Beleg aus BE (Kandersteg), GR (Malans) und VS (Agarn) stammt, also aus Regionen, die nach der vorliegenden Frage IV.28 auch artikellose Verwendung aufweisen könnten, vgl. 3 b. Literatur Brandner & Bucheli Berger 2018 ▪ Bucheli Berger 2006 ▪ Hopf 1969 ▪ SDS III ▪ Werth 2017 Bezug auf SADS-Material Brandner & Bucheli Berger 2018: 34 - 35 ▪ Bucheli Berger 2006: 93 - 94 ▪ 2006: 96 Ⓚ 1.2.4 Artikel und Flexion bei Rufnamen (Dat., Frauenname) Frage IV.27 (A) - I CH HABE ES A NNA GEGEBEN 1. Kartenthema und Datengrundlage Ausser nach der syntaktischen Einbettung eines männlichen Rufnamens wurde mit zwei Fragen auch nach der grammatischen Einbindung eines Namens für weibliche Personen gefragt. In Frage II.31 wurde der Name im Akkusativ erfragt. In der vorliegenden Frage IV.27 wurden vier Varianten mit dem Frauennamen Anna im Dativ, mit und ohne Definitartikel und mit und ohne Flexionssuffix, analog zu einem Männernamen im Dativ (IV.28) vorgeschlagen. Die ► Hauptkarte (S. 45) zeigt die Verbreitungsgebiete der vorgegebenen Varianten sowie des von Gewährspersonen zusätzlich genannten neutralen Definitartikels. 76 1 Nominalphrase Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei drei total 2776 2774 2 2747 25 2 2803 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a DER A NNA mit fem. Artikel, ohne Flexionssuffix 3 b DEM A NNA mit neutr. Artikel, ohne Flexionssuffix 3 c Ø A NNA ohne Artikel, ohne Flexionssuffix 3 d DER A NNEN mit fem. Artikel, mit Flexionssuffix 3 e Ø A NNEN ohne Artikel, mit Flexionssuffix Typenbildung [f. Art.] A NNA Anna, Annä, Anni [n. Art.] A NNA Anna, Anni, Anny, Änni, Onele, Annale, Anneli [ Ø ] A NNA Anna, Annä [f. Art.] A NNEN Annen, Annun, Annu [ Ø ] A NNEN Annen, Annan, Annin, Ännin DER der, där, e, dr, d ‘ , ar, är, er, a dr, a dä, ä der, e dr, e de, e der, i dr, i de, ner DEM dem, em, am, äm, im, dum, dom, ihm 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Am häufigsten wird mit 2478 Mal an 381 Orten die Variante mit femininem Definitartikel der A nna präferiert. Diese Variante kommt fast im ganzen Untersuchungsgebiet vor mit Ausnahme von Grindelwald BE, St. Antönien GR, wo sie auch von niemandem akzeptiert wird. An den meisten Orten ist sie mehrheitlich, mit Ausnahme von 16 Orten (Liesberg BL, Welschenrohr SO, Wegenstetten AG, Innertkirchen, Meiringen, Mürren, Wengen BE, Engelberg OW, Menzingen ZG, Glarus, Luchsingen, Mollis, Schwanden GL, Klosters, Langwies GR, Blatten VS). Die Variante kommt auch mit präpositionaler Dativmarkierung vor, vgl. unter Punkt 7 b. Beispiele: I has d ’ Anna gäh Schönenbuch BL, Ig has arAnna ghä Aeschi SO, I has e drAnna ggee Hägglingen, Ich has dr Anna ggää Siglistorf AG, I has i de Anna gää Tafers FR, I has eres [sic] de gäh, dr Anna Erlach, I has ärAnna ggä Huttwil, I has erAnna ggä Steffisburg BE, Ich has i drAnna ggää Entlebuch LU Ich has a dä Anna gää Alpnach OW, ich has e der Anna ggee Hünenberg ZG, Ich has i dr Anna gä Einsiedeln, Ich has a der Annä gä? Muotathal SZ, I hans dr Anna gä Küblis GR, Ich ha sus där Anna gigää Agarn, Ich häsus ner Anna gigää Visperterminen VS. b) Der Rufname mit neutralem Definitartikel dem A nna wird 180 Mal an 94 Orten zur präferierten Variante erklärt, davon 73 Mal mit der Form Anna und 105 Mal mit Formen auf -i o. ä. (Anni, Anny etc.) bzw. -li (einmal präferiert sowie einmal als zusätzliche Variante). Es ist eine leichte räumliche Konzentration von der Nordwestüber die Zentralschweiz bis in den Kanton GL zu verzeichnen. Die Variante ist an 8 Orten mehrheitlich (Liesberg BL, Welschenrohr SO, Wegenstetten AG, Stans NW, Menzingen ZG, Glarus, Luchsingen, Mollis GL). Nur wenig häufiger wird 202 Mal an 105 Orten die neutrale Variante in demselben Gebiet notiert. Davon entfallen 116 Nennungen an 68 Orten auf den Neutrumartikel bei i-Endung und 84 Nennungen an 56 Orten auf Anna, vgl. ► Beikarte 1 (S. 46). Im Subtyp Anna sind auch die beiden Formen auf -le (Onele, Annale) ( Jaun FR, Ettingen BL) erfasst. In der Zentralschweiz dominiert die i-Endung. In GL erscheinen beide Formen ausgeglichen nebeneinander. 1.2 Rufnamen 77 Beispiele: I has äm Anni gä Aesch, i has im Anneli gä Laufen BL, I has em Anna gäh Aeschi SO, I hass em Anna ggää Kirchleerau, I has im Anna geh Magden AG, Ich has em Onele [sic] gee Jaun FR, I has am Anny gä Wangen a. A. BE, Ech has em Anna gä Dagmersellen LU, Ich has am Anni gä Giswil OW, Ich has äm Anni gii, Ich has äm Anna gii Glarus, Ich has em Anni ggii (Anneli) Näfels GL, Ich hes dom Anna gegä Saas-Grund VS. c) Der unflektierte Rufname ohne Artikel ø A nna wird 80 Mal an 54 verstreut im ganzen Untersuchungsgebiet liegenden Orten präferiert. Eine gewisse räumliche Konzentration ist im Kanton BE und einigen östlichen Walserorten im Kanton GR zu verzeichnen. Die Variante kommt nur in Rüeggisberg BE, Klosters, Küblis, Langwies, St. Antönien GR mehrheitlich vor. Sie wird wesentlich häufiger, 216 Mal an 138 Orten, weit verstreut und meist als Einzelnennung, akzeptiert. Beispiele: I has Anna gge Boltigen BE, Ich has Anna gä Lungern OW, I hans Anna gän Davos GR. d) Der vorgegebene Typ einer flektierten Form mit femininem Definitartikel der A nnen wird 51 Mal an 30 verstreuten Orten im ganzen Untersuchungsgebiet präferiert. Die Variante ist in Grindelwald, Mürren, Wengen BE, Blatten VS mehrheitlich, im Berner Oberland und Lötschental VS gibt es eine räumliche Konzentration. Dabei wird im Lötschental 10 Mal die Form dr Annu(n) notiert (je 5 Mal in Blatten und Ferden VS). Die Variante wird insgesamt 98 Mal an 62 Orten konzentriert auf das gleiche Gebiet neben weiteren verstreuten Nennungen akzeptiert. Beispiele: I has derAnnen ggän Iseltwald, I has drAnnen gän Mürren BE, Ich hans drAnnun gigän Blatten, Ich hans dr Annu gigään Ferden VS. e) 14 Mal an 8 Orten wird der artikellose, flektierte Typ ø A nnen präferiert, davon 3 Mal an 3 Orten mit der Schreibung auf -en (Giffers FR, Oberiberg SZ, Arosa GR), einmal auf -an (Meiringen BE) und 10 Mal an 5 Orten mit der Schreibung auf -in (Brienz, Innertkirchen, Langnau, Meiringen, Trub BE). Die Variante ist nie mehrheitlich und wird 23 Mal an 16 Orten akzeptiert (-en) bzw. notiert (-in/ -an), zusätzlich zu den oben bereits genannten Orten in Guttannen BE, Göschenen UR, Klosters GR mit der vorgegebenen Variante auf -en sowie in Innertkirchen, Lützelflüh, Oberwichtrach, Schangnau, Signau, Sumiswald BE mit der notierten Variante auf -in. Beispiele: I has Ännin ggän Brienz, I has Annin ggä Fankhaus, I has Annan ggän Meiringen BE. f) Intrapersonelle Variation: präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte DER A NNA und Ø A NNA 5 Personen an 5 Orten (Rüeggisberg BE, Horw LU, Arosa, Küblis, Obersaxen GR) DER A NNA und DER A NNEN 2 Personen an 2 Orten (Düdingen FR, Visp VS) DER A NNA und DEM A NNA 16 Personen an 15 Orten (2 Mal in Pratteln BL, je einmal in Laufen, Schönenbuch BL, Menziken AG, Aarberg, Täuffelen BE, Entlebuch, Grosswangen, Horw, Zell LU, Stans NW, Alpnach OW, Oberägeri ZG, Glarus GL, Salgesch VS) DER A NNA und Ø A NNEN 1 Person in Langnau BE Ø A NNA und Ø A NNEN 1 Person in Meiringen BE Ø A NNA , DER A NNA und DER A NNEN 1 Person in Aesch BL DER A NNA , DER A NNEN und Ø A NNEN 1 Person in Brienz BE 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ y ha s em Anni gää. interessante archaische Dativ-Formen - leider alles nicht baseldeutsch. Am ehesten noch [3 a] “ , Basel BS. [GP akzeptiert 3 a, notiert und präferiert 3 b] - „ I has d ’ Anna gäh. I has em Anna gäh (je nach Alter) “ , Schönenbuch BL. [GP akzeptiert und präferiert 3 a und 3 b] - „ Ich hans em Anna ggee. Hängt von der Person ab: nicht jedes weibliche Wesen ist ein ‚ es ‘“ , Meilen ZH. [GP akzeptiert 3 a, notiert 3 b und präferiert 3 a] 78 1 Nominalphrase - „ I has de Anna gää. I has i de Anna gää. Diff: bei Frauen ist [de] und [i de] möglich, bei Männern nur [im], also: i has im Peter gää, im Joël, im Sebastian (früher bei Männern ‚ dum ‘ )! “ , Tafers FR. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ Ich has ar Anna ggä - so etwas zwischen ar, er, är und r. “ , Aarberg BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ Man könnte sagen: I has Elsin und Gretin ggän “ , Brienz BE. [GP akzeptiert 3 a, 3 d und präferiert 3 a] - „ I has dr Anne ggää. ‚ Annen ‘ ist eine Dialektform “ , Habkern BE. [GP akzeptiert 3 a, 3 c und präferiert 3 a] - „ I has Annin ggä (alte Feminin-Dativ-Form! ) “ , Langnau BE. [GP akzeptiert 3 a, notiert 3 e und präferiert 3 a] - „ I has Ännin ggän, Greetin ggän, Hansen ggän usw. Anna ist ein Sonderfall, weil dieser Name normalerweise in der Verkleinerungsform gebraucht wird. Die Deklination der Familien- und Vornamen ist in der korrekten Haslimundart immer noch üblich. “ , Meiringen BE. [GP akzeptiert 3 c, notiert und präferiert 3 e] - „ I has er Anna ggä. Ännelin (nur mit Diminutiv) “ , Oberwichtrach BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ Bei anderen Namen z. B. Rösi; Rösin gä “ , Röthenbach i. E. BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ Es kommt hier auf den Namen an. Bei Rose würde ich sagen: I has Rösin ggä. oder: I has der Lisebeth ggä. oder: I has Hanse ggä. oder: I has Vrenin ggä. oder: I has der Brigitt ggä. oder: I has Samin ggä. Stelle gerade fest, würde auch sagen: I has der Rosa ggä. Je nach Person und dem Verhältnis oder der Beziehung zur betreffenden Person. “ , Trub BE. [GP akzeptiert 3 a, 3 c und präferiert 3 a] - „ Ich ha-s im Anni ggä / … em Anni ggä. Weibliche Namen auf -i (Anni, Vreni, Idi, Josy etc.) sind in NW neutrum: s ’ Mathildi isch cho. “ , Wolfenschiessen NW. [GP akzeptiert 3 a, notiert und präferiert 3 b] - „ Ich has em Anni gi. Frauennamen = sächlich ausser Anna aber bei uns meistens Anni “ , Schwanden GL. [GP akzeptiert 3 a, notiert und präferiert 3 b] 5. Weitere Varianten keine 6. Unbrauchbare Antworten a) Eine Gewährsperson notiert eine Akkusativ-Variante: i han d Anna gseh Wiesen GR. b) Eine Gewährsperson hat die Frage unvollständig und nicht interpretierbar ausgefüllt. 7. Weitere Bemerkungen a) Die Verbreitung der verschiedenen Varianten ähnelt, mit einigen Abweichungen im Detail, grundsätzlich derjenigen im Akkusativ (vgl. II.31). Der seltene artikellose, flektierte Typ ø A nnen , 3 e, ist für das Haslital auch von Hopf (1969: 12) mit einem Beispiel (Aennellin) im Dativ bezeugt. Gegenüber dem Männernamen (IV.28) erscheint die Artikellosigkeit beim Frauennamen im Dativ im SADS-Material seltener. Zur Artikellosigkeit bei Frauennamen im Dativ vgl. auch Bösiger (2017: 44 - 48). b) Die Variante mit dem femininen Artikel der A nna erscheint insgesamt 129 Mal in den bekannten Gebieten mit einer Präpositionalen Dativmarkierung (vor d-haltigem Artikel), vgl. 3 a sowie 1.3.2 zu dieser 1.2 Rufnamen 79 Markierung generell und insbesondere 1.3.2, 8 c. 28 Mal werden an 25 Orten d-lose Artikelformen (är, ar, er, ner) angegeben. Sie erscheinen besonders im Kanton BE (an 19 Orten), was angesichts der allgemeinen Verteilung klarer PDM-Fälle, vgl. Seiler (2003: 66, 87), eher dafür spricht, hier nicht von PDM auszugehen. Vgl. auch die Ausführungen unter 1.1.3, 7 g. 8. Zusatzmaterial aus anderen Karten des SADS a) Frage II.23 (A) - N ein, das ist der S andra Bei der Frage II.23 nach der prädikativen Possessivkonstruktion mit dem (modernen) weiblichen Rufnamen Sandra wurde der Name sowohl im Genitiv als auch im Dativ mit Artikel suggeriert. In den allermeisten Fällen wird der Name sowohl im Genitiv als auch im Dativ mit Artikel präferiert. Die Genitivform wird aber 23 Mal an 17 Orten, vor allem in BE und GR, auch artikellos notiert, z. B. Nii, das isch Sandras Boltigen BE, vgl. 1.1.3, II.23, 3 c. Ausserdem erscheint auch die Konstruktion mit nachgestelltem Possessivpronomen einmal ohne Artikel, wobei der Name hier wohl eher als Dativ aufzufassen ist: Nei, das isch Sandra sis Signau BE, vgl. 1.1.3, II.23, 5 h. In einem Fall ist in Davos GR die Artikellosigkeit im Dativ innerhalb einer Präpositionalphrase bezeugt, vgl. 1.1.3, II.23, 6 a. Weitere Beispiele für z.T. neutrale Genitiv- und Dativformen sind auch in den Bemerkungen der Gewährspersonen unter 1.1.3, 4 zu finden. Bei der gleichen Frage ergibt sich in verschiedenen Konstruktionen auch Zusatzmaterial zur Frage der Verwendung des Neutrumartikels bei Frauennamen, das auf ► Beikarte 2 (S. 47) zusammengestellt ist. In einzelnen Fällen werden die neutralen Formen neben Konstruktionen mit Femininum genannt, vgl. 1.1.3, 5 a, b. 51 Mal wird an 30 Orten der Frauenname mit neutralem Dativartikel notiert und präferiert (je 2 Mal neben des S andras, der S andra und einmal neben dem S andra seines ), vgl. 1.1.3, 5 a, Die Variante kommt in zwei Arealen mehrfach vor: Kanton GL und in der Nordwestschweiz in den Kantonen BS, BL, SO. Zwischen den beiden Gebieten treten verstreut Einzelnennungen, v.a in der Zentralschweiz, auf. Beispiele: Nei, das isch em Sandra Laufen BL, Nei, das isch im Sandra Magden AG, Nei, das isch am Sandra Linthal, Nei, das isch äm Sandra Mollis GL. 29 Mal an 22 Orten wird ausserdem eine Variante mit neutralem Dativartikel dem und Possessivpronomen notiert und präferiert (2 Mal neben der S andra ihres , je einmal neben ( des ) S andras, der S andra , gehört dem S andra ), vgl. 1.1.3, 5 b. Sie erscheint in GL und der Nordwestschweiz. Einzelnennungen gibt es dazwischen in den Kantonen LU, NW. Beispiele: Nei, s ’ isch em Sandra sys Liestal BL, Nei, das isch im Sandra sis Bettlach SO, Nei, das isch jo am Sandra sis Niederbipp BE, Nei, das isch em Sandra seys Wolfenschiessen NW, Nei, das isch äm Sandra sys Glarus GL. Auch die Variante mit dem Prädikat ‚ gehören ‘ kommt mit Neutrumartikel vor, in 5 Einzelnennungen in LU, GL, aber auch in VS, vgl. 1.1.3, 5 e. Beispiele: Nei, s ’ ghört em Sandra Grosswangen LU, Nei, das gkört ja äm Sandra Glarus, es kört am Sandra Mollis GL, Das keert dum Sandra Inden, das gheert dum Sandra Simplon Dorf VS. Literatur Bösiger 2017 ▪ Hopf 1969 ▪ Seiler 2003 1.2.5 Neutrale pronominale Referenz auf Personen (Frauen- & Männername) Frage IV.38 (A) - E S IST 71 [T RUDY ] / E S IST 71 [P AUL ] Die Referenz auf erwachsene Personen erfolgt im Deutschen im Normalfall mit Bezug auf das natürliche Geschlecht mit einem femininen oder maskulinen Personalpronomen. Abweichungen davon werden insbesondere im Zusammenhang mit Rufnamen im Diminutiv beobachtet, was den Einsatz eines neutralen Pronomens zur Folge haben kann. Für weibliche Personen ist die Referenz mit einem neutralen Personalpronomen weiter verbreitet möglich (Nübling et al. 2013), darunter auch in schweizerdeutschen Dialekten 80 1 Nominalphrase (vgl. SDS III: 200). Hier wird darüber hinaus regional das neutrale Pronomen auch für männliche Personen gebraucht (SDS III: 199 - 200). In Frage IV.38 wurde die neutrale Pronominalisierung einer männlichen und einer weiblichen Person mit je einer einfachen Bewertungsfrage - ohne Varianten - erhoben, in der das Alter der Person mit 71 angegeben ist, um sicherzugehen, dass auf erwachsene Personen Bezug genommen wird. Die Ergebnisse der Bewertungsaufgaben werden im Folgenden für die Referenz auf weibliche (I) und männliche Personen (II) getrennt dargestellt. Für die vorliegende Frage gibt es insgesamt überaus zahlreiche Bemerkungen von Gewährspersonen (s. u. III), die wir, soweit sie sich auf den in IV.38 thematisierten Sachverhalt bzw. auf die Frage des Genus bei Rufnamen beziehen lassen, wiedergeben, da sie einen interessanten Einblick in die Bewertung dieser Formen durch die Sprecher und Sprecherinnen geben. I. Es ist 71 [Trudy] 1. Kartenthema und Datengrundlage Wie aus verschiedenen Regionalsprachen und Dialekten des Deutschen bekannt (Nübling et al. 2013), kann auch in Deutschschweizer Dialekten auf weibliche Personen mit einem neutralen Personalpronomen referiert werden (vgl. SDS III: 200; Id. 1: 510; Wipf 1910: 141; Stucki 1921: 77; Weber 1948: 159; Fischer 1960: 252; Hodler 1969: 18, 202, 594; Marti 1985: 94 sowie im Überblick Christen 1998). Das steht in einem gewissen Zusammenhang mit dem Vorkommen neutraler Artikel bei weiblichen Personennamen, was bei dieser Frage aber nicht thematisiert wird (vgl. dazu 1.2.2, II.31, 1.2.4, IV.27). Die Gewährspersonen wurden gebeten, einen Satz mit neutralem Subjektpronomen zu beurteilen, wobei zur Erklärung, dass sich der Satz auf eine weibliche Person bezieht (Schwester), in eckige Klammern der Rufname Trudy hinzugefügt war. Da für diese Frage keine Präferenz abgefragt wurde, wurden die von den Gewährspersonen selbst notierten einschlägigen Varianten als Akzeptanz oder Ablehnung der Vorgabe gewertet, auch wenn keine der Optionen angekreuzt wurde. Haben die Gewährspersonen einen Satz mit es notiert, wurde dies als akzeptiert gewertet, wurde hingegen nur ein Satz mit sie notiert, als abgelehnt. Die ► Hauptkarte (S. 48) zeigt, an welchen Orten die vorgegebene neutrale Referenz in diesem Sinne als möglich erachtet wurde und an welchen Orten sie abgelehnt wurde. Frage beantwortet [Trudy] brauchbar unbrauchbar 2774 2739 35 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a ES [akzeptiert] 3 b ES [abgelehnt] Typenbildung ES es, äs 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) 1722 Mal wurde an 346 Orten das Pronomen es für eine weibliche Person akzeptiert, wobei die Akzeptanz in einem Streifen von Schaffhausen bis nach Graubünden deutlich geringer ist. An 78 Orten wird das neutrale Pronomen von allen Gewährspersonen akzeptiert, wobei sich einige areale Verdichtungen erkennen lassen, etwa im Glarner Hinterland. Umgekehrt ist die mehrheitliche Ablehnung an einzelnen Orten in VS (Lötschental; vgl. auch die Bemerkungen der Gewährspersonen unter III) und FR ( Jaun) erwähnenswert. Beispiele: Äs isch 71 Möhlin, Es isch 71 (Trudy) Stein AG. b) 1017 Mal wurde an 293 Orten das Pronomen es in dem auf eine weibliche Person bezogenen Satz abgelehnt. Dabei lässt sich eine Konzentration mehrheitlicher Ablehnung im Nordosten und Osten erkennen. An 1.2 Rufnamen 81 35 Orten lehnen alle Gewährspersonen das Pronomen es ab, wobei nur deren vier westlich der östlichen Zürcher Kantonsgrenze liegen: Würenlos AG, Hütten, Stallikon ZH, Jaun FR. Teilweise wird explizit das feminine Pronomen angegeben. Beispiel: Si isch 71 Stadel ZH. 4. Unbrauchbare Antworten 35 Antworten sind in Bezug auf die Verwendung von es für eine weibliche Person unbrauchbar. a) 12 Mal wurde als einzige Variante eine Antwort mit nominalem Subjekt bzw. Eigennamen gegeben: S Trudi isch 71 Ziefen BL. b) 4 Mal wurde als einzige Variante der entsprechende Rufname als prädikativer Nominativ gesetzt: Äs isch z ’ Trudy Lützelflüh BE. c) 2 Mal wurde als einzige Variante ein Demonstrativpronomen als Subjekt angegeben: Diä isch 71 Oberägeri ZG. d) Einmal wurde als einzige Variante ein Fragesatz mit dem Namen als Subjekt notiert: Ischt Trudi 71? Safien GR. e) 2 Mal wurden einzig inhaltlich gänzlich andere Sätze notiert. f) 3 Mal ist die notierte Antwort nicht interpretierbar. g) 11 Mal wurde die Frage leer gelassen. II. Es ist 71 [Paul] 1. Kartenthema und Datengrundlage Die Verwendung eines neutralen Personalpronomens zur Referenz auf männliche Personen ist aus der Sekundärliteratur für das Wallis (SDS III: 199 - 200; Id. 1: 510; Wipf 1910: 141), für italienische Südwalserorte (Zürrer 1999: 245 - 256; Dal Negro 2004: 154 - 158; Bauen 1978: 118 - 119) und für Urseren im Kanton Uri (Abegg 1911: 79) dokumentiert. In Frage IV.38 sollte der Gebrauch des neutralen Pronomens mit Bezug auf erwachsene männliche Personen, zu denen kein distanziertes Verhältnis besteht - so der bei Zürrer (1999) genannte Verwendungskontext - erhoben werden. Daher wurden die Gewährspersonen gebeten, analog zum auf eine Frau bezogenen Satz (s. o. I) einen Satz mit neutralem Subjektpronomen für eine männliche Person zu beurteilen, wobei zur Erklärung, dass sich der Satz auf einen Mann bezieht (Bruder), in eckige Klammern der Rufname Paul hinzugefügt war. Da für diese Frage keine Präferenz abgefragt wurde, wurden, wie auch unter I, die von den Gewährspersonen selbst notierten einschlägigen Varianten als Akzeptanz oder Ablehnung gewertet, auch wenn keine der Optionen angekreuzt wurde. Haben die Gewährspersonen einen Satz mit es notiert, wurde dies als akzeptiert gewertet, wurde hingegen nur ein Satz mit er notiert, als abgelehnt. Bei expliziter Referenz auf eine Diminutivform von Paul, d. h. Päuli o. ä., wurde die Antwort für die neutrale Referenz (auf eine Person namens Paul) als nicht akzeptiert gewertet. Die ► Hauptkarte (S. 49) zeigt, an welchen Orten die vorgegebene neutrale Referenz in diesem Sinne als möglich erachtet wurde und an welchen Orten sie abgelehnt wurde. Frage beantwortet [Paul] brauchbar unbrauchbar 2774 2713 61 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a ES [akzeptiert] 3 b ES [abgelehnt] 82 1 Nominalphrase Typenbildung ES es, äs, as 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) 97 Mal wurde an 51 vornehmlich im Wallis gelegenen Orten das Pronomen es mit Bezug auf den Bruder (Paul) akzeptiert. Im übrigen Gebiet liegen ausser in Andermatt UR nur verstreute Einzelnennungen vor. Es gibt darüber hinaus keinen Ort, an dem der Gebrauch von es von allen Gewährspersonen akzeptiert wurde. Wiederum fällt die fehlende Akzeptanz des Neutrumsgebrauchs im Lötschental VS auf. Beispiele: Äs ischt 71! Diemtigen BE, As isch 71 (där Paul) Guttet-Feschel VS. b) Insgesamt wurde 2616 Mal an 382 Orten es für eine männliche Person (Bruder) abgelehnt (nicht in Saas- Grund VS). Beispiele: Er isch 71. (Paul) Stein AG, Er isch 71 Stadel ZH. 4. Unbrauchbare Antworten 61 Antworten sind in Bezug auf die Verwendung von es für eine männliche Person unbrauchbar. a) 13 Mal wurde als einzige Variante die Antwort in Form einer Nominalphrase als Subjekt gegeben: Dr Paul isch 71 Ziefen BL. b) 6 Mal wurde als einzige Variante der entsprechende Personenname als prädikativer Nominativ gesetzt: Äs isch der Paul Lützelflüh BE. c) 2 Mal wurde als einzige Variante ein Demonstrativpronomen als Subjekt angegeben: De isch 71 Oberägeri ZG. d) Einmal wurde als einzige Variante das Subjektpronomen im Plural notiert: Schi send 71 Vals GR. e) 3 Mal werden einzig inhaltlich gänzlich andere Sätze notiert. f) 5 Mal ist die notierte Antwort nicht interpretierbar. g) 31 Mal wurde die Frage leer gelassen. III. Bemerkungen der Gewährspersonen zu I [Trudy] und II [Paul] In den im folgenden angeführten Bemerkungen bezieht sich „ 1 “ auf das neutrale Pronomen für Trudy und „ 2 “ auf das neutrale Pronomen für Paul. 5.1 GP akzeptiert nur ES für Trudy - „ Aber nur mit Vorname. Sonst Si isch 71 (Frau Müller) “ , Basel BS. - „ Es isch 71. Er isch 71. (Volksüblich) Si isch 71. (Kultiviertere Art) “ , Aesch BL. - „ 1) Eher: ‚ Si isch 71 ‘“ , Ettingen BL. - „ 1) eher selten! “ , Gelterkinden BL. - „ D ’ Trudy ist ‚ Basel-Ditsch ‘ und auf dem Land bisher nicht üblich, kommt aber immer mehr auf “ , Hölstein BL. - „ Wenn man sagt: s ’ Trudy, aber nicht bei: d ’ Trudy “ , Langenbruck BL. - „ Die Tendenz, Frauen als Neutrum zu bezeichnen sinkt. ‚ Sie ‘ ist bei mir häufiger als ‚ es ‘ oder ersetzt es sogar! “ , Laufen BL. - „ Es gibt typische Frauennamen (ich glaube mit Endung -i) die ‚ es ‘ verlangen. Also Susi: es, Susanne: sie. Ich habe mir allerdings die sächliche Form bei Frauen abgewöhnt, also d ’ Käthi, d ’ Vreni, usw. “ , Liestal BL. - „ Diese Form wird von vielen Leuten bewusst vermieden, da ‚ politisch unkorrekt ‘“ , Pratteln BL. 1.2 Rufnamen 83 - „ Frauen nur, die man auch in der (kindlichen) Koseform des Vornamens anredet bei Männern ist mir ein ‚ es ’ unbekannt “ , Pratteln BL. - „ Nur Frauen können mit ‚ es ‘ bezeichnet werden. → ‚ Es isch ä liebs Mäitli ‘ , ‚ Es isch e liebi Frau ‘ ; → ‚ Sie isch ä liebs Mäitli ‘ , ‚ Sie isch e liebi Frau ‘ ; aber nur: → ‚ Er isch ä liebä Bueb / Ma ‘“ , Erschwil SO. - „ Si oder är isch → normal “ , Kleinlützel SO. - „‚ Es ‘ ersetz[t] bei uns oft noch ‚ Sie ‘ , aber wird nie für einen Mann gebraucht. Nur für Kinder und Frauen! “ , Mümliswil SO. - „ Es auch für Mueti oder Mami “ , Aarau AG. - „ Möglich beim ‚ Päuli ‘ (Diminutiv) “ , Aarburg AG. - „ Warum versächlicht man die Frauennamen mit i am Schluss, mit a aber nicht? z. B.: (Bei männlichen Namen aber nicht üblich! ) Liebes Elsi, Lotti, Dori, Gritli, Hedi, Rösli, Anni, Trudy, Emmi, Lory, Friedi, Elli, Gaby, Vreni, Lini, aber Liebe Elsa, Dora, Margrit, Hedwig, Rosa, Anna, Gertrud, Emma, Eleonore, Frieda, Ella, Verena, Lina etc. “ , Aarburg AG. - „ S ’ Vreni ja doch d ’ Vrene nein “ , Brugg AG. - „ Meinem Gefühl nach nur bei Frauen möglich deren Vorname beiden Gesprächspartnern bekannt ist. Sonst ‚ sie ‘ bzw. ‚ er ‘“ , Densbüren AG. - „ 1) nur bei Verniedlichung, sonst nicht “ , Hägglingen AG. - „ Nur: er isch 71 (de Paul) “ , Leibstadt AG. - „ Nur bei weiblichen Personen “ , Stein AG. - „ 1) nur möglich, wenn man z. B. über ‚ s ’ Trudi ‘ spricht - aber nicht, wenn man auch im Dialekt die weibliche Form braucht (d ’ Trudi) “ , Zofingen AG. - „ 1) Nur bedingt → S ’ Trudy, aber d ’ Trudle → Sie isch 71 “ , Bassersdorf ZH. - „ 1) Nur bei Mädchen oder verwandten Frauen “ , Bassersdorf ZH. - „ Nur bei Frauen, wenn der Name verwendet wird, sofern er sächlich ist. Hier s Trudy. Aber z. B. nicht bei d Sybill, d Erika usw.! “ , Bassersdorf ZH. - „ 1) Aber eher nicht! “ , Ellikon a. d.T. ZH. - „ 1) + Si isch äinesibezgi, 2) nur: Er isch äinezibezgi “ , Fällanden ZH. - „ Das Trudy / aber: Si isch 71 (d ’ Ruth / d ’ Rita) “ , Hedingen ZH. - „ 1) Aber eher nicht gebräuchlich; wenn Trudy klein und zart ist “ , Küsnacht ZH. - „ 1) Macht man aber heutzutage höflicherweise möglichst nicht “ , Küsnacht ZH. - „ Sehr altmodisch - man kann, aber ich tue es nicht (im Gegensatz zu meiner Grossmutter, *1905, Küsnacht) “ , Küsnacht ZH. - „ Mein Vater erzählt immer, dass man, als er klein war, zwischen ‚ es Chind ‘ = Mädchen und ‚ en Bueb ‘ = Bub unterschied, d. h. wenn man von ‚ es Chind ‘ sprach, war es ein Mädchen “ , Küsnacht ZH. - „‚ Es ‘ nur bei Diminutiv “ , Küsnacht ZH. - „ Besser: Si isch 71. Er isch 71 “ , Langnau a. A. ZH. - „ 1) Möglich aber unüblich “ , Meilen ZH. 84 1 Nominalphrase - „ 1) Typisch s ’ Mueti, s Grosi, s ’ Susy, s ’ Käthi, aber d ’ Ursle, d Anna. Von der Endung abhängend? Weiss auch nicht “ , Meilen ZH. - „ Eher: Sie isch 71. (Trudy) “ , Rafz ZH. - „ Weibl. möglich, besser: sii isch od. är isch “ , Rafz ZH. - „ Bei Frauen möglich (je nach Vorname) z. B. s ’ Vreni “ , Regensberg ZH. - „ 1) Nur mit i od y am Schluss. Sie ischt 71. (Bei Anna od. Elsa) “ , Rifferswil ZH. - „ Bei einer Frau ja: S ’ isch 71 Trudy. Beim Mann: Er wird 71 “ , Rorbas ZH. - „ 1) Ich würde aber sagen: Si isch 71 “ , Rümlang ZH. - „ Nur Frauen auf Endung -i & Diminutive. 2) Nur Wallis “ , Thalwil ZH. - „ Mit Vornamen bezeichnete Frauen (Koseform) ja: s ’ Trudi isch … , s ’ Dorli hät … , s ’ Markli tuet …“ , Turbenthal ZH. - „ Namen von Frauen mit der Endung y oder i sind sächlich “ , Unterstammheim ZH. - „ Wenn Trudi jung oder sehr befreundet ist, sonst: Si isch 71 “ , Uster ZH. - „ Nur bei Namen auf -i! (feminina) “ , Uster ZH. - „ ,Es ‘ sind Kinder (sofern nicht geschlechtsspezifisch bezeichnet, also meist nur Kleine = Kinder, besonders wenn das Geschlecht für den Sprechenden nicht ohne weiteres erkennbar ist), allenfalls Frauen, bei letzteren aber eher familiäre Ausdrucksweise. “ , Winterthur ZH. - „ ist aber mit heute eine Frage des politischen Bewusstseins. Ich tue es nicht mehr, bin aber in meiner Kindheit so aufgewachsen. Meine Schwester war s ’ Käthi “ , Winterthur ZH. - „ 1) gilt aber als veraltet. “ , Winterthur ZH. - „ 1) nur Frauen mit Vornamen endend auf I / Y “ , Zürich ZH. - „ ,Es ‘ ist sehr intim und eher für ein Kind (weiblich), für Erwachsene ist ‚ Si ‘ häufiger und gegenüber Nicht- Familienangehörigen normal. “ , Zürich ZH. - „ Bei Frauen ja, bei Männern nein, besser er oder sie isch …“ , Bottighofen TG. - „ Besser: Si isch 71. Är isch 71 “ , Ermatingen TG. - „ 1) Ich sage das nicht “ , Frauenfeld TG. - „ 1) Aber eher d Trudy “ , Frauenfeld TG. - „ ,es ‘ bei einer Frau wird in der Regel dann verwendet, wenn man sie auch im Alter mit der Verkleinerungsform benennt, also wenn sie ‚ Anna ‘ gerufen wird, heisst es: sie isch 71, wenn sie ‚ Annali “ gerufen wird, heisst es: es isch 71 “ , Grabs SG. - „ 1) Nur noch alte Generation! “ , Grabs SG. - „ Nur wenn es sich um ein kleines Persönchen handelt, oder: no wänns ä chlini isch “ , Krinau SG. - „ 1) Bei Frauen ja, aber nicht für jeden Namen, z. B. Barbara nicht “ , Krinau SG. - „ Normalerweise: Sie isch 71. / Er isch 71 “ , Ricken SG. - „ Wenn, dann nur bei Frauen “ , St. Gallen SG. - „ 1) Eher: Sii isch 71 “ , Walenstadt SG. - „ Bei i kann man, aber man macht es eher nicht “ , Wil SG. 1.2 Rufnamen 85 - „ s ’ Trudy, s ’ Gritli → es; d ’ Anne, d ’ Margrit → sie; bei Männern nur selten und spöttisch: s Mäxli → es; im normalen Diminutiv: der Ernstli, de Päuli → er “ , Gais AR. - „ Nie ‚ es ‘ nur ′ s “ , Trogen AR. - „ Möglich, brauche es-Form aber nie. Ältere Generation schon. “ , Giffers FR. - „ In Situationen, wo sich jemand über jemanden (m) lustig macht, oder wenn jemand gehänselt oder verulkt wird, kann ein Männername verändert werden in Form und Geschlecht: ‚ Achtung z ’ Pöili chunt ‘ , z ’ Peterli, z ’ Jöneli ( Jonas) “ , Tafers FR. - „ In Verbindung mit Namen nicht möglich wenn A am Schluss: d Anna - d Julie - d Katharina. Aber: ds Anni - ds Julie - ds Catherine “ , Tafers FR. - „ Bei Männern wird nie die sächliche es-Form verwendet. Bei Frauen kann es vorkommen, dass sie gebraucht wird. Im anständigen Normalfall wird gesagt Si isch 71 (Trudi) “ , Aarberg BE. - „ Der Adelbodner ja! Ich niemals! ! (Es für Frauen! ! ) “ , Adelboden BE. - „ Es kommt auf den Namen an! D ’ Marie. Nur in der Verkleinerungsform: ds Köbi, ds Päuli, ds Röbi. Aber: dr Hans, dr Sami, dr Fritz etc. “ , Adelboden BE. - „ Bei Männern nur in der Verkleinerungsform. Ds Päuli ischt 71. ds Hänsi isch 65 “ , Adelboden BE. - „ Trudy ist sächliche Verkleinerungsform. D Gertrud isch 71 “ , Bern BE. - „ Aber eher: Si isch 71. ( ♀ -Form) “ , Bern BE. - „ Nur Namen auf i! z. B. ds Rosi: es isch, d Rosa: si isch “ , Bern BE. - „‚ Man ‘ kann das sagen. Ich würde es nicht sagen (ich würde sagen ‚ sie isch 71 ‘ ) “ , Bern BE. - „ Konservative Ausdrucksweise: Junge Generation sagt ‚ Si ‘ ! “ , Bern BE. - „ Äs = z Gödi, z Ruedi, z Käri, z Hansi, z Peti “ , Boltigen BE. - „ Man kann auch sagen: Sie ischt 71sibezgi und är 71ga “ , Brienz BE. - „ Es = das Ungeheuer. Ds Ughür “ , Diemtigen BE. - „ Aber Knabe, ds Päuli. ‚ Äs ischt zähe jehrigs ‘“ , Frutigen BE. - „ Das Trudi = richtig. Die Trudi = falsch. Der Paul = richtig “ , Frutigen BE. - „ Nur bei weibl. Form “ , Gadmen BE. - „ Richtig: Är ischt 71 “ , Grindelwald BE. - „ Nur Frauen! “ , Grindelwald BE. - „ Nur: wir sagen immer noch Zätti (der Vater) aber nie es, immer är (er). Zätte chund em zueha, är geid grad i Kuchi “ , Grindelwald BE. - „ Es = es Froueli, es Mandli “ , Gsteig BE. - „ Nur Frauen kann man mit ‚ es ‘ bezeichnen “ , Huttwil BE. - „ 2) Nur in Saaner-Tütsch! “ , Interlaken BE. - „ Nur bei Verkleinerungsformen / Kosenamen wie Gertrud → Trudy, Ursula → Ursi, Susanne → Susi “ , Kiental BE. - „ 1) Aber ich sage das nicht “ , Langnau BE. - „ Besser: 1) Äs isch … 2) Är isch …“ , Langnau BE. 86 1 Nominalphrase - „ Ds Päuli isch 71. Es isch 71. Ds Titi isch 71 (Christian) “ , Lenk BE. - „ 2) nur in der Verkleinerung (Päuli od. Hensi etc.) “ , Lenk BE. - „ Das ‚ Es ‘ bei Frauen hängt vom Vornamen ab, z. B. Kläri = es, Klara = sie “ , Lützelflüh BE. - „ Ds Fritzi, ds Hänsi, ds Réesi (dim. oder Übername) “ , Matten BE. - „ Es oder sie nur bei Frauen “ , Münchenbuchsee BE. - „ 2) ds Pöili → nur mit Neutrum + Diminutiv “ , Oberwichtrach BE. - „ Bim Trudy ja aber ungärn / bi Poul unmüglech oder me sieg ihm z ’ Pöili. Das hani im Bärneroberland scho ghöhrt “ , Oberwichtrach BE. - „ 2) (Pöili) Ja falls Diminutiv “ , Reichenbach BE. - „ 1) Kommt auf Namen an z. B. Lisebeth: si isch 71 “ , Reutigen BE. - „ Bei vielen Frauennamen aber nicht. Bei Trudi, Rösi geht es “ , Röthenbach i. E. BE. - „ Mann er, Frau / Kind es “ , Seftigen BE. - „ Bei Frauen: lieblich gemeint (für ältere Personen); ich sage jedoch meistens: si isch 71 und er isch 71 “ , Seftigen BE. - „‚ Aes ‘ isch, statt ‚ sie ‘ isch wirkt respektierlicher “ , Signau BE. - „ Mit es kann man Trudi, Heidi oder Anni bezeichnen. Bei Gertrud, Adelheid oder Anna sagt man: Sie isch 71 “ , Signau BE. - „ Äs isch 71, ds Pöuli (das kleine Männchen) “ , Spiez BE. - „ Bei Frauen mit i am Schluss z. B. z Grosi → es isch; z Trudi → es isch; d Mama → sie isch; d Fr. Müller → sie isch “ , Steffisburg BE. - „ Ja, aber nur bei bestimmten weiblichen Vornamen, die die sächliche Form zulassen. (Bsp: Heidi, Vreni, Käti = Vornamen, die auf ‚ i ‘ enden) Bei Vornamen, die auf einen anderen Buchstaben enden, würde es verniedlichend oder herabmindernd wirken “ , Steffisburg BE. - „ Ds Trudy, aber d ’ Ruth. Der Paul, aber ds Buebli “ , Steffisburg BE. - „ Je nach Alter “ , Täuffelen BE. - „ Weibl.: Es = eher bei jüngeren Leuten oder ‚ lieblichere ‘ Form. Si isch … = bei älteren Leuten oder ev. auch abschätzig. Är isch = Männliche Form (alt + jung) “ , Täuffelen BE. - „ Für mich eher verniedlicht, nicht ganz ernst genommen “ , Thun BE. - „ [Zur Beantwortung der Frage mit ja] Leider! “ , Dagmersellen LU. - „ Die Jungen sagen: Sie esch 71 “ , Dagmersellen LU. - „ Äs = Übersetzung von ‚ er ‘“ , Entlebuch LU. - „ 1) aber nicht sehr! Kindlich! 2) Alte Leute sagens oft so! Ich sage: Sie sich 71! “ , Entlebuch LU. - „ Aber: Für Mutter: Sie isch 71. Äs nur für sächliche Person “ , Escholzmatt LU. - „ Nidwaldnerdialekt “ , Flühli LU. - „ Einige Leute sagen noch es, ich jedoch nicht “ , Grosswangen LU. - „ 1) ‚ Es ‘ ist in der heutigen Zeit von den meisten Frauen verpönt! Trudy ist immerhin 71 jährig “ , Grosswangen LU. 1.2 Rufnamen 87 - „ NB: bei naher Verwandtschaft: Es esch 71 (Trudy), ohne nähere Beziehung: Sie esch 71. Er esch 71 (Paul) “ , Horw LU. - „ Bei der Frau geht ‚ es ‘ ; beim Mann nicht “ , Luzern LU. - „ Ich würde sagen: Si esch 71, aber es wird auch gebraucht: Es esch 71 “ , Malters LU. - „ Bei verniedlichten Namen z. B. s ’ Bethly, s ’ Rösli, s ’ Mareili, aber eher selten und oft von den Betreffenden unerwünscht “ , Neuenkirch LU. - „ Nr. 2 esch Walliser Dialekt “ , Pfaffnau LU. - „ 1) Man kann, aber besser mit sie “ , Pfaffnau LU. - „ 1) Ist jedoch verpönt “ , Ruswil LU. - „ 1) ältere Leute sagen ’ s noch so “ , Triengen LU. - „ Männer und Buben = èr; Frauen = si; Frauen bei Vornamen u. Mädchen = ès “ , Stans NW. - „‚ äs ‘ ist weiblich “ , Stans NW. - „ Es werden aber nur die Frauen mit ‚ es ‘ bezeichnet, die man symphatisch findet. “ , Stans NW. - „ Nur bei Frauen “ , Giswil OW. - „ 1) oder auch: Sie isch …“ , Menzingen ZG. - „ 1) evtl. “ , Oberägeri ZG. - „ Wir sagen beides! “ , Zug ZG. - „ Erwachsene Frauen haben es heute nicht mehr gerne, wenn man von ihnen mit ‚ äs ‘ [es] spricht. Noch mein Vater (geb. 1887) sprach von seiner Frau oftmals mit ‚ äs ‘ ! “ , Zug ZG. - „ Eigentlich nicht! Wir sagen: Sie isch 71. Er isch 71 “ , Muotathal SZ. - „ Vgl. ds Trudi, ds Hedi, ds Rosi, ds Agnes, ds Marti, ds Berti, ds Anni, ds Marie …“ , Muotathal SZ. - „‚ Es ‘ kann die Wörter ‚ Mann ‘ und ‚ Frau ‘ nicht ersetzen! Aber bei Vornamen: weiblich = es + beim Wort ‚ Schwester ‘ bzw. ‚ Bruder ‘ : männlich = er. Bei Vater, Mutter, Onkel, Tante: männlich = er, weiblich = sie “ , Schwyz SZ. - „ Trudy wird als kosend (diminuiert) empfunden. Bei ‚ Gertrud ‘ würde ich sagen: ‚ Si isch 71 ‘“ , Schwyz SZ. - „ 2) Urseren “ , Altdorf UR. - „ Das ‚ Es ‘ für Männer ist im Urserental ‚ gang und gäb ‘ (sehr geläufig) “ , Altdorf UR. - „ 2) Nicht im Reusstal. In Urseren sehr wohl “ , Altdorf UR. - „ Beim Mann heisst es aber: Pauli. Ds (es) Pauli isch 71. Ds Hansi isch 71 “ , Andermatt UR. - „ 2) Pauli “ , Andermatt UR. - „ Gewöhnlich sagt man aber schon: Sie isch …“ , Göschenen UR. - „ 1) Wird manchmal noch gemacht, aber selten. Ältere Generationen bezeichnen es manchmal noch so, aber nur bei der Frau “ , Isenthal UR. - „ Für Frauen ja. Bei Männern benutze ich immer er “ , Isenthal UR. - „ Nur in Andermatt, Hospental und Realp Sie und Er mit es, ab Göschenen abwärts nicht mehr nämlich ‚ Aer isch 71 ‘ . u. Es oder Sie isch 71. (nur Urschnertal) “ , Unterschächen UR. 88 1 Nominalphrase - „ Frauen werden bei uns meistens mit ‚ es ‘ bezeichnet, Männer nie. Dabei sind wir Frauen ja kein Ding, oder! ? “ , Elm GL. - „ Bei Frauen: ja! “ , Elm GL. - „ Nur eine Frau wird mit ‚ es ‘ bezeichnet, beim Mann heisst es immer ‚ er ‘“ , Engi GL. - „ Nur Frauen mit es! “ , Engi GL. - „ Frauen werden oft mit es bezeichnet, von manchen eingefleischten Glarnern sogar durchwegs “ , Engi GL. - „ Nur Mädchen und Frauen “ , Glarus GL. - „ Im Lehrerzimmer beschwerte sich die Lehrerin Ruth, wenn wir sie mit es angesprochen haben “ , Näfels GL. - „ Nur Frauen werden in unserem Dialekt mit ‚ es ‘ bezeichnet “ , Obstalden GL. - „ Mit es bezeichnen wir Frauen, Mädchen, Kind. Mit er bezeichnen wir Männer u. Knaben “ , Obstalden GL. - „ 1) Aber auch ‚ Sie isch jetz 71 ‘ , ‚ er …‘“ , Schwanden GL. - „ 1) Auch Sie isch 71 (Frau! ) 2) Immer: Er isch 71 “ , Schwanden GL. - „ Nur bei Frauennamen, aber nur ohne Schlussbuchstabe A. Siehe auch Frage 27 “ , Schwanden GL. - „ Eventuell Frauen, Familieneigene “ , Avers GR. - „ z. B. das Lili, aber nicht (! ) das Anna → je nach Name aber nur ♀ ! “ , Chur GR. - „ Paul = er, aber ds Pauli = es ischt 71. In unserem Dialekt gibt es kein Sie für Mann oder Frau, sondern Jier für Mann u. Frau. Hört man aber nur noch ganz selten. Heute ist auch das Sie üblich “ , Davos GR. - „ Är ischt 71. (Aber: Ds Pauli ischt 71.) “ , Davos GR. - „ Eher nur für Kleinkind und ganz alte Frauen “ , Klosters GR. - „ Bei Trudy ja, bei Mathilda nein “ , Obersaxen GR. - „ Nur bei speziellen Namen z. B. Trudy “ , Obersaxen GR. - „ Ja, öi, abär vil meh: schi “ , Oberwald VS. - „ 2) Äs (ds Paultschi) ischt 71 (würde gehen) “ , Rheinwald GR. - „ Beim Mann gehts nicht mit allen Namen! Es geht z. B. bei Walti (Walter), Andresli (Andreas) “ , Vals GR. - „ 2) Nur bei -i-Anhängsel: z Päüli, äs ischt 71 “ , Binn VS. - „ z ’ Pöuli ischt 71 / z ’ Josy ischt 71. Nicht bei Paul / Josef / dann: är ischt 71 “ , Bürchen VS. - „ 2) hingegen ds Päuli → Äs “ , Mörel VS. - „ 2) Seltener! “ , Randa VS. - „ 1) Äs ischt richtig. 2) Äs ist falsch “ , Simplon Dorf VS. - „ Die Truda isch 71. Ds Trudy isch 71. Das Walti isch 71. Der Walter isch 71. Es: immer wenn Vornamen mit ‚ i ‘ aufhört, z. B. Ds Walti, Ds Päuli, Ds Adi, Ds Trudy. Ds Vreni. Ds Rosi “ , Visp VS. - „ Bei Männern eher nein, es sei denn bei Verkleinerungsformen z. B. ‚ ds Pöili ‘“ , Zermatt VS. - „ Also wir sagen: Äs ischt 71, z Trudy und är ischt 71, der Paul “ , Zermatt VS. 5.2 GP akzeptiert nur ES für Paul: - „ [zu Trudy] Si isch 71. (Ich sage es so! ) “ , Rifferswil ZH. 1.2 Rufnamen 89 5.3 GP akzeptiert ES für Trudy und Paul: - „ Bei Frauen normal, bei Männern nur dann, wenn leicht abschätzig über jemanden gesprochen wird. Dabei wird dann auch der Name anders gesprochen. Bsp. z ’ Peigi, es ischt 71. Od. für Hans: z ’ Hänsi, es ischt 71. (immer noch ein ‚ i ‘ hinten am Namen). “ , Brienz BE. - „ Bei Männern jedoch in der VerkleinerungsForm: ds Hänsi, ds Melki (Melchior), ds Bärgerli (Familienname ‚ von Bergen ‘ ) usw. “ , Meiringen BE. - „ Präziser: Äs isch ds Trudy. Äs isch Poul “ , Reichenbach BE. - „ Beim Mann in der Verkleinerung ‚ ds Päuli ‘“ , Zweisimmen BE. - „ Bei kleinen Kindern kann man ‚ es ‘ schreiben. Bei kleinen Leuten, bei Verwandten, kommt ganz auf die Person an. Sonst sagen wir ‚ schi ‘ oder ‚ är ‘ ! “ , Vals GR. - „ Das ist aber ‚ abschätzig ‘ (bei älteren Leuten). Äs isch 20. → Völlig in Ordnung “ , Agarn VS. - „ Dann würden wir sagen: z ’ Trudy, z ’ Päuli “ , Ausserberg VS. - „ NB Bekannte Leute! “ , Brig VS. - „ Möglich, würde eher sagen: Schi ischt 71, Är ischt 71 “ , Brig VS. - „ 2) Aber eher abschätzige Form “ , Oberwald VS. - „ Auch: Schi ischt. Är ischt “ , Randa VS. - „ Eher nur beim Mann. Gewöhnlich sagt man für Frau schi! für Mann är! “ , Reckingen VS. - „ Aber es ist eher abschätzend! “ , Salgesch VS. - „ in diesem Alter sprechen wir eher in Höflichkeitsform, d. h. Schi ischt 71 = Trudy oderÄr ischt 71 = Paul “ , Saas- Grund VS. - „ Man kann, aber bei einem Mann sagt man eher Er “ , Salgesch VS. - „ Bei Schwester und Bruder ja, bei andern Personen nein. “ , Simplon Dorf VS. - „‘ Äär ‘ und ‚ schii ‘ wird nur in Höftlichkeitsform verwendet. “ , Simplon Dorf VS. - „ Im Kollegium bezeichnete man auch die Professoren mit äs (Priester) “ , Simplon Dorf VS. - „ Ja, aber nur bei Verwandten Männer u. Kindern “ , Steg VS. - „ 2) selten, häufiger är isch 71. ‚ es ‘ ist sozial zugeordnet, sehr dörflich, nie für eine VIP “ , Visp VS. - „ 2) etwas despektierlich gemeint! “ , Visp VS. - „ Kann ich, jedoch benütze ich dies nur bei nahestehenden Personen → ist freundschaftlich gemeint; eher selten bei älteren Personen → wg. Wertschätzung und Anstand “ , Visperterminen VS. - „ ,Äs ‘ wird jedoch anhand der ‚ Freundschaft ‘ gebraucht. Bei guter Bekanntschaft wird ‚ äs ‘ benutzt. Ansonsten schon eher ‚ schi ‘ und ‚ är ‘ . “ , Visperterminen VS. - „ war früher viel üblicher als jetzt “ , Zermatt VS. 5.4 GP akzeptiert kein ES : - „ 1) Mein Vater ( Jahrgang ′ 31) spricht dies noch so! Die jüngere Generation von uns jedoch so! → Die isch 71. “ , Zunzgen BL. - „ Meine Eltern sagten für weibliche Personen noch ‚ es ‘ oder ‚ äs ‘ , also sächlich. Niemals aber für männliche Personen: Da hiess es, ‚ er ‘ oder ‚ är ‘“ , Bettlach SO. 90 1 Nominalphrase - „ Präzisierung: 1) Meines Erachtens nicht. Habe aber bei älteren Leuten schon bemerkt, dass dies bei Frauen (noch) benutzt wird. 2) Auf keinen Fall “ , Bremgarten AG. - „ Bei Frauen ist es möglich, aber selten. Bei Männern nicht “ , Densbüren AG. - „ Nur wenn es Trudeli, Bethli, Marieli ist. Wenn sieTrudy oder Lisbeth, Marie ist, heisst es: Sie isch 71! Beim Mann immer: er isch 71! “ , Lenzburg AG. - „ Bei einem Kind ja “ , Andelfingen ZH. - „ Es, wenn man es zynisch meint “ , Andelfingen ZH. - „ Sie wird 71. Bei einem Kind: Es wird sächsi “ , Bassersdorf ZH. - „ Sie isch … Er isch … Es isch twölfi [sic] (Kind ) “ , Bülach ZH. - „‚ es ‘ für ein Kind “ , Hütten ZH. - „ 1) früher ja, heute nicht mehr üblich “ , Neftenbach ZH. - „ Für mich gilt nein. Doch meine Grosseltern haben Frauen und Männer noch mit es bezeichnet “ , Stadel ZH. - „ Babys u. Kinder können mit es bezeichnet werden. “ , Stallikon ZH. - „ Eigentlich schon, aber nur noch wenige Leute sagen dies. Die meisten sagen ‚ Er ‘ oder ‚ Sie ‘ ! “ , Unterstammheim ZH. - „ Eher: Sie isch 71 = unpersönlich. Es isch 71 = freundschaftlich, weniger gebräuchlich “ , Bibern SH. - „ Also nei! Öm Himmels Wile! “ , Kesswil TG. - „ 1) Höchstens dann, wenn der Name der betr. Frau im Diminutiv verwendet wird! “ , Romanshorn TG. - „ Frauen sind = Sie, Männer = Er “ , Weinfelden TG. - „ Beim Baby ja “ , Kirchberg SG. - „‚ Es isch 71 ‘ würde allenfall[s] für ‚ s Trudeli ‘ gehen “ , Mörschwil SG. - „ 1) ev. es (z ’ Trudy) isch 71, auf Trudy bezogen, nicht Frau “ , Pfäfers SG. - „ Bei älteren Generationen hört man es noch “ , Quarten SG. - „‚ Es ischt ‘ brauchen wir nur bei einem Kind. Si isch 77 (Trudi). Er isch 71 (Paul). Bei Erwachsenen fällt mir kein Wort ein. “ , Sevelen SG. - „ Es-Form nur bei Kindern möglich. Bei Erwachsenen fast Diskriminierend ‚ es (Nuscheli) ‘“ , Bühler AR. - „‚ es ‘ ist für ein Kind “ , Gais AR. - „ 1) nur: Si ~ 2) nur: Er ~ “ , Herisau AR. - „ 1) Besser: Si isch 71! Die Frau ist kein Neutrum mehr! “ , Bern BE. - „‚ Es ‘ wird in Luzern nur für die Bezeichnung des Neutrums gebraucht “ , Luzern LU. - „ 1) Mädchen ja! Frau nein! “ , Pfaffnau LU. - „‚ Es ‘ nur bei einem Kind oder Baby “ , Zell LU. - „ I meynär Kinderzeyt hem miär üisna Eltärä ier gseid “ , Engelberg OW. - „ Es ist die Form Verliebten, das Schätzli z. B. heisst dann ES & nicht SIE “ , Hünenberg ZG. - „ Höchstens ausnahmsweise bei Frauen, die man gut kennt “ , Hünenberg ZG. 1.2 Rufnamen 91 - „ Nur Kinder oder bei Verkleinerung Erwachsener: s Trudeli “ , Einsiedeln SZ. - „ Ist bei älteren Menschen >60 jedoch noch üblich “ , Maderanertal UR. - „ Trudi mit Vorname = Es isch 71. Trudi mit Tante = Sie isch 71. / Paul mit Vorname = Er isch 71. Paul mit Bruder = Er isch 71. “ , Mollis GL. - „ Möglich für ein Kind n. “ , Chur GR. - „ Es ischt sagen wir bei einem Baby: Es ischt halb jehrig! “ , Küblis GR. - „ Ja, beim Walserdialekt im Ursprungsland Kt. Wallis. Nein, beim Walserdialekt im Kt. Graubünden “ , Langwies GR. - „ Es nur für kleine Mädchen … Äs ischt viäri “ , Langwies GR. - „ Ein Kind äs “ , Mutten GR. - „ Wia alt isch z Trudi = Schie ischt 71. Wia alt isch dr Paul = Är ischt 71 “ , Safien GR. - „ Nur im Artikel z. B. ds Trudy, ds Vroni. Die obige Frage aber: Schii ischt 71 “ , Safien GR. - „ Bei kleinen Mädchen oder Babys gibt es das manchmal, z. B. es isch gsund “ , Schiers GR. - „ Schi (nie es! ) “ , St. Antönien GR. - „ Nur bei gewissen Frauennamen z. B. Anni, Babi, Trudi etc. und nur bis zu einem bestimmten Alter (15 - 20 Jahre) “ , St. Antönien GR. - „ S ’ Trudy: Sie isch 71! Dr Paul: Er isch 71. Eigentlich: Är isch 71. Taminser Dialekt: Hat sie oder hat er Geburtstag g ’ ha? “ , Tamins GR. - „ Es möglich bei jungen Frauen (Fräulein) u. Mädchen, sonst nicht “ , Untervaz GR. - „ Är ischt 71 (dPaul), äs ischt 71 (s ’ Pauli), schi ischt 71 (Gertrud), äs ischt 71 (s ’ Trudy) “ , Vals GR. - „ Im Rhonetal unten ist es üblich, für Männer / Frauen das Neutrum zu verwenden. In den Lötschentaler Gemeinden aber nicht; es heisst immer är / schi “ , Blatten VS. - „ 1) Die ischt 71. 2) Där ischt 71. Bei anderen Sätzen Möglich z. B. Äs ischt än richä Maan “ , Blatten VS. - „ Wir bezeichnen die Frau mit ‚ Schi ischt ‘ und den Mann mit ‚ Är ischt ‘“ , Blatten VS. - „ Ich würde eher sagen: Är ischt 71 (Paul). Schi ischt 71 (Trudy) “ , Brig VS. - „ Är ischt 71. ( ‚ Äs ‘ brauchen wir nur für Bebés! ) “ , Ferden VS. - „ Bei uns sagt man är (er) oder schii (sie), äs ist nur in allen anderen Oberwalliserdialekten gebräuchlich. Lötschentaler sind halt etwas speziell ; -) “ , Ferden VS. - „ Nur Kinder “ , Mörel VS. - „ äs: ist für Kinder! “ , Visp VS. - „ Ja, aber eher abschätzig. ‚ Äs ‘ wird eher für Kinder gebraucht “ , Visp VS. 6. Weitere Bemerkungen a) Im Vergleich der beiden Bewertungsaufgaben zeigt sich, dass die Verwendung des neutralen Pronomens auch in der Deutschschweiz für weibliche erwachsene Personen wesentlich weiter verbreitet ist als für männliche Personen, weit über die in SDS (III: 200) explizit genannten Regionen ( „ z. B. in BA, ZH, z.T. in BE “ ) hinaus. An 340 Orten wurde es 1628 Mal nur für die Schwester, aber nicht für den Bruder angegeben. An 290 Orten wurde die Verwendung des neutralen Pronomens allerdings für beide Geschlechter 1006 Mal explizit abgelehnt. Lediglich an drei Orten (Rifferswil ZH, Brig, Salgesch VS) wurde das neutrale Pronomen 92 1 Nominalphrase von je einer Gewährsperson nur für die männliche Person akzeptiert, für die weibliche aber abgelehnt. Ansonsten gilt, dass die Akzeptanz des neutralen Pronomens für männliche Personen die Verwendung für weibliche Personen voraussetzt. So wurde an 50 Orten 94 Mal das neutrale Pronomen für beide Geschlechter akzeptiert. Bucheli Berger (2019: 313 - 320) diskutiert die SADS-Daten im Hinblick auf verschiedene Antwortsysteme mit neutraler Referenz (mit leicht abweichenden Zahlen). b) Bei der Interpretation der vorliegenden Ergebnisse ist die Fragestellung zu berücksichtigen. Durch die Hinzufügung der Personennamen in Klammern sollte sichergestellt werden, dass die beiden zu bewertenden Sätze auf die richtigen Personen bezogen wurden. Allerdings dürfte sich die Form des vorgegebenen Namens in einer Reihe von Fällen auf die Akzeptanz oder Ablehnung ausgewirkt haben. Einerseits kann Trudy in manchen Regionen als Diminutiv/ Hypokoristikon verstanden worden sein, andererseits ist die Form Paul z. B. im Wallis im Gegensatz zu häufigerem Päuli eventuell als unpassend angesehen und daher der ganze Satz abgelehnt worden. Die Hinzufügung des Namens Anna hätte eventuell ein anderes Akzeptanzareal ergeben. Zwar ist der genaue Zusammenhang von Neutrumartikel, Diminutivform und es -Pronominalisierung noch nicht bekannt, dass es aber regional einen Zusammenhang gibt, so dass die neutrale Pronominalisierung z. B. nur bei neutralem Substantiv, sei es ein Diminutiv oder nicht, möglich ist, ist wahrscheinlich, vgl. grundsätzlich zu einem solchen Zusammenhang Nübling et al. (2013: 159, 178). Das lassen auch verschiedene Bemerkungen der Gewährspersonen, etwa aus dem Berner Oberland, vermuten, wobei die Verhältnisse bei den beiden Geschlechtern nicht identisch sind. Für den Südwalserort Rimella erwähnt Bauen (1978: 119), dass auf erwachsene weibliche Personen nur gelegentlich mit dem neutralen Personalpronomen referiert wird. Auch hier sind aber neutrale Namenformen für Vertraute gebräuchlich (1978: 120). Für das Lötschental bestätigen unsere Daten die Angabe bei Henzen (1932: 96), dass eine neutrale Referenz sowohl für Männer als auch für Frauen generell nicht (oder kaum) vorkomme (s. oben I 3 a, II 3 a). Angesichts der Komplexität der Einflussfaktoren, die die pronominale Kongruenz bestimmen, bietet die vorliegende Auswertung nur eine allererste Bestandsaufnahme, wobei im Einzelnen regional ganz unterschiedliche Bedingungen für die Akzeptanz und Ablehnung des neutralen Personalpronomens vorliegen können. Hinweise dazu geben die zahlreichen Bemerkungen der Gewährspersonen, s. o. III. Zu diesem Themenkomplex wird in einem laufenden Forschungsprojekt an der Universität Freiburg gearbeitet, vgl. Baumgartner & Christen (2017). c) Zürrer (1999) behandelt ausführlich die soziopragmatischen Bedingungen der „ Geschlechternivellierung “ (246) in den Südwalserorten Gressoney und Issime, wo die Verwendung der femininen bzw. maskulinen Pronominalformen grundsätzlich an ein Distanzverhältnis geknüpft ist. Die Referenz auf vertraute Personen erfolgt dagegen mit dem neutralen Pronomen, weshalb bei Frage IV.38 der Kontext entsprechend gewählt wurde, um die Akzeptanz der Neutrumsform in den Gegenden zu begünstigen, in denen diese Bedingung ebenso gilt. Zürrer (1999: 248) erwähnt für die behandelten Südwalserorte, dass jüngere Sprecher gerade bei Personen höheren Alters, auch wenn diese Vertraute sind, auf die Neutralisierung verzichten. Für den Südwalserort Rimella führt Bauen (1978: 118) sogar die generelle Regel an, dass beim Bezug auf männliche Personen höheren Alters das sexuskonforme Pronomen angewendet wird. Es muss also unklar bleiben, was genau die Altersangabe 71 in Frage IV.38 bei den Antworten bewirkt hat. Möglicherweise spielen in der SADS-Abfrage auch die beigefügten Namen eine Rolle, die teilweise nicht als einheimisch und vertraut empfunden wurden. d) Vielen Kommentaren der Gewährspersonen ist zu entnehmen, dass die neutrale Referenz auf weibliche Personen als veraltet angesehen wird und am Schwinden ist. Bucheli Berger (2019: 320 - 322) kann das zumindest für die SADS-Daten aus ZH nachweisen. Für GR vermerkt bereits SDS (III: 200) Ablehnung oder zumindest seltenen Gebrauch des neutralen Personalpronomens, vgl. auch Fischer (1960: 253) für LU. Stucki (1921: 77) nennt das neutrale Pronomen mit Bezug auf „ weibliche (Personennamen) “ , deren Gebrauch er für ZH und BE an unterschiedliche Bedingungen gebunden sieht, vgl. 1.2.2, 7 c. e) Zu einer ersten Auswertung von Frage IV.38 bezüglich des neutralen Pronomens für männliche Personen vgl. Bucheli Berger (2006: 96). Sie führt dieses Walliser Merkmal als Beispiel einer Innovation an, die laut Zürrer (1999: 255) aber „ keineswegs neuesten Datums “ ist. 1.2 Rufnamen 93 7. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS Bei den folgenden Fragen, die auf andere Phänomene ausgerichtet sind, finden sich in den Übersetzungen einiger Gewährspersonen aus dem Wallis Belege für die neutrale pronominale Referenz auf eine männliche Person. Es werden im Folgenden die einschlägigen Belege und Bemerkungen angegeben. a) Frage I.2 (Ü) - W em will er denn die schönen B lumen bringen? Fer wels hets ächt das Bugge keuft Ausserberg VS, vgl. 1.3.1, I.2, 6 a. b) Frage I.3 (Ü) - O h, ich habe den F ritz kommen hören Äs chunt scho, ich müäss ga chochu Steg VS. c) Frage II.3 (Ü) - E r lässt den S chreiner kommen Äs laat du Schreinär laa cho Simplon Dorf VS, dazu Kommentar: „ häufiger: äs, ausser bei Sie-Form “ ; Äs het dr Schreiner la cho Mörel VS. d) Frage IV.11 (A) - D och, das ist im F all er gewesen Doch das ischt im Fall äs gsi Saas-Grund VS. Zusatzmaterial für die neutrale Referenz auf weibliche Personen aus anderen Fragen des SADS kann hier nicht zusammengestellt werden, da in der Datenbank dafür keine Codierung vorgenommen wurde. Bucheli Berger (2019: 317) hat jedoch aus Frage III.7 24 Belege für neutrale Referenz ermittelt, die weder räumlich konzentriert noch auf eine bestimmte Altersgruppe beschränkt auftreten. e) Frage III.7 (Ü) - S ie hat es mir gestern erzählt Beispiel: Äs het mer ’ s geschter gseit Steffisburg BE. Literatur Abegg 1911 ▪ Bauen 1978 ▪ Baumgartner & Christen 2017 ▪ Bucheli Berger 2006 ▪ 2019 ▪ Christen 1998 ▪ Dal Negro 2004 ▪ Fischer 1960 ▪ Henzen 1932 ▪ Hodler 1969 ▪ Id. 1 ▪ Marti 1985 ▪ Nübling et al. 2013 ▪ SDS III ▪ Stucki 1921 ▪ Weber 1948 ▪ Wipf 1910 ▪ Zürrer 1999 Bezug auf SADS-Material Bucheli Berger 2006: 94 ▪ 2006: 96 Ⓚ ; Bucheli Berger 2019 ▪ 2019: 319 K 94 1 Nominalphrase 1.3 Präpositionale Dativmarkierung (PDM) 1.3.0 Einleitung In schweizerdeutschen Dialekten kann einer Dativform ein präpositionales Element vorangestellt werden, wie z. B. in Konstruktionen des Typs in/ an wem hast du die B lumen gebracht? I ch habe sie in/ an der M utter gebracht , vgl. Id. (1: 255, 290, 13: 1029 - 1030, 1032, 1126 - 1127, 16: 1043 - 1044 sowie die Hinweise in 13: 1189 - 1190) und SDS (III: 140, 220 1 c, 222 III, 222 IV). In Seiler (2003) ist das Phänomen Präpositionale Dativmarkierung (PDM) grundlegend untersucht, wobei auch unpubliziertes Material aus dem SDS einbezogen ist. In Seiler (2003) finden sich die Zeugnisse aus den älteren Mundartbeschreibungen ebenso zusammengestellt wie ein Überblick über das Vorkommen in verschiedenen syntaktischen Kontexten (vgl. besonders Seiler 2003: 55 - 56, 59 - 77). Der Dativ wird in dieser Konstruktion nicht ersetzt oder umschrieben, sondern als Dativform verstärkt. Präpositionale Markierungen des Dativs sind aus der Standardsprache nicht bekannt, in der nur der blosse Dativ vorkommt (Wem hast du die Blumen gebracht? Ich habe sie der Mutter gebracht). Zu diesem Phänomen der Verstärkung einer Dativform, das ausser im Schweizerdeutschen auch in Teilen des übrigen Alemannischen, Bairischen (vgl. dazu Schirmunski 2010: 502 - 503, 537) und des Bündnerromanischen verbreitet ist, vgl. Seiler (2003) mit genaueren Angaben. Für den SADS wurden insgesamt vier Fragen gestellt (I.2, I.7, I.20, II.12), um das Vorkommen von PDM bei verschiedenen Wortarten sowie unter unterschiedlichen Betonungsverhältnissen zu ermitteln. Frage I.2 stellt eine Übersetzungsaufgabe dar, im Übrigen handelt es sich um Ankreuzfragen. In Frage I.7 und II.12 sind Nominalphrasen im Sg.F. vorgegeben, bei denen die präpositionale Markierung aufgrund des Possessivpronomens klar erkennbar ist. Fragen zum Sg.M. mit Artikel, bei dem sich weiträumig das Problem der Unterscheidung zwischen einfacher Artikelform und fusioniertem Artikel aus Präposition und Artikel (also PDM) stellt, sind nicht einbezogen worden, ebenso wenig Sg.F. mit einfachem Artikel, bei dem sich ebenfalls regional Abgrenzungsprobleme zeigen. Es lässt sich aber Material dazu bei verschiedenen, auf andere Probleme ausgerichteten Fragen finden, worauf bei der Besprechung des Zusatzmaterials hingewiesen wird. Das grammatische Phänomen der PDM ist ausführlich - und mit weiterer Literatur - behandelt in Seiler (2003), in dessen Darstellung auch die Ergebnisse des SADS aus dem ersten Fragebogen eingeflossen sind, vgl. auch die Kurzfassung in Seiler (2001). Das Vorkommen der Präpositionalen Markierung eines Dativs in den Schweizer Wenkersätzen, die in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts gesammelt wurden (vgl. Fleischer 2017 e: 111 - 116), wird in Kachro (2006: 163 - 184) behandelt und mit den Ergebnissen in Seiler (2003) verglichen (2006: 183). Zur grammatischen Charakterisierung und Entstehung der Präpositionalen Dativmarkierung sind weiter die Arbeiten von Seiler (2006; 2007; 2015: 253 - 257) zu vergleichen. Literatur Id. 1 ▪ 13 ▪ 16 ▪ Kachro 2006 ▪ SDS III ▪ Schirmunski 2010 ▪ Seiler 2001 ▪ 2003 ▪ 2006 ▪ 2007 ▪ 2015 1.3.1 PDM (Interrogativpronomen) Frage I.2 (Ü) - W EM WILL ER DENN DIE SCHÖNEN B LUMEN BRINGEN ? 1. Kartenthema und Datengrundlage Die Übersetzungsfrage war auf das persönliche Fragepronomen im Dativ und eine mögliche Erweiterung mit einer Präpositionalen Dativmarkierung (PDM) ausgerichtet. Die ► Hauptkarte (S. 50) zeigt das Vorkommen der PDM sowie der einfachen pronominalen Dativformen, die jeweils zu einem Typ zusammengefasst sind. Auf die unterschiedlichen Markierungen wird im Kommentartext eingegangen, vgl. ► Beikarte (S. 51). 1.3 Präpositionale Dativmarkierung (PDM) 95 Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 3185 3017 168 3012 5 3022 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a WEM Dativform ohne PDM 3 b IN / AN WEM Dativform mit PDM Typenbildung WEM wem, wäm, wellere, welerä, wöuärä, welum, welm, welmu, wa för einere o. ä. IN / AN i, ih, a, ah, ä, e 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) 2684 Mal wird an 382 Orten die Variante wem notiert. Der einfache Dativ kommt im gesamten Untersuchungsgebiet vor, mit Ausnahme von Muotathal SZ. Nur Einzelnennungen gibt es in Eschenbach LU, Einsiedeln, Oberiberg, Tuggen SZ. Als Interrogativpronomen kommen folgende Formen vor: Form des Interrogativpronomens Anzahl Antworten und Orte wem / wäm o. ä. 2536 Mal an 373 Orten welum, welmu, welm, wellem o. ä. 145 Mal an 23 Orten in VS welere o. ä. 5 Mal an 5 Orten (Muhen AG, Thalwil ZH, Klosters GR, Bürchen, Mörel VS) Je eine Gewährsperson übersetzt die Formvarianten welum/ welere (Bürchen VS) bzw. welere/ wellem (Mörel VS) nebeneinander. Beispiele: Welere wot er ächt die schöne Blueme bringe? Muhen AG, Wäm bringt är ächt diä schönä Bluemä? Hüttwilen TG, Wäm wott er de die schöne Blueme bringe? Wangen a. A. BE, Wem wott er echt die schöne Blume gäh? Sempach LU, Wäm will är ächt die schöna Bluama bringa? Arosa GR, Welum will är ächt die hibschu Meje bringu Ausserberg, Welm will denn där die Bluäm bring? Blatten, Wellem willer äch dii hibsché Meijä bringé Mörel VS. b) 338 Mal an 123 Orten wird eine Variante mit Präpositionaler Dativmarkierung übersetzt. Diese Variante kommt vor allem in AG, SH, der Zentralschweiz, GL, bis ins Toggenburg SG und AR auslaufend vor, meistens mehrheitlich, einmal in Muotathal SZ ausschliesslich, vgl. 3 a, vereinzelt auch in FR. Auffällig ist das völlige Fehlen in BS, BL, AI, GR, VS sowie nahezu völlig in SO, ZH, TG, BE (ausser Oberaargau). Folgende Schreibformen des Dativmarkers kommen vor, zur geographischen Verbreitung vgl. die ► Beikarte (S. 51) sowie 7 a. Dativmarker Anzahl Antworten und Orte i, ih 177 Mal an 69 Orten a, ah 93 Mal an 44 Orten ä 55 Mal an 17 Orten (12 Mal in Schwanden, 11 Mal in Glarus, 6 Mal Näfels, je 3 Mal in Quarten SG, Muotathal SZ, Isenthal UR, Mollis, Obstalden GL, je 2 Mal in Maderanertal UR, Luchsingen GL, je einmal in Andelfingen ZH, Melchnau BE, Schwyz SZ, Andermatt, Gurtnellen UR, Elm, Linthal GL) e 13 Mal an 12 Orten (2 Mal in Pfaffnau LU, je einmal in Menziken, Muhen AG, Unterstammheim ZH, Ebnat-Kappel, Krinau, Rapperswil, Stein SG, Urnäsch AR, Bleienbach BE, Zell LU, Obstalden GL) 96 1 Nominalphrase Die Präpositionale Dativmarkierung wird mit folgenden Formen eines Interrogativpronomens kombiniert: Form des Interrogativpronomens Anzahl Antworten und Orte wem / wäm o. ä. 332 Mal an 120 Orten welere o. ä. 5 Mal an 5 Orten (Frick AG, Wangen a. A. BE, Neuenkirch, Schüpfheim LU, Glarus GL) wa för einere Einmal in Birwinken TG Beispiele: I wem will er denn die schöne Blueme bringe Stein AG, I wem wott er ächt die Blueme bringe? Zug ZG - A wem will er dänn di schöne Blueme bringe? Eschenbach SG, A ‘ wemm wiw är dee diä scheenä Bluämä bringä? Isenthal UR - Ä wem will er ächt de schüüne Blueme bringe? Glarus GL - E wemm will er ächt die säbe schöne Blueme bringe? Ebnat-Kappel SG - I wöuärä wott är ächt die schönä Bluämä bringä Schüpfheim LU - Ä welerä bringt er ächt diä schünä Bluämä Glarus GL - A wa för einere bringt er echt die Blueme? Birwinken TG. c) Intrapersonelle Variation: übersetzte Varianten Anzahl Personen und Orte WEM und IN / AN WEM 5 Personen an 5 Orten (Gächlingen, Wilchingen SH, Ligerz BE, Hünenberg ZG, Glarus GL) 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ Wäm will er ächt die schöne Blueme bringe? ; andere Bedeutung: Wäm will denn dä die schöne Blueme bringe? “ , Gelterkinden BL. - „ För wer send ächt die schöne Blueme? (würde ich sagen); Wem wott er ächt die schöne Blueme brenge? (wörtlich übersetzt) “ , Frick AG. - „ Wem wott er eigetli di schöne Blueme bringe? „ de “ (denn) ist in unserer Mundart ein Fremdwort aus der Schriftsprache. “ , Zofingen AG. - „ Wem bringt er ächt diä schöne Bluemä? (rein übersetzt wäre noch möglich: wem möcht er ächt diä schöne Bluemä bringe? Aber ich würde mich spontan nicht so ausdrücken). “ , Winterthur ZH. - „ Wem wott er denn die schöne Blume bringe? Sagen würde ich: I wem bringt er denn die Blume? ( „ schön “ habe ich nicht vergessen! ) “ , Gächlingen SH. - „ Wem will är ächt dia schüna Bluama schingga? (Das Wort bringen kennen wir in unserer Mundart nicht -> nur holen) “ , Vättis SG. - „ Wäm will er de dia hübscha Bluämä gä? (Wir haben kein Wort für “ bringen “ , holen = ferggä) “ , Langwies GR. - „ Wem will er dia schüna Bluama gi? (geben) Das Wort bringen gibt ’ s in unserem Dialekt nicht. Wir verwenden das Wort holen für bringen und holen. Doch in diesen Satz passt ’ s nicht hinein. “ , Malans GR. - „ Gäb wemm well der diä schöönä Bluemä gä? (bringen gibt es bei uns nicht) “ , Rheinwald GR. 5. Weitere Varianten keine 6. Unbrauchbare Antworten a) 89 Mal wird als einzige Variante (ausser einmal zusammen mit 6 b) das Fragepronomen mit einer den Akkusativ fordernden Präposition in verschiedenen Formen übersetzt (insgesamt 115 Mal). Darunter sind auch 12 Fälle (insgesamt 14), in denen auf die Präposition eine formale Dativform (ohne PDM) folgt: Fä wene chauft echt de die schöne Blueme? Haslen AI, Für wän het ächt dä die schöne Rose g ’ chouft? Erlach, Für wäm si äch [sic] di schöne Blueme? Ursenbach BE, Für wä sin ächt dia schöna Bluama? Tamins GR, Fer wels hets ächt das Bugge keuft Ausserberg VS. 1.3 Präpositionale Dativmarkierung (PDM) 97 b) 50 Mal wird der Satz als einzige Variante (ausser einmal zusammen mit 6 a) adressatenzentriert mit bekommen (48 Mal) oder kriegen (2 Mal) konstruiert, so dass das Fragepronomen im Nominativ erscheint: Was meinst, wer chunnt eppä vom Heri diä schöne Blüeme über Alpnach OW, Wer kriegt ächt da schön Meie Magden AG. c) 21 Mal erfolgen als einzige Variante inhaltlich gänzlich andere Übersetzungen. d) 8 Mal wird als einzige Variante die Vorlage hochdeutsch übersetzt. e) Einmal steht als einzige Variante eine an PDM erinnernde Präposition nicht zur Verstärkung einer Dativform: E wär wot er ächt die schöne Blueme bringe Niederbipp BE. 7. Weitere Bemerkungen a) Die Verbreitung der PDM beim Interrogativpronomen lässt sich mit den Angaben in SDS (III: 222 III) vergleichen, wo die Erscheinung aber nicht kartiert ist. Die dort erkennbaren Kerngebiete stimmen mit den Ergebnissen der hier ausgewerteten Frage im Wesentlichen überein, wobei auffällt, dass einige der im (nord)östlichen Gebiet liegenden Ortspunkte, wie etwa in AR, im SDS nicht aufscheinen, während nordwestliche Ortspunkte in unserer jüngeren Erhebung fehlen, vgl. auch Seiler (2003: 77 - 78). Die geographische Verbreitung der verschiedenen Dativmarker, vgl. 3 b, ist auf der ► Beikarte (S. 51) ersichtlich: Die Schreibung i, ih bildet ein Areal von LU bis SH, während die Schreibung a, ah, abgesehen von Nennungen im (Nord-)Westen, v. a. von OW bis AR erscheint. Das a-Gebiet ist durch das dazwischentretende i-Gebiet zweigeteilt. Die Schreibung ä kommt meist zusammen mit a, ah vor, hauptsächlich in UR, GL, wobei v. a. für GL der im SDS (III: 222) gebildete dritte Lauttyp mit Schwa-Laut zu vergleichen ist. Die Schreibung e erscheint dagegen verstreut, nicht jedoch im südlichen Teil des PDM-Gebiets. Die Areale der beiden Hauptschreibungen mit a und i lassen sich ebenfalls mit den Angaben zu den Lauttypen in SDS (III: 222 III) in Einklang bringen. Das zentrale i-Gebiet liegt zwischen einem grösseren östlichen a-Gebiet und einzelnen Ortspunkten mit a v. a. im Oberaargau BE. FR nimmt bei beiden Datenquellen eine isolierte Stellung mit vereinzelten a- und i-Nennungen ein. Vgl. zur generellen Verbreitung der PDM, die teilweise recht scharf an Kantonsgrenzen abbricht, zusammenfassend Seiler (2003: 86 - 87) sowie den Vergleichskommentar 1.3.5. b) Seiler (2003) bezieht das Material des SADS auf der Basis des ersten Fragebogens mit in seine Untersuchung ein, ohne aber Einzelauswertungen zu den einzelnen Fragen zu präsentieren. Kachro (2006) vergleicht ihre Auswertung der Wenkersätze 9, 17 und 21 mit Seilers Ergebnissen. PDM erscheint nach Kachro (2006: 174 - 176) in dem mit der vorliegenden Frage vergleichbaren Wenkersatz 21 (Wem hat er die neue Geschichte erzählt) stark konzentriert in den Kantonen SH, AG, LU, GL, nicht jedoch in FR und der südlichen Zentralschweiz (OW, NW, UR). c) Die Verbindung einer PDM-artigen Präposition mit einer Kasusform, die Nominativ bzw. Akkusativ sein kann, vgl. 6 e, wurde als unbrauchbar gewertet, da sie wohl gerade nicht die für PDM typische Verstärkung des Dativs, sondern eher seine Ersetzung zeigt. Die Konstruktion ist aus dem Oberaargau auch bereits in Wenkersatz 21 bezeugt, vgl. Kachro (2006: 175). d) Die unbrauchbaren Antworten mit formalem Dativ nach der Präposition für (vgl. 6 a) stammen weitgehend aus denselben Gebieten, in denen bei Frage III.3 (2.3.2) zu einer den Akkusativ regierenden Präposition ebenfalls Dativformen auftreten, vgl. 2.3.2, 3 c, nämlich von 14 Personen an 11 Orten (je 2 Mal in Giffers, Schwarzsee FR, Langnau BE, je einmal in Plaffeien, Tafers, Ueberstorf FR, Oberwichtrach, Rüeggisberg, Ursenbach, Worb BE, Rotkreuz ZG). e) Neben verschiedenen Schreibformen des geschlechtsneutralen Interrogativpronomens werden auch genusmarkierte Formen übersetzt, die auf der ► Hauptkarte (S. 50) alle zu einem Typ zusammengefasst sind. Dabei ist die Verwendung formal maskuliner bzw. neutraler Formen einerseits und femininer Formen andererseits des dem nhd. welchhistorisch entsprechenden Interrogativpronomens zu unterscheiden. Letztere erscheinen nur vereinzelt verstreut, und zwar sowohl mit als auch ohne Präpositionale 98 1 Nominalphrase Dativmarkierung, vgl. 3 a und 3 b, wohl in Folge der Interpretation des vorgegebenen Satzes als Frage nach einer weiblichen Person als Empfängerin. Die maskulinen bzw. neutralen Formen erscheinen dagegen erwartungsgemäss im Wallis und stets ohne PDM, vgl. dazu auch SDS (III: 222 II). Zu diesen Formen vgl. auch ► Beikarte (S. 90) zu Frage III.3 (2.3.2) sowie die Kommentare zum Interrogativpronomen unter 2.3 (III.2, III.3, IV.4). 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS a) Frage IV.26 (A) - W em hast du gesagt, dass der P farrer geholfen hat ? In verschiedenen notierten Konstruktionsvarianten zu dieser im vorliegenden Band nicht behandelten Ankreuzfrage (vgl. aber Brandner & Bucheli Berger 2018) wurde von 49 Gewährspersonen an insgesamt 39 Orten, v. a. aus der Zentralschweiz und GL, das dativische Interrogativpronomen mit PDM ergänzt. Innerhalb des im Wesentlichen mit der vorliegenden Frage I.2 übereinstimmenden Gesamtareals lässt sich auch eine Übereinstimmung in der Verteilung der Dativmarker erkennen, wobei im Zusatzmaterial die i- Markierung nur leicht überwiegt, vgl. die ► Beikarte (S. 51) mit der folgenden Tabelle sowie die ► Vergleichskarte 3 (S. 63) in 1.3.5. Dativmarker Anzahl Antworten und Orte i 22 Mal an 19 Orten (je 2 Mal in Eschenbach, Escholzmatt, Willisau LU, sowie Einzelnennungen aus Kaisten, Niederrohrdorf, Wegenstetten AG, Bibern, Gächlingen, Hallau, Wilchingen SH, Plaffeien FR, Entlebuch, Neuenkirch, Pfaffnau, Triengen, Zell LU, Stans, Wolfenschiessen NW, Einsiedeln SZ) a 18 Mal an 16 Orten (je 2 Mal Urnäsch AR, Alpthal SZ, sowie Einzelnennungen aus Aarburg, Riken AG, Uster ZH, Alpnach, Giswil, Melchtal OW, Brunnen, Muotathal, Schwyz SZ, Isenthal, Unterschächen UR, Luchsingen, Näfels, Schwanden GL) ä 7 Mal an 5 Orten (3 Mal in Glarus GL, je einmal in Unterschächen UR, Mollis, Näfels, Schwanden GL) e 2 Mal an 2 Orten (Stein SG, Bleienbach BE) i wem : I wem häsch gsäit, dass de Pfarrer ghulfe hät? Entlebuch, I wem hesch Du gseit dass em de Pfarrer ghoufe heig. Willisau LU, Was hesch gsaid, i wem hed dr Pfarrer ghulfä? Wolfenschiessen NW. a wem : Was hesch jetzt au gseid, a wem d ’ r Pfarr gulfe heig? Alpthal, A wem hesch gsäit, dass dr Pfarr ghulfe hed? Muotathal SZ, A wem hesch gseit heig dr Pfaar [sic] ghulfä? Unterschächen UR. ä wem : Was hesch Du jetz gseit ä wem het der Pfarrer ghulfä? Unterschächen UR, Ä wem hesch Du gseit, heg dr Pfarrer ghulfä? Mollis GL. e wem : E wem hesch gseit heg de Pfarrer gholfe? Stein SG, E wäm hesch gseit dass dr Pfarrer ghulfe het? Bleienbach BE. b) Frage III.3 (Ü) - F ür wen sind denn die B lumen ? Bei dieser Aufgabe wurde 83 Mal statt der intendierten Präpositionalphrase mit Akkusativpronomen ein persönliches Fragepronomen im Dativ übersetzt, vgl. 2.3.2, 6 a. Dieses wurde von 27 Gewährspersonen an insgesamt 23 Orten, v. a. in der Zentralschweiz und GL, mit PDM ergänzt. Trotz der geringen Zahlen lässt sich auch hier eine grundsätzliche Übereinstimmung mit der Verteilung der PDM bei der vorliegenden Frage I.2 erkennen, wobei wiederum die i-Markierungen überwiegen. Dativmarker Anzahl Antworten und Orte i 14 Mal an 13 Orten (2 Mal in Menzingen ZG, je einmal in Hägglingen, Wegenstetten AG, Buchberg SH, Aesch, Grosswangen, Horw, Malters, Pfaffnau, Römerswil, Ruswil LU, Wolfenschiessen NW, Hünenberg ZG). a 9 Mal an 7 Orten (2 Mal in Sarnen OW, Oberiberg SZ, je einmal in Urnäsch AR, Muotathal SZ, Elm, Engi, Schwanden GL). ä 4 Mal an 3 Orten (2 Mal in Glarus GL, je einmal in Maderanertal UR, Luchsingen GL) i wem : I wem si die Blumä? Wegenstetten AG, I wäm häsch die Blumen? Buchberg SH, I wem send die Blueme? Ruswil LU, I wem brengsch die Blueme? Hünenberg ZG. 1.3 Präpositionale Dativmarkierung (PDM) 99 a wem : A wäm bringsch diä Bluämä? Sarnen OW, A wem sind diä Blueme? Muotathal SZ, A wem sind dä de Bluämä? Elm GL. ä wem : Ä wem sind de Blumä Maderanertal UR, Ä wemm sind dä die Bluemä Luchsingen GL. Literatur Brandner & Bucheli Berger 2018 ▪ Kachro 2006 ▪ SDS III ▪ Seiler 2003 1.3.2 PDM (Nominalphrase, Sg.F.) I Frage I.7 (A) - N EIN , NEIN , DAS GEHÖRT MEINER S CHWESTER ! 1. Kartenthema und Datengrundlage Die Ankreuzfrage I.7 war auf die mögliche Präpositionale Dativmarkierung bei einer mit einem Possessivpronomen erweiterten Nominalphrase (meiner Schwester), die als Dativobjekt fungiert, ausgerichtet. Neben der Variante mit einfachem Dativ wurden zwei Sätze mit lautlich unterschiedlicher Dativmarkierung (a, i) zur Bewertung vorgegeben. Dazu wurden von den Gewährspersonen noch einige wenige weitere Schreibungen notiert. Die ► Hauptkarte (S. 52) zeigt die Verteilung der Präferenz des einfachen Dativs und der mit PDM erweiterten Phrase, wobei die lautlichen/ graphischen Varianten der Markierung zusammengefasst sind. Diese werden im Kommentar berücksichtigt, vgl. 3 b mit ► Beikarte (S. 54). Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 3184 3160 24 3145 15 3175 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a MEINER Dativform ohne PDM 3 b IN / AN MEINER Dativform mit PDM Typenbildung MEINER minere, miinere, minärä, minera, miner, minär, mire, mir, dr, der, de, dä o. ä. IN / AN i, a, ä, e, u 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) 2530 Mal wird an 375 Orten die Variante meiner präferiert. Der einfache Dativ wurde mit Ausnahme von acht Zentralschweizer Orten (Ruswil LU, Stans NW, Menzingen, Rotkreuz ZG, Einsiedeln, Innerthal, Muotathal, Oberiberg SZ) im gesamten Untersuchungsgebiet als präferierte Variante angegeben. Lediglich Einzelnennungen gibt es in der gleichen Region, in Dagmersellen, Escholzmatt, Schüpfheim, Sempach, Triengen, Wolhusen LU, Melchtal OW, Schwyz SZ, Gurtnellen UR. 2 Mal wurde eine Konstruktion mit ‚ sein ‘ statt mit ‚ gehören ‘ notiert, welche hier als gleichwertig betrachtet wurde (vgl. auch 7 f). Der einfache Dativ wird 2877 Mal an 382 Orten noch etwas häufiger akzeptiert (nicht in Einsiedeln SZ). Beispiele: Ne Nei, daas gköört mir Schwester Aeschi SO, Nä nei, das ghöört minere Schwöschter! Möhlin AG, Nei, nei, daas ghöört minere Schwöschter Meilen ZH, Nei, das kört minera Schwöstar Diepoldsau SG, Nei nei, daas ghöört miinere Schwäschter! Appenzell AI, Nei, nei, äs ghört minärä Schwester! Entlebuch LU, Nei nei, das keehrt minär Schweschtär Agarn VS. b) 645 Mal an 194 Orten wird eine Variante mit Präpositionaler Dativmarkierung in / an meiner präferiert, v. a. in FR, AG, SH, der Zentralschweiz und GL, bis ins westliche SG und AR sowie im Westen in SO, aber 100 1 Nominalphrase auch einigen angrenzenden Gebieten in ZH, TG. PDM ist insgesamt 56 Mal mehrheitlich (aber nie in SO, ZH, FR) und darunter 8 Mal (vgl. 3 a) ausschliesslich. In BS, BL, BE, GR, VS fehlt es (fast) völlig. Zur geographischen Verbreitung der Schreibformen des Dativmarkers, die in der folgenden Tabelle zusammengestellt sind, vgl. ► Beikarte (S. 54) sowie 7 a. Dativmarker Anzahl Antworten und Orte i 322 Mal an 99 Orten a 318 Mal an 116 Orten e 3 Mal an 3 Orten (Boniswil, Kaisten AG, Ligerz BE) ä Einmal in Glarus GL u Einmal in Amden SG Die Varianten mit Präpositionaler Dativmarkierung werden mit 1152 Mal an 282 Orten weitaus häufiger akzeptiert als präferiert: die vorgegebene Variante mit i wird 569 Mal an 153 Orten akzeptiert, jene mit a 643 Mal an 205 Orten. Die wenigen Fälle von Markierung mit e, ä, u wurden von Gewährspersonen eigens notiert und als präferiert gewertet (62 Mal a und i, je einmal a und e, a und u, i und e nebeneinander). Die Akzeptanz der PDM reicht weiter in den Osten als die Präferenz, akzeptiert wird PDM auch häufiger in BE, vgl. ► Akzeptanzkarte (S. 53). Beispiele: Nei, nei, de ghöört i miinere Schwöschter Stein AG, Nanei, da ghört i minere Schwöschter Rafz ZH - Ne nei, das ghört a mire Schwöschter Belp BE, Nänei, das ghöört a miinere Schwester! Alpnach OW - Nei, nei, de ghört e minere Schwöschter Kaisten AG - Nä nei, daas köört ä miiner Schwöschter! Glarus GL - Nei, nei, das ghört u minere Schwöschter Amden SG. c) Intrapersonelle Variation: präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte MEINER und IN / AN MEINER 15 Personen an 15 Orten (mit i: Erschwil SO, Frick, Lenzburg AG, Homburg TG, Pfaffnau, Römerswil LU, Wolfenschiessen NW; mit a: Rifferswil, Uster ZH, Degersheim, Krinau SG, Huttwil BE, Sarnen OW, Brunnen SZ, Glarus GL) 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ [3 b (mit i)] Bei jüngeren (Teenis) oft gebräuchlich, was mich stört “ , Gelterkinden BL. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ das isch miner Schwöschter (kurz) ihres (ergänzend allenfalls) “ , Pratteln BL. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ Nei, nei, da ghöört miinere Schwöschter. (i oder a hört man nicht mehr) “ , Marthalen ZH. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ [3 a] geht auch aber selten “ , Stein AG. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 b] - „ [3 a] (trotz des in meiner Mundart ursprünglich nicht bekannten Dativs) “ , Zofingen AG. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ [3 b (mit i)] (alt) [3 a] (neuer) “ , Hallau SH. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 b] - „ [3 b (mit a)] (nicht mein Dialekt) [3 a] (nicht mein Dialekt) “ , Amriswil TG. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 a] - „ [3 a] Weils meiner Schwester und nicht an oder in meiner Schwester gehört! “ , Bottighofen TG. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] 1.3 Präpositionale Dativmarkierung (PDM) 101 - „ [3 b (mit a)] wirkt kindlich “ , Mörschwil SG. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ [3 b (mit a)] kann gesagt werden aber es [= a] entfällt / verschmelzt in Variante [3 a] “ , St. Gallen SG. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ [3 b (mit a)] weniger oft “ , Wil SG. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 a] - „ [3 b (mit a)] aber: am Vatter, am Emil “ , Gais AR. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 a] - „ [3 b (mit a/ i)] Beides möglich jedoch erhält der Satz nicht den gleichen Sinn! [3 b (mit i)] Nur möglich wenn er ständig damit herum fährt (seine Schwester hat ihr Auto praktisch nie mehr … ) “ , Ursenbach BE. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 b] - „ [3 b (mit i)] (kommt vor) “ , Sarnen OW. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 a] - „ [3 b (mit a)] betont! [3 b (mit i)] beschränkt verwendbar [3 a] unbetont! “ , Altdorf UR. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 b] - „ [3 b (mit a)] bei Vorschulpflichtigen zu hören “ , Chur GR. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ Nei, das keert der … (Name) (Peter kennt in einem kleinen Dorf die Schwestern von Bruno! ) “ , Blatten VS. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ [3 a] die anderen beiden überhaupt nicht “ , Brig VS. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] 5. Weitere Varianten keine 6. Unbrauchbare Antworten a) 21 Mal wird verstreut als einzige Antwort in einer Possessivkonstruktion mit dem Verb ‚ sein ‘ die Nominalphrase mit einem selbständigen Possessivpronomen der 3.Sg. ergänzt, so dass ein adnominaler statt eines prädikativen possessiven Dativs vorliegt (je einmal in Zofingen AG, Muotathal, Schwyz SZ mit PDM): Das isch miner Schwöschter sis Urdorf ZH, Nei, nei, das isch miinere Schwöster ires Küssnacht, Das isch a minere Schwöschter ires. Schwyz SZ. 2 weitere Gewährspersonen haben eine solche Konstruktion neben der brauchbaren Variante 3 a genannt. b) 3 Mal wird als einzige Antwort der adnominale possessive Dativ in einer nominalen Konstruktion (mit Possessivpronomen und substantivischem Possessum) präferiert (einmal davon mit PDM): Nänei, das isch minere Schwöschter ihres Auto! Stallikon ZH, … das isch ä minerä Schwöschter ires Auto Näfels GL. 7. Weitere Bemerkungen a) Die geographische Verbreitung der verschiedenen Dativmarker ist auf der ► Beikarte (S. 54) ersichtlich: Die vorgegebene Schreibung i wird v. a. von SO über LU bis SH sowie in FR präferiert, die vorgegebene Schreibung a v. a. von OW bis ZH und GL sowie nördlich angrenzend und im Oberaargau (BE), so dass wie bei I.2 zwei unverbundene a-Areale vorliegen. Im Unterschied zur Übersetzungsfrage I.2 erscheinen bei der vorliegenden Frage nur in Einzelfällen weitere Schreibungen (e, ä, u) über die vorgegebenen a und i hinaus. Der Vergleich mit der ► Beikarte (S. 51) zu I.2 zeigt, dass sich die Mehrzahl derjenigen, die, v. a. in GL und Umgebung, bei der Übersetzung spontan ä verwendet haben (vgl. I.2, 7 a), bei der Ankreuzfrage der vorgegebenen Schreibung a anschliesst. Gewährspersonen, die in I.2 spontan e verwendet haben, 102 1 Nominalphrase schliessen sich v. a. im westlichen Gebiet der vorgegebenen Schreibung i an. Vgl. auch die ► Vergleichskarte 2 (S. 62) in 1.3.5. b) Insgesamt zeigt sich bei der vorliegenden Frage I.7 ein grösseres PDM-Areal als bei Frage I.2. Im Vergleich zur Übersetzungsfrage I.2 (338 Mal an 122 Orten übersetzt) kommt PDM in der vorliegenden Ankreuzfrage I.7 deutlich häufiger vor: 645 Mal an 194 Orten präferiert; 1152 Mal an 282 Orten akzeptiert. Vgl. dazu auch den Vergleichskommentar 1.3.5. c) Auffällig ist, dass die drei auf dem Fragebogen vorgegebenen Varianten häufig gemeinsam akzeptiert werden, in folgenden Kombinationen: 424 Mal an meiner mit meiner (vor allem in AG, ZH, TG, SG, AR, BE, SZ, OW, GL, GR), 372 Mal in meiner mit meiner (vor allem in SO, AG, ZH, SH, LU, ZG) und 18 Mal an meiner und in meiner (oft in SZ). Alle drei vorgegebenen Varianten gleichzeitig werden 41 Mal akzeptiert (vor allem in AG, OW, SZ). d) Seiler (2003: 76) verweist mit Bezug auf die Bemerkung einer Gewährsperson aus Luzern zu I.7 darauf, dass die Setzung von PDM in diesem Satz offenbar durch die Interpretation der dativischen Nominalphrase als fokussiert gesteuert wird. Die Bemerkung ist oben unter 4 nicht zu finden, da der betroffene Fragebogen in einer späteren Phase des Projekts ausgeschieden wurde. Die Bemerkung lautet: „ Unklar: Das gehört meiner Schwester: ghöört myner Schwester. Das gehört nicht Hansens, sondern meiner Schwester: ghöört i mynere Schwe[ster]. “ e) Kachro (2006: 176 - 180) ermittelt für den Wenkersatz 17, der ebenfalls eine mit Possessivpronomen erweiterte Nominalgruppe enthält, eine ähnliche Verteilung wie beim Interrogativpronomen, mit einer Kernzone in LU. Die Nominalgruppe in Wenkersatz 17 steht ebenfalls im Fokus, allerdings nicht kontrastiv wie bei I.7. f) Die beiden unter 6 angeführten Konstruktionstypen sind als unbrauchbar gewertet, da sie einen adnominalen possessiven Dativ statt des intendierten valenzgebundenen Dativs vertreten. Sie zeigen jedoch ebenfalls PDM, was darauf deutet, dass dieser syntaktische Unterschied für die Setzung der PDM nicht entscheidend ist, vgl. entsprechend Seiler (2003: 172 - 173). Die beiden unter 3 a eingereihten Belege mit einer possessiven Kopulakonstruktion (dä isch dr Schweschter Basel BS, Neneen, där ischt mir Schweschter! Brienz BE) könnten theoretisch auch einen Genitiv aufweisen. Im Falle des Basler Belegs ist das gänzlich unwahrscheinlich, bei dem Berner Beleg aber nicht ausgeschlossen, vgl. zum Genitiv bei Feminina auch 1.1.2 (II.22) und 1.1.3 (II.23) sowie 1.1.4, 8 a. 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS In einigen auf andere Phänomene gerichteten Fragen sind dativische Nominalphrasen mit femininem Substantiv, einschliesslich Personennamen, enthalten, die zusätzliches Material für das Auftreten der PDM in diesen Kontexten enthalten, vgl. 8 a - 8 d, dazu 8 e bei maskulinem Substantiv. Darüber hinaus sind in FR bei den Fragen II.22, IV.28 vereinzelte Belege mit PDM bei artikellosen Männernamen aufgetreten (vgl. 1.1.2, 3 a, 3 d, 7 e i Piäter Jaun, i Petersch Plaffeien FR sowie 1.2.3, 3 b I has i Fritz gee Jaun, i has i Fritz gä Plaffeien FR). Die geographische Verteilung der Markierungen aus den verschiedenen Fragen mit Zusatzmaterial lässt sich auch der PDM- ► Vergleichskarte 3 (S. 63) in 1.3.5 entnehmen. a) Frage IV.33 (A) - D as ist der L ehrerin Bei Frage IV.33 (1.1.4) zum prädikativen Possessivausdruck, bei der nur der reine Dativ vorgegeben war (der regional allerdings auch als Genitiv gewertet werden kann), wird insgesamt 250 Mal an 86 Orten in verschiedenen Konstruktionen eine Antwort mit PDM gegeben, vgl. Bart (2020: 133, 306). Die einzig zur Bewertung vorgegebene Variante Das isch dr Lehrerin o. ä. wird 183 Mal an 77 Orten, v. a. in LU bis GL, mit PDM notiert, wobei nur Fälle mit d-haltigem Artikel erfasst sind, vgl. 1.1.4, 3 a. Das westliche a-Gebiet, das in I.7 und I.2 erkennbar ist, ist hier praktisch nicht zu entdecken, wohingegen die Areale für i und a, wenn auch reduziert, grundsätzlich erkennbar sind. Die ä-Schreibung weist wie in der Übersetzungsfrage I.2 eine Konzentration auf GL auf. 1.3 Präpositionale Dativmarkierung (PDM) 103 Dativmarker Anzahl Antworten und Orte i 94 Mal an 41 Orten (20 Orte in LU, 7 Orte in AG, 4 Orte in SH, je 3 Orte in NW, ZG, je 2 Orte SO, SZ) a 53 Mal an 29 Orten (je 5 Orte in SZ, OW, je 4 Orte in SG, UR, GL, 2 Orte in TG, je ein Ort in AG, AR, BE, NW, ZG) ä 27 Mal an 14 Orten (7 Mal in Glarus GL, 4 Mal in Schwanden GL, 3 Mal in Näfels GL, je 2 Mal in Maderanertal UR, Mollis GL, je einmal in Alpnach, Giswil OW, Göschenen, Gurtnellen, Isenthal, Unterschächen UR, Elm, Engi, Linthal GL) e 9 Mal an 8 Orten (2 Mal in Willisau LU, je einmal in Eschenbach, Pfaffnau, Ruswil, Sursee LU, Hünenberg, Rotkreuz ZG, Gurtnellen UR) Beispiele: Das esch i de Lehreri Ruswil LU - Das isch a dr Lehreri Näfels GL - Da isch ä der Lehrerin Göschenen UR - Das esch e de Lehrerin Pfaffnau LU. 38 Mal an 31 Orten wird die Variante mit dem Prädikatsverb ‚ gehören ‘ mit PDM notiert, vgl. 1.1.4, 5 a, mit vergleichbarer Verteilung: Dativmarker Anzahl Antworten und Orte i 18 Mal an 15 Orten (je 2 Mal in Hallau SH, Ruswil, Sursee LU, je einmal in Aesch, Horw, Malters, Neuenkirch, Pfaffnau, Römerswil, Schüpfheim, Sempach, Zell LU, Buochs NW, Hünenberg ZG, Brunnen SZ) a 11 Mal an 9 Orten (je 2 Mal in Altdorf UR, Luchsingen GL, je einmal in Melchtal OW, Oberägeri ZG, Alpthal, Brunnen, Küssnacht, Schwyz SZ, Engi GL) ä 5 Mal an 5 Orten (Isenthal UR, Elm, Glarus, Mollis, Näfels GL) e 4 Mal an 3 Orten (2 Mal in Menziken AG, je einmal in Grosswangen, Luzern LU) Beispiele: Das ghört i de Lehrerin Hünenberg ZG - As ghört a där Lehräri Alpthal SZ - Das kört ä dr Lehreri Mollis GL - Das ghöört e de Leereri Luzern LU. Dazu kommen weitere Fälle von notierter PDM in anderen Konstruktionsvarianten, die alle die aus I.7 bekannte räumliche Konzentration bestätigen, vgl. 1.1.4, 3 b, c, 5 b. Die Varianten mit Possessivpronomen der L ehrerin ihres (1.1.4, 3 b) und der L ehrerin seines (1.1.4, 5 b) werden 25 Mal an 23 Orten mit PDM notiert: Dativmarker Anzahl Antworten und Orte i 13 Mal an 13 Orten (Dagmersellen, Entlebuch, Grosswangen, Horw, Pfaffnau, Ruswil, Sempach, Triengen, Willisau LU, Stans NW, Hünenberg ZG, Einsiedeln, Tuggen SZ) a 7 Mal an 7 Orten (Sarnen OW, Muotathal SZ, Altdorf, Gurtnellen, Maderanertal UR, Näfels, Obstalden GL) e 3 Mal an 3 Orten (Eschenbach, Luzern LU, Hünenberg ZG) ä 2 Mal an 2 Orten (Unterschächen UR, Näfels GL) Beispiele: Das esch i de Lehreri sis Grosswangen, Das esch i de Lehreri ihres Horw LU - Das isch a dä Lehreri sis Gurtnellen UR - Das esch e de Lehreri ehres Eschenbach LU - Das isch ä dr Lehreri sis Unterschächen UR. Auch die Variante der L ehrerins (1.1.4, 3 c) wird vereinzelt mit PDM notiert: Dativmarker Anzahl Antworten und Orte i 4 Mal an 3 Orten (2 Mal in Plaffeien, je einmal in Giffers, Schwarzsee FR) Beispiel: Das isch i der Lehreris Schwarzsee FR. 104 1 Nominalphrase b) Frage II.23 (A) - D as ist der S andra Bei dieser Ankreuzfrage erscheint in verschiedenen Konstruktionen beim Femininartikel eine Präpositionale Dativmarkierung, vgl. insgesamt die Verhältnisse unter 1.1.3, 3 a, b, d sowie 5 c, d. Es wurde insgesamt 214 Mal an 84 Orten eine Antwort mit PDM notiert, vgl. Bart (2020: 121 - 122, 280). Die Kerngebiete der PDM von LU bis GL zeigen sich insgesamt deutlich, ebenso wie die Verteilung der beiden Hauptmarkierungen, wobei auch hier wie bei 8 a das westliche a-Gebiet praktisch verschwunden ist. Ebenso passt die Konzentration von ä auf GL zu den sonstigen Ergebnissen. Bei der Zusammenstellung wurden die vokalisch anlautenden Artikelformen nicht berücksichtigt, vgl. 1.1.3, 7 g. Die Variante der S andra (1.1.3, 3 a) wird 123 Mal an 71 Orten mit PDM notiert: Dativmarker Anzahl Antworten und Orte i 61 Mal an 37 Orten (19 Orte in LU, 6 Orte in AG, 4 Orte in ZG, je 2 Orte in SO, SH, NW, SZ) a 47 Mal an 28 Orten (je 6 Orte in SZ, UR, 5 Orte in OW, 4 Orte in GL, 2 Orte in SG, je ein Ort in AG, ZH, BE, NW, ZG) ä 13 Mal an 9 Orten (je 2 Mal in Maderanertal UR, Glarus, Näfels, Schwanden GL, je einmal in Schwyz SZ, Unterschächen UR, Elm, Linthal, Mollis GL) e 2 Mal an 2 Orten (Muhen AG, Sempach LU) Beispiele: Nei, das isch i dr Sandra Alpthal SZ - Nei, das isch a dr Sandra Altdorf UR - Nei, das isch ä der Sandra Näfels GL - Nei, das esch e de Sandra. Sempach LU. Auch mit dem Prädikatsverb ‚ gehören ‘ (1.1.3, 5 d) tritt 20 Mal an 18 Orten PDM auf: Dativmarker Anzahl Antworten und Orte a 10 Mal an 9 Orten (2 Mal in Engi GL, je einmal in Wolfenschiessen NW, Melchtal OW, Walchwil ZG, Brunnen, Schwyz SZ, Gurtnellen, Isenthal, Maderanertal UR) i 6 Mal an 6 Orten (Horw, Neuenkirch, Römerswil LU, Buochs, Stans NW, Einsiedeln SZ) ä 3 Mal an 2 Orten (2 Mal in Glarus GL, einmal in Schwanden GL) e Einmal in Menziken AG Beispiele: Nei, das gheert a dr Sandra! Wolfenschiessen NW - Nei, das ghört i de Sandra Neuenkirch LU - Nei, äs kört ä dr Sandra Glarus GL - Nenei, das ghört e de Sandra Menziken AG. Die Varianten mit Possessivpronomen der S andra ihres (1.1.3, 3 b) und der S andra seines (1.1.3, 5 c) treten 68 Mal an 50 Orten mit PDM auf: Dativmarker Anzahl Antworten und Orte i 31 Mal an 24 Orten (je 2 Mal in Entlebuch, Grosswangen, Horw, Triengen, Willisau, Zell LU, Einsiedeln SZ, je einmal in Bremgarten, Menziken, Merenschwand, Oberhof AG, Hallau SH, Aesch, Dagmersellen, Eschenbach, Escholzmatt, Luzern, Ruswil, Sempach, Weggis LU, Stans NW, Menzingen, Zug ZG, Tuggen SZ) a 25 Mal an 18 Orten (3 Mal in Muotathal SZ, je 2 Mal in Engelberg, Giswil OW, Schwyz SZ, Altdorf UR, Obstalden GL, je einmal in Liesberg BL, Densbüren AG, Bühler AR, Wolfenschiessen NW, Alpnach OW, Oberägeri, Walchwil ZG, Oberiberg SZ, Gurtnellen, Unterschächen UR, Engi, Näfels GL) ä 8 Mal an 7 Orten (2 Mal in Näfels GL, je einmal in Stein SG, Andermatt, Maderanertal UR, Engi, Glarus, Schwanden GL) e 4 Mal an 4 Orten (Kirchleerau AG, Pfaffnau, Zell LU, Hünenberg ZG) Beispiele: Nei, das isch i de Sandra iires Entlebuch, Nei, das esch i de Sandra sis Sempach LU - Nei, das isch a dr Sandra ihres Obstalden GL - Nei, das isch ä dr Sandra sis Schwanden GL - Nei, das isch ede Sandra eres Hünenberg ZG. 1.3 Präpositionale Dativmarkierung (PDM) 105 Auch in der Mischvariante der S andras (1.1.3, 3 d) tritt in FR vereinzelt PDM auf: Dativmarker Anzahl Antworten und Orte i 3 Mal an 2 Orten (2 Mal in Giffers FR, einmal in Schwarzsee FR) Beispiel: Nei, das isch i de Sandra ’ s Schwarzsee FR. c) Frage IV.27 (A) - I ch habe es A nna gegeben Bei Frage IV.27 wird die vorgegebene Variante mit femininem Artikel der A nna insgesamt 129 Mal in den bekannten Gebieten, v. a. der Zentralschweiz, mit PDM (mit d-haltigem Definitartikel) versehen (vgl. 1.2.4, 3 a, 7 b). Bei der Zusammenstellung wurden die 28 uneindeutigen, d-los anlautenden Artikelformen (är, ar, er, ner), die insbesondere in BE auftreten, nicht berücksichtigt, vgl. dazu 1.2.4, 7 b sowie zu weiteren Fällen 1.1.3, 7 g. Dativmarker Anzahl Antworten und Orte i 62 Mal an 32 Orten (an 20 Orten in LU, an 3 Orten in FR, an je 2 Orten in AG, SZ, NW, an je einem Ort in BL, SH, ZG) a 51 Mal an 31 Orten (an 6 Orten in SZ, an je 5 Orten in OW, UR, an je 4 Orten in AG, GL, an je einem Ort in ZH, TG, SG, BE, LU, NW, ZG) e 9 Mal an 9 Orten (Hägglingen, Lenzburg AG, Diessbach b. B. BE, Eschenbach, Luzern, Ruswil, Willisau, Zell LU, Hünenberg ZG) ä 7 Mal an 5 Orten (3 Mal in Maderanertal UR, je einmal in Huttwil BE, Glarus, Näfels, Schwanden GL) Beispiele: I has i de Anna gää Tafers FR, Ich has i dr Anna ggää Entlebuch LU, Ich has i dr Anna gä Einsiedeln SZ - Ich has a dä Anna gää Alpnach OW, Ich has a der Annä gä? Muotathal SZ - I has e dr Anna ggee Hägglingen AG, ich has e der Anna ggee Hünenberg ZG - I has ä dr Anna ggä Huttwil BE. d) Frage II.2 (Ü) - D as ist doch die F rau, der ich schon lange das B uch bringen sollte Bei dieser Frage treten unter den 311 nicht intendierten Übersetzungen mit Hauptsatz 26 Fälle auf, in denen die Nominalphrase (Demonstrativpronomen und Substantiv Sg.F.) mit PDM versehen ist, vgl. 5.2.2, 6 g und 1.3.5, 2.2 a. Die Markierungen treten in den bekannten PDM-Gebieten auf. Dativmarker Anzahl Antworten und Orte i 14 Mal an 13 Orten (2 Mal in Neuenkirch LU, je einmal in Frick, Hägglingen, Menziken, Oberhof AG, Dagmarsellen, Eschenbach, Escholzmatt, Grosswangen, Pfaffnau, Schüpfheim, Sempach LU, Stans NW) a 12 Mal an 10 Orten (je 2 Mal in Alpnach OW, Gurtnellen UR, je einmal in Benken, Quarten SG, Muotathal SZ, Altdorf, Göschenen, Isenthal, Unterschächen UR, Glarus GL) Beispiele: I dere Frau sötti doch scho lang s ’ Buch z ’ rigg bringe Frick AG - A derä Frai hätt ich doch scho lang sellä äs Buech zrugg gä Alpnach OW. e) Frage II.18 (A) - D as ist der M ann, dem ich gestern den W eg gezeigt habe Dazu lassen sich auch noch einige Fälle von PDM vergleichen, die in einer Frage zum Relativsatz in nicht intendierten Hauptsätzen (184 Mal) mit Nominalphrase (Artikel und Substantiv Sg.M.) auftreten, vgl. 5.2.3, 6 c, 1.3.5, 2.2 b. In diesen Hauptsätzen wird die Nominalphrase 16 Mal mit PDM notiert, v. a. in der Zentralschweiz und GL, vgl. 5.2.3, 6 c. 106 1 Nominalphrase Dativmarker Anzahl Antworten und Orte a 11 Personen an 8 Orten (je 2 Mal in Muotathal SZ, Altdorf UR, Glarus GL, je einmal in Walenstadt SG, Ligerz BE, Wolfenschiessen NW, Gurtnellen UR, Schwanden GL) i 3 Mal an 3 Orten (Frick AG, Malters, Sempach LU) ä Einmal in Andermatt UR e Einmal in Bleienbach BE Beispiele: A däm Ma ha i geschter dr Wäg zeigt Ligerz BE - I dem Maa han ich geschter de Wääg zeigt Malters LU - Ä dem Ma hän-ich geschter dr Weg zeigt Andermatt UR - E dem Ma hani geschter dr Wäg zeigt Bleienbach BE. Literatur Bart 2020 ▪ Kachro 2006 ▪ Seiler 2003 Bezug auf SADS-Material Glaser 2013: 203 - 204 ▪ 2014: 42 ▪ Glaser & Bart 2015: 94 - 95 ▪ Seiler 2003: 76 ▪ 2003: 266 Ⓚ 1.3.3 PDM (Personalpronomen 2.Sg.) Frage I.20 (A) - A BER ICH HABE DOCH DAS B UCH DIR GESCHENKT ! 1. Kartenthema und Datengrundlage Die Ankreuzfrage war auf die in manchen schweizerdeutschen Dialekten erwartbare Präpositionale Dativmarkierung (PDM) bei einem betonten Personalpronomen (2.Sg.), das im vorgegebenen Satz als Dativobjekt fungiert, ausgerichtet. Neben der Variante mit einfachem Dativ wurden zwei Sätze mit lautlich unterschiedlicher Dativmarkierung (a, i) zur Bewertung vorgegeben. Dazu wurden von den Gewährspersonen noch einige weitere Schreibungen notiert. Die ► Hauptkarte (S. 55) zeigt die Verteilung der Präferenz des einfachen Dativs und des mit PDM erweiterten Dativs, wobei die lautlichen/ graphischen Varianten der PDM zusammengefasst sind. Sie werden im Kommentar, vgl. 3 b mit ► Beikarte (S. 57), berücksichtigt. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 3185 3182 3 3172 10 3192 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a DIR Dativform ohne PDM 3 b IN / AN DIR Dativform mit PDM Typenbildung DIR dir, diir, di, dee, deer, dier, diär o. ä. IN / AN i, a, ä, e, u 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) 2390 Mal wird an 361 Orten die Variante dir präferiert. Der einfache Dativ wird im gesamten Untersuchungsgebiet als präferierte Variante angegeben, mit Ausnahme folgender 22 v. a. in der Innerschweiz angesiedelter Orte: Schaffhausen SH, Aesch, Flühli, Malters, Marbach, Ruswil, Sursee, Zell LU, Buochs, Stans NW, Giswil OW, Walchwil ZG, Alpthal, Einsiedeln, Muotathal, Oberiberg, Tuggen SZ, Göschenen, 1.3 Präpositionale Dativmarkierung (PDM) 107 Maderanertal, Unterschächen UR, Linthal, Obstalden GL. Nur Einzelnennungen gibt es an den folgenden 26 Orten: Boswil, Muhen AG, Schleitheim, Wilchingen SH, Basadingen TG, Dagmersellen, Eschenbach, Escholzmatt, Grosswangen, Römerswil, Schüpfheim, Triengen, Weggis, Willisau LU, Melchtal OW, Rotkreuz ZG, Innerthal, Schwyz SZ, Altdorf, Gurtnellen UR, Engi, Glarus, Luchsingen, Mollis, Näfels, Schwanden GL. Der einfache Dativ wird etwas häufiger, 2755 Mal, an fast allen Orten akzeptiert (nicht in Muotathal SZ). Beispiele: Abär i ha doch daa Buäch deer gschänkt Birwinken TG, Abe i ha doch da Buech dee gschenkt Brülisau AI, Aber i ha doch das Buech diir gschänkt Münchenbuchsee BE, Aber au, i han doch das Buch dir gschänkt Wollerau SZ, Aber i han doch das Buech dier gscheicht Langwies GR. b) 802 Mal an 163 Orten wird eine Variante mit PDM präferiert. Die Variante wird vor allem in AG, SH, der Zentralschweiz und GL als präferierte Variante angegeben, bis in das angrenzende SG und AR hinein sowie verstreut in FR. Sie tritt an 95 Orten mehrheitlich auf, davon an 23 Orten ausschliesslich. In VS und GR sowie grossen Teilen der Kantone BE und ZH fehlt PDM. Folgende Schreibformen des Dativmarkers treten auf, zur geographischen Verbreitung vgl. ► Beikarte (S. 57) und 7 b. Dativmarker Anzahl Antworten und Orte i 476 Mal an 110 Orten a 321 Mal an 78 Orten e 3 Mal an 3 Orten (Aeschi SO, Menziken AG, Glarus GL) ä 2 Mal an 2 Orten (Glarus, Luchsingen GL) u Einmal in Amden SG Eine Gewährsperson aus Alpthal SZ präferiert i und a nebeneinander. Die Varianten mit PDM werden mit 1032 Mal an 222 Orten etwas umfangreicher akzeptiert als präferiert: das vorgegebene i wird 620 Mal an 141 Orten und vorgegebenes a 464 Mal an 137 Orten akzeptiert, vgl. ► Akzeptanzkarte (S. 56). Die vereinzelten Schreibungen e, ä, u wurden von Gewährspersonen eigens notiert (und als präferiert gewertet). 54 Mal wird a und i, 2 Mal a und ä, je einmal a und e sowie a und u intrapersonell als Variation akzeptiert. Die Gebiete, in denen PDM akzeptiert wird, entsprechen weitgehend denjenigen der Präferenz, mit zusätzlichen vereinzelten Nennungen in VS und GR. Beispiele: Aber ich han doch das Buech i diir gschenkt Ellikon a. d.T. ZH - Aber ich ha doch das Buäch a diär gschänkt Wolfenschiessen NW, Abär ich ha doch das Buäch a diär gschänkt! Alpnach OW - Aber ich ha doch das Buech e dir gschänkt Aeschi SO - Aber ich ha doch das Buäch ä diir gschänggt Glarus GL - … u diir gschenggt Amden SG. c) Intrapersonelle Variation: präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte DIR und IN / AN DIR 10 Personen an 10 Orten (mit i: Kaisten, Leibstadt, Villigen, Zofingen AG, Hallau, Ramsen SH, Horw LU, Wolfenschiessen NW; mit a: Quarten SG, Näfels GL) 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ [3 b (mit i)] Oberbaselbieterisch “ , Aesch BL. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ Umstellung der Satzfolge: Aber ich ha doch diir das Buech gschänkt! “ , Ellikon a. d.T. ZH. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 b] - „ [3 b (mit i)] = Zugerdialekt “ , Kappel a. A. ZH. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ evtl. auch [3 a] “ , Hallau SH. [GP akzeptiert 3 a, b, präferiert 3 b und kommentiert] 108 1 Nominalphrase - „ [3 b (mit i)] Vorzug! “ , Hallau SH. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 b] - „ [3 b] (ev auch noch) “ , Rheineck SG. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ Aber, i ha doch das Buech diir gschänkt! [graphisch durch Pfeil angegeben: diir das Buech] (beide Varianten möglich) “ , Langnau BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ [3 b (mit a/ i)] unmöglich! “ , Matten BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ [3 a] mit Betonung auf ‚ diir ‘“ , Signau BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ [3 b (mit a/ i)] Beide sind betont “ , Alpnach OW. [GP akzeptiert und präferiert 3 b] - „ Ich würde nach Satzstellung unterscheiden. ‚ Ich doch diär das Bioch gschänkt ‘ [sic] oder ‚ Ich ha doch das Bioch ä Diär gschänkt ‘ . (Ich benutze beides, kann aber nicht sagen, wann welche Form) “ , Giswil OW. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 b] - „ [3 b (mit a)] spez. betont “ , Altdorf UR. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 b] - „ Aber i ha das Buach doch diar gschenkt. ‚ doch ‘ gehört nicht zum Buch! “ , Arosa GR. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] 5. Weitere Varianten keine 6. Unbrauchbare Antworten a) Einmal erscheint als einzige Variante das Personalpronomen im Dativ der 3.Sg.F.: Aber i ha doch das Buech iire gschängt Liesberg BL. b) Einmal wird einzig eine Konstruktion mit unbetontem Pronomen notiert: Ich gib dir scho neiä ä keis Büäch me, wens de glich nachher wider verschänksch Unterschächen UR. c) Einmal ist die einzige Antwort inhaltlich gänzlich verändert und unbrauchbar. 7. Weitere Bemerkungen a) Die drei vorgegebenen Varianten wurden gegenüber I.7 in einer veränderten Reihenfolge angeführt, I.7: a, i, einfacher Dativ, I.20: einfacher Dativ, i, a. Die Voranstellung der einfachen Dativform in I.20 scheint jedenfalls nicht zu einer höheren Präferenzrate geführt zu haben, wohingegen die höhere Präferenz von i mit 476 in I.20 gegenüber 322 bei Frage I.7 möglicherweise mit der Positionierung von i vor a zusammenhängen könnte. Die Zahlen für die Präferenz von a liegen aber bei beiden Fragen etwa gleich hoch bzw. gleich niedrig, vgl. Richner-Steiner (2011: 37 - 38) zum Einfluss schriftlich suggerierter Varianten. Da bei I.7 und I.20 unterschiedliche Parameter (Wortart, Betonung) vorliegen, könnte die Differenz auch bedeuten, dass diese in den Regionen, die a oder i präferieren, eine unterschiedliche Rolle spielen. Das entspricht den Ergebnissen Seilers (2003), der arealspezifische Auftretensbedingungen herausgearbeitet hat. b) Die geographische Verbreitung der verschiedenen Dativmarker ist auf der ► Beikarte (S. 57) ersichtlich: Die vorgegebene Schreibung i wird, ähnlich wie bei derAnkreurfrage I.7, v. a. von SO über LU, AG bis SH sowie in FR präferiert, die vorgegebene Schreibung a v. a. von OW bis AR, punktuell bis ZH und TG sowie im 1.3 Präpositionale Dativmarkierung (PDM) 109 Oberaargau (BE). Ähnlich wie bei Frage I.7 erscheinen bei der vorliegenden Frage nur vereinzelte weitere Schreibungen (e, ä, u) über die hier vorgegebenen a und i hinaus. Zu deren Bewertung vgl. I.7 a. Die u-Schreibung wird in I.7 und I.20 von derselben Gewährsperson notiert, die ä-Schreibung taucht jeweils in GL auf. c) Die räumliche Verbreitung der Präferenz der PDM in der vorliegenden Frage I.20 entspricht weitgehend derjenigen bei der Ankreuzfrage I.7, die Anzahl Gewährspersonen liegt etwas höher, sie konzentrieren sich aber auf weniger Orte. Mit Bezug auf I.20 verweist Seiler (2003: 77) darauf, dass sich die im älteren SDS- Material zutage getretene geringere Präferenzrate beim Personalpronomen im AG und SH im Vergleich zur Zentralschweiz hier nicht widerspiegele, was auf Sprachwandel deuten könnte. Bucheli Berger & Landolt (2014) unterziehen die Antworten zu Frage I.20 einer detaillierten Analyse im Hinblick auf einen Zusammenhang zwischen PDM und Konfessionsgebiet, wobei sie die grosse Übereinstimmung mit dominant katholischen Arealen und Kantonen als Resultat eines PDM-Abbaus interpretieren, der an der Konfessionsgrenze angehalten wird (2014: 85 - 91). d) Gegenüber der beschränkt vorkommenden intrapersonellen Variation bei der Angabe der präferierten Variante fällt die deutlich höhere Anzahl bei der Akzeptanz auf. Innerhalb der drei auf dem Fragebogen vorgegebenen Varianten werden folgende Kombinationen gemeinsam akzeptiert: 319 Mal dir mit in dir (vor allem in SO, AG, ZH, SH, LU, ZG), 246 Mal dir mit an dir (vor allem in ZH, TG, SG, BE, SZ, UR) sowie 15 Mal an dir und in dir (oft in SZ). 39 Mal werden sogar alle drei vorgegebenen Varianten gleichzeitig akzeptiert (vor allem in AG, ZG, SZ, GL). 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS a) Frage IV.29 (A) - H e, das ist mir Unter den Antworten auf die einzig vorgegebene prädikative Possessivkonstruktion mit fokussiertem Dativpronomen finden sich 138 an 54 Orten notierte PDM-Konstruktionen (vgl. 1.1.5, 3 a sowie Bart 2020: 142, 327): Das Vorkommen konzentriert sich auf die Kerngebiete Zentralschweiz, GL und SH, wobei auch die einzelnen Marker erwartungsgemäss verteilt sind. Die für GL typische ä-Schreibung ist vergleichsweise häufig, da GL generell stark vertreten ist. Dativmarker Anzahl Antworten und Orte i 50 Mal an 29 Orten (v. a. LU) a 36 Mal an 16 Orten (7 Mal in Muotathal SZ, 6 Mal in Giswil OW, 4 Mal in Schwyz SZ, 3 Mal in Oberiberg SZ, je 2 Mal in Melchtal OW, Brunnen SZ, Göschenen, Isenthal UR, je einmal in Freiburg FR, Alpnach, Engelberg, Sarnen OW, Altdorf UR, Elm, Engi, Schwanden GL) ä 44 Mal an 15 Orten (9 Mal in Glarus GL, 8 Mal in Schwanden GL, je 5 Mal in Mollis, Näfels GL, je 2 Mal in Maderanertal UR, Elm, Engi, Linthal, Luchsingen, Obstalden GL, je einmal in Giswil OW, Muotathal SZ, Altdorf, Göschenen, Unterschächen UR) e 8 Mal an 8 Orten (Eschenbach, Pfaffnau, Ruswil, Willisau, Wolhusen LU, Brunnen SZ, Glarus, Schwanden GL) Beispiele: Nei, das isch i miär! Wolfenschiessen NW - He, das isch a miir Giswil OW - He das isch ä miär Altdorf UR, He, das isch ä mir Mollis GL - Das esch e meer! Pfaffnau LU. Von den Gewährspersonen, die den Satz von der Vorlage abweichend mit dem Prädikatsverb ‚ gehören ‘ konstruiert haben, wurde 28 Mal an 24 Orten PDM notiert, vgl. 1.1.5, 5 b sowie Bart (2020: 142, 328). Dativmarker Anzahl Antworten und Orte i 14 Mal an 13 Orten (2 Mal in Grosswangen LU, je einmal in Merenschwand, Niederrohrdorf AG, Hallau SH, Dagmersellen, Escholzmatt, Horw, Luzern, Malters, Neuenkirch, Römerswil, Ruswil LU, Buochs NW) a 7 Mal an 7 Orten (Küssnacht SZ, Alpnach OW, Altdorf, Gurtnellen, Unterschächen UR, Engi, Schwanden GL) 110 1 Nominalphrase Dativmarker Anzahl Antworten und Orte ä 5 Mal an 4 Orten (2 Mal in Glarus GL, je einmal in Engi, Luchsingen, Mollis GL) e 2 Mal an 2 Orten (Menzingen ZG, Mollis GL) Beispiele: Das ghört i mer Dagmersellen LU - Das kört a mir Schwanden - He, das gchört ä mir Glarus GL - He, das ghört e mer ! Menzingen ZG. b) Frage III.4 (Ü) - D ie [B lumen ] sind nicht für dich Bei der auf die Pronominalform nach Präposition ausgerichteten Übersetzungsfrage finden sich unter den wenigen dort unbrauchbaren prädikativen Possessivkonstruktionen (10 Mal) 5 Fälle mit PDM beim fokussierten Personalpronomen (2.Sg.) mit Kopula (vgl. 2.1.2, 6 b): Dativmarker Anzahl Antworten und Orte i 2 Mal an 2 Orten (Gächlingen SH, Tuggen SZ) ä 2 Mal an 2 Orten (Glarus, Luchsingen GL) a Einmal in Schwanden GL Die sind nid i Dir Gächlingen SH, Die sind nüd i dier Tuggen SZ - Nüd ä Dir! Glarus, Diä sind nüd ä diär Luchsingen - De sind nüd a dir! Schwanden GL. c) Frage II.2 (Ü) - D as ist doch die F rau, der ich schon lange das B uch bringen sollte Bei dieser Frage treten unter den 311 nicht intendierten Übersetzungen mit Hauptsatz 4 Fälle auf, in denen ein Demonstrativpronomen (ohne Substantiv Sg. F.) mit PDM versehen ist, vgl. 5.2.2, 6 g und 1.3.5, 2.2 a. Für die Nominalphrasen mit Substantiv vgl. 1.3.2, 8 d. Die Markierungen treten in der Zentralschweiz auf. Dativmarker Anzahl Antworten und Orte a 3 Mal an 2 Orten (2 Mal in Muotathal SZ, einmal in Maderanertal UR) i Einmal in Tuggen SZ Beispiele: A derä sött i doch scho lang ihräs Buäch bringä Muotathal SZ - I derä hät ich scho lang z ’ Buech säle bringe Tuggen SZ. d) Frage II.18 (A) - D as ist der M ann, dem ich gestern den W eg gezeigt habe Dazu lassen sich auch noch 4 Fälle von PDM vergleichen, die in einer Frage zum Relativsatz in nicht intendierten Hauptsätzen (184 Mal) mit maskulinem Demonstrativpronomen (ohne Substantiv) auftreten, vgl. 5.2.3, 6 c, 1.3.5, 2.2 b. Für die Nominalphrasen mit Substantiv vgl. 1.3.2, 8 e. Die Markierungen treten in der Zentralschweiz und GL auf, vgl. 5.2.3, 6 c. Dativmarker Anzahl Antworten und Orte a 2 Mal an 2 Orten (Maderanertal UR, Engi GL) ä 2 Mal an 2 Orten (Göschenen UR, Glarus GL) Beispiele: A dem hani geschter dr Weg zeiget! Engi GL - Ä däm hanich geschter dr Wäg zeigt Göschenen UR. e) Frage IV.31 (A) - D as täte mir auch gefallen! Bei dieser auf die Wortstellung in der Konjunktivkonstruktion ausgerichteten Ankreuzfrage, die im vorliegenden Band nicht aufgenommen ist, sind einige Fälle von PDM-Notation zu verzeichnen, wobei wiederum v. a. die Zentralschweiz und GL betroffen sind. Dativmarker Anzahl Antworten und Orte ä 6 Mal an 4 Orten (je 2 Mal in Muotathal SZ, Glarus GL, je einmal in Mollis, Schwanden GL) i 3 Mal an 3 Orten (Escholzmatt, Grosswangen LU, Hünenberg ZG) a 3 Mal an 3 Orten (Muotathal, Oberiberg, Schwyz SZ) 1.3 Präpositionale Dativmarkierung (PDM) 111 Beispiele: Das tät ä mir au gfallä! Mollis GL - Das tät i mer au gfaue! Hünenberg LU - Das gfiäl a miär au! Muotathal SZ. Weitere vereinzelte Beispiele für PDM finden sich im Material zu den Fragen IV.3, IV.8 und III.7, bei denen unbetonte Pronominalcluster erfragt wurden, bei denen nur im Falle anderer, nicht intendierter Betonungsverhältnisse mit PDM zu rechnen war, vgl. Seiler (2003: 160 - 161). Das geringe Vorkommen bestärkt diese Vermutung. Auch diese Beispiele bestätigen grundsätzlich den bei I.20 erkennbaren Gesamtraum, ebenso wie das räumliche Auftreten der Marker. Auch der unter 6. genannte Beleg könnte für den Bereich der Personalpronomina der 3.Sg. als Zusatzmaterial in dem Sinn gewertet werden, als er das Nichtvorkommen von PDM in BL bezeugt. f) Frage IV.3 (Ü) - I ch habe es ihm schon geschickt Bei dieser Frage haben 8 Personen das maskuline Dativpronomen in der vorgegebenen Reihenfolge der Pronomina mit PDM übersetzt, vgl. 2.6.2, 3 b. Dativmarker Anzahl Antworten und Orte i 5 Mal an 5 Orten (Bremgarten AG, Grosswangen, Luzern, Neuenkirch LU, Schwanden GL) e 2 Mal an 2 Orten (Kirchleerau AG, Pfaffnau LU) a Einmal in Gurtnellen UR Beispiele: Ech has i em scho gschekt Luzern LU - I has e em scho gescheckt Kirchleerau AG - Ich has a ihm scho gschickt Gurtnellen UR. g) Frage IV.8 (Ü) - I ch habe es ihr gestern gegeben Bei dieser Frage haben 5 Personen das feminine Dativpronomen in der vorgegebenen Reihenfolge der Pronomina mit PDM übersetzt, vgl. 2.6.3, 3 b. Dativmarker Anzahl Antworten und Orte a 3 Mal an 3 Orten (Alpnach, Giswil OW, Gurtnellen UR) i 2 Mal an 2 Orten (Bremgarten, Frick AG) Beispiele: Ich ha äs a ihrä gestr gä Giswil OW - Ich ha ’ s i ihre geschter gä Bremgarten AG. h) Frage III.7 (Ü) - S ie hat es mir gestern erzählt Auch bei dieser Pronominalfrage werden einige Übersetzungen mit PDM versehen, wobei unterschiedliche Stellungstypen vorliegen, vgl. 2.6.1, 3 b, 5 b & 6 b. Einmal steht das Dativpronomen in der vorgegebenen Reihenfolge, einmal vor einem Demonstrativpronomen, und einmal kommt PDM mit Pronomen in Satzerststellung vor: Dativmarker Anzahl Antworten und Orte i 2 Mal an 2 Orten (Römerswil, Willisau LU) ä Einmal in Näfels GL Beispiele: I mer hed sis geschter verzellt Römerswil, Sie hed i ’ mer das gester verzelt Willisau LU - Sie häts ä mir gester verzellt Näfels GL. Literatur Bart 2020 ▪ Bucheli Berger & Landolt 2014 ▪ Richner-Steiner 2011 ▪ Seiler 2003 Bezug auf SADS-Material Bucheli Berger & Landolt 2014: 85 - 92 ▪ 2014: 86, 87 Ⓚ ▪ Richner-Steiner 2011: 37 - 38 ▪ Seiler 2003: 77 112 1 Nominalphrase 1.3.4 PDM (Nominalphrase, Sg.F.) II Frage II.12 (A) - I CH HABE EURER K ATZE ABER NICHTS GEGEBEN ! 1. Kartenthema und Datengrundlage Die Frage II.12 war auf die mögliche Präpositionale Dativmarkierung (PDM) bei einer mit vokalisch anlautendem Possessivpronomen erweiterten Nominalgruppe, die als Dativobjekt fungiert, ausgerichtet. Der Kontext soll eine nicht fokussierte dativische Nominalgruppe suggerieren. Neben der Variante mit einfachem Dativ wurden wie auch bei den anderen Ankreuzfragen zu PDM (I.7, I.20) zwei Varianten mit lautlich unterschiedlicher Dativmarkierung (a, i) zur Bewertung vorgegeben. Die ► Hauptkarte (S. 58) zeigt die Verteilung der Präferenz des einfachen Dativs und des mit PDM erweiterten Dativs, wobei die beiden vorgegebenen lautlich/ graphischen PDM-Varianten zusammengefasst sind. Die graphischen Varianten werden im Kommentar berücksichtigt, vgl. 3 b mit ► Beikarte (S. 60). Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 2920 2904 16 2883 21 2925 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a EURER Dativform ohne PDM 3 b IN / AN EURER Dativform mit PDM Typenbildung EURER eure, euere, euchere, üchere, ücherer, üärä, eiwär, öicher, eiwer, ihrär o. ä. IN / AN i, a 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) 2399 Mal an 380 Orten wird die Variante eurer präferiert. Der einfache Dativ kommt mit Ausnahme von Buochs NW, Muotathal SZ, Elm GL im gesamten Untersuchungsgebiet vor. Nur Einzelnennungen gibt es in Siglistorf AG, Jaun FR, Aesch, Escholzmatt LU, Menzingen, Rotkreuz ZG, Einsiedeln, Oberiberg SZ. Der einfache Dativ wird 2645 Mal an allen 383 Ortspunkten akzeptiert. Beispiele: I ha euchere Chatz aber nüt gää! Metzerlen SO, Ich han euere Chatz aber na nie öppis ggää! Meilen ZH, Ich ha euere Chatz nüüt gii Buchberg SH, I ha euere Chatz nütz gee Appenzell AI, Ich ha eiwer Chatz nie eppis gä Agarn VS. b) 526 Mal wird an 174 Orten eine Variante mit Präpositionaler Dativmarkierung präferiert, vor allem in FR, AG, SH, der Zentralschweiz und GL, bis nach SG und AR auslaufend. Sie wird an 47 Orten, v. a. in der Zentralschweiz, AG und GL, mehrheitlich präferiert, an 3 Orten sogar ausschliesslich, vgl. 3 a. Auffällig ist wiederum das praktisch völlige Fehlen in VS, GR und grossen Teilen von BE und ZH sowie im St. Galler Rheintal. Es treten nur die beiden vorgegebenen Schreibformen des Dativmarkers auf, zur geographischen Verbreitung vgl. ► Beikarte (S. 60) und 7 b. Dativmarker Anzahl Antworten und Orte i 328 Mal an 112 Orten a 200 Mal an 77 Orten 2 Gewährspersonen präferieren die Varianten i und a nebeneinander (Mosnang SG, Brunnen SZ). Die Varianten mit PDM werden mit 938 Mal an 276 Orten weitaus häufiger akzeptiert als präferiert, vgl. ► Akzeptanzkarte (S. 59) (68 Mal nebeneinander akzeptiert): a wird 478 Mal an 188 Orten und i 528 Mal an 1.3 Präpositionale Dativmarkierung (PDM) 113 159 Orten akzeptiert. Das Verbreitungsgebiet reicht im Gegensatz zur präferierten Variante weiter Richtung Osten, und PDM wird zudem auch in BE akzeptiert. Beispiele: Ii han i euchere Chatz aber nüüt gää Brugg AG, Ech ha aber i euchere Chatz nüd gää Sempach LU - Ich haa a euerer Chatz aber nüt gii Quarten SG, Ich ha a ihrär Chatz abär niid ggä! Alpnach OW. c) Intrapersonelle Variation: präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte EURER und IN / AN EURER 21 Personen an 21 Orten (mit i: Nunningen SO, Unterstammheim ZH, Buchberg, Schaffhausen SH, Mosnang SG, Dagmersellen, Flühli, Römerswil, Schüpfheim, Sursee LU; mit a: Liesberg BL, Aarburg AG, Quarten SG, Urnäsch AR, Sarnen OW, Küssnacht SZ, Gurtnellen, Maderanertal UR, Engi GL; mit a und i: Mosnang SG, Brunnen SZ) 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ [3 b (mit a/ i)] hört man aber “ , Gelterkinden BL. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ [3 a] jetzt so, [3 b (mit i)] als Kind gesagt “ , Stein AG. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 a] - „ [Welche Variante ist für Sie die natürlichste? ] Nr. [3 a], auch Nr. [3 b (mit i)] wäre möglich “ , Villigen AG. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 a] - „ Ich han euere Chatz sicher nüt ggää. ‚ aber ‘ , sag ich selten! “ , Bauma ZH. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ [3 a] ( Je nach Stellung zu den Nachbarn) “ , Bülach ZH. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ [3 a] eventuell “ , Bibern SH. [GP akzeptiert und präferiert 3 b] - „ Variante [3 b (mit a)] mit eingeschobenem ‚ a ‘ ist zwar grundsätzlich möglich, es dürfen aber nicht 2 Vokale zusammentreffen. ‚ Ich han am Peter nüt gsait. ‘“ , Frauenfeld TG. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ [3 b (mit a)] (auch möglich) “ , St. Gallen SG. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 a] - „ [3 b (mit a)] Luzärner Dialekt “ , Thun BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ Die Varianten [3 b (mit a)] und [3 b (mit i)] hörte ich schon von Mitschülern ab 1936, empfand das aber stets als etwas ‚ fremd ‘ ) “ , Wengi BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ Nr. [3 a] und [3 b (mit i)] scheinen mir gleichwertig “ , Dagmersellen LU. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ [3 a] und [3 b (mit i)] sind gleich oft gebräuchlich “ , Sursee LU. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ Anmerkung: [3 b (mit a)] und [3 b (mit i)] mit den Partikeln a und i würde ich eher verwenden, wenn nachher ein Konsonant folgt. Bsp: Ich ha a diinärä Chatz, Ich ha i diinärä Chatz “ , Alpnach OW. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 a] 114 1 Nominalphrase - „ [3 b (mit a)] zunehmend “ , Sarnen OW. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ [3 b (mit a)] betonte Form, dann aber eher: A yycheré Chatz …“ , Altdorf UR. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] 5. Weitere Varianten keine 6. Unbrauchbare Antworten a) 15 Mal wird einzig ein Verb mit Akkusativ präferiert, 12 Mal ‚ füttern ‘ (i han euri Chatz sicher nid gfuatart Churwalden GR), einmal ‚ sehen ‘ (I ha eueri Chatz no gar nid gsee! Ermatingen TG) und 2 Mal ‚ hirten ‘ (i hirten ewi Chatz nid! Gadmen BE). b) Einmal ist als einzige Antwort der Satz mit einem Personalpronomen (ohne PDM) umformuliert. 7. Weitere Bemerkungen a) Die drei Varianten wurden gegenüber I.7 und I.20 wiederum in einer veränderten Reihenfolge vorgegeben, I.7: a, i, einfacher Dativ, I.20: einfacher Dativ, i, a, II.12: einfacher Dativ, a, i. Die Voranstellung der reinen Dativform in II.12 führt zu Ergebnissen, die mit denen von Frage I.20 vergleichbar sind. Auffällig ist, dass die Präferenz von i etwa derjenigen von Frage I.7 entspricht, wo i ebenfalls nach a positioniert war, während die Präferenz von a durch 200 Gewährspersonen deutlich hinter dem Anteil in den beiden Fragen I.7 und I.20 zurückliegt. Neben derAnordnung der Varianten ist aber zu bedenken, dass weitere Faktoren zwischen den Fragen variieren, zum einen die Betonung des Dativs, zum anderen die Wortart sowie der Anlaut der auf die PDM folgenden Dativformen, die möglicherweise einen Einfluss auf die Präferenz der PDM bzw. einzelner Varianten ausüben. Davon abgesehen ist bei einem Vergleich der Ergebnisse der PDM-Fragen auch zu bedenken, dass die Gesamtzahl der Antworten beim 2. Fragebogen niedriger liegt. b) Die geographische Verbreitung der verschiedenen Dativmarker ist auf der ► Beikarte (S. 60) ersichtlich: Die vorgegebene Schreibung i wird, ähnlich wie bei den anderen Ankreuzfragen, v. a. von SO über LU, AG bis SH sowie in FR präferiert, die vorgegebene Schreibung a, v. a. von OW bis AR, punktuell bis ZH und TG sowie im Oberaargau (BE). Östlich von LU gibt es eine Zone, in der mehrere Orte mit beiden Varianten auftreten. Anders als bei den anderen Ankreuzfragen werden bei der vorliegenden Frage keine zusätzlichen lautlichen/ graphischen Varianten genannt. c) Beim Vergleich mit den Ankreuzfragen I.7 und I.20 zeigt sich grundsätzlich eine ähnliche Verteilung der PDM. Es liegen zwar weniger Präferenznennungen vor, aber die Zahl der Orte liegt zwischen I.7 und I.20. Eine geringere Zahl an Präferenzen könnte mit dem vokalischen Anlaut in II.12 zusammenhängen, aber auch mit der Nicht-Fokussierung der Nominalphrase, vgl. generell zu diesen Faktoren Seiler (2003: 160 - 161, 164 - 166) sowie die Bemerkungen einiger Gewährspersonen, vgl. oben 4. d) Gegenüber der eingeschränkt vorkommenden intrapersonellen Variation bei der Angabe der präferierten Variante (vgl. 3 c) fällt die deutlich höhere Anzahl bei der Akzeptanz auf. Innerhalb der drei auf dem Fragebogen vorgegebenen Varianten werden folgende Kombinationen gemeinsam akzeptiert: 311 Mal an eurer mit eurer (vor allem in ZH, TG, SG, BE, SZ, UR, GL), 309 Mal in eurer mit eurer (vor allem in SO, AG, ZH, SH, TG, LU) und 9 Mal an eurer und in eurer (in OW, ZG, SZ, GL). Alle drei Varianten werden 59 Mal akzeptiert (vor allem in AG, ZH, SG, SZ). e) Kachro (2006: 176 - 180) ermittelt für den Wenkersatz 9, der ebenfalls eine mit vokalisch anlautendem Possessivpronomen erweiterte Nominalgruppe enthält, eine starke räumliche Konzentration der PDM auf Luzern (Kachro 2006: Karte 31). Die Nominalgruppe in Wenkersatz 9 ist eher fokussiert interpretierbar, als das bei II.12 der Fall ist. 1.3 Präpositionale Dativmarkierung (PDM) 115 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS vgl. I.7. Literatur Kachro 2006 ▪ Seiler 2003 Bezug auf SADS-Material Glaser & Frey 2007: 3 1.3.5 PDM: Die Ergebnisse im Vergleich Fragen I.2, I.7, I.20, II.12 sowie Zusatzmaterial Im Folgenden wird zunächst ein Vergleich der Ergebnisse aus den vier zur Präpositionalen Dativmarkierung gestellten Fragen durchgeführt. Anschliessend wird das vorhandene Spontanmaterial aus anderen Fragen des SADS besprochen und, soweit nicht in den Einzelkommentaren integriert, ergänzt. 1. Hauptmaterial Zum Phänomen der Präpositionalen Dativmarkierung wurden die vier Fragen I.2, I.7, I.20 und II.12 gestellt, deren Resultate im folgenden nochmals im Vergleich zusammengestellt werden. Dazu wurde eine ► Vergleichskarte 1 (S. 61) zum Vorkommen der Markierung in den vier Fragen, ohne Berücksichtigung der konkreten Lautung, erstellt. Die folgende Zusammenstellung zeigt die quantitativen Unterschiede der PDM- Nennungen bei den präferierten Antworten im Überblick: Frage Anzahl Antworten und Orte Total brauchbare Antworten % PDM I.2 (Ü) 338 Mal an 123 Orten 3185 Antworten 10.6 I.7 (A) 645 Mal an 194 Orten 3184 Antworten 20.6 I.20 (A) 802 Mal an 163 Orten 3185 Antworten 25.2 II.12 (A) 526 Mal an 174 Orten 2920 Antworten 18 Während die Übersetzungsfrage I.2 bei einem Interrogativpronomen klar die geringste Menge PDM hervorgerufen hat, liegt die höchste Zahl bei der Ankreuzfrage I.20 mit kontrastivem Fokus auf einem Personalpronomen vor. Umgekehrt gibt es hier auch die höchste Zahl an Orten (22), an denen der reine Dativ von niemandem präferiert wurde, vgl. 1.3.3, 3 b. ► Vergleichskarte 1 (S. 61) zeigt, bei wie vielen Fragen pro Ort PDM präferiert wurde, ohne die Häufigkeit der Präferenz am Ort (abgesehen von der Angabe blosser Einzelnennungen) zu berücksichtigen. Auffällig ist, dass es sich an den Orten mit Einzelnennungen bei einer Frage häufig um PDM aus Frage I.7 mit erweiterter Nominalphrase handelt, was mit Angaben der Sekundärliteratur insofern übereinstimmen könnte, als dort PDM bei Nominalphrasen häufiger als bei Pronomina bezeugt ist, vgl. Seiler (2003: 73 - 74). Allerdings ermittelt Seiler gerade für das attributive Possessivpronomen, wie es in I.7 ja vorliegt, eher niedrige Werte (2003: 69, 73 - 74). Die höchsten Werte ermittelt Seiler bei der Nominalphrase mit bestimmtem Artikel, wozu im SADS keine Frage gestellt wurde. Bezüglich der von Seiler bemerkten regionalen Unterschiede die Wortarten betreffend ist das Bild in ► Vergleichskarte 1 (S. 61) nicht so eindeutig. Bei der Bewertung der Quantitäten bei den einzelnen Fragen ist grundsätzlich auch zu berücksichtigen, dass beim 2. Fragebogen (also auch bei II.12) insgesamt weniger Personen teilgenommen haben, vgl. 1.3.4, 7 a. Der Prozentsatz an PDM ist aber bei dieser ein Possessivpronomen enthaltenden Frage ähnlich wie bei der strukturell ähnlichen Frage I.7. Zum Vergleich von Übersetzungsfrage und Ankreuzfrage im SADS vgl. auch Seiler (2010: 522, mit leicht abweichenden Zahlen). Die ► Vergleichskarte 1 (S. 61) zeigt auch, dass, wenn an einem Ort PDM bei I.2, also beim Interrogativpronomen, belegt ist, es mindestens eine weitere Frage gibt, bei der ebenfalls PDM aufgetreten ist. 116 1 Nominalphrase Die Auswertung der insgesamt vier Fragen zeigt deutliche Übereinstimmungen im räumlichen Vorkommen der PDM. Kerngebiete mit Orten, an denen ausschliesslich PDM präferiert wird, liegen in der Zentralschweiz. Muotathal SZ weist sogar bei allen vier Fragen ausschliesslich PDM-Präferenz auf. Umgekehrt sind einige Regionen übereinstimmend als PDM-frei erkennbar, wie das St. Galler Rheintal, AI, BS sowie weitgehend VS, GR und grosse Teile der Kantone BL, BE und ZH. Auch in der sonstigen Nordostschweiz finden sich weniger PDM-Belege. Das Freiburger PDM-Gebiet ist deutlich vom Rest abgetrennt. Der sprachgeographische Befund deckt sich insgesamt mit den Ergebnissen bei Seiler (2003: 55 - 87) sowie mit der Auswertung der Schweizer Wenkersätze bei Kachro (2006: 183 - 184). Die Auswertung der Wenkersätze 9, 17 und 21 zeigt konsequente PDM-Markierung in zahlreichen Luzerner Ortspunkten (Kachro 2006: 180 - 183). Im Vergleich mit älterer Literatur, z. B. Binz (1888: 32) zu BS, lässt sich im Nordwesten ein Rückgang erkennen, vgl. Seiler (2003: 77 - 79). Bezüglich der konkreten Form der Markierung zeigt sich ebenfalls bei allen Fragen, dass der Typ i, was die Nennungen selbst angeht, am häufigsten gebraucht wird, wobei das, ausser bei Frage I.7, auch für die betroffenen Ortspunkte gilt. Dafür sind bei dieser Frage die zahlreichen verstreuten Einzelnennungen des a- Typs verantwortlich. Den beiden Hauptmarkierungen i und a gegenüber spielen die vereinzelt genannten anderen Schreibungen bei den Ankreuzfragen nur eine marginale Rolle. Bei der Übersetzungsfrage zeigt sich allerdings, dass die Gewährspersonen spontan in etwas grösserem Umfang zu ä- oder e-Schreibungen greifen, was sich auch im Zusatzmaterial zeigt, vgl. I.2, I.7, I.20 jeweils unter 8. Zur geographischen Verteilung der Schreibungen vgl. man die ► Vergleichskarte 2 (S. 62). Die i-Schreibung bildet meist ein kompaktes Areal von LU bis SH und SZ, das, wenn SO an PDM teilnimmt, bereits dort beginnt, wobei das Fragepronomen (I.2) dann in diesen westlichen Ausläufern von PDM fehlt. Die a-Schreibung erscheint recht kompakt von OW bis GL, mit Ausläufern über SG bis AR, aber auch regelmässig im Umkreis des Oberaargaus, wodurch zwei getrennte Areale entstehen. Falls PDM bis ZH und TG belegt ist, erfolgt die Markierung ebenfalls vorwiegend mit der a-Graphie, wobei hier, wie auch bei den Einzelnennungen in BE, v. a. die Nominalphrase betroffen ist. Im Kanton FR zeigt sich dominierend die i-Schreibung, im nördlichen Teil aber auch der a-Typ. Zu den nicht suggerierten Schreibungen ä, e, u vergleiche man insbesondere die Übersetzungsfrage I.2, aus der die Mehrzahl der Nennungen stammt, sowie das jeweilige Zusatzmaterial zu den Einzelfragen. Die Schreibung ä findet sich stets im Umkreis von GL, während e-Schreibungen sowohl im östlichen als auch im westlichen Teil des PDM-Gebiets vereinzelt auftreten und teilweise sicher als Varianten der i-Schreibung aufgefasst werden können, vgl. dazu I.7, 7 a. Die Schreibformen des Dativmarkers sind in der folgenden Tabelle über alle vier Fragen hinweg (I.2, I.7, I.20, II.12) zusammengefasst: Dativmarker Anzahl Antworten und Orte i, ih 1303 Mal an 134 Orten a, ah 932 Mal an 138 Orten ä 58 Mal an 17 Orten (v. a. GL) e 19 Mal an 18 Orten (verstreut) u 2 Mal in Amden SG 2. Zusatzmaterial 2.1 Thematisch zum Hauptmaterial Neben den Antworten auf die vier eigens zu PDM gestellten Fragen liegt reichhaltiges Spontanmaterial aus Fragen zu anderen Themen vor, das teilweise bereits bei den Einzelkommentaren (I.2, I.7, I.20) angeführt wurde, insofern es sich um vergleichbare grammatische Konstellationen handelt. Das gilt für Frage I.7, bei der Material aus Possessivfragen zu einer femininen Nominalphrase, zu Rufnamen sowie zu Relativsätzen verglichen werden kann (II.23, IV.27, IV.33, II.2, II.18), ebenso für I.20 mit weiterem Material aus Fragen zum Possessiv, zu Relativsätzen und zu Personalpronomina (IV. 29, III.4, II.2, II.18, IV.3, IV.8, III.7, IV.31) sowie Frage I.2 mit Zusatzmaterial aus III.3 zum Fragepronomen und IV.26 zu verschränkten Fragesätzen mit Fragepronomen. Bei Frage II.12, die ebenso wie I.7 eine feminine Nominalphrase enthält, ist kein Zusatzmaterial angegeben, da dieses mit demjenigen von I.7 identisch wäre. 1.3 Präpositionale Dativmarkierung (PDM) 117 Da bei diesen zusätzlichen Materialien nur teilweise Dativphrasen im Gesamtraum auftreten und PDM also auch nur eingeschränkt auftreten kann, lassen sich folglich auch nur mit Vorbehalt Aussagen bezüglich der Quantität der Präpositionalen Dativmarkierung machen. Grundsätzlich lässt sich aber die starke räumliche Verankerung in der Zentralschweiz und anschliessend in GL und AG sowie in SH erkennen. Ebenso bestätigt sich grundsätzlich das Fehlen von PDM in VS, BS, BL, GR, dem grössten Teil von BE sowie TG, AI und im St. Galler Rheintal. Auch die räumliche Verteilung des i- und a-Typs zeigt sich prinzipiell übereinstimmend, und auch die ä-Schreibung tritt immer wieder v. a. in GL auf. Bemerkenswert ist, dass in einigen Fällen im Zusatzmaterial trotz umfangreicher Bezeugung insgesamt das westliche a-Gebiet praktisch nicht erscheint, vgl. I.7, 8. Das könnte auf einen Rückgang von PDM in diesen Gebieten deuten, wie das bereits Seiler (2003: 77 - 78) vermutet. Dazu passt auch, dass Kachro (2006: 183) auf der Basis der Auswertung der Wenkersätze aus den 30er Jahren des 20. Jh. Solothurn zu den PDM-Gebieten zählt. Teilweise sind die Quantitäten pro Frage im Zusatzmaterial aber so gering, dass zwar die räumliche Verteilung der präpositionalen Markierungen grundsätzlich erkennbar ist, aber das konkrete Auftreten oder Fehlen nicht überinterpretiert werden darf. Die Verhältnisse sind auf der ► Vergleichskarte 3 (S. 63) dargestellt. Zu PDM bei Possessivfragen finden sich Einzelkarten in Bart (2020). 2.2 Weiteres Zusatzmaterial Grundsätzlich lassen sich noch einzelne Vorkommen von PDM aus zwei weiteren Fragen hinzufügen, bei denen Pronomina im Dativ vorliegen. Es geht um Fragen zu Relativsätzen, in denen ein Teil der Gewährspersonen Relativpronomina im Dativ verwendet hat. In Frage II.2 handelt es sich um ein feminines Relativpronomen, vgl. 5.2.2, in Frage II.18 um ein maskulines Relativpronomen, vgl. 5.2.3. Darüber hinaus sind bei diesen beiden Fragen nicht intendierte Hauptsätze mit einer dativischen Nominalphrase (Demonstrativpronomen und Substantiv, Sg.F. bzw. Sg.M.) oder Pronomina im Dativ aufgetreten. Erwartungsgemäss erscheinen unter den Antworten mit Relativpronomen und in den Hauptsätzen einzelne Varianten in der Innerschweiz und GL auch mit PDM. Die Nominalphrasen aufweisenden Antworten sind bei Frage I.7, 8 behandelt, die Pronomina bei I.20, 8. Auch wenn wiederum der Befund aus diesen Zusatzmaterialien quantitativ nicht mit dem Vorkommen bei den Hauptfragen direkt verglichen werden kann, zeigt sich aber im räumlichen Vorkommen eine deutliche Übereinstimmung. Auch in Bezug auf die Schreibungsareale fügt sich das Material in die Gesamtsituation ein, wie sie auf der ► Vergleichskarte 3 (S. 63) zu erkennen ist. a) Frage II.2 (Ü) - D as ist doch die F rau, der ich schon lange das B uch bringen sollte 42 Mal (von 351) wird die Variante der ich mit PDM notiert, vgl. 5.2.2, 3.1 b: Dativmarker Anzahl Antworten und Orte a 20 Mal an 16 Orten (je 2 Mal in Brunnen SZ, Göschenen, Gurtnellen UR, Näfels GL, je einmal in Illnau ZH, Ebnat-Kappel SG, Niederbipp BE, Wolfenschiessen NW, Lungern OW, Muotathal, Oberiberg SZ, Isenthal UR, Elm, Engi, Linthal, Schwanden GL) i 17 Mal an 15 Orten (3 Mal in Bibern SH, je einmal in Birmenstorf, Wegenstetten AG, Eschenbach, Mosnang SG, Freiburg, Jaun FR, Aesch, Luzern, Ruswil, Sempach LU, Buochs, Stans NW, Einsiedeln, Küssnacht SZ) ä 4 Mal an 4 Orten (Elm, Glarus, Linthal, Schwanden GL) e Einmal in Kirchleerau AG Beispiele: … diä Frau, a der ich schu lang z ’ Buäch bringä sötti Linthal GL - … d Frau, i dere ech scho lang d ’ Buech brenge söd Aesch LU - … diä Frau, ä däner ich schu lang das Buäch zruggbringä söt Linthal GL - … diee Frou, e dere ii scho lang hätt söuwe das Buech brenge Kirchleerau AG. 118 1 Nominalphrase 7 Mal (von 57) wird die Variante der wo ich mit PDM notiert, vgl. 5.2.2, 3.1 c: Dativmarker Anzahl Antworten und Orte i 4 Mal an 4 Orten (Solothurn SO, Aesch, Dagmersellen, Entlebuch LU) a 2 Mal in Muotathal SZ e Einmal in Lupfig AG Beispiele: … die Frou, i dere wo ech scho lang s ’ Buche set brenge Dagmersellen LU - … diä Frau, a derä won ich scho lang s Buech hätt söllä bringe Muotathal SZ - … die Frau, e dere woni scho lang set s ’ Buech brenge Lupfig AG. b) Frage II.18 (A) - D as ist der M ann, dem ich den W eg gezeigt habe Bei dieser Ankreuzfrage haben einige wenige Gewährspersonen bei den vorgegebenen Varianten mit Relativpronomen bzw. Relativpronomen und Relativpartikel das Pronomen mit PDM erweitert. 8 Mal (von den 380 präferierten Verwendungen eines einfachen Relativpronomens) wird das Relativpronomen mit PDM erweitert, vgl. 5.2.3, 3.1 b: Dativmarker Anzahl Antworten und Orte a 4 Mal an 4 Orten (Wolfenschiessen NW, Engi, Näfels, Schwanden GL) i 3 Mal an 3 Orten (Malters LU, Buochs, Stans NW) ä Einmal in Schwanden GL Beispiele: … dä Ma, a dem ich geschter dr Wäg zeigt ha Wolfenschiessen NW - … de Maa, i dem ich geschter ha de Wääg zeigt Buochs NW - … dra [sic] Maa, ä dem ich gaschter dr Weg zeigt han Schwanden GL. 8 Mal (von den 381 präferierten Nennungen der kombinierten Variante aus Relativpronomen und wo ) wird das Relativpronomen mit PDM erweitert, vgl. 5.2.3, 3.1 c: Dativmarker Anzahl Antworten und Orte i 4 Mal an 4 Orten (Entlebuch, Grosswangen, Horw, Triengen LU) a 3 Mal an 3 Orten (Muotathal SZ, Isenthal, Maderanertal UR) ä Einmal in Mollis GL Beispiele: … dä Maa, i dem woni geschter de Wäag zeigt ha Entlebuch LU - … dr ’ Maa, a dem wo ich geschter dr ’ Wäg zäigt han Isenthal UR - … der Maa, ä dem won ich geschter dr Weg zeiget hä Mollis GL. c) Neben den in den PDM-Kommentaren und dem zugehörigen Zusatzmaterial behandelten Fragen gibt es im Material des SADS noch weitere Sätze, die Dativformen enthalten, z. B. maskuline Substantive mit Artikel. Diese wurden aufgrund ihrer Uneindeutigkeit nicht abgefragt, vgl. 1.3.0. Theoretisch können sich unter den vokalisch anlautenden Artikelformen bei Maskulina und Neutra (em, im, am, äm) ebenso wie bei den dentallos anlautenden Formen bei Feminina (er, ar, är) aber auch Fälle von PDM verbergen. Das kann jedoch nur im Vergleich mit eindeutigen Formen fusionaler Artikel in den jeweiligen Gebieten entschieden werden, vgl. z. B. 1.1.1, 7 f, 1.1.2, 7 e, 1.1.3, 7 g, 1.2.4, 7 b, 1.3.2, 8 c, weshalb sie hier nicht einbezogen werden. Zu weiteren Details insbesondere der einzelnen Schreibformen bei Possessivkonstruktionen vgl. auch die Ausführungen in Bart (2020: 92, 105, 121 - 122, 142). Literatur Bart 2020 ▪ Binz 1888 ▪ Kachro 2006 ▪ Seiler 2003 ▪ 2010 1.3 Präpositionale Dativmarkierung (PDM) 119 2 Pronomina 2.1 Personalpronomen 2.1.1 Personalpronomen (1.Sg., Akk., betont) Frage III.11 (Ü) - A LSO MICH ERWISCHT KEINER ! 1. Kartenthema und Datengrundlage In Frage III.11 wurden die Gewährspersonen gebeten, die standarddeutsche Vorlage in ihren Dialekt zu übersetzen. Die Frage zielte auf die Form des Personalpronomens der 1.Sg. als direktes Objekt in betonter, nicht postpräpositionaler Stellung ab, wie aus dem Kontext ersichtlich. Die ► Hauptkarte (S. 67) zeigt die Verbreitung der Akkusativ- und der regional zu erwartenden Dativform, vgl. Schmutz & Haas (2004: 626) und 7 a. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine total 2803 2793 10 2793 2793 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a MICH Akkusativform 3 b MIR Dativform Typenbildung MICH mich, mech, mi, me, mie, m MIR mier, miär, mir, myyr, mer Einmalig erscheint das Objektpronomen der 2.Sg. (dich), vgl. 3 a. 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) 2723 Mal an 376 Orten wird die Variante mich übersetzt. An 7 Orten in FR kommt diese Form nicht vor. Im Vorkommensgebiet tritt mich meist als einzige Variante auf. Beispiele: Mich verwütscht cheine. Brugg, Also mech verwütsch keine Lupfig AG, Mich vewütschäts nöd! Rümlang ZH, Mi verwüscht kann! Romanshorn TG, M [sic] verwütscht e kenn! Haslen AI, Mie vewöescht neimer! Düdingen, Mich verwütscht kene Freiburg FR, Auso mi verwütscht keine Wangen a. A. BE, Dich erwitschits de scho einisch gliobsch numä Giswil, Also mich verwitschd (ä) keinä! Sarnen OW, Aso mich vewütscht ä keinä Obstalden GL, Mich arwüscht keina Avers GR, Mich erwitschut keine St. Niklaus VS. b) 70 Mal wird an insgesamt 13 Orten die Variante mir übersetzt. Sie tritt im Kanton FR an 7 Orten als einzige Variante auf und an 4 Orten neben einer Einzelnennung der Variante mich . Daneben gibt es verstreute Einzelnennungen in Stüsslingen SO, Kaisten AG, Urdorf ZH. Beispiele: Auso mer ferwötscht keine! Stüsslingen SO, Aso mer verwötsch keine! Kaisten AG, Also mir verwütsched ’ s nöd Urdorf ZH, Mier verwüscht a kina! Düdingen, Auso mier ferwütscht a kina Freiburg, Mir verwütsche si nit Schwarzsee, I glibe nit dass si mier erwütsche Plaffeien, As het mir no nie öpper verwüscht Ueberstorf FR. 4. Bemerkungen der Gewährspersonen keine 5. Weitere Varianten keine 2.1 Personalpronomen 123 6. Unbrauchbare Antworten a) 4 Mal wird das Objektpronomen mich wohl unbetont konstruiert: Ich lah mi halt nüd verwütsche Benken SG, Si verwütsche mi nit Jaun FR, Diä verwütschä mich nümä! Mollis GL, Ii lan mi nit ärwüschä Davos GR. b) 4 Mal wird eine andere Konstruktion gewählt bzw. eine inhaltlich andere Antwort gegeben. c) 2 Mal wird der vorgegebene Satz hochdeutsch übersetzt. 7. Weitere Bemerkungen a) Henzen (1927: 196) erwähnt für sein Freiburger Untersuchungsgebiet (Sense- und südöstlicher Seebezirk) den Kasuszusammenfall bei den Personalpronomina der 1. und 2.Sg. (sowie der 3.Sg.M., 1927: 197) in der Dativform in „ starktoniger Verwendung “ , vgl. auch Schmutz & Haas (2004: 626). Dativform für Akkusativ ist auch im SDS (III: 198, Anm. II, mit Bezug auf Henzen 1927) bei den Pronomina der 1. und 2.Sg. in enklitischer Stellung für 11 Orte (SDS-Orte 3 - 13, Sensegebiet, Gurmels, Freiburg FR) erwähnt, ohne jedoch auf bestimmte SDS-Fragen Bezug zu nehmen. Stucki (1917: 280) führt den Zusammenfall ebenfalls für Jaun FR an, betont und unbetont und als älteren Gebrauch. Ohne Kommentar führt er im schwachtonigen Paradigma auch Akkusativformen auf. Das Auftreten der mich -Variante in wohl unbetontem Kontext (vgl. 6 a) in Jaun wäre jedenfalls mit einer Abhängigkeit von der Betonung kompatibel. Buchs (2014: 43) führt aber weder betont noch unbetont eigene Akkusativformen für Jaun FR an. Der SDS (III: 198, Anm. II) gibt Sprachkontakt mit dem Französischen oder Analogie zu den Pluralpronomina als mögliche Ursachen für den Zusammenfall an. b) Bucheli Berger (2010) behandelt auf der Basis der SADS-Daten aus dem Sensebezirk das Phänomen des Wechsels der Kasusform vom Akkusativ zum Dativ und den Zusammenhang mit der Betonung. Sie erwähnt (2010: 73) auch die vorliegende Frage III.11, behandelt sie aber nicht. Unter Heranziehung weiterer Quellen bestätigt sie das Vorkommen des Phänomens ‚ Dativ für Akkusativ ‘ bei betonten Pronomina der 1. und 2.Sg. sowie der 3.Sg.M. c) Im Gegensatz zur Präpositionalkonstruktion bei Frage III.4 gilt die Akkusativ-Variante hier in VS durchgehend als einzige Variante, entsprechend Frage III.10 zum nicht eindeutig betonten Pronomen. d) Da der Zusammenfall die ersten beiden Personen gleich betrifft, ist auch ein von der Vorgabe abweichender Fall mit einem Pronomen der 2.Sg. oben einbezogen, s. 2 und 3 a. Literatur Bucheli Berger 2010 ▪ Buchs 2014 ▪ Henzen 1927 ▪ Schmutz & Haas 2004 ▪ SDS III ▪ Stucki 1917 2.1.2 Personalpronomen (2.Sg., Akk. nach Präposition, betont) Frage III.4 (Ü) - D IE SIND NICHT FÜR DICH ! 1. Kartenthema und Datengrundlage In Frage III.4 wurden die Gewährspersonen gebeten, den standarddeutsch vorgegebenen Satz, der sich auf die im Kontext genannten Blumen bezieht, in ihren Dialekt zu übersetzen. Die Aufgabe zielte auf die Form des Personalpronomens der 2.Sg. im Akkusativ in betonter Stellung nach Präposition. Die ► Hauptkarte (S. 68) zeigt die Verbreitung der Akkusativform und der Dativform. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine total 2801 2780 21 2780 2780 124 2 Pronomina 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a FÜR DICH Akkusativform 3 b FÜR DIR Dativform Typenbildung FÜR DICH dich, di, dii FÜR DIR dir, dier, diär, dieär, dyr, dyyr 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) 2703 Mal wird an 374 Orten die Variante für dich übersetzt (nicht an 9 Orten in FR). Im Vorkommensgebiet ist sie fast überall die einzige Variante vor Ort ausser in Freiburg FR, Guggisberg BE und im unteren Teil des Oberwallis (Agarn, Inden, Salgesch VS), vgl. 3 b. Beispiele: Sicher nitt für Dii Aesch BL, Die sind nid für di! Möhlin AG, Di sind nöd für dich! Bülach ZH, Dia siand nüd für di Diepoldsau SG, Die si nit für di! Freiburg FR, Die sii emel nid fir Dii Mürren BE, Die sind nid für dich Küssnacht SZ, Die sind nit fer dich! Fiesch VS. b) 77 Mal an 14 Orten wird die Variante für dir angegeben. Im Kanton FR gilt ausser in Murten (keine Nennung) und einer Einzelnennung in Freiburg nur die Dativ-Variante. Zudem erscheint sie als Einzelnennung in Guggisberg im angrenzenden Kanton BE sowie im unteren Oberwallis als Einzelnennung in Agarn VS und bei 3 von 6 Gewährspersonen in Salgesch bzw. 2 von 4 in Inden VS. Beispiele: Di si nid für dir! Düdingen, Di si nit fü dier! Freiburg, Di sy nit für dier! Jaun, Müeter si si nit für Dier, ganz für eper ander Plaffeien, Di Meie si ganz sicher nit für Dir Ueberstorf FR, Die si nid für dier Guggisberg BE, Di sind nit fär diär Agarn, Die sind nit vär dier Inden, Di sind nid vär dieär! Salgesch VS. 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ Si send ned för De. För de send sie ned (aggressiv). “ , Aarburg AG. 5. Weitere Varianten keine 6. Unbrauchbare Antworten a) In 2 Antworten werden das Pronomen der 2. Sg. durch ‚ jemand anderen ’ ersetzt: Die sind für öpper ander! Sennwald SG, Die sind fer schwels andersch Betten VS. b) 10 Mal werden prädikative Possessivkonstruktionen mit ‚ sein ‘ oder ‚ gehören ‘ und Dativ übersetzt (manchmal mit präpositionaler Markierung a/ ä/ i): Die sind nöd diir Illnau, Die sind nüd dir Regensberg ZH, Die sind nid i Dir Gächlingen SH, Die sind nüd i dier Tuggen SZ, Nüd ä Dir! Glarus, Diä sind nüd ä diär Luchsingen, De sind nüd a dir! Schwanden GL - Dù ghöred nid Dir Kaiserstuhl, Die g ’ höret nöd der Siglistorf AG, Die kehrunt nijt mier Visperterminen VS. c) In 2 Antworten mit dem Verb ‚ bekommen ‘ erscheint die 2.Sg. als Subjekt: Die chunst nit über Elfingen AG, Die chunscht Du nid über Flaach ZH. d) 6 Mal erfolgen inhaltlich gänzlich andere Übersetzungen. e) Einmal wird in Mümliswil SO mit der Antwort dito auf die hochdeutsche Vorlage Bezug genommen. 7. Weitere Bemerkungen a) Zum Gebrauch pronominaler Dativformen im Akkusativ v. a. der 1. und 2.Sg. vgl. die Ausführungen bei Frage III.11, 7 a. 2.1 Personalpronomen 125 b) Für den Gebrauch der Dativform für Akkusativ führt Stucki (1917: 280) aus Jaun auch ein Beispiel nach Präposition an. Henzen (1927: 196) erwähnt unbetonte Dativformen für Akkusativ „ im älteren Sprachgebrauch “ in postpräpositionaler Stellung. Auffällig ist, dass im Unterschied zu den Fragen III.11 und III.10 nach reinen Kasusformen bei der vorliegenden Frage auch im Wallis Dativformen auftreten. c) Bucheli Berger (2010: 77) äussert auf der Basis älterer Literatur und der Auswertung der SADS-Daten aus dem Sensegebiet, wo nur eine ältere Gewährsperson eine Akkusativform übersetzt, die Vermutung, dass die Dativformen in betontem postpräpositionalem Kontext eine Neuerung sein könnten, die auch auf das angrenzende Guggisberg BE übergegriffen hätte. Literatur Bucheli Berger 2010 ▪ Henzen 1927 ▪ Stucki 1917 Bezug auf SADS-Material Bucheli Berger 2010: 73, 77 ▪ 2010: 82 Ⓚ 2.1.3 Personalpronomen (2.Sg., Akkusativ, nicht eindeutig betont) Frage III.10 (Ü) - W ENN SIE DICH ERWISCHEN , BEKOMMST DU DEN F AHRAUSWEIS ENTZOGEN ! 1. Kartenthema und Datengrundlage In der Frage III.10 wurden die Gewährspersonen gebeten, den vorgelegten standarddeutschen Satz, der im Hauptsatz ein bekommen-Passiv enthält, worauf die Frage ursprünglich ausgerichtet war, in ihren Dialekt zu übersetzen. Da der vorgegebene Nebensatz ein Pronomen der 2.Sg. als direktes Objekt enthält, können die Übersetzungen auch hinsichtlich der Form dieses Pronomens ausgewertet werden. Der Kontext ist sowohl mit einem betonten als auch einem unbetonten Pronomen als Objekt verträglich. Die ► Hauptkarte (S. 69) zeigt die Verbreitung der Dativ- und der Akkusativform. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine total 2794 2776 18 2776 2776 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a DICH Akkusativform 3 b DIR Dativform Typenbildung DICH dii, di, dy, de, dee, dig, dich DIR dier, dir, dir, dyyr, dyr, der Einmal wird ein Hauptsatz mit ‚ lassen ‘ gebildet, vgl. 3 a. 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) 2748 Mal an allen 383 Orten des Erhebungsgebiets wird die Akkusativform dich übersetzt. Im Kanton FR tritt die Variante ausser in Murten, wo sie die einzige Variante ist, an 10 Orten immer neben der Dativ- Variante auf. Die Variante dich ist ausser an 3 Orten in FR überall mehrheitlich, vgl. 3 b. Beispiele: Wenn di Di verwütsche … Gelterkinden BL, Wenn si di verwütsche … Möhlin AG, … , venn s ’ di verwütsched Sitterdorf TG, Wenn ’ s di vewötschät … Krinau SG, We si di verwütsche … Busswil b. B. BE, 126 2 Pronomina Wennsch Di erwüschen … Davos Monstein GR, Wesch di färwitschund … Agarn, Lach di nit la erwische Reckingen VS. b) 28 Mal wird an 10 Orten in FR (ausser Murten) die Dativ-Variante dir übersetzt. Sie kommt immer neben der Akkusativ-Variante am Ort vor und ist nur an drei Orten mehrheitlich (Gurmels, Freiburg, Tafers FR). Beispiele: We si dier verwütsche … Giffers, We si dir verwütsche … Gurmels FR. 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ [zu 3 a] ‚ dich ‘ wenn die Person betont wird! Wänns di vertwütsched … (ist besser! ) “ , Bülach ZH. [GP notiert 3 a] 5. Weitere Varianten keine 6. Unbrauchbare Antworten a) 13 Mal wird im Nebensatz eine Passivkonstruktion mit der 2.Sg. als Subjekt übersetzt (davon 3 Mal in FR mit dem Hilfsverb ‚ kommen ‘ ): Wenn du aber verwütscht wirscht … Buckten BL, We du verwütscht chunsch … Heitenried FR, Wennt erwütscht wirsch … Glarus GL. b) 5 Mal wird eine andersartige Konstruktion übersetzt. 7. Weitere Bemerkungen a) Zum Gebrauch pronominaler Dativformen im Akkusativ v. a. der 1. und 2.Sg. vgl. die Ausführungen mit weiterer Literatur bei Frage III.11, 7 a. b) Auch bei dieser Frage zeigt sich die Konzentration der Dativform auf FR, allerdings quantitativ wesentlich weniger ausgeprägt als bei der Frage III.11, bei der das Pronomen der 1.Sg. intendiert betont ist, was auch für den postpräpositionalen Gebrauch in III.4 gilt. Bei der vorliegenden Frage kann nicht über einen Zusammenhang zwischen Betonung und Kasusform entschieden werden, da unklar ist, auf welchen Betonungstyp die Gewährspersonen sich bei ihrer schriftlichen Antwort beziehen. c) Bei Bucheli Berger (2010: 73) wird im Zusammenhang ihrer Untersuchungen zu pronominalen Kasusformen die SADS-Frage III.10 zwar erwähnt, aber nicht behandelt. Literatur Bucheli Berger 2010 2.1.4 Personalpronomen (3.Sg.M., prädikativ, unbetont) Frage IV.17 (A) - D OCH , DAS IST ER SICHER GEWESEN ! 1. Kartenthema und Datengrundlage In derAnkreuzfrage IV.17 geht es um die Form des unbetonten Personalpronomens der 3. Sg. M. in prädikativer Stellung. Die Unbetontheit sollte im gegebenen Kontext durch die Stellung zwischen finitem Verb und (betontem) Adverb gesichert werden. Die Gewährspersonen wurden gebeten, zwei vorgegebene Varianten zu beurteilen, zum einen mit dem Personalpronomen in Akkusativform, zum anderen in Nominativform, was beides für schweizerdeutsche Dialekte zu erwarten war (vgl. Hodler 1969: 193, 357 - 361 zum Prädikativum im Berndeutschen sowie Suter 1992: 125 zu Basel; vgl. auch Id. 12: 210, 16: 1063 zur 1. und 2. Person). Die ► Hauptkarte (S. 70) bildet die Verteilung der Präferenz der beiden vorgegebenen Varianten ab. Zusätzlich werden von den Gewährspersonen notierte und präferierte Schreibungen, die den beiden Kasusformen nicht eindeutig zuzuordnen sind, kartiert. Zur Interpretation der Betontheit vgl. 6 a und 7 a. 2.1 Personalpronomen 127 Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 2776 2761 15 2744 17 2778 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a IHN Akkusativform 3 b ER Nominativform 3 c E unzuordenbare Form: Akkusativ- oder Nominativform Typenbildung IHN ne, nä, en, e, ä, a, ehn, ihn ER er, är, eir, e, ä, a E e, ä, a Die Zuordnung der Variante E zu Nominativ oder Akkusativ kann je nach Dialekt unterschiedlich sein oder die Form kann unzuordenbar bleiben, vgl. 7 b. 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Am häufigsten wird mit 2005 Mal an 364 Orten in unbetonter Stellung die Akkusativform ihn präferiert. Davon konnte 83 Mal an 49 Orten aufgrund der Angaben der Gewährspersonen eine e -Schreibung, vgl. ► Beikarte (S. 73) dieser Variante zugeordnet werden. Die Akkusativform tritt flächendeckend im gesamten Erhebungsgebiet auf, ausser in VS, wo sie nur an Einzelorten präferiert wurde. Sie ist ausserdem in verschiedenen Regionen nur minderheitlich präferiert, v. a. in der Zentralschweiz und GR, vgl. ► Prozentkarte (S. 71). Beispiele: Mau, das isch ne sicher gsii Welschenrohr SO, Doch, das isch ne secher gsii Teufenthal AG, Doch, da isch en sicher gsii Gächlingen SH, Doch, das isch ne sicher gsii Düdingen FR, Mou, das isch ne sicher gsi! Diessbach b. B., Doch, das ischt ne sicher gsin! Grindelwald BE, Moll, das isch nä sicher gsii Linthal GL. b) Am zweithäufigsten wird mit 738 Mal an 266 Orten unbetont die Nominativform er präferiert. Davon konnte 24 Mal an 20 Orten eine e -Schreibung, vgl. ► Beikarte (S. 73) aufgrund der Angaben der Gewährspersonen eindeutig dieser Variante zugeordnet werden. Die Variante kommt abgesehen vom Kanton BE weit verbreitet vor. In VS ist sie an allen Orten mehrheitlich, ebenso im anschliessenden Südteil von UR, vielfach auch in GR sowie an weiteren Einzelorten v. a. in der östlichen Hälfte des Untersuchungsgebiets, vgl. ► Prozentkarte (S. 71). Die Variante wird mit 1094 Antworten an 325 Orten deutlich mehr akzeptiert, anders als bei der Präferenz auch im Kanton BE, vgl. ► Akzeptanzkarte (S. 72). Beispiele: Moll, das isch er sicher gsi Elgg ZH, Doch, das ischt är sechar gsii! Diepoldsau SG, Mou, das isch är sicher gsi! Schangnau BE, Doch, das esch er secher gsii Horw LU, Das isch är de g ’ wiss gsii Gurtnellen UR, Doch, das ischt eir sicher gsi Avers GR, Woll, das isch är sicher gsi! Reckingen VS. c) 35 Mal wird an 29 Orten eine nicht eindeutig dem Akkusativ oder dem Nominativ zuordenbare Schreibung (Typ e ) präferiert, vgl. ► Beikarte (S. 73). Die uneindeutige e -Variante kommt v. a. in der nördlichen Zentralschweiz bis in den Aargau sowie in SG vor. Sie tritt meist als Einzelnennung (Aesch LU, Wolfenschiessen NW, Alpnach OW, Brunnen SZ, Maderanertal UR, in Appenzell AI (2 Mal)) und immer nur zusätzlich zu einer anderen Variante am Ort auf. Beispiele: Momol da ist a gsi Diepoldsau SG, Da isch e siche gsee Appenzell AI, Mou, das isch-e sicher gsi Wolfenschiessen NW, Doch, das isch ä sicher gsi! Alpnach OW, Mol, das isch e sicher gsii! Hünenberg ZG, Doch, das isch e sicher gsii! Muotathal SZ, Doch das isch e sicher gsii Glarus GL, Das ischa sichr gsii! Untervaz GR, Apa scho, das isch ä sichär gsi Agarn VS. 128 2 Pronomina d) Intrapersonelle Variation: präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte IHN und ER 17 Personen an 17 Orten (Bettingen BS, Aarau AG, Wädenswil ZH, Benken, Diepoldsau, Ricken, Sennwald SG, Steffisburg BE, Horw, Ruswil, Wolhusen LU, Rotkreuz, Walchwil ZG, Schwyz SZ, Schwanden GL, Reckingen, Zermatt VS) 6 Mal wurden beide Varianten von den Gewährspersonen mit e -Schreibung angegeben, vgl. 7 b. 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ Woll, das isch en sicher gsii! (unbetont); Woll, das isch er gsii! (betont); betont: ER isch es gsy “ , Thalwil ZH. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 a] - „ [zu 3 b] möglich aber selten “ , Aarberg BE. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 a] - „ Woll, i weis das ers gsin ischt (überzeugt); Woll, äs ischt nä gwüss gsin! (nicht ganz überzeugt.) “ , Langwies GR. [GP lehnt die vorgegebenen Varianten ab, präferiert eigene (äquivalent zu 3 a)] 5. Weitere Varianten keine 6. Unbrauchbare Antworten a) 8 Mal wird das Personalpronomen höchstwahrscheinlich betont eingesetzt, was durch die Position nach dem Adverb (5 Mal) oder durch Unterstreichung (3 Mal) nahegelegt wird: Doch, das ischt sicher är gsi Ausserberg VS - Mou das esch er sicher gsii! Wolhusen LU. b) 2 Mal wird ein Demonstrativpronomen präferiert: Doch das ischt dr sicher gsin! Ferden VS, Mo mol das ischt de sicher gsee Urnäsch AR. c) 2 Mal wird die Wiederholung des Namens präferiert: Das isch dr Ogi gsi Ligerz BE. d) Einmal wird eine inhaltlich andere Konstruktion präferiert. e) 2 Mal ist die Antwort nicht interpretierbar. 7. Weitere Bemerkungen a) Bei fehlendem Modalausdruck ‚ sicher ‘ oder lexikalischen Äquivalenten (gwiss, bemeid, w ē l ē w ē g o. ä.) wurde das Personalpronomen nur bei besonderer Markierung (Unterstreichung, Wortstellung, Bemerkung o. ä.) als betont und damit unbrauchbar gewertet, vgl. auch 6 a. b) 113 Mal konnte die e -Schreibung entweder der Akkusativform (83) oder der Nominativform (24) zugeordnet werden, vgl. 3 a bzw. 3 b. An 6 Orten (Diepoldsau, Sennwald SG, Ruswil, Wolhusen LU, Walchwil ZG, Schwyz SZ) steht die e -Schreibung je einmal für Akkusativ und Nominativ, vgl. 3 d zur Mehrfachpräferenz. Die Zuordnung wurde für alle Nennungen geprüft und e je nach den Angaben der Gewährspersonen dem Nominativ er , dem Akkusativ ihn oder bei Mehrfachpräferenz beiden Varianten zugewiesen. Die räumliche Konzentration des Vorkommens reiner Vokalschreibungen (e, ä, a) auf ein Areal vom Aargau bis in die Innerschweiz einerseits und in Teilen von SG sowie AR, AI andererseits ist auffällig, wobei die Zuordnung zum Nominativ seltener (24 Mal) und insbesondere nicht im nordwestlichen Randgebiet möglich ist. SDS (III: 199) ist dem betonten Personalpronomen der 3.Sg.M. im Nominativ gewidmet, zur unbetonten Verwendung fehlen Informationen. Die überwiegende Zuordnung reiner Vokalschreibungen zum Akkusativ lässt sich gut mit dem Auftreten vokalischer Akkusativformen im SDS (III: 206) in einem vergleichbaren Areal vereinbaren. Eine unbetonte e-Form für Akkusativ ist auch bei Fischer (1960: 250) im Luzerndeutschen belegt, bei Bossard (1962: 65) für den Zuger Dialekt und bei Abegg (1911: 79) für den Dialekt von Urseren. 2.1 Personalpronomen 129 Manser (2001: 60) nennt e, ee als Formen für er und ee für ihn im Appenzeller Dialekt, Sonderegger & Gadmer (1999: 150) betontes ee für er und „ älter “ ihn sowie unbetont e für er und „ älter “ ihn (vgl. weitere Vokalschreibungen bei 2.2.3, III.20, 7 e). c) Das Areal, in dem in der vorliegenden Frage unbetont die Akkusativform im Prädikativum weiträumig als einzige Variante vorkommt (BE, SO, westlicher Aargau), entspricht ungefähr demjenigen Areal, in dem auch bei betonter Position (IV.11) die Akkusativform zusammenhängend belegt ist, wobei Akkusativ unter Betonung zusätzlich auch in LU verbreitet erscheint. Unbetont ist bei der 3.Sg.M. insgesamt die Akkusativform weiter verbreitet und häufiger die einzige präferierte Variante als in betonter Position. d) Die vorliegende Frage zum Vorkommen von Nominativ oder Akkusativ im Prädikativum beim Personalpronomen 3.Sg.M. ist nicht mit einem generellen Kasussynkretismus zu verwechseln. Hodler (1969: 359) erklärt das Vorkommen des Akkusativs im Prädikativum als Generalisierung dieser Kasusform auf die postverbale Position, vgl. zum prädikativen Gebrauch auch IV.11, 7 c. Binz (1888: 57) nimmt wohl französischen Einfluss an. Kasussynkretismus von Nominativ und Akkusativ bei Maskulina ist als Eigenschaft deutscher Dialekte v. a. im (süd)westdeutschen Sprachgebiet bekannt (Shrier 1965, 435 map 12), wobei die Verhältnisse bei den Wortarten sehr verschieden sein können. Zum definiten Artikel im Schweizerdeutschen vgl. SDS (III: 134, 136) und Meyer (1967: 56 - 64). Für das Personalpronomen der 3.Sg. M. ist nach Shrier (1965: 432 map 5, vgl. dazu auch Rowley 2004: 348 - 349 sowie SDS III: 199, 206) in der Schweiz kein Kasussynkretismus verzeichnet. Abegg (1911: 79) bezeugt allerdings für Urseren einen variativen Zusammenfall der Formen im Akkusativ bei Unbetontheit sowie den völligen Zusammenfall in der alten Nominativform unter Betonung. 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS a) Frage IV.11 (A) - D och, das ist im F all er gewesen! In der auf das betonte Pronomen bezogenen Frage IV.11 wurde von 122 Gewährspersonen eine Antwort mit einem unbetonten Pronomen bzw. mit unklaren Betonungsverhältnissen präferiert, vgl. 2.1.5, 6 a. Die für die Analyse des betonten Pronomens unbrauchbaren Antworten könnten eventuell für die Frage der Form des Pronomens bei Unbetontheit weiteres Material liefern, was allerdings eine genauere Klassifikation der einzelnen Belege mit er, ihn und e erfordern würde. Literatur Abegg 1911 ▪ Binz 1888 ▪ Bossard 1962 ▪ Fischer 1960 ▪ Hodler 1969 ▪ Id. 12 ▪ 16 ▪ Manser 2001 ▪ Meyer 1967 ▪ Rowley 2004 ▪ SDS III ▪ Shrier 1965 ▪ Sonderegger & Gadmer 1999 ▪ Suter 1992 2.1.5 Personalpronomen (3.Sg.M., prädikativ, betont) Frage IV.11 (A) - D OCH , DAS IST IM F ALL ER GEWESEN ! 1. Kartenthema und Datengrundlage In der Ankreuzfrage IV.11 geht es um die Form des betonten Personalpronomens 3.Sg.M. in prädikativer Position. Die Gewährspersonen mussten zwei vorgegebene Varianten, eine mit Nominativform und eine mit Akkusativform, also in gegenüber Frage IV.17 umgekehrter Reihenfolge, bewerten. Durch die Voranstellung des schweizerdeutschen Modalausdruckes im F all sollte die Betonung des Personalpronomens gesichert werden. Die ► Hauptkarte (S. 74) stellt die Verbreitungsgebiete für die Präferenz der beiden vorgegebenen Varianten sowie der von einigen Gewährspersonen präferierten Dativform dar. Zur Bestimmung der Betontheit vgl. 6 a und 7 a. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 2776 2617 159 2597 20 2637 130 2 Pronomina 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a ER Nominativform 3 b IHN Akkusativform 3 c IHM Dativform Typenbildung ER er, är, e IHN ihn, ine, inn, ehn, inn IHM iim, ihm, ehm 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Überwiegend wird mit 2243 Mal an 378 Orten in betonter Position die Nominativform er präferiert. Sie tritt im gesamten Erhebungsgebiet mit Ausnahme der Orte Welschenrohr SO, Diessbach b. B., Lenk, Utzenstorf, Wengi BE auf. Als alleinige Variante kommt sie am Nordrand, in VS (ausser Mörel) und im Osten (ausser Klosters GR) bis in die Innerschweiz vor. Die Variante kommt ausser stellenweise in den Kantonen SO, BE, LU mehrheitlich vor, vgl. die ► Prozentkarte (S. 75). Beispiele: Momol, da isch im Fall är gsii! Marthalen ZH, Wowoll, d isch im Fall er gsi Triboltingen TG, Doch, das ischt im Fall är gsi Diepoldsau SG, Doch, das isch uf au Fäu är gsi Ittigen BE, Wohl, das ischt in jedm Fall är gsin Blatten VS. b) Sehr viel seltener wird mit 385 Mal an 145 Orten bei Betonung die Akkusativform ihn präferiert. Sie kommt vom Westen in einem Mittelstreifen mit Streuungen bis in den Kanton ZH vor, in BE, LU, SO stellenweise mehrheitlich, vgl. die ► Prozentkarte (S. 75). Die Variante wird mit 494 Antworten an 171 Orten akzeptiert, vgl. die ► Akzeptanzkarte (S. 76). Das Verbreitungsgebiet der Akzeptanz deckt sich mit dem der Präferenz, wobei die Variante zusätzlich an einigen Orten in der Zentralschweiz vereinzelt akzeptiert wird. Beispiele: Doch, das isch im Fall ihn gsii Aedermannsdorf SO, Mou, das esch em Fau ehn gsii! Menziken AG, Momoll, s isch im Fall inn gsii! Winterthur ZH, Doch das isch im Fau ihn gsi Gurmels FR, Doch das ischt im Fall ine gsi Kandersteg, Wohl, äs isch ihn gsi! Kiental BE, Doch, das esch em Fall ehn gsii! Malters LU, Jawohl, das isch sicher inn gsii Mörel VS. c) Nur 6 Mal wird an 4 Orten im Kanton FR (Freiburg (2 Mal), Giffers (2 Mal), Heitenried, Schwarzsee) eine nicht vorgegebene Dativform ihm notiert und präferiert: Das isch im Fau iim gsyy Giffers FR. d) Intrapersonelle Variation: präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte ER und IHN 19 Personen an 18 Orten (2 Mal in Bern BE, je einmal in Bäretswil, Bassersdorf, Uster ZH, Belp, Frutigen, Interlaken, Kiental, Lützelflüh, Münchenbuchsee, Saanen, Schangnau, Täuffelen BE, Eschenbach, Schüpfheim, Sempach LU, Walchwil ZG, Klosters GR) 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ [zu 3 a] möglich ja, aber selten und ungepflegt. “ , Aarberg BE. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 b] - „ geht beides “ , Kiental BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ Doch, das isch uf jedä Fall är gsi! (Das ‚ im Fall ‘ ist in dieser Situation nicht üblich. Doch es geht hier wahrscheinlich nur um ‚ er ‘ oder ‚ inn ‘ ) “ , Alpnach OW. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] 2.1 Personalpronomen 131 - „ [zu 3 b] katastrophal! ! “ , Arosa GR. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] 5. Weitere Varianten a) Je einmal wird die auf Personen bezogene Akkusativform ins (3. Sg. N.) in Alpnach OW und Schwyz SZ (hier neben der Nominativform er ) präferiert: Das isch inns gsi Alpnach OW, Doch, das isch im Fall ins gsii! Schwyz SZ. b) Einmal wird das neutrale Personalpronomen notiert und präferiert: Doch das ischt im Fall äs gsi Saas-Grund VS. 6. Unbrauchbare Antworten a) 122 Gewährspersonen gaben als einzige präferierte Antwort (insgesamt 299 Mal) eine Konstruktion an, in der das Pronomen unbetont ist oder die Betonungsverhältnisse nicht eindeutig sind (80 Mal er , 38 Mal ihn , 3 Mal e , einmal er und ihn nebeneinander): Mouw, das esch ne ganz secher gsi Menziken AG, Mol er isch es gsii Meilen ZH, Doch, das isch er im Fall gsi Rheineck SG, Mol äs ischd ne gsyn Mürren, Wol, är isch ’ s gsi Lenk, Das isch ar klar gsi! Lenk, I bin sicher, das hed är gmacht Mürren BE. b) 12 Gewährspersonen antworten einzig mit dem Demonstrativpronomen (insgesamt 13 Mal notiert): Doch, da isch im Fall dää gsi Kesswil TG, Gwüss, das isch uf jede Fall dä gsi Boltigen BE. c) 11 Gewährspersonen geben einzig eine Konstruktion mit Wiederholung des Namens an: Mou das isch dr ’ Kevin gsi Lützelflüh BE. d) 8 Mal wird eine inhaltlich andere Konstruktion präferiert. e) 6 Antworten sind nicht interpretierbar. 7. Weitere Bemerkungen a) Bei fehlendem Modalausdruck wurde das Personalpronomen nur bei besonderer Markierung (Unterstreichung, Grossschreibung, Schreibung <ihn, iin> o. ä.) als betont gewertet, vgl. auch 6 a. b) Der vorgegebene Modalausdruck im F all wird von zahlreichen Gewährspersonen durch einen lexikalisch andersartigen, aber für die Betonung des nachfolgenden Pronomens ebenso wirksamen Ausdruck ersetzt: sicher, hundertprozentig, in jedem Fall, bistimmt, än dischem Fall, ditzmal, garantiert sicher, apa, sicher und gwiss, nur, nume o. ä. c) Zur Akkusativform als Kasusform des Prädikativums im Berndeutschen vgl. ausführlich Hodler (1969, bes. 357 - 361) zum Personalpronomen. Weber (1948: 238) und Fischer (1960: 348 - 349) belegen für ZH und LU Akkusativformen fast ausschliesslich mit Beispielen der 1. und 2. Person, vgl. auch Id. (16: 1063). Häufiger findet die Konstruktion mit persönlichem Subjekt Erwähnung, vgl. z. B. Suter (1992: 125 wènn ii dii/ in/ ins/ eich wäär) für Baseldeutsch, ähnlich Bossard (1962: 66) für ZG. d) Zu betontem es für männliche Personen (5 b) vgl. die Abhandlung zu Frage IV.38 unter 1.2.5, II. 3 a, 6. e) Die neutrale Akkusativform ins für Personen, vgl. 5 a, ist verschiedentlich für das Schweizerdeutsche nachgewiesen. Id. (1: 510) bezeugt die Akkusativform ins für Personen für GL, Basel, LU und ZH, vgl. auch Id. (1: 295). Frey (1906: 37) nennt sie für den südwestlichen Aargau, vgl. ähnlich bereits Hunziker (1888: 72), Baumgartner (1922: 150 - 151) für das Berner Seeland, zu Bern vgl. auch Hodler (1969: 190) sowie SDS (III: 198.VI). Clauß (1929: 191 - 192) verzeichnet die Form nur für weibliche Personen; Weber (1948: 157, 238) und Bossard (1962: 65) nennen die Form ohne Kommentar, ebenso Fischer (1960: 252, 349). Weitere Ausführungen zu dieser Form, auch in anderen Dialekten, finden sich in Bächler (2018) sowie Klein & Nübling (2019). Die nicht eigens erfragte Form wird im SADS noch in drei weiteren Belegen von zwei Gewährspersonen aus OW gebraucht, in einem - für die Frage nicht einschlägigen - Kommentar (Giswil) zu IV.38 (vgl. 1.2.5, III.5.1) sowie bei Frage III.20 aus Giswil und Alpnach, vgl. 2.2.3, 5 c. 132 2 Pronomina Literatur Bächler 2018 ▪ Baumgartner 1922 ▪ Bossard 1962 ▪ Clauß 1929 ▪ Fischer 1960 ▪ Frey 1906 ▪ Hodler 1969 ▪ Hunziker 1888 ▪ Id. 1 ▪ 16 ▪ Klein & Nübling 2019 ▪ SDS III ▪ Suter 1992 ▪ Weber 1948 2.1.6 Generisches Personalpronomen (direktes Objekt) Frage IV.2 (Ü) - D IE KÖNNEN EINEN DOCH NICHT SO BEHANDELN ! 1. Kartenthema und Datengrundlage Die Übersetzungsfrage IV.2 gilt dem generischen Personalpronomen man im Akkusativ, vgl. - auch zur Terminologie - Zifonun (2000; 2001: 50, 68, 120). Hier tritt im Standarddeutschen suppletiv die Form einen statt man auf (vgl. Zifonun et al. 1997: 43; 2001: 119), was auch im Schweizerdeutschen entsprechend zu erwarten war, vgl. 7 a. Im SDS (III: 229 - 230) liegen Karten für die schweizerdeutschen Formen von ‚ man ‘ als Subjekt vor. In Ergänzung dazu wurden in der Frage IV.2 die verschiedenen Ausdrucksformen des generischen Pronomens in Akkusativfunktion im Schweizerdeutschen erfragt. Dabei ging es v. a. um das Auftreten auch aus anderen Dialekten bekannter Dativformen, vgl. Reis (1891: 38), Mottausch (2009: 84), Behaghel (1917: 557 - 558 sowie 1923: 412 - 413). Die ► Hauptkarte (S. 77) zeigt die Verbreitung der Dativform sowie der maskulin und neutral auftretenden Akkusativform. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 2776 2552 224 2546 6 2558 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a EINEM Dativform Sg. 3 b EIN ( EN ) Nominativ-/ Akkusativform Sg.M. 3 c EINES Nominativ-/ Akkusativform Sg.N. Typenbildung EINEM eim, em, ehm, äm, èmm, eme, ihme, im, ihm, iim, eime, aim, äim, am, äm, uam, oam, eynem, einem, einum o. ä. EIN ( EN ) einen, äinä(n), eine, einä, eina, aina, einu, ein, en, än, on, oan, ihna, ihne, (i)ina, ihnä o. ä. EINES eis, ais, eins 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Weit überwiegend wird mit 2207 Mal an 371 Orten die Form einem übersetzt. Sie kommt im ganzen Erhebungsgebiet ausser in Alpthal, Innerthal SZ, Obersaxen GR und an einigen Orten in VS vor. Sie ist vielfach alleinige Variante, jedenfalls an den meisten Orten mehrheitlich ausser stellenweise in VS, im östlichen Berner Oberland, in SG, SZ, UR und an einigen Walserorten (vgl. die ► Prozentkarte (S. 78)). Beispiele: Die chönne eim doch nid so behandle! Möhlin AG, Diä dörfed eim doch nöd so lang lo stoh! Bassersdorf ZH, Die khönnd am doch nöd a so behandla! Altstätten, Die chönd doch eim eifach nöd eso warte lo Rapperswil SG, Die chönd äm doch nöd e so hocke loo! Herisau, Die chönd em doch nüd è so behandlè Waldstatt AR, Di chi iim doch nid a so behandle! Heitenried FR, Die dört meine auä, sie chönni eim schtungelang loh warte Erlach, Die chöi eim doch nid so behandle! Rubigen, Die chöne eime net e so behandle! Saanen, Die chöne ’ n iihm doch nit esoo traktiere Zweisimmen BE, Diä chenid eim doch nid so behandle! Buochs NW, Di tient eim immer ä so lang la wartu Agarn, Die kennend doch einem nid eso bhandle! Fiesch, Unglöublich, wie die da im Schtiiramt einum bhandlunt Steg VS. 2.1 Personalpronomen 133 b) Sehr viel seltener wird mit 266 Mal an 142 Orten die Form ein ( en ) übersetzt. Sie tritt im Berner Oberland, in VS, in der Zentral- und Ostschweiz und mit verstreuten Nennungen bis in den Jura auf. In Alpthal, Innerthal SZ, Obersaxen GR, Guttet-Feschel, Randa VS ist sie die einzige Variante. Im östlichen Berner Oberland, in VS, UR, SZ liegt ihr Anteil an einigen Ortspunkten über 50 %, ebenso östlich anschliessend in Wattwil und Brunnadern SG (vgl. die ► Prozentkarte (S. 78)). Beispiele: So chönds ein doch nüd behandle Meilen, Diä chönd ein doch nüd äso schtoo loo Turbenthal ZH, Die chöned en doch nid so behandle Mammern TG, Diä khönd än doch nöd ä so behandlä Brunnadern SG, Di chönne ihna doch nät eso behandle! Frutigen, De chennen äinen doch nid eso behandlen Innertkirchen BE, Die chönt doch eine nid e so behandeln! Aesch LU, Diä chänd einä doch nüd äso behandlä Mollis GL, Schi chönd aina doch nit a so behandla Avers, Nur z ’ Stüüramt kaa sich das erlauba, eina stundalang zwarta luu! Malans GR, Di channund doch einu nid äso bihandln Agarn VS. c) 69 Mal an 19 Orten wird die Variante eines übersetzt. Sie tritt konzentriert in VS und an den Walserorten in GR auf, dazu einmal in Villigen AG. In Blatten, Simplon Dorf, Binn VS kommt sie als einzige Variante vor, an den anderen Orten meistens mehrheitlich (vgl. die ► Prozentkarte (S. 78)). Beispiele: Die töfe eins doch ned so behandle Villigen AG, So könnä dia eis doch nid behandlä Langwies GR, Die chönnent doch eis nit aso bhandln Ausserberg VS. d) Intrapersonelle Variation: übersetzte Varianten Anzahl Personen und Orte EINEM und EIN ( EN ) 3 Personen an 3 Orten (Winterthur ZH, Gais AR, Tuggen SZ) EINEM und EINES 1 Person in Davos GR EIN ( EN ) und EINES 1 Person in St. Niklaus VS 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ Dia könd üam doch nüd asoo behandla. (Früher hätte man gesagt: dia könd üan … ) “ , Diepoldsau SG. - „ Die chönid äne (= alter Akkusativ; moderner auch: äm = Dativ) doch nüd eso behandle. “ , Gais AR. - „ Diä chönid äm doch nüd eso behandle. (Mein Mann sagt) Diä chönid äne doch nüd so behandle. (Er ist auch Gaiser) “ , Gais AR. 5. Weitere Varianten 15 Gewährspersonen übersetzen einzig eine zusammengesetzte Form des Indefinitpronomens: ‚ unsereinen ‘ . Dabei weist der zweite Bestandteil die folgenden Formen auf. a) 7 Mal die Nominativ-/ Akkusativform Sg.M. (Bauma ZH, Quarten SG, Adelboden, Steffisburg, Zweisimmen BE, Muotathal SZ, Schiers GR): Diä chönid üsärein doch nüd äsoo behandlä! Muotathal SZ. b) 5 Mal die Dativform Sg.M. (Boltigen, Frutigen, Guggisberg, Spiez, Worb BE): Die chäne üsereiim doch nid e sue behandle. Boltigen BE. Zusätzlich übersetzt eine Gewährsperson aus Steg VS die zusammengesetzte Dativform neben einfachem einem . c) 3 Mal die Nominativ-/ Akkusativform Sg.N. (Brülisau AI, Engi GL, Safien GR): Die chänd doch üsereis nüdäso behandlä! Engi GL. 6. Unbrauchbare Antworten a) 112 Gewährspersonen übersetzen als einzige Variante (insgesamt 117 Mal) statt des Indefinitpronomens ein Personalpronomen der 1.Sg. oder Pl. im Akkusativ, manchmal auch mit sonstigen Abänderungen des Satzes: Beispiele: Die chönd mi doch nüd eso behandle! Brülisau AI, Di chü üs doch nid so behandle! Plaffeien FR, Die bruchen mi dert nüd eso z behandle Iseltwald, De chennen is doch nid eso behandeln Meiringen BE. 134 2 Pronomina b) 51 Mal erfolgt als einzige Variante eine Übersetzung mithilfe der Präposition mit: 35 Mal zusammen mit einem Indefinitpronomen (Die chönid doch nüd eso ommgo mit eme. Haslen AI, So chöi die mit eem doch nid umgah! Aarberg BE) und 16 Mal mit einem Personalpronomen (Diä chünnid doch nid äsou umgah mit üs! Weisstannen SG, Die chöi doch nid eso mit üs umgo! Ins, Das chü die doch nit mit mir machä! Trub BE, Äso chönändsch nid midnisch umgahn Langwies GR). c) 10 Mal wird einzig eine persönliche Konstruktion mit ‚ lassen ‘ (insgesamt 11 Mal) übersetzt. Beispiele: Asoa lo i mi nüd behandla vu Diana Diepoldsau SG, Ig lo mi vo dene nid eso lo behandle Lützelflüh BE, Ä so lan i mi nid lä behandlä! Küblis GR. d) 6 Mal erscheinen als einzige Variante andere lexikalische Besetzungen des direkten Objekts. Beispiele: Dä chöisi nid so behandle Schnottwil SO, Die chönd doch d ’ Lüt nid eso lang warte lo Hüttwilen TG, Di chü doch eper nit a so behandle! Plaffeien FR. e) 2 Mal wird als einzige Variante ein Verb mit Dativvalenz verwendet: Die chone n ’ eim doch nid so choo Aarburg AG, Die chennä eim doch nit ä so tuä Oberwald VS. f) 8 Mal wird der vorgegebene Satz hochdeutsch übersetzt. g) 38 Mal werden einzig inhaltlich andersartige Varianten übersetzt. 7. Weitere Bemerkungen a) Id. (1: 271 - 272) dokumentiert die Verwendung von ‚ ein ‘ als „ unbestimmtes Pronomen “ und für „ man. bes. in den Cas. obl. “ (271) ohne genauere geographische Spezifizierung. Nach Id. (1: 272) steht die Dativform für Akkusativ „ überh[aupt] oft “ . Marti (1971: 36) erwähnt einem als Akkusativ/ Dativ für ‚ man ‘ für das Emmental und das übrige Mittelbernische, Baumgartner (1922: 147) „ besonders “ für Biel. Suter (1992: 84) führt für Basel-Stadt wie bereits Binz (1888: 40) ausschliesslich die Dativform an, ebenso Bossard für Zug (1962: 77). Bäbler (1949: 31) führt kommentarlos einige Beispiele für GL an. Fischer (1960: 238) erwähnt für das Luzerndeutsche häufige Variation der Dativ- und Akkusativform in nicht-präpositionalem Gebrauch, ähnlich Weber (1948: 147) für das Zürichdeutsche. Nach Präposition gelte nur die Akkusativform. Hotzenköcherle (1934: 441) schreibt für die Mundart von Mutten, dass im Dativ und Akkusativ „ die entsprechenden Formen von ‚ ein ‘ die Funktion von ‚ man ‘“ übernehmen. „ Der Dat.Mask.Neutr. [ … ] vertritt häufig auch den Akk. dieses Pron. [ … ]; doch steht an dieser Stelle ebenso oft der oben genannte Akk. “ (Hotzenköcherle 1934: 412). Die Dativform für Akkusativ wird in den übrigen Monographien der BSG- Reihe nicht erwähnt. Sonderegger-Bührer (2003: 26) belegt die Dativform variativ für das Ostschweizerdeutsche. b) Nach Weber (1948: 147) gilt für ZH im Akkusativ des Indefinitpronomens man die Form äin, wohingegen äine auf eine bestimmte, ungenannte Person verweise. Fischer (1960: 237) gibt für LU beide Formen an, wobei Haas in Fischer (1989: 573) bemerkt, dass ein ausgestorben sei. Baumgartner (1922: 147, 153) erwähnt die „ besondere “ Akkusativform für das Indefinitpronomen im Berner Seeland, wobei Variation mit der regulären Form des ‚ Zahlworts ‘ zu erschliessen ist (1922: 147), während Variation mit der Dativform explizit genannt wird (1922: 153). Da in den Übersetzungen zu Frage IV.2 beide Formen als Dativ zu man auftreten, werden sie hier zusammengefasst, vgl. 2. Einsilbige Formen erscheinen insgesamt 78 Mal, räumlich konzentriert, z. B. 24 Mal (von 27) in ZH, insbesondere bei älteren Gewährspersonen, 21 (von 30) in SG, 11 (von 13) in AG, wohingegen in BE, SZ, VS und UR jeweils nur vereinzelt einsilbige Formen auftreten. Inwiefern hier in bestimmten Regionen eine spezifische Form des Indefinitpronomens man im Unterschied zum persönlichen Indefinitpronomen ‚ einer ‘ vorliegt, kann auf der Basis des vorliegenden Materials nicht entschieden werden. c) Die verschiedenen Formen des komponierten Indefinitpronomens ‚ unsereinen ‘ spiegeln in ihrem Auftreten nicht die Raumverteilung des einfachen Pronomens wieder, vgl. 5: unsereinen erscheint 7 Mal verstreut im Untersuchungsgebiet, während einen v. a. im Berner Oberland, VS und in der Zentral- und Ostschweiz vorkommt. 2.1 Personalpronomen 135 unsereinem kommt 5 Mal in BE und einmal in VS vor, während einem im gesamten Untersuchungsgebiet auftritt. unsereins kommt je einmal in AI, GL, GR vor, während eines in GR und VS erscheint. d) Die räumliche Konzentration der Neutrumsform zum indefniten Bezug im Akkusativ, den Variante 3 c aufweist, wird auch von Wipf (1910: 137) für Visperterminen dokumentiert. Die Variante ist auf dem Hintergrund der Verwendung einer neutralen Pronominalform als „ unbestimmtes persönliches Fürwort “ generell zu sehen. e) Die Abfolge der Abtönungspartikel doch und des Indefinitpronomens einen wird von 310 Gewährspersonen (insgesamt 312 Mal) an 189 Orten nicht wie vorgegeben, sondern umgekehrt, Partikel vor Pronomen übersetzt. Die Stellungsvariante kommt im gesamten Untersuchungsgebiet vor, im Raum BE und GR aber nur mit Einzelnennungen. Wegen des möglichen Zusammenhangs von Stellung und morphologischem Typ werden die Typen in der folgenden Tabelle auf die abweichende Abfolge bezogen aufgeschlüsselt. übersetzte Variante(n) Anzahl Antworten und Orte DOCH EINEM 240 Mal an 189 Orten (verstreut) DOCH UNSEREINEM Einmal in Worb BE DOCH EINEM und DOCH UNSEREINEM Einmal in Steg VS DOCH EINEN 57 Mal an 42 Orten (v. a. in ZH, SG, SZ, UR, VS) DOCH EINES 12 Mal an 7 Orten (je 3 Mal in Blatten, Simplon Dorf, 2 Mal in Visperterminen, je einmal in Bürchen, Ferden, Visp, Zermatt VS) DOCH UNSEREINES Einmal in Engi GL 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS a) Frage IV.38 (A) - E s ist 71 (T rudy/ P aul ) Bei der einfachen Bewertungsfrage nach dem Gebrauch eines neutralen Pronomens für Personen (vgl. 1.2.5) ist in der Bemerkung einer Gewährsperson aus Appenzell AI die Dativform belegt: „ Seb Mensch chönnt eme doch uufrege! (sächlich) “ . Literatur Bäbler 1949 ▪ Baumgartner 1922 ▪ Behaghel 1917 ▪ 1923 ▪ Binz 1888 ▪ Bossard 1962 ▪ Fischer 1960 ▪ 1989 ▪ Hotzenköcherle 1934 ▪ Id. 1 ▪ Marti 1971 ▪ Mottausch 2009 ▪ Reis 1891 ▪ SDS III ▪ Sonderegger-Bührer 2003 ▪ Suter 1992 ▪ Weber 1948 ▪ Wipf 1910 ▪ Zifonun 2000 ▪ 2001 ▪ Zifonun et al. 1997 136 2 Pronomina 2.2 Reflexivpronomen 2.2.0 Einleitung Im Neuhochdeutschen lautet das Reflexivpronomen der 3.Sg. sowohl im Akkusativ als auch im Dativ sich, wobei der Gebrauch im Dativ eine jüngere Entwicklung darstellt, die teilweise in den Dialekten des Deutschen nicht vollzogen wurde (Schirmunski 2010: 515 - 516). Dort gilt dann der sprachgeschichtlich ältere reflexive Gebrauch des Personalpronomens, wie die auf dem Wenkersatz 33 basierende Karte bei König et al. (2015: 155) zeigt, vgl. auch Schiepek (1908: 417). In manchen Gegenden ist der reflexive Gebrauch des Personalpronomens sogar in den Akkusativ der 3.Sg.M. (vgl. DWB 16: 710) eingedrungen sowie umgekehrt das Reflexivpronomen in den Dativ der 1.Pl. (vgl. ausführlich Schiepek 1908: 417, sowie Schirmunski 2010: 516). Grundsätzlich sind zur Geschichte und Typologie derAusdrucksformen des Reflexivbezugs in den germanischen Sprachen jüngst Vennemann (2015: 3 - 44) und Fleischer (2017 a) zu vergleichen. Ein kurzer historischer und dialektaler Überblick zum reflexiven Gebrauch des Personalpronomens - mit weiterer Literatur - findet sich bei Walch (2003: 246 - 248). Für den SADS wurden drei Ankreuzfragen gestellt, die auf die Form des Pronomens im Dativ und im Akkusativ der 3.Sg.M. sowie auf den Dativ der 1.Pl. in reflexivem Gebrauch abzielen. Dabei wurde auch die Position in einer Präpositionalphrase (beim Akkusativ) sowie die Ergänzung (Disambiguierung) durch den Intensifikator ‚ selbst ‘ berücksichtigt, die als begünstigende bzw. begleitende Faktoren bei der Wahl der Form erwähnt werden, z. B. Brun (1918: 165) und Wipf (1910: 140) zu ‚ selbst ‘ im Dativ, Id. (7: 147) zum postpräpositionalen Gebrauch im Akkusativ sowie Henzen (1927: 198) zu ‚ selbst ‘ und postpräpositionalem Gebrauch. Die begleitenden Faktoren der Verwendung von Personalpronomina und Reflexivpronomen, wie verstärkendes ‚ selbst ‘ , postpräpositionaler Gebrauch und inhärente Reflexivität sind auch im niederländischen Dialektsyntaxatlas SAND erhoben worden, wobei dort auch noch weitere Kriterien variiert wurden, vgl. SAND (1: 68 - 78, Kommentarband 60 - 66). Literatur Brun 1918 ▪ DWB 16 ▪ Fleischer 2017 a ▪ Henzen 1927 ▪ Id. 7 ▪ König et al. 2015 ▪ SAND 1 ▪ Schiepek 1908 ▪ Schirmunski 2010 ▪ Vennemann 2015 ▪ Walch 2003 ▪ Wipf 1910 2.2.1 Reflexivpronomen (3.Sg.Dat.M.) Frage III.13 (A) - E R GIBT SICH EINFACH KEINE M ÜHE 1. Kartenthema und Datengrundlage In der Ankreuzfrage III.13 mussten die Gewährspersonen die beiden vorgegebenen Varianten eines Reflexivsatzes mit Personalpronomen und Reflexivpronomen bei Rückbezug im Dativ auf ein maskulines Subjekt bewerten. Neben dem Gebrauch des Reflexivpronomens sich ist in dieser Position für das Schweizerdeutsche grundsätzlich auch das Personalpronomen zu erwarten (Id. 1: 400, 7: 150; König et al. 2015: 155; Schirmunski 2010: 515 - 516), vgl. auch 7. Die ► Hauptkarte (S. 79) zeigt die Verbreitung der Präferenz der beiden vorgegebenen Varianten. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 2803 2792 11 2790 2 2794 2.2 Reflexivpronomen 137 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a SICH Reflexivpronomen 3 b IHM Personalpronomen (3.Sg.Dat.M.) Typenbildung SICH si(ch), sech, schich, schi IHM em, ihm, im, ’ m, mu, mi 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Mit Abstand am häufigsten wird mit 2752 Mal an 383 Orten das Reflexivpronomen sich präferiert. Die Variante ist an allen Orten mehrheitlich. Beispiele: Är git sich eifach ke Müei Langenthal BE, Är nümmt si aifach kai Müa Untervaz GR, Er git schich eifach kei Mie Salgesch VS. b) Die Variante mit dem maskulinen Personalpronomen im Dativ wird 41 Mal an 30 Orten präferiert. Sie tritt schwerpunktmässig im östlichen Berner Oberland, im nördlichen AG sowie im Nordosten auf. Dazu kommen einige verstreute Einzelnennungen. Die Variante wird nie mehrheitlich präferiert, in Guttannen BE präferieren sie 4 von 8 Gewährspersonen. Etwa doppelt so oft, 74 Mal an 52 Orten, wird die Variante akzeptiert. Das Verbreitungsgebiet der Akzeptanz deckt sich überwiegend mit dem der Präferenz, vgl. die ► Akzeptanzkarte (S. 80). Beispiele: Ar git ’ m nafach kn Müa Diepoldsau SG, Er get em efach ke müe Haslen AI, Är mag ihm kein meih gän Gadmen, Är gid mu eifach kei Miei Grindelwald BE. c) Intrapersonelle Variation: präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte SICH und IHM 2 Personen an 2 Orten (Wald ZH, Sennwald SG) 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ Verschiedene Bedeutung: [3 b] auf Objekt bezogen. [3 a] auf Subjekt bezogen. [3 b] Är git ihm Sorg, är git ihm Müei. [3 a] Är mag sech nät gmüeje. “ , Adelboden BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] 5. Weitere Varianten a) Einmal wird eine Kombination mit Personal- und Reflexivpronomen präferiert: Er git em sich eifach kei Müa Jenins GR. 6. Unbrauchbare Antworten a) 7 Mal wird einzig ein inhaltlich abweichender Satz angegeben und präferiert. b) 3 Mal ist die einzige Antwort nicht interpretierbar. c) Einmal kommt anstatt der Zielkonstruktion einzig die einen Akkusativ fordernde Wendung nit gmüeie vor: Är mag sich eifach nit gmüeie Boltigen BE. Eine solche wird auch von einer Person aus Adelboden BE als zusätzliches Beispiel genannt, vgl. 4. 7. Weitere Bemerkungen a) Die bereits in der älteren Literatur erwähnte jüngere (z.T. als schriftsprachlich motiviert und städtisch angesehene) Ersetzung des reflexiv gebrauchten Personalpronomens der 3.Sg. im Dativ durch das Reflexivpronomen (vgl. z. B. Id. 1: 400, 7: 150; Binz 1888: 50; Schmid 1915: 164; Stucki 1917: 281, Stucki 138 2 Pronomina 1921: 106; Baumgartner 1922: 150; Clauß 1929: 192; Bäbler 1949: 167; Fischer 1960: 257 - 259; Bossard 1962: 69; Hodler 1969: 204 - 205; Marti 1985: 98 sowie ähnlich für Vorarlberg Jutz 1960: 1153) ist seither offenbar deutlich weiter fortgeschritten, vgl. auch Sonderegger & Gadmer (1999: 150). In einigen älteren Darstellungen wird aber der Gebrauch des Reflexivpronomens im Dativ der 3.Sg. nicht einmal als Variante erwähnt (z. B. Weber 1948: 163; Bohnenberger 1913: 217 - 218). Suter führt für Basel im Dativ in der älteren Auflage (1976: 93) nur Beispiele mit Reflexivpronomen verstärkt mit ‚ selber ‘ an. Nach Wipf (1910: 149) erscheint dagegen das Personalpronomen „ oft “ auf diese Weise „ verdeutlicht “ , ähnlich äussert sich Brun (1918: 165). Dauwalder gibt an, dass in der Haslimundart zusammen mit sälben „ in der Regel “ das Personalpronomen gebraucht werde. Zu bemerken ist, dass im SADS-Material das Personalpronomen im Grossen und Ganzen auch nur dort vermehrt akzeptiert wird, wo es präferiert wird. Literatur Bäbler 1949 ▪ Baumgartner 1922 ▪ Binz 1888 ▪ Bohnenberger 1913 ▪ Bossard 1962 ▪ Brun 1918 ▪ Clauß 1929 ▪ Dauwalder 1992 ▪ Fischer 1960 ▪ Id. 1 ▪ 7 ▪ Hodler 1969 ▪ Jutz 1960 ▪ König et al. 2015 ▪ Marti 1985 ▪ Schirmunski 2010 ▪ Schmid 1915 ▪ Sonderegger & Gadmer 1999 ▪ Stucki 1917 ▪ 1921 ▪ Suter 1976 ▪ Weber 1948 ▪ Wipf 1910 2.2.2 Reflexivpronomen (1.Pl.Dat.) Frage III.17 (A) - W IR MÜSSEN UNS DAS ÜBERLEGEN 1. Kartenthema und Datengrundlage In der Ankreuzfrage III.17 mussten die Gewährspersonen zwei Varianten eines Reflexivsatzes mit dem Pronomen der 1.Pl. als Subjekt im Hinblick auf den Ausdruck des reflexiven Bezugs im Dativ bewerten. Vorgegeben wurde einmal eine Konstruktion mit Reflexivpronomen und einmal mit Personalpronomen. Eine Ausweitung des Reflexivpronomens auf die 1.Pl. erwähnen Schiepek (1908: 417) und Schirmunski (2010: 516) aus verschiedenen Dialekten, Marti (1985: 98) erwähnt ein Beispiel mit Dativ, das die vorliegende Ankreuzfrage inspiriert hat. Vgl. auch 7 a mit weiteren Informationen zum Schweizerdeutschen. Im Walliser Fragebogen waren die beiden Varianten gegenüber den beiden anderen Fragebogen in umgedrehter Reihenfolge vorgegeben worden. Kartiert wird die Verbreitung der Präferenz der beiden vorgegebenen Varianten. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 2802 2795 7 2784 11 2806 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a UNS Personalpronomen (1.Pl.Dat.) 3 b SICH Reflexivpronomen Typenbildung UNS eus, öis, ois, nis, nus, üs, isch SICH si(ch), sech, schi(ch) Die Abfolge der Pronomina kann umgedreht sein und DAS enklitisch als -s erscheinen. 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Die Variante uns wird 2682 Mal an 383 Orten präferiert. Sie tritt im gesamten Erhebungsgebiet an allen Orten mehrheitlich auf. 2.2 Reflexivpronomen 139 Beispiele: Mir müend eus das überlegge. Möhlin AG, Mer müend s öis überlegge Bülach ZH, Mier müends üs no überlegge Hüttwilen TG, Mer müend üs da no öberlegge Trogen AR, Mir müesse nis das überlegge Diessbach b. B. BE, Miar müan das üs no überlega Tamins GR, Wiar missa isch das zerscht nuch uberleggu Agarn VS. b) 123 Mal an 90 Orten wird die Variante sich präferiert. Die Orte mit Mehrfachnennung konzentrieren sich auf das Berner Mittel- und Seeland sowie von UR mit angrenzendem Berner Oberland über GL weiter nach Osten. sich hat meistens äusserst niedrige prozentuale Anteile pro Ort. In Göschenen UR (4 von 8 Gewährspersonen) und Vals GR (5 von 10 Gewährspersonen) beträgt der prozentuale Anteil gerade 50 %. Die Variante wird fast doppelt so oft, 218 Mal an 140 Orten, akzeptiert, vgl. die ► Akzeptanzkarte (S. 82). Das Verbreitungsgebiet der Akzeptanz deckt sich überwiegend mit dem der Präferenz. Beispiele: Mür mond si daas überlegga Sennwald SG, Mir müesse sech das no überlege Grafenried, Mier miesse si das no uberlegen Meiringen BE, Miär miässän schich das ubrleggn Blatten VS. c) Intrapersonelle Variation: präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte SICH und UNS 11 Personen an 10 Orten (2 Mal in Seftigen BE, je einmal in Niederrohrdorf AG, Sennwald SG, Diessbach b. B., Frutigen, Ins, Meiringen, Rapperswil BE (2 FB), Schwanden GL, Vals GR) 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ beide möglich “ , Frutigen BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ beide Varianten sind möglich “ , Ins BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ Es wären beide möglich. Am Besten wäre: Mir müesse üs das no überlegge. “ , Lützelflüh BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ Beide Formen sind möglich, [3 b] ist jedoch die ältere “ , Meiringen BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] 5. Weitere Varianten a) Einmal wird eine Kombination von Reflexiv- und Personalpronomen präferiert: Wiar tiend sich insch, dass nu daheima uberlega Obersaxen GR. 6. Unbrauchbare Antworten a) 4 Gewährspersonen verwenden das Verb einzig nicht-reflexiv: Miar müand das no überlegga Pfäfers, Mer müend das nomel öberlegge Wattwil SG, Mir müese das no juscht überlege Ueberstorf FR, Mir müse das no überlege Ligerz BE. b) 3 Gewährspersonen präferieren einzig andere nicht reflexive Formulierungen: Wir wend da no emol überschlofe Hüttwilen TG, Mer mönd no dröber noesine Urnäsch AR, Lat nis no a paar Tage Zit zum uberdeiche Plaffeien FR. 7. Weitere Bemerkungen a) Schirmunski (2010: 516) erwähnt die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Reflexivpronomens sich auf die 1.Pl. im Oberhessischen, Südfränkischen, Ostmitteldeutschen und für Nürnberg mit Beispielen im Akkusativ, zu Bayerisch Schwaben ist SBS (9.2: 200 - 201), zum östlichen Bairischen Stangel (2015: 105 - 112) zu vergleichen. Schiepek (1908: 417) spezifiziert den Kasus nicht, ähnlich Hausenblas (1914: 100) mit Beispielen im Akkusativ aus dem Nordwestböhmischen. Zu einem Überblick ist auch Fleischer (2017 a: 290 - 293) zu vergleichen, ebenfalls mit Belegen im Akkusativ. Clauß (1929: 192) und Abegg (1911: 80) belegen das Vorkommen des Reflexivpronomens variativ im Akkusativ für UR, wobei Clauß (1969: 103) nur 140 2 Pronomina noch von seltenem, altertümlichem Gebrauch spricht. Das Reflexivpronomen in der 1.Pl. belegt Id. (7: 151) für das Haslital, ebenso Hopf (1969: 13) mit einem Beispiel; für Bern und älteres Deutsch vgl. Stickelberger (1900: 610 - 611) sowie Marti (1985: 98) „ vor allem auch dem Jurasüdfuss entlang. “ Dauwalder (1992: 25) führt die Verwendung des Reflexivpronomens in allen Personen als ein allmählich zurückgehendes Merkmal des Haslideutschen an, wobei es sich bei den angegebenen Beispielen durchweg um Akkusative handelt. In SDS (III: 35, 38) sind einige verstreute Beispiele aus UR, AG und VS sowie SDS (III: 37) aus einer Südwalsersprachinsel aufgeführt. Die bei Wipf (1910: 139) belegten unbetonten Formen des Dativ- und Akkusativpronomens, für das sie auch ein reflexives Beispiel im Akkusativ anführt, könnten aufgrund des lautlichen Zusammenfalls auch als Reflexivpronomen interpretiert werden. Ernst (2006) behandelt das Vorkommen des Reflexivpronomens in der 1.Pl. im weiteren Kontext der romanischen Sprachen. Literatur Abegg 1911 ▪ Clauß 1929 ▪ 1969 ▪ Dauwalder 1992 ▪ Ernst 2006 ▪ Fleischer 2017 a ▪ Hausenblas 1914 ▪ Hopf 1969 ▪ Id. 7 ▪ Marti 1985 ▪ SBS 9.2 ▪ Schiepek 1908 ▪ Schirmunski 2010 ▪ SDS III ▪ Stangel 2015 ▪ Stickelberger 1900 ▪ Wipf 1910 2.2.3 Reflexivpronomen (3.Sg.M., Akk. nach Präposition) Frage III.20 (A) - E R SCHAUT NUR FÜR SICH SELBST 1. Kartenthema und Datengrundlage In derAnkreuzfrage III.20 mussten die Gewährspersonen zwei Varianten eines Reflexivsatzes mit maskulinem pronominalen Subjekt im Hinblick auf den pronominalen Ausdruck des reflexiven Bezugs nach einer den Akkusativ fordernden Präposition bewerten. Das Pronomen wurde jeweils mit der Stützung durch ‚ selbst ‘ erfragt. Vorgegeben wurde einmal eine Konstruktion mit Reflexivpronomen und einmal mit reflexiv gebrauchtem Personalpronomen im Akk.Sg.M., was beides für das Schweizerdeutsche mehrfach bezeugt ist, vgl. 7 a. Kartiert werden neben den beiden vorgegebenen Varianten auch die von Gewährspersonen zusätzlich angegebenen Nominativ- und Dativformen. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 2802 2802 0 2772 30 2832 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a SICH Reflexivpronomen 3 b IHN Personalpronomen (3.Sg.Akk.M.) 3 c IHM Personalpronomen (3.Sg.Dat.M.) 3 d ER Personalpronomen (3.Sg.Nom.M.) Typenbildung SICH si, sich, schich, schi, sech, sig, se, sea IHN inn, ihn, inne, ihne, ina, in, in(n)ä, eann, en, in(n)u, ene, ihnen, inen, e, ee, ea, ä IHM im, iim, ihm ER är 2.2 Reflexivpronomen 141 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Am häufigsten wird mit 2399 Mal verteilt auf alle 383 Erhebungsorte die vorgegebene Variante mit dem Reflexivpronomen sich präferiert. Sie tritt überall in Mehrfachnennung auf, ausser in Jaun FR, Wengen BE. Beispiele: Är luägt nummä für sich sälbr Aesch BL, Er luegt nume für sich sälber Stein AG, Är luagat nu für si sälbr Untervaz GR, Är lüägt nur vär schich sälbär Agarn VS. b) Am zweithäufigsten wird mit 198 Mal an 109 Orten die vorgegebene Variante ihn präferiert. Mehrfachnennungen konzentrieren sich in der Ostschweiz und im östlichen Berner Oberland, im AG und im westlichen Teil des Oberwallis. Die Variante wird nur an sechs Orten mehrheitlich präferiert: Mosnang, Sevelen, Wartau SG, Haslen AI, Guttannen, Wengen BE. Die Variante wird deutlich häufiger akzeptiert, 411 Mal an 212 Orten, die breiter gestreut sind als bei der Präferenz, vgl. ► Akzeptanzkarte (S. 84). Beispiele: Er luegt numä fir in sälber Roggenburg BL, Er luegt nume für ihn sälber Oberhof AG, Er lueget nu för eann sealbar Oberriet, Er luagat nu för inn sälbar Wartau SG, Däh luegt nume für inne sälber Leissigen BE, Är luägäd numan vr inn sälbun Blatten VS. Diesem Typ sind 7 ee-, ebzw. ea-Nennungen zugeordnet. Sie werden verteilt auf 3 Orte im Osten präferiert. In Oberriet und Berneck SG erscheinen 4 ea-Nennungen. In Appenzell AI tritt die Variante 2 Mal mit ee-haltiger und einmal mit e-haltiger Graphie auf. Beispiele: Er lueget nu för ea sealb Berneck SG, E luegt gad för e sölb Appenzell AI. c) 11 Mal wird verteilt auf 9 Orte die nicht vorgegebene Variante ihm präferiert. Sie kommt im Sensebezirk, im unteren Teil des Oberwallis, einmal im Lötschental (Ferden VS) und einmal in Sennwald SG als Einzelnennung vor. Der prozentuale Anteil der Variante ist niedrig. Beispiele: Er lueget no für im sälber! Sennwald SG, Är ggugget nume für im säuber Jaun, Är guget nume für im säuber Ueberstorf FR, Är luägt nur vär ihm sälber Agarn, Är gsed numa fr ihm sälber Ferden, Är lüogt nur vär im sälber Inden, Där lüag numu vär im sälbsch Salgesch VS. d) Die nicht vorgegebene Nominativform er wird 2 Mal in Vals GR von zwei älteren Gewährspersonen, Jg. 1929 bzw. 1932, präferiert. Beispiel: Är luegt nu für är sälber Vals GR. e) Intrapersonelle Variation: präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte IHN und SICH 19 Personen an 18 Orten (2 Mal in Brienz BE, je einmal in Buckten BL, Boniswil AG, Bäretswil, Turbenthal ZH, Kesswil TG, Gais AR, Lützelflüh, Spiez, Ursenbach BE, Lungern, Sarnen OW, Churwalden, Jenins, Schiers, Untervaz GR, Randa, St. Niklaus VS) IHM und SICH 1 Person in Agarn VS 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ Er lueget no für enn/ sich sälber. Beide. [3 b] ist ursprünglicher. “ , Kesswil TG. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ [3 a] nur bedingt möglich. Er lueget nu för ea sealb “ , Berneck SG. [GP akzeptiert und präferiert 3 b] - „ [3 b] würde selten gebraucht, aber als korrekt empfunden “ , Mörschwil SG. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 a] - „ Er lueget nu för eann sealbar. Er lueget nu för si sealbar. (Beides ist zu hören) “ , Oberriet SG. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 b] - „ Er luegät nur für inä sälber, oder er luegät nur für sich. Bei [3 b] ist sälber überflüssig, sich enthält alles “ , Walenstadt SG. [GP akzeptiert und präferiert 3 b sowie 5 a] 142 2 Pronomina - „ Beide Varianten möglich: [3 b] eher veraltet, [3 a] wohl geläufiger. Er lueget gad fö ene sälber. “ , Appenzell AI. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 a] - „ Beide möglich! “ , Lützelflüh BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ [3 b] wäre auch möglich. Am Besten wäre; Är luegt nume für sich säuber. “ , Lützelflüh BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ [3 a] geht, wird auch gehört, aber richtig ins “ , Alpnach OW. [GP akzeptiert und präferiert 5 c] - „ Är dänkt nu an sich. Är luegt nu für sich. Nur ohne selbst (selber) - das ist schriftdeutsch! ! “ , Arosa GR. [GP akzeptiert und präferiert 5 a] - „‚ sälber ‘ würde ich eher weglassen “ , Chur GR. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ Inzwischen würden wohl viele hier im Tal auch Variante [3 a] als möglich ankreuzen. “ , Blatten VS. [GP akzeptiert und präferiert 3 b] 5. Weitere Varianten a) Insgesamt 219 Mal werden drei der oben genannten Varianten (vgl. 3) ohne ‚ selbst ‘ präferiert, vgl. ► Beikarte (S. 85): 188 Mal an 144 Orten sich , 28 Mal an 23 Orten ihn , 3 Mal an 2 Orten ihm (Plaffeien, Schwarzsee FR). Unter den 28 ihn -Nennungen kommen zwei ebzw. ea-Formen vor (Oberriet SG, Appenzell AI), vgl. 3 b. In Walenstadt SG hat eine Person das Personalpronomen im Akkusativ mit ‚ selbst ‘ ( … für inä sälber) und das Reflexivpronomen ohne ‚ selbst ‘ ( … für sich) präferiert, vgl. oben 4. Gerade umgekehrt wird je einmal in Grabs SG und Bürchen VS das Reflexivpronomen mit ‚ selbst ‘ und das Personalpronomen im Akkusativ ohne ‚ selbst ‘ präferiert. In Stein SG, Sempach LU, Vals GR hat je eine Person nur die Variante sich mit und ohne ‚ selbst ‘ präferiert. Je eine Person aus Uster ZH, Bühler AR, Malans GR hat sich und ihn ohne ,selbst ‘ nebeneinander präferiert. Beispiele: Er dänkt nur a sich Birmenstorf AG, Er lueget no för en Brunnadern, Er luagat gad för ea Oberriet SG, Er luegt gad fö ene Appenzell, E luegt gad fö ë Appenzell AI, Är gugget nume für im Schwarzsee FR, Är lüöt nur fär schich Agarn VS. b) In Davos GR wird einmal die Form schimsälb neben der Form schich (ohne ‚ selbst ‘ ) präferiert, vgl. 7 d: Aer luoged numo für schimsälb Davos GR. c) 2 Mal wird die personale Form des Akkusativs der 3.Sg.N. ins präferiert: für ins sälber Alpnach, fir inns sälber Giswil OW, vgl. 7 f. 6. Unbrauchbare Antworten keine 7. Weitere Bemerkungen a) Baumgartner (1922: 150) erwähnt die variative Ausweitung des reflexiv gebrauchten Personalpronomens auf den Akkusativ für das Berner Seeland. Seine Beispiele sind dabei wie die im SADS vorgegebenen Varianten jeweils durch selber gestützt. Fischer (1960: 258 - 259) erwähnt für Luzern, dass nach Präpositionen, die den Akkusativ fordern, das Personalpronomen stehen könne und eine „ Verstärkung “ durch selber dann häufiger sei (vgl. Schmid 1915: 164), was Jutz (1960: 1153) ähnlich für Vorarlberg erwähnt. Fischer gibt ausserdem an, dass unter Betonung das Reflexivpronomen immer mehr durchdringe. Id. (7: 147 - 148) belegt den reflexiven Gebrauch des Personalpronomens unter „ Nachdruck “ , der gewöhnlich durch Verstärkung mit selber auftrete, mit Belegen aus Bern, sowie „ verbreiteter, doch keineswegs ausschliesslich “ nach Präposition mit Belegen aus BS, BL, AR, BE, GR und Toggenburg SG. Zu den 2.2 Reflexivpronomen 143 ländlichen Berner Verhältnissen äussert sich ausführlich Hodler (1969: 206), der ebenfalls den verbreiteten reflexiven Gebrauch ( „ nicht selten “ ) der Personalpronomina im Akkusativ nach Präposition betont, während er als städtischen Gebrauch das Reflexivpronomen angibt (1969: 205). Den variativen reflexiven Gebrauch des Personalpronomens nach Präposition erwähnt auch Binz (1888: 50) für BS. b) Der häufigere Gebrauch des reflexiven Personalpronomens, der sich im Vergleich der hier ausgewerteten Frage III.20 mit den Ergebnissen in Frage III.13 bei der 3.Sg.M. zeigt, ist aufgrund der verschiedenen variierenden Faktoren schwer zu beurteilen. Es liegt nicht nur die unterschiedliche Vorgabe mit Stützung durch ‚ selbst ‘ und Akkusativ statt Dativ vor, in der vorliegenden Aufgabe III.20 liegt auch kein echt reflexives Verb, sondern ein reflexiv gebrauchtes Verb vor, und es handelt sich um eine Präpositionalgruppe. Das seltenere Vorkommen des Personalpronomens im Dativ in den SADS-Daten ist gegenüber den Angaben in der Sekundärliteratur, die auf das Gegenteil verweisen, auffällig und eventuell auf die in III.20 kombinierten begünstigenden Faktoren zurückzuführen. Der Nachweis wäre nur mit einer Frage zu einem präpositionalen Dativ mit Stützung durch ‚ selbst ‘ zu erbringen. c) Bucheli Berger (2010: 78 - 79) wertet III.20 bezüglich des Sensebezirks aus. Den Gebrauch der Dativform statt Akkusativ des Personalpronomens findet sie v. a. bei älteren Gewährspersonen. Henzen (1927: 198) führt entsprechende Beispiele zusammen mit Dativformen, die in ihrer ursprünglichen Funktion stehen, ohne weiteren Kommentar an. d) Die einmalig präferierte Präpositionalphrase für schimsälb (vgl. 5 b) aus Davos GR passt zu den ausschliesslich Bündner Belegen in Id. (7: 823 - 824), dort jedoch für Dativ. In Langwies GR notiert eine Gewährsperson zusätzlich eine entsprechende (hier unbrauchbare) Form im Dativ: Är luegt nu schim sälber. e) Zu den wenigen Appenzeller Schreibungen e, ee, die hier dem Akkusativ (3 b) zugeordnet wurden, vgl. auch 2.1.4, 7 b (IV.17). f) Zur Form ins für Personen vgl. die Ausführungen zu IV.11 (2.1.5, 7 e). Literatur Baumgartner 1922 ▪ Binz 1888 ▪ Bucheli Berger 2010 ▪ Fischer 1960 ▪ Henzen 1927 ▪ Hodler 1969 ▪ Id. 7 ▪ Jutz 1960 ▪ Schmid 1915 Bezug auf SADS-Material Bucheli Berger 2010: 73, 78 - 79 ▪ 2010: 83 Ⓚ 144 2 Pronomina 2.3 Interrogativpronomen 2.3.1 Persönliches Interrogativpronomen (direktes Objekt) Frage III.2 (Ü) - W EN SUCHST DU ? 1. Kartenthema und Datengrundlage In der Frage III.2 wurden die Gewährspersonen gebeten, einen Fragesatz mit persönlichem Interrogativpronomen in ihren Dialekt zu übersetzen. Die Frage zielte auf die verschiedenen Formen ab, die das Fragepronomen, das nach einer in Bezug auf das Geschlecht nicht bestimmten Person als direktes Objekt fragt, im Schweizerdeutschen annehmen kann. Insbesondere ist im Schweizerdeutschen die Frage des weit verbreiteten Zusammenfalls von Nominativ und Akkusativ von Interesse (vgl. 7 a). Die Kartierung berücksichtigt verschiedene Kasusformen des einfachen Fragepronomens sowie die neutrale Flexionsform des Fragepronomens welch- (vgl. 7 d). Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei drei total 2802 2604 198 2570 33 1 2639 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a WER Nominativform 3 b WEN Akkusativform 3 c WEM Dativform 3 d WELCHES Nominativ- / Akkusativform 3 e WE Nominativ- / Akkusativform Typenbildung WER wer, wär, wäär, wear WEM wäm, wem WEN wen, ween, wëën, wenn, wänn, wän, wään, wene, weene, wenä, wean, wiän, wön WE we, wè, wé, wee, wä, wää, wea WELCHES wels, wells, welts, welz, weuts 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Am häufigsten wird mit 2021 Mal an 357 Orten die Variante wer übersetzt. Die Nennung dieser ursprünglich nominativischen Form erstreckt sich über das gesamte Erhebungsgebiet. Sie ist fast überall mehrheitlich, mit Ausnahme von drei kleinen Teilgebieten, in denen andere Varianten dominierend sind (vgl. 3 b - e). Die Variante wer fehlt an einzelnen Orten in AR, AI, BE, GR, VS ganz. Beispiele: Wär suechsch? Liestal, Wer duesch du sueche? Schönenbuch BL, Wär suechsch du? Stein AG, Wear suachscht? Diepoldsau SG, Wär suechschu? Plaffeien FR, Wär suechsch Du? Leissigen, Wäär suechscht du? Lenk BE, Wer suächsch? Alpnach OW, Wer suchsch? Lachen SZ, Wer tüäsch Du suächä? Gurtnellen UR. b) Am zweithäufigsten wird - mit grossem Abstand - 319 Mal an 115 Orten die Variante wen übersetzt. Darunter finden sich 10 Mal an 5 Orten (Bühler, Gais, Trogen, Waldstatt AR, Brülisau AI) zweisilbige Formen wene, weene, wenä. Die Akkusativ-Variante tritt konzentriert in einigen Regionen in BE, fast im ganzen Kanton ZH, in einigen Bündner Walsergemeinden und im Nordosten auf. Mehrheitlich ist sie an 2.3 Interrogativpronomen 145 30 Orten v. a. in ZH, BE, GR und in Gais AR, vgl. ► Prozentkarte (S. 87). In Innertkirchen BE, St. Antönien, Wiesen GR ist sie die einzige Variante. Beispiele: Wen suechsch? Lupfig AG, Wen suechsch? Meilen, Wen duesch sueche? Wädenswil ZH, Wänn tuësch suche? Frauenfeld, Wen suechscht du? Weinfelden TG, Wean suachscht? Diepoldsau SG, Wene suechscht? Brülisau AI, Wänn suechscht du? Brienz, Wän söchscht Düü? Guttannen BE, Wen suachsch? Mutten GR. c) Am dritthäufigsten wird mit 101 Mal an 20 Orten die Variante wem übersetzt. Die Dativ-Variante kommt ausser als Einzelnennung in Schönenbuch BL nur im Kanton BE nördlich des Thunersees bis zur Ostgrenze des Kantons vor, in Konolfingen, Röthenbach i. E., Schangnau, Signau, Trub sogar als einzige Variante. In Fankhaus, Huttwil, Langnau, Lützelflüh, Oberwichtrach, Sumiswald, Ursenbach wird sie mehrheitlich und in Rubigen von 4 von 8 Gewährspersonen übersetzt, vgl. ► Prozentkarte (S. 87). Beispiele: Wem suechsch du Schönenbuch BL, Wäm suechsch? Huttwil, Wäm suechsch Du? Konolfingen, Wem suechsch? Langnau, Wäm suechsch? Lützelflüh, Wäm suechsch du? Steffisburg BE. d) Ebenfalls mit 101 Mal wird, auf VS beschränkt, an 23 Orten das Fragewort welches gebraucht. In Ausserberg, Bürchen, Inden, Saas-Grund, Simplon Dorf, St. Niklaus, Zermatt ist das die einzige Variante, an weiteren 7 Orten ist sie mehrheitlich und in Randa wird die Variante von 2 von 4 Gewährspersonen übersetzt, vgl. ► Prozentkarte (S. 87). Beispiele: Wells/ wels/ welz süächscht? Agarn, Welt ’ s süöchoscht du? Ausserberg, Wels süechuscht? Betten, Weuts süechescht? Binn, Wells tüescht dü sueche? Zermatt VS. e) An letzter Stelle steht mit 87 Mal an 35 Orten die Variante we (darunter 7 Mal wea). Die Form kann sowohl aus dem Nominativ als auch aus dem Akkusativ durch Schwund des auslautenden Konsonanten entstanden sein. Die genaue Zuordnung zum Nominativ oderAkkusativ kann nur innerhalb des Systems des einzelnen Ortsdialekts bestimmt werden, vgl. 7 b. W e tritt als alleinige Variante (mit e-haltiger Graphie) in Heiden AR, Haslen, Appenzell AI auf, und in Trogen AR, Brülisau AI wurde sie von der Mehrheit der Gewährspersonen übersetzt. Mit ä-haltiger Graphie wird sie von der Mehrheit der Gewährspersonen in Wartau SG, Tamins GR übersetzt und an mehreren Orten von der Hälfte der Gewährspersonen: in Grindelwald (3 von 6), Matten BE (3 von 6), Jenins (3 von 6), Malans GR (2 von 4), vgl. ► Prozentkarte (S. 87). Beispiele: We suechst du? Birwinken TG, Wea suechst? Berneck, We suechscht? Brunnadern SG, Wee suechscht? Appenzell AI, Wää süechscht? Grindelwald, Wä söchscht? Guttannen, We suechscht du? Lenk BE, Wä suachsch? Malans, Wä tuasch du suacha? Malans, Wä suachsch? Tamins GR. f) Intrapersonelle Variation: übersetzte Varianten Anzahl Personen und Orte WER und WEN 18 Personen an 17 Orten (je 2 Mal in St. Gallen SG, je einmal in Andelfingen, Illnau, Küsnacht, Wädenswil, Winterthur, Zürich ZH, Diepoldsau SG, Bühler, Gais, Trogen AR, Büren a. A., Ins, Krauchthal, Langnau, Ligerz, Münchenbuchsee BE) WER und WEM 3 Personen an 3 Orten (Melchnau, Oberwichtrach, Ursenbach BE) WER und WELCHES 3 Personen an 3 Orten (Agarn, Mörel, Visp VS) WER und WE 4 Personen an 3 Orten (2 Mal in Trogen AR, je einmal in Lenk, Matten BE) WEN und WE 1 Person in Brülisau AI 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ alt, hört man kaum mehr: Wean suachscht? , heute gebräuchlicher: Wäar suachscht? “ , Diepoldsau SG. - „ Ich selber sage konsequent: Wene suechsch ’ d? Heute allgemein üblich: Wer …“ , Gais AR. - „ Wee suechscht? Oder Wer suechscht? (häufiger, aber falsch) “ , Trogen AR. - „ Wer suchscht Nominativ! Ev. wen (aber selten) “ , Trogen AR. - „ Wen suchsch Du ist nicht geläufig “ , Frutigen BE. 146 2 Pronomina - „ Wär suechscht du? Früher d. h. bis 1980: Wéé suechscht du? “ , Matten BE. - „ Welz suächscht du? (für Mann und Frau), für Männer = Welä suächscht du? , für Frau = Weli suächscht du? “ , Agarn VS. - „ Welä (oder: Weli für weiblich) süechäsch? “ , Oberwald VS. 5. Weitere Varianten a) 4 Personen in VS notieren als einzige Variante genusspezifizierte Formen von welch-: Ferden (welln m.), Mörel (welä m.), Oberwald (welä m., weli f.), Salgesch (wälie f.). Zusätzlich notieren 3 Personen in VS genusspezifierte Formen von welchneben der neutralen Form welches : Blatten (welln m.), Agarn (welä m., weli f.), Steg (weeli f.). Einmal notiert eine Person aus Sennwald SG eine genusspezifische Form (wela m.) neben wer . 6. Unbrauchbare Antworten a) 130 Mal wird als einzige Antwort eine Entscheidungsfrage statt der W-Frage übersetzt (insgesamt 136 Mal). b) 51 Mal wird als einzige Antwort die Frage mit nicht-personenbezogenem was übersetzt (insgesamt 52 Mal): Wa suechsch? Kaisten AG, Was suechsch? Alpnach OW, Was suechst de du? Obersaxen GR. c) 22 Mal werden inhaltlich gänzlich andere Konstruktionen einschliesslich Übersetzungen des Kontexts notiert (insgesamt 23 Mal). d) Nicht eindeutig zu interpretieren ist die Notation Wes suechsch? Oberwichtrach BE, in der sich das Fragepronomen we an den Anlaut des nachfolgenden Verbs assimiliert haben könnte. Neben wes wird von dieser GP auch wän übersetzt, was kartiert wurde. Es könnte sich hierbei also auch um einen weiteren we - Beleg handeln (vgl. 3 e). 7. Weitere Bemerkungen a) Der Zusammenfall von Nominativ und Akkusativ beim persönlichen Fragepronomen ist in der Sekundärliteratur zum Schweizerdeutschen für verschiedene Regionen gut dokumentiert, vgl. z. B. Id. (16: 1043 - 1044), Abegg (1911: 80), Baumgartner (1922: 152), Clauß (1929: 196), Henzen (1927: 201), Hotzenköcherle (1934: 436), Stucki (1917: 285), Wanner (1941: 178), Sonderegger & Gadmer (1999: 152). b) we : In den meisten Fällen dürfte es sich bei we um eine Akkusativform handeln, so sicher bei den 7 wea- Nennungen in Oberriet und Berneck SG (vgl. Berger 1913: 116, zum Unterschied von Nominativ und Akkusativ), ebenso wie bei we im Simmental (Lenk, Matten BE) (vgl. Bratschi & Trüb 1991: 18). Als Akkusativform ist we nach Id. (15: 1044, 1052) auch im Berner Oberland und Jaun einerseits sowie der Bündner Herrschaft (vgl. auch Meinherz 1920: 183), im St. Galler Rheintal und in Kesswil TG andererseits belegt. Verbreiteter Zusammenfall mit dem Nominativ zeigt sich in Appenzell, Brülisau AI, ebenso wie in Wartau SG und Tamins GR, vgl. IV.4 zum Nominativ. Als Nominativ-Variante ist we vor allem für ZH in SDS (III: 221 III) dokumentiert. Die mögliche Geltung von we sowohl im Nominativ als auch im Akkusativ vermerkt Id. (15: 1043 f., 1052), ebenso auch Sonderegger & Gadmer (1999: 152) für das Appenzellische. W e stellt wohl unabhängig von seiner Entstehung eine ältere Form dar (vgl. 4). c) Bemerkungen der Gewährspersonen bestätigen die jüngere Ausbreitung der Nominativform wer , wie sie schon in älterer Literatur dokumentiert ist (vgl. Brun 1918: 168). Bemerkungen zu wen als neuere Form gibt es in unserem Material keine, vgl. aber Baumgartner (1922: 152). wen wird z.T. als „ nicht echt mundartlich “ eingeschätzt, z. B. Weber (1923: 174). Für LU, SH und ZH sieht Id. (15: 1053) die Nominativform als älter an. Die Verhältnisse für Bern diskutiert auch Hodler (1969: 262 - 263). d) Für das Wallis ist die Bevorzugung des Pronominalstamms welch gegenüber dem einfachen persönlichen Fragepronomen im SDS (III: 221) dokumentiert (vgl. auch Id. 15: 1434). Entsprechend Wipfs Angabe (1910: 143 - 144), dass wels das eigentliche Fragepronomen sei, wird in der vorliegenden Auswertung für 2.3 Interrogativpronomen 147 den persönlichen, nicht genusdifferenzierten Gebrauch nur die neutrale Form als äquivalent betrachtet, wohingegen maskulin oder feminin flektierte Formen nicht in die Kartierung einbezogen sind. Das bei Bohnenberger (1913: 224) für das untere Oberwallis genannte wenu(n) erscheint im vorliegenden Material nicht. e) Das bei Buchs (2014: 537) für Jaun - ohne Beispiel - genannte wemm in Akkusativfunktion erscheint in unserem Material nicht. Zur Entstehung der wem -Form, vgl. Hodler (1969: 261), Marti (1985: 106). Zum bernischen wem vgl. Marti (1971: 36 - 43). Literatur Abegg 1911 ▪ Baumgartner 1922 ▪ Berger 1913 ▪ Bratschi & Trüb 1991 ▪ Bohnenberger 1913 ▪ Brun 1918 ▪ Buchs 2014 ▪ Clauß 1929 ▪ Henzen 1927 ▪ Hodler 1969 ▪ Hotzenköcherle 1934 ▪ Id. 15 ▪ 16 ▪ Marti 1971 ▪ 1985 ▪ Meinherz 1920 ▪ SDS III ▪ Sonderegger & Gadmer 1999 ▪ Stucki 1917 ▪ Wanner 1941 ▪ Weber 1923 ▪ Wipf 1910 2.3.2 Persönliches Interrogativpronomen (Akk. nach Präposition) Frage III.3 (Ü) - F ÜR WEN SIND DENN DIE B LUMEN ? 1. Kartenthema und Datengrundlage In der Frage III.3 wurden die Gewährspersonen gebeten, einen Fragesatz mit persönlichem Fragepronomen in ihren Dialekt zu übersetzen. Die Aufgabe zielte auf die verschiedenen Formen ab, die das Fragepronomen nach der einen Akkusativ regierenden Präposition ‚ für ‘ im Schweizerdeutschen annehmen kann. Neben den verschiedenen Kasusformen des einfachen Fragepronomens wurden auch Antworten mit dem Fragepronomen welch in die Kartierung einbezogen. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei drei total 2803 2721 82 2699 21 1 2744 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a WER Nominativform 3 b WEN Akkusativform 3 c WEM Dativform 3 d WE Nominativ- / Akkusativform 3 e WELCHES Nominativ- / Akkusativform 3 f WELCHEM Dativform Typenbildung WER wer, wär, wäär, wäar, waar, wèr, weär, weyr WEN wen, ween, wenn, wänn, wän, wään, wene, wéne WEM wäm, wämm, wem WE we, wè, wee, wä, wää, wea, weä WELCHES wels, wäls, wells, welts, welz, wälz, welds, wellts, weuz WELCHEM welum, wellum, wälum, wällum, wallum 148 2 Pronomina 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Am häufigsten wird mit 2018 Mal an 349 Orten die Variante wer mit der Nominativform nach der Präposition übersetzt. Diese Variante erstreckt sich über das gesamte Erhebungsgebiet mit Ausnahme von Teilgebieten, in denen andere Varianten dominierend sind (vgl. 3 b - f). Beispiele: För wäär send die Blueme? Kirchleerau AG, Föar wäar seand di Bluama? Diepoldsau, För wer sind die Blueme? St. Gallen SG, Fuer wär sii de dii Meie? Giffers FR, Für wär sy di Blueme? Ins, Für wär si de die Blueme? Oberwichtrach BE, Für wer sind denn dië Blueme? Menzingen ZG, Für wer sind dä de Bluämä Elm GL. b) Am zweithäufigsten wird - mit grossem Abstand - mit 364 Mal an 119 Orten die Variante wen übersetzt. 7 Mal an 2 Orten erscheint die Variante als wene: Bühler, Gais AR (6 Mal). Die Akkusativform kommt v. a. in ZH, BE, GR an einigen Orten und in Gais AR mehrheitlich vor, vgl. ► Prozentkarte (S. 89). In Brienz, Grindelwald, Gsteig, Innertkirchen, Mürren, Saanen, Wengen BE, St. Antönien, Wiesen GR kommt sie als einzige Variante vor. Beispiele: Für wen sind dänn die Bluemä Merishausen SH, Für wähn sind die Blueme? Kesswil TG, Für wene sönd denn die Bluemme? Bühler, För wene sönd denn die Blueme? Gais AR, Für wän si de di Blueme Frauenkappelen, Fir wän siin dee Blöömen Guttannen, Für wän sy de die Blueme? Ligerz, Für wän wosch de di Blume Steffisburg BE. c) Am dritthäufigsten wird mit 135 Mal an 35 Orten die Variante wem übersetzt. Die Dativ-Variante kommt sowohl im Kanton BE als auch im Kanton FR vor (Einzelnennungen in AG, ZH, SZ, GL). In Konolfingen, Röthenbach i. E., Schangnau, Signau, Trub BE ist sie die einzige Variante, an 7 weiteren Orten in BE und 3 Orten in FR wird sie von der Mehrheit, in Wynigen BE (3 von 6) und Düdingen FR (2 von 4) von der Hälfte der Gewährspersonen übersetzt, vgl. ► Prozentkarte (S. 89). Einmal erscheint die Variante mit Präpositionaler Dativmarkierung. Beispiele: Für wem sind denn die Blueme Densbüren AG, Für wem häsch die Blueme Hütten, Für wämm [sic] sind dän die Blueme Sternenberg ZH, Für wem sy d Meie/ Blueme? Freiburg, Für wem si de di Blueme? Schwarzsee FR, Für wäm si die Blueme? Lützelflüh BE, Muotter frouget, für wem sind diä Bluomä Innerthal SZ, Für wem sind diä Bluemä Näfels, Für ä wem sind diä Bluäme? Mollis GL. d) 104 Mal an 45 Orten wird die Variante we übersetzt. Die Variante kommt vor allem im Berner Oberland, vom Thurgau bis ins Bündner Rheintal sowie im Kanton ZH vor. Als alleinige Variante erscheint sie (ähnlich wie in III.2) in Heiden AR, Appenzell, Brülisau, Haslen AI, sie wird in Berneck, Wartau SG, Trogen AR, Lenk BE, Tamins GR von der Mehrheit, in Matten BE (3 von 6) und Jenins GR (3 von 6) von der Hälfte der Gewährspersonen übersetzt, vgl. ► Prozentkarte (S. 89). In Berneck, Diepoldsau und Oberriet erscheint die Akkusativform wea o. ä. Die e-Graphie tritt wiederum vor allem in Appenzell, aber auch im Simmental auf. Beispiele: För wea send dänn di Bluma? Diepoldsau SG, För we sönd denn die Blueme Trogen, För wè sin dèn dia Bloama? Wartau AR, Fö we sönd denn au die Blueme? Appenzell AI, Fü wä sin die Blueme Habkern, Für wä si de di Blueme Kandersteg, Für wee si de di Bluemi? Lenk BE, Für wä sin den dia Bluama? Tamins GR. e) An fünfter Stelle steht ausschliesslich in VS mit 97 Mal an 23 Orten die Variante welches (Sg.N.). In Ausserberg, Bürchen, Saas-Grund, Simplon Dorf, St. Niklaus, Zermatt ist sie die einzige Variante, in Betten, Blatten, Brig, Ferden, Randa, Visperterminen mehrheitlich, in Mörel wird die Variante von 4 von 8 Gewährspersonen übersetzt, vgl. ► Prozentkarte (S. 89). Beispiele: Fr wells sind den die Bluäm Blatten, Far wels si de die Bluemä? Reckingen, Ver wels sind de die Blüöme? Saas-Grund, Fär wäls sid dä di Meiä Salgesch, Fär welz sind de die Bluamä Simplon Dorf, Fer welz sind de die Meije Visperterminen, Fer wells sind di Blueme? Zermatt VS. f) An letzter Stelle steht mit 20 Mal an 6 Orten welchem , was als Dat.Sg.N. des welch -Fragewortes interpretiert werden kann. Die Form beschränkt sich auf den unteren Teil des Oberwallis. Sie ist mehrheitlich in Agarn, Inden, Salgesch VS. Beispiele: Fär wellum sind de di Blüämä? Agarn, Fär wallum/ wälum sind dä die Blumä? Salgesch, Fär welum willt dä dischu Meijä? Steg VS. 2.3 Interrogativpronomen 149 g) Intrapersonelle Variation: übersetzte Varianten Anzahl Personen und Orte WER und WEN 10 Personen an 9 Orten (2 Mal in St. Gallen SG, je einmal in Liestal BL, Birmenstorf AG, Wädenswil, Winterthur, Zürich ZH, Altstätten, Diepoldsau SG, Oberwichtrach BE) WER und WEM 1 Person in Düdingen FR WER und WE 2 Personen an 2 Orten (Matten BE, Lungern OW) WER und WELCHES 3 Personen an 3 Orten (Agarn, Steg, Visp VS) WEN und WE 1 Person in St. Gallen SG WELCHEM mit WELCHES 1 Person in Agarn VS WER , WEN und WE 1 Person in Gais AR 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ alt, hört man kaum mehr: Föar wean seand di Bluama? , heute gebräuchlicher: Föar wäar seand die Bluama? “ , Diepoldsau SG. - „ För wer sind die Blueme? auch (je nach vis à vis): För wen sind die Blueme? “ , St. Gallen SG. - „ ich: För wé sönd denn die Bluemme? (auch: För wéne … ), vermutlich Innerrhoder Einfluss! Allgemein neu: För wèr …“ , Gais AR. - „ För we send die Blueme? Vermutlich Akkusativ, … n wird aber nicht ausgesprochen “ , Trogen AR. - „ [Hinweis bei III.2 für 3 b] ist nicht geläufig “ , Frutigen BE. [GP übersetzt 3 a] - „ Im Sinne von ‚ wem gehören ‘ : Wemm sintia Bluama? “ , Chur GR. [GP übersetzt 3 a] - „ Für wer (m: welä oder w: weli) si de die Blüemä? “ , Oberwald VS. 5. Weitere Varianten a) 3 Personen in VS notieren als einzige Variante genusspezifizierte Formen von welch-: Ferden (2 Mal, welln m.), Agarn (welu m.). Zusätzlich notiert 1 Person in VS eine genusspezifizierte Form von welchneben der neutralen Form welches : Blatten (welln m.). 3 Mal werden genusspezifizierte Formen von welchneben wer notiert: Seftigen BE (wele m.), Sennwald SG (wela m.) sowie Oberwald VS (welä m. und weli f., vgl. 4). 6. Unbrauchbare Antworten a) 52 Mal wird als einzige Antwort statt dem Präpositionalgefüge nur das Fragepronomen wem verwendet (insgesamt 83 Mal), davon 13 Mal mit Präpositionaler Dativmarkierung a wem und 14 Mal mit i wem . Beispiele: Wiam bringst die Bluama? Diepoldsau SG, I wem brengsch die Blueme? Hünenberg ZG, A wem sind diä Blueme? Muotathal SZ, Waem sind denn diä Bluemä? Langwies GR. b) 10 Mal wird das Fragepronomen im Nominativ wer mit dem Verb ‚ bekommen ‘ als einzige Antwort übersetzt (insgesamt 21 Mal). Beispiele: Lueg au do, wer chunnt de schön Bluemestruuss über? Frick AG, Wer chunt denn die Blueme über? Amriswil TG. c) 3 Mal wird der Satz mit dem Präpositionalgefüge von wem als einzige Antwort übersetzt (insgesamt 4 Mal). Beispiel: Vo wäm sind dä die Bluemä Amden SG. d) 8 Mal werden eine andere Konstruktion und einmal der Kontext übersetzt. 150 2 Pronomina e) 5 Mal wird eine standarddeutsche Antwort notiert. f) 3 Mal ist die Übersetzung nicht leserlich, einmal ist sie unvollständig. 7. Weitere Bemerkungen a) Vgl. Bemerkungen bei III.2, 7 a - f. b) Die bei Stucki (1917: 285) als veraltend genannte Form wé nach Präposition in Jaun erscheint in unserem Material bei zwei Gewährspersonen ( Jahrgang 1945, 1954), vgl. auch Buchs (2014: 528) mit einem Beispiel, das die Nominativform in fer wäär zeigt sowie (2014: 536) mit der Angabe, wee erscheine besonders in Zusammensetzung wie fer (ì) wee neben heutigen fer wemm unter Berufung auf Stucki (1917). c) Im Senslerischen, wo Henzen (1927: 201) postpräpositional noch „ ausschliesslich “ Dativ beobachtete, handelt es sich in unseren Daten hauptsächlich um ältere und mittlere Gewährspersonen, die nach ‚ für ‘ eine Dativform notieren. In Heitenried FR kommt diese jedoch nicht vor. Zur Beschränkung der Dativform in postpräpositionalem Gebrauch vgl. Id. (16: 1053). d) Zur Form welchem vgl. SDS (III: 222). e) In den Antworten zu den beiden Fragen III.3 und III.2 zum postpräpositionalen und zum freien (nicht postpräpositionalen) persönlichen Interrogativpronomen erscheinen abgesehen von der Dativform welchem , die nur postpräpositional erscheint, die gleichen Varianten. Im einzelnen lassen sich folgende Übereinstimmungen und Abweichungen festhalten: ( für ) wer : In VS (Salgesch, Visperterminen) und in BE (Gsteig, Saanen, Mürren, Lauterbrunnen, Langnau, Fankhaus) sind es mehr Orte, an denen die Nominativform postpräpositional nicht auftritt als in III.2, im Appenzellerland und in GR dieselben. In BE, VS und AR, AI gibt es Regionen, in denen die Nominativform überhaupt nicht auftritt (auch nicht GR: St. Antönien, Wiesen). In deren Umkreis gibt es einige Orte in BE und VS, an denen die Nominativform nur nicht-postpräpositional auftritt. ( für ) wen : Die postpräpositionale Akkusativform kommt ähnlich wie in III.2 in Teilgebieten im Kanton BE, ZH, bei den Bündner Walsern und nördlich des Alpsteins bis zum Bodensee vor. Dazu tritt wen häufiger nur postpräpositional als nur frei auf. ( für ) wem : Das Vorkommen von wem als selbständiges Interrogativpronomen impliziert sein postpräpositionales Vorkommen (ausser in Schönenbuch BL), während der lediglich postpräpositionale Gebrauch für FR charakteristisch ist. Dazu kommen einige verstreute Orte mit nur postpräpositionalem Gebrauch. ( für ) we : Postpräpositional wird we in ähnlichen kleinräumigen Teilgebieten wie in III.2, aber häufiger, genannt. Jedoch tritt we in III.3 (postpräpositional) nicht in Rifferswil ZH, Sitterdorf TG, Brunnadern SG, Brienz, Grindelwald, Mürren, Wengen BE auf. ( für ) welches : Das selbständige Interrogativpronomen welches kommt an den gleichen Orten wie postpräpositionales welches vor. 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS a) Frage I.2 (Ü) - W em will er denn die schönen B lumen bringen? Bei dieser Übersetzungsfrage (1.3.1), die auf einen Dativ beim Fragepronomen ausgerichtet war, liegen einige nicht intendierte Konstruktionen vor, die als Spontanmaterial für die vorliegende Thematik ausgewertet werden können. 115 Mal wurde eine Konstruktion mit einer den Akkusativ fordernden Präposition übersetzt, vgl. ► Beikarte (S. 90). Dabei lassen sich analog zu III.3 (vgl. oben 2) die folgenden Typen unterscheiden (vgl. auch 1.3.1, 6 a), wobei ein direkter Vergleich der Quantitäten aufgrund der nicht systematisch auftretenden Alternativkonstruktion in I.2 nicht sinnvoll ist. 2.3 Interrogativpronomen 151 übersetzte Varianten Anzahl Antworten und Orte FÜR WER 77 Mal an 66 Orten (verstreut, wie in 3 a) FÜR WEM 14 Mal an 11 Orten (je 2 Mal in Giffers, Schwarzsee FR, Langnau BE, je einmal in Plaffeien, Tafers, Ueberstorf FR, Oberwichtrach, Rüeggisberg, Ursenbach, Worb BE, Rotkreuz ZG) FÜR WEN 13 Mal an 11 Orten (je 2 Mal in Meiringen BE, Klosters GR, je einmal in Egg, Meilen, Pfäffikon, Wädenswil ZH, Erlach, Münchenbuchsee, Mürren BE, Küblis GR, Ferden VS) FÜR WENE Einmal in Haslen AI FÜR WE 5 Mal an 5 Orten (Gais AR, Appenzell, Brülisau AI, Spiez BE, Tamins GR) FÜR WELCHES 5 Mal an 5 Orten (Ausserberg, Bürchen, Steg, St. Niklaus, Visperterminen VS) Beispiele: für wer : Für wär si äch die Blueme? Bibern SO. für wem : Für wäm si äch di schöne Blueme? Ursenbach BE. für wen : Für wän het ächt dä die schöne Rose g ’ chouft? Erlach BE. für wene : Fä wene chauft echt de die schöne Blueme? Haslen AI. für we : Für wä sin ächt dia schöna Bluama? Tamins GR. für welches : Fer wels hets ächt das Bugge keuft Ausserberg VS. Literatur Buchs 2014 ▪ Henzen 1927 ▪ Id. 16 ▪ SDS III ▪ Stucki 1917 Bezug auf SADS-Material Bucheli Berger 2010: 73, 79 - 80 ▪ 2010: 82 Ⓚ 2.3.3 Persönliches Interrogativpronomen (Subjekt) Frage IV.4 (Ü) - W ER IST DAS GEWESEN ? 1. Kartenthema und Datengrundlage In der Frage IV.4 wurden die Gewährspersonen gebeten, einen Fragesatz mit einem persönlichen Fragepronomen in ihren Dialekt zu übersetzen. Die Aufgabe zielte auf die verschiedenen Formen ab, die das Fragepronomen, das nach einer Person als Subjekt fragt, im Schweizerdeutschen annehmen kann. Neben dem erwarteten einfachen Fragepronomen wurden auch Antworten mit dem neutral flektierten Fragepronomen welch in die Kartierung einbezogen. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 2774 2756 18 2752 4 2760 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a WER Nominativform 3 b WELCHES Nominativ- / Akkusativform 3 c WE Nominativ- / Akkusativform 3 d WEM Dativform 152 2 Pronomina Typenbildung WER wer, wär, wäär, wear WELCHES wels, welts, wäls, wälls, wells, wellts, welz, weuts WE we, wä WEM wäm, wämm 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Am häufigsten wird mit 2672 Mal an 381 Orten die Nominativvariante wer übersetzt, nicht in Ferden und Blatten VS (beide Lötschental). Sie ist in weiten Teilen des Erhebungsgebiets die einzige Variante, in einigen Teilgebieten sind andere Varianten dominierend (vgl. 3 b - d). Beispiele: Wer isch das gsi? Möhlin AG, Wer isch es gsi? Bauma ZH, Wäär isch da gsii? Hallau SH, Wear ischt das gsie? Diepoldsau SG, Wär isches gsi? Giffers FR, Wär ischt de das gsi? Lenk BE, Wer isch gsii? Engi GL, Wär isch das gsi? Wiesen GR, Wer isch da gsi? Reckingen VS. b) Die Variante welches wird mit 63 Mal an 16 Walliser Orten übersetzt. Ihr Vorkommen konzentriert sich auf den unteren Teil des Oberwallis mit Seitentälern. Sie ist die einzige Variante in Blatten VS, mehrheitlich in Ausserberg, Bürchen, Ferden, Saas-Grund, Simplon Dorf, Steg, St. Niklaus, Visperterminen, Zermatt VS, dagegen mit nur je einer Einzelnennung in Betten, Binn, Mörel VS vertreten. Beispiele: Weutsch is gsi? Binn, Wells ischt daa gsin Blatten, Wäls isch das gsi? Salgesch, Wells ischt das gsi? Simplon Dorf, Welz ischt das gsi? Simplon Dorf VS. c) 20 Mal an 11 Orten wird die Variante we übersetzt. Sie tritt hauptsächlich in der Ostschweiz auf, mit 4 Einzelnennungen im Westen. Sie kommt mehrheitlich in Brülisau, Appenzell AI vor und wird in Tamins GR von 3 von 6 Gewährspersonen übersetzt. In AI tritt die Variante mit e-Graphie auf, sonst mit ä-Graphie. Beispiele: Wä isch das gsie? Schönenbuch BL, Wä esch das gse? Rickenbach SO, We isch do gsi? Bäretswil ZH, Wä isch as gsii? Wartau SG, We isch es gsee? Appenzell AI, Weisch das? Schwarzsee FR, Wä isch das gsi? Pieterlen BE, Wä isch es gsi? Arosa, Wä isch das g ’ si? Tamins GR. d) Lediglich 4 Gewährspersonen mit den Jahrgängen 1934, 1945, 1947 und 1962 gaben an den drei Oberemmentaler Orten Schangnau (2 Mal), Fankhaus und Langnau BE die Dativ-Variante wem an. Beispiele: Wäm isch das gsi? Langnau, Wämm isch es gsi? Schangnau BE. e) Intrapersonelle Variation: übersetzte Varianten Anzahl Personen und Orte WER und WEM 1 Person in Schangnau BE WER und WELCHES 2 Personen an 2 Orten (Bürchen, Mörel VS) WER und WE 1 Person in Pieterlen BE 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ Wär isch das gsi? Wäm isch das gsi? ( … ist auch häufig im Gebrauch) “ , Schangnau BE. 5. Weitere Varianten a) 1 Person in VS notiert als einzige Variante eine genusspezifizierte Form von welch-: Ferden (welä m.). 6. Unbrauchbare Antworten a) Je einmal werden einzig folgende (schwierig zuordenbare) Formen des Fragewortes notiert. Beispiele: Wës isch es gsi? Turbenthal ZH, Wei iesches gsi Amden SG. b) 6 Mal erscheint einzig das unpersönliche Fragepronomen ‚ was ‘ . Beispiele: Wa isch da gse? Herisau AR, Was isch gsi? Adelboden, Was isch das gsi? Kiental, Was isch gsi? Langnau, Was isch es gsy? Neuenegg BE, Was isch gsi? Stans NW. 2.3 Interrogativpronomen 153 c) 2 Mal wird einzig statt dem Fragepronomen wer ‚ was für einer ‘ übersetzt. Beispiele: Wä ischt das vier einä gsi? Giswil OW, Was ist das vereine zgi [sic] wo cho ist? Walchwil ZG. d) 4 Mal wird eine andersartige Konstruktion übersetzt. e) 3 Mal wird eine standarddeutsche Antwort notiert. f) Einmal notiert die Gewährsperson dito. 7. Weitere Bemerkungen a) Zu den in der Sekundärliteratur genannten Nominativformen vgl. die Bemerkungen bei III.2, 7 c. Es ist auffällig, dass in Frage IV.4 der Typ wer in Subjektfunktion deutlicher überwiegt als in Frage III.2 zur Objektfunktion. b) welches : Zu dieser persönlich gebrauchten Form des Neutrum Singular vgl. Karte und Kommentar Frage III.2, v. a. 7 d. c) we : Diese Form kann sowohl aus dem Nominativ als auch aus dem Akkusativ durch Verlust des konsonantischen Auslauts stammen, vgl. Frage III.2, 3 e. Zu we als Nominativ im Zürcher Oberland vgl. SDS (III: 221), in IV.4 gibt es nur eine Einzelnennung in Bäretswil ZH. In AI (Appenzell, Brülisau, Haslen) sowie Wartau SG und Tamins GR bezeugen die Formen hier und in III.2 einen Zusammenfall mit dem Akkusativ (vgl. III.2, 7 a). d) Hodler (1969: 262) gibt an, dass die „ Formvertauschung “ hauptsächlich oberaargauisch sei, Wäm bisch? ‚ Wer bist du? ‘ , Wäm geit dadüre? ‚ Wer geht da durch? ‘ Roggwil BE. In unserem Material gibt es nur aus dem angrenzenden Emmental Belege, vgl. 3 d. 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS a) Frage III.3 (Ü) - F ür wen sind denn die B lumen? In Übersetzungen dieses Satzes notierten 21 Gewährspersonen an 21 Orten (je 5 Mal in ZH, BE sowie Einzelnennungen in SO, AG, SH, TG, SG, AR, FR, OW, LU, GL) eine Konstruktion mit dem Subjekt- Fragepronomen wer und dem Verb ‚ bekommen ‘ . Es treten hier also keine anderen Varianten des Fragepronomens im Subjekt auf. Beispiele: Lueg au do, wer chunnt de schön Bluemestruuß über? Frick AG, För wer sind die Blueme? (Wer chonnt die Blueme-n öber? ) St. Gallen SG, Wär überchunt die? Lützelflüh BE. Literatur Hodler 1969 ▪ SDS III 154 2 Pronomina 2.4 Expletives es 2.4.1 Expletives es im unpersönlichen Passiv Frage I.13 (A) - D A WIRD GEARBEITET 1. Kartenthema und Datengrundlage Neben dem kanonischen Passiv mit Objektkonversion, vgl. Frage II.9 (3.6.1), gibt es auch Passivkonstruktionen mit intransitiven bzw. intransitiv gebrauchten Verben, die keine aktive Entsprechung mit Akkusativobjekt und insofern auch kein diesem entsprechendes Subjekt aufweisen. Bei der vorliegenden Ankreuzfrage geht es um das Vorkommen eines expletiven es in solchen unpersönlichen Passivkonstruktionen. In der Schriftsprache tritt es nur dann auf, wenn das Vorfeld des Verbs sonst leer wäre (es wird gearbeitet). Im Schweizerdeutschen war ein solches es nach Frey (1906: 28) regional auch bei besetztem Vorfeld zu erwarten, vgl. 7 a. Daher wurde in der vorliegenden Frage I.13 je eine Variante mit und ohne Expletivum zur Bewertung vorgegeben. Da bei dieser Frage nicht nach der natürlichsten Variante gefragt wurde, bildet die ► Hauptkarte (S. 92) die Verbreitungsgebiete der Akzeptanz der beiden Varianten ab. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 3182 3143 39 3108 35 3178 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a WIRD Ø GEARBEITET ohne Expletivum 3 b WIRD ES GEARBEITET mit Expletivum Typenbildung GEARBEITET gschaffet, gchrampfet, gwerched WIRD werd, würd, wörd, chunnt ES s 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) wird ø gearbeitet : Die Variante wird ø gearbeitet wird auf alle 383 Orte verteilt insgesamt 3112 Mal akzeptiert. Sie tritt sehr häufig als einzige Variante auf und dominiert im gesamten Erhebungsgebiet (61 - 100 %); in den Kantonen Aargau und Luzern steht sie mit der Variante wird es gearbeitet in Variation (vgl. 3 c). Beispiele: Doo wird gschafft Aesch BL, Do wird gchrampfed Bettlach SO, Do wird gwerchet Brunnadern SG, Da wird gwärchet Steffisburg BE, Da wird viel krampfet Giswil OW, Da wird waker gschafft Vals GR, Da wird gwärchut Brig VS. 27 Mal wird als Hilfsverb ‚ kommen ‘ verwendet, beschränkt auf die Kantone Freiburg und Graubünden (vgl. 3.6.1, II.9, ► Beikarte 2 (S. 158)): Da chonnt gwärchet Giffers FR. b) wird es gearbeitet : Die Variante wird es gearbeitet wird nur 66 Mal verteilt auf 42 Orte akzeptiert. Ihre Kernzone bilden die beiden Kantone Aargau und Luzern. Verstreute Einzelnennungen treten in Maisprach, Roggenburg BL, Aedermannsdorf SO, Unterstammheim ZH, Hallau SH, Frutigen BE, Engelberg OW, Walchwil ZG, Alpthal, Lachen SZ, Schwanden GL, Jenins GR, Visperterminen VS auf. Der prozentuale Anteil der akzeptierten Variante erweist sich auch in der Kernzone (AG, LU) als minderheitlich bis sehr klein, mit Ausnahme von Aesch LU. Von den insgesamt acht Gewährspersonen in Aesch LU akzeptieren vier beide Varianten, eine Person akzeptiert nur die Variante wird es gearbeitet und drei akzeptieren nur 2.4 Expletives es 155 die Variante wird gearbeitet . Aesch LU ist damit ein Beispiel eines Ortes mit Mehrfachakzeptanz, d. h. hoher intrapersoneller Variation. Insgesamt akzeptieren 31 Gewährspersonen nur diese Variante, davon 26 in der Kernzone (ausserhalb der Kernzone an den fünf verstreuten Orten Aedermannsdorf SO, Hallau SH, Walchwil ZG, Alpthal SZ, Jenins GR). In Grosswangen LU erklären zwei Gewährspersonen den es -haltigen Satz zur präferierten Variante, vgl. 4. Beispiele: Da wird ’ s gschafft Elfingen, Do wird ’ s meini gschaffet Menziken, Da wird ’ s gschaffet Oberhof AG, do werds gschaffet Neuenkirch, Da wird ’ s gwärchet Schüpfheim, Do wird ’ s gschaffet Sempach, Do werd ’ s gschaffet Willisau LU. c) Intrapersonelle Variation: akzeptierte Varianten Anzahl Personen und Orte WIRD Ø GEARBEITET und WIRD ES GEARBEITET 35 Personen an 25 Orten (2 Mal in BL (Maisprach, Roggenburg), 7 Mal in AG (Leibstadt (2), Birmenstorf, Boniswil, Siglistorf, Teufenthal, Wegenstetten), 20 Mal in LU (Grosswangen (5), Aesch (4), Dagmersellen (2), Entlebuch (2), Escholzmatt, Malters, Neuenkirch, Pfaffnau, Ruswil, Weggis, Willisau) und je einmal in Unterstammheim ZH, Frutigen BE, Engelberg OW, Lachen SZ, Schwanden GL, Visperterminen VS) 4. Bemerkungen der Gewährspersonen Die wenigen Bemerkungen beziehen sich auf das Hilfsverb bzw. auf die Präferenz einer Variante (nach der nicht explizit gefragt wurde): - „ Da chunt gwärchet. ( ‚ wird ‘ wird im Senslerdeutsch eher selten gebraucht) “ , Freiburg FR. [GP akzeptiert 3 a] - „ Da chunt gwärchet / gschaffet! PS: ‚ wird ‘ existiert nicht im Senslerdialekt, man wird nicht man ‚ chunnt ‘ - i chume iitze furuckta! - Ich werde jetzt dann wütend! “ , Tafers FR. [GP akzeptiert keine der beiden suggerierten Varianten] - „ natürlichere Var.: [3 b] “ , Grosswangen LU. [GP akzeptiert 3 a, 3 b] - „ Variante [3 b] “ [ohne weitere Spezifikation], Grosswangen LU. [GP akzeptiert 3 a, 3 b] - „ Da wärchet einä fii / Da wärchentsch fii. (In unserem Dialekt existieren keine Passiv-Sätze mit dem Hilfsverb ‚ sein ‘ / ‚ werden ‘ ) “ , Mörel VS. [GP akzeptiert keine der beiden suggerierten Varianten] 5. Weitere Varianten keine 6. Unbrauchbare Antworten 38 Gewährspersonen haben einzig eine unbrauchbare Variante notiert, eine Gewährsperson zwei solche. a) 19 Mal (8 Mal davon in VS) wurde ein Aktiv-Satz als einzige Variante notiert. Beispiele: Di chrampfäd wie verrugt … Engi GL, z.T. mit tun-Periphrase: Da tut öpper wärche Düdingen FR, Da tiensch wäärchu Zermatt VS. b) 17 Mal wurden einzig inhaltlich freiere Antworten gegeben. Beispiele: Da ist meini Hochbetrieb Alpnach OW, Di sind nid müassig Ferden VS. c) 3 Mal ist die Antwort nicht interpretierbar. 156 2 Pronomina 7. Weitere Bemerkungen a) In Frey (1906: 28) wird auf die „ gewöhnliche “ Verwendung des expletiven es in unpersönlichen Passivsätzen in Oberkulm AG hingewiesen, wobei daneben auch die Konstruktion ohne es als möglich genannt wird. Die vorliegenden Ergebnisse bestätigen das Vorkommen grundsätzlich wie auch in räumlicher Hinsicht, da sich die betroffenen Orte in LU und AG konzentrieren, vgl. bereits Glaser (2003: 51 - 52, Abb. 3), (2014: 34 - 38). Die an allen Orten in Variation stehende Konstruktion scheint im Rückgang befindlich zu sein, vgl. Glaser & Bart (2015: 93 - 94). b) Das vorgegebene Expletivum in klitischer Form wurde bei Akzeptanz der Variante von keiner Gewährsperson verändert. Ebenso erscheint in allen eigens notierten Varianten immer klitisches s, vgl. oben 2. c) 19 Gewährspersonen notierten in der vorliegenden Frage I.13 einzig Aktivkonstruktionen (24 insgesamt), vgl. 6 a, während der in II.9 (3.6.1, 6 a) vorgegebene Passivsatz nur 9 Mal (6 Mal davon in VS) als einzige Variante aktiv wiedergegeben wurde (80 Mal insgesamt). Auch bei Frage II.9 fällt aber die vergleichsweise häufige Nennung des Aktivs in VS auf. Die Aktivsätze sind unter dem Gesichtspunkt der jeweiligen Fragestellungen als unbrauchbare Antworten eingestuft worden. Es könnte hierin aber ein Hinweis auf die geringere Gebräuchlichkeit der Passivkonstruktionen zu sehen sein. Besonders auffällig ist, dass bei Frage I.13 das ‚ kommen ‘ als Hilfsverb in VS völlig fehlt, vgl. 3 a, obwohl bei der Frage nach dem Vorgangspassiv (II.9) diese Variante gut belegt ist. Zwar wurde dafür hier die suggerierte es-lose Variante mit ‚ werden ‘ - Auxiliar grundsätzlich akzeptiert, dennoch könnte hierin ein Hinweis darauf gesehen werden, dass gerade das unpersönliche Passiv, anders als in anderen Dialekten (vgl. Eroms 1995: 54, 60 - 61), in VS wenig gebräuchlich ist, zumindest in der ‚ kommen ‘ -Konstruktion. Grundsätzlich ist das unpersönliche Passiv mindestens seit dem Mittelhochdeutschen reich belegt, vgl. Vogel (2006). Literatur Eroms 1995 ▪ Frey 1906 ▪ Glaser 2003 ▪ 2014 ▪ Glaser & Bart 2015 ▪ Vogel 2006 Bezug auf SADS-Material Glaser 2014: 34 - 38 Ⓚ ▪ Glaser & Bart 2015: 91, 93 - 94 Ⓚ ▪ Meyer-Schwarzenberger 2015: 219 ▪ Seiler 2010: 524 2.4 Expletives es 157 2.5 Partitivpronomen 2.5.1 Partitivpronomen (Sg.F.) I Frage I.18 (A) - S OLL ICH WELCHE KAUFEN ? 1. Kartenthema und Datengrundlage In der Ankreuzfrage I.18 wurden den Gewährspersonen zwei Satzvarianten zur Beurteilung vorgelegt, die einen indefinit-partitiven Rückbezug auf das im Rahmentext genannte Massennomen Milch enthalten (vgl. 7 f). Im Standarddeutschen wird dieser Bezug durch das Indefinitpronomen welchhergestellt (Glaser 1992). Der erste der vorgegebenen Sätze enthält einen durch eine syntaktische Nullstelle ausgedrückten Rückbezug, also eine Null-Anapher, wie es für einen Grossteil der schweizerdeutschen Dialekte zu vermuten war (vgl. Glaser 1995: 70 - 71, 2011: 19 - 20), der zweite stattdessen die ehemalige, versteinerte Genitivform re (< ahd. Gen.Sg.F. ira), die ihrerseits aus der Sekundärliteratur als mögliches Partitivpronomen bekannt war (z. B. SDS III: 198 VI; Hodler 1969: 402; zu nicht-schweizerdeutschen Dialekten vgl. Weise 1906 b; Strobel 2012, 2017 b). Zwischen Objekt und Infinitiv wurde die Infinitivpartikel go/ ga vorgegeben, die unabhängig vom Partitivbezug in einer schweizerdeutschen Modalverbkonstruktion mit Bewegungsimplikation üblich ist. Die ► Hauptkarte (S. 93) bezieht neben den beiden suggerierten Varianten eine weitere, von den Gewährspersonen zusätzlich genannte, erstarrte Genitivform ein (vgl. 7 b). Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 3182 3148 34 3142 6 3154 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a Ø syntaktische Leerstelle 3 b RE (erstarrter) Gen.Sg.F. (Personalpronomen) 3 c SE (erstarrter) Gen.Sg.M./ N. (Personalpronomen) Typenbildung RE re, ere, ära, ärä, r, rä, ra, dra, tra, dru, dro SE se, sen, sa 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) 2878 Mal verteilt auf 376 Orte wurde die vorgegebene Variante mit Null-Objekt als natürlichste Variante bezeichnet. Lediglich an sieben Orten (Gadmen, Grindelwald, Guttannen, Lauterbrunnen, Mürren, Wengen BE, Davos GR) wurde das Null-Objekt von keiner einzigen Person als natürlichste Variante genannt. An sieben weiteren Orten gab es nur Einzelnennungen mit Null-Objekt: Habkern, Innertkirchen BE, Davos Monstein, Küblis, Wiesen GR, Binn, Simplon Dorf VS. Beispiele: Solli go hole? Bettingen BS, Sell ich go chaufe? Möhlin AG, Söll i go poschte? Meilen ZH, Söll i no go hole? Amriswil TG, Söll i gi hole? Appenzell AI, Soll i ga chufe? Giffers FR, Sou i ga choufe? Frauenkappelen BE, Söll ich gu chaufe? Linthal GL, Söll i ga chaufa? Tamins GR, Soll ich ga cheufu? Agarn VS. b) 268 Mal wurde auf 87 Orte verteilt, v. a. in einem südlichen Kerngebiet (FR, BE, OW, GR, VS), die vorgegebene Variante mit erstarrtem pronominalem re oder eine eigene, als pronominaler Genitiv mit femininem Bezug identifizierbare Partitivform als präferiert angegeben. Darunter wurden im Wallis 22 Mal mit Dental beginnende Formen angeführt, im Lötschental v. a. dra/ tra, in Saas-Grund dro, im restlichen Wallis dru. 158 2 Pronomina An 24 Orten im Berner Oberland, Wallis und Graubünden wurde die partitive Variante mehrheitlich - oder allein, wie bei den bereits unter a) genannten Orten ohne Null-Objekt - präferiert: Brienz, Gadmen, Grindelwald, Guttannen, Habkern, Innertkirchen, Iseltwald, Lauterbrunnen, Leissigen, Matten, Meiringen, Mürren, Wengen BE, Davos, Davos Monstein, Klosters, Küblis, Langwies, St. Antönien, Wiesen GR, Binn, Blatten, Ferden, Simplon Dorf VS. Ausserhalb des Kerngebietes gibt es verstreute Einzelnennungen, die auch auf ein Missverständnis der Frage bzw. auf eine Fehlidentifikation der vorgegebenen Variante re (z. B. als Dat.Sg.F.) zurückzuführen sein können. Hierauf deuten auch vereinzelte Bemerkungen von Gewährspersonen (vgl. 4). Die notierten Formen lassen keine weitere räumliche Aufteilung, etwa nach der Form (Silbenzahl, Vokalqualität o. ä.), zu. Auffällig ist jedoch, dass bei den eigenen Varianten ausserhalb des Kerngebiets gehäuft zweisilbige Formen notiert wurden, die sich aber auch im Kerngebiet selbst finden. Die sachliche und räumliche Abgrenzung ist daher schwierig. Beispiele: Soll ich ere go chaufe? Menziken AG, Sell ä rä go chaufä? Bauma ZH, Söllere go chaufe Schleitheim SH, Soll i ra ga riiche? Boltigen, Soll i re gahn choiffen Gutannen BE, Sell rä ich ga choifä? Lungern OW, Söll i rä ga chaufä? Langwies GR, Soll dra ga choifn? Ferden, Solle rä ga chaufä? Oberwald VS. In drei Fällen steht das Pronomen nach der Partikel: Söll i gärä kaufä? Davos, Söll i no gschwind ga ra chaufen? Klosters, Söli gonrä chaufä? Wiesen GR. c) Insgesamt haben 8 Personen statt einer r-haltigen Form eine wohl ursprünglich auf Maskulina/ Neutra bezogene Form mit se (se, sen, sa) als natürlichste Variante notiert, sieben davon aus dem Berner Oberland (Saanen (2 Mal), Adelboden, Frutigen, Grindelwald, Gsteig, Spiez). Drei Personen davon haben nur diese Variante angegeben. In Saanen und Adelboden hat je eine Gewährsperson auch die Nullvariante akzeptiert, je eine Gewährsperson in Grindelwald und Spiez auch re . Eine Gewährsperson aus Bern BE präferiert ebenfalls se als einzige Variante, wobei alle anderen Personen am Ort ausschliesslich die Nullvariante bzw. einmal re präferieren. Beispiele: Söll se ga chouffe? Bern, Soll ig sa ga choufe? Frutigen, Sell i sen ga choifen? Grindelwald, Soll i se ga choufe? Gsteig, Söll i se ga chueffe? Spiez BE. d) Intrapersonelle Variation: präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte Ø und RE 6 Personen an 6 Orten (Maisprach BL, Turbenthal ZH, Adelboden, Saanen BE, Ausserberg, Brig VS) 4. Bemerkungen der Gewährspersonen 6 Gewährspersonen, die ansonsten die Nullvariante präferieren, machen eine Bemerkung, die darauf hinausläuft, dass die Variante mit re nur bei Pluralbezug vorkommt: - „ Wenn es sich um Kartoffeln handeln würde, wäre Variante [3 b] ebenfalls zutreffend. “ , Meikirch BE. - „ Diese Form wird nur in der Mehrzahl verwendet, z. B. ‚ Es hat keine Fischstäbchen mehr ‘ . “ , Melchnau BE. - „‚ re ‘ nur für zählbares Gut! “ , Neuenegg BE. - „ Satz [3 b] würde ich brauchen, um auf einen Plural Bezug zu nehmen: ‚ Es het keni Fischstäbli me. Söu i re ga chaufe? ‘ . “ , Oberwichtrach BE. - „ So könnten wir den Satz nur über ein Wort im Plural sagen. Beispiel: ‚ I ha kiner Schueh für ds Bärg. Soll i re ga chuufe? ‘ . “ , Reichenbach BE. - „ Variante [3 b] (nur bei Mehrzahl), wenn es sich um mehrere Dinge handelt. “ , Langwies GR. [alle GP akzeptieren und präferieren 3 a] 2.5 Partitivpronomen 159 Einige Gewährspersonen mit präferierter Nullvariante machen Bemerkungen, die auf weitere, v. a. personale Bezüge von re hinweisen: - „ Sell i go chaufe? ‚ re ‘ zeigt auf etwas bestimmtes hin. Sellere go chauf [sic] - altern. “ , Turbenthal ZH. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ Anderer Sinn! .. soll ich ihr (der Tante) Milch kaufen. “ , Urdorf ZH. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ Wenn nur die Frau Milch trinkt: ‚ Söll i ire go chauffe? ‘ oder ‚ Söll i dr go chauffe? ‘ . “ , Hallau SH. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ Variante [3 b] wäre richtig, wenn er für eine Drittperson z. B. der Nachbarin kaufen würde oder die Frage an eine Drittperson stellen würde. “ , Horw LU. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 a] - „ Bemerkung: Nr. [3 a] sage ich zu meiner Frau. Nr. [3 b] ‚ Sell-er-n-ich ga chäufa? ‘ sage ich zu mir oder sonst jemandem, aber nicht zu meiner Frau. “ , Altdorf UR. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] Zwei Gewährspersonen äussern sich zur Variante se : - „ alt: Solig desse ga riiche? neu: Solig se ga riche [sic]? “ , Adelboden BE. [GP akzeptiert 3 a, 3 c und präferiert 3 c] - „ Soll i se ga choufe (dessen-deren = se) Bei Mehrzahl, z. B. Kartoffeln: Soll i ru ga choufe (= ‚ ru ‘ für deren). “ , Gsteig BE. [GP akzeptiert und präferiert keine suggerierte Variante] 5. Weitere Varianten keine 6. Unbrauchbare Antworten a) 14 Gewährspersonen präferieren einzig einen Satz mit pronominalem dr, dir, der, insgesamt wird räumlich weit verstreut sogar 55 Mal eine solche Variante notiert. In einigen dieser Fälle gibt es klare Indizien, dass die Gewährspersonen den Dativ des Pronomens der 2.Sg. intendierten, etwa durch die Schreibung diär oder eine entsprechende Bemerkung, vgl. oben 4. Eine Entscheidung lässt sich nicht immer treffen. Daher wurden alle diese Belege als nicht entscheidbar bewertet, worunter auch fünf Belege sind, die aus dem Partitiv-Kerngebiet stammen (Kandersteg BE, Churwalden GR, Simplon Dorf, Visp, Zermatt VS). Gerade in Kandersteg BE, Visp und Zermatt VS ist das Partitivpronomen aber nicht oder nur marginal belegt, so dass auch hier vieles dafür spricht, von Dativbelegen auszugehen. Tatsächlich könnten in diesem Fall die Antworten dann der Null-Variante zugerechnet werden, die aber von den betroffenen Gewährspersonen selbst nicht explizit akzeptiert wurde. Auf eine entsprechende Interpretation wurde daher verzichtet, zumal sich die Zahlen der ohnehin stark dominierenden Null-Variante dadurch kaum verändern würden. b) Zwei präferierte Antworten Söu I de bringä? Bettlach SO und Söll ichs go chaufä? Merishausen SH sind nicht eindeutig zu bewerten. Im ersten Fall könnte de wie unter a) zu interpretieren sein, aber eventuell liegt auch ein anderes Pronomen oder Adverb vor. Im zweiten Satz dürfte es sich - trotz unpassendem Bezug - um ein neutrales Personalpronomen handeln. c) 14 Mal ist als präferierte Konstruktion das Bezugssubstantiv ‚ Milch ‘ mit aufgenommen worden. d) 3 Mal wurden anders konstruierte Fragesätze präferiert. e) Einmal ist unklar, was die Gewährsperson präferieren wollte. 160 2 Pronomina 7. Weitere Bemerkungen a) Die Karte SDS (III: 235) weist die Verwendung eines auf ahd. iro zurückgehenden partitiven Pronomens im Plural im Südwesten einschliesslich des Wallis, in Giswil und Lungern OW sowie in den östlichen Walserorten Graubündens nach. Das entspricht grundsätzlich dem hier erkennbaren Kerngebiet, das aber gegenüber dem Pluralpronomen, v. a. in BE, stärker eingeschränkt ist. Dieser quantitative und sprachgeographische Unterschied könnte auf die zeitliche Differenz der Erhebungen zurückzuführen sein. Es ist aber auch gut möglich, dass sich die Partitivformen im Plural besser gehalten haben als im grundsätzlich genusdifferenzierten Singular. So lassen sich die Angaben bei Henzen (1927: 197) ebenso wie bei Hotzenköcherle (1934: 380, 423) deuten, wobei die von ihm für Mutten angegebenen Pluralformen im SDS nicht (mehr? ) erscheinen, was aber den Besonderheiten der SDS-Frage geschuldet sein kann, vgl. die Angaben zur Karte 235 (SDS III). Hotzenköcherle weist auf den Unterschied gegenüber dem im Prättigau vorhandenen singularischen Pronomen explizit hin. Der Hinweis bei Stucki (1921: 70) auf Berner „ Teilungsgenetive “ ist unklar hinsichtlich Numerus und Genus. Insgesamt ist ein unterschiedliches Verhalten von Singular und Plural nichts Aussergewöhnliches (Glaser 1995: 74 sowie Strobel 2017 a für die Dialekte Hessens). Die Bemerkung mehrerer die Null-Variante präferierender Gewährspersonen, dass das vorgegebene re beim Bezug auf eine pluralische Grösse möglich sei, vgl. 4, gibt für unser Material einen entsprechenden Hinweis. b) Da im SADS-Projekt nicht nach maskulinem Bezug gefragt wurde, kann aus den hier beschriebenen Verhältnissen auch nichts über weitere genusspezifische Formen oder Formenvermischung gesagt werden. Allerdings könnte die Bemerkung einer Gewährsperson aus Gsteig BE (vgl. 4) so zu verstehen sein, dass sowohl femininer als auch maskuliner/ neutraler Bezug mit se hergestellt wird, vgl. auch Id. (1: 406), wo singularisches sen als Entsprechung von pluralischem ere angesehen wird. Bratschi & Trüb (1991: 17) weisen auf ein eventuell fehlendes feminines Partitivpronomen im Simmental hin. An der Realität der s-Pronominalformen bei einem femininen Bezugssubstantiv kann aufgrund der räumlichen Konzentration der Formen nicht gezweifelt werden. Als alte Genitivformen mit maskulinem/ neutralem Bezug sind sie im SDS (III: 198 VI) und im SDS-Spontanmaterial für das Simmental, Grindelwald (briefl. R. Trüb, 18. 11. 1996) und Unterseen BE (briefl. R. Trüb, 10. 11. 1993) bezeugt, ebenso im Haslital (Dauwalder 1992: 27), im Wallis, bei den Bündner Walsern (Wipf 1910: 140 - 141; Henzen 1932: 95, 122 - 123) sowie in Jaun (Stucki 1917: 281). Über eine Vermischung der eigentlich genusspezifischen Formen im Singular berichtet Hodler (1969: 402) zugunsten von ere im Berner Unterland und von ra, ru bzw. se in Grindelwald (403), vgl. auch Hodler (1969: 201 - 202) Im SDS (III: 198 VI) wird für Gsteig, St. Stephan und Grindelwald BE bei femininem Bezug von maskulinem/ neutralem s ә unterschiedenes ( ә )re angegeben. c) Die Form desse, die nur einmal (Adelboden BE, vgl. 4) als zusätzliche (ältere) Variante genannt wurde, ist als demonstrative Genitivform (M./ N.) zu interpretieren, die ebenfalls partitive Funktion haben kann, vgl. Abegg (1911: 80), Clauß (1929: 194 - 195), Henzen (1932: 104, 121 - 122), Szadrowsky (1937: 284 de šš ) sowie Id. (13: 1074, 5a β ). d) Die mit Dental beginnenden Walliser Pronominalformen, im SDS (III: 235) Formen mit Übergangslaut genannt, werden von Henzen (1932: 95) als durch falsche Abtrennung entstanden erklärt, wobei sich diese Formen verselbständigt haben. Sie dürfen nicht mit Demonstrativpronomina oder Personalpronomina der 2.Sg. verwechselt werden, vereinzelt sind sie aber auch für Dat.Sg.F. des Personalpronomens bezeugt, vgl. Henzen (1932: 95). e) Hodler (1969: 271, 402, 420) dokumentiert die Nullvariante für die Stadt Bern und das Unterland, Binz (1888: 39) für Basel. Nach Glaser (1995) ist das die weiträumig dominierende Konstruktion im Schweizerdeutschen. Zum Vorkommen von Partitivpronomina in deutschen Dialekten vgl. Glaser (1992), Strobel (2017 b) jeweils mit weiterer Literatur. f) Der in I.18 erfragte indefinit-partitive Bezug wird in der linguistischen Literatur teilweise terminologisch anders gefasst bzw. nicht zum zentralen Bereich der Partitivität gerechnet, vgl. z. B. Koptjevskaja-Tamm (2006: 218 „ partial objects “ ). 2.5 Partitivpronomen 161 Literatur Abegg 1911 ▪ Binz 1888 ▪ Bratschi & Trüb 1991 ▪ Clauß 1929 ▪ Dauwalder 1992 ▪ Glaser 1992 ▪ 1995 ▪ 2011 ▪ Henzen 1927 ▪ 1932 ▪ Hodler 1969 ▪ Hotzenköcherle 1934 ▪ Id. 1 ▪ 13 ▪ Koptjevskaja-Tamm 2006 ▪ SDS III ▪ Strobel 2012 ▪ 2017 a ▪ 2017 b ▪ Stucki 1917 ▪ 1921 ▪ Szadrowsky 1937 ▪ Weise 1906 b ▪ Wipf 1910 Bezug auf SADS-Material Seiler 2010: 521 - 522 2.5.2 Partitivpronomen (Sg.F.) II Frage III.6 (Ü) - W ILLST DU NOCH WELCHE ? 1. Kartenthema und Datengrundlage In Frage III.6 wurden die Gewährspersonen gebeten, einen Satz mit dem nhd. Indefinitpronomen welche, das auf das im Rahmentext erwähnte feminine Massennomen Milch in indefinit-partitiver Weise Bezug nimmt, zu übersetzen. Im Unterschied zur Ankreuzfrage I.18 liegt hier ein referentieller Gebrauch durch den Bezug auf die in der konkreten Situation vorhandene Milch vor. Grundsätzlich war auch hier wieder mit den beiden in I.18 vorgegebenen Varianten, der syntaktischen Nullstelle und einem pronominalen Genitiv, zu rechnen. Der referentielle Gebrauch hat aber auch durch die unterschiedliche Methode - Übersetzung statt Ankreuzfrage - zahlreiche weitere Antworten hervorgerufen, von denen nur diejenigen, die auf einen Genitiv zurückgehen, sowie Verbindungen aus Präposition und Pronomen in die Kartierung einbezogen sind. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei drei vier total 2802 2098 704 1942 145 10 1 2266 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a Ø syntaktische Leerstelle 3 b RE (erstarrter) Gen.Sg.F. (Personalpronomen) 3 c DERE (erstarrter) d-haltiger Gen.Sg.F. (Demonstrativpronomen) 3 d SE (erstarrter) Gen.Sg.M. / N. (Personalpronomen) 3 e DAVON Pronominaladverb 3 f VON DER Präposition + Pronomen (Personalpronomen / Demonstrativpronomen) Typenbildung RE re, ere, era, ara, ärä, rä, ra, ro, dra, tra DERE dere, derä, darä, deru, dara, däre, därra, derra SE se, schä, scha, desch(i) DAVON drvo, derfo, därfa, darfa, defo, dr vo, dävo, de voo, dervu, devo VON DER vo dere, vo därä, va därra, vun därre, van därra, vore, vonere, vonëre, fara, vurrä, vo däm, vo dem 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) 846 Mal verteilt auf 338 Orte wurde der Satz mit Null-Objekt übersetzt. Lediglich an 45 verstreut liegenden Ortspunkten kommt kein Null-Objekt vor. An 45 ebenfalls verstreut liegenden Orten gab es nur Einzelnennungen mit Null-Objekt. An etwa der Hälfte der Orte verstreut im gesamten Untersuchungsgebiet wurde die Variante von mindestens der Hälfte der Gewährspersonen übersetzt, vgl. ► Prozentkarte (S. 95). 162 2 Pronomina Beispiele: Wotsch du no? Brugg AG, Wotsch Du no? Ittigen BE, Wotsch du nu? Muotathal SZ, Wotsch nu? Altdorf UR. b) 56 Mal wurde auf 33 Orte verteilt, v. a. in einem alpinen Kerngebiet (BE, GL, GR, VS), eine Übersetzung mit erstarrtem pronominalem re vorgenommen. An 8 Orten im Berner Oberland (Grindelwald, Guttannen, Innertkirchen, Lauterbrunnen, Mürren, Saanen, Wengen) und Wallis (Steg) wurde diese partitive Variante zu 50 % oder mehr übersetzt, vgl. ► Prozentkarte (S. 95). 5 Mal erscheint die d-haltige Form dra bzw. tra (vgl. 7 e) (3 Mal in Blatten und je einmal in Ferden, Steg VS). Beispiele: Wosch dü re no? Gurmels FR, Wolltisch dü re no? Meiringen, Wosch du ra noch? Saanen BE, Wit ärä du noch? Langwies, Wit du rä no? St. Antönien GR, Willt dra nuch? Blatten VS. c) 26 Gewährspersonen haben an 19 Orten, die sich v. a. in AG und LU sowie im Südosten und in VS konzentrieren, die Variante dere mit einem d-haltigen, demonstrativen femininen Genitivpronomen eingesetzt, vgl. 7 g. Beispiele: Wit no dere? Oberhof AG, Witt na dera? Valens, Wetsch du na dera? Vättis SG, Wotsch du no dere? Triengen LU, Willt deru no? Salgesch VS. d) 9 Gewährspersonen haben an 7 Orten eine Variante mit se , eine ursprünglich auf Maskulina/ Neutra bezogene Form zum Bezug auf das Femininum Milch übersetzt: 5 darunter verwenden die auch bei Frage I.18 auftretende Form se (2 Mal in Saanen und je einmal in Gadmen, Gsteig, Lenk BE), 2 Mal erscheint die lautliche Variante schä, scha (Langwies GR). Zwei weitere Personen haben das ursprünglich v. a. neutrale demonstrative deschi bzw. desch (Klosters GR und Visperterminen VS) gebraucht, das aufgrund des ursprünglich abweichenden Genusbezugs ebenfalls hier eingeordnet wird. Beispiele: Wotsch due se no? Gsteig, Wosch du se noch? Saanen BE, Wid no desch? Klosters, Wettischt schä no? Langwies GR, Willt dü no deschi? Visperterminen VS. e) 203 Gewährspersonen haben an 144 Orten verstreut über das Gesamtgebiet das Pronominaladverb davon für den partitiven Bezug eingesetzt. An 4 Orten erscheint die Variante mehrheitlich (Kirchleerau AG, Wil SG, Wengi BE, Oberwald VS) und an 10 Orten zu 50 % (Basel BS, Laufen BL, Meikirch, Meiringen, Schwarzenburg, Worb BE, Walchwil ZG, Malans GR, Simplon Dorf, St. Niklaus VS). Beispiele: Wotsch du no derfo? Aesch BL, Wetsch du nu dervu? Kleinlützel SO, Häsch na wele devo? Neftenbach ZH, Wötsch no dävo? St. Gallen SG, Wotsch nu dervo? Giswil OW, Willsch dü no darfa? St. Niklaus VS. f) 84 Gewährspersonen haben an 77 Orten, verstreut über das Gesamtgebiet, die pronominale Präpositionalphrase von der für den partitiven Bezug auf das Femininum Milch benutzt. 9 Mal davon erscheint eine Form mit maskulinem Demonstrativum (vo dem, vo däm) und 7 Mal eine Form von ‚ ihr ‘ anstelle des Demonstrativums (vore, vonere, vonëre, fara, vurrä). Insgesamt erscheint die Variante mit pronominaler Präpositionalphrase nirgends mehrheitlich und an 4 Orten zu 50 % (Haslen AI, Frauenkappelen BE, Mutten GR, Inden VS). Beispiele: Wit du no vo därä Schönenbuch BL, Wotsch du no vo dere? Stein AG, Wilt du no vo derä? Weisstannen SG, Wotschd no vo dem? Haslen AI, Woscho no va därra Giffers FR, Wosch no vonere? Bern, Woscht nug fara Frutigen BE. 2.5 Partitivpronomen 163 g) Intrapersonelle Variation (zur Variation mit weiteren Varianten vgl. auch 7 h): übersetzte Varianten Anzahl Personen und Orte Ø und RE 4 Personen an 4 Orten (Brienz, Frutigen, Neuenegg, Oberwichtrach BE) Ø und DERE 1 Person in Obersaxen GR Ø und SE 1 Person in Langwies GR Ø und DAVON 33 Personen an 29 Orten (v. a. in ZH, BE) Ø und VON DER 12 Personen an 12 Orten (verstreut) RE und SE 1 Person in Saanen BE DERE und DAVON 1 Person in Triengen LU DAVON und VON DER 4 Personen an 4 Orten (Steffisburg BE, Bürchen, Oberwald, Simplon Dorf VS) Ø und DAVON und VON DER 2 Personen an 2 Orten (Andelfingen ZH, Frauenkappelen BE) 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ 1. Willsch no vo däre? 2. Willsch no söttigi? Bemerkung: Ich würde das nie so sagen, weshalb ich eigentlich ratlos bin. Version 2 habe ich wohl schon gehört von heute verstorbenen EttingerInnen. “ , Ettingen BL. - „ So nicht; höchstens: Wottsch-du vo dere no? Dann bleibt aber mindestens noch ein weiterer Krug Milch auf dem Tisch! Do devo no? oder noch einfacher: Wottsch-du do no? (indem sie ihm den Krug vors Gesicht hält) “ , Gais AR. - „ a) Wosch du no a Tropf (auch für Wy, Wasser, Nidla, Öl)? b) Wosch du no a chlei? ; a bitz? Wosch du no Meuch? “ , Jaun FR. - „ Wotsch no vo däm? oder: Wotsch no chli? (welche existiert bei meinem Wortschatz nicht als solches! “ , Murten FR. - „ Wosch u no? (Müuch) (Präzisieren ‚ Milch ‘ , wenn nicht ersichtlich) ‚ Welche ‘ kann ich nicht sagen (im Singular) in der Mehrzahl schon: Wosch ere no? “ , Tafers FR. - „ a Wosch o no? b Woschere o no? Variante b kommt meinem Empfinden nach eher in Frage bei zählbaren Gegenständen (z. B. Äpfeln)? “ , Neuenegg BE. - „ Wosch no vore? (von ihr) Wosch no drvo? “ , Steffisburg BE. - „ Woscht nug fara? (fara = von ihr) Woscht nug Mäma? “ , Steffisburg BE. - „‚ welche ‘ wird nicht übersetzt! 1) Wosch Du no? 2) Wosch Du no Muich? [sic] 3) (event. noch): Wosch Du no derigi? Oder: Wosch Du no settigi? “ , Wangen a. A. BE. - „ Wottsch no Möuch? / dere. Welche könnte allenfalls mit ‚ dere ‘ übersetzt werden. “ , Entlebuch LU. - „ Wetsch du nuch därnigi (welche gibt es in meinem Dialekt nicht). “ , Mollis GL. - „ Wetsch no? Wettisch no? Bei Auswahl bzw. zählbaren Esswaren eher: Wetsch no darvoo? “ , Chur GR. - „ Willt no? / Willt no va derra? (Bei der zweiten Version ist es aber mehr eine Unterscheidung: von dieser Milch, nicht von einer andern.) “ , Ausserberg VS. 5. Weitere Varianten Die Übersetzungsfrage rief viele Varianten hervor, die im konkreten Kontext als funktional äquivalent erachtet wurden, auch wenn sie nicht einfach als Entsprechung von nhd. welche angesehen werden können, sondern zusätzliche Bedeutungsnuancen haben. Teilweise erscheinen sie auch in intrapersoneller Variation mit der Nullvariante, v. a. b) und c). Die grosse Zahl nicht kartierter Varianten widerspiegelt sich auch in der ► Prozentkarte (S. 95), wo erkennbar wird, dass vielfach nur ein Bruchteil der brauchbaren Antworten pro Ort auf der Hauptkarte kartiert wurde. 164 2 Pronomina a) 43 Gewährspersonen wählten Pronominalformen mit der Bedeutung ‚ solche ‘ set(t)ig(i) set(t)egi, söt(t)ig(i), sötagi, sonigi, selchi, solchi, söligi, söli, seli, serig (27 Mal an 27 Orten, v. a. im Westen), derig(i), dergi, därnigi, därig(i) (16 Mal an 15 Orten, v. a. im Osten). Beispiele: Wotsch no setigi Aeschi SO, Wetsch du no sötagi? Sevelen SG, Woscht no selchi Mürren BE, Wotsch nu ä söli? Muotathal SZ - Wotscht no dergi? Grabs SG, Wetsch du nuch därnigi Mollis GL, Wit no därigi? Chur GR. b) 527 Gewährspersonen an 271 Orten wählten einen Quantor der geringen Menge, meist (e) chli / (e) bitz. Je eine Gewährsperson aus Schiers, St. Antönien, Tamins GR hat äswieviel übersetzt (vgl. Id. 1, 593), vgl. ► Beikarte (S. 96). Beispiele: Willsch none Bitz Bettingen BS, Wötsch no echli Brunnadern SG, Wetsch nu ä chli Giswil OW, Willt nu ä bitz? Agarn VS - Witt Du no äswiefl Schiers, Wettäscht no äs wieväl? St. Antönien, Witt no äswieviel? (aswievel) Tamins GR. c) 386 Gewährspersonen ergänzten die Übersetzung an 216 Orten - mit schwacher Beteiligung der südwestlichen Gebiete - durch ‚ mehr ‘ , vgl. ► Beikarte (S. 96). Beispiele: (Willsch name? ) Wetsch name? Bülach ZH, Willsch no meh? Buchberg SH, Wotsch no meh? Frauenfeld TG, Wotscht no mee? Heiden AR, Wosch no meh? Huttwil BE, Willd dui nu meh? Lungern OW, Willscht du no me Zermatt VS. d) 35 Gewährspersonen an 34 verstreuten Orten übersetzten ein Äquivalent von ‚ etwas ‘ zur Angabe einer unbestimmt geringen Menge: öppis, epis, appas o. ä., einmal davon in Agarn VS eswas, vgl. ► Beikarte (S. 96). Beispiele: Wotsch no epis! Bäretswil ZH, Woschu no öpis Ueberstorf FR, Woscht du no öbis Gsteig BE, Willt du nu äswas? Agarn VS. e) 3 Gewährspersonen haben als Indefinitpronomen eini (Akk.Sg.F.) gesetzt (vgl. 7 c): Andwil SG, Aesch LU, Rotkreuz ZG. Beispiele: Wötsch nomol eini? Andwil SG, Wotsch du no eini Aesch LU, Wilsch no eini? Rotkreuz ZG. f) 17 Gewährspersonen haben den intendierten partitiven Bezug mit einer Konstruktion aus ‚ mehr ‘ (vgl. c) oder einem quantifizierenden Element (vgl. b) und dem Pronominaladverb davon (je einmal in Niederrohrdorf AG, Zürich ZH, Amriswil, Birwinken TG, Mörschwil SG, Bern, Langnau, Pieterlen, Steffisburg BE, Stans NW), einer pronominalen Präpositionalphrase von der (je einmal in Aesch BL, Belp, Niederbipp BE, Engelberg OW, Churwalden, Davos GR) oder einfachem dere (einmal in Hägglingen AG) hergestellt. Beispiele: Wotsch nomi defo? Niederrohrdorf AG, Wit Du no meh defoo? Birwinken TG, Wetsch no chlei dervo? Pieterlen BE - Wotsch du no e bitz vo dere? Aesch BL, Wosch du no chli vore? Belp BE, Wit du noch abiz va dära? Churwalden GR - Wett nomi dere? Hägglingen AG. g) 5 Gewährspersonen haben in verstreuten Einzelnennungen (Stüsslingen SO, Elfingen AG, Birwinken TG, Alpnach OW, Untervaz GR) die Übersetzungsvorgabe welche in eine schweizerdeutsche Form transponiert (vgl. 7 d). Beispiele: Wotsch du no weli Stüsslingen SO, Wilts du nah welche Birwinken TG, Wetsch noh welli? Untervaz GR. h) 26 Gewährspersonen haben an 20 Orten, v. a. im Berner Oberland und VS, eine substantivische Masseinheit (e Schluck, e Tropf, es Träni) zur Bezeichnung einer geringen Menge übersetzt, vgl. ► Beikarte (S. 96). Beispiele: Wetisch nu ä Schluck? Sarnen OW, Willt du no a Schluck Ausserberg VS - Wo schu no a tropf Schwarzsee FR, Willt du no in Tropf ? Randa VS - Woscht Du no es träni Grindelwald BE. 6. Unbrauchbare Antworten a) 540 Personen haben einzig eine Übersetzung mit dem Substantiv ‚ Milch ‘ angegeben. In 181 weiteren Fällen wurde das als zusätzliche Variante übersetzt. 2.5 Partitivpronomen 165 b) 142 Personen haben lediglich eine Übersetzung unter Verwendung von ‚ Milch ‘ angegeben, 120 Mal in Verbindung mit einem Quantor bzw. ‚ mehr ‘ (ewäng, ebits, echli, meh Milch usw.), 13 Mal zusammen mit einer substantivischen Masseinheit (ä Schluck, e Sprutz, en Tropf, en Tra, es Chacheli Milch usw.), darunter je einmal ‚ Milch ‘ präpositional angeschlossen, sowie 9 Mal in einer Präpositionalkonstruktion mit von (vo däre, vo dr Milch usw.), vgl. auch 5 b, c, h. c) 15 Personen haben einzig eine nicht interpretierbare Variante vo dene(r) (vgl. 7 f) notiert (2 Mal in Kiental BE, je einmal in Erschwil, Stüsslingen SO, Leibstadt AG, Schaffhausen SH, Berneck, St. Gallen SG, Boltigen, Erlach, Frutigen, Langnau, Zweisimmen BE, Elm GL, Wiesen GR): Wost du no vo dene? Zweisimmen BE. Zusätzlich wurde diese Variante 2 Mal gleichzeitig mit brauchbaren Varianten (einmal ‚ solche ‘ , Hedingen ZH, einmal von dem und ‚ solche ‘ , Boltigen BE) notiert. d) 5 Personen haben einzig andere Pronomina (2 Mal anderi, wettigi) bzw. Zähleinheiten (3 Mal paar, e paar, ne Paar) übersetzt. e) 8 Mal wurden anders konstruierte Fragesätze als einzige Variante übersetzt. 7. Weitere Bemerkungen a) In der dialektologischen Sekundärliteratur, vgl. I.18, ist meist nicht zu unterscheiden, ob der in der Frage I.18 oder der in III.6 erfragte, referentielle indefinite Bezug vorliegt. Die Hauptausdrucksmöglichkeiten (Nullvariante, pronominale Genitivformen) scheinen auch dieselben wie bei I.18 zu sein, wohingegen nicht ausgeschlossen ist, dass neben dem Aufgabentyp auch der unterschiedliche partitive bzw. indefinite Bezug eine Rolle bei der Vielfalt der Antworten in III.6 spielt. Die grosse Zahl nicht kartierter und unbrauchbarer Antworten ist auch der Grund bei III.6 für das häufigere Vorkommen von Orten ohne Nullvariante, die bei I.18 praktisch flächendeckend dokumentiert ist. Auffällig ist auch im Vergleich die viel häufigere Wiederholung des Substantivs bei der Übersetzungsfrage, was wiederum sowohl dem Fragetyp als auch dem referentiellen Gebrauch geschuldet sein kann. b) Die als unbrauchbar klassifizierten Varianten mit Nennung von ‚ Milch ‘ sind nur unter dem Gesichtspunkt der intendierten pronominalen Bezugnahme nicht brauchbar. In einer auf die Analyse des Ausdrucks von Partitivität ausgerichteten Perspektive wären die unter 6 b zusammengefassten Fälle durchaus einschlägig. Umgekehrt sind auch die zusätzlichen quantitativen Präzisierungen bei einigen der weiteren Varianten (5 b, c, d, f, h) als Ersatz partitiver Konstruktionen zu interpretieren. c) Das unter 5 e dokumentierte Indefinitpronomen eini ist aufgrund der wenigen verstreuten Belege schwer zu beurteilen. Es könnte sich um ein Zahlwort handeln, wie das bei konfektionierten Massennomina öfter vorkommt (vgl. z.B. ein Bier), es ist aber auch an den im südöstlichen deutschen Dialektraum bei Massennomina verbreitet verwendeten Indefinitartikel zu denken, vgl. Glaser (1992: 129 - 130, 1995: 70, 2008: 108). d) Bei der unter 5 g dokumentierten lautlich-dialektalen Entsprechung von welche dürfte es sich um standardsprachlichen Einfluss handeln, da indefinites welch im traditionellen Schweizerdeutschen nicht existiert (vgl. die Bemerkungen unter 4). Da solche Formen aber hie und da auch mündlich gebraucht werden, wäre es nicht adäquat, sie einfach als unbrauchbar zu klassifizieren. Hier kündigt sich eventuell ein sprachlicher Wandel an, vgl. Glaser (2014). e) Zu den auch bei dieser Frage erscheinenden Walliser Pronominalformen mit Dental dra, tra (s. o. 3 b), die nicht mit Demonstrativpronomina verwechselt werden dürfen, vgl. die Ausführungen I.18, 7 d. Zur Variante se sind die Ausführungen unter I.18, 7 b zu vergleichen. f) Es ist unklar, ob die unter 6 c genannten Formen mit der aus GL und SZ belegten Variante dener(e), vgl. Id. (13: 1030), zu identifizieren ist. g) Die Demonstrativform 3 c wird im vorliegenden Kontext als Sg.F. gewertet, wobei, ähnlich wie bei Frey (1906: 38) erwähnt, auch „ eine Art Genitiv part. “ ‚ von diesem ‘ vorliegen könnte, vgl. auch Id. (13: 1074, 5a β ). 166 2 Pronomina h) Aufgrund der grossen Zahl an Mehrfachantworten, welche nicht nur innerhalb der auf der Hauptkarte berücksichtigten, sondern auch innerhalb der weiteren Varianten (vgl. 5) sowie zwischen den beiden Gruppen vorkommen, folgt hier eine Auflistung der unter 3 g noch nicht erfassten intrapersonellen Variation: übersetzte Varianten Anzahl Antworten und Orte Ø und ‚ solche ‘ (3 a & 5 a) 3 Mal an 2 Orten (2 Mal in Grabs SG, einmal in Wangen a. A. BE) Ø und (e) chli / (e) bitz (3 a & 5 b) 24 Mal an 22 Orten (v. a. in ZH) Ø und ‚ mehr ‘ (3 a & 5 c) 22 Mal an 21 Orten (verstreut) Ø und ‚ etwas ‘ (3 a & 5 d) Einmal in Buochs NW DERE und ‚ solche ‘ (3 c & 5 a) Einmal in Entlebuch LU DAVON und (e) chli / (e) bitz (3 e & 5 b) 7 Mal an 7 Orten (Gelterkinden BL, Triboltingen TG, Mörschwil, St. Gallen SG, Walchwil ZG, Schwanden GL, Mörel VS) DAVON und ‚ mehr ‘ (3 e & 5 c) 4 Mal an 4 Orten (Aarburg AG, Bülach ZH, St. Gallen SG, Brunnen SZ) DAVON und eine substantivische Masseinheit (3 e & 5 h) Einmal in Mörel VS VON DER und ‚ solche ‘ (3 f & 5 a) 4 Mal an 4 Orten (Ettingen BL, Rheineck, St. Gallen SG, Boltigen BE) VON DER und (e) chli / (e) bitz (3 f & 5 b) Einmal in Murten FR VON DER und ‚ mehr ‘ (3 f & 5 c) Einmal in Oberwichtrach BE (e) chli / (e) bitz und ‚ mehr ‘ (5 b & 5 c) 10 Mal an 10 Orten (verstreut) (e) chli / (e) bitz und ‚ etwas ‘ (5 b & 5 d) 3 Mal an 3 Orten (Niederweningen ZH, Bibern SH, Simplon Dorf VS) (e) chli / (e) bitz und ‚ mehr ‘ + quantifizierendes Element (5 b & 5 f) 4 Mal an 4 Orten (Mörschwil SG, Langnau, Pieterlen, Steffisburg BE) (e) chli / (e) bitz und eine substantivische Masseinheit (5 b & 5 h) 4 Mal an 4 Orten (Jaun FR, Klosters GR, Randa, Zermatt VS) ‚ mehr ‘ und ‚ etwas ‘ (5 c & 5 d) Einmal in Konolfingen BE Ø , (e) chli / (e) bitz und ‚ mehr ‘ (3 a, 5 b & 5 c) 3 Mal an 3 Orten (Zunzgen BL, Thalwil ZH, Luzern LU) VON DER , (e) chli / (e) bitz und ‚ mehr ‘ (3 f, 5 b & 5 c) Einmal in Bern BE Weiter gibt es Dreifachantworten, welche unter 3 g als Zweifachantworten aufgeführt wurden und für welche die nicht auf der Hauptkarte berücksichtigte Antwort, mit der sie zusätzlich in Variation stehen, dort ausgespart wurde: übersetzte Varianten Anzahl Antworten und Orte Ø , DAVON und (e) chli / (e) bitz (3 a, 3 e & 5 b) 3 Mal an 2 Orten (2 Mal in Grabs SG, einmal in Wangen a. A. BE) Ø , DAVON und ‚ mehr ‘ (3 a, 3 e & 5 c) Einmal in Bern BE Ø , DAVON und ‚ etwas ‘ (3 a, 3 e & 5 d) Einmal in Sennwald SG Literatur Frey 1906 ▪ Glaser 1992 ▪ 1995 ▪ 2008 ▪ 2014 ▪ Id. 1 ▪ 13 2.5 Partitivpronomen 167 2.6 Pronomencluster 2.6.0 Einleitung Personalpronomina, die im Mittelfeld unmittelbar aufeinander folgen, können im Schweizerdeutschen eine vom Standarddeutschen abweichende neutrale Abfolge aufweisen, insbesondere, wenn das Pronomen ‚ es ‘ als direktes Objekt beteiligt ist, das standardsprachlich in seiner Position stark eingeschränkt ist und nur enklitisch nachgestellt werden kann (Zifonun et al. 1997: 1518 - 1520). Zu der sprachgeschichtlich jungen Standardisierung der Abfolge ‚ direktes Objekt vor indirektem Objekt ‘ (DO-IO) vgl. Fleischer (2010). Je nach den beteiligten Pronomina ist dialektal mit mehr oder weniger grosser Variation zu rechnen, die grossflächig noch genauer zu ermitteln ist, vgl. Hinweise bei Fleischer (2010: 157 - 159), Fleischer (2017 c: 490 - 491) sowie z. B. Schiepek (1908: 519). Im Luxemburgischen gilt generell die Abfolge IO-DO, vgl. Glaser (2005 a: 134, 2006: 232 - 233). Fleischer (2011) kann für die Abfolge von neutralem direktem Objekt und femininem indirektem Objekt (ihr und es) in den Wenkersätzen eine sprachgeographische Distribution der Stellungstypen ermitteln, wobei insgesamt die standardsprachliche Abfolge es ihr in der Mehrheit ist (2011: 84; mit weiterer Literatur). Für das Schweizerdeutsche weist Fleischer (2011: 97, Karte) aber die dominierende Abfolge ihr es nach, die sich auch in anderen Dialektgebieten findet, vgl. IV.8, 7 c. Auf die Rolle der Betonung verweist Werlen (1990: 171 - 173) unter Berufung auf Suter (1976: 92). Die Pronominalabfolge in den Dialekten Hessens, die mit einigen den SADS-Fragen vergleichbaren Aufgaben erhoben wurde, wird in Fleischer (2017 c) besprochen, vgl. auch Weiß (2013). Im SADS-Projekt wurden vier Übersetzungsfragen zur Abfolge indirekter und direkter pronominaler Objekte im Mittelfeld gestellt. Drei Fragen enthalten das neutrale Pronomen ‚ es ‘ als direktes Objekt in Kombination mit dem Dativpronomen der 1.Sg. (III.7), der 3.Sg.M. (IV.3) und der 3.Sg.F. (IV.8). Die Frage III.9 ‚ Du musst ihn mir aber morgen wieder zurückgeben! ‘ , die als direktes Objekt das Pronomen der 3.Sg.M. mit dem Pronomen der 1.Sg. als indirektes Objekt ermittelt, ist im Folgenden nicht in die Auswertung einbezogen. Zu allen vier abgefragten Pronominalkonstellationen lassen sich die kartierten Ergebnisse des AdA vergleichen (Runde 9, „ klitisiertes Pronomen (Stellung) “ , 11 a/ 11 b/ 11 c/ 11 d). Im SDS (III: 259, 260) sind lediglich zwei Kombinationen aus Subjektpronomen (2.Sg. und 2.Pl.) und dem neutralen Pronomen es behandelt, bei denen sich ebenfalls eine sprachgeographische Verteilung der Wortstellungsvarianten innerhalb des Schweizerdeutschen zeigt. Bei der SADS-Abfrage war eine möglichst neutrale Abfolge intendiert, da Hinweisen in der Sekundärliteratur folgend (z. B. Clauß 1929: 192; Suter 1992: 78; Dauwalder 1992: 24; Bratschi & Trüb 1991: 180) damit gerechnet werden muss, dass bei Betonung eines der Pronomina eine andere Abfolge eintreten kann. Dabei ist nicht ganz klar, ob volltonige (nicht-reduzierte) Pronominalformen bereits Betonung implizieren. Neben der durchgehenden - aber oft unspezifischen - Erwähnung der Abfolge IO-DO in der Sekundärliteratur zum Schweizerdeutschen ist auf die ausführlicheren Untersuchungen derAbfolge verschiedener Objektpronomina im Zürichdeutschen durch Cooper (1994: 81 - 86) und Werner (1999: 106) zu verweisen, im Berndeutschen durch Hodler (1969: 710 - 713). Dauwalder (1992: 23) stellt die Kombinationen von Dativ und Akkusativ für das Haslideutsche tabellarisch zusammen. Oft sind die in den SADS-Fragen betroffenen Kombinationen nicht eigens erwähnt, am ehesten die Frage IV.3 betreffende. Bei der Auswertung der SADS-Fragen ist zu berücksichtigen, dass jeweils die Abfolge DO-IO in der Übersetzungsaufgabe vorgegeben war. Literatur AdA 9 ▪ Bratschi & Trüb 1991 ▪ Clauß 1929 ▪ Cooper 1994 ▪ Dauwalder 1992 ▪ Fleischer 2010 ▪ 2011 ▪ 2017 c ▪ Glaser 2005 a ▪ 2006 ▪ Hodler 1969 ▪ Kachro 2006 ▪ Kakhro 2005 ▪ Schiepek 1908 ▪ SDS III ▪ Suter 1976 ▪ 1992 ▪ Weiß 2013 ▪ Werlen 1990 ▪ Werner 1999 ▪ Zifonun et al. 1997 168 2 Pronomina 2.6.1 Pronomencluster (es mir) Frage III.7 (Ü) - S IE HAT ES MIR GESTERN ERZÄHLT 1. Kartenthema und Datengrundlage In der Frage III.7 wurden die Gewährspersonen gebeten, einen vorgegebenen Satz mit pronominalem direkten und indirekten Objekt (3.Sg.Akk.N. und 1.Sg.Dat.) in ihren Dialekt zu übersetzen. Es sollte damit die Abfolge der Objektpronomina in Kontaktstellung im Mittelfeld ohne besondere Hervorhebung eines Pronomens ermittelt werden. Kartiert ist das Vorkommen der Abfolge Dativ vor Akkusativ (IO-DO) und Akkusativ vor Dativ (DO-IO). Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 2801 2731 70 2699 32 2763 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a MIR ES IO-DO 3 b ES MIR DO-IO Typenbildung MIR me, mir, mer, mär, miir, miär, mier, miar, mehr, meer o. ä. ES s, sus, ses, es, äs 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) 1771 Mal an 378 Orten wird die Abfolge mir es übersetzt. Sie kommt fast im gesamten Erhebungsgebiet vor, ausser an 4 Orten im Kanton SH (Bibern, Buchberg, Merishausen, Schaffhausen SH) und in Randa VS. Die Abfolge ist an etwa zwei Dritteln der Orte mehrheitlich, vgl. ► Prozentkarte (S. 98). Folgende Formen von es werden von den Gewährspersonen notiert: notierte Form Anzahl Antworten und Orte s 1751 Mal an 378 Orten sus 14 Mal an 7 Orten (6 Mal in Simplon Dorf, je 2 Mal in Guttet-Feschel, Visperterminen, je einmal in Agarn, Inden, Saas-Grund, Steg VS) ses 4 Mal an 3 Orten (2 Mal in Zermatt VS, je einmal in Gsteig, Zweisimmen BE) sos Einmal in Saas-Grund VS äs Einmal in Langenthal BE Einmal wird das Temporaladverb vorangestellt, was das Aufeinandertreffen von drei Pronomen zur Folge hat: Göschter het ’ si mr ses och erzellt Matten BE. 31 Mal an 30 Orten werden Formen notiert, die möglicherweise auf eine Betonung von mir hinweisen: miir, mihr, meer, mehr, mier, miär o. ä., vgl. 7 a. Beispiele: Si het mers geschter verzellt Aesch BL, Si het mer ’ s geschter gseit Möhlin AG, Si hetmes gescht vezöllt Appenzell AI, Si hettmers geschter verzöut Bleienbach, Sie hed miers geschter verzelld Guttannen, Si het mir äs geschter verzeut Langenthal BE, Schi het mär sus geschtär värzellt Agarn VS. b) 922 Mal an 328 Orten wird die Abfolge es mir übersetzt. Sie tritt zwar in allen Kantonen auf, im Westen jedoch oft nur als Einzelnennung und besonders im Berner Oberland selten. Im Kanton SH ist die Variante an 8 von 10 Orten mehrheitlich, und von dort ziehen sich die Orte mit Mehrheitsanteilen in einem Streifen bis in die Innerschweiz. Darüber hinaus sind auch in GR viele Orte mit mehrheitlichen Anteilen zu 2.6 Pronomencluster 169 erkennen, vgl. ► Prozentkarte (S. 98). Einmal kommt die Variante mit Präpositionaler Dativmarkierung vor, vgl. 1.3.3, 8 g. Folgende Formen von es werden von den Gewährspersonen notiert: notierte Form Anzahl Antworten und Orte s 891 Mal an 322 Orten es 18 Mal an 17 Orten (verstreut) äs 6 Mal an 6 Orten (Aesch BL, Nänikon ZH, Gadmen BE, Maderanertal, Unterschächen UR, Reckingen VS) sus 4 Mal an 5 Orten (Randa, Salgesch, Visp, Visperterminen VS) sis 2 Mal an 2 Orten (Randa, Zermatt VS) ses Einmal in Diemtigen BE Einmal wird das Temporaladverb vorangestellt, was das Aufeinandertreffen von drei Pronomen zur Folge hat: Geschtert häd sis mir grad verzellt Hütten ZH. Auch bei dieser Variante kommt die Notation möglicherweise betonter Formen von mir vor (175 Mal an 94 Orten): miir, mihr, meer, mehr, mier, miär o. ä., vgl. 7 a. Beispiele: Si hät äs mir gester verzählt Aesch, Jo, sie hets mir gester scho verzellt Hölstein BL, Si hät ’ s mir geschter verzellt! Grüt ZH, Si hät ’ s mer geschter verzellt Schleitheim SH, Sie heds miär geschter ai gsäid Alpnach OW, Sie häts ä mir gester verzellt Näfels GL, Schi hett sus mir gester erzählt Salgesch VS. c) Intrapersonelle Variation: übersetzte Varianten Anzahl Personen und Orte MIR ES und ES MIR 30 Personen an 29 Orten (verstreut) 4. Bemerkungen der Gewährspersonen keine 5. Weitere Varianten a) 16 Mal an 16 verstreut liegenden Orten wird eine Art Verdoppelung von es in Form von es mir es notiert: (Schönenbuch BL, Elfingen, Lupfig AG, Bibern SH, Birwinken, Roggwil TG, Rapperswil, Ricken, Sevelen SG, Freiburg, Plaffeien FR, Büren a. A., Langnau BE, Oberägeri ZG, Alpthal SZ, Schwanden GL). Beispiele: Si hetsmers geschter gseit Lupfig AG, Si häts mers geschter verzellt Bibern SH, Si hets mirs gester gsyt Plaffeien FR. Eine Gewährsperson in Schönenbuch BL übersetzt diese Variante gleichzeitig neben mir es . b) Insgesamt 54 Mal wird im postverbalen Pronomencluster statt es das Demonstrativpronomen das notiert, davon 46 Mal in der Abfolge mir das (meist als Einzelnennung und vor allem in BE, VS) und 3 Mal in der Abfolge das mir (Stallikon ZH, Vättis SG, Gurmels FR). Einmal erscheint das Dativpronomen in derAbfolge IO-DO mit Präpositionaler Dativmarkierung, vgl. 1.3.3, 8 g. Beispiele: Sie hed i ’ mer das gester verzelt Willisau LU, Sie hed miär das geschter oi verzehlt Giswil OW - Si het das mir gester verzeut Gurmels FR. 5 Mal an völlig verstreut liegenden Orten wird neben der Ersetzung von es durch das auch das Temporaladverb an die erste Stelle im Satz gesetzt, so dass nach dem finiten Verb ein 3-Pronomen-Cluster sie mir das notiert wird: Geschter hett sia mir das verzeult Schwarzsee FR, Gester het schi mir das scho gseid Avers GR. Die Notation einer eventuell betonten Form von mir (vgl. 3 a) kommt bei der Abfolge mir das 10 Mal (jeweils als Einzelnennung in BE, OW, UR, GR, VS) und bei das mir einmal (Vättis SG) vor. Eine Gewährsperson in Altdorf UR gibt die Abfolge mir das als Variante neben es mir an. 170 2 Pronomina 6. Unbrauchbare Antworten a) 21 Mal wird ‚ das ‘ in die erste Position im Satz geschoben, so dass kein Objektpronomen-Cluster mehr vorliegt, darunter einmal die 2.Sg. als Subjekt: das häsch mer scho geschter gseit Andelfingen ZH, Das hed si mier grad gester vezellt Alpnach OW. b) 3 Mal wird das Dativpronomen an erster Stelle im Satz gesetzt, was einen anderen postverbalen Pronomencluster erzeugte: Mir hätt s ’ is geschter gsait Eglisau ZH, Mir häet sis geschter (au) g ’ seit Obstalden GL. Dabei erscheint einmal eine Präpositionale Dativmarkierung I mer hed sis geschter verzellt Römerswil LU, vgl. 1.3.3, 8 g. c) Insgesamt 22 Mal fehlt eines der beiden Pronomen, davon 20 Mal es (Sie hed miär geschter verzellt Brunnen SZ, Si hät mr gestr gsait Arosa GR) und 2 Mal mir (Gescht het sis verzöllt Haslen AI). d) 4 Mal erscheint statt es ‚ davon ‘ , einmal ‚ alles ‘ : Si het mer gester alles verzellt Ziefen BL, Schi had mier scho gester dervan erzällt! Langwies GR. e) 5 Mal notierten die Gewährspersonen einen Objektsatz statt dem Akkusativpronomen: Jo, d Susi het miär gester gsait, das sie as Chind erwarti Obersaxen GR. f) 12 Mal erscheinen (inhaltlich) andersartige Konstruktionen. g) Einmal wird einzig eine standarddeutsche Antwort notiert. h) Einmal notiert die Gewährsperson dito. 7. Weitere Bemerkungen a) Die beiden kartierten Varianten (3 a und 3 b) erscheinen auch mit Schreibungen, die möglicherweise auf einen betonten Gebrauch von mir deuten (Doppelvokal und andere Längezeichen). In der Abfolge mir es kommt das jeweils als Einzelnennung (in Iseltwald BE 2 Mal) an 30 von 378 Orten vor allem im südlichen Gebiet vor, was ungefähr einem Zehntel der Orte entspricht. Im Gegensatz dazu kommen solche Schreibungen bei derAbfolge es mir , die der standardsprachlichen Vorgabe entspricht, an 94 von 328 Orten, ebenfalls schwerpunktmässig im Süden, oft aber in Mehrfachnennung vor. Das entspricht etwa einem Viertel der Orte, vgl. ► Beikarte (S. 99). Bei der Abfolge es mir wird somit häufiger eine möglicherweise betonte Form von mir gewählt. Ein solcher möglicher Zusammenhang von Abfolge und Betontheit würde mit den Angaben übereinstimmen, die z. B. Dauwalder (1992: 24) für das Haslital macht. b) Die am häufigsten belegte Abfolge mir es ist angesichts der Vorlage es mir in der Übersetzungsfrage von besonderem Gewicht, wobei sie mit den Erwartungen (vgl. 2.6.0 Einleitung) übereinstimmt. Dazu stimmen etwa Beispiele bei Suter (1992: 78) für Baseldeutsch und Bäbler (1949: 57) für GL. Fleischer (2017 c) weist für die Dialekte Hessens ebenfalls ein Überwiegen der Abfolge mir es nach, wobei das nördlichste Gebiet mit überwiegend standardsprachlicher Abfolge hervorsticht, vgl. dazu auch Weiß (2013: 176 - 182). Nach SMF (7: 445) gilt in Mittelfranken nur mir es , wobei die Pronominalgruppe in der Stellung direkt nach dem Subjektpronomen erfragt wurde. SBS (9.2: 466 - 467) dokumentiert für Bayerisch Schwaben ein eher südliches Vorkommen der Abfolge mir es . Schiepek (1908: 519) gibt für das Egerländische diese Abfolge als obligatorisch an. Die Abfolgen mir ’ s und s ’ mir sind für die Schweiz auch auf der entsprechenden Karte des AdA (Runde 9, „ klitisiertes Pronomen (Stellung) “ , 11 a/ 11 b/ 11 c/ 11 d) verzeichnet, ohne dass sich hier ein genauer Vergleich ziehen liesse. Literatur AdA 9 ▪ Bäbler 1949 ▪ Dauwalder 1992 ▪ Fleischer 2017 c ▪ SBS 9.2 ▪ Schiepek 1908 ▪ SMF 7 ▪ Suter 1992 ▪ Weiß 2013 2.6 Pronomencluster 171 2.6.2 Pronomencluster (es ihm) Frage IV.3 (Ü) - I CH HABE ES IHM SCHON GESCHICKT 1. Kartenthema und Datengrundlage In der Frage IV.3 wurden die Gewährspersonen gebeten, einen Satz mit zwei Objektpronomina für direktes und indirektes Objekt (3.Sg.Akk.N. und 3.Sg.Dat.M.) in ihren Dialekt zu übersetzen. Es sollte die Abfolge der Objektpronomina in Kontaktstellung im Mittelfeld ohne besondere Hervorhebung eines Pronomens ermittelt werden. Kartiert ist das Vorkommen der Abfolge Dativ vor Akkusativ (IO-DO) und Akkusativ vor Dativ (DO-IO). Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 2774 2681 93 2645 36 2717 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a IHM ES IO-DO 3 b ES IHM DO-IO Typenbildung IHM m ‘ , im, em, ene, mu, ihm, ehm, immu o. ä. ES s, es, as, äs, sus, ses 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) 1880 Mal an 380 Orten wird die Abfolge ihm es übersetzt. Sie kommt fast im gesamten Erhebungsgebiet vor, ausser in Schönenbuch BL, Merishausen SH, Luzern LU. Ihr prozentualer Anteil liegt an etwa drei Vierteln der Orte über 50 %, vgl. ► Prozentkarte (S. 101). Folgende Formen von es werden von den Gewährspersonen notiert: notierte Form Anzahl Antworten und Orte s 1873 Mal an 380 Orten ses 3 Mal an 3 Orten (Gsteig BE, Mörel, Zermatt VS) sus 2 Mal an 2 Orten (Agarn, Simplon Dorf VS) es Einmal in Schiers GR as Einmal in Arosa GR 212 Mal an 96 Orten werden Formen notiert, die möglicherweise auf eine Betonung von ihm hinweisen: ihm, ehm o. ä., vgl. 7 b. Beispiele: I han ihm ’ s scho gschickt Möhlin AG, Aber i han em ’ s doch sicher gschickt St. Gallen SG, I hams scho gschickt Haslen AI, I ’ hamus scho gschickt Schwarzsee FR, I han ihm ’ s scho gschickt Aarberg, I han ihm ’ s schon gschikt Guttannen BE, I ha m ’ as scho gschickt Arosa, I ham es scho gschickt Schiers GR, Ich ha mu sus scho gschickt Agarn VS. b) 803 Mal an 304 Orten wird die Abfolge es ihm übersetzt. Sie tritt im gesamten Untersuchungsgebiet verstreut auf. Im Kanton SH ist die Abfolge an 9 von 10 Orten mehrheitlich (nicht in Schaffhausen SH), von dort ziehen sich die Orte mit Mehrheitsanteilen in einem Mittelstreifen bis in die Innerschweiz, vgl. ► Prozentkarte (S. 101). 5 Mal erscheint die Variante mit Präpositionaler Dativmarkierung i, 2 Mal mit e, vgl. 1.3.3, 8 f. 172 2 Pronomina Folgende Formen von es werden von den Gewährspersonen notiert: notierte Form Anzahl Antworten und Orte s 766 Mal an 297 Orten es 18 Mal an 17 Orten (verstreut) sus 10 Mal an 7 Orten (je 2 Mal in Salgesch, Simplon Dorf, Visperterminen, je einmal in Betten, Mörel, Saas-Grund, Visp VS) äs 7 Mal an 7 Orten (Nänikon ZH, Gadmen BE, Escholzmatt, Marbach LU, Alpnach, Giswil OW, Gurtnellen UR) säs 2 Mal in Oberwald VS Auch bei dieser Variante kommt die Notation einer möglicherweise betonten Form von ihm vor (399 Mal an 233 Orten): ihm, ehm o. ä., vgl. 7 b. Beispiele: Ig has ihm scho gschickt Aeschi SO, I has e em scho gescheckt Kirchleerau AG, I ’ has em scho g ’ schickt Triboltingen TG, I has em schoa gschickt Diepoldsau SG, Ech has i em scho gschekt Luzern LU, Ich ha äs im scho gschickt Alpnach OW, Ich has a ihm scho gschickt Gurtnellen UR, Ich has im schu gschiggt Linthal GL, Ich häsus im scho gschickt Mörel, Ich häsus immu scho gschickt Visperterminen VS. c) Intrapersonelle Variation: übersetzte Varianten Anzahl Personen und Orte IHM ES und ES IHM 34 Personen an 32 Orten (je 2 Mal in Altstätten, St. Gallen SG, sonst verstreut) 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ Ich has em scho gschickt. Ich han ems scho gschickt. (beides geläufig). “ , Wollerau SZ. - „ I han ihm s scho gschickt. Manchmal auch: I has ihm scho gschickt. “ , Aarberg BE. 5. Weitere Varianten a) Insgesamt 32 Mal wird statt des neutralen Personalpronomens das Demonstrativpronomen notiert. Die Variante erscheint immer als Einzelnennung und vor allem in BE, VS, 30 Mal in derAbfolge IO-DO, 2 Mal in der Abfolge DO-IO, in der nach das auch im Dativ ein Demonstrativpronomen gewählt wird ( das dem ). Die Notation einer eventuell betonten Form von ihm (vgl. 3 a) kommt dabei 13 Mal vor (jeweils als Einzelnennung in Mümliswil SO, Heitenried FR, Bern, Huttwil, Ittigen, Leissigen, Rapperswil, Saanen, Zweisimmen BE, Giswil OW, Untervaz GR, Ausserberg, Binn VS). Beispiele: Ig ha ihm das scho gschickt Huttwil, I ha das dam scho gschickt Röthenbach i. E. BE, Ich ha ihm das scho gschickt Giswil OW, Ich ha das dem scho g ’ schickt Oberägeri ZG. Eine Gewährsperson aus Bern BE übersetzt die Variante neben ihm es und eine aus Wengi BE neben es ihm . b) 2 Mal wird eine Art Verdoppelung notiert, einmal vom Typ ihm es ihm (Ich hanems ihm scho gschickt. Würenlos AG) und einmal vom Typ es ihm es (ich has ihm ’ s scho gschickt Neuhausen SH). 6. Unbrauchbare Antworten a) 22 Mal wird das direkte Objekt als Demonstrativpronomen in die erste Position im Satz gerückt, so dass keine Kontaktstellung der Pronomina mehr vorliegt: Das han i em scho gschickt Appenzell AI. b) Insgesamt 30 Mal fehlt eines der beiden Pronomen, davon 15 Mal es (I han ihm scho g ’ schickt Guggisberg BE) und 15 Mal ihm , Ich ha s scho gschickt Innerthal SZ. c) 28 Mal werden statt der Pronomina Nomina übersetzt: 6 Mal wird das Dativpronomen durch ‚ Fritz ‘ ersetzt, 14 Mal das Pronomen es durch ‚ Geschenk ‘ und 8 Mal beide Pronomina: I has Fritzen scho gschickt Innertkirchen BE, Ich ha doch das Gschänk ihm scho gschickt Buochs NW, I bin sicher - ii han am Fritz zGschänk gschikt! Malans GR. 2.6 Pronomencluster 173 d) Einmal wird das Pronomen im Sg.Dat. durch Pl.Dat. ersetzt: Ech has ene doch scho mit de Post gscheckt Ruswil LU. e) Einmal wird ein Adverb zwischen die beiden Objektpronomina eingefügt: I has halt em scho gschickt Gais AR. f) 6 Mal erscheinen inhaltlich andersartige Konstruktionen. g) 4 Mal wird eine standarddeutsche Antwort notiert. h) Einmal notiert die Gewährsperson dito. 7. Weitere Bemerkungen a) Die am häufigsten belegte Abfolge ihm es ist angesichts der Vorlage es ihm in der Übersetzungsfrage wiederum von besonderem Gewicht. Zu dieser von der neutralen standarddeutschen Stellungsregel abweichenden Abfolge vgl. auch die Bemerkungen zu III.7, 7 b. Für die in IV.3 erfragte Kombination wird die Abfolge IO-DO allgemein erwähnt, vgl. dazu auch 7 c. Werner (1999: 106) bezeichnet die pronominale Abfolge IO-DO ( ihm es ) für ZH als unmarkiert, ähnlich auch Clauß (1929: 192) für UR, Bäbler (1949: 57) für GL, Bratschi & Trüb (1991: 180 - 181) für das Simmental und Suter (1992: 78) für Baseldeutsch. Schläpfer (1956: 142) gibt auch für BL die Stellung IO-DO an, wobei in den westlichsten Dörfern Schönenbuch und Benken die umgedrehte Reihenfolge gelte. Fischer (1960: 250 - 251) erwähnt für Luzerndeutsch, dass in der Abfolge DO-IO die „ betonte “ Form des Dativs auch „ ohne nachdrückliche Betonung “ stehen könne. Dauwalder (1992: 24) unterscheidet für das Haslital kategorisch zwischen unbetontem Dativ an erster Stelle und betontem Dativ an zweiter Stelle. SBS (9.2: 468 - 470) dokumentiert die Abfolge IO-DO vor allem für den südlichen Teil von Bayerisch-Schwaben (ebenso wie für es ihr , vgl. IV.8). Schiepek (1908: 519) hebt für das Egerländische die Abfolge ihm es gegenüber einigen umliegenden Dialektgebieten besonders hervor. Im AdA (Runde 9, „ klitisiertes Pronomen (Stellung) “ , 11 a/ 11 b/ 11 c/ 11 d) wird für die Schweiz weit überwiegend - und deutlich häufiger als bei der Konstellation es mir - die Abfolge es ihm kartiert, was mit dem Abfragetyp (Beurteilungsfrage), mit der Vorgabe des klitisierten Akkusativpronomens oder auch mit der gewählten Sprachform (Hochdeutsch statt Dialekt) erklärt werden könnte. Fleischer (2017 c: 493 - 494, 504) dokumentiert für die Dialekte Hessens ein lediglich sporadisches Vorkommen der Abfolge ihm es , im Kontrast zu den Verhältnissen bei der 1.Sg., vgl. auch Weiß (2013: 177, 180). Die Zahlenverhältnisse in den beiden SADS-Fragen sind dagegen sehr ähnlich. b) Beide kartierten Varianten treten mit Schreibungen auf, die möglicherweise auf eine betonte Form von ihm deuten. In SDS (III 205) sind vollvokalische Formen (im, em) aber auch in unbetonter Stellung in SH, BE sowie verstreut in der Innerschweiz und BS nachgewiesen. In SDS (III 198, Kommentar III) werden neben mehrsilbigen Formen u. a. Formen mit Langvokal als betonte Formen erwähnt, wobei diese „ oft auch kurz “ sein können. Eine Entscheidung über die Betontheit der h-haltigen Schreibungen ist schwer zu fällen, da vielleicht auch orthographischer Einfluss aus dem Standarddeutschen besteht. Sie werden daher eigens ausgewiesen, aber nicht ausgeschieden. In derAbfolge ihm es konzentriert sich diese eventuell betonte Dativform vor allem auf die Kantone BE und FR. In der Abfolge es ihm tritt sie überall, ausser in VS und im Nordosten, auf, vgl. ► Beikarte (S. 102). In der Abfolge ihm es kommt die betonte Dativform an 96 von 380 Orten vor, was ungefähr einem Viertel aller Orte entspricht. Im Gegensatz dazu kommt sie in der Abfolge es ihm , die der standardsprachlichen Vorlage entspricht, an 233 von 304 Orten vor, was ungefähr drei Viertel aller Orte entspricht. Bei der standardsprachlich vorgegebenen Abfolge tritt somit häufiger eine möglicherweise betonte Form von ihm auf, vgl. dazu auch III.7, 7 a. c) Spencer & Luís (2012: 193) erwähnen mit Bezug auf Bickel et al. (2007: 70) freie Variation im schweizerdeutschen Pronominalcluster (3.Sg.Akk.N. und 3.Sg.Dat.M.) ohne weitere sprachgeographische Zuordnung. Sonderegger-Bührer (2003: 30) führt die Variation für das Ostschweizerdeutsche ebenfalls an. 174 2 Pronomina 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS a) Frage IV.8 (Ü) - I ch habe es ihr gestern gegeben In Frage IV.8 wird 14 Mal nicht das vorgegebene Pronominalcluster mit dem Pronomen der 3.Sg.Dat.F. übersetzt, sondern, wie in der vorliegenden Frage IV.3, das Pronomen der 3.Sg.Dat.M. gewählt. übersetzte Varianten Anzahl Antworten und Orte IHM ES 11 Mal an 11 Orten (Hölstein BL, Rapperswil, Ricken, St. Gallen SG, Seftigen BE, Einsiedeln SZ, Avers GR, Ausserberg, Fiesch, Inden, Simplon Dorf VS) ES IHM 3 Mal an 3 Orten (Regensberg ZH, Tüscherz BE, Engelberg OW) Beispiele: I ha-n-ems gescht scho ggee St. Gallen SG - Ich has um geschter gä Engelberg OW. Literatur AdA 9 ▪ Bäbler 1949 ▪ Bickel et al. 2007 ▪ Bratschi & Trüb 1991 ▪ Clauß 1929 ▪ Dauwalder 1992 ▪ Fischer 1960 ▪ Fleischer 2017 c ▪ SBS 9.2 ▪ Schiepek 1908 ▪ Schläpfer 1956 ▪ SDS III ▪ Sonderegger-Bührer 2003 ▪ Spencer & Luís 2012 ▪ Suter 1992 ▪ Weiß 2013 ▪ Werner 1999 2.6.3 Pronomencluster (ihr es) Frage IV.8 (Ü) - I CH HABE ES IHR GESTERN GEGEBEN 1. Kartenthema und Datengrundlage In Frage IV.8 wurden die Gewährspersonen gebeten, ähnlich wie bei den Fragen III.7 und IV.3, einen vorgegebenen Satz mit zwei Objektpronomina für direktes und indirektes Objekt in dieser Reihenfolge in ihren Dialekt zu übersetzen, hier 3.Sg.Akk.N. und 3.Sg.Dat.F. Es sollte dabei die Abfolge der Objektpronomina in Kontaktstellung im Mittelfeld ermittelt werden. Kartiert ist das Vorkommen der Abfolge Dativ vor Akkusativ (IO-DO) und Akkusativ vor Dativ (DO-IO). Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 2772 2675 97 2639 36 2711 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a IHR ES IO-DO 3 b ES IHR DO-IO Typenbildung IHR re, ra, er, ira, ire, irä, ihr, ere, äre, ara, iar, ehr, iir, ihre, ihra, ihrä, ehre, ehrä, iara, iarä, ihara, dra, dru o. ä. ES s, es, as, äs, sus, ses, sis, säs 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) 1963 Mal an 378 Orten wird die Abfolge ihr es übersetzt. Sie kommt fast im gesamten Erhebungsgebiet vor, ausser in Roggenburg, Schönenbuch BL, Merishausen SH, Luzern LU, Thusis GR. Ihr prozentualer Anteil liegt an 315 Orten über 50 %, vgl. ► Prozentkarte (S. 104). 2.6 Pronomencluster 175 Folgende Formen von es werden von den Gewährspersonen notiert: notierte Form Anzahl Antworten und Orte s 1937 Mal an 378 Orten es 10 Mal an 9 Orten (2 Mal in Illnau ZH, je einmal in Muttenz BL, Stein AG, Roggwil TG, Haslen AI, Bern, Innertkirchen BE, Grosswangen LU, Brig VS) sus 7 Mal an 4 Orten (4 Mal in Simplon Dorf VS, je einmal in Bürchen, St. Niklaus, Steg VS) ses 5 Mal an 4 Orten (2 Mal in Zermatt VS, je einmal in Gsteig, Matten, Zweisimmen BE) sis 2 Mal an 2 Orten (Randa, Zermatt VS) as Einmal in Plaffeien FR äs Einmal in Binn VS 10 Mal an 10 Orten (Bibern SO, Frick, Kirchleerau, Merenschwand AG, Roggwil TG, Haslen AI, Plaffeien FR, Grosswangen LU, Elm, Mollis GL) werden Formen notiert, die möglicherweise auf eine Betonung von ihr hinweisen: ihr, ehr, iir, ihre, ehre, vgl. ► Beikarte (S. 105) und 7 a. 57 Mal an 16 Orten erscheint eine d-haltige Form von ihr und das an 10 Orten in VS (Agarn, Blatten, Ferden, Guttet-Feschel, Inden, Saas-Grund, Salgesch, Steg, St. Niklaus, Visp VS) und an 6 Orten in SG, GR (Valens, Weisstannen SG, Avers, Churwalden, Fläsch, Untervaz GR), vgl. 7 b. Beispiele: I haneres geschter geh Möhlin AG, I han ehre es geschtere scho gee Haslen AI, I ha iir as scho geschter gää Plaffeien FR, I ha ra ses gäschter ggäh Gsteig BE, Ich ha dras geschtär gigä Agarn, Ich ha drus geschtär gigä St. Niklaus VS. b) 726 Mal an 299 Orten wird die Abfolge es ihr übersetzt. Die prozentualen Anteile über 50 % konzentrieren sich von SH über ZH bis in die Zentralschweiz und in GR, vgl. ► Prozentkarte (S. 104). 2 Mal darunter erscheint die Variante mit Präpositionaler Dativmarkierung i (Bremgarten, Frick AG) bzw. 3 Mal mit a (Alpnach, Giswil OW, Gurtnellen UR). Folgende Formen von es werden von den Gewährspersonen notiert: notierte Form Anzahl Antworten und Orte s 688 Mal an 291 Orten es 23 Mal an 23 Orten (verstreut) sus 7 Mal an 6 Orten (2 Mal in Simplon Dorf, je einmal in Ausserberg, Betten, Bürchen, Salgesch, Visp VS) äs 4 Mal an 4 Orten (Nänikon ZH, Gadmen BE, Giswil OW, Saas-Grund VS) säs Einmal in Oberwald VS ses Einmal in Saanen BE sos Einmal in Saas-Grund VS as Einmal in Trimmis GR Auch bei dieser Variante kommt die Notation einer möglicherweise betonten Form von ihr vor (390 Mal an 228 Orten): ihr, ehr, o. ä., vgl. ► Beikarte (S. 105) und 7 a. 3 Mal an 2 Orten kommt dabei eine d-haltige Form von ihr vor (2 Mal in Blatten VS, einmal in Wiesen GR), vgl. 7 b. Beispiele: Ich ha ’ s i ihre geschter gä Bremgarten AG, Ich has ere geschter gee Brunnadern, I has ihara [sic] geschtr schu gi Vättis SG, I ha ses ihra geschter scho gä Saanen BE, Ich hasära geschtr ggä Alpnach, Ich ha äs a ihrä gestr gä Giswil OW, Ich has dra geschtr gigän Blatten VS. c) Intrapersonelle Variation: übersetzte Varianten Anzahl Personen und Orte IHR ES und ES IHR 34 Personen an 34 Orten (verstreut) 176 2 Pronomina 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ I ha res geschter gä = schnell, I has ihre geschter gä = gepflegter “ , Aarberg BE. 5. Weitere Varianten a) 21 Mal an 20 Orten wird statt des Personalpronomens es das Demonstrativpronomomen ‚ das ‘ notiert: 16 Mal an 15 Orten in der Abfolge ihr das (2 Mal in Steffisburg BE, je einmal Hüttwilen, Kesswil TG, in Aarberg, Bern, Boltigen, Innertkirchen, Wengen BE, Rotkreuz ZG, Engi, Näfels GL, Arosa GR, Betten, Binn, Visp VS) und 5 Mal an 5 Orten in der Abfolge das ihr (Laufen BL, Alpthal, Brunnen SZ, Agarn, Ausserberg VS). Die Notation einer eventuell betonten Form von ihr kommt dabei 12 Mal vor. 8 Mal in der Abfolge ihr das (Hüttwilen TG, Bern, Innertkirchen, Steffisburg, Wengen BE, Engi GL, Binn, Visp VS) und 4 Mal in der Abfolge das ihr (Alpthal, Brunnen SZ, Agarn, Ausserberg VS). Beispiele: Ich ha ihre da geschter scho gä! Hüttwilen TG, I ha ihre das geschter gä Bern, I han ihra das gester gän Wengen BE, Ech hanere das geschter gä Rotkreuz ZG, Ich an [sic] ira das gester gi Näfels GL, I han ira das gester ge Arosa GR - I ha das ire geschter gä Laufen BL, Ich ha das ihra geschtär gä Agarn VS. b) Einmal wird vor das ein feminines Demonstrativpronomen im Dativ übersetzt, in der Abfolge IO-DO: I ha dera das geschter gee Zweisimmen BE. 6. Unbrauchbare Antworten a) Insgesamt 26 Mal fehlt in der einzigen Antwort eines der beiden Pronomen, davon 18 Mal ihr (I has geschter gä Schwarzsee FR), 8 Mal es (I han ’ ere gester geh Altstätten SG). b) 21 Mal wird mindestens ein Pronomen durch ein Substantiv wiedergegeben. 9 Mal wird es durch ‚ Geschenk ‘ ersetzt (I ha nere das Gschänk geschter gä Erlach BE), 5 Mal ihr durch ‚ Lehrerin ‘ (Ich has denk a dä Lehreri geschter scho gä Alpthal SZ) und 7 Mal beides zusammen (I han der Lehrerin z ’ Gschenk scho gäster gä Schiers GR). c) 12 Mal wird das direkte Objekt als Demonstrativpronomen in die erste Position im Satz gerückt, so dass keine Kontaktstellung vorliegt. Beispiel: Das hänn ich ira ebe scho geschter gä Safien GR. d) 20 Mal wird im Dativ das Pronomen der 2.Sg. übersetzt (11 Mal dir es , 7 Mal es dir , 2 Mal dir das ). Beispiel: Ich has diär geschter gä Wolfenschiessen NW. e) 15 Mal wird das Pronomen der 3.Sg.M. übersetzt, vgl. IV.3, 8 a (11 Mal ihm es , 3 Mal es ihm , einmal mit das an Erstposition). Beispiel: I ha-n-ems gescht scho ggee St. Gallen SG. f) Einmal wird das Dativpronomen der 3.Pl. übersetzt: Ich has inne gestert gäh Sternenberg ZH ersetzt. g) Einmal (Schönenbuch BL) ist nicht entscheidbar, ob ‚ ihr ‘ oder ‚ dir ‘ gemeint ist: Ich ha d ’ rs geschter gä, vgl. 7 b. h) 2 Mal wird eine standarddeutsche Antwort notiert. 7. Weitere Bemerkungen a) Beide kartierten Varianten treten mit Schreibungen auf, die möglicherweise auf eine betonte Form von ihr deuten, vgl. ► Beikarte (S. 105). In der Abfolge ihr es kommt die betonte Dativform nur 10 Mal an 10 Orten vor. Im Gegensatz dazu kommt sie in der Abfolge es ihr , die der standardsprachlichen Vorlage entspricht, 390 Mal an 228 Orten vor, was ungefähr drei Viertel aller Orte entspricht. Bei der standardsprachlich vorgegebenen Abfolge tritt somit deutlich häufiger eine möglicherweise betonte Form von ihr auf, vgl. zu ähnlichen Befunden auch IV.3, 7 b und III.7, 7 a. 2.6 Pronomencluster 177 b) d-haltige Formen von ihr treten mehrheitlich in VS und einigen Orten in SG, GR auf, vgl. 3 a bzw. 3 b sowie den unklaren Fall unter 6 g. Hotzenköcherle (1934: 373, 422) belegt solche Formen explizit für die Mundart von Mutten GR (d als Einschub zwischen n + r). Henzen (1932: 95) erwähnt bei der Besprechung von Walliser d-haltigen Pronominalformen im Genitiv - entstanden durch falsche Abtrennung - , „ dass in Lötschen dra auch bei persönlich gebrauchtem dat. sg. f. statt des zu erwartenden ra erscheint “ . Auch im Id. (14: 1) wird die Form dra für „ Dat. Sg. f. des Pers. Pron. 3. P., unbetont W, so Lö., Rar. Saas “ erwähnt. Auch in unseren Daten erscheinen die d-haltigen Formen im westlichen Teil des Walliser Untersuchungsgebietes und nicht im Osten. In den aktuellen Daten ist diese d-haltige Form im Lötschental VS noch immer vorherrschend: Alle Gewährspersonen in Blatten bzw. 10 von 11 Gewährspersonen in Ferden VS übersetzen dra bzw. dru. c) Fleischer (2011: 97, Karte) weist anhand der Untersuchung von Wenkersatz 9 für das Schweizerdeutsche - in Übereinstimmung mit den Ergebnissen aus der vorliegenden SADS-Frage - v. a. die Abfolge ihr es nach. Das entspricht auch den Ergebnissen von Kakhro (2005: 164 - 165) und Kachro (2006: 112 - 115), deren Auswertung auf zusätzlichen Schweizer Wenkerbögen basiert. ZurAbfolge ihr es in anderen Dialekten vgl. Fleischer (2010: 157 - 158) sowie (2017 c: 491) mit weiteren Verweisen und zu den Dialekten Hessens, in denen kein klares Raumbild zu erkennen ist. Die Abfolge gilt auch im Luxemburgischen (vgl. Glaser 2005 a: 134, 2006: 232 - 233). In Bayerisch Schwaben ist nach SBS (9.2: 468 - 470) ihr es eher im südwestlichen Teil des Untersuchungsgebiets zu finden, in Mittelfranken zeigt sich nach SMF (7: 472 - 475) die Abfolge zwar grossflächig, gegen Norden und Westen erscheint aber der Typ es ihr . Auch bei dieser Pronominalgruppe überwiegt auf der entsprechenden Karte des AdA (Runde 9, „ klitisiertes Pronomen (Stellung) “ , 11 a/ 11 b/ 11 c/ 11 d) in der Schweiz jedoch die standardsprachliche Abfolge, vgl. zur Bewertung IV.3, 7 a. Nach Fleischer (2011: 84; mit weiterer Literatur) ist die standardsprachliche Abfolge es ihr in den deutschen Dialekten insgesamt in der Mehrheit, wobei ihr es v. a. im Oberdeutschen und in eher westlichen Gebieten dominiert. d) Bei allen drei Fragen zum Pronominalcluster mit direktem und indirektem Objekt ergibt sich ein ähnliches Bild v. a. hinsichtlich der Quantitäten der beiden Hauptvarianten IO-DO und DO-IO. Die dominierende Variante ist mit zwei Dritteln bis knapp Dreiviertel der Übersetzungen gegen die standardsprachliche Vorlage jeweils die Abfolge IO-DO, wobei sie in der vorliegenden Frage IV.8 zum femininen Dativpronomen am häufigsten ist. Diese Abfolge kommt jeweils nur an ganz wenigen Orten nicht vor. Die seltenere, der Standardsprache entsprechende Abfolge DO-IO kommt zwar auch an 299 (IV.8), 304 (IV.3) bzw. 328 (III.7) Orten vor, hier lassen sich jedoch regionale Ballungen erkennen, wobei SH tendenziell höhere Werte dieser Variante aufweist, vgl. die Prozentkarten zu den Fragen III.7, IV.3 und IV.8 sowie die jeweiligen Kommentare zur Variante 3 b. Das ähnliche Verhalten der drei abgefragten pronominalen Kombinationen steht in deutlichem Kontrast zu den für die Dialekte Hessens dokumentierten Verhältnissen, vgl. Fleischer (2017 c) sowie Weiß (2013). Literatur AdA 9 ▪ Fleischer 2010 ▪ 2011 ▪ 2017 c ▪ Glaser 2005 a ▪ 2006 ▪ Henzen 1932 ▪ Hotzenköcherle 1934 ▪ Id. 14 ▪ Kachro 2006 ▪ Kakhro 2005 ▪ SBS 9.2 ▪ SMF 7 ▪ Weiß 2013 178 2 Pronomina 3 Verbalgruppe 3.1 Verbcluster 3.1.0 Einleitung Im modernen Standarddeutschen ist im Unterschied zu früheren Sprachstufen die Abfolge der Prädikatsteile bei mehrteiligem Prädikat sowohl im Hauptsatz als auch im Nebensatz festgelegt, wobei weitgehend die Regel gilt, dass das regierte Element vor dem regierenden steht (Duden 4: 484). Zu den betroffenen Verbklassen sowie umgangssprachlichen Abweichungen insbesondere bei umfangreicheren Verbkomplexen gibt es zahlreiche Untersuchungen, die hier nicht berücksichtigt werden können. Stellungsvariation im Verbalkomplex lässt sich generell in verschiedenen Varietäten des Kontinentalgermanischen beobachten, was - meist unter dem Terminus verb raising - ein viel besprochenes Thema v. a. in grammatiktheoretisch orientierten Publikationen darstellt, vgl. z. B. den Überblick in Zwart (1996), Wurmbrand (2017), Schmid (2005). Die dialektalen Verhältnisse im Niederländischen sind in SAND 2 dargestellt und besprochen. Auch in den deutschen Dialekten gibt es diesbezüglich verschiedene Abweichungen (vgl. Maurer 1926; Lötscher 1978; Patocka 1997: III.2, mit umfangreicher Literatur, sowie Schmid & Vogel 2004; Wurmbrand 2004; Weiß & Schwalm 2017, und mit Blick auf das Frühneuhochdeutsche Krasselt 2013: 131). Im Schweizerdeutschen können die Verbalteile bei mehrteiligem Prädikat im Haupt- und Nebensatz ebenfalls relativ zueinander in ihrer Position variieren (vgl. grundlegend Lötscher 1978 sowie Hodler 1969: 684 - 685, 688 - 691; Schönenberger 1995; Schmid 2005). Die grösste Vielfalt liegt im Nebensatz vor, wo die Stellungsvariation den gesamten Verbalkomplex einschliesslich des finiten Verbs betrifft. Das gilt für verschiedene Konstruktionstypen von Verbalkomplexen, von denen folgende im SADS erfragt wurden: I.9 / II.2 finites Modalverb mit abhängigem Infinitiv, I.19 Auxiliar mit Partizip II, II.6 / II.14 Modalverb im Perfekt mit Infinitiv, II.2 Modalverb im Konjunktiv Perfekt mit Infinitiv. Es wurden insgesamt vier Ankreuzfragen zur Serialisierung im Nebensatz gestellt: zwei zum Zwei-Verb- Cluster (I.9, I.19) und zwei zum Drei-Verb-Cluster (II.6, II.14). Auch die Übersetzungsfrage II.2, die primär auf die Erhebung der verschiedenen Anschlussmöglichkeiten eines Relativsatzes zielte, lässt sich hinsichtlich der Stellung innerhalb des Verbalkomplexes auswerten. Bei dieser Frage gab es im Nebensatz neben Übersetzungen mit Zwei-Verb-Clustern (1346 Antworten) auch zahlreiche Übersetzungen mit Drei-Verb-Clustern (1165 Antworten), die mit je einem eigenen Kommentar abgehandelt werden. Die Kartierung erlaubt einen Vergleich der Stellungstypen durch übereinstimmende Symbolisierung und Anordnung, vgl. auch Abschnitt 2 bei II.6, II.14, II.2. Ausser der Stellungsvariation ist bei den Modalverbclustern im Perfekt auch noch das Vorkommen eines sogenannten Ersatzinfinitivs (Infinitivus pro participio, IPP) zu beachten, der in den schweizerdeutschen Varietäten die einzig mögliche Form darstellt (Stucki 1921: 120). Zum fakultativen Vorkommen eines Ersatzinfinitivs sind im SADS weitere Fragen mit verschiedenen Verben im Haupt- und Nebensatz gestellt worden, die eigens abgehandelt werden, wobei dort auch die Stellungsvariation berücksichtigt ist, vgl. zum Nebensatz IV.21 (3.2.4) und IV.25 (3.2.5) sowie zum Hauptsatz I.3 (3.2.1), I.8 (3.2.2) und II.7 (3.2.3), vgl. auch 3.2.6. Darüber hinaus gibt es SADS-Fragen zu den Verben lassen und anfangen mit abhängigem Infinitiv, bei denen die Stellungsvariation im mehrteiligen Prädikat in den jeweiligen Kommentaren besprochen wird, vgl. zum Nebensatz III.8 (3.4.3) und III.12 (3.4.4) mit anfangen sowie zum Hauptsatz II.1 (3.3.3), II.3 (3.3.1), II.5 (3.3.4) mit lassen und III.5 (3.4.2) mit anfangen. Auch bei der Frage nach der Konstruktion mit kommen und einer infiniten Verbform (II.19) ist in einem gewissen Umfang Stellungsvariation im Hauptsatz zu vergleichen (4.4.1, 3 a). Zudem gibt es auch in weiteren, auf andere Phänomene, wie Finalanschluss, Relativanschluss, Komparativsatz und Satzverschränkung, ausgerichteten SADS-Fragen (I.6 (5.1.2), II.18 (5.2.3), II.20 (5.2.1), III.28 (5.3.3), IV.26) Antworten mit mehrteiligem Prädikat im Nebensatz, die als Zusatzmaterial bei den folgenden jeweils einschlägigen Verbalclusterfragen, I.19 und I.9, ausgewertet werden. Mit Schallert (2014 a) liegt eine umfangreiche Abhandlung zur Form und Stellung verschiedener Typen von Verbalkomplexen vor, die schwerpunktmässig das nah verwandte Vorarlberger Alemannische untersucht, aber auch Material zum Schweizerdeutschen, z.T. aus dem SADS, mit einbezieht. Schmid (2005) bezieht in ihre Untersuchung verschiedener Typen von Verbalkomplexen ebenfalls Daten zu ZH, BE und SG ein, die 3.1 Verbcluster 181 allerdings teilweise nur von je einer einzigen Gewährsperson stammen. Wurmbrand (2004: 61, 74 - 77) stellt die Ergebnisse einer Untersuchung zur Stellungsvariation in verschiedenen Mehrverbkomplexen, v. a. mit Modalverben, in mehreren deutschen Varietäten vor (German, Austrian, Vorarlberg, Swiss). Salzmann (2011, 2013, 2016) behandelt v. a. schweizerdeutsche Daten unter formalgrammatischer Fragestellung. Seiler (2004) bietet eine erste Auswertung der Ergebnisse aus den SADS-Fragen I.9, I.19 sowie II.6, II.14 zur sprachgeographischen Verteilung der Serialisierungstypen in Verbalkomplexen im Rahmen einer OT- Analyse. Literatur Duden 4 ▪ Hodler 1969 ▪ Krasselt 2013 ▪ Lötscher 1978 ▪ Maurer 1926 ▪ Patocka 1997 ▪ Salzmann 2011 ▪ 2013 ▪ 2016 ▪ SAND 2 ▪ Schallert 2014 a ▪ Schmid 2005 ▪ Schmid & Vogel 2004 ▪ Schönenberger 1995 ▪ Seiler 2004 ▪ Stucki 1921 ▪ Weiß & Schwalm 2017 ▪ Wurmbrand 2004 ▪ 2017 ▪ Zwart 1996 3.1.1 Zwei-Verb-Cluster im Nebensatz (Modalverb im Präsens) Frage I.9 (A) - A LSO ICH WEISS AUCH NICHT , OB ER EINMAL HEIRATEN WILL 1. Kartenthema und Datengrundlage In der Ankreuzfage I.9 wurden die Gewährspersonen gebeten, die beiden aus verschiedenen westgermanischen Varietäten (Wurmbrand 2017: 4621 - 4623, 4634, 4695), einschliesslich der deutschen Dialekte (Sapp 2011: 103 - 110, 2012: 53; Patocka 1997: 275 - 278; Weiß 1998: 52; Schallert 2014 a: 6; Dubenion-Smith 2010: 110 - 113, 133, 2013; Weiß & Schwalm 2017: 465 - 466) und des Schweizerdeutschen bekannten Stellungsvarianten innerhalb des Modalverbkomplexes (Modalverb im Präsens mit abhängigem Infinitiv) im Nebensatz zu bewerten (vgl. Lötscher 1978; Seiler 2004; Wurmbrand 2017: 4621 - 4623 mit Tab. 1; Kolmer 2011 mit weiterführender Literatur). Die Stellungsvariante 1-2 (Modalverb vor Infinitiv) wurde als erste angeboten. Die ► Hauptkarte (S. 109) bildet die Verbreitungsgebiete der Präferenz der beiden vorgegebenen Stellungsvarianten ab. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 3182 3058 124 3002 56 3114 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a WILL HEIRATEN 1-2 3 b HEIRATEN WILL 2-1 Typenbildung WILL will, wiu, wiuw, wett, wott, wolt, wött, wetti, wöli, welli, well, möcht o. ä. HEIRATEN hürate, heratu, hirotä, hirätä o. ä. 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) will heiraten : die Stellungsvariante 1-2 kommt sehr häufig und im gesamten Untersuchungsgebiet vor. Insgesamt 2470 Mal wird diese vorgegebene Variante verteilt auf 379 Orte präferiert (nicht in Valens SG, Avers, Churwalden, Malans GR). Nur unwesentlich mehr, nämlich 2624 Mal, wird sie verteilt auf 382 Orte akzeptiert. Einzig in Churwalden GR wird sie auch nicht akzeptiert. In Ettingen, Schönenbuch BL, Amriswil TG, Rheineck SG, Fläsch, Jenins, Langwies, Schiers, Trimmis, Wiesen GR wird die Variante zwar mehrmals akzeptiert, aber nur je einmal präferiert. Es ist ersichtlich, dass die Variante mit mehrfacher Präferenz pro 182 3 Verbalgruppe Ort im ganzen Untersuchungsgebiet (ausser an den genannten wenigen Orten im Nordwesten und Osten) verankert ist, in manchen Regionen allerdings in Konkurrenz mit der Stellungsvariante 2-1 (vgl. 3 b). Beispiele: … ob er emol möcht hürote Basel BS, … öb er ämol wött hürote Aesch BL, … ob är emol wett hürote Möhlin AG, … ob er ämol wett hürote Wald ZH, … öb dä würkli emòl wott hüüròòte Wilchingen SH, … öb er emol wott hürote Bühler AR, … ob er as mäu wöli hirate! Tafers FR, … ob är einisch wett hürote Langenthal BE, … ob er uberhaupt ainisch wetti hirotä Andermatt UR, … ob er überhaupt ämal wett hürate Engi GL, … ob der ä mal will heratu Agarn VS. b) heiraten will : Die Stellungsvariante 2-1 reicht zwar weit in den Westen, die vorgegebene Variante wird aber insgesamt nur 644 Mal verteilt auf 228 Orte präferiert. Sie wird wesentlich mehr, nämlich 1002 Mal verteilt auf 289 Orte, akzeptiert. Die Variante kommt im Norden und Osten des Untersuchungsgebiets sowie in VS mehrfach vor, im Westen treten v. a. Einzelnennungen auf. Obwohl die Variante räumlich grosse Verbreitung hat, wird sie nur an wenigen Orten in BL, SG, GR mit hohen Anteilen präferiert: Schönenbuch BL, Grabs, Mels, Rheineck, Valens, Walenstadt SG, Avers, Churwalden, Davos, Fläsch, Jenins, Langwies, Malans, Mutten, Obersaxen, Rheinwald, Schiers, St. Antönien, Trimmis, Untervaz, Vals, Wiesen GR. An 6 Orten wird die Stellungsvariante 2-1 jedoch von allen Gewährspersonen präferiert: Rheineck, Valens SG, Avers, Churwalden, Langwies, Malans GR, dabei in Langwies GR und Rheineck SG je einmal zusammen mit 3 a, vgl. ► Prozentkarte (S. 110). Beispiele: … ob är emol hürote wott Aesch, … ober ämol hürote well Schönenbuch BL, … ob är einisch hürote wett Bettlach SO, … ob er emol hürote wött Sitterdorf TG, … ob er ämol hürote wett Sevelen SG, … ob er überhoupt hürate wott Frauenkappelen, … ob är emau hürote wetti Langenthal BE, … öb är emol hürote wott Neuenkirch LU, … öb där einisch hürate wett Alpthal SZ, … ob är ainisch hirätä wett Gurtnellen UR, … ob der ä mal hürate will Mollis, … ob er ämal hüratä welli Schwanden GL, … ob är ämaal hüüraate wetti Davos, Ob dä amol hürota will … Jenins, … ob er ämal hürate will Safien GR, … ob der emal heiratu will Mörel VS. c) Intrapersonelle Variation: präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte WILL HEIRATEN und HEIRATEN WILL 1-2 und 2-1 56 Personen an 50 Orten (v. a. ZH, SG, GR) Je eine Gewährsperson aus Regensberg, Sternenberg ZH, Ramsen SH, Davos Monstein GR hat den Fragebogen doppelt ausgefüllt und dabei jeweils eine andere Variante gewählt. 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ kommt auf die Betonung an “ , Liestal BL. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 b] - „ Feiner Bedeutungsunterschied: [3 a] eher Bedeutung auf hürate, [3 b] eher Bedeutung auf wett. “ , Marthalen ZH. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ [3 a] werte ich als positiver als [3 b] und [3 b] ist eher endgültiger Ausdruck. Je nach Situation einsetzbar. “ , Wald ZH. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ Beides denkbar mit verschiedenen Betonungen. Betonung in beiden Fällen auf dem zweitletzten Wort. “ , Kesswil TG. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ Für mich sind beide möglich, die Aussage ist allerdings nicht die genau gleiche. “ , Weinfelden TG. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ Verschiedene Interpretation: Variante [3 a] eher neugierig, Variante [3 b] eher resignierend. “ , Degersheim SG. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 a] 3.1 Verbcluster 183 - „ Variante [3 b] ist bestimmter, ‚ hüräte ‘ steht im Vordergrund. Variante [3 a] eher nur eine ‚ Liebschaft ‘ . “ , Grabs SG. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ Je nach Variante bekommt der Satz eine etwas andere Bedeutung, wird das Wollen oder das Heiraten betont. “ , St. Gallen SG. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ Ich bin aber unsicher, ob ich nur auf den Satzbau oder die Wörter achten muss. Der fremde Dialekt irritiert mich etwas. “ , Düdingen FR. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ möglich schon, aber nicht spontan. “ , Sempach LU. [GP kommentiert zu 3 b, akzeptiert und präferiert 3 a] - „ Satz [3 a]: Wir betonen ‚ hürate ‘ , Satz [3 b]: Wir betonen ‚ wett ‘ . Beide Sätze richtig; Betonung, Gewichtung ergibt zwei verschiedene Sätze. “ , Schwanden GL. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ Betonungsfrage “ , Chur GR. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 b] - „ Variante [3 b] wäre je nachdem auch zutreffend “ , Jenins GR. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 a] - „ hier bin ich etwas unsicher? “ , Safien GR. [GP akzeptiert und präferiert 3 b] - „ nicht ganz dieselbe Bedeutung. “ , Mörel VS. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] 5. Weitere Varianten keine 6. Unbrauchbare Antworten a) 11 Mal wird statt einer Form des Modalverbs ‚ wollen ‘ eine Form des Auxiliars ‚ werden ‘ in der Abfolge 1-2 als einzige Variante präferiert: … ob er einisch wird hürate Melchnau BE. Insgesamt wird die Variante 25 Mal notiert, meist ebenfalls in der Abfolge 1-2 (12 Gewährspersonen in BE, LU sowie 10 verstreute Einzelnennungen), 3 Mal in der Abfolge 2-1 (Bettingen BS, Wil SG, Arosa GR). b) 17 Mal wird eine tun-Periphrase als einzige Variante präferiert, davon 13 Mal in der Abfolge 1-2 und 4 Mal in der Abfolge 2-1. Insgesamt wird die Variante 49 Mal notiert, davon 30 Mal in der Abfolge 1-2 (verstreut, gehäuft in BL, SO, FR, BE) und 19 Mal in der Abfolge 2-1 (verstreut, gehäuft im Osten). Beispiele: … ob är einisch tuät hirate Isenthal UR, … ob dä amal hürate tuet Churwalden GR. c) Einmal wird in Sevelen SG eine Periphrase mit ‚ kommen ‘ (Abfolge 2-1) als einzige Variante präferiert. Insgesamt wird die Konstruktion 8 Mal notiert verteilt auf 4 Orte im Osten (2 Mal in Sevelen, je einmal in Flums, Valens SG, Langwies GR) und 2 Orte in VS (2 Mal in Zermatt, einmal in Inden VS), 2 Mal davon mit zum als Infinitiveinleiter. Beispiele: … ob dä emol zhürota chunnt Sevelen SG, … ob der ämal zum heiratu chunt Inden VS. d) 77 Mal wird im Nebensatz einzig flektiertes ‚ heiraten ‘ präferiert. Relativ häufig, nämlich 208 Mal, wird die Variante insgesamt verstreut im ganzen Erhebungsgebiet notiert. Beispiel: … ob är ma einischt hiratet Giswil OW. 184 3 Verbalgruppe e) 2 Mal wird als einzige Variante (insgesamt 13 Mal) eine Periphrase mit ‚ im Sinn haben ‘ präferiert. Beispiel: … ob er überhoupt im sin hed z ’ hiiraten Brienz BE. f) Einmal tritt eine Periphrase mit ‚ wissen ‘ als einzige Antwort auf: … ob där eis weis z ’ Hiiraten Meiringen BE. g) Eine Gewährsperson aus Möhlin AG gibt als einzige Antwort einen Nebensatz mit drei Prädikatsteilen: … öb er emol hätt welle hürote. h) 13 Mal wird eine inhaltlich abweichende Antwort als einzige Antwort präferiert. i) Einmal ist die Antwort nicht interpretierbar. 7. Weitere Bemerkungen a) Um einen möglichen Einfluss des Standarddeutschen auf die Antworten zu minimieren, wurde keine Übersetzungsfrage, sondern eine Ankreuzfrage gestellt, welche die beiden Varianten sozusagen gleichberechtigt zur Auswahl vorgab, wobei allerdings die Abfolge der beiden Varianten ebenfalls einen Einfluss ausgeübt haben kann. Gerade die erste Variante will heiraten (1-2), die nicht dem Standarddeutschen entspricht, wurde am häufigsten und fast im gesamten Erhebungsgebiet angekreuzt, während die standardnahe Variante heiraten will (2-1) klar weniger häufig und nicht im mittleren Westen gewählt wurde. Dass letztere trotzdem in vereinzelten Fällen (z. B. in den Übergangszonen und vielleicht auch in VS, vgl. 7 b) wegen des Standardeinflusses präferiert wurde, kann allerdings nicht völlig ausgeschlossen werden. Zumindest könnte die auffallend häufige 2-1-Akzeptanz auf Beeinflussung zurückzuführen sein. Die Hauptstellung 1-2 ist auch durch Zusatzmaterial aus Frage I.19 für FR, BE und UR dokumentiert, vgl. 8 b. Die Stellungsvariation kann grundsätzlich durch den Fokus beeinflusst sein, wie das einige Gewährspersonen bemerken, wobei die Rolle dieses Faktors im vorgegebenen Kontext nicht beurteilt werden kann, vgl. dazu Dubenion-Smith (2010: 135, 144 - 148). b) Hodler (1969: 691) führt die Stellung 1-2 bei Modalverben zwar als normal an, verweist aber auf grundsätzliche Variation (1969: 690), wobei die Stellung 2-1 in seinem Berner und Walliser Korpus „ selten “ sei (1969: 691). Ähnliches berichten Burri & Imstepf (2002: 32), vgl. auch Oldani (1995: 86). Diese Angaben lassen sich mit unseren Ergebnissen vereinbaren. Kolmer (2011: 150) ermittelt bei einer Befragung im Emmental alleinige 1-2-Stellung. Auch Dauwalder (1992: 80) gibt für das Haslideutsche nur die Stellung 1-2 an. Lötscher (1978: 10) führt für das Zürichdeutsche beide Stellungsvarianten an, ebenso Schönenberger (1995: 366) für Zürich und St. Gallen. In einem Korpus aus Wil SG finden Schönenberger & Haeberli (2015: 4 - 8) fast ausnahmslos die Abfolge 1-2. Sapp (2011: 142 - 143) hat in einer Umfrage für Zürich über 60 % Präferenz für das vorangestellte Modalverb (mit oder ohne intervenierendes Nomen) festgestellt. Schallert (2014 a: 6) schliesst für Vorarlberg im Gegensatz zu Liechtenstein 1-2 aus, Weiß (1998: 52) erwähnt für das Bairische beide Stellungen, vgl. auch Weiß & Schwalm (2017: 466, 475) für Hessen. Zur Verbreitung von 1-2 v. a. im südlichen Österreich, vgl. Patocka (1997: 275 - 278, 2000: 253 - 254). Zur Stellungsvariation im Niederländischen vgl. SAND (2: 15 b, Kommentarband 13) sowie Wurmbrand (2017: 4621 - 4623) mit einem Überblick über die benachbarten westgermanischen Varietäten. Für das untersuchte östliche und westliche Schweizerdeutsch führt Wurmbrand (2017: 4622) beide Stellungsvarianten an. Im AdA (Runde 3, „ Verbstellungen “ , 13 b) ist die Stellung 1-2 bei Modalverben fast ausschliesslich in der Deutschschweiz (und Luxemburg) belegt. c) Seiler (2004: 371 - 378) zeigt in einer ersten Auswertung von Frage I.9 die Konzentration mehrheitlicher Präferenz für die Serialisierung 2-1 im Südosten auf, ebenso wie sich Orte mit obligatorischer Serialisierung 2-1 dort konzentrieren. Seiler (2004: 378) betont, dass zusammen mit der weiter nach Westen reichenden Akzeptanz der Variante 2-1 insgesamt eine Inklusionsbeziehung vorliege, wonach Obligatorizität in Präferenz und diese in der Akzeptanz inkludiert sei. 3.1 Verbcluster 185 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS Es liegt aus einigen Fragen weiteres Material zur Abfolge von Modalverb und Infinitiv vor, wobei es sich allerdings nicht immer um das gleiche Modalverb handelt. a) Frage II.20 (A) - I ch will aber ein A uto, das ich auch zahlen kann Die Ergebnisse aus I.9 lassen sich mit der eigentlich auf den Relativanschluss gerichteten Frage II.20 (5.2.1), die ebenfalls ein Modalverbcluster im Präsens enthält, vergleichen. In der Ankreuzfrage II.20 wurden drei Varianten des Relativsatzanschlusses zur Bewertung vorgegeben, wobei das Verbcluster immer die Stellungsvariante kann zahlen 1-2 aufwies. 162 Mal haben Gewährspersonen eigene Varianten mit Modalverb in der Stellung 2-1 notiert, vgl. ► Beikarte (S. 111). Die Verteilung dieser Nennungen bei II.20 kann mit der Zone hoher Prozentanteile der präferierten Variante 2-1 pro Ort auf der ► Prozentkarte (S. 110) zur vorliegenden Frage I.9 in Einklang gebracht werden. präferierte Varianten Anzahl Antworten und Orte ZAHLEN KANN 2-1 162 Mal an 80 Orten (v. a. SG, GL, GR) Beispiele: … woni au zalä cha Näfels GL, … woni au zala cha Untervaz GR, … wa nich oi zahlu cha Agarn VS. b) Frage I.19 (A) - I ch habe keine A hnung, ob sie das A uto schon bezahlt hat Bei dieser Frage nach dem Perfekt wird unter den dort unbrauchbaren Antworten (6 b) 4 Mal das Modalverb ‚ können ‘ mit Infinitiv notiert. notierte Varianten Anzahl Antworten und Orte KANN BEZAHLEN 1-2 4 Mal an 4 Orten (Giffers, Schwarzsee FR, Boltigen BE, Unterschächen UR) Beispiele: … ob dia das cha zale Boltigen BE, … ep diä das Aito uberhaipt cha zahlä Unterschächen UR, … ob si das Auto überhaupt cha zahle Giffers, … ob si z auto cha zahle! Schwarzsee FR. c) Frage I.6 (E) - J etzt brauche ich sogar T abletten, um einzuschlafen 495 Mal an 286 Orten wurde über das gesamte Untersuchungsgebiet verteilt ein finiter Nebensatz mit dem Modalverb 'können' (meist mit dass , vgl. 5.1.2, 5 c, 6 c) ergänzt. Der Anschlusstyp für dass erscheint ausschliesslich in der Stellung 1-2. notierte Varianten Anzahl Antworten und Orte KANN EINSCHLAFEN 1-2 452 Mal an 263 Orten (verstreut) EINSCHLAFEN KANN 2-1 43 Mal an 39 Orten (v. a. in SG und GR) Beispiele: … das i cha ischloffe Riken AG, … dass i überhopt no ischlofa ka Oberriet SG, … bis i no schlofe cha Bühler AR, … as i cha schlafe Schwarzsee, für dass i cha iischlafe Freiburg FR, … das i cha ischlafe Frauenkappelen BE, … damet ech cha iischlafe Hünenberg ZG, … dass i no schlofä cha Wiesen GR. Darüber hinaus kommen 117 Mal an 96 Orten auch bei den in Frage I.6 intendierten infiniten Konstruktionen mit um - , zum - oder für -Anschluss Zwei-Verb-Cluster mit dem Modalverb ‚ können ‘ vor, vgl. 5.1.2, 7 e. Auch bei diesen Infinitivgruppen zeigt sich eine ähnliche Stellungsdistribution, weshalb diese Daten hier zum Vergleich angegeben werden. notierte Varianten Anzahl Antworten und Orte KANN EINSCHLAFEN 1-2 102 Mal an 82 Orten (verstreut, aber allein an 29 Orten in BE) EINSCHLAFEN KANN 2-1 15 Mal an 15 Orten (v. a. in SG und GR) Beispiele: … um iischloofa z chönna Wartau SG, … zum chöne iischlooffe Appenzell AI, … für chönne yzschlafe Schwarzenburg BE. 186 3 Verbalgruppe d) Frage IV.14 (A) - D u musst das L icht anzünden, um zu lesen Bei dieser Ankreuzfrage nach dem infiniten Finalanschluss wird unter den dort unbrauchbaren Antworten (5.1.4, 6 a) 6 Mal ein finiter Nebensatz mit Modalverb ‚ wollen' und Infinitiv notiert, was für die vorliegende Fragestellung direkt vergleichbar ist. notierte Varianten Anzahl Antworten und Orte WILLST LESEN 1-2 4 Mal an 4 Orten (Siglistorf AG, Guttannen, Iseltwald BE, Randa VS) LESEN WILLST 2-1 2 Mal an 2 Orten (Langwies, Safien GR) Beispiele: Wennt wit läse … Siglistorf AG, Wen d ’ willt läsen … Guttannen, … wet woscht läse Iseltwald BE, … wennt willt läsu Randa VS - … went läsä wit Langwies, Wenn du läsä witt … Safien GR. Ausserdem notieren vier Personen bei dieser Frage einen Finalsatz mit finitem Modalverb ‚ können ‘ (5.1.4, 5 d), was ebenfalls direkt mit Frage I.9 verglichen werden kann. notierte Varianten Anzahl Antworten und Orte KANNST LESEN 1-2 4 Mal an 4 Orten (Liestal BL, Niederweningen ZH, Herisau AR, Entlebuch LU) Beispiele: … dass chasch läse Liestal BL, … dass ’ t chasch läse Niederweningen ZH, … dass chast läse Herisau AR, … as chais läse Entlebuch LU. Literatur AdA 3 ▪ Burri & Imstepf 2002 ▪ Dauwalder 1992 ▪ Dubenion-Smith 2010 ▪ 2013 ▪ Hodler 1969 ▪ Kolmer 2011 ▪ Lötscher 1978 ▪ Oldani 1995 ▪ Patocka 1997 ▪ 2000 ▪ SAND 2 ▪ Sapp 2011 ▪ 2012 ▪ Schallert 2014 a ▪ Schönenberger 1995 ▪ Schönenberger & Haeberli 2015 ▪ Seiler 2004 ▪ Weiß 1998 ▪ Weiß & Schwalm 2017 ▪ Wurmbrand 2017 Bezug auf SADS-Material Seiler 2004: 375 - 377, Karten 2, 3, 5 Ⓚ 3.1.2 Zwei-Verb-Cluster im Nebensatz (Perfekt) Frage I.19 (A) - I CH HABE KEINE A HNUNG , OB SIE DAS A UTO SCHON BEZAHLT HAT 1. Kartenthema und Datengrundlage In Frage I.19 wurden die Gewährspersonen gebeten, die für das Schweizerdeutsche belegten Stellungsvarianten von Auxiliar und Partizip II beim haben-Perfekt im Nebensatz zu bewerten (vgl. Maurer 1926: 50 - 53; Hodler 1969: 691; Dauwalder 1992: 75, 80; Sapp 2011: 107 - 108, 2012: 53). Die ► Hauptkarte (S. 112) bildet die Verbreitungsgebiete der Präferenz der beiden vorgegebenen Stellungsvarianten ab, wobei - anders als beim modalen Verbcluster in Frage I.6 - jeweils die Abfolge 2-1 als erstes vorgegeben war. Die von einigen Gewährspersonen bei Stellungsvariante 2-1 notierten Kongruenzformen beim Partizip werden unter 3 a besprochen. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 3184 3162 22 3139 23 3185 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a BEZAHLT HAT 2-1 3 b HAT BEZAHLT 1-2 3.1 Verbcluster 187 Typenbildung BEZAHLT zalt, zahlt, zaut, zaaut, zallt, gizalt, gezahlt, bizahlt, zaults, bizhalts, zahlte o. ä. HAT het, hett, hät, hätt, hed, häd, hei, higi o. ä. 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) bezahlt hat : Aus der Karte wird ersichtlich, dass die Stellungsvariante 2-1 sehr häufig und überall vorkommt. Sie wird auf 382 Orte verteilt insgesamt 3051 Mal präferiert (nicht in Guttannen BE) und auf alle 383 Orte verteilt 3093 Mal akzeptiert. In weiten Teilen tritt sie sehr häufig als einzige Variante auf; im mittleren Westen und in VS steht sie mit der Variante hat bezahlt in Variation. Im gesamten Erhebungsgebiet dominiert die präferierte Variante bezahlt hat mit sehr hohen Anteilen, auch in weiten Teilen des mittleren Westens und Südwestens. Sie wird genau 50 % in Wengen (3 von 6 Gewährspersonen) und minderheitlich in Grindelwald (3 von 9) BE präferiert. Beispiele: … , öpp si das Auto scho zahlt hett Aesch BL, … , öb si s ’ Auto scho zalt hät Mörschwil SG, … , öb si ’ s scho zalt hei Urnäsch AR, … , ob si das Outo scho zaut hei Lützelflüh BE, … , ob si das Aito zahld hed Sarnen OW, … , ob schi z ’ Auto scho gizalt het Saas-Grund VS. 13 Mal zeigt das Partizip II bezahlt zusätzlich das Kongruenzsuffix -s mit Bezug auf ‚ das Auto ‘ , je einmal in Mürren, Wengen BE, Altdorf UR, Agarn, Ausserberg, Betten, Binn, Fiesch, Mörel, Simplon Dorf und 3 Mal in Reckingen VS: … , ob sie das Outo zahlt ’ s hed Mürren BE, … , ob schi zAuto scho zauts het Binn, … , ob Schi Zauto bizahlts het odär nit Simplon Dorf VS. Einmal zeigt das Partizip II bezahlt das Kongruenzsuffix -e: … ob schi z'Auto scho zalte het! Fiesch VS. b) hat bezahlt : Die Stellungsvariante 1-2 wird bedeutend weniger häufig präferiert: 134 Mal verteilt auf 76 Orte. 284 Mal wird sie verteilt auf 129 Orte in derselben Region akzeptiert. Ihre Kernzone liegt in BE und VS. Einzelnennungen gibt es in BL, AG, ZH, NW, SZ, GR. Nur in Guttannen, Grindelwald und Wengen BE wird die Variante mehrheitlich bzw. zu 50 % präferiert. Beispiele: … , äb si das Auti scho hät zalt Gelterkinden BL, … , ob si das Outo scho het zahlt Diemtigen, … , ob si ds Outo scho hett zaut Laupen, … , ob si das Outo scho het zaut Signau BE, … , eb si das Aito scho hed zahlt Buochs NW, … , ob schi z ’ Auto scho het zahlt Betten, … , ob schii ds Auto schoo het gezallt Simplon Dorf VS. c) Intrapersonelle Variation: präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte BEZAHLT HAT und HAT BEZAHLT 2-1 und 1-2 23 Personen an 18 Orten (4 Mal in Bern BE, je 2 Mal in Münchenbuchsee, Signau BE, je einmal in Zürich ZH, Murten FR, Brienz, Faulensee (2 FB), Frutigen, Gsteig, Leissigen, Matten, Reichenbach, Röthenbach i. E., Saanen, Thun BE, Agarn, Blatten, Zermatt VS) 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ unentschieden “ , Zürich ZH. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ beide “ , Murten FR. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ [3 a] Betonung auf Zahlung; [3 b] Betonung auf Zahlungsfrist “ , Bern BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ Aus meiner Sicht sind beide Varianten brauchbar. “ , Brienz BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ = “ , Frutigen BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] 188 3 Verbalgruppe - „ man gebraucht beide Wendungen “ , Saanen BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ [3 a] + [3 b] (=) “ , Agarn VS. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ beides ist möglich (ich sage mal so, mal anders). “ , Blatten VS. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ Beide Varianten sind bei mir gebräuchlich. “ , Zermatt VS. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 b] 5. Weitere Varianten keine 6. Unbrauchbare Antworten a) 13 Mal wird verstreut im ganzen Erhebungsgebiet im Nebensatz statt des Auxiliars ‚ hat ‘ das Auxiliar ‚ ist ‘ bzw. das Zustandspassiv als einzige Variante präferiert (insgesamt 14 Mal notiert). Dabei kongruiert 3 Mal das Partizip II mit dem neutralen Bezugsnomen ‚ Auto ‘ (Suffix -s), einmal in Schiers GR mit dem selbst notiertem Maskulinum (Suffix -ä). Die Abfolge der Prädikatsteile ist bei allen Belegen 2-1. Beispiele: … öb da Auto scho zahlt isch Merishausen SH, … ob ’ s Auto scho zahlt ischt Berneck SG, … ob das Auto scho zauts isch Ueberstorf FR, … öb das Outo zahlts isch Mürren BE, … ob das Auto schon bäzah[l]ts ischt Davos, … ob där Charä zahltä isch Schiers GR. b) 2 Mal wird im Nebensatz das Modalverb ‚ können ‘ mit Infinitiv in der Abfolge 1-2 als einzige Variante präferiert (4 Mal insgesamt, 2 Mal zusammen mit 3 a notiert): … ep diä das Aito uberhaipt cha zahlä Unterschächen UR. c) Einmal werden die vorgegebenen Varianten mit zweiteiligem Prädikat abgelehnt und eine Variante mit dreiteiligem Prädikat notiert: … ob sie da Auto scho hät chöne zahle Leibstadt AG. Einmal wird in Plaffeien FR zusätzlich zur präferierten Variante 3 b das dreiteilige Prädikat het chöne zahle notiert. d) 6 Mal wird eine inhaltlich abweichende Variante als einzige Antwort präferiert. 7. Weitere Bemerkungen a) In SDS (III: 261) wird die Stellung in der sein-Perfekt-Periphrase im Nebensatz dargestellt: ( ‚ als ich noch ein kleines Mädchen gewesen bin ‘ ). Die Variante bin gewesen 1-2 kommt im SDS als alleinige Variante fast ausschliesslich in BE und VS vor. Die Abfolge 2-1 ist im übrigen Gebiet die einzige Variante. Reflexe der von Trüb (1951: 193) insbesondere für Relativsätze erwähnten 1-2-Stellung am Walensee zeigen sich im SADS- Material nicht (mehr? ), vgl. aber 8 a. In den vorliegenden SADS-Daten zur haben-Perfekt-Periphrase kommt die Variante 1-2 hat bezahlt nie als alleinige Variante am Ort vor (ausser in Guttannen BE). Ihre Kernzone liegt aber ebenfalls in BE und VS, wobei die 1-2-Stellung in VS in I.19 an deutlich weniger Orten vorkommt als beim sein-Perfekt der SDS- Erhebung. Der auf einer Datenauswahl beruhende quantitative Vergleich von SDS- und SADS-Daten in Kellerhals (2014: 33) ergibt dennoch eine (hohe) Übereinstimmung von 79 %. b) Auch wenn beide Stellungsvarianten in Frage I.19 vorgegeben waren und nicht, wie bei einer Übersetzungsfrage, mit standarddeutschen Echokonstruktionen zu rechnen ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Wahl von Variante 2-1 durch standardsprachlichen Einfluss oder durch die Position als erstes in der Abfrage begünstigt wurde. So könnte sich die im Vergleich mit SDS (III: 261) auffällige flächendeckende Präferenz dieser (standardsprachlichen) Variante im SADS-Material erklären lassen. Möglicherweise macht sich hier auch die erhöhte Zahl von Gewährspersonen pro Ort gegenüber dem SDS bemerkbar, durch die Variation begünstigt wird. Es ist aber auch nicht auszuschliessen, dass die Abweichung sich durch den Unterschied zwischen dem Verhalten des haben- und des sein-Perfekts 3.1 Verbcluster 189 erklärt, vgl. Maurer (1926: 51) zum Berner Oberland, zu bairisch-österreichischen Dialekten Patocka (1997: 286, 292), zum Westmitteldeutschen Dubenion-Smith (2010: 113, 133). Auch hier kann ausserdem, wie in I.9, der Fokus die Wahl der Abfolge beeinflussen, was jedoch im gegebenen Kontext nicht zu entscheiden ist. c) Die geographische Distribution der Stellungsvarianten im Perfekt zeigt ein deutlich anderes Bild als diejenige des Verbalkomplexes mit Modalverb, vgl. I.9 ► Hauptkarte (S. 109), bei dem nur im äussersten Osten 2-1 dominiert. Das (haben-)Perfekt scheint generell eine grössere Neigung zur Abfolge 2-1 aufzuweisen als die Modalverb-Konstruktion, vgl. Lötscher (1978), Sapp (2011) zum Zürichdeutschen und Kolmer (2011: 152) zum Emmental, vgl. auch Dubenion-Smith (2010: 133, 136 - 138) zum Westmitteldeutschen. Dauwalder (1992: 75, 80) führt für das Haslideutsche ohne weiteren Kommentar beide Stellungen an. Seiler (2004) diskutiert auf der Basis der SADS-Fragen I.9 und I.19 verschiedene Stellungskombinationen und darauf basierende Grammatiken. Nur im äussersten Osten und Westen sind die Positionen der regierenden flektierten Verbformen über die Kategorien Modalverb und Auxiliar hinweg konsistent (2004: 373). Zur Diskussion der Verbstellungsproblematik aus theoretischer Perspektive vgl. Wurmbrand (2017). d) Die Stellungsvariante 1-2 wurde nach VALTS (V: 498) beim sein-Perfekt „ öfter in Südtirol “ festgehalten. Es wird aber die Vermutung geäussert, dass die Stellung häufiger zu finden sei und ergänzt, dass es „ nahezu unmöglich “ sei, durch Übersetzungsaufgaben die sprachliche Realität in der Syntax zu erfassen. Zur Stellung innerhalb des einfachen Perfekts in verschiedenen deutschen Dialekten vgl. die frühe, auf Wenkersatz 24 basierende Auswertung bei Maurer (1926: 23 - 33) sowie den Überblick bei Lötscher (1978: 18 - 28), der für die Stellung 1-2 nur das Berndeutsche anführt, vgl. aber Patocka (1997: 284 - 286, 290 - 295) mit Berücksichtigung älterer Literatur sowie Sapp (2011: 103 - 110) und Dubenion-Smith (2010: 113, 133) mit marginalen Werten für das Westmitteldeutsche. Hier sind aber auch die bei Mottausch (2009: 279 - 283) diskutierten Stellungsvarianten zu vergleichen. Schönenberger (1995: 366) gibt für den St. Galler und Zürcher Dialekt nur die Stellungsvariante 2-1 an. Dubenion-Smith (2013: 22 - 26) weist eine geringe Akzeptanz der Stellung 1-2 in einem ripuarischen Ortsdialekt nach. Zur entsprechenden Variation in niederländischen Dialekten vgl. SAND (2: 14 b, 15 a, Kommentarband 12) zum haben-Perfekt, zu weiteren westgermanischen Varietäten vgl. Wurmbrand (2017: 4621 - 4623). 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS Unter den SADS-Fragen finden sich weitere mit einem haben-Perfekt, das stets in der Stellung 2-1 vorgegeben wurde. Im Folgenden werden v. a. Belege für die Stellungsvariante 1-2 zusammengestellt, die von den Gewährspersonen in Abweichung von der Vorgabe notiert wurden, vgl. ► Beikarte (S. 113) zu 8 a - c inklusive Variante 3 b zum besseren Vergleich. Das Zusatzmaterial unter 8 d und 8 e kommt durch Umkonstruktion eines vorgegebenen Drei-Verb-Clusters zustande. a) II.18 (A) - D as ist der M ann, dem ich gestern den W eg gezeigt habe In dieser Ankreuzfrage (5.2.3) wurden mehrere Varianten des Relativsatzanschlusses im Dativ vorgegeben, immer mit dem Prädikat in der Reihenfolge gezeigt habe 2-1. 121 Gewährspersonen notierten verteilt auf 67 Orte eine Abfolge 1-2. Sie wird in den Kantonen BE, VS und in Jaun FR genannt, was ungefähr dem Kerngebiet der Verbreitung der Präferenz der Variante hat bezahlt auf der ► Hauptkarte (S. 112) zur vorliegenden SADS-Frage entspricht, mit verstreuten Einzelnennungen in Mümliswil SO, Buochs NW, Oberägeri ZG, Linthal GL. Die Variante 1-2 wird dabei 75 Mal an 50 Orten mit vorausgehender Objekts-NP (x-1-2) angegeben. 46 Mal an 39 Orten wird die Abfolge 1-x-2 (mit dazwischengeschobener NP) notiert. Zu den Stellungsvarianten der Nominalphrase vgl. auch II.2 (Zwei-Verb-Cluster), 7 c. Beispiele: … woni geschter dr Wäg ha zigt Diemtigen, … wan i mu geschter han dr Wäg zeigt Wengen BE, … wan ’ i geschter hä der Wäg zeicht Binn, … wani geschter der Wäg hä gizeigt Brig VS. 190 3 Verbalgruppe b) IV.26 (A) - W em hast du gesagt, dass der P farrer geholfen hat? In der auf die Satzverschränkung gerichteten Ankreuzfrage, die nicht in die vorliegende Publikation einbezogen ist, wurden zwei Varianten jeweils mit der Abfolge 2-1 im Nebensatz vorgegeben. 67 Gewährspersonen notierten verteilt auf 39 Orte die Abfolge hat geholfen 1-2. Diese Variante hat fast dieselbe Verbreitung wie der entsprechende Typ in II.18 (vgl. 8 a). Ausserhalb des Kerngebiets tritt einzig in Winterthur ZH noch eine Einzelnennung auf. Beispiele: … dass dr Pfarrer hed gholfen Iseltwald BE, … , dass der Pfarrer het ghoufe? Binn VS. c) III.28 (A) - D ann ist er ja älter, als ich gedacht habe In der Ankreuzfrage (5.3.3) wurden drei Varianten des Komparativanschlusses mit der satzwertigen Komparationsbasis als ich gedacht habe in der Abfolge der Prädikatsteile 2-1 vorgegeben. 57 Gewährspersonen verteilt auf 30 Orte notieren die Abfolge habe gedacht 1-2. Die Verbreitung dieser Variante beschränkt sich anders als die Variante 1-2 im Zusatzmaterial aus II.18 und IV.26 (vgl. 8 a, b) sowie bei I.19, vgl. ► Hauptkarte (S. 112) auf den südlichen Kanton BE, das Lötschental VS und Jaun FR. Beispiele: … wani ho gmeint Jaun FR, … , wan das i han gmeint Guttannen , … aus i ha gmint Steffisburg BE. d) II.6 (A) - D as T elefon hat gerade geläutet, als ich habe gehen wollen Bei dieser Ankreuzfrage zum Drei-Verb-Cluster im Nebensatz tritt einmal - dort unbrauchbar (vgl. 6 a) - eine Umkonstruktion des Hauptsatzes in einen Nebensatz mit Zwei-Verb-Cluster auf. Sie bezeugt die dominante Stellung 2-1 aus GR: I han grad welle zur Tür uus, wa no z ’ Telefon glüted hed Davos GR. e) IV.25 (A) - D as glaubst du ja selber nicht, dass sie so früh lesen gelernt hat Bei dieser Ankreuzfrage zum Perfekt des Benefaktivverbs ‚ lernen ‘ mit abhängigem Infinitiv im Nebensatz erscheinen unter den dort unbrauchbaren Antworten (3.2.5, 6 c) 5 Mal Nebensätze mit einfachem Perfekt (ohne abhängigen Infinitiv), davon 3 Mal mit dem Verb ‚ lesen ‘ , 2 Mal mit ‚ lernen ‘ . Ein Beleg aus Ligerz BE weist die Stellung 1-2 auf, die übrigen Belege aus Siglistorf AG, Tuggen SZ, Isenthal UR und St. Antönien GR zeigen die Stellung 2-1. Beispiele: … das sie so früe het gläse Ligerz BE, … dass sie so früe gläert hät Tuggen SZ, … dass sie so friä gläsä hed Isenthal UR. Literatur Dauwalder 1992 ▪ Dubenion-Smith 2010 ▪ 2013 ▪ Hodler 1969 ▪ Kellerhals 2014 ▪ Kolmer 2011 ▪ Lötscher 1978 ▪ Maurer 1926 ▪ Mottausch 2009 ▪ Patocka 1997 ▪ SAND 2 ▪ Sapp 2011 ▪ 2012 ▪ Schönenberger 1995 ▪ SDS III ▪ Seiler 2004 ▪ Trüb 1951 ▪ VALTS V ▪ Wurmbrand 2017 Bezug auf SADS-Material Kellerhals 2014: 33 Ⓚ 3.1.3 Zwei-Verb-Cluster im Nebensatz (Modalverb im Konjunktiv) Frage II.2 (Ü) - D AS IST DOCH DIE F RAU , DER ICH SCHON LANGE DAS B UCH BRINGEN SOLLTE 1. Kartenthema und Datengrundlage Die Übersetzungsfrage II.2 zielte primär auf die Erhebung der verschiedenen Anschlussmöglichkeiten eines Relativsatzes mit Dativ ab. Wenn tatsächlich ein Relativsatz übersetzt wurde, können die Antworten auch für die Frage der Serialisierung im Verbalkomplex sowie zur relativen Stellung des nominalen Objekts ausgewertet werden. Etwas mehr als die Hälfte der Gewährspersonen mit diesbezüglich brauchbaren Antworten (1138 von 2491 Personen an 366 Orten) hat, wie standardsprachlich vorgegeben, ein Zwei-Verb- Cluster mit Modalverb und Infinitiv übersetzt. Die ► Hauptkarte (S. 114) zeigt die Verbreitung der beiden in den Übersetzungen mit Zwei-Verb-Cluster gewählten Stellungsvarianten. 3.1 Verbcluster 191 Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 1338 1337 1 1328 9 1346 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a SOLLTE BRINGEN 1-2 3 b BRINGEN SOLLTE 2-1 Typenbildung SOLLTE sett, set, söt, sött, sott, sedd; sotti, seti, setti, sötti, muess, mue, muäss, müssti o. ä. BRINGEN bringa, bringe, bringä, brenge, brengä; zroggbringe, zruggbringä, zrogg bringa, umebringe, retour bringe, gä, gän, ge, gen, gi, gii; zrugg gee, zrug gä, zruggä, zruggän, tzruk gi, fer(g)gä, umä ghä o. ä. 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) sollte bringen : 984 Mal wird an 330 Orten die Stellungsvariante 1-2 übersetzt. Die Variante kommt fast im gesamten Untersuchungsgebiet häufig vor, in VS und v. a. GR deutlich seltener. Beispiele: … , wo ich scho lang das Buech set bringe Stein AG, … , won i scho lang söt s ’ Buech umebringe Marthalen ZH, … , woni scho lang s ’ Buech sött bringe Brülisau AI, … , wan i schon lang das Bööch sellti bringen Guttannen BE, … , won ech scho lang das Buech sett bringe Hünenberg ZG, … , wo ich söt scho lang z Buach zrug gä Safien GR, … , wo ich scho lang es Buch sellti zruggbringu Salgesch VS. Bei der Stellungsvariante 1-2 kann die Nominalphrase zwischen die Verbalteile treten, vgl. auch 7 c: übersetzte Varianten Anzahl Antworten und Orte DAS B UCH SOLLTE BRINGEN x-1-2 542 Mal an 272 Orten SOLLTE DAS B UCH BRINGEN 1-x-2 445 Mal an 243 Orten DAS B UCH SOLLTE BRINGEN und SOLLTE DAS B UCH BRINGEN x-1-2 und 1-x-2 3 Mal an 3 Orten (Habkern, Iseltwald (2 FB) BE, Sarnen OW) In drei Fällen (von 984) wird die Variante mit dem Modalverb ‚ müssen ‘ übersetzt: … won ich scho lang s ’ Buech mue zrugg bringe Kaisten, … , won ich muess s ’ Buech zruggbringe Möhlin AG, … wonere scho lang s ’ Buech müssti bringe Rifferswil ZH. b) bringen sollte : Bedeutend weniger häufig, nämlich 362 Mal an 186 Orten, wird die Stellungsvariante 2-1 im Relativsatz übersetzt. Die Variante kommt v. a. im Osten sowie am Nordrand mehrfach vor, westlich der Brünig-Napf-Reuss-Linie gibt es ansonsten nur einige verstreute Einzelnennungen. Beispiele: … , woni scho lang das Buech bringe sotti Bettingen BS, … , woni scho lang daas Buach zrogg bringa sött Altstätten SG, … , woni scho lang da Buech bringe sött Haslen AI, … , derä ig scho lang äs Buech umebringe sötti Langenthal BE, … , woni scho lang das Buäch bringa sett Alpnach OW, … , won ich schu lang das Buech zruggbringä sött Mollis GL, … , wo ich scho lang das Buach bringa setti Mutten GR, … , därra ich scho lang z Buäch bring selti Blatten VS. 2 Mal (von 362) wird die Variante mit dem Modalverb ‚ müssen ‘ übersetzt: … , wo ich s ’ Buech ume bringe mues Illnau ZH, … , a derrä ich ds Buech zrugg bringä muäss Göschenen UR. c) Intrapersonelle Variation: übersetzte Varianten Anzahl Personen und Orte SOLLTE BRINGEN und BRINGEN SOLLTE 1-2 und 2-1 9 Personen an 9 Orten (Gelterkinden, Pratteln BL, Kleinlützel SO, Möhlin AG, Andelfingen ZH, Stein am Rhein SH, Eschenbach, Grabs SG, Obstalden GL) 192 3 Verbalgruppe 4. Bemerkungen der Gewährspersonen keine zur Verbstellung 5. Weitere Varianten keine 6. Unbrauchbare Antworten a) Einmal wird der Satz ohne nominales Objekt übersetzt: … , der ich scho lang es gä söti Safien GR. 7. Weitere Bemerkungen a) Generell ist bei der Bewertung der obigen Zahlen zu bedenken, dass die Quantitäten pro Ort keine zuverlässigen Aussagen über die generelle Distribution der beiden Varianten erlauben, da die Übersetzung in knapp der Hälfte der Fälle nicht mit dem vorgegebenen Zwei-Verb-Cluster ‚ bringen sollte ‘ erfolgte, sondern mit einem Drei-Verb-Cluster ‚ hätte bringen sollen ‘ , vgl. dazu Kommentar II.2 (Drei-Verb-Cluster). 8 Gewährspersonen haben neben einer Antwort mit Zwei-Verb-Cluster auch eine Variante mit Drei-Verb- Cluster notiert. Durch die Aufteilung der Antworten auf zwei Kommentare sind die Quantitäten nicht direkt mit den Ankreuzfragen I.9 und I.19 vergleichbar. b) Die Antworten zu Frage II.2 sind thematisch mit denjenigen zu Frage I.9 zu vergleichen, da es sich in beiden Fällen um einen Modalverbkomplex handelt, wenn auch mit unterschiedlichem vorgegebenen Modus bei II.2 und I.9 (Konjunktiv vs. Indikativ), vgl. dazu II.2 (Drei-Verb-Cluster), 7 a. Die räumliche Verbreitung der beiden Abfolgen 1-2 und 2-1 auf der Karte zu II.2 entspricht ungefähr derjenigen beim Modalverbkomplex I.9, ausser dass die Abfolge 2-1 auf der ► Hauptkarte II.2 (S. 114) weniger weit nach Westen, und v. a. weniger in VS, verbreitet ist als auf der ► Hauptkarte I.9 (S. 109) und dass die Abfolge 1-2 im Kanton GR weniger weit verbreitet ist als auf Karte I.9. Bei der vorliegenden Übersetzungsfrage treten im Westen also weniger Fälle mit der der Standardsprache entsprechenden Stellung auf als bei der Ankreuzfrage I.9. Im Osten dagegen kommen bei der Übersetzungsfrage nicht-standardnahe Formen weniger häufig vor als bei der Ankreuzfrage. Hinsichtlich der Vergleichbarkeit sind aber die Ausführungen unter 7 a zu berücksichtigen. c) In der Abfolge 1-2 kann die Nominalphrase vor oder zwischen dem finiten Modalverb und dem abhängigen Infinitiv stehen, wobei die Voranstellung leicht dominiert, vgl. 3 a. Zu dem als verb projection raising bekannten Phänomen vgl. II.2 (Drei-Verb-Cluster), 7 h. Es wurde hierzu im SADS keine eigene Frage gestellt. Im Zusatzmaterial aus der Ankreuzfrage II.18 (die eigentlich auf den Relativanschluss ausgerichtet war), vgl. I.19, 8 a, wird in derAbfolge 1-2 die NP ebenfalls häufiger vor den Verbalkomplex gestellt (75 Mal) als dazwischen (46 Mal). In den Antworten mit Drei-Verb-Cluster bei Frage II.2 dominiert dagegen die Stellung vor dem lexikalischen Verb, vgl. II.2 (Drei-Verb-Cluster), 7 h. 3.1.4 Drei-Verb-Cluster im Nebensatz (Modalverb im Perfekt) I Frage II.6 (A) - D AS T ELEFON HAT GERADE GELÄUTET , ALS ICH HABE GEHEN WOLLEN 1. Kartenthema und Datengrundlage Im Standarddeutschen ist beim Modalverb im Perfekt mit einem abhängigen Infinitiv im Nebensatz nur die Abfolge 1-3-2 möglich, im vorliegenden Fall also habe gehen wollen (Duden 4: 484 - 485), wohingegen regional und dialektal, wie auch im Niederländischen, weitere Abfolgen auftreten (Duden 4: 486; Patocka 1997: 282 - 283; Wurmbrand 2004, 2017; Schmid & Vogel 2004; Dubenion-Smith 2010: 113 - 118; Weiß & Schwalm 2017 sowie AdA: Runde 10, „ Verbstellung “ , 12 d; SAND 2: 19 a). In der vorliegenden Ankreuzfrage II.6 wurden den Gewährspersonen drei der sechs logisch möglichen Stellungstypen der Prädikatsteile vorgegeben, neben der standardsprachlichen Abfolge 1-3-2 die allgemein für das Schweizerdeutsche angenommene Abfolge 1-2-3 sowie die Abfolge 2-1-3. Die ► Hauptkarte (S. 115) bildet die Verbreitungsgebiete der Präferenz der drei vorgegebenen Varianten und zweier weiterer, zusätzlich genannter Stellungstypen (2-3-1, 3-1-2) ab. 3.1 Verbcluster 193 Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 2922 2914 8 2900 14 2928 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a HABE WOLLEN GEHEN 1-2-3 3 c HABE GEHEN WOLLEN 1-3-2 3 d WOLLEN HABE GEHEN 2-1-3 3 e WOLLEN GEHEN HABE 2-3-1 3 b GEHEN HABE WOLLEN 3-1-2 Typenbildung HABE ha, ho, hä, han, he o. ä. WOLLEN wele, welle, wella, wellä, wöle, wöue o. ä. GEHEN go, goo, goh, gooh, goa, gon, gho, ga, gaa, gaah, gan, gah, gha, gahn, gu, guu, guh, gou, cho o. ä. 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) 1-2-3 habe wollen gehen : Am häufigsten wird mit 2815 Mal verteilt auf alle 383 Orte die suggerierte Stellungsvariante habe wollen gehen präferiert. Die Variante tritt in weiten Teilen als einzige Variante auf, einzig in Arosa, Avers, Davos Monstein, Klosters, Langwies, Rheinwald, Safien, Schiers, St. Antönien GR ist sie minderheitlich. Beispiele: … , woni hä wellä go Buckten BL, … , wo ich ha welle go Lustdorf TG, Grad wenn i ha welle choo, … Plaffeien FR, … , won i ho wele go Matten BE, … , woni ha wellä gu Näfels GL, Woni han wella go, … Churwalden GR. b) 3-1-2 gehen habe wollen : 60 Mal an 31 Orten wird die nicht suggerierte Stellungsvariante gehen habe wollen präferiert (insgesamt 89 Mal an 43 Orten notiert). Sie kommt im Osten des Erhebungsgebiets vor. In Langwies, Klosters und St. Antönien GR wird die Variante mehrheitlich präferiert. Beispiele: … , woni guu han wellä Schänis SG, … , woni gu ha wella Fläsch GR, … , wani gan ha wellä Langwies GR. c) 1-3-2 habe gehen wollen : 37 Mal an 29 Orten wird die suggerierte Variante habe gehen wollen präferiert (insgesamt 185 Mal an 114 Orten, seltener im Westen, akzeptiert). Das Gebiet, in dem diese Variante präferiert wird, ähnelt demjenigen der zweithäufigsten Variante gehen habe wollen 3-1-2. Einzig in Rheinwald GR wird die Variante mehrheitlich präferiert. Beispiele: … , wa i han gan wellä Andelfingen ZH, … , woni ha go wella Arosa GR. d) 2-1-3 wollen habe gehen : 14 Mal an 10 verstreut liegenden Orten (4 Mal in Safien GR, 2 Mal in Gurmels FR, je einmal in Nunningen SO, Triboltingen TG, Gais AR, Langenthal BE, Pfaffnau LU, Brunnen SZ, Linthal GL, Reckingen VS) wird die suggerierte Variante wollen habe gehen präferiert. Die Variante wird 79 Mal an 63 Orten akzeptiert. Sie kommt nie mehrheitlich vor. Es gibt keine von Gewährspersonen notierten Beispiele. e) 2-3-1 wollen gehen habe : Die nicht suggerierte Variante wollen gehen habe wird von 2 Gewährspersonen in Saas-Grund VS notiert und zur präferierten Variante erklärt. Beispiele: … , wenn ich wello go he, … , wenn ich wellu gaa he Saas-Grund VS. 194 3 Verbalgruppe f) Intrapersonelle Variation zu habe 1 wollen 2 gehen 3 : präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte 1-2-3 und 3-1-2 8 Personen an 7 Orten (2 Mal in Flums SG, je einmal in Berneck, Vättis SG, Mollis GL, Chur, Malans, Untervaz GR) 1-2-3 und 1-3-2 5 Personen an 5 Orten (Basel BS, Sevelen, Wil SG, Chur, Vals GR) 1-2-3 und 2-1-3 1 Person in Linthal GL 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ ausschliesslich! “ , Gelterkinden BL. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ [3 c] und [3 d] sind für mich nicht möglich “ , Bülach ZH. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ Es sind alle 3 Varianten möglich “ , Sennwald SG. [GP akzeptiert 3 a, 3 c, 3 d und präferiert 3 a] - „ isch o guet “ , Sevelen SG. [GP kommentiert zu 3 c, akzeptiert und präferiert 3 a, 3 c] - „ eher selten “ , Wartau SG. [GP kommentiert zu 3 c, akzeptiert 3 a, 3 c und präferiert 3 a] - „ [3 a] + [3 c] gleichwertig “ , Wil SG. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 c] - „ keine andere Version “ , Konolfingen BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ nur möglich “ , Matten BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ perfekt “ , Oberägeri ZG. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ aber nicht unser Dialekt “ , Mollis GL. [GP kommentiert zu 3 c, akzeptiert 3 a, 3 b, 3 c und präferiert 3 a, 3 b] - „ meist gebraucht “ , Schwanden GL. [GP kommentiert zu 3 c, akzeptiert 3 a, 3 c und präferiert 3 c] - „ würde auch noch gehen, aber bedeutet nicht ganz das Gleiche “ , Rheinwald GR. [GP kommentiert zu 3 a, akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 b] - „ Syntax stimmt “ , Agarn VS. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] 5. Weitere Varianten keine 6. Unbrauchbare Antworten a) 3 Mal wird der intendierte Nebensatz als Hauptsatz umgeformt: I ha welle ga, du het no grad Telefon [sic] glütet Saanen BE, I han grad welle zur Tür us, wa no z'Telefon glüted hed Davos, I han grad welle gho, duo hed s Telefon glütet Schiers GR. 3.1 Verbcluster 195 b) Einmal wird das Bewegungsverb in der Übersetzung lexikalisch ersetzt: … , wani han z ’ wäg wellen Gadmen BE. c) Einmal erfolgt eine anders konstruierte Antwort, ohne den intendierten Nebensatz. d) 3 Mal ist die Antwort nicht interpretierbar. 7. Weitere Bemerkungen a) Die Erhebungsmethode, drei der sechs logisch möglichen Varianten vorzugeben, wurde gewählt, um die Gewährspersonen nicht durch zu viele Varianten zu verwirren, wobei die Möglichkeit bestand, eigene Varianten anzugeben. Wenn die Gewährspersonen von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, ist das ein starkes Signal für das Vorkommen einer anderen Variante, zumal wenn diese regional begrenzt ist. Es zeigt sich bei der vorliegenden Frage II.6, dass die suggerierte Variante 1-2-3 sehr häufig und an allen 383 Ortspunkten erscheint, während die weitaus seltenere, suggerierte standardsprachliche Stellung 1-3-2 sowie die wenig häufigere, nicht suggerierte Stellung 3-1-2 auf (süd-)östliche Gebiete beschränkt ist. Die suggerierte Stellung 2-1-3, deren grundsätzliche Existenz teilweise angezweifelt wird - vgl. dazu z. B. SAND (2: 15, Kommentarband 13), Schmid (2005: 92 - 93), Dubenion-Smith (2010: 118, 133), Weiß & Schwalm (2017: 464 - 465), Wurmbrand (2017: 4639, 4702) - tritt mit nur 14 Mal tatsächlich äusserst selten und lokal verstreut auf. Die beiden minderheitlichen suggerierten Varianten werden allerdings deutlich häufiger akzeptiert, was als Effekt der Vorgabe interpretiert werden könnte. Die nicht suggerierte Stellung 2-3-1 wird nur ganz vereinzelt, aber am gleichen Ort, präferiert. Die logisch mögliche Stellung 3-2-1 wird nicht zusätzlich genannt. Die drei in Frage II.6 suggerierten Varianten werden durch die vorgegebenen Varianten bei der strukturell vergleichbaren, aber im Wortbestand variierten Frage II.14 ergänzt. Zu einem Vergleich der Ergebnisse der beiden Fragen vgl. II.14, 7 a - g. b) Wie verschiedentlich gezeigt wurde (z. B. Schmid & Vogel 2004; Sapp 2011 sowie bereits Maurer 1926), haben Informationsstruktur und Betonungsverhältnisse generell einen Einfluss auf mögliche Stellungsvarianten, so dass im vorliegenden Fall mit einer im Kontext erwartbaren Betonungsstruktur natürlich nicht die Bandbreite der möglichen Stellungen dokumentiert werden kann. Umgekehrt ist durch den vorhandenen Kontext ein einheitliches Fragesetting vorgegeben, das die Antworten vergleichbar macht. Neben der Informationsstruktur hat insbesondere der kategorielle Aufbau der Drei-Verb-Komplexe entscheidenden Einfluss auf die Stellungsvarianten, vgl. etwa Schmid (2005: 35 - 82), Sapp (2011: 110 - 120), Weiß & Schwalm (2017: 463), dagegen Dubenion-Smith (2010: 135). Insofern ist zu betonen, dass nur Verbkomplexe aus Modalverb im Perfekt mit abhängigem Infinitiv mit den vorliegenden Ergebnissen vergleichbar sind und etwa nicht die von Weiß & Schwalm (2017) behandelten Verbalcluster aus dem Hessischen. Dagegen wird bei Luks & Schwalm (2017: 188 - 189) eine vergleichbare Konstruktion aus diesem Gebiet behandelt. Häufig werden in der umfangreichen Literatur zum Thema ‚ Verbstellung im Drei- Verb-Cluster ‘ Konstruktionen mit Modalverb im Präsens besprochen, vgl. SAND (2: 17 - 25, Kommentarband 13 - 24, mit Literaturauswahl). Oft liegt derAnalysefokus auch auf dem sogenannten verb-projection raising (VPR), also möglichen nicht-verbalen Elementen innerhalb des Verbalkomplexes, wodurch ebenfalls die Vergleichbarkeit der Ergebnisse eingeschränkt sein kann. Zur Problematik des VPR wurde im SADS keine Frage gestellt, Frage II.2 ist dafür aber auswertbar, vgl. II.2, Zwei-Verb-Cluster und II.2, Drei- Verb-Cluster. c) Die Stellung 1-2-3 wird allgemein als typische Erscheinung der schweizerdeutschen Dialektgrammatik erachtet, vgl. Lötscher (1983: 114, sowie umfassend 1978, wo aber vornehmlich Hauptsätze besprochen sind), Wurmbrand (2004: 57, 61; 2017: 4624 - 4626), Sapp (2011: 117 - 120 mit Diskussion früherer Studien) und Schmid (2005: 42) sowie die knappe Bemerkung in SDS (III: 262.III) zur „ Ausnahme von SG, AP, GR? “ . Die Dominanz dieser Stellungsvariante wird auch durch Zusatzmaterial aus Frage IV.25, vgl. 8 a, bestätigt. Stoeckle (2005: 42 - 56, 69) ermittelt die Stellung 1-2-3 auch als Charakteristikum des Alemannischen im Erhebungsgebiet des Südwestdeutschen Sprachatlas, vgl. entsprechend für das Bodenseealemannische Brandner (2006: 208, 241, 260 zu weiteren Stellungstypen) sowie für Vorarlberg Schallert (2014 a: 212, 220, 2014 b: 274 - 275), der 1-2-3 als eine der beiden Hauptvarianten nennt, vgl. ausserdem Schallert (2010 a: 142) 196 3 Verbalgruppe mit weiteren sprachgeographischen Beobachtungen. Vgl. auch Kolmer (2011) zu dominantem 1-2-3 im Emmental, entsprechend zu Berndeutsch Burri & Imstepf (2002: 33) sowie Schmid & Vogel (2004: 238). Bei von Greyerz (1904: 140) erscheint 1-2-3 in den Beispielen als Berner Wortstellung. Nach Frey (1906: 36) gilt die 1-2-3-Stellung bei Modalverben im Perfekt auch in Kulm AG „ durchwegs “ . Die Datenpräsentation bei Werlen (1985) erlaubt keinen direkten Vergleich. Schönenberger (1995: 367, 397) gibt für Wil SG die drei bei Frage II.6 häufigsten Stellungen als mögliche Stellungen an, wobei sie die im SADS nur marginal belegten 2-3-1 und 2-1-3 ebenfalls nicht für ungrammatisch erachtet (1995: 400), wenn auch nicht als „ acceptable “ (1995: 367, 400). Schönenberger & Haeberli (2015: 4 - 5) können in einer Korpusanalyse (Wil SG) nur die Abfolge 1-2-3 belegen. Auch der AdA (Runde 10, „ Verbstellung “ , 12 d) dokumentiert für die Schweiz zumindest im südlichen Teil die dominierende 1-2-3-Stellung, soweit das die unterschiedliche Farbgebung der Subvarianten erkennen lässt. Dubenion-Smith (2010: 113 - 117, 133) weist für sein westmitteldeutsches Korpus die Stellung 1-2-3 immerhin als zweithäufigste (21,1 %) gleichauf mit der Stellung 1-3-2 nach, vgl. dazu auch Mottausch (2009: 280 - 281). d) Die nicht vorgegebene, im Osten erscheinende Stellungsvariante 3-1-2 ist insbesondere im bairischen Sprachgebiet verbreitet, wobei dort statt des modalen Ersatzinfinitivs auch andere infinite Formen auftreten, vgl. SNiB 1 (wollen, 252 - 254, ausserdem müssen, können, dürfen, sollen, mögen 234 - 241, 244 - 251) sowie Eroms (2005 a), Patocka (1997, 278 - 284), Weiß (1998: 53), Kolmer (2011: 154 - 155), Weiß & Schwalm (2017: 464). Die Stellung 3-1-2 ist im westmitteldeutschen Korpus Dubenion-Smiths (2010: 117, 133) mit geringen absoluten Zahlen die häufigste Abfolge. Zu anderen Dialektgebieten vgl. auch SMF 7 zu können (Karte 133, S. 484 - 485) sowie Schallert (2014 a: 212, 2014 b: 274 - 275) für Vorarlberg. Schmid (2005: 42) belegt die Stellung 3-1-2 für SG, im Unterschied zu BE und ZH, was zum östlichen Vorkommen in den SADS-Daten passt, vgl. auch 8 a. Die Ost-West-Verteilung spiegelt sich auch grossräumig in der Alltagssprache, wie sie der AdA (Runde 10, „ Verbstellung “ , 12 d) dokumentiert. e) Die standardsprachliche Abfolge 1-3-2 wird zwar am dritthäufigsten, aber in absoluten Zahlen als suggerierte Variante doch vergleichsweise wenig und v. a. im Osten präferiert, vgl. auch 8 a. Auffällig ist in II.6 die 5 Mal höhere Akzeptanz, was auf die grundsätzliche Bekanntheit der überregionalen Variante zurückzuführen sein könnte, vgl. AdA (Runde 10, „ Verbstellung “ , 12 d). f) Seiler (2004: 372 - 373) diskutiert auf der Basis einer ersten Auswertung von Frage II.6 und II.14 (mit etwas abweichenden Zahlen) die Distribution der Stellungsvariante 3-1-2 im Osten auf dem Hintergrund der weit verbreiteten Stellung 1-2-3 und den Zusammenhang mit den Stellungstypen verschiedener Zwei-Verb- Komplexe, woraus er mehrere räumlich distribuierte Grammatiken ableitet. Schmid & Vogel (2004) diskutieren - allerdings auf sehr schmaler empirischer Basis gewonnene - Stellungsvarianten insbesondere auch schweizerdeutscher Dialekte im Rahmen einer OT-Analyse, vgl. auch Schmid (2005). g) Zu regionalen Unterschieden in der schriftlichen Beurteilung der 6 möglichen Stellungsvarianten vgl. Wurmbrand (2004: 53 - 57), wobei die 5 Schweizer Gewährspersonen nicht nach Regionen aufgeschlüsselt sind, vgl. auch Wurmbrand (2017: 4624 - 4625). 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS Auch bei Fragen, die auf andere Phänomene ausgerichtet waren, finden sich Konstruktionen, die ein Drei- Verb-Cluster mit Modalverb im Perfekt aufweisen. Sie können als Zusatzmaterial zur vorliegenden Frage herangezogen werden. a) Frage IV.25 (A) - D as glaubst du ja selber nicht, dass sie so früh lesen gelernt hat Insgesamt 39 Mal wurde bei dieser auf den Ersatzinfinitiv von ‚ lernen ‘ gerichteten Frage eine dort unbrauchbare Antwort mit einem Modalverb im Perfekt gegeben, vgl. 3.2.5, 6 b, wobei die auch bei der vorliegenden Frage II.6 vorkommenden Stellungen, abgesehen von 2-3-1, erscheinen, vgl. die folgende Tabelle. Auch in diesem Zusatzmaterial dominiert die Stellung 1-2-3, die verstreut verwendet wird. 3.1 Verbcluster 197 notierte Varianten Anzahl Antworten und Orte HAT KÖNNEN LESEN 1-2-3 32 Mal an 31 Orten (2 Mal in Muttenz BL, je einmal in Menziken AG, Egg, Stallikon, Urdorf ZH, Ramsen SH, Mammern TG, Amden, Krinau, Mosnang, Oberriet, Wartau SG, Urnäsch AR, Haslen AI, Faulensee, Lauterbrunnen, Ligerz, Münchenbuchsee, Mürren, Neuenegg, Täuffelen BE, Sempach LU, Stans NW, Andermatt, Maderanertal UR, Engi, Linthal GL, Jenins GR, Inden, Steg, Zermatt VS) LESEN HAT KÖNNEN 3-1-2 2 Mal an 2 Orten (Safien, Schiers GR) HAT LESEN KÖNNEN 1-3-2 2 Mal an 2 Orten (Bremgarten AG, Davos GR) KÖNNEN HAT LESEN 2-1-3 Einmal in Safien GR Die Person aus Safien GR notiert den Satz sowohl in Stellung 3-1-2 als auch 2-1-3. Beispiele: … , das si so früh hät läse chöne Bremgarten AG, … , dass si so früech het chönne läse Münchenbuchsee BE, … , dass schi so früa chönnä het läsä Safien, … , dass diä mid viäri schon läsä hed chönä Schiers GR. b) Frage I.19 (A) - I ch habe keine A hnung, ob sie das A uto schon gezahlt hat Bei dieser Frage wurde 2 Mal statt des intendierten Zwei-Verb-Clusters eine Modalverbkonstruktion im Perfekt mit abhängigem Infinitiv in der Stellung 1-2-3 notiert, vgl. I.19, 6 c: … , ob sie da Auto scho hät chöne zahle Leibstadt AG, het chöne zahle Plaffeien FR. c) Frage I.9 (A) - A lso ich weiss auch nicht, ob er einmal heiraten will Bei dieser Ankreuzfrage hat eine Gewährsperson aus Möhlin AG statt der präsentischen Modalkonstruktion einen Nebensatz mit modalem Drei-Verb-Cluster im Perfekt in Stellung 1-2-3 gebildet, vgl. I.9, 6 g: … , öb er emol hätt welle hürote Möhlin AG. Literatur AdA 10 ▪ Brandner 2006 ▪ Burri & Imstepf 2002 ▪ Dubenion-Smith 2010 ▪ Duden 4 ▪ Eroms 2005 a ▪ Frey 1906 ▪ Kolmer 2011 ▪ Lötscher 1978 ▪ 1983 ▪ Luks & Schwalm 2017 ▪ Maurer 1926 ▪ Mottausch 2009 ▪ Patocka 1997 ▪ SAND 2 ▪ Sapp 2011 ▪ Schallert 2010 a ▪ 2014 a ▪ 2014 b ▪ Schmid 2005 ▪ Schmid & Vogel 2004 ▪ Schönenberger 1995 ▪ Schönenberger & Haeberli 2015 ▪ SDS III ▪ Seiler 2004 ▪ SMF 7 ▪ SNiB 1 ▪ Stoeckle 2005 ▪ von Greyerz 1904 ▪ Weiß 1998 ▪ Weiß & Schwalm 2017 ▪ Werlen 1985 ▪ Wurmbrand 2004 ▪ 2017 Bezug auf SADS-Material Seiler 2004: 372 - 373, 378 ▪ 2004: 379 Ⓚ 3.1.5 Drei-Verb-Cluster im Nebensatz (Modalverb im Perfekt) II Frage II.14 (A) - E R IST GERADE GEKOMMEN , ALS ICH HABE ESSEN WOLLEN 1. Kartenthema und Datengrundlage Im Standarddeutschen ist im Nebensatz bei einem Modalverb im Perfekt im Verbund mit einem abhängigen Infinitiv nur die Abfolge 1-3-2, hier habe essen wollen , möglich, während regional und dialektal weitere Abfolgen auftreten, vgl. II.6, 1. In derAnkreuzfrage II.14 wurden den Gewährspersonen (komplementär zu II.6) wiederum drei der sechs logisch möglichen Stellungen der Verbalteile vorgegeben: 2-3-1, 3-1-2, 3-2-1. Die ► Hauptkarte (S. 116) bildet die Verbreitungsgebiete der Präferenz der drei vorgegebenen Varianten und der drei weiteren, zusätzlich genannten Abfolgen (1-2-3, 1-3-2, 2-1-3) ab. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei drei vier total 2922 2912 10 2885 25 1 1 2942 198 3 Verbalgruppe 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a HABE WOLLEN ESSEN 1-2-3 3 e HABE ESSEN WOLLEN 1-3-2 3 f WOLLEN HABE ESSEN 2-1-3 3 c WOLLEN ESSEN HABE 2-3-1 3 b ESSEN HABE WOLLEN 3-1-2 3 d ESSEN WOLLEN HABE 3-2-1 Typenbildung HABE ha, ho, hä, han, he o. ä. WOLLEN wele, welle, wella, wellä, wöle, wöue o. ä. ESSEN ässe, ässu, esse o. ä. 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) 1-2-3 habe wollen essen : Am häufigsten wird mit 2538 Mal verteilt auf alle 383 Orte die nicht suggerierte Variante habe wollen essen präferiert. In GR ist sie v. a. an den Walserorten minderheitlich, vgl. ► Prozentkarte (S. 117). Beispiele: … woni ha welle ässe Möhlin AG, … , woni ha welle ässe Schaffhausen SH, … , woni ha wele ässe Kandersteg BE, … , woni ha wellä ässe Sarnen OW, … , woni han wellä n ’ ässä Schiers GR, … , wenn ich ha wellu ässu Agarn VS. b) 3-1-2 essen habe wollen : An zweiter Stelle wird mit 349 Mal an 184 Orten die suggerierte Variante essen habe wollen präferiert. Das gilt oft im Osten des Erhebungsgebiets, in GR ist sie an jedem Ort und überwiegend mehrheitlich präferiert, dazu mit vielen verstreuten minderheitlichen Nennungen im übrigen Gebiet. Insgesamt wird die Variante 788 Mal an 288 Orten akzeptiert, wobei die Akzeptanznennungen bis in den Westen reichen. Beispiele: … , woni ässe ha welle Bottighofen TG, … , woni ässe ha welle Quarten SG, … , woni ässe ha wölle. Waldstatt AR, … , won i ässe ha welle Faulensee BE, … , woni essä ha wellä Linthal GL, … , waa i ässä hän wellä Rheinwald GR. c) 2-3-1 wollen essen habe : 32 Mal an 28 Orten wird die suggerierte Variante wollen essen habe präferiert (insgesamt 68 Mal an 57 Orten akzeptiert). Sie kommt verstreut über das gesamte Erhebungsgebiet vor, punktuell in FR, BE und VS mehrfach, aber nirgends mehrheitlich. Es gibt nur eine eigenhändige Notation einer Gewährsperson. Beispiel: … , woni wölla ässa ha Sennwald SG. d) 3-2-1 essen wollen habe : 12 Mal an 11 Orten, mit einer gewissen Häufung in GR (Pratteln BL, Pfäffikon ZH, Ebnat-Kappel, Krinau SG, Lützelflüh, Rapperswil BE, Menzingen ZG, Avers, Safien (2 Mal), Trimmis, Untervaz GR), wird die suggerierte Variante essen wollen habe präferiert. Die Variante wird 120 Mal an 91 Orten wesentlich häufiger und weiter verbreitet, z. B. auch in AG, akzeptiert. Sie kommt nie mehrheitlich vor, und es gibt nur eine eigenhändige Notation. Beispiel: … , wo ich ässa wella han Avers GR. e) 1-3-2 habe essen wollen : Die nicht suggerierte Variante habe essen wollen wird von 6 Gewährspersonen in Kleinlützel SO, Schwyz SZ, Schwanden GL, Arosa, Fläsch, Thusis GR zur präferierten Variante erklärt (insgesamt 8 Mal notiert). Beispiele: … , woni ha ässe wellä Kleinlützel SO, … , woni ha ässe welle Schwyz SZ, … , woni han ässa wella Thusis GR. 3.1 Verbcluster 199 f) 2-1-3 wollen habe essen : Am seltensten wird mit 5 Mal an 3 Orten die nicht suggerierte Variante wollen habe essen präferiert: je einmal in Vättis SG, Gurmels FR und 3 Mal in Safien GR (insgesamt 6 Mal notiert). Beispiele: … , woni welle han ässe Vättis SG, … , woni welle han ässe Gurmels FR, … , wo i welle hän ässe Safien GR. g) Intrapersonelle Variation zu habe 1 wollen 2 essen 3 : präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte 1-2-3 und 3-1-2 23 Personen an 22 Orten (2 Mal in Oberriet SG, je einmal in Ettingen BL, Erschwil SO, Illnau, Rümlang ZH, Pfäfers, Sevelen, St. Gallen SG, Gais, Trogen AR, Busswil b. B. BE, Altdorf, Göschenen, Gurtnellen UR, Engi, Schwanden GL, Davos Monstein, Malans, Safien, St. Antönien, Vals GR, Simplon Dorf VS) 1-2-3 und 2-3-1 1 Person in Reckingen VS 2-1-3 und 3-2-1 1 Person in Safien GR 1-2-3, 3-1-2 und 3-2-1 1 Person in Safien GR 1-2-3, 2-3-1, 3-1-2 und 3-2-1 1 Person in Pratteln BL 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ [zu 3 a] ausschliesslich! “ , Gelterkinden BL. [GP notiert 3 a] - „ [zu 3 b] bei anderem Verb z. B. … furt ha welle (fortgehen) “ , Urdorf ZH. [GP akzeptiert 3 b und notiert 3 a] - „ [zu 3 b] knapp ja “ , Winterthur ZH. [GP akzeptiert 3 b und präferiert 3 a] - „ [zu 3 a] gebräuchlicher “ , Oberriet SG. [GP akzeptiert 3 b und notiert 3 a] - „ [zu 3 a] einzig mögliche “ , Matten BE. [GP notiert 3 a] 5. Weitere Varianten keine 6. Unbrauchbare Antworten a) 2 Mal wird einzig eine Variante mit zusätzlichem go/ gä präferiert (insgesamt 3 Mal genannt): … , woni ha wöll go ässe Herisau AR, … woni ha wellä gä ässä Lungern OW. b) 3 Mal (in Diessbach b. B. BE, Alpthal SZ, Gurtnellen UR), wird einzig eine Variante mit zusätzlichem afa präferiert, in der Stellung 1-2afa -3 (insgesamt 8 Mal genannt): … , woni ha welle afe Esse Alpthal SZ. c) Einmal wurde eine Variante mit am-Progressiv präferiert: Wani am ässen bin gsiin, isch'd grad Hans chun Meiringen BE. d) 4 Mal wurde nur eine inhaltlich abweichende Antwort präferiert. 7. Weitere Bemerkungen a) Die folgende Tabelle dient dem Vergleich der Ergebnisse bei den komplementär suggerierten Varianten in den Fragen II.6 und II.14. Die Unterschiede werden im Folgenden pro Stellungstyp kommentiert. Die Zahlen sind bei allen Stellungsvarianten durchweg höher, wenn sie suggeriert sind. Z.T. sind die Unterschiede recht gross, wie die folgenden Einzelvergleiche zeigen. Dennoch bestätigen sich die Ergebnisse gegenseitig, was die räumliche Verteilung angeht. Der Übersichtlichkeit halber werden 200 3 Verbalgruppe hier auch die Ergebnisse der Teilauswertung der Übersetzungsfrage II.2 (Drei-Verb-Cluster) angefügt, die jedoch in einem eigenen (folgenden) Kommentar besprochen werden. Präferierte Variante II.6 II.14 II.2 1-2-3 2815 (sugg.) 2538 1132 1-3-2 37 (sugg.) 6 22 2-1-3 14 (sugg.) 5 2 2-3-1 2 32 (sugg.) - 3-1-2 60 349 (sugg.) 7 3-2-1 - 12 (sugg.) 2 b) Die Stellungsvariante 1-2-3 wird sowohl suggeriert (II.6) als auch nicht-suggeriert (II.14) mit grossem Abstand am häufigsten und an allen Orten präferiert. Bei beiden Fragen zeigt sich eine geringe Präferenz an einzelnen Orten in GR. c) Ob suggeriert oder nicht ist bei beiden Fragen die Stellungsvariante 3-1-2 die zweithäufigste, wenn auch die absoluten Zahlen deutlich differieren. In II.6 wird die nicht-suggerierte Variante 3-1-2 in demselben südöstlichen Areal präferiert, in dem sie als suggerierte Variante in II.14 zu sehr hohen Anteilen auftritt. Zur weiteren Verbreitung vgl. auch II.6, 7 d. d) Die in II.6 suggerierte und dort am dritthäufigsten, aber in absoluten Zahlen dennoch selten auftretende standarddeutsche Abfolge 1-3-2 wird im Südosten präferiert. In II.14, wo die Variante nicht suggeriert wurde, kommt sie dagegen nur marginal vor, wobei immerhin 3 von den 6 Orten in GR liegen. Die bei Schmid (2005: 42) dokumentierte Akzeptanz der Stellung in ZH und SG (nicht jedoch in BE) entspricht den hohen Akzeptanzwerten bei der suggerierten Variante in II.6. Im dort (8 a) besprochenen Zusatzmaterial aus Frage IV.25 wird die Stellung nur vereinzelt genannt, was den Eindruck untermauert, dass die Variante nur häufiger auftritt, wenn sie vorgegeben ist. e) Die in II.6 nicht-suggerierte Variante 2-3-1 erscheint dort nur in Saas-Grund VS, während sie in II.14 als suggerierte Variante am dritthäufigsten präferiert wurde (32 Mal an 28 verstreuten Orten, darunter aber wiederum in Saas-Grund VS). Bei Schmid (2005: 42) wird die Stellung 2-3-1 in allen drei untersuchten Schweizer Varietäten (BE, ZH, SG) als ungrammatisch bewertet. f) Während die in II.6 nicht suggerierte Variante 3-2-1 auch von keiner Gewährsperson angeführt wird, wird sie in II.14 als suggerierte Variante immerhin 12 Mal präferiert, wobei die weitaus höhere Akzeptanz auffällig ist. Zur Verbreitung dieser Stellung in verschiedenen Dialekten gibt es teilweise widersprüchliche und unklare Angaben in der Sekundärliteratur, vgl. Schallert (2010a: 141 - 142). Es ist unklar, ob Schönenberger (1995: 367 - 368) diese Stellung für das St. Gallerdeutsche ansetzt. Weiß (1998: 53) schliesst sie für das Bairische aus, vgl. aber Krasselt (2013: 131). Für Vorarlberg weist Schallert (2014 b: 274 - 275) diese Stellungsvariante nach, wenn sie auch „ much less frequent “ (2014 b: 275) sei als die Hauptvarianten 1-2-3 und 3-1-2, vgl. auch Schallert (2010 a: 139). Zum grundsätzlichen Vorkommen der Abfolge 3-2-1 im Schwäbischen und Bairischen vgl. Schallert (2014 b: 275 - 277), Eroms (2005 a), SNiB (1: 234 - 255) sowie zum Bodenseealemannischen Brandner (2006: 241 - 242), vgl. ausserdem den Überblick bei Schmid & Vogel (2004: 238). Stoeckle (2005: 55) kann die Stellungsvariante in seinem alemannisch-schwäbischen Material nur ganz marginal nachweisen. Lediglich einen zweifelhaften Beleg bietet SMF (7: 484 - 485). Der Stellungstyp ist bei anderen Drei-Verb-Konstruktionstypen gut bezeugt, vgl. z. B. Wurmbrand (2004: 53 - 55), Wurmbrand (2017: 4624 Table 2), Sapp (2011: 110), Schallert (2014 a). Für den in II.14 geprüften Konstruktionstyp gibt Wurmbrand (2004: 53) lediglich Akzeptanz bei einer der Schweizer Gewährspersonen an, bei Schmid (2005: 42, 73, 75 - 76) erscheint die Stellung als ungrammatisch (BE, SG) bzw. zweifelhaft (ZH). Die Abfolge 3-2-1 ist im AdA (Runde 10, „ Verbstellung “ , 12 d) v. a. in Österreich und Südtirol belegt. Dubenion-Smith (2010: 117, 133) weist die Abfolge aber mit wenigen Belegen auch in seinem westmitteldeutschen Korpus nach. 3.1 Verbcluster 201 g) Die Abfolge 2-1-3, deren Vorkommen gelegentlich überhaupt angezweifelt wird, vgl. II.6, 7 a, wird auch in unserem Material sowohl suggeriert (II.6) als auch nicht-suggeriert (II.14) sehr selten präferiert. Auffällig ist die mehrfache Angabe bei beiden Fragen am gleichen Ort (Safien GR). Schmid (2005: 42) verzeichnet die Abfolge 2-1-3 als ungrammatisch (BE, ZH, SG). 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS Das bei Frage II.6 (3.1.4, 8) angeführte Zusatzmaterial gilt aufgrund der komplementären Fragekonstellation auch für die vorliegende Frage. Literatur vgl. II.6 sowie Vortext AdA 10 ▪ Brandner 2006 ▪ Dubenion-Smith 2010 ▪ Eroms 2005 a ▪ Krasselt 2013 ▪ Sapp 2011 ▪ Schallert 2010 a ▪ 2014 a ▪ 2014 b ▪ Schmid 2005 ▪ Schmid & Vogel 2004 ▪ Schönenberger 1995 ▪ SMF 7 ▪ SNiB 1 ▪ Stoeckle 2005 ▪ Weiß 1998 ▪ Wurmbrand 2004 ▪ 2017 Bezug auf SADS-Material Schallert 2014 a: 221 ▪ Seiler 2004: 373 3.1.6 Drei-Verb-Cluster im Nebensatz (Modalverb im Konjunktiv Perfekt) Frage II.2 (Ü) - D AS IST DOCH DIE F RAU , DER ICH SCHON LANGE DAS B UCH BRINGEN SOLLTE 1. Kartenthema und Datengrundlage Die Übersetzungsfrage II.2 zielte primär auf die Erhebung der verschiedenen Konstruktionsmöglichkeiten eines Relativsatzes mit Dativanschluss. Dabei mussten die Gewährspersonen einen Satz mit vorgegebenem Konjunktiv Präteritum übersetzen. Wenn in der Übersetzung ein Relativsatz gebildet wurde, kann die Serialisierung im Verbalkomplex im Nebensatz - zusammen mit der relativen Stellung des nominalen Objekts - ausgewertet werden. Etwas weniger als die Hälfte der Gewährspersonen mit entsprechenden Antworten (1163 von 2491 Personen an 370 Orten) hat statt dem standardsprachlich vorgegebenen Zwei-Verb-Cluster, der eigens ausgewertet wird, vgl. II.2 (Zwei-Verb-Cluster), Varianten mit einem Drei-Verb-Cluster - mit Modalverb im (Konjunktiv) Perfekt - übersetzt. Die ► Hauptkarte (S. 118) bildet die Verbreitungsgebiete der fünf Stellungsvarianten ab, die aus den sechs logisch möglichen Stellungen bei der Übersetzung gewählt wurden. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 1163 1162 1 1159 3 1165 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a HÄTTE SOLLEN BRINGEN 1-2-3 3 b HÄTTE BRINGEN SOLLEN 1-3-2 3 e SOLLEN HÄTTE BRINGEN 2-1-3 3 c BRINGEN HÄTTE SOLLEN 3-1-2 3 d BRINGEN SOLLEN HÄTTE 3-2-1 202 3 Verbalgruppe Typenbildung HÄTTE hät, het, ha, han, hä o. ä. SOLLEN sölle, sölla, sellä, solle, seuwe, söue, sellu, müesse, welle, wölle, wällu o. ä. BRINGEN bringa, bringe, bringä, brenge, bringu, umebringe, zrugbringe, hole, gä, zruggä, abgä o. ä. DAS B UCH das Buech, ds Buech, s Buech, es Buech, seb Buech, Buech, ires Buech o. ä. 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) 1-2-3 hätte sollen bringen : Mit grossem Abstand am häufigsten wird mit 1132 Mal an 366 Orten die Stellungsvariante hätte sollen bringen übersetzt. Die Variante kommt fast im gesamten Untersuchungsgebiet häufig vor, mit Ausnahme von 18 Orten, darunter 6 in GR (Buckten BL, Bauma, Fällanden, Kappel a. A., Neftenbach ZH, Ramsen SH, Altstätten, Berneck, Mels SG, Krauchthal BE, Buochs NW, Elm GL, Chur, Churwalden, Klosters, St. Antönien, Tamins, Vals GR). Dabei kann die Nominalphrase das B uch an verschiedenen Stellen des Verbalkomplexes stehen, vgl. auch 7 h. Die Stellung von ‚ schon lange ‘ ist nicht berücksichtigt. übersetzte Varianten Anzahl Antworten und Orte HÄTTE SOLLEN DAS B UCH BRINGEN 1-2-x-3 636 Mal an 302 Orten DAS B UCH HÄTTE SOLLEN BRINGEN x-1-2-3 462 Mal an 259 Orten HÄTTE DAS B UCH SOLLEN BRINGEN 1-x-2-3 44 Mal an 43 Orten Beispiele: 1-2-x-3: … , woni scho lang hät seuwe s Buch brenge Kirchleerau AG, … , wonich scho lang hätt sellä äs Buech zrugg bringä Gurtnellen UR. x-1-2-3: … , woni scho lang das Buech hät sölle bringe Aesch BL, … wo ’ n ich s ’ Buech scho lang hät sölle bringe Fischingen TG. 1-x-2-3: … , wo niech hät z ’ Buch scho lang söue umebringe! Escholzmatt LU, … , welära ich scho lang hetti Büäch [sic] sellu bringu Agarn VS. Die Stellungsvarianten werden 10 Mal nebeneinander übersetzt: übersetzte Varianten Anzahl Antworten und Orte DAS B UCH HÄTTE SOLLEN BRINGEN und HÄTTE SOLLEN DAS B UCH BRINGEN x-1-2-3 und 1-2-x-3 8 Mal an 8 Orten (Gelterkinden, Hölstein, Maisprach BL, Zürich ZH, Langnau BE, Schüpfheim LU, Schwanden GL, Visp VS) HÄTTE DAS B UCH SOLLEN BRINGEN und HÄTTE SOLLEN DAS B UCH BRINGEN 1-x-2-3 und 1-2-x-3 Einmal in Münchenbuchsee BE HÄTTE DAS B UCH SOLLEN BRINGEN und HÄTTE WOLLEN DAS B RUCH BRINGEN 1-x-2-3 und 1-2-x-3 Einmal in Büren a. A. 73 Mal (von 1132) erscheint an 51 Orten (v. a. FR, BE, VS) die Abfolge 1-2-3 im Indikativ Perfekt: … , woni z Buech scho lang ha söll zrugg gäa Tafers FR, … , deren i schon lang han sellen z ’ Buech bringen Mürren BE, … , wo ich das Büch hä selle abgä Fiesch VS. 27 Mal (von 1132) wird das Verbalcluster 1-2-3 mit einem anderen Modalverb (22 Mal habe wollen bringen und 5 Mal hätte müssen bringen ) als einzige Variante übersetzt: … , wo ich s ’ Buch scho lang het müesse zrugbringe Stadel ZH, … , woni scho lang emol ha welle s ’ Buech bringe Gais AR, … , won i scho lang d ’ s Buech ha wölle bringe Diemtigen BE, … , wondra scho lang ha wällu ds Böch bringu Inden VS. b) 1-3-2 hätte bringen sollen : 22 Mal an 20 Orten wird die Variante hätte bringen sollen übersetzt. Sie kommt v. a. in GR als Einzelnennung gehäuft vor und sonst verstreut im übrigen Untersuchungsgebiet. Dabei kann die Nominalphrase das B uch an verschiedenen Stellen des Verbalkomplexes stehen, vgl. auch 7 h. Die Stellung von ‚ schon lange ‘ ist nicht berücksichtigt: 3.1 Verbcluster 203 übersetzte Varianten Anzahl Antworten und Orte DAS B UCH HÄTTE BRINGEN SOLLEN x-1-3-2 16 Mal an 15 Orten (2 Mal in Arosa GR, je einmal in Aesch, Ettingen, Liestal BL, Ramsen, SH, Oberriet, Wartau SG, Giswil OW, Chur, Küblis, Rheinwald, Trimmis, Untervaz, Wiesen GR, Guttet-Feschel VS) HÄTTE DAS B UCH BRINGEN SOLLEN 1-x-3-2 6 Mal an 5 Orten (2 Mal in St. Gallen SG, je einmal in Hölstein BL, Uster ZH, Wattwil SG, Vals GR) Beispiele: x-1-3-2: … , wo scho lang z Buch het bringe solle Ettingen BL, … wo i scho lang das Buach hetti bringa sölla Arosa GR, … wo ii scho lang das Buäch hätti hola sölla Wiesen GR. 1-x-2-3: … , woni scho längscht het s Buech bringe sölle St. Gallen SG. Einmal in Guttet-Feschel VS erscheint die Variante im Indikativ Perfekt: Das ischt doch Froi [sic], dära wani i scho lang z ’ Buäch ha sollü bringu? c) 3-1-2 bringen hätte sollen : 7 Mal wird an 7 Orten in GR (Churwalden, Fläsch, Küblis, Langwies, Safien, Vals, Wiesen) die Variante bringen hätte sollen mit vorangestellter Nominalphrase übersetzt. Beispiele: … , der ich scho lang s ’ Buech bringe häti sölle Vals GR. d) 3-2-1 bringen sollen hätte : An 2 Orten im Osten (Oberriet SG, Safien GR) wird die Variante bringen sollen hätte übersetzt. Beispiele: … wo ni scho lang s ’ Buach bringa söllä het Oberriet SG, … , derä ich scho lang das Buech gä sollä hätti Safien GR. e) 2-1-3 sollen hätte bringen : An 2 weit auseinander liegenden Orten (Gurmels FR, Safien GR) wird die Variante sollen hätte bringen mit zwischengestellter Nominalphrase übersetzt. Beispiele: … won i ihre scho lang selle hetti z ’ Buch zrugbringe Gurmels FR, … wo i scho lang söllä hätti da Buach zruggä Safien GR. f) Intrapersonelle Variation zu hätte 1 sollen 2 bringen 3 : übersetzte Varianten Anzahl Personen und Orte 1-2-3 und 1-3-2 1 Person in Uster ZH 1-2-3 und 3-1-2 1 Person in Wiesen GR 3-1-2 und 3-2-1 1 Person in Safien GR 4. Bemerkungen der Gewährspersonen keine Bemerkungen zur Verbstellung 5. Weitere Varianten keine 6. Unbrauchbare Antworten a) Einmal wird der Satz ohne Objekt übersetzt: … , woni scho lang hät söue bringe Meikirch BE. 7. Weitere Bemerkungen a) Die Quantitäten pro Ort lassen bei Frage II.2 keine zuverlässigen Aussagen über die generelle Vorkommenshäufigkeit der Stellungsvarianten pro Ort zu. Zwar liegen aus fast allen Orten Drei-Verb-Cluster vor, es ist jedoch zu bedenken, dass mehr Gewährspersonen die in der Übersetzungsvorlage vorgegebene Zwei-Verb-Cluster-Konstruktion gewählt haben, die eigens ausgewertet wird, vgl. Kommentar II.2 (Zwei- Verb-Cluster). 8 Gewährspersonen haben neben einer Antwort mit Drei-Verb-Cluster auch eine Konstruktion mit Zwei-Verb-Cluster notiert. Im Folgenden werden die Ergebnisse aus II.2 unter diesem Vorbehalt mit den beiden Ankreuzfragen zu Drei-Verb-Clustern verglichen, vgl. auch die tabellarische Zusammenstellung bei II.14, 7 a. Dabei bleibt auch unberücksichtigt, dass bei Aufgabe II.2 mehrheitlich das 204 3 Verbalgruppe finite Verb im Konjunktiv steht. Dubenion-Smith (2010: 117) weist Zahlen für Konjunktiv und Indikativ aus, die allerdings so gering sind, dass man aus einem Vergleich kaum Schlüsse ziehen kann, wobei aber auch keine Indizien für eine wesentliche Abweichung sprechen. b) Wie in den Ankreuzfragen II.6 und II.14 zu modalen Drei-Verb-Clustern ist auch in der Übersetzungsfrage II.2 die Stellungsvariante 1-2-3 mit Abstand am häufigsten, vgl. II.6, 7 c. Die Normalstellung 1-2-3 wird auch durch das bei Frage II.6 zusammengestellte Zusatzmaterial bestätigt. c) Die Standardabfolge 1-3-2 ist in der Übersetzungsfrage II.2 zwar die zweithäufigste Stellungsvariante, sie kommt aber dennoch nur 22 Mal an 20 Orten vor. Wie in der Ankreuzfrage II.6 als suggerierte Variante (37 Mal an 29 Orten) tritt die Abfolge 1-3-2 gehäuft im Südosten auf. In der Ankreuzfrage II.14, wo die Variante nicht suggeriert wurde, kommt sie überhaupt nur 6 Mal vor, wobei 3 Orte in GR liegen. Vgl. II.6, 7 e, II.14, 7 d. d) Wie in den Ankreuzfragen II.6 (60 Mal an 31 Orten, nicht suggeriert) und II.14 (349 Mal an 184 Orten, suggeriert) kommt auch in der Übersetzungsfrage II.2 die Stellungsvariante 3-1-2 in einem südöstlichen Areal vor, jedoch nur mit 7 Einzelnennungen. Schallert (2010 a: 139) ermittelt in einer Befragung 3-1-2 bei einem strukturell gleichwertigen Satz als überwiegende Stellung im Vorarlberger Alemannisch, vgl. auch II.6, 7 d. e) Die in II.14 suggerierte Variante 3-2-1, die an 11 Orten 12 Mal präferiert wird (120 Mal an 91 Orten akzeptiert), wird in II.6 (ohne Vorgabe) nie genannt und kommt auch in der Übersetzungsfrage II.2 nur an 2 Orten (Oberriet SG, Safien GR) vor. Diese Zahlen, insbesondere die erhöhte Zahl an Akzeptanzmeldungen, lassen Zweifel am Gebrauch dieser Stellungsvariante aufkommen und sprechen für eine Beeinflussung durch die suggerierte Variante. Von einem ähnlichen Effekt berichtet Schallert (2010 a: 139). Schmid (2005: 42) gibt die Stellung für ZH als fraglich an, vgl. II.14, 7 f., Cooper (1994: 163) zusammen mit Komplement, wie in der vorliegenden Frage, als möglich. f) Die Variante 2-3-1 kommt bei der Übersetzungsfrage II.2 nie vor. In II.6 erscheint sie nicht suggeriert nur in Saas-Grund VS, während sie in II.14 als suggerierte Variante 32 Mal an 28 verstreuten Orten auftritt, was wiederum für einen starken Einfluss durch die Vorgabe in II.14 sprechen könnte, vgl. II.14, 7 e. g) Die Abfolge 2-1-3 erscheint wie in beiden Ankreuzfragen II.6 (14 Mal, suggeriert) und II.14 (5 Mal, nichtsuggeriert) nur sporadisch (2 Mal). Bei allen drei Fragen erscheint die Abfolge in Safien GR, vgl. II.14, 7 g. h) Im SADS-Questionnaire wurde nicht eigens nach der Stellung im Verbalcluster bei vorhandenem Komplement, also dem Vorkommen von verb projection raising (VPR), gefragt. Da die Übersetzungsfrage II.2 eine Nominalphrase enthält, kann hier aber die Stellung der Nominalphrase ausgewertet werden, vgl. 3 a und 3 b. In derAbfolge 1-2-3 und 1-3-2 kann die Nominalphrase das B uch vor dem ganzen Verbalcluster oder zwischen den Verbalteilen stehen. Bei der Abfolge 1-2-3 steht das B uch bevorzugt vor dem lexikalischen Verb (1-2-x-3). Bei der wesentlich selteneren Abfolge 1-3-2 ist das B uch dagegen überwiegend vor den gesamten Verbalkomplex gestellt, was bei 1-2-3 der zweithäufigste Fall ist. In der Abfolge 1-3-2 steht die Nominalphrase seltener zwischen Auxiliar und lexikalischem Verb (1-x-3-2). Bei Stellung 1- 2-3 erscheint noch eine weitere, deutlich seltenere Variante, bei der die Nominalphrase zwischen Auxiliar und Modalverb steht (1-x-2-3), wobei diese Stellung v. a. im Westen einschliesslich VS gewählt wird. Zu diesen Stellungstypen vgl. Brandners (2006: 241 - 242) Angaben zum Bodenseealemannischen sowie Schallert (2014 a: 201) zu Vorarlberg (1-2-x-3, 1-x-2-3). Bei den Antworten mit Zwei-Verb-Cluster ist bei der Abfolge 1-2 die Voranstellung etwas häufiger, vgl. II.2 (Zwei-Verb-Cluster), 7 c. Ein ähnliches Ergebnis zeigt auch die Auswertung derAnkreuzfrage II.18 als Zusatzmaterial, vgl. I.19, 8 a sowie II.2 (Zwei- Verb-Cluster), 7 c. Zur variablen Stellung nicht-verbaler Elemente in verschiedenen Mehr-Verb-Komplexen sind die grundlegenden Ausführungen zum Zürichdeutschen bei Lötscher (1978) zu vergleichen sowie weitere Arbeiten, die das VPR berücksichtigen und analysieren, z.T. jedoch über die Konstruktionstypen hinweg, so dass die 3.1 Verbcluster 205 Vergleichbarkeit eingeschränkt ist, z. B. Sapp (2011), Wurmbrand (2017), Salzmann (2011, 2013), Schallert (2013, 2014 b), Schönenberger & Haeberli (2015). Literatur Brandner 2006 ▪ Cooper 1994 ▪ Dubenion-Smith 2010 ▪ Lötscher 1978 ▪ Salzmann 2011 ▪ 2013 ▪ Sapp 2011 ▪ Schallert 2010 a ▪ 2013 ▪ 2014 a ▪ 2014 b ▪ Schmid 2005 ▪ Schönenberger & Haeberli 2015 ▪ Wurmbrand 2017 206 3 Verbalgruppe 3.2 Ersatzinfinitiv 3.2.0 Einleitung Im Standarddeutschen tritt wie in anderen kontinentalgermanischen Varietäten bei bestimmten, einen Infinitiv regierenden Verben im Perfekt statt des Partizips II ein mit dem Infinitiv identischer, sogenannter Ersatzinfinitiv, auch IPP (Infinitivus pro participio) genannt, auf (vgl. zur Standardsprache z. B. Askedal 1991; zu verschiedenen Varietäten Schmid 2005; Schallert 2014 a mit weiterer Literatur, 2014 b), zu dessen Erklärung es umfangreiche Literatur gibt, vgl. z. B. Eroms (2005 b, 2006 mit weiteren Angaben) sowie Schmid (2005) zu einer Hierarchie des IPP-Vorkommens bei verschiedenen Verbklassen. Zum Thema Ersatzinfinitiv wurden im SADS, abgesehen von den Fragen zu Drei-Verb-Clustern mit Modalverben (II.6, II.14), die im Schweizerdeutschen, wie die SADS-Auswertung bestätigt, variationslos IPP aufweisen (vgl. Lötscher 1978: 3; Stucki 1921: 120), auch Phasenverben (III.1, III.5, III.8, III.12), ‚ lassen ‘ (II.3, II.5, II.1, II.5) sowie drei weitere Infinitive regierende Verben ( ‚ hören, helfen, lernen ‘ ), s. u., erfragt. Die Fragen zum Phasenverb ‚ anfangen ‘ sowie zu Verbalkomplexen mit ‚ lassen ‘ , die weitere syntaktische Besonderheiten aufweisen, sind in je einem eigenen Kapitel behandelt, vgl. Kap. 3.3 und 3.4. Für die Verben ‚ hören, helfen, lernen ‘ ist aus deutschen, insbesondere oberdeutschen Dialekten allgemein (vgl. obige Literatur sowie Weise 1906 a; Schallert 2014 a: 172 - 200) und auch für das Schweizerdeutsche der (variative) Gebrauch eines sogenannten Infinitivpartizips im Perfekt beschrieben (vgl. z. B. zu Bern Marti 1985: 161, Hodler 1969: 577 - 578 sowie zu Basel, Aargau, Luzern und Zürich Binz 1888: 72, Suter 1992: 88, 98 - 99, Frey 1906: 34, Fischer 1960: 267, Weber 1948: 172, anders jedoch Weise 1906 a: 198). Schiepek (1899: 154) dokumentiert ein unterschiedliches Verhalten der drei Verben, insofern ‚ helfen ‘ und ‚ lernen ‘ im Egerländischen keinen Ersatzinfinitiv kennen. Zum Perzeptionsverb ‚ hören ‘ und zu den Benefaktivverben ‚ helfen ‘ und ‚ lehren ‘ (Schallert 2014 a: 173) wurden insgesamt fünf Fragen gestellt, in denen es primär um die Frage des Auftretens eines Ersatzinfinitivs geht. Zu den Verhältnissen im Hauptsatz wurde je eine Frage zu diesen drei Verben gestellt: I.3 ‚ hören ‘ , I.8 ‚ helfen ‘ und II.7 ‚ lernen ‘ . Zu den Verhältnissen im Nebensatz wurden zwei Fragen mit dem Verb ‚ lernen ‘ gestellt: IV.21 ‚ fahren lernen ‘ und IV.25 ‚ lesen lernen ‘ . Da ‚ lernen ‘ im Schweizerdeutschen weiträumig mit dem Benefaktivverb ‚ lehren ‘ lautlich zusammenfällt, wird es hier als Benefaktivverb behandelt. Frage I.3 ist eine Übersetzungsfrage, alle weiteren Fragen sind Ankreuzfragen. Thema der Karten ist jeweils die Verteilung von Partizip II und Infinitiv. Die dabei vorkommenden Stellungstypen werden ebenso wie damit verbundene nichtverbale Unterbrechungen des Verbalkomplexes und eventuelle Infinitivanschlüsse jeweils in einem weiteren Schritt behandelt. Literatur Askedal 1991 ▪ Binz 1888 ▪ Eroms 2005 b ▪ 2006 ▪ Fischer 1960 ▪ Frey 1906 ▪ Hodler 1969 ▪ Lötscher 1978 ▪ Marti 1985 ▪ Schallert 2014 a ▪ 2014 b ▪ Schiepek 1899 ▪ Schmid 2005 ▪ Stucki 1921 ▪ Suter 1992 ▪ Weber 1948 ▪ Weise 1906 a 3.2.1 Ersatzinfinitiv (hören) Frage I.3 (Ü) - O H , ICH HABE DEN F RITZ KOMMEN HÖREN 1. Kartenthema und Datengrundlage In der Frage I.3 wurden die Gewährspersonen gebeten, einen Satz mit dem Perzeptionsverb ‚ hören ‘ im Perfekt und abhängigem Infinitiv in ihren Dialekt zu übersetzen. Es geht dabei um die dialektale Entsprechung der vorgegebenen standardsprachlichen ACI-Konstruktion mit nominalem Akkusativobjekt. Variation war hier in Bezug auf die Form (und Stellung) des Perzeptionsverbs ‚ hören ‘ im Perfekt zu erwarten. Die ► Hauptkarte (S. 119) zeigt die Distribution der Verwendung von Partizip II und Ersatzinfinitiv (IPP). Die Abfolge der verbalen Teile in der rechten Satzklammer wird mittels ► Beikarte (S. 121) dargestellt, vgl. 3. 3.2 Ersatzinfinitiv 207 Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 3186 2567 619 2560 7 2574 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a GEHÖRT Partizip II 3 b HÖREN Ersatzinfinitiv Typenbildung GEHÖRT ghört, gehörd, kört, hert, hört o. ä. HÖREN gheeren, ghöre, kööre, kern, höre, hörä, höra, here o. ä. KOMMEN cho, choo, chon, chu, anefahre, herefahre, zuchefahre, vobiifahre, heicho o. ä. 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Am häufigsten wird mit 1806 Mal an 360 Orten der Satz mit Partizip II übersetzt. Die Variante kommt im ganzen Untersuchungsgebiet vor, mit Ausnahme von 23 Orten, die alle am Westrand des deutschsprachigen Gebietes liegen: Aedermannsdorf, Kleinlützel, Mümliswil, Schnottwil, Welschenrohr SO, Jaun, Murten, Plaffeien, Schwarzsee, Tafers FR, Aarberg, Büren a. A., Diessbach b. B., Erlach, Ins, Ligerz, Pieterlen, Signau, Täuffelen, Tüscherz, Utzenstorf, Wengi, Wynigen BE. Sie ist im Übrigen insgesamt an 130 Orten im Nordwesten und Westen minderheitlich, sonst mehrheitlich, oft sogar alleinige Variante, vgl. ► Prozentkarte (S. 120). Dabei kann die Abfolge der verbalen Teile in der rechten Satzklammer variieren, vgl. ► Beikarte (S. 121): Varianten Anzahl Antworten und Orte GEHÖRT KOMMEN 2-3 1772 Mal an 358 Orten KOMMEN GEHÖRT 3-2 36 Mal an 34 Orten (im Osten und Norden) 2 Mal davon werden die Stellungsvarianten nebeneinander übersetzt. In der Abfolge 3-2 steht die Nominalphrase ( der ) F ritz vor dem Verbalkomplex. In der Abfolge 2-3 kann sie auch innerhalb des Verbalkomplexes stehen: Varianten Anzahl Antworten und Orte ( DER ) F RITZ GEHÖRT KOMMEN x-2-3 1754 Mal an 358 Orten GEHÖRT ( DER ) F RITZ KOMMEN 2-x-3 21 Mal an 20 Orten (2 Mal in Stadel ZH, je einmal in Bäretswil, Urdorf ZH, Birwinken TG, Quarten SG, Flühli LU, Oberiberg, Schwyz SZ, Andermatt UR, Mollis, Schwanden GL, Klosters, Küblis, Rheinwald, Safien, Schiers, St. Antönien, Thusis, Untervaz, Wiesen GR) Beispiele: x-2-3: Oh, i ha de Fritz ghört verbiifahre, … Herisau AR, Jetzt han i grad Fritz kherd verbi fahren, … Wengen BE, Oh, ech ha de Fritz ghört cho Aesch, Ou, ech ha grad de Fritz ghört dörefahre, … Wolhusen LU, Oh, ich ha dr Fritz gheerd cho Alpnach OW, Ich han Fritzen Auto khöört chon Klosters, Jetz hani grad Fritz kört härä fahrä … St. Antönien GR, Oh, ich ha där Fritz kehrt chu Agarn VS. 2-x-3: I han ghört de Fritz anefahre Bäretswil, Ich ha grad ghört de Fritz vobiifahre Stadel, I ha ghört min Ma herefahre … Urdorf ZH, Oh, I ha ghört de Fritz cho Birwinken TG, Ich ha ghöört dr Fritz choo Schwyz SZ, ich hä kört dr Fritz chu Mollis GL, I han ghört der Fritz chon Küblis GR. 3-2: Oh, ich ha dä Fritz choh g ’ hört Aesch BL, O i ha dä Fritz cho hört Birwinken TG, Oh ich hä dr Fritz chu kört Mollis GL, Ou, i ha dr Fritz cho khört Arosa GR. 208 3 Verbalgruppe b) Am zweithäufigsten wird mit 768 Mal an 252 Orten das Perfekt mit dem Ersatzinfinitiv hören gebildet. Die Variante tritt vom Westen bis in den Aargau, abgesehen vom westlichen Oberwallis und Lötschental, relativ flächendeckend auf, im Übrigen, von einzelnen Ballungen, z. B. in GL, abgesehen, v. a. in Einzelnennungen, und in manchen Gebieten gar nicht. Die Variante erscheint in FR, SO, BL an 23 Orten als einzige Variante, andernorts mehrheitlich, z. T. auch in BE, sonst aber an Variationsorten minderheitlich, vgl. ► Prozentkarte (S. 120). Dabei kann die Abfolge der verbalen Teile in der rechten Satzklammer variieren. Varianten Anzahl Antworten und Orte HÖREN KOMMEN 2-3 762 Mal an 250 Orten KOMMEN HÖREN 3-2 6 Mal an 6 Orten (Möhlin AG, Grüt ZH, Oberriet, St. Gallen, Wildhaus SG, Obersaxen GR) In Grüt ZH, Obersaxen GR wird von je einer Gewährsperson nur die Abfolge 3-2 mit Ersatzinfinitiv übersetzt. Die anderen Gewährspersonen an den beiden Orten übersetzen Varianten mit Partizip II in der Abfolge 2-3. In der Abfolge 3-2 steht die Nominalphrase ( der ) F ritz vor dem Verbalkomplex. In der Abfolge 2-3 kann sie auch innerhalb des Verbalkomplexes stehen: Varianten Anzahl Antworten und Orte ( DER ) F RITZ HÖREN KOMMEN x-2-3 760 Mal an 249 Orten HÖREN ( DER ) F RITZ KOMMEN 2-x-3 2 Mal an 2 Orten (Andelfingen ZH, Visp VS) Beispiele: x-2-3: Oh, i ha dr Fritz g ’ höre cho Aesch BL, Ou, i ha der Fritz köre cho Aeschi SO, So itz han i grad dr Fritz ghöre zuchefahre Aarberg, Es hani grad Fritzen gherren zöchi fahren, … Meiringen BE, Oh, ich ha der Friz g ’ heerä cho Alpnach OW. 2-x-3: O ich ha ghöre de Fritz cho Andelfingen ZH, Oh, ich hä kern der Fritz heim cho Visp VS. 3-2: Oh, i ha de Fritz koa höra Oberriet, Oh, ich ha dä Fritz cho ghörä Wildhaus SG. c) Intrapersonelle Variation: übersetzte Varianten Anzahl Personen und Orte GEHÖRT und HÖREN 7 Personen an 7 Orten (Hölstein BL, Bassersdorf ZH (2 FB), Vättis SG, Trogen AR, Oberwichtrach, Reichenbach BE, Alpnach OW) 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ Ou - ech ha de Fritz ghört cho - i muess wieder gah! / Ou - ech ha ghört de Fritz cho - i muess wieder gah! (Sage beide Varianten) “ , Flühli LU. 5. Weitere Varianten keine 6. Unbrauchbare Antworten a) 56 Mal erfolgt die Übersetzung nicht im Perfekt, sondern im Präsens. Beispiele: Mir isch, ich ghööri dä Fritz cho Marthalen ZH, I ghöre dr Fritz cho Krauchthal BE. b) 106 Mal wird statt der ACI-Konstruktion eine satzförmige Ergänzung gebildet. Beispiele: Ich ghöre de Fritz chont Merenschwand AG, I ha ghört de Fritz chont Aarburg AG, Ich ha ghört, dass dä Fritz chunnt Alpnach OW. c) 5 Mal wird das Verb ‚ hören ‘ in der Abfolge 2-3 durch eine ambige Form (Infinitiv/ Partizip II) von ‚ sehen ‘ ersetzt. Beispiel: I ha de Fritz gseh cho Hägglingen AG. 3.2 Ersatzinfinitiv 209 d) 5 Mal werden die Verben auf Hauptsätze aufgeteilt. Beispiel: Dr Fritz konnt i hanen ghört Ettingen BL. e) 438 Mal werden einfache Sätze mit nur einem Verb als einzige Übersetzung angegeben. Beispiele: Der Fritz isch cho Bettingen BS, De Fritz isch verbigfahrt Birmenstorf AG, Das isch de Fritz gsii Wängi TG, … iech ha dr Fritz ghört Weisstannen SG, I ghöre där Fritz Grafenried BE, Jetz isch dar Fritz cho Tamins GR, Das isch sicher dr Fritz Visp VS. f) Einmal übersetzt eine Gewährsperson einzig eine inhaltlich andere Variante. g) Einmal, in Muhen AG, wird eine nicht eindeutig dem Partizip II oder dem Infinitiv zuordenbare Form übersetzt: I ha de Fritz ghör cho. h) Einmal ist die Übersetzung nicht interpretierbar. i) 9 Mal wird der vorgegebene Satz standarddeutsch übersetzt. 7. Weitere Bemerkungen a) In den Mundartbeschreibungen sind die vom Auftreten von Ersatzinfinitiven betroffenen Verbklassen oft nicht explizit oder nur mit Beispielen erwähnt. Ersatzinfinitivkonstruktionen bei ‚ hören ‘ werden von verschiedenen Autoren erwähnt, meist als Variante neben dem Partizip. Die im SADS-Material deutlich erkennbare Ost-West-Verteilung (vgl. z. B. ► Prozentkarte (S. 120)) bei insgesamt überwiegender Verwendung des Partizips lässt sich nicht direkt aus den älteren Darstellungen entnehmen. Für Basel nennt Binz (1888: 72) nur den Ersatzinfinitiv, Suter (1992: 98 - 99) erwähnt ein Beispiel mit Variation im Nebensatz. Weber (1948: 172) sieht für Zürichdeutsch den Ersatzinfinitiv als älter und nur noch „ ländlich “ an, Frey (1906: 34) für Kulm AG als älter und seltener. Fischer (1960: 267) gibt für Luzern das Partizip als häufiger an, was mit unseren Befunden zusammenstimmt. Auch Lötscher (1978: 3) geht vom Vordringen des Partizips unter hochdeutschem Einfluss aus. Ebenso bezeichnet Marti (1985: 161) das Partizip für Bern als jünger. Weise (1906 a: 198) verzeichnet unter Berufung auf von Greyerz (1904: 134 - 135) für Schweizerdeutsch nur das Partizip. Hodler (1969: 547 - 548, 577 - 578) führt Beispiele mit beiden Formen an. Schmid (2005: 22, 28 - 29, 205 - 206, 208 - 209) kann den Ersatzinfinitiv bei Perzeptionsverben - auf schmaler empirischer Basis - variativ für BE, SG, ZH belegen. b) In Frage I.3 überwiegt sowohl mit der Partizipialform als auch mit IPP die Stellung 2-3 in der rechten Satzklammer deutlich. Die insgesamt seltene Stellung 3-2 tritt bevorzugt mit dem Partizip auf. Auch diesbezüglich gilt, dass die vorhandenen Mundartbeschreibungen häufig nicht auf die verschiedenen Verbklassen explizit Bezug nehmen. Im Allgemeinen wird aber in Übereinstimmung mit unseren Ergebnissen die Stellung 2-3 als gewöhnlich angeführt. Marti (1985: 161) gibt für die Perzeptionsverben nur die Stellung 2-3 an, unabhängig von der Form, ebenso Fischer (1960: 267), Weber (1948: 173) und so wohl auch Frey (1906: 34) bezüglich ‚ hören ‘ . Hodler (1969: 548, 578, 684) gibt an, dass IPP nur bei 2-3 möglich sei. Binz (1888: 72) führt nur IPP-Beispiele mit Abfolge 2-3 an, ebenso Suter (1992: 88). c) Schallert (2014 a: 190, 199 - 200) weist für Vorarlberg nach, dass der Ersatzinfinitiv bei Perzeptionsverben eine jüngere Entwicklung darstellt, was die Annahme von Weise (1906 a) zum Vorkommen im Oberdeutschen mit Ausnahme des Schweizerdeutschen - was so aber auch nicht mehr zu den heutigen SADS- Daten stimmt - ergänzt bzw. korrigiert. Zur Diskussion der Verhältnisse in den Nachbardialekten, auch auf Basis von SADS-Daten, vgl. Schallert (2014 a: 191) sowie Schallert (2014 b). Die Verhältnisse in Hessen, für das jüngere Studien IPP in einem I.3 entsprechenden Satz sogar dominierend belegen, werden von Luks & Schwalm (2017: 180 - 181) besprochen, vgl. dazu auch die in etwas andere Richtung weisenden Angaben von Mottausch (2009: 271 - 272, 301) für das Südhessische. Bezüglich der Stellung der Verbalteile in der rechten Satzklammer bei den Perzeptionsverben verzeichnet Schallert (2014 a: 205 - 207) die Varianten 2-(x)-3 und 3- 2 (bei Schallert in der Notation 1-(x)-2 und 2-1) für das Vorarlberger Alemannische, wobei nur bei der weniger häufigen Stellung 3-2 einige Fälle von IPP auftreten. Zur Diskussion der Stellungsvarianten in 210 3 Verbalgruppe benachbarten Varietäten vgl. Schallert (2014 a: 207 - 208). Die Zusammenhänge zwischen Verbform und Stellung in den verschiedenen Dialekten sind, soweit erkennbar, nicht einheitlich. d) Die hohe Zahl unbrauchbarer Antworten ist zu einem grossen Teil darauf zurückzuführen, dass die intendierte ACI-Konstruktion vermieden wird. 3 GP haben sogar je zwei unbrauchbare Varianten übersetzt. Teilweise wird die vorgegebene ACI-Konstruktion in Subordinationsstrukturen oder Hauptsätze aufgelöst. Der grösste Teil der unbrauchbaren Antworten enthält aber lediglich ein Verb. Diese ACI-Vermeidungsstrategien treten im ganzen Untersuchungsgebiet auf. Literatur Binz 1888 ▪ Fischer 1960 ▪ Frey 1906 ▪ Hodler 1969 ▪ Lötscher 1978 ▪ Luks & Schwalm 2017 ▪ Marti 1985 ▪ Mottausch 2009 ▪ Schallert 2014 a ▪ 2014 b ▪ Schmid 2005 ▪ Suter 1992 ▪ von Greyerz 1904 ▪ Weber 1948 ▪ Weise 1906 a Bezug auf SADS-Material Schallert 2014 a: 191 3.2.2 Ersatzinfinitiv (helfen) Frage I.8 (A) - A BER ICH HABE IM F ALL SCHON GESTERN ABWASCHEN GEHOLFEN ! 1. Kartenthema und Datengrundlage Auch beim Benefaktivverb ‚ helfen ‘ kann im Schweizerdeutschen, wie unter bestimmten Bedingungen auch im Standarddeutschen (Duden 4: 476 - 477), im Perfekt ein Ersatzinfinitiv auftreten, sofern ein weiterer abhängiger Infinitiv vorliegt. Dazu wurde die Ankreuzfrage I.8 gestellt, in der die Gewährspersonen gebeten waren, in einem Hauptsatz zwei Varianten mit Ersatzinfinitiv und Partizip II, jeweils in Stellung 2-3 und 3-2, zu bewerten. Dabei wurden jeweils zuerst die beiden Varianten mit Partizip II vorgegeben, dann diejenigen mit Ersatzinfinitiv. Kartiert wird die Verteilung von Partizip II und Ersatzinfinitiv als präferierte Varianten. Die Abfolge der verbalen Teile wird unter 3 (mit ► Beikarte (S. 124)) behandelt, ebenso das Vorkommen des Infinitiveinleiters zu . Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 3184 3154 30 3144 10 3164 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a GEHOLFEN Partizip II 3 b HELFEN Ersatzinfinitiv Typenbildung GEHOLFEN ghulfe, ghuufe, gholfä, gholfu, ghoufe, hulfe, g ’ hälft HELFEN helfe, häufe, häuffe, hälfe ABWASCHEN (ab)wäsche, abwüsche, abzwäsche, gschürre, Gschürr wäsche o. ä. 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Am häufigsten wird mit 3007 Mal an 382 Orten die Variante mit Partizip II geholfen präferiert. Sie wird an allen Ortspunkten des Untersuchungsgebietes mindestens 2 Mal präferiert, mit Ausnahme von Ettingen BL, Mümliswil SO (je einmal präferiert) und Welschenrohr SO (weder präferiert noch akzeptiert). 3.2 Ersatzinfinitiv 211 Dabei kann die Abfolge der verbalen Teile in der rechten Satzklammer variieren, vgl. ► Beikarte (S. 124): Varianten Anzahl Antworten und Orte GEHOLFEN ABWASCHEN 2-3 2976 Mal an 382 Orten ABWASCHEN GEHOLFEN 3-2 34 Mal an 29 Orten (am nördlichen Rand bis GR) 3 Mal davon werden beide Stellungsvarianten nebeneinander präferiert. 6 Mal wird die Variante in der Abfolge 2-3 mit der Infinitiveinleitung zu in Einzelnennungen präferiert: Nunningen, Solothurn SO, Amden SG, Freiburg, Giffers FR, Wollerau SZ. Beispiele: 2-3: Aber i ha scho geschter hulfe abwäsche Aesch, Nei, Nei, i ha scho geschter g ’ hälft abwäsche Aesch BL, Aber i ha im Fau scho geschter ghoufe abwäsche Bettlach SO, Aber ich ha im Fall scho gestert gholfe abwäsche Ramsen SH, Aber i ha im Fau scho geschter gghoufe abzwäsche Giffers FR, Aber ich han im Fall geschter scho ghulfe abzwäsche Wollerau SZ, Abär i hä äm Fall scho geschter gholfä wäsche! Oberwald VS 3-2: Aber i han scho geschter abwäsche gholfe Amriswil TG, Aber i ha im Fall scho geschter abwäsche gholfe! Pfaffnau LU, Aber i han im Fall scho geschter abwäscha k'holfa Thusis GR. b) Die Variante mit Ersatzinfinitiv helfen wird 157 Mal an 79 Orten präferiert. Sie kommt am äussersten Westrand und in VS in Mehrfachnennung vor, mit Einzelnennungen im Berner Oberland, GR und Nordosten (Bodenseeraum). Mehrheitlich wird sie lediglich in Ettingen BL, an 7 Orten in SO (Aedermannsdorf, Bettlach, Erschwil, Kleinlützel, Metzerlen, Mümliswil, Welschenrohr) sowie in Düdingen, Schwarzsee FR, Täuffelen BE und in Saas-Grund VS präferiert. Die Variante mit Ersatzinfinitiv helfen wird insgesamt wesentlich häufiger (381 Mal), auch in zusätzlichen Regionen, akzeptiert, wobei die Zentralschweiz weitgehend ausgespart bleibt, vgl. ► Akzeptanzkarte (S. 123). Die Abfolge der verbalen Teile in der rechten Satzklammer variiert wie folgt: Varianten Anzahl Antworten und Orte HELFEN ABWASCHEN 2-3 152 Mal an 76 Orten ABWASCHEN HELFEN 3-2 5 Mal an 5 Orten (Metzerlen SO, Roggwil TG, Berneck, Valens SG, Inden VS) In Roggwil TG, Berneck SG, Inden VS wird von je einer Gewährsperson nur die Abfolge 3-2 mit Ersatzinfinitiv präferiert. Die anderen Gewährspersonen an den drei Orten präferieren allesamt Varianten mit Partizip in der Abfolge 2-3. Beispiele: 2-3: … häufe abwüsche! Ueberstorf FR, Aber i ha im Fau scho geschter häufe abwäsche Belp BE, Ja ich hä scho geschter hälfe abwäsche Fiesch VS. Die präferierte Abfolge 3-2 wird nie eigenhändig notiert. Auch von den 21 verstreuten Gewährspersonen, die insgesamt abwaschen helfen als akzeptabel angekreuzt haben, hat keine die Variante selbst notiert. c) Intrapersonelle Variation: präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte GEHOLFEN und HELFEN 10 Personen an 9 Orten (2 Mal in Visp VS, je einmal in Roggenburg BL, Aeschi, Kleinlützel SO, Ramsen SH, Heitenried FR, Interlaken BE, Oberwald, Zermatt VS) 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ [3 a abwaschen geholfen ] ist nicht ungrammatisch, aber nicht üblich d. h. wird nicht als falsch empfunden (im Gegensatz zu [3 b abwaschen helfen ] und [3 b helfen abwaschen ]) “ , Herisau AR. [GP akzeptiert und präferiert 3 a ( geholfen abwaschen 2-3)] 5. Weitere Varianten keine 212 3 Verbalgruppe 6. Unbrauchbare Antworten a) 8 Gewährspersonen präferieren einzig eine Konstruktion mit dem Modalverb ‚ müssen ‘ (insgesamt 17 Mal notiert), davon 4 Mal als Drei-Verb-Cluster in der Abfolge 2-3 (Aber nei, i han scho geschter müesse hälfe abwäsche! Freiburg FR), 3 Mal mit einfachem Perfekt ohne helfen (Aber ig ha ja scho geschter müassä abwäschä Kandersteg BE) und einmal ohne abwaschen (I ha geschter scho miesä hälfä Ettingen BL). b) 19 Mal wird eine Konstruktion mit einfachem Perfekt präferiert, davon 9 Mal mit abwaschen (insgesamt 16 Mal notiert): Abär i han doch geschtär schon abgwäschä Langwies GR und 10 Mal mit helfen (insgesamt 13 Mal notiert): I han schon gester gholfen! Brienz BE. c) 2 Mal wird eine nicht eindeutig als Infinitiv oder Partizip II interpretierbare Form (vgl. 7 d) notiert: Aber ich hä im Fall scho geschter ghälfe abwäsche! Brig, Aber ich han im Fall scho geschtär ghälfä abwäschä Oberwald VS. d) 2 Mal wird eine inhaltlich gänzlich andere Variante präferiert. e) Einmal ist die Variante nicht interpretierbar. 7. Weitere Bemerkungen a) Die Verwendung eines Ersatzinfinitivs helfen wird in der Literatur mehrfach erwähnt, was angesichts der sehr eingeschränkten Präferenz in unseren Daten auffällig ist. Binz (1888: 72) führt für Basel den Ersatzinfinitiv bei helfen in 3-2-Stellung an. Daneben erwähnt Suter (1976: 104 - 105) für Basel explizit die variative Verwendung von Ersatzinfinitiv und Partizip beim Verb ‚ helfen ‘ in Stellung 2-3, ebenso Marti (1985: 161) für BE sowie Hodler (1969: 578, aber auch 547). Suter (1992: 88) führt für Basel nur noch ein Beispiel mit IPP (2-3) an. Weber (1948: 172) qualifiziert den Ersatzinfinitiv von helfen für ZH als „ nur ländlich “ , was in unseren Daten nicht (mehr) bzw. nur mit Akzeptanz nachweisbar ist. Auch Lötscher (1978: 2) gibt für ZH ein Vordringen des Partizips, unter hochdeutschem Einfluss, an, vermittelt aber den Eindruck, normalerweise werde der Ersatzinfinitiv verwendet. Fischer (1960: 267) betont die Bevorzugung des Partizips in LU (Abfolge 2-3), Frey (1906: 34) nennt den Gebrauch des Partizips II „ regelmässig “ . Weise (1906 a: 198) verzeichnet unter Berufung auf von Greyerz (1904: 134 - 135) für das Schweizerdeutsche nur das Partizip. Schmid (2005: 28 - 29, 205 - 206, 208 - 209) belegt den Ersatzinfinitiv bei Benefaktivverben - auf schmaler empirischer Basis - variativ für SG und ZH, wohingegen er für BE als fraglich markiert ist (2005: 23). b) In Frage I.8 überwiegt sowohl mit der Partizipialform als auch mit IPP die Stellung 2-3 in der rechten Satzklammer deutlich. Für die insgesamt seltene Stellung 3-2 gibt es zusammen mit IPP neben den suggerierten Sätzen keine authentischen Belege, vgl. aber unter 7 a die älteren Angaben zu Basel. Die Aussagen in der Sekundärliteratur sind häufig nicht explizit auf die verschiedenen Verbalklassen bezogen, vgl. daher grundsätzlich auch die Literatur zu I.3. c) Der Status der 3 Mal präferierten Form hulfe (Aesch, Laufen BL und Aeschi SO) ist schwer zu beurteilen. Hodler (1969: 578) nennt holffe, hulffe (mit Belegen aus BE und SO) ‚ Kompromißformen ‘ , bewertet sie aber wohl als Partizipien. Da solche präfixlosen Formen auch im Id. (2: 1192) für SO als reguläres Partizip II (also ohne nachfolgenden Infinitiv) angegeben werden, sind sie bei Frage I.8 als Partizip gewertet worden. Baumgartner (1922: 158) scheint die Form für das Berner Seeland eher als IPP zu bewerten. Schallert (2014 a: 224) verzeichnet ebenfalls einen solchen (unklaren) Beleg für Vorarlberg. d) Die Form ghälfe/ ghälfä, die in der Sekundärliteratur nicht erwähnt wird, erscheint je einmal in Brig und Oberwald VS. Es könnte sich sowohl um eine präfigierte Infinitivform als auch um ein nach dem Infinitivstamm ausgeglichenes starkes Partizip II handeln. Infinite Hybridformen sind insbesondere für Modalverben in Mehrverbkomplexen verschiedener Dialekte belegt, wobei es sich aber meist um schwache Partizipialbildungen ohne ge-Präfix handelt, vgl. Höhle (2006) sowie Schallert (2014 a, 186 - 190), der beim Verb helfen auch morphologische Effekte bei abhängigen Infinitiven diskutiert (2014 a, 192 - 193), die jedoch nicht mit dem vorliegenden Fall in Zusammenhang gebracht werden können. 3.2 Ersatzinfinitiv 213 e) Die Form g ’ hälft, die ebenfalls in der Sekundärliteratur nicht erwähnt wird, erscheint einmal in Aesch BL. SDS (III: 5 III) belegt schwache Partizip-Formen nicht für dieses Verb. Das ge-Präfix und das Dentalsuffix legen allerdings die Interpretation als Partizip II nahe, weshalb die Form hier als solches gewertet wurde. Es ist aber bemerkenswert, dass solche auffälligen Formen, vgl. auch 7 c, dort auftreten, wo auch IPP- Konstruktionen geläufig sind. f) Die wenigen Fälle, in denen der Infinitiveinleiter zu gebraucht wird, erscheinen nur mit Partizip II in Stellung 2-3. Hodler (1969: 547) erwähnt den Infinitiveinleiter als selten, nach Frey (1906: 34) fehlt er „ regelmässig “ . g) Schallert (2014 a: 191, 224) zeigt für Vorarlberg, dass der Ersatzinfinitiv bei dem Benefaktivverb helfen praktisch ausgeschlossen ist, was die Angaben von Weise (1906 a) zum Vorkommen im Oberdeutschen - mit Ausnahme des Schweizerdeutschen, was aber nicht (mehr? ) ganz zu den heutigen SADS-Daten stimmt - ergänzt bzw. korrigiert. Zur Syntax des Benefaktivverbs vgl. ausserdem Schallert (2013: 128). Bezüglich der Stellung der Verbalteile in der rechten Satzklammer beim Verb helfen verzeichnet Schallert (2014 a: 205 - 207) die Varianten 2-(x)-3 und 3-2 (in der Notation 1-(x)-2 und 2-1) für das Vorarlberger Alemannische, wobei die Stellung 2-3 nur knapp dreimal häufiger ist und damit nicht in gleicher Weise dominiert wie in den SADS-Daten. Zur Diskussion der Verhältnisse in den Nachbardialekten, auch auf Basis der SADS- Daten zu Frage I.8, vgl. Schallert (2014 a: 192 - 194, 225). Zu den Verhältnissen in Hessen, das nach den jüngsten Erhebungen insgesamt eine ausgeglichene Verteilung der vier möglichen Varianten aufweist, vgl. Luks & Schwalm (2017: 176 - 177 sowie 178 - 179). Beide Verbformen führt auch Mottausch (2009: 271 - 272) an, wobei er das Partizip in 3-2-Stellung als ‚ modern ‘ kennzeichnet (301). Literatur Baumgartner 1922 ▪ Binz 1888 ▪ Duden 4 ▪ Fischer 1960 ▪ Frey 1906 ▪ Hodler 1969 ▪ Höhle 2006 ▪ Id. 2 ▪ Lötscher 1978 ▪ Luks & Schwalm 2017 ▪ Marti 1985 ▪ Mottausch 2009 ▪ Schallert 2013 ▪ 2014 a ▪ Schmid 2005 ▪ SDS III ▪ Suter 1976 ▪ 1992 ▪ von Greyerz 1904 ▪ Weber 1948 ▪ Weise 1906 a Bezug auf SADS-Material Schallert 2014 a: 194 3.2.3 Ersatzinfinitiv (lernen) Frage II.7 (A) - I CH HABE ERST MIT VIERZIG FAHREN GELERNT 1. Kartenthema und Datengrundlage Auch bei dem neben ‚ helfen ‘ (I.8) als Benefaktivverb klassifizierten Verb ‚ lernen ‘ (Schmid 2005: 10) - das im Schweizerdeutschen weiträumig nicht von ‚ lehren ‘ unterschieden ist, vgl. SDS (V: 15) - kann, wie unter bestimmten Bedingungen auch im Standarddeutschen (Duden 4: 476), im Perfekt ein Ersatzinfinitiv auftreten, sofern ein weiterer abhängiger Infinitiv vorliegt. Zum Verb ‚ lernen ‘ wurden mehrere Fragen gestellt (II.7, IV.21, IV.25), wobei in der vorliegenden Ankreuzfrage die Gewährspersonen gebeten waren, in einem Hauptsatz zwei Varianten mit Ersatzinfinitiv und Partizip II, jeweils in Stellung 2-3 und 3-2, zu bewerten. Von den vier möglichen Varianten sind zunächst die beiden Konstruktionen mit Ersatzinfinitiv vorgegeben, dann folgen die Partizipialvarianten, jeweils zuerst 2-3, dann 3-2. Kartiert wird die Verteilung von Partizip II und Ersatzinfinitiv als präferierte Varianten. Die präferierte Abfolge der verbalen Teile wird mittels ► Beikarte (S. 127) dargestellt, vgl. 3, ebenso das Vorkommen des Infinitiveinleiters zu . Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 2922 2913 9 2894 19 2932 214 3 Verbalgruppe 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a GELERNT Partizip II 3 b LERNEN Ersatzinfinitiv Typenbildung GELERNT gleert, glehrt, glernt, glernd, gleernet LERNEN leere, lehre, leerä, leeru, leer, lere, lerä, lerne FAHREN faare, fahre, fahru, z ’ fahrä o. ä. 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Am häufigsten wird mit 2648 Mal an 379 Orten die Variante mit Partizip II gelernt präferiert, nicht in Liesberg BL, Aedermannsdorf, Mümliswil SO, Ligerz BE. In Roggenburg BL, Erschwil, Kleinlützel SO, Pieterlen, Täuffelen, Tüscherz BE, Saas-Grund VS liegen nur Einzelnennungen vor. Die Abfolge der verbalen Teile variiert wie folgt, vgl. ► Beikarte (S. 127): Varianten Anzahl Antworten und Orte GELERNT FAHREN 2-3 2390 Mal an 377 Orten FAHREN GELERNT 3-2 294 Mal an 156 Orten (gesamter östlicher Teil des Erhebungsgebietes bis in die nördlichen Gebiete) 36 Mal davon werden beide Stellungsvarianten nebeneinander präferiert. In Erschwil, Kleinlützel SO wird von je einer Person nur die Abfolge 3-2 mit Partizip II präferiert. Die anderen Gewährspersonen an beiden Orten präferieren Varianten mit Ersatzinfinitiv in der Abfolge 2-3. Beispiele: 2-3: I ha erscht mit vierzgi glernt faare Bühler AR, I han erscht mit vierzg glehrt faren Mürren BE, I han erscht mit vierzgi glehrt fahre Alpnach OW. 3-2: Ich han erscht mit vierzgi faare gleert Küsnacht ZH, I ha ersch mit vierzge faare glernt Flawil SG, I han erscht met vierzgi faare glernt Herisau AR, Ich ha erst mit vierzgi fahrä gleernet Engi GL, I han erscht mti vierzgi fahra glernt Arosa GR. Einmal erscheint die Variante in der Stellung 2-3 mit der Infinitiveinleitung zu : Ich ha erscht mit vierzgi glernt z ’ fahrä Schwanden GL. b) Die Variante mit Ersatzinfinitiv lernen wird 284 Mal an 132 Orten präferiert. Sie kommt am äussersten Nordwestrand des Untersuchungsgebietes mehrheitlich vor, an vier Orten als einzige Variante (Liesberg BL, Aedermannsdorf, Mümliswil SO, Ligerz BE). Im Berner Oberland und in VS ist sie minderheitlich, mit verstreuten Einzelnennungen bis in die Ostschweiz (ohne Zentralschweiz). Die Variante wird insgesamt wesentlich häufiger (834 Mal) akzeptiert, was auch eine grössere Verbreitung in der Osthälfte als bei der Präferenz ergibt, vgl. ► Akzeptanzkarte (S. 126). Die Abfolge der verbalen Teile variiert wie folgt: Varianten Anzahl Antworten und Orte LERNEN FAHREN 2-3 282 Mal an 130 Orten FAHREN LERNEN 3-2 2 Mal an 2 Orten (Gächlingen SH, Schwanden GL) In Gächlingen SH, Schwanden GL wird von je einer Person nur die Abfolge 3-2 mit Ersatzinfinitiv präferiert. Die anderen Gewährspersonen an den beiden Orten präferieren Partizip II in der Abfolge 2-3 bzw. 3-2. Beispiele: 2-3: I ha erscht mit vierzig leerä fahrä Aedermannsdorf, I ha ersch mit vierzgi lere faare Bettlach SO, I ha ersch mit vierzg lehre fahre Giffers FR, Ich hä erst mit viers leeru fahru Betten VS. 3.2 Ersatzinfinitiv 215 Die präferierte Abfolge 3-2 wird nie eigenhändig notiert. Auch von den 30 Gewährspersonen, die insgesamt in verstreuten Einzelnennungen fahren lernen akzeptiert haben, hat keine die Variante selbst notiert. c) Intrapersonelle Variation: präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte GELERNT und LERNEN 19 Personen an 18 Orten (2 Mal in Bern BE, je einmal in Ettingen, Liestal BL, Andelfingen, Eglisau, Uster ZH, Bühler AR, Gurmels, Schwarzsee, Ueberstorf FR, Büren a. A., Diessbach b. B., Grafenried, Langnau, Reichenbach, Steffisburg, Ursenbach (2 FB), Utzenstorf BE) 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ [3 a 2-3, 3-2] hat nicht die gleiche Bedeutung wie [3 b 2-3]. Bei [3 a] ist die Sache abgeschlossen. Bei [3 b] ist dies noch offen. “ , Liestal BL. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ [zu 3 a 2-3, 3-2] beides möglich “ , Muttenz BL. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ [zu 3 a 2-3, 3-2] Es kommt darauf an, ob das Lernen oder das Fahren die betonte ‚ Neuerung ‘ ist “ , Winterthur ZH. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ [zu 3 a, 3 b 2-3] ich brauche beide Formen “ , Büren a. A. BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ [zu 3 a, 3 b 2-3] beides ist möglich “ , Diessbach b. B. BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ [3 b 2-3] beschreibt eher den Prozess des Lernens, [3 a 2-3] ist eher eine sachliche Aussage zum Fahrvermögen “ , Langnau BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] 5. Weitere Varianten keine 6. Unbrauchbare Antworten a) 5 Gewährspersonen präferieren eine Konstruktion mit ‚ anfangen ‘ (insgesamt 18 Mal notiert), davon 3 Mal mit Ersatzinfinitiv in der Abfolge 2-3-4 (I ha eersch mit vierzg afa leere faare Giffers FR), einmal mit Partizip II gelernt und abhängigen Infinitiven, in der Abfolge 2-3-4 (I ha erscht mit vierzgi gleert afo faare Pratteln BL). Einmal wird einfaches Perfekt ohne lernen übersetzt (I han erscht mit vierzg ofo fohra Churwalden GR). b) Einmal wird eine Drei-Verb-Cluster-Konstruktion mit Modalverb ‚ wollen ‘ im Perfekt präferiert: I ha erst mit 40 wele lernen fahre Gais AR. c) Einmal erfolgt eine Topikalisierung des abhängigen Infinitivs: Fahre hani erscht mit vierzgi g ’ lernd Haslen AI. d) Einmal erscheint als einzige präferierte Variante ein Temporalsatz. e) Einmal ist die Variante nicht interpretierbar. 7. Weitere Bemerkungen a) Auch beim Benefaktivverb lernen überwiegt insgesamt sehr deutlich die Verwendung einer Partizipialform. Der Ersatzinfinitiv wird hier aber im Vergleich zur Ankreuzfrage mit dem Verb helfen (I.8, 3 b: 157 Mal an 216 3 Verbalgruppe 79 Orten) fast doppelt so oft und auch an viel mehr Orten präferiert, jedoch in ähnlicher Weise v. a. auf den Westen des Untersuchungsgebiets konzentriert. In der Übersetzungsfrage I.3 mit dem Perzeptionsverb hören kommt der Ersatzinfinitiv aber nochmals deutlich häufiger und fast im gesamten Untersuchungsgebiet vor (768 Mal an 252 Orten, vgl. I.3, 3 b), wenn auch ebenfalls mit einer besonderen Konzentration im Westen. Die im Hinblick auf die intendierte Konstruktion in der rechten Satzklammer unbrauchbareAntwort unter 6 c fügt sich hinsichtlich der Verwendung des Partizips durchaus in das Gesamtbild ein. Auf das Verb lernen gehen die Grammatiken und Handbücher oft nicht explizit ein, und auch das Verhältnis zur Bedeutung ‚ lehren ‘ bleibt z.T. unklar. Binz (1888: 72) nennt für Basel nur den Ersatzinfinitiv. Marti (1985: 161) gibt für BE variative Verwendung von Ersatzinfinitiv und Partizip II beim Verb „ lehre (i. S. von lernen) “ in Stellung 2-3 an, ähnlich auch Hodler (1969: 578). Stucki (1921: 120) stellt IPP für BE in Stellung 3-2 dem Partizip II für ZH in Stellung 2-3 gegenüber. Weber (1948: 172) führt für ZH nur Beispiele mit Partizip in 2-3-Stellung an. Lötscher (1978: 3) erwähnt „ leere (lehren) “ unter den Verben mit Ersatzinfinitiv, bei denen das Partizip unter hochdeutschem Einfluss vordringt, wobei offen bleibt, ob hier ‚ lernen ‘ bewusst ausgeschlossen ist. Fischer (1960: 267) gibt für LU ein Beispiel mit Partizip II an (in Abfolge 2-3), aber ebenfalls in der Bedeutung ‚ lehren ‘ , ebenso Frey (1906: 34) für Kulm AG. Schmid (2005: 28 - 29) subsumiert für BE und ZH bei ihrer Abhandlung der variativ IPP aufweisenden Benefaktivverben auch ‚ lernen ‘ , ohne mögliche Unterschiede gegenüber helfen zu erwähnen, während für SG ohne Kommentar nur ‚ lehren ‘ ( „ teach “ ) erwähnt wird. Schallert (2014 a: 193) verweist in einer ersten Auswertung der SADS-Daten auf die geringe Zahl vorkommender expliziter IPP-Nennungen in der „ Ostschweiz “ . b) In der vorliegenden Frage II.7 überwiegt sowohl mit der Partizipialform als auch mit IPP die Stellung 2-3 in der rechten Satzklammer deutlich. Die Abfolge 3-2 kommt beim Partizip aber häufiger vor als bei der Ankreuzfrage I.8 mit helfen und bei der Übersetzungsfrage I.3 mit hören . Auch hier gibt es für die nur marginal präferierte Stellung 3-2 zusammen mit IPP neben den suggerierten Sätzen keine authentischen Belege. Da in der Sekundärliteratur häufig nicht explizit die verschiedenen Verbalklassen unterschieden werden, lassen sich kaum Vergleiche anstellen. Man vgl. grundsätzlich die Literatur zu I.3. c) Für das VorarlbergerAlemannische kann Schallert (2014 a: 193) keinen Ersatzinfinitiv nachweisen, wobei er explizit ‚ lehren ‘ und ‚ lernen ‘ zusammenfasst, vgl. auch (2014 a: 173). Bezüglich der Nachbardialekte erwähnt Schallert, abgesehen von den SADS-Daten, ‚ lehren ‘ / ‘ lernen ‘ im Hauptsatz nicht, vgl. aber IV.21, 7 b. Einige Angaben zum Vorkommen des Ersatzinfinitivs und zu Stellungsvarianten bei Ersatzinfinitiv und Partizip II in den deutschen Dialekten finden sich bei Weise (1906 a: 197 - 198), vgl. dazu auch Graebisch (1907: 184 - 185). Aus dem Südhessischen gibt Mottausch (2009: 271 - 272) einige Beispiele für variativen Gebrauch. Literatur Binz 1888 ▪ Duden 4 ▪ Fischer 1960 ▪ Frey 1906 ▪ Graebisch 1907 ▪ Hodler 1969 ▪ Lötscher 1978 ▪ Marti 1985 ▪ Mottausch 2009 ▪ Schallert 2014 a ▪ Schmid 2005 ▪ SDS V ▪ Stucki 1921 ▪ Weber 1948 ▪ Weise 1906 a Bezug auf SADS-Material Schallert 2014 a: 193 - 194 3.2.4 Ersatzinfinitiv im Nebensatz (lernen) I Frage IV.21 (A) - I CH HABE NICHT GEWUSST , DASS ER SO SPÄT FAHREN GELERNT HAT 1. Kartenthema und Datengrundlage Zum Benefaktivverb ‚ lernen ‘ mit abhängigem Infinitiv wurden mehrere Fragen gestellt (II.7, IV.21, IV.25), um das Vorkommen eines Ersatzinfinitivs im Perfekt sowie die Stellungsmöglichkeiten in mehrteiligen Verbalkomplexen im Haupt- und Nebensatz zu ermitteln. In der hier ausgewerteten Ankreuzfrage IV.21 wurden die Gewährspersonen gebeten, drei Varianten im Nebensatz zu bewerten. Diese unterscheiden sich nur hinsichtlich der Stellung der verbalen Elemente (1-3-2, 1-2-3, 3-1-2, in dieser Reihenfolge vorgegeben) und 3.2 Ersatzinfinitiv 217 weisen alle ein Partizip II auf. Kartiert wird die Präferenz der suggerierten Partizipialform sowie des zusätzlich genannten Ersatzinfinitivs, der nur in einer einzigen Abfolge als präferierte Variante vorkommt. Die Abfolge der verbalen Teile beim Partizip II wird unter 3 mit ► Beikarte (S. 129) behandelt, ebenso das Vorkommen des Infinitiveinleiters zu . Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 2774 2707 67 2706 1 2708 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a GELERNT Partizip II 3 b LERNEN Ersatzinfinitiv Typenbildung GELERNT gleert, glehrt, glärnt, glärnet, glärnät o. ä. LERNEN leere, leerä, lehre, lernen FAHREN faare, fahre, fahru, z ’ fahrä o. ä. HAT hat, hät, het, hed o. ä. 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Am häufigsten wird mit 2607 Mal eine Variante mit Partizip II ( gelernt ) präferiert. Sie tritt an 382 Ortspunkten mehr als 2 Mal auf und wird einzig in Roggenburg BL nicht präferiert. Zu den im Folgenden aufgelisteten Stellungsvarianten der verbalen Teile vgl. ► Beikarte (S. 129): Varianten Anzahl Antworten und Orte HAT GELERNT FAHREN 1-2-3 (sugg.) 1771 Mal an 379 Orten GELERNT HAT FAHREN 2-1-3 434 Mal an 204 Orten FAHREN GELERNT HAT 3-2-1 330 Mal an 166 Orten HAT FAHREN GELERNT 1-3-2 (sugg.) 78 Mal an 67 Orten FAHREN HAT GELERNT 3-1-2 (sugg.) 26 Mal an 25 Orten GELERNT FAHREN HAT 2-3-1 2 Mal an 2 Orten (Ricken SG, Langwies GR) 34 Mal werden Stellungsvarianten nebeneinander präferiert: Varianten Anzahl Antworten und Orte 3-2-1 und 2-1-3 13 Mal an 13 Orten (Muttenz BL, Bülach ZH, Pfäfers, Schänis SG, Horw, Zell LU, Sarnen OW, Tuggen SZ, Gurtnellen UR, Glarus GL, Chur, Davos Monstein, Malans GR) 1-2-3 und 2-1-3 6 Mal an 6 Orten (Aesch, Zunzgen BL, Nunningen SO, Lenzburg AG, Ermatingen TG, Flawil SG) 1-2-3 und 3-2-1 4 Mal an 4 Orten (Forch ZH, Birwinken, Bottighofen TG, Näfels GL) 1-2-3 und 1-3-2 3 Mal an 3 Orten (Kaisten AG, Zell LU, Schwanden GL) 1-3-2 und 3-2-1 Einmal in Klosters GR 1-2-3 und 3-1-2 Einmal in Rafz ZH 1-2-3, 1-3-2 und 3-1-2 3 Mal an 3 Orten (Pratteln BL, Solothurn SO, Teufenthal AG) 13 Mal erscheint die Variante mit Partizip II mit dem Infinitiveinleiter zu jeweils direkt vor dem Infinitiv, 10 Mal in der Stellung 2-1-3 in Kaiserstuhl, Menziken AG, Hütten, Regensberg ZH, Stein SG, Isenthal, 218 3 Verbalgruppe Maderanertal UR, Glarus GL, Davos Monstein, St. Antönien GR, 2 Mal in Ueberstorf FR und Davos GR in der Stellung 3-2-1 und einmal in Schwanden GL in der Stellung 1-2-3. Einmal steht die Temporalangabe ‚ so spät ‘ zwischen den Verbalteilen: … het so spaat gleert faare Meilen ZH. Beispiele: 1-2-3: … dan er so spoot het gleert faahre Ermatingen TG, … dass er so spaat het glernt z ’ fahrä Schwanden GL. 2-1-3: … dass er so spaat gleert het z ’ faare Hütten ZH, … dass är so spoot glärnt hät fahre Amriswil TG, … dass er so spot gleert het fahre Mosnang SG. 3-2-1: … dass är so spaat faarä gleert hed Brunnen SZ, … dass er so spoot fohra glärnt het Avers, … das är so spat z Fahra glärnät het Davos GR. 1-3-2: … da n'er so spoot hät faarä glärnt Gächlingen SH … dass är so spaat glärnet fahre het Ricken SG. 2-3-1: … das er so spot glernt fahrä hat Ricken SG, … das är so spaat glärnet fahre het Langwies GR. Der vorgegebene Typ fahren hat gelernt 3-1-2 wird zwar 26 Mal zur präferierten Variante erklärt und 152 Mal angekreuzt, aber von keiner Gewährsperson notiert. b) Die Variante mit Ersatzinfinitiv wird 101 Mal an 62 Orten zur präferierten Variante erklärt und insgesamt 116 Mal notiert. Sie tritt einzig in der Abfolge 1-2-3 hat lernen fahren auf. An sehr wenigen Orten am Nordwestrand des Untersuchungsgebietes kommt sie mehrheitlich vor (Ettingen BL, Mümliswil SO, Aarberg, Täuffelen BE), in Roggenburg BL sogar als einzige Variante, ansonsten v. a. in Einzelnennungen in der Westhälfte des Gebiets. Beispiele: … ass är so schpoot hett leerä fahrä Aesch BL, … dass er so spoot het lehre faare Bettlach SO, … dass er so spaat hed leere faare Birmenstorf AG, … das er so spot hät leere fare Frauenfeld TG, … dass er so spet het leere faare Freiburg FR. c) Intrapersonelle Variation: präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte GELERNT und LERNEN 1 Person in Thun BE 4. Bemerkungen der Gewährspersonen keine 5. Weitere Varianten keine 6. Unbrauchbare Antworten a) 57 Gewährspersonen präferieren eine Konstruktion mit angefangen/ afa (insgesamt 135 Mal notiert), wobei von vier Fällen abgesehen, in denen afa unter gelernt eingebettet ist, angefangen/ afa im Perfekt steht, allerdings nur 24 Mal zusammen mit lernen fahren , sonst nur mit einem der beiden Verben: Beispiele: … , dass er so schpot het agfange leere Kaisten AG, … , dass er eso spot agfange het mit leere fahre Haslen AI, … , dass er so spaat aagfange het leere faare Gurmels, … agfange het z ’ fahre Plaffeien FR, … dass är eso spat het afa leeru fahru Betten VS - … het afoh lehre Liestal BL, … hett afa fahre Schwarzsee FR. b) 9 Mal fehlt ein Verbalteil im Nebensatz: Ich ha nüd gwüsst, das er so spout gleert hät Innerthal SZ. c) Einmal ist die Antwort nicht interpretierbar. 7. Weitere Bemerkungen a) Bei Frage IV.21 zum Verbalkomplex mit lernen im Nebensatz werden im Vergleich zur Frage im Hauptsatz (II.7), aber auch zu Frage IV.25 im Nebensatz, relativ viele Antworten mit zusätzlichem Phasenverb ‚ anfangen ‘ gegeben, während bei den Fragen zum Phasenverb dieses oft vermieden wird, vgl. 3.4.3, 6 b (III.8). Da die vorgegebenen Stellungsvarianten, in denen sich IV.21 und IV.25 unterscheiden, kaum dafür verantwortlich sein können, ist zu vermuten, dass der Unterschied durch das spezifische Lexem im abhängigen Infinitiv hervorgerufen worden sein könnte. 3.2 Ersatzinfinitiv 219 b) Die Verbreitung des Ersatzinfinitivs zeigt grundsätzlich das aus Frage II.7 zu lernen im Hauptsatz (sowie I.3 und I.8) bekannte Bild einer Konzentration auf den Nordwesten des Untersuchungsgebiets, wobei deutlich weniger Nennungen an weniger Ortspunkten vorliegen, vgl. dazu 3.2.6. Schallert (2014 a: 194) diskutiert den aufgrund der ausschliesslich vorgegebenen Partizipien besonders aussagekräftigen Befund des SADS gegenüber den Angaben zur räumlichen Distribution in SG und ZH bei Schmid (2005: 29, 32, 54) und Lötscher (1978) kritisch, auch angesichts des praktisch völligen Fehlens von IPP bei Benefaktivverben im angrenzenden Vorarlbergischen. c) Wenn man davon ausgeht, dass die Form (IPP oder Partizip II) einen Einfluss auf die Stellungsmöglichkeiten hat, lassen sich die Ergebnisse der verschiedenen Fragen nicht direkt vergleichen. Insgesamt dominiert bei der Nebensatzfrage IV.21 aber ebenfalls die Stellungsvariante 1-2-3, allerdings nicht so deutlich wie bei den Drei-Verb-Komplexen mit Modalverb (3.1.4, II.6; 3.1.5, II.14), bei denen nur IPP gilt. Die allgemeine Gültigkeit dieser Abfolge wird auch durch Schmid (2005: 52 - 54) im Prinzip bestätigt (s. u. zu SG). Schmid (2005) weist allerdings die Verhältnisse für lernen bei den Benefaktivverben nicht gesondert aus. Angesichts der in der SADS-Abfrage zutage getretenen Unterschiede bei den Hauptsätzen (I.8, II.7) ist eine solche Gleichsetzung problematisch, was im Folgenden berücksichtigt werden muss. In den Antworten auf Frage IV.21 erscheint die wesentlich seltenere, nicht suggerierte Variante mit Ersatzinfinitiv überhaupt nur in der Abfolge 1-2-3, was den Angaben bei Schmid (2005: 53 - 54) nur bezüglich BE entspricht, während für SG 2-1-3 als fragliche Möglichkeit angegeben wird, für ZH neben 1-2-3 dagegen auch 2-3-1 und 3-1-2. Für die Abfolge mit Partizip verzeichnet Schmid (2005: 52) grosse Unterschiede zwischen den Urteilen der (wenigen) Gewährspersonen aus BE, SG und ZH. Während für BE mit Partizip die Abfolge 2-1-3 als weitere, fragliche Möglichkeit besteht, wird für SG nur 2-1-3 zugelassen, während gerade 2-1-3 für ZH als fraglich eingestuft wird und alle anderen Abfolgen möglich sind. In den Antworten zu IV.21 sind die beiden nächsthäufigen Abfolgevarianten (beim Partizip), nämlich 2-1-3 (434 Mal präferiert) und 3-2-1 (330 Mal präferiert), solche, die nicht vorgegeben waren. Diese spielen bei den Modalverbkomplexen (3.1.4, II.6; 3.1.5, II.14) mit obligatorischem IPP fast keine Rolle. Dabei ist die Abfolge 2-1-3, die Schmid (2005: 52) für SG als obligatorisch angibt, bei IV.21 tendenziell als östliche Variante erkennbar, insofern sie in BE und VS gar nicht vertreten ist, in FR und SO mit einer Einzelnennung bzw. nur wenigen Nennungen, vgl. hierzu und zum Folgenden die ► Beikarte (S. 129). Frey (1906: 36) gibt an, dass beim Partizip des Benefaktivverbs in Kulm AG „ immer “ die Stellung 2-1-3 gelte, während bei IV.21 diese Stellung stets in Variation erscheint. Auch die bei den Benefaktivverben vorkommende standardsprachliche Abfolge 3-2-1, die bei den Modalverbkomplexen mit IPP nur marginal erscheint, ist noch etwas stärker als nördliche und östliche Variante zu sehen, abgesehen von verstreuten westlichen Einzelbelegen. Dagegen treten die suggerierten Varianten 1-3-2 (78 Nennungen) und 3-1-2 (26 Nennungen) zwar wiederum nicht im Westen (BE, FR) auf, zumindest 1-3-2 aber im Wallis. Die Abfolge 2-3-1, die nicht suggeriert wurde, wird lediglich ganz marginal präferiert. Wurmbrand (2017: 4624, 4640) schliesst diese bei nicht modalen Verbalkomplexen für das Schweizerdeutsche genannte Abfolge - wie auch 2-1-3 - aus der weiteren Betrachtung der Verbcluster aus. Zum Einfluss der suggerierten Stellungsvarianten vgl. IV.25, 7 c. 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS a) II.7 (A) - I ch habe erst mit vierzig fahren gelernt Bei der auf den Verbalkomplex im Hauptsatz gerichteten Frage gibt es unter den unbrauchbaren Belegen vier Sätze, die als Zusatzmaterial zur vorliegenden Frage IV.21 passen, da sie Drei-Verb-Cluster mit lernen in einem Nebensatz enthalten. Diese Belege lassen sich gut mit den obigen Feststellungen vereinbaren. An zwei Orten in BL erscheinen Ersatzinfinitive in der Abfolge 1-2-3: I bi scho vierzgi gsi, wo ’ n i ha leere faare Aesch, I bij vierzgi worde wo I ha leere faare Effingen BL. Von den beiden Belegen mit Partizip II weist einer ebenfalls 1-2-3-Stellung auf: He ich bi ja scho vierzgi gsi bis ich ha gleert fahre Alpthal SZ. Der östliche Beleg aus Weisstannen SG dokumentiert standardsprachliches 3-2-1: I bi halt scho vierzgi gsi wo ni fare gleert ha. 220 3 Verbalgruppe Literatur Frey 1906 ▪ Lötscher 1978 ▪ Schallert 2014 a ▪ Schmid 2005 ▪ Wurmbrand 2017 Bezug auf SADS-Material Schallert 2014 a: 193 - 194 3.2.5 Ersatzinfinitiv im Nebensatz (lernen) II Frage IV.25 (A) - D AS GLAUBST DU JA SELBER NICHT , DASS SIE SO FRÜH LESEN GELERNT HAT 1. Kartenthema und Datengrundlage In der hier ausgewerteten Ankreuzfrage zum Benefaktivverb ‚ lernen ‘ wurden die Gewährspersonen gebeten, in Ergänzung zu Frage IV.21 drei weitere Stellungsvarianten im Nebensatz, mit dem abhängigen Infinitiv ‚ lesen ‘ , zu bewerten. Vorgegeben wurden die Stellungen 2-1-3, 2-3-1, 3-2-1 (komplementär zu IV.21), alle mit dem Partizip II. Kartiert wird die Präferenz der suggerierten Partizipialform sowie des zusätzlich genannten Ersatzinfinitivs. Die Abfolge der verbalen Teile wird unter 3 a, b mit ► Beikarte (S. 131) behandelt, ebenso das Vorkommen des Infinitiveinleiters zu (3 a). Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 2776 2729 47 2724 5 2734 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a GELERNT Partizip II 3 b LERNEN Ersatzinfinitiv Typenbildung GELERNT gleert, glehrt, gläannat, glant, gleed, gleernt, glärnet, glernt, glärnt LERNEN leere, lehre, leerä, lerä, lere LESEN läse, z ’ läse, läsu o. ä. HAT hat, hät, het, hed, hei, hi o. ä. 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Am häufigsten wird mit 2649 Mal eine Variante mit Partizip II präferiert ( gelernt ). An zwei Orten (Aedermannsdorf, Solothurn SO) wird sie lediglich einmal, an allen anderen 381 Ortspunkten mehrmals präferiert, an 331 Orten wird sie von allen Gewährspersonen präferiert. . Zur Variation in der Abfolge der verbalen Teile vgl. auch die ► Beikarte (S. 131): Varianten Anzahl Antworten und Orte GELERNT HAT LESEN 2-1-3 (sugg.) 1521 Mal an 356 Orten HAT GELERNT LESEN 1-2-3 707 Mal an 226 Orten LESEN GELERNT HAT 3-2-1 (sugg.) 410 Mal an 206 Orten GELERNT LESEN HAT 2-3-1 (sugg.) 43 Mal an 33 Orten (v. a. GR und VS) HAT LESEN GELERNT 1-3-2 14 Mal an 14 Orten (verstreut) LESEN HAT GELERNT 3-1-2 Einmal in Agarn VS 3.2 Ersatzinfinitiv 221 47 Mal werden Stellungsvarianten nebeneinander präferiert: Varianten Anzahl Antworten und Orte 2-1-3 und 3-2-1 34 Mal an 32 Orten 2-1-3 und 1-2-3 4 Mal an 4 Orten (Bibern SO, Sennwald SG, Lenk, Lützelflüh BE) 3-2-1 und 1-2-3 2 Mal an 2 Orten (Wohlerau SZ, Winterthur ZH) 2-1-3 und 2-3-1 Einmal in Pfaffnau LU 2-3-1 und 3-2-1 Einmal in Agarn VS 1-2-3 und 3-1-2 Einmal in Agarn VS 2-1-3, 3-2-1 und 1-2-3 Einmal in Gais AR 2-1-3, 3-2-1 und 1-3-2 Einmal in Winterthur ZH 15 Mal erscheint die Variante mit der Infinitiveinleitung zu , darunter 2 Mal in der Stellung 1-2-3 (Bibern SO, Lungern OW) und 13 Mal in der Stellung 2-1-3 (2 Mal in St. Gallen SG und je einmal in Welschenrohr SO, Menziken, Würenlos AG, Triboltingen TG, Wartau SG, Bühler AR, Appenzell AI, Pieterlen BE, Stans NW, Isenthal UR, Schwanden GL). Beispiele: 2-1-3: … , dass sie so früh gleert hät läse Meilen ZH, … , dass sie so früe gleent het z ’ l ē s ē Appenzell AI. 1-2-3: … hed glehrt z ’ läse Lungern OW, … , dass di aso fruä het gleert läsu Simplon Dorf VS. 3-2-1: … , dass si so früa läsa gleannet häd Oberriet SG. 2-3-1: … , das dia scho so fria glant lasa het Obersaxen GR. 1-3-2: … , dass sie so früh het läse glert Bibern SO. 3-2-1: … , dass schi äso früä läsu het gleert Agarn VS. b) Die Variante mit Ersatzinfinitiv ( lernen ) wird 85 Mal an 55 Orten präferiert, insgesamt 90 Mal notiert. Die Variante kommt im Nordwesten in Aedermannsdorf, Bettlach, Kleinlützel, Solothurn SO, Heitenried FR, Ligerz BE mehrheitlich vor. Die Abfolge der verbalen Teile ist wie folgt: Varianten Anzahl Antworten und Orte HAT LERNEN LESEN 1-2-3 83 Mal an 53 Orten LERNEN LESEN HAT 2-3-1 2 Mal an 2 Orten (Hütten ZH, Saas-Grund VS) In Hütten ZH, Saas-Grund VS wird von je einer Person nur die Abfolge 2-3-1 mit Ersatzinfinitiv präferiert. Die anderen Gewährspersonen an den beiden Orten präferieren Varianten mit Partizip II in derAbfolge 1-2- 3, 2-1-3, 2-3-1 bzw. 3-2-1. Beispiele: 1-2-3: … , dass si so frie het lehrä läsä Roggenburg BL, … , dass si so früeh het lerä läsä Bettlach SO, … , dass si aso früh het leere läse Schwarzsee FR, … , dass si so früech het leere läse Frauenkappelen BE. 2-3-1: … , dass sie so früe leere läse häd Hütten ZH, … , dass schi eso früe leeru läsu het Saas-Grund VS. c) Intrapersonelle Variation: präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte GELERNT und LERNEN 5 Personen an 5 Orten (Huttwil, Oberwichtrach, Pieterlen, Signau, Wynigen BE) 222 3 Verbalgruppe 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ schwierig: [3 a hat gelernt lesen ] oder [3 a gelernt hat lesen ], aber [3 a lesen gelernt hat ] tönt auch gut “ , Sennwald SG. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ Es kommt auch drauf an, was ich hervorhebe: Satz 1 [3 a gelernt hat lesen ] eher gleert, Satz 3 [3 a lesen gelernt hat ] eher läse. “ , Untervaz GR. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] 5. Weitere Varianten keine 6. Unbrauchbare Antworten a) 5 Gewährspersonen präferieren einzig eine Nebensatzkonstruktion mit angefangen/ afa (insgesamt 13 Mal notiert), vgl. 3.4.3, z.T. unter Weglassung von lernen oder lesen : … dass sie so früeh het afo läse Laufen, … , dass sie so früe het afo läse Ziefen BL, … , das si so früeh het afah läsä Aeschi SO, … , dass sie so friäh hed gleerd afa läse/ gleert hed afa läse Buochs NW, … nid, dass sie so früä angfange hed läse Arosa GR. b) 29 Mal wurde einzig eine Konstruktion mit dem Modalverb ‚ können ‘ präferiert (insgesamt 39 Mal notiert), meistens statt lernen . Beispiel: … , dass si so früech het chönne läse Münchenbuchsee BE. c) 7 Mal fehlt eines der verbalen Elemente im Nebensatz. Beispiel: … dass sie so friä gläsä hed Isenthal UR. d) 2 Mal fehlt der Nebensatz. e) Einmal wird der Nebensatz als Hauptsatz formuliert. f) Einmal ist die Antwort inhaltlich gänzlich abweichend. g) 2 Mal ist die Antwort nicht interpretierbar. 7. Weitere Bemerkungen a) Die Auswertung der vorliegenden Frage mit vorgegebenem Partizip ergibt für den Ersatzinfinitiv lernen im Nebensatz ein sehr kleines Verbreitungsgebiet mit sehr niedrigen Quantitäten, noch weniger als in der parallelen Nebensatzfrage IV.21. In der Hauptsatzfrage II.7 zu demselben Verb, bei der der Ersatzinfinitiv unter den vorgegebenen Varianten ist, wird er deutlich häufiger präferiert. Vgl. dazu den Vergleichskommentar 3.2.6. b) Der Ersatzinfinitiv tritt lediglich am äussersten Nordwestrand des Untersuchungsgebietes auf (wie bei IV.21). Im Vergleich zu IV.21 ist auffällig, dass die Variante mit Ersatzinfinitiv in VS nur einmal präferiert wird (Saas-Grund VS), es kein vereinzeltes Vorkommen in der Ostschweiz gibt und es sich an 39 Orten um präferierte Einzelnennungen handelt. Schallert (2014 a: 194) erwähnt das Fehlen von IPP in der Ostschweiz ohne Vorgabe auf der Basis einer ersten Auswertung der SADS-Daten als starkes Indiz dafür, dass diese Variante im Osten nicht bodenständig ist, vgl. IV.21, 7 b. c) Der Vergleich der Stellungsvarianten in den beiden Nebensatzfragen IV.21 und IV.25 ergibt einige deutliche Unterschiede, vgl. die beiden ► Beikarten (S. 129, 131), was angesichts der übereinstimmenden Struktur der beiden Fragen auffällt. Es ist nicht auszuschliessen, dass für diese Häufigkeitsunterschiede auch das unterschiedliche lexikalische Verb mit verantwortlich ist. Die Unterschiede korrelieren aber klar mit den komplementär vorgegebenen Stellungsvarianten. 3.2 Ersatzinfinitiv 223 präferierte Variante IV.21 IV.25 1-2-3 1771 (sugg.) +101 707 +83 1-3-2 78 (sugg.) 14 2-1-3 434 1521 (sugg.) 2-3-1 2 43 (sugg.) +2 3-1-2 26 (sugg.) 1 3-2-1 330 410 (sugg.) Während bei IV.21 die suggerierte Stellung 1-2-3 dominiert, nimmt diese bei IV.25 mit sehr viel weniger Nennungen nur den zweiten Platz ein. Dafür dominiert bei IV.25 sehr deutlich die suggerierte Stellungsvariante 2-1-3, die bei IV.21 immerhin am zweithäufigsten präferiert wird. Die Stellung 2-1-3 wird nach Frey (1906: 36) in Kulm AG beim Partizip II „ immer “ gewählt, was mit den Ergebnissen von IV.25 eher in Einklang zu bringen ist, vgl. ► Beikarte (S. 131), als mit denen von IV.21, vgl. dort 7 c. Explizit erwähnt auch Suter (1992: 99) das - wohl variative - Vorkommen von 2-1-3 beim Partizip II (allerdings für ‚ hören ‘ ). Die beiden Stellungen sind jedenfalls als Hauptvarianten anzusehen, die je nach Vorgabe stärker präferiert wurden. Das führt v. a. in den westlichen Arealen, die bei IV.21 nur 1-2-3 präferiert haben, zu einer stärkeren lokalen Variation, während z. B. in GR, aber auch in anderen Regionen, in denen die (nord)östliche Variante 2-1-3 bei IV.21 schon präsent war, sie in IV.25 - suggeriert - noch deutlicher hervortritt, meist zusammen mit der ebenfalls suggerierten 3-2-1-Variante. Die Variante 3-2-1 ist im Übrigen diejenige, die am wenigsten durch die Vorgabe beeinflusst ist, insofern sie bei beiden Fragen als dritthäufigste Variante mit weniger auffälligem Quantitätsunterschied (330 vs. 410) auftritt. Die beiden in IV.25 nicht-suggerierten Varianten 1- 3-2 und 3-1-2 sind hier nur singulär (3-1-2) und räumlich eingeschränkter (1-3-2), etwa nicht in GR, präferiert. Tendenziell zeigt sich auch bei Frage IV.25 die Stellungsvariation auf das Vorkommen beim Partizip II beschränkt, da beim Ersatzinfinitiv, wie schon bei Frage IV.21, die Stellung 1-2-3 weitaus dominiert, wenn auch neben zwei Fällen isolierter Präferenz für 2-3-1, vgl. 3 b. Zum Vergleich mit den (modalen) Drei-Verb- Komplexen, bei denen sich die Vorgabe nur massgeblich auf die Präferenz der Stellung 3-1-2 auswirkt und ansonsten 1-2-3 klar dominiert, vgl. IV.21, 7 c. Literatur Frey 1906 ▪ Schallert 2014 a Bezug auf SADS-Material Schallert 2014 a: 193 - 194, 225 3.2.6 Ersatzinfinitiv und Partizip II im Vergleich Fragen I.3, I.8, II.7, IV.21, IV.25 1. Einleitung Die Ersatzinfinitivkonstruktion ist im Hauptsatz in drei Fragen mit drei verschiedenen verbalen Lexemen aus den Perzeptions- und Benefaktivverben ( ‚ hören ‘ , ‚ helfen ‘ , ‚ lernen ‘ ) erhoben worden. In zwei weiteren Fragen wurde das Lexem ‚ lernen ‘ im Nebensatz erfragt. Es ergeben sich Ähnlichkeiten und Unterschiede in der Distribution des Ersatzinfinitivs über die Fragen hinweg. Die Präferenz des Ersatzinfinitivs kann sehr unterschiedlich grosse Areale einnehmen. Das hängt von der Verbalklasse des Lexems ab, wie das grundsätzlich bereits in der Literatur erwähnt ist, vgl. Schmid (2005: 11, 28 - 29, 32). Gemeinsam ist den untersuchten drei Lexemen, dass der Ersatzinfinitiv in jedem Fall im Westen und Nordwesten des 224 3 Verbalgruppe Untersuchungsgebiets auftritt, dass diese Region also als Kernzone anzusehen ist. Beim Hauptsatz lassen sich die drei Lexeme vergleichen. 2. Ersatzinfinitiv und Verbklassen: Vergleich im Hauptsatz Die ► Vergleichskarte 1 (S. 132) zeigt, dass der Ersatzinfinitiv in einer Kernzone im Westen bei allen drei Lexemen vorkommt. IPP ist beim Benefaktivverb ‚ helfen ‘ einerseits in dieser Kernzone belegt, andererseits erscheint er auch im Wallis recht regelmässig und es gibt einige sporadische Einzelnennungen im Norden und Osten. Über die westliche Kernzone hinaus ist beim Verb ‚ lernen ‘ eine lockere Streuung weiter nach Osten bis GR, aber ohne die Zentralschweiz, festzustellen. Beim Perzeptionsverb ‚ hören ‘ tritt IPP über das Gesamtgebiet weiter verteilt auf, seltener aber auch in Teilen der Zentralschweiz. Es gibt auch keinen Ort, an dem bei allen drei Fragen nur IPP aufträte. In Aedermannsdorf, Mümliswil SO, Ligerz BE tritt bei den Verben ‚ hören ‘ und ‚ lernen ‘ nur IPP auf, d. h. ‚ helfen ‘ ist insgesamt das Verb, das am wenigsten IPP-affin ist, was man auch an den absoluten Zahlen ablesen kann. Regionen, die umgekehrt in keinem Fall IPP aufweisen, bilden Teile der Zentralschweiz sowie das Lötschental VS. Im Wallis präsentieren sich die Verhältnisse insgesamt etwas anders, da dort gerade bei ‚ helfen ‘ IPP an den meisten Orten belegt ist. Es fehlt der sonst weit verbreitete IPP bei ‚ hören ‘ im unteren Teil des Haupttals sogar ganz, ebenso wie IPP bei ‚ lernen ‘ . Bei einem quantitativen Vergleich ist zu bedenken, dass Frage I.3, die das grösste Areal für den präferierten Ersatzinfinitiv ergibt, eine Übersetzungsfrage war, die Fragen I.8 und II.7 jedoch Ankreuzfragen waren, vgl. folgende Tabelle. Frage (IPP im Hauptsatz) Anzahl Antworten und Orte I.3 (Ü) 768 Mal an 252 Orten notiert I.8 (A) 157 Mal an 79 Orten präferiert 381 Mal an 182 Orten akzeptiert II.7 (A) 284 Mal an 132 Orten präferiert 834 Mal an 279 Orten akzeptiert Es ist aber kaum anzunehmen, dass die Vorgabe der standarddeutschen Ersatzinfinitivkonstruktion bei I.3 in der Übersetzung einen grösseren Einfluss auf die Antworten gehabt haben könnte als die Vorgabe der dialektalen IPP-Konstruktionen bei den Ankreuzfragen I.8 und II.7, so dass tatsächlich von lexikalisch bedingten Unterschieden ausgegangen werden kann. 3. Der Ersatzinfinitiv im Vergleich aller fünf Fragen Über den Vergleich innerhalb des Hauptsatzes hinaus kann andererseits mit Hilfe der verschiedenen Fragen zum Lexem ‚ lernen ‘ (II.7, IV.21, IV.25) eventuell ein möglicher Unterschied zwischen der Verwendung im Hauptsatz und im Nebensatz untersucht werden, zumal alles Ankreuzfragen sind. Allerdings war in den Nebensatzfragen IPP nicht vorgegeben. Dabei ist auffällig, dass im Nebensatz - abgesehen von wenigen verstreuten Einzelpräferenzen - die Kernzone des IPP eindeutig im Westen (und dabei weniger im Südwesten) liegt, vgl. ► Vergleichskarte 2 (S. 133). Während die Zahlen für das Partizip II in den drei Ankreuzfragen zu ‚ lernen ‘ nur wenig voneinander abweichen, vgl. II.7, 3 a (2648), IV.21, 3 a (2607), IV.25, 3 a (2649), wird im Hauptsatz (II.7) deutlich mehr IPP präferiert als in den beiden Nebensätzen, in denen IPP nicht vorgegeben war, vgl. die folgende Tabelle. Im Hauptsatz gibt es bei ‚ lernen ‘ noch Ausläufer in Richtung Ostschweiz, im Nebensatz nur sehr vereinzelt bei ‚ fahren lernen ‘ , nicht jedoch bei ‚ lesen lernen ‘ . Es liegen im Nebensatz also viel weniger Orte und geringere Quantitäten vor, was vermutlich auch damit zusammenhängt, dass IPP-Varianten nicht vorgegeben waren. Frage (IPP bei ‚ lernen ‘ ) Variante Anzahl Antworten und Orte II.7 (A) FAHREN LERNEN 284 Mal an 132 Orten präferiert IV.21 (A) FAHREN LERNEN 101 Mal an 62 Orten präferiert IV.25 (A) LESEN LERNEN 85 Mal an 55 Orten präferiert 3.2 Ersatzinfinitiv 225 Dass der Ersatzinfinitiv bei Suggestion deutlich stärker präferiert wird als in dem Fall, in dem die Gewährspersonen erst einmal IPP gegen die Vorlage selbst notieren müssen, um es dann präferieren zu können, findet eine Parallele darin, dass der Ersatzinfinitiv, dort wo er vorgegeben ist, in noch deutlich stärkerem Masse akzeptiert wird: IPP helfen (I.8, 3 b) wird insgesamt wesentlich häufiger (381 Mal), auch in zusätzlichen Regionen, akzeptiert, IPP L ernen (II.7, 3 b) wird noch häufiger (834 Mal) akzeptiert als präferiert, wobei sich auch eine grössere Verbreitung in der Osthälfte zeigt. Dass eine Variante wesentlich stärker akzeptiert wird, wenn sie vorgegeben ist, kann, gerade wenn sie als Standardvariante eingestuft wird, möglicherweise durch Einfluss des Standarddeutschen zumindest auf die passive Kompetenz erklärt werden. Interessant ist aber in diesem Fall, dass verschiedene Gebiete, v. a. in der Zentralschweiz, diesem Einfluss offenbar nicht unterliegen. 4. Ersatzinfinitiv und Serialisierung Der Ersatzinfinitiv ist als eher westliche Variante tendenziell an die Abfolge 2-3 im Hauptsatz und 1-2-3 im Nebensatz gebunden. Es liegen jeweils nur wenige Belege für 3-2 vor, die v. a. aus der östlichen Hälfte der Deutschschweiz stammen, vgl. I.3, I.8, II.7, jeweils 3 b. Beim Partizip II sind die Werte für 3-2-Stellung zwar ebenfalls niedrig, aber insbesondere bei gelernt (II.7) fällt der Unterschied gegenüber der IPP-Konstruktion auf. Frage (Hauptsatz) Variante Anzahl Antworten und Orte I.3 (Ü) Partizip GEHÖRT KOMMEN 2-3 1772 Mal an 358 Orten KOMMEN GEHÖRT 3-2 36 Mal an 34 Orten (im Osten und Norden) IPP HÖREN KOMMEN 2-3 762 Mal an 250 Orten KOMMEN HÖREN 3-2 6 Mal an 6 Orten (Möhlin AG, Grüt ZH, Oberriet, St. Gallen, Wildhaus SG, Obersaxen GR) I.8 (A) Partizip GEHOLFEN ABWASCHEN 2-3 2976 Mal an 382 Orten ABWASCHEN GEHOLFEN 3-2 34 Mal an 29 Orten (am nördlichen Rand bis GR) IPP HELFEN ABWASCHEN 2-3 152 Mal an 76 Orten ABWASCHEN HELFEN 3-2 5 Mal an 5 Orten (Metzerlen SO, Roggwil TG, Berneck, Valens SG, Inden VS) II.7 (A) Partizip GELERNT FAHREN 2-3 2390 Mal an 377 Orten FAHREN GELERNT 3-2 294 Mal an 156 Orten (Osten bis in die nördlichen Gebiete) IPP LERNEN FAHREN 2-3 282 Mal an 130 Orten FAHREN LERNEN 3-2 2 Mal an 2 Orten (Gächlingen SH, Schwanden GL) Im Nebensatz gilt beim Ersatzinfinitiv praktisch ausschliesslich die Abfolge 1-2-3, ausser bei zwei verstreuten Belegen mit 2-3-1 bei lesen lernen (IV.25, 3 a). Die über das Gesamtgebiet verstreuten präferierten Partizipialformen weisen dementsprechend verschiedene Stellungstypen auf, wobei die Abfolgen 1-2-3 und 2-1-3 die beiden häufigsten Typen darstellen. Dabei ist die Variante, die suggeriert wurde, jeweils die häufigere, vgl. IV.21 und IV.25, jeweils 3 a. Literatur Schmid 2005 226 3 Verbalgruppe 3.3 Position und Verdoppelung von lassen 3.3.0 Einleitung Im Schweizerdeutschen kann das Verb ‚ lassen ‘ in der Verbindung mit einem abhängigen Infinitiv zusätzlich mit einer infinitivartigen Partikel wiederholt werden (Id. 3: 1399; SDS III: 263; Stucki 1921: 122). Es gehört damit zur Gruppe der Verdoppelungsverben (neben ‚ kommen ‘ , ‚ gehen ‘ und ‚ anfangen ‘ ), vgl. dazu grundlegend Lötscher (1993). Dabei nimmt ‚ lassen ‘ , wie im Standarddeutschen (Bader 2014), im Perfekt, wenn es einen Infinitiv regiert, statt der Form des Partizips II meist die Form des Infinitivs ( ‚ Ersatzinfinitivs ‘ , IPP) an (vgl. Id. 3: 1393 „ durchweg “ ), der in dieser Position in der Regel im Schweizerdeutschen eine Kurzform aufweist. Verbgruppen mit dem Verb ‚ lassen ‘ und Infinitiv bzw. Ersatzinfinitiv sind ausserdem wie andere Verbcluster von Stellungsvariation betroffen, vgl. SDS (III: 262). Zu diesem Themenkomplex sind insgesamt drei Übersetzungsfragen gestellt worden. Mit Frage II.1 (,Hast du die Uhr flicken lassen? ‘ ) wurde ‚ lassen ‘ im Perfekt und damit das Vorkommen eines Ersatzinfinitivs erfragt, mit II.3 ( ‚ Er lässt den Schreiner kommen. ‘ ) eine eventuelle Verdopplung im Indikativ Präsens und mit Frage II.5 ( ‚ Ihr dürft alles liegen lassen ‘ ) die Stellung von ‚ lassen ‘ in der rechten Verbalklammer im Hauptsatz in Abhängigkeit von einem Modalverb. Die Fragen weisen ‚ lassen ‘ in kausativer (II.1, II.3) und kontinuativer (II.5) Funktion auf (vgl. Schallert 2014 a: 174 - 175). Da bei Frage II.5 eine grössere Zahl nicht-intendierte Antworten mit ‚ lassen ‘ im Imperativ gegeben wurden, wird dafür ein zusätzlicher Kommentar erstellt, der die Ergebnisse aus II.3 ergänzt. Die Kommentare 3.3.1-3.3.4 sowie die entsprechenden Karten zeigen die Stellung sowie die Verdoppelung zuerst anhand des Präsens (II.3) sowie im Imperativ (II.5), danach die Verhältnisse im Perfekt (II.1) und die Stellung des Infinitivs nach Modalverb (II.5). Bucheli Berger (in Druckvorb.) hat der Syntax der ‚ lassen ‘ -Konstruktionen auf der Basis der Daten der SADS-Erhebung eine ausführliche vergleichende Untersuchung gewidmet, die auch auf Sprachwandelfragen und Zusammenhänge mit anderen erhobenen syntaktischen Phänomenen eingeht. In ihrer Arbeit findet sich auch eine Analyse der für die Beurteilung der syntaktischen Konstruktion möglicherweise relevanten Langvokalgraphien der Verdoppelungspartikel bzw. der Kurzform des Infinitivs. Diese werden in den folgenden Kommentaren ebenfalls festgehalten, aber nicht eigens besprochen. Zur Einordnung der Kurzformen je nach Lautgestalt und Position als Partikeln oder Infinitive vgl. die Diskussion bei Bucheli Berger (in Druckvorb.) sowie Schmidt (2000) zum Zürichdeutschen. Bezüglich der Position von ‚ lassen ‘ in der rechten Satzklammer in verschiedenen Satzkonstruktionen kann Wolfensberger (1967: 139 - 140, 182) einen im Gang befindlichen Sprachwandel im Zürichdeutschen nachweisen. Literatur Bader 2014 ▪ Bucheli Berger in Druckvorb. ▪ Id. 3 ▪ Lötscher 1993 ▪ Schallert 2014 a ▪ Schmidt 2000 ▪ SDS III ▪ Stucki 1921 ▪ Wolfensberger 1967 3.3.1 Position und Verdoppelung von lassen (Präsens) Frage II.3 (Ü) - E R LÄSST DEN S CHREINER KOMMEN 1. Kartenthema und Datengrundlage In der Frage II.3 wurden die Gewährspersonen gebeten, einen Satz im Präsens mit finitem kausativen lassen und abhängigem Infinitiv in ihren Dialekt zu übersetzen. Die Frage war auf das Auftreten einer das finite Kausativverb verdoppelnden infinitivartigen Partikel vor dem abhängigen Infinitiv gerichtet, wie sie für einzelne schweizerdeutsche Dialekte - variativ - belegt ist (Id. 3: 1399; SDS III: 263; Hunziker 1888: 168; Frey 1906: 35; Stucki 1921: 122; Fischer 1960: 359; Marti 1985: 172 - 173; Hodler 1969: 545 - 546; Bossard 1962: 89; Henzen 1927: 214; Weber 1948: 247), vgl. 7 a, c. 3.3 Position und Verdoppelung von lassen 227 Die ► Hauptkarte (S. 134) bildet die Verbreitung der einfachen Konstruktion und der Verdoppelungskonstruktion ab. Die Stellungsvarianten werden im Text besprochen. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 2919 2731 188 2707 24 2755 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a LÄSST KOMMEN 3 b LÄSST LA KOMMEN Verdoppelung Typenbildung LÄSST laat, lost, leet, lasst, losst, loodt, leht, leät, let, lout, laout, lout, loth, lot, leit, lut o. ä. LA la, laa, lan, laan, lo, loo, lou o. ä. KOMMEN choo, mache, hole, flickä o. ä. 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Am häufigsten wird mit 1415 Mal an 296 Orten die Variante lässt kommen (mit einfacher Realisierung des Verbs im Indikativ Präsens) übersetzt. Diese Variante tritt sowohl im Osten als auch im Westen auf, dazwischen kommt sie in einem Streifen von SO über die Innerschweiz bis ins VS (praktisch) nicht vor. Neben Variationszonen in ZH und GR tritt die Variante im Osten grossflächig als einzige auf, im Westen steht sie immer in Variation. In VS tritt sie nur an zwei Orten auf. Im Übergangsgebiet des Zürcher Oberlands nimmt die Variante mit Ausnahme von Bauma immer mindestens 50 % ein, vgl. ► Prozentkarte (S. 135). Beispiele: Är lost dr Schriner ko Bettingen BS, Är loht dr ’ Schryner cho! Gelterkinden BL, Er loht de Schriner cho Basadingen TG, Är laat dr Schriiner cho Trub BE, Er latt den Schriener cho Marbach LU, Er laad dr Schriner cho Isenthal UR, Er laat dr Schriner chu Elm GL, Är lad den Schriener cho Langwies GR, Är lad du Schrener cho Fiesch VS. b) Fast gleich häufig wird mit 1340 Mal an 268 Orten die Variante lässt la kommen mit Verdoppelungspartikel übersetzt. Weit überwiegend steht la direkt vor dem Infinitiv und nach der Nominalphrase. Stellung von la und der Objekts-NP: Varianten Anzahl Antworten und Orte LÄSST … LA KOMMEN 1336 Personen an 268 Orten (davon 56 Mal mit Langvokalgraphie der Partikel, sonst mit Kurzvokalgraphie) LÄSST LA … KOMMEN 6 Personen an 6 Orten (Bibern SO, Zofingen AG, Lungern OW, Isenthal UR, Visp, Zermatt VS) ( LA immer mit Kurzvokal) 2 Mal werden die Stellungsvarianten nebeneinander übersetzt: Zofingen AG, Lungern OW. Das Gebiet der Verdoppelung erstreckt sich vom Westen bis in die Zentralschweiz und bis ins Zürcher Oberland. In einem mittleren Streifen und in VS kommt sie häufig als einzige Variante vor, sonst in Variation mit unterschiedlichen Mehrheitsverhältnissen, vgl. ► Prozentkarte (S. 135). Zudem tritt die Variante an mehreren Walserorten in GR, z. T. mehrheitlich, auf. lässt … la kommen : Er lott dr Schriiner lo cho Aesch BL, Wen lasch eigentlich de Schriner la cho? Elfingen, Er lot de Zimmermaa lo cho Stein AG, Er lath dä Schriner la cho Meilen, Er lot de Schriner lo cho Wald ZH, Är lad den Schriiner laan chun Guttannen, Är lat der Schriener la cho Steffisburg BE, Er lood de Schriner lo cho Hünenberg ZG, Är laat in Schreinär laan choon Ferden, Er lat der Schreiner la cho Brig VS. 228 3 Verbalgruppe lässt la … kommen : Är loht lo ne Schriner cho Bibern SO, Er laad la dr Schriner cho Isenthal UR, Är lat la dr Schreiner cho Visp VS. c) Intrapersonelle Variation: übersetzte Varianten Anzahl Personen und Orte LÄSST KOMMEN und LÄSST LA KOMMEN 24 Personen an 22 Orten (je 2 Mal in Gelterkinden, Pratteln BL, je einmal in Höstein, Liesberg BL, Leibstadt, Stein AG, Bassersdorf, Bauma, Fällanden, Langnau a. A., Unterstammheim, Uster, Zürich ZH, Düdingen FR, Erlach, Habkern, Rüeggisberg, Ursenbach (2 FB), Wangen a. A. BE, Alpnach, Lungern OW, Ferden VS) 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ 1. ‚ Er lot dr Schriiner lo cho ‘ (unteres Baselbiet), 2. ‚ Er tuet dr Schriiner cho lo ‘ (oberes Baselbiet) “ , Aesch BL. - „ Er laat de Schriner cho. oder: Er holt de Schriner (beide Versionen etwa gleichberechtigt “ , Bassersdorf ZH. - „ Er loot de Schriner cho. (2. Wahl). Er loot de Schriner lo cho. (1. Wahl) “ , Bauma ZH. - „ Er laat de Schriiner la choo. ev. Er laht de Schriiner choo. “ , Langnau a. A. ZH. - „ Er laat de Schriiner choo. (weniger gebräuchlich: Er laat de Schriiner la choo). “ , Uster ZH. - „ Är lahd dr Schreyner la cho. Seltener: ‚ Är prichted im Schreyner, är sell cho ‘“ , Wolfenschiessen NW. - „ Er laat dr Schriner chu. ‚ lässt kommen ‘ wird in unserem Dialekt eigentlich nicht verwendet. Benutzt wird ein Ausdruck wie: Er brichtet am Schriner “ , Elm GL. - „ Är laad ’ n Schreinär la choon. (oder) Är laad ’ n Schreinär choon. (seltener! ) “ , Ferden VS. 5. Weitere Varianten keine 6. Unbrauchbare Antworten 188 Gewährspersonen haben eine (184) oder zwei (4) unbrauchbare Antworten übersetzt. Es gibt insgesamt 192 unbrauchbare Antworten. a) Einmal wird der vorgegebene Satz einzig als Imperativ mit verdoppeltem ‚ lassen ‘ übersetzt: Lo dr Schriner loh cho Stüsslingen SO. b) 62 Personen geben als einzige Antwort eine Übersetzung im Perfekt (insgesamt 65 Personen). Beispiele: Er hät dr Schreiner chu lu Flums SG, Är het dr Schriner glo cho Safien GR, Äs het dr Schreiner la cho Mörel VS. c) 22 Mal wird über das Gesamtgebiet verstreut die Kausativphrase unter ein Modalverb (z.T. im Perfekt) eingebettet als einzige Variante verwendet (insgesamt 23 Mal), vgl. II.5 (Modalverb). Beispiele: Er het müessä dr Schrjener lo cho Pratteln BL, I mues de Schriiner la choo la Küsnacht ZH. d) 3 Mal wird die Kausativphrase in eine tun-Periphrase eingebettet als einzige Variante übersetzt (insgesamt 5 Mal). Beispiel: Är duäd dä Schrinär la cho Weggis LU. e) 2 Mal wird eine Modalverb-Konstruktion ohne ‚ lassen ‘ übersetzt: Dr schriner mues choo Matten, Dir Schriner söllti is cho Kandersteg BE. f) 63 Mal wird verstreut über das ganze Erhebungsgebiet die kausative Periphrase als einzige Variante mit einem anderen Verb übersetzt (insgesamt 90 Mal), davon 28 Mal mit ‚ berichten ‘ und 12 Mal mit ‚ bestellen ‘ : Beispiele: Er brichted em Schriener Kaiserstuhl AG, Er pschtelt de Schriner Waldstatt AR, Är bschteut der Schriener Steffisburg BE, Är tuet im Schriner brechte Neuenkirch LU, Är gäid um dä Schräiner Langwies GR. 3.3 Position und Verdoppelung von lassen 229 g) 3 Mal wird die Kausativ-Konstruktion in eine subordinierende Konstruktion aufgelöst: Ich hann am Schriener dä uftrag gäh zum flicke Langnau a. A. ZH, Mer mönd en Schriener ha zum repariere Alpthal SZ, Är seid im Schreinär fer z choon Blatten VS. h) 28 Mal erfolgt eine abweichende Übersetzung als einzige Variante. i) Einmal ist die Antwort unvollständig. j) 3 Gewährspersonen haben als einzige Antwort den Kontext weiterformuliert. k) 4 Mal wird einzig die Vorlage hochdeutsch übersetzt. 7. Weitere Bemerkungen a) Bei dem vorliegenden Thema handelt es sich um eines der wenigen syntaktischen Phänomene, die auch im SDS erfasst sind (III: 263). Ein Vergleich mit der entsprechenden SDS-Karte, die v. a. auf dem Imperativsatz ‚ lass ihn gehen ‘ beruht (mit Angabe von Zusatzmaterial aus Fragen mit finitem ‚ lassen ‘ ), zeigt eine grosse Übereinstimmung bezüglich der in der vorliegenden Frage II.3 erkennbaren Kernzone der Verdoppelung in der Zentralschweiz bis in den Südwesten des Kantons SO sowie im Wallis. Die Verdoppelung tritt in II.3 aber weiter verbreitet auf, im Westen und v. a. im Norden (BE, FR, BL), wo es anders als auf der SDS-Karte praktisch keine Orte mit alleiniger Geltung der einfachen Variante gibt. Auch im Zürcher Oberland weist das SADS-Material etwas mehr Verdoppelung auf als der SDS. In GR dagegen, wo die Verdoppelung im SDS an einigen Walserorten z.T. exklusiv dokumentiert ist, findet sich bei II.3 die Verdoppelung nur variativ. Die beiden Karten stimmen jedoch in der scharfen Grenze zwischen der Innerschweiz und GL überein. Vgl. Bucheli Berger (in Druckvorb.) zu einer ausführlichen Analyse und möglichen diachronen Interpretation dieser Unterschiede. Auf der Basis der Punktsymbolkarte des SDS (III: 263) hat Lötscher (1993: 196) eine Karte erstellt, die die Geltungsareale der beiden Varianten, allerdings ohne Berücksichtigung von GR, grossflächig zusammenfasst. Er hebt hervor, dass die Distribution der Varianten trotz grundsätzlicher Beschränkung der Verdoppelung auf den Westen (einschliesslich VS) nicht ganz dem bekannten Ost-West- Schema folgt, was er als Folge eines sekundären Rückgangs der Verdoppelung in BE ansieht (1993: 196 - 197). Hodler (1969: 545 - 546) verweist explizit auf die fehlende Verdoppelung in Saanen, was ein konservatives Merkmal darstellen könnte. Das Vorkommen der Verdoppelung in einigen Walserorten in GR, die Lötscher nicht behandelt, deutet jedenfalls in der Übereinstimmung mit den Verhältnissen in VS auf ein hohes Alter dieser Erscheinung. Auch bei Glaser (2013: 204) und Glaser & Bart (2015: 91) wird trotz der abweichenden Verhältnisse v. a. in BE die la -Verdoppelung dem Phänomenbereich der Ost - West-Gliederung zugerechnet. Glaser & Frey (2007) stellen die la -Verdoppelung in den Zusammenhang verschiedener Verdoppelungsphänomene sowie der Ost-West-Gliederung im Bereich der Serialisierung, vgl. auch die Angaben unter II.1. Zuletzt hat Bucheli Berger (in Druckvorb.) die Daten der SADS-Erhebung einer ausführlichen Untersuchung im Hinblick auf den seit der SDS-Erhebung in verschiedenen Regionen erkennbaren Sprachwandel unterzogen, vgl. bereits Bucheli Berger et al. (2012: 98, 102 - 104). Weber (2011) und Schlatter Gappisch (2011) haben die Verhältnisse im Übergangsgebiet von Verdopplung und einfacher Konstruktion mit auf den SADS-Fragen aufbauenden Erhebungen weiter untersucht. Weber (2011) findet in ZG Hinweise auf einen eventuellen Rückgang der Verdopplung bei jüngeren Gewährspersonen. Schlatter Gappisch (2011) bestätigt in ihrer Studie zum südlichen Teil des Kantons Zürich im Wesentlichen die in den vorhergehenden Erhebungen (SADS, SDS) bereits dokumentierte Variation. Schmidt (2000: 37, 39 63, 73) stellt in ihrer Untersuchung zum Zürichdeutschen eine insgesamt leichte Dominanz der einfachen Konstruktion fest, die in der Korpusuntersuchung deutlicher ist als bei der Befragung. b) Lötscher (1993) diskutiert das bei verschiedenen Verben in schweizerdeutschen Dialekten auftretende Phänomen der Verbverdopplung auf der Basis verschiedener SDS-Karten und entwickelt darauf aufbauend eine Skizze der historischen Entwicklung, deren Ausgangspunkt er, abweichend von der älteren Literatur, z. B. Hodler (1969), in der Uminterpretation einer direktiven Präposition (gen) zu einer Kurzform des Infinitivs ga, go o. ä. sieht (Lötscher 1993: 183 - 193), mit anschliessender analoger Ausbreitung auf Verben 230 3 Verbalgruppe mit kurzförmigem Infinitiv, zu denen ‚ lassen ‘ in den schweizerdeutschen Dialekten mehrheitlich gestellt werden kann, vgl. Id. (3: 1393). c) Id. (3: 1399) führt verschiedene, z.T. nicht lokalisierte Beispiele für die Verdoppelung im Präsens an, zumindest aus GR, LU, ZH und BE, wobei der Berner Beleg Variation aufweist. Die in einem historischen literarischen Beleg aus dem Zürcher Oberland dokumentierte Nachstellung der Verdoppelungspartikel (grüeze n l ō n ) ist in unserem Material, das immer das lexikalische Verb am Ende zeigt, ebensowenig wie die für BE zitierte Doppelsetzung der Partikel vor und nach dem Infinitiv belegt. Die Verdoppelung im Präsens ist in verschiedenen Dialektbeschreibungen bezeugt, z. B. Weber (1948: 181), Muster & Bürkli Flaig (2001: 187), Schmutz & Haas (2004: 293), vgl. auch oben 1. Die einfache Konstruktion ist beispielsweise bei Schmid & Issler (1982: 94) für Davos GR belegt. 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS a) II.5 (Ü) - I hr dürft alles liegen lassen Unter den unbrauchbaren Antworten auf die Übersetzungsfrage II.5, 6 b, zur Serialisierung im ‚ lassen ‘ - Komplex findet sich eine zur vorliegenden Frage passende präsentische Verdoppelungskonstruktion mit finitem, allerdings kontinuativem, ‚ lassen ‘ : … ich lou alles loh si Tuggen SZ. b) IV.2 (Ü) - D ie können einen doch nicht so behandeln Bei dieser Frage, bei der das unpersönliche Personalpronomen erfragt wurde, finden sich unter den unbrauchbaren Antworten einige Beispiele, die Zusatzmaterial zur vorliegenden Fragestellung darstellen, vgl. 2.1.6, 6 c. 11 Mal wird statt der man-Konstruktion eine persönliche Konstruktion mit ‚ lassen ‘ übersetzt. Davon erscheint 9 Mal (Wädenswil ZH, Amriswil, Weinfelden TG, Diepoldsau, Flawil, Vättis SG, Unterschächen UR, Schwanden GL, Vals GR) die einfache und 2 Mal (Lützelflüh BE, Küblis GR) die verdoppelte Variante. Beispiele: Asoa lo i mi nüd behandla vu Diana Diepoldsau SG, Ig lo mi vo dene nid eso lo behandle Lützelflüh BE, Ä so lan i mi nid lä behandlä! Küblis GR. Literatur Bossard 1962 ▪ Bucheli Berger in Druckvorb. ▪ Bucheli Berger et al. 2012 ▪ Fischer 1960 ▪ Frey 1906 ▪ Glaser 2013 ▪ Glaser & Bart 2015 ▪ Glaser & Frey 2007 ▪ Henzen 1927 ▪ Hodler 1969 ▪ Hunziker 1888 ▪ Id. 3 ▪ Lötscher 1993 ▪ Marti 1985 ▪ Muster & Bürkli Flaig 2001 ▪ Schlatter Gappisch 2011 ▪ Schmid & Issler 1982 ▪ Schmidt 2000 ▪ Schmutz & Haas 2004 ▪ SDS III ▪ Stucki 1921 ▪ Weber 1948 ▪ Weber 2011 Bezug auf SADS-Material Bucheli Berger in Druckvorb. ▪ in Druckvorb.: Karten E2 - E4 a, E8 - E12, E17 - E19 Ⓚ ▪ Bucheli Berger et al. 2012: 102 - 104 ▪ 2012: 103 Ⓚ ▪ Christen et al. 2015: 333 - 334 ▪ 2015: 333 Ⓚ ▪ Glaser 2013: 204 ▪ 2014: 31 Ⓚ ▪ Glaser & Bart 2015: 91 ▪ 2015: 87 Ⓚ ▪ Glaser & Frey 2007: 1, 6-7 ▪ 2007: 7 (dort falsche Angabe: II.1 statt II.3) Ⓚ ▪ Schlatter Gappisch 2011: 36 ▪ 2011: 39 Ⓚ ▪ Stoeckle 2018: 183 - 189 ▪ 2018: 184 Ⓚ ▪ Weber 2011: 58 - 59, 61 - 63 3.3.2 Position und Verdoppelung von lassen (Imperativ) Frage II.5 (Ü) - I HR DÜRFT ALLES LIEGEN LASSEN 1. Kartenthema und Datengrundlage In Frage II.5 wurden die Gewährspersonen gebeten, den Aussagesatz mit von einem Modalverb abhängiger Infinitivgruppe aus ‚ lassen ‘ und einem weiteren Infinitiv in ihren Dialekt zu übersetzen. Dabei sollte die Position der beiden Infinitive in der rechten Verbalklammer erfragt werden. Neben den intendierten Antworten, die in einem eigenen Kommentar besprochen werden (II.5 lassen nach Modalverb), wurden über das Gesamtgebiet verstreut viele für die Hauptfragestellung unbrauchbare Übersetzungen mit imperativischem ‚ lassen ‘ notiert (545 Personen an 288 Orten), die im Folgenden besprochen werden. Die 3.3 Position und Verdoppelung von lassen 231 ► Hauptkarte (S. 136) bildet die Verbreitung der einfachen ‚ lassen ‘ -Konstruktion sowie der Verdoppelungskonstruktion mit der infinitivartigen Partikel la im Imperativ Plural ab. Frage brauchbare Antworten pro Person Frage beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 545 545 0 545 0 545 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a LASST LA LIEGEN Verdoppelung 3 b LASST LIEGEN Typenbildung LASST lönd, löht, löt, let, leet, leed, lend, lahnd, lät, lath, lat, löit, land, lüunt, lunn o. ä. LA lo, loo, la, laa, lan o. ä. LIEGEN ligge, liggu, stah, staa, stoo, sii, sy o. ä. 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung Meist liegen nur ein (138) oder zwei (82) Übersetzungen mit Imperativ pro Ort vor, vereinzelt aber sogar 6 (Langnau, Steffisburg, Trub BE, Oberägeri ZG) oder 7 (Bern BE), vgl. ► Beikarte (S. 137). a) Am häufigsten wird mit 333 Mal an 177 Orten die Variante lasst la liegen (mit Verdoppelungselement la ) notiert, davon 12 Mal mit Langvokalgraphie, 10 Mal mit der Form lan. Das Gebiet der Verdoppelung erstreckt sich vom Westen bis in die Zentralschweiz mit Einsprengseln im Zürcher Oberland. Zudem kommt die Variante in einigen Bündner Walserorten vor. Beispiele: Löht alles lo sy wie ’ s isch Aesch, Lönt nume alles loo stoh Pratteln BL, Lönd nu alles la ligge Egg ZH, Läd nummen als lan ligen Innertkirchen, Löt numme aus lo si Ligerz BE, Lend numä alles la stah Alpnach OW, Lönd nume alls lah ligge Alpthal SZ, Led nu la sin Langwies GR, Let nur alls la liggu Agarn VS. b) Am zweithäufigsten wird mit 212 Mal an 133 Orten die Variante lasst liegen (ohne Verdoppelung) notiert. Diese Variante tritt von BS bis GR, im Nordosten zumeist als einzige Variante, auf. Vereinzelte Einzelnennungen reichen im Westen bis BE. Beispiele: Löt ’ s liggä Erschwil SO, Löhnd doch alles stoh Wängi TG, Lün nu alles liggä Mels SG, Lat nume aus lige Schangnau BE, Lönd alles liegä Tuggen SZ. 4. Bemerkungen der Gewährspersonen Es gibt keine Kommentare zur Verwendung der einfachen und der verdoppelten ‚ lassen ‘ -Konstruktion im Imperativ, sondern lediglich Kommentare zur Verwendung des Imperativs im Gegensatz zur suggerierten Konstruktion mit Modalverb (siehe Kommentar 3.3.4, 4). 5. Weitere Varianten keine 6. Unbrauchbare Antworten keine 7. Weitere Bemerkungen a) In der vorliegende Frage II.5 ist ‚ lassen ‘ im Unterschied zu den Fragen II.1 und II.3 der kontinuativen Lesart zuzurechnen, die in der Regel mit Positionsverben auftritt und bei der mit morphologischen Effekten im 232 3 Verbalgruppe Perfekt gerechnet werden muss, vgl. Schallert (2014 a: 175), was hier allerdings irrelevant sein dürfte, vgl. auch Schallert (2014 a: 202 - 205). b) Die Auswertung der Imperativantworten auf die Übersetzungsfrage II.5 bestätigt den Befund aus der auf das Präsens gerichteten Frage II.3 (vgl. 7 a) in Bezug auf das westliche Kernareal der Verdoppelung, bestehende Abweichungen gegenüber dem SDS (III: 263) und auf die zusätzliche Verbreitung der Variation zwischen einfacher und verdoppelnder Konstruktion im Nordosten und Nordwesten. Im Unterschied zu SDS (III: 263) und zur ► Hauptkarte II.3 (S. 134) zeigt sich auf der Karte zu den ‚ spontanen ‘ , d. h. nicht intendierten Imperativantworten in der vorliegenden Übersetzungsfrage, dass im Westen praktisch ausschliesslich die Verdoppelung erscheint. Auch wenn zu bedenken ist, dass nicht alle Gewährspersonen eine Imperativ-Variante notiert haben, die Quantitäten also nicht vergleichbar sind, so ist das weitgehende Fehlen der einfachen Variante im Westen doch auffällig. In FR und VS erscheint sie bei den hier ausgewerteten ‚ Spontanantworten ‘ gar nicht. Bemerkenswert ist ansonsten, dass sich die Übergangs- und Variationszonen auch bei diesem Zusatzmaterial in ähnlicher Weise zeigen wie bei der gezielten Abfrage II.3. Die von Lötscher (1993: 181) formulierte Regel, dass mit Verdoppelung nur bei Verbzweitstellung einer finiten ‚ lassen ‘ -Form zu rechnen sei, ist zu eng formuliert (vgl. Schlatter Gappisch 2011: 36 - 37) und steht mit der von ihm interpretierten Karte des SDS (III: 263), die auf einem Imperativsatz (Imp.Sg.) basiert, nicht im Einklang. Entsprechend lassen sich die Ergebnisse aus Sätzen mit finitem ‚ lassen ‘ bezüglich der arealen Distribution der Verdoppelung durchaus vergleichen (vgl. auch II.3 sowie SDS III: 263, III.2 c), wobei Schmidt (2000: 87) quantitative Unterschiede, allerdings sogar zugunsten des Imperativs, ermittelt hat. Die Nacherhebung von Schlatter Gappisch (2011: 40 - 42, 49) für das südliche Zürichdeutsche hat allerdings weniger Verdoppelung im Imperativ erbracht, wobei Hinweise auf einen Rückgang herausgearbeitet werden (2011: 46). Weber (2011: 60 - 62) bestätigt für ZG das generelle Überwiegen der Verdoppelung im Imperativ, wobei die - allerdings sehr geringen - Zahlen auf eine gewisse Zunahme in der jüngeren Generation deuten könnten. Bucheli Berger (in Druckvorb.) widmet den Unterschieden zwischen Indikativ und Imperativ ein eigenes Kapitel (5.3.4). Sie arbeitet Hinweise für ein verstärktes Vorkommen der Verdoppelung im Imperativ heraus. Belege für Verdoppelung im Imperativ sind in den Beschreibungen der betroffenen Dialekte nicht selten zu finden, z. B. Hunziker 1888: 168, Frey 1906: 35, Bossard 1962: 89, Stucki 1921: 122, Fischer 1960: 359, Weber 1948: 247, Hodler 1969: 545, Grichting 2007: 124, Henzen 1927: 214, Schmutz & Haas 2004: 293, Suter 1992: 131, Muster & Bürkli Flaig 2001: 187 (in Abweichung von Suter 1995: 146), Niederberger 2013: 150, Lorez-Brunold 1987: 112, vgl. auch Id. 3: 1399. Schmid & Issler (1982: 94) führen für Davos ein Imperativbeispiel ohne Verdoppelung an. c) Zu dem von Lötscher (1993) explizit ausgeschlossenen Vorkommen der Verdoppelung im Perfekt und beim Infinitiv nach einem Modalverb vgl. die Fragen II.1 und II.5 (nach Modalverb) sowie Schmidt (2000: 37 - 44, 87). 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS a) II.3 (Ü) - E r lässt den S chreiner kommen Eine bei Frage II.3 zum Präsens von lassen (vgl. 6 a) als unbrauchbar gewertete Imperativantwort aus Stüsslingen SO bezeugt die Verdoppelung (Lo dr Schriner loh cho) und fügt sich so als Zusatzmaterial in das Kernareal ein. b) III.10 (Ü) - W enn sie dich erwischen, bekommst du den F ahrausweis entzogen! Auch bei dieser auf das Objektpronomen gerichteten Übersetzungsfrage wird ein Imperativ mit Verdoppelungskonstruktion genannt, vgl. 2.1.3, 3 a, was sich in die aufgezeigte Raumgliederung einfügt: Lach di nit la erwische Reckingen VS. Literatur Bossard 1962 ▪ Bucheli Berger in Druckvorb. ▪ Fischer 1960 ▪ Frey 1906 ▪ Grichting 2007 ▪ Henzen 1927 ▪ Hodler 1969 ▪ Hunziker 1888 ▪ Id. 3 ▪ Lorez-Brunold 1987 ▪ Lötscher 1993 ▪ Muster & Bürkli Flaig 2001 ▪ 3.3 Position und Verdoppelung von lassen 233 Niederberger 2013 ▪ Schallert 2014 a ▪ Schlatter Gappisch 2011 ▪ Schmid & Issler 1982 ▪ Schmidt 2000 ▪ Schmutz & Haas 2004 ▪ SDS III ▪ Stucki 1921 ▪ Suter 1992 ▪ 1995 ▪ Weber 1948 ▪ Weber 2011 Bezug auf SADS-Material Bucheli Berger in Druckvorb.: E6 - E7 Ⓚ ▪ Schlatter Gappisch 2011: 37 ▪ 2011: 52 Ⓚ ▪ Weber 2011: 60 - 63 ▪ 2011: 64 Ⓚ 3.3.3 Position und Verdoppelung von lassen (Perfekt) Frage II.1 (Ü) - H AST DU DIE U HR FLICKEN LASSEN ? 1. Kartenthema und Datengrundlage In Aufgabe II.1 wurden die Gewährspersonen gebeten, einen Fragesatz mit ‚ lassen ‘ im Perfekt und abhängigem Infinitiv in ihren Dialekt zu übersetzen. Standardsprachlich steht in der Abfolge 3-2 hier „ regelmäßig “ ein Ersatzinfinitiv lassen (Duden 4: 476, 482 - 483; vgl. auch Bader 2014). Die Abfrage zielte auf die Abfolge von Ersatzinfinitiv bzw. Partizip II und davon abhängigem Infinitiv sowie auf das Auftreten einer zusätzlichen Partikel, die als Verdoppelung von ‚ lassen ‘ angesehen werden kann. Ausserdem interessierte das Geltungsareal des Ersatzinfinitivs bzw. Partizips II. Kartiert wird die Position des Ersatzinfinitivs bzw. Partizip II von ‚ lassen ‘ sowie das Vorkommen einer zusätzlichen la -Partikel. Das Auftreten einer Partizipialform statt des Ersatzinfinitivs wird im Text besprochen. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 2990 2823 97 2799 24 2847 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a LASSEN FLICKEN 2-3 3 b FLICKEN LASSEN 3-2 3 c LASSEN FLICKEN LASSEN Verdoppelung 3 d LASSEN LASSEN FLICKEN Verdoppelung Typenbildung LASSEN la, laa, lä, laan, loo, lo, luu, lu, laou, loa, lou, lasse, gla, glaa, glah, glan, glaan, glahn, glo, gloh, gloo, glu, gluh, gluu, glasse o. ä. FLICKEN flicke, fligge, repariere, reise, mache o. ä. 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Der Typ lassen flicken , mit Abfolge 2-3, wird insgesamt 1749 Mal an 280 Orten übersetzt. Diese Stellungsvariante kommt weit verbreitet, ausser im Nordosten und Osten, vor. Sie stellt im Westen ausser am Nordrand die einzige Variante dar. In der Übergangszone zur östlichen Variante (vgl. 3 b) und am Nordrand sind die Mehrheitsverhältnisse unterschiedlich. Im Bündnerland ist an mehreren Walserorten lassen flicken mehrheitlich, in St. Antönien ist es die einzige Variante, vgl. ► Prozentkarte (S. 139). Die Stellungsvariante 2-3 erscheint mit Ersatzinfinitiv (ein- und zweisilbig) oder - sehr viel seltener - mit Partizip II (ein- und zweisilbig): 234 3 Verbalgruppe Varianten Anzahl Antworten und Orte la FLICKEN 1722 Mal an 278 Orten (davon 87 Mal mit Doppelvokalgraphie laa o. ä. und 99 Mal lan o. ä.) lasse FLICKEN 7 Mal an 5 Orten (3 Mal in Jaun FR, je einmal in Gurmels, Schwarzsee FR, Matten, Zweisimmen BE), vgl. 7 b. gla FLICKEN 19 Mal an 7 Orten (8 Mal in Safien GR, 4 Mal in Saanen BE, je 2 Mal in Giswil OW, Mutten GR, je einmal in Gsteig BE, Alpnach OW, Untervaz GR), vgl. 7 c. glasse FLICKEN Einmal in Saanen BE In Mutten, Untervaz GR kommt die dominierende Stellungsvariante mit Ersatzinfinitiv (einsilbig) la flicken nicht vor, sondern nur die Variante mit einsilbigem Partizip II. la flicken : Hesch d ’ Uhr loh flickä? Bettlach SO, Hesch du d ’ Uhr lo repariere? Stein AG, Häsch du d ’ Uhr la flicke? Wädenswil ZH, Hescht dü die Ühr lan reisen? Guttannen BE, Hesch d ’ Uhr laa flicke? Flühli LU, Hesch d ’ Uhir la flickä? Alpnach OW, Hesch d ’ Ühr la flicku? Agarn, Hescht du d ’ Uir lan fliken? Ferden VS. lasse flicken : Hesch du die Uhr omi lasse flicke Gurmels, Häsch Du ds Stubezyt lasse reise Jaun, Hesch du die alti Wanduhr lasse flicke? Schwarzsee FR, Hesch du d ’ Uir lasse flickä? Zweisimmen BE. gla flicken : Häscht du ds Zyt gla fliecke? Gsteig BE, Hescht Dui diä Uir glah flicke? Alpnach OW, Häschi glu fligga? Untervaz GR. glasse flicken : Hesch due di Uhr glasse reise Saanen BE. b) Der zweithäufigste Typ flicken lassen , mit Abfolge 3-2, wird insgesamt 1068 Mal an 191 Orten genannt. Diese Stellungsvariante kommt von Basel bis an den östlichen Zürichsee und im Bündnerland gleichzeitig mit der Variante 2-3 vor, in der Nordost- und übrigen Ostschweiz ist sie verbreitet die einzige Variante. Zu den Mehrheitsverhältnissen vgl. ► Prozentkarte (S. 139). Die Stellungsvariante 3-2 erscheint, wie auch 2-3, mit Ersatzinfinitiv oder - wesentlich seltener - mit Partizip II, jedoch nur einsilbig: Varianten Anzahl Antworten und Orte FLICKEN la 1035 Mal an 189 Orten (davon 455 Mal mit Einzelvokalgraphie) FLICKEN gla 33 Mal an 21 Orten (9 Mal in Vals GR, 3 Mal in Schiers GR, je einmal in Villigen AG, Eglisau, Wädenswil ZH, Bibern SH, Basadingen, Fischingen TG, Grabs SG, Engi, Linthal GL, Davos, Jenins, Klosters, Küblis, Mutten, Obersaxen, Rheinwald, Safien, Thusis, Trimmis GR) In Villigen AG, Küblis GR kommt die Stellungsvariante mit Ersatzinfinitiv flicken la nicht vor. flicken la: Hesch du die Uhr flicke loo? Stein AG, Häsch du d ’ Uhr flicke la? Hedingen, Häsch d ’ Uhr flicke laa? Rorbas ZH, Häsch d ’ Uhr fliggä luu? Flums, Häsch d ’ Uhr fligge lo? Sitterdorf TG, Häsch d ’ Uhr flicke loh? Rapperswil SG, Häscht d ’ Uhr flicka lu? Jenins GR. flicken gla: Häsch du d ’ Uhr flicke glo? Basadingen TG, Hesch du de Uhr fliggä gluh? Engi GL, Hescht du d ’ Uhr flicke gla? Vals GR. c) Der verdoppelnde Typ lassen flicken lassen tritt mit insgesamt 20 Mal an 18 Orten insgesamt relativ selten auf. Die Variante erscheint nur dort, wo es die Abfolge 2-3 gibt. Die Variante weist in Endstellung einsilbigen Ersatzinfinitiv oder Partizip II auf. Der endgestellte Ersatzinfinitiv kommt 11 Mal mit Kurzvokalgraphie vor. Das dem Infinitiv vorangestellte lassen ist immer als Kurzform la realisiert: Varianten Anzahl Antworten und Orte la FLICKEN la 15 Mal an 14 Orten (2 Mal in Schiers GR, je einmal in Hütten, Stallikon ZH, Hägglingen, Lenzburg, Muhen, Teufenthal AG, Sempach LU, Sarnen OW, Brunnen, Innerthal, Muotathal SZ, Gurtnellen UR, Rheinwald GR) la FLICKEN gla 5 Mal an 4 Orten (2 Mal in Klosters GR, je einmal in Buochs NW, Langwies GR, Oberwald VS) 3.3 Position und Verdoppelung von lassen 235 la flicken la: Hesch d ’ Uhr lo flicke lo? Lenzburg AG, Hesch d ’ Uhr la machä la? Stallikon ZH, Hesch d ’ Uhr lo flecke loh? Sempach LU, Hesch dui d ’ Uir la flickä la? Sarnen OW, Hesch du d ’ Uhr la flicke la Brunnen, Häsch Du d ’ Uhr lo flickä lou? Innerthal SZ, Hesch dü d ’ Ühr la flickä laa? Gurtnellen UR, Hesch Tur la flicka la? Rheinwald, Hesch Du d ’ Uhr lä flickä la? Schiers GR. la flicken gla: Hesch d ’ Uhir scho la flickä gla Buochs NW, Hescht dUhr lä flickä glaan Klosters, Hescht du d ’ Uhr lä flickä glan Klosters GR, Hescht Du die Ühr la flickä gla? Oberwald VS. d) Der verdoppelnde Typ lassen lassen flicken kommt 10 Mal an insgesamt 5 Orten vor, wobei jeweils das erste lassen als Partizipialform erscheint. Die Variante beschränkt sich auf den Kanton Uri, vgl. 7 e. Beispiele: Hesch du die Uhr gla la flickä Altdorf, Hesch du d ’ Uhr glo lo flickä? Andermatt, Häsch du d'Uhr gla la flicka? Göschenen, Hesch dü d'Ühr glah lah flickä? Maderanertal, Hesch Dü d Uehr glaa la flickä? Unterschächen UR. e) Intrapersonelle Variation: übersetzte Varianten Anzahl Personen und Orte LASSEN FLICKEN (2-3) und FLICKEN LASSEN (3-2) 24 Personen an 21 Orten (3 Mal in Küsnacht ZH, 2 Mal in Liestal BL, je einmal in Aesch, Gelterkinden, Muttenz, Pratteln BL, Aarau, Bremgarten, Möhlin AG, Bassersdorf, Bauma, Egg, Illnau, Neftenbach, Turbenthal, Winterthur, Zürich ZH, Rapperswil SG, Escholzmatt LU, Andermatt UR, Wiesen GR) 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ Hesch du d ’ Uhr flicke loh? (Hier Betonung auf loh! ) Auch möglich: Hesch du d ’ Uhr loh flicke? (Hier Betonung auf flicke! ). Das ist ein subtiler Unterschied des Dialekts. “ , Muttenz BL. - „ Häsch du die Uhr flicke laa? (Variante: ‚ la flicke ‘ auch möglich) “ , Egg ZH. - „ Häsch (du) d Uhr flicke lo? (nicht: lo flicke) “ , Unterstammheim ZH. - „ Hetter de Uhremacher d ’ Uhr gflickt oder Hescht d ’ Uhr bem Uhremacher z ’ ha? Hesch d ’ Uhr flicke g ’ loh, kann man nicht sagen. “ , Wildhaus SG. - „ Hesch d ’ Uir gflickt? (selber). Hesch d ’ Uir la flickä “ , Wolfenschiessen NW. 5. Weitere Varianten keine 6. Unbrauchbare Antworten a) 6 Mal wird der Fragesatz mit einem zusätzlichen Modalverb gebildet: Häsch d ’ Uhr/ si müese flicke laa? Bülach ZH, Häsch du d ’ Uhr chönnä fliggä lu? Obstalden GL, Luo da hesch Du die Uhr nu können la flicken? Alpthal SZ. b) 63 Mal wird die Vorlage ohne ‚ lassen ‘ übersetzt: Häsch d ’ Uhr gflickt? Buchberg SH, Hesch d ’ Wanduhr gflickt? Rüeggisberg BE, Hesch Dui Diis Ziitli gflickt? Stans NW. c) 17 Mal wird als einzige Antwort der vorgegebene Satz in der Übersetzung umformuliert. Beispiele: Lauft d ’ Uhr wieder? Stüsslingen SO, Die Uhr gaht schneller as ä nöi Quarten SG, Wer het sie wieder chöne flicke? Walchwil ZG. d) 5 Mal wird eine Kausativperiphrase mit ‚ geben ‘ übersetzt: Hesch Du d ’ Uhr gä z ’ flicke? Murten FR, Hesch Du d ’ Uhr geh zflicke? Leissigen, Jzt hesch d ’ Uhr la flicke gän! Steffisburg BE, Hesch dui d ’ Uir z ’ flickä gäh? Giswil OW, Hesch du die Uhr zum flickä gän, … St. Antönien GR. e) Einmal wird eine Perfektkonstruktion mit go übersetzt: Bisch d ’ Uhr go fliggä lo? Amden SG. 236 3 Verbalgruppe f) Bei einer Antwort ist nicht entscheidbar, ob es sich um eine Kontamination oder um eine existierende Variante handelt: Hesch d ’ Uhr z ’ Flickä gla? Marbach LU. g) 4 Mal wird die vorgegebene Vorlage hochdeutsch übersetzt. 7. Weitere Bemerkungen a) Die SADS-Abfrage zeigt grundsätzlich mit SDS (III: 262) übereinstimmend eine deutliche Ost-West- Verteilung der beiden Stellungsvarianten, während die meisten Beispiele in der Literatur nur die Stellung 2-3 dokumentieren. Es ist eher eine Ausnahme, wenn Weber (1948: 247) explizit neben der Stellung 2-3 auch die - standardsprachliche - Stellung 3-2 anführt. Die Stellung 2-3 belegt Dubenion-Smith (2010: 121) auch im Westmitteldeutschen, vgl. auch Mottausch (2009: 300). Schmidt (2000: 38) weist in ihrer Studie zum Zürichdeutschen ein leichtes Überwiegen der Stellung 3-2 nach, wobei sie bei dem von ihr untersuchten Stadtzürcher Autor nur die Stellung 2-3 findet. Cooper (1994: 181) gibt für ZH nur Beispiele mit 3-2 an. Schmid (2005: 20) führt für BE, ZH, SG lediglich Beispiele mit 3-2-Stellung an, während sie bei der Behandlung der Wortfolge in Nebensätzen mit Drei-Verb-Cluster verschiedene Stellungsvarianten belegt. Einen ähnlichen Befund bietet Schallert (2014 a: 202) für Vorarlberg, vgl. auch Schallert (2014 b: 269 - 270) zur Stellung 3-2. Unterschiede gegenüber der SDS-Karte (III.262) zeigen sich v. a. in der dort seltener dokumentierten Variation zwischen den beiden Stellungsvarianten von Basel bis ZH, ZG und in GR. Zu einer ausführlichen Analyse dieser stellungsbezogenen Veränderungen vgl. Bucheli Berger (in Druckvorb.), s. u. 7 g. b) Der deutlich überwiegende Gebrauch des Ersatzinfinitivs mit abhängigem Infinitiv stimmt zu Id. (3: 1393: „ vor Inf. durchweg ohne Präf. und mit verk. Voc. “ ) und zur verbreiteten Nennung in der Literatur zum Schweizerdeutschen von Basel bis Appenzell, vgl. Hunziker (1888: 168), Frey (1906: 34 - 35), Abegg (1911: 86), Stucki (1917: 292, 300), Baumgartner (1922: 158, 165), Henzen (1927: 206, 214), Clauß (1929: 201), Hotzenköcherle (1934: 454), Weber (1948: 247), Bossard (1962: 89), Fischer (1960: 267), Hodler (1969: 577 - 578), Suter (1992: 88), s. auch Sonderegger & Gadmer (1999: 171), jedoch ohne genauere syntaktische Zuordnung. Nach SDS (III: 64, II.3) sind an einigen Orten in TG, SG und AI Infinitiv und Partizip II generell identisch. Schmid (2005: 20, 28 - 29, 32) geht für BE, ZH, SG von obligatorischem IPP aus. Schmidt (2000: 38) weist für ZH - allerdings anhand eines nicht kausativen Beispiels - variativ das Partizip II nach. Das stimmt zu Cooper (1994: 181), wonach IPP bei kausativem Gebrauch obligatorisch ist und das Partizip II nur permissiv auftritt. Nach Schallert (2014 a) ist IPP auch im angrenzenden Vorarlberg bei kausativem ‚ lassen ‘ mit Infinitiv von wenigen Ausnahmen abgesehen obligatorisch (2014 a: 181 - 182, vgl. VALTS III, Kommentarband 220), ebenso im Schwäbischen (2014 a: 178, vgl. SBS 6: 529 - 531, Karte 194) und Südhessischen, vgl. Mottausch (2009: 300). c) An 7 Orten im Berner Oberland, OW und bei Bündner Walsern wird insgesamt 19 Mal dieAbfolge 2-3 mit dem Partizip II übersetzt, also gla flicken , vgl. 3 a. Es handelt sich um Personen aus allen Altersgruppen, wenn auch mehrheitlich um ältere Personen. Zum Vorkommen der Partizipialform in den entsprechenden Gebieten (BE, SZ, GR) vgl. SDS (III: 262, I.3), mit anderer Interpretation Schallert (2014 a: 179). Ausserdem haben 33 Personen an 21 Orten in der Stellungsvariante 3-2, mehrheitlich in GR, neben einzelnen Orten in AG, ZH, TG, SG, GL, eine Partizipialform benutzt, vgl. 3 b. Auch bei den Verdoppelungsvarianten erscheinen einige wenige Partizipialformen, neben zehnmaligem vorangestelltem Partizip in UR, s. unten e, 5 Mal nachgestelltes Partizip in GR, NW und VS, vgl. 3 c. Für Obersaxen GR nennt Brun (1918: 174) das Partizip II (in 2-3- Stellung) als obligatorisch, vgl. auch Brun (1918: 185) zu einer unbetonten Partizipialform. Hotzenköcherle (1934: 454, 472) erwähnt für Mutten GR Variation zwischen IPP und Partizipialform. Hodler (1969: 546, 578) führt für Saanen BE explizit nur Partizip II (in 2-3-Stellung) an, s. o. 3 a zu einem entsprechenden Beleg aus den SADS-Daten. Zum vereinzelten Vorkommen von Partizipialformen in Vorarlberg und Liechtenstein vgl. Schallert (2014 a: 181 - 185) sowie im Bairisch-Österreichischen vgl. Schallert (2014 a: 179 - 180). d) Lötscher (1993: 181) verneint explizit das Auftreten der Verbverdopplung bei ‚ lassen ‘ im Perfekt oder als Infinitiv nach Modalverb. Die Verdopplung komme nur vor, wenn die flektierte ‚ lassen ‘ -Form in Zweitstellung stehe, was allerdings bereits in einem gewissen Widerspruch zu SDS (III: 262, 263) steht. 3.3 Position und Verdoppelung von lassen 237 SDS (III: 263) basiert vornehmlich auf Imperativformen, SDS (III: 262, I.3) belegt Verdoppelungen im Perfekt zumindest mit der Partizipialform. Id. (3: 1399) führt jedoch keine Belege für Verdopplung im Perfekt an. Fischer (1960: 359) belegt für LU variativ die Verdopplung mit einem Beispiel im Perfekt, ebenso Weber (1948: 247) für ZH. Schmidt (2000) kann die Verdoppelung im Perfekt in ihrer Befragung zum Zürichdeutschen als eher seltene Variante bestätigen (2000: 38), die Korpusauswertung ergibt aber nur einen Beleg (2000: 39 - 40). e) Das seltene Vorkommen der verdoppelnden Variante lassen lassen flicken mit Partizip an erster Stelle, vgl. 3 d, beschränkt sich auf den Kanton UR, vgl. SDS (III: 262, I.3, Belege für gla la gaa in Silenen, Gurtnellen, Meien-Dörfli UR). f) Insgesamt 7 Mal wird die zweisilbige Form des Infinitivs auf lasse im Simmental und im Kanton FR übersetzt, also in Gebieten, in denen sie auch im SDS (III: 262, I.2, 64, II.2) vermerkt ist. Es handelt sich um Gewährspersonen mit Jahrgang 1948 und älter. g) Bucheli Berger (in Druckvorb.) hat die Daten der SADS-Erhebung zu II.1, II.3 und II.5 einer ausführlichen Untersuchung unterzogen, u. a. im Hinblick auf den seit der SDS-Erhebung in verschiedenen Regionen erkennbaren Sprachwandel. Zu II.1 vgl. insbesondere die genaue räumliche Analyse in Bucheli Berger (in Druckvorb.: 158 - 160) sowie die Ausführungen zur Vokalquantität (in Druckvorb.: 171, 177). Eine punktuelle Nacherhebung in der Übergangszone von ZG anhand der SADS-Fragen (Weber 2011) ergibt einige Fälle von Verdoppelung sowie vermehrt 3-2-Abfolge bei der jüngsten Generation (Weber 2011: 62, Tab. 2 mit falschen Zahlen). Schlatter Gappisch (2011) dokumentiert in ihrer ebenfalls auf SADS-Fragen basierenden Studie zum südwestlichen Teil des Kantons Zürich das Fehlen einer Verdopplung im Perfekt sowie das Nebeneinander derAbfolgen 2-3 und 3-2. Die zusätzlich erfragte Perfektkonstruktion mit ‚ liegen ‘ zeigt ein deutlicheres Überwiegen von 3-2. In Abfolge 3-2 erscheint 2 Mal die Partizipialform gla (in Mettmenstetten und Wädenswil, vgl. oben 3 b) (Schlatter Gappisch 2011: 40). Bereits Wolfensberger (1967: 139 - 140, 182) bezeugt Stellungsvariation für Stäfa ZH, wobei er Indizien für einen Stellungswandel hin zur Stellung 3-2 sieht. 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS a) II.3 (Ü) - E r lässt den S chreiner kommen Bei dieser auf das ‚ lassen ‘ -Präsens gerichteten Frage haben 65 Gewährspersonen Übersetzungen im Perfekt angegeben (62 Mal mit Ersatzinfinitiv, 3 Mal mit Partizip II, s. u.), die für die vorliegende Fragestellung zusätzlich ausgewertet werden können. Über die Stellungsvarianten mit Ersatzinfinitiv, deren räumliche Ost-West-Verteilung derjenigen in II.1 grundsätzlich entspricht, gibt folgende Tabelle Auskunft. Die Stellung 2-3 erscheint verstreut v. a. im Westen, 3-2 gilt im Osten. Abfolge Anzahl Antworten und Orte LASSEN KOMMEN (2-3) 43 Mal an 40 Orten (3 Mal in Agarn VS, 2 Mal in Brienz BE, je einmal in Ettingen, Gelterkinden, Hölstein, Liestal BL, Elfingen, Niederrohrdorf, Villigen, Würenlos AG, Bäretswil, Forch ZH, Giffers, Murten, Schwarzsee, Ueberstorf FR, Busswil b. B., Habkern, Ins, Interlaken, Kiental, Leissigen, Lenk, Rüeggisberg, Schwarzenburg, Seftigen, Signau, Spiez, Ursenbach BE, Entlebuch, Willisau LU, Giswil, Lungern OW, Hünenberg ZG, Einsiedeln, Muotathal SZ, Betten, Mörel, St. Niklaus, Zermatt VS) KOMMEN LASSEN (3-2) 18 Mal an 15 Orten (3 Mal in Flums SG, 2 Mal in Sitterdorf TG, je einmal in Egg ZH, Hallau, Schleitheim SH, Mammern TG, Diepoldsau, Sennwald, Valens, Vättis, Weisstannen SG, Gais AR, Haslen AI, Engi, Näfels GL) LASSEN KOMMEN LASSEN Einmal in Vals GR 3 Mal liegt eine Partizipialform von ‚ lassen ‘ vor, was sich mit den entsprechenden Vorkommen bei der vorliegenden Frage II.1, vgl. 3 a bzw. 3 c, deckt: … glase cho Saanen BE, … glo cho Safien GR. Einmal erscheint das Partizip in einer Verdoppelungskonstruktion: … la cho gla Rheinwald GR. 238 3 Verbalgruppe Literatur Abegg 1911 ▪ Bader 2014 ▪ Baumgartner 1922 ▪ Bossard 1962 ▪ Brun 1918 ▪ Bucheli Berger in Druckvorb. ▪ Clauß 1929 ▪ Cooper 1992 ▪ Dubenion-Smith 2010 ▪ Duden 4 ▪ Fischer 1960 ▪ Frey 1906 ▪ Henzen 1927 ▪ Hodler 1969 ▪ Hotzenköcherle 1934 ▪ Hunziker 1888 ▪ Id. 3 ▪ Lötscher 1993 ▪ Mottausch 2009 ▪ SBS 6 ▪ Schallert 2014 a ▪ 2014 b ▪ Schlatter Gappisch 2011 ▪ Schmid 2005 ▪ Schmidt 2000 ▪ SDS III ▪ Sonderegger & Gadmer 1999 ▪ Stucki 1917 ▪ Suter 1992 ▪ VALTS III ▪ Weber 1948 ▪ Weber 2011 ▪ Wolfensberger 1967 Bezug auf SADS-Material Bucheli Berger in Druckvorb.: D8, D9 Ⓚ ▪ Schallert 2014 a: 179 ▪ Schlatter Gappisch 2011: 36 ▪ Weber 2011 3.3.4 Position und Verdoppelung von lassen (nach Modalverb) Frage II.5 (Ü) - I HR DÜRFT ALLES LIEGEN LASSEN 1. Kartenthema und Datengrundlage In Frage II.5 wurden die Gewährspersonen gebeten, den Aussagesatz mit einer von einem Modalverb abhängigen Infinitivgruppe aus ‚ lassen ‘ und einem weiteren Infinitiv in ihren Dialekt zu übersetzen. Dabei sollte die vom Standarddeutschen abweichende Variation in der Position der beiden Infinitive in der rechten Satzklammer sowie eine eventuelle Verdoppelung von ‚ lassen ‘ (vgl. SDS III: 262 III.2-3) erfragt werden. Die ► Hauptkarte (S. 140) zeigt das Vorkommen der beiden Stellungsvarianten des Infinitivkomplexes sowie das Auftreten einer Verdoppelungspartikel. Neben den intendierten Modalkonstruktionen wurden viele Antworten mit Imperativ Plural gegeben, die in einem eigenen Kommentar (II.5 Imperativ) ausgewertet werden. Für die vorliegende Fragestellung erscheinen diese Antworten als unbrauchbar (vgl. 6 a). Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 2922 2430 492 2404 26 2456 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a LASSEN LIEGEN 2-3 3 b LIEGEN LASSEN 3-2 3 c LASSEN LIEGEN LASSEN Verdoppelung Typenbildung LASSEN la, laa, lä, loo, lo, luu, lu, luh, lan, laan, lon, loon, lauh, laou, luo, loa, lou, lasse o. ä. LIEGEN liegen, ligge, staa, sii o. ä. Statt Modalverb ist auch Einbettung in eine tun-Periphrase möglich. 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Am häufigsten wird mit 1401 Mal an 271 Orten die Stellungsvariante 2-3 lassen liegen übersetzt. Die Variante kommt vom Westen bis ins Zürcher Oberland sowie an einigen Bündner Walserorten vor. In den westlichen Gebieten tritt sie, vom Nordrand und wenigen Einzelnennungen abgesehen, als einzige Variante auf, in ZH und GR ist sie weitgehend minderheitlich, vgl. ► Prozentkarte (S. 141). Der Infinitiv erscheint hier 54 Mal mit Langvokalgraphie laa o. ä., 40 Mal mit lan o. ä., sonst mit Kurzvokalgraphie (1306 Mal). Die Abfolge 2-3 kommt mit Ausnahme von einmaligem zweisilbigen lasse in Saanen BE nur mit einsilbiger Infinitivform vor. 3.3 Position und Verdoppelung von lassen 239 Beispiele: Dir chönnöd alles lo ligge Aesch BL, Dir dörft alles loh liggä Bettlach SO, Ihr dörfet alles lo ligge Stein AG, Ihr dörfed alles la lige Bülach, Ihr därfet alles lo lige Unterstammheim ZH, Ir chit aus la lige Giffers, Mir seli aus loa si Ueberstorf FR, Éhr derft all ’ s lahn ligen Gadmen, Iehr chents alls lan liegen Guttannen BE, Iär terffid alläs la liggä Alpnach OW, Ihr dörfed alles lou liggä Einsiedeln SZ, Ihr törft als lo ligga Avers GR, Iähr därft als laa liggu Agarn, Ihär [sic] chent als lan liggn Blatten VS. 4 Mal von den 1401 Mal wird statt eines Modalverbs eine imperativische tun-Periphrase übersetzt (einmal davon in Diessbach b. B. BE neben der Variante mit Modalverb): Düet nume aus lo lige Diessbach b. B., Düet nume als lasse lige Saanen, Tüet nume aus la lige Steffisburg BE, Tüend nur alles lo sii Hünenberg ZG. 18 Mal wird in der Übersetzung kein Subjektpronomen gesetzt: dörfet alles lo ligge Pratteln BL, Chent aus lo si Mümliswil SO, Chöit aues la ligä Flühli LU. b) Am zweithäufigsten wird mit 1044 Mal an 205 Orten die Stellungvariante 3-2 liegen lassen übersetzt. Diese Stellungsvariante tritt einerseits in der Ostschweiz als einzige Variante auf, andererseits in einem Streifen von Basel bis an die östliche Zürcher Kantonsgrenze sowie in GR zusammen mit der Stellungsvariante 2-3. In der Zentralschweiz und im Wallis sind einige wenige Einzelnennungen zu verzeichnen. In der Ostschweiz und den Übergangszonen kommt die Variante weitgehend mehrheitlich vor, vgl. ► Prozentkarte (S. 141). Der einsilbige ‚ lassen ‘ -Infinitiv erscheint in der 3-2-Abfolge 456 Mal mit Kurzvokalgraphie, sonst mit langer Silbe (588 Mal, davon 10 Mal mit lan o. ä.). Einmal kommt zweisilbiges lasse in Basel BS vor: Beispiele: Er kennen alles liige losse Basel BS, Dir dörfet alles ligge lo Aesch BL, Er chönd alles liegge la Birmenstorf, Ihr dörfet alles ligge loh Möhlin AG, Ihr dörfed alles liege lah Bülach, Ihr dörfed alles sii la Hütten ZH, Ihr törfed alles lige luu Buchberg SH, Är künnid alls ligga loa Oberriet SG, E dörid alls ligge lo Appenzell AI, Ihär dörft alls ligga lan Langwies, Är chönd alls liggä laan Langwies, Iar terfat alles ligga lon Mutten GR. 4 Mal von den 1044 Mal wird statt des Modalverbs eine imperativische tun-Periphrase mit abhängigem Infinitivkomplex übersetzt: Tient doch alles legge loo Schönenbuch BL, Tüend s ’ Gschirr nu ligge loh Niederrohrdorf AG, Tüend nu alles stoh loo Bassersdorf ZH, Dönz nu liggä luu! Schwanden GL. 14 Mal wird in der Übersetzung kein Subjektpronomen gesetzt: Chönt alles stoh lo Bremgarten AG, Chönd alläs liigä loo Berneck SG, Törid alls ligge loh Heiden AR, Chönnt alles si la Innerthal SZ. c) Mit 11 Mal an 11 Orten tritt die Verdoppelungskonstruktion lassen liegen lassen mit Verdoppelungspartikel la vor der Infinitivgruppe sehr selten auf und dabei nur an Orten, an denen die Stellungsvariante 2- 3 erscheint: Aarau, Teufenthal AG, Dagmersellen LU, Buochs NW, Giswil OW, Küssnacht, Muotathal SZ, Gurtnellen UR, Klosters, Langwies, Schiers GR. Beispiele: Der dofit aues lo lege lo Dagmersellen LU, Iär dörfid alls la sii laa Muotathal SZ, Iähr dörfet alles la liggä la Gurtnellen UR, Iar törft als la ligga la Langwies, Iar döfend füagli als lo liga lo Schiers GR. Einmal darunter wird statt des Modalverbs eine imperativische tun-Periphrase übersetzt: Diänd iärs nur la sii la Giswil OW. d) Intrapersonelle Variation, vgl. auch 7 d: übersetzte Varianten Anzahl Personen und Orte LASSEN LIEGEN (2-3) und LIEGEN LASSEN (3-2) 24 Personen an 22 Orten (je 2 Mal in Aesch BL, Küsnacht ZH, je einmal in Basel BS, Gelterkinden, Langenbruck BL, Aarau, Bremgarten, Kaisten, Merenschwand, Möhlin, Niederrohrdorf AG, Fällanden, Neftenbach, Niederweningen, Wald, Winterthur, Zürich ZH, Rapperswil SG, Grosswangen, Wolhusen LU, Safien GR, Fiesch VS) LASSEN LIEGEN (2-3) und LASSEN LIEGEN LASSEN 2 Personen an 2 Orten (Muotathal SZ, Gurtnellen UR) 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ Er kennet alles liige loo <korrekt wäre: Er kennen alles liige lasse> “ , Basel BS. - „ Dir dörfet alles lo ligge. (unteres Baselbiet) Dir dörfet alles liige loo. (oberes Baselbiet) “ , Aesch BL. 240 3 Verbalgruppe - „ Lönd ’ s numme sii. Direkte Übersetzung: Ihr dörfed ’ s ligge lo. “ , Leibstadt AG. - „ Er törfet alls lige lo. (Gebräuchlicher wäre: Nei! Lönd alles lige. Sind so guet! ) “ , Unterstammheim ZH. - „ Ir törfed alles lo ligge. eventuell aber auch: Ir törfed alles ligge lo. “ , Wald ZH. - „ Lönd doch alles lige! (familiärer) Oder: Ir chönd alls lige lo! “ , Bibern SH. - „ Ihr chunn alls ligge lu; oder z. B. auch: Chunnt gar nid in Frog - Ihr lunn alls hogge! (das ist dann ein Befehl) “ , Grabs SG. - „ a. wenn ich erwarte, dass sie trotzdem helfen: Dir törft das la lige. b. wenn es mir ernst ist = Befehl: Lat das la lige. “ , Schwarzenburg BE. - „ Lünt nu als liggä. Ihr dörfet als liggä lu (sehr unnatürlich) “ , Elm GL. - „ Ier därft alles la ligge. (Das würde ich einem Besuch allerdings nie sagen, da der Begriff ‚ la ligge ‘ sehr negativ ist.) Meine Übersetzung wäre: Lät nur alles so la sii. “ , Brig VS. - „ Leet nummu als la sii (feinfühliger). Iehr chännt als la liggu (herber) “ , Steg VS. 5. Weitere Varianten keine 6. Unbrauchbare Antworten a) 451 Mal an 265 Orten wird als einzige Variante der vorgegebene Satz mit einem Imperativ Plural von ‚ lassen ‘ und abhängigem Infinitiv übersetzt (insgesamt 545 Mal an 288 Orten). Die Imperativ-Antworten sind in einem eigenen Kommentar (3.3.2, II.5, Imperativ) ausgewertet. b) Einmal wird einzig eine Variante mit finitem ‚ lassen ‘ im Präsens übersetzt: … ich lou alles loh si Tuggen SZ. c) 28 Mal wird bei der Übersetzung auf ganz andere Konstruktionen ausgewichen, z. B. Das Gschirr cha ich sälber abwäschä Innerthal SZ. d) Einmal liegt eine unvollständige Antwort vor: Ihr dörfet alles ligge Fischingen TG. e) 5 Mal wird der Kontext weiterformuliert. f) 6 Mal wird die vorgegebene Vorlage standarddeutsch übersetzt. 7. Weitere Bemerkungen a) In der vorliegenden Frage II.5 ist ‚ lassen ‘ im Unterschied zu II.1 und II.3 der kontinuativen Lesart zuzurechnen, die in der Regel mit Positionsverben auftritt, vgl. Schallert (2014 a: 174 - 175). Schallert (2014 a: 204) stellt bei der Auswertung von Stellungsvarianten in Nebensätzen für Vorarlberg keinen Zusammenhang mit der Semantik von ‚ lassen ‘ fest. Schlatter Gappisch (2011: 42 - 43) geht auf den in ihrer Studie zum Zürichdeutschen aufgezeigten Effekt (im Perfekt) nicht weiter ein. b) Die Stellungsvarianten des Infinitivkomplexes in der rechten Satzklammer lassen sich mit der räumlichen Verteilung beim Perfekt, vgl. II.1, vergleichen, soweit dort ein Ersatzinfinitiv auftritt. Die beiden Karten II.1 und II.5 (nach Modalverb) entsprechen sich grundsätzlich im Auftreten der Stellung 2-3 vom Westen bis zum östlichen Rand des Kantons ZH sowie in einigen Walserorten in GR. Die in der Standardsprache gültige und in den deutschen Dialekten weit verbreitete Stellungsvariante 3-2 (vgl. z. B. SBS 9.2: 483; SMF 7: 478) tritt ähnlich wie im Perfekt einerseits in der Ostschweiz als einzige Variante und andererseits in einem Streifen von Basel bis in den südlichen Teil des Kantons ZH und in GR zusammen mit der Stellung 2-3 auf. Im Unterschied zum Perfekt sind bei der Modalkonstruktion in der Zentralschweiz und im Wallis einige wenige Einzelnennungen der Stellungsvariante 3-2 zu verzeichnen. SDS (III: 264 A IV) gibt im Vergleich mit dem Perfekt von ‚ lassen ‘ (SDS III: 262) einige zusätzliche Informationen zur Konstruktion mit Modalverb (im Perfekt), deren Stellungscharakteristika bezüglich der Infinitivgruppe grundsätzlich als überein- 3.3 Position und Verdoppelung von lassen 241 stimmend beschrieben werden. Endstellung von ‚ lassen ‘ wird mit Beispielen aus ZH, SH, SG, AP, SZ, GL, GR belegt, Voranstellung mit solchen aus FR, BE, UW, ZG, SZ, UR, GR, VS. Die Verteilung lässt sich mit den Ergebnissen für die Modalkonstruktion in der vorliegenden Frage gut in Einklang bringen. In der Literatur zum Schweizerdeutschen wird die Stellung 2-3 meist indirekt als Normalstellung betrachtet (vgl. z. B. Lötscher 1983: 110), explizite Erwähnungen sind eher zufällig, z. B. Suter (1992: 131), der Variation mit 3-2 angibt, ähnlich Weber (1948: 247), der 3-2 als „ weniger gut “ charakterisiert. Fischer (1960: 359) führt nur 2-3 an, ebenso Frey (1906: 35) und Baumgartner (1922: 97, 158). Hodler (1969: 685) gibt an, dass „ in der Regel “ der übergeordnete Infinitiv dem abhängigen vorausgehe, wobei ‚ lassen ‘ eingeschlossen ist. Schmidt (2000: 38 - 40) ermittelt für das Zürichdeutsche bei der von Modalverben abhängigen Infinitivgruppe je nach Quellentyp gesamthaft ein leichtes Überwiegen einer der beiden Stellungen. Bei der altersbezogenen Auswertung stellt sie eine Tendenz zur Stellung 3-2 fest (65 - 67), wobei 2-3 ausschliesslich in den südlichen Gebieten auftritt (67). Eine punktuelle Nacherhebung in der Übergangszone von ZG anhand der SADS-Frage II.5 (Weber 2011) ergibt gegenüber den SADS-Daten eine Abnahme der 2-3-Stellung. Schlatter Gappisch (2011: 43, 46) dokumentiert in ihrer ebenfalls auf SADS-Fragen basierenden Studie zum südwestlichen Teil des Kantons Zürich das Überwiegen der Abfolge 3-2, wobei sie Indizien für einen Rückgang sieht. Bucheli Berger (in Druckvorb.) behandelt in ihrer umfassenden Untersuchung zur Syntax von ‚ lassen ‘ in den SADS-Daten auch die Modalverbkonstruktion II.5 (in Druckvorb.: 160, mit leicht abweichenden Zahlen) in zahlreichen Detailanalysen hinsichtlich verschiedener Distributionsparameter (geographisch, grammatisch, lexikalisch, soziolinguistisch) und im Vergleich zum Perfekt (II.1) (Bucheli Berger in Druckvorb.: 157 - 256). Bucheli Berger geht von einer langsamen Ausbreitung der östlichen 3-2-Variante aus. Ähnlich äussert sich bereits Wolfensberger (1967: 139 - 140, 182) auf der Basis einer Untersuchung in Stäfa ZH. c) Genauso wie im Perfekt tritt die Verdoppelungsvariante nur an Orten auf, an denen auch die Stellungsvariante 2-3 belegt ist. Auch wenn die 11 Orte mit Verdoppelung relativ verstreut liegen, erkennt man ungefähr dieselbe Vorkommenszone wie beim Perfekt. Lötscher (1993: 181) verneint explizit das Auftreten der Verbverdopplung bei ‚ lassen ‘ im Perfekt oder als Infinitiv nach Modalverb, vgl. II.1, 7 d. Im Id. (3: 1399) wird ein Beleg mit Verdoppelung im Infinitiv genannt, allerdings in selbstständiger Stellung, so dass unsicher ist, ob es sich um eine verkürzte Modalkonstruktion handelt. Weber (1948: 247) belegt für ZH variativ die Verdopplung auch mit einer Modalkonstruktion, während Fischer (1960: 359) dafür nur ein Beispiel im Perfekt anführt. Schmidt (2000: 38) kann die Verdoppelung in der Modalkonstruktion im Zürichdeutschen nur marginal nachweisen. Weber (2011) dokumentiert in ihrer Nacherhebung der SADS- Fragen in ZG - abweichend von den SADS-Ergebnissen - einige Fälle von Verdoppelung. d) Bei der intrapersonellen Variation, vgl. 3 d, sind geringfügige regionale Unterschiede in der Reihenfolge, in der die Gewährspersonen die beiden Übersetzungen angeben, zu erkennen, die im Folgenden dokumentiert sind. Abfolge Anzahl Antworten und Orte 2-3 vor 3-2 14 Mal an 12 Orten (je 2 Mal in Aesch BL, Küsnacht ZH, je einmal in Gelterkinden, Langenbruck BL, Merenschwand AG, Neftenbach, Niederweningen, Wald, Zürich ZH, Grosswangen, Wolhusen LU, Safien GR) 3-2 vor 2-3 10 Mal an 10 Orten (Basel BS, Aarau, Bremgarten, Kaisten, Möhlin, Niederrohrdorf AG, Fällanden, Winterthur ZH, Rapperswil SG, Fiesch VS) Verdoppelung vor 2-3 2 Mal an 2 Orten (Muotathal SZ, Gurtnellen UR) 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS a) Frage II.3 (Ü) - E r lässt den S chreiner kommen Bei Frage II.3 wurde 19 Mal über das Gesamtgebiet verstreut die Kausativperiphrase unter ein Modalverb eingebettet übersetzt, vgl. II.3, 6 c. Diese Übersetzungen lassen sich hier als Zusatzmaterial in Bezug auf die Stellung der Infinitive und eine mögliche Verdoppelung analysieren. 242 3 Verbalgruppe Abfolge Anzahl Antworten und Orte LASSEN KOMMEN (2-3) 8 Mal an 8 Orten (Aarau AG, Bäretswil, Urdorf ZH, Innertkirchen, Saanen BE, Buochs NW, Alpthal SZ, Betten VS) KOMMEN LASSEN (3-2) 10 Mal an 10 Orten (Gächlingen SH, Kesswil TG, Krinau, Vättis, Walenstadt SG, Trogen AR, Innertkirchen BE, Obstalden GL, Untervaz, Vals GR) LASSEN KOMMEN LASSEN Einmal in Küsnacht ZH Beispiele: I mues de Schriiner la choo la Küsnacht ZH, Er sött de Schriner cho lo Krinau SG, Är wott de der Schriner la cho Saanen BE, I muess de Schriner lo cho Alpthal SZ. Zusätzlich wurde 3 Mal eine von einem Modalverb im Perfekt abhängige Kausativperiphrase übersetzt, die dadurch nicht direkt mit dem Hauptmaterial von II.5 vergleichbar ist. 2 Mal erscheint die Konstruktion in derAbfolge 4-3 (Er hät scho lang sölle d ’ Schreiner choh lo Herisau AR, Er het mösa de Schreiner chu lu Linthal GL), 2 Mal in der Abfolge 3-4 (Er het müessä dr Schrjener lo cho Pratteln BL, Er het müsse der Schriner la cho Rubigen BE). Aus Frage II.3 lassen sich ausserdem auch 5 Übersetzungen mit einer dort nicht intendierten tun- Periphrase, unter die die ‚ lassen ‘ -Periphrase eingebettet ist, als Zusatzmaterial einbeziehen. Bezüglich der Position der Infinitive lassen sich diese Fälle zur bekannten räumlichen Verteilung stellen, vgl. oben 3 a, b. 2 Mal erscheint der Infinitivkomplex (in SO, LU) mit Abfolge 2-3 (Är duäd dä Schrinär la cho Weggis LU), 2 Mal (in BL und GL) mit 3-2 (Bruno tuet dr Schriiner cho loo Schönenbuch BL) und einmal mit Verdopplung (Er tuet de Schriner la cho la Menzingen ZG). b) II.1 (Ü) - H ast du die U hr flicken lassen? Aus Frage II.1 lassen sich 4 Übersetzungen mit einer dort nicht intendierten modalen Perfektkonstruktion, die zwei abhängige Infinitive enthält, bezüglich der Stellung der Verbalteile, 3 Mal 4-3, einmal 3-4, als Zusatzmaterial vergleichen, vgl. die Fälle unter 8 a: Beispiele: Häsch d ’ Uhr/ si müese flicke laa? Bülach ZH, Hesch d ’ Uhr chännä fliggä lu? Näfels, Häsch du d ’ Uhr chönnä fliggä lu? Obstalden GL - Luo da hesch Du die Uhr nu können la flicken? Alpthal SZ. Literatur Baumgartner 1922 ▪ Bucheli Berger in Druckvorb. ▪ Fischer 1960 ▪ Frey 1906 ▪ Hodler 1969 ▪ Id. 3 ▪ Lötscher 1983 ▪ 1993 ▪ SBS 9.2 ▪ Schallert 2014 a ▪ Schlatter Gappisch 2011 ▪ Schmidt 2000 ▪ SDS III ▪ SMF 7 ▪ Suter 1992 ▪ Weber 1948 ▪ Weber 2011 ▪ Wolfensberger 1967 Bezug auf SADS-Material Glaser 2014: 30 Ⓚ ▪ Bucheli Berger in Druckvorb. ▪ in Druckvorb.: Karten D2 - D7, D11, D13, D15 - D17 Ⓚ ▪ Weber 2011: 59 - 62 ▪ Glaser & Bart 2015: 90 - 91 ▪ Glaser & Frey 2007: 7 ▪ Schlatter Gappisch 2011: 36 - 39 3.3 Position und Verdoppelung von lassen 243 3.4 Syntax von anfangen 3.4.0 Einleitung In der Standardsprache werden die von dem trennbaren Phasenverb anfangen regierten Infinitive mit der Partikel zu angeschlossen. Im Schweizerdeutschen gehört das Verb im Hinblick auf die Konstruktionen mit abhängigem Infinitiv zur Gruppe der sogenannten Verdoppelungsverben, die bei Lötscher (1993) grundlegend zusammenhängend behandelt sind. Das bedeutet, dass in Teilen des Schweizerdeutschen eine phonetisch reduzierte Partikel, die mit der Kurzform des Infinitivs ‚ anfangen ‘ identifiziert wird, vor den abhängigen Infinitiv tritt und insofern das Verb ‚ anfangen ‘ (teilweise) verdoppelt wird. Neben der Auftrennung und Verdoppelung von Teilen der Verbalform sind auch unterschiedliche Anschlussmittel für den abhängigen Infinitiv zu berücksichtigen. Wie aus den Ausführungen in Id. (1: 718, 17: 77) hervorgeht, ist mit Variation bezüglich des Vorkommens eines Infinitiveinleiters ‚ zu ‘ zu rechnen, wie das auch aus anderen Dialekten belegt ist, vgl. dazu und zur Struktur der ‚ anfangen ‘ -Konstruktionen allgemein Schallert (2013, 2014 b) sowie Schmidt (2000). Ausserdem kann beim Verb ‚ anfangen ‘ im Perfekt mit abhängigem Infinitiv ein Ersatzinfinitiv statt des Partizips auftreten, der zudem ebenfalls normalerweise in einer Kurzform mit einsilbigem Stamm erscheint, vgl. auch Id. (1: 718). Zu diesem Thema, das ausserdem in einem weiteren Zusammenhang verbaler Cluster und deren Positionsvarianten steht, wurden insgesamt vier Fragen gestellt. In den Fragen III.1 und III.12 steht ‚ anfangen ‘ als finites Verb im Präsens, in den Fragen III.5 und III.8 im Perfekt. In III.1 und III.5 werden Hauptsätze, in III.8 und III.12 Nebensätze erfragt. Wie die Konstruktionsvarianten mit ‚ lassen ‘ ist auch die Syntax von ‚ anfangen ‘ mittels Übersetzungsfragen erhoben worden. Die Kommentare behandeln zunächst das Vorkommen von ‚ anfangen ‘ im Präsens und Perfekt im Hauptsatz, dann im Nebensatz. Die Lautform des Vollverbs ‚ anfangen ‘ ist im SDS (III: 78 - 79) dokumentiert. Zusätzlich wurde sie für den SADS auch nochmals in Frage IV.7 ‚ Jetzt kannst du anfangen ‘ erhoben, was für die Beurteilung der als Hilfsverb auftretenden Formen herangezogen werden kann, vgl. die Karten 33 und 34 zu IV.7 bei Damiano (2012: 33 - 35). Diese Frage ist im Folgenden allerdings nicht mit einem eigenen Kommentar vertreten. Die SADS-Fragen zur Syntax von ‚ anfangen ‘ im Schweizerdeutschen sind von Stoeckle (2018) einer ausführlichen variationslinguistischen Untersuchung unterzogen worden, die auch das Verhältnis der verschiedenen Fragen zueinander behandelt. Damiano (2012) enthält die Ergebnisse einer auf den SADS- Fragen basierenden, weiterführenden Studie zu ausgewählten Orten im Übergangsgebiet ZH/ AG. Literatur Damiano 2012 ▪ Id. 1 ▪ 17 ▪ Lötscher 1993 ▪ Schallert 2013 ▪ 2014 b ▪ Schmidt 2000 ▪ SDS III ▪ Stoeckle 2018 3.4.1 Syntax von anfangen im Hauptsatz (Präsens) Frage III.1 (Ü) - W ENN ES SO WARM BLEIBT , FÄNGT DAS E IS AN ZU SCHMELZEN ! 1. Kartenthema und Datengrundlage In der Standardsprache wird bei dem finiten Phasenverb anfangen in Verb-Zweit-Position das betonte Verbalpräfix anvom Stamm abgetrennt nachgestellt, und der abhängige Infinitiv wird dahinter mit zu angeschlossen: Es fängt an zu regnen. In dieser Konstellation kann in schweizerdeutschen Dialekten anstelle des abgetrennten Verbalpräfixes eine mit dem Infinitiv des Phasenverbs identifizierbare phonetisch reduzierte Kurzform, afa o. ä., auftreten, was in der Sekundärliteratur als Verbverdoppelung bezeichnet wird (vgl. Lötscher 1993, 180 - 181, 199). In der hier ausgewerteten Frage III.1 wurden die Gewährspersonen gebeten, einen standarddeutschen Hauptsatz mit dem Phasenverb im Präsens, also mit abgetrenntem Präfix, in ihren Dialekt zu übersetzen. Die ► Hauptkarte (S. 142) stellt die Verbreitung der infinitivartigen Partikel gegenüber dem abgetrennten Verbalpräfix im Aussagesatz mit Präsens dar. Das Vorhandensein einer Infinitiveinleitung zu und die Stellung der Verbalglieder werden im Text behandelt. 244 3 Verbalgruppe Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 2803 2372 431 2365 7 2379 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a FÄNGT AN SCHMELZEN 3 b FÄNGT AFA SCHMELZEN Verdoppelung Typenbildung AN aa, an, a, ah, an AFA afa, afo, afe, afaa, aafa, aafo, aafaa, aafoo, afan, anfan, afou, a feh o. ä. FÄNGT fangt, faat, fat, fad, foot, fot, fod, fäät, fäd, feet, fet, feat, focht, fout, fahs o. ä. SCHMELZEN schmelze, schmelzä, schmelza, schmöuze, schmälzn, gschmelze, melschu, verga, vergoo, zerga, z ’ toue, toiwän, ändlah o. ä. 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Am häufigsten wird mit 1413 Mal an 337 Orten die nicht verdoppelte Variante mit abgetrenntem nachgestelltem Verbalpräfix übersetzt. Im Nordosten und Osten des Untersuchungsgebiets ist sie die einzig mögliche Variante (abgesehen von vereinzelten Nennungen der afa -Verdopplung in ZH, SG, GR und weiteren nicht kartierten Varianten, vgl. 5). Ansonsten steht sie mehr oder weniger stark in Konkurrenz zur afa -Verdopplung. Während sie in der gesamten Zentralschweiz nie mehrheitlich vorkommt, gibt es im Westen (BE, v. a. Oberland, VS) vermehrt Orte, wo diese Variante mehrheitlich genannt wird, in VS an immerhin 11 von 23 Orten, vgl. ► Prozentkarte (S. 143). In Wengen BE, Binn, Ferden, Guttet-Feschel, Steg, Visp VS ist sie sogar die einzig mögliche Variante. Ganz überwiegend wird der abhängige Infinitiv ohne weiteres Element angeschlossen. In einem Fall erscheint der abhängige Infinitiv mit g-Präfix, s. u. die Beispiele. Die folgende Tabelle verzeichnet die Stellungsvarianten der verbalen Teile und eines allfälligen Infinitiveinleiters zu bzw. zum : Varianten Anzahl Antworten und Orte FÄNGT … AN SCHMELZEN 1280 Mal an 329 Orten FÄNGT … AN ZU SCHMELZEN 130 Mal an 102 verstreuten Orten FÄNGT … AN ZUM SCHMELZEN Einmal in Elfingen AG FÄNGT AN … SCHMELZEN Einmal in Glarus GL FÄNGT AN … ZU SCHMELZEN Einmal in Avers GR FÄNGT … ZU SCHMELZEN AN 4 Mal (Ettingen BL, Bottighofen TG, Eschenbach SG, Arosa GR) FÄNGT … ZUM SCHMELZEN AN Einmal in Zürich ZH 5 Gewährspersonen übersetzen die Variante ohne Verdoppelung und mit abgetrenntem Suffix mit und ohne Infinitiveinleiter zu nebeneinander (3 Mal in ZH, je einmal SH und SG). fängt … an schmelzen : … fangt s Iis a schmelze Möhlin AG, … fet z Isch a schmelze Lenk BE, … foot z Iis a schmelza Untervaz GR, … fahs dä a ändlah Salgesch VS. fängt … an zu schmelzen : … fot s ’ Is a zgschmelze Muttenz, … , foht ’ s Is a z ’ schmelze Pratteln BL, … , fangt s ’ IIs a z ’ schmelza Oberriet SG. fängt … an zum schmelzen : … , fat s Is a zom Schmelze Elfingen AG. fängt an … schmelzen : … , faat aa ds Ys schmelze Glarus GL. 3.4 Syntax von anfangen 245 fängt an … zu schmelzen : … fots a z isch z schmelza Avers GR. fängt … zu schmelzen an : … , fang [sic] s ’ Iis z ’ schmelze-n-aa Eschenbach SG, … , faht ds ’ Is z ’ schmelza a Arosa GR. fängt … zum schmelzen an : fangt s ’ Is zum schmelzä a Zürich ZH. b) Die sogenannte Verdoppelung, d. h. die Kurzform afa statt des Verbalpräfixes an , wird von 958 Gewährspersonen an 238 Orten in den zentralen und westlichen Teilen des Untersuchungsgebiets angegeben. In einem Streifen von FR, BS bis in die Innerschweiz ist die Variante verbreitet mehrheitlich, und es sind 43 der insgesamt 46 Orte mit alleiniger Geltung der Verdoppelung dort angesiedelt, vgl. ► Prozentkarte (S. 143). In GR tritt die Verdoppelungskonstruktion nur marginal in einigen Walserorten auf. Die folgende Tabelle gibt Auskunft über das Auftreten des Infinitiveinleiters zu : Varianten Anzahl Antworten und Orte FÄNGT … AFA SCHMELZEN 950 Mal an 238 Orten FÄNGT … AFA ZU SCHMELZEN 9 Mal an 8 Orten (2 Mal in Agarn VS, je einmal in Liestal BL, Bern, Busswil b. B., Interlaken, Langnau BE, Stans NW, Engelberg OW) Eine Gewährsperson aus Interlaken BE übersetzt die verdoppelnde Konstruktion mit und ohne zu nebeneinander. fängt … afa schmelzen : … fangt s Yys afoo schmelze Basel BS, … fotz Yys afoo schmelze Muttenz BL, … foht ’ s Is afe schmöuze Stüsslingen SO, … foht s ’ Is afo schmeuze Boniswil AG, … fangt s ’ Is afo schmelze Bäretswil, … fangt s ’ Is afa schmelze Bassersdorf ZH, … fat ds ’ Is afa schmöuze Freiburg FR, … faat z ’ Isch afan schmelzen Brienz, … fad d ’ Iisch afan schmilzen Meiringen BE, … fad s ’ Iis afe schmelze Küssnacht SZ. fängt … afa zu schmelzen : … faat d ’ s Iis afaa z ’ schmilze Interlaken BE, … fad d ’ Eischä afa z schmelzä Engelberg OW, … fat dä ds ’ Isch afa ds ’ schmälzu Agarn VS. c) Intrapersonelle Variation: übersetzte Varianten Anzahl Personen und Orte FÄNGT … AN SCHMELZEN und FÄNGT … AFA SCHMELZEN 7 Personen an 7 Orten (Aarau, Zofingen AG, Brienz, Frauenkappelen, Rapperswil, Wynigen BE, Stans NW) 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ Wenn ’ s so warm blibt faht z Isch a schmeuze; z. T. sagt man auch afäh statt afah. “ , Aarberg BE. - „ 1. Wenn es so warm bliibt foht z ’ Isch a z ’ schmelze, oder: 2. Wenn es so warm bliibt tuet z ’ Isch afoh schmelze. 2 = geläufiger “ , Busswil b. B. BE. 5. Weitere Varianten a) 2 Gewährspersonen übersetzen anstelle des Verbalpräfixes einen vollen Infinitiv anfangen , so dass sich eine Verdopplung mit der Langform ergibt: … fangts s ’ Is afange schmelze Sternenberg ZH, … fangt z ’ Is afanga schmelza Untervaz GR. b) 2 Gewährspersonen kombinieren das abgetrennte Verbalpräfix mit der Partikel afa , bilden also eine echte Verdoppelung: … feht an s Is a feh schmelze Villigen AG, … fad z ’ Iisch nu a afä schmelzä Lungern OW. c) In Appenzell AI übersetzen 4 Gewährspersonen anstelle des sonst in der Nordostschweiz üblichen Verbalpräfixes an (meist aa) eine Partikel ane: … fangt s ’ Iis no ane schmölze, … fangt s Jis a ne schmälze, … fangts s ’ Js no ane schmölze! , … fangt das Jis ane schmölze. 6. Unbrauchbare Antworten Es gibt insgesamt 434 unbrauchbare Antworten, 3 Gewährspersonen haben 2 unbrauchbare Antworten nebeneinander gegeben. 246 3 Verbalgruppe a) 26 Mal, mit einer gewissen Häufung in VS und der Zentralschweiz, wird als einzige Antwort eine Konstruktion mit ‚ tun ‘ als Hilfsverb übersetzt, von welchem afa ( zu ) schmelzen oder der blosse Infinitiv schmelzen abhängt (insgesamt 33 Mal). Die Konstruktion kann auch mit dem Infinitiveinleiter zu auftreten. Beispiele: … tuet z ’ Isch afoh schmelze Busswil b. B. BE, … tuat denn Zisch äppa schmelza Churwalden, … tuat z Isch afo z schmelza Safien GR, … te tüät te z Isch schmälzu Steg VS. b) 13 Mal wird als einzige Variante eine Futur-Umschreibung mit ‚ werden ‘ - mit oder ohne Phasenverb - übersetzt (insgesamt 15 Mal). Beispiele: wird s Is afange schmelze Birmenstorf, wirds Iis afo schmelze Kaiserstuhl AG, … wird ’ s Iis schmelze St. Gallen SG, … wird d ’ Isch gly uftoue Thun BE. c) Einmal wird als einzige Variante eine Konstruktion mit dem Modalverb ‚ können ‘ übersetzt: … chentis afan entliimen. Gadmen BE. d) 356 Mal an 229 über das Gesamtgebiet verstreuten Orten werden einzig einfache Präsensformen ( schmilzt o. ä.) übersetzt (insgesamt 403 Mal). Beispiele: … schmilzt s ’ Is Turbenthal ZH, … schmilzt de z ’ Iis eppä Alpnach OW. e) 3 Mal wird eine Perfektkonstruktion/ Resultativkonstruktion ist geschmolzen angegeben, einmal davon mit Kongruenzendung: … , isch dä d ’ s Is gli gschmulze Benken SG, … , isch das Isch grad g ’ schmolze Kandersteg, … ischt den z ’ Isch glii gschmultzes Mürren BE. f) 24 Mal wird einzig eine inhaltlich ungenaue Antwort übersetzt. g) 11 Mal wird einzig die Vorlage standarddeutsch übersetzt. 7. Weitere Bemerkungen a) Zu den Innerrhoder Formen ane u. ä. (vgl. 5 c) sind wohl die im Id. (1: 718) vermerkten Appenzeller Beispiele „ [m]it Verkürzung und blosser Andeutung des Inf. “ zu vergleichen: z. B. Dër f ō cht mi a n e ̥ foppe n . Ein wohl mit dem hier erwähnten Beleg Es fangt (fohd) a n a n bessere n identischer Beleg wird im Id. (1: 257) als Beispiel für pleonastischen Gebrauch von an eingeordnet. Die Partikel tritt auch im Perfekt und im Nebensatz, d. h. unabhängig vom abgetrennten Verbalpräfix, auf, vgl. dazu auch III.5, III.8 sowie III.12, jeweils 5 a. b) Id. (1: 718) nennt die Verdoppelung ( „ mit pleonastisch vorgesetztem Inf. a n f ā h “ ) „ häufig “ , allerdings ohne geographischen Hinweis, schränkt aber ihren Gebrauch auf die Stellung nach Präsens- und Imperativformen ein. Die Verdoppelung im Präsens belegen für die einschlägigen Gebiete auch Hodler (1969: 544 - 546), Fischer (1960: 283, 359), Bossard (1962: 88 - 89), Suter (1992: 130 - 131), Muster & Bürkli Flaig (2001: 29) sowie bereits Hunziker (1877: 11) mit expliziter Nennung als Variante. Weber (1948: 247) erwähnt die Verdoppelung nur noch als veraltete Variante, Stucki (1921: 122, 140) als westliche Variante. Vgl. auch SDS (III: 78), aber ohne genauen Nachweis, wobei in der Legende Spontanbelege aus ZH und AG angegeben werden. Nach Schmidt (2000: 44) dominiert in ihrem Zürcher Untersuchungsgebiet die einfache Variante deutlich. c) Id. (1: 718) gibt explizit an, dass bei der Verdoppelung der Infinitiv (abgesehen von SO afe) keinen reduzierten Vokal zeige, vgl. aber die Literatur unter 7 b mit abweichenden Angaben. Die Schreibungen des Typs afa sind bei der vorliegenden Frage III.1 nicht nach der Anzeige von Quantität sortiert. d) Der Infinitiveinleiter zu tritt bei der einfachen Konstruktion in etwa 10 % der Fälle, bei der Verdoppelung nur bei 1 %, auf, ohne dass eine regionale Konzentration zu erkennen wäre, vgl. Stoeckle (2018: 178) und Damiano (2012: 20 - 21) sowie zu den Ergebnissen einer Zusatzbefragung mit verschiedenen Konstruktionstypen Damiano (2012: 100 - 117), mit Indizien für eine allmähliche Zunahme der Infinitiveinleiter. Nach Id. (1: 718) steht „ meistens “ , nach Frey (1906: 34) „ regelmässig “ kein Infinitiveinleiter. Ähnlich Hodler (1969: 546 - 547), mit weiteren Angaben zum Auftreten von zu . Häufig wird lediglich die Fügung ohne zu erwähnt, z. B. Fischer (1960: 355), Stucki (1921: 122, 140). Schmidt (2000: 56 - 57) geht für das untersuchte 3.4 Syntax von anfangen 247 Zürichdeutsche von einem Fortschreiten des Infinitiveinleiters, ausgehend vom Präsens, aus. Fehlendes zu zeigt sich auch vereinzelt, und praktisch ausschliesslich im Schweizerdeutschen, in AdA (Runde 7, „ Infinitiv mit zu/ zum (II) “ , 13 c). Zur Optionalität des Infinitiveinleiters, der in Vorarlberg zu überwiegen scheint, vgl. Schallert (2014 a: 197), (2010 a: 142 - 143) sowie allgemeiner (2013: 119, 124 - 126) zu möglichen Steuerungsfaktoren. SBS (9.2: 496 - 498) belegt den direkten Anschluss im südlichen Teil des Untersuchungsgebiets. Nach Mottausch (2009: 249, 303) steht der Einleiter im Südhessischen immer. Zu weiteren Nennungen insbesondere mit Beispielen im Perfekt vgl. III.5, 7 f und im Nebensatz vgl. III.12, 7 d. e) Nur in wenigen Fällen tritt das abgetrennte Präfix bei der einfachen Konstruktion am Satzende auf, vgl. 3 a, sonst steht der abhängige Infinitiv satzfinal. f) Stoeckle (2016: 198 - 203) diskutiert die Ergebnisse der Frage III.1 unter dem Gesichtspunkt der Variation, Stoeckle & Jeszenszky (2017) unterziehen die Varianten aus Frage III.1 verschiedenen geostatistischen Analysen. Stoeckle (2018: 177 - 178) untersucht III.1 im Vergleich mit weiteren Fragen zur Verbverdoppelung und im Hinblick auf eine in der apparent time-Analyse erkennbare Ausbreitung der Verdoppelung im Westen gegenüber einem Rückgang in der Zentralschweiz. Die Verbverdoppelung in III.1 wird in Glaser & Frey (2007: 6 - 7) in einen Zusammenhang mit anderen Verbverdoppelungen, aber auch mit dem Vorkommen eines kurzstämmigen Infinitivs sowie einem entsprechenden Ersatzinfinitiv im Perfekt, vgl. III.5, gesetzt. Andres (2011: 11 - 13) kann in einer Nacherhebung im nordöstlichen Aargau anhand der SADS-Frage III.1 die Variation mit leicht überwiegender einfacher Konstruktion bestätigen. Damiano (2012) enthält neben einer ausführlichen Besprechung von III.1 (2012: 14 - 15, 17 - 21), insbesondere zur relativ scharfen Ostgrenze der Verdoppelungskonstruktion, eine umfangreiche Zusatzstudie zur Syntax von ‚ anfangen ‘ , die die Ostgrenze für Verdoppelung im Präsens prinzipiell bestätigt und insgesamt Hinweise auf einen Abbau herausarbeitet (2012: 70 - 80). g) Zur hier, vgl. 6 d, als unbrauchbar erachteten, relativ häufigen Variante mit einfachem Präsens, ist die Auswertung bei Stoeckle & Jeszenszky (2017: 282) zu vergleichen, wo ein erhöhtes Vorkommen besonders in GL und der Nordostschweiz nachgewiesen wird. 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS a) Frage III.5 (Ü) - I ch habe schon angefangen zu kochen Bei Frage III.5 dokumentieren zwei dort unbrauchbare Antworten im Präsens bzw. Konjunktiv, vgl. 6 f, die Verdoppelung: Är … fad afa chochä Engelberg OW, Ich ha tänkt, ich fiäng afäd afä chochä Unterschächen UR. b) Frage IV.32 (A) - D as macht mich schwitzen 45 Mal wird an 41 Orten in dieser auf eine Kausativkonstruktion gerichteten Frage eine Periphrase mit ‚ anfangen ‘ angegeben. Dabei bestätigt sich die in der vorliegenden Frage III.1 aufgetretene Verteilung der Varianten 3 a und 3 b mit und ohne Verdoppelung, insofern die Verdoppelung v. a. in der Zentralschweiz auftritt. Ein der Variante 5 c entsprechender Beleg tritt, ebenfalls geographisch passend, in AI auf. An zwei Orten (Buchberg SH, Bülach ZH) wird je einmal bei der nicht verdoppelten Variante der Infinitiveinleiter ZU gesetzt. Varianten Anzahl Antworten und Orte FANGE ( ... ) AN ( ZU ) Infinitiv 28 Mal an 25 Orten (3 Mal in St. Gallen SG, 2 Mal in Blatten VS, je einmal in Aarau AG, Andelfingen, Bülach, Rorbas, Uster, Wädenswil, Zürich ZH, Buchberg, Hallau, Stein am Rhein SH, Birwinken, Roggwil, Romanshorn TG, Amden, Rheineck, Stein, Walenstadt, Wattwil SG, Trogen AR, Langwies GR, Agarn, Ferden, Bürchen VS) FANGE ( ... ) AFA + Infinitiv 16 Mal an 15 Orten (2 Mal in Isenthal UR, je einmal in Bibern SO, Oberhof AG, Murten FR, Seftigen BE, Luzern LU, Melchtal OW, Küssnacht, Muotathal, Schwyz SZ, Göschenen, Unterschächen UR, Luchsingen, Schwanden GL, St. Niklaus VS) FANGE ... ANE + Infinitiv Einmal in Brülisau AI 248 3 Verbalgruppe Beispiele: Da fang ich a schwitze! Rorbas ZH, Da fangi a z schwitze Buchberg SH, Do fang i a schwitzä St. Gallen SG, Da fani a schwitzu Agarn, Da fan ich an schwitzn! Blatten VS - I fo afo schwitze Bibern SO, I fa afa schwitze Seftigen BE, Da fahn ich afä schwitzä! Melchtal OW, I faa afä schwitzä! Muotathal SZ - I fange scho ane schwitze! Brülisau AI. Literatur AdA 7 ▪ Andres 2011 ▪ Bossard 1962 ▪ Damiano 2012 ▪ Fischer 1960 ▪ Frey 1906 ▪ Glaser & Frey 2007 ▪ Hodler 1969 ▪ Hunziker 1877 ▪ Id. 1 ▪ Lötscher 1993 ▪ Mottausch 2009 ▪ Muster & Bürkli Flaig 2001 ▪ SBS 9.2 ▪ Schallert 2010 a ▪ 2013 ▪ 2014 a ▪ Schmidt 2000 ▪ SDS III ▪ Stoeckle 2016 ▪ 2018 ▪ Stoeckle & Jeszenszky 2017 ▪ Stucki 1921 ▪ Suter 1992 ▪ Weber 1948 Bezug auf SADS-Material Andres 2011: 11 - 13, 15 - 16 ▪ Damiano 2012: 15 Ⓚ ▪ Glaser & Frey 2007: 6 - 7 ▪ Stoeckle 2016: 198 - 203 ▪ 2016: 200 - 203 Ⓚ ▪ 2018: 179, 194 Ⓚ ▪ Stoeckle & Jeszenszky 2017: 271 - 273, 278, 280, 282 Ⓚ 3.4.2 Syntax von anfangen im Hauptsatz (Perfekt) Frage III.5 (Ü) - I CH HABE SCHON ANGEFANGEN ZU KOCHEN 1. Kartenthema und Datengrundlage In der hier ausgewerteten Frage III.5 wurden die Gewährspersonen gebeten, einen standarddeutschen Aussagesatz mit dem Phasenverb anfangen im Perfekt und einem nachgestellt mit zu angeschlossenen abhängigen Infinitiv in ihren Dialekt zu übersetzen. Im Schweizerdeutschen kann in diesem Fall anstelle des Partizips II ein Ersatzinfinitiv (IPP) auftreten, der ausserdem meist in einer Kurzform erscheint (afa o. ä.) (vgl. Id. 1: 718; SDS III: 78 - 79 Partizip Perfekt 2.a). Die Frage war auf das Vorkommen des Ersatzinfinitivs, ein mögliches Auftreten einer Verdoppelungskonstruktion sowie eines Infinitiveinleiters gerichtet. Die ► Hauptkarte (S. 144) stellt die Verbreitung des Partizips, der IPP-Kurzform und der Verdoppelungskonstruktion dar. Die Serialisierung in der rechten Satzklammer sowie das Auftreten eines Infinitiveinleiters werden im Text behandelt. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 2802 2702 100 2617 85 2787 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a ANGEFANGEN KOCHEN Partizip II 3 b AFA KOCHEN Infinitiv (Kurzform) 3 c ANGEFANGEN AFA KOCHEN Verdoppelung 3 d ANFANGEN KOCHEN Infinitiv (Langform) Typenbildung ANGEFANGEN agfange, agfang, agfocht, agfo, agfä, aagfä, agfae, agfa, aagfa, agfaa, agfoo, aagfou, agfee, aagföö, agfëë o. ä. AFA afa, afo, afe, aafa, aafo, afaa, aafaa, aafoo, afan, anfan, afou, afoh, aafah o. ä. ANFANGEN afange, afanga o. ä. 3.4 Syntax von anfangen 249 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Am häufigsten wird mit 1697 Antworten an 376 Orten die Variante mit dem Partizip II, ohne Verdoppelungspartikel, übersetzt. Die Variante tritt im gesamten Untersuchungsgebiet auf, nicht jedoch in Aedermannsdorf, Welschenrohr SO, Diessbach b. B., Lauterbrunnen, Meikirch, Reichenbach BE, Muotathal SZ. Im Osten und Nordosten ist sie die einzig mögliche Variante (neben weiteren, nicht auf der Hauptkarte berücksichtigten Varianten, vgl. 5). Während sie auch in VS fast flächendeckend mehrheitlich oder sogar als einzige Variante genannt wird, kommt sie in der Zentralschweiz und im Westen weniger häufig auch mehrheitlich vor, vgl. ► Prozentkarte (S. 145). Im Folgenden sind Positionsvarianten, Infinitivanschlüsse und das Vorkommen von partizipialen Sonderformen zusammengestellt (vgl. auch 7 a): Varianten Anzahl Antworten und Orte 2-3 ANGEFANGEN KOCHEN 1416 Mal an 363 Orten 2-3 AGFA KOCHEN 14 Mal an 14 Orten (Leibstadt AG, Andelfingen, Bassersdorf, Bülach, Egg, Forch, Thalwil, Turbenthal, Uster, Wädenswil ZH, Flums, Mosnang SG, Ueberstorf FR, Utzenstorf BE) 2-3 ANGEFANGEN ZU KOCHEN 262 Mal an 180 Orten 2-3 ANGEFANGEN ZUM KOCHEN 3 Mal an 3 Orten (Altstätten SG, Oberwichtrach BE, Thusis GR) 3-2 KOCHEN ANGEFANGEN Einmal in Rafz ZH 3-2 ZU KOCHEN ANGEFANGEN 5 Mal an 5 Orten (Meilen ZH, Bottighofen TG, Flums, Oberriet SG, Arosa GR) 3-2 ZUM KOCHEN ANGEFANGEN 3 Mal an 3 Orten (Elfingen AG, Ramsen SH, Iseltwald BE) 4 Gewährspersonen übersetzen die Stellungsvariante 2-3 mit und ohne zu nebeneinander, eine weitere die Variante 2-3 mit zu und zum nebeneinander; 2 Gewährspersonen übersetzen die Variante 2-3 mit angefangen und agfa nebeneinander. 2-3 angefangen kochen : I ha scho aagfange koche Aarau AG, Ich ha scho agfangä chochä Hallau SH, I ha scho agfanga chocha Altstätten, i ha scho agfocht kocha Valens SG, I ha scho agfange choche Rubigen BE, Ich han schon angfang chochun Blatten VS. 2-3 agfa kochen : Ich ha scho aagföö chochë Andelfingen, Ich han scho agfëe choche Forch ZH. 2-3 angefangen zu kochen : I ha scho aagfange z ’ choche Schwarzsee FR, I ha schon agfangen z ’ chochen Mürren BE, Ich ha scho agfange z ’ choche Horw LU. 2-3 angefangen zum kochen : I ha scho agfange zum koche Oberwichtrach BE. 3-2 kochen angefangen : Ich ha scho choche agfange Rafz ZH. 3-2 zu kochen angefangen : Ich han scho z ’ koche angfanga Arosa GR. 3-2 zum kochen angefangen : Ich ha scho zum choche agfange Ramsen SH. b) Mit 653 Antworten an 225 Orten wird als zweithäufigste Variante anstelle des Partizips II ein kurzförmiger Ersatzinfinitiv afa übersetzt. Der Ersatzinfinitiv steht immer vor dem regierten Infinitiv (2-3) und ohne Infinitiveinleiter. Die Variante ist in zentralen und westlichen Regionen des Untersuchungsgebiets verbreitet, im Nordosten und Osten kommt sie nur vereinzelt (ZH, GL und einige Bündner Walserorte) vor. Zu den Anteilen vgl. ► Prozentkarte (S. 145). 75 Mal an 56 Orten erscheint der Ersatzinfinitiv mit Langvokalschreibung afaa, afoo, afah o. ä. bzw. als a(n) fan, vgl. 7 d. Beispiele: I ha scho afoh choche Pratteln BL, Ig ha scho afo chochä Erschwil SO, I ha scho a vo koche Boniswil, I ha scho aafoo choche Lenzburg AG, I ha scho afa koche Schwarzsee FR, I ‘ han schon afan chochen Innertkirchen, I han schon afahn chochen Iseltwald, I ha scho afah choche Seftigen BE, Ich ha scho afä chochä Giswil OW, Ich ha scho afo choche Zug ZG, Ich ha scho afa chochä Alpthal SZ. c) 6 Mal wird in der Zentralschweiz eine Kombination von Partizip II und Kurzform afa , also eine Verdoppelungskonstruktion, übersetzt: angefangen afa kochen (2 Mal in Schwyz SZ, je einmal in 250 3 Verbalgruppe Alpthal, Küssnacht, Muotathal SZ, Gurtnellen UR). Einmal wird die Variante in Gurtnellen UR mit 3-2 Wortstellung und vorangestellter Partikel übersetzt. Beispiele: Ich ha scho agfange afe choche Küssnacht, I ha scho aagfangä äfä chochä Muotathal SZ, Ich ha scho afa Kochä agfangä Gurtnellen UR. d) 22 Mal an wird eine Variante mit langförmigem Ersatzinfinitiv anfangen anstelle des Partizips II, über das Untersuchungsgebiet verteilt, übersetzt, jeweils in 2-3-Stellung. Hier sind nur diejenigen Formen einbezogen, die eine Schreibung mit -ngaufweisen: Varianten Anzahl Antworten und Orte 2-3 ANFANGEN KOCHEN 20 Mal an 19 Orten (2 Mal in Stadel ZH, je einmal in Basel BS, Ettingen, Laufen, Muttenz BL, Aedermannsdorf SO, Bassersdorf, Illnau, Wald ZH, Birwinken, Triboltingen TG, Bern, Tüscherz BE, Triengen LU, Zug ZG, Wollerau SZ, Altdorf UR, Arosa, Untervaz GR) 2-3 ANFANGEN ZU KOCHEN 2 Mal an 2 Orten (Chur GR, Zermatt VS) 2-3 anfangen kochen : I ha scho afange Choche Ettingen BL, Ich ha scho afange choche Stadel ZH. 2-3 anfangen zu kochen : I ha schu afanga z ’ kocha Chur GR, Ich han scho afange zu chochu Zermatt VS. e) Intrapersonelle Variation: übersetzte Varianten Anzahl Personen und Orte ANGEFANGEN KOCHEN und AFA KOCHEN 3 a und 3 b 14 Personen an 14 Orten (Langenbruck, Schönenbuch BL, Aarau AG, Bassersdorf, Forch ZH, Freiburg FR, Bern, Huttwil, Langnau, Seftigen BE, Horw LU, Rheinwald, Safien GR, Brig VS) AFA KOCHEN und ANGEFANGEN AFA KOCHEN 3 b und 3 c 1 Person in Schwyz SZ ANGEFANGEN KOCHEN und ANFANGEN KOCHEN 3 a und 3 d 1 Person in Zug ZG 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ Ich han scho afange choche … = agfange … (ist besser! ) “ , Bülach ZH. - „ i ha scho aafa choche / i ha scho aagfange choche (empfinde ich nicht als ganz sinngleich.) “ , Langnau BE. - „ 1. Ich ha scho afa chochä. Oder: 2. Ich ha scho agfangä mit chochä. Oder: 3. Ich ha scho afän agfangä mit chochä. Bei Varianten 2 und 3 ist vorausgesetzt, dass die ankommende Person eigentlich auch mit zum Kochen gehört! “ , Unterschächen UR. 5. Weitere Varianten a) 3 Personen in AI übersetzen die Variante mit Partizip II, auf welches eine Partikel ane folgt, vgl. 7 e; 2 Mal mit Wortstellung 2-3 und einmal 3-2: I ha scho agfange ane choche Appenzell, I ha scho agfange ane choche Brülisau, I ha scho ane choche agfange Brülisau AI. b) Eine Gewährsperson aus Steffisburg BE übersetzt I ha scho agfange a z choche. c) Insgesamt 405 Mal an 243 Orten wird der Infinitiv kochen mittels mit angeschlossen. Die Nennungen sind gleichmässig über das Untersuchungsgebiet verteilt. In zwei Fällen wird ein Ersatzinfinitiv (Langform) verwendet, einmal in 2-3- und einmal in 3-2-Stellung, wohingegen die Kurzform hier nicht auftritt. Über die Positionsvarianten und den genauen Anschlusstyp (mit oder ohne Artikel) gibt die folgende Zusammenstellung Auskunft (die Präpositionalphrase wird als 3 wiedergegeben). Das Temporaladverb kann bei Stellung 3-2 vor dem Verbkomplex oder dazwischen stehen, was hier nicht berücksichtigt wird. 3.4 Syntax von anfangen 251 Abfolge Anzahl Antworten und Orte 2-3 ANGEFANGEN MIT ( DEM ) KOCHEN 217 Mal an 164 Orten (davon 13 Mal an 13 Orten mit DEM ) 2-3 ANFANGEN MIT KOCHEN Einmal in Zunzgen BL 3-2 MIT ( DEM ) KOCHEN ANGEFANGEN 188 Mal an 140 Orten (davon 20 Mal an 19 Orten mit DEM ) 3-2 MIT DEM KOCHEN ANFANGEN Einmal in Brunnen SZ 3-[1]-2 MIT KOCHEN [ HABE ICH ] ANGEFANGEN Einmal in Churwalden GR 3 Mal werden die Varianten 2-3 und 3-2 nebeneinander übersetzt. Die Variante wird 60 Mal neben 3 a übersetzt und 9 Mal neben 3 b. 2-3 angefangen mit ( dem ) kochen : Ii ha halt scho aagfange mit em kocha Sennwald SG, Ich ha scho agfange met choche Escholzmatt LU, I ha scho afän agfangä mit choche Unterschächen UR. 2-3 anfangen mit kochen : Ich ha scho aafange mit choche Zunzgen BL. 3-2 mit ( dem ) kochen angefangen : I ha scho met chochä agfangä Kirchberg SG, I ha mit choche scho agfange Röthenbach i. E. BE, Ich hä mit dum chochchu scho angfangu Visperterminen VS. 3-2 mit dem kochen anfangen : Ich ha scho mit em chochä a ’ fangä Brunnen SZ. 3-[1]-2 mit kochen [ habe ich ] angefangen : Mit chocha hann ii scho agfanga Churwalden GR. 6. Unbrauchbare Antworten a) 85 Mal an 71 Orten (mit Häufungen in GL, SG, AR, AI) wird eine Progressiv-Konstruktion (81 Mal mit am o. ä., 2 Mal mit ‚ hinter ‘ , je einmal mit ‚ dahinter gegangen ‘ und ‚ über ‘ als einzige Variante übersetzt (insgesamt 107 Mal). Beispiele: Y bi scho am koche Basel BS, Ich bi scho am Choche Rorbas ZH, Ich bin grad am kochen Maderanertal UR, Ich bi scho derhinner gangu ans chochu Visp, Ich bi scho hiner dum kochu Visperterminen VS, Ich bi scho obem Choche Amden SG. b) Einmal erscheint eine Präpositionalphrase mit der Nominalisierung chochig als einzige Variante (insgesamt 2 Mal): I han mit där chochig angfanga Davos GR. c) 2 Mal wird der Satz im Präsens ohne das Phasenverb übersetzt: i choch scho Bottighofen TG, Ich chochä scho Buochs NW. d) 3 Mal erscheint nur eine inhaltlich ähnliche Konstruktion: i has scho obtue Appenzell AI, I ha scho überta Signau BE, I hä gat z ’ Mittag uber gi ta Visperterminen VS. e) 2 Mal ist die ‚ anfangen ‘ -Periphrase unter das Modalverb ‚ wollen ‘ eingebettet: … ha grad welle afange choche Lustdorf TG, Jetzt hani grad wellä afä Kochä Giswil OW. f) 2 Mal wird eine Antwort im Präsens bzw. Konjunktiv mit Verdoppelung übersetzt: Är … fad afa chochä Engelberg OW, ich ha tänkt, ich fiäng afäd afä chochä Unterschächen UR. g) 2 Mal wird als einzige Antwort eine inhaltlich gänzlich abweichende Variante übersetzt. h) Einmal ist die Antwort unvollständig und nicht interpretierbar. i) 2 Mal wird als einzige Antwort die Vorlage standarddeutsch übersetzt. 7. Weitere Bemerkungen a) Die in der vorliegenden Frage III.5 dokumentierte Variation von IPP und Partizip II ist grundsätzlich auch der Sekundärliteratur zu entnehmen, wenn auch teilweise nur IPP-Formen explizit erwähnt werden, ohne dass deren Status präzisiert wird. Beide Möglichkeiten, mit Bevorzugung des Partizips, werden von Frey (1906: 34) für Kulm AG erwähnt, ausserdem Fischer (1960: 267, vgl. auch 263, 359) für LU sowie Burri & Imstepf (2002: 36), Hodler (1969: 545, 546 - 547, 577), Weber (1948: 172), Lötscher (1978: 3), Hotzenköcherle (1934: 454, 472) für BE, ZH und das walserische Mutten GR. Zu IPP vgl. Brun (1918: 174, 185), Clauß 252 3 Verbalgruppe (1929: 201), Stucki (1917: 291), Meng (1986: 38, 100), Suter (1992: 131), Binz (1888: 72), Henzen (1927: 206) (während Schmutz & Haas 2004: 30 ein älteres Beispiel mit Partizip II zitieren). Stucki (1921: 120, 140) postuliert IPP für BE, Partizip II für ZH. Schmid (2005: 28 - 29) gibt auf schmaler empirischer Grundlage Variation zwischen IPP und Partizip für BE und SG, an, jedoch ebenfalls für ZH nur Partizip II. SDS (III: 79: Partizip Perfekt 2.a) gibt Beispiele mit IPP-Kurzformen aus BE, GL, AG, SZ und ZH sowie mit dem Partizip- Sondertypus aagfaa für AG, ZH an (ähnlich auch Id. 1: 718), ohne dass - im Gegensatz zu Id. (1: 718) - die regulären Partizipialformen in der Konstruktion mit abhängigem Infinitiv erwähnt werden. Die „ besondere Partizipform “ (SDS III: 79 Partizip Perfekt 2.b), die im Id. (1: 718) als zwischen Partizip und Infinitiv stehend erklärt wird, ist im SADS-Material an 14 Orten, ebenfalls schwerpunktmässig in ZH, belegt, vgl. oben 3 a. b) Andres (2011) hat in einer Nachstudie mit der SADS-Frage III.5 im nordöstlichen Aargauer Variationsgebiet einen hohen Anteil an Partizipialformen ermittelt, was eventuell auf einen Rückgang der IPP-Kurzform deutet (2011: 15). Möglicherweise ist Schmidts Darstellung zum Zürichdeutschen (2000: 45) so zu interpretieren, dass ein vorgegebener Perfektsatz mit einem Kurzinfinitiv nur marginal akzeptiert wurde, während die Sätze mit Partizip gut akzeptiert wurden. Damiano (2012: 26 - 30) hebt für die SADS-Daten das mit III.1 verglichen weniger abrupte Auslaufen der Kurzform nach Osten hin hervor (2012: 28). In seiner Zusatzerhebung (2012: 98 - 99, 114) kann er die Grenze zwischen IPP-Kurzform im südöstlichen Aargau und östlichem Partizip II in ZH bestätigen. Es zeigen sich aber auch Hinweise auf einen Abbau der IPP- Kurzform. Stoeckle (2018) analysiert den Zusammenhang des Vorkommens der IPP-Kurzform in III.5 mit den Ergebnissen der anderen SADS-Fragen zu ‚ anfangen ‘ , darunter zum Infinitiv als Vollverb, der ausser im Nordosten vielerorts nur die Kurzform aufweist, welche also wesentlich weiter verbreitet ist, vgl. Stoeckle (2018: 183) sowie kurz skizziert von Glaser & Frey (2007: 6 - 7), vgl. auch 7 d zu den Infinitivformen. Schallert (2014 a: 195 - 196) belegt IPP (aber mit Langformen, vgl. 7 d) für wenige Ortspunkte in Vorarlberg und beschreibt das Vorkommen in einigen umliegenden Regionen als optional (197), vgl. auch Schallert (2013: 123) sowie Weise (1906 a: 197) zum Elsässischen und Schwäbischen. c) Die Normalstellung in der rechten Satzklammer ist im Material von III.5 die Stellung 2-3, es gibt daneben aber einige wenige Fälle von 3-2 beim Partizip II, in grösserem Umfang beim mit-Anschluss, vgl. 7 g. Die 2- 3-Stellung ist vielfach in Beispielen der Sekundärliteratur dokumentiert, aber nur gelegentlich explizit für das Perfekt erwähnt, vgl. z. B. Weber (1948: 172), Fischer (1960: 267) und allgemeiner Lötscher (1978: 3). Schallert (2014 a: 227, 2014 b: 274) erwähnt die Stellung 2-3 als einzig mögliche für Vorarlberg. Vgl. auch III.8 zur Stellung im Nebensatz. d) Die Karte SDS (III: 78) gibt offenbar selbständige Infinitive zusammen mit Spontanbelegen zur Stellung vor Infinitiv vermischt wieder (sowohl aus Modalkonstruktionen als auch Verdoppelungen), woraus geschlossen werden kann, dass sie als gleichförmig erachtet wurden. Im Vergleich mit den im Rahmen des SADS erhobenen Daten zum selbständigen Infinitiv (Frage IV.7; vgl. Stoeckle 2018: 183; Damiano 2012: 34) zeigt die SDS-Erhebung im Kanton ZH starke Variation zwischen Kurz- und Langform, die bei IV.7 weitestgehend zugunsten der Langform verschwunden ist, wobei mehrere Gründe für diesen Unterschied verantwortlich sein können (Erhebungsmethode, Sprachwandel, Kartierungsmethode). In Ermangelung weiterer Studien ist jedenfalls nicht völlig klar, wie sich die Kurzform des Infinitivs (selbständig oder vor abhängigem Infinitiv in einer Modalkonstruktion) zur Verdoppelungspartikel genau verhält, und beide wiederum zum Ersatzinfinitiv. Laut Id. (1: 718) wird der Vokal beim Ersatzinfinitiv nicht verkürzt, vgl. aber Schmidt (2000: 48). In den SADS-Daten erscheinen Langvokalschreibungen des Typs afaa, afah o. ä. seltener (56 Mal an 47 Orten, v. a. BL, AG, ZH, BE), die Form a(n)fan wird 19 Mal an 10 Orten v. a. im Berner Oberland und einmal im Lötschental VS gebraucht, vgl. ► Beikarte (S. 146). Den Typus anfangen , s. o. 3 d, wie ihn etwa auch Weber (1948: 172) und Binz (1888: 72) sowie Schmidt (2000: 46), Lötscher (1978: 3) und Schallert (2014 a: 195 - 196) als Ersatzinfinitivform erwähnen, nennt SDS (III: 79) nicht, Id. (1: 718) nur in einem historischen Beleg. Zu den Verhältnissen im Nebensatz ist der Kommentar zu Frage III.8 zu vergleichen. 3.4 Syntax von anfangen 253 e) Zur Form ane, die bei der vorliegenden Frage in AI, s. o. 5 a, als eine Art Infinitiveinleiter auftritt, vgl. III.1, 7 a. Eine wohl vergleichbare Konstruktion findet sich in Texten aus Obersaxen (Büchli 1966: 312, 318): Düa het ds Wip [ … ] angfangä-n-a häxä (Hinweis von Ch. Landolt, Schweizerdeutsches Wörterbuch). f) Zum Infinitiveinleiter zu , der auch im Präsens (III.1) variativ auftritt (3.4.1, 7 d), vergleiche man zusätzlich Burri & Imstepf (2002: 36), die zu zusammen mit Partizip II als Variante anführen, vgl. auch Hodler (1969: 545 - 547) mit einem Beleg im Perfekt. Damiano (2012: 29 - 30) schliesst aus den SADS-Daten auf Variation mit dem selteneren Infinitiveinleiter, wobei er eine gewisse Häufung in VS feststellt. Zur Beurteilung der Anschlussvariante zum im Zusammenhang verschiedener Lesarten vgl. Schallert 2013: 120 - 121, 2014 a: 228. g) Der Infinitiveinleiter mit bei Phasenverben ist in der Sekundärliteratur mehrfach bezeugt, vgl. z. B. Bossard (1962: 88) zusammen mit Partizip II, vgl. auch Schmidt (2000: 47) mit einer Modalkonstruktion. Auch Brandner (2006: 241) erwähnt den Anschluss aus dem Bodenseealemannischen im Zusammenhang einer Modalkonstruktion. Vgl. ausserdem Schallert (2013: 120, 122). h) Verschiedentlich wird die Existenz einer Verdopplung im Perfekt direkt oder indirekt zurückgewiesen, z. B. Lötscher (1993: 181), Weber (1948: 247), ebenso bereits Id. (1: 718). Auch wenn insgesamt nur wenige Beispiele aufgetreten sind, ist deren Konzentration in der Innerschweiz auffällig und lässt keinen Zweifel daran, dass diese Verdoppelungen wirklich vorkommen. Damiano (2012: 98 - 99) erwähnt vereinzelte Verdoppelungen, die er aber nicht auswertet. Schmidt (2000: 45 - 46) diskutiert einige mögliche Fälle, geht aber schliesslich im Perfekt nicht von Verdoppelung aus. 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS a) Frage II.7 (Ü) - I ch habe erst mit vierzig fahren gelernt Bei Frage II.7 finden sich unter den dort unbrauchbaren Antworten (vgl. 3.2.3, 6 a) 16 Übersetzungen mit ‚ anfangen ‘ im Perfekt und einem (3 Mal) oder zwei (13 Mal) abhängigen Infinitiven in der Stellung 2-3-(4), in allen Fällen mit IPP, z. B. Ich hän erscht mit vierzgi afä leere faare Hütten ZH, I han erscht mit vierzg ofo fohra. Churwalden GR. Die Nennungen stammen aus westlichen Gebieten von FR über SO bis in die Innerschweiz und aus einem Walserort (Churwalden GR). b) Frage I.11 (A) - A ber jetzt habe ich mich gerade hingesetzt, um ein B uch zu lesen Bei Frage I.11 befinden sich unter den dort unbrauchbaren Antworten 5 Notationen mit einem Hauptsatz, der 'anfangen' im Perfekt aufweist: 3 Mal davon mit IPP, 2 Mal mit Partizip II. Beispiele: Iiz hani grad as buech afa lasä Adelboden, Itz hani grad äs Büäch afa läsä Adelboden BE, Aber ich ha jetz grad äs Buech afa läsä Alpnach OW - Jetz han i grad agfange es Buech läse Meilen ZH, Jetzt han i grad agfange es Buech läse Brienz BE. Literatur Andres 2011 ▪ Binz 1888 ▪ Bossard 1962 ▪ Brandner 2006 ▪ Brun 1918 ▪ Büchli 1966 ▪ Burri & Imstepf 2002 ▪ Clauß 1929 ▪ Damiano 2012 ▪ Fischer 1960 ▪ Frey 1906 ▪ Glaser & Frey 2007 ▪ Henzen 1927 ▪ Hodler 1969 ▪ Hotzenköcherle 1934 ▪ Id. 1 ▪ Lötscher 1978 ▪ 1993 ▪ Meng 1986 ▪ Schallert 2013 ▪ 2014 a ▪ 2014 b ▪ Schmid 2005 ▪ Schmidt 2000 ▪ Schmutz & Haas 2004 ▪ SDS III ▪ Stoeckle 2018 ▪ Stucki 1917 ▪ 1921 ▪ Suter 1992 ▪ Weber 1948 ▪ Weise 1906 a Bezug auf SADS-Material Andres 2011: 15 - 16 ▪ Damiano 2012: 26 - 30 ▪ 2012: 27 - 30 Ⓚ ▪ Glaser & Frey 2007: 6 - 7 (dort fehlerhaft III.8) ▪ Stoeckle 2018: 181, 187 - 190 ▪ 2018: 182 Ⓚ 254 3 Verbalgruppe 3.4.3 Syntax von anfangen im Nebensatz (Perfekt) Frage III.8 (Ü) - S IE FINDET ES NICHT GUT , DASS ICH ANGEFANGEN HABE ZU RAUCHEN 1. Kartenthema und Datengrundlage In Nebensätzen mit einem Perfekt von ‚ anfangen ‘ und abhängigem Infinitiv ist ebenso wie im Hauptsatz, vgl. Frage III.5, und im Unterschied zur Standardsprache sowohl ein Ersatzinfinitiv (IPP) statt dem standardsprachlichen Partizip II möglich als auch das Fehlen eines Infinitiveinleiters. Der Ersatzinfinitiv erscheint in der Regel in einer Kurzform. Grundsätzlich kann auch das Partizip angefangen und die Partikel afa kombiniert (verdoppelt) auftreten. In Ergänzung zur Frage nach den Verhältnissen beim Perfekt im Hauptsatz (III.5) sollten in der hier ausgewerteten Frage III.8 die Gewährspersonen den vorgegebenen Nebensatz mit anfangen im Perfekt in ihren Dialekt zu übersetzen. Die ► Hauptkarte (S. 147) stellt die Verbreitung des Partizips II angefangen , der IPP-Kurzform afa , der Verdoppelung sowie des langförmigen Ersatzinfinitivs dar. Die Serialisierung innerhalb der rechten Satzklammer sowie das Auftreten eines Infinitiveinleiters zu werden im Text behandelt. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei drei total 2802 2683 119 2621 61 1 2746 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a ANGEFANGEN RAUCHEN Partizip II 3 b AFA RAUCHEN Infinitiv (Kurzform) 3 c ANGEFANGEN [ HABE ] AFA RAUCHEN Verdoppelung 3 d ANFANGEN [ HABE ] RAUCHEN Infinitiv (Langform) Typenbildung ANGEFANGEN agfange, agfangä, aagfange, aagfangä, agfanga, agfocht, agfangu, agfangen, agfane, agfangn, angfange, angfangä, ahgfange, ogfonge, angfang, angefangen, agfocht, aagfö, agfa, agfä, aagfä, aagfö, aagfëë o. ä. AFA afe, afä, afo, avo, afa, afe, afoh, afoo, afahn, afan, afaa, aafaa, aafoh, aafoo o. ä. ANFANGEN afange, aafange, anfanga, afange, afangä 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Am häufigsten wird mit 1797 Antworten an 378 Orten die Variante mit Partizip II, ohne Verdoppelungspartikel, übersetzt. Die Konstruktion ist im gesamten Untersuchungsgebiet praktisch flächendeckend belegt, mit Ausnahme von Buckten BL, Welschenrohr SO, Huttwil, Ins BE, Schwyz SZ. V. a. an einigen Orten in ZH erscheint ähnlich wie in III.5 eine partizipiale Sonderform agfa , vgl. III.5, 7 a. Am Nordrand, im gesamten Osten und VS wird das Partizip an den meisten Orten mehrheitlich übersetzt, doch auch im Westen und der Zentralschweiz finden sich viele Orte mit mehrheitlicher Nennung, wenn auch deutlich weniger dicht, vgl. ► Prozentkarte (S. 148). In Bezug auf die Setzung von zu ist festzuhalten, dass von den insgesamt 1800 Antworten der Variante 374 Mal vor dem Infinitiv rauchen die Einleitung zu gesetzt wird und 2 Mal zum (Bibern SH, Iseltwald BE). Die Setzung von zu ist gleichmässig über das Gesamtverbreitungsgebiet der Variante verteilt. Im Folgenden sind die Positionsvarianten und Infinitivanschlüsse sowie das Vorkommen der partizipialen Sonderform zusammengestellt. 3.4 Syntax von anfangen 255 Abfolge Anzahl Antworten und Orte 1-2-3 HABE ANGEFANGEN ( ZU ) RAUCHEN 462 Mal an 224 Orten (davon 404 Mal an 212 Orten ohne ZU , 59 Mal an 49 Orten mit ZU ) 1-2-3 HABE AGFA RAUCHEN 7 Mal an 7 Orten (Egg, Forch, Rümlang, Thalwil, Turbenthal, Uster ZH, Mosnang SG) 2-1-3 ANGEFANGEN HABE ( ZU / ZUM ) RAUCHEN 1295 Mal an 319 Orten (davon 1000 Mal an 287 Orten ohne ZU / ZUM , 300 Mal an 191 Orten mit ZU , einmal in Bibern SH mit ZUM ) 2-1-3 AGFA HABE RAUCHEN Einmal in Wädenswil ZH 2-3-1 ANGEFANGEN RAUCHEN HABE 36 Mal an 32 Orten (7 Mal in SG, 6 Mal in ZH, 4 Mal in GR, 3 Mal in SZ, je 2 Mal in TG, AR, GL, VS, je einmal in AG, SH, BE, UR) 2-3-1 AGFA RAUCHEN HABE Einmal in Pfäffikon ZH 3-2-1 ( ZU ) RAUCHEN ANGEFANGEN HABE 17 Mal an 17 Orten (davon 14 Mal an 14 Orten mit ZU : Meilen, Rafz ZH, Benken, Wartau SG, Freiburg FR, Zug ZG, Göschenen UR, Arosa, Klosters, Safien, Untervaz GR, Betten, Fiesch, Oberwald VS, 3 Mal an 3 Orten ohne ZU : Hallau SH, Walenstadt SG, Sempach LU) 3-2-1 MIT RAUCHEN AGFA HABE Einmal in Andelfingen ZH 3-1-2 ZU / ZUM RAUCHEN HABE ANGEFANGEN Einmal in Grindelwald BE mit ZU und einmal in Iseltwald BE mit ZUM 15 Gewährpersonen übersetzen verschiedene Stellungsvarianten nebeneinander, in zehn Fällen die beiden Hauptvarianten, in vier Fällen die häufigste Variante neben 3-2-1 bzw. 1-2-3, in einem Fall 1-2-3 neben 2-3-1. 6 Personen übersetzen die Variante 2-1-3 mit und ohne zu und eine Person die Variante 1-2-3 mit und ohne zu nebeneinander. 1-2-3 habe angefangen ( zu ) rauchen : … , das i ha agfange z ’ röke Muhen AG, … , das ich ha agfange rauche Bassersdorf, … , dass ich han agfangä z ’ rauche Stadel ZH, … , das i ha agfange z ’ ruuke Boltigen, … , das i ha agfange roucke Frauenkappelen, … , das ich ha agfange rööke Lenk BE, … , das i ha agfange rauche Rotkreuz ZG, … , as i han agfanga rauche Tamins GR, … , dasi ha agfangu röiku Agarn VS. 2-1-3 angefangen habe ( zu/ zum ) rauchen : … , dass ich agfange ha rauche Bauma, … , das ich aagfange ha rauche Neftenbach, … , das i a ’ gfange ha rauche Turbenthal ZH, … , da n ’ ich agfange ha zum rauche Bibern, … , dani aagfange ha rauche Gächlingen, … , da-n-i agfange ha z ’ Rauchä Hallau SH, … , das i agfange ha rauchä Romanshorn TG, ..., dass ich agfangä ha rauchä Degersheim, ... das i agfange ha z'rauche Flawil SG, … , dass i aagfange ha rouke Schüpfheim LU, … , dass ich aagfange ha z ’ raichä Wolfenschiessen NW, … , dass ich agfange ha z ’ rauche Menzingen ZG, … , dass ich aagfangä ha z rauchä Schwanden GL. 2-3-1 angefangen rauchen habe : … , dass ich agfange rauche ha Kaisten AG, … , dass ich agfangä rauchä ha Tuggen SZ, … , dass ich agfanga raucha ha Avers GR. 3-2-1 ( zu ) rauchen angefangen habe : … , dass i rauche agfange ha Sempach LU, … , dass ich z ’ rauche aagfange ha Zug ZG, … , dass i z ’ raucha agfanga ha Arosa GR, … , dass i z ’ röukä agfangä hä Oberwald VS. 3-1-2 zu/ zum rauchen habe angefangen : … , dass i z ’ roiken han angfangen Grindelwald BE, … , dass i zum rouche ha agfange Iseltwald BE. b) Die zweithäufigste Variante afa rauchen mit einer IPP-Kurzform anstelle des Partizips II wird 655 Mal an 220 Orten übersetzt. Die Variante ist im Westen und zentralen Gebieten flächendeckend belegt, im Nordosten und Osten fehlt sie ganz (abgesehen von Einzelnennungen in den Bündner Walserorten Avers und Davos). Orte mit mehrheitlicher Nennung der Variante finden sich zahlreich im Berner Mittelland sowie BL, FR, SO, SZ, deutlich weniger oft in AG, LU und überhaupt nicht in OW, UR, VS, vgl. ► Prozentkarte (S. 148). Nur in einem Fall ist der Infinitiveinleiter zu gebraucht. Im Folgenden sind die Positionsvarianten zusammengestellt. 256 3 Verbalgruppe Abfolge Anzahl Antworten und Orte 1-2-3 HABE AFA ( ZU ) RAUCHEN 607 Mal an 206 Orten (davon einmal in Utzenstorf BE mit ZU ) 2-3-1 AFA RAUCHEN HABE 33 Mal an 28 Orten (5 Mal in SZ, je 4 Mal in OW, ZG, UR, 3 Mal in ZH, je 2 Mal in AG, VS, je einmal in BL, BE, NW, GR) 2-1-3 AFA HABE RAUCHEN 15 Mal an 12 Orten (4 Mal in AG, 3 Mal in LU, je einmal in BL, SO, ZH, GL, GR) Einmal werden die Varianten 1-2-3 und 2-1-3 nebeneinander übersetzt. 1-2-3 habe afa ( zu ) rauchen : … dass ii ha afo rauchä Buckten BL, … dass i ha afo rauche Merenschwand AG, … dass-en-i ha afa rööke Freiburg FR, … dass y ha afaa rouke Ins, … dass ig ha afo z ’ rouke Utzenstorf BE, … dass ech ha afo rauke Römerswil LU, … dass ich ha afa räuckä Unterschächen UR. 2-3-1 afa rauchen habe : … das ich afa rauchä ha Alpnach OW, … das ich afä rauchä ha Schwyz SZ, … dass ich afo räüchä ha Isenthal UR. 2-1-3 afa habe rauchen … dass i aafoh ha rauche Boniswil AG, … dass ech afo ha rouche Sursee LU. c) 5 Mal werden in der Zentralschweiz (Alpthal, Küssnacht SZ, Gurtnellen, Isenthal, Unterschächen UR) Verdoppelungskonstruktionen mit Partizip II und der Partikel afa übersetzt: … dasi agfange ha afä rauke Alpthal, … das ich agfange ha afe rauke Küssnacht SZ, … dass ich agfangä ha afä raikä Gurtnellen, … dass ich agfangä heig afä räukä Isenthal, … dass ich agfangä ha afä Reukä Unterschächen UR. d) 11 Mal wird an 11 Orten ein langförmiger Ersatzinfinitiv anstelle des Partizips II übersetzt. Im Folgenden sind die Positionsvarianten und Infinitivanschlüsse zusammengestellt. Abfolge Anzahl Antworten und Orte 1-2-3 HABE ANFANGEN ( ZU ) RAUCHEN 4 Mal an 4 Orten (Kaisten, Stein AG, Zermatt VS; mit ZU in Stadel ZH) 2-1-3 ANFANGEN HABE ( ZU / ZUM ) RAUCHEN 6 Mal an 6 Orten (Egg, Stadel ZH, Stein am Rhein SH, Triboltingen TG; mit ZU in Krinau SG; mit ZUM in Thusis GR) 2-3-1 ANFANGEN RAUCHEN HABE Einmal in Wollerau SZ 1-2-3 habe anfangen ( zu ) rauchen : … dass i ha afange rauche Kaisten AG, … dass ich han afangä z ’ rauche Stadel ZH. 2-1-3 anfangen habe ( zu/ zum ) rauchen: … dass i afange ha rauche Stadel ZH, … dass ich afangä ha z rauchä Krinau SG, … dass i anfanga han zum raucha Thusis GR. 2-3-1 anfangen rauchen habe : … dass ich afangä rauchä han Wollerau SZ. e) Intrapersonelle Variation: übersetzte Varianten Anzahl Personen und Orte ANGEFANGEN RAUCHEN und AFA RAUCHEN 3 a und 3 b 18 Personen an 17 Orten (2 Mal in Weggis LU, je einmal in Aesch, Liesberg, Zunzgen BL, Aarau, Aarburg AG, Rorbas ZH, Freiburg, Heitenried FR, Bern, Frauenkappelen, Saanen BE, Sempach LU, Zug ZG, Muotathal, Wollerau SZ, Zermatt VS). Einmal wird neben 3 a und 3 b zugleich eine Variante mit mit übersetzt, vgl. 5 b. 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ Sie findets nit guet dass ich agfange ha z ’ rauche. Moderner: mit Rauche agfange ha “ , Stein AG. - „ Sie fendt ’ s nöd guet, dass ich ogfange rauche ha, eher = oder dass ich mit rauche ogfange ha. “ , Kesswil TG. 5. Weitere Varianten a) 2 Gewährspersonen aus AI übersetzen ein Partizip II, wobei dem abhängigen Infinitiv eine Partikel ane vorausgeht, vgl. 7 b: … , dass i angfange ha ane rauche Appenzell, … , as i agfange ha ane rauche Brülisau AI. 3.4 Syntax von anfangen 257 b) Insgesamt 272 Mal wird an 182 Orten der Infinitiv rauchen mittels mit angeschlossen, einmal davon (AR) mit Ersatzinfinitiv in Stellung 2-1-3. Die Nennungen sind über das Untersuchungsgebiet verteilt, aber nur vereinzelt im Südwesten (VS, Berner Oberland, FR). Über die Wortstellung und Artikelsetzung gibt die folgende Tabelle Auskunft (die Präpositionalphrase wird als 3 wiedergegeben). Abfolge Anzahl Antworten und Orte 2-1-3 ANGEFANGEN HABE MIT ( DEM ) RAUCHEN 75 Mal an 65 Orten (davon 3 Mal an 3 Orten mit DEM : Rifferswil ZH, Bottighofen TG, Ricken SG) 3-2-1 MIT ( DEM ) RAUCHEN ANGEFANGEN HABE 162 Mal an 121 Orten (davon 24 Mal an 22 verstreuten Orten mit DEM ) 1-2-3 HABE ANGEFANGEN MIT RAUCHEN 14 Mal an 14 Orten (Krinau SG, Bern, Brienz, Gadmen, Innertkirchen, Ligerz, Melchnau, Mürren, Niederbipp, Röthenbach i. E., Steffisburg BE, Dagmersellen, Ruswil LU, Altdorf UR) 3-1-2 MIT ( DEM ) RAUCHEN HABE ANGEFANGEN 18 Mal an 16 Orten (2 Mal in Fankhaus, Laupen BE, je einmal Grindelwald, Guttannen, Habkern, Innertkirchen, Krauchthal, Langnau, Röthenbach i. E., Rüeggisberg, Signau, Spiez, Steffisburg BE, Buochs NW, Göschenen UR, mit DEM in Betten VS) 1-3-2 HABE MIT RAUCHEN ANGEFANGEN 2 Mal an 2 Orten (Blatten, Reckingen VS) Die Variante wird 39 Mal neben der Variante 3 a übersetzt, 5 Mal neben 3 b und einmal neben 3 a und 3 b, vgl. 3 e. 2-1-3 angefangen habe mit ( dem ) rauchen : … das(s) ich aagfange ha mit rauche Wald ZH, … dass ich agfange ha mit em rauche Bottighofen TG, … dass i agfanga ha mit röcha Sevelen SG, … as ich aagfange ha mit Rauche Glarus GL. 3-2-1 mit ( dem ) rauchen angefangen habe : … dass i mit em Rauche agfange ha Bettingen BS, … das ich mit Rauche agfange ha Küsnacht ZH, … dass ech met rauke agfange ha Pfaffnau LU. 1-2-3 habe angefangen mit rauchen : … das i han angefangen mit Rauken Mürren BE, … dass ech ha angfange med rouke Dagmersellen LU. 3-1-2 mit ( dem ) rauchen habe angefangen : … dass ig mit roucke ha agfange Laupen BE, … dass ich mit dum röiku hä a [sic] … Betten VS. 1-3-2 habe mit rauchen angefangen : … dass ich han mit Reikn angfang Blatten, … dass i hät mit röckä angfangä Reckingen VS. 2-1-3 anfangen habe mit rauchen : … dass i aafange ha mit rauche Trogen AR. c) 4 Mal werden Varianten mit substantiviertem rauchen im Akkusativ (mit reduziertem Artikel) übersetzt: … das is rauche agfange ha Menziken AG, … dass i s ’ Rauche agfange ha Wildhaus SG, … dass i s ’ Rouche ha agfange Bleienbach BE, … dass ich s ’ rauchä agfangä ha Küssnacht SZ. 6. Unbrauchbare Antworten a) 12 Mal werden einzig Nebensätze übersetzt, die nicht eindeutig zu interpretieren sind. Sie könnten versehentlich kein Hilfsverb oder eine sonst nicht nachgewiesene g-Präfigierung im Präsens aufweisen (4 Mal ohne Anschlussmittel: Neukirch, Weinfelden TG, Krinau SG, Frutigen BE; 5 Mal mit zu : Frick AG, Vättis, Wartau SG, Bühler AR, Neuenkirch LU; einmal mit zum : Ramsen SH; 2 Mal mit mit : Forch ZH, Frauenfeld TG). Beispiele: … das ich a ’ gfange mit rauche Forch ZH, … dass i agfange rauche Neukirch TG, … dass i agfanga z raucha Vättis SG. b) 49 Mal erscheint als einzige Variante (insgesamt 57 Mal) eine Übersetzung ohne das Phasenverb. Beispiele: … das i rauche Appenzell AI, … das i jetzt rouke Mürren BE. c) 15 Mal wird als einzige Variante (insgesamt 16 Mal) eine Antwort mit ‚ anfangen ‘ im Präsens übersetzt. Beispiele: … dass ich afo rauchä Andermatt UR, … dass dr Thomas fat avo rouche Stüsslingen SO. 258 3 Verbalgruppe d) 3 Mal wird als einzige Variante eine Antwort mit von einem Modalverb abhängigem Phasenverb übersetzt: Du söllist nid afoia raucha Vättis SG, … i heti net söle afa rucke Boltigen BE, … dass Du auu muesch ufe [sic] rauke Alpthal SZ. e) 10 Mal wird einzig eine tun-Periphrase übersetzt. Beispiele: … dass ich raichä duä Buochs NW, … dass ich afa reugku tue Randa VS. f) 2 Mal erscheint der Nebensatz in einer uneingeleiteten Form mit Verbinitialstellung (vgl. 7 f), einmal mit Partizip II: Sie find ’ s nid guet, hani ahgfange rauche Bibern SH, und einmal mit IPP: Sie find ’ s nid guet, han i afa rüüke Freiburg FR. g) Einmal wird die Vorgabe ohne abhängigen Infinitiv übersetzt: … dass ich ha agfangä Wolfenschiessen NW. h) Einmal ist in der Antwort nicht eindeutig interpretierbar, ob eine Alternative für das Partizip II angegeben werden sollte oder eine - in der Region mögliche - Verdoppelungskonstruktion: … dass ich ha agfangä (afa = seltener) roikä Giswil OW. i) Einmal ist die Antwort mit doppeltem Auxiliar ,haben ‘ nicht interpretierbar: … das i ho ogfonge ho rüüke Matten BE. j) 9 Mal wird einzig ein Hauptsatz übersetzt. k) 9 Mal wird einzig eine inhaltlich gänzlich andere Antwort übersetzt. l) 4 Mal wird einzig die Vorlage hochdeutsch übersetzt. m) 3 Mal ist der Eintrag unleserlich. 7. Weitere Bemerkungen a) Das quantitative Verhältnis von Partizip II und IPP-Kurzform ist im Nebensatz etwa gleich wie im Hauptsatz, vgl. III.5, Damiano (2012: 31 - 32) sowie Stoeckle (2018: 181 - 182), der die sprachgeographische Übereinstimmung bei leichter quantitativer Differenz zugunsten von IPP im Nebensatz betont. Explizite Aussagen über den Nebensatz sind im Übrigen selten. Suter (1992: 98 - 99) erwähnt Variation zwischen Partizip II und IPP-Kurzform, Hodler (1969: 546) führt Beispiele an. Andres (2011: 13 - 14, 16) hat in einer Nachstudie mit der SADS-Frage III.8 im nordöstlichen Aargauer Variationsgebiet einen sehr hohen Anteil an Partizipialformen ermittelt, was auf einen Rückgang der IPP-Kurzform deuten könnte. Nach Schmid (2005: 28 - 29) gilt für BE und SG optional IPP, während für ZH - auf schmaler empirischer Basis - IPP ausgeschlossen wird, vgl. aber Schmidt (2000: 46) mit einem Beleg für die IPP-Langform. Lötscher (1978: 3) gibt Variation zwischen IPP (in der Langform) und Partizip II an, wobei er die Partizipialform als obligatorisch ansieht, „ wenn das Hilfsverb unmittelbar nachfolgt. “ Schallert (2014 a: 195) nennt IPP-Belege (in der Langform) für wenige Ortspunkte in Vorarlberg. Brandner (2006: 207) führt für das Bodenseealemannische nur Beispiele mit Partizip II an. Zur IPP-Langform, die auch im Hauptsatz vorkommt, vgl. III.5, zur partizipialen Sonderform (3 a) vgl. den Kommentar zu III.5, 7 a. b) Der Drei-Verb-Komplex in der rechten Satzklammer weist verschiedene Stellungstypen auf, auch in Abhängigkeit davon, welche Form und welcher Anschlusstyp gewählt wird. Während mit Partizip II die in der Übersetzungsvorlage vorgegebene Stellung 2-1-3 vor 1-2-3 die dominierende Stellung ist (vgl. 3 a), überwiegt mit der IPP-Kurzform ganz klar 1-2-3, während 2-1-3 hier nur ganz marginal gewählt wurde (vgl. 3 b). Daneben erscheint noch die Stellung 2-3-1, die bei IPP am zweithäufigsten ist. Das sind auch die drei Stellungen, die bei der Variante mit IPP-Langform erscheinen (vgl. 3 d), die ansonsten aufgrund der geringen Zahlen aber nicht in den Vergleich sinnvoll einbezogen werden kann. Beim Anschluss mit mit (vgl. 5 b), der praktisch ausschliesslich mit Partizip erscheint, überwiegt die Stellung 3-2-1, wobei die vorgegebene Stellung 2-1-3 am zweithäufigsten erscheint. Selten erscheint hier die Stellung 1-2-3, die noch leicht hinter der sonst nicht angegebenen Stellung 3-1-2 auftritt. Die Ergebnisse aus der vorliegenden Frage III.8 lassen sich mit den kurzen Angaben bei Lötscher (1978: 3) in Einklang bringen, insofern er bemerkt, dass mit Partizip die Stellung 2-1-3 gelte. Seine Angabe zu IPP (2-3-1) 3.4 Syntax von anfangen 259 bezieht sich auf die Langform und lässt sich so nicht direkt mit der Auswertung der IPP-Kurzform vergleichen, bei der aber auch 2-3-1 einigermassen häufig ist. Hodler (1969: 546 - 547) führt Beispiele mit Partizip in Stellung 1-2-3 an, Suter (1992: 98 - 99) gibt Beispiele mit IPP in Stellung 1-2-3 und gesondertem Hinweis auf die Zwischenstellung des flektierten Verbs zwischen Partizip und Infinitiv (2-1-3). Schmid (2005) wählt als Beispielverb ‚ aufhören ‘ , das in seinem Stellungsverhalten nicht gesichert als äquivalent zu betrachten ist, weshalb hier zum Vergleich nur die Ergebnisse wiedergegeben werden (vgl. 2005: 73 - 77): BE Partizip 1-2-3/ 2-1-3, IPP 1-2-3; SG Partizip 2-1-3, IPP 1-2-3; ZH Partizip 2-3-1, 2-1-3, während IPP nicht belegt ist. Schallert (2014 a: 227 - 228) belegt für Vorarlberg 2-1-3 neben seltenem 3-2-1 und noch seltenerem 2-3-1, jeweils zusammen mit Partizip II, zu den Stellungen mit der IPP-Langform (2-1-3, 2-3-1) vgl. (2014 a: 228 - 229). Die Stellung 1-2-3 schliesst Schallert (2014 b: 288) aus. Brandner (2006: 207) führt für das Bodenseealemannische als Normalstellung ebenfalls 2-1-3 an sowie 3-2-1 als eher fragliche Alternative. Abgesehen vom Überwiegen der Stellung 3-2-1 beim Anschlusstyp mit, vgl. 5 b, lässt sich auch ein Zusammenhang mit der Setzung des Infinitiveinleiters zu erkennen, der abgesehen davon die - seltene - Stellung 3-2-1 dominiert, s. 3 a. Insgesamt kommt zu jedoch am häufigsten bei der Stellung 2-1-3, der Normalstellung beim Partizip, vor, vgl. Hodler (1969: 547) mit zu -Anschluss bei Stellung 1-2-3. Die Stellungstypen im Dreiverbkomplex mit ‚ anfangen ‘ zeigen einige Abweichungen von denjenigen der Modalverbkomplexe und Ersatzinfinitivkonstruktionen anderer Verben im Nebensatz, vgl. 3.1.4 (II.6) , 3.1.5 (II.14), 3.1.6 (II.2), 3.2.4 (IV.21), 3.2.5 (IV.25). c) Zur Appenzeller Konstruktion mit ane (5 a), das im vorliegenden Fall ähnlich wie in III.5 als eine Art Infinitiveinleiter fungiert, vgl. auch den Kommentar zu III.1. d) Die überaus seltene Verdoppelungskonstruktion (3 c) ist wie im Hauptsatz (vgl. III.5, 7 h) auf die Innerschweiz beschränkt. e) Das Auftreten des Infinitiveinleiters zu ist wie auch im Hauptsatz - mit zwei Ausnahmen, s. o. 3 b, d - auf die Variante mit Partizip II beschränkt, vgl. auch III.5. Zur Verteilung über das gesamte Untersuchungsgebiet vgl. Damiano (2012: 31 - 32). Zur Anschlussvariante mit zum , die sporadisch mit Partizip sowie einmalig mit der IPP-Langform auftritt, ist III.5, 7 f zu vergleichen. Der Anschluss mit tritt im Nebensatz weniger häufig als im Hauptsatz auf, vgl. dazu III.5, 5 c, 7 g. f) Zu dem unter 6 f genannten Satztyp, zu dem es eine (in der vorliegenden Publikation nicht berücksichtigte) Frage im SADS gibt (II.25), vgl. Lötscher (1997). Zur Analyse solcher auch im Schweizer Standarddeutsch erscheinenden Verberst-Nebensätze vgl. Giger (2011). 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS Unter den für die Fragen zum modalen Drei-Verb-Cluster (II.14, vgl. 3.1.5) sowie zu Verbkomplexen mit dem Verb ‚ lernen ‘ im Nebensatz (IV.21, vgl. 3.2.4; IV,25, vgl. 3.2.5) unbrauchbaren Antworten sind etliche, die eine Perfektkonstruktion mit ‚ anfangen ‘ enthalten und daher zu den Ergebnissen der vorliegenden Frage gestellt werden können. Es werden jeweils die Form und die Stellung der Verbalteile angegeben. a) Frage II.14 (A) - … als ich habe essen wollen Bei dieser Ankreuzfrage nach einem Modalverb im Perfekt im Nebensatz, vgl. 3.1.5, wurde neben dort brauchbaren Antworten 2 Mal eine Perfektkonstruktion mit ‚ anfangen ‘ angegeben: Variante Anzahl Antworten und Orte 2-3-1 AFA 2 Mal an 2 Orten (Buochs NW, Brunnen SZ) 2-3-1 afa : … wo-ni afe ässe ha Buochs NW, … won ich afä ässe ha Brunnen SZ. In 8 weiteren Fällen wurde ‚ anfangen ‘ unter dem Modalverb eingebettet, was nicht ganz vergleichbar ist, vgl. auch 3.1.5, 6 b. 260 3 Verbalgruppe b) Frage IV.25 (A) - … dass sie so früh lesen gelernt hat Bei dieser Frage nach einem Drei-Verb-Cluster im Nebensatz erscheint 11 Mal an 11 Orten eine dort unbrauchbare Perfekt-Konstruktion mit ,anfangen ‘ , vgl. 3.2.5, 6 a. Variante Anzahl Antworten und Orte 1-2-3(-4) AFA 9 Mal an 9 Orten (3 Mal in SO, je 2 Mal in BL, ZH, je einmal in AG, LU) 1-2-3 ANGEFANGEN Einmal in Blatten VS 2-1-3 ANGEFANGEN Einmal in Arosa GR 1-2-3(-4) afa : … dass sie so früeh het afo läse Laufen, … dass sie so früe het afo läse Ziefen BL, … das si so früeh het afah läs. Aeschi, … dass si so früe het afo leere läse Schnottwil SO. 1-2-3 angefangen : … das schi äso fruä het angfang läsn Blatten VS. 2-1-3 angefangen : … , dass sie so früä angfange hed läse Arosa GR. c) Frage IV.21 (A) - … dass er so spät fahren gelernt hat Bei dieser Ankreuzfrage wurde 108 Mal an 89 Orten eine Perfektkonstruktion mit ,anfangen ‘ notiert, vgl. 3.2.4, 6 a, wobei nicht auszuschliessen ist, dass afa in derAbfolge 1-2-3-4 bzw. 1-2-4-3 teilweise auch Adverb sein kann, vgl. SDS (VI: 28). Die Abfolge der abhängigen Infinitive, die hier nicht relevant ist, wird zusammengefasst. Variante Anzahl Antworten und Orte 1-2-3 AFA 21 Mal an 19 Orten (2 Mal in Ziefen BL, Schwarzsee FR, je einmal in Buckten, Liestal BL, Erschwil, Kleinlützel, Solothurn SO, Niederrohrdorf AG, Giffers, Murten, Tafers FR, Frauenkappelen, Meikirch, Neuenegg, Steffisburg BE, Neuenkirch, Pfaffnau LU, Wolfenschiessen NW, Melchtal OW) 1-2-3-4 / 1-2-4-3 AFA 43 Mal an 39 Orten (8 Mal in LU, 7 Mal in SO, je 5 Mal in BL, BE, 4 Mal in FR, 3 Mal in VS, je 2 Mal in AG, OW, ZG, SZ, UR, einmal in ZH) 2-1-3-4 AFA Einmal in Isenthal UR 1-2-3 ANGEFANGEN 9 Mal an 9 Orten (Kaisten, Siglistorf AG, Langnau a. A., Urdorf ZH, Hallau SH, Kirchberg, Rapperswil SG, Schwanden GL, Mutten GR) 1-2-3-4 / 1-2-4-3 ANGEFANGEN 7 Mal an 7 Orten (Aarau, Boswil AG, Bülach, Hütten, Pfäffikon ZH, Wilchingen SH, Menzingen ZG) 2-1-3 ANGEFANGEN 20 Mal an 19 Orten (2 Mal in St. Gallen SG, je einmal in Kaiserstuhl, Leibstadt AG, Elgg ZH, Ramsen SH, Lustdorf, Sitterdorf TG, Brunnadern, Grabs, Wartau, Wildhaus SG, Plaffeien FR, Lachen SZ, Gurtnellen UR, Elm GL, Arosa, Churwalden, Schiers, Trimmis GR) 2-1-3-4 / 2-1-4-3 ANGEFANGEN 15 Mal an 13 Orten (je 2 Mal in Benken SG, Tafers FR, je einmal in Rafz ZH, Flums, Grabs, Oberriet, Quarten, Stein SG, Gais, Haslen AR, Gurmels FR, Horw, Willisau LU) 2-4-3-1 ANGEFANGEN Einmal in Valens SG 1-2-3 afa : … het afo fahrä Buckten BL, … het afa faare Tafers FR, … het afa fahre Frauenkappelen BE, … het afa fährä Wolfenschiessen NW. 1-2-3-4 / 1-2-4-3 afa : … het afo lehre fahre Laufen BL, … het afo leere fahre Bettlach SO, … het afi lehre fahre Niederrohrdorf AG, … het afe faare leere Schwyz SZ. 2-1-3-4 afa : … afä het lehrä faarä Isenthal UR. 1-2-3 angefangen : … het agfange leere Kaisten AG, … het agfange fahre Urdorf ZH, … het agfange fahre Kirchberg SG, … het agfange lernen Schwanden GL. 1-2-3-4 / 1-2-4-3 angefangen : … hed agfange leere fahre Boswil AG, … het aagfangä lehre … z fahrä Bülach, … hät agfange faare lehre Pfäffikon ZH, … het agfange fahre lerne Wilchingen SH. 2-1-3 angefangen : … agfange hät leere Kaiserstuhl AG, … agfange het lerne Brunnadern, … agfonge het z ’ faarä Grabs, … agfanga hät mit fahra Wartau SG, … agfangä het farä Elm GL, … agfange het läärne Arosa, … agfange het faare Churwalden GR. 3.4 Syntax von anfangen 261 2-1-3-4 / 2-1-4-3 angefangen : … agfange hät leere faare Rafz ZH, … agfangä hätt mit lernä fahre Benken, … agfangä het leirä faara Flums, … ogfonge het faare lerne Grabs SG, … agfange het leere z ’ fahre Tafers FR. 2-4-3-1 angefangen : … agfange fahre lehre hät Valens SG. Literatur Andres 2011 ▪ Brandner 2006 ▪ Damiano 2012 ▪ Giger 2011 ▪ Hodler 1969 ▪ Lötscher 1978 ▪ 1997 ▪ Schallert 2014 a ▪ 2014 b ▪ Schmid 2005 ▪ Schmidt 2000 ▪ Stoeckle 2018 ▪ Suter 1992 Bezug auf SADS-Material Andres 2011: 15 - 16 ▪ Damiano 2012: 30 - 33 ▪ 2012: 31 - 33 Ⓚ ▪ Stoeckle 2018: 181 - 190 3.4.4 Syntax von anfangen im Nebensatz (Präsens) Frage III.12 (Ü) - N IMM DIE S UPPE SOFORT WEG , WENN SIE ZU KOCHEN ANFÄNGT ! 1. Kartenthema und Datengrundlage In Ergänzung zur Frage nach der Syntax von präsentisch flektiertem ‚ anfangen ‘ mit abhängigem Infinitiv, die in Frage III.1 auf einen Hauptsatz bezogen ist, ist die vorliegende Übersetzungsfrage auf die Verhältnisse im Nebensatz ausgerichtet. Es sollte erfragt werden, ob im Schweizerdeutschen in Nebensätzen mit einer finiten Verbform von ‚ anfangen ‘ und einem abhängigen Infinitiv das Phasenverb zusätzlich in einer Kurzform afa auftritt, wie es im Hauptsatz bei gleichzeitiger Abtrennung und Ersetzung des Verbpräfixes der Fall ist, vgl. III.1, 3 b. Neben einer solchen als Verdoppelung bezeichneten Konstruktion sollte ermittelt werden, ob auch eine komplette Verdoppelung mit dem vollständigen trennbaren Verb und der Partikel afa vorkommt. Zur Beantwortung dieser Fragen sollten die Gewährspersonen einen entsprechenden hochdeutschen Satz mit dem Phasenverb im Nebensatz in ihren Dialekt übersetzen. Die ► Hauptkarte (S. 149) stellt die Verbreitung der vollständigen finiten Verbform anfängt , der getrennten Verbform fängt + an , der Verdoppelungskonstruktion aus fängt + afa und der echten Verdoppelung aus anfängt + afa dar. Die Serialisierung in der rechten Verbklammer sowie das Auftreten eines Verbpräfixes zu werden im Text behandelt. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 2803 2604 199 2590 14 2618 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a ANFÄNGT KOCHEN einfach, mit AN 3 b FÄNGT AFA KOCHEN verdoppelt, ohne AN 3 c FÄNGT AN KOCHEN einfach, mit abgetrenntem AN 3 d ANFÄNGT AFA KOCHEN verdoppelt, mit AN Typenbildung ANFÄNGT afangt, afot, afat, afaht, afaat, aafangt, afad, ahfaht, afoht, afoot, aafoot, afäd, afocht, afeet, afet, afod o. ä. FÄNGT fat, faat, fad, faad, fahd, fot, vot, foht, feet o. ä. AFA afa, afä, afe, afo, ava, aafa, avo o. ä. AN a 262 3 Verbalgruppe 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Am häufigsten wird mit 2288 Mal an 382 Orten die nicht-verdoppelte Variante des Typs anfängt kochen übersetzt. Diese ist im ganzen Untersuchungsgebiet belegt (ausser in Muotathal SZ) und wird an den meisten Orten von der Mehrheit der Gewährspersonen angegeben. Allerdings sind Orte mit mehrheitlicher Nennung etwas weniger häufig in der Nordwestschweiz und im Berner Mittelland, und sie sind selten in FR, SZ, UR, ZG, vgl. ► Prozentkarte (S. 150). Ganz überwiegend wird der abhängige Infinitiv ohne weiteres Element angeschlossen. 224 Mal steht aber an 157 Orten der Infinitiveinleiter zu vor dem abhängigen Infinitiv sowie 8 Mal zum (je einmal in Hölstein BL, Elfingen, Niederrohrdorf AG, Bülach, Zürich ZH, Ramsen SH, Mutten, Thusis GR). Die folgende Tabelle verzeichnet die Stellungsvarianten der verbalen Teile und der Infinitiveinleiter zu und zum . Abfolge Anzahl Antworten und Orte 1-2 ANFÄNGT ( ZU / ZUM ) KOCHEN 2261 Mal an 382 Orten (davon 197 Mal an 143 Orten mit ZU , 2 Mal an 2 Orten mit ZUM ) 2-1 ( ZU / ZUM ) KOCHEN ANFÄNGT 34 Mal an 32 Orten (7 Mal in SG, 6 Mal in GR, je 4 Mal in AG, ZH, je 2 Mal in BL, TG, LU, je einmal in SO, BE, SZ, GL, VS; davon 27 Mal an 27 Orten mit ZU , 6 Mal an 6 Orten mit ZUM , einmal ohne Infinitiveinleiter) 3 Gewährspersonen übersetzen die Stellungsvarianten 1-2 und 2-1 nebeneinander, 4 Gewährspersonen die Variante 1-2 mit und ohne zu nebeneinander. 1-2 anfängt ( zu/ zum ) kochen : … wänn si afangt chochä! Andelfingen ZH, … wenn sie afangt zum koche Ramsen, … wenn si afangt choche Schleitheim SH, … wenn si afangt z ’ chochä Mammern TG, … wesi afet choche Plaffeien FR, … we si afeet choche! Reichenbach BE, … wenn si afod choche Grosswangen LU. 2-1 ( zu/ zum ) kochen anfängt : … wänn sie zum choche afangt! Bülach ZH, … wenn si z ’ chocha afangt Jenins, … wennsch süda afod Trimmis GR. b) Die zweithäufigste Variante besteht aus der finiten Verbform ohne Präfix und an dessen Stelle nachgestelltem afa (Typ fängt afa kochen ). Sie wird 298 Mal an 117 Orten übersetzt. Sie tritt im Westen (ohne VS, dort nur eine Nennung aus Brig VS) und der Zentralschweiz auf, wobei mehrheitliche Nennungen in BE kaum und in LU gar nicht vorkommen, vgl. ► Prozentkarte (S. 150). Lediglich an einem Ort (Muotathal SZ) wird sie von allen 7 Gewährspersonen, die brauchbare Antworten gegeben haben, variationslos angeführt. Beispiele: … wenn si fät afe choche Oberhof AG, … wesi fat afe choche Trub BE, … wenn sie fad afo choche! Hünenberg ZG, … wenn sie fad afa chochä Brunnen SZ, … wenn sie faat afä chochä Gurtnellen UR. c) 12 Mal wird eine nicht-verdoppelte Konstruktion mit abgetrenntem, nachgestelltem Verbzusatz des Typs fängt an kochen übersetzt: Möhlin AG, Erlach, Fankhaus, Frauenkappelen, Rubigen, Rüeggisberg, Trub, Wangen a. A., Worb BE, Aesch, Zell LU, Giswil OW. Beispiele: … wenn sie fod a choche Aesch LU, … wen si faht a koche Rubigen BE. d) 5 Gewährspersonen kombinieren eine flektierte, präfigierte Verbform anfängt und afa in ihrer Übersetzung, wobei 4 Mal afa nachgestellt ist (Typ anfängt afa kochen ), in Gurmels FR, Küssnacht SZ, Isenthal, Unterschächen UR, sowie einmal, in Altdorf UR, vorangestellt (Typ afa kochen anfängt ). Beispiele: … , we si aafeet afa choche Gurmels FR , … , wenn sie afaat afaa sydä Unterschächen UR, … , wenn si afa chochä afaat Altdorf UR. 3.4 Syntax von anfangen 263 e) Intrapersonelle Variation: übersetzte Varianten Anzahl Personen und Orte ANFÄNGT ( ZU / ZUM ) KOCHEN und FÄNGT AFA KOCHEN 3 a und 3 b 11 Personen an 11 Orten (Gelterkinden, Pratteln BL, Erschwil SO, Heitenried FR, Bern, Büren a. A., Meikirch, Steffisburg BE, Horw, Zell LU, Brunnen SZ) ANFÄNGT ( ZU / ZUM ) KOCHEN und FÄNGT AN KOCHEN 3 a und 3 c 1 Person in Frauenkappelen BE 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ Nimm d ’ Suppe gschnäll e wägg, wänn si afangt choche. (ist besser! ) … si mit choche afangt (nicht gut! ) “ , Bülach ZH. 5. Weitere Varianten a) 5 Mal wird in AI (3 Mal in Appenzell, je einmal in Brülisau, Haslen) die präfigierte Verbform anfängt übersetzt, auf welche eine Partikel ane folgt, vgl. 7 c. Beispiel: … wenn sie anfangt ane choche Appenzell AI. b) Einmal wird in Vals GR die präfigierte Verbform anfängt übersetzt, auf welche eine Partikel na folgt: … wennsch afaat na chocha. c) Einmal erscheint in Kleinlützel SO eine verdoppelnde Konstruktion mit präfigiertem Verb anfängt und nachgestelltem fo: … wenn sy a-foht fo chochä. d) Einmal wird in Düdingen FR eine getrennte Verbalform mit einer unreduzierten Infinitivform anfangen übersetzt: … we si feet afange choche. e) 3 Mal wird der - vorangestellte - Infinitiv mit der Präposition mit angeschlossen: … wänn sie mit chochä afangt Andwil SG, … wenn si mit choche afangt Gais AR, … wensch mit Stroddlen afaad Klosters GR. f) 4 Mal wird anstatt ‚ anfangen ‘ eine Konstruktion mit ‚ kommen ‘ übersetzt: … , wenn sie zum Koche chunnt! Liesberg BL, … wänn si zum choche chunnt Zürich ZH, … wenn sie z ’ chocha chunt! Wartau SG, … we si zum koche chunt Steffisburg BE. 2 Gewährspersonen übersetzen die Variante neben Variante 3 a. 6. Unbrauchbare Antworten a) 130 Mal erscheint als einzige Variante (insgesamt 141 Mal) eine Konstruktion ohne Phasenverb im einfachen Präsens. Beispiele: … wenn si chochet! Flühli LU, … wennsch chocht Agarn VS. b) 29 Mal werden verschiedene Varianten mit tun als finitem Hilfsverb statt eines präsentischen Phasenverbs übersetzt. Davon kann die Infinitivgruppe anfangen kochen abhängen (2 Mal), anfangen kann dabei zur Partikel reduziert sein (19 Mal), oder es kann der blosse Infinitiv kochen (8 Mal) untergeordnet sein. Beispiele: … wänn sie duet afange koche Metzerlen SO, We z ’ Süppa afa tüet choche … Plaffeien, … wenn si tuet afa koche Freiburg FR, … wes si afat töt choche Gadmen BE, … afat tuet koche Escholzmatt LU, ... wenn si chochä duät Buochs NW, ...wänn si tued afange choche Menzingen ZG, … affat tuet chochu Betten, Wenn d ’ Suppa tuät afan chochun … Blatten, Wensch afa siedu tüot … Visperterminen VS. In einigen Fällen ist es auch möglich, dass es sich bei der Kurzform afa o. ä. um ein Adverb ‚ bereits, endlich ‘ u. ä. handelt, vgl. Id. (1: 719 - 720) sowie III.8, 8 c. c) 14 Mal werden statt eines präsentischen Phasenverbs verschiedene Varianten mit Modalverb ( ‚ wollen ‘ 12 Mal, ‚ sollen ‘ 2 Mal) übersetzt, von dem dann die Infinitivgruppe mit afa abhängt (9 Mal) oder nur der blosse Infinitiv kochen (5 Mal). Beispiele: … wänn si wott aafää choche Uster ZH, … we si wott choche Habkern, … we si söt afa choche Schwarzenburg BE, set ’ s afa choche … Stans NW. 264 3 Verbalgruppe d) 22 Mal wird einzig eine inhaltlich gänzlich andere Antwort übersetzt. e) Einmal fehlt der Nebensatz. f) 2 Mal wird einzig die Vorlage hochdeutsch übersetzt. g) Einmal ist die Antwort unleserlich. 7. Weitere Bemerkungen a) Im Vergleich zu den Verhältnissen im Hauptsatz (III.1) fällt der deutlich geringere Umfang an Verdoppelung auf, vgl. dazu Damiano (2012: 21) sowie Stoeckle (2018: 179 - 181), wo auch aufgezeigt wird, dass die Verdoppelung im Präsens im Nebensatz (III.12) in sehr hohem Masse mit dem Vorkommen von afa in verschiedenen anderen Kontexten zusammenhängt (Stoeckle 2018: 185 - 190). Damiano (2012: 22 - 23) bespricht die Verteilung der Quantitätsverhältnisse der Verdoppelung und die relativ scharfe Ostgrenze in den Ergebnissen von III.12 genauer. Bemerkenswert ist, dass abgesehen von einem Ort in der Innerschweiz (Muotathal SZ) die Verdoppelung immer in Variation steht. Dennoch ist deutlich, dass die von Lötscher (1993: 181) angenommene Einschränkung der Verdoppelung auf die Verbzweitstellung nicht zutrifft. Ansonsten werden die Verhältnisse im Nebensatz nicht thematisiert. Auch Hodler (1969: 547) äussert sich nicht explizit, führt aber einige Beispiele ohne Verdoppelung, aber mit Infinitiveinleiter, an. b) Im Nebensatz ergibt sich ein Zwei-Verb-Cluster in der rechten Satzklammer, der auch unter Einbeziehung der Verdoppelungskonstruktionen weit überwiegend der Serialisierung 1-2 zuzurechnen ist. Dabei ergibt sich aufgrund des trennbaren Verbs eine zusätzliche Variable bezüglich der Stellung des Verbpräfixes, das bei der Stellung 1-2 zwar überwiegend nicht abgetrennt ist, aber bei der Teilverdoppelung (3 b) in 298 Fällen zugunsten von afa entfällt und in 12 Fällen nachgestellt ist (s. o. 3 c). c) Bei derAppenzeller Konstruktion mit ane, vgl. 5 a, die ausser im Präsens auch im Perfekt auftritt (III.5, III.8), steht hier anders als im Hauptsatz (III.1) die Partikel nicht anstelle des abgetrennten Präfixes, sondern zusätzlich als eine Art Infinitiveinleiter bzw. als partielle Verdoppelung. d) Damiano (2012: 26) zeigt, dass der Infinitiveinleiter bei der Stellung 1-2 in Frage III.12 über das Gesamtgebiet verstreut vorkommt. Die Stellung 2-1 ist fast ausnahmslos, s. o. 3 a, mit einem Infinitiveinleiter (3 a) bzw. einem verdoppelnden afa verbunden (3 d). Bei seiner Zusatzbefragung stellt Damiano auch im Nebensatz eine Tendenz zur vermehrten - dem Standard entsprechenden - Setzung eines Infinitiveinleiters bei der jüngeren Generation fest (2012: 109). Vgl. auch nachfolgend 7 e. e) Die Ergebnisse von Frage III.12 lassen sich mit dem strukturell entsprechenden Wenkersatz 3 (Tu Kohlen in den Ofen, dass die Milch bald an zu kochen fängt) vergleichen. Kakhro (2005: 160) verzeichnet den Infinitiveinleiter zu in 5,5 %. Die Auswertung des Materials, die Damiano (2012: 60 - 62) für den Kanton ZH und den angrenzenden AG (Bezirk Bremgarten) vornimmt, ergibt einen einzigen Verdoppelungsbeleg im Südwesten (Aeugst am Albis), erstaunlicherweise in 2-1-Stellung (afä choche fad ). In etwa 10 % der brauchbaren Antworten weist Damiano (2012: 62) den Infinitiveinleiter nach. Schallert (2010 a: 143) gibt an, dass Wenkersatz 3 inVorarlberg zu 27,3 % ohne Infinitiveinleiter erscheint, dieser also als der gewöhnliche Anschluss anzusehen ist. 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS a) Frage III.8 (Ü) - … dass ich angefangen habe zu rauchen Bei Frage III.8, die auf das Perfekt ausgerichtet war, haben 16 Gewährspersonen Übersetzungen im Präsens angegeben, die für die vorliegende Frage III.12 zusätzlich ausgewertet werden können: Abfolge Anzahl Antworten und Orte 1-2 ANFANGE ( MIT / ZU ) RAUCHEN 15 Mal an 15 verstreuten Orten (davon einmal mit ZU in Ramsen SH und einmal mit MIT in Leissigen BE) 1- AFA -2 FÄNGT AFA RAUCHEN Einmal in Stüsslingen SO 3.4 Syntax von anfangen 265 Beispiele: … dass dr Thomas fat avo rouche Stüsslingen SO, … dan ich ez afang z ’ rauche Ramsen SH, … wenn i afäi mit ruke Leissigen BE, … dass ich afo rauchä Andermatt UR. Literatur Damiano 2012 ▪ Hodler 1969 ▪ Id. 1 ▪ Kakhro 2005 ▪ Lötscher 1993 ▪ Schallert 2010 a ▪ Stoeckle 2018 Bezug auf SADS-Material Damiano 2012: 21 - 26 ▪ 2012: 22 - 26 Ⓚ ▪ Stoeckle 2018: 179 - 190 ▪ 2018: 180 Ⓚ 3.4.5 Syntax von anfangen: Die Ergebnisse im Vergleich Fragen III.1, III.5, III.8, III.12 Die Syntax von der durch einen Infinitiv erweiterten Phasenverbkonstruktion mit ‚ anfangen ‘ ist in vier Fragen v. a. hinsichtlich des Auftretens der Reduktionsform afa in verschiedenen Funktionen erhoben worden. Im Folgenden sollen einige Beobachtungen zu den Ergebnissen aus den vier Fragen, insbesondere zum Vorkommen der Reduktionsform afa , zusammengestellt werden. Die vier Merkmalskombinationen aus Präsens und Perfekt einerseits und Haupt- und Nebensatz andererseits ergeben überraschend uniforme Raumbilder, wie der ► Vergleichskarte (S. 151) zu entnehmen ist: In einem zentral-westlichen Areal wird das Element afa eingesetzt, im Nordosten nicht und im Südosten nur an einzelnen Walserorten 1. Bedingungen für das Auftreten von afa : Die Karte zu den vier afa -Kontexten im Vergleich zeigt, dass diese im Vorkommen der Kurzformen (sei es im Perfekt oder im Präsens als (Teil-)Verdoppelung) grundsätzlich übereinstimmen, die Verwendung im Hauptsatz allerdings sporadisch weiter nach Osten ausgreift und die Verwendung bei III.12 auf ein kleineres zentral-westliches Kernareal eingeschränkt ist (praktisch ohne VS und Berner Oberland). Das Vorkommen der Form afa korreliert deutlich mit dem Vorhandensein einer kontrahierten echtinfinitivischen (alleinstehenden) Form aafaa o. ä., wie es auf der ► Beikarte (S. 152) (zu IV.7) zu sehen ist, vgl. dazu auch SDS (III: 78 - 79) sowie die vorläufige Karte bei Damiano (2012: 35). Nur dort, wo es einen solchen kontrahierten Infinitiv (mit einsilbiger Wurzel) gibt, konnte es auch zu einer reduzierten Form afa innerhalb von Verbalkomplexen kommen, vgl. dazu auch Stoeckle (2018). Diese wird folgendermassen eingesetzt: im Präsens anstelle des abgetrennten Verbzusatzes an -, im Perfekt als reduzierte Form des Ersatzinfinitivs (statt Partizip II). Grundsätzlich spielt der Unterschied von Haupt- und Nebensatz eine geringe Rolle, was man vor dem Hintergrund des festen Verbalpräfixes in anderen Dialekten und der Standardsprache (wenn sie zu kochen anfängt) nicht unbedingt erwarten würde. Dass die Abtrennung des Präfixes in der rechten Satzklammer dennoch ein gewisses Hindernis darstellt, zeigt sich daran, dass hier afa tatsächlich quantitativ und geographisch weniger prominent auftritt. 2. Echte Verdoppelung: Über die partielle Verdoppelung durch afa hinaus gibt es in der Zentralschweiz die Möglichkeit, afa immer echt verdoppelnd zu gebrauchen und zwar sowohl im Präsens neben dem Verbalpräfix als auch im Perfekt neben dem Partizip II, wiederum unabhängig davon, ob es ein Haupt- oder Nebensatz ist. 3. Neben dem Vorhandensein eines kontrahierten selbständigen Infinitivs scheint auch die Verwendung eines Ersatzinfinitivs (im Perfekt) für weitere Verwendungen der Reduktionsform afa eine Rolle zu spielen. Die Kurzform des Ersatzinfinitivs in der Frage zum Perfekt (III.5) hat im Osten eine (geringfügig) grössere Verbreitung als die durch afa gebildete partielle Verdopplung in der Frage zum Präsens (III.1). Stoeckle (2018) prüft verschiedene Hypothesen bezüglich der Implikation des Auftretens von afa bei den Sprechern und an den Erhebungsorten. Dabei sind die Implikationen bezogen auf die Existenz der Varianten am Ort zu einem höheren Prozentsatz gültig als intrapersonal, vgl. Stoeckle (2018: 190 - 191). 266 3 Verbalgruppe 4. Der Infinitiveinleiter zu kommt überall vor, aber ohne Clusterbildung. Im Bernbiet scheint er geringfügig seltener zu sein, aber dies ist wohl eher ein Epiphänomen der Tatsache, dass im Westen Varianten mit afa häufiger sind und diese weniger mit zu kombiniert werden also solche mit Partizip II. 5. Wortstellung: Die Frage zum Perfekt im Hauptsatz III.5 zeigt weit überwiegend die Stellung 2-3. Im Nebensatz mit Präsens (III.12) überwiegt entsprechend 1-2 in der rechten Satzklammer. Die Frage III.8 zum Perfekt im Nebensatz weist beim Partizip II v. a. die Stellung 2-1-3 auf, wobei auch 1-2-3 häufig ist. Mit dem Ersatzinfinitiv afa dominiert aber 1-2-3. Insgesamt ist die Wortstellung bei III.8 beim Drei-Verb-Cluster besonders variabel, wobei sich hier auch ein deutlicher Unterschied zu Modalverbkomplexen zeigt, die dominant 1-2-3 aufweisen, vgl. 3.1.4, 3.1.5. Literatur Damiano 2012 ▪ SDS III ▪ Stoeckle 2018 3.4 Syntax von anfangen 267 3.5 Gerundium 3.5.1 Gerundium Frage II.4 (Ü) - D U HAST SICHER VIEL ZU ERZÄHLEN ! 1. Kartenthema und Datengrundlage In einigen westgermanischen Varietäten finden sich in bestimmten syntaktischen Positionen auf ehemals flektierte Infinitivformen zurückgehende, Gerundium genannte Sonderformen. Bei der vorliegenden Frage II.4 ging es um den syntaktischen Anschluss des Infinitivs nach ‚ haben ‘ mit einem Quantor und um die Gestalt der infiniten Verbform. Die Konstruktion wurde mithilfe einer Übersetzungsaufgabe abgefragt. Hier waren nach SDS (III: 1, 2 III.), vgl. auch 7 a, in der Nordostschweiz Reflexe ehemals flektierter Infinitivformen nach dem Infinitiveinleiter zu zu erwarten, vgl. zur dialektalen Verbreitung auch Schirmunski (2010: 584 - 585). Auf der ► Hauptkarte (S. 153) werden drei Varianten dargestellt: der unflektierte Infinitiv nach der Präposition zu oder zum und die auf die Präposition zu folgende Gerundiumsform. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 2921 2781 140 2771 10 2791 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a ZU ERZÄHLEN Infinitiv mit ZU 3 b ZUM ERZÄHLEN Infinitiv mit ZUM 3 c ZU ERZÄHL - ID Gerundium mit ZU Typenbildung ZU ds, ts, zu, z ZUM zum, zom ERZÄHLEN verzelle, erzelle, verzeue, brechte, brichte, prichte o. ä. - ID -id, -it 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Am häufigsten wird die Variante zu erzählen mit 2685 Mal an 382 Orten übersetzt, nur in Brülisau AI kommt sie nicht vor. Die Verbreitung von zu erzählen erstreckt sich gleichmässig über das gesamte Erhebungsgebiet. Die Variante kommt fast überall mehrheitlich vor - mit der Ausnahme von Ramsen SH, Berneck SG, Heiden AR, Haslen AI. Beispiele: Du hesch sicher viel z ’ verzelle! Möhlin AG, Du häscht sichar viel zverzella! Diepoldsau SG, Du hesch sicher viu zverzeue Ligerz BE, Hesch de secher vel z ’ verzelle Sempach LU, Du häsch sicher viel tzverzela Tamins GR, Du hesch sichär vill z ’ värzellu Agarn VS. b) Am zweithäufigsten wird 85 Mal an 67 Orten zum erzählen notiert. Es kommt im ganzen Erhebungsgebiet vereinzelt vor, mit einer Häufung ganz im Osten - so in SH, TG, SG, AR, AI und GL. Mehrfachnennungen der Variante mit zum treten verstreut, mit einer gewissen Konzentration in St. Gallen und dem Appenzellerland auf. In Berneck SG ist sie mehrheitlich. Beispiele: Du hesch sicher vüu zum verzeue! Mümliswil SO, Du häsch sicher vill zum verzelle Schleitheim SH, Du häsch sicher viel zum verzähle! Altstätten SG, Du hescht sicher viel zom verzölle? Appenzell AI, Du hesch secher vöu zom verzöue! Neuenkirch LU. 268 3 Verbalgruppe c) An dritter Stelle steht die Variante mit der Gerundiumsform zu erzähl id . Sie wird 21 Mal an 10 Orten notiert. Das Verbreitungsgebiet dieser Variante ist auf die Kantone Schaffhausen, St. Gallen und Appenzell begrenzt. An fünf Orten wird die Variante mehrfach notiert: Schleitheim SH, Gais AR, Appenzell, Brülisau, Haslen AI - in Brülisau, Haslen AI sogar mehrheitlich - im Übrigen als Einzelnennung. Beispiele: Du häsch sicher vill z ’ verzelled vo Dine Ferie Gächlingen SH, Du heschd sicher en Huffe z ’ verzellid Gais AR, Du hescht sicher viel z ’ verzöllid? Appenzell AI. d) Intrapersonelle Variation: übersetzte Varianten Anzahl Personen und Orte ZU ERZÄHLEN und ZUM ERZÄHLEN 8 Personen an 8 Orten (Hallau SH, Sennwald, St. Gallen SG, Grosswangen, Luzern LU, Hünenberg ZG, Schwyz SZ, Schwanden GL) ZU ERZÄHL - ID und ZUM ERZÄHLEN 2 Personen an 2 Orten (Schleitheim SH, Appenzell AI) 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ Du häsch sicher vill zum verzelle. (Wörtlich von Schriftsprache in Mundart übersetzt: Du häsch sicher vill z verzellid.) “ , Schleitheim SH. - „ Du häsch sicher vill z ’ vezelle. (2) / Du häsch sicher vill zom vezelle. (1) “ , St. Gallen SG. 5. Weitere Varianten keine 6. Unbrauchbare Antworten 140 Gewährspersonen haben eine unbrauchbare Übersetzung als einzige Antwort notiert, 3 Personen notierten zwei unbrauchbare Varianten. a) 58 Mal wird der unflektierte Infinitiv ohne Anschlussmittel als einzige Variante notiert (insgesamt 59 Mal): Du häscht secher viel verzella Berneck SG, Du hesch sicher viu erzeue Meikirch BE, Du hesch secher vöu verzöhle Triengen LU. Die Variante zeigt keine räumliche Konzentration, sondern kommt im gesamten Erhebungsgebiet vereinzelt vor. In nachträglichen Telefoninterviews mit acht Gewährspersonen (4. 4. 2011) konnte die Verwendung ohne Anschlussmittel nicht bestätigt werden, so dass die Fragebogenantworten hier als nicht interpretierbar eingestuft werden. Es dürfte sich um ein der schriftlichen Mundartnotation geschuldetes Artefakt handeln. b) 46 Übersetzungen enthielten eine Variante mit Modalverb (insgesamt 47 Mal). Beispiele: Du chasch sicher vill verzelle Schleitheim SH, … du mosch mir denn no echli verzelle devo Hüttwilen TG. c) Einmal wurde eine tun-Periphrase als einzige Variante notiert: Tüescht mär dä glägäntlich ärzellu, was alles gsee und ärläbt hescht Steg VS. d) 13 Mal erfolgten Übersetzungen mit einem Imperativ als einziger Variante (insgesamt 14 Mal). Beispiel: Verzell! Lützelflüh BE. e) 25 Mal erfolgten gänzlich andere, inhaltlich abweichende oder unleserliche Antworten als einzige Varianten. 7. Weitere Bemerkungen a) Gegenüber SDS (III: 1) ist bei II.4 das Fehlen von Gerundiumsnennungen aus dem östlichen Thurgau zu vermerken. SDS (III: 2 III.) verweist generell darauf, dass „ fast überall auch schon ə = Inf. “ vorkomme. Wanner (1941: 182) erklärt die Form in SH als „ noch lebendig “ , Sonderegger & Gadmer (1999: 165) erwähnen das mögliche Erscheinen von Gerundiumsformen nach zu, die vor allem in AI zu gelten scheinen (1999: 166). Pérez (2006: 80 - 83, 174 - 175) hat anhand eines eigenen Korpus den Innerrhoder Gebrauch bei 3.5 Gerundium 269 verschiedenen Generationen und in verschiedenen Konstruktionen untersucht und festgestellt, dass der variative Gebrauch in der jüngeren Generation zugunsten der Infinitivformen zurückgegangen ist. Pérez (2006) dokumentiert auf bestimmte grammatische Kontexte beschränkt auch den zum -Anschluss. b) Gerundiumsformen sind je nach Verb unterschiedlich gut erhalten und unterschiedlich weit verbreitet, vgl. auch das Zusatzmaterial unter 8 sowie zur historischen Situation Id. (17: 80). Sie stehen dort, wo sie gebraucht werden, immer zusammen mit der Infinitiveinleitung zu , vgl. auch Pérez (2006: 21). Ausserhalb des Schweizerdeutschen ist nicht selten Konkurrenz mit durch zum eingeleiteten Infinitivformen belegt, wobei die genauen Verwendungsbedingungen erst teilweise erforscht sind, vgl. aber Pérez (2006) zum Appenzellerdeutschen sowie Bayer & Brandner (2004) zum Bodenseealemannischen. Gerundiumsformen finden sich mehr oder weniger auf das Schwäbische und Bodenseealemannische beschränkt im SSA (3/ 1.301) dokumentiert, vgl. auch DSA (54 (trink)en), im nördlichen Vorarlberg, vgl. VALTS (Kartenband III: 70 a, 71, Kommentarband III: 148 - 151), und im südwestlichen Teil des SBS (6: 68 - 73, Karte 15 - 17), wodurch sich zusammen mit den Nordostschweizer Formen ein Areal ergibt, vgl. auch Pérez (2006: 18). Zum nördlichen Vorarlberg vgl. auch Schallert (2010 a: 136 - 137). Zu weiteren Verben, insbesondere zu Kurzverben, vgl. SDS (III 55, 61), VALTS (Kartenband III: 70 b), SNiB (5: 161), SBS (6: 469 - 471, Karte 174). Pérez (2006: 10 - 17) bespricht das Vorkommen in den süddeutschen Regionalatlanten und verweist auf die Verwendung in älterer Literatur zum Schweizerdeutschen (Stalder 1819: 20). 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS a) Frage II.19 (A) - U nd dann ist ein F uchs geschlichen gekommen Bei dieser Ankreuzfrage (4.4.1) entfallen die meisten Antworten auf Konstruktionen mit einer durch zu eingeleiteten infiniten Form. Dabei wird 78 Mal an 37 Orten die Gerundiumsform z schlichid akzeptiert, 3 Mal davon (in Gächlingen, Hallau SH, Innerthal SZ) wird eine eigene Form mit e-Vokalismus in der Endung notiert (z schliichet/ -ed ), vgl. 4.4.1, 3 c, 7 b. Das räumliche Vorkommen dieser Formen deckt sich weitgehend mit den oben für II.4 beschriebenen Verhältnissen, vgl. ► Beikarte (S. 154). Die Ergebnisse von II.19 sind bei Pérez (2006: 120) mit II.4 zusammen behandelt. b) Auch bei weiteren SADS-Fragen - zu ganz unterschiedlichen Konstruktionen - werden für den Infinitiv nach zu vereinzelt Gerundiumsformen genannt. Die in diesen Fragen erscheinenden Formen, zu denen - ausser I.11 (5.1.3) - keine SADS-Kommentare vorliegen, sind im Folgenden - leicht typisiert (z. B. hinsichtlich des Apostrophs vereinheitlicht) - zusammengestellt. Frage Variante(n) Anzahl Antworten und Ort(e) II.15 z ’ tueid, z ’ tond, z ’ tuid 39 Mal an 10 Orten (je 8 Mal in Gächlingen, Hallau SH, 6 Mal in Schleitheim SH, je 4 Mal in Wilchingen SH, Appenzell AI, 3 Mal in Haslen AI, je 2 Mal in Marthalen ZH, Brülisau AI, je einmal in Merishausen SH, Kesswil TG) IV.32 z ’ schwitzid 5 Mal an 3 Orten (3 Mal in Schleitheim SH, je einmal in Bibern SH, Appenzell AI) IV.18 z ’ üebid 4 Mal an 3 Orten (2 Mal in Appenzell AI, je einmal in Trogen AR, Weissbad AI) IV.9 z ’ lösid 2 Mal an 2 Orten (Trogen AR, Appenzell AI) I.11 z ’ läsid Einmal in Ramsen SH II.24 z ’ schnidid Einmal in Brülisau AI II.29 z ’ sägid Einmal in Brülisau AI IV.30 z ’ früarid Einmal in Diepoldsau SG Das räumliche Vorkommen der Gerundiumsendungen bei diesen Fragen stimmt mit den unter 8 a präsentierten Ergebnissen aus II.19 überein, vgl. ► Beikarte (S. 154), und lässt sich insgesamt mit der in der vorliegenden Frage II.4 erkennbaren Distribution in Einklang bringen. 270 3 Verbalgruppe Literatur Bayer & Brandner 2004 ▪ DSA ▪ Id. 17 ▪ Pérez 2006 ▪ SBS 6 ▪ Schallert 2010 a ▪ Schirmunski 2010 ▪ SDS III ▪ SNiB 5 ▪ Sonderegger & Gadmer 1999 ▪ SSA 3 ▪ Stalder 1819 ▪ VALTS Karten- und Kommentarband III ▪ Wanner 1941 Bezug auf SADS-Material Pérez 2006: 17 - 19 ▪ 2006: 120 Ⓚ 3.5 Gerundium 271 3.6 Vorgangspassiv 3.6.1 Hilfsverb und Kongruenz beim Vorgangspassiv (Perfekt) Frage II.9 (A) - N EIN , SIE IST GERADE VERKAUFT WORDEN 1. Kartenthema und Datengrundlage Im Passiv wird ein Satz so umgeformt, dass das Objekt des Aktivsatzes (in unserem Beispiel eine im Kontext genannte Villa) als Subjekt des Passivsatzes erscheint, so dass das Subjekt des Aktivsatzes (der Verkäufer der Villa) ausgeblendet und das Geschehen in den Vordergrund gerückt werden kann. Der Kontext für den Beispielsatz ist so gewählt, dass das Subjekt des Passivsatzes das Zentrum des Gesprächs bildet, und nicht, wer die Villa verkauft hat. Im Standarddeutschen wird das sogenannte Vorgangspassiv durch das Partizip II und das Hilfsverb werden gebildet. Im Schweizerdeutschen ist, wie auch in einigen weiteren deutschen Varietäten, vgl. Bellmann (1998: 241 - 243), ausserdem mit dem Hilfsverb kommen zu rechnen, vgl. SDS (III: 266 V.2), Id. (3: 268, 16: 1344 - 1345). Die sechs vorgeschlagenen Varianten in der Ankreuzfrage II.9 geben verschiedene Hilfsverben zur Passivbildung im Perfekt vor (in der Reihenfolge werden, kommen, gehen ) sowie jeweils die in bestimmten Regionen relevante Möglichkeit, dass das Partizip II des lexikalischen Verbs eine Flexionsendung zeigt, die in Genus und Numerus mit dem pronominalen grammatischen Subjekt 3.Sg.F. kongruiert. Auf der ► Hauptkarte (S. 155) wird die Verteilung von kommen und werden sowie das Vorkommen der Flexion beim Partizip II der kommen -Konstruktion dargestellt. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 2923 2911 12 2897 14 2925 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a VERKAUFT WORDEN unflektiertes Partizip II mit WERDEN 3 b VERKAUFT GEKOMMEN unflektiertes Partizip II mit KOMMEN 3 c VERKAUFT - E GEKOMMEN flektiertes Partizip II mit KOMMEN Typenbildung VERKAUFT verchauft, verkauft, värchauft, verchaift, verchöift, verchöüft, verchuft VERKAUFT - E verchoufti, värchaufti, verchufti, verchöüfti WORDEN worde, wordu GEKOMMEN cho, chu 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) werden herrscht als Passivhilfsverb im gesamten Untersuchungsgebiet und wird 2559 Mal an 365 Orten präferiert. Die Variante verkauft worden tritt mit Ausnahmen in FR, GR und VS immer mehrheitlich auf. In FR (abgesehen von Murten, wo die Variante von allen sechs Gewährspersonen präferiert wird), wird die werden -Variante von nur drei Personen in Heitenried (einmal) und Ueberstorf (2 Mal) akzeptiert, aber nirgends präferiert. Quantitativ überwiegen auch in VS und GR die Nennungen von kommen als präferierte Variante: in VS 45 Mal werden gegenüber 117 Mal kommen , in GR 52 Mal werden gegenüber 127 Mal kommen . An 5 Orten in VS wird werden nicht präferiert (Inden, Salgesch, Simplon Dorf, Steg, St. Niklaus). Dagegen gilt in Chur GR einzig werden , und es schliessen sich nördlich besonders häufige Nennungen in der Bündner Herrschaft an (Fläsch, Jenins, Malans). 272 3 Verbalgruppe Beispiele: Nei, si isch grad verchauft wordä Aesch BL, Nei, si isch juscht verchauft worde Zürich ZH, Nein, si ischt grad verchöift worden Innertkirchen BE, Nei, si isch grad verchaift wordä Alpnach OW, Nei, si escht krat verkauft worde Vals GR, Nei, schi ischt grad verchöüft wordu Visp VS. b) Die Variante verkauft gekommen mit kommen als Passivhilfsverb und einem unflektierten Partizip II wird von 177 Personen an 42 Orten v. a. in GR (sowie im angrenzenden St. Galler Taminatal) und FR präferiert. Die Variante wird an 5 Orten von allen Gewährspersonen präferiert (Davos, Klosters, Safien, Tamins, Wiesen GR). Im VS wird sie nur je einmal in Brig, Ferden, Visp, Zermatt und je 2 Mal in Inden und St. Niklaus als präferierte Variante angegeben, aber nie eigenhändig notiert. Beispiele: Nei, si isch grad verchuft cho Giffers FR, Nei, schi ischt krat verchauft cho Safien GR. c) Die Variante kommen als Passivhilfsverb mit einem flektierten Partizip II wird von etwas weniger Personen als die flexionslose Variante präferiert: 167 Personen an 38 Orten in VS, GR und FR. Die Variante verkauft e gekommen wird an 6 Orten in VS und FR von allen Gewährspersonen präferiert ( Jaun, Tafers FR, Bürchen, Salgesch, Simplon Dorf, Steg VS). Die drei Gebiete, die kommen als Hilfsverb gehäuft aufweisen (VS, FR, GR), verhalten sich in Bezug auf die Kongruenz am Partizip II recht unterschiedlich. In VS überwiegt deutlich die Kongruenz. In GR ist die Kongruenz dagegen nur marginal als präferierte Variante belegt: mit sechs Nennungen aus Vals, zwei aus Untervaz und je einer aus Davos Monstein und Klosters. In FR stehen flektiertes und unflektiertes Partizip durchweg nebeneinander, wobei insgesamt die flektierte Variante deutlich häufiger präferiert wird (47 Mal, gegenüber nur 27 Mal unflektiert). Nur sehr marginal wird die flektierte Form in BE (einmal in Guggisberg) präferiert. Darüber hinaus wird sie auch nur 2 Mal akzeptiert: Adelboden, Schwarzenburg BE. Beispiele: Nei, si isch grad verchufti cho Schwarzsee FR, Nei, schi escht krat verchaufti cho Vals GR, Nei, schi ischt gat verchöüfti cho Saas-Grund VS. d) Intrapersonelle Variation: präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte VERKAUFT WORDEN und VERKAUFT GEKOMMEN 6 Personen an 6 Orten (Davos, Fläsch, Jenins, Klosters, Küblis GR, Visp VS) VERKAUFT WORDEN und VERKAUFT - E GEKOMMEN 2 Personen an 2 Orten (Ausserberg, Bürchen VS) VERKAUFT GEKOMMEN und VERKAUFT - E GEKOMMEN 4 Personen an 4 Orten (Heitenried, Ueberstorf FR, Davos Monstein, Klosters GR) 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ [5 b] Nii, si ischt (grad) verchuufti. [5 b] oder Nii, die ischt verchuufti. [5 b] ist eine etwas kürzere Form um es einfacher zu sagen [3 a] ist die korrekte Grundform “ , Habkern BE. [GP akzeptiert 3 a und präferiert 3 a und 5 b] - „ [3 a] + [3 b] je nach dem Zeitpunkt des Verkaufes “ , Jenins GR. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ [zu 3 a] (heute als 67jähriger) Als Kind war [3 b] für mich die natürlichste Variante) “ , Untervaz GR. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 a] - „ [zu 3 a] Ungewöhnliche Zeitform im VS-Deutsch aber möglich! “ , Agarn VS. [GP akzeptiert 3 a, 3 c und präferiert 3 a] - „ Nei, di heinsch grad verchöift. (Kaum Passiv-Sätze bei uns.) “ , Mörel VS. [GP akzeptiert und präferiert 3 c] - „ Nei, schi isch verchöifti. Nei, schi hent schi grad verchöift. Passivformen werden nach Möglichkeit in Aktivformen umgewandelt. “ , Visp VS. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 b] 3.6 Vorgangspassiv 273 5. Weitere Varianten a) verkauft e worden : Die an zweiter Stelle in der Ankreuzfrage vorgegebene Variante mit Flexion wird 9 Mal in Einzelnennungen als präferiert angegeben: Diepoldsau SG, Interlaken BE, Triengen, Zell LU, Stans NW, Innerthal SZ, Altdorf, Göschenen UR, Fiesch, Reckingen VS. Dabei wurde verkauft e worden einmal neben der unflektierten Variante verkauft worden präferiert. Von insgesamt 28 Gewährspersonen ist die Variante an 25 Orten akzeptiert worden. Ausser in Zweisimmen BE, Göschenen UR und Reckingen VS mit je zwei einschlägigen akzeptierten Antworten handelt es sich jeweils um Einzelfälle, v. a. aus dem südlichen Teil von BE, der Zentralschweiz und VS. Vgl. auch - mit vorläufigen Zahlen - Bucheli Berger (2005 b: 59, 71, Karte V) sowie 7 d. Einmal wurde die unflektierte Variante verkauft worden neben einer Nennung präferiert, die möglicherweise ebenfalls als flektierte Variante verkauft e worden aufgefasst werden kann, vgl. Nej schi ischt grad verköufti oder Nej schi ischt verchöuft worde Fiesch VS. Da der erste Teilsatz aber nicht sicher als Ellipse interpretierbar ist, vgl. 5 b, ist er in der obigen Zusammenstellung und Zählung nicht berücksichtigt. b) verkauft ( e ) sein : 13 Personen führen, meist gleichwertig neben einer oder mehreren vorgegebenen Varianten, eine Fügung mit sein als eigene Variante an. Die Konstruktion ist wohl als Ausweichen auf ein Zustandspassiv zu werten (vgl. 4.3.2 zu III.16), zumal teilweise das Adverb ausgelassen oder durch schon, seit kurzem, jetzt ersetzt wird, z. B.: Die ischt scho verchoufti Mürren BE. Es ist auffällig, dass diese Variante nicht stärker über das ganze Gebiet verstreut auftritt. Die zehn Nennungen mit Kongruenz stammen zum Teil aus den Gebieten, die auch beim erfragten Vorgangspassiv (vgl. oben 3 c) Kongruenz aufweisen: Küblis, Rheinwald GR, Visp VS. Auffällig sind ebenfalls die Nennungen aus dem Berner Oberland (Gadmen, Habkern, Meiringen, Mürren (2 Mal), Wengen BE) und Schwanden GL, wo sich kongruierende Formen nur im Resultativ - mit sein - finden, vgl. auch 4.3.2 (III.16). Die flexionslose Variante wird in Roggenburg BL, Muotathal SZ, Schwanden GL präferiert, z. B.: Nei, si isch grad värchauft Muotathal SZ. 6. Unbrauchbare Antworten a) 9 Personen (6 davon aus VS) haben alle vorgegebenen Passivvarianten abgelehnt und nur einen Aktivsatz notiert: Meiringen BE, Maderanertal UR, Mutten GR, Ferden (2 Mal), Inden, Simplon Dorf, St. Niklaus, Zermatt VS. Weitere 71 Personen notierten als Zusatzvariante zu einer oder mehreren Passivvarianten einen Aktivsatz. Beispiele: Mu het schi gat verchöift Betten, Die hendsch gad värchöift Oberwald VS. Es fällt auf, dass von den insgesamt 80 Personen, die eine Aktivvariante angegeben haben, 46 in VS beheimatet sind. Vgl. Bucheli Berger (2005 b: 58 - 59, 70, Karte IV), Hodler (1969: 476) und unten 7 a. b) Zwei Gewährspersonen haben eine inhaltlich andere Variante als einzige Antwort notiert. c) Die Antwort einer Gewährsperson ist nicht interpretierbar. 7. Weitere Bemerkungen a) Zur Auswertung der Daten zur vorliegenden SADS-Frage kann ergänzend Bucheli Berger (2005 b) verglichen werden, die auf der Basis der Akzeptanzurteile (Stichtag 13. 11. 2003) in einer detaillierteren Darstellung insbesondere auf intra- und interpersonelle Variation und die Gestaltung der Übergänge zwischen den Auxiliar-Arealen (2005 b: 57 - 58) sowie das Verhältnis von kongruierenden und nichtkongruierenden Partizipien eingeht (2005 b: 59 - 61, Karte VI, VII). Dort finden sich auch Informationen zur (umstrittenen) dialektalen Verankerung des Passivs in den Mundarten (2005 b: 51) mit Hinweisen auf Sekundärliteratur (vgl. auch Hodler 1969: 476) sowie eine Gegenüberstellung zum SDS (Bucheli Berger 2005 b, 55 - 56). Laut SDS (III: 266 V.2) entspricht das Vorkommen von kommen als Inchoativ-Kopula ( krank kommen etc.) demjenigen als Passivauxiliar, was nicht eigens kartiert ist. Bucheli Berger zeigt in einem Vergleich mit der Karte SDS (III: 266) zur Inchoativ-Konstruktion, dass die Gebiete, in denen kommen im 274 3 Verbalgruppe SDS belegt ist, weitgehend mit denen übereinstimmen, wo es in der vorliegenden Frage II. 9 als Passivauxiliar vorkommt. Das verweist auf einen bereits mehrfach erwähnten Zusammenhang zwischen den beiden Funktionen (vgl. Nübling 2006: 178 - 179 sowie Szadrowsky 1930 a: 121). kommen -Passiv scheint inchoatives kommen vorauszusetzen, was für die schweizerdeutschen Dialekte aber noch genauer untersucht werden müsste, vgl. Clauß (1929: 198), der in einem Beispiel mit adjektivischem Partizip eine „ Spur der Umschreibung des Passivs “ sieht, sowie die Literatur unter 7 b. Beispielsweise finden sich bei Streiff (1915: 118, 125) in Glarner Mundarttexten Belege für werden in passiver und kommen in inchoativer Verwendung. Nach Hodler (1969: 475 - 476) ist werden auch in der älteren Walliser Mundartliteratur geläufig, nicht jedoch als Inchoativ-Kopula. b) kommen als Passivhilfsverb - ob mit oder ohne Flexion, vgl. 3 b, c, - wird in FR, VS und GR an fast jedem Ort mehrmals und mehrheitlich als präferierte Variante angegeben, vgl. ► Prozentkarte (S. 156). An 21 Orten wird von allen Gewährspersonen eine Variante mit kommen präferiert (Düdingen, Freiburg, Giffers, Gurmels, Heitenried, Jaun, Plaffeien, Schwarzsee, Tafers, Ueberstorf FR, Davos, Klosters, Safien, Tamins, Wiesen GR, Bürchen, Inden, Salgesch, Simplon Dorf, Steg, St. Niklaus VS). Ausserhalb dieser Gebiete wird die kommen -Variante abgesehen vom an GR grenzenden Taminatal (SG) nur ganz sporadisch präferiert (einmal im Maderanertal UR). Innerhalb der kommen -Gebiete fällt auf, dass in FR (von Murten abgesehen, vgl. 3 a) kommen praktisch obligatorisch ist, während in VS und GR an fast allen Orten kommen und werden nebeneinander als präferierte Variante auftreten. In Chur GR präferieren alle Gewährspersonen die werden -Variante. Die Variation von kommen - und werden -Passiv kann grundsätzlich auf ältere Verhältnisse zurückgehen, aber auch auf jüngeren Einfluss aus dem Standarddeutschen. Das Vorkommen des werden -Passivs in Freiburg kommentiert Henzen (1927: 203) als neu importiert, vgl. auch SDS (III: 266 V.2). Hodler (1969: 473 - 475) betont dagegen generell die Bodenständigkeit des werden -Passivs und verweist auf sein Vorkommen im Wallis bereits um 1900 und seine Geltung im Berner Oberland. Die weitere Sekundärliteratur aus dem frühen 20. Jh. zeigt folgende Situation: Weit überwiegend wird explizit das Passiv mit werden erwähnt, vgl. z. B. Weber (1948: 256) für ZH. Im Berner Seeland ist kommen -Passiv Anfang des 20. Jahrhunderts vereinzelt dokumentiert (Baumgartner 1922: 154), vgl. auch Szadrowsky (1930 a: 118 - 120) mit einem Überblick über die Verbreitung des kommen -Passivs, wobei er für das Prättigau GR (1930 a: 125) im Unterschied zu den Walserorten Safien, Avers und Obersaxen vorherrschendes werden angibt. Brun (1918: 171) und Hotzenköcherle (1934: 446) führen nur kommen -Beispiele - mit Kongruenzformen - aus den Walserorten Obersaxen und Mutten GR an. Für Visperterminen VS erwähnt Wipf (1910: 145) Variation zwischen werden - und kommen -Passiv, ebenso Meinherz (1920: 185) für die Bündner Herrschaft, Abegg (1911: 82) für Urseren UR. Zur genaueren Verbreitung, v. a. im Westen vgl. auch Hodler (1969: 473). Der Vergleich dieser älteren Angaben mit den Ergebnissen der SADS-Frage II.9 zeigt, dass sich das kommen -Passiv in den Hauptgebieten in der intendierten Mundart der ortsfesten SADS-Gewährspersonen zumindest als Variante erhalten hat. In den Randgebieten, die bereits im frühen 20. Jh. nur marginal betroffen waren, wie das Berner Seeland, ist es bei Frage II.9 nicht mehr dokumentiert. Trüb (1951: 230) erwähnt explizit das Fehlen des kommen -Passivs für Mels und Weisstannen SG, vgl. dazu aber 8 a (zu III.26). Für Düdingen FR stellt Egger (1993: 43) fest, dass der Ersatz von kommen durch werden erst in seinerAnfangsphase stehe. Sie zeigt ausserdem (1993: 43), dass kommen im Perfekt besser erhalten bleibt als im Präsens, was bei einer Bewertung der SADS-Ergebnisse, die sich auf das Perfekt beziehen, zu berücksichtigen ist. Nübling (2006) erwähnt eine eingeschränkte Verwendung des kommen -Passivs „ meist nur im unmarkierten Präsens “ (2006: 179), u. a. mit Bezug auf Hodler (1969), der sich jedoch soweit zu sehen - anders als Wiesinger (1989: 258) mit Bezug auf Pernegg (Kärnten) - nicht explizit dazu äussert. Zu einer solchen Einschränkung auf das Präsens als Charakteristikum der Südwalsersprachinsel Gressoney vgl. Gaeta (2018: 228 - 229). Hier liegt allerdings keine Konkurrenz mit werden vor, das bei den Südwalsern generell nicht vorkommt (vgl. Zinsli 2002: 144, 469, Fazzini 1978: 39 sowie nicht ganz eindeutig Bohnenberger 1913: 78 "vielfach kommen"), sondern mit sein und gehen , vgl. 7 e, f. 3.6 Vorgangspassiv 275 c) Es ist immer wieder darauf hingewiesen worden, dass die Verwendung von kommen für Inchoativ und Passiv, die sich v. a. auch in südbairischen Dialekten und Sprachinseln findet (vgl. ausführlich Wiesinger 1989), durch romanische Nachbarsprachen beeinflusst sein könnte, vgl. Id. (3: 270) sowie z. B. Stucki (1917: 305), Henzen (1927: 230), Szadrowsky (1930 a: 119 - 120), Moulton (1941: 45 - 46), Hodler (1969: 473, 477), Hotzenköcherle (1986: 65), Eroms (1995: 52), Giacalone Ramat & Sansò (2014: 36), Gaeta (2018) und auch Bellmann (1998: 241 - 242) mit weiteren Angaben zur Verbreitung (z. B. auch in Hopgarten/ Oberzips sowie im Siebenbürgisch-Sächsischen). Die Entwicklung zur Inchoativkopula scheint allgemein häufiger zu sein, so dass der kontaktsprachliche Einfluss, wenn überhaupt, v. a. bei der Weiterentwicklung zum Passivauxiliar gesehen wird. Behaghel (1924: 210) führt aus dem späten 15. Jahrhundert (dem niederdeutschen Druck Reinke Vos) eine isolierte kommen -Periphrase mit gevangen an (vgl. dazu Bellmann 1998: 242 - 243), die an die Wendung in Gefangenschaft kommen erinnert. Wiesinger (1989: 262, 265) geht für das Südbairische von einer sprachkontaktbedingten Entstehung des kommen -Passivs sicher nach dem 14. Jahrhundert, eher noch später, aus. Zu einem möglichen romanischen Hintergrund vgl. auch Cavigelli (1969: 469). Bemerkenswert ist, dass das kommen -Passiv in GR eben nicht auf die Walserorte beschränkt vorkommt, also nicht einfach als Archaismus angesehen werden kann. Kongruenzflexion scheint allerdings ursprünglich auf die Walserorte beschränkt zu sein, vgl. 7 d. Für die erwähnten südbairischen Sprachgebiete gibt es keine Hinweise auf Flexion. d) Die drei Gebiete in der Deutschschweiz, die kommen als Hilfsverb gehäuft aufweisen (FR, GR, VS), verhalten sich in Bezug auf die Kongruenz am Partizip recht unterschiedlich, vgl. 3 c sowie Bucheli Berger (2005 b: 59 - 61, 71 - 72, Karten VI, VII). Die Beobachtung Szadrowskys (1936: 454), dass - anders als in einigen anderen Walserorten Graubündens (1936: 453), vgl. auch Hotzenköcherle (1934: 446) - in Safien GR das Partizip nur im Resultativ Kongruenz zeigt, nicht aber im kommen -Passiv - d ’ r Tisch i š t g ’ wäschne r ( ‚ der Tisch ist gewaschen ‘ ) vs. d ’ r Tisch chunt g ’ wäsche n ( ‚ der Tisch wird gewaschen ‘ ) - lässt sich gut auch mit der unter 3 b erwähnten - heutigen - Seltenheit der Kongruenz in GR vereinbaren. Die Kongruenzflexion ist in den Walserorten offenbar zurückgegangen. Meinherz (1920: 185) erwähnt bereits explizit die Flexionslosigkeit für den Dialekt der Bündner Herrschaft. Baumgartner (1922: 154) führt für das Berner Seeland nur Beispiele ohne Kongruenz an, ebenso Abegg (1911: 82) für Urseren UR. Für Düdingen FR geht Egger (1993: 41 - 42) bei dem festgestellten Verlust der Kongruenz von einem schon länger andauernden Wandel aus, wobei aber gerade beim Passiv (zusammen mit dem Inchoativkommen ) immer noch knapp 40 % Flexion vorliegt, vgl. Egger (1985: 103, 124). Stucki (1917: 268) gibt für Jaun FR Beispiele mit Kongruenzflexion an. Fuchs (1990, 1993) konzentriert sich bei ihrer Sprachwandelstudie unter anderem auf das kommen -Passiv in Steg VS, weil sie hier freie, nicht semantisch gesteuerte Variation zwischen Kongruenz und Nichtkongruenz und damit Voraussetzungen für einen Abbau annimmt, was nach Fuchs allerdings in gleicher Weise auch für die Resultativkonstruktion bei transitiven Verben - wie im oben genannten Safier Beispiel - gelten würde. In Übereinstimmung mit den Ergebnissen aus der vorliegenden SADS-Frage berichtet Fuchs von hohen Kongruenzwerten beim Partizip II, ohne allerdings die Passivvorkommen genau zu beziffern (1993: 78, vgl. aber 1990: 64, wo ein Zahlenverhältnis 16 von 18 angegeben ist). Wipf (1910: 145) erwähnt für Visperterminen VS nur flektierte Partizipialformen. Hodler (1969: 474) nennt einige Belege für unflektierte Formen aus Guggisberg BE, Vals GR und dem Lötschental VS. Auch wenn nach Fuchs (1993: 77) die Kongruenz beim Partizip II (in der Passivkonstruktion) fester zu sein scheint als beim prädikativen Adjektiv, dürfte die Existenz der Kongruenz im Prädikat grundsätzlich die Voraussetzung sein, vgl. zum prädikativen Adjektiv Fleischer (2007). Kongruenz beim werden -Passiv wird dagegen nirgends in der Literatur erwähnt (Wipf 1910: 145 ist missverständlich) bzw. sogar explizit verneint (z. B. Fuchs 1993: 75). Die in der vorliegenden Ankreuzfrage II.9 aufgetretenen wenigen verstreuten Einzelpräferenzen, vgl. 5 a sowie Bucheli Berger (2005 b: 59, 71, Karte V), dürften also der Vorgabe geschuldet sein. e) Hinweise auf das auffällige Vorkommen des sein -Passivs in manchen Regionen (vgl. Szadrowsky 1930 a: 127 - 128) und eine späte Durchsetzung des werden -Passivs im Schweizerdeutschen (Id. 7: 1036) könnten darauf deuten, dass die Konzentration der sein -Nennungen im Berner Oberland, vgl. 5 b, nicht zufällig ist. 276 3 Verbalgruppe Das lässt sich auch Hodler (1969: 477 - 478) entnehmen. Vgl. zur Beurteilung der Konstruktion auch Eroms (2005 b: 53). f) G ehen als Hilfsverb: Das vorgegebene Passiv mit gehen ist von niemandem präferiert, aber 10 Mal neben einer anderen Variante akzeptiert worden (jeweils ohne Kongruenz): Densbüren, Siglistorf AG, Illnau ZH, Oberriet, Sevelen SG, Langnau, Oberwichtrach BE, Neuenkirch LU, Innerthal SZ, Schwanden GL. Es könnte sein, dass es sich um Fehlantworten handelt (vgl. Bucheli Berger 2005 b: 54). Für gehen als Passivauxiliar gibt es im vorliegenden Material also keine klare Evidenz. Die Einbeziehung dieser Variante in das SADS-Fragebuch erfolgte auf der Basis von Angaben in der Sekundärliteratur und Hörbelegen in Gressoney (I) (Bucheli Berger 2005 b: 53 - 54), vgl. dazu von Giacalone Ramat (1989: 44) zitierte Belege sowie Szadrowsky (1930 a: 114, 1927/ 1928: 191 - 192), der eine Stelle aus dem Davoser Landbuch des 16. Jh., waß bezalt gath, als gehen -Passiv deutet ( ‚ was bezahlt wird ‘ ). Dabei verweist er auf modernes verloren gehen, aber auch auf die moderne dialektale kommen -Konstruktion. Zu einem unpersönlichen Passiv ( ‚ geht gestritten ‘ ) im Passeiertal (Südtirol) vgl. Wiesinger (1989: 257 „ Eintritt in ein Geschehen “ ). gehen -Periphrasen sind auch bei Schweizer für das Zimbrische in Norditalien (2008: 845) angeführt. Gaeta (2018) behandelt die gehen -Konstruktion mit Daten aus der Südwalsersiedlung Gressoney nach Form und Funktion ausführlich im Rahmen verschiedener Passivbildungen. 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS a) III.26 (A) - K evin bekommt gerade die H aare gewaschen Die Verteilung von kommen und werden als Hilfsverb beim Vorgangspassiv lässt sich auch aus den zusätzlichen Antworten auf die Ankreuzfrage III.26 entnehmen, mit der das ‚ bekommen ‘ -Passiv geprüft werden sollte (vgl. Bucheli Berger 2005 b: 65). Dabei weichen 1422 Gewährspersonen an 356 Orten auf das Akkusativpassiv mit Vorverschiebung des Dativobjekts aus oder nennen dieses als weitere Variante. Meistens wird dabei das Auxiliar werden verwendet, mit kommen werden Passivsätze v. a. in FR und GR konstruiert, einmal davon mit Kongruenzflexion in Ueberstorf FR, vgl. auch Bucheli Berger (2005 b: 65, 74 - 75, Karten XII, XIII) sowie ► Beikarte 1 (S. 157). präferierte Varianten Anzahl Antworten und Orte WERDEN 1385 Mal an 351 Orten KOMMEN 36 Mal an 22 Orten (5 Mal in Safien GR, 4 Mal in Vättis SG, 3 Mal in Giffers FR, je 2 Mal in Plaffeien FR, Davos, Obersaxen, Schiers, Trimmis GR, je einmal in Bäretswil ZH, Mels, Pfäfers, Valens SG, Freiburg, Gurmels, Schwarzsee, Ueberstorf FR, Avers, Fläsch, Küblis, Langwies, Mutten, Tamins GR) Einmal wird in Trimmis GR sowohl werden als auch kommen als Auxiliar notiert. In VS weichen die Gewährspersonen dagegen v. a. auf aktive Konstruktionen mit tun aus, was zu der in 6 a erwähnten Beobachtung passt. werden : Im Kevin wärde grad d ’ Haar gwäsche Möhlin AG, Em K. weerid graad t Hoor gwäsche Appenzell AI, Am Kevin wärdit grad d ’ Haar gwäschä! Alpnach OW. kommen : I m [sic] Kevin ’ s Haar chäme grad gwäsche Giffers, Im Kevin chää grad d ’ Haar gwöschn Plaffeien, Dem Kevin chäme grad d Haar gwäschni Ueberstorf FR, D ’ m Kevin chunnt grad z ’ Haar gwäschä Langwies, Dem Kevin chummen grad d Hoor gwäscha Tamins GR. b) I.13 (A) - D a wird gearbeitet Bei der Ankreuzfrage zum unpersönlichen Passiv, die nur mit werden vorgegeben wurde, haben 27 Gewährspersonen aus FR und GR eine Antwort mit kommen gegeben, vgl. ► Beikarte 2 (S. 158) vgl. dazu auch einschlägige Bemerkungen unter 2.4.1, 4. 3.6 Vorgangspassiv 277 präferierte Varianten Anzahl Antworten und Orte WERDEN 3178 Mal an 383 Orten KOMMEN 17 Mal an 9 Orten in FR (je 3 Mal in Giffers, Plaffeien, je 2 Mal in Freiburg, Gurmels, Heitenried, Tafers, je einmal in Jaun, Schwarzsee, Ueberstorf). 10 Mal an 8 Orten in GR (je 2 Mal in Obersaxen, Safien, je einmal in Avers, Rheinwald, Tamins, Thusis, Trimmis, Untervaz) Beispiele: Da chonnt gwärchet Giffers, Da chunnt gwärchet Jaun, Da chunt gwärchet Plaffeien FR, Do chunnt gschafft Tamins, Da khunt aber gschafft Thusis GR. c) III.10 (Ü) - W enn sie dich erwischen … Bei der Übersetzungsfrage III.10, die im Hinblick auf die Kasusform des Objektpronomens der 2.Sg. im Konditionalsatz ausgewertet wurde (vgl. 2.1.3), finden sich unter den dort unbrauchbaren Antworten 13 Übersetzungen mit Passiv, wobei unter den 3 Antworten mit kommen einmal Kongruenzflexion (in Ueberstorf FR) auftritt, vgl. auch 8 a. präferierte Varianten Anzahl Antworten und Orte WERDEN 10 Mal an 9 Orten (2 Mal in Wädenswil ZH, je einmal in Buckten BL, Kaiserstuhl AG, Regensberg, Uster ZH, Gais AR, Rubigen BE, Willisau LU, Glarus GL) KOMMEN 3 Mal an 3 Orten (Freiburg, Heitenried, Ueberstorf FR) werden : Wenn du aber verwütscht wirscht … Buckten BL, Wennt erwütscht wirsch … Glarus GL. kommen : We du verwütscht chunsch … Heitenried, We du verwütschta chunsch … Ueberstorf FR. Literatur Abegg 1911 ▪ Baumgartner 1922 ▪ Behaghel 1924 ▪ Bellmann 1998 ▪ Bohnenberger 1913 ▪ Brun 1918 ▪ Bucheli Berger 2005 b ▪ Cavigelli 1969 ▪ Clauß 1929 ▪ Egger 1985 ▪ 1993 ▪ Eroms 1995 ▪ 2005 b ▪ Fazzini 1978 ▪ Fleischer 2007 ▪ Fuchs 1990 ▪ 1993 ▪ Gaeta 2018 ▪ Giacalone Ramat 1989 ▪ Giacalone Ramat & Sansò 2014 ▪ Henzen 1927 ▪ Hodler 1969 ▪ Hotzenköcherle 1934 ▪ 1986 ▪ Id. 3 ▪ 7 ▪ 16 ▪ Meinherz 1920 ▪ Moulton 1941 ▪ Nübling 2006 ▪ Schweizer 2008 ▪ SDS III ▪ Streiff 1915 ▪ Stucki 1917 ▪ Szadrowsky 1927/ 28 ▪ 1930 a ▪ 1936 ▪ Trüb 1951 ▪ Weber 1948 ▪ Wiesinger 1989 ▪ Wipf 1910 ▪ Zinsli 2002 Bezug auf SADS-Material Bucheli Berger 2005 b: 53 - 63, 74 - 75 ▪ 2005 b: 69 - 72 Ⓚ 278 3 Verbalgruppe 4 Sekundäre Prädikation 4.1 Koprädikativ 4.1.0 Einleitung Mit vier Fragen, I.12, I.17, II.13 und II.17, wurde erfragt, ob und in welcher Weise koprädikativ verwendete Adjektive (I.17, II.13) und Partizipien (I.12, II.17) formal markiert werden. Die Terminologie für die auch als Halbprädikativ oder prädikatives Attribut (Paul 1919: 49; Behaghel 1923: § 139 - 140) bezeichnete syntaktische Funktion, bei der ein Adjektiv/ Partizip im Prädikat auf das Subjekt oder Objekt zur Bezeichnung eines Zustands und nicht auf die Verbalhandlung bezogen ist, schliesst sich an Plank (1985) an. Auf Basis der Sekundärliteratur war zu erwarten, dass neben verbreiteter Flexionslosigkeit, wie in der Standardsprache, v. a. im Höchstalemannischen Koprädikative mit Kongruenzflexion erscheinen würden (Hotzenköcherle 1934: 407 - 408; Szadrowsky 1936: 448 - 449 und 456; Abegg 1911: 77; Clauß 1929: 186; Henzen 1927: 191; Hodler 1969: 344, 351; Dauwalder 1992: 38; Bietenhard 1991: 9; Stucki 1917: 272; Fuchs 1993: 67 - 68, 71, zum Luzerner Rigigebiet vgl. Fischer 1960: 331). Nach der Karte SDS (III: 256) zum prädikativen Adjektiv (mit Kommentar III 257) (vgl. auch Hotzenköcherle 1986: 47 und Anm. 1) war ausserdem mit nicht kongruierenden Flexionsmarkierungen v. a. im Nordosten zu rechnen. Sonderegger & Gadmer (1999: 147) erwähnen die einheitliche Flexionsendung als „ Kennmerkmal der Appenzeller Mundarten “ , vgl. auch (1999: 35). Beide Markierungstypen, mit und ohne Kongruenzflexion, sollten mit den genannten Fragen in ihrem räumlichen Auftreten präzisiert und hinsichtlich Unterschieden zwischen Partizip und Adjektiv sowie beim Bezug auf Subjekt oder Objekt im Singular oder Plural geprüft werden. Genus und Numerus wurden nicht systematisch abgedeckt, sondern im Hinblick auf möglichst gut erkennbare morphologische Markierungen gewählt. Referenz auf Sg.M. wurde vermieden, um die damit meist übereinstimmende Form des erstarrten Suffixes klarer identifizieren zu können. In den vier Ankreuzfragen wurden jeweils verschiedene Möglichkeiten der Markierung zur Beurteilung vorgegeben, wobei in Frage I.17 die Konstruktion - nach Sonderegger & Gadmer (1999: 147) - mit einer auch sonst aus der Sekundärliteratur bekannten (z. B. bereits Tobler 1837: 27; Id. 1: 201 - 202; Frey 1906: 25) zusätzlichen, verstärkenden Partikel asä suggeriert wurde. Stucki (1921: 91) bewertet die nicht kongruierende Flexionsmarkierung zusammen mit einer Partikel als „ [o]stschweizerisch “ . Zu einer ersten Auswertung der SADS-Daten zum Koprädikativ im Rahmen einer umfassenderen, auch historisch ausgerichteten Untersuchung vgl. man Bucheli Berger & Glaser (2004: 196 - 207) mit weiterer Literatur sowie Glaser (2003: 55 - 57). Eine eingehendere Betrachtung der spezifischen Koprädikativmarkierung in Appenzell unter Einbeziehung zusätzlicher Erhebungen bietet Bucheli Berger (2005 a: 153 - 171), die sich auf die Depictive-Typologie in Schultze-Berndt & Himmelmann (2004) und Himmelmann & Schultze- Berndt (2005) stützt. Bucheli Berger & Glaser (2004: 207 - 217) diskutieren auch entsprechende formale Markierungen in den angrenzenden schwäbischen, alemannischen und bairischen Dialekten sowie verschiedene Entstehungsszenarien (2004: 217 - 220). Ein Überblick über Koprädikativmarkierungen im Oberdeutschen unter Einbeziehung historischer Daten mitsamt einer Karte findet sich bei Seidelmann (2005), vgl. auch bereits die Angaben bei Behaghel (1928: 532 - 533). Schallert (2010 b: 50 - 55) behandelt die Verhältnisse in Vorarlberg, die die Koprädikativmarkierung in der Ostschweiz, z. T. auch mit einer entsprechenden Partikel, fortsetzen. VALTS (Kommentarband IV/ 3: 899) gibt an, dass die „ erstarrte prädikative Form “ in Vorarlberg, Liechtenstein und Tirol allgemein üblich sei, was auf Beispiele mit Adjektiven bezogen ist, vgl. auch die kurze Erläuterung in VALTS (Kommentarband V/ 2: 471). Zur archaischen Kongruenzflexion im Liechtensteiner Walserort Triesenberg vgl. VALTS (Kommentarband V/ 2: 470). Im Folgenden werden die Ergebnisse der vier Fragen dargestellt, wobei zunächst die Verhältnisse mit Objektbezug (II.13, I.12) und anschliessend diejenigen mit Subjektbezug (II. 17, I. 17) erörtert werden. Vergleiche mit den SDS-Daten werden daran anschliessend in einem Überblickskommentar angestellt. In Ergänzung der eigentlichen Koprädikativkonstruktionen wird in Kap. 4.2 die Ankreuzfrage III.19 mit einer bei Plank (1985) ebenfalls den Koprädikativen zugeordneten kausativen Konstruktion mit machen und Adjektiv behandelt. Da lediglich regional mit Kongruenzflexion, aber nicht mit einer erstarrten Form zu rechnen war, werden im SADS die Ergebnisse in einem eigenen Kapitel besprochen, vgl. 4.2.1. Berührungen 4.1 Koprädikativ 281 mit den Koprädikativkonstruktionen sind auch bei anderen Fragen dokumentiert, vgl. etwa bei der kommen- Konstruktion (4.4.1) oder beim Konverb (4.5.1), die jeweils eigene Kapitel bilden. Literatur Abegg 1911 ▪ Behaghel 1923 ▪ 1928 ▪ Bietenhard 1991 ▪ Bucheli Berger 2005 a ▪ Bucheli Berger & Glaser 2004 ▪ Clauß 1929 ▪ Dauwalder 1992 ▪ Fischer 1960 ▪ Frey 1906 ▪ Fuchs 1993 ▪ Glaser 2003 ▪ Henzen 1927 ▪ Himmelmann & Schultze-Berndt 2005 ▪ Hodler 1969 ▪ Hotzenköcherle 1934 ▪ 1986 ▪ Id. 1 ▪ Paul 1919 ▪ Plank 1985 ▪ Schallert 2010 b ▪ Schultze-Berndt & Himmelmann 2004 ▪ SDS III ▪ Seidelmann 2005 ▪ Sonderegger & Gadmer 1999 ▪ Stucki 1917 ▪ 1921 ▪ Szadrowsky 1936 ▪ Tobler 1837 ▪ VALTS Kommentarband IV/ 3 ▪ V/ 2 4.1.1 Koprädikatives Adjektiv (Akk.Sg.F.) Frage II.13 (A) - D U MUSST DIE M ILCH ABER HEISS TRINKEN 1. Kartenthema und Datengrundlage Bei dieser Frage geht es um die formale Markierung eines koprädikativ gebrauchten Adjektivs mit Bezug auf ein direktes Objekt im Sg.F. In der Ankreuzfrage II.13 wurden drei Varianten in der folgenden Reihenfolge vorgegeben, ohne Flexion, mit Objektkongruenz im Akk.Sg.F. und mit unveränderlichem Suffix, das der Kongruenzendung des Nom.Sg.M. entspricht. Der Kontext der Frage war so gestaltet, dass ‚ heiss ‘ als wichtige Information über den Zustand der Milch erscheint. Auf der ► Hauptkarte (S. 161) werden die drei Varianten in ihrer Verbreitung dargestellt, wobei die Fälle, in denen von den Gewährspersonen eine Partikel (asä o. ä.) ergänzt wurde, integriert sind, vgl. dazu die Angaben im Text zu den jeweiligen Varianten sowie 7 a. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei drei total 2922 2916 6 2897 18 1 2936 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a HEISS ohne Suffix 3 b HEISS - E mit Objektkongruenz (Akk.Sg.F.) 3 c HEISS - ER mit erstarrtem Suffix Typenbildung HEISS heiss, häiss, hoass, haas, hiss, waam o. ä. [ HEISS ]- E -i, -a [ HEISS ]- ER -ä, -(n)e, -a 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Die 2278 Mal an 356 Orten präferierte, insgesamt häufigste Variante, heiss (ohne Suffix), ist im gesamten Untersuchungsgebiet anzutreffen, ausser an den meisten Orten in VS, an einzelnen Orten im Berner Oberland und FR, in Engelberg OW, Muotathal SZ, St. Antönien GR. Im Kanton BE nimmt gegen Süden ihre Präferenz deutlich ab. An wenigen Orten wird sie in VS einmal (Binn, Brig, Fiesch, Oberwald, Randa, Visp) oder 2 Mal (Ferden, Reckingen) präferiert. In UR und bei den Bündner Walsern kommt sie mindestens 3 Mal pro Ort als präferierte Variante vor (ausser in Gurtnellen, Unterschächen UR, Davos, St. Antönien, Vals GR). In LU, ZG, SZ (ausser Muotathal), GL ist sie vorherrschend. Die Variante kommt in ihrem oben genannten Vorkommensgebiet mit Ausnahme der südlichen Regionen und AR, AI meist mehrheitlich vor, vgl. ► Prozentkarte (S. 162). 282 4 Sekundäre Prädikation Beispiele: Du muesch d Meuwch aber heiss trenke Menziken AG, Du muesch aber d Milch heiss trinke Zürich ZH, Du mosch d ’ Milch aber haas trinke! Schleitheim SH, Du muäsch d ’ Milch aber heiss tringgä! Flums SG, Du muesch d ’ Miuch aber heiss treiche Schangnau BE, Du muesch aber dMilch heiss trinke! Alpthal SZ. Von den 2278 Mal ist die Variante 11 Mal mit einer dem Adjektiv vorangestellten Partikel asä präferiert worden (vgl. 7 a): Du muasch d Milch aber asa heiss tringga! Tamins GR. Darunter ist eine Gewährperson aus Fläsch GR, die gleichzeitig auch noch die Form ohne Partikel präferiert. b) Am zweithäufigsten, 557 Mal an 119 Orten, wird die Variante heiss e (mit kongruierendem Suffix -i, im Lötschental -a) als präferierte Variante angegeben. Diese Variante tritt in FR, Berner Oberland, OW, UR, VS an den meisten Orten mehrheitlich auf, in NW an allen Orten, aber nie mehrheitlich, in LU, ZG, SZ (ausser Muotathal), GL selten. Bei den Bündner Walsern kommt sie mehrheitlich nur in Davos, Klosters, Safien, St. Antönien, Vals GR vor, die Hälfte der Gewährspersonen präferiert sie in Mutten und Schiers GR, und ansonsten ist sie minderheitlich, vgl. ► Prozentkarte (S. 162). Das Areal der Kongruenz bricht in den Kantonen FR, OW und NW am nördlichen Rand mit Mehrfachnennungen ab (vgl. Bucheli Berger & Glaser 2004: 196 - 198), während es in BE, LU, SZ eher mit Einzelnennungen ausläuft. Das Areal des kongruierenden Sufffixes wird an seinem Nordrand (in BE, LU, SZ, GL) und in GR durch einige Orte ergänzt, an denen diese Variante zwar akzeptiert, aber nicht zur präferierten Variante erklärt wurde, vgl. ► Akzeptanzkarte 1 (S. 163). Eine Einzelpräferenz ausserhalb dieses Gebietes stammt aus Diepoldsau SG. Beispiele: Du muesch d ’ Müech aber hissi drieche Düdingen FR, Du moescht d ’ Milch aber heissi triichen! Guttannen BE, Du muesch si aber heissi trinke! Schwanden GL, Du muescht d Milch abär heissi trichä! Langwies GR, … heissi trichu Saas-Grund VS. Von den 557 Mal wird die Variante 3 Mal mit einer dem Adjektiv vorangestellten Partikel asä präferiert (vgl. 7 a): Du muäscht d ’ Milch aber als ä heissi trichä Schiers, Du muascht d ’ Milch asa heissi trinka Tamins GR. Im Lötschental (Blatten, Ferden VS) präferieren 14 Gewährspersonen die Variante heiss e mit der Form heissa, vgl. 7 d. Beispiel: … heissa trichn Ferden VS. Eine Gewährsperson in Blatten VS hat wohl aus diesem Grund die suggerierte Form heissä angekreuzt, als präferiert bezeichnet und korrigierend heissa notiert. Sie figuriert unter den 14 präferierten Antworten mit Kongruenzendung -a. Eine Gewährsperson in Ferden VS hat nur die Variante heiss-ä notiert und präferiert. Diese Antwort ist nicht klar interpretierbar und wird daher nicht kartiert. Es ist nämlich unklar, ob hier heiss-a genannt werden sollte und ein Verschriftungsfehler vorliegt (vgl. 6 c). Drei Gewährspersonen im Lötschental präferieren die Variante mit der Form heiss-i, zwei Gewährspersonen bevorzugen die Variante ohne Suffix. c) Mit 101 Mal an 33 Orten an dritter Stelle wird die Variante heiss er (mit unveränderlichem Suffix) präferiert. Sie kommt in einem inselartigen Areal im Nordosten, rund um den Alpstein, vor. In AR und AI tritt sie mehrheitlich auf (Heiden, Trogen, Urnäsch, Waldstatt AR, Appenzell, Brülisau, Haslen AI), in Bühler, Gais, Herisau AR wie auch im Kanton SG minderheitlich (ausser in Altstätten und Diepoldsau SG, in Wildhaus SG zu 50 %), vgl. ► Prozentkarte (S. 162). In TG wird sie an zwei Orten je einmal präferiert (Fischingen, Neukirch TG). Dieses Areal des unveränderlichen Suffixes wird in seinem Randbereich durch einige Orte ergänzt, an denen das unveränderliche Suffix angekreuzt, aber nicht zur präferierten Variante erklärt worden ist, vgl. ► Akzeptanzkarte 2 (S. 164). Verstreute Einzelnennungen ausserhalb dieses Gebietes gibt es in Bleienbach BE (nur akzeptiert), Schiers GR, Alpthal SZ. Beispiele: Du müescht d Milch aber hässe trinke Mosnang, Du moscht d Milch aber hoassa trinka Oberriet SG, ... aber heissne trinke Bühler AR, Moscht denn d ’ Mülch abe heissä trinke Appenzell, Du moscht Mölch waame trinke Appenzell AI. Von den 101 Mal wird die Variante 10 Mal mit einer dem Adjektiv vorangestellten Partikel asä präferiert: Du muesch d ’ Milch aber asä heissä trinke St. Gallen SG (vgl. 7 a). 4.1 Koprädikativ 283 d) Intrapersonelle Variation: präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte HEISS und HEISS - E 14 Personen an 14 Orten (Lützelflüh, Steffisburg, Trub, Zweisimmen BE, Giswil, Lungern, Melchtal OW, Altdorf, Andermatt, Isenthal UR, Linthal GL, Davos Monstein, Schiers GR, Brig VS) HEISS und HEISS - ER 4 Personen an 4 Orten ( HEISS ohne ASÄ ; HEISS - ER 3 Mal ohne ASÄ : Andwil, Mosnang, Stein SG; einmal mit ASÄ : Rheineck SG) HEISS , HEISS - E und HEISS - ER 1 Person in Diepoldsau SG ( HEISS und HEISS - E ohne ASÄ ; HEISS - ER mit ASÄ : Du moast d Milk asa hoassa trinka) 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ Früher sagte man noch: Du muesch d Milch aber ase heissä tringge “ , Birwinken TG. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ [3 b] ältere Form “ , Innertkirchen BE ( Jg. 1958). [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 b] - „ [3 a] adverbial verstärkend / [3 b] mehr attributivisch mit Betonung auf die Qualität der Milch “ , Altdorf UR. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ [3 b] alt “ , Engi GL ( Jg. 1950). [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 a] 5. Weitere Varianten keine 6. Unbrauchbare Antworten a) Eine Gewährsperson hat eine attributive Konstruktion präferiert: Dai müäsch abär heissi Miuch trinckä. Engelberg OW. b) Eine Person hat eine inhaltlich gänzlich andere Antwort bevorzugt. c) 4 Mal ist die Antwort uninterpretierbar bzw. nicht verwertbar (vgl. dazu u. a. 3 b). 7. Weitere Bemerkungen a) 24 Personen haben jeweils die Subvariante mit der Partikel asä (asa, asä, ase, assa, als ä, anä) explizit als präferiert angegeben (vgl. 3 a - c). Ausser den oben (3 a - c) genannten haben 11 weitere Gewährspersonen die jeweilige Subvariante mit asä als mögliche Alternative genannt, aber nicht präferiert. Somit notierten insgesamt 35 Gewährspersonen östlich einer Linie Schaffhausen - Zug vor dem koprädikativen Adjektiv die Partikel, die nicht suggeriert wurde. Die ► Beikarte (S. 165) (notierte Varianten) zeigt, dass asä sich je nach Region mit dem entsprechenden Suffixtyp kombiniert: - 16 Mal ohne Suffix verteilt auf 12 Orte in der suffixlosen Zone (11 Mal an 9 Orten präferiert: 3 Mal in Tamins GR, je einmal in Rafz ZH, Neukirch, Triboltingen TG, Grabs, Wartau SG, Oberägeri ZG, Brunnen SZ, Fläsch GR): Du muesch d Milch aber assa heiss tringga Vättis SG, Du muesch d ’ Milch aber asä heiss trinke Brunnen SZ. - 4 Mal in Graubünden mit kongruierendem Suffix (3 Mal an 3 Orten präferiert: Davos, Klosters, Safien GR): Du muascht d ’ Milch asa heissi trinka Safien, Du muesch d Milch aber asä heissi tricha! Wiesen GR. - 15 Mal mit unveränderlichem Suffix verteilt auf 10 Orte im Nordosten; allein in Diepoldsau SG 4 Mal (10 Mal an 6 Orten präferiert: 4 Mal in Diepoldsau SG, 2 Mal in St. Gallen SG, je einmal in Altstätten, Rheineck, Sennwald SG, Schiers GR): Du muesch d ’ Milch aber asä heissä trinke! Frauenfeld TG, Du moasch d ’ Milch aber asa hoassa trinka! Diepoldsau SG, Du muesch d ’ Milch abär asä häissä trinkä! 284 4 Sekundäre Prädikation Schiers GR. Eine Gewährsperson aus Rheineck SG verwendet wie auch bei der Koprädikativfrage II.17 die Form anä: Du muesch d Milch aber anä heissä trinka. b) Die Präferenz der Kongruenzmarkierung am koprädikativen Adjektiv nimmt ungefähr dasselbe Areal ein, wie es für die Kongruenz am prädikativen Adjektiv im SDS (III: 256/ 257) dokumentiert ist (mit Ausnahme der Kantone ZG, SZ, GL, wo die Kongruenzvariante in den SADS-Daten seltener vorkommt), vgl. den Vergleichskommentar 4.1.5 sowie Bucheli Berger & Glaser (2004: 225). Die genannte Präferenz aus Diepoldsau lässt sich eventuell auch lediglich als Akzeptanz interpretieren, da die pauschale Angabe der Gewährsperson nicht eindeutig ist und lediglich infolge der angewendeten Auswertungsprinzipien als Präferenz erscheint. c) Das Areal des unveränderlichen Suffixes erweist sich bei der vorliegenden Frage II.13 als grösser als dasjenige, das auf der Karte SDS (III: 256/ 257) anhand von Spontanbelegen zum koprädikativen Adjektiv erscheint, vgl. den Vergleichskommentar 4.1.5 mit Angaben zur weiteren Verbreitung dieser Konstruktion. d) Die Endung -a stellt im Lötschental das reguläre Kongruenzsuffix für Akk.Sg.F. dar, vgl. Bucheli Berger (2005 a: 149) und die Ausführungen zur Kongruenz beim Partizip in der Resultativfrage II.11 (4.3.1, 3 b). Literatur Bucheli Berger 2005 a ▪ Bucheli Berger & Glaser 2004 ▪ SDS III Bezug auf SADS-Material Bucheli Berger 2005 a: 152 ▪ Bucheli Berger & Glaser 2004: 197 - 198, 201 - 202, 204 - 205 ▪ 2004: 225 Ⓚ ▪ Glaser 2013: 204 ▪ 2013: 205 Ⓚ ▪ Glaser 2014: 35 ▪ 2014: 37 Ⓚ ▪ Glaser & Bart 2015: 92 4.1.2 Koprädikatives Partizip II (Akk.Pl.N.) Frage I.12 (A) - F ISCHSTÄBCHEN MUSS MAN DOCH GEFROREN ANBRATEN 1. Kartenthema und Datengrundlage Bei der vorliegenden Frage geht es um die formale Markierung des koprädikativ verwendeten Partizips II ‚ gefroren ‘ mit Bezug auf das direkte Objekt im Plural. In der Ankreuzfrage I.12 wurde das Partizip II in vier Varianten in der folgenden Reihenfolge vorgegeben: ohne Flexion, mit Kongruenzflexion im Plural Neutrum (-i), mit erstarrtem Suffix (-ä) sowie mit einer neutralen Flexionsendung (-es), für die es aber keine vorgängige Bezeugung gab. Auf der ► Hauptkarte (S. 166) werden - wie bei Frage II.13 nach der Markierung eines koprädikativen Adjektivs - die drei ersten Varianten unter Einbeziehung einer von den Gewährspersonen teilweise ergänzten Partikel (asä o. ä.) in ihrer Verbreitung dargestellt. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 3179 3174 5 3165 9 3183 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a GEFROREN ohne Suffix 3 b GEFROREN - E mit Objektkongruenz (Akk.Pl.N.) 3 c GEFROREN - ER mit erstarrtem Suffix 4.1 Koprädikativ 285 Typenbildung GEFROREN gfrore, igfrore, agfrore, gfroert, gfrört o. ä. GEFROREN - E gfrorni, gfroerni, gfrörti, gfröerti, gfrüärti, gfrürti, gfrüerti o. ä. GEFROREN - ER gfrornä, gfrorne, gfrone, gfroorna, gfroarna, gfrorna o. ä. 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Die 2498 Mal an 356 Orten präferierte, insgesamt häufigste Variante gefroren (ohne Suffix) ist im gesamten Untersuchungsgebiet anzutreffen, ausser im Wallis (einzig in Betten VS mit einer Einzelnennung) und im Berner Oberland (Guttannen, Innertkirchen, Matten). Die Variante tritt an den meisten Orten mehrheitlich auf. In SG, AR, AI und gegen Süden hin in FR, Berner Oberland und OW ist die Variante minderheitlich. Aber an einigen südlichen, teilweise den Talabschluss bildenden Orten im Kanton Bern (Lenk, Kandersteg, Kiental BE) treten auch hohe Werte auf, vgl. ► Prozentkarte (S. 167). Beispiele: Fischstäbli muess me doch gfrore abrötle Aesch BL, Fischstäbli muess me doch gfrore abröötle Möhlin AG, Fischstäbli mo-me doch gfrore abröötle Marthalen ZH, Fischstäbli muass ma doch gfrora abrötla Pfäfers SG, Fischstäbli muess mer doch gfrore aabröötle Zug ZG, Fischstäbli muass ma hald gfrora abräätla Arosa GR. Von den 2498 Mal wird die Variante 45 Mal an 33 Orten mit einer dem Partizip II vorangestellten Partikel asä präferiert: Fischstäbli muass ma doch assa gfrora abrötla Sevelen SG (vgl. 7 a). Einmal erscheint eine schwache Partizipialform: D Fischstäbleni mues me doch gfroert abraate Zweisimmen BE (vgl. 7 c). b) Am zweithäufigsten, 497 Mal an 106 Orten, wird die Variante gefroren e (mit Kongruenzsuffix) präferiert. Sie tritt in demselben Areal in der südlichen Zone auf wie die entsprechende Kongruenzform beim koprädikativen Adjektiv (vgl. Frage II.13). Das Areal der Präferenz bricht an seinem nördlichen Rand relativ abrupt ab. Mit Ausnahme von wenigen Einzelnennungen verteilen sich die Akzeptanzantworten in demselben Gebiet, vgl. ► Akzeptanzkarte 1 (S. 168). Beispiele: Fischs(ch)täbli muess mu doch gfrorni brate Schwarzsee FR, Fischstebleni mües me doch gfrorni anbrätlen Guttannen BE, D Fischstäbli muasma gfrorni bacha Langwies GR, Fischstäbjini müoscht doch gfrorni abraatu Visperterminen VS. 13 Mal wird die Variante mit einer dem Partizip vorangestellten Partikel asä präferiert: D Fischstäbli muess mä doch asä gfrorni anbrätlä St. Antönien GR (vgl. 7 a). Auch hier tritt eine schwache Partizipialform (13 Mal) auf: Fischstäbleni mues me doch gfrörti abrätle Adelboden BE (vgl. 7 c). c) Am dritthäufigsten, 183 Mal an 47 Orten, wird die Variante gefroren er (mit erstarrtem Suffix) präferiert. Sie kommt hauptsächlich im Nordosten vor. An den Rändern ist dieses Areal leicht erweitert im Vergleich zum entsprechenden Areal beim koprädikativen Adjektiv (vgl. Frage II.13). Es entspricht demjenigen beim Partizip im Plural in Frage II.17. Es gibt einige verstreute präferierte Einzelnennungen in Metzerlen SO, Wollerau ZH, Ittigen BE, Marbach LU, Rheinwald GR, Reckingen VS ausserhalb dieses nordöstlichen Areals. Zudem wird das Areal des unveränderlichen Suffixes im Randbereich und teilweise verstreut im ganzen Untersuchungsgebiet durch einige Orte ergänzt, an denen das erstarrte Suffix zwar angekreuzt, aber nicht zur präferierten Variante erklärt wurde, vgl. ► Akzeptanzkarte 2 (S. 169). Beispiele: Fischstäbli moma doch gfrorna bräutla Berneck SG, Fischstäbli mos mä doch gfrornä abröötlä Gais AR, Fischstääbli mo me doch gfroorne abröötle Appenzell AI. Von den 183 Mal wird die Variante 11 Mal mit einer dem Partizip vorangestellten Partikel asä präferiert: Fischstäbli moos ma doch asa gfroarna aabröötla Diepoldsau SG (vgl. 7 a). 286 4 Sekundäre Prädikation d) Intrapersonelle Variation: präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte GEFROREN und GEFROREN - E 6 Personen an 6 Orten (Gurmels FR, Grindelwald, Zweisimmen BE, Altdorf UR, Mutten, Rheinwald GR) GEFROREN und GEFROREN - ER 1 Person in Stein SG 4. Bemerkungen der Gewährspersonen keine 5. Weitere Varianten a) gfrornig : Drei Gewährspersonen notieren und präferieren Antworten, welche beim Partizip II das Ableitungssuffix - ig, ohne weitere Flexionsendung, enthalten (Gelterkinden BL, Kandersteg, Signau BE). Beispiel: Fischstäbli muess mä doch gfrornig abrote Gelterkinden BL. Die Variante wird einmal in Kandersteg BE neben gefroren e präferiert. b) gfrornig i : Eine Gewährsperson aus Giswil OW notiert und präferiert eine Variante mit dem Suffix -ig und Kongruenzendung: gfrornigi. c) gfrornig ä : Einmal tritt die Form mit dem Suffix -ig und einem erstarrten Suffix als präferierte Variante auf (neben gefroren ): Fischstäbli muess mer doch gfrornigä abröötle Wildhaus SG. 6. Unbrauchbare Antworten a) Eine Gewährsperson notiert einzig eine prädikative Konstruktion: D Fischstäbleni miesse doch gfrooreni sy fir azbräätle Gurmels FR. b) 3 Mal erscheint einzig eine inhaltlich abweichende Antwort. c) Einmal ist die Antwort nicht interpretierbar. 7. Weitere Bemerkungen a) Im Osten notieren und präferieren 69 Gewährspersonen vor dem Partizip II als einzige oder zusätzliche Markierungsmöglichkeit eine Partikel asä (asä, asa, aso, as, als, usä, ä soa, asse, assa, asta), die nicht suggeriert wurde. Im Vergleich zu ‚ asä heiss trinken ‘ (II.13) mit einem koprädikativ gebrauchten Adjektiv handelt es sich um fast doppelt so viele Notationen. Je nach Region ergeben sich Kombinationsmöglichkeiten mit den verschiedenen Markierungen am Partizip II, vgl. ► Beikarte (S. 170): - 45 Mal an 33 Orten tritt asä vor dem Partizip II ohne Suffix auf; in Alpthal SZ, Fläsch, Tamins GR je 3 Mal: Fischstäbli muess mä doch asse gfrore abrotä Weisstannen SG, Fischstäbli muass ma doch asa gfrora abrättla Churwalden GR. - 13 Mal an 9 Orten kommt asä mit dem Partizip II mit kongruierendem Suffix vor; in Schiers GR 3 Mal: D Fischstäbli muossmä asä gfrorni abräätlä Schiers, Fischstäbli, die muoss me asse gfrorni abrate Vals GR. - 11 Mal an 6 Orten tritt asä vor dem Partizip II mit unveränderlichem Suffix auf; in Diepoldsau, Oberriet SG je 3 Mal: Fischstäbli moas ma doch asa gfroorna aabröötla Diepoldsau, Fischstäbli moss me as e gforne abröötle Sennwald SG. Insgesamt ergibt sich ein klar gegliedertes Raumbild, das sich auf den östlichen Teil des Untersuchungsgebiets (mit Ausnahme der beiden Appenzell und des Toggenburg) konzentriert. Auffällig ist im Vergleich zur Frage II.13 (vgl. dort ► Beikarte (S. 165)), dass bei der vorliegenden Frage I.12 die Verbreitung weiter bis in die Innerschweiz reicht. b) Als vorgegebene Kongruenzmarkierung wurde die i-Endung für Akk.Pl.N. gewählt, um eine möglichst eindeutige Bezeichnung der genusspezifischen Markierung in den Regionen, in denen Kongruenzflexion zu erwarten war, zu erhalten. Im Unterschied zu den anderen Genera, die sich regional unterschiedlich verhalten, gilt im Plural Neutrum allgemein i-Auslaut, vgl. z. B. Fleischer (2007: 208). 4.1 Koprädikativ 287 c) Das Vorkommensgebiet der schwachen Partizipialform gfrört(i) (zu transitivem fröre, Id. 1: 1315) beschränkt sich auf das westliche Berner Oberland (Obersimmental und Adelboden bis Reichenbach) sowie Reckingen VS mit einer Einzelnennung. Allein 6 Mal erscheint die Form in Boltigen BE. d) Die suggerierte Variante gfrornes wurde von 5 Personen an 5 Orten (Birwinken, Ermatingen TG, Göschenen, Maderanertal UR, Brig VS) jeweils zusätzlich zu einer anderen Variante angekreuzt, aber nie zur präferierten Variante erklärt. Diese Orte bilden kein Areal. Es dürfte sich um Ankreuzfehler handeln. Dass solche durch die Vorgabe hervorgerufenen Fehler nicht öfter auftreten, ist ein Hinweis darauf, dass sich die Gewährspersonen in der Regel nicht durch ungrammatische Beispielsätze beeinflussen lassen. e) Zu den Varianten mit einer Suffixerweiterung (5 a - c) sind die Ausführungen bei Meyer (1960: 54 - 56 und Karte 1) zu vergleichen, insbesondere zur Verbreitung „ in einer westlich-mittleren Zone “ (1960: 54). Das Erscheinen einer solchen abgeleiteten Form in koprädikativer Funktion ist für das schwäbisch-bairische Übergangsgebiet bei Walch (2005) als regelhaft beschrieben. Im Unterschied zum attributiven Gebrauch kann Walch (2005: 170) die erweiterten Formen für die koprädikative Funktion im Hochalemannischen nicht mehr belegen, was zum sehr seltenen Auftreten in unseren Daten passt. Literatur Fleischer 2007 ▪ Id. 1 ▪ Meyer 1960 ▪ Walch 2005 Bezug auf SADS-Material Bucheli Berger 2005 a: 144 Ⓚ ▪ 2005 a: 152, 169 ▪ Bucheli Berger & Glaser 2004: 197 - 198, 200 - 202 ▪ Glaser 2003: 55 Ⓚ ▪ Richner-Steiner 2011: 37 4.1.3 Koprädikatives Partizip II (Nom.Pl.N.) Frage II.17 (A) - U NGEKÄMMT SIND DIE K INDER AN DIE T RAUUNG GEKOMMEN 1. Kartenthema und Datengrundlage Bei dieser Frage geht es um die formale Markierung des koprädikativ verwendeten schwachen Partizips II ‚ ungekämmt ‘ im Vorfeld mit Bezug auf das invertierte pluralische Subjekt ‚ Kinder ‘ . Das koprädikative Partizip wurde im Unterschied zu Frage I.12 hier mit einem un-Präfix erfragt. In der vorliegenden Ankreuzfrage wurden die erwarteten Suffixvarianten (Null/ i/ -ä/ -nä) am Partizip II jeweils in der angegebenen Reihenfolge vorgegeben. Auf der ► Hauptkarte (S. 171) werden - wie bei Frage II.13 und I.12 - drei Varianten unter Einbeziehung einer durch die Gewährspersonen teilweise ergänzten Partikel (asä o. ä.) in ihrer Verbreitung dargestellt: ohne Suffix, mit Subjektkongruenz im Pl.N. auf -i und mit erstarrtem, unveränderlichen Suffix, wobei die beiden vorgegebenen erstarrten Formen auf -ä und -nä zusammengefasst sind. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei drei total 2923 2915 8 2889 24 2 2943 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a UNGEKÄMMT ohne Suffix 3 b UNGEKÄMMT - E mit Subjektkongruenz (Nom.Pl.N.) 3 c UNGEKÄMMT - ER mit erstarrtem Suffix 288 4 Sekundäre Prädikation Typenbildung UNGEKÄMMT ungstrält, uugsträlät, ungsträut, ungstreelt, ungstrehut [sic], ogsträält, ogschträäled o. ä. [ UNGEKÄMMT ]- E -i, -ni [ UNGEKÄMMT ]- ER -ä, -nä, -e, -ne, -a KINDER Chind, Ching, Goofe, Gofä, Jungini, Jüngini o. ä. 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Mit total 2397 Nennungen an 367 Orten wird als häufigste Variante ungekämmt (ohne Suffix) präferiert. Die unflektierte Form ist im ganzen Untersuchungsgebiet verbreitet, ausser in Guttannen BE und an mehreren Orten in VS. Hier zeigt sich eine stärkere Durchdringung des südlichen Areals mit dieser Variante als beim koprädikativen Adjektiv (im Sg., vgl. II.13). Beispiele: Ugsträälet sind die Chind a d Trauig chuu Schaffhausen SH, Ungströlet sind die Chind a Trauig cho! St. Gallen SG, Ungsträut si d ’ Ching ad Trouig cho! Rapperswil, Ungsträhut si die Ching … Wengi BE, Ungsträält sind d ’ Chind i Chele cho! Sempach LU, Ungstrält sind die Jüngini in Hochzit cho Fiesch VS. Von den 2397 Mal wird die Variante 8 Mal mit einer dem Partizip vorangestellten Partikel asä präferiert: Ase ungsträälet sind die Chind a d Trauig chu! Triboltingen TG (vgl. 7 a). b) Am zweithäufigsten wird 407 Mal an 106 Orten die Variante ungekämmt e (mit Subjektkongruenz) als präferierte Variante genannt, davon 2 Mal mit dem Suffix -ni (Altdorf UR, Reckingen VS). Die kongruierende Variante tritt in demselben Areal in der südlichen Zone wie beim koprädikativen Adjektiv (vgl. II.13) auf, mit ähnlich zunehmender Häufigkeit gegen Süden hin. Das Areal der Präferenz bricht an seinem nördlichen Rand relativ abrupt ab. Mit Ausnahme von ganz wenigen Einzelnennungen verteilen sich die akzeptierten Antworten in demselben Gebiet, vgl. ► Akzeptanzkarte 1 (S. 172). Beispiele: Ugsträältni sind diä Chind a ds Hochzyt cho Altdorf UR, Ungstreelti sind dia Chind an d ’ Trauig chon Arosa GR, Ungstreelti sind Jungini in d ’ Hochzit cho Agarn VS. Von den 407 Mal wird die Variante einmal mit einer dem Partizip vorangestellten Partikel asä präferiert: Asa ungsträälti sind dia Chind an dTrauig cho Safien GR (vgl. 7 a). c) Am dritthäufigsten wird 131 Mal an 54 Orten die Variante ungekämmt er mit erstarrtem Suffix präferiert, wobei 12 Mal die Form -nä (2 Mal in Altstätten SG, je einmal präferiert in Roggwil TG, Andwil, Ebnat- Kappel, Stein SG, Heiden, Herisau, Urnäsch AR, Appenzell, Brülisau AI, Reckingen VS) und einmal -ne (Sennwald SG) auftritt. Die Suffixformen ä/ nä/ e/ ne/ a kommen ebenso wie die unveränderlichen Suffixformen beim koprädikativen Adjektiv (vgl. II.13) im Nordosten vor, aber in einem an den Rändern leicht erweiterten Areal. Dieses Areal wird in seinem Randbereich noch weiter ergänzt durch einige Orte, an denen das unveränderliche Suffix angekreuzt, aber nicht zur präferierten Variante erklärt wurde, vgl. ► Akzeptanzkarte 2 (S. 173). Zudem gibt es verstreute Einzelnennungen ausserhalb dieses Gebietes, deren Status unklar ist. Beispiele: Ugsträleta seand Gofa a d Trauig ko Berneck, Ungsträältnä … Mörschwil, Ase ungsträältne sind … Sennwald SG, Ogsträältä sönd d ’ Goofe a d ’ Trauig cho! Waldstatt AR, Ogsträälte sönd dGoofe a sHochzig cho Appenzell, Ogschträälede sönd die Goofe a s ’ Hochzig cho Appenzell AI. In der südlichen Zone des Untersuchungsgebietes wird an wenigen Orten, wo eigentlich die Kongruenz und die suffixlose Variante beheimatet sind, vereinzelt auch das Suffix -ä angekreuzt und zur präferierten Variante erklärt (-nä einmal in Reckingen VS). Allerdings wird nur 2 Mal der ganze Satz von einer Gewährsperson selber notiert: Ungsträäute si di Chen a ds ’ Hochziit cho! Freiburg FR, Ungsträältä sintsch an di Truuig chon Klosters GR. Bei diesen Nennungen in der südlichen Zone ist die Interpretation als unveränderliches Suffix nicht vollständig gesichert (vgl. 7 b), da die Endung auch als Kongruenzsuffix auftreten könnte. Von den 131 Mal wird die Variante 6 Mal mit einer dem Partizip vorangestellten Partikel asä präferiert: Ase-n-ungsträälte sind die Gofe a d Trauig cho St. Gallen SG (vgl. 7 a). 4.1 Koprädikativ 289 d) Intrapersonelle Variation: präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte UNGEKÄMMT und UNGEKÄMMT - E 12 Personen an 11 Orten (2 Mal in Schwarzsee FR, je einmal in Bottighofen TG, Heitenried FR, Innertkirchen, Leissigen, Reichenbach, Steffisburg, Trub BE, Altdorf UR, Safien GR, Reckingen VS). UNGEKÄMMT und UNGEKÄMMT - ER 9 Personen an 7 Orten ( UNGEKÄMMT ohne ASÄ ; UNGEKÄMMT - ER 8 Mal ohne ASÄ : je 2 Mal in Roggwil TG, Appenzell AI, je einmal in Neukirch TG, Flawil, Krinau, St. Gallen SG; einmal mit ASÄ : Rheineck SG). UNGEKÄMMT , UNGEKÄMMT - E und UNGEKÄMMT - ER 2 Personen an 2 Orten (Niederrohrdorf AG, Davos Monstein GR). 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ Eigentlich wird die Form von mir nicht aktiv gebraucht. Ich kenne aber noch die Wendung, vermutlich von meiner Grossmutter, die ebenfalls in Haag wohnte: Äs a ungsträälti sind Kchind a d Trouig choo! oder ungsträälta oder Kchind sind äs a ungsträälta a d Trouig choo! oder ungsträälti “ , Sennwald SG. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ Ungstrehleti isch sie … Ungstrehletä isch är …“ , Kiental BE. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 b] - „ [zu 3 c] aber: Ugschträältä isch dä Bueb a s Hochsig cho. [zu 3 b] aber: Diä Chinder sind as Hochsig cho wiäne ungschträälti Reiberbandi “ , Buochs NW. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ [zu 3 b] alt “ , Engi GL ( Jg. 1950). [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 a] - „ Ungsträälti isch an di Truuig chon. (Mädchen und Einzahl) Ungsträältä sintsch an di Truuig chon (Mehrzahl) “ , Klosters GR. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] 5. Weitere Varianten a) Sechs Gewährspersonen notieren und präferieren Antworten mit einer analytischen Koprädikativ- Markierung (vgl. Bucheli Berger & Glaser 2004: 216): De oogsträält(n)ezügs sönd die Goofe … Bühler AR, De ugsträälete weg sind de Chind a ds Hochset chu! Engi, Ds Uugschträälete sind die Chind a Truuig chu Glarus, Was, dä ugsträäletä Weg … Obstalden, Dä ugsträltä weg sind d ’ Chind a z ’ Hochset chu Schwanden, Dä ugsträältä weg sind de Chind ads Hochset chu Schwanden GL. Eine solche Konstruktion wird dreimal neben unflektiertem ungekämmt präferiert (2 Mal in Schwanden GL und einmal in Obstalden GL). b) Eine Gewährsperson notiert und präferiert eine Variante mit dem Ableitungssuffix -nig: Ungsträhltnig si d … Röthenbach i. E. BE. c) Eine Gewährsperson notiert und präferiert eine mit der Konjunktion ohne zu eingeleitete Infinitivkonstruktion: Ohni z strelä si dchind an di trauig cho Wiesen GR. 6. Unbrauchbare Antworten a) 7 Mal werden prädikative Verwendungen notiert und präferiert: d Chind si nüt gschtrelti gsi a dr Truig Boltigen BE, Nid emol gsträhled sind ’ s gsi firs Hochzig Alpnach OW. b) Einmal ist die Antwort nicht interpretierbar. 7. Weitere Bemerkungen a) 15 Personen haben eine der drei Hauptvarianten mit der Partikel asä (asä, asa, asen, anä) versehen explizit als präferiert angegeben (vgl. 3 a - c). Ausser den oben genannten Gewährspersonen haben 4 weitere die 290 4 Sekundäre Prädikation Ergänzung mit asä als Alternative genannt, aber nicht präferiert. Mit 19 Belegen sind dies wesentlich weniger asä -Notationen als bei Frage II.13 ‚ heiss trinken ‘ (35) und I.12 ‚ gefroren anbraten ‘ (69). ► Beikarte (S. 174) (notierte Varianten) zeigt, dass diese wenigen Belege verstreut im östlichen Gebiet vorkommen, wobei sich asä entsprechend der Region mit dem jeweiligen Suffix kombiniert: - 9 Mal ohne Suffix verteilt auf 8 Orte in der suffixlosen Zone (8 Mal an 7 Orten präferiert: 2 Mal in Grabs SG, je einmal in Rafz ZH, Frauenfeld, Homburg, Triboltingen TG, Flums SG, Brunnen SZ): Ase ungsträälet sind die Chind a d Trauig chu! Triboltingen TG, Asa ungstreilet sind diä chind an d ’ Trauig chuu Flums SG. - 2 Mal in GR mit kongruierendem Suffix (einmal präferiert in Safien GR): Ase ungstreelti sind die Chind an d ’ Trauig cho! Davos, Asa ungsträälti sind dia Chind an dTrauig cho Safien GR. - 8 Mal mit erstarrtem Suffix verteilt auf 5 Orte im Nordosten, davon alleine in Sennwald SG 3 Mal (6 Mal an 4 Orten präferiert, davon 3 Mal in Sennwald SG, je einmal in Diepoldsau, Rheineck, St. Gallen SG): Asa ungsträltä sind Goafa a Trouig cho Sennwald, Ase-n-ungsträälte sind die Gofe a d Trauig cho St. Gallen SG. Eine Gewährsperson aus Rheineck SG verwendet wie auch bei Frage II.13 die Form anä: Anä ugsträältä sind … b) Die oben gebildeten drei formalen Varianten können nicht alle zweifelsfrei den morphologischen Typen ‚ ohne Suffix ‘ , ‚ mit Subjektkongruenz ‘ und ‚ erstarrtes Suffix ‘ zugerechnet werden. Einerseits kann, in Abhängigkeit vom gewählten Genus, die suffixlose Form in der Kongruenzzone auch als ø-Pluralmarkierung dienen, vgl. SDS (III: 256) sowie Fleischer (2007: 208) zu den Problemen der Genuszuordnung im Plural. So könnte sich die weitere Verbreitung der flexionslosen Variante dadurch erklären, dass im südlichen Gebiet die suffixlose Variante auch den Plural vertreten kann. Für Pl.N. ist nach SDS (III: 256) allerdings in der Kongruenzzone weit verbreitet die Endung -i und nur „ sporadisch “ Endungslosigkeit erwartbar. Andererseits können vorhandene Endungsvokale an verschiedenen Orten unterschiedlich bewertet werden, vgl. SDS (III: 256) zu -ä (v. a. GR), vgl. auch Szadrowsky (1936: 448 - 449, 451 - 452), oder Schwalaut (BE, FR) für Pl.F., was eventuell auf einige oben als erstarrte Form (3 c) klassifizierte Fälle zutreffen könnte. Daneben sind auch implizite, semantisch motivierte Genusbezüge beim Subjekt ‚ Kinder ‘ nicht auszuschliessen. c) Meyer (1960: 292 - 293) verzeichnet zwarAdverbbildungen auf -w ī s, aber keine dem Typ 5 a entsprechenden Ableitungen. Zu den Antworten mit einer analytischen Koprädikativ-Markierung vgl. Bucheli Berger & Glaser (2004: 216). Die einmal verwendete Form mit vorangestelltem Ds entspricht einem bei Frage III.23 zu Konverbkonstruktionen belegten Typus, vgl. 4.5.1, 7 a, e. d) Zu der seltenen nig-Erweiterung bei Partizipien (5 b) sind die Angaben zu ähnlichen Fällen bei I.12, 7 e zu vergleichen. Literatur Bucheli Berger & Glaser 2004 ▪ Fleischer 2007 ▪ Meyer 1960 ▪ SDS III ▪ Szadrowsky 1936 Bezug auf SADS-Material Bucheli Berger (2005 a: 152, 159, 166 - 167) ▪ Bucheli Berger & Glaser 2004: 197 - 198, 201 - 202, 205, 216 4.1.4 Koprädikatives Adjektiv (Nom.Sg.N.) Frage I.17 (A) - S O KRANK IST DAS K IND AUF DIE R EISE GEGANGEN ! 1. Kartenthema und Datengrundlage Bei dieser Frage geht es um die formale Markierung des koprädikativ verwendeten Adjektivs ‚ krank ‘ im Vorfeld mit Bezug auf ein Subjekt im Sg.N. ‚ das Kind ‘ . Vorgegeben waren insgesamt sechs Varianten des koprädikativen Adjektivs: ohne Flexion, mit Kongruenzflexion im Neutrum und im Femininum sowie mit erstarrtem Suffix (-ä, -nä). Fünf Varianten wurden jeweils mit der Partikel asä vorgegeben, dazu als sechste 4.1 Koprädikativ 291 Variante das unflektierte Adjektiv mit der Partikel so. Im Folgenden werden diese Partikeln nicht eigens ausgewiesen bzw. zusammengefasst, vgl. 7 a, h. Auf der ► Hauptkarte (S. 175) werden - entsprechend den Fragen II.13, I.12 und II.17 - die drei Hauptvarianten ohne Suffix, mit Kongruenzsuffix (-s im Neutrum) und mit erstarrtem Suffix in ihrer Verbreitung dargestellt. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 3184 3162 22 3147 15 3177 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a KRANK ohne Suffix 3 b KRANK - ES mit Subjektkongruenz (Nom.Sg.N.) 3 c KRANK - ER mit erstarrtem Suffix Typenbildung KRANK chrank, chran(g)g o. ä. KRANK - ES chranks o. ä. KRANK - ER chrankä, chranknä, chrankne, chranke, kranka o. ä. K IND (N.) Chind, Chend, Kiand, Chinn, Ching, Gööfli, Göfli, Goof, s o. ä. 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Die 2770 Mal an 378 Orten präferierte, insgesamt häufigste Variante krank (ohne Suffix) ist im gesamten Untersuchungsgebiet anzutreffen, ausser in Heiden AR, Brülisau AI, Guttannen BE, Davos GR. Sie tritt an den meisten Orten mehrheitlich auf, vgl. ► Prozentkarte (S. 176). Die Variante wird noch deutlich häufiger, 3803 Mal, an allen 383 Untersuchungsorten akzeptiert. Beispiele: Soo chrangg isch das Chind uff d ’ Reis gangä? Aesch BL, Äsä chrank isch das Chind uf d Reis gangä Bibern SH, Ä so chrank isch das Ching uf d Reis gange! Frauenkappelen BE, Eso chrank isch das Chind uf d Reis gange! Muotathal SZ, So chrank isch das Chind uf d ’ Reis gange? Mörel VS. b) Am zweithäufigsten und deutlich seltener wird 249 Mal an 100 Orten die Variante krank es (mit Kongruenzsuffix im Neutrum) präferiert. Sie tritt nur an 19 südlichen Orten zu 50 % oder mehr auf: zu 100 % in Guttannen BE, Davos GR, mehrheitlich in Jaun FR, Gsteig, Meiringen, Wengen BE, Andermatt UR, Langwies, Safien GR, Bürchen, Saas-Grund, Visperterminen VS, genau 50 % in Adelboden, Boltigen, Innertkirchen BE, Davos Monstein, Klosters, Vals GR, Blatten VS, vgl. ► Prozentkarte (S. 176). Andererseits wird die Variante im Berner Oberland und in VS an einigen Orten nicht präferiert: Faulensee, Interlaken, Iseltwald, Kandersteg, Mürren, Reutigen, Spiez, Thun BE, Betten, Binn, Guttet-Feschel, Inden VS. Die Variante wird 425 Mal an 143 Orten akzeptiert, vgl. ► Akzeptanzkarte 1 (S. 177). Das Areal der Präferenz und Akzeptanz ist beinahe deckungsgleich und bricht an seinem nördlichen Rand mit Ausnahme von wenigen verstreuten Einzelnennungen, die gerade im Falle der Akzeptanzangaben auch fehlerhaft sein können, relativ abrupt ab. Beispiele: Aso chranks isch das Chinn uf d Riis Schwarzsee FR, E so chranks isch das Chind uf d ’ Reis gange! Gsteig BE, As-n-es chranks esch das Chend … Eschenbach LU, Äsä chranks ischt das Chind ufd Schüälreis? Langwies GR, Ä so chranks isch das Chind uf d Reis gigangu Agarn VS. c) Noch etwas seltener wird 135 Mal an 45 Orten der Typ krank er (mit unveränderlichem Suffix) präferiert, davon 98 Mal mit den Suffixvarianten -nä, -ne und 37 Mal mit -ä, -a, -e. Die Variante wird im Nordosten präferiert (mit wenigen verstreuten Einzelnennungen im restlichen Untersuchungsgebiet). In AR, AI, SG 292 4 Sekundäre Prädikation und 2 Mal im TG tritt sie mehrheitlich auf, vgl. ► Prozentkarte (S. 176). Das Areal des unveränderlichen Suffixes wird dort im Randbereich und teilweise verstreut im ganzen Untersuchungsgebiet durch einige Orte ergänzt, an denen das erstarrte Suffix zwar akzeptiert, aber nicht zur präferierten Variante erklärt wurde, vgl. ► Akzeptanzkarte 2 (S. 178). 285 Mal an 69 Orten wird die Variante akzeptiert. Beispiele: Asä chranggnä isch da Chend uf d Reis gange Sitterdorf TG, So chranke ischs of d ’ Reis gange Brunnadern, Asa kranka ischt das Kiand uf reisa ganga Diepoldsau SG, Äso chranknä isch da Chend of d ’ Reis gangä Bühler AR, Äsä chranknä isch säb Gööfli uf d Reis gange Appenzell, Ase chranke ischt ehres Göfli no mit uf d Schuelreis Haslen AI. Die verstreuten Einzelpräferenzen ausserhalb des Kerngebiets sind in keinem Fall von selbst notierten Beispielen begleitet. d) Intrapersonelle Variation: präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte KRANK und KRANKE - ES 10 Personen an 10 Orten (Aeschi, Metzerlen SO, Tafers FR, Brienz, Meiringen, Reichenbach BE, Lungern OW, Rheinwald GR, Ferden, Zermatt VS) KRANK und KRANK - ER 3 Personen an 3 Orten (Amriswil TG, Rheineck SG, Haslen AI) 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ u chrank esch das Chind uf d Reis gange ! (kenne Asä nicht) “ , Lenzburg AG. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ [3 c] wobei mit ‚ Chind ‘ ausdrücklich ein Mädchen gemeint ist … ! “ , Hallau SH. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ Das ‚ asä ‘ in Beispiel [3 a] ist mir zwar vertraut, aber heute ausser Gebrauch “ , Frauenfeld TG ( Jg. 1933). [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ [3 c] (nur für Bub), [5 a] (nur für Mädchen) “ , Frutigen BE [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 b] - „ Kommt auch darauf an ob es sich um einen Jungen oder um ein Mädchen handelt. Wenn ‚ nur ‘ von einem Kind die rede ist stimmt es so. “ Meiringen BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ [3 c -ä] Bub, [3 c -nä] das Kind, [5 a] Mädchen “ , Oberwichtrach BE. [GP akzeptiert 3 b, 3 c, 5 a und präferiert 3 b] - „ [5 a] (Mädchen), [3 c] (Knaben) “ , Eschenbach LU. [GP akzeptiert 3 a, 3 b, 3 c, 5.1 a und präferiert 3 c, 5.1 a] - „ asä = ostschweizerisch ‚ als ‘ / äsoo = dezent, so sehr (bei uns) “ , Muotathal SZ. [GP akzeptiert und präferiert 3 a] - „ [3 c] Knabe, [5 a] Mädchen “ , Schwyz SZ. [GP akzeptiert 3 a, 3 c und präferiert 3 a] - „ [3 c] Für Knabe, [5 a] Mädchen “ , Schwanden GL. [GP akzeptiert alle Varianten und präferiert 3 a] - „ [3 c] Falls Knabe, [5 a] Falls Mädchen “ , Klosters GR. [GP akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 b] - „ [3 c] männlich, [5 a] weiblich “ , Klosters GR. [GP akzeptiert und präferiert 3 b] 4.1 Koprädikativ 293 5. Weitere Varianten a) Die Variante mit dem vorgegebenen Kongruenzsuffix auf -i (Nom.Sg.F.) wird 16 Mal an 15 verstreuten Orten, aber nicht im östlichen Mittelland und im Südwesten, präferiert (2 Mal in Küblis GR). Deutlich häufiger wird sie mit 52 Mal an 44 Orten, auch weiter verbreitet, etwa in BL, AG, ZH, im Berner Oberland und VS, akzeptiert. Beispiele: Äsä chranki isch das Chind uf d Reis gangä Küblis GR. Davon verwenden drei Gewährspersonen eine Form auf -ni: Äs chrankni isch das Chind uf d Reis gange Schüpfheim LU, Äso-nä chrengni isch daas Goof uf d ’ Reis! Näfels GL, Asa chrankni isch das Chind uf d Reis ganga Rheinwald GR. Einmal wird in Brunnen SZ die Variante auf -i neben derjenigen auf -s präferiert, einmal in Eschenbach LU neben der Variante mit unveränderlichem Suffix krank er . b) 6 Mal (Langnau, Röthenbach i. E. BE, Stans NW, Giswil OW, Altdorf, Unterschächen UR) wird die Variante mit dem Ableitungssuffix -nig und dem Kongruenzsuffix -s präferiert. Beispiele: Ä so chranknigs isch das Chind uf d Reis gange! Röthenbach i. E. BE, Ä serewäg chranknigs isch das Chind uif d ’ Reis gange Stans NW. c) Einmal erscheint das Ableitungssuffix -nig zusammen mit dem erstarrten Suffix -ä: Äsä chranknigä isch das Chind uf d Reis gange ! Wildhaus SG. 6. Unbrauchbare Antworten a) 9 Mal wird das Adjektiv im Satz attributiv (Ä so nes chranks Ching isch uf d ’ Reis gange Büren a. A. BE) und einmal prädikativ (trotz dämm, das sie chrank ischt, … Iseltwald BE) verwendet. b) 3 Gewährspersonen notieren Antworten ohne das Adjektiv ‚ krank ‘ . Beispiel: Dängg emol, das Chind isch uf d ’ Reis gange! Aesch BL. c) Je zwei Gewährspersonen aus AR, AI, SG sowie eine Person aus Alpthal SZ notieren einzig eine Variante mit maskulinem Goof, Ghof, Gof, Göfel o. ä. (insgesamt 20 Mal notiert), vgl. unten 7 b. Ausser in Wildhaus SG und Haslen AI, wo die Endung -nä/ ne erscheint, sind die Nennungen unflektiert. d) Einmal ist die Antwort nicht interpretierbar. e) Einmal wird der Kontext eigenständig weiterformuliert. 7. Weitere Bemerkungen a) asä : Das koprädikative Adjektiv im Vorfeld wurde in allen Varianten der Ankreuzfrage mit der Partikel asä versehen vorgegeben, neben einem Satz, der die Partikel so mit dem unflektierten Adjektiv enthielt. Durch die Vorgabe der Partikel ergaben sich wesentlich mehr präferierte Satzvarianten mit asä als bei den übrigen Fragen zum Koprädikativ. Die Frage I.17 ist diesbezüglich aber kaum auswertbar, da die Vorgabe der Partikel so sowie der vorgegebene Kontext die Interpretation auch von asä als Steigerungspartikel begünstigte, so dass unklar ist, auf welche Bedeutung sich die Akzeptanz- und Präferenzangaben beziehen lassen. Die Partikeln sind gemeinsam mit den zahlreich angegebenen formalen und lexikalischen Äquivalenten auf der Basis des vorliegenden Materials ohne weitere Untersuchung weder formal noch semantisch eindeutig klassifizierbar, wenn auch ein Teil der Varianten deutlich auf eine steigernde Semantik verweist. Als Varianten treten auf: asä, asa, so, aso, eso, äso, uso(o), iso, sou, soa, soe, als, as, aus, aws, us, u, asnes, äsone, derawä(g), (ä)deräwäg, dermasse, denäweg, (ä) serawäg, däwä(g), a däwig, enawäg, e deewäg, e söfel, söfu, sevel, starch, so fescht, ghörig, ganz, was, ennäwä, scho, also, eländ. Auf die Partikeln wurde daher bei der Auswertung der Suffixvarianten in der Annahme, dass diese nicht durch die konkrete Partikel ausgelöst wurden, keine Rücksicht genommen. Vgl. dazu auch 7 h sowie den Vergleichskommentar 4.1.5. b) Ein lexikalischer Ersatz für Chind wurde in die Auswertung einbezogen, wenn ein neutraler Artikel gewählt wurde. Maskulines Goof (vgl. zur Verbreitung SDS V: 2 sowie Id. 2: 130) wurde ausgeschlossen, vgl. oben 6 c. Die für die Feststellung der Verhältnisse im Neutrum nicht brauchbaren maskulinen Belege lassen 294 4 Sekundäre Prädikation sich allerdings - unter Einschluss einiger weiterer notierter, aber nicht präferierter Angaben der Gewährspersonen - im Hinblick auf die Kongruenzverhältnisse im Maskulinum auswerten. Es liegen insgesamt etwa gleich viele Belege für flexionslosen Gebrauch wie für die Endung -ä/ -nä o. ä. vor, was angesichts der räumlichen Beschränkung letzterer Formen auf AR und AI (sowie Wildhaus SG) als Beleg der versteinerten Flexionsform - und nicht der Kongruenz - zu interpretieren ist. c) Auf der Karte SDS (IV: 146) ist belegt, dass in ZH, SH und angrenzenden Gebieten mit neutralem Chind die Referenz auf Mädchen erfolgen kann (vgl. auch Id. 3: 340). Es ist jedoch fraglich, ob die unter 5 a belegte feminine Kongruenz durch Bezug auf das natürliche Genus zu erklären ist, zumal die bei der vorliegenden Frage dokumentierten Orte mit präferierter femininer Kongruenzflexion nicht mit dem SDS-Gebiet übereinstimmen. Genuskongruenz wäre in diesem Gebiet ohnehin nicht zu erwarten. Es könnte sich also um durch die Vorgabe verursachte Ankreuzfehler handeln, wenn auch theoretisch für die Vorkommen in GR und anderen alpinen Gebieten eine semantisch motivierte Kongruenz nicht ausgeschlossen ist. d) Das Adjektiv ‚ krank ‘ ist teilweise in der Sekundärliteratur als von der Flexion ausgenommen beschrieben, vgl. Fuchs (1990: 75), Szadrowsky (1936: 455), Brun (1918: 157), aber auch Hodler (1969: 354). Vielleicht erklären sich so die (wenn auch wenigen) Orte in VS mit gänzlich fehlender Kongruenz, vgl. auch Obersaxen GR sowie das deutlich gehäufte Vorkommen der flexionslosen Variante gegenüber Frage II.13 mit dem Adjektiv ‚ heiss ‘ . e) Das Kongruenzgebiet ähnelt grundsätzlich dem Kongruenzgebiet prädikativer Adjektive im SDS (III: 256/ 257), wobei bei der vorliegenden Frage I.17 SZ und ZG kaum betroffen sind, vgl. auch II.13, 7 b sowie den Vergleichskommentar 4.1.5, a. f) Das Areal des unveränderlichen Suffixes ist nach den Ergebnissen der vorliegenden Frage I.17 gegenüber dem aus Spontanbelegen erkennbaren Areal im SDS (III: 256/ 257) ausgeweitet, vgl. Kommentar II.13, 7 c sowie den Vergleichskommentar 4.1.5, b. g) Zu den unter 5 b, c angeführten erweiterten Formen auf -nig sind die Ausführungen zu den Partizipien, wo solche Erweiterungen ebenfalls in geringem Umfang auftreten, zu vergleichen, v. a. I.12, 7 e. h) Unter den insgesamt 651 Berner Fragebogen gibt es 63, die in einer abweichenden Version vorgegeben wurden. Bei der vorliegenden Frage I.17 waren hier nur 5 Varianten suggeriert, die Variante mit so und unflektiertem Adjektiv fehlt. Es sind also nur asä-Varianten vorgegeben. 588 BE-Fragebogen sind mit 6 suggerierten Varianten ausgefüllt und ausgewertet worden. Da im vorliegenden Kommentar ohnehin keine Auswertung der Partikeln erfolgt und angenommen wird, dass diese ohne Einfluss auf die Wahl der Flexionsvariante als solcher sind, vgl. 7 a, werden die abweichenden Fragebogen ebenfalls ausgewertet. 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS a) Frage III.23 (A) - H inkend ist er heimgelaufen Bei der auf die Konverbmarkierung von ‚ hinken ‘ neben einem Bewegungsverb als Hauptprädikat ausgerichteten Frage III.23 (4.5.1) wurde 69 Mal an 46 Orten insbesondere im Berner Oberland statt einer Verbalableitung das Adjektiv ‚ lahm ‘ gewählt, vgl. SDS (IV: 42 la(a)m gaa ‚ hinken ‘ ), wodurch eine Koprädikativkonstruktion mit Subjektbezug (Nom.Sg.M.) entsteht, deren Vorkommen mit den vorliegenden Ergebnissen von Frage I.17 für Nom.Sg.N. verglichen werden kann. In der grossen Mehrzahl (63 Mal an 41 Orten, darunter je 4 Mal in Saanen, Lenk BE, je 3 Mal in Jaun, Plaffeien FR und Adelboden BE), erscheint das Adjektiv mit einer Endung (-a, dazu je einmal -e in Lenk und Adelboden, neben einmaligen -ä), die wohl an den meisten dieser Orte, vgl. Stucki (1917: 273) zu Jaun, als Kongruenzflexion im Sg.M. angesehen werden kann, theoretisch aber auch eine versteinerte Endung darstellen könnte. 6 Mal wird an 5 Orten (2 Mal in Ueberstorf FR, je einmal in Busswil b. B., Fankhaus BE, Neuenkirch LU, Langwies GR) die endungslose Variante notiert, wobei einmal zusätzlich die Partikel asä auftritt: Beispiele: Lama isch er heim glaufe Düdingen FR, Lama isch är him glüffe Zweisimmen BE, Asä lahm ischt er hein gloffä Langwies GR, Är isch lamä heim gluffu Agarn VS. 4.1 Koprädikativ 295 Varianten Anzahl Antworten und Orte la(h)ma, -e, -ä 63 Mal an 41 Orten (je 4 Mal in Lenk, Saanen BE, je 3 Mal in Jaun, Plaffeien FR, Adelboden BE, sonst v. a. im Berner Oberland) la(h)m 6 Mal an 5 Orten (2 Mal in Ueberstorf FR, je einmal in Busswil b. B., Fankhaus BE, Neuenkirch LU; mit asä: Langwies GR). Literatur Brun 1918 ▪ Fuchs 1990 ▪ Hodler 1969 ▪ Id. 2 ▪ 3 ▪ SDS III ▪ IV ▪ V ▪ Stucki 1917 ▪ Szadrowsky 1936 4.1.5 Die Koprädikativkonstruktionen im Vergleich Fragen I.12, I.17, II.13, II.17 Mit den Fragen I.12, I.17, II.13 und II.17 wurde die formale Markierung koprädikativ verwendeter Adjektive und Partizipien II mit Ankreuzfragen erhoben. Neben der weit verbreiteten Nullmarkierung konnte die Kongruenzflexion sowie die Verwendung erstarrter Flexionsformen nachgewiesen werden. Wie in den Kommentaren zu I.12, II.13 und II.17 erwähnt, haben einige Gewährspersonen teilweise die zu bewertenden Varianten mit einer Partikel asä ergänzt, die in I.17 vorgegeben war. Auf den folgenden vier ► Vergleichskarten (S. 179) werden die Ergebnisse zu den beiden formalen Hauptmarkierungstypen (erstarrte Flexion und Kongruenzflexion) aus den vier Fragen jeweils zusammengefasst. Dabei ist die Verwendung der jeweiligen Markierung beim Adjektiv oder Partizip II und im Subjekt oder Objekt getrennt symbolisiert. a) Das Areal, in dem die Kongruenzmarkierung v. a. beim koprädikativen Adjektiv präferiert wird, vgl. ► Vergleichskarte 1 (S. 179) (rote und gelbe Symbole), stimmt grundsätzlich mit dem Raumbild der Süd- Nord-Aufteilung überein, das im SDS (III: 256/ 257) für die Kongruenz am prädikativen Adjektiv dokumentiert ist, wobei im SDS offenbar auch einige partizipiale Belege einbezogen sind. Die Übereinstimmung gilt mit Ausnahme der Kantone ZG, SZ, wo die Kongruenzvariante in den SADS-Daten kaum vorkommt, vgl. schon Fuchs (1975: 145 - 147). Das zeigt bereits die bei Bucheli Berger & Glaser (2004: 225) veröffentlichte Vergleichskarte auf der Basis von Frage II.13. ► Vergleichskarte 1 (S. 179) vermittelt - abgesehen von Streubelegen - den Eindruck, als sei in einigen nördlichen Übergangsgebieten, v. a. BE, LU und GL, die Kongruenz bei den Adjektiven stärker als bei den Partizipien (blaue und grüne Symbole) erhalten. Darunter sind v. a. in BE und LU gehäuft Belege mit Objektbezug (II.13), was auch mit dem gewählten Lexem ( ‚ krank ‘ ) bei Frage I.17 (Subjektbezug) zusammenhängen kann. Was die Akzeptanz der Kongruenz angeht, vgl. ► Vergleichskarte 2 (S. 180), lässt sich im Wesentlichen das gleiche südliche Areal erkennen, das v. a. in den genannten Übergangsgebieten zusätzliche Akzeptanzbelege aufweist. Zur Verbreitung von Kongruenzformen in verschiedenen syntaktischen Funktionen im gesamten SADS- Material vgl. Bucheli Berger & Glaser (2004). Die Kongruenzflexion koprädikativerAdjektive wird auch in den Untersuchungen von Fuchs (1990, zu Steg VS, insbesondere 1990: 63) und Egger (1985; zu Düdingen FR, insbesondere 1985: 129 - 131) nachgewiesen. Zum archaischen Charakter der Kongruenz im Liechtensteiner Walserort Triesenberg vgl. VALTS (Kommentarband V/ 2: 470, Kartenband V: 201) sowie Banzer (1997: 24 - 25, 65 - 67, 70), wobei die Erhebungen allerdings nicht die koprädikative Funktion betreffen (1997: 77 - 78). b) Das Areal, in dem das unveränderliche Suffix bei koprädikativen Adjektiven (I.17 und II.13) präferiert wird ( ► Vergleichskarte 3, S. 181, rote und gelbe Symbole), erweist sich als kompakt und etwas grösser als dasjenige, das auf der Karte SDS (III: 256/ 257) anhand von Spontanbelegen erscheint. Dieses kompakte nordöstliche Areal ist bei den abgefragten koprädikativen Partizipien (I.12, II.17) durch einige Ortspunkte noch leicht erweitert ( ► Vergleichskarte 3, S. 181, blaue und grüne Symbole). Dazu kommt eine Reihe von nicht eindeutig interpretierbaren Streubelegen v. a. für das mit Negationspräfix versehene Partizip (II.17). 296 4 Sekundäre Prädikation Für einen Unterschied zwischen Objekts- und Subjektsbezug gibt es, abgesehen von der grösseren Häufigkeit von Streubelegen mit Subjektsbezug (II.17), keine Anhaltspunkte. Betrachtet man die Akzeptanz der Variante mit unveränderlichem Suffix, vgl. ► Vergleichskarte 4 (S. 182), zeigt sich im wesentlichen das gleiche, quantitativ leicht verstärkte Kernareal, wobei allerdings wesentlich mehr Streubelege erkennbar sind. Die Darstellung des Vorkommens der erstarrten Koprädikativmarkierung bei Bucheli Berger & Glaser (2004: 226, Karte 5) basiert auf einer dem damaligen Datenbestand entsprechenden Auswertung derjenigen Gewährspersonen, die bei allen vier Fragen diese Variante präferierten, wodurch sich verständlicherweise ein etwas eingeschränkteres Areal ergibt. Was auf die Schweiz bezogen wie ein Inselareal aussieht, hat im Osten Anschluss an die Liechtensteiner und Vorarlberger Dialekte (VALTS Kartenband V: 201, Kommentarbände V/ 2: 471, IV/ 3: 899; Bucheli Berger & Glaser 2004: 212 - 213; Seidelmann 2005: 148; Schallert 2010 b: 50 - 54). Zur Verbreitung in Bayern vgl. SBS (9.2: Karte 397, dazu Bucheli Berger & Glaser 2004: 213), SNiB (1: 187 - 195) und Bucheli Berger & Glaser (2004: 208). c) Die östlich einer Linie Schaffhausen - Zug aufgetretenen spontanen Nennungen der Partikel asä bei den Fragen I.12, II.13 und II.17 erfolgten sehr unterschiedlich häufig, am seltensten beim negierten Partizip, das im Vorfeld steht (II.17). Die Partikel kommt aber in allen diesen Fragen mit allen Markierungstypen (Null, Kongruenz und erstarrte Flexion) kombiniert vor, vgl. die jeweiligen Beikarten sowie die asä -Synopse für die präferierte Variante auf ► Vergleichskarte 5 (S. 183). In der hinzugefügten Partikel kann eine spezifische Koprädikativ-Markierung als „ restrictive marker “ gesehen werden, vgl. dazu Bucheli Berger (2005 a: 158 - 161) sowie Bucheli Berger & Glaser (2004: 204 - 206, Karte 6: 226), wo auch auf ältere Belege (2004: 202 - 203) verwiesen und die weitere dialektale Verbreitung im Oberdeutschen behandelt wird (Bucheli Berger & Glaser 2004: 208, 214), dazu vgl. auch Seidelmann (2005) sowie SNiB (1: 187 - 195). Frey (1906: 25) erwähnt die Konstruktion mit der Partikel explizit in dieser Verwendung - mit Adjektiven - für Kulm AG, ähnlich bereits Hunziker (1877: 18). Schultze-Berndt & Himmelmann (2004: 93) erwähnen, auf Bucheli Berger (2005 a) gestützt, asä in Diepoldsau als „ obligatory “ , vgl. dazu II.13, 7 a. Auffällig ist, dass asä im Grossteil des Kerngebiets der erstarrten Flexionsendung, in Appenzell und Toggenburg, gerade nicht von den Gewährspersonen zusätzlich genannt wurde. Bei Frage I.17 wurde das koprädikative Adjektiv im Vorfeld in allen Varianten mit der Partikel asä versehen vorgegeben, wodurch sich eine deutlich höhere Zahl für die Partikel asä ergibt als bei den anderen Fragen. Die Frage wurde aber wegen klassifikatorischer Unsicherheiten, vgl. I.17, 7 a, 7 h, bezüglich der Partikel nicht ausgewertet. Im Vergleich mit den anderen Fragen, deren Ergebnisse auf ► Vergleichskarte 5 (S. 183), die weitgehend auch den Verhältnissen bei der Akzeptanz entspricht, zusammengestellt sind, fällt bei I.17 auf, dass die Partikel nicht nur im ganzen Untersuchungsgebiet verstreut akzeptiert wurde, sondern insbesondere von einigen Personen auch im Toggenburg SG, AR und v. a. in AI (8 von 19 Personen) in eigens ergänzten Beispielsätzen gebraucht wurde. Die Partikel ist dort also wohl in Steigerungsfunktion, aber nicht als einfacher restrictive marker beim Koprädikativ üblich, vgl. Bucheli Berger (2005 a: 159). Andererseits finden sich in der Literatur Hinweise auf einen restrictive marker auch aus Regionen westlich der bei uns erkennbaren Linie Schaffhausen - Zug, etwa asa im Berner Oberland, vgl. Dauwalder (1992: 38) sowie Friedli (1908: 497, aso erwallni), vgl. auch Id. (1: 201). Bei Frage I.17 wurde die Partikel ebenfalls in dieser westlichen Region akzeptiert und präferiert, was aber aus den oben genannten Gründen nicht ausgewertet wurde und weiterer Untersuchungen bedarf. Literatur Banzer 1997 ▪ Bucheli Berger 2005 a ▪ Bucheli Berger & Glaser 2004 ▪ Dauwalder 1992 ▪ Egger 1985 ▪ Frey 1906 ▪ Friedli 1908 ▪ Fuchs 1975 ▪ Fuchs 1990 ▪ Hunziker 1888 ▪ Id. 1 ▪ SBS 9.2 ▪ Schultze-Berndt & Himmelmann 2004 ▪ Schallert 2010 b ▪ SDS III ▪ Seidelmann 2005 ▪ SNiB 1 ▪ VALTS Kartenband V, Kommentarband IV/ 3 4.1 Koprädikativ 297 4.2 Adjektivflexion in der machen-Periphrase 4.2.1 Adjektivflexion in der machen-Periphrase Frage III.19 (A) - D U MUSST DIESE T ÜCHER NICHT WIEDER NASS MACHEN ! 1. Kartenthema und Datengrundlage In der Standardsprache erscheinen Adjektive in kausativ-faktitiven Konstruktionen mit machen ohne Flexion. Da im Schweizerdeutschen hier, wie bei prädikativen Adjektiven, in bestimmten Regionen Kongruenzflexion am Adjektiv erscheinen kann, vgl. 7 c, wurde je ein Satz mit und ohne Kongruenz am Adjektiv mit Bezug auf ein neutrales Objekt im Plural zur Beurteilung vorgegeben. Kartenthema ist die Verbreitung der Flexionslosigkeit einerseits und der Kongruenzflexion andererseits bei pluralischem Bezug des Adjektivs auf der Basis der Präferenzantworten. Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 2803 2796 7 2780 16 2812 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a NASS ohne Suffix 3 b NASS - E mit Objektkongruenz (Akk.Pl.N.) Typenbildung NASS - E nassi 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) 2355 Mal an 363 Orten wird das Adjektiv ohne Suffix präferiert (Typ nass ). Diese Variante ist fast im ganzen Untersuchungsgebiet verbreitet, im Wallis allerdings nur an vereinzelten Orten und dort auch nur minderheitlich, vgl. ► Prozentkarte (S. 185). Beispiele: Du muesch die Tüecher nid wieder nass machä Aedermannsdorf SO, Du muesch die Tüecher nöd wider nass mache Siglistorf AG, Du muesch die Tüecher nöd wider nass mache! Wattwil SG, Du muasch Tücher nit widar nass macha Mutten GR. b) 297 Mal an 93 Orten wird das Adjektiv mit dem vorgegebenen Kongruenzsuffix i präferiert (Typ nass e ). Diese Variante tritt in FR, im Berner Oberland (ohne Kandersteg und Kiental) und im Wallis flächendeckend auf. Sie weist am nördlichen Rand z. T. nur noch Einzelnennungen auf. Hier liegen auch einige Orte, in denen die Variante nass e nur von einer Gewährsperson präferiert, aber mehrmals akzeptiert wird, vgl. ► Akzeptanzkarte (S. 186): Freiburg FR, Guggisberg, Interlaken, Reutigen BE, Buochs, Stans NW, Giswil, Melchtal OW, Isenthal UR, Elm, Schwanden GL, Langwies, Schiers GR. In der südlichen Kernzone kommt die Variante an den meisten Orten mehrheitlich vor. In Teilen der Zentralschweiz (OW, NW, UR), in GL, GR tritt sie minderheitlich (ausser in Avers, Vals GR, vgl. auch ► Prozentkarte (S. 185)) oder gar nur in Einzelnennungen auf. Ausserhalb dieser Gebiete treten verstreute Einzelnennungen auf. Zusätzlich bestehen am nördlichen Rand des Flexionsgebiets, in BE und SZ, einige Orte, an denen die flektierte Form lediglich akzeptiert wird. Beispiele: Du muesch di Tüecher nid ume nassi mache! Steffisburg BE, Müend Sorg ha, und diä Tüecher nid wieder nassi mache Alpnach OW, Du muescht diä Tüecher nid widrum nassi machä. Langwies GR, Dui muäscht die Tiächär nit nomol nassi machu! Simplon Dorf VS. 298 4 Sekundäre Prädikation c) Intrapersonelle Variation: präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte NASS und NASS - E 8 Personen an 8 Orten (Schwarzsee FR, Interlaken, Steffisburg BE, Malters LU, Giswil, Lungern, Sarnen OW, Schwanden GL) 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ Ich kann mich mit beiden Varianten einverstanden erklären. “ , Steffisburg BE. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ [zu 3 a] so seit ca. 1950 “ , Kerns OW. [GP akzeptiert und präferiert 3 a, 3 b] - „ machen wird meistens nach einem Hauptwort gebraucht. (Ein Gesicht machen, Kaffee machen.) Nass machen=netzä, zu machen=zuätuän. Kapput machen= hudärä. Aber fertig machä, guät machä, hübsch machä “ , Langwies GR. [GP akzeptiert keine vorgegebene Variante und präferiert 5 b] - „ [zu 3 b] alte Leute “ , Mutten GR ( Jg. 1946). [GP akzeptiert und präferiert 3 b] 5. Weitere Varianten a) Eine Gewährsperson aus Rheinwald GR notiert und präferiert eine nicht klar klassifizierbare Variante mit der Endung -a statt -i (Pl.N.): Du muoscht die Tüecher nit nochamal nassa macha. Die Endung -ä bzw. -a gibt es im Pl. nur im Femininum, vgl. SDS (III: 256). b) 159 Gewährspersonen an 90 Orten haben einen Satz mit dem kausativ-faktitiven Verb ‚ netzen ‘ notiert und präferiert: Du muescht Tüecher nöd umhi netze Habkern BE, Du muescht die Tuecher nid widrum netzä! Langwies GR. Die Variante wird einmal neben nass und 7 Mal neben nass e präferiert. 6. Unbrauchbare Antworten a) Einmal erscheint die Variante mit abweichendem Bezugsnomen im Sg.F.: Hör etz uf du machsch mir di ganz Wösch wieder nass Hüttwilen TG. b) Einmal wird eine Konstruktion mit ‚ lassen ‘ gebildet: Du muascht dia Tüechär nid wieder la ärnassa Davos GR. c) 5 Mal ist die Antwort nicht interpretierbar. 7. Weitere Bemerkungen a) Der hier vorliegende Konstruktionstyp ist nach Plank (1985: 160) einem spezifischen Typ von Koprädikativen zuzurechnen. Dass es sich um einen anderen Typ, als den in den Fragen II.13, I.12, II.17 und I.17 (4.1.1 - 4.1.4) vorliegenden handelt, zeigt sich daran, dass bei III.19 kein Areal mit einer spezifisch koprädikativen, nicht kongruierenden Endung besteht. Ein entsprechender Einzelfall könnte unter 5 a vorliegen, vgl. auch Einzelnennungen beim Koprädikativ I.12 (4.1.2, 3 c), II.17 (4.1.3, 3 c). Behaghel (1928: 533) erwähnt eine erstarrte Endung in der ‚ machen ‘ -Periphrase für das norditalienische Fersental. Eine kurze Erwähnung der SADS-Frage III.19 mit einer Bewertung als „ verbal complement construction “ findet sich bei Bucheli Berger (2005 a: 153). b) Die unter 5 b genannte verbale Wortbildung tritt im Süden des Sprachgebiets in BE, FR, GR und im Wallis sowie den angrenzenden Kantonen auf, vgl. ► Beikarte 1 (S. 187). Sie steht daher räumlich in Konkurrenz zur Variante mit dem Kongruenzsuffix -i, was auf der ► Prozentkarte (S. 185) gut zu erkennen ist, da der nicht kartierte Anteil praktisch allein auf diese Variante zurückgeht. 4.2 Adjektivflexion in der machen-Periphrase 299 c) Im SDS III ist auf Karte 256 das Vorkommen von Kongruenzformen beim prädikativen Adjektiv dargestellt. Im SADS wurde zwar nicht eigens nach diesen Konstruktionen gefragt, bei Frage II.27, die ein prädikatives Adjektiv enthält, haben sich jedoch viele Spontannennungen ergeben, vgl. unten 8 a, die auch bei Bucheli Berger & Glaser (2004: 194 - 195) besprochen und dort in Karte 1 dargestellt sind (Bucheli Berger & Glaser 2004: 224; vgl. auch Fleischer 2007, 199). In Bucheli Berger & Glaser (2004: 196) wird auf der Basis der akzeptierten Varianten auch ein Vergleich der Ergebnisse aus Frage III.19 und der Karte SDS (III: 256) durchgeführt. Auf Karte 2 (Bucheli Berger & Glaser 2004: 224) ist zu erkennen, dass die Kongruenzformen bei Frage III.19 v. a. in der Innerschweiz weniger weit nach Norden reichen, was sowohl der unterschiedlichen syntaktischen Konstruktion als auch einem Sprachwandel geschuldet sein kann. Grundsätzlich wird mit der vorliegenden Untersuchung gezeigt, dass nicht nur bei der meistens behandelten prädikativen Verwendung, sondern auch in koprädikativ-kausativen Konstruktionen mit ‚ machen ‘ , wie es gelegentlich auch dokumentiert ist, vgl. Hodler (1969: 351), Szadrowsky (1936: 455 - 457), in etwa den gleichen Regionen mit Kongruenzflexion zu rechnen ist. Dabei ist zu bedenken, dass in Frage III.19 nur der pluralische Bezug untersucht wurde. Zur Flexion des prädikativen Adjektivs in den schweizerdeutschen Dialekten und der Frage eines kontaktsprachlichen Einflusses ist die Darstellung bei Fleischer (2007) mit ausführlichen weiterführenden Literaturangaben zu vergleichen. Dort wird auch die Genus- und Numerusabhängigkeit der Kongruenz, die wohl nicht nur für den rein prädikativen Gebrauch so gilt, eingehend besprochen. d) Der Vergleich mit der Kongruenz im Koprädikativ bei pluralischem Objekt in Frage I.12 (4.1.2, 3 b) zeigt, dass die Areale sich ungefähr entsprechen, wenn auch bei der vorliegenden Frage III.19 am nördlichen Rand der Kongruenzzone und in GR weniger Nennungen zu verzeichnen sind und insgesamt überhaupt weniger Kongruenzformen genannt werden (nur an 93 statt 106 Orten bei I.12). Zu weiteren Vergleichen mit kongruierenden Adjektiven und Partizipien vgl. Bucheli Berger & Glaser (2004). 8. Zusatzmaterial aus anderen Fragen des SADS Zwar gibt es kein weiteres Zusatzmaterial zum Thema der Kongruenz in Kausativkonstruktionen mit ‚ machen ‘ , Kongruenz beim prädikativen Adjektiv und Partizip II ist jedoch durch Zusatzmaterial bezeugt, das im Folgenden zusammengestellt ist. a) Frage II.27 (A) - … weil er nass ist 226 Gewährspersonen an 72 Orten notieren bei der Frage II.27 zum kausalen Nebensatzanschluss, die nicht im vorliegenden Atlas enthalten ist, vgl. aber Bucheli Berger & Glaser (2004), eine flektierte Form des Adjektivs in verschiedenen Satztypen. Das Adjektiv kongruiert jeweils mit dem im Kontext erwähnten maskulinen Substantiv Schuh. Die Kongruenzform war nirgends vorgegeben. Folgende Formen sind belegt und auf der ► Beikarte 2 (S. 188) zusammengefasst dargestellt, wobei die räumliche Konzentration gut zu erkennen ist. Im Wallis wird die Kongruenzflexion an allen Orten angegeben, von drei Orten abgesehen (Binn, Brig, Visp) von mindestens der Hälfte der Gewährspersonen. In Betten VS haben alle Gewährspersonen eine flektierte Form notiert. Schreibvarianten Anzahl Antworten und Orte nassä 86 Mal an 31 Orten (BE, OW, SZ, UR, GL, GR, VS) (-)nassa 86 Mal an 33 Orten (FR, BE, GR, VS) (-)nasse 50 Mal an 22 Orten (BE, OW, UR, GR, VS) nassen 2 Personen an 2 Orten (Reichenbach BE, Stans NW) nässe Einmal in Salgesch VS nassah Einmal in Leissigen BE Beispiele: … er isch Flätschnassa Giffers FR, Där ischt drum nasse Innertkirchen, Wilär nassah ischt Leissigen, Wil er flatsch nassa ischt! Mürren, Är isch drum nassa Saanen BE, Will är dänk nasse-n-isch Stans NW, Wil är nassä isch Giswil OW, Will/ as är nassä isch Muotathal SZ, Will er nasse ischt Vals GR, Der schue 300 4 Sekundäre Prädikation isch bachnasse Betten, Wil är nässe isch Salgesch, Är isch äbu nasse! Visperterminen VS. Kommentare der Gewährspersonen: - „ Wöu är nassa ischt (maskulin) / … sia nassi … (feminin) / … äs nasses … (neutr.) “ Jaun FR. - „ Will är nassa ischt (D ’ s Chind ischt nasses / D ’ Mueter ischt nassi / dr Vatter ischt nassa). “ Gsteig BE. - „ Visper-Dialekt: Will är nassä ischt! “ Visp VS. b) Frage III.16 (A) - D ie S trasse ist schon seit einem J ahr aufgerissen In der Ankreuzfrage III.16 nach der Flexion im Zustandspassiv haben neun Personen an 8 Orten (2 Mal in Simplon Dorf VS, je einmal in Matten, Mürren BE, Schiers GR, Blatten, Brig, Inden, Salgesch VS) statt oder neben der intendierten Resultativkonstruktion eine Konstruktion mit flektiertem prädikativen Adjektiv notiert, vgl. 4.3.2, 6 a. Beispiele: D ’ Strass ischt scho sit em Jahr offeni Mürren BE, D ’ Straass isch scho sit eme Jahr kaputti Schiers GR, D ’ Strass ischt scho sit äm Jahr offni Blatten, D ’ Straass isch scho sit eme Jahr offeni Brig VS. Acht weitere Personen an 7 verstreuten Orten (SG, AI, FR, SZ, UR, GR, VS) haben das prädikative Adjektiv gewählt, aber nicht flektiert. c) Frage III.28 (A) - D ann ist er ja älter, als ich gedacht habe Zu der Ankreuzfrage III.28 zum satzförmigen Komparativ wurde von einer Gewährsperson eine dort unbrauchbare Antwort mit flektiertem prädikativem Adjektiv notiert, vgl. 5.3.3, 6 b: I ha gmeind, dä säg nu nid so altä Alpnach OW. d) Frage I.12 (A) - F ischstäbchen muss man doch gefroren anbraten Bei dieserAnkreuzfrage zur Markierung des koprädikativen Partizips II ist - dort unbrauchbar, vgl. 4.1.2, 6 a - eine prädikative Konstruktion mit Kongruenzflexion notiert worden: D Fischstäbleni miesse doch gfrooreni sy fir azbräätle Gurmels FR. e) Frage II.17 (A) - U ngekämmt sind die K inder an die T rauung gekommen Auch bei dieser Frage nach der Markierung eines koprädikativen Partizips II sind - dort unbrauchbar, vgl. 4.1.3, 6 a - prädikative Konstruktionen notiert worden (7 Mal), davon 3 Mal mit Kongruenzflexion: deres Chind si nit amau g ’ schtrieuti g ’ si ver i d ’ Chiucha Jaun, Net amau gstrieute si si gsi, vör d ’ Huechzit Jaun FR, d Chind si nüt gschtrelti gsi a dr Truig Boltigen BE. Literatur Behaghel 1928 ▪ Bucheli Berger 2005 a ▪ Bucheli Berger & Glaser 2004 ▪ Fleischer 2007 ▪ Hodler 1969 ▪ Plank 1985 ▪ SDS III ▪ Szadrowsky 1936 Bezug auf SADS-Material Bucheli Berger & Glaser 2004: 196, 200 - 201 ▪ 2004: 224 Ⓚ 4.2 Adjektivflexion in der machen-Periphrase 301 4.3 Resultativkonstruktionen 4.3.1 Resultativkonstruktion mit haben Frage II.11 (A) - E R HAT DIE H AND IMMER NOCH EINGEBUNDEN 1. Kartenthema und Datengrundlage Konstruktionen aus haben und Partizip II können in der Standardsprache entweder Perfekt- oder Resultativ- Bedeutung (nach Hole: Haben-Konfigurativ) aufweisen. Er hat die Hand eingebunden kann daher heissen: 1. Er hat zu einem Zeitpunkt in der Vergangenheit die Handlung des Hand-Einbindens ausgeführt (präteritales Perfekt) oder 2. seine Hand liegt jetzt in eingebundenem Zustand vor, wobei offen ist, wer ihm zu einem früheren Zeitpunkt die Hand eingebunden hat (Resultativ/ Haben-Konfigurativ). Die Bedeutung kann durch den Einsatz von zeitbezogenen Adverbialien verdeutlicht werden (Seiler 2010: 521). Während Gestern hat er die Hand eingebunden ein Perfekt aufweist (das Adverb spezifiziert den Zeitpunkt der Aktion), zeigt Er hat die Hand immer noch / schon lange / seit gestern eingebunden eine Resultativkonstruktion, bei der das Adverbiale die Zeitdauer des besprochenen Zustandes spezifiziert. In einigen schweizerdeutschen Dialekten können sich Perfekt und Resultativ auch ausdrucksseitig unterscheiden. Nur in Resultativkonstruktionen kann das Partizip II in Genus und Numerus (und, wo möglich, Kasus) mit dem Objekt kongruieren, vgl. 7 b. In den vorgegebenen Beispielsätzen - in dieser Reihenfolge - mit unflektiertem oder kongruierendem Partizip II sowie einer Variante mit erstarrtem Flexionssuffix, wie es bei Koprädikativkonstruktionen vorkommt (vgl. 4.1.1, 3 c zu Frage II.13 sowie den Vergleichskommentar 4.1.5), ist die resultative Bedeutung durch das Adverbiale ‚ immer noch ‘ und die kontextuelle Einbettung signalisiert. Die ► Hauptkarte (S. 189) gibt wieder, wo die zur Auswahl gestellte kongruierende Form und wo das flexionslose Partizip II präferiert wird. Brauchbbare Antworten pro Person Frage brauchbare Antworten pro Person beantwortet brauchbar unbrauchbar eine zwei total 2920 2916 4 2903 13 2929 2. Typisierung der kartierten Varianten Varianten 3 a EINGEBUNDEN ohne Kongruenz 3 b EINGEBUNDEN - E mit Objektkongruenz Typenbildung EINGEBUNDEN iibunde, verbunde, iipungä o. ä. EINGEBUNDEN - E iibunni, verbundni, ingibunna, verbundna o. ä. 3. Die kartierten Varianten und ihre räumliche Gliederung a) Die mit 2509 Nennungen an 362 Orten am häufigsten als präferiert angegebene Variante ist die suggerierte Variante eingebunden , mit nicht-kongruierendem Partizip II. Sie ist fast im gesamten Untersuchungsgebiet verbreitet, allerdings tritt sie in FR und im Berner Oberland seltener (auch auf Anzahl Nennungen je Ort bezogen) und in VS praktisch gar nicht auf, abgesehen von einigen Nennungen an den Orten Brig, Ferden, Fiesch, Reckingen, Visp. Beispiele: Er het d ’ Hand immer no iibunde Ettingen BL, Er het d Hang immer no ibungä Erschwil SO, Er hät d Hand immer na iipunde Flaach ZH, Er hät d Hand immer no iibunda Pfäfers, Er het d Hand äll no iibunda Sennwald SG, Er het d ’ Hand all no iibonde Gais, Er hät d Hand all no verbondä Urnäsch AR, Är het d ’ Hang gäng no ibungä Fankhaus BE, Er het d Hand immer nu iibundä Engelberg OW, Er hät d Hand immer 302 4 Sekundäre Prädikation nu verbunde Alpthal, Är hed d ’ Hand eister nu verbundä Muotathal SZ, Är hät d Hand immer no iibunda Fläsch GR. b) Am zweithäufigsten, 390 Mal an 88 Orten, wird die Variante mit kongruierendem Partizip II als präferiert angegeben (Typ eingebunden e ). Die Variante wird in FR, VS (zu den Verhältnissen im Lötschental vgl. unten) und im Berner Oberland sehr konsequent (und an den meisten Orten mehrheitlich; vgl. ► Prozentkarte (S. 190)), in Teilen der Zentralschweiz und GR deutlich weniger häufig genannt. An 20 Orten, abgesehen von Guttannen, Habkern, Matten BE ausschliesslich in VS, präferieren alle Gewährspersonen diese Variante. In der Zentralschweiz und in GL ist, ebenso wie in Teilen von GR und BE, die Diskrepanz zwischen der Präferenz (,natürlichste Variante ‘ ) und der Akzeptanz der Variante bemerkenswert, vgl. ► Akzeptanzkarte 1 (S. 191): Typ EINGEBUNDEN - E brauchbare Antworten akzeptiert präferiert OW 53 31 11 UR 63 34 20 GL 94 12 4 GR 177 37 20 Beispiele: Ä het d ’ Hand nu ging iibunni Plaffeien FR, Är hed d Hand no geng verbundni Gadmen, Är hed d Hand geng no ibundni Mürren BE, Är het d Hand immär nu igibundni Agarn, Är het d ’ Hand immär nu verbundni Agarn, Är het d Hand immer nu ibbunneni Binn, Är hed d Hand immer nu iibundni Fiesch VS. Im Lötschental (Ferden und Blatten VS) wird 16 Mal eine eigene Form auf -a notiert und präferiert. Hierbei handelt es sich um eine spezifische Flexionsform im Akk.Sg.F. (vgl. Bucheli Berger 2005 a: 149; Henzen 1928/ 29: 109, 111). Es handelt sich auch bei diesen morphologisch auffälligen Belegen um die kongruierende Variante. Beispiele: Är hed d ’ Hand nuch geng ingibunna, D ’ Hand hedr nuch immer ingibundna Blatten, Är hed d Hand immr nuch ingibunna, Är hed d Hand immer nuch ingibundna, Är hed d Hand immer nuch verbundna Ferden VS. c) Intrapersonelle Variation: präferierte Varianten Anzahl Personen und Orte EINGEBUNDEN und EINGEBUNDEN - E 11 Personen an 11 Orten (Plaffeien, Tafers FR, Brienz, Kiental BE, Giswil, Lungern, Sarnen OW, Altdorf UR, Linthal, Schwanden GL, Rheinwald GR) 4. Bemerkungen der Gewährspersonen - „ oder … immer no asa ’ niibundna = Ausdrücklicher. “ , Diepoldsau SG. [GP akzeptiert und präferiert 3 a und kommentiert eigene Variante 5 a] - „ (ältere Leute sagen es so) “ , Engi GL. [GP kommentiert zu 3 b, akzeptiert 3 a, 3 b und präferiert 3 a] - „ Hängt davon ab, ob ich an die Hand denke ([3 b]) oder an die Person ([3 a]). “ , Schwanden GL. [GP akzeptiert 3 a, 3 b, präferiert keine Variante explizit und kommentiert dazu] - „ Är hed d Hand nuch geng ingibunna (oft wird gesagt - vgl. Frage 9 - ingibunn). “ , Blatten VS. [GP akzeptiert und präferiert 3 b] 5. Weitere Varianten a) Die vorgegebene Variante mit erstarrter (ursprünglich maskuliner) Flexionsform -nä beim Partizip II - wie beim Koprädikativ, vgl. 4.1.1, 3 c, 4.1.2, 3 c - wird 30 Mal an 29 Orten präferiert und 67 Mal an 55 Orten akzeptiert, wobei sich die (zumeist vereinzelten) Nennungen über das ganze Untersuchungsgebiet 4.3 Resultativkonstruktionen 303 verteilen, vgl. ► Akzeptanzkarte 2 (S. 192). In der Nordostschweiz ist eine geringfügige Häufung zu beobachten, insofern als nur in dieser und angrenzenden Regionen Orte vorkommen, wo die Variante 2 oder 3 Mal akzeptiert wurde, nämlich in Diepoldsau, Sennwald, Weisstannen SG, Bühler, Trogen, Urnäsch AR, Appenzell, Brülisau AI, Näfels GL. Aus diesem Gebiet stammt auch die einzige selbst notierte Variante einer Gewährsperson (Diepoldsau SG) mit vorgesetzter Partikel: asa iibundna, vgl. 4 und 7 d. Zwei Gewährpersonen präferieren neben der erstarrten Variante auch die unflektierte Variante (Diepoldsau SG, Urnäsch AR). 6. Unbrauchbare Antworten a) 4 Personen haben einzig eine gänzlich abweichende Antwort notiert. 7. Weitere Bemerkungen a) Eine erste kurze Auswertung der vorliegenden Frage II.11 findet sich in Bucheli Berger & Glaser (2004: 198 - 199) mit einer auf den Akzeptanzwerten basierenden Karte (2004: 225), wobei die Übereinstimmung des Kongruenzraums mit den Ergebnissen aus Frage III.16 ( sein -Resultativ) hervorgehoben wird, vgl. auch Glaser (2014: 31 - 32). Das Gebiet, in dem Kongruenz präferiert wird, ist beim ‚ sein ‘ - Resultativ (III.16, 3 b) etwas grösser (431 Mal an 107 Orten) als bei der hier ausgewerteten Frage zum ‚ haben ‘ -Resultativ (390 Mal an 88 Orten), vgl. III.16, 7 a mit ► Beikarte (S. 195). Nur an vier Orten, an denen Kongruenz beim ‚ haben ‘ -Resultativ erscheint, Guggisberg, Kiental, Rubigen BE, Gurtnellen UR, fehlt sie beim ‚ sein ‘ -Resultativ, während es 23 Orte mit Kongruenz beim ‚ sein ‘ -Resultativ gibt, die im ‚ haben ‘ - Resultativ keine Kongruenz zeigen. Zu weiteren Karten, die eine grundsätzlich vergleichbare Verbreitung der Kongruenzflexion, etwa beim prädikativen und koprädikativen Adjektiv, zeigen, vgl. die Kommentare unter 4.1 und 4.2 sowie Bucheli Berger & Glaser (2004: 224 - 225), zum prädikativen Adjektiv vgl. auch F