Verkaufspsychologisches Know-How
Konsequente Durchsetzung in harten Verkaufsverhandlungen
1127
2015
978-3-8169-8324-8
978-3-8169-3324-3
expert verlag
Warren P. Van Hasz
Kundenverstehen bedeutet nicht, es jedem Kunden um jeden Preis recht zu machen. Die Kunst ist, die richtigen Register zu ziehen. Voraussetzung dafür ist der Einblick in die innere Welt des Kunden, das Erkennen seiner Bedürfnislagen und die richtige Art und Weise der Kundenkommunikation. Dabei gilt es, sowohl die eigenen Verkaufsziele im Auge zu behalten als auch die eigene Persönlichkeit. Die Idee für dieses Buch entstammt unserer Philosophie empirisch zu forschen und als eine Art Katalysator für Erkenntnisse aufzutreten. Diese Erkenntnisse zu sammeln, auszuprobieren und dann in Trainingsmodule zu transformieren, auf die Alltagstauglichkeit zu prüfen und in hoch spannenden und interessanten Trainings weiterzugeben, ist das Ziel unserer Arbeit. Vor diesem Hintergrund habe ich interessante Literatur für Sie durchgearbeitet und die wichtigsten Aspekte hier für Sie, die Leser, zusammengefasst und durch Fritz und Paul in den Alltag transportieren lassen. Steigen Sie ein und erleben Sie mit Fritz, wie er die Welt der Psychologie, der Neuroökonomie kennen und schätzen lernt, und wie er sukzessive anfängt, sein Verhalten in Frage zu stellen. Wie er lernt, dass Profis eben trainieren, oder besser: üben, üben, üben ... Das zentrale Organ: das Gehirn - Psychologie - Entscheidungsfindung und Neuroökonomie - B2B-Verkauf - Der Preis - Psychologisches Verhandeln: Ein kleiner Ratgeber
<?page no="1"?> Wa WW rren P. PP van Hasz Ve VV rkaufspsychologisches Know-How Konsequente Durchsetzung in harten Ve VV rkaufsverhandlungen <?page no="3"?> Wa WW rren P. PP van Hasz Ve VV rkaufspsychologisches Know-How Konsequente Durchsetzung in harten Ve VV rkaufsverhandlungen <?page no="4"?> Bei der Erstellung des Buches wurde mit großer Sorgfalt vorgegangen; trotzdem lassen sich Fehler nie vollständig ausschließen. Ve VV rlag und Autoren können für fehlerhafte Angaben und deren Folgen weder eine juristische Ve VV rantwortung noch irgendeine Haftung übernehmen. Für Ve VV rbesserungsvorschläge und Hinweise auf Fehler sind Ve VV rlag und Autoren dankbar. rr © 2016 by expert verlag, Wankelstr. rr 13, D -71272 Renningen Te TT l.: + 49 (0) 71 59 - 92 65 - 0, Fax: + 49 (0) 71 59 - 92 65 - 20 E-Mail: expert@expertverlag.de, Internet: www.expertverlag.de Alle Rechte vorbehalten Printed in Germany Das We WW rk einschließlich aller seiner Te TT ile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Ve VV rwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Ve VV rlags unzulässig und strafbar. rr Dies gilt insbesondere für Ve VV rvielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Ve VV rarbeitung in elektronischen Systemen. ISBN 978-3-8169-3324-3 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / / / w / / ww.dnb.de abrufbar. rr Bibliographic Information published by Die Deutsche Bibliothek Die Deutsche Bibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data are available on the internet at http: / / / / w / / ww.dnb.de <?page no="5"?> i Zielsetzung Dieses Buch soll die Hintergründe der Werkzeuge für eine erfolgreichere Kommunikation im Verkauf aus meinen Trainings erläutern. Dieses Buch soll den Verstehensprozess flankieren, so dass die Werkzeuge im Training in ihrer Entstehung, Wirkung und Anwendung besser verstanden und erfolgreicher angewendet werden können. Dazu habe ich wissenschaftliche Abhandlungen, die sich mit dem Entscheidungsverhalten von Menschen beschäftigen, gelesen und durch Fritz und Paul, die beiden Akteure in diesem Buch, reflektieren lassen. Dies erfolgt mittels eines Gedankenblitzes von Fritz. Ferner erhalten Sie zu den wichtigsten Erkenntnissen in den Kapiteln konkrete Checklistenfragen: Aus der Praxis für die Praxis - Checklistenfrage In diesem Buch geht es um das Aufarbeiten von theoretischem und wissenschaftlichem Wissen. Es sollen Antworten auf die Frage „Wie entscheiden Menschen? “ gefunden werden. Und: „Was passiert im Menschen, wenn er entscheidet? “ Erst in den Trainings geht es dann um die Fragen „Wie mache ich es? , „Was ist wie zu tun? “, „Welches konkrete kommunikative Verhalten in Form der Anwendung von kommunikativen Werkzeugen soll wie angewendet werden? “ <?page no="6"?> ii Widmung Dieses Buch ist all den Menschen gewidmet, die mich bisher in meinem Leben begleitet haben. Denjenigen, die mir Steine in den Weg gelegt haben, und all denen, die mich unterstützt und gefördert haben. Sie alle haben mich zu dem Menschen gemacht, der ich bin. Und dieser Mensch schreibt dieses Buch für alle diejenigen, die für ihren persönlichen Kommunikationsalltag im Verkauf und/ oder inder Führung etwas hinter die Kulissen des menschlichen Entscheidungsverhaltens schauen möchten. <?page no="7"?> iii Vorwort Jeder von uns kommuniziert jeden Tag, ob verbal oder nonverbal. Es gibt genügend Chancen, das Wissen aus diesem Buch und die darauf aufbauenden, in meinen Trainings vermittelten Inhalte und „Werkzeuge“ zu üben. Sei es im privaten Bereich - in der Kommunikation mit dem Lebenspartner, in Konflikten mit Nachbarn, in der Kindererziehung, beim erfolgreichen Flohmarktverkauf oder -einkauf, bei der Verhandlung um ein Darlehen bei der Hausbank oder beim Autokauf. Oder im beruflichen Umfeld: in der Kommunikation mit Kollegen, bei der Gehaltsverhandlung mit dem Chef, als Ein- oder als Verkäufer, oder auch nur, um der netten Brünette oder dem attraktiven Gentleman abends an der Hotelbar näher zu kommen. <?page no="8"?> iv The Wolf of Wall Street 2013, Universal Pictures, Regie: Martin Scorsese Man kann diesen Film unter vielen Gesichtspunkten bewerten. Da wären Moral, Werte, Gewissen u.v.m. - und der Aspekt der Verkaufspsychologie, also der Gesichtspunkt dieses Buches. Es gilt, sich mit dem Kaufverhalten auseinanderzusetzen, insbesondere mit der Macht der Gefühle. Nach etwa 33 Filmminuten stellt Jordan Belfort (Leonardo di Caprio) seinen neuen Mitarbeitern einen Telefonverkaufsleitfaden vor. Belfort spricht im Sinne der Verkaufspsychologie: „Der Erste, der einen Ton sagt, hat verloren. Sie (der Angerufene) sind unsicher, Sie möchten darüber schlafen, Ihre Frau fragen, die Zahnfee fragen. Der Punkt ist: Egal, was Sie sagen - es ist scheißegal. Der einzige Einwand ist, dass sie euch nicht vertrauen.“ Vertrauen ist das, was wir umgangssprachlich das „Bauchgefühl“ nennen. Die Chemie muss stimmen, also die Welt der Emotionen. Und darum geht es in diesem Buch. In der letzten Szene des Films (nach knapp drei Stunden) fordert Jordan Belfort, jetzt Verkaufstrainer, sein Publikum auf: „Verkaufen Sie mir diesen Kugelschreiber! “ Was nehmen Sie für sich mit? Auch bezugnehmend auf die erste Szene im Film, in der es schon einmal darum ging, einen Kugelschreiber zu verkaufen. Denken Sie einmal über Ihr eigenes Verkaufsverhalten nach. Es geht hier nicht um eine Rezension des Films, noch will dieses Buch Werbung für Filme machen. Diese beiden Szenen im Film sind jedoch sehr wichtig und können es Fritz und Paul leichter machen. Fritz hat sich übrigens bei der Aufgabenstellung einen Kugelschreiber zu verkaufen wiedererkannt. Weshalb wohl? Lesen Sie und erfahren Sie, weshalb sich Fritz wieder erkannt hat. Aus der Praxis für die Praxis - Checklistenfrage Kenne ich genau die Schnittmenge zwischen meinen Argumenten und den Kundenwünschen? <?page no="9"?> v Inhaltsverzeichnis Zielsetzung ....................................................................................................................... i Widmung .......................................................................................................................... ii Vorwort .............................................................................................................................iii The Wolf of Wall Street ..................................................................................................iv Inhaltsverzeichnis ........................................................................................................... v Einleitung ......................................................................................................................... 1 1 Wichtiges vorab ................................................................................................. 3 1.1 Das IWP - wer sind wir, was machen wir? ........................................................... 3 1.2 Wie lernen wir? .......................................................................................................... 5 1.3 Fritz nach dem Verkaufsgespräch .......................................................................... 6 1.4 Fritz trifft Paul in dessen Büro ................................................................................. 9 2 Das zentrale Organ - das Gehirn .................................................................. 13 2.1 Das Gehirn oder welches Organ ist für Entscheidungen beim Menschen verantwortlich? ........................................................................... 13 2.2 Wie wirklich ist die Wichtigkeit? ............................................................................ 23 2.3 Was passiert im Gehirn, während wir uns unterhalten? ................................... 24 2.4 Handeln und Antrieb ............................................................................................... 29 2.5 Weshalb kaufen wir etwas? ................................................................................... 34 3 Psychologie ...................................................................................................... 40 3.1 Exkurs Psychologie ................................................................................................. 40 3.2 Die Psyche erforschen ........................................................................................... 42 4 Entscheidungsfindung ................................................................................... 46 4.1 Ein Exkurs mit interessanten Erkenntnissen ....................................................... 46 4.2 Entscheidungsfindung ............................................................................................ 51 5 Neuroökonomie ............................................................................................... 57 5.1 Neuroökonomie -mehr eine wissenschaftliche Betrachtung als eine Einführung ................................................................................................................ 57 5.2 Im Kopf des Konsumenten (homo oeconomicus vs homo neurobiologus) .... 70 5.3 Andere zu Taten zu bewegen (nach dem Rubikon-Modell) ............................. 74 <?page no="10"?> vi 6 Die Neuroökonomie und die Entscheidungsfindung ................................ 76 6.1 Entscheidungszwang - die Qual der Wahl ......................................................... 76 6.2 Wie entscheiden wir? .............................................................................................. 77 6.3 Warum wir kaufen, was wir kaufen ....................................................................... 78 6.4 Wie wir entscheiden - das erfolgreiche Zusammenspiel von Kopf und Bauch ..................................... 80 7 B2B-Verkauf ..................................................................................................... 86 7.1 Was beeinflusst eine Kaufentscheidung? ........................................................... 86 Exkurs: Manipulation (Quelle: Wikipedia) ...................................................................................... 91 7.2 Entscheidungsverhalten im B2B-Verkauf ............................................................ 93 7.3 Wie kaufen Einkäufer Investitionsgüter ein oder warum kaufen B2B-Kunden wirklich? ......................................................... 96 8 Der Preis ........................................................................................................... 98 8.1 Psychologisch verhandeln - ein kleiner Ratgeber ............................................. 98 8.2 Trotz aller Rationalität, irgendwie ist es immer wie auf dem Basar ............... 100 8.3 Wie ticken wir, wenn es ums Geld geht? ........................................................... 105 8.4 Der gefühlte Preis .................................................................................................. 137 9 Stimmen und Kritisches ................................................................................139 9.1 Erlebnisse von Teilnehmern ................................................................................ 139 9.2 Kritisches Fazit ....................................................................................................... 139 9.3 Kritische Auseinandersetzung mit der Neuroökonomie .................................. 141 Nachwort .......................................................................................................................144 Zum guten Schluss .....................................................................................................145 Abbildungsverzeichnis ...............................................................................................146 Definitionen von Begriffen .........................................................................................147 Literaturverzeichnis ....................................................................................................151 Anhang Checklistenfragen ........................................................................................152 <?page no="11"?> 1 Einleitung Weshalb noch ein Buch zum Thema Verkauf? Wer die modernen Suchfunktionen nutzt, erhält unter dem Suchbegriff „Verkaufspsychologie“ innerhalb von Sekunden ca. 75 000 Einträge. Einträge zu Artikeln, Büchern, Abhandlungen, Konzepten etc. Das müsste doch reichen, oder? In meiner Tätigkeit als Vertragspartner des Instituts für Wirtschaftspädagogik (IWP) und als aktiver Trainingsverkäufer und Trainer von Verkaufs- und Führungskräftetrainings erlebe ich sehr oft Teilnehmer in Verkaufstrainings, die ein extrem hohes Fachwissen haben und über eine große Auswahl von kommunikativen Werkzeugen für das Verkaufsgespräch verfügen. In der Anwendung dieser Werkzeuge durch die Teilnehmer mache ich jedoch oft die Erfahrung, dass die Kenntnis der Werkzeuge nicht in eine Art Strategie mündet. Es fehlt an einem Rahmen, einem Navigationssystem, einer Struktur, um sich in Verkaufsgesprächen eine eigene Orientierung zum Ziel zu geben. Erschwert wird dies auch für die Teilnehmer, die komplexe und erklärungsbedürftige Güter verkaufen sollen und in der Regel mit mehreren am Entscheidungsprozess beteiligten Personen sprechen. Hier verliert man schnell den Überblick und kommt in bestimmte Verhaltensmuster, die es einem eher schwerer als leichter machen. Darüber hinaus argumentiert ein großer Teil der Teilnehmer, dass sie doch sehr erfolgreich seien. Die eigenen Zielerreichungszahlen würden dies belegen, daher mache ein Verkaufstraining keinen Sinn. Ein anderer Teil der Teilnehmer, in der Regel die Teilnehmer, die wie ich eine naturwissenschaftliche Ausbildung haben, sind zu sehr in der logischen und rationalen Welt verhaftet. Auch sie machen sich das Leben eher schwerer als leichter. Und dann gibt es die Teilnehmer, die in ihrem Ansprechpartner im Verkauf den „homo oeconomicus“ sehen und ihn eben in dieser Welt ansprechen. All diesen Verkäufern und deren Chefs ist dieses Buch gewidmet. Es soll die Welt der Psychologie auf eine unterhaltsame Art und Weise - eben aus Sicht eines Betroffenen, des Außendienstmitarbeiters Fritz - öffnen. Es soll alle, die wie ich und Fritz reine Naturwissenschaftler sind, die Zahlen, Daten und Fakten lieben, also gern wiegen, messen und rechnen, in die nicht greifbare Welt der Psychologie einführen. Es soll ihnen helfen, mehr psychologisch zu kommunizieren. Die Idee für dieses Buch entstammt unserer Philosophie der empirischen Forschung, tritt also als eine Art Katalysator für Erkenntnisse auf. Wissenschaftliche Erkenntnisse sollen gesammelt, ausprobiert und dann in Trainingsmodule transformiert und auf die Alltagstauglichkeit hin geprüft und weitergegeben werden - in spannenden Trainings. Vor diesem Hintergrund habe ich interessante Bücher durchgearbeitet und die wichtigsten Aspekte für die Leser zusammengefasst und durch Fritz und Paul in den Alltag transportieren lassen. Es sei gesagt, dass die Psychologie im Vergleich zu den Naturwissenschaften eine eher neue Wissenschaft ist. <?page no="12"?> Einleitung 2 Erst in den letzten Jahren ist es dank der modernen Technik möglich, etwas in den Menschen zu schauen und zu sehen, was in seinem Kopf vorgeht, wenn er Entscheidungen trifft. Die Psychologie lebt vom Beobachten und nicht vom Messen und Wiegen. Dennoch ist etwas dran. Gerade die Wissenschaft der Neuroökonomie befasst sich mit dem Kaufverhalten der Menschen. Steigen Sie ein und erleben Sie mit Fritz, wie er die Welt der Psychologie und der Neuroökonomie kennen und schätzen lernt und wie er sukzessive anfängt, sein Verhalten in Frage zu stellen und wie er lernt, dass Profis eben trainieren, d.h. üben, üben, üben … Abb. 1: Erfolgreich verkaufen Aus der Praxis für die Praxis - Checklistenfrage Argumentiere ich aus der Erfahrung oder habe ich relevante erfragte Informationen vom Interessenten/ Kunden? Bieten Sie Ihr Haus schon lange an? ! <?page no="13"?> 3 1 Wichtiges vorab 1.1 Das IWP - wer sind wir, was machen wir? Kurz ein paar Worte zu uns und schon geht es los mit dem Verkaufsalltag von Fritz. Das Institut für Wirtschaftspädagogik (IWP) verfolgt einen empirischen Ansatz. Die Aufgabe des IWP ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse aus den für die Trainingsinhalte und erforderlichen Trainingsziele relevanten und grundlegenden Fachdisziplinen (u.a. Motivationspsychologie, Hirnforschung, Lernmotivationspsychologie, Verhaltenspsychologie) mittels eigener Recherche zu sichten und daraus Informationen, Erkenntnisse, Methoden, Lernhilfsmittel und verhaltensbezogene Werkzeuge zu entwickeln. Diese werden dann in der eigenen Organisation auf ihre Praxistauglichkeit, Umsetz- und Anwendbarkeit getestet. Dazu steht eine eigene Vertragspartnerorganisation von aktuell 25 Trainern zur Verfügung. Diese Vertragspartnerorganisation sichert die einheitliche und somit vergleichbare Vorgehensweise, anders als in üblichen Trainernetzwerken. Neben den oben genannten Beurteilungskriterien ist der Einfluss auf den Erfolg das entscheidende Testkriterium. Neben den wissenschaftlichen Informationen werden auch die gängigen Modelle (z. B.. Kommunikationsmodelle) als Basis für Werkzeuge verwendet. Grundsätzlich dient die Psychologie bei allen Trainingsinhalten als Vehikel. Es ist die seriöse Grundlage für den Erfolg des IWP seit 1980. Weiterhin sieht sich das IWP als Dienstleister für seine Kunden, um neue Konzepte und Methoden zu testen in Bezug auf deren Alltagstauglichkeit und Erfolgsorientierung. Die Methode ist also nur Mittel zum Zweck, nicht Selbstzweck. Erst wenn bewiesen ist, dass die Methoden im Alltag Erfolg zeigen, werden sie integriert. Ferner analysiert das IWP empirisch bestimmte Prozesse, um komplexe Situationen (z. B. im Verkauf oder in der Führung) in Modellen vereinfacht darzustellen So werden die Erfolgsfaktoren der Situation sichtbar und entsprechende Werkzeuge zur Nutzung dieser Erfolgsfaktoren werden entwickelt und überprüft. Die Trainings sind so aufgebaut, um eine optimale Verankerung der Inhalte zu ermöglichen. Die Übungen sind ebenfalls so aufgebaut, dass alle Lernkanäle angesprochen werden. Das eigene Erleben der Inhalte und Werkzeuge steht in den Trainings im Vordergrund. Erst wenn der Teilnehmer selbst die Wirkung am eigenen Leib erlebt, steigt die Akzeptanz für die Inhalte. Er ist motiviert zur aktiven Auseinandersetzung mit den Inhalten. Die richtigen Dinge richtig tun. Teilnehmer vom Wissen zum Tun zu begleiten. So kann man mit einfachen Worten die IWP-Trainings beschreiben. Die didaktischen Ansprüche (Theorie und Praxis des Lehrens) an ein Verhaltensänderungstraining basieren auf den empirisch ermittelten Erkenntnissen und den daraus abgeleiteten vereinfachten Darstellungen der wirklichen Situation. Die Methodik, die sich mit den praktischen Verfahren des Lehrens und Ler- <?page no="14"?> 1 Wichtiges vorab 4 nens (dem Wie des Lernens gegenüber dem Was) befasst, besteht aus Übungen, die das eigene Erleben der Wirkung der Trainingsinhalte bewusst machen. Die Methodenkompetenz ist abwechslungsreich, so dass auch hier alle Lernkanäle aktiv genutzt werden. Das IWP hat bereits dreimal den Internationalen Deutschen Trainingspreis (siehe www.bdvt.de) gewonnen. Für die Vergabe des Trainingspreises ist dieser kausale betriebswirtschaftliche Erfolg maßgeblich. Solche messbaren Erfolge sind nur möglich, wenn die Inhalte tatsächlich zum Erfolg führen, wenn sie in das Tagesgeschäft der Teilnehmer passen, mit wenig Aufwand anzuwenden sind und der Teilnehmer Hilfestellung für seine Alltagssituation bekommt. Alle Inhalte sind konkret. Alle Inhalte ermöglichen eine beobachtbare Verhaltensänderung. So ist eine Kontrolle der richtigen und nachhaltigen Anwendung für das Unternehmen möglich. Bereits im Training wird Wert darauf gelegt, dass die Erkenntnisse der Lerntheorie berücksichtigt werden. Geht es im ersten Schritt um das Verstehen der Inhalte, geht es im zweiten Schritt um das konkrete Üben. Die individuelle Analyse der Fertigkeiten der Teilnehmer steht zu Beginn immer im Vordergrund. Die Trainings sind so aufgebaut, dass bereits in der ersten Stufe, das verinnerlichte Wissen beobachtet werden kann. Somit spart der Auftraggeber Zeit und Geld. Das beobachtete Verhalten des Teilnehmers wird mit den entscheidungsrelevanten Erkenntnissen aus der Psychologie verglichen - wendet der Teilnehmer durch sein Verhalten die Erkenntnisse an oder nicht. Auf dieser Grundlage kann auch in der Gruppe jeder einzelne Teilnehmer individuell angesprochen und qualifiziert werden. Die Inhalte erfüllen immer den Anspruch, dass das Richtige getan wird. Es sind Techniken und Verhaltensweisen, die der Teilnehmer mit seiner eigenen Persönlichkeit anwenden kann. Das spontane Feedback der Teilnehmer mit konkreter Fragestellung zum Nutzen für den eigenen Alltag und das eigene Ziel, in bestimmten Verhalten besser zu werden, ist für uns der erste wichtige Schritt zum nachhaltigen Erfolg. Dies geschieht direkt nach dem Training. In der Regel befinden sich die Teilnehmer jetzt in einer Situation der Wissensverbesserung. Sie kennen jetzt Zusammenhänge, Werkzeuge, Methoden etc. Im nächsten Schritt ist dieses Wissen zu festigen. Durch Tests, Rollensimulationen, Aufgaben mit Kontrolle, Spontanübungen, Analyse von Gesprächen wird die Festigung des Wissens gefördert. Erst wenn dieser Schritt erfolgt ist und das Wissen zu 100 Prozent richtig wiedergegeben werden kann, sind die Voraussetzungen erfüllt, dass der Teilnehmer das Wissen frei und richtig interpretiert wiedergeben kann - mit seinen Worten, aber dennoch richtig. Dies geschieht ebenfalls durch die oben erwähnten Methoden. Die beobachtete richtige Anwendung ist der nächste Schritt zum Erfolg. Erst wenn dieses spontan und reflexartig erfolgt, spricht man von Verinnerlichung. Der Teilnehmer lebt die Inhalte, er wendet diese unbewusst richtig an. Diese unbewusste Kompetenz ist die Voraussetzung, dass mit den Trainingsinhalten ein ROT-ReturnOnTraining/ ROI-ReturnOnInvestment erzielt werden kann. Dieser Prozess bedarf der aktiven Begleitung durch das Unternehmen der Teilnehmer. <?page no="15"?> 1.2 Wie lernen wir? 5 Alle Inhalte sind so aufgebaut und werden so vermittelt, dass ein Unternehmen auch ohne den Trainer auskommen kann. Es geht uns um den Abbau von Abhängigkeit hin zur Selbsthilfe. Durch die unbewusste Anwendung der bewiesenen Maßen richtigen Inhalte erfolgt der messbare Erfolg. Das IWP sieht seinen USP in der Trainingskompetenz, frei verfügbares Wissen so aufzubereiten, dass Teilnehmer animiert werden, sich mit diesem Wissen aktiv auseinanderzusetzen. Abb. 2: Return on Investment, durch unsere Trainings darstellbar 1.2 Wie lernen wir? Wie im Vorwort beschrieben, soll durch dieses Buch der Weg für eine erfolgreichere Kommunikation geebnet werden. Das setzt voraus, dass wir die Theorie verstehen. Also alles das, was meine Teilnehmer nicht unbedingt hören wollen. Jeder will nur Werkzeuge, praktische Übungen, Praxis, Praxis, üben, üben … Erhält der Teilnehmer dieses nicht in einer gewünschten Dosierung, kommen sofort Aussagen wie „Der Trainer hat mich nicht abgeholt“ oder „Zu viel Theorie, nichts für den Alltag.“ Liebe Leserinnen und Leser, der Wunsch nach Übung wird erfüllt; doch es macht Sinn im Vorfeld einen Blick darauf zu werfen, wie wir lernen, da wir sonst Gefahr laufen, nur etwas auswendig zu lernen. Und bei einem Roboter will keiner kaufen, oder? Vom Wissen ist Können und ins Tun! Können und Tun (Praxis) setzt Wissen (Theorie) voraus. Wer die Inhalte korrekt wiedergeben kann, kann diese auch in der Praxis richtig anwenden und erfüllt somit die eigenen Voraussetzungen für eine authentische und verinnerlichte verkaufsfördernde Kommunikation. <?page no="16"?> 1 Wichtiges vorab 6 Abb. 3: Lernmodell, so lernen wir. Verstehen vor Üben. 1.3 Fritz nach dem Verkaufsgespräch Erleben Sie eine Alltagssituation von Fritz und steigen Sie ein in seine Suche. Liebe Leserinnen und Leser, gegebenenfalls ist es Ihnen auch schon einmal so ergangen wie Fritz … „So ein Sch…! “ Fritz wirft seinen Laptop auf die Rückbank, knallt mit voller Wucht und einem Wutanfall seine Unterlagen ins Auto und lässt sich auf den Fahrersitz fallen. Er ist stinksauer. Er, der über 20 Jahre Verkaufserfahrung hat, und diese jungen Einkäufer. Kaum von der Uni und schon Einkaufsleiter. Früher musste man sich diese Position erst verdienen und heute …? Nur billig, keine Qualität. Früher hat er mit dem Spezialisten gesprochen, für die war Qualität noch wichtig. Doch heute zählt nur der Preis, nicht die Qualität. Wie soll das nur weitergehen? Über drei Stunden hat er mit dem Einkäufer verhandelt. Er hat ihm genau die Vorteile vorgerechnet und aufgezeigt, dass sein Produkt das bessere ist. Und wie reagiert der Einkäufer? Zu teuer und das können die anderen auch! Ja, hat der denn überhaupt verstanden, was ihm unser Produkt bringt? Den Mund habe ich mir fusselig geredet und anhand von Tabellen, Rechnungen etc. aufgezeigt, welche Produktmerkmale wir ihm bieten. <?page no="17"?> 1.3 Fritz nach dem Verkaufsgespräch 7 Abb. 4: Der richtige Weg? Plötzlich klingelt das Handy von Fritz. Es ist Paul, sein Chef. Paul ist Leiter Business Development der Bioplast AG. „Na, der wird sich freuen“, denkt Fritz. Seit über einem Jahr haben sie in der Abteilung an einer Idee gearbeitet. Alle Marktdaten für den Biokunststoff haben sie gesammelt. Akribisch genau haben sie in der Abteilung den Markt und die Kunden analysiert und die Prozesse im Unternehmen neu gestaltet, um abschließend den neuen Biokunststoff auf den Markt zu bringen. Unzählige Stunden haben sie mit den Vorbereitungen verbracht und jetzt wollte die Bioplast AG mit diesem neuen Produkt voll durchstarten. Gerade dieses Unternehmen sollte für die Bioplast AG ein Vorzeigekunde werden. Extrem wichtig dieses Unternehmen als Kunden zu gewinnen. Über Wochen hat Fritz dem Einkaufsleiter nachtelefoniert. Was hat er sich einfallen lassen, um am Vorzimmer vorbei direkt zum Entscheider zu gelangen. Und nun war er da. Er hatte den Termin. Bestens vorbereitet mit allen Zahlen, Daten und Fakten. Und dann sagte dieser Kerl immer wieder „Zu teuer und können andere auch! “. Wie soll er das nur Paul erklären? “ Nach dem zehnten Klingeln nimmt Fritz das Gespräch an. Er berichtet voller Wut, wie das Gespräch verlaufen ist. Er muss sich stark zurückhalten, um nicht seine ganze Wut herauszubrüllen. Paul reagiert interessanterweise höchst professionell. Keine Kritik, kein Wutanfall. Sondern ein Lob über sein Engagement und die Bitte, sich mit ihm am nächsten Tag zu einer Besprechung zu treffen. Ziel der Besprechung soll sein, das Verkaufsgespräch gemeinsam zu analysieren, um die Stellhebel herauszufinden, wo in Zukunft möglicherweise anders vorzugehen ist. „Klasse! “, denkt Fritz. „Das hört sich gut an.“ Paul sprach von Planung und Strategie, um die Ziele wirksam zu erreichen, und das gegebenenfalls die Maßnahmen nicht visions- und zielorientiert seien. Daran wolle er mit Fritz arbeiten. Denn es ist wichtig herauszufinden, wo etwas schief gelaufen ist. Kontrolle der Wirksamkeit der Maßnahmen nannte Paul das. Mit Maßnahmen meinte Paul auch die Wirksamkeit der Verkaufsverhandlung aus unserer Sicht. <?page no="18"?> 1 Wichtiges vorab 8 Irgendetwas ist wohl gänzlich schief gelaufen. Die Vorbereitung war inhaltlich perfekt. Da gibt es nichts zu rütteln. Das Produkt ist tatsächlich und objektiv betrachtet auch einzigartig. Fritz hat über 20 Jahre Verkaufsverfahrung mit erklärungsbedürftigen und auch mit vergleichbaren Gütern, auch kann er sehr gut kommunizieren und war inhaltlich sehr gut vorbereitet. Die Mitbewerber am Markt haben so ein Produkt definitiv derzeit nicht und die Marktanalyse war auch perfekt. Das hatten sogar die externen Unternehmensberater bescheinigt. Ganz klar, der Einkäufer hat es nicht verstanden, und den interessiert ja sowieso nur sein Budget, also schlichtweg der Preis. Er will einfach nur billig einkaufen. Wir sind also nicht daran schuld, dass es nicht geklappt hat. Bei meiner Verkaufserfahrung, denkt Fritz. Ganz klar, es liegt an unserem zu teuren Preis. Und am Einkäufer, der ja sowieso keine Ahnung vom Produkt selbst hat. Später verhandelt er möglicherweise mit der Großmetzgerei über den Einkauf der Schnitzel für die Werkskantine. Das kann ja nichts werden. Paul muss einfach den Preis reduzieren, dann klappt das schon. Wir sind halt zu teuer, das geht heute nicht mehr. Unsere Preise müssen einfach dem Markt angepasst sein. Ich habe je genügend Informationen und Erfahrungen zum Thema Preis und mit meiner 20-jährigen Verkaufserfahrung werde ich das Paul schon klarmachen. Von wegen Wirksamkeit der Maßnahmen, Strategie, Vision, Ziele ... Wir sind einfach zu teuer. Das ist der Punkt! Jetzt fühlt sich Fritz deutlich besser und fährt entspannt nach Hause. An ihm kann es ja nicht gelegen haben. Bei der Erfahrung! Abb. 5: Zu teuer, rational oder emotional? Aus der Praxis für die Praxis - Checklistenfragen Erfolg ist bekanntlich zu 90 Prozent gute Vorbereitung. Wie sieht Ihre Vorbereitung für ein Verkaufsgespräch aus? Haben Sie ein genügendes Repertoire an Fragen um das Gespräch in Richtung der Findung der Kauf- und Entscheidungsmotivation zu steuern oder fragen Sie nur nach den technischen Spezifikationen und nach dem technischen Prozess? Welche Fragen könnten vom Gesprächspartner kommen? Sind Sie darauf vorbereitet, die Motivation hinter der Frage zu erfahren? Wie erhalten Sie die Gesprächsführung zurück, wenn der andere fragt und führt? Wie können Sie die notwendige Beziehung aufbauen, um den anderen zum Reden zu bringen? <?page no="19"?> 1.4 Fritz trifft Paul in dessen Büro 9 1.4 Fritz trifft Paul in dessen Büro Fritz und Paul treffen sich zur gemeinsamen Analyse des gestrigen Verkaufsgesprächs. Beide suchen eine Orientierung, um die Verkaufsgespräche sicherer zu gestalten. „Was das wohl jetzt werden soll“, fragt sich Fritz. Er, der seit Jahren immer seine Ziele erreicht - es kann nicht an ihm liegen. Es ist, wie gesagt, der Preis. Das gestrige Verkaufsgespräch war wie auf dem Basar. Ein ständiges Hin-und-her-Gerede um den Preis. Fritz betritt das Büro von Paul. Paul begrüßt Fritz herzlich und beide wollen sich viel Zeit nehmen, um das gestrige Verkaufsgespräch Revue passieren zu lassen. Paul und Fritz tauschen sich ausführlich aus und Fritz schildert seine Eindrücke aus dem Verkaufsgespräch in allen Details. Für Fritz ist klar: „Wir sind einfach zu teuer.“ Den Kunden geht es immer nur um den Preis. Er ist ein sehr guter Verkäufer. Er hat immer seine Ziele erreicht. Er hat ausreichend Erfahrung. Es liegt nicht an ihm. Paul bestätigt Fritz, dass er ihn als sehr erfahren und erfolgreich einschätzt. Dennoch ist es wichtig, die Frage zu beantworten, was im Verkaufsgespräch wohl schief gelaufen ist. Fritz ist als Diplomingenieur ein sehr guter Techniker mit profunden Kenntnissen - eben ein echter alter Hase im Verkauf. Was war passiert? Woran hat es gelegen? Kann das wieder passieren? Passiert das anderen Außendienstverkäufern auch? Was heißt das für den Erfolg des Projekts? Was ist wie zu tun? Wie geht man so eine Situation an, wenn man nachweislich das beste Produkt hat und dennoch nicht zum Zug gekommen ist? Welches sind die Stellhebel für erfolgreichen Verkauf? Was ist zu tun, um schneller, sicherer und vor allem reproduzierbar die richtigen Dinge richtig zu tun? Auf diese Fragen will Paul mit Hilfe von Fritz eine Antwort/ Antworten finden. Das hilft dann auch in Mitbewerbersituationen, in denen es nicht klar DEN Besseren (das Unternehmen oder das Produkt/ Dienstleistung/ Lösung) gibt. Fritz hat eine Idee. Er als Techniker hat einen pragmatischen Vorschlag. „Wenn ich etwas reparieren will, dann muss ich verstehen, wie es funktioniert.“ So macht er es mit seinem Oldtimer und seinem Motorrad immer. Das hat er von seinem Gesellen in der Berufsausbildung vor dem Studium gelernt. Erst verstehen und dann aktiv werden. Kein Aktionismus. Und: „Nur mit gutem Werkzeug kann man gute Arbeit leisten“, hat der Geselle immer gesagt. Das sagte auch schon Gert Fröbe in seiner Rolle als Einbrecher, Gauner und Safeknacker Paul Wittkowski in der Fernsehserie „Der Gauner und der liebe Gott“. Eine Kriminalkomödie aus dem Jahr 1960. Die Werkzeuganwendung verstehen, also den Rahmen haben: Wie geht das? Welche Strategie? Womit geht es? Welche Maßnahmen, welche Werkzeuge? Es muss zusammenpassen. Denn: „Werkzeuge, nicht richtig im Sinn der Zielsetzung angewendet, führen nicht zu Erfolg.“ Sagte schon Loriot über die Anwendung von Werkzeugen. Falsch, fast richtig, richtig. Das hat funktioniert und es ist ja auch logisch so vorzugehen. „Paul, was halten Sie davon? Wir fragen uns einfach wie Verkaufen funktioniert? Wir beantworten es aus den gemachten Erfahrungen und schon sind wir schlauer und kennen die Stellhebel für den Verkaufserfolg. Also ganz einfach: Weshalb klappt verkaufen? “ <?page no="20"?> 1 Wichtiges vorab 10 Paul findet die Idee gut. Fritz findet die Vorgehensweise pragmatisch und wie auch Einstein sagt: „Einfach, einfach, aber nicht zu einfach.“ Neben Einstein halte ich noch zwei Zitate für sehr wichtig für diese Fragestellung. Zum einen: Bill Gates hat einmal gesagt: „Erfolg ist ein schlechter Lehrmeister. Er lässt sogar kluge Menschen glauben, sie könnten nicht verlieren.“ Was meint er wohl damit? „Natürlich waren Sie in der Vergangenheit erfolgreich, Fritz. Selbstverständlich haben Sie die Erfahrung. Doch ist das so 1: 1 in die Zukunft zu transportieren? Sagt man nicht auch die Erfahrung sei wie eine Laterne im Rücken, sie beleuchte stets nur das Stück Weg, das man bereits hinter sich habe? Sie sagt somit nichts über die Gegenwart und die Zukunft“, sagt Paul. „Ich meine, das war Konfuzius“, sagt Fritz. Fritz zu Paul: „Ja, da ist etwas dran. So richtig kann ich gar nicht sagen, weshalb es hier und da so gut geklappt hat. Irgendwie verhalte ich mich ja in der Regel immer ähnlich und einmal klappt es und einmal klappt es nicht. Woran liegt es? Liegt es an mir, am Mitbewerber, am Produkt, am Markt, am Unternehmensimage, dass ich mal erfolgreich, mal weniger erfolgreich bin? Wenn es an mir liegt, woran denn dann ganz genau? Ich habe ja auch schon teurer verkauft, als andere angeboten haben.“ „Das ist schon eine interessante Fragestellung, die wir da haben“, meint Fritz zu Paul. „Wir bräuchten so etwas wie eine objektive Basis, ein formales Kriterium, so eine Art Nullpunkt, um Abweichungen feststellen zu können. Etwas, was allgemeingültig und somit objektiv ist. In der Physik ist das einfach. Da kann man zum Beispiel den Nullpunkt bei der Temperaturmessung nehmen und das ist ein objektiver Wert. Oder 1 m als Maßeinheit.“ „Aber im Verkauf, da gibt es doch nur den erfolgreichen Abschluss“, sagt Fritz. Paul antwortet: „Ist nicht der erfolgreiche Abschluss das Ergebnis eines Prozesses, bei dem Unternehmensimage, Mitbewerber, Markt, Produkt und Verkäufer zusammenwirken? “ „Ja, das stimmt“, sagt Fritz. „Fritz, wie gehen wir es jetzt an? “, fragt Paul. „Wir wollen ja die Frage beantworten, weshalb verkaufen klappt. Was macht jetzt mehr Sinn? Wollen wir uns das System anschauen - also die Fragestellung: Wie kann man Markt, Prozess und Personal in Balance bringen? Wollen wir uns das System anschauen oder wollen wir gezielt die Stellhebel bei Dir suchen? “, fragt Paul. „Sicherlich spielen diese Faktoren alle eine gewichtige Rolle. Doch Du weißt als Ingenieur, Vereinfachungen helfen, komplexe Aufgabenstellungen zu erkennen.“ „Ja, Paul, ich erinnere mich an mein Studium. Gerade die komplexen Aufgabenstellungen werden so angegangen“, erwidert Fritz. „Paul, es interessiert mich, wie ich die Frage „Weshalb klappt Verkaufen? “ aus meinem Einflussbereich beantworten kann.“ „Gut, Fritz, dann haben wir unsere Aufgabenstelllung genau beschrieben: Weshalb klappt Verkaufen (aus Sicht des Verkäufers)? Das bedeutet, die Antworten sind dann die Stellmechanismen für uns. Wir können dann sehen, welche der Stellhebel wir wie erfüllen, und wo es anzusetzen heißt.“ „Ja“, sagt Fritz. „Das macht schon Sinn für mich. Doch wir haben immer noch keine allgemeingültigen Fakten.“ <?page no="21"?> 1.4 Fritz trifft Paul in dessen Büro 11 Paul hat eine Idee. „Fritz, letztendlich sind es doch Menschen, die an Menschen verkaufen, oder? “ „Ja, nun ja es gibt ja auch die Ausschreibungen und Versteigerungen im Internet. Was ist mit denen? Das muss ja auch berücksichtigt werden“, ergänzt Fritz. Paul bestätigt diese Aussage. „Ja, das wird uns sicherlich auch begegnen. Ist das unser Alltag? “ „Nun ja, nicht direkt, aber es kommt immer öfter vor“, entgegnet Fritz. „Okay, Fritz“, meint Paul. „Doch alles hat auch mit Menschen zu tun, oder? “ „Ja, es sind letztendlich die Menschen, die Produkte ausschreiben, die verhandeln, die einkaufen, die im Internet die Daten einstellen, die die Anforderungslisten und Ausschreibungen gestalten, die die Budgets festlegen … Und es sind auch die Menschen, die etwas immer zu teuer finden oder dass die anderen das auch können, aber billiger anbieten.“ „Fritz, wir sind einen großen Schritt weiter“, freut sich Paul. „Wir haben die Objektivität, das formale Kriterium. Es sind die Menschen. Wenn wir wissen, wie diese funktionieren, wenn wir deren Mechanik verstehen, dann können wir auch unseren Verkauf reparieren. Wie tickt der Mensch? Wenn wir das einigermaßen seriös ermitteln könnten, dann besteht für uns die Möglichkeit, unser Verhalten daran zu orientieren. Dann sind wir ein großes Stück weiter in der Beantwortung der Frage: Weshalb klappt verkaufen? “ „Das heißt, unsere Aufgabe wird es sein, herauszufinden, wie Menschen ticken, beziehungsweise wie sie kaufen! “, ergänzt er. „Toll“, meint Fritz. „Gibt es eine Wissenschaft, die ermittelt, wie Menschen kaufen? Bei technischen Fragestellungen hilft uns die Naturwissenschaft, die Physik und eine ihrer Unterdisziplinen. Aber beim Menschen, da gibt es keine Naturwissenschaft. Nichts Messbares, keine Zahlen, keine Daten, keine Fakten, nichts ist reproduzierbar.“ Paul: „Ja, das macht es etwas interessanter. Ich selbst bin ja Wirtschaftswissenschaftler. Dennoch bin ich sicher, dass es auch etwas zu finden gibt, was unsere Erwartungshaltung erfüllt.“ Paul und Fritz widmen sich jetzt erst einmal dem Tagesgeschäft und haben sich für den nächsten Tag für ein Treffen verabreden. Jeder will bis dahin überlegen, wo hilfreiche Erkenntnisse zu finden sind, um die Frage zu beantworten, weshalb verkaufen klappt? <?page no="22"?> 1 Wichtiges vorab 12 Abb. 6: Verkaufsbesprechung - oder woran liegt’s? Fritz hat einen Gedankenblitz: Nichts ändert sich, außer ich ändere mich. Aus der Praxis für die Praxis - Checklistenfrage Orientiere ich mein Gespräch am Entscheidungsverhalten des Gegenübers? Nutze ich meine Kommunikation, um das Entscheidungsverhalten des Gegenübers kennenzulernen? Abb. 7: Gehirnforschung - So fing alles an <?page no="23"?> 13 2 Das zentrale Organ - das Gehirn 2.1 Das Gehirn oder welches Organ ist für Entscheidungen beim Menschen verantwortlich? Lieber Leserinnen, Lieber Leser, folgen Sie mir nun in die Welt der Psychologie. Erfahren Sie spannende psychologische Erkenntnisse über das Verhalten von Menschen und erleben Sie, wie Fritz und Paul diese wissenschaftlichen Erkenntnisse verstehen und ihr eigenes Verhalten so reflektieren können. Diese erfolgt durch den Hinweis, dass Fritz einen Gedankenblitz hat. Dieser Gedankenblitz bezieht sich auf die in meinen Trainings vermittelten Werkzeuge der Kommunikation im Verkaufsgespräch. Somit will ich den Bezug zwischen den kommunikativen Verhaltenswerkzeugen in meinen Trainings mit dem theoretischen Hintergrund aus diesem Buch verknüpfen. Wenn wir Einfluss auf Menschen nehmen wollen - und das ist ja der Zweck des Verkäufers - ,wollen wir seinen Bedarf, erzeugt durch seine individuellen Bedürfnisse, also seine individuelle Nachfrage durch ein zielgerichtetes Angebot, befriedigen und unsere Preisvorstellung erfüllt sehen. Dazu nehmen wir Einfluss auf das Entscheidungsverhalten unseres Gegenübers bzw. auf das mehrerer Personen, die an einem Entscheidungsprozess beteiligt sind. Die logische Konsequenz ist die, die Paul und Fritz bereits für sich entwickelt haben. Es sind zwei zentrale Fragen zu beantworten: 1.) Wie entscheiden Menschen? Auf dieser Erkenntnis aufbauend können wir eine Strategie für unser Verhalten entwickeln. 2.) Welches Organ trifft beim Menschen die Entscheidungen? Auf Basis der Antwort können wir unsere Verhaltenswerkzeuge zielgerichtet anwenden und damit den größtmöglichen Wirkungsgrad entfalten. Um uns den beiden zentralen Fragen zu nähern, ist es erforderlich, das Gehirn, seinen Aufbau und seine Funktion näher kennenzulernen. Keiner erwartet von uns im Kundenkontakt/ Verkauf, dass wir exakt das Gehirn in seiner Funktion verstehen, doch etwas darüber einmal gehört zu haben, kann ja wohl nicht schaden. Keine Angst, im Training geht es uns mehr über daraus abgeleitete Werkzeuge (kommunikatives Verhalten). Im Buch hier will ich schon etwas darüber berichten. Halten Sie durch! „Was mag den homo sapiens erstmals bewegt haben, sich mit dem Innenleben seines Kopfes zu beschäftigen? Die frühesten Zeugnisse, die ein Interesse daran belegen sind erstaunlich alt: etwa 7000 Jahre.“ / 6/ Erst sehr viel später wurde das Gehirn das wichtigste Organ des Menschen. „Der griechische Philosoph Platon (427-347 v. Chr.) war ebenso dieser Ansicht. Er unterschied drei Teile der Seele und ordnete jedem ein Organ zu. Für den Verstand war das Gehirn zuständig.“ / 6/ <?page no="24"?> 2 Das zentrale Organ - das Gehirn 14 „Die Technikzentrale, der Hirnstamm“, so nennt Helmut Wicht in / 6/ den zentralen Verkehrsknoten des Nervensystems. „Der Hirnstamm verbindet das Gehirn mit dem Rückenmark, das Großmit dem Kleinhirn und hält den ganzen Organismus am Laufen, eine Art Hausmeisterei unseres Oberstübchens.“ / 6/ „Paul, damit ist wohl eines klar. Ohne Hirnstamm läuft nichts“, so Fritz. Der promovierte Biologe Helmut Wichert schreibt in / 6/ : „ Das allerwichtigste im Hirnstamm ist die Formatio reticularis. In ihr laufen viele grundlegende Funktionen ab. Sie reguliert Atemrhythmus, Herzfrequenz, Blutdruck und globale Muskelspannung. Hier sitzt die Haustechnikzentrale.“ Folgt man Helmut Wichert in das Vorzimmer der Macht, so befinden wir uns im Zwischenhirn. „Der Name Zwischenhirn sagt eigentlich schon alles. Gemeint ist die Region zwischen Hirnstamm und Großhirn. Ihr Kernstück, der Thalamus, fungiert als Tor zum Bewusstsein - und benimmt sich manchmal recht eigenwillig.“ / 6/ Spannend ist seine Formulierung: „Das ganze Zwischenhirn galt wieder als das, was es im strengen Wortsinn schon immer war: lediglich das Vorzimmer zur Macht - sprich dem Großhirn. Doch bekanntlich hat selbst ein schnödes Vorzimmer durchaus einigen Einfluss und agiert mitunter recht eigenwillig, auch ohne Wissen des Chefs.“ / 6/ Abb. 8: Seitensicht Gehirn <?page no="25"?> 2.1 Das Gehirn oder welches Organ ist für Entscheidungen beim Menschen verantwortlich? 15 Abb. 9: Gehirn von unten Abb. 10: Seitenansicht Gehirn „Was heißt denn das nun schon wieder, Paul? “, fragt Fritz. Beide schauen sich an und fragen sich, was ist bzw. worin besteht denn die Funktion des Zwischenhirns? <?page no="26"?> 2 Das zentrale Organ - das Gehirn 16 „Der Thalamus, wird von Hirnforschern gerne als Tor zum Bewusstsein beschrieben. Das bezieht sich vor allem auf den Metathalamus, der von Augen und Ohren mit Informationen beliefert wird.“ / 6/ „Aha“, sagen Paul und Fritz. „Das ist ja unser Wirkungsbereich in der Verhandlung. Der Andere hört und sieht uns, und der Metathalamus gibt diese Informationen weiter zum Bewusstsein, und da wollen wir ja hin, denn es soll ja etwas für uns gemacht werden.“ Helmut Wichert beschreibt die Vorgehensweise in / 6/ wie folgt: „Sogenannte Relaisneutronen: Nervenzellen, die nichts anderes zu tun haben, als die eintreffenden Signale an dafür zuständige Großhirnareale weiterzuleiten. Allerdings sind diese Vorzimmerdamen rasch gelangweilt. Sie hassen nichts mehr als einen kontinuierlichen Strom immer gleicher Informationen - d.h. nach ein paar Sekunden wird er kurzerhand abgedreht.“ / 6/ „Paul, das heißt ja, wenn wir immer nur Langweiliges, also nix Neues erzählen, oder vermeintlich Bekanntes, dann kommt nichts beim Boss, dem Grosshirn, an. Hier müssen wir ansetzen, sonst haben wir keine Chance gegen diese Vorzimmerdamen“, so Fritz. „Über derartige Leitungen kommunizieren sämtliche Regionen des Thalamus mit dem Großhirn - in beide Richtungen. Jedes Rindenareal, das Informationen von einem bestimmten Gebiet im Thalamus erhält, schickt seinerseits Signale zu exakt diesem Gebiet zurück - und beeinflusst so, worauf sich unsere Aufmerksamkeit richtet.“ / 6/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Vom Start in den Tag bis zum Abschluss muss ich gelangweilte Vorzimmerdamen für mich und meine Botschaften begeistern. „Dabei bekommt der weitaus größere Teil des Thalamus gar keine Sinnesinformation von außen, sondern ist ausschließlich mit der Großhirnrinde reziprok [ wechselseitig, gegenseitig [erfolgend], aufeinander bezüglich] verbunden. Diese Verbindungen sind entscheidend für unser bewusstes Denken. Das kann man sich ungefähr so vorstellen: In bestimmten höheren Großhirnarealen, den Assoziationskortizes, brodelt pausenlos eine Ideensuppe. Sie blubbert und schlägt Blasen, angefeuert vom permanenten Zufluss an Sinnesinformationen und Erinnerungsfetzen aus anderen Rindengebieten. Manchmal wächst nun eine solche Blase über die positive Rückkopplungsschleife mit dem Thalamus so sehr, dass sie rasch aufsteigt und sichtbar - sprich bewusst - wird. Eine Idee, Absicht, Entscheidung entsteht.“ / 6/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Ich muss auf diese positive Rückkopplungsschleife aktiv für meine verfolgten Interessen Einfluss nehmen. Nur so entsteht eine Entscheidung, die für mich positiv relevant ist. Denn sonst kommt es auch zu einer Entscheidung, jedoch leider nicht zu einer zu meinen Gunsten. Was haben Hühner mit dem Gehirn zu tun? Diese Frage beantwortet Helmut Wicht in / 6/ im Rahmen seiner Beschreibung für das limbische System im Gehirn. „Wenn es darum geht, den Begriff limbisches System zu definieren, verwandelt sich jedes Kollegium seriöser Neuroana- <?page no="27"?> 2.1 Das Gehirn oder welches Organ ist für Entscheidungen beim Menschen verantwortlich? 17 tomen in eine Gruppe aufgeregter Hühner. Binnen Kurzem ertönt ein ungeheuer lautes Gegacker, es fliegen die Federn und zum Schluss hat dann doch wieder der Hahn das letzte Wort. Der Hahn ist in diesem Fall der französische Arzt Paul Broca (1824-1880). Er hat nicht nur den Begriff limbisches System erfunden - seine Definition bildet bis heute den Minimalkonsens mit den weit auseinanderliegenden Ansichten darüber, was das nun genau sei.“ / 6/ Wicht beschreibt das limbische System als eine Art emotionale Hexenküche, als Tagebuch und Tor zu den Gerüchen. „Diese Beschreibung hilft uns sehr“, so Fritz. Denn in dieser Hexenküche entscheidet es sich wohl, ob wir zum Dinner eingeladen werden oder nicht. Ferner erfolgt der Abgleich mit den Erinnerungen. Und ob uns der Kunde auch quasi riechen kann, im engeren Sinn, entscheidet sich wohl an dieser Stelle. „Mensch Klasse, drei Hebel auf die es sich lohnt zu achten“, so Fritz zu Paul. Die charakteristische Eigenschaft des Gehirns sieht wie folgt aus: „Seine Einzelteile sind untereinander durch ein engmaschiges Netz von Nervenleitungen verbunden.“ / 6/ Der amerikanische Neuroanatom James W. Papez (1883-1958) verschaltet sozusagen den Talamus mit dem limbischen System und beschrieb so die verantwortliche Entstehung von Emotionen. / 6/ „Es gibt keine Hirnregion, die nicht über zwei oder drei Umschaltstationen mit dem limbischen System in Verbindung steht. Damit wird aber letztendlich unser gesamtes Gehirn mehr oder weniger limbisch. In diesem Zusammenhang wird von dem sogenannten Papez-Kreis gesprochen, d.h. das Verwalten unserer autobiographischen Erinnerungen, und dem Amygdala-Kreis, der unsere Gefühlsebene beeinflusst.“ / 6/ So werden zwei wichtige Vernetzungen genannt. Da alle Gehirnbereiche miteinander vernetzt sind, kommt es in dieser Konsequenz zu einem Zusammenspiel von Erinnerung und Gefühlsebene, d.h. es gibt auch eine „Nervenfaserverbindung zu allen Gebieten im Hypothalamus (dem Vorzimmer, dem Tor zum Bewusstsein), die wir als Quellen von Lust- und Unlustgefühlen kennengelernt haben.“ / 6/ „Damit sind hier, wie im wirklichen Leben, Kognition und Emotion untrennbar miteinander verwoben“. / 6/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Was veranlasst ein Gehirn, Lust zu empfinden? Das muss ich verstehen und anwenden lernen. Ich muss die Theorie verstehen. Ich benötige Unterstützung, um dieses komplexe System zu verstehen und ich muss üben, ja ich muss trainieren, mein kommunikatives Verhalten so reflexartig im Griff zu haben, dass ich, wenn es um meine Belange geht, immer beim anderen im Gehirn Lust erzeuge. Es gibt noch eine weitere Vernetzung. „Diese ist nun ein tatsächlicher Spezialist für Emotionen und zwar vor allem für negative wie Furcht, Wut und Ekel. Aber auch schlicht Neues und Unerwartetes, das Angst machen könnte, bringt die Neuronen auf Trab.“ / 6/ „Doch, wenn wir im Rahmen des Erstkontaktes einen Interessenten zum Kunden machen wollen. Also erstmals etwas zu verkaufen, der klassische Erstkontakt. Sprich die Verdrängung eines gesetzten Lieferanten. Genau die Aktivitäten die wichtig sind, um Wachstum für das <?page no="28"?> 2 Das zentrale Organ - das Gehirn 18 eigene Unternehmen zu generieren - genau dann malträtieren wir diese Verbindung und allein durch unsere Aktivität erzeugen wir diese negativen Gefühle“, so Fritz zu Paul. Fritz und Paul lassen die Köpfe hängen. „Es klang einfach und lösbar und jetzt? “, so Fritz zu Paul. „Die Großhirnrinde, der Kortex, nimmt rund die Hälfte des Hirnvolumens ein. Hier sind alle unsere höheren mentalen Funktionen lokalisiert.“ / 6/ Das betrifft auch die Fähigkeit, dieses Buch zu lesen, zu begreifen, wie wir Menschen ticken, und zu verstehen, dass noch mehr als nur Produktwissen wichtig ist, um noch erfolgreicher zu verkaufen - und in Abwandlung an Helmut Wichts Einleitung zu seinem Artikel zum Großhirn / 6/ Spaß am Lesen dieses Buches zu haben. „Über die Großhirnrinde, lateinisch Kortex cerebri oder kurz Kortex genannt, haben Forscher schon ganze Bibliotheken voller wissenschaftlicher Literatur geschrieben. Doch im Grunde haben alle diese Bücher letztendlich der Kortex selbst geschrieben (verrückt, oder? ! ). Denn in unserer ganzen unermüdlichen Gedankenproduktion spiegeln sich seine Bewusstseinsaktivitäten. Und darin offenbart sich auch schon das Dilemma des Kortex: Unser Bewusstsein versucht, seiner selbst habhaft zu werden, indem es zugleich über das und mit dem Organ, das es produziert, nachdenkt. Auch dem Laien leuchtet sofort ein, dass dieses Unterfangen - gelinde gesagt - schwierig sein dürfte, vielleicht sogar unmöglich.“ / 6/ Abb. 11: Ein Großhirn - vier Lappen Körperempfindung (einzelne) Willkürbewegung en Hören Sprechen Antrieb komplexe Bewegungsmuster Handlungsplanung, Arbeitsgedächtnis Ortssinn, Zeit und Raum, Eigen-, Fremderkennung Sehen Satz-, Sprach-, Wort- und Schrift verständnis - Hinterhauptslappen Schläfenlappen Zentralfurche Fissura lateralis Körperempfindung (einzelne) Willkürbewegung en Hören Sprechen Antrieb komplexe Bewegungsmuster Handlungsplanung, Arbeitsgedächtnis Ortssinn, Zeit und Raum, Eigen-, Fremderkennung Sehen Satz-, Sprach-, Wort- und Schrift verständnis - Stirnlappen Scheitellappen Schläfenlappen <?page no="29"?> 2.1 Das Gehirn oder welches Organ ist für Entscheidungen beim Menschen verantwortlich? 19 „Paul, wir wollten Antworten, nicht noch mehr Verwirrung“, so Fritz zu Paul. „Und wenn schon ein promovierter Biologe wie Herr Dr. Wicht so etwas verfasst, wie sollen wir es verstehen, geschweige denn ein Vehikel zur Anwendung finden, das war doch die ursprüngliche Idee unserer Vorgehensweise, oder Paul? “, so Fritz. „Ja, mein lieber Fritz, ich kann verstehen, dass Sie so reagieren. Doch lassen Sie uns einmal weiterlesen, okay Fritz? “, so Paul. Als platzsparend und zusammengeknüllt beschreibt Wicht den Kortex, der als grauer Mantel aus Nervenzellen mit einer Dicke von knapp einem halben Zentimeter fast das gesamte Großhirn bedeckt. Das Großhirn und der mit ihm verbundene Kortex lässt erst jetzt die wirkliche Größe des Großhirns entstehen. „Rund die Hälfte unseres gesamten Gehirns besteht aus dem Kortex. Die Fläche des Kortexmantels ist sogar viel zu groß, denn er passt eigentlich überhaupt nicht in den Schädel.“/ 6/ „Ein Großhirn - vier Lappen“ und ausgedehnte Regionen im Gehirn (Areale), an denen an bestimmten Stellen bestimmte kognitive Funktionen lokalisiert wurden. / 6/ „Woher weiß man denn das so genau, wo welche kognitive Funktion ist? “, so Fritz zu Paul. „Nun ja, bestimmte Krankheiten beeinflussen kognitive Fähigkeiten und hier erkennt man dann spezifische Veränderungen in einer Gehirnregion“, so Paul. <?page no="30"?> 2 Das zentrale Organ - das Gehirn 20 Abb. 12: Hirnhautslappen, der Blick von unten „Schließlich gibt es noch kortikale [ den Kortex betreffend; vom Kortex ausgehend; im Kortex befindlich] Areale, in denen die Informationenstränge aus sämtlichen sensorischen und motorischen Systemen zusammenfließen. In diesen Assoziationskortizes [Der Assoziationskortex ist der Teil des Großhirns, der nicht den primären Projektionsfeldern zugeordnet werden kann. Entgegen früheren Definitionen dient der Assoziationskortex als sog. unspezifischer Kortex nicht nur als Verbindung zwischen primären Projektionszentren (dem sog. spezifischen Kortex), als Apparat mit kortico-korticalen Faserverbindungen, sondern unterhält auch rückgekoppelte Verbindungen zu tiefer gelegenen Kernen des Thalamus oder des limbischen Systems.](Entnommen: wikipedia) werden die inneren Zustände des Systems Mensch - seine Gedanken und Absichten - mit den Informationen aus der Umwelt und den bisher gemachten Erfahrungen verglichen.“ / 6/ „Aha, jetzt wird’s wieder spannend und einigermaßen verständlich“, so Fritz. „Hier muss ich also ansetzen, um erfolgreicher zu verkaufen. Nur wie? “, so Fritz. „Fritz, bitte nicht immer gleich in Methoden und Werkzeugen denken, erst müssen wir es verstehen“, so Paul. <?page no="31"?> 2.1 Das Gehirn oder welches Organ ist für Entscheidungen beim Menschen verantwortlich? 21 „Der Kortex arbeitet analog, nicht digital, und die Übertragungsgeschwindigkeit der Verdrahtungen können sich binnen weniger Minuten ändern - jenachdem, was sich gerade elektrisch abspielt. Selbst die innere Architektur der Verdrahtungen kann sich ziemlich rasch, innerhalb von Stunden oder Tagen, ändern. Selbst Synapsen verschwinden einfach von der Bildfläche, dafür kommen anderswo neue Kontaktstellen hinzu. So lernen wir - und vergessen. / 6/ „Mensch, das ist für uns nicht gut“, so Fritz. „Wenn also zwischen den Terminen ein Zeitfenster ist, dann kann es sein, dass etwas, das als gut empfunden wurde, zu einem anderen Zeitpunkt wieder vergessen sein könnte. D.h. wir müssen immer irgendwie neu anfangen“, so Fritz. „Ja“, sagt Paul, „doch auch hier liegt eine Chance, Vergessenes vielleicht wieder in die Erinnerung zurückzuholen. In jedem Fall bekommen wir den aktuellen Status.“ „Wichtig sind auch die sogenannten Pyramidenzellen. Diese dienen als Output-Elemente, denn sämtliche Ergebnisse der kortikalen Rechenleistungen gelangen zu anderen Zellen und nicht zu kortikalen Gebieten im Gehirn oder Rückenmark.“ / 6/ Die Pyramidenzellen und deren Verbindungen machen nur einen geringen Bruchteil der Verkabelungen im Kortex aus, so Wicht. / 6/ . Daraus folgt: Hauptsächlich ist der Kortex mit sich selbst beschäftigt. Die Konsequenz daraus: „Damit schmort der Kortex sozusagen im eigenen Saft seiner selbst produzierten Informationen.“ / 6/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Ich kann dem anderen nichts verkaufen, er muss es sich selbst - über seine eigenen Informationen und Emotionen verkaufen. Und da jeder Mensch diesen Vorgang selbst veranlasst, gibt es auch keine Rationalität oder wirkliche Objektivität. Nur wie verkauft sich ein Kunde, zum Beispiel ein Einkäufer, selbst unser Produkt. Und das hoffentlich noch zu unseren Margenvorstellungen? „Weshalb manche Philosophen sogar glauben, dass das, was dabei herauskommt - unser Bild von der Welt nämlich - gar keine Spiegelung irgendeiner Wirklichkeit ist, sondern vielmehr ein reines Kopfprodukt.“ / 6/ Wicht bestätigt diese Aussagen. Fritz hat einen weiteren Gedankenblitz: „Nicht wie die Dinge wirklich sind, sondern wie sie in unserer Einstellung und Vorstellung sind, macht uns unzufrieden oder zufrieden.“ Epiktet Und daraus lässt sich schlussfolgern und am eigenen Verhalten bestätigen: Die Höhe des Preises ist nur eine Frage der persönlichen Wertvorstellung. Der Einkäufer hatte nur eine andere Art Wertvorstellung, rein emotional, und sein Verstand hat dann nachgerechnet und gesagt: Ist ja auch zu teuer. Der Antrieb aber kam nicht durch die mathematische Nachrechnung oder den bewussten Vergleich mit anderen Angeboten, die Gefühle haben das initiiert. <?page no="32"?> 2 Das zentrale Organ - das Gehirn 22 Der Hippocampus, zählt zu den am besten erforschten Strukturen im Kortex. Doch was macht der Hippocampus? Wicht erklärt das wie folgt: „Die Funktion eines Organs erschließt sich uns oft erst, wenn wir es verlieren. Einem Patienten wurde der Hippocamps chirurgisch entfernt, um epileptische Anfälle zu kurieren. „Die Epilepsie verschwand. Leider aber auch ein Teil des Merkvermögens. Zwar blieb alles Wissen, das er bis zur Operation erworben hatte, weitgehend erhalten, aber Neues konnte nicht mehr hinzugelernt werden.“ / 6/ „Der geschilderte Fall hat viel zu unserem Verständnis des menschlichen Gedächtnisses beigetragen. So wissen wir jetzt, dass es eine deklatorische [klar- oder feststellend; deutlich bezeichnend] und eine prozedurale [Das prozedurale Wissen muss immer schon auf das bereits vorhandene deklarative Wissen zurückgreifen. Prozedurales Wissen ist daher das praktisch nutzbare Wissen, welches oft in Gestalt unbewusster Verarbeitungsroutinen auftritt. Das prozedurale Wissen lässt sich in Lernprozesse und Anwendungsprozesse unterteilen.] Abteilung gibt: Deklatorisches Wissen lässt sich in Schrift, Sprache, Symbolen oder Zeichen niederlegen und bewusst abrufen. Es umfasst autobiografische Ereignisse (z. B.. Erfahrungen) sowie reines Faktenwissen (Zahlen, Daten, Fakten, Merkmale, Inhalte etc.). Das prozedurale Gedächtnis speichert dagegen Fertigkeiten wie Fahrradfahren, die uns oft gar nicht als Gelerntes bewusst sind. Der Patient des oben genannten Operationsfalles konnte zwar keine neuen deklarativen Gedächtnisinhalte abspeichern - d.h. der Hippocampus muss etwas damit zu tun haben - , bei prozeduralen Aufgaben wie Geschicklichkeitsspielen wurde er jedoch rasch immer besser. Nur merkte er das nicht, sondern behauptete stets, zum ersten Mal zu spielen. Das deklarative Gedächtnis ist zeitlich straff organisiert: Im Ultrakurzzeit- oder Arbeitsgedächtnis speichern wir nur wenige Sekunden lang aktuelle Bewusstseinsinhalte, also die Gegenwart.“ / 6/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Je mehr ich erzähle, umso mehr geht auch verloren, es bleibt ja nur für sehr kurze Zeit im Arbeitsgedächtnis. Das prozedurale Gedächtnis ist viel wichtiger, doch wie dort hingelangen? „Einzelergebnisse, die besonders eindrücklich waren, bleiben dauerhaft in Erinnerung.“ / 6/ Das sogenannten Langzeitgedächtnis, das prozedurale Gedächtnis. „Zwischen Arbeits- und Langzeitgedächtnis sitzt eine weitere Instanz: das Kurzzeitgedächtnis. Es reicht vom jeweiligen Jetzt Minuten bis Stunden in die Vergangenheit zurück und dient als eine Art Zwischenlager, das alle Gedächtnisinhalte durchlaufen, bevor sie in den Langzeitspeicher gelangen.“ / 6/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Ich muss in meinem Verkaufsgespräch das Kurzzeitgedächtnis sehr stark bedienen, um überhaupt in den Langzeitspeicher als eine dauerhaft bleibende Erinnerung zu wandern. Was passiert im Gehirn, wenn wir etwas bewusst wahrnehmen? Diese Frage versucht Christian Wolf zu beantworten. „Nicht alle Informationen, die aus der Umgebung auf uns einprasseln, erreichen unser Bewusstsein.“ / 6/ <?page no="33"?> 2.2 Wie wirklich ist die Wichtigkeit? 23 Fritz zu Paul: „Ja, genau das habe ich beim Einkäufer erlebt. Er hat gar nicht verstanden, wo wir besser sind, obwohl ich es ihm vorgerechnet, skizziert und sehr anschaulich dargestellt habe.“ „Gut, Fritz“, so Paul. „Dann heißt es für uns zu klären, weshalb nicht, und wie wir es in Zukunft anstellen, um mehr an Inhalten über das Kurzzeitgedächtnis in das Langzeitgedächtnis zu schaffen.“ Die Wissenschaftler sprechen von neuronalen Korrelaten [Eine Korrelation (vom mittellateinischen correlatio für „(die) Wechselbeziehung“) beschreibt eine Beziehung zwischen zwei oder mehreren Merkmalen, Ereignissen, Zuständen oder Funktionen. Zwischen Merkmalen, Ereignissen oder Zuständen braucht keine kausale Beziehung zu bestehen: Manche Elemente eines Systems beeinflussen sich gegenseitig nicht; oder es besteht eine stochastische (= vom Zufall beeinflusste) Beziehung zwischen ihnen. ] (entnommen wikipedia)“ „Damit sind jene Aktivitäten und Teilsysteme des Gehirns gemeint, die bewusstes Erleben erzeugen.“ / 6/ „Der präfortale Kortex liegt an der Stirnseite des Gehirns. Hier treffen bereits verarbeitete Sinnesinformationen aus anderen Hirnregionen ein und werden mit Gedächtnisinhalten und emotionalen Bewertungen verknüpft.“ / 6/ „Es ist wohl so, dass es Spannungsschwankungen unterschiedlicher Frequenzen gibt. Man spricht auch von frühzeitigen und kurzlebigen synchronisierten Schwingungen. Offen bleibt, ob dieses für sich schon das neuronale Korrelat des Bewusstseins darstellt - oder ob Bewusstsein erst aus anderen Prozessen erwächst.“ / 6 (gekürzt)/ Fritz und Paul sind sich einig. Bevor unsere Verkaufsargumente bewusst verarbeitet werden, wurden diese schon emotional bewertet. Das Ergebnis ist dann keinesfalls eine objektive Wahrnehmung mehr. Grund genug, mehr im Sinne der Hirnforschung zu verkaufen. Oder anders: Die Emotion regiert die Ratio. Aus der Praxis für die Praxis - Checklistenfrage Wie ist meine Wirkung im ersten Kontakt? Welche Fragen helfen mir zu erfahren, welche Lust mein Gegenüber mit dem Produkt/ der Dienstleistung/ der Lösung erleben will bzw. welche Unlust er vermeiden will? 2.2 Wie wirklich ist die Wichtigkeit? Hier ein kurzer Exkurs zum Thema Wahrnehmung. Fritz zu Paul setzen sich nochmals mit dem Phänomen der Emotion auseinander. Dazu betrachten sie folgendes Beispiel. / 16, S. 11/ „Man sieht ein vorbeifahrendes Auto. Diese Wahrnehmung wird auf verschiedenen Ebenen interpretiert: Achtung! Der Wagen fährt sehr dicht an mir vorbei. Ah, das neue XY-Modell! Diese Gedanken führen zu Emotionen: Furchtreaktion mit erhöhter Achtsamkeit Neugier, eventuell auch Begehren <?page no="34"?> 2 Das zentrale Organ - das Gehirn 24 Und daraus werden dann Absichten gebildet oder direkte Verhaltensimpulse erzeugt (und Verkäufer sollen Kunden ja zu Taten bewegen): Einen Schritt zurück auf den Bürgersteig machen. Planung eines neuen Autokaufs „Studien in den 1980er-Jahren von Robert Zajonc zeigten etwas Besonderes: Emotionen werden sehr viel schneller erzeugt als Kognitionen. Das heißt, wir fühlen erst, bevor wir denken. Im obigen Beispiel heißt das: Wir spüren die Gefahr, bevor wir sie konkret benennen können. Gefühle werden schneller erzeugt als Gedanken. Gefühle sind stabiler als Gedanken, denn die Wahrnehmungen und Bewertungen folgen dem Gefühl. Fazit: Unsere Gefühle steuern unser Verhalten. Das Verhalten eines Kunden ist die Aufgabe einer Bestellung. Diese ist ein Ergebnis seiner Gefühle. Lustgewinn bedeutet: positive Gefühle suchen, Unlustvermeidung heißt: negative Gefühle vermeiden. So einfach ist es. Welches Verhalten erzeugt welche Gefühle beim Anderen? Das ist die entscheide Frage für jeden Verkäufer. Aus der Praxis für die Praxis - Checklistenfrage Wie ist meine Haltung? Wie ist meine Sitzposition/ Sitzanordnung? Ist mein kommunikatives Verhalten auf Augenhöhe? 2.3 Was passiert im Gehirn, während wir uns unterhalten? Erleben Sie einmal, was bei uns im Gehirn passiert, wenn wir uns unterhalten. Verkauf ist Kommunikation. Im Verkauf geht es um Kommunikation. Schauen wir doch einmal, was in unserem Gehirn passiert, wenn wir miteinander sprechen. „Sagen Sie einmal, Paul, in einer Verhandlung sprechen wir ja miteinander. Ich sage etwas zum Einkäufer und der sagt etwas zu mir. Da muss doch auch etwas im Gehirn passieren, was uns möglicherweise schadet oder hilft“, so Fritz. „Ja, da passiert bestimmt etwas und irgendwelche Areale im Gehirn werden aktiviert und das hat sicherlich Einfluss auf den Hörenden. Und dieser interessiert uns ja am meisten, denn dort soll ja etwas in unserem Sinne passieren. Und wenn wir wissen, was wie passiert, dann können wir gegebenenfalls durch unsere Kommunikation Einfluss nehmen.“ „Wenn wir uns unterhalten, arbeitet das Gehirn auf Hochtouren. Es sorgt dafür, dass wir unserem Gegenüber zuhören und ihm blitzschnell antworten. Dabei stehen diverse Hirnregionen in engem Austausch, darunter Sprachareale, das Hörzentrum sowie Emotionszentren wie die Amygdala.“ / 5/ <?page no="35"?> 2.3 Was passiert im Gehirn, während wir uns unterhalten? 25 „Fritz, wenn wir wüssten, wie wir beim Gespräch auf das Gehirn des anderen wirken, also zum Beispiel beim ersten Kontakt, bei dem noch kein Wort gesprochen wurde! Wenn wir uns einfach nur sehen - also der erste Eindruck - dann haben wir einen Stellmechanismus, einen weiteren Hebel, den wir möglicherweise mehr psychologisch nutzen sollten. Wir müssten diese Faktoren der Wirkung kennenlernen“, so Paul. „Ja, das ist hilfreich für uns. Genauso wie wir auf den anderen wirken, so wirkt er ja auch auf uns. Bei uns entsteht ja auch etwas. Ob das vom anderen bewusst oder unbewusst angewendet wird, ist im Zweifel unerheblich. Wichtig ist zu lernen, was bei uns passiert und welche Folgen es auf unsere Verhandlungsqualität hat, oder Paul? “, so Fritz. „Klar, stimmt, Ja, es sind immer mindesten zwei Menschen an der Verhandlung beteiligt. Wenn wir also wissen, was wir beim anderen Positives oder Negatives bewirken und was schlecht für uns wirken könnte, dann haben wir einen großen Vorteil bei der Verhandlung“, so Paul. Schauen wir einmal weiter, was die Wissenschaft für uns bereithält. Aus der Abbildung 12 ergeben sich zwei Gesprächssituationen, die die Neurobiologie des Gehirns wie folgt beschreibt: „Zuhören: Beim Zuhören werden verschiedene Hirnbereiche aktiv, die die Bedeutung der Wörter und ihren emotionalen Kontext entschlüsseln. Wie neueste Studien zeigen, verarbeiten diese Regionen die Informationen nahezu zeitgleich und zwar schon etwa 100 bis 200 Millisekunden, nachdem ein Wort ausgesprochen wurde. Spezialisierte Sprachzentren liegen bei den meisten Rechtshändern in der linken Hirnhälfte, sind aber zur einfacheren grafischen Darstellung rechtsseitig eingezeichnet.“ / 5/ „Paul, für uns sind zwei Punkte wichtig.“. „Die Amygdala (unterhalb der Hirnrinde gelegen) registriert den emotionalen Unterton und leitet eine entsprechende Gefühlsreaktion ein.“ / 5/ „Fritz, was meinen Sie damit? “, so Paul. „Nun ja, mir fällt da eine Situation in meiner letzten Verkaufsverhandlung ein. Als ich unser Produkt vorstellte, kam sehr früh als Einwand vom Einkäufer, dass andere Anbieter das auch könnten, da wären wir nicht die Einzigen. In diesem Moment habe ich mich gefragt" ob er überhaupt verstanden hatte, was ich ihm gerade gesagt hatte. Wenn diese Gedanken meine dann darauffolgende Reaktion bzw. meine Aussage nur ein klein bisschen belastet haben, quasi einen Unterton erzeugt haben, und meine Gedanken sozusagen ohne Worte mit meiner kommunikativen Reaktion mitgeschwungen haben, dann könnte eine eher negative Emotion beim Einkäufer entstanden sein. Das wäre sicherlich ziemlich blöd für mich. Und wenn ich weiter nachdenke, erinnere ich mich an meine Gedanken, als der Typ „zu teuer“ sagte. Wenn er diese Gedanken auch mitgehört hat, na dann wäre das gar nicht gut“, so Fritz zu Paul. <?page no="36"?> 2 Das zentrale Organ - das Gehirn 26 Abb. 13a: Neurobiologie des Gesprächs: Abläufe beim Zuhören Abb. 13a: Neurobiologie des Gesprächs: Abläufe beim Zuhören Die Neurobiologie des Gesprächs Während wir uns unterhalten, arbeitet unser Gehirn auf Hochtouren. Es sorgt dafür, dass wir unserem Gegenüber zuhören und ihm blitzschnell entgegnen. Dabei stehen diverse Hirnregionen in engem Austausch, darunter Sprachareale und das Hörzentrum sowie emotionsverarbeitende Bereiche wie die Amygdala. TEXT: ANNA VON HOPFFGARTEN / GRAFIK: JAN NEUFFER 1. Der auditive Kortex erhält Schallinformationen vom Innenohr. 2. Die Amygdala registriert den emotionalen Unterton und bereitet den Körper auf eine entsprechende Reaktion vor. 3. Das Broca-Areal in der linken Gehirnhälfte verarbeitet Satzbau und Grammatik. 4. Das Wernicke-Areal (rot) in der linken Gehirnhälfte sorgt gemeinsam mit dem vorderen Temporallappen (türkis) dafür, dass wir das Gesprochene verstehen. 5. Der Frontallappen hilft dabei, die Bedeutung der Worte zu entschlüsseln, indem er sie mit Erinnerungen verknüpft. ZUHÖREN Beim Zuhören werden verschiedene Hirnareale aktiv, die die Bedeutung der Worte und den emotionalen Kontext entschlüsseln. Wie neueste Studien zeigen, verarbeiten diese Regionen die Informationen nahezu zeitgleich, und zwar etwa 100 bis 200 Millisekunden, nachdem das Wort ausgesprochen wurde. Spezialisierte Sprachzentren liegen bei den meisten Rechtshändern in der linken <?page no="37"?> 2.3 Was passiert im Gehirn, während wir uns unterhalten? 27 Abb. 13b: Neurobiologie des Gesprächs: Abläufe beim Sprechen QUELLEN: Carter, R.: The Brain Book. Dorling Kindersley Limited, London 2009 Pulvermüller, F. et al.: Understanding in an Instant: Neurophysiological Evidence for Mechanistic Language Circuits in the Brain. In: Brain & Language 110, S. 81 - 94, 2009 2. Das Wernicke-Areal ordnet den Worten die entsprechenden Laute zu. 3. Über einen dicken Nervenstrang gelangt der »Wort-Kode« ins Broca-Areal. Es gilt als motorisches Sprachzentrum und koordiniert die Bewegungen, die für das Sprechen notwendig sind. 4. Teile des motorischen Kortex senden die Bewegungsbefehle an Mund, Zunge und Kehlkopf. 5.Das Kleinhirn ist für das richtige Timing zuständig. Es koordiniert die Artikulation. 1. Der Temporallappen wählt die Worte aus einem Vorrat an Vokabeln aus. Sie sind im Gedächtnis gespeichert Erinnerungen verknüpft. SPRECHEN Schon etwa eine Viertelsekunde, bevor ein Wort die Lippen des Sprechers verlässt, bereitet sich das Gehirn auf das Gespräch vor. Nacheinander werden verschiedene Areale aktiv, die es dem Sprecher ermöglichen, die entsprechenden Worte zu artikulieren. Bei den meisten Rechtshändern liegen diese Sprachzentren in der linken Hirnhälfte. <?page no="38"?> 2 Das zentrale Organ - das Gehirn 28 „Der Frontallappen hilft dabei, die Bedeutung der Wörter zu entschlüsseln, indem er sie mit Erinnerungen verknüpft.“ / 5/ „Auch das ist für uns extrem kritisch. Da ich ja die Erinnerungen des Einkäufers nicht kenne, liege ich als mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 50 Prozent, wohl eher noch schlechter für mich, in einer für den Einkäufer kritischen Erinnerung“, so Fritz zu Paul. Fritz hat einen Gedankenblitz: Das heißt, dass das, was ich denke, und das, was ich sage, in jedem Fall für meinen Verhandlungserfolg sehr kritisch werden kann, wenn ich mir dessen nicht bewusst bin. Ich muss auf meine Faktoren der Wirkung achten und die Inhalte kennenlernen, die negative Gefühle beim anderen erzeugen. Ferner muss ich lernen, meine Gedanken unter Kontrolle zu bringen, und nur für den anderen positive Gedanken zulassen bzw. entstehen lassen. Schauen wir uns doch einmal unsere Seite an, wenn wir sprechen. „Sprechen: Schon rund eine Viertelsekunde, bevor ein Wort die Lippen des Sprechers verlässt, bereitet sich das Gehirn vor. Nacheinander werden verschiedene Areale aktiv, die es dem Sprechenden ermöglichen, die betreffenden Wörter zu artikulieren. Bei den meisten Rechtshändern liegen auch diese Sprachzentren in der linken Hirnhälfte.“ / 5/ „Fritz, Sie hatten Recht. Es ist wichtig, dass wir uns und den anderen parallel beobachten. Wie in der rechten Abbildung dargestellt, hat der Pkt. 1 einen großen Einfluss auf uns.“ „Der Temporallappen wählt die Wörter aus einem Vorrat an Vokabeln aus. Sie sind im Gedächtnis gespeichert und mit spezifischen Erinnerungen verknüpft.“ / 5/ Unser Gehirn erinnert sich an bestimmte Situationen und viele Situationen wiederholen sich eben in Verkaufsverhandlungen. Wir rufen ein Wort und einen Unterton ab, mit der entsprechenden Reaktion beim Zuhörer. Fritz hat einen Gedankenblitz: Eine Verkaufsverhandlung ist ja ein immerwährend gleicher Ablauf einer bestimmten Kommunikation. Es erinnert an ein Phasenmodell. Ich muss solange üben, bis ich die richtigen Gedanken und Formulierungen reflexartig abrufen kann. Aus der Praxis für die Praxis - Checklistenfrage In welcher Phase des Verkaufsgesprächs bin ich und welche Informationen benötige ich bzw. welche Zielsetzung verfolge ich? <?page no="39"?> 2.4 Handeln und Antrieb 29 2.4 Handeln und Antrieb Weshalb mache ich etwas? Weshalb verhält er/ sie sich so? Weshalb macht er/ sie gerade dieses oder sagt jenes? Diese Fragen hat man sich selbst sicher schon einmal gestellt. Hierum geht es jetzt. Sehr oft kommen diese Fragen auch von meinen Teilnehmern in den Verkaufstrainings. Ich finde es gut, dass solche Fragen gestellt werden. Doch das Stellen der Frage ist nur der bequemste kleine Schritt. Die Suche nach Antworten und das Befassen mit den gefundenen Antworten ist das, was am Ende einen Erfolgsbeitrag leistet. Fritz und Paul suchen nach Antworten für das Verhalten des Einkäufers. Denn, wenn sie diese Antworten seriös und objektiv beatwortet bekommen, dann können sie ihr Verhalten in einer Verkaufssituation verändern, um erfolgreicher zu sein. Selbst wenn die richtigen Antworten gefunden werden, kommt ja noch der entscheidende Schritt. Es heißt, sein eigenes Verhalten in Frage zu stellen, die Einsicht entstehen zu lassen, dass trotz aller Erfolge in der Vergangenheit einiges wohl doch schiefgelaufen ist. Schlimmer noch, wenn die Einsicht kommt, dass man vielleicht nur erfolgreich war, weil das eigene Unternehmen so gute Produkte/ Dienstleistungen/ Lösungen hat oder der Mitbewerber so schlecht ist. Jetzt heißt es nach vorne zu schauen und es eben noch besser oder anders als alle anderen zu machen. Und wer A sagt, darf auch B sagen. B wie besser machen. „Doch die eigenen Motive zu ergründen, ist leichter gesagt als getan. Denn wonach wir zu streben glauben, hat oft wenig mit unseren wahren Wünschen zu tun.“ / 2/ „Ob im Beruf oder im Privatleben, der Mensch liebt es, sich Pflichten aufzuerlegen, Masterpläne zu entwickeln und Zukunftsszenarien zu entwickeln. Nichts will er dem Zufall überlassen; dennoch in der Realität führt gerade der oft Regie. Für die oberste Richtschnur ihres Handelns halten viele von uns das hedonistische Prinzip: Vermeide das Schmerzliche, suche das Angenehme! Oder sind sie doch insgeheim auf Leistung, Macht und Anerkennung aus? “ / 2/ Das würde zu dem Verhalten des Einkäufers passen, das Fritz geschildert hat. Schmerzlich wäre für den Einkäufer, dass er sein Budget nicht einhalten kann. Das führt zu unangenehmen Gesprächen mit seinem Chef, möglicherweise zum Wegfall seines Bonis und sogar zur Schmach gegenüber seinen Kollegen, weil er es nicht geschafft hat die erforderlichen Einkaufsziele zu erreichen. Wenn er stattdessen das Gegenteil erreicht, also hart verhandelt, den Preis drückt. Dann erreicht er sein Budget, dann erntet er das Angenehme. Macht ja Sinn, dieses hedonistische Prinzip. Gleiches gilt übrigens auch für den Verkäufer. Im Bereich der Psychologie gibt es neben der Neuropsychologie eben auch den Bereich der Motivationspsychologie. Hier steht am Anfang die Frage: „Warum tut jemand das, was er tut? “ / 2/ Paul zu Fritz: „Wenn wir mit Hilfe der Motivationspsychologie herausfinden, weshalb ein Einkäufer sich so wie erlebt verhält oder weshalb bestimmte Anforderungen an ein Produkt oder an ein Budget geknüpft sind, dann können wir hier ansetzen.“ <?page no="40"?> 2 Das zentrale Organ - das Gehirn 30 „Ein echt großer und wirksamer Hebel“, so Fritz. „Mal ehrlich, haben wir diese Frage der Motivationspsychologie jemals berücksichtigt? Sei es im privaten oder im beruflichen Kontext? “ so Paul zu Fritz. „Nein“, antwortet Fritz. „Ich für meinen Teil habe, so wie auf dem Basar mein Angebot vorgetragen, die Argumente des anderen mit meinen Argumenten pariert und irgendwie haben wir uns dann geeinigt. Ich weiß noch nicht einmal, ob es noch eine bessere Einigung gegeben hätte.“ Die Antwort auf die allumfassende Frage der Motivationspsychologie ist leider nicht so einfach zu finden. Das macht es eben auch anspruchsvoller, sich mit den Erkenntnissen der Psychologie als Vehikel im Verkauf zu beschäftigen. Und die viel gewünschte Erfolgsgarantie gibt es leider nicht. „Klar ist: In jedem von uns schlummern viele Bedürfnisse, die auch oft noch zueinander in Konkurrenz stehen. Mal will der Kopf nicht das, was das Herz befiehlt und manchmal umgekehrt.“ / 2/ Seit jeher ist es eine Aufgabe der Psychologe, die Motive zu sammeln und aufzulisten. Luther Lee Bernhard (1881-1951) brachte es in den 1920er auf 14.000 Motive. / 2/ „Der Brite William Mc Dogall (1871-1938) begründete die heute fast vergessene „hormische Psychologie“ (von griechisch hormé = Drang, Antrieb). Er sprach neben Hunger, Furcht und dem Geschlechtstrieb auch vom Lachen, Wandern, Besitz, Wohlbehagen und von universellen Zielen. Sein Kollege Henry Alexander Murray Jr. (1893-1988) von der Harvard Universität in Boston (USA) erkannte exakt 20 Motive - darunter Leistungs- und Geltungsstreben sowie der Wunsch nach Anerkennung, Erkenntnis, Ausdauer und Dominanz.“ / 2/ „Alle Ansätze passen“, so Paul zu Fritz, „oder“? „Ja, das macht sicherlich Sinn“, so Fritz. „Irgendetwas muss uns ja steuern. Auch ist die Erkenntnis unangenehm, zu wissen, dass es etwas gibt, was uns steuert, das uns gar nicht so greifbar ist, bekannt oder bewusst ist“. Beide kommen ins Grübeln. Welche Mächte sind in uns. Das kann auch ins Auge gehen, wenn dieses Wissen in die falschen Hände gerät. Was wäre dann wohl auch mit uns möglich? Vielleicht sind das die Gedanken, die sich die Teilnehmer in meine Verkaufstrainings machen, wenn sie mit dieser nicht sichtbaren, messbaren, greifbaren Macht konfrontiert werden. Wir wollen eben diese Macht, das Unbewusste im Training erlebbar, und sichtbar und somit beobachtbar und begreifbar machen. Je mehr wir das Gegenüber verstehen, umso mehr können wir Einfluss auf ihn/ sie nehmen, um unsere Ziele zu erreichen. Und Einflussnahme, das ist das Thema im Verkauf. Jeder in seiner individuellen Wertewelt - jedes Unternehmen, jeder Verkäufer, jeder Einkäufer. Den meisten Lesern wird die Antriebspyramide des Psychologen Abraham Maslow (1908- 1970) bekannt sein. Umgangssprachlich auch die Bedürfnispyramide genannt. Er spricht von Defizitbedürfnissen und Wachstumsmotiven. „Nach Maslow müssen die niedrigen Triebe <?page no="41"?> 2.4 Handeln und Antrieb 31 gestillt sein, ehe die höheren zum Zuge kommen - analog zu Bertold Brechts Motto „Erst kommt das Fressen, dann die Moral“. Es gibt viele kritische Stimmen zu diesem Modell. Fritz schwant Übles. „Es ist wohl kaum möglich alles abzuarbeiten, herauszufinden und unseren Produktnutzen damit zu verbinden“, so Fritz zu Paul. Unbewusst orientiert sich Fritz mit dieser Bemerkung am Psychologen und Buchautor Heinz Heckhausen (Buch: Motivation und Handeln). „Allzu beliebig seien derartige Inventare. Warum nur 20 Motive und nicht 4, 40 oder 100? Lässt sich die Zahl der menschlichen Triebe überhaupt exakt bestimmen? “ / 2/ „Oh Gott, was kommt da auf uns zu. Jetzt haben wir die Büchse der Pandora geöffnet und können das Wissen noch nicht einmal handhaben. Soll ich dem Interessenten erst einen Fragebogen zu schicken? Wie soll das gehen? Und was machen die Kollegen im Telefonverkauf? Die haben ja noch weniger Zeit als ich, der mit dem Kunden im persönlichen Gespräch verhandelt“, so Fritz. Paul hat sich indes weiter mit dieser Thematik beschäftigt. Paul spricht von den „Big Three“. „Auf drei grundlegende Motive haben sich die Forscher mittlerweile geeinigt: Leistung (achivement), Macht (power) und Anschluss (affiliation). Sie bilden sozusagen den kleinsten gemeinsamen Nenner. Diese „Big Three“ der amerikanischen Psychologen David Mc Clelland und John Atkionson, gehen vor allem auf die drei evolutionär entstandenen Grundbedürfnisse zurück. Diese würden uns antreiben.“ / 2/ Fritz zu Paul. „Sind wir nicht etwas fortgeschrittener, als unsere Vorfahren oder die Nochvorgänger, die Tiere? “ „Und was heißt das überhaupt? Wie mache ich das jetzt? “, will Fritz wissen. Paul hat eine Idee. „Irgendwie müssen wir psychologisch kommunizieren. Der Machtmensch will dominant sein, d.h. ihm müssen wir sagen, er hat das Ruder in der Hand. Dem Leistungsmenschen, der sich selbst noch besser machen will, dem sagen wir, dass er mit unserem Produkt noch besser wird, und dem anschlussmotivierten Kunden sagen wir, dass er andere mit unseren Produkten glücklich machen kann. Du bist der Chef! Du bist gut! Ich mag Dich.“ So die drei Kernbotschaften, in Anlehnung an / 2/ Jetzt wird Fritz hektisch. „Wie mache ich das, so zu kommunizieren? Womit kommuniziere ich so? Ich brauche Werkzeuge, Werkzeuge“! Fritz wird ungeduldig. Paul versucht zu beruhigen. „Fritz, wir waren uns einig, dass wir erst den Mensch verstehen müssen, also eine Art Strategie brauchen, wie ich mit Menschen umgehe? Und dann stellen wir uns erst die Frage nach den Maßnahmen - womit, also den Werkzeugen, möglicherweise mittels kommunikativer Werkzeuge. Das war die vereinbarte Reihenfolge. Denken Sie an ihre verhauene Mathematikklausur. Die konnten Sie wiederholen, dass kostet nur Ihre Zeit. Hier geht es um die Vermarktung des Biokunststoffes, einem sehr wichtigen Produkt unseres Hauses. Hier hängen viele andere Menschen dran, da sollten wir schon etwas seriöser vorgehen und uns nicht nur von blindem Werkzeugaktivismus beherrschen lassen“. <?page no="42"?> 2 Das zentrale Organ - das Gehirn 32 Fritz hat einen Gedankenblitz: „Nichts ändert sich, außer ich ändere mich“. [Natürlich nicht gemein im ganzheitlichen philosophischen Sinne, sondern bezogen auf sein Verhalten. Wenn er zukünftig mehr psychologisch als logisch verkauft, dann hat er mehr Erfolg.] „Nach Aussage des Psychologen Heinz-Dieter Schmalt von der Universität Wuppertal bildeten sich diese „Big Three“ evolutionär, weshalb sie auch bei anderen Säugetieren in ähnlicher Form zu finden sind. Hier dreht es sich ebenfalls um Macht, Leistung und Nähe. Diese gelten zudem als implizite Motive, die nicht unmittelbar an Bewusstsein gebunden sind, weshalb sie noch vor dem individuellen Spracherwerb im stammesgeschichtlich alten Teilen des Gehirns entstehen. Diese steuern vor allem unsere Gefühlsreaktionen, weshalb implizite Motive besonders emotional getönt sind. So ist das Machtmotiv mit dem Gefühl der Stärke verknüpft und das Leistungsmotiv mit Stolz.“ / 2/ Paul merkt wie Fritz sich innerlich windet. Und tatsächlich, es dauert nur kurz und Fritz fragt Paul, ob dieser jetzt tatsächlich Menschen und die anderen Säugetiere in einem Bezug bringen will. Was haben denn andere Säugetiere mit dem Verhalten des Einkäufers zu tun? Paul lenkt die Aufmerksamkeit von Fritz auf den folgenden Zusammenhang: Abb. 14: Evolutionsgeschichte Dinosaurier kamen vor ca. 700 Mio. Jahren, die Mammuts vor 65 Mio. Jahren, während der moderne Mensch in letzten 40.000 Jahren dazukam. Wird die Entwicklungsdauer des Lebens auf der Erde auf ein Jahr projeziert, sind das gerade die letzten 5 Minuten. „Fritz, wir können es ignorieren oder auch verdammen und für unglaubwürdig erachten. Es ist ein Fakt, den es zumindest zu berücksichtigen gilt, oder? “, so Paul. Ja, liebe Leserin, lieber Leser, es ist schwer einzugestehen, doch im Verlaufe dieses Buches werden wir es immer wieder antreffen. Es macht Sinn sich damit zu beschäftigen. Neben den impliziten Motiven unterscheiden die Psychologen auch die expliziten Motive, d.h. es entsteht ein komplexer Motiv-Mix bei den Menschen. Nach dem Motivationspsychologen Falko Rheinberg, eben das motivationale Selbstbild einer Person. „Neben Sozialisationseinflüssen, eigenen Einschätzungen, Bewertungen und Wünschen wichtiger Bezugsper- <?page no="43"?> 2.4 Handeln und Antrieb 33 sonen sowie kulturellen Normen bilden sich alle die expliziten Bedürfnisse. Dazu kommen fremde Erwartungen, strategische Absichten und eigene Wünsche (natürlich haben auch sie oft mit Leistung, Macht und Nähe zu tun). Es gibt drei tiefverwurzelte Grundmotive und unendlich viele darauf aufbauende.“ / 2/ „Spannend ist, dass implizite und explizite Motive kaum miteinander korrelieren (in Wechselbeziehung zu einander stehen, sich bedingen). Das heißt: Was wir zu wollen glauben, ist oft nicht das, was uns im Innersten bewegt“. So bewiesen bereits 1992 vom Psychologen William D. Spangler. / 2/ Fritz zu Paul. „Jetzt wird es aber immer abstrakter. Erst orientieren wir uns an anderen Säugetieren und jetzt glauben die Forscher zu wissen, was wir selbst als Person nicht wissen“. Für Fritz sei der Vollständigkeit auf die beiden Verfahren: TAT, Thematischer Apperzepionstest (siehe Def. 1) und die Priming-Experimente (siehe Def. 2) verwiesen. Siehe / 2/ . Wichtig für uns ist im Umgang mit Menschen, wenn wir deren Handlungen, so wie beispielsweise in der Rolle von Fritz, für uns beeinflussen wollen, dass wir der Ansicht des Psychologen John A. Bargh folgen. Er sagt: „ Unbewusst registrierte Reize haben große Macht über uns. Sie beeinflussen unser Denken und Handeln ähnlich stark wie bewusst gefasste Entschlüsse.“ / 2/ Fritz hat einen Gedankenblitz: „Das Unbewusste registriert alles. Wir schließen von kleinen Dingen auf große Dinge.“ Es könnte also sein, dass dem Einkäufer eine unbewusste Stimme gesagt hat, dass wir zu teuer sind. Bewiesen hat er es sich dann im Vergleich zu anderen Angeboten, obwohl diese ja nicht vergleichbar sind. Und ebenso hat in anderen Fällen eine innere Stimme unseren Kunden gesagt, das ist uns etwas mehr PREIS-wert.“ „Uns ist längst nicht immer bewusst, welche Motive uns leiten.“ / 2/ Erschwerend kommt hinzu, dass die Motivationspsychologen noch in zwei weitere Arten von Zielen: Annäherungs- und Vermeidungsziele unterscheiden. Erstere sind positiv besetzt, d.h. lösen positive Gedanken und Fantasien aus. Bei Vermeidungszielen hingegen steht das Abwenden im Vordergrund.“ / 2/ „Das ist ja klasse“, so Fritz zu Paul. „Jetzt müsste ich nur meinen Produktnutzen mit den Annäherungszielen und Vermeidungszielen mit den Produkten des Mitbewerbers in Verbindung bringen, und die Sache wäre geritzt. Schon eine klasse Idee, das mit der Psychologie. Und wie geht das? “ „Das wird meine Aufgabe sein, einen solchen Trainer zu finden, wenn das alles stimmt. Und zwar einen, der sich nicht in Methoden verstrickt, sondern der nachweisen kann, dass er die Psychologie als Vehikel nutzt, und damit uns wirkungsvoller und wirtschaftlicher macht, wenn wir sein Wissen anwenden.“ Aus der Praxis für die Praxis - Checklistenfrage Ist meine Nutzenargumentation kundenorientiert? Befriedigt mein Nutzen die Entscheidungsmotive meines Gegenübers? <?page no="44"?> 2 Das zentrale Organ - das Gehirn 34 2.5 Weshalb kaufen wir etwas? Lassen Sie uns einmal schauen, weshalb Menschen kaufen. „Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts verfügten Händler und Marketingexperten über zwei Methoden, um die Wirksamkeit ihrer Bemühungen zu überprüfen. Einerseits konnten sie den Abverkauf verfolgen. Was kaufen die Leute und was kann man aus ihrem Kaufverhalten ableiten? Ich nenne das den Blickwinkel des Kassierers. Das Problem besteht darin, dass man auf diese Weise eine Bestätigung dafür bekommt, welche Produkte erfolgreich sind und welche Ladenhüter sind, man weiß aber nicht, warum das so ist.“ / 18/ Übrigens eine gern verwendete Methode von Vertriebsverantwortlichen. Es ist scheinbar so einfach. „Die zweite Methode, mit der die herkömmliche Marktforschung Informationen sammelt, besteht darin, Fragen zu stellen. Egal, wo man die Menschen trifft, in der Regel stimmen die Angaben nicht mit dem wirklichen Handeln überein. Das bedeutet nicht, dass die Erhebungsmethode nicht funktioniert, sondern nur, dass ihr Aussagewert begrenzt ist.“ / 18/ Alle Daten stellen nur ein Ergebnis dar. Wie das Ergebnis beim Menschen entstanden ist, darüber wird keine Aussage gemacht. Da sind sich Fritz und Paul einig. Diese beiden Methoden eignen sich nur zum Sammeln von Daten, nicht um eine Kausalität zum Entscheidungsverhalten herzustellen. Und genau das ist ja ihr Ziel. Die Zielfrage lautete: Warum werden Menschen von bestimmten Waren mehr angezogen als von anderen? Für Fritz und Paul ergibt sich daher ein Dilemma. Es nutzt nichts, die Verbraucher zu befragen, da auch die Antwort ja nur ein Ergebnis aus einem innermenschlichen Prozess ist. Und genau der ist ja unbewusst; er wird erst am Ergebnis bewusst. „Neuromarketing, diese faszinierende Verbindung von Marketing und Wissenschaft, die das Fenster zum menschlichen Gehirn darstellt, auf das wir lange gewartet haben. Neuromarketing ist der Schlüssel zu dem, was ich als Buyology [den Kaufauslöser in unserem Gehirn] bezeichne: die unbewussten Gedanken, Gefühle und Wünsche, die alle Kaufentscheidungen bestimmen, die wir täglich treffen“, so Martin Lindstrom. / 18/ Fritz und Paul gehen auf ihrer Suche einen anderen, jedoch konzeptionell vergleichbaren Weg. Wurde bisher die Neuroökonomie befragt, ist es nun das Neuromarketing. Bisher bestand nur die Möglichkeit zu befragen oder zu beobachten. Durch die neuen bildgebenden Verfahren gelingt es im Neuromarketing, ein umfassenderes Verständnis für Gedanken, Gefühle, Motive, Bedürfnisse und Wünsche von Verbrauchern zu erlangen. „ … begrenzt nur durch das mangelhafte Verständnis des menschlichen Gehirns.“ / 18/ Das sind aktuell die Grenzen. Aktuell, mal sehe, was noch kommt! „Aber glücklicherweise verstehen wir immer besser, wie unser Unterbewusstsein unser Verhalten steuert.“ / 18/ <?page no="45"?> 2.5 Weshalb kaufen wir etwas? 35 Ein Exkurs: Die größte bisher durchgeführte Neuromarketing-Studie und was wir daraus ableiten können. „Mir fiel schon seit langem auf, dass die deutlichen Warnhinweise auf Zigarettenschachteln - wenn überhaupt - nur eine geringe Wirkung auf Raucher hatten. Rauchen verursacht tödlichen Lungenkrebs und weitere Krankheiten. Man sollte annehmen, dass derart drastische Darstellungen die meisten Raucher abschrecken würden. Wieso aber rauchten die Konsumenten 2006 noch immer - trotz des weltweiten Verbots von Tabakwerbung, häufig eindringlicher Gesundheitswarnungen von Ärzten und massiven staatlichen Ausgaben für Nichtraucherkampagnen - 5763 Milliarden Zigaretten. Das ergibt keinen rationalen Sinn! Übersehen Raucher gekonnt alle Warnhinweise? Sind sie der festen Überzeugung, dass es sie nicht treffen wird. Handelt es sich um einen Akt unerhörter Tollkühnheit? Halten sich Raucher im Stillen für unsterblich? Sind sie sich der Gefahren bewusst, verdrängen aber den Gedanken daran? Genau das war das Ziel der Studie. Mit Hilfe der Magnetresonanztomographie sollten diese Fragen beantwortet werden. Die gesamte Studie war 25mal so umfangreich wie jede andere bisher durchgeführte Neuromarketing-Erhebung. Mithilfe der neuesten wissenschaftlichen Methoden zeigte sie, wie Branding und Marketingbotschaften das menschliche Gehirn beeinflussen, wie unser wahres Ich auf einer Ebene, die viel tiefer angesiedelt ist als unser Bewusstsein, auf Stimuli reagiert und wie unser Unterbewusstsein unser Verhalten steuert (häufig auf ganz andere Weise als wir denken). Dr. Gemma Galvert, Professorin für Neuroimaging an der University of Warwick und Gründerin der Neurosense in Oxford, erläuterte das Ergebnis wie folgt: Die Warnhinweise vorn, hinten und auf den Seiten der Verpackung unterdrücken das Verlangen der Raucher auf eine Zigarette überhaupt nicht. Alle Warnhinweise aktivierten ein Areal im Gehirn, welches man als Nucleus accumbens bezeichnet oder auch Suchtzentrum. Diese Hirnregion ist ein neuronales Netz, das aktiv reagiert, wenn der Körper ein unbezwingbares Verhalten nach etwas hat - sei es Alkohol, Drogen, Tabak, Sex oder Glücksspiel. Wird der Nucleus accumbens stimuliert, fordert er immer höhere Dosen zu seiner Befriedigung.“ / 18/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Ich muss durch meine Verkaufskommunikation die Sucht nach meinen Produkt beim anderen im Nucleus accumbus aktivieren. Auch Paul hat einen Gedankenblitz: „So erklärt sich womöglich auch die Beständigkeit von Bestandskunden, bis irgendwann ein Marktbegleiter eine neue Sucht aktiviert. Wir benötigen also in jeder Kundenkontaktsituation eine Abhängigkeitsanalyse für unser Produkt.“ „Die meisten Raucher kreuzen auf dem Fragebogen an, dass die Warnhinweise wirken. Dr. Galvert kam zu dem Schluss, dass das Suchtzentrum ihres Gehirns stimuliert wurde, das Bewusstsein konnte das aber nicht erkennen. Es gibt also unbewusste Kräfte, die unsere Interessen stimulieren und uns letztendlich dazu bringen, Geld auszugeben. Aber ob es uns gefällt oder nicht, wir alle verhalten uns laufend auf eine Weise, für die es keine eindeutige logische Erklärung gibt. In 85 Prozent der Zeit wird unser Gehirn von einer Art Autopilot gesteuert.“ / 18/ Fritz zu Paul: „Wenn wir diesen Autopiloten anzapfen könnten, dann wären wir am Steuer.“ <?page no="46"?> 2 Das zentrale Organ - das Gehirn 36 „Auch Wirtschaftswissenschafter möchten verstehen lernen, wie wir Entscheidungen treffen und was unser Verhalten bestimmt. Die ökonomische Modelltheorie ist ziemlich ausgeklügelt, aber sie stößt an ihre Grenzen wie die Werbung. Die Finanz- und Wirtschaftsforschung steht vor einer Mauer, erläutert Andrew Lo, der den Hedgefonds-Anbieter (siehe Def. 3) AlphaSimplex in Cambridge, Massaschusetts, leitet. Wir müssen den Leuten wirklich ins Gehirn schauen, um zu sehen, wie sie ihre Entscheidungen treffen. Genau wie die Marktforschung basieren auch mikro- und makroökonomische Modelle auf der Annahme, dass sich Menschen vorhersehbar und rational verhalten. Aber auch in diesem Zusammenhang deutent erste Gehirnscans darauf hin, dass Emotionen beträchtliche Auswirkungen auf unsere Entscheidungen haben. Daher rührt das Interesse an der Neuroökonomie, zu der auch Untersuchungen gehören, wie das Gehirn Finanzentscheidungen trifft. Der größte Teil des Gehirns ist mit automatischen Prozessen beschäftigt, nicht mit bewusstem Denken. Es geschieht viel Emotionales, wenig Kognitives, so Georg Loewenstein von der Carnegie Mellon University.“ / 18/ „Was die dann für die Biologie ist, das sind die Spiegelneuronen für die Psychologie. Spiegelneuronen sind Neuronen, die aktiv werden, wenn eine Handlung ausgeführt wird oder die gleiche Handlung beobachtet wird. Sie sind dafür verantwortlich, dass wir häufig unbewusst das Verhalten anderer Menschen nachahmen. Man findet sie unterhalb des frontalen Kortex und des oberen Parietalläppchens. Spiegelneuronen sind auch für das Einfühlungsvermögen verantwortlich. Sie senden Signale an das limbische System, die emotionale Region unseres Gehirns. Unsere Spiegelneuronen sagen uns, dass wir uns mit etwas gut fühlen, sie sind stärker als das rationale Denken und bringen Menschen dazu, unbewusst zu imitieren, was sie sehen, und entsprechend einzukaufen.“ / 18/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Wenn ich es also schaffe, die Vorstellung so aktiv beim anderen mit meinem Produkt und den daraus für ihn abgeleiteten Vorteilen entstehen zu lassen, dann ist das wie, wenn er vor einem Schaufenster steht, etwas sieht und sich bereits vorstellt, das Produkt zu haben. Die Spiegelneuronen machen dann den Rest. Die Spiegelneuronen sind nicht alleine tätig. Häufig arbeiten sie mit dem Dopamin zusammen, der Chemikalie des Vergnügens in unserem Gehirn. Dopamin ist eine der am stärksten suchterzeugenden Substanzen, die wir kennen, und Einkaufsentscheidungen werden zumindest teilweise durch ihre verführerische Wirkung gesteuert. Wenn wir uns entscheiden, etwas zu kaufen, bewirken die Gehirnzellen, die Dopamin freisetzten, eine Menge guter Gefühle, und der Dopaminanstieg nährt unseren Instinkt, mit dem Kaufen weiterzumachen - selbst wenn unser Verstand sagt, dass wir genug haben. Professor David Laibson, Wirtschaftswissenschaftler an der Harvard University, formuliert es so: „Unser emotionales Gehirn möchte den Überziehungskredit voll ausnutzen, während unser logisches Gehirn weiß, dass wir für unsere Rente sparen sollten. Ob Sie es glauben oder nicht, dieses Phänomen lässt sich auf unseren Urinstinkt zurückführen, der unser Überleben sichert.“ / 18/ Dr. Susan Brookheimer von der Universität von Kalifornien in Los Angeles erklärt: Die Dopaminausschüttung im Gehirn nimmt in Erwartung zahlreicher Arten von Belohnung zu, <?page no="47"?> 2.5 Weshalb kaufen wir etwas? 37 von der mit Glücksspiel verbundenen über die monetäre bis hin zur sozialen Belohnung. Das heißt, dieses plötzliche Vergnügen, das wir empfinden, ehe wir uns etwas kaufen, kann unsere Chancen auf Fortpflanzung erhöhen und uns für den Überlebenskampf vorbereiten. Wieso? Weil wir bewusst oder unbewusst Einkäufe so wählen, dass sie möglichst unseren sozialen Status erhöhen - und dieser Status hängt mit der erfolgreichen Fortpflanzung zusammen. Wissenschaftler haben festgestellt, dass eine Region im Stirnlappenkortex, die man als Brodmann-Areal 10 bezeichnet, aktiviert wird, wenn wir Produkte erblicken, die wir echt cool finden. Das hängt mit Selbstwahrnehmung und sozialen Emotionen zusammen.“ / 18/ Fritz zu Paul „Da war doch noch was mit den somantischen Markern, was hat es denn damit auf sich? “ So eine Art innerer unbewusster Dialog spielt sich bei uns im Kopf ab, wenn wir eine Wahl treffen, z. B. beim Kauf im Supermarkt, wenn wir uns dann für ein Produkt aus dem umfangreichen Angebot entscheiden. „Bewusst wird er uns nur, wenn wir ihn laut äußern, was so gut wie nie passiert. Unser Gehirn hat eine ganze Reihe von gedanklichen Abkürzungen geschaffen, die uns helfen, schnelle Kaufentscheidungen zu treffen. Unser Bauchgefühl sagt uns, dass wir die richtige Wahl getroffen haben. Wenn Sie nach dem Entscheidungsprozess oder dem -grund gefragt werden, dann lautet die Antwort vermutlich: Instinkt. Oder Sie finden irgendeine rationale Erklärung oder einen persönlichkeitsorientierten Grund, keinen besonderen Grund oder Instinkt. Oder es hat Ihnen einfach gut gefallen. Aber die wahren Beweggründe waren eine Fülle von lebenslangen Assoziationen - einige positiv, andere negativ -, die Ihnen gar nicht bewusst sind. Wenn wir eine Kaufentscheidung treffen, dann sichtet unser Gehirn blitzschnell eine riesige Menge an Erinnerungen*, Fakten* und Gefühlen und formt daraus eine rasche Antwort - binnen Sekunden wird auf diese Weise bestimmt, was wir in den Einkaufskorb legen oder nicht, bzw. was gekauft wird.“ (*Erinnerungen und auch die Fakten sind auf die eben beschriebene Weise erfolgt. Auch dieses ist das Ergebnis des eben beschriebenen unterbewussten Vorgangs.) / 18/ Ein Exkurs: „ … über 50 Prozent unserer Kaufentscheidungen werden spontan getroffen - das heißt unbewusst. Diese Fähigkeit verdanken wir den in unserem Gehirn entstandenen Abkürzungen: den somantischen Markern.“ / 18/ Klar ist auch, dass im B2B-Bereich der Einkäufer wohl etwas mehr mit dem Verstand agiert, als wenn er selbst im Supermarkt einkaufen geht und die Marken und Produktpräsentationen bei ihm den unbewussten Dialog aktivieren und er sich eben für ein bestimmtes Produkt entscheidet, obwohl es noch mehr Alternativen gibt. Alternativen zumindest im Preis. Und ob er im Supermarkt alle verfügbaren Informationen zu den bevorzugten Produktgattungen kennt und diese alle abrufbar und vergleichbar während des Einkaufs verwendet, ist wohl auch fraglich. Dennoch für uns im B2B-Verkauf sollten wir die Aussage über 50 Prozent Spontanentscheidungen, zumindest den zugrundliegenden Hebel, für uns nutzen. Beim B2C- Verkauf in jedem Fall. „Der griechische Philosoph Sokrates forderte einmal seinen Schüler Theaitetos auf, sich den menschlichen Geist wie eine Wachstafel vorzustellen, auf der alles, was wir wahrnehmen oder uns vorstellen, einen Abdruck hinterlässt. Laut Sokrates erinnern und wissen wir das, was im Wachs eingeprägt bleibt. Aber: Hat sich aber dieses verlöscht oder konnte gar nicht abgedruckt werden, so vergessen wir die Sache und wir wissen sie nicht mehr. Diese Meta- <?page no="48"?> 2 Das zentrale Organ - das Gehirn 38 pher ist derart einleuchtend und weit verbreitet, dass wir heute noch sagen, ein Erlebnis hinterlasse einen Eindruck.“ / 18/ Der Wissenschaftler Antonio Damasio hat die im Gehirn entstandene Gleichung aus Erlebnis, Erfahrung, Handlung, Ergebnis, Empfindungen, Konzepten (wer einmal sich am Herd die Hand verbrannt hat, hat eine solche Gleichung im Gehirn eingeritzt auf seiner Wachstafel) als sogenannte somantische Marker bezeichnet - eine Art Lesezeichen für den Schnellzugriff in unserem Gehirn. „Aufbauend auf früheren Erfahrungen mit Belohnung und Bestrafung sorgen diese Marker für eine Verbindung zwischen einem Erlebnis oder einem Gefühl mit einer bestimmten Reaktion.“ / 18/ Fritz zu Paul: „Das heißt doch, dass jedes Verhalten von mir in einem Verkaufsgespräch beim Gegenüber somantische Marker abruft. Jetzt heißt es nur, die nutzbaren zu aktivieren.“ Somantische Marker werden von Geburt an gebildet. Es sind Handlungsabläufe, wie z. B. etwas zu tun ist. Ohne somantische Marker können wir gar nichts. Es sind sozusagen Gewohnheiten oder eigene Handlungsstrategien. Alle, die etwas verkaufen wollen, sorgen aktiv für die Bildung von somantischen Markern bei uns im Gehirn. Darauf können Sie wetten und wir können nichts dagegen tun, dass diese gebildet werden. Wir bilden wiederrum somantische Marker, wenn ein bei uns passiv gebildeter somantischer Marker bei uns zu einer Kaufentscheidung führt. Das wäre dann ein aktiver, also durch uns selbst entstandener, somantischer Marker. Je nachdem, wie unsere Erfahrungen dann mit dieser Entscheidung waren, werden wir zukünftig mittels dieses aktiven somantischen Markers agieren, ganz unbewusst natürlich. Die somantischen Marker aktivieren dann bei uns Gefühle und die sind ja die Basis für die Entscheidung. Also selbst bei einem 25-Millionen-Euro- Investitionsgut geht es unterm Strich um Gefühle. Das Gefühl, was sich einstellt, wenn wir ein Produkt/ eine Dienstleistung/ eine Lösung sehen, fühlen, riechen, schmecken, mit einem Verkäufer sprechen, hat einen wesentlichen Einfluss auf unsere Kaufentscheidung. Fritz hat einen Gedankenblitz: Ich muss dafür sorgen, dass passive somantische Marker durch mich bei anderen aktiviert werden. Meine Verkaufsbemühungen müssen positive Gefühle durch den von mir initiierten eigenen unbewussten Dialog bei Kunden entstehen lassen. Das ist meine Aufgabe als Verkäufer: Aktiv Kaufentscheidungen herbeiführen. „Im Supermarkt bleibt den Produkten nur eine zwanzigstel Sekunde, bis der Kunde weitergeht. In dieser Zeitspanne wird entschieden.“ / 18/ Das ist sozusagen die aktive Verkaufszeit von Produkten in Regalen, wenn man es so sagen darf. Die Wirksamkeit von somantischen Markern hat also nur eine zwanzigstel Sekunde Zeit, die Kaufentscheidung zu steuern. Sonst sind unsere Blicke schon bei anderen Produkten oder beim Mitbewerb. Greif-, Blick- und Bückzonen bleiben hier jetzt einmal unberücksichtigt. „Gehirnscans zeigen, dass mehr positive Gefühle entstehen, wenn das Gehirn stärker involviert wird.“ / 18/ <?page no="49"?> 2.5 Weshalb kaufen wir etwas? 39 Fritz hat einen Gedankenblitz: Ich benötige ein kommunikatives Werkzeug dafür. Den Gesprächspartner in das Gespräch mehr mit einbeziehen und seine Vorstellung so gezielt steuern, so kann ich die passiven somantischen Marker eher aktivieren. „Neurowissenschaftler haben auch untersucht, auf welche Weise unser Gehirn entscheidet, wie viel wir bereit sind, für ein Produkt auszugeben. Wenn ein Testteilnehmer ein Angebot von einem Luxusartikel von Louis Vuitton oder Gucci zum vollen Preis sah, führte dies zu Aktivitäten in seinem Nucleus accumbus und dem anterioren cingulären Kortex, was zeigt, dass sich in das Vergnügen über die zu erwartende Belohnung die Bedenken über den hohen Preis mischten. Aber wenn die Verbraucher die gleichen Produkte erheblich günstiger sahen, nahmen die Bedenken schlagartig ab, während die Zeichen für eine erwartete Belohnung deutlich anstiegen. Im Rahmen einer ähnlichen Studie baten Forscher der Standford University und des California Institute of Technology 20 Freiwillige (der Versuch wird an anderer Stelle in einem anderen Kontext im Buch ebenfalls genutzt), den Genuss von verschieden teuren Weinen anhand einer Skala zu beurteilen, während eine funktionelle Magnetressonanztomographie durchgeführt wurde. Der Trick dabei: Ein Wein wurde zweimal präsentiert, einmal zum Normalpreis und ein weiteres Mal zu einem höheren Preis. Das Ergebnis? Als sie den Wein mit dem höheren Preisetikett tranken, ließen sich stärker Aktivitäten im medialen orbitofrontalen Kortex der Probanden beobachten, also in demjenigen Gehirnareal, in dem sich Genuss und Vergnügen manifestieren, was darauf hindeutet, dass ein höherer Preis eines Produktes unser Vergnügen an ihm erhöht. Antonio Rangel, Assistenzprofessor für Wirtschaftswissenschaften am California Institute of Technology, kam zu dem Schluss: Unsere Einkäufe bereiten uns Vergnügen … weil wir dafür bezahlt haben.“ / 18/ „Die vielleicht wichtigste Lektion, die das Neuromarketing Unternehmen lehrt, besteht darin, dass wir die meisten unserer Kaufentscheidungen durchaus nicht bewusst treffen. Unser Gehirn entscheidet und meistens bekommen wir gar nicht mit, was abläuft. Obwohl wir dabei sind, eine ganze Menge darüber zu lernen, wie unser Gehirn Kaufverhalten beeinflusst, gibt es für die Wissenschaftler noch viel zu entdecken. Es ist davon auszugehen, dass wir in Zukunft mehr Werbung sehen, die konkrete Ängste anspricht. Je größer der Stress ist, unter dem wir leiden, und je mehr Sorgen wir uns machen, umso stärker suchen wir nach Halt. Je mehr wir einen festen Halt suchen, umso mehr hängen wir vom Dopamin ab. Je höher der Dopaminstoß in unserem Gehirn, desto mehr wollen wir haben, und zwar ganz konkrete Dinge.“ / 18/ Fritz zu Paul: „Es schließt sich der Kreis auch aus der Sicht des Neuromarketings. Wir müssen verstehen, was unseren Gesprächspartner bewegt, und dann unsere Leistung so kommunizieren, dass der innere Dialog beim Kunden unbewusst zu dem Schluss führt, dass unsere Leistung seine Erfüllung sein wird.“ Paul: „Wo können wir das lernen? “ Fritz: „Da gibt es drei Buchstaben - IWP/ TUN! “ <?page no="50"?> 40 3 Psychologie Abb. 15: Ein MRT Bild - Gefahr, Geh da nicht hin, zu gefährlich. Die Insula feuert, eines der Zentren des Gehinrs für Schmerz und Ekel - So konnte in zwei Drittel der Fälle eine risikoärmere Option wählen. 3.1 Exkurs Psychologie Keine Angst, liebe Leserin/ lieber Leser, Sie sollen weder zum Hirnspezialisten noch zum Psychologen ausgebildet werden. Auch in diesem Kapitel geht es mir darum, Ihnen etwas mehr an meiner Ansicht nach wichtigem Hintergrundwissen zu liefern. Etwas psychologisches Rüstzeug sozusagen zu vermitteln. „Wieso Psychologie? “, fragt Fritz seinen Bereichsleiter Paul. Die Psychologie das ist doch Thema, wenn man einen Burnout hat oder wenn man mit sich selbst nicht im Reinen ist. „Ja, Fritz, das ist landläufig die Meinung.“ Wir haben für uns ja festgestellt, dass es um den Menschen geht - wie er sich verhält, wie er entscheidet etc. Die „Wissenschaft vom Erleben und Verhalten“ - so lautet die Beschreibung der Psychologie - befasst sich mit diesen Themen. Wir schauen einmal, ob wir Gemeinsamkeiten finden, die wir für unsere Aufgabenstellung nutzen können.“ „Als Geburtstag der Psychologie wird das Jahr 1879 datiert. Der Physiologe Wilhelm Wundt (1832-1920) errichtete an der Universität in Leipzig ein Labor mit dem Ziel, die Philosophie durch psychologische Forschung auf eine solide Grundlage zu stellen. Auch schon früher hatte man versucht, die Gesetze der Wahrnehmung empirisch zu erforschen. Gustav Theodor Feschner (1801-1887) hat die menschliche Sinnesempfindung in Zahlen und Formeln zu fassen versucht.“ / 2/ <?page no="51"?> 3.1 Exkurs Psychologie 41 Woher kommt die Rationalität? Hier könnte eine Antwort im Positivismus zu finden sein. Der Franzose Auguste Comtre (1798-1857) prägte eine philosophische Denkrichtung, derzufolge wissenschaftliche Erkenntnis nur nach den sichtbaren Fakten möglich sei. / 2/ Dieser Ansatz wurde gefestigt durch die Ingenieurs- und Naturwissenschaften und die daraus erfolgten technischen Erfindungen sowie die Evolutionslehre nach Charles Darwin (1809-1882). „Das Individuum als Störfaktor. / 2/ Bereits Wilhelm Wundt hatte bei seinen Experimenten bemerkt, dass verschiedene Personen Aufgaben durchaus unterschiedlich lösen. Er sah hier nur eine Störfunktion und es wurde keine weitere Aufmerksamkeit darauf verschwendet. Anders der Brite Francis Galton (1822-1911), ein Cousin Darwins. Galton interessierte sich mehr für die individuellen Differenzen zwischen den Menschen. Er suchte nach Messverfahren, um diesen individuellen Differenzen empirisch auf den Grund zu gehen. Viele weitere Kollegen und Schüler um Wundt folgten 1883 diesem Beispiel. „Galton gilt heute als Schöpfer des Begriffs: Test.“ / 2/ Es folgten eine Vielzahl von Apparaturen, um die Fragen des Lebens zu beantworten. Wie wirkt dieses und jenes? Diese sogenannte angewandte Psychologie nach dem Hamburger Psychologen Wilhelm Stern (1871-1938) prägte die Arbeit der Psychologie mit den Fragestellungen aus den Alltagsproblemen der aufstrebenden Industriegesellschaften. / 2/ In den USA wurde der Begriff Behaviorismus geprägt. „Die Lehre der Psychologie ab Mitte des 20. Jahrhunderts, hierbei galt alleine das sichtbare Verhalten von Mensch und Tier als erforschbar, nicht aber die Prozesse in der Black Box - einem wissenschaftlich prinzipiell unzugänglichen Bereich.“ / 2/ Die beiden Amerikaner John B. Watson (1878-1958) und Fredric Skimmer (1904-1990), die beiden Vertreter diese Schule, verzichteten auf jegliche Spekulation nicht beobachtbaren Verhaltens. Alles was sich im Kopf abspielte, war die „Black Box“. Diese Vorgehensweise rief etliche Kritiker auf den Plan, die der Meinung waren, dass mit Konditionierungsexperimenten das Seelenleben nicht abschließend beschrieben werden könne. „Modelle über innere Prozesse wie Einstellung, Vorurteile und Motivation eröffneten häufig tiefere Einsichten, die über die üblichen bloßen Reiz-Reaktions-Muster-Modelle hinausgingen.“ / 2/ Die sogenannte „kognitive Wende“ ergründete diese „Black Box“. Mittels überprüfbarer Theorien sollte es gelingen, der menschlichen Informationsverarbeitung auf die Spur zu kommen. Die Neuropsychologie ermöglicht es aufgrund der bildgebenden Technologien, das Gehirn und sein subjektives Erleben und die damit zusammenhängenden Hirnprozesse miteinander in Verbindung zu bringen. <?page no="52"?> 3 Psychologie 42 „Die Suche nach dem menschlichen Verhalten dominiert die Psychologie.“ / 2/ „Das ist ja richtig spannend“, so Fritz zu Paul. „Man stelle sich einmal vor, wir hätten dieses Wissen, und könnten unser Verhalten danach ausrichten. Welche Möglichkeiten hier entstehen.“. Paul ergänzt: „Und wenn wir jetzt noch verstehen würden, weshalb der Einkäufer sagt, das würden andere auch können bzw. wir seien zu teuer. Und wenn wir dann psychologisch richtig reagierten, würde uns das unendliche Möglichkeiten bieten.“ „Und Paul, besser wäre noch im Vorfeld, sich psychologisch so richtig zu verhalten, dass der Einkäufer erst gar nicht wie beschrieben reagieren kann. Das erst wäre grandios“, so Fritz. 3.2 Die Psyche erforschen „Menschen sagen oft das eine, tun aber das andere. Solche Beispiele lehren uns, lieber einmal abzuwarten und zu schauen, ob die Selbstbeschreibung der Menschen in unserer Umgebung auch wirklich zutrifft. Psychologen suchen seit Langem nach Wegen, um die wahren Eigenschaften von Menschen zu entschlüsseln. Der Grundgedanke dahinter: Wenn wir uns selbst nicht adäquat beschreiben können (oder wollen), wie wir sind, dann könnte unser Verhalten auf andere Weise darüber Auskunft geben. Bereits Sigmund Freud vertrat die Ansicht, dass psychologische Merkmale immer zwei Ebenen umfassen, eine bewusste und eine unbewusste.“ / 13/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Wir wirken über die Wirkungsfaktoren, und diese entstehen durch unsere Persönlichkeit. So zeigt sich im Verhalten die Persönlichkeit. Jede Persönlichkeit hat Motive. Über die Kette ist es möglich, eine motivorientierte Kommunikation für unser Produkt zu ermöglichen. „Auf Grund unseres Gesundheitsbewusstseins planen wir beispielsweise, künftig weniger Süßigkeiten zu essen. Diesen Vorsatz mögen wir dann auch meist treu sein - aber längst nicht immer. Schuld daran ist der Theorie zufolge die unbewusste Ebene. Auf ihr drängen sich zuweilen andere Bedürfnisse als in unsere Gedanken. Wir kennen sie zwar nicht, dennoch lenken sie unser Verhalten. Der dazu genutzte Test ist ein Verfahren, bei dem der Annahme zur Folge unbewusste Annahmen sich in der Schnelligkeit niederschlagen, mit der wir auf bestimmte Weise reagieren. Der wohl bekannteste Test ist der IAT-Test (siehe Def. 4) / 13, S. 8/ ). Zu diesem Test gibt es die kontroversesten Meinungen, d.h. er ist nicht ohne Kritik. Ein weiterer Test ist der AMP-Test (siehe Def. 5) (/ 13, S. 9/ ). Dieser erfasst keine Reaktionszeiten, sondern die Bedeutung und Bewertung, die Menschen mit bestimmten Objekten und Ereignissen verbinden. Entscheidend ist, dass die jeweilige Methode unbewusst wahrgenommen wird.“ / 13/ Fritz zu Paul: „Das Unterbewusstsein steuert unser Verhalten - da scheint etwas daran zu sein. Weshalb würden sich sonst so viele Forscher rund um den Globus mit diesem Thema auseinandersetzen.“ „Grund genug für uns, diese Forschung für uns zu nutzen“, so Paul. <?page no="53"?> 3.2 Die Psyche erforschen 43 Ein weiteres spannendes Thema ist die Seelenkunde. „Als Geburtsstunde der wissenschaftlichen Seelenkunde gilt die Gründung des weltweit ersten psychologischen Labors an der Universität in Leipzig 1879. Sein Leiter Wilhelm Wundt (1832-1920) war wie die meisten frühen Psychologen von Hause aus Philosoph. Mittels geistiger Innenschau oder Introspektion (vom lateinischen: introspectare = hineinblicken, intro= innen, spectare = betrachten) versuchte er die grundlegenden geistigen Funktionen des Menschen exakt zu beschreiben und zu analysieren.“ / 13/ „Mensch Paul, quasi der erste Verkäufer! " so Fritz. „Die Entstehung der Gedanken zu verstehen … und dann mit der Argumentation das Produkt anpassen - welche Chancen sich für uns ergeben.“ Auch wenn diese Messwerte aus den Forschungen von Wundt nur sehr bedingt waren und diese Selbstberichte von Menschen kritisch hinterfragt wurden und die Frage gestellt wurde, ob sie denn ein probates Mittel der psychologischen Forschung seien - so gibt es doch etwas wie eine „unbewusste Einflüsterung“ (/ 13, S. 14/ ). „Spielt man Probanden beispielsweise Tonfolgen über Kopfhörer vor und bittet sie gleichzeitig, ihre Aufmerksamkeit auf eine Stimme zu richten, die auf einem anderen Audiokanal erklingt, so dringen die Töne gar nicht erst ins Bewusstsein. In einem nachfolgenden Test erscheinen den Teilnehmern die unterschwellig präsentierten Töne folglich ebenso unbekannt wie andere, erstmals gehörte. Allerdings finden sie an den ersteren im Schritt deutlich mehr Gefallen - sie sind mit ihnen offenbar vertraut, ohne es zu bemerken. Etliche Varianten solcher sogenannten Priming-Experimente (von engl. to prime = vorbereiten, bahnen) zeigen, dass subtile Reize unseren Urteilsprozess beeinflussen können, ohne das uns dies bewusst wird.“ / 13/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Wenn ich durch dieses Priming positiven Einfluss auf den rationalen Urteilsprozess nehmen kann, dann ist das wie, wenn ich in die Rolle des Unterbewusstseins des Gesprächspartners schlüpfe und die inneren unsichtbaren Fäden für sein Verhalten ziehe. Ich werde so der innere Marionettenspieler und bestimme, zumindest aber beeinflusse das Verhalten, die Entscheidung. Welche Chancen! „Priming: Experimentalpsychologisches Paradigma zum unterschwelligen Unbewussten. Beeinflussung von Wahrnehmungs-, Denk- und Entscheidungsprozessen.“ / 13/ Eine weitere wichtige Erkenntnis ist, dass bei identischen Bedingungen, die gemessenen Reaktionen von Probanden deutlich voneinander abweichen. Das ist heute und war schon zu Zeiten von Wundt der Fall. Die Hirnforscher kennen das Thema: „Umweltreize treffen nie auf ein Denkorgan in Ruhe. Je nachdem, ob wir etwa gerade konzentriert bei der Sache sind oder tagträumen, ob wir ausgeruht und satt oder müde und hungrig sind, fällt die Hirnaktivität verschieden aus.“ / 13/ In einem Experiment hat ein Team um den Neurowissenschaftler Antoine Lutz vom Nationalen Forschungszentrum in Paris herausgefunden, dass „ es durchaus möglich ist, den Sinn für innere Vorgänge zu schärfen.“ / 13/ Wir können durch unsere Wirkung Einfluss auf unser Gegenüber nehmen, so dass dieses aufmerksamer ist. <?page no="54"?> 3 Psychologie 44 Fritz zu Paul: „Kann ich denn meinen Gesprächspartner durch unterschwellige Reize in seinem Verhalten so richtig steuern? Es gab doch da diesen Coca-Cola-Test im Kino, wonach durch kaum wahrnehmbare Produktpräsentationen im Film massenhaft Coca-Cola von den Kinobesuchern konsumiert wurde.“ „Selten liegen Wissenschaft und öffentliche Meinung so weit auseinander wie beim Thema unterschwellige Reize. Damit sind beispielsweise Bilder gemeint, die so flüchtig erscheinen, dass wir sie nicht bewusst wahrnehmen. Obwohl sie die Schwelle zum Bewusstsein nicht überschreiten und nur unbemerkt Spuren im Gehirn hinterlassen, können sie unsere Entscheidung beeinflussen. Mit den Reizen, die niemand wahrnimmt, wird angeblich Geld verdient. Trickreiche Strategen nutzen sie in der Werbung oder um Wählerstimmen zu ködern - so heißt es.“ / 13/ „Nun ja, wenn in solchen Situationen mit diesen Mitteln gearbeitet wird und da geht es ja um richtig große Ziele, dann wird da wohl etwas dran sein, oder? “ Fritz und Paul schauen einander an. „Doch wie Forscher heute wissen, ist die Wirkung subliminaler Reize - wiewohl nachweisbar - viel unspektakulärer.“ / 13/ „Ein visueller Reiz ist subliminal, das heißt, nicht bewusst wahrnehmbar, wenn man ihn maximal 30 Millisekunden darbietet und danach durch einen anderen Reiz maskiert. Ein unterschwelliger Reiz kann das Verhalten von Probanden beeinflussen (Priming). Wird unsere Aufmerksamkeit abgelenkt, dann ist das kein Priming.“ / 13/ Die berühmte „Iss-Popcorn-trink-Cola-Studie“ (1957) fand nie statt, selbst der Versuch einer Wiederholung 2007 konnte nicht wissenschaftlich belegt werden, da die erforderliche Gegenprobe fehlte. Auch der Wahlspott aus dem Jahr 2007 in den USA, ein weiteres Beispiel für den Mythos, erfüllt nicht die Anforderungen an subliminale* Einflussnahme. (/ 13, S. 18,19/ ) *unterschwellige „Die Augen sehen auch Dinge, die nicht ins Bewusstsein gelangen und hinterlassen Spuren im Gehirn.“ / 13/ Das ist Fakt. Fakt ist auch: , „Ohne, dass wir es ahnen, versteht das Gehirn Wörter und deutet Gesichtsausdrücke.“ / 13/ Unsere Wirkung wird vom Gehirn entschlüsselt. Fritz hat einen Gedankenblitz: Was muss ich tun, um optimal entschlüsselt zu werden? „Der Mythos der subliminalen Beeinflussung hat also durchaus eine empirische Basis, dafür gibt es eine Reihe von wissenschaftlichen Experimenten. Nicht bewusst wahrgenommene Reize lösen eine messbare Reaktion im Gehirn aus. Von einer tiefgreifenden Manipulation unserer Urteile und Entscheidungen kann trotzdem keine Rede sein.“ / 13/ <?page no="55"?> 3.2 Die Psyche erforschen 45 Fritz und Paul sind sich einig, auch wenn dieses Ergebnis mit dem Mythos aufräumt, so kann es doch das Zünglein an der Waage sein, und einen Einfluss haben - für oder gegen uns. So sollte es auch genutzt werden. „Unbewusste Reize versetzen das Belohnungszentrum in Aufruhr, fanden die Forscher um Anna Rose an der University von Pennsylvania 2008 heraus. Die Interpretation der Wissenschaftler: Eine schnelle Reaktion auf bestimmte Reize stellt einen evolutionären Vorteil dar.“ / 13/ „Wo ist denn jetzt der Nutzen für uns? “, so Fritz zu Paul. „Ja, Fritz, Sie haben recht. So richtig auswertbar ist das Ganze für uns noch nicht. Dass wir auf das Gegenüber wirken und dass dieses sich sein Bild von unserer Wirkung macht und dass dieses gegebenenfalls ein Nachteil für uns ist, auch wenn es nur ein kleiner ist, das wussten wir ja schon. Doch es gibt da eine Aussage von einer Psychologin, das macht die Sache für uns rund und gibt uns etwas an die Hand für unser Verhalten.“ „Ob ein subliminaler Reiz meine Handlung beeinflusst oder nicht, hängt von meiner Erwartungen ab. Diese Erwartungen variieren abhängig von der Aufgabenstellung, mit der ich mich gerade beschäftige. Menschliches Handeln ist immer intentional, also von einer Absicht geleitet. / 13, S. 23/ Interview mit Frau Prof. Andrea Kiesel. Fritz hat einen Gedankenblitz: Subliminale Reize können mir helfen, wenn ich vorher die Erwartungshaltung in Bezug zur jeweiligen Aufgabenstellung des Gegenübers geklärt habe. Aus der Praxis für die Praxis - Checklistenfrage Nutze ich alle meine Wirkungsfaktoren (Körpersprache, Stimme und Inhalt)? Achte ich auf die beiden Hauptwirkungsfaktoren? <?page no="56"?> 46 4 Entscheidungsfindung 4.1 Ein Exkurs mit interessanten Erkenntnissen Stellen Sie sich vor, Ihr Gesprächspartner steht vor der Qual der Wahl, welchen Weg er gehen soll. Er steht also vor einem Wegweiser und hat die Wahl, nach links zu gehen (zu Ihrem Produkt, zu Ihrer Dienstleistung, zu Ihrer Lösung, zu Ihrem Unternehmen - zu IHNEN als Verkäufer) oder nach rechts zum Mitbewerb. Ihr Gesprächspartner muss eine Entscheidung treffen. Erst nachdem er/ sie eine Entscheidung für einen Anbieter getroffen hat, beginnt die eigentlich fachliche Arbeit im Sinne von konfigurieren, konstruieren, technische Spezifikationen etc. erfassen. In diesem Kapitel geht es um die Entscheidungsfindung. Finden Sie heraus, wie wir Menschen eine Entscheidung treffen und was wir davon für uns im Verkauf nutzen können. Fritz zu Paul: „Ich habe hier ein Diskussionspapier, welches uns möglicherweise interessante Ergebnisse bringt. Untersucht wurde mit Unterstützung der Universität Göttingen das Entscheidungsverhalten von Betriebsleitern bei Biogasanlagen.“ Nachfolgende gekennzeichnete Zitate siehe / 8/ „Am Beispiel der Biogaserzeugung wird deutlich, dass das Investitionsverhalten der Landwirte erheblich durch persönliche Faktoren wie die Risikoneigung und das Technologieinteresse bestimmt wird.“ „Die Erhebung macht ebenso deutlich, dass ein begrenzt rationales Verhalten des Betriebsleiters eine bedeutende Erklärungskomponente für die (Nicht-)Durchführung von Investitionen darstellt.“ „Die Investitionsentscheidung kann zum einen in unterschiedlichen Nutzen- und Kostenänderungen begründet sein, die durch die Investition in eine Bioenergieanlage im jeweiligen Betrieb ausgelöst werden. Zum anderen kann es aber auch sein, dass Landwirte aus anderen Gründen, z. B. unvollständiger Information und unzureichender Informationsverarbeitungskapazitäten suboptimale Entscheidungen treffen. Simon (1965) spricht in diesem Zusammenhang von ‚begrenzter Rationalität’.“ „Es soll jedoch nicht der Entscheidungsprozess im engeren Sinne betrachtet werden. Vielmehr steht der Einfluss von entscheidungsbildenden Faktoren auf die Investitionsentscheidung im Fokus. Es existieren zahlreiche Studien aus den Wirtschafts-, Sozial- und Verhaltenswissenschaften zum Investitionsverhalten von Unternehmern. Simon (1959) stellt die Interaktion von Psychologie und wirtschaftlichem Handeln in direkten Zusammenhang und macht deutlich, dass unternehmerische Ziele wie Gewinnmaximierung stets von verschiedenen verhaltenswissenschaftlichen Faktoren, wie z. B. Zufriedenheit, begleitet werden. So ist auch die Entscheidung eines Landwirts, in die Erzeugung von Bioenergie zu investieren, ungleich komplexer und nicht lediglich durch reines Gewinnstreben zu erklären. Sozialpsychologische Studien von Fishbein und Ajzen (1975: 16, S. 335-383) machen auf die kausale Beziehung von Einstellungen einer Person gegenüber der Verhaltensabsicht aufmerksam. <?page no="57"?> 4.1 Ein Exkurs mit interessanten Erkenntnissen 47 WILLOCK et al. (1999) legen den Fokus speziell auf die Verhaltens- und Entscheidungsstrukturen auf landwirtschaftlichen Betrieben.“ „Die qualitativen Studien belegen anhand von Fallbeispielen, dass neben ökonomischen Zielen, persönlichen Einstellungen und dem regionalen Kontext auch das Innovationsverhalten des Betriebsleiters einen wichtigen Beitrag zu dem Erfolg der Bioenergieerzeugung leistet.“ „Die entscheidungsbildenden Faktoren können grundsätzlich in persönliche, betriebsinterne und externe Determinanten eingeteilt werden. Im Folgenden werden diese näher charakterisiert. Der landwirtschaftliche Entscheidungsträger bzw. seine Entscheidung wird von diesen Faktoren maßgeblich beeinflusst. Die Faktoren bestimmen die Einstellungsdimensionen sowie die Zielsetzung der Investition der Landwirte. Die Einstellungen führen mit anderen Determinanten zur Intention (Verhaltensabsicht) für eine Investition in die Bioenergieerzeugung.“ „Die Persönlichkeit des Betriebsleiters spielt für das Entscheidungsverhalten insoweit eine Rolle, als dass die Entscheidungen auf landwirtschaftlichen Betrieben meist von einer Person, nämlich dem Betriebsleiter/ der Betriebsleiterin, maßgeblich getroffen werden. Daher wird vermutet, dass zum einen verschiedene Einstellungsdimensionen hinsichtlich des Risikos und der Umwelt und zum anderen Eigenschaften des Unternehmers (Entrepreneurship) wie Innovationsfreude und Kooperationsbereitschaft einen Einfluss auf das Entscheidungsverhalten besitzen.“ „Persönliche Faktoren wie das Wissen oder die Erfahrung über die Bioenergieerzeugung fließen direkt in den Evaluierungsprozess ein. Die einstellungsbildenden Faktoren sind nicht nur als Werturteile zu verstehen, sondern es handelt sich hierbei auch um Charakterzüge und Ziele des Entscheiders. Wie bei jeder Unternehmung kann vermutet werden, dass ökonomische Ziele im Vordergrund stehen. Jedoch können auch andere persönliche Zielvorstellungen wie z. B. Arbeitsentlastung, Erhöhung der Lebensqualität oder das Image der Landwirtschaft beeinflussend sein (TROJECKA, 2007; WILLOCK et al., 1999).“ An dieser Stelle wird deutlich, dass die Entscheidungsfindung als komplexer, dynamischer Prozess zu verstehen ist. Die vorliegende Analyse konzentriert sich aufgrund der eingangs erwähnten Fragestellungen nicht auf den Prozess als solchen, sondern auf den Einfluss der Determinanten auf das Entscheidungsergebnis, also die Entscheidungsrichtung zu einem bestimmten Zeitpunkt.“ „Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass zwischen den Landwirten eine Wettbewerbssituation eingesetzt hat, die ein beachtliches Konfliktpotenzial mit sich bringt. Diese Konkurrenzsituation ist im Wesentlichen durch den verstärkten Ausbau der Biogaserzeugung zu erklären. Die mit der Biogasproduktion in Verbindung stehende erhöhte Nachfrage nach landwirtschaftlichen Nutzflächen resultiert aus einer Verknappung freier (zu pachtender) Flächen in wahrgenommenen Preisanstiegen bei Pachten landwirtschaftlicher Nutzflächen. Andere Effekte wie steigende Futtermittelkosten und Probleme bei der Einhaltung von Nährstoffgrenzen scheinen weniger konfliktrelevant. Das Ausmaß des Ressourcenkonfliktes ist allerdings bisher geringer als von den Verfassern vorab vermutet. Im Biomasseaktionsplan der Bundesregierung sind ambitionierte Ziele für einen Ausbau regenerativer Energien bio- <?page no="58"?> 4 Entscheidungsfindung 48 gener Herkunft in Form von Biogas festgehalten (BMELV/ BMU, 2009). Daher ist mit einer weiteren Verschärfung des Wettbewerbs zu rechnen. In Konsequenz erhöht sich bei zunehmender Wettbewerbssituation zwischen den Landwirten die Gefahr eines Reaktanzverhaltens der betroffenen Landwirte bezüglich der Unterstützung der Biogaserzeugung. Es bleibt abzuwarten, ob Maßnahmen zur Wettbewerbsminderung, wie u. a. die Ausweitung der Bioenergieerzeugung auf alternative Erzeugungslinien, Konfliktminderungspotenzial mit sich bringen. Vor dem Hintergrund einer nachhaltig orientierten Biomassebereitstellung und energetischen Nutzung ist die Etablierung umfassender Konfliktreduktionsstrategien langfristig unausweichlich. Die Ergebnisse zeigen, dass das Entscheidungs- und Managementverhalten landwirtschaftlicher Betriebsleiter bei Investitionen in die Bioenergieerzeugung von diversen Faktoren beeinflusst wird. Landwirte differieren in ihren Einstellungen und entscheidungsbeeinflussenden Faktoren teilweise stark voneinander. Es ließen sich zwischen biogaserzeugenden Landwirten, Landwirten, die sonstige erneuerbare Energien erzeugen, und nicht investierenden Landwirten signifikante Unterschiede bezüglich ihrer Einstellungen und der Relevanz entscheidungsbeeinflussender Faktoren feststellen. Die Ergebnisse stützen die Schlussfolgerungen von 39 Fishbein/ Ajzen (1975) und Willcock et al. (1999), wonach Einstellungen und Verhalten intensiv interagieren. Die vorliegende Studie zeigt, dass das Entscheidungsverhalten maßgeblich durch persönliche Faktoren des Betriebsleiters wie Risikoneigung und Unternehmerorientierung beeinflusst wird.“ Fritz: „Es bestätigt sich immer mehr, dass neben rationalen Aspekten eben der Mensch an sich durch seine Persönlichkeit sehr hohen Einfluss hat auf das wie und was seiner Entscheidung“, so Paul. „Diese doch sehr umfangreiche Studie zeigt das hohe Maß an Persönlichkeit und Entscheidungsverhalten. Grund genug, sich einmal mehr mit der Persönlichkeit seiner Gesprächspartner zu beschäftigen.“ „Ja, Paul, das ist eine gute Idee. Doch wie soll das umgesetzt werden? Ich habe schon viel gehört über diesen Psychokram wie Profile und Persönlichkeitstests. Soll ich dem Einkäufer vorab einen Test zusenden? “ „Fritz, bleiben Sie ernst. Wir beide wissen, dass das optimal wäre, doch wohl eher wenig praktikabel. Wichtig ist, über die Bedeutung der Persönlichkeit und den Einfluss zu wissen und alles daran zu setzen, es zu verstehen und mit in die eigene Verkaufsstrategie zu integrieren - so gut, wie es ohne Test geht.“ „Man kann Kunden einfacher erreichen und bessere, längere Beziehungen zu ihnen pflegen, wenn man weiß, welche Emotionen ihre Entscheidungen steuern. Das sind einige Bereiche, in denen das Wissen über die Persönlichkeit sinnvoll genutzt werden kann.“ / 9/ Paul zu Fritz: „Das macht Sinn, denn wir haben ja nun schon erfahren, dass die Emotionen den entscheidenden Beitrag liefern. Wir brauchen eine handhabbare Idee, ein Konzept, eine Methode, die Persönlichkeit im Gespräch zu erfahren, zu beobachten und dementsprechend zu reagieren.“ <?page no="59"?> 4.1 Ein Exkurs mit interessanten Erkenntnissen 49 „Das setzt ein Persönlichkeitsbild voraus, das sich durchgehend positiv oder wertneutral auf die Ebenen beschränkt, die sich einer Beurteilung entziehen. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, wurde das Modell der Tiefenmotivation entwickelt. Aus der therapeutischen Arbeit weiß man, dass hinter jedem positiven oder negativen, achtenswerten oder verachtenswerten Verhalten ein Mensch steht, dessen eigentliche Bedürfnisse man nachempfinden kann, weil sie universal und von existenzieller Bedeutung sind.“ / 9/ Gerade im Verkauf treffen nun mal die verschiedensten Persönlichkeiten aufeinander und es wichtig, dass wir eben einen Draht zur anderen Persönlichkeit bekommen. Es ist erforderlich etwas zu wissen, und auch bereit zu sein, dieses Wissen zu nutzen. Ich kann zufälligerweise die richtigen Worte zur passenden Persönlichkeit richten und positive Emotionen ernten. Doch der Zufall ist kein Garant, es in Zukunft auch wieder richtig zu machen. Schlimmer noch, wenn ich aufgrund des Zufalls einen Treffer gelandet habe, dann weiß ich ja nur, dass ich getroffen habe. Doch weshalb, das weiß ich nicht. Ich habe auch keine Orientierung für das nächste Mal. Ja, Paul, diese Erfahrungen mache ich jeden Tag von neuem“, so Fritz. „Und das kostet Zeit und Geld und dient sicherlich auch nicht unbedingt Ihrer Motivation, oder Fritz? “ „Und wenn ich dann mit einem Menschen, der von seiner Persönlichkeit her eher sicherheitsorientiert ist, über eine Messeneuheit spreche, ist das eher kontraproduktiv. Wenn ich mit einem, der nach vorne kommen will, aufzeige, dass wir etwas Bewährtes, ein in seinen Augen wohl eher langweiliges Produkt haben, dann führt das wohl auch zu Emotionen, doch in keinem Fall zu den gewünschten“, so Fritz. Zeit, dass sich was ändert. Fritz hat einen Gedankenblitz: Ich muss für jedes Gespräch meinen eigenen Reset-Knopf drücken und Mittel und Wege finden, den anderen in seiner Persönlichkeit kennenzulernen bzw. zu beobachten. „Die Betrachtung der Reaktions- und Entscheidungsabläufe im menschlichen Gehirn zeigt, dass bestimmte Areale, je nach Thema und Situation, aktiv sind. An den meisten Entscheidungen sind mehrere Bereiche beteiligt. Die Persönlichkeitspsychologie spricht von bipolaren Dimensionen, verschiedene Therapie- und andere Erklärungsmodelle von konfligierenden Persönlichkeitsanteilen.“ / 9/ „Konfligierend, das ist wohl so etwas wie gegeneinander“, meint Paul. „Ja, ist ja auch logisch, ich muss mich ja selbst irgendwie steuern, sonst komme ich ja unter die Räder“, meint Fritz. „Sie meinen, mein lieber Fritz, dass wir selbst in uns so eine Art Navigationssystem haben, also eine Art inneren Marionettenspieler, der in uns die unsichtbaren Fäden zieht, die dann zu Handlungen führen? “ „Ja, genau so meine ich das. Diese Fäden zu kennen und den inneren Marionettenspieler die Fäden so ziehen zu lassen, dass die Handlungen in meine Richtungen führen, das wär‘s.“ So Fritz. „Das beschriebene Modell der Tiefenmotivation nennt diese Ausprägungen bipolare Grundbedürfnisse, weil jeweils zwei gegensätzliche Handlungsrichtungen vorgegeben sind, entwe- <?page no="60"?> 4 Entscheidungsfindung 50 der Durchsetzung oder Sicherheit, entweder Zugehörigkeit (Anpassung) oder Individualität, entweder Erkenntnis (logische Distanz) oder Empathie (sich hineinversetzen). Daraus ergibt sich nicht nur ein permanentes Spannungsfeld, sondern auch die Möglichkeit der Selbststeuerung. Dieses System mehrerer Bedürfnisgegensätze ist Voraussetzung für die Selbstbestimmung. Jedes dieser Bedürfnisse muss erfüllt werden, wenn man leben, sich entfalten und sein Erbgut weitergeben will. Ihre Erfüllung ist die Grundlage des Seins. Alle anderen Bedürfnisse lassen sich von ihnen ableiten.“ / 9/ „Mensch Paul, wenn wir es im Verkauf schaffen, dass sich unser Kunde selbst steuert und als Konsequenz unsere Produkte kauft, um seine Bedürfnisse selbst zu befriedigen, das wäre der Renner“, so Fritz. Hier eine Idee, für eine Darstellung von konfliguierenden Bedürfnissen. / 9, S.6/ Erkenntnis: Sich selbst erkennen und die Welt verstehen. Fragen stellen und Antworten finden. Durch klares Denken herausfinden, was wann für wen das Beste ist. Den Verstand benutzen. Der „schwarze“ Persönlichkeitsanteil strebt nach Erkenntnis als Basis richtiger Entscheidungen. Durchsetzung: Hinausgehen in die Welt. Den Willen durchsetzen. Sich selbst entwickeln, sich behaupten, etwas wagen und sich Neues aneignen und Abenteuer bestehen. Die „rote“ Seite der Persönlichkeit will etwas erreichen und vorankommen - um nicht irgendwo „kleben“ zu bleiben. Zugehörigkeit: Sich anpassen und integrieren. Zur Familie, zum Freundeskreis, zur Clique oder zur Firma dazugehören und sich am Team orientieren. Der „Gelbe" bringt sich ein, er macht mit und integriert sich, denn kein Mensch kann von Kind auf alleine leben. Sicherheit: Sich zurückziehen in die sichere Höhle. Die Gesundheit und das Leben bewahren, Risiken vermeiden, das Erreichte verteidigen, das Geschehen und sich selbst kontrollieren. Die „grüne" Seite will die körperliche, seelische und geistige Existenz dauerhaft sichern. Individualität: Sich zu einem eigenständigen Menschen entwickeln. Sich selbst so organisieren, dass man als Individuum von anderen wahrgenommen wird. Die Dinge erforschen und sich in der Welt behaupten. Der „blaue" Persönlichkeitsanteil will die Einzigartigkeit gewürdigt wissen. Empathie (Einfühlung): Ein untrügliches Gefühl von sich und der Welt haben, um die innere und äußere Komplexität in ihren Ursachen, Wechselwirkungen und Bedeutung empfinden zu können. Die „weiße“ Seite der Persönlichkeit drängt danach die Gedanken, Emotionen und Motive anderer Personen zu verstehen. „Was heißt das für uns? “, so Paul zu Fritz. Lassen Sie uns doch einmal die verrücktesten Ideen sammeln“, spornt Paul an. „Paul, nun ja, für uns heißt es, beobachtbare bzw. verwertbare Informationen vom Gegenüber zu erhalten, ohne ihn vorher einen Persönlichkeitstest durchführen und uns zusenden zu lassen. Dazu benötigen wir Werkzeuge und Methoden.“ „Ferner wäre es eine ganz tolle Idee, wenn unser Innendienst im Telefonverkauf, während dieser mit dem Kunden/ Interessenten spricht, irgendwie einen ständigen Abgleich vornehmen könnte, ob das, was man hört, auch richtig von uns wahrgenommen wird - so im Sinne der Persönlichkeit des Anrufers“, ergänzt Fritz weiter. <?page no="61"?> 4.2 Entscheidungsfindung 51 Ja, so eine Art megagroße Datenbank, die wir ständig füttern und sofort eine Rückinformation bekommen, so eine Art Navigationssystem für unsere Kommunikation, um den anderen zu motivieren“, so Paul. Fritz: „Stopp, es geht darum, den anderen so anzusprechen, also persönlichkeitsorientiert - psychologisch - zu kommunizieren, dass er sich selbst motiviert, bei uns zu kaufen. Ja klar, während des Telefonats geht das. Doch was ist mit uns im Außendienst? “, fragt Paul. „Nun ja, es reicht ja im Gespräch darauf zu achten und nach dem Gespräch seine Wahrnehmung mit dieser Datenbank abzugleichen. Das wäre schon ein großer Schritt“, so Fritz zu Paul. „Ach Fritz, diese Ideen kann man weiterspinnen. Bei der Einstellung von Mitarbeitern, in der internen Kommunikation im Coaching etc. Das wäre ein Werkzeug? Ob es so etwas gibt? Alles nur eine Idee? “, so Paul. „Und es muss sicher sein. Wenn wir uns schon darauf verlassen, dann bedarf es einer permanenten Kontrolle, so eine Art kontinuierliche Eichung, wissenschaftlich fundamentiert. Das wär’s“, ergänzt Fritz. „Diese ‚Bedienungsanleitungen für Verkaufsgespräche’ zeigen, was in welcher Gesprächsphase bei dem bestimmten Kunden zu machen und zu unterlassen ist. Die richtige Strategie verkürzt die Verkaufszeit und erhöht die Abschlussquote. Um Kunden zu einer positiven Entscheidung zu motivieren, muss man deren Bedürfnisse, Orientierungen und bevorzugten Kommunikationsformen kennen.“ / 9/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Ich muss die beobachtbaren Punkte kennen und verstehen lernen. Ich muss ein Profiler werden und nicht ein Produktwisser. Aus der Praxis für die Praxis - Checklistenfrage Habe ich die Persönlichkeit meines Gegenübers an seinem Verhalten - an seinen Wirkungsfaktoren - erkannt, weiß ich, wie mein Gegenüber gerade „drauf“ ist? Ist meine Argumentation kundennutzen- und gegebenenfalls auch persönlichkeitsorientiert? Achte ich auf eine persönlichkeitsorientierte Wortwahl meinerseits? 4.2 Entscheidungsfindung Paul und Fritz sind sich einig, dass in der Verkaufsverhandlung der Verkäufer Einfluss auf die Entscheidung seines Gegenübers nehmen muss. Das kann/ müsste eigentlich bereits im Vorfeld erfolgen, also dann, wenn bei Entscheidungsprozessen mehrere beteiligte Personen mitwirken, bei der Gestaltung von Ausschreibungs- oder Anforderungslisten oder bei der Budgetkalkulation. Ziel soll also sein, sein Gegenüber so zu beeinflussen, dass eben die eigenen Argumente verwendet werden. <?page no="62"?> 4 Entscheidungsfindung 52 Um diesen Prozess der Entscheidungsbeeinflussung geht es weiter in diesem Kapitel. Wenn wir als Verkäufer verstehen, wie unsere Gesprächspartner entscheiden, dann können wir den Hebel ansetzen. Wer oder was wählt da eigentlich, wenn wir entscheiden? Jahrhunderte lang war diese Frage durch die Philosophen klar beantwortet. Man glaubte an die Vorherrschaft der Vernunft, der Logik, des Verstands, des Bewusstseins, der Ratio eben. Die moderne Neurowissenschaft zeigt jedoch, dass Emotionen eine entscheidende Voraussetzung dafür sind. / 3/ Interessant ist, dass bereits in der Antike über den Sitz der Vernunft im Gehirn nachgedacht wurde. Leider fehlten damals noch die entsprechenden Technologien, um genauer ins Gehirn hineinzuschauen. Wichtige Erkenntnisse bringt die Krankheitsgeschichte von Elliot. Elliot war Patient des amerikanischen Neurologen Antonio Damasio. Er konnte nicht mehr entscheiden. Selbst einfachste wie auch komplexe Entscheidungen waren nicht mehr möglich. Die Krankheitsgeschichte von Elliot ist folgende: „Ein großer Tumor, apfelsinengroß, der hinter seiner Stirn wucherte, musste aus seinem Gehirn geschnitten werden.“ / 3/ Das Ergebnis der Operation war eine lähmende Entscheidungsschwäche. Alle psychologischen Tests zeigten keinerlei Beeinträchtigung der Intelligenz. Elliot besaß alle Fähigkeiten, um vernünftige Entscheidungen zu treffen. Im Verlauf der Gespräche mit seinem Patienten stellte der Neurologe fest, dass dieser ohne jegliche Emotion über sein gescheitertes Leben sprach. Dem Neurologen wurde klar, dass sein Patient nichts mehr fühlte. „Als Damasio seine Beobachtungen veröffentlichte, erschütterten sie die Fachwelt. Denn seit der Antike gilt der Mensch vor allem als rationales Wesen - als einzige Spezies, die ihre Gefühle zu unterdrücken, ein Problem nüchtern zu analysieren und einzig mit der Vernunft zu entscheiden vermag.“ / 3/ Fritz zu Paul: „Das ist schon spannend. Wenn dem so wäre, dann hätte der Einkäufer erkennen müssen, dass er weitaus mehr Vorteile auch monetärer Natur hat, wenn er unser Produkt kaufen würde. Das, was er mehr ausgegeben hätte, brächte ihm und seinem Unternehmen überproportional mehr zurück. Im Grund sind wir, wenn man richtig rechnet, die Billigsten. Und dennoch hat er nicht gekauft. Er hat es nicht verstanden, so dachte ich. Jetzt weiß ich es besser. Irgendein Gefühl oder ein fehlendes Gefühl hat diese logische Entscheidung verhindert.“ „Der griechische Philosoph Platon etwa beschrieb die menschliche Vernunft als den Lenker eines Wagens, der von einem störrischen Pferd - den Leidenschaften - mal in die eine, mal in die andere Richtung gerissen wird. Stets müsse der Lenker den Gaul zügeln, müsse die Vernunft die animalischen Gelüste unterdrücken. Nur so lasse sich der ‚Seelenwagen’ auf Kurs halten. Die Moral dieser Metapher: Unsere Ziele erreichen wir nur, wenn wir einen kühlen Kopf bewahren. Emotionen verleiten uns dagegen zu übereilten und oft zu falschen Entscheidungen. <?page no="63"?> 4.2 Entscheidungsfindung 53 Seither haben Scharen von Denkern dazu geraten, sich beim Entscheiden nicht von Gefühlen beirren zu lassen. Der französische Philosoph René Descartes etwa predigte im 17. Jahrhundert, dem reinen Licht der Vernunft zu folgen. Und Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, stellte den Trieben, dem ‚Es’, ein ‚Über-Ich’ als Kontrollinstanz gegenüber. Das Abwägen zwischen beiden übernimmt das bewusste ‚Ich’. Eine ähnlich eindeutige Hierarchie glaubte man lange in der Anatomie des Gehirns wiederzuerkennen - vor allem in den beiden äußeren Schichten. Die innere Schicht, die zugleich die Grenze zu den tieferen Arealen bildet, bezeichnet der französische Hirnforscher Paul Broca im 19. Jahrhundert als ‚limbischen Lappen’ (lat. limbus: Rand, Saum). Dieser Bereich - heute ein Teil des limbischen Systems - galt als Sitz unserer Triebe, jener primitiven Urgefühle also, die wir mit den Tieren teilen. Darüber spannt sich die Großhirnrinde. In dieser hochkomplexen Deckschicht des Denkorgans verorteten die Forscher lange Zeit all jene Fähigkeiten, die den Menschen von seinen animalischen Vorfahren abhoben: Intelligenz, Vernunft, Moral.“ / 3/ Also jener Bereich, den die meisten Verkäufer bei Ihren Kunden aktiv sehen, wenn diese eine Entscheidung treffen. Etwa gegen einen hohen Preis, denn das ist ja mathematisch bezogen auf ein geringeres geplantes Ausgabevolumen die logische und rationale Vorgehensweise, wenn das erhaltene Angebot höher ist. Die Veröffentlichungen von Damsasio hinsichtlich seines Patienten Elliot widersprachen all diesen Annahmen. „Elliot fehlte ja als Folge der Operation ein Teil der Großhirnrinde, der sogenannte ventromediale präfrontale Kortex. Doch nicht etwa sein Verstand hatte darunter gelitten - sondern sein Gefühlsleben“. / 3/ Daraus folgte die Erkenntnis, dass neben der Vernunft (dem Verstand, der Ratio, des bewußten nutzenorientierten Entscheidens) wohl auch Gefühle benötigt würden. Fritz formuliert spontan die Frage, die wohl allen Lesern und Verkaufstrainingsteilnehmern (übrigens: auch Führungskräfte wollen ja bei ihren Mitarbeitern Entscheidungen herbeiführen) beim Lesen gerade auf der Zunge liegt: „Doch wie, wenn nicht alleine durch rationales Abwägen, treffen wir eine Entscheidung? “ Wann kauft der andere, obwohl unser Angebot rein mathematisch teurer ist? Neben der reinen Beobachtung von Damasio liefert der auch gleich eine Hypothese mit: „Danach greift unser Gehirn, wenn es zwischen Alternativen wählt, auf eine Bibliothek von Gefühlen zurück, die es zuvor angesammelt hat.“ Er nannte sie somantische Marker.“ / 3/ „Wenn wir zum Beispiel viel Geld verloren haben, weil wir Aktien nicht rechtzeitig verkauft haben, wird das damit verbundene Angstgefühl im Gehirn abgespeichert. In Zukunft kann ein schnell fallender Aktienkurs zur Ausschüttung von Botenstoffen führen, die das einmal erlebte körperliche Unbehagen wiedererwecken. So kann uns dieser Mechanismus davor bewahren, erneut Verluste zu machen.“ / 3/ So entsteht nach Ansicht des Neurologen auch die Intuition - jene geheimnisvolle Fähigkeit, die es uns oft ermöglicht, unwillkürlich die rechte Wahl zu treffen. „Bewiesen ist diese Hypothese nicht, dennoch gehen viele Forscher davon aus, dass es eine unabdingbare Voraussetzung ist.“ / 3/ <?page no="64"?> 4 Entscheidungsfindung 54 „Das heißt in der Konsequenz“, so Fritz, „dass auch in noch so komplexen Entscheidungssituationen Gefühle die entscheidende Rolle spielen. Einmal als Auslöser für den erfolgreichen Verkauf unserer Produkte, wenn wir die richtigen Gefühle aktivieren, jedoch auch für den Verlust des Auftrags, wenn wir unbeabsichtigt diese negativen Gefühle beim anderen entstehen lassen. Daraus ergibt sich eine noch größere Herausforderung in unserem Verkaufsalltag, dass wir eben beides Wissen uns aneignen, verstehen und unser Verhalten solange trainieren, bis wir unbewusst, ja reflexartig genau die gewünschten Gefühle beim anderen entstehen lassen. Eine große Herausforderung, ja die Messlatte, die ein Trainer für uns erreichen muss. Er muss es uns nicht nur nachweisen, sondern auch bei uns eben diese Gefühle entstehen lassen.“ „Der Versuch, menschliche Entscheidungen zu verstehen, hat eine eigene Wissenschaftsdisziplin entstehen lassen - die Neuroökonomie. Um Börsencrashs besser zu verstehen, versuchen Wirtschaftswissenschaftler schon länger, das menschliche Entscheidungsverhalten mit theoretischen Modellen zu erklären. Viele dieser Überlegungen dienen nun als gedankliches Grundgerüst der Neuroökonomie. Eine Theorie besagt, dass Menschen danach streben, mit möglichst geringem Einsatz möglichst viel zu gewinnen - und dementsprechend ihre Entscheidungen treffen. Was im Denkorgan vorgeht, wenn es diese Kosten-Nutzen-Rechnung anstellt, versuchen die Wissenschaftler seit einiger Zeit mit der Gehirnforschung zu erklären. So konfrontieren sie Testpersonen mit Entscheidungen, während ein Magnetresonanztomograph (MRT) (siehe Def. 6) die Hirnaktivität misst.“ Leider sind derzeit nur Ansätze entschlüsselt und, abhängig von den jeweiligen Umständen, sind andere Areale an der Entscheidungsfindung im Gehirn betroffen. Erschwert wird das Ganze dadurch, dass lediglich alle zwei Sekunden ein Bild der Gehirnaktivität, besser ein Schnappschuss, gemacht werden kann und dass die Auflösung dabei maximal einen Millimeter ist. Dieser Bereich umfasst jedoch mehrere hunderttausend Nervenzellen. Das ist noch zu langsam und zu klein. „Immerhin erlauben diese Studien erste Rückschlüsse. Demnach ist die antike Vorstellung - Vernunft und Gefühl kämpfen um die Vorherrschaft - gar nicht so abwegig.“ / 3/ Es bedarf nur einer anderen Interpretation. „Denn grob betrachtet lassen sich die an einer Entscheidung beteiligten Hirnareale zwei verschiedenen Schaltkreisen zuordnen. Einer von ihnen arbeitet schnell, unterbewusst und gefühlsmäßig - der andere dagegen langsam, bewusst und rational.“ / 3/ „Jetzt ist mir klar, was beim Einkäufer abgelaufen ist“, so Fritz. „Irgendetwas habe ich beim Einkäufer an negativen Gefühlen ausgelöst. Da war der Drops schon gelutscht. Und dann hat der langsame Verstand nur noch den Grund gesucht und vernünftig nachgerechnet und kam zum Entschluss: zu teuer. Wahnsinn! Und ich habe immer gedacht, zu teuer wäre rational.“ Paul ergänzt: „Schön, das wäre eine Erklärung. Doch was genau ist wie passiert? Was können wir in der Zukunft wie anders machen? “ „Vermutlich bringt die Hirnregion des vetromedialen präfrontalen Kortex, eine Art Vermittler im Gehirn, zwischen den beiden Schaltkreisen, während das Gehirn verschiedene Entschei- <?page no="65"?> 4.2 Entscheidungsfindung 55 dungsmöglichkeiten durchspielt, die Emotionen ins Spiel. Sie verraten, welche Option sich am besten anfühlt. Oft hilft sie uns dann, die richtige Entscheidung zu treffen.“ / 3/ „Mensch Paul, ich bin ja auf dem Weg, der Psychologie die notwendige Aufmerksamkeit zuzugestehen. Doch wie bringe ich das noch mehr in meinen Alltag ein? Gibt es irgendeinen Versuch, ein Experiment, bei dem es ums Geldausgeben geht. Vielleicht auch noch ums eigene Geldausgeben, denn da ist man ja wohl noch vorsichtiger, kritischer, rationaler und so? “ „Fritz, ich habe einmal von einem Versuch des niederländischen Sozialpsychologen Ap Dijksterhuis gehört. Bei diesem Versuch geht es um die Überforderung unseres Verstandes in einer ganz gewöhnlichen Kaufsituation, wie sie schon jeder von uns erlebt hat. Das könnte uns einen Hinweis geben, weshalb die Einkäufer, also auch wir, wenn wir privaten Konsum tätigen, in der Regel nur auf den Preis fokussieren, ähnlich wie auf dem Basar. Rein intuitiv schalten wir in den intuitiven Verhandlungsstil und verlassen den rationalen Verhandlungsstil - oder waren niemals drin. Wir blenden alle Alternativen aus und sind fixiert auf den Preis. Obwohl, so haben wir ja erfahren, bereits Sekunden vorher unser Unterbewusstsein die Sache klar gemacht hat.“ „Ap Dijksterhus hat mit einem Versuch bewiesen, der von einer alltäglichen Situation geprägt war, dem Kauf eines Autos, dass unser Gehirn leicht an seine Grenzen kommt. Im Falle des Autokauffalls muss es die unterschiedlichen Informationen vergleichen und bewerten - neben dem Preis und Benzinverbrauch der Modelle auch deren Fahrverhalten, Ausstattung und Design. Angesichts der Datenflut gerät die Entscheidung oft zu einer langwierigen und fehleranfälligen Angelegenheit. Die Testpersonen erhielten zunächst eine leichte Variante. Die Probanden wurden mit vier hypothetischen Automodellen konfrontiert, bei denen es jeweils nur vier verschiedene Eigenschaften zu beurteilen galt. Eines der Modelle schnitt in drei Kategorien gut ab, zwei hatten zwei gute Eigenschaften, eines lediglich ein positives Merkmal. Jeweils acht Sekunden lang durften die Probanden dann in zufälliger Reihenfolge eingeblendete Aussagen wie: ‚Das Getriebe des Hatsdum lässt sich schlecht schalten’ am Computer studieren. Am Ende sollte die Hälfte der Gruppe vier Minuten überlegen, welches Auto wohl das Beste sei. Die andere Gruppe musste sich mit Denksportaufgaben ablenken. Danach mussten sich alle Versuchspersonen entscheiden. Die bessere Wahl trafen erwartungsgemäß jene, die über die Vor- und Nachteile nachdenken konnten. Sie entschieden sich zu etwa 55 Prozent für das Auto mit den insgesamt besten Eigenschaften. Die anderen Teilnehmer nur zu 40 Prozent. Die Situation änderte sich, als die Probanden zwischen Autos mit jeweils zwölf Eigenschaften wählen konnten. Das Nachgrübeln half nun nichts mehr. Unter den bewusst abwägenden Probanden traf etwa jeder vierte die bestmögliche Entscheidung. Dagegen waren nun ausgerechnet jene im Vorteil, die nicht weiter an Autos gedacht und stattdessen Rätsel gelöst hatten. Derart gezwungen, ihren Gefühlen zu folgen, wählten 60 Prozent dieser Testpersonen das optimale Fahrzeug. Weitere Experimente bestätigen: Das bewusste Denken ist schnell überfordert, wenn es zu viele Kriterien zu bedenken gilt. In schwierigen Situationen hilft uns also das Unterbewusstsein, die richtigen Entscheidungen zu treffen - um beispielsweise eine Fülle von Informationen auszuwerten, die unser rationales und bewusstes Denken überfordern.“ / 3/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Wir müssen im Unterbewusstsein angreifen und nicht beim Verstand. <?page no="66"?> 4 Entscheidungsfindung 56 Paul findet den Gedankenblitz sehr hilfreich. Doch stimmt dieser Ansatz? Hierfür eine Antwort zu finden, bedienen wir uns des berühmten Experiments des US- Psychologen Benjamin Libet. Er wollte herausfinden, wie viel Zeit zwischen einer bewussten Entscheidung und ihrer Umsetzung in eine Handlung verstreicht. „Die Daten zeigten: Im Denkorgan baute sich bereits die Aktivität auf, bevor sich diese überhaupt ihrer Entscheidung bewusst wurden. Im Schnitt war das Gehirn bereits ½ Sekunde lang tätig, bevor die Handlung erfolgte.“ / 3/ Viele Hirnforscher vermuten, dass unser bewusstes Selbst nichts anderes als Statist ist, der dem bereits längst gefällten Entschluss nur noch zustimmt und sich dabei vorgaukelt, es sei sein eigener. Paul und Fritz sehen sich an, und beginnen zu begreifen, was das bedeutet. Es scheint also tatsächlich so zu sein, dass das Unterbewusstsein etwas fühlt, eine positive oder negative Emotion, als Reaktion eines Verhaltens von außen, z. B. dem des Verkäufers, und dass dann das Bewusstsein lediglich eine Begründung liefert, z. B. „zu teuer“. Pauls Fazit ist klar: „Wir müssen das Ganze psychologischer angehen. Es macht keinen Sinn etwas zu konstruieren, ohne die Erkenntnisse aus der Statik. Ebenso macht es wenig Sinn, die Psychologie außer Acht zu lassen, wenn es darum geht, Einfluss auf das Kaufentscheidungsverhalten von Menschen zu nehmen.“ „Das Unterbewusstsein steuert Menschen wie ein Autopilot durchs Leben.“ / 3/ Nach Schätzungen stürmen jede Sekunde elf Millionen Sinneseindrücke auf uns ein - Lichtwellen in die Pupillen, Schallwellen ins Ohr und Reize auf Haut und Schleimhäute, die Signale der Organe. Unser Bewusstsein kann davon maximal 60 Eindrücke aufnehmen. Den Rest erledigt das Unterbewusste. / 3/ „Bemerkenswert ist, wie blitzschnell unser Unterbewusstsein solche Schlüsse zieht. Oft genügt ein winziger Hinweis, um ein Urteil zu einer Situation zu fällen. Dabei vermittelt das Unterbewusstsein sein Urteil meist in der Form von Gefühlen, die wiederum über körpereigene Signale kommuniziert werden. Eine wichtige Rolle in der Koordination dieser Signale - die sogenannten somatischen Marker genannt - spielt der Bauch. Dort haben Forscher eine große Anzahl von Nervenzellen entdeckt. Die Fähigkeit des Unterbewussten, intuitiv zu handeln und blitzschnell Urteile zu treffen, half schon unseren Vorfahren. In jenen Urzeiten war es besser, manchmal falsch zu liegen, als langsam und akkurat zu entscheiden. Wer den getarnten Tiger im Gras nicht entdeckt, ist tot. Wer den Tiger sieht, wo keiner ist, läuft häufiger weg, aber bleibt länger am Leben.“ / 3/ „Jedes Mal, wenn der Mensch eine Entscheidung in einer ähnlichen Situation fällen muss, basiert diese nicht auf intellektuellen Kalkulationen, sondern wird massiv von jenen Informationen aus dem gigantischen Katalog von gespeicherten Emotionen und Körperreaktionen mitgeprägt.“ / 3/ Aus der Praxis für die Praxis - Checklistenfrage Ist meine Kommunikation lösungsorientiert? Verwende ich kommunikative Werkzeuge zum Beziehungsaufbau? <?page no="67"?> 57 5 Neuroökonomie 5.1 Neuroökonomie -mehr eine wissenschaftliche Betrachtung als eine Einführung Lassen Sie uns hier in diesem Buch etwas theoretischer werden. Nur in diesem Buch. Lassen Sie es einmal auf sich wirken, was es mit der Neuroökonomie auf sich hat. Falls es Ihnen zu theoretisch wird, das ist okay. Überfliegen Sie das Kapitel und nutzen Sie die Gedankenblitze von Fritz und nehmen Sie sich die Checklistenfragen am Ende des Kapitels zu Herzen. Im vorliegenden Kapitel geht es um die Neuroökonomie. Ein spannendes Thema, was jeden Verkäufer sicherlich in Zukunft immer mehr beschäftigen wird. Über den Nutzen der Neuroökonomie für erfolgreiches Verkaufen sind sich Paul und Fritz einig. Jetzt heißt es im ersten Schritt die theoretischen wissenschaftlichen Grundlagen zu verstehen und daraus resultierende eigene verhaltensbezogene Maßnahmen zu entwickeln. „Die Neuroökonomie versucht, das Entscheidungsverhalten von Konsumenten über Beobachtung von Hirnaktivität zu erklären. Wenn das gelingt, wäre die Ökonomie um einen wesentlichen neuen Aspekt erweitert, da nun nicht mehr nur die Entscheidungen, sondern auch die Gründe für Entscheidungen beobachtbar würden.“ / 19/ Fritz zu Paul: „Dann könnten wir in unserem kommunikativen Verhalten direkt an diesen Gründen ‚andocken’ und hätten einen großen Hebel, auf diese Gründe, die Beweggründe, einzuwirken, die dann zum Handeln, dem Kauf unserer Produkte, führten.“ „Die ökonomische Theorie geht seit Beginn des 20. Jahrhunderts weitgehend spekulativ und deduktiv [ Wissenschaftstheorie : vom Allgemeinen auf das Besondere schließend] vor. Die Umstellung der entscheidungstheoretischen Grundlagen auf die empirisch beobachtbare Funktionsweise des Gehirns würde eine erhebliche methodische Renovation darstellen. Als wesentlichen Beitrag der Neurowissenschaften für die Ökonomie sehen wir die durch sie erbrachten empirischen Nachweise, dass neben der Kognition auch Emotionen, die nicht bloß als Gefühle verstanden werden dürfen, eine wichtige Rolle im Entscheidungsprozess spielen.“ / 19/ Fritz zu Paul: „Wir wären ja blöd, wenn wir dieses Wissen nicht für uns nutzen würden.“ „Ja, Fritz, da fällt mir ein tolles Zitat ein“, so Paul. „ ‚Dumm ist nur, wer Dummes tut’. Schon einmal gehört, Fritz? “ „Ja, bei ‚Forrest Gump’.“ „Stimmt.“ „Die Rolle von Emotionen zu klären ist aber nicht nur Gegenstand empirischer Forschung, sondern ebenso eine theoretische Aufgabe, die bislang weitgehend vernachlässigt wurde. <?page no="68"?> 5 Neuroökonomie 58 Emotionale Aspekte des Entscheidens scheinen geeignet, eine Reihe von Problemen zu erklären, welche die ökonomische Theorie, v.a. Rational-Choice-Paradigma, bislang nicht zu lösen vermochte. Emotionen erhalten unter Komplexitätsbedingungen die Entscheidungsfähigkeit des Akteurs, indem sie zur Verarbeitung kontingenter Umstände beitragen und konstruktive Selektionsleistungen vollbringen.“ / 19/ Fritz zu Paul: „Es ist schon unglaublich - je komplexer, desto mehr Emotionen. Und gerade in unserem B2B-Business, hier geht es ja um Produkte, Dienstleistungen und Lösungen. Es sind viele Menschen am Entscheidungsprozess beteiligt, der Entscheidungsprozess ist langwierig. Ich ging immer davon aus, dass die Informationen, die Fakten, die Budgets und der Preis die entscheidende Rolle spielen. Und jetzt Emotionen.“ Paul zu Fritz: „Nun ja, die von Ihnen genannten Punkte sind schon wichtig, doch die Emotionen helfen diese Informationen zu verarbeiten. Die Emotionen sind so eine Art Türöffner zum Verstand.“ Fritz hat einen Gedankenblitz: Wer emotional im Gefühl steht, dessen Verstand blockiert. „Natura non facit saltus - die Natur macht keine Sprünge - ist eine ebenso alte wie gefestigte Weisheit, die uns als Mensch an unsere Verwandtschaft mit Tieren - oder Lebewesen allgemein (von Pflanzen bis Affen) - erinnert und uns damit einen Platz unter vielen zuweist. Diese Einsicht bedeutet aber auch, dass wir nicht bei Null anfangen, sondern in unserem Wesen und Verhalten auf einer Tradition aufbauen, die über Jahrmillionen gefestigt ist. Was unser Auseinandersetzen mit der Umwelt - auch wieder umfassend verstanden von der passiven sensorischen Informationsaufnahme bis zum Auseinandersetzen mit dem sozialen Gegenüber - angeht, so haben wir mit unseren tierischen Verwandten gemeinsam, dass wir mehr unbewusst als bewusst verarbeiten, dass das unbewusst Verarbeitete aber gleichwohl Spuren hinterlässt, das heißt, verhaltenswirksam ist und damit unsere zukünftigen Entscheidungen (mit) determiniert. Obwohl die Lebenserfahrung nahe legt, dass viele Entscheidungen aus dem Bauch heraus gefällt werden, war es erst Sigmund Freud, der die Welt nachhaltig darauf hinwies, dass wir nicht die rational kühl und mit klarem Verstand entscheidenden Wesen sind, sondern hedonistisch und lustbetont aus dem Augenblick und der momentanen Stimmung her agieren.“ / 19/ „Und Fritz“, so Paul, „dass gilt bereits lange vor dem Moment des Verkaufsgesprächs, für den Moment, in dem sich eine verantwortliche Personen in einem Unternehmen Gedanken über zu kaufende Produkte und das Budget macht. Ja, in unserem Geschäft ist es wichtig, schon viel früher und sehr methodisch Einfluss auf die Kaufwahrscheinlichkeit für unsere Produkte zu nehmen. Diese Nuss müsste schon viel früher geknackt werden. Wir bräuchten so eine Art Nussknacker oder NUTBASER© (siehe Def. 7) - eine Art methodischen Leitfaden, der uns den Weg zu den relevanten Personen und Informationen zeigt. So eine Art Informationseinkaufsliste. Diese Informationen müssten einen empirisch ermittelten Algorithmus haben, der uns anhand der Informationsqualität die Kaufwahrscheinlichkeit voraussagt. Das ist besser als die derzeitigen Methoden, die eben nur die Prozessseite abbilden. So könnten wir unser Bauchgefühl objektivieren und die richtigen Dinge richtig tun. Die Qualität der Information ist entscheidend, nicht der Status im Projekt.“ „Hirnforschung und Kognitionswissenschaften sind sich auch darin einig, dass Menschen am leichtesten beeinflussbar sind, wenn sie ohnehin bereits zielgerichtet motiviert sind (z. B. auf <?page no="69"?> 5.1 Neuroökonomie -mehr eine wissenschaftliche Betrachtung als eine Einführung 59 der Suche sind, eine Erwartungshaltung = Anforderungen haben). Fehlt dann allerdings ein entsprechendes Angebot, wird alternativ zum Nächstliegenden gegriffen - man will einer Intention die Tat folgen lassen, einen Abschluss erzielen - dies wird in der Psychologie Zeigarnik-Effekt genannt (etwas Begonnenes zum Abschluss bringen wollen - keine halben Sachen machen).“ / 19/ Fitz hat einen Gedankenblitz: Ich muss das entsprechende Angebot auf Basis der vorhandenen Motivation machen und aktiv den anderen helfen, etwas Begonnenes zu Ende zu führen. „Auf Hirnebene ist es in erster Linie unser Stirnhirn (oder Teile davon), das uns zu diesem Verhalten veranlasst. Da das Stirnhirn phylogenetisch betrachtet - also aus der Stammesgeschichte her gesehen - zu den jüngsten Anteilen des Säugetiergehirns zählt und erst beim modernen Menschen seine jetzige Ausprägung und Größe bekommen hat, ist die Bedeutung dieses Hirnrindenbereichs für unser kognitives, soziales und emotionales Verhalten enorm und wird durch entsprechende Umweltanreize im Laufe des gesamten Lebens weiter geformt. Man muss jedoch nicht auf pathologische Fälle zurückgreifen: Auch jeder normale Mensch hat Phasen verminderter Einsicht und Selbstkontrolle und höherer Suggestibilität: Schon mangelnder Schlaf, eine erhöhte Ablenkbarkeit (z. B. durch häusliche oder berufliche Probleme) können die Empfänglichkeit für Außenreize erhöhen und Verhalten lenken.“ / 19/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Aufgrund dieses emotionalen Verhaltens wird es immer unerklärliches Verhalten im Verkauf geben. Es gibt keine Garantien, nur Wege, um die Erfolgswahrscheinlichkeit zu erhöhen. Und diese Wege sollten nachweislich erfolgreich sein. Das muss unser Auswahlkriterium für Trainings sein. „Wir verarbeiten wesentlich mehr Informationen unbewusst als bewusst. In vier Gedächtnissystemen, die hier hierarchisch aufgebaut sind, und von denen die untersten beiden (das prozedurale Gedächtnis und das Priming-System) unbewusst Informationen verarbeiten. Das hierarchisch am tiefsten stehende prozedurale Gedächtnissystem steht für unsere Alltagsroutinen, die wir vorwiegend körperlich, d.h. motorisch erledigen - Auto fahren, Klavier spielen, Fahrrad fahren. Wie sehr diese Alltagsroutinen in unser Unterbewusstsein hinabgeglitten sind, macht folgendes Beispiel deutlich: Auf die Frage, was muss man zuerst tun muss, wenn man beim Autofahren vom zweiten in den dritten Gang schalten will, antworten die meisten Leute spontan Kupplung drücken; tatsächlich muss man erst den rechten Fuß vom Gaspedal nehmen. Das Beispiel verdeutlicht, dass unser Abruf von Alltagshandlungen weitgehend spontan und automatisch erfolgt, was - unter Gesichtspunkten von Ökonomie und Marketing - sicher auch Vorteile hat, weil man aus der unbewussten Erfahrung heraus ohne reflektiert nachzudenken sich (für das gewohnte Produkt) entscheidet.“ / 19/ Daraus ergeben sich zwei Konsequenzen für den Verkäufer Fritz: 1.) Menschen entscheiden sich emotional für das gewohnte, nicht aber unbedingt für das beste Produkt. Das heißt, eine Art Bequemlichkeit ist wichtiger als die Fakten. 2.) Wenn er erfolgreicher (d.h. mehr Abschlüsse, weniger Überzeugungsarbeit, schnellere Gespräche etc.) sein will, muss auch er reflexartiges Verkaufen beherrschen. Das <?page no="70"?> 5 Neuroökonomie 60 wird nur durch regelmäßiges Training und nicht durch einmalige Veranstaltungen zu erreichen sein. Ferner muss Fritz durch sein Verhalten beim anderen eben diese höhere Lust am neuen Produkt aktivieren, welches eine bewusste Verhaltensänderung beim Gegenüber aktiviert, das neue Produkt dem bekannten vorzuziehen. „Ähnlich sieht es für das zweite Gedächtnissystem aus: Priming (Prägung, Bahnung) steht für höhere Wiedererkennungswahrscheinlichkeit für zuvor unbewusst Wahrgenommenes.“ / 19/ Das mehrmalige - kurze - Benennen eines Produktes in der Werbung sorgt für das Priming- Phänomen. Die erste Wahrnehmung mag vorbeigehen, doch sie hinterlässt eine unbewusste Spur; „die zweite Wiederholung aktiviert aber den ursprünglichen Inhalt und soll so zu einer verbesserten Behaltensleistung und damit zum Produktverkauf führen.“/ 19/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Meine Kommunikation muss ebenso aufgebaut sein. „Wir sind nur in geringem Maß in der Lage, multiple Vergleiche anzustellen.“ / 19/ Da sind sich Paul und Fritz einig - ein streng rationaler Vergleich ist durch unser Gehirn gar nicht darstellbar. Wir glauben das zwar, dennoch orientieren wir uns dann nur an einer Größe, dem Preis. „Es ist ein vielfach gefundenes Phänomen, dass eine zu groß erscheinende Auswahl an Gleichartigem eher verwirrend denn klärend ist, insbesondere dann, wenn ein Objekt, ein Gerät, eine Handlungsoption mehrdimensional variiert und alle Dimensionen gleichzeitig betrachtet und gewichtet werden sollen.“ / 19/ „Und das, mein lieber Fritz, ist das Tagesgeschäft eines jeden, der sich mit der Beschaffung von Gütern, Dienstleistungen, Produkten, Lösungen etc. tagein, tagaus beschäftigen muss. Ob unser Einkauf immer die beste Qualität zum besten Preis beschafft, das ist in jedem Fall weiter zu hinterfragen. Auch, ob unser Entlohnungssystem - nach Einsparungen zu achten - den eigentlichen Unternehmenszielen dient, ist ebenfalls auf den Prüfstand zu stellen. Rein aus der Hirnforschung klappt es nicht. Uns gehen trotz möglicher Einsparungen jede Menge Chancen verloren. Wer weiß, was das kostet“, so Paul. Baron von Uexküll, ein Zoologe, und die Evolutionsbiologie und Hirnforschung - wie passt das zusammen? „Zoologen wissen, dass Tierarten optimal an ihre Umwelt angepasst sind. Die Evolution hat Arten so geformt, dass sie nur die Wahlfreiheiten haben, die in ihrem Habitat sinnvoll genutzt werden können. Auch der Steinzeitmensch hatte nur wenige Wahlmöglichkeiten: Was er als Nahrung fand, aß er. Selbst der Mensch vor 100 Jahren hatte weit weniger Wahlmöglichkeiten als wir. Wir dagegen sind beim Einkauf fast ständig mit einer Vielzahl von Alternativen konfrontiert. Kein Wunder, dass die Verkaufsindustrie über Werbung und geschickte Warenplatzierung dem Kunden die Qual der Wahl erleichtern will. Die Beschränkung auf nur wenige Alternativen kommt - wie erwähnt - dem Kapazitätslimit des Gehirns entgegen.“ / 19/ <?page no="71"?> 5.1 Neuroökonomie -mehr eine wissenschaftliche Betrachtung als eine Einführung 61 Fritz hat einen Gedankenblitz: Wenn die Verkaufsindustrie sich so viel Mühe macht, dann macht es Sinn, die Idee der Beschränkung auf nur wenige Alternativen individualisiert auch im Verkaufsgespräch anzuwenden. „Sowohl auf der Ebene des Sehens wie auf der des Hörens (unsere beiden wichtigsten Sinne) sind wir von der Hirnseite her äußerst eingeschränkt, Informationen parallel kurzfristig zu behalten. Wir können auf der bewussten Ebene nur in geringem Maße parallel Informationen vergleichen.“ / 19/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Deswegen sollte eine Selbstbeschränkung sowohl von Seiten des Konsumenten als auch von Seiten des Anbieters die Kauflust und den Gewinn eher optimieren als eine möglichst breite Diversifikation bieten. / 19, S. 36/ Abb. 16: Vorteil „Unsere Erinnerungen, unsere Befindlichkeit (Wohlbefinden) und unser Körper mit all seinen Stoffwechselvorgängen bestimmen unser Handeln.“ / 19/ Fritz zu Paul: „Ich kann nur auf die Gegenwart, also den Stoffwechselvorgang Einfluss durch mein Handeln und somit auf das Handeln des anderen nehmen.“ „Ja, das stimmt“, so Paul zu Fritz. „Und vor allem heißt es dann, möglichst zutreffend zu wirken und nicht bei dieser kleinen Chance auch noch Fehler im eigenen Verhalten zu machen.“ „Wie wir uns in einem bestimmten Moment unseres Lebens verhalten, ist abhängig von äußeren Gegebenheiten (sowohl der Umwelt als auch, was unseren eigenen körperlichen Zustand betrifft), unserer Stimmung und Befindlichkeiten und unseren im bisherigen Leben gemachten Erfahrungen. Wir denken und handeln nie aus dem Nichts heraus, sondern häufig reaktiv (wenn Umwelt-Zwänge vorherrschen), ansonsten grundsätzlich auf Basis unseres <?page no="72"?> 5 Neuroökonomie 62 bislang angesammelten Wissens. Dadurch, dass die animalischen emotionalen Anteile unseres Gehirns meist die Oberhand über die rationalen gewinnen, haben wir, wie Freud es ausdrückt, die Illusion des freien Willes. Aus Hirnsicht betrachtet ist es deswegen wirksamer, an unsere Instinkte zu appellieren als an den rationalen Verstand (Emotion schlägt Information).“ / 19/ Abb. 17: Angriff-Flucht Fritz hat einen Gedankenblitz: Die Entkopplung unserer Triebkräfte von unserem Denken gelingt wohl nur in einigen Ausnahmesituationen. Gefühl schlägt wohl Verstand. Für die Produktwerbung ein alter Hut, für die Verkaufskommunikation wohl Neuland und unbedingtes Muss in der Realität: „Es muss zukünftig möglich sein, anhand der spezifischen Aktivierung (und dieses erfolgt mittels kommunikativer Werkzeuge wie IWP-KONA u.o. IWP- ABC-Technik) auf Hirnebene, die eigenen Produktargumente so tief wie nur möglich emotional und eindeutig abgegrenzt gegenüber anderen Produkten auf der Hirnebene zu verankern.“ / 19/ Nach Hans J. Markowitsch ergeben sich aus / 19/ fünf mit E beginnende Termini, die in unserem Handeln und in unserer Haltung eine determinierende Größe darstellen: Erscheinungsbild Erfahrung Erwartung Emotion Evaluierung Nur bei zweien können wir selbst aktiv werden, nämlich bei Erwartungen und Emotionen. Die beiden erst genannten sind losgelöst, der fünfte Terminus ergibt sich in der Konsequenz. Also eine fünfzigprozentige Chance, es anders als alle anderen Anbieter zu machen. Nun ja, wer A sagt, darf auch B sagen und es somit besser machen. Kurzgesagt: Erfüllte Erwartungen aktivieren das Gehirn positiv. Nicht erfüllte Erwartungen aktivieren die Alarmglocken. Emotionen lenken unser Verhalten auf zentralste Art und Wei- <?page no="73"?> 5.1 Neuroökonomie -mehr eine wissenschaftliche Betrachtung als eine Einführung 63 se. „Emotionen lassen sich am schwierigsten kontrollieren, weil sie auf einer tieferen, ursprünglichen Hirnebene verarbeitet werden als unser rational-kognitives Verhalten. Emotionen wirken aber auch tiefer - sie gehen ans Herz oder schlagen auf den Magen, auch wiederum ein Indiz dafür, dass sie auf Hirnebene in spezielle, evolutionär früh entstandene Netzwerke eingebettet sind. Die Evaluierung, die Bewertung von Wahrgenommenem basiert auf dem Zusammenspiel von emotionalen und rationalen Denkvorgängen, in Verbindung mit den vier übrigen E-Termini.“ / 19/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Der Verstand begründet, das Gefühl entscheidet. Wer klug ist,wird im Gespräch weniger an das denken, worüber er spricht, als an den, mit dem er spricht. „Was passiert eigentlich so streng wissenschaftlich in unserem Gehirn, wenn wir eine Entscheidung treffen? “, will Fritz wissen. „Um vorteilhafte Entscheidungen zu treffen, ist es notwendig, Vorhersagen über Belohnungen und deren Abgleich mit erhaltenen Belohnungen in den Entscheidungsprozess zu integrieren und Vergleichsprozesse zwischen unterschiedlichen Alternativen durchzuführen.“ / 19/ Und letzteres ist ja das Schwierigste für unser Gehirn. „Weiterführende Studien lassen vermuten, dass ergänzende Bereiche des prämotorischen Koretx in die Handlungsvorbereitungen involviert sind. Forschungsarbeiten haben ergeben, dass in komplexen Entscheidungssituationen Bereiche wie der anteriore cinguläre Kortex und der ventromediale präfrontale Kortex in die Integration von antizipierten und erhaltenen Belohnungen sowie Alternativvergleiche eingebunden sind. Beispielhaft seien hier Shiv et al. (2005) erwähnt, die anhand von Investitionsentscheidungen den Beweis erbracht haben, dass Emotionen menschliche Entscheidungen auch negativ/ positiv beeinflussen können. Ferner konnte mit neurologischen Messungen gezeigt werden, dass Emotionen eine entscheidende Rolle bei Entscheidungen spielen. Die Neuroökonomie findet immer mehr Anwendungen im Rahmen absatzwirtschaftlicher Fragestellungen. Neben diesen grundlegenden neurowissenschaftlichen Studien zum menschlichen Entscheidungsverhalten, die auch, aber nicht nur, von Ökonomen betrieben werden, können diese Ergebnisse neuroökonomischer Forschung inzwischen auch zur Lösung wirtschaftspraktischer Probleme genutzt werden. In erster Linie fokussiert die Nutzung dabei auf absatzwirtschaftlichen Fragestellungen.“ / 19/ Im unter / 19/ im Literaturverzeichnis aufgeführten Buch sind eine Reihe von diesen Studien aufgeführt. „Es zeigen fast alle Studien, dass bestimmte Marketingstimuli zu einer emotional geprägten Reaktion führen. Von besonderer Bedeutung für den Erfolg absatzmarktbezogener Maßnahmen scheint dabei die Vermittlung positiver Emotionen zu sein. Eine Beschränkung der emotionsvermittelnden Instrumente auf den Bereich der Kommunikationspolitik, wie dies in der Praxis oft beobachtet werden kann, erscheint jedoch weder sinnvoll noch notwendig.“ / 19/ Paul zu Fritz: „Unsere bisherige Vorgehensweise, wenig in Verkaufstrainings zu investieren, war und ist der falsche Weg. Nach all den Erkenntnissen sparen wir am falschen Ende. Unsere Kommunikation muss psychologisch sein. Zukünftig müssen wir uns mehr an den wissenschaftlichen Erkenntnissen statt an irgendwelchen neuen Konzepten orientieren.“ <?page no="74"?> 5 Neuroökonomie 64 „Von besonderer Bedeutung für die weitere Forschung auf diesem Gebiet dürfte dabei das Zusammenspiel zwischen Belohnungs-, Gedächtnis- und Entscheidungsstrukturen sein. So verdeutlichen Studien, dass mit der Verarbeitung von Emotionen assoziierte Hirnregionen mit Markenpräferenzen korrespondieren. Diese Regionen sind der mittlere präfrontale Kortex sowie Teile des posterioren Cingulums. In zahlreichen neurowissenschaftlichen Studien findet man Belege dafür, dass der mittlere präfrontale Kortex, und hier insbesondere der ventromediale Bereich, eine wichtige Rolle bei der Integration von Emotionen in (ökonomisch relevanten) Entscheidungsprozessen spielen.“ / 19/ „Der präfrontale Kortex (PFC) als entscheidende Gehirnregion; auch wenn die menschliche Entscheidungsfindung noch immer viele Rätsel aufgibt, ist der PFC wohl eine entscheidende Gehirnregion - im wahrsten Sinne des Wortes. Im Folgenden sei daher ein wenig genauer auf diesen Hirnbereich eingegangen. Der PFC fungiert als Koordinierungszentrum aller höhergeistigen Prozesse, wie Sprache, Aufmerksamkeit und Gedächtnis. Ebenso werden hier exekutive Funktionen (Reaktionen auf die Umwelt) gesteuert. Dazu gehören die Bewertung von Handlungsalternativen sowie die Planung von Handlungsketten, aber auch das Fällen von Entscheidungen und die Impulsgebung für Handlungen. Bei Entscheidungen spielen vor allem drei Teile des PFC eine Rolle. Der orbitofrontale Kortex (OFC) spielt eine kritische Rolle bei Entscheidungen unter Unsicherheit, die Belohnung oder Bestrafung beinhalten, wie finanzielle Investitionsentscheidungen. Bei komplexeren, in die Zukunft gerichteten und abwägenden Aufgaben, bei denen es keine einfach richtigen oder falschen Lösungen gibt, kommt der dorsolaterale präfrontale Kortex (DL-PFC), unser Verstand, ins Spiel. Im Zusammenspiel mit dem OFC findet eine subjektive Bewertung statt. Der DL-PFC scheint diesen Input dann in seine Entscheidung zu integrieren.“ / 19/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Der emotionale Input und die dann subjektive Bewertung wird ein Teil der Logik. 2: 1 für die Emotionen. Wahnsinn. „Der vordere cinguläre Kortex oder anteriore cinguläre Kortex ist bei der Entscheidung in einer Art Monitoring beteiligt. Im Zusammenspiel mit dem ACC baut der OFC hieraus offensichtlich ein Gedächtnis für positive und negative Feedbacks auf. Des Weiteren nimmt die Aktivität des vorderen Teils des ACC mit steigendem Unsicherheitsgrad zu. Somit würde der ACC den Unsicherheitsgrad einer Situation bewerten. Doch diese Erklärung reicht nicht, um unser Entscheidungsverhalten abschließend zu beschreiben. Gerade unter Risiko werden bei Entscheidungen häufig alle vernünftigen Überlegungen von Emotionen überlagert. Offensichtlich sind unsere Gefühle manchmal in der Lage, unseren Verstand im DL-PFC und unsere Vernunft im OFC zu überlagern. Der Hirnforscher Gerhard Roth erklärt dies damit, dass nur die Heimat der Gefühle, das unterbewusst arbeitende limbische System, Zugang zu den Basalganglien hat, die letztlich unsere Handlung auslöst. Der Grund hierfür sei, schreibt Roth, dass alles, was Vernunft und Verstand als Ratschläge erteilen, für den, der die eigentliche Handlungsentscheidung trifft, emotional akzeptabel sein muss. Vereinfacht dargestellt, besteht das limbische System aus drei Funktionsebenen. Der untersten Ebene werden Grundfunktionen des Körpers wie Kontrolle der Atmung, des Kreislaufes und der Energieversorgung, damit verbundene körperliche Bedürfniszustände wie Hunger und Durst und affektive Zustände wie Aggressivität, Wut oder Lust zugeschrieben. Der untersten Ebene hinzugerechnet wird ebenfalls das mesolimbische System, welches körpereigene Drogen wie Endorphine, Enkephaline oder Dopamin produziert, die als Beloh- <?page no="75"?> 5.1 Neuroökonomie -mehr eine wissenschaftliche Betrachtung als eine Einführung 65 nungsstoffe fungieren. Die eigentlichen Gefühle sind in der mittleren Funktionsebene des limbischen Systems beheimatet. Hier werden sie in einer relativ simplen Kategorisierung nach richtig oder falsch bzw. gut oder schlecht verarbeitet. Beginnend im Mutterleib werden so das ganze Leben lang Erfahrungen kontinuierlich im limbischen System abgelegt, auch wenn uns ihre Details gar nicht mehr bewusst sind. Je nachdem wie häufig sich eine Erfahrung wiederholt oder wie heftig ein Erlebnis ist, geschieht dieses Ablegen bereits beim ersten Mal oder erst nach wiederholtem Erleben. Diesen Prozess nennt man emotionale Konditionierung. Alles Wahrgenommene wird mit diesem Erfahrungsschatz des limbischen Systems bewusst abgeglichen und in der Folge mit Gefühlen belegt. Verortet ist dieser Prozess in einem Teil der Amygdala, der auch die positiven und negativen Bewertungen aus der untersten Funktionsebene erhält. Nach Roth eignet sich das limbische System damit vor allem für die schnelle, emotionale Bewertung unserer Umwelt. Hier folgen wir also eher unseren Affekten und Gefühlen.“ / 19/ Fritz zu Paul: „Egal, was anschließend passiert, der andere hat uns schon emotional bewertet. Die Macht des ersten Eindrucks.“ Fritz hat einen Gedankenblitz: Der andere sieht mich und hat mich emotional schon in eine Schublade gepackt. Ich muss also schauen, dass ich in eine für mich optimalere Schublade (sprich Ausgangssituation, egal ob im persönlichen Gespräch oder am Telefon) komme. Es müsste Verhaltenshinweise geben, die es mir ermöglichen, diese in jedem Fall stattfindende emotionale Selektion für mich positiv zu beeinflussen. „Gerade in komplexen Situationen, die mittelbzw. langfristiges Planen erfordern, wird hingegen der bewusstseinsfähige Kortex massiv hinzugezogen. So erfolgt die Verarbeitung großer Datenmengen, die Integration verschiedenartiger Gedächtnisinhalte und schließlich die Handlungsplanung. Mithin: in solchen Situationen hören Menschen auf ihre Vernunft und ihren Verstand. Im besonderen Falle einer zusätzlichen, starken emotionalen Konditionierung sind das genau die Situationen, bei denen wir einen Konflikt zwischen Bauch- und Kopfentscheidung haben. Die spannendste und zudem kontrovers diskutierteste Frage ist nun, welcher Gehirnbereich sich wie durchsetzt. Roth erklärt die Tatsache, dass Menschen auch unvernünftige - sprich: emotionale - Entscheidungen treffen, mit der Struktur des Gehirns. Da nur das limbische System, nicht aber das rationale System des Stirnhirns einen direkten Zugriff auf die handlungsauslösenden Teile des Gehirns (hier vor allem die Basalganglien) hat, können bewusst im Stirnhirn geplante Handlungen vom limbischen System blockiert werden. Diese Überlegungen wären anschlussfähig an die in herkömmlichen Forschungszweigen diskutierte Theorie über Einfachheitsheuristiken, also simple Entscheidungsregeln. So haben sich bei verschiedenen Experimenten am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin unter der Leitung von Gerd Gigerenzer solcherlei einfache, schnell getroffene Entscheidungsregeln gerade in komplexen unüberschaubaren Situationen vielfach dem langwierigen Abwägen als überlegen erwiesen. Das einfache Ursache-Folge-Prinzip des ersten Paradigmas kann so anhand der neurowissenschaftlichen Erkenntnisse als nicht mehr haltbar angesehen werden. Von einem rein kognitiven Prozess des Abwägens kann schon allein deshalb nicht mehr gesprochen werden, da sich Menschen ständig in einem unterbewussten Prozess der emotionalen Konditionierung befinden. So sind Nutzen und Risiko über Belohnungssysteme im Gehirn selbst sehr eng mit Gefühlen verknüpft oder, wie Roth es <?page no="76"?> 5 Neuroökonomie 66 formuliert, hat das limbische System […] gegenüber dem rationalen corticalen System das erste und das letzte Wort.“ / 19/ „Homo oeconomicus, die klassische Akteurskonstruktion der Ökonomie, hat zwei Schwachpunkte: (1) kein Mensch kann alle Folgen seiner Handlung abschätzen (=phronetischer Effekt) und (2) Menschen sind stark auf Kooperation und Vertrauen zu anderen angewiesen (=sozialer Effekt). Diese Schwachpunkte systematisch anzuerkennen, hat methodische Folgen: Homo sapiens als Homo reciprocans (siehe Def. 8) ersetzt Homo oeconomicus. In der Ökonomik wird bisher angenommen, dass Menschen egoistisch ihre Interessen verfolgen und sich nur dann altruistisch (bedeutet in der Alltagssprache „Uneigennützigkeit, Selbstlosigkeit) verhalten, auch wenn sie damit rechnen, dass es sich für sie auszahlt. Doch lässt sich diese - anthropologische - Annahme nicht mehr halten; Experimente der Behavioral Economics zeigen: Menschen verhalten sich altruistisch, auch wenn sie keinen direkten Vorteil erwarten können. Menschen sind kooperativ; sie müssen es allerdings erst lernen. Kooperatives (soziales) Verhalten führt zu höheren Gewinnen für alle Beteiligten. Menschen spielen - wenn wir dies einbeziehen - potenziell drei Spiele gleichzeitig: 1. Ein myopisches Nutzenspiel (Egoismus, nur mein Nutzen entscheidet) 2. Ein strategisches Nutzenspiel (=Kooperationsspiel) und 3. Ein Korrektur- oder Strafspiel gegen free riding (=Freifahrt) Das dritte Spiel ist eine Investition im Vertrauen in die Geltung der Spielregeln bei Kooperationsspielen (siehe Def. 9). Dass man selbst ein Myopischs Spiel spielt, steht in einer Spannung zu 2. und 3. und kann nur durch Lernen aus 2. und 3. verbessert werden. Da 3. auch gilt, wenn ich 1. spiele, lerne ich die Bedeutung der Einhaltung von Erwartungsgleichgewichten bzw. von Regeln/ Institutionen. Institutionen sind demnach kulturelle Muster von Kooperativität, ohne faktisch kooperatives Verhalten zu fordern (Kooperation ohne Kooperation = koordiniertes, regelgleich ausgerichtetes Verhalten). Auf lange Sicht kooperieren auch Egoisten, weil die Ausbeutung durch free riding nicht lohnt. Menschen sind bereit zu kooperieren, solange sie sich nicht ausgenutzt fühlen. Bei niedrigen, unfairen Angeboten - hier beginnt die Neurosience-Interpretation - wird die Inselrinde erregt. Ekelgefühle entstehen. Gefühle spielen bei Entscheidungen eine größere Rolle als die reine Vernunft. Der Homo oeconomicus unterstellt Egoismus (Myopiespiele) entwickelt sich kulturell dann, wenn es üblich ist, dass andere einen selbst ausnutzen. Egoismus antwortet auf diese Ausnutzung reziprok (Das Adjektiv reziprok ist vom lateinischen reciprocus (auf demselben Weg zurückkehrend) abgeleitet und bedeutet ‚wechselseitig’ oder ‚gegenseitig’. In der heutigen Verwendung können als reziprok wechselseitige, gegenseitige oder aufeinander bezügliche Sequenzen oder Abläufe beschrieben werden. Auch Sachverhalte oder Verhältnisse können reziprok sein. In der Mathematik ist der reziproke Wert genau der Kehrwert einer Zahl.. Methodisch ist der Homo oeconomicus in seinem Verhalten festgelegt und reagiert nur auf veränderliche Randbedingungen. Doch Menschen bilden und verändern ihre Neigungen und Präferenzen im Kontakt mit anderen: durch Kommunikation.“ / 19/ <?page no="77"?> 5.1 Neuroökonomie -mehr eine wissenschaftliche Betrachtung als eine Einführung 67 Fritz hat einen Gedankenblitz: Ich bin als Verkäufer Mundwerker, d.h. ich muss richtig kommunizieren können. Der andere reagiert durch meine Kommunikation in jedem Fall, ich muss es nur in meine Richtung steuern und das gelingt durch Kommunikation. „Vertrauen in fremde Partner, Transparenz und Fairness scheinen nach alldem wichtige Faktoren für ein effektives Wirtschaftsleben zu sein. Misstrauen und Kontrolle kosten Geld und engen den Handlungsspielraum ein. Vertrauen in fremde Partner, Transparenz und Fairness sind demnach transaktionskostensenkende Institutionen, die Handlungsspielräume erhalten oder erweitern. Die Hirnregion Nucleus caudatus ist für Vertrauensbildung wichtig. Sie ist Teil des menschlichen Belohnungssystems. Aktivitäten im Nucleus caudatus lassen sowohl auf Fairness des Spenders schließen als auch auf den Willen des Partners, dieses Vertrauen nicht zu missbrauchen. Neuroökonomisch spielt die Emotion eine wichtige Rolle. Wo kein Vertrauen herrscht, fallen hohe Kosten an, um Verträge durchzusetzen oder Regeln zu überwachen. Emotionen sind subjektive Konstruktionen von Realität, die nicht objektivierbar sind, aber Geltung beanspruchen. Das ist wohl der wertvollste Hinweis der Neurooeconomics. Entscheidungen sind immer kontexturierte Entscheidungen, deren Feld wir gewöhnlich schmaler setzen, als vom Geltungsraum angemessen ist. Rational choice z. B.. schneidet nur den kognitiven Aspekt der Alternativen-Fragestellung und -bewertung heraus. Bounded rationality rechnet noch Bearbeitungskapazitäten restriktiv hinzu. Die Wahrnehmung von Alternativen wie deren Bewertung ist limitiert. Von rational choice hin zu bounded rationality haben wir es mit einem zunehmenden Grad an zu bemessender Alternität (abwechselnd, wechselseitige Folge) zu tun, zugleich mit einem zunehmenden Grad an Relevanz. Je mehr Kontext einzurechnen ist, um so mehr sind Entscheidungen durch Umstände geprägt, geleitet, hervorgerufen, die mit dem normativen idealen Rational-choice-Akt nichts mehr zu tun haben. Neurooeconomics öffnet die Analyse von Entscheidungen dem Kontext, in dem Emotionen eine große Rolle spielen. Damit subjektiviert aber die schon subjektive Analytik der Entscheidungen noch mehr. Es kann nicht darum gehen, Muster der Emotionalität zu ersinnen (die ja individuell extrem different sein können), sondern Verfahren der Relationierung von kognitiven und emotionalen Systemen im Akteur.“ / 19/ Paul reagiert sofort: „Und das ist zukünftig unser Qualitätskriterium, um unter den über 50 000 Anbietern im Bereich Verkaufstraining den richtigen zu finden. Nur wer diesen Beweis - nachhaltig, offen und transparent - bringen kann, wird unser Partner sein können. Wir benötigen keinen Leitfaden, sondern ein Navigationssystem, welches uns in jeder Phase im Verkaufsgespräch eine Orientierung gibt, so dass wir die erforderlichen Werkzeuge richtig, schnell und erfolgreich einsetzen können - je nach rationaler oder emotionaler Anspannung im Gespräch.“ „Indem Emotion Geltung bekommt, bekommt sie Erwägungsrecht: Soll ich mich so oder nach rationalen Kriterien verhalten? Es gelten mehr Umstände als bisher angenommen wurden.“ / 19/ „Neurooeconoomics gründet auf einer Akteurstheorie. Akteur ist das Gehirn. Wie filtert das Gehirn unter mehreren Optionen seine - im besten Falle richtige - Entscheidung heraus? <?page no="78"?> 5 Neuroökonomie 68 Fritz zu Paul: „Bisher haben wir uns nur an Innovationen und an dem, was unsere Produkte an Nutzen stiften können, orientiert, wenn es um Verkaufstrainings ging.“ „Jetzt heißt es, einen neuen Weg zu gehen, sich mehr mit dem Gehirn des anderen und dessen Ansprache zu beschäftigen und zu akzeptieren, dass wir wohl eher Glück hatten mit unseren Zielerreichungen“, so Paul. „Das neuronale System ist als Wahrnehmen/ Emotionen/ Handeln auf einen Reizverarbeitungsmodus beschränkt. Entscheidungen werden über reflexive Prozesse im Stirnhirn verarbeitet. Wahrnehmungen werden im neuronalen System ebenso verarbeitet wie Gedanken, d.h. z. B. Wissen, Erfahrungen etc. Eine rational choice ist demnach keine Wahl von gegebenen (wahrgenommenen) Alternativen, sondern ein im neuronalen System sich vollziehender Akt, bei dem andere Bestimmungen mitspielen, z. B. Emotionen. Menschen handeln, weil sie sich einen Vorteil versprechen. Das Gehirn hat eine Art von Belohnungssystem entwickelt. Daran beteiligt sind Nervenzellenansammlungen im Hirnstamm, bestimmte Teile der Hirnrinde und der Mandelkern (für die Emotionsverarbeitung). Die Art der Ursache für die Belohnung scheint weniger von Bedeutung zu sein. Das System ist - so scheint es - genusssüchtig (hedonisch) angelegt. Das Belohnungssystem wird bereits in Erwartung eines künftigen Genusses aktiviert. (Über mögliche Gewinne spekuliert das Gehirn im Vornherein.) Es arbeitet dispositiv. Das Gehirn aktiviert sich über Intentionen, die die Aufmerksamkeit lenken. Man kann es so beschreiben: Das Gehirn gleicht fortwährend seine Profit-(Genuss-) Erwartungen mit der Wirklichkeit ab (mit dem, was es vorfindet), um daraus Schlüsse für spätere Entscheidungen zu ziehen. Dieses - einfache - neuronale Modell lernt. Überraschende Gewinne führen zu einer starken Aktivierung der Dopamin-Neuronen; unerwartete Verluste dagegen bremsen das Belohnungssystem. Beide Resultate wirken auf spätere Strategien (bzw. -wechsel) ein. Die Belohnungssignale der Dopamin-Neuronen werden in ein übergeordnetes Nervenzellennetz im Großhirn eingespeist, das auch Informationen aus den Emotionszentren empfängt. Wenn wir etwas tun, erzielen wir materielle, emotionale und soziale Gewinne (Anerkennung). Das Gehirn (Teile des Stammhirns und der Basalganglien) berechnen aus verschiedenen Aspekten einen Gesamtnutzen. Bemerkenswert ist dieses: Dieser Nutzen ist nicht invariant (Invarianz ist die Unveränderlichkeit von Größen. Das zugehörige Adjektiv lautet invariant) (vor allem nicht zeitinvariant). Was heute oder jetzt als Nutzen betrachtet wird, kann sich in einer anderen Sekunde umkehren. Die je nach Situation (anderen Umständen) unterschiedlich gefärbte Erwartung ist durch Signalmuster im Mandelkern (dem Gefühlsverarbeiter) erkennbar. Was das Gehirn als positiv oder negativ wertet, ist relativ. Menschen handeln nicht nur auch Vorteilsabsicht, sondern auch aus Vorlieben. Wir entscheiden uns für etwas, was wir schlicht mögen. Hier geht es nicht um das Abwägen von Alternativen, sondern um Dezisionen (Entscheidungen). In economic terms: wir haben es mit einem dominanten Präferenzialismus (siehe Def. 10) zu tun, der nicht automatisch in Nutzen übersetzt wird. Was ich mag, ist nicht von Vornherein daraufhin geprüft, ob es für mich auch vorteilhaft ist. Präferenz ist nicht gleich Nutzen. Nutzen ist bereits bewertete Präferenz.“ / 19/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Wir benötigen eine präferenzorientierte Nutzenargumentation, zielgerichtet auf den Gesprächspartner und seine Gefühlswelt. Das ist dann sein Nutzen und nicht unser Produktnutzen. <?page no="79"?> 5.1 Neuroökonomie -mehr eine wissenschaftliche Betrachtung als eine Einführung 69 „Was jemand präferiert, scheint ihm Nutzen zu geben, ohne dass das überlegt oder reflektiert wird. Das limbische System im Zentrum des Gehirns ist aktiv, wenn Menschen Entschlüsse fassen. Mehrere Gehirnregionen verarbeiten dort Gefühle und geben Dingen und Situationen eine emotionale Färbung.“ / 19/ Wie aus einem Entscheidungsprozess eine Handlung übergeht, dass versucht die Kognitionswissenschaft noch genau zu klären. Doch solange die Antwort offenbleibt, weshalb das Gehirn, statt nur Informationen zu verarbeiten auch mentale Präsenz und bewusstes Erleben herstellt gibt es noch einiges zu erforschen. Fritz und Paul sind sich einig: Mehr die Gefühlswelt, das innere Belohnungsystem des Gesprächspartners ansprechen! Der dort entstehende Hebel ist ein sehr großer und wirksamer! „Entscheidungen lassen sich als Kooperationseffekt im Gehirn beschreiben. Kognitive und emotive Ebenen arbeiten parallel; oder: die emotive Ebene bildet einen Kontext zur kognitiven.“ / 19/ Zum Abschluss wagen sich Fritz und Paul in eine sehr komplexe Sichtweise, die allerdings ihre Berechtigung hat und zum Nachdenken anregen soll. „Das Beobachten von Gehirnen ist ein Teil und Ergebnis der Evolution, die das Beobachten beschreibt. Wir deuten Prozesse, die, indem wir sie deuten, stattfinden. Deuten wir, was stattfindet oder findet statt, was wir deuten? “ / 19/ Mein Fazit an Sie, liebe Leserinnen und Leser: Ich wünsche mir, dass die Leserinnen und Leser dieses Buches sich einmal mit dieser Frage auseinandersetzen. Es ist hilfreich, nicht nur das Ergebnis wahrzunehmen, sondern sich zu fragen, was ist, was könnte passiert sein, damit es zu diesem Ergebnis geführt hat? Vielleicht entsteht ja die Neugier, mehr über das Entscheidungsverhalten von Menschen zu erfahren (Wissen anhäufen) und damit das eigene Wollen in den Vordergrund zu stellen und somit für sich und für seinen Arbeitgeber einen enormen Wettbewerbsvorteil zu erreichen. Wissen und Wollen ergeben einen extrem wirksamen Hebel, wenn auch noch das Tun aktiviert wird. Erwachsenenbildung und lebenslanges Lernen, das sind die Voraussetzungen für den Erfolg von Verkäufern und Führungskräften. Nur durch Produkt und Preis können wir uns in einem auf Verdrängung und Wachstum ausgerichteten Markt nicht mehr unterscheiden. Für Führungskräfte gilt: Führung ist der ultimative Erfolgsfaktor in dieser Wissenswelt. Für Verkäufer gilt: lebenslanges Lernen in der psychologischen Art der Kommunikation. Aus Wissen, Wollen und Können wird reflexartiges Tun. Man ist immer in der Lage, die richtigen Dinge richtig zu tun. Richtig im Sinne der Neuroökonomie. Das Resultat ist eine unbewusste Kompetenz. Was will man/ frau mehr? Erfolg hat eben 3 Buchstaben: T-U-N! Aus der Praxis für die Praxis - Checklistenfrage Welches Verhalten lege ich an den Tag, um bei meinem Gesprächspartner positiv, auf Augenhöhe und partnerschaftlich wahrgenommen zu werden? Habe ich konkrete Indizien erhalten/ erfragt/ beobachtet, um die persönlichkeitsorientierten Präferenzen zu erkennen? Führe ich mein Gespräch in Richtung der Kauf- und Entscheidungsmotivation, um diese zu erfahren? <?page no="80"?> 5 Neuroökonomie 70 Habe ich konkrete und nicht mehr interpretierbare Informationen über die Kauf- und Entscheidungsmotivation vom Gesprächspartner erhalten? Kenne ich die Anforderungen und Beweggründe meines Gesprächspartners als Summe der Kauf- und Entscheidungsmotivation? Zielt meine Argumentation in die Richtung, dass mein Produkt/ meine Dienstleistung/ meine Lösung einen Motivationsbeitrag bei meinem Gegenüber leistet? Wie sind meine Redeanteile in den jeweiligen Phasen des Verkaufsgesprächs? Kenne ich die Beweggründe für Fragen und Reaktionen meines Gegenübers? Konzentriere ich mich auf Gemeinsamkeiten? Verwende ich die Einwandvermeidungsstrategie im Sinne von: Je besser die Bedarfsanalyse, umso geringer der Anteil der Einwände? 5.2 Im Kopf des Konsumenten (homo oeconomicus vs homo neurobiologus) Lassen Sie uns einmal in den Kopf blicken, wenn eine Entscheidung getroffen wird. Fritz zu Paul: „Haben Sie schon einmal vom homo neurobiologus gehört? “ „Nein, den kenne ich nicht. Ich kenne nur den homo oeconomicus und von dem wissen wir ja nun, dass er wohl doch nicht so entscheidend ist, wenn es um Entscheidungen geht. Aber, wer ist der homo neurobiologus? “ „Das Herz hat Gründe, die die Vernunft nicht kennt.“ Das sagte schon Blaise Pascal (1623- 1662). „Wie fällen wir Kaufentscheidungen? Studien zeigen, beim Griff ins Portemonnaie mischen unsere Emotionen kräftig mit. Zwei Denker, zwei extreme Ansichten. Einmal das o.g. Zitat von einem berühmten französische Mathematiker und Philosoph, und auf der anderen Seite, sein Landsmann und Zeitgenosse René Descartes (1596-1650), der Begründer des neuzeitlichen Rationalismus, hielt dagegen: „Ich denke, also bin ich“. Diese beiden berühmten Zitate der Philosophiegeschichte umreißen das Spannungsfeld zwischen Gefühl und Verstand, in dem sich die moderne Wissenschaft heute noch bewegt. Gerade Ökonomen betonten lange Zeit den Wert der Rationalität und vernachlässigten die Bedeutung von Emotionen bei wirtschaftlichen Entscheidungen.“ / 12/ Übrigens, dieser Argumentation folgten Fritz und Paul, stellvertretend für viele meiner Teilnehmer in Verkaufstrainings. Allen war klar, dass die Emotionen, umgangssprachlich das Bauchgefühl, wichtig sind, doch wenn es um den Preis ging, um den Einwand „zu teuer“, dann wurde das Thema Emotionen schnell weggeschlossen und der Schlüssel weggeworfen. Zu teuer sei rational, also ein zu hoher Eurobetrag (Kaufpreis) trifft auf ein zu geringes Budget. Konsequenz: zu teuer. „Sie sahen im Konsumenten ein rational denkendes Wesen, das ganz eigennützig Kosten und Nutzen seiner Entscheidung abwägt, um so jederzeit seinen eigenen Profit zu maximieren. Dieses Bild des homo oeconomicus stößt jedoch an seine Grenzen - denn emotionale Faktoren wie Vertrauen und Fairness fließen in unsere wirtschaftlichen Entscheidungen mindestens ebenso stark ein. Doch wie lassen sich so abstrakte Begriffe wie Vertrauen wissen- <?page no="81"?> 5.2 Im Kopf des Konsumenten (homo oeconomicus vs homo neurobiologus) 71 schaftlich sauber fassen? Offensichtlich müssen die Wissenschaftler in ihre Forschungen das Organ mit einbeziehen, das unsere ökonomischen Entscheidungen herbeiführt: das Gehirn.“ / 12/ „Nach Damasios Theorie der somantischen Marker beeinflussen emotionale Körpersignale die Wahl zwischen zwei Alternativen insbesondere bei komplexen Situationen. Ohne dieses Gefühl können wir gar nichts entscheiden.“ / 12/ Ohne die Emotionen wäre unser Gehirn in einem permanenten Abwägungsprozess damit beschäftigt, die gegenseitigen Vor- und Nachteile zu bewerten und abzuwägen. Dieses verbraucht so viel Energie und zu einem Ergebnis würden wir auch nicht kommen. Wichtig ist, dass wir nun über wirtschaftliche Kaufentscheidungen im Kontext zu komplexen Situationen sprechen. Dieses entspricht eben gerade unserer Situation und es schafft hoffentlich auch den Bezug zum Alltag meiner Teilnehmer. „Wie steuern nun Gefühle Entscheidungen? Um dieses zu untersuchen, luden 2003 Alan Sanfey von der Princeten University und seine Kollegen ihre Versuchspersonen zum Ultimatumspiel ein. Jeweils zwei Probanden spielten miteinander, wobei einer eine bestimmte Geldsumme erhielt, von der er einen selbstgewählten Betrag an seinen Mitspieler abgeben durfte. Der springende Punkt: Beide durften das Geld nur dann behalten, wenn der Empfänger das Angebot auch annahm. Lehnte er es dagegen als unfair ab, gingen beide leer aus.“ / 12/ „Mensch Paul, dieses Experiment entspricht meiner Realität sehr, sehr stark. Wir haben ein Budget, aus dem selbst die Ausgabehöhe bestimmt werden kann. Das passt in Bezug auf den nutzenorientierten Menschen, der sein Budget schonen möchte“, so Fritz zu Paul. Weshalb auch immer: Vorgaben des Chefs, z. B. das Einkaufsvolumen um x Prozent zu senken (Zu teuer-Argumentation), um selbst möglicherweise seine Einkaufsziele zu realisieren, um den Bonus zu erhalten, um sich als der Super-Einkäufer im Unternehmen zu präsentieren oder um den nächsten Schritt auf der Karriereleiter zu machen usw“, so Paul. „Liebe Leserin, lieber Leser, versetzen Sie sich einmal in die Rolle des Empfängers! Würden Sie bei einer Geldsumme von beispielsweise 100 € die Hälfte annehmen? Vermutlich. Wie sieht es aber aus, wenn die Offerte nur 1 € beträgt und ihr Mitspieler die restlichen 99 € für sich behalten will? Wären Sie ein rational denkender homo oeconomicus, dann müssten Sie auf jedes Angebot eingehen - ein noch so winziger Betrag (entspricht einem Gewinn! ! ! ! ) ist schließlich besser als keiner. Tatsächlich billigten die Versuchspersonen vor allem solche Vorschläge, bei denen der Betrag mehr oder weniger fair aufgeteilt wurde. Lag das Angebot aber drastisch jenseits der 50: 50-Linie, lehnten die meisten entrüstet ab. Lieber nahmen sie dann einen finanziellen Verlust in Kauf, als ihrem Mitspieler einen höheren Gewinn zu gönnen. Während die Spieler miteinander verhandelten, verfolgten die Wissenschaftler deren Hirnaktivitäten per funktioneller Magnetresonanz (fMRT). Dabei regten sich bei den besonders unfairen Angeboten vor allem die Regionen, die an unserer Gefühlsregulation beteiligt sind: der vordere Bereich der Insula, der vordere oder anteriore cinguläre Kortex, sowie ein Areal im Frontallappen, der dorsolaterale präfrontale Kortex. Die Spieler befanden sich offensichtlich in einem emotionalen Konflikt, der sich in den unterschiedlichen Hirnaktivitäten widerspiegelte. Sanfey und Kollegen interpretierten jedenfalls ihren Befund als Versuch des <?page no="82"?> 5 Neuroökonomie 72 Gehirns, das negative Gefühl zu überwinden und das unfaire Angebot zur Gewinnmaximierung anzunehmen.“ / 12/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Wenn sich Gefühl und Verstand gegenüberstehen, gewinnt meist das Gefühl. „Das Team um die Hirnforscherin Daria Koch und den Ökonom Ernst Fehr von der Universität Zürich kam allerdings 2006 zu einem etwas anderen Ergebnis. Auch hier durften sich die Probanden am Ultimativspiel versuchen - die Forscher schalteten jedoch dabei per transkranieller Magnetstimulation, die durch einen elektromagnetischen Impuls gezielt Hirnbereiche beeinflusst, wahlweise den rechten oder den linken DLPFC im Gehirn der Testkandidaten aus. Wie sich zeigte, nahmen die Spieler unfaire Angebote nur dann häufiger an, wenn ihr rechter DLPFC blockiert war - beim linksseitigen Gegenstück blieb der Effekt aus. Doch nach wie vor empfanden die Versuchspersonen auch die akzeptierte Offerte als schreiend ungerecht! Koch und Fehr vermuteten, dass das rechte Hirnareal egoistische Signale unterdrückt und so dem Spieler ermöglicht, seine eigenen Fairnessregeln zu verwirklichen.“ / 12/ „Mensch Paul, wir müssen nur durch unser Verhalten diesen Einfluss geltend machen, und gestalten so die neue - unsere - Fairnessregel für den gerechten Preis. Was für Perspektiven in alle Richtungen - positiv wie negativ …“, so Fritz. Fritz hat einen Gedankenblitz: Der Preis ohne persönlichen, emotionalen Bezug wird immer unfair bleiben. „Auf diese Weise spiele der Frontallappen bei solchen Entscheidungen eine wichtige Rolle, die stark von Emotionen beeinflusst werden. Wie sieht es nun mit dem Vertrauen aus? Ein homo oeconomicus hält nicht viel davon - denn wer auf die Seriosität seines Geschäftspartners baut, riskiert, von ihm übers Ohr gehauen zu werden. Die Erfahrung lehrt allerdings, dass viele Geschäftsbeziehungen scheitern. Vertrauen gegen Vertrauen, in diese Zwickmühle versetzten die Forscher um Kevin McCabe von der Universität in Arizona in Tucson ihre Probanden bei einem reziproken [wechselseitig, gegenseitig [erfolgend], aufeinander bezüglich] Kooperationsspiel. Spieler 1 hatte dabei die Wahl, einen Betrag von 90 Dollar gerecht aufzuteilen oder den Gesamteinsatz auf 405 Dollar aufstocken zu lassen. Wählte er Letzteres, begab er sich in die Hand von Spieler 2, der von der Gesamtsumme entweder 18 Dollar an seinen Kompagnon zurückgab und die restlichen 225 Dollar als Lohn für sich behielt - oder gleich alles selbst kassierte. Der erste Spieler riskierte also, von seinem Mitspieler betrogen zu werden, wenn er seinen eigenen Gewinn von 45 auf 180 Dollar vervierfachen wollte. Abermals blickten die Forscher dabei ins Gehirn ihrer Probanden. Und es offenbarten sich signifikante Unterschiede: Bei Spielern, die ihrem Kompagnon das Startkapital anvertrauten, beziehungsweise das Vertrauen ihres Mitspielers mit kooperativen Verhalten belohnten, zeigte der mediale präfrontale Kortex eine deutlich höhere Stoffwechselrate als bei Kooperationsunwilligen. Diese Hirnregion wird mit der Fähigkeit in der Verbindung gebracht, sich in andere Personen hineinzuversetzen. Menschen, die sich in ihre Mitmenschen einfühlen können, handeln demnach kooperativer.“ / 12/ Diese Erkenntnis findet man auch im Alltag, wenn es um strafbare Handlungen geht. Je mehr man Einfühlungsvermögen hat, umso weniger wird man einem anderen Leid antun. <?page no="83"?> 5.2 Im Kopf des Konsumenten (homo oeconomicus vs homo neurobiologus) 73 Fritz hat einen Gedankenblitz: Meine Strategie im Verkauf muss in die Richtung gehen, dass beim anderen mehr Einfühlungsvermögen für mich entsteht. Das ist dann eine echte vertrauensbildende Maßnahme. „Bei einem ähnlichen Vertrauensspiel regt sich eine weitere Hirnregion, entdeckte 2007 die Arbeitsgruppe von Jordan Grafmann vom National Institute of Neurological Disorders an Stroke in Bethesda: Bei ihren Probanden, die sich von Beginn an auf ihre Mitspieler verließen, rührte sich der paracinguläre Kortex - ein Areal, welches das eigene Verhalten und die voraussichtlichen Handlungen des Gegenübers analysiert. Außerdem offenbarte bei diesen Personen eine Struktur im limbischen System eine erhöhte Aktivität, das sogenannte Septum. Hier wird die Ausschüttung der Hormone Vasopresin und Oxytozin kontrolliert, die wiederrum das Sozialverhalten steuern. Eine kleine Prise Oxytozin, verabreicht über ein Nasenspray, genügte bereits, um die Vertrauensbereitschaft des Mitspielers zu erhöhen. Das hatten Züricher Wissenschaftler um Michael Kosfeld und Ernst Fehr bereits 2005 in einem bahnbrechenden Experiment festgestellt.“ / 12/ Dass Marken und die damit verbundenen Attribute positiven Einfluss auf die Entscheidungen bei Konsumenten oder Einkäufer nehmen, ist hinreichend bekannt. Diverse Tests haben dieses wissenschaftlich belegt. „Ein weiteres maßgebliches ökonomisches Argument bleibt freilich der Preis. Kaum jemand von Ihnen wäre wohl bereit für seine Lieblingsschokolade 10 € zu bezahlen. Wohl kaum. Aber vielleicht wären wir Sie nicht abgeneigt, einen besonders teuren Wein zu erstehen, um damit bei Ihren Freunden Eindruck zu schinden.“ / 12/ Es hat wohl mehr mit der individuellen Wertigkeit zu tun als mit den objektiven Kriterien. Fritz hat einen Gedankenblitz: Der Preis allein ist völlig uninteressant, es ist nur wichtig, was der andere als Gegenleistung erhält. „Preise haben also zwei Seiten: Zum einen schmerzen sie, zum anderen gelten sie als Hinweis auf Qualität und steigern so den ideellen Wert des Produktes. Was aber bei dieser Abwägung im Gehirn geschieht, haben Forscher um Brian Knutson von der Stanford University 2007 untersucht.“ / 12/ Wurde gekauft, regte sich vor allem das Belohnungszentrum im Nucleus accumbens. War es zu teuer, legte die Insula des Gehirns ihr Veto ein. Dass dabei der Preis unsere sinnliche Wahrnehmung regelrecht überlisten kann, demonstrierten Knutsons Stanforder Kollegen um Antonio Rangel 2008.“ / 12/ Hier wurde ein billiges Produkt als scheinbar hochwertig angepriesen. Das Ergebnis: „Das vermeintlich kostbare Produkt war plötzlich hochwertiger und seinen Preis wert.“ / 12/ Aus der Praxis für die Praxis - Checklistenfrage Kenne ich das Wertesystem meines Gegenübers? Welche persönliche Wertvorstellung hat mein Gegenüber? <?page no="84"?> 5 Neuroökonomie 74 5.3 Andere zu Taten zu bewegen (nach dem Rubikon-Modell) Hier nachfolgend ein Modell, wie Menschen sich selbst zu Taten bewegen. Welcher Prozess muss dabei ablaufen? Fritz zu Paul: „Irgendwie müsste man so eine Art Intuition beim anderen aktivieren. Dann würde so eine Art Motivation aktiviert werden. Hin vom Wunsch zur Handlung. So eine Art Kochrezept des Verkaufens.“ „Doch wieso tun Menschen eigentlich nicht das, was sie angeblich unbedingt wollten? Angeblich ist mit ihnen der Weg zur Hölle gepflastert: Vorhaben und Pläne …“ / 7/ „Der inzwischen verstorbene Heinz Heckhausen und sein Nachfolger Peter Gollwitzer studierten am Münchner Max-Planck-Institut für Psychologische Forschung (heute MPI für Kognitions- und Neurowissenschaften) dieses Problem näher. Die beiden Motivationsforscher entwickelten das sogenannte Rubikon-Modell, das die verschiedenen Reifestadien beschreibt, die ein Wunsch auf seinem Werdegang bis zur erfolgreichen Umsetzung durchläuft.“ / 7/ „Das Kochrezept“, so Fritz. „Das ist es für uns im Verkauf. Wenn jemand sich etwas selbst vornimmt und nachhaltig umsetzt, das ist unsere Orientierung. Das können wir adaptieren für den Verkauf. Der Wunsch nach unserem Produkt und unser Bemühen, den Reifegrad des Wunsches bis hin zur Handlung, dem Kauf, zu flankieren.“ / 7/ „Der Name bezieht sich auf jenen oberitalienischen Fluss, den Julius Caesar 49 v. Chr. überschritt, womit er einen Bürgerkrieg auslöste. Wir müssen erst einmal unseren eigenen psychologischen Rubikon überschreiten, damit eine ernst gemeinte Absicht entwickelt wird - eine Intention. Erst diese lässt uns die Durststrecke durchstehen, die unweigerlich vor jedem langfristigen Ziel lauert. Ein Vorsatz, der nur als Motiv existiert wird hingegen selten umgesetzt.“ / 7/ „Ja, und wir wollen ja, dass der Einkäufer, wenn es ein Neukunde ist, etwas Neues macht, nämlich es mit uns versucht und den altgedienten Lieferanten rauswirft. Oder, dass er sich für uns stark macht, denn wir sind ja teurer. Und es gibt bestimmt noch mehr Durststrecken für ihn.“ „Wie erkennt man, dass der entscheidende Schritt zur Intention getan wird? / 7/ „Tja, dass wär‘s. Die Antwort zu kennen und daraus eine Verkaufsstrategie zu entwickeln“, so Fritz. „Genau, mein lieber Fritz. Das ist der Grund, weshalb wir uns mit diesen Fragen beschäftigen“, so Paul. „Denken wir doch einmal an etwas, was wir von ganzem Herzen wollten. Vermutlich verspürten wir ein starkes positives Gefühl - etwa eine elektrische Energie oder auch einfach <?page no="85"?> 5.3 Andere zu Taten zu bewegen (nach dem Rubikon-Modell) 75 große Freude. Bei solchen Körperempfindungen und Emotionen handelt es sich um somantische Marker - Signale des Erfahrungsgedächtnisses, in denen alle Erfahrungen des Individuums gespeichert und bewertet werden“. / 7/ Abb. 18: Rubikon-Modell Fritz hat einen Gedankenblitz: Ich muss herausbekommen, was wieso passiert.Nur so kann ich den Einkäufer über seinen persönlichen Rubikon führen und er wird aktiv in meine Richtung handeln. <?page no="86"?> 76 6 Die Neuroökonomie und die Entscheidungsfindung 6.1 Entscheidungszwang - die Qual der Wahl Lassen Sie uns einmal schauen, wie Menschen auswählen. Fritz zu Paul: „ Überraschend ist ja doch, dass der Einkäufer ja gar nicht so viel Wahlmöglichkeiten hatte. Es gibt ja nur sehr wenige Anbieter und faktisch waren wir die Besten.“ Paul stimmt diese Aussage nachdenklich. „Man müsste einmal wissen, wie das so ist, wenn die Menschen sich unter vielen oder wenigen Alterativen entscheiden können.“ „Wer gern unbegrenzte Wahlmöglichkeiten hat, wird sie nach Belieben nutzen, und wer keine Wahl treffen will, der ignoriert die vielen Alternativen. Doch die aktuelle psychologische Forschung liefert starke Indizien gegen diese Annahme. Zwar ist eine gewisse Wahlfreiheit zweifellos besser als gar keine, aber mehr ist nicht immer besser als weniger.“ / 4/ „Nach Untersuchungen verschiedener Wissenschaftler - unter ihnen David G. Meyers vom Hope College und Robert E. Lane von der Yale University - geht in den Industrieländern der Zuwachs an Angebot und Wohlstand tatsächlich mit vermindertem Wohlbefinden einher.“ / 4/ Erforscht wurde, weshalb Menschen sich nicht freuen, wenn ihre Möglichkeiten wachsen. Unterschieden nach Maximierern, diese wollen stets die bestmögliche Auswahl haben, und Genügsamen, die sich auch mit einer zufriedenstellenden Option zufrieden geben. Paul zu Fritz: „Was meinen Sie, wie verhält sich wohl unser Einkäufer? In welche Gruppe könnte er gehören? “ „Nun ja, wenn er seinen Job wirklich gut machen will, dann wohl zu denen, die die beste Alternative einkaufen wollen.“ Fritz zu Paul: „Auch wenn das alles ganz spannend klingen mag, unsere Produkte und Dienstleistungen sind nicht vergleichbar mit den viele Wahlmöglichkeiten an Cornflakes im Supermarkt. Diesen ‚Stress durch das Überangebot’ gibt es bei uns nicht.“ „Ja, Fritz, Sie haben Recht. Bisher konnten wir alles aus der Psychologie übernehmen oder zumindest als akzeptierbare Basis nehmen. Jetzt wird es doch allzu abstrakt.“ „Dennoch, Paul - nehmen wir statt der Wahlmöglichkeiten einmal eine Arbeitshypothese an. Es sind nicht die vielen Alternativen, sondern die viele Informationen zu einem Unternehmen, einem Produkt, die Produktnutzen etc., genau das könnte doch ebenfalls das unangenehme Gefühl entstehen lassen, oder? “ <?page no="87"?> 6.2 Wie entscheiden wir? 77 „Naja, gehen wir einmal mit dieser Idee weiter und lassen die Ergebnisse auf uns wirken. Ein Punkt aus den Ergebnissen ist für die Maximierer ein wichtiger: Es geht um die Opportunitätskosten. Die Qualität einer besseren Option lässt sich nicht isoliert von anderen Alternativen bewerten. Denn, zu den Kosten einer Wahl, z. B. unseres Angebotes, zählt der Verlust der anderen Alternativen. „Spannend“, so Fritz. „Ja klar. Das Risiko, womöglich durch die Auswahl unseres Angebots eine falsche Entscheidung zu treffen, der Aufwand, sich mit unserem Angebot vollumfänglich auseinanderzusetzen, d.h. alle Details zu verstehen, zu vergleichen etc. In der letzten Konsequenz heißt das, dass diese Opportunitätskosten unser Angebot dem Einkäufer nicht gerade schmackhaft machen. Das würde dann auch wieder zu den schlechten Gefühlen passen.“ „Jeder Vergleich, bei dem unser Angebot besser wird, wird den Preis steigen lassen, d.h. wertiger sein. Aber jeder Vergleich, bei dem unser Angebot schlechter wird, wird den Preis sinken lassen. Statt Gewinnen entstehen Verluste, die Opportunitätskosten.“ „Doch wie uns der Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahnemann von der Princeton University und sein verstorbener Kollege Amos Tversky von der Stanford University lehrten, haben Verluste - in diesem Fall die fiktiven Kosten, die Opportunitätskosten - eine viel stärkere psychologische Wirkung als Gewinne. Verluste schmerzen mehr, als Gewinne uns freuen.“ / 4/ Der Grund liegt in der empfundenen Reue, in unserer Aversion gegen Verluste. „Klar, jeder hat sich schon über einen Verlust geärgert, wenn er etwas gekauft hat, und es hat seinen Zweck nicht erfüllt, oder Fritz? “, fragt Paul. „Die Opportunitätskosten einer Entscheidung sowie die dafür eingesetzte Zeit und Mühe sind Fixkosten, die wir im Voraus bezahlen und diese Kosten amortisieren sich durch den Genuss der Entscheidung. Je mehr wir in eine Entscheidung investieren, desto mehr Befriedigung erwarten wir von unserer Investition.“ / 4/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Habe ich eigentlich herausgefunden, wie die Befriedigung für den Einkäufer durch unser Angebot wäre? 6.2 Wie entscheiden wir? Hart, aber richtig. So entscheiden Menschen. Kurz und auf den Punkt gebracht. Erläutert wird dies in den folgenden Kapiteln. „Es gehört zum menschlichen Leben, sich fortwährend entscheiden zu müssen. Manchmal lassen wir uns dabei von Logik und Vernunft leiten, meist jedoch nicht. Selbst wenn wir meinen, rein rational zu handeln, sind oft andere Motive maßgeblich. Bei jeder Entscheidung, ob sie nun spontan-unbewusst oder planvoll-rational gefällt wird, geht es um die Bewertung des Risikos. Dabei schneiden die Menschen notorisch schlecht ab, besonders wenn Sachverhalte komplex oder unübersichtlich sind.“ / 4/ Dann drängen Gefühle und moralische Wertungen die nüchterne Analyse oft in den Hintergrund. <?page no="88"?> 6 Die Neuroökonomie und die Entscheidungsfindung 78 „Das ist ja der Hammer. Ich kann es gar nicht glauben. Dass es bei einer wichtigen Entscheidung kaum etwas mit den Fakten zu tun hat“, so Fritz. 6.3 Warum wir kaufen, was wir kaufen In einem von Verdrängung geprägten Marktumfeld, in dem Produkte und Dienstleistungen immer vergleichbarer werden - selbst Lösungen (Produkt plus Dienstleistung) - spielt das Image eine immer bedeutendere Rolle. Weshalb? Dieser Fragen wollen Paul und Fritz nachgehen. Denn was nützt es, wenn man nur den Verkäufer betrachtet, und alles andere außer Acht lässt. „Buyology“, d.h. jeder Gedanke, alle Gefühle und Wünsche, die mitbestimmen, was genau Menschen kaufen. Das ist die Aufgabe u.a. von Martin Lindtrom. Er ist wohl der prominenteste Prophet der Idee, die Konsumforschung und Neurowissenschaften zu verknüpfen. Fritz zu Paul: „Paul, was wollen wir mit dieser Idee erreichen? Wir haben erklärungsbedürftige Güter, wenn wir die Anlagen noch dazu nehmen, reden wir über Investitionsgüter. Was wollen wir mit Konsumgütern, Waschmitteln, Elektrogeräten etc.? Das ist doch mit unserer Situation nicht vergleichbar.“ „Ja, das stimmt. Doch in allen Fällen treffen Menschen eine Entscheidung. Das ist der kleinste gemeinsame Nenner. Sicherlich gibt es Unterschiede in der Komplexität, der Geldmittelherkunft, der Geldverwendungsbindung etc. Doch solange wir das Einkäuferverhalten nicht im MRT während der Verkaufsverhandlung analysieren können, sollte es uns ausreichen, die vorhandenen Erkenntnisse zumindest zu berücksichtigen. Es wäre ein fataler Fehler, wenn wir diese Erkenntnisse nicht beachten würden. Der Entscheidungsprozess im Gehirn wird vergleichbar sein.“ „Die Frage, die mit dem Begriff Buyologie (ein Kunstwort aus den englischen Wörtern für Biologie und Einkauf) verknüpft ist, ist folgende: Warum kaufen Kunden, was sie kaufen? “ / 3/ „Für uns heißt das, lieber Fritz: Weshalb kaufen die Kunden bei uns oder nicht bei uns? “ Lindstrom verspricht seinen Kunden, die Kaufentscheidungen der Konsumenten zu entschlüsseln und so den Markterfolg eines Produktes vorzuzeichnen. Vor gut 10 Jahren haben Forscher begonnen, Hirnscanner auch zu anderen als bisher bekannten Zwecken zu nutzen. Mit Hilfe der Hirnscanner lässt sich messen, in welchen Arealen des Denkorgans sich etwa die Aktivität des Stoffwechsels verändert, wenn z. B. bestimmte Produkte gezeigt werden. Welche Emotionen hervorgerufen werden und welche Produkte dann im Einkaufswagen landen. Dieses Wissen ist Geld wert. „Der Mensch wird bei seiner Kaufentscheidung von Emotionen und erlernten Regeln geleitet, von Automatismen und Assoziationen.“ / 3/ „Auf fast alles könnten wir gegebenenfalls Einfluss nehmen, zumindest auf einen großen Teil“, so Fritz zu Paul. <?page no="89"?> 6.3 Warum wir kaufen, was wir kaufen 79 „Von der Ratio nicht kontrollierbar, bestimmt dieses implizite System der Psyche, wie Forscher es nennen, das Handeln des Käufers. Das Gehirn entscheidet also im Verborgenen, ohne dass seinem Besitzer die wahren Beweggründe bewusst wären.“ / 3/ „Diesen Autopiloten müssten wir erreichen können“, sagt Fritz. „Innerhalb von Sekundenbruchteilen kann die Erinnerung an Glück, Furcht, Ekel oder andere Emotionen aktiviert werden und mitentscheiden, ob sich der Käufer dem Produkt/ der Dienstleistung zuwendet oder nicht - lange bevor er beginnt, sich reflektiert mit seiner Wahl auseinanderzusetzen. Es sind oft weniger rationale Argumente wie Nutzen oder Qualität, die einen Kunden überzeugen. / 3/ Es sind Gefühle, die ausgelöst werden. „Erst die in somatischen Markern gespeicherten Emotionen, so legen die Hirnforscher nahe, verleihen den Produkten den entscheidenden Wert. Das Rezept für erfolgreiches Verkaufen heißt demnach: somatische Marker schaffen und positive Emotionen verstärken. Fritz hat einen Gedankenblitz: Wir müssen unser Verkaufsgespräch einer Strategie unterwerfen, die die Emotionen aktiviert, und unsere kommunikativen Werkzeuge müssen die somatischen Marker aktivieren. „Eine Entscheidung lässt sich demnach durch bestimmte Bedingungen beeinflussen.“ / 3/ Paul zu Fritz: „Ich muss mein System (meinen Bereich) so anpassen und Sie müssen Ihr Verhalten (ihre Verkaufskommunikation - verbal und nonverbal - so verändern. Sonst bleiben wir womöglich auf der Strecke, wenn unsere Mitbewerber eine noch bessere Marke etablieren würden.“ „Und wo bleibe ich da? “, fragt Fritz. „Soll ich jetzt geklont werden? Was ist mit meiner Persönlichkeit? Sollen wir uns alle im Verkauf in unserer Persönlichkeit anpassen? Dann sind wir Roboter und nicht mehr Menschen und nicht mehr authentisch. Das merkt der Kunde sofort und alles ist für die Katz gewesen.“ „Paul, was passiert eigentlich, wenn die somatischen Marker erschaffen und die Emotionen aktiviert werden im Gehirn? “, fragt Fritz. „Neurologen haben mit Hirnscannern verfolgt, was dann vor sich geht. Die Aktivität der Nervenzellen in der Großhirnrinde nimmt deutlich ab - in dem Areal, das vornehmlich an Planung, Bewusstsein und Selbstkontrolle beteiligt ist, so Daniel Schacter, Psychologe an der Harvard Universität.“ Die Theorie, es gäbe im Hirn ein ganz bestimmtes Areal, das beim Einkauf entscheidet, gilt inzwischen als widerlegt - dafür ist das Gehirn ein viel zu kompliziertes Gebilde. Paul zu Fritz: „Bei aller Euphorie muss eines gesagt sein, um objektiv zu bleiben: Bislang lässt sich das Gehirn von Käufern nur im Labor untersuchen, mit millionenteuren Geräten. „Vor <?page no="90"?> 6 Die Neuroökonomie und die Entscheidungsfindung 80 dem Supermarktregal oder in der Einkaufsverhandlung aber ist noch niemand bei seiner Kaufentscheidung durchleuchtet worden.“ / 3/ Paul und Fritz sind sich einig. Auch wenn der hundertprozentige Beweis, also der Hirnscann beim Einkäufer während der Verkaufsverhandlung, und damit die Verneinung oder Bestätigung der Laborergebnisse noch fehlt, wäre es grob fahrlässig, die erforschten Annahmen nicht zu berücksichtigen. Fritz ergänzt noch weiter: „Selbst in der Naturwissenschaft arbeiten wir so, wenn wir Dinge berechnen. Schließlich sind es auch nur Beobachtungen, die in Formeln gepackt wurden.“ 6.4 Wie wir entscheiden - das erfolgreiche Zusammenspiel von Kopf und Bauch „Wer weiß, was ich möchte? Wer weiß, was irgendjemand möchte? Wie kann man sich über sowas überhaupt klar sein? Ist es nicht alles eine Frage der Hirnchemie, von Signalen, die hin- und hergehen, elektrischer Energie in der Hirnrinde? Woher weißt du, dass etwas wirklich das ist, was du tun möchtest, oder einfach nur eine Art Nervenimpuls im Gehirn? Irgendein Vorgang läuft irgendwo an einem unwichtigen Ort in einer der Gehirnhälften ab, und plötzlich möchte ich nach Montana, oder ich möchte nicht nach Montana.“ Don DeLillo, Weißes Rauschen (1987) / 14/ Fritz zu Paul: „Im Grunde ist es doch egal. Hauptsache er bucht bei uns dann die Fahrt nach Montana.“ „Ja, Fritz, so einfach ist das mit dem Verkauf“, so Paul. „Wichtig ist nur, dass wir sie steuern können, diese kleinen elektrischen Signale, den Nervenimpuls an irgendeinem unwichtigen Ort in einer der Gehirnhälften.“ „Eines der begehrtesten Ziele bei den Vorwahlen für die US-Präsidentschaft ist eine offizielle Wahlempfehlung durch den Condord Monitor, eine kleine Zeitung, die in der Hauptstadt des Bundessstaates New Hampshire erscheint. In einer mitunter Stunden dauernden Befragung werden die Präsidentschaftskandidaten von Journalisten mit einem Sperrfeuer an unbequemen Fragen zu aktuellen Themen und zu politischen Zielen während der Amtszeit bombardiert. Der Entscheidungsprozess blieb allerdings nicht auf die Interviews beschränkt. Eine Vielzahl von Anrufen von Fürsprechern, frühmorgens oder spätabends, ob zu Hause oder im Büro der Journalisten, erhielten diese. Nach einem langwierigen Prozess wurde dann ein Kandidat empfohlen. Die sorgfältigen Formulierungen zeigten keine Spur von den vorangegangenen zermürbenden Debatten und Diskussionen hinsichtlich der Argumente, Fakten und Stimmungen, die der Entscheidung vorausgingen. Hinter der eindeutigen Wahlempfehlung steckten höchst fragile Mehrheitsverhältnisse. So wie die Zeitungsredaktion vor der Wahlempfehlung verhält sich auch das menschliche Gehirn. Obwohl unsere Entscheidungen häufig einhellig wirken, sind sie nach einer Reihe heftiger innerer Auseinandersetzungen zustande gekommen. Die Hirnrinde kämpft jedes Mal erneut um einen Entschluss, weil rivalisierende Areale immer wieder unterschiedliche Auffassungen vertreten. Manchmal wird diese heftige Auseinandersetzung nur durch widerstreitende Gefühle ausgelöst, wenn die verschiedenen Bereiche des limbischen Systems aneinandergeraten. Auch wenn wir diese <?page no="91"?> 6.4 Wie wir entscheiden - das erfolgreiche Zusammenspiel von Kopf und Bauch 81 Gefühle nicht rational begründen können, beeinflussen sie sehr stark unser Verhalten. Weiterer Streit entbrennt zwischen dem emotionalen und dem rationalen System des Gehirns, wenn der präfrontale Kortex den Antrieben zu widerstehen versucht, die aus den Tiefen der Seele kommen. Ganz gleich, welche Hirnareale im Streit miteinander liegen, alle kämpfen ständig um Einfluss und Aufmerksamkeit. Jüngst konnten Wissenschaftler nachweisen, dass dies ein Kennzeichen aller unserer Entscheidungsprozesse ist.“ / 14/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Wenn es also um ein Kräftemessen im Gehirn geht und das Ergebnis dann ein bestimmtes Verhalten - eine Entscheidung -, eine Kaufentscheidung, ist, dann kommt es jetzt nur darauf an, herauszufinden, wo die größten Hebel sind und wie ich diese durch mein eigenes verbales und nonverbales Verhalten aktiviere. „Selbst unsere alltäglichsten Entschlüsse kommen durch heftige Debatten in unserer Hirnrinde zustande. So zum Beispiel auch die Qual der Wahl vor den Supermarktregalen mit den Müslis. Jede Option aktiviert eine andere Kombination aus rivalisierenden Gedanken. So ist das Biomüsli vielleicht besonders lecker, aber zu teuer, während die Vollkornflocken zwar gesund sein sollen, aber eher schlecht riechen, und die Fruchtflocken eine gut positionierte Marke vertreten, aber viel zu süß sind. Alle festgelegten oder gemutmaßten Eigenschaften lösen automatisch bestimmte Gefühle und Assoziationen aus, die im Kopf um bewusste Aufmerksamkeit wetteifern.“ / 14/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Da es so abläuft, muss ich doch einfach nur die Interessen der anderen bedienen, statt meine Ansicht anzubieten. Der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler. „Der Neurowissenschaftler Antoine Bechara von der südkalifornischen Universität USC vergleicht diesen erbitterten Konkurrenzkampf zwischen den Nervenzellen mit der natürlichen Selektion: Dabei haben stärkere Gefühle - so die Gier nach einem Geschmack - und überzeugendere Gedanken - so der an gesunde Ballaststoffe - einen Selektionsvorteil über schwächere Empfindungen wie der, dass einem die Cartoons einer Packung gut gefallen. Entscheidend ist, dass diese Berechnungen in der Hauptsache auf einer unbewussten emotionalen und nicht auf der logischen Eben ablaufen. Das Gefühl, das im Streit gewinnt, bestimmt dann, was auf unseren Frühstückstisch kommt.“ / 14/ Was für Müslis gilt, gilt auch für andere Entscheidungen, da der Prozess an sich vergleichbar ist, es ändern sich nur die Inhalte. „Brian Knutson und George Loewenstein haben sich dazu ein raffiniertes Experiment ausgedacht. Sie wollten herausfinden, was bei typischen Verbraucherentscheidungen in unserem Gehirn stattfindet. Dazu rekrutierten sie einige Dutzend Studenten und bedachten sie mit einer großzügigen Summe Geld zum Ausgeben. Die Glücklichen erhielten die Möglichkeit, Dutzende verschiedener Objekte zu kaufen, von einem digitalen Diktiergerät, über feinste Schokolade bis hin zum letzten Band Harry Potter. Die Studenten sahen sich die betreffenden Artikel längere Zeit an und bekamen dann das Preisschild gezeigt. Wenn sie sich zum Kauf entschlossen, wurde ihnen der entsprechende Betrag vom bereitgestellten Geld abgezogen. Das Experiment war so angelegt, dass es das Erleben möglichst realistisch nachstellte. Während sich die Probanden überlegten, ob sie die jeweils gezeigte Ware kaufen sollten, <?page no="92"?> 6 Die Neuroökonomie und die Entscheidungsfindung 82 beobachteten die Forscher die Aktivitäten in ihrem Gehirn. Wie sie feststellten, schaltete sich beim ersten Zeigen der Ware der Nucleus accumbens (NAcc) ein, ein entscheidender Teil des dopamingesteuerten Belohnungszentrums, und wurde umso aktiver, je größer das Bedürfnis nach dem betreffenden Artikel war. Ging es beispielsweise um den letzten Band Harry Potter, hielt sich die Erregung des NAcc deutlich in Grenzen, wenn der betreffende Versuchsteilnehmer bereits eine komplette Potter-Sammlung besaß. Dagegen konnte der NAcc angesichts eines exklusiven Elektrogrills dessen Gehirn mit Dopamin regelrecht überschwemmen. Wenn dann das Preisschild gezeigt und der Versuchsteilnehmer mit den Kosten des Produkts konfrontiert wurde, schalteten sich die Insula und der präfrontale Kortex ein. Die Insula ist für die Entstehung von negativen Gefühlen verantwortlich, zum Beispiel die bei einem Nikotinentzug oder wenn wir Bilder von leidenden Menschen sehen. Wir versuchen gewöhnlich, alles zu vermeiden, was unsere Insula erregt, so auch das Geldausgeben. Und der präfrontale Kortex sei im Experiment deswegen aktiv geworden, weil er als rationale Instanz rechnerisch herauszufinden versucht, ob es sich bei dem gezeigten Produkt um ein günstiges Angebot handelt. Im Experiment am stärksten stimuliert wurde dieses Hirnareal dann, wenn der Artikel deutlich unter dem üblichen Marktpreis feilgeboten wurde. Die Wissenschaftler konnten die Aktivität der einzelnen Hirnregionen messen und so zuverlässig vorhersagen, für welches Angebot sich die Versuchsteilnehmer entscheiden würden und zwar noch bevor diese selbst Bescheid wussten. Überwogen die von der Insula hervorgerufenen negativen Gefühle gegenüber den positiven des NAcc, verzichteten sie auf die Ware. Wenn indes der NAcc mehr Aktivität zeigte als die Insula oder der präfrontale Kortex zum Schluss gelangt war, dass es sich um ein hervorragendes Angebot handelte, erwies sich der Artikel als unwiderstehlich. (Fazit: Die Dopminentstehung ist entscheidend, d.h. der biologische Vorgang im Gehirn ist entscheidend.) Der Wehrmutstropfen der Geldausgabe überwog dann nicht mehr gegenüber der freudigen Erwartung, etwas Neues zu kaufen.“ / 14/ Das Experiment gab den Teilnehmer ein Budget und es gab keinen Kaufauftrag. Das muss gesagt werden, um es als Orientierungshilfe für die Zielsetzung von Fritz und Paul für den Verkauf nutzbar zu machen. In deren Verkaufsfall geht es ja um einen konkreten Kaufauftrag und auch um ein Budget. Das Budget ist bereits je nach Entscheidungssituation bzw. Budgethoheit zur Verfügung gestellt worden. Und dennoch läuft derselbe biologische Vorgang ab. Es ist schon vergleichbar für den Verkaufsalltag. Fritz und Paul sind sich einig: Sie müssen im Verkaufsgespräch die Dopaminausschüttung bei ihrem Gesprächspartner aktivieren, um eben nicht, wie im Experiment dargestellt, den Wermutstropfen des Geldausgebens zu überkompensieren, sondern, da es sich ja um eine reale Kaufsituation handelt, den Wermutstropfen, möglicherweise mehr für ein Produkt auszugeben, zu überkompensieren. „Die Ergebnisse aus dem Experiment widersprechen den rationalen Modellen der Mikroökonomie: In der Realität überlegen Verbraucher nicht immer, ob ein Preis angesichts des zu erwartenden Nutzens gerechtfertigt ist. Wenn wir auf einen Elektrogrill oder eine Pralinenschachtel blicken, wägen wir nicht sofort Kosten und Nutzen gegeneinander ab. Diese Berechnungen lagern wir vielmehr zu einem Großteil in unser emotionales Gehirn aus und entscheiden dann anhand der ausgelösten Lust oder Unlust, ob wir zugreifen oder nicht. Im Experiment blieb der präfrontale Cotex oft ein eher unbeteiligter Beobachter von Streitigkeiten, die der NAcc und die Insula miteinander austrugen. Kaufentscheidungen verlaufen wie <?page no="93"?> 6.4 Wie wir entscheiden - das erfolgreiche Zusammenspiel von Kopf und Bauch 83 ein Tauziehen, bei dem letztendlich diejenigen Gefühle den Ausschlag geben, die wir am intensivsten spüren.“ / 14/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Wenn Gefühl und Verstand gegeneinander stehen, siegt meist das Gefühl. Es passt! „Diese Voreinstellungen unserer Gehirnrinde versucht der Einzelhandel zu beeinflussen, um unsere Geldbörsen zu öffnen: Hinter der Gestaltung des Einkaufserlebnisses steckt raffinierte psychologische Manipulation. Läden tricksen unser Gehirn aus, streicheln die Insula oder stacheln den NAcc an. Alles dient dazu, ständig die Lustzentren des Gehirns zu stimulieren, und neue Begehrlichkeiten zu wecken. Die Stimulierung des NAcc alleine reicht jedoch nicht aus. Zudem muss die Aktivität der Insula unterdrückt werden, d.h. diese Hirnregion ist durch eine Art Sicherheit zu beschwichtigen. Ziel ist es, den NAcc - den Lustbereiter der Großhirnrinde - an Bedeutung gewinnen zu lassen, d.h. bei jedem Streit über eine Kaufentscheidung erhält er schließlich die Oberhand.“ / 14/ „Wir denken, dass wir nachdenken, so sagt es Larry Bartels, Politikwissenschaftler von der Universität in Princeton, aber in Wahrheit erfinden oder ignorieren wir die Fakten, um eine bereits - emotional - getroffene Entscheidung zu rationalisieren. Unser Gehirn als ein ständiger Konfliktherd? Diese Vorstellung hat etwas Beunruhigendes. Wir glauben ja gerne, dass unsere Entscheidungen von einem klaren inneren Konsens getragen werden, dass wir hinter dem, was wir gewählt haben, mit ganzer Seele stehen. Dieses friedliche Bild unserer Psyche hat mit der Wirklichkeit allerdings wenig zu tun. Der NAcc mag das Produkt begehren, die Insula weiß, dass wir es uns nicht leisten können, oder der präfrontae Kortex erkennt, dass es zu teuer ist, und dennoch kaufen wir.“ / 14/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Aktuell haben wir folgenden Status: Den NAcc durch unser Verhalten zu aktivieren und die Insula einzulullen. Das heißt es konsequent umzusetzen. „Das Forschungsgebiet der Entscheidungsfindung ist eine junge Wissenschaft. Wir fangen gerade erst an zu verstehen, wie das Gehirn Entscheidungen trifft. Die Großhirnrinde, ein außergewöhnlicher Biocomputer, gibt in weiten Teilen noch immer Rätsel auf. Künftige Experimente werden neue Aufschlüsse zu ihrer Hard- und Software geben. Wir werden noch mehr Programmierfehler oder besondere kognitive Begabungen aufdecken. Unsere aktuellen Theorien werden sicherlich noch wesentlich komplizierter. Aber beim jetzigen Kenntnisstand kann man einige Leitlinien aufstellen, die uns helfen können, Entscheidungen zu beeinflussen. Manche Wissenschaftler, wie Ap Dijksterhuis, glauben, dass unser rationales Gehirn mit jedem Problem mit mehr als vier Variablen tendenziell überfordert ist. Andere meinen, dass wir zwischen fünf und neun Informationen auf einmal bewusst verarbeiten können. Diese Spanne kann durch Übung und Erfahrung etwas erweitert werden. Aber im Allgemeinen ist die Kapazität des präfrontalen Kortex bei der Informationsverarbeitung eng begrenzt. Wenn das emotionale Gehirn ein teurer Laptop ist, dann ist das rationale Gehirn eine altmodische Rechenmaschine.“ / 14/ Jetzt versteht man auch, dass jeder Mensch aufgrund dieser evolutionär entstandenen Engpasssituation bei Entscheidungen niemals in der Lage ist rational zu handeln. Das würde ja <?page no="94"?> 6 Die Neuroökonomie und die Entscheidungsfindung 84 bedeuten, alle Informationen für sich selbst zu analysieren, um die beste Alternative aus allen Perspektiven zu betrachten, um eine wirklich rational hergeleitete, optimale Lösung zu haben. Neben dem Arbeitsaufwand, der dazu erforderlich wäre, sind ebenso die Zeit und die Opportunitätskosten zu berücksichtigen. Der Nachteil, der jetzt entsteht, um ein Thema zu klären und ein anderes Thema zeitlich zu verschieben. Von der eigenen Bequemlichkeit einmal abgesehen, ebenso von den immer neuen Erkenntnissen Tag für Tag. Das, was heute aktuell ist, ist morgen bereits veraltet. Logisch, dass wir uns auf nur eine Größe beziehen, die für uns einfach zu verarbeiten ist: der Preis. Den Rest lassen wir gerne unter den Tisch fallen oder berücksichtigen ihn nur teilweise oder subjektiv gefiltert. Und wir glauben auch noch allen Ernstes, dass wir mit der Berücksichtigung des Preises/ der Orientierung am Preis - als das objektive Maß aller Dinge bzw. als letzte Instanz - die beste Entscheidung getroffen hätten. „Woran erkennen wir zuverlässig einen einfachen Entscheidungsfall? Die Antwort: An den wir am besten mit unserem präfrontalen Kortex herangehen, und indem wir uns fragen, ob der Entscheidungsfall sich auf eine Zahl reduzieren lässt, nämlich der Preis! “ (abgewandelt aus / 14/ ) Fritz hat einen Gedankenblitz: Wenn unser Gehirn diesen Konstruktionsfehler hat, dann können wir nur über die Dopaminausschüttungsaktivierung diesen Programmierfehler ausschalten. „Sie wissen mehr, als Sie denken. Ein Paradox des menschlichen Geistes besteht darin, dass er sich selbst schlecht kennt. Das bewusste Gehirn weiß nichts von den ihm zugrunde liegenden Vorgängen und ist blind gegenüber den neuronalen Abläufen, die sich sicher außerhalb des präfrontalen Kortex abspielen. Deswegen haben wir Gefühle. Sie sind sozusagen ein Fenster in unser Unbewusstes, ein verschwommenes Abbild all der Informationen, auf die unser Bewusstsein nicht zugreifen kann.“ / 14/ Viele Teilnehmer in unseren Trainings stehen mit diesen Themen eher auf Kriegsfuß und hier gibt es eine Parallele durch die gesamte oben genannte Geistesgeschichte hindurch. Denn hier begegnen die Denker den Gefühlen mit Geringschätzung, weil sie so schwierig zu analysieren sind. Sie geben weder Gründe an, noch rechtfertigen sie sich oder geben Erklärungen ab. Sie beziehen sich auf die gemachten Erfolge und verkennen die Gründe für die gemachten Erfolge und die Ursachen für die Misserfolge. „Als besonders nützlich erweist sich das emotionale Gehirn bei komplizierten Entscheidungen. Dank seiner massiven Rechenleistung - seiner Fähigkeit, parallel Millionen von Bits zu verarbeiten - können wir bei der Entscheidungsfindung sämtliche relevanten Informationen berücksichtigen. Dabei werden komplizierte Faktenlagen in überschaubare Informationsportionen zerlegt und dann in aussagekräftige Gefühle übersetzt.“ / 14/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Wer diesen Code kennt, der steigert seine Chancen, aktiv die Entscheidungsfindung zu beeinflussen. <?page no="95"?> 6.4 Wie wir entscheiden - das erfolgreiche Zusammenspiel von Kopf und Bauch 85 „Der erste Schritt auf dem Weg zu besseren Entscheidungen besteht darin, dass wir uns selbst erkennen und in die Black Box unseres Gehirns hineinblicken. Die moderne Hirnforschung bringt ans Tageslicht, wo unsere Stärken und Schwächen liegen. Sie legt neurologische Geheimisse offen, die unser Verhalten bestimmen.“ / 14/ Genau das ist unser Grundsatz für unsere Trainings. Vom Wissen ins Können und ins Tun zu kommen. Es liegt an uns, die Erkenntnisse zu nutzen. Denn Erfolg ist freiwillig. <?page no="96"?> 86 7 B2B-Verkauf 7.1 Was beeinflusst eine Kaufentscheidung? Liebe Leserin, lieber Leser, lassen Sie uns gemeinsam erkunden, was eine Kaufentscheidung beeinflusst. Fritz zu Paul: „Was wohl im Gehirn so los ist, wenn einer eine Kaufentscheidung trifft? “ „Ja, das ist spannend zu ergründen, denn mit dem Wissen könnten wir eine Strategie entwickeln und wir könnten unsere Maßnahmen (die Werkzeuge) danach ausrichten.“ Ist der Supermarkt, bei dem wir fast immer die Wahl zwischen mehreren und gleichartigen Produkten haben, vergleichbar mit einer Welt der Produkte und Dienstleistungen und/ oder Lösungen im B2B-Verkauf? Im B2C-Verkauf stellt man sich die Fragen: „Wozu greifen wir? Welche Rolle spielen der Preis oder die Marke? “ Fritz, der sonst doch sehr kritisch ist, fällt das Urteil. Es gibt keinen Unterschied. Auch der Einkäufer ist ein Konsument, der zwischen mehreren und gleichartigen Produkten und Dienstleistungen und/ oder Lösungen von einer großen Anzahl von Anbietern entscheiden kann. Er geht halt nicht in einen Supermarkt oder erhält Angebotsprospekte oder sieht eine Fernsehwerbung. Zu ihm kommen die Verkäufer und auch er hat ein Budget. Es ist zwar nicht sein privates Budget, für welches er tagtäglich arbeiten geht, doch auch dieses Budget ist nicht unendlich und die Mittelverwendung konkurriert mit anderen verlockenden Angeboten. Er hat ein Budget, egal von wem. Die Frage ist nur, ob das Budget der reine Einkaufspreis ist, oder mehr (z. B. Folgekosten, Opportunitätskosten etc.). Fritz hat einen Gedankenblitz: Kenne ich das Budget vom Einkäufer oder nur seine Vorstellung vom Einkaufspreis? Wieso ist die Höhe des Budgets so, wie es scheint? Kenne ich den Budgetentscheider? Wer kann das Budget erhöhen? Wann würde dieser ein Budget erhöhen? Paul zu Fritz: „Lassen Sie uns einmal das junge Gebiet der Neuroökonomie befragen. Mal schauen, was es da an Erkenntnissen gibt und wie wir sie nutzen können.“ „Wieso beschäftigt sich überhaupt jemand damit? “ „Nun ja, wir reden über ein Budget von über einer Billion Euro für privaten Konsum im Einzel- oder Fachhandel. / 4/ Statistisches Bundesamt Also Grund genug, sich mit dem Kaufverhalten der Verbraucher zu beschäftigen, oder? Was meinen Sie Fritz? “ <?page no="97"?> 7.1 Was beeinflusst eine Kaufentscheidung? 87 „Nun ja, unsere Konsumenten - und wir müssen ja richtigerweise alle Konsumenten in unserem Markt anschauen, damit wir ein vergleichbares Budget haben. Es ist zwar kleiner als eine Billion Euro, doch es macht Sinn, sich damit zu beschäftigen.“ Die Neuroökonomie sucht Antworten zu Fragen wie: Von welchen äußeren Faktoren lassen wir uns bei der Wahl eines Produktes beeinflussen? „Genau unsere Fragestellung“, so Paul. „An der Schnittstelle zwischen Wirtschaftsforschung, Psychologie und Hirnforschung hat sich in jüngster Zeit die Disziplin der Neuroökonomie etabliert. Sie untersucht mit Methoden der Neurowissenschaften komplexes soziales und ökonomisches Verhalten. Ein zentrales Thema sind dabei auch Kaufentscheidungen. Wie kann man den subjektiven Wert verschiedener Produkte für den Verbraucher einschätzen und beeinflussen. Lassen sich Modelle entwickeln, die über die Beobachtung und Vorhersage des Kaufverhaltens hinausgehen und auch grundlegende Prozesse während der Entscheidung selbst berücksichtigen? Auf der Suche nach Antworten kommt neben der klassischen Kauf- und Werbepsychologie zunehmend die Hirnforschung zum Einsatz.“ / 4/ „Das sind unsere Fragen, hier bekommen wir die Antworten“, so Paul. „Ja“, sagt Fritz. Bisher haben wir uns nur um unsere Produkte und den Markt gekümmert. Doch den Einzelnen im Markt, den haben wir irgendwie nicht berücksichtigt.“ Mögliche Antworten liefert die wohl einflussreichste Untersuchung von Brian Knuston und seinen Kollegen von der Stanford University (Kalifornien). / 4/ Die Probanden bekamen ein Budget und unter einem Kernspintomographen verschiedene Produkte gezeigt. Im Anschluss wurde der Preis für das Produkt genannt und sie wurden gefragt, ob sie das Produkt zu diesem Preis kaufen würden. „Dieser Versuchsaufbau erlaubt es, die Hirnaktivierung während der drei Stadien des Entscheidungsprozesses gesondert zu ermitteln. / 4/ „Klasse, da konnten die ja die Reaktion auf das Produkt und diejenige auf den Preis anschauen“, so Fritz. „Wahnsinn, das zu übertragen auf mein Verkaufsgespräch, das wär’s! “ „Fritz, langsam! Schön, dass Sie die Chancen erkennen. Doch bedenken Sie: Angenommen, es gäbe kommunikatives Verhalten, was wir uns aneignen könnten. Wir müssen es in der Theorie verstehen und das dauert seine Zeit und wir müssen es dann authentisch, wie einen Reflex, immer parat haben. Das heißt, dass wir, Sie und ich, unser Verhalten trainieren müssen. Wir müssen üben. Das geht nicht per download, das heißt arbeiten an sich. Quasi eine neue Sprache lernen. Psychologische Kommunikation. Und wenn wir eine Fremdsprache erlernen wollen, dann heißt es, die Grammatik zu verstehen und Vokabeln pauken und dann vor allem die Vokabeln auch im Alltag verwenden. Das bedeutet Investition in unserer Freizeit. Darüber muss man sich klar werden. Es muss ein Hobby werden. Wie eine Modelleisenbahn - statt basteln eben Vokabeln lernen.“ Hören wir doch einmal, was beim Versuch herausgekommen ist. „Durch den Versuchsaufbau zeigte sich ein direkter Zusammenhang zwischen erhöhter Aktivität in einer bestimmten <?page no="98"?> 7 B2B-Verkauf 88 Hirnregion - dem sogenannten Nucleus accumbens - und der Vorliebe für das jeweilige Produkt. Je mehr die Nervenzellen in diesem Areal bei der Präsentation eines Erzeugnisses feuerten, desto größer war die Wahrscheinlichkeit, dass der Proband es später kaufte. Der Nucleus accumbens zählt zum Belohnungszentrum des Gehirns und ist immer dann aktiv, wenn wir etwas bevorzugen.“ / 4/ „Mensch Paul, meine Verkaufskommunikation muss genau hier wirken. Dann belohnt sich der Einkäufer selbst unbewusst, wenn er mein Produkt kauft. Und was tun wir nicht alles, bewusst und unbewusst, um uns selbst zu belohnen. Paul, ich sehe schon die Dollarzeichen.“ „Ein anderer Bereich - die Inselregion - korreliert dagegen mit dem Preis. Je höher er lag, desto mehr Erregung herrschte dort. Zugleich sank die Wahrscheinlichkeit eines späteren Kaufs. Aus anderen Untersuchungen ist bekannt, dass die Inselregion an der Verarbeitung unangenehmer Gefühle mitwirkt. Zum Beispiel wird sie auch bei Schmerzen aktiv.“ / 4/ „So ein Mist, den Preis gibt es ja auch, doch wenn dieser solche Gefühle - so wie Schmerz - hervorruft, dann wird es mit dem Selbstbelohnen schon schwerer. Da kann ich dem Einkäufer ja auch gleich mit der Gabel in die Hand stechen, das ist ebenso effektiv.“ „Fritz, seien Sie nicht zynisch. Bisher kennen wir nur die Reaktionen im Gehirn. Das ist mehr, als wir bisher wussten. Bisher hatten wir uns nur auf unsere Erfahrung berufen, und wussten nicht einmal, selbst beim Verkaufserfolg, weshalb genau der Kunde gekauft hat oder auch nicht. Wir waren ja immer nur zu teuer“, so Paul zu Fritz. „Knustons Untersuchung ergab also, dass zwei konkurrierende Systeme die Kaufentscheidung maßgeblich bestimmen: belohnungsrelevante Areale, welche die Präferenz unabhängig vom Preis widerspiegeln, und aversiv-emotionale Bereiche, die so etwas wie den Zahlungsschmerz signalisieren, wenn man Geld in die Hand nehmen muss, um ein Produkt zu erwerben. / 4/ „Fritz, hier ist doch der Schlüssel. Wer sich entschieden hat, etwas zu kaufen, der wird sicherlich Schmerzen haben, doch das gilt für jedes Angebot. Vielleicht wäre der Schmerz etwas geringer, wenn der Preis geringer wäre, das wissen wir nicht. Vielleicht ist das auch nicht untersucht worden bisher oder es wird nie untersucht werden. Doch wir haben die Chance, durch unsere Kommunikation die Belohnungsseite zu aktivieren. Das ist der Schlüssel. Fritz hat einen Gedankenblitz: Ich muss rausbekommen, was den Einkäufer unbewusst belohnt. Die Studie im Labor ergab: „Durch die Aktivierung bestimmter Hirnregionen, gemessen anhand von Durchblutung, konnten die Kaufentscheidungen vorhergesagt werden.“ / 4/ Eine weitere Erkenntnis ergab sich aus einem anderen Versuch. Dan Ariel vom Massachusetts Institut of Technolgy (MIT) in Cambridge/ USA hat folgendes Ergebnis erarbeitet: „Unsere Erwartungen an Produkte werden durch unsere Erfahrungen beeinflusst. Solange wir nicht wissen, dass es Pepsi ist, schmeckt es besser als Coca Cola.“ / 4/ <?page no="99"?> 7.1 Was beeinflusst eine Kaufentscheidung? 89 „Das spiegelt sich auch in den kernspintomographischen Aufnahmen wieder. Hier aktiviert die Präsentation des Markenlogos von Coca Cola in deutlich höherem Maße als bei Pepsi Cola den sogenannten dorsolateralen präfrontalen Kortex, der mit der kognitiven Beeinflussung von Verhalten zusammenhängt, und den Hippocampus, der zum Gedächtnissystem gehört“. So die Ergebnisse von Sam McClure und Kollegen der Stanford University. / 4/ . „Mc Clure und seine Kollegen erklären das damit, dass Coca Cola im Vergleich zum Konkurrenzprodukt mehr Assoziationen aus dem Gedächtnis abrufe, die dann die geäußerten Vorlieben über den präfrontalen Kortex beeinflussen.“ / 4/ Fritz, fällt wieder in die AllesGanzAndersBeiUns-Menthalität: „Nun ja, dann liegt es doch am Image des Unternehmens. Paul, dann ist es wohl doch Ihr Thema. Und wir müssen doch bessere Preise machen.“ „Ach Fritz, sammeln wir doch erst einmal alle Fakten und entscheiden dann. So sorgfältig sind wir bisher in dieser Richtung nicht vorgegangen.“ „2008 untersuchte ein Team um Hilke Plassmann, damals am California Institute of Technology in Kalifornien, wie der Preis die Wahrnehmung von Produkten beeinflusst. Das Produkt mit dem vermeintlich höheren Preis erhielt deutlich bessere Noten. Die kernspintomografischen Daten spiegelten das ebenfalls wider. Der ventromediale präfrontale Kortex, der neben dem dorsolateralen schon die geschmackliche Vorliebe für Coca Cola signalisiert hatte, war beim gleichen Wein (so das Forschungsprodukt) stärker aktiviert, wenn dieser als teurer ausgegeben wurde. Ein hoher Preis - so die Schlussfolgerung von Plassmann und Kollegen - wirkt nicht grundsätzlich abschreckend. Er kann auch höhere Qualität signalisieren und dann sogar die Erfahrung mit dem Produkt positiv beeinflussen.“ / 4/ „Und jetzt kommt noch ein wichtiger Punkt“, so Paul zu Fritz. „Es gibt ein weiteres Ergebnis, was wir für uns nutzen können. Die Forscher haben sich auch mit der Kaufentscheidung von Lebensmitteln befasst und sind zum Ergebnis gekommen, dass neben dem Geschmack (als eine grundsätzliche subjektive Anforderung des Konsumenten) und dem Preis (eine Frage des persönlichen Budgets) auch gesundheitliche Aspekte bei der Auswahl des Produktes eine große Rolle spielen.“ / 4/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Gerade dieser Punkt: Gesundheitliche Aspekte sind wohl ein großer Antrieb, der die Kaufentscheidung beeinflusst. Kenne ich diesen Antrieb bei meinem Einkäufer? Wenn ich ehrlich bin: nein. Ich habe mich immer auf die Argumente vom Produkt gestürzt und diese kommuniziert. Doch ein Punkt ist auch noch wichtig. Neben dem Preis gibt es wohl individuelle Anforderungen und dafür verantwortlich sind ganz persönliche Antriebe. „Fritz, und es geht noch weiter“, so Paul. „Die Wissenschaftler wollten noch wissen, ob Verbraucher bereit sind, dafür tiefer in die Tasche zu greifen, und welche neuronalen Prozesse bei dieser Entscheidung mitwirken.“ / 4/ „Klasse, da bin ich ja einmal gespannt“, so Fritz. <?page no="100"?> 7 B2B-Verkauf 90 „Das Ergebnis ist vielversprechend“, so Paul. „Mit dem Kernspintomographen erfassten die Forscher die neuronalen Prozesse während jedes Entscheidungsvorgangs. Auf Verhaltensebene kam heraus, dass die Probanden im Durchschnitt 40 Prozent mehr für die von ihnen bevorzugten Produkte boten.“ / 4/ „Wenn mir in meiner persönlichen Antriebswelt etwas ganz besonders wichtig ist, dann ist es mir auch ein bisschen Mehr-Preis wert. Was aber zeigten denn die Hirnscans, Paul? “ „Hier gab es einen messbaren Effekt: Der Bereich des ventralen Striatums, der schon in den Studien von Knutson eine Produktpräferenz signalisiert hatte, wurde durch die als wertvoller erachteten Produkte stärker erregt als durch andere Produkte.“ / 4/ „Kritisch“, so Paul. „Es muss sicherlich beachtet werden, dass ein solches Experiment keine Rückschlüsse auf Kausalbeziehungen zulässt. Es bleibt also offen, ob eine verstärkte Reaktion im vetralen Striatum zum vermehrten Kauf bevorzugter Produkte führt oder umgekehrt.“ / 4/ Fritz völlig euphorisch: „Ja, und es schließt es allerdingst auch nicht aus. Wir können es auch von dieser Seite her betrachten.“ Paul zu Fritz: „Sie sind ja so etwas von plusgepolt, mein lieber Fritz.“ „Wie geht es denn nun weiter, was haben die Forscher jetzt unternommen? “, so Fritz zu Paul. „Nun ja, die bisherigen Untersuchungen lassen auch keinen Rückschluss auf die Wahrnehmung zu, wie der Verbraucher ein Produkt sinnlich wahrnimmt. Diese Fragen wollten die Forscher noch klären. Das Ergebnis ist sehr interessant. Die Ergebnisse zeigten, dass die Erwartungen, die sich mit dem Produkt verknüpfen lassen, sowohl die Wahrnehmung als auch die Kaufentscheidung beeinflussen.“ / 4/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Ich muss mein Produkt mit den Erwartungen verbinden, Merkmale mit Anforderungen. „Damit die experimentelle Analyse der Kaufentscheidungen keine brotlose Kunst bleibt, muss unbedingt geklärt werden, inwieweit die Laborergebnisse auf das tatsächliche Kaufverhalten übertragbar sind. D.h. wir nutzen die Psychologie dann nur als Vehikel, um erfolgreicher zu verkaufen, d.h. aktiv durch unsere Kommunikation Einfluss auf das Entscheidungsverhalten unseres Kunden zu nehmen.“ / 4/ Die Frage ist offensichtlich: „Lässt sich mit kernspintomografischen Untersuchungen, an denen üblicherweise höchstens 30 Probanden teilnehmen, auch der reale Markterfolg von Produkten vorhersagen? “ / 4/ Allein sich mit dieser Frage zu beschäftigen, öffnet in jedem Fall neue Ideen, Gedanken und Ansätze, es eben anders und somit besser zu machen. Ehrlich gesagt fällt es schwer, dieses wissenschaftlich exakt zu überprüfen. Doch die Kollegen um Gregory Berns an der Emory <?page no="101"?> 7.1 Was beeinflusst eine Kaufentscheidung? 91 University in Atlanta haben dazu einen Versuch unternommen. Die Versuchsergebnisse waren interessant. „Vorlieben zeigten eine Korrelation. Eine gemessene Aktivität im Nucleus accumbens zeigten, je mehr etwas gemocht wird, desto stärker feuern die Nervenzellen in der untersuchten Hirnregion.“ / 4/ . Ergänzt wurde dieses Ergebnis durch das Hinzuziehen des tatsächlichen Markterfolgs der im Experiment angebotenen Produkte, die als mehr oder weniger gemocht bewertet wurden. „Dabei zeigte sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem Aktivierungsniveau im Nucleus accumbens und einem späteren Markterfolg. Obwohl die Studie nur relativ wenige Probanden umfasste, konnten die Verkaufszahlen in einem ganzen Land vorhergesagt werden.“ / 4/ „Tja Paul, daraus ergibt sich ja ein spannendes Fazit“, so Fritz. „Zum anderen eröffnet die Kenntnis verborgener psychologischer Mechanismen der Entscheidungsfindung auch die Möglichkeit, die Verbraucher gezielt zu manipulieren.“ / 4/ Fritz fragt sich, was Manipulation eigentlich bedeutet. Ist das nur schlecht? Oder ist das nur eine Einflussnahme auf andere und ich entscheide selbst, als Manipulierender, ob der andere einen Vorteil erhält oder einen Schaden erleidet? Dann wäre Manipulation neutral und vom Anwender und seinen Werten abhängig. Irgendwie will ich ja bei dem anderen die guten Gefühle, die positiven Präferenzen wecken. Ist das so schlimm? Exkurs: Manipulation (Quelle: Wikipedia) Der Begriff Manipulation (lat. für Handgriff, Kunstgriff) bedeutet im eigentlichen Sinne „Handhabung“ und wird in der Technik auch so verwendet. Darüber hinaus ist Manipulation auch ein Begriff aus der Psychologie, Soziologie und Politik und bedeutet die gezielte und verdeckte Einflussnahme, also sämtliche Prozesse, welche auf eine Steuerung des Erlebens und Verhaltens von Einzelnen und Gruppen zielen und diesen verborgen bleiben sollen (Camouflage, Propaganda). Abzugrenzen sind der Vorgang der Manipulation und seine Alltagserscheinungen von der psychologischen Methode der Experimentellen Manipulation. In seiner ursprünglichen Bedeutung „Handgriff“ steht Manipulation in der manuellen Medizin für eine Reihe von mit der Hand durchgeführten Techniken, die dem Lösen einer Blockierung dienen. Begriffsentwicklung Mit Manipulation einer Sache bezeichnet man ganz wertneutral deren Handhabung und ggf. Bearbeitung. So verweist der Brockhaus von 1809 beim Stichwort Manipulation lediglich auf den Magnetismus. Etwa 100 Jahre später beschreibt Meyers Konversationslexikon eine Manipulation als kunstgerechte[n] Gebrauch der Hände; dann allgemein soviel wie Geschäftskniff. Die Krünitz-Enzyklopädie gibt dem Begriff einen größeren Raum, beschränkt sich aber auch fast ausschließlich auf den handgrifflichen Aspekt: „Insbesondere heißt Manipulation aber die Bearbeitung, Berührung und Streichung eines Körpers mit der Hand, um heilsame Veränderungen in demselben zu bewirken. Von den Wirkungen der sanfteren Manipulation, so wie es bei dem vor einigen Jahren so berüchtigten Magnetisieren angewendet wurde ... Von dem derberen Manipulieren, welches besonders die Türken bei ihren Bädern zur Stärkung der Muskeln anwenden, ist im ... Leibesübungen gehandelt.“ 1985 heißt es in Knaurs Wörterbuch dann, „Manipulation“ sei entweder „ein Gerät etc. geschickt handhaben oder auch etwas oder jemanden in die gewünschte Richtung lenken; beeinflussen; steuern.“ <?page no="102"?> 7 B2B-Verkauf 92 Manipulation von Menschen Von Manipulation eines Menschen spricht man dann, wenn die Annahme eines Identifikationsangebots oder einer Ware und Dienstleistung nicht zu seinem Vorteil, sondern zu seinem Nachteil führt. Von unsittlicher Manipulation spricht man, wenn der Versuch zu überreden oder überzeugen bei den Beeinflussten ökonomischen und/ oder sittlichen Schaden verursacht. Wer Unterlegenheitsgefühle, mangelndes Selbstvertrauen oder Angst hat, lässt sich leichter täuschen, ist leicht manipulierbar. Die Manipulation von Menschen verfolgt Ziele und dient dazu, andere Menschen hinsichtlich ihres Verhaltens zu beeinflussen. Der Begriff der Manipulation ist in diesem Kontext negativ besetzt. Wird ein positives Ergebnis angestrebt oder erreicht, handelt es sich um Kommunikation zur Überredung oder Überzeugung. Manipulierte Menschen handeln nicht aus eigenen Einsichten oder Überzeugungen, sondern fremdbestimmt. Die angestrebte Lenkung durch gezielte Beeinflussung von außen erzeugt beim Erkennen zumeist negative Emotionen, da der Manipulierte zur bloßen Marionette des Manipulierenden gemacht wird und nur nach dessen Vorstellungen reagieren soll. Manipulation kann in der Kommunikation auch über die Sprache ausgeübt werden, zum Beispiel durch die Fragetechnik. Als Mind-Security kann die organisierte Vorbeugung von Menschen oder Organisationen gegenüber Manipulation bezeichnet werden. Auch Aufklärung und Emanzipation sind gegen verschiedene Arten von Manipulation gerichtet. Spricht man von einer gewollten Veränderung auch seitens der Zielperson, wird eher von Lernen oder Entwicklung gesprochen (Edukation). In der Informationssicherheit wird die Manipulation von Menschen zum Zweck der unerlaubten Gewinnung von Informationen auch unter dem Begriff Social Engineering diskutiert. Alltägliches Beeinflussen Mitunter wird die These vertreten (unter anderem im Neuro-Linguistischen Programmieren), dass Menschen einander manipulierten, sobald sie miteinander kommunizieren. Es gibt verschiedene Ausprägungen in Form und Stärke. Die minimale Manipulation bestehe bereits darin, den anderen zum Zuhören zu bewegen. Dies gilt somit nicht nur für zielgerichtete Kommunikation, sondern auch für einfache Unterhaltungen. Jeder manipuliere somit jederzeit jeden Anderen, mit dem er zu tun hat (vergleiche auch Walther G. Pinecoke). Auch im einfachen Kommunikationsmodell hat der Sender eine Absicht, die er erreichen oder durchsetzen will. Selbst der augenscheinlich Manipulierte sorge eigentlich erst mit seiner Haltung dafür, dass der Manipulierende sich so verhält. Er manipuliere in diesem Sinne den eigentlich (objektiv / subjektiv) als aktiv gesehenen Manipulator (devot / dominant). Wer Manipulation zulasse, gestalte sie anders. Manipulation wäre also eine alltägliche Vorgehensweise und stelle lediglich Beeinflussung dar und sei demnach nicht negativ zu bewerten. Erst der Zweck und die Eindringlichkeit der Manipulation, zum Beispiel in Form einer Botschaft der Konsumwerbung, könne eine Wertung ermöglichen. Der Soziologe Herbert Marcuse war einer der schärfsten Kritiker von Werbemanipulation, die seiner Ansicht nach den Menschen völlig eindimensional auf Konsumverhalten hin konditioniert. Wie schwer sich im Alltag kommunikative Praktiken zur Beeinflussung der bewussten Entscheidung (Überzeugung) und kommunikative Praktiken zur Ausnutzung von Willensschwäche oder eingeschränkter Entscheidungsfähigkeit abgrenzen lassen, wird besonders deutlich im stationären Einzelhandel. Fast jeder Handelsbetrieb setzt eine Fülle von psychostrategischen und -taktischen Maßnahmen ein, die beim Kunden zumindest Interesse wecken, möglichst jedoch eine Kaufentscheidung auslösen sollen, gleichgültig, ob sie bewusst wahrgenommen werden oder unbewusst wirken. Sie können auf sämtliche Sinnesorgane gerichtet sein. Die Handelspsychologie sichtet und ordnet die Vielfalt der Beeinflussungsmöglichkeiten. Sie reichen von Sortiment, Personalverhalten und Ladenatmosphäre über Wegelenkung der Kunden, Bodenbelag, Platzierung, Regalfüllung oder Preisoptik bis hin zu Hintergrundmusik, Duftnoten oder Degustationen. Werden etwa im Supermarkt Süßigkeiten und Spielwaren in der Regal-Bückzone (der Blick- und Griffzone der Kinder) oder in der Kassenzone („Quengelware“) platziert, wird leicht der Vorwurf der Manipulation laut. Denselben Kritikern ist meist nicht bewusst, dass Deckenhänger, Regalstopper, bewusst eingebaute Grifflücken im Regal und tausend andere Maßnahmen ebenso beeinflussen wollen. Von schädlicher, unlauterer Manipulation kann jedoch nur dann gesprochen werden, wenn im Einzelfall der Wille eines Kunden ausgeschaltet wird oder wenn Kunden zum Kauf veranlasst werden, die selbst keine freie Willensentscheidung treffen können (Kinder, geistig Behinderte, demente Menschen). Weder gereicht dem mündigen Kunden, der - angeregt durch auffällige Platzierung - spontan einen Reisewecker kauft, sein Spontankauf zum Nachteil noch ist seine Kaufentscheidung irrational. Befürworter manipulativer Praktiken - zum Beispiel aus den Bereichen Vertrieb, Werbung und Propaganda - halten den Vorwurf von Unfairness und die Gefahr von Machtmissbrauch für vernachlässigbar. Es sei ein Vorurteil, gegen das die Manipulation zu kämpfen hat. Manipulation sei ein natürliches menschliches Verhalten. <?page no="103"?> 7.2 Entscheidungsverhalten im B2B-Verkauf 93 Problematik Demgegenüber wird eingewendet, dass die Wahl der Mittel für eine Wertung bedeutsam ist. Eine Manipulation, die auf gezielter Täuschung beruht, sei problematisch. Im negativen Sinn bedeutet Manipulation zum Beispiel die Verminderung der Willensfreiheit beziehungsweise Kontrolle des Opfers beziehungsweise seitens des Täters eine Wahl unfairer, intransparenter oder täuschender Mittel, welche eine Gegenwehr erschweren. Oft wird negativ von Manipulation gesprochen, sobald sich jemand als Opfer einer Manipulation betrachtet. Aufgeklärtheit und Unmündigkeit stehen in Bezug auf die Manipulierbarkeit in einem Kontrast zueinander. Die alltägliche Anwendung von Manipulation unterscheidet sich dabei nicht sehr von Formen professioneller Beeinflussung von Menschen. Letztere birgt jedoch die Gefahr von Machtmissbrauch. Aus der Praxis für die Praxis - Checklistenfrage Kenne ich die Entscheidungsbeteiligten und deren Kauf-und Entscheidungsmotivation? Was bewegt die Gesprächspartner zum aktuellen Thema: Betriebswirtschaftliche Kennzahlen und/ oder Produktivitä und/ oder Externe Wahrnehmung und/ oder Gesundheitlicher Aspekt und/ oder Interne Reputation Was heißt das jeweils ganz konkret? In welchen Situationen gilt dieses? Welchen Beitrag bringt unser Produkt/ unsere Dienstleistung/ unsere Lösung zu den Themen der Gesprächspartner? Erkennt mein Gesprächspartner, wie unsere Argumente den gewünschten Erfolgsbeitrag leisten? Ab wann muss der Erfolg realisiert werden? Wer entscheidet hinsichtlich Budgeterhöhungen? Wie ist die Zeitschiene für Entscheidung/ Realisierung / Erfolgsbeitrag? 7.2 Entscheidungsverhalten im B2B-Verkauf Wie werden Entscheidungen in der B2B-Welt getroffen? Das wollen wir gemeinsam erkunden. Fritz zu Paul: „Wie sieht das eigentlich in unserem Geschäft aus? Wie können wir die Erkenntnisse für uns im B2B-Verkauf nutzen? “ Wir haben festgestellt bzw. gehört, welches Emotionssystem es im Kundenhirn gibt und wie Kaufentscheidungen wirklich fallen. Lassen Sie uns noch einmal konkret über den Begriff Emotionen sprechen. Man spricht von Emotionen im Verkauf eher im B2C-Verkauf, wo aber im B2B-Verkauf? Viele unserer Teilnehmer tun sich schwer, das Thema Emotionen in ihrer eigene Verkaufswelt zu abstrahieren, gerade wenn es sich um erklärungsbedürftige Güter oder Investitionsobjekte handelt oder um Dienstleistungen bzw. die Kombination von Produkt und Dienstleistung bei Lösungen. Daher ist es wichtig, ebenso für Fritz und Paul, diesen Bezug zwischen Emotionen und B2B-Verkauf zu verbinden. <?page no="104"?> 7 B2B-Verkauf 94 Fragen wir uns noch einmal, weshalb Emotionen bei Kaufentscheidungen so wichtig sind. Sie sehen an der Fragestellung, dass es nicht mehr um die grundsätzliche Frage, sondern um den kausalen Zusammenhang geht. Emotionen gehören zur Kaufentscheidung - egal ob im B2C- oder im B2B-Verkauf; in beiden Verkaufssituationen geht es um Kaufentscheidungen. Diese wollen die Verkäufer herbeiführen, die grundsätzliche Grundlage des Verkäuferhandelns. „Nur Emotionen geben der Welt Wert und Bedeutung.“ / 15/ Oder anders ausgedrückt: „Marken, Produkte oder Service, die keine Emotionen auslösen, sind für das Gehirn wertlos. Kein Produkt hat einen Wert an sich. Wert entsteht erst im Bewusstsein des Kunden. Aber um zu verstehen, wie diese Bewertung erfolgt, müssen wir die Abläufe und Strukturen im Kundengehirn verstehen.“ / 15/ Aus diesem Grund haben wir uns mit dem Gehirn an sich beschäftigt. Fritz hat einen Gedankenblitz: Kunden kaufen nicht ein Produkt, sondern nur die Vorstellung, wie das so mit dem Produkt sein wird. Das erzeugt die erforderlichen Emotionen. Wie wir gelernt haben, leistet auch das vernünftige Großhirn einen wichtigen Beitrag bei der Emotionsverarbeitung. Hier wird berechnet, wie der maximale Nutzen - maximale Lustfür den Konsumenten - bei minimalem Einsatz entsteht, z. B. in Form von Geld, Zeit, Arbeit. „Dazu werden die eingehenden und vom limbischen System bewerteten Signale mit verschiedenen emotionalen Erfahrungen und Bildern aus dem Gedächtnis abgerufen. Daraus entsteht dann ein Handlungsplan, der vom mittleren Teil des Großhirns und den darunter liegenden Basalganglien in konkrete Handlungen umgesetzt wird.“ / 15/ Fritz zu Paul: „Und genau das wollen wir ja bei unserem Kunden erreichen: Er handelt in Form einer Bestellung, wenn wir über den Verkauf reden.“ „Je stärker die (positiven) Emotionen sind, die von einem Produkt, einer Dienstleistung und/ oder einer Lösung vermittelt werden und je mehr negative Emotionen vermieden werden, desto wertvoller sind Produkt, Dienstleistung oder Lösung für das Gehirn und desto mehr ist der Konsument auch bereit, Geld dafür auszugeben. Auch das scheinbar rationale Geld kann sich übrigens dieser emotionalen Neurologik nicht entziehen.“ / 15/ Ich glaube, jeder hat dieses bei sich selbst mehrfach erlebt und ebenso in seinem Arbeitsalltag. Die Fakten sind klar, es fehlt nur die Beweisführung und wie ich als Verkäufer diesen Effekt reproduzierbar machen kann. „Die Rechnung des Geldes erfolgt im Gehirn wie folgt: Der generalisierte Emotionswert des Geldes wird mit dem konkreten Emotionswert des Angebotes verrechnet. Strahlt das Angebot nur schwache Emotionen aus, bleibt das wertvolle Geld im Geldbeutel. Aktiviert das Angebot gleichzeitig viele Emotionssysteme im Gehirn, steigt der Wert des Produktes für den Konsumenten - er ist bereit, dafür Geld auszugeben. Die Wirkung von Geld kann man auch im Hirnscanner bereits beobachten. Gewinnen wir Geld oder sehen wir ein attraktives Produkt, dann leuchtet der Lustkern im Belohnungszentrum - der Nucleus Accumbens - hell auf. Verlieren wir Geld oder zeigen wir dem Gehirn, was das attraktive Produkt kostet, wird die Insula im Gehirn aktiv. Diese ist auch aktiv, wenn wir Zahnschmerzen haben. Die Tren- <?page no="105"?> 7.2 Entscheidungsverhalten im B2B-Verkauf 95 nung von Geld ist für unser Gehirn ein extrem schmerzhafter und unlustvoller Prozess. Diese Trennung erfolgt nur, wenn auf der anderen Waagschale viele Emotionen zur Wiedergutmachung aufgelegt werden.“ / 15/ Wichtig ist eines, und das wird Fritz und Paul immer mehr klar. In der Regel beschäftigen wir uns immer nur mit dem Ergebnis unseres Verhaltens. Doch was zu diesem Ergebnis, der Handlung, geführt hat, bleibt uns verborgen. Wir haben stets das Gefühl etwas bewusst entschieden, ausgewählt oder verglichen zu haben. „Aber bevor etwas ins Bewusstsein kommt, ist alles einem langen und unbewussten Bewertungsprozess durch unser Emotionssystem unterworfen. Das Unbewusste bestimmt das Bewusstsein und nicht umgekehrt. Hier sind sich Philosophie, Hirnforschung und Psychologie einig.“ / 15/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Wenn nur Emotionen für den Wert sorgen, diese Bewertung für den Kunden weitgehend unbewusst abläuft und der Kunde zudem nur einen sehr geringen Einblick in die Bewertungsprozesse hat, dann macht es Sinn, ausgehend von den Bewertungsmechanismen und dem Emotionssystemen im Kundengehirn Produkte, Dienstleistungen und Lösungen bis ins kleinste Detail zu analysieren und zu fragen: Wo und wie kann ich an allen diesen Kontaktpunkten im Kundengehirn die positiven Emotionen verstärken und, genauso wichtig, die negativen minimieren.“ / 15, S. 23/ Verkaufen heißt, die vielen kleinen Knöpfe beim Kunden zu finden und zu drücken; eine neue Aufgabe für Fritz und Paul. Das bedeutet, die Emotionsknöpfe zu kennen, d.h. die Zusammenhänge zu verstehen. „Jeder Mensch hat etwas, was ihn antreibt.“ Mit diesem Slogan wirbt eine Bank im deutschen Fernsehen und auch wir haben bereits erkannt, dass unsere Persönlichkeit unser Verhalten bestimmt. Man muss nur die Persönlichkeit kennen und das Produkt mit dieser persönlichkeitsorientierten Motivation verbinden. Gerade viele unsere Teilnehmer glauben, die B2B-Verkaufssituation sei nicht emotional, sondern nur rational. Doch auch hier gibt es Menschen, Gehirne und Emotionen. Es sind nur mehr Menschen, mehr Gehirne und mehr Emotionen. Das macht es komplexer. Als Verkäufer heißt es nun, alle am Entscheidungsprozess beteiligten Personen emotional durch die eigenen Produkte, Dienstleistungen und/ oder Lösungen anzusprechen. Das macht mehr Arbeit, kostet Zeit und man kommt nicht an jeden so einfach heran. Fritz hat einen Gedankenblitz: Es bedarf also einer personifizierten und emotionsorientierten Argumentation für jeden am Entscheidungsprozess Beteiligten und nicht jeder ist der wahre Budgetentscheider. Jede der am Entscheidungsprozess beteiligten Personen tickt in seiner eigenen emotionalen Welt, hat eigene Motive, Motivationen und bedarf einer anderen inhaltlichen Ansprache. <?page no="106"?> 7 B2B-Verkauf 96 7.3 Wie kaufen Einkäufer Investitionsgüter ein oder warum kaufen B2B-Kunden wirklich? Spannend ist für viele unserer Teilnehmer zu verstehen, was eine Entscheidung bei einem Einkäufer motiviert. Mal schauen, ob uns hier eine Idee gegeben werden kann. Fritz zu Paul: „So, Paul, nun lassen Sie uns alle Informationen einmal zusammentragen und auf unsere Investitionsgüterverkaufssituation transportieren, denn neben dem Biodünger haben wir ja noch eine ganze Menge großer Anlagen mit im Portfolio. Aus all den Informationen, die wir nun erarbeitet haben, heißt es eine völlig neue Denke zu generieren. Obwohl alle unsere Marktbegleiter im B2B-Verkauf, trotz der Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft, immer noch in erster Linie an Preis, Qualität und Innovationen denken, sollen wir uns sozusagen darauf einlassen, dass die Entscheidungsgrundlage im B2B-Verkauf deutlich stärker emotional als rational ist, oder? “ Paul zu Fritz: „Ja, und da bin ich zu 100 Prozent überzeugt. Denn, wir haben erfahren: Je mehr positive Gefühle bei Kunden entstehen, umso höher ist die Kaufwahrscheinlichkeit. Je nach Persönlichkeitsstruktur des Gegenübers gibt es andere Inhalte, die seine Gefühle ansprechen, doch der Prozess bleibt derselbe.“ „Der Kunde zieht also nach jedem Kontakt unwillkürlich, emotional, unbewusst, automatisch, reflexartig eine Gefühlsbilanz. Aus diesen Konten ergibt sich das Potenzial für das erfolgreiche Verkaufsgespräch.“ / 17/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Es geht also um die intensivere Auseinandersetzung mit der Gefühlswelt des anderen. In der Studie „Das Verhältnis von emotionalem Nutzen zu rationalem (wirtschaftlichem) Nutzen“ / 17/ wurde festgestellt, dass die Budgethöhe keinen Einfluss auf die Gewichtung von rationalem gegenüber emotionalem Nutzen in der Entscheidungsfindung hat. Das heißt, auch bei großen Budgets spielen emotionale Kriterien eine große Rolle. „Fritz, wir haben uns erarbeitet, dass der Einkäufer Schmerz vermeiden möchte“, so Paul. „Daraus entwickelt das Gehirn ganz individuelle Schmerzvermeidungsstrategien, z. B. interne Überzeugungsarbeit für einen neuen Lieferanten. Demgegenüber steht die Lustempfindungsstrategie. In diesem gewählten Beispiel die zu erwartende interne Anerkennung durch die Auswahl eines neuen Lieferanten“, so Paul. „Emotionale Entscheidungskriterien überwiegen unabhängig vom B2C- oder B2B-Umfeld und unabhängig vom Anschaffungswert, wie die o.g. Studie es bestätigt.“ / 17/ „In der folgenden Grafik Abb. 19 erkennt man die jeweilige Gewichtung von emotionalen und rationalen Kriterien im Kaufentscheidungsprozess. Wie man sieht, sind überwiegend bei großen Budgets ab 15 000 € die emotionalen Kriterien eindeutig.“ / 17/ <?page no="107"?> 7.3 Wie kaufen Einkäufer Investitionsgüter ein oder warum kaufen B2B-Kunden wirklich? 97 Abb. 19: Prioritäten der Entscheidungsfindung Fritz zu Paul: „Ist ja logisch. Der Beweis, ob das Investitionsgut den gewünschten Erfolg bringt, erfährt der Kunde erst nach dem Verkaufsabschluss. Er muss in eine Art Vorleistung treten. Das ist bei Neukunden so. Doch wie sieht es bei Bestandskunden aus? “ „Nun ja“, meint Paul. „Es bleibt beim selben Prozess. Sicherlich ist aus der Zusammenarbeit eine Vertrauensbasis vorhanden, doch der unbewusste Abgleich von Schmerz und Lust wird weiterhin stattfinden. Man wird sich nur als Verkäufer in einer trügerischen Sicherheit fühlen und sich gegebenenfalls nicht mehr so sehr auf die Erzeugung positiver Gefühle beim anderen fokussieren, bis es dann halt nicht mehr klappt.“ Fritz hat einen Gedankenblitz: Ich bräuchte so eine Art emotionalisiertes Navigationssystem. Ein Anspannungsbarometer in Kombination mit einem Gesprächsleitfaden, welches sich am Entscheidungsverhalten von Menschen orientiert. Ein Phasen-Anspannungs-Modell, ein Barometer, welches mir immer hilft, dass meine Wirkung, denn die führt zu einer Wahrnehmung beim Gegenüber, für mich in seiner Bewertung positiv ausfällt, im Vergleich zu anderen Gesprächspartnern der Marktbegleiter. Fritz und Paul ziehen ein weiteres Fazit: „Vor allem müssen positive Emotionen beim Kunden geweckt werden, denn Emotion schlägt Information. Emotionen wirken tiefer und gehen ins Herz. Im Verkauf geht es darum, den Herzschlag des Kunden positiv zu erhöhen.“ / 17/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Ich muss herausfinden, wie ich die individuellen positiven Kaufgefühle beim Kunden erschaffe und wie ich die rationalen Überlegungen entsprechend befriedige. „Denn ohne positiven emotionalen Mehrwert kann nur mittels des Preises verglichen werden.“ / 17/ <?page no="108"?> 98 8 Der Preis 8.1 Psychologisch verhandeln - ein kleiner Ratgeber Fritz zu Paul: „Jetzt müsste man das psychologische Wissen doch schon anwenden können. Jetzt haben wir schon so viel gelesen. Wie setzt man es um? Wie wendet man es an? “ „David Loschelder und Roman Trötschel haben in ‚Gehirn und Geist’ (Heft 5/ 2014) / 5/ fünf Ratschläge aus der sozialpsychologischen Forschung zusammengetragen. Das sollten wir uns einmal anschauen und überlegen, ob und wie wir es nützen können. „Was meinen Sie Fritz? “, so Paul. Die Erkenntnisse der psychologischen Verhandlungsforschung - ein kleiner Überblick Tipp 1: Machen Sie das erste Angebot. Es fungiert als Anker, der die folgenden Gebote beeinflusst. Je höher die erstgenannte Zahl, desto besser ist Ihr Verhandlungsergebnis. „Schon die ersten Minuten am Verhandlungstisch entscheiden oft darüber, wer am Ende mehr Profit erzielt.“ / 5/ „Ja, das stimmt! “, so Fritz. „Wenn ich von Anfang an auf Augenhöhe bin, durch meine Wirkung, durch mein Verhalten, dann ist das besser für mich.“ „Die erste in den Raum geworfene Zahl dient als Anker, der die weitere Verhandlung in einem vorteilhaften Bereich für die Partei verortet, die das erste Angebot ausgesprochen hat. Je weiter man den Anker auswirft, desto besser.“ / 5/ „Na super“, so Fritz zu Paul. „Wir sind ja nicht die einzigen Menschen, die so etwas lesen. Jetzt haben wir schon einen Nachteil.“ Paul: „Ja, das stimmt. Doch wir und alle anderen Leser wissen, jetzt bzw. am Ende des Kapitels nur, weshalb es Sinn macht. Doch wie man es macht, das ist noch die Frage. Doch bevor wir etwas üben können, müssen wir es erst einmal verstanden haben. Sie, lieber Fritz, wollen immer gleich Werkzeuge haben, lassen Sie uns erst einmal alle Puzzleteile zusammenführen.“ „Solche Ankereffekte zählen zu den robustesten Phänomenen der Psychologie. Forscher beobachteten sie bereits in den unterschiedlichen Szenarien - sie verzerren offenbar sogar Urteile von Experten mit langjähriger Berufserfahrung. Dabei muss der Anker nicht einmal mit dem abzugebenden Urteil in Verbindung stehen, sondern kann ganz offensichtlich zufällig zu Stande kommen, etwa durch Würfeln oder das Drehen an einem Glücksrad. Besonders eindrücklich zeigten das Sozialpsychologen um Brite Englich von der Universität zu Köln im <?page no="109"?> 8.1 Psychologisch verhandeln - ein kleiner Ratgeber 99 Jahr 2006. Die Forscher ließen erfahrene Richter würfeln und anschließend ein angemessenes Strafmaß für einen fiktiven Verbrecher festlegen. (siehe GuG 3/ 2012, S.14). Ganz ähnlich ging es in Versuchen auch Maklern, die den Wert einer Immobilie beurteilen sollten, oder Kunden und Händlern beim Feilschen um Produkte. Die erste Zahl bestimmt stets die Größenordnung des Endpreises. Der Ratschlag, das erste Angebot zu machen, basiert auf mittlerweile mehr als 25 wissenschaftlichen Studien.“ / 5/ „So richtig hilfreich ist das ja nicht für meine Verhandlungssituation! “, so Fritz. „Vielleicht bin ich der erste oder der letzte oder irgendwo mitten im Verlauf einer Verhandlung, bei dem mehrere Lieferanten ihr Angebot abgeben.“ „Stimmt“, so Paul. „Es soll ja auch zeigen, dass es wohl doch nicht so rational ist, was da beim Menschen abläuft, wenn er verhandelt. Und das wollten wir ja herausbekommen, oder? “, so Paul. Tipp 2: Seien Sie präzise In einer Studie der Universität des Saarlandes von 2013 ging es um die Art der Preisauszeichnung. Es wurden verschiedene Preisschilder verwendet. Annahme war, dass präzise Zahlen, also Angebote auf 5 € genau, dem Gegenüber suggerierten, der Verkäufer habe sich mehr Gedanken über den angemessenen Preis gemacht. Das Ergebnis zeigte, dass tatsächlich höhere Einigungspreise erzielt wurden. / 5/ „Es kommt also nicht nur darauf an, wie weit man einen Anker auswirft, sondern auch, welche Ankerform man wählt. Spitzere Anker, das heißt präzisiere Summen, greifen offenbar besser als runde Beträge.“ / 5/ „Durch ein exaktes Angebot vermittelt man seinem Gegenüber nämlich nicht nur, dass man gut informiert ist. Man beeinflusst so auch, in welcher Größenordnung sich die weiteren Verhandlungsschritte abspielen.“ / 5/ „Okay, ich akzeptiere, dass der Mensch etwas emotional das Thema angeht“, so Fritz. „Ich habe aber auch gelesen, dass in einer aktuellen Studie untersucht wurde, ob „auch eine centgenaue Gehaltsforderung - etwa 47.824,87 € - vorteilhafter wirkt oder eher belächelt wird. Dabei zeigte sich, dass erfahrene Personaler Bewerbern mit solchen Wünsche durchschnittlich ein um etwa 1.000 € geringeres Jahresgehalt zahlen wollten als denen, die ihren Erstvorschlag auf 50 € rundeten. Auf den Cent genaue Vorstellungen wirken nur dann vorteilhaft, wenn diese Präzision durch plausible Rechnungen begründet werden können. / 5/ „Sehen Sie Paul, der Preis ist rational. Selbst die Sozialpsychologen haben das jetzt wissenschaftlich bewiesen. Also alles Schnickschnack mit den Emotionen, dem Unterbewusstsein, den Gefühlen etc. Ich habe es ja gleich gesagt“, so Fritz. „Und Paul, der Tipp 3 bestätigt das ebenso. Wenn es um Preise geht, dann ist es rational.“ Tipp 3: Wirken Sie ambitioniert, aber nicht unverschämt. „Was soll denn das schon wieder? “, fragt Fritz. Ist doch logisch, dass ich auch etwas Rückgrat benötige, um erfolgreich zu verhandeln.“ <?page no="110"?> 8 Der Preis 100 „Eine gute Vorbereitung ist Gold wert. Daher sollte man sich bereits im Vorfeld, also vor dem Verhandlungsbeginn, Ziele und Limits setzen.“ / 5/ „Sehen Sie Paul, beide Seiten sollen sich rational vorbereiten.“ „Als erstes Angebot empfiehlt sich ein Wert, der noch über dem liegt, was man eigentlich als realistisch erachtet. Schließlich erwartet auch die Gegenseite noch ein wenig Entgegenkommen und am Ende trifft man sich irgendwo in der Mitte. Als Faustregel gilt: 8 bis 15 Prozent über dem avisierten Betrag.“ / 5/ „Na super, da bringt die Psychologie ja genau nur das zu Tage, was wir sowieso schon immer machen. Jetzt sind wir genau in dieser Basarsituation. Da wollten wir doch eigentlich raus“, so Fritz zu Paul. Tipp 4: Bleiben Sie standhaft Tipp 5: Legen Sie nicht alle Karten auf den Tisch, beschreiben Sie das Verhalten, was wir üblicherweise in der Verhandlungen sehen - egal, ob beim Kauf/ Verkauf oder beim Gehaltspoker. „Tja, mein lieber Paul. Viel schlauer sind wir jetzt nicht wirklich geworden. Irgendwie machen wir es ja alle so. Ich, die Mitbewerber, egal wer.“ „Ja, das stimmt“, lieber Fritz. „Ich finde allerdings spannend zu erfahren, dass es psychologisch dafür auch teilweise Erklärungen gibt. Wichtig ist jetzt nur, ob wir immer bewusst so vorgehen, also eine Art Reflex haben.“ „Was meinen Sie denn mit einem Reflex, Paul? “ „Nun ja, also ein spontanes Verhalten - egal, oder verbal oder nonverbal. Unsere Reaktion auf eine Aktion des anderen. Ist dieser Reflex psychologisch immer zielgerichtet, das heißt auch richtig? Egal, was in einer Verhandlung passiert, sind wir in der Lage, unser Wissen immer richtig anzuwenden? “ Fritz hat einen Gedankenblitz: Vom Wissen ins Tun und das Tun muss psychologisch sein. 8.2 Trotz aller Rationalität, irgendwie ist es immer wie auf dem Basar Fritz und Paul tauschen sich intensiver über das von Fritz erlebte Verkaufsgespräch aus. Es dauert eine Weile, bis Fritz seinen Unmut überwindet, und beide das Gespräch etwas genauer unter die Lupe nehmen können. Trotz aller Fakten ist es wie auf dem Basar. So etwas kennt Fritz von seinen Besuchen im Ausland. <?page no="111"?> 8.2 Trotz aller Rationalität, irgendwie ist es immer wie auf dem Basar 101 Unser ganzes Leben ist ein Verhandeln. Schon als Kinder verhandeln wir über die Spielzeit, in der Industrie verhandeln die Tarifpartner und jeder Verkäufer handelt mit seinem Käufer über Rabatte. Manchmal klappt es beim Verkäufer besser, manchmal beim Kunden. Fritz glaubt, dass er auch aus dem Bauch heraus, aufgrund seiner Erfahrung, seiner Intuition, gute Verhandlungsergebnisse erzielt. Nach Ansicht von Fritjof Haft und Christian Stiefel gilt folgendes: „Unserer Auffassung nach führt ungeschultes Verhandeln nicht in allen Fällen zu optimalen Verhandlungsergebnissen. Um die Gründe offen zu legen, werden wir zunächst die Verhaltensmuster auseinandersetzen, die für die sogenannte Basarsituation typisch sind.“ / 1/ Übrigens, nicht das optimale Verhandlungsergebnis. Das gilt für Verkäufer und Einkäufer. Die beiden Autoren unterscheiden intuitive Verhandlungskompetenz und rationale Verhandlungskompetenz. Dieses wollen Paul und Fritz einmal näher betrachten. Fritz schildert noch einmal seine Erlebnisse aus dem Verkaufsgespräch. Trotz aller Zahlen, Daten, Fakten, die er dem Einkäufer mitteilte, aller Belege und Beweise für das Produkt, dem Produktnutzen, den Berechnungen für den Vorteil durch den Produktnutzen, kommentierte der Einkäufer immer nur: ‚Können andere auch’ und ‚Sie sind zu teuer’. Weshalb? Hat er überhaupt verstanden? Kann er überhaupt verstehen? Weshalb trifft der diese Entscheidung? Paul schlägt vor, die Fragestellungen systematisch anzugehen und die Antworten zu finden. Daraus kann man möglicherweise erfolgversprechende Strategien ableiten. Irgendetwas veranlasst den Einkäufer wohl, Entscheidungen zu treffen und die Informationen nicht rational zu bewerten, sondern wohl emotional - „können andere auch“ und „zu teuer“. Ist zu teuer emotional? Macht ja gar keinen Sinn. Zu teuer bezieht sich auf ein kalkuliertes Budget und dieses wird ja wohl mathematisch anhand von Kosten, Kapitalverzinsung, Vorgaben der Anteilseigner etc. ermittelt. Wohl nichts Emotionales. „Immer wieder wiederholte der Einkäufer im Rahmen meiner Präsentation zum Biokunststoff, dass wir noch etwas am Preis machen müssten“, so Fritz zu Paul. Wie auf dem Basar. Beide wollen das Rätsel der Entscheidungsfindung aufschlüsseln. Sie haben vereinbart, in den nächsten Wochen alles zu lesen, zu sichten, was mit dem Thema Entscheidungsfindung bei Menschen zu tun hat. Irgendwo muss es etwas geben, an dem anzusetzen ist. Sie haben für sich die Entscheidung getroffen, die Fragen zu beantworten und für sich die richtigen Strategien und Maßnahmen zu suchen, die in ihrer Wirksamkeit auf die Zielerreichung auch kontrollierbar sind. Fritz möchte das für seinen Erfolg. Und Paul möchte das Systems seiner Abteilung so optimieren: Prozesse, Personal und Markt sollen so ausbalanciert werden, dass die gewünschten Davon-Finanzziele realisiert werden. Begleiten Sie Fritz und Paul auf dem Weg dieser Rätselauflösung und erfahren Sie etwas mehr über unsere Entscheidungen. Fritz hat einen Gedankenblitz: Es ist wie ein Puzzle-Spiel. <?page no="112"?> 8 Der Preis 102 „Unter dem Begriff Verhandeln kann sich jeder etwas vorstellen. Wer sich nie zuvor von theoretischer Seite mit Verhandlungstechniken auseinandergesetzt hat, bezieht sein Wissen über dieses Thema aus den eigenen Erfahrungen.“ / 1/ Hier sieht jeder in der Regel seine Erfolge. Wo und weshalb wir gescheitert sind, ist in der Regel kaum ersichtlich - zumindest objektiv. Jeder hat die Basarsituation schon selbst erlebt. Im Urlaub, auf dem Flohmarkt und auch in der Arbeitswelt. Die moderne Verhandlungslehre bezeichnet dieses auch tatsächlich als Basarsituation. Beide Parteien haben eine Position, in der Regel ein Angebot mit einem Preis. Man „verhandelt“ bzw. man glaubt, dass man „verhandelt“. Jeder gibt ein neues Angebot ab, ein wechselseitiges Nachgeben folgt und irgendwann trifft man sich bei einem für beide Seiten akzeptablen Preis, oder auch nicht. War das jetzt optimal? Hätte man nicht weiter handeln können/ sollen? Weshalb ist das jetzt der richtige Preis? Nur weil er jetzt ins Budget passt? / 1/ “Auch wenn man - womöglich ist dies eine Frage der Mentalität - in unseren Breitengraden der schillernden Thematik der Basarverhandlung selten begegnet, ist das Prinzip der Methode, die im Orient praktiziert wird, auch bei uns üblich. Ein Stück Basar steckt in den meisten Verhandlungen. Selbst bei komplexen Gesprächen - bei denen beide Seiten - ein dem Verhandlungsgegenstand sachgerechtes Strukturschema erarbeitet haben - kommen beide Parteien irgendwann an einen Punkt, an dem es um einen skalierbaren Wert geht, sei es ein Geldbetrag, ein Emissionswert oder eine Lieferfrist.“ / 1/ Sofort reagiert Fritz. „Paul, wo leben Sie denn? Selbst wenn wir die Lieferfrist, den Emissionswert oder irgendeine andere Zahl realisiert hätten, käme dann doch ‚zu teuer’. Wir haben nachweisen können, dass unser Produkt besser ist, dennoch kommt der Preis als Argument.“ „In vielen Fällen drehen sich die Verhandlungspartner im Kreis, sie versuchen, den anderen zu becircen und jeder ist stets bemüht, den Takt anzugeben bzw. die Führung zu übernehmen.“ So Howard Raiffa. / 1/ . Wie beschreibt die Verhandlungslehre das Thema Preis? Natürlich geht ein professioneller Verhandler ohne konkrete Preisvorstellung in die Verhandlung - wie im klassischen Basar. Doch selbst wenn man sich selbst als Verhandler mit den notwendigen sachdienlichen Informationen ausstattet, ist man - sofern man nicht auch das Verhandlungsgeschehen überblickt und strukturiert - nicht davon gefeit, schließlich doch einen negotiate dance aufs Parkett zu legen.“ / 1/ „Selbst der rational agierende Verhandler hat bestimmt seine Interessen und Möglichkeiten und entwickelt eine Strategie, um ein Ziel zu erreichen; doch auch hier wird schließlich nach dem Prinzip des negotiate dance bzw. nach der Basarmethode verhandelt.“ / 1/ Irgendetwas treibt wohl den Verhandler zu diesem Verhalten, trotz rationaler Vorarbeit, da sind sich Fritz und Paul sicher. Aber! Ist die rationale Vorarbeit rational oder ist diese auch schon irgendwie beeinflusst? Jede Entscheidung folgt einem Interesse. Auch hier sind sich Paul und Fritz schnell einig. Welches es ist, das ist nicht bekannt. Fritz argumentiert anders. „Ich kenne die Branche, die Probleme, ich weiß was die Kunden benötigen. Ich habe die Erfahrung.“ <?page no="113"?> 8.2 Trotz aller Rationalität, irgendwie ist es immer wie auf dem Basar 103 Darauf reagiert Paul mit folgender Frage: „Fritz, haben Sie das gegenwärtige Wissen oder vermuten bzw. interpretieren Sie es aus Ihrer Erfahrung und somit aus Ihrer Vergangenheit? Fritz: „Natürlich weiß ich das aus meiner Erfahrung und meine Zielerreichung bestätigt die Richtigkeit.“ „Ja, Fritz“, so Paul. „Sie sind erfolgreich. Was wäre wohl, wenn wir es immer neu ergründen würden? “ Fritz überlegt: „Hm, das macht Sinn. Dann bekomme ich eine Bestätigung für meine Vermutung oder ich erhalte eine neue Information über die Situation.“ Fritz hat einen Gedankenblitz: Man bräuchte halt doch das eine Navigationssystem, um immer - zum richtigen Zeitpunkt - das Richtige zu tun. „Komisch“, so Fritz. „In keinem meiner geführten Verkaufsgespräche hat irgendjemand explizit sein Interesse geäußert, da gab es immer nur Lastenhefte, Pflichtenhefte, Ausschreibungen etc. und natürlich den Preis. Das wäre ja fast so, als ob es eine Art Wert (=Geldbetrag) für die Interessen gibt. Doch woher kommt dieser Wert? “ Paul fragt Fritz: „Sagen Sie, wir haben es ja auch schon erlebt, dass wir von unterschiedlichen Kunden auch unterschiedliche Preise erhalten, oder? “ „Ja“, bestätigt Fritz. „Es scheint also, dass dieser Preis doch eine Art eigene Wertigkeit der eigenen Vorstellung ist“, so Paul zu Fritz. „Doch was ist mit dem Budget? Das ist dann wohl auch immer individuell zu sehen, oder? “, so Fritz. „Ja“, bestätigt Paul. „Ich bin auch der Auffassung, dass eine Budgetermittlung oder das Erstellen einer Ausschreibungsliste etwas Rationales ist. Man sollte sich mit sachlichen Argumenten rüsten.“ Den Geldbetrag nennt man einen „reservation price“. Dieser ermöglich so eine Art Durchführungs-realisierungsgrenzwert. Die Vorgehensweise, sich an sachlichen Informationen, z. B. einem Marktwert zu orientieren, bezeichnet man als „anchoring“,ankern. / 1/ . Je nach Persönlichkeit agieren die an der Verhandlung beteiligten Personen unterschiedlich. Das zeigt sich in Form ihrer Verhandlungstaktik, ihrer Kommunikation bzw. ihres ganzen Auftretens gegenüber dem Verhandlungspartner. Losgelöst von den Persönlichkeiten kann man bei allen Verhandlern eine Gemeinsamkeit feststellen. Jede gemachte Aussage soll bei dem anderen etwas bewirken, sei es eine Reaktion oder irgendein Gefühl. Nach dem Austausch von sachlichen Argumenten, „beginnt die <?page no="114"?> 8 Der Preis 104 eigentliche Verhandlung um den Kaufpreis, es werden Angebote und Gegenangebote ausgetauscht, also - dies ist charakteristisch für die Basarverhandlung - Positionen bezogen und aufgegeben. Ziel ist die Vereinbarung eines Betrages, der beiden Seiten akzeptabel erscheint.“ / 1/ „Nun ja, das stimmt schon, es ist ein bisschen wie auf dem Basar. Doch man kann doch nicht eine Einkaufsverhandlung mit einem Basar vergleichen. Hier läuft es etwas anders ab, eher strukturierter, sachlicher, eben vorbereiteter“, entgegnet Fritz. „Man beschafft Informationen, um seine Forderungen zu untermauern und um so eine wirksame Verhandlungsstrategie aufzubauen. Das ist kein Basar“, so Fritz. Paul stattdessen nennt es eine Basarverhandlung verschiedener Qualität. / 1/ . „Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der reine Teppichbasar und die Einkaufsverhandlung, losgelöst von der Professionalität der Durchführenden und losgelöst von Verhandlungsstrategien, Taktiken, kommunikativen Fertig- und Fähigkeiten in einem Punkt eine Gemeinsamkeit haben. Beide Parteien nehmen - wie dies auf dem Basar typisch ist - Positionen ein. Durch den Austausch von Angeboten und Gegenangeboten und durch die wechselseitigen Zugeständnisse an den Verhandlungspartner verschließen die Verhandlungspartner den Blick für alternative Lösungsmöglichkeiten, die für die beiden Seiten vorteilhafter sein könnten als die jeweilige Senkung bzw. Erhöhung des Kaufpreises.“ / 1/ „Paul, das ist alles ganz toll, und hört sich auch super an. Doch wie kann ich zukünftig erfolgreicher verkaufen? Ich brauche Werkzeuge, Taktiken und einen besseren Preis. Diese ganze Theorie, was sich da schlaue Menschen ausgedacht haben. Die haben ja noch nie verkauft im realen Leben.“ Fritz wird langsam sauer. Jetzt sitzen sie schon einen halben Tag zusammen und tauschen diese theoretischen Aspekte aus. „Bei uns in unserer Branche ist sowieso alles anders. Das müssten Sie doch aus Ihrer Zeit noch wissen“, so Fritz zu Paul. Paul reagiert gelassen. Er kann Fritz sehr gut ansehen und nachfühlen, dass er kein Wissen haben will, sondern Praxis. Umsetzbare Praxis, eben diese Werkzeuge, von denen alle Verkäufer (und eben auch unsere Trainingsteilnehmer) träumen. Dieses eine Werkzeug, diese eine Methode - und alles wird besser. „Fritz, leider geht das so nicht. Ich habe neulich ein Buch gelesen, das beschäftigt sich mit dem Lernen. Sprich: Wie lernen wir Menschen. Und eines ist klar. Erst wenn wir die Theorie wirklich verstanden haben (also mit eigenen Worten, aber richtig das Wissen wiedergeben können, dann haben wir es verstanden). Erst dann können wir üben und zwar üben, üben, üben - also trainieren.“ Plötzlich macht es Klick bei Fritz. „Paul, Sie haben Recht. Mir fällt eine tolle Geschichte ein. Ich erinnere mich an eine Klausur in meinem Maschinenbaustudium. Es war eine Mathematikklausur. Wir haben alte Klausuren geübt. Jede Menge alte Klausuren haben wir durchgerechnet und wir waren echt gut. Schnell und richtig. Und als dann die Klausur kam, hat der <?page no="115"?> 8.3 Wie ticken wir, wenn es ums Geld geht? 105 Professor die Klausurstellung verändert. Satt Zahlen in den Gleichungen kamen die Platzhalter x, y, a, b etc. Und alle sind wir auf die Nase gefallen. „Weshalb? “, so Paul. „Naja, Paul, ganz einfach“, entgegnet Fritz. Wir haben das Klausurschema geübt, aber das Wissen nicht verstanden. Deshalb konnten wir auch die neue Art der Klausuraufgabenstellung nicht lösen.“ „Okay, Paul. Ich sehe es ein. Vor dem Üben muss das Verstehen kommen. Dazu braucht man Wissen, das erarbeitet und verstanden werden muss, erst dann kann ich üben.“ Fritz lächelt wieder etwas mehr, allerdings nur mit einem Auge. Er weiß, dass dieses Arbeit bedeutet. Viel Arbeit, und das neben dem ausfüllenden Tagesgeschäft, der Familie und seinen ganz persönlichen Interessen. Doch wenn nicht heute, wann dann? „Schließlich investiere ich in meine Zukunft als Verkäufer. Ich werde schneller und erfolgreicher und davon habe ich langfristig auch etwas. Also eine Art Return on Invest.“ „Was ist denn unser objektives Wissen? “, fragt Fritz. „Nun ja“ antwortet Paul. „Es verhandeln Menschen mit Menschen. Es erstellen Menschen Ausschreibungen, es kalkulieren Menschen Budgets, es verhandeln Menschen mit Menschen. Also müssen wir uns mit dem Menschen beschäftigen.“ 8.3 Wie ticken wir, wenn es ums Geld geht? Lassen Sie uns dieser Frage einmal nachgehen. Fritz zu Paul: „Bisher haben wir uns darüber unterhalten, wie wir Menschen eine Entscheidung treffen. Doch das wichtige Thema Geld haben wir nur im Ansatz bzw. als Schlussfolgerung betrachtet. Das müssen wir aber noch besser verstehen, um hier den Hebel ansetzen zu können. Was macht denn das Gehirn, wenn es ums Geld ausgeben geht? Um richtig viel Geld, nicht im Tageskonsum, oder wenn man sich einmal etwas was können will? Wenn man z. B. eine Investition tätigt und sein sauer verdientes Geld auf dem Kapitalmarkt anlegen will. Was passiert hier? “ „Vielleicht ist das Anlegen von Geld die einzige Tätigkeit im gesamten Spektrum von menschlicher Aktivität, die sehr vielen klugen Menschen immer wieder das Gefühl gibt, dumm zu sein.“ / 10/ „Ja, das Gefühl kenne ich, bei aller Sorgfalt habe ich dann doch darauf gezahlt.“ „Um den größten Nutzen aus einem Werkzeug oder einem Gerät zu ziehen, sollte man zumindest in groben Zügen verstehen, wie es funktioniert.“ / 10/ <?page no="116"?> 8 Der Preis 106 „Ja, Paul, diesen Punkt hatten wir schon. Wir haben sehr viel in Produktwissen und Marktwissen, in Strategien und Prozesse investiert, doch den Kunden, den Menschen auf der anderen Seite des Schreibtisches - den haben wir irgendwie vergessen.“ „Ja, Fritz, schon wenn wir uns ihm gegenübersetzen, dann zeigt ihm das schon etwas.“ Fritz hat einen Gedankenblitz: Gegenüber stehen sich Feinde, man sollte es irgendwie anders machen. „Die neuesten Erkenntnisse der Neuroökonomie lassen vermuten, dass vieles von dem, was wir über Investitionen zu wissen glauben, falsch ist. Theoretisch müssten wir umso mehr Geld verdienen, je mehr wir über Geldanlagen erfahren, und je intensiver wir versuchen, sie zu verstehen. Die Wirtschaftswissenschaftler waren von jeher überzeugt, dass Investoren wissen, was sie wollen, das Spannungsfeld zwischen Risiko und Rendite verstehen und Informationen auf logische Art und Weise nutzen, um ihre Ziele zu verfolgen.“ / 10/ Jason Zweig stellt in seinem Buch: Gier - Neuroökonomie / 10/ in einer Tabelle dar, dass die Praxis freilich immer wieder zeigt, dass die Annahmen der Wirtschaftswissenschaftler völlig falsch sind. Eine Aussage ist die, die ich für mich wirklich als einen Volltreffer sehe: „Wir wissen alle, dass es praktisch unmöglich ist, den Markt zu schlagen - aber fast jeder Anleger denkt, gerade ihm könne das gelingen.“ / 10/ „Ein Anlegerhirn treibt uns oft dazu hin, Dinge zu tun, die aus logischer Sicht keinen Sinn ergeben - aber aus emotionaler Sicht durchaus ihren Sinn haben. Das macht uns nicht irrational - es macht uns menschlich. Unser Gehirn war ursprünglich darauf angelegt, uns möglichst viele Ressourcen zu verschaffen, die unser Überleben ermöglichten, und alles zu vermeiden, was unsere Überlebenschancen schmälert. Emotionale Schaltkreise tief im Inneren unseres Gehirns lassen uns instinktiv nach allem agieren, was uns einträglich sein könnte - und alles meiden, was uns riskant erscheint.“ / 10/ „Also habe ich bei dem Einkäufer den Schaltkreis aktiviert, der ihm ein ‚Zu-riskant’-Signal gegeben hat. Doch, was habe ich gemacht, dass das passiert ist? “ „Fritz, das ist die Frage, die wir klären wollen.“ „Ich habe ihm doch alles gezeigt, gesagt, vorgerechnet etc. …“ „Friiiiiitz … .“ „Um solcherlei Impulsen von Zellen entgegenzuwirken, die sich ursprünglich vor vielen Millionen Jahren entwickelt haben, hat unser Gehirn nur eine dünne Schicht relativ moderner, analytischer Schaltkreise, die sich oft gegen die geballte emotionale Macht der archaischen Gehirnzentren nicht durchsetzen können.“ / 10/ <?page no="117"?> 8.3 Wie ticken wir, wenn es ums Geld geht? 107 Fritz hat einen Gedankenblitz: Angriff oder Flucht, sowie jedes Lebewesen auf dieser Welt seine Spezies erhalten will, also sich auch. Im Grunde recht digital. Heute wohl mehr Unlust vermeiden oder Lust empfinden, im 21. Jahrhundert aber immer noch digital. 0 oder 1. „Kurz gesagt ist das Anlegerhirn weit davon entfernt, der verlässliche, effiziente und logische Apparat zu sein, für den wir es gerne halten würden. Sogar Nobelpreisträger verhalten sich nicht immer so, wie es ihre eigenen Wirtschaftstheorien vorschreiben.“ / 10/ Weshalb dann ein Einkäufer oder der Endkunde unseres Kunden? „Wenn Sie Geld anlegen - sei es als professioneller Anlageberater, der für Milliarden verantwortlich ist, oder als ‚Otto Normalverbraucher’ mit 30.000 € Ersparnissen -, kombinieren Sie kühle Wahrscheinlichkeitsrechnung mit instinktiven Reaktionen zum Nervenkitzel des Gewinns und den Qualen der Verlustes.“ / 10/ „Ja, ich glaube, dass der Einkäufer mehr die Qualen als die Chancen für sich sieht“, so Fritz. „Das macht es natürlich denen leichter, die an einen Bestandskunden verkaufen. Für die, die neu kommen, wird es schwieriger. Und für das Unternehmen bleibt nur der bekannte Lieferant, doch ob das die beste Leistung zum besten Preis ist, das werden sie so nie erfahren“, so Paul. „Die 100 Millionen Neuronen, die der drei Pfund schwere Gewebeklumpen zwischen Ihren Ohren, liebe Leserin, lieber Leser, enthält, können einen emotionalen Orkan entfesseln, wenn Sie ans Geld denken - und auch bei Ihrem Kunden. Ihr Anlegerhirn und das Ihres Kunden/ Ihres Interessenten, und einmal ehrlich, im Grund ist jeder Verkauf eine Art Kapitalanlage, bei der wir nach Rendite, ROI etc. lechzen, begnügt sich nicht damit zu addieren, zu multiplizieren, zu schätzen und auszuwerten. Wenn Sie Geld gewinnen, verlieren oder aufs Spiel setzen, erleben Sie einige der intensivsten Gefühle, die ein Mensch haben kann.“ / 10/ Fritz hat wieder den Gedankenblitz: Gefühle entstehen, nur welche und wie kann ich die für mich guten aktivieren, so dass sie die negativen kompensieren? Der Psychologe Daniel Kahnemann von der Princeton University sagt: „Finanzielle Entscheidungsprozesse drehen sich nicht ums Geld, es geht dabei um unklare Motive wie Vermeidung von Reue oder Erlangen von Stolz. Wenn Sie Geld anlegen, müssen sie aufgrund historischer Daten und aktueller Vermutungen Entscheidungen über zukünftige Risiken und Gewinne treffen - und das weckt in Ihnen Gefühle wie Hoffnung, Gier, Hochmut, Erstaunen, Angst, Panik, Reue und Freude.“ / 10/ Checkliste: Was können uns Neuroökonomen lehren? Der Verlust oder Gewinn von Geld ist nicht nur ein finanzielles oder psychisches Ereignis, sondern eine biologische Änderung, die tiefgreifende physische Auswirkungen auf das Gehirn und den Körper hat. Die neuronalen Aktivitäten eines Anlegers, der mit seinen Investitionen Geld verdient, sind nicht zu unterscheiden von denjenigen einer Person im Kokain- oder Morphiumrausch. <?page no="118"?> 8 Der Preis 108 Nach zwei Wiederholungen eines Reizes - etwas dem Ansteigen eines Aktienkurses um einen Cent zweimal in Folge - erwartet das menschliche Gehirn automatisch, unbewusst und unkontrollierbar eine dritte Wiederholung. Finanzielle Verluste werden in denselben Hirnregionen verarbeitet, die auf lebensbedrohliche Gefahren reagieren. Die Erwartung sowohl positiver als auch negativer Ereignisse ist häufig intensiver als das tatsächliche Erlebnis. / 10/ „Alle Säugetiere haben ein limbisches System, und unseres funktioniert ganz ähnlich dem ihrigen - wie eine Schwelle des Verstandes. Wenn wir überleben wollen, müssen wir möglichst schnell Belohnungen verfolgen und Risiken ausweichen. Limbische Strukturen wie Tonsille und Thalamus nehmen sensorische Reize wie Bilder und Geräusche und Gerüche wahr und bewerten sie blitzartig anhand einer Skala von „schlecht“ bis „gut“. Diese Bewertungen wiederum werden in Gefühle wie Angst oder Freude transformiert, die den Körper veranlassen aktiv zu werden. Das reflexive [über sich selbst nachdenkende] System arbeitet so schnell, dass Ihre Reaktion oft schon abgeschlossen ist, bevor ihr Bewusstsein überhaupt registriert hat, dass eine Reaktion notwendig ist. (Denken Sie daran, wie Sie einer Gefahrensituation auf der Autobahn ausgewichen sind, bevor Sie sie überhaupt erfassen konnten.) Diese Reaktionen Ihres Gehirns können innerhalb von Zehntelsekunden Alarm auslösen.“ / 10/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Bevor der Einkäufer „zu teuer“ sagt, hat sein limbisches System bereits auf Bedrohung geschaltet. „Letzten Endes kann unser Gehirn unmöglich mit sämtlichen Vorgängen in unserer Umgebung Schritt halten. Wenn Sie ruhen, verbraucht Ihr Gehirn - das etwa 2 Prozent des Körpergewichtes einer durchschnittlichen Person ausmacht - 20 Prozent des vom Körper aufgenommenen Sauerstoffs und der verbrannten Kalorien. Da Ihr Gehirn mit solch hohen Fixkosten operiert, müssen Sie das meiste, was um Sie herum passiert, ignorieren. Darum agiert unsere Intuition als erster Filter der Wahrnehmung, eine ständige Abschirmung, die es uns ermöglicht, unsere lebenswichtige mentale Energie für Dinge einzusetzen, die am wahrscheinlichsten wichtig sein werden.“ / 10/ „Doch wie geht der Einkäufer vor, um zu entscheiden, was gut für sein Unternehmen ist? “, fragt sich Fritz. Um die von Fritz gestellte Frage richtig zu beantworten, müsste der Einkäufer „lediglich erkennen, dass man die Richtigkeit einer Behauptung am besten überprüfen kann, indem man versucht zu beweisen, dass sie falsch ist. Dies ist die Basis wissenschaftlicher Methodik. Aber diese Art kritischen Denkens widerstrebt der Intuition zutiefst - sie fühlt sich am wohlsten, wenn sie es mit der konkreten Realität dessen, was ist, zu tun hat. Um mit der konzeptionellen Abstraktion dessen, was nicht ist, umgehen zu können, muss Ihr reflektives System einspringen, was die geistige Anstrengung erfordert, Alternativen abzuwägen und Informationen zu bewerten. Dazu müssen schwierige Fragen gestellt werden, zum Beispiel: Unter welchen Bedingungen wäre das nicht mehr richtig? Oder wann würde das nicht mehr funktionieren? Und der menschliche Verstand, den die Psychologin Susan Fiske von der Princeton <?page no="119"?> 8.3 Wie ticken wir, wenn es ums Geld geht? 109 Universität und Shelley Taylor von der UCLA einmal als kognitiven Geizhals beschrieben haben, neigt dazu, solcherlei Anstrengungen zu meiden.“ / 10/ Die Gier, als einer der Treiber. „Wahrscheinlich ist Ihnen nicht bewusst, dass die Erwartung Geld zu machen, sich noch besser anfühlt als tatsächlich den Gewinn einzustreichen. Ihr Gehirn behandelt vielmehr potentielle Gewinne - oder nicht entstandenen Verlust (monetär) oder Gesichtsverlust, wie auch immer - als eine permanente Belohnung wie Nahrung, Trank, Unterkunft, Sicherheit, Sex, Drogen, Musik, angenehme Gerüche, schöne Gesichter und auch soziale Interaktion, zum Beispiel jemandem zu vertrauen oder seiner Mutter eine Freude zu machen.“ Ein finanzieller Gewinn - oder die Vermeidung von irgendeinem Verlust - „ist lediglich das moderne Mittel dieser archaischen Gruppe positiver Erfahrungen, die angenehme Gefühle hervorrufen. Die Erwartung eines finanziellen Gewinns versetzt den reflexiven Teil Ihres Gehirns in Alarmbereitschaft und fokussiert Ihre Aufmerksamkeit scharf auf das akute Problem.“ / 10/ Wir positiveren die Möglichkeiten, die Gier (Lust empfinden) treibt uns an, nur auf einen positiven Trend zu setzen. So ähnlich ist das beim Anlegen von Geld. „Geld zu machen fühlt sich gut an, aber es ist nicht so spannend wie die Erwartung, Geld zu machen. Mit grausamer Ironie, die enorme Auswirkungen auf das Anlagevermögen hat, ist Ihr Anlegerhirn mit einem biologischen Mechanismus ausgestattet, der viel erregter ist, wenn Sie einen Gewinn erwarten, als dann, wenn Sie Ihn tatsächlich erhalten.“ / 10/ Für den Einkäufer heißt das im Umkehrschluss, die Erwartung, einen Verlust zu vermeiden, ist stärker als die Einsicht, eine bessere Lösung und somit noch mehr Gewinn zu erzielen, zu bekommen. Aus Laborexperimenten weiß man, dass immer dann, wenn wir die Chance haben, einen großen Gewinn mit einem kleinen Einsatz zu realisieren, in unserem Gehirn ein richtiges Feuerwerk losgeht. „Im reflexiven Teil des Gehirns feuern die Neuronen wie wild los. Der betreffende Bereich im Gehirn, der Nucleus accumbens liegt tief hinter den Augen, an der Rückseite des hinteren Teils des Frontallappens im Gehirn.“ Dieser antizipiert Belohnung. Diese antizipativen Schaltkreise sind überall im Gehirn verteilt. / 10/ Spannend ist auch, dass im selben Versuch sich ein weiteres Ergebnis ergab: „Dagegen war es nicht besonders spannend, die Ergebnisse meiner Aktion zu erleben. Wann immer durch mein Handeln ein Gewinn erzielt wurde, dann fühlte sich dieses nicht besonders spannend an.“ / 10/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Die Belohnungsgefühle (Emotionen) sind wichtiger als die Ergebnisse der Handlung. Meine Kommunikation muss Vorfreude entstehen lassen. Vorfreude auf das Produkt und was es erwarten lässt. Das ist wichtiger als das nachweisliche Ergebnis. „Warum ist es für den reflexiven Teil des Gehirns so viel wichtiger, was wir möglicherweise bekommen könnten, als das, was wir tatsächlich erhalten? Diese Frage beantwortet Jaak Peanksepp so: In Jahrmillionen der Evolution war es stets das Prickeln der Erwartung, das unsere Sinne in den Zustand der Alarmbereitschaft versetzt hat und es uns ermöglich hat, ungewisse Belohnungen zu ergattern. Die Antizipationsschaltkreise in unserem Gehirns versetzten uns in die Lage, längerfristige Belohnungen zu verfolgen, die wir nur durch Geduld uns Zielstrebigkeit erlangen können. Würde unser eigenes Suchsystem nicht funktionieren, wären wir alle in Unentschlossenheit erstarrt, wann immer wir mit Alternativen konfrontiert <?page no="120"?> 8 Der Preis 110 würden. Entscheiden heißt existieren. In dem Maße, wie man nicht entscheidet, existiert man auch nicht. Und so ist das Suchsystem in unserem Gehirn sowohl Segen als auch Fluch. Unsere Antizipationsschleifen zwingen uns, sehr genau auf die Chancen zukünftiger Belohnungen zu achten, das verleitet uns aber auch zu der Annahme, dass die Zukunft besser sein wird, als sie sich dann tatsächlich erweist.“ / 10/ Spannend ist auch die Erkenntnis aus einem Forschungsprojekt. Hier ging es um die Frage, ob die Erwartung eines finanziellen Gewinns das Erinnerungsvermögen verbessern kann. / 10/ „Es stellte sich heraus, dass die potenziell gewinnbringenden Bilder nicht nur in den Antizipationsschaltkreisen intensivere Aktivitäten ausgelöst hatten, sondern auch im Hippocampus, dem Bereich des Gehirns, in dem das Langzeitgedächtnis sitzt. Das ursprüngliche Feuerwerk der Erwartungen brennt anscheinend die Erinnerung an potenzielle Belohnungen noch tiefer in das Gehirn. Die Erwartung einer Belohnung.“ / 10/ Das heißt, dass wir weniger über die Fakten selbst, also ob die möglichen Erwartungen aus den Fakten für den anderen, sprechen sollten. Im Umkehrschluss ist es erforderlich herauszufinden, was positive Erwartungen wären und weshalb hat man diese hat. Diese Frage stellen sich auch Paul und Fritz und überlegen, ob sie in der erfolgreichen Verkaufsvergangenheit gezielt diese Argumentation aufgebaut hatten oder eher zufällig agierten. Peter Shizgal, Neurowissenschaftler an der Concordia University in Montreal, sagt: „Die Erinnerung an angenehme Gefühle können alle möglichen finanziell wesentlich signifikanteren Informationen in den Hintergrund stellen.“ / 10/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Die Höhe des Preises ist wohl nur eine individuelle Wertvorstellung einer Person und bezieht sich mehr auf die eigene Erwartungshaltung und den Gegenwert für die eigene Belohnung. Die Erwartung selbst ist ein zweistufiger Prozess. „Auf der ersten Stufe blicken wir erinnernd zurück, während wir auf der zweiten Stufe hoffnungsvoll voranschauen.“ / 10/ Paul und Fritz fragen sich, was wohl mehr „zieht“. Die Antwort liefert ein weiteres Experiment: „Die Neutronen im Nucleus cumbens feuern ihre Signale innerhalb einer Zehntelsekunde ab, wenn erkannt wird, dass sich eine Belohnung ankündigt. In den nächsten 5-10 Sekunden spornen uns die Signale an, die über den Reiz aufgenommene bzw. angekündigte Belohnung zu verfolgen. Handlungen zu initiieren.“ / 10/ Wir sind wohl wie eine Marionette, in uns werden unsichtbare Fäden gezogen, die ursächlich für unsere Handlungen sind. „Wenn eine Belohnung in Sicht ist, dann will das Gehirn nicht warten. Neuronen im Nucleus caudatus, einer Region im Zentrum des Primatenhirns, werden bereits aktiv, bevor das angekündigte Signal auftritt.“ / 10/ „Die Erwartung der Erwartung einer Belohnung“, so formuliert es Hiroyuki Nakahara vom RIKEN Brain Science Institute in Wako/ Japan. <?page no="121"?> 8.3 Wie ticken wir, wenn es ums Geld geht? 111 Fritz zu Paul: „Für uns geht es also mehr um das Neuronenfeuerwerk, welches einen Vorteil durch unser Produkt ankündigt, als um den Vorteil unseres Produktes an sich.“ „Erwartung hat eine weitere bemerkenswerte neuronale Facette. Brian Knutson hat festgestellt, dass unser reflexives Gehirn zwar sehr sensibel für Änderungen im Betrag einer erwartenden Belohnung ist, jedoch weit weniger empfindlich auf unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten einer Belohnung reagiert. De facto kann unser Gehirn viel besser fragen: Wie viel ist es? Als: Wie wahrscheinlich ist es? Daher werden wir umso gieriger, je höher der potenzielle Gewinn ist - unabhängig davon, wie niedrig die Chancen sein mögen, diesen Gewinn tatsächlich zu vereinnahmen.“ / 10/ „Die reine Aussicht auf Gewinn bzw. Verlustvermeidung lässt uns handeln, auch wenn die Realisierungschancen gering sind. Die Fakten wirken weniger“, so Fritz. „Da Erwartungen reflexiv, Wahrscheinlichkeiten aber reflektiv verarbeitet werden, verdrängt die Vorstellung an einen Gewinn die Kalkulation hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit. Kurz gesagt: Wenn eine Chance im Raum schwebt, fliegt die Wahrscheinlichkeit aus dem Fenster.“ / 10/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Verkauf ist wohl doch mehr als Logik, Ratio, Verstand, Bewusstsein. Barbara Mellers, Psychologin an der Universität von Kalifornien in Berkely schreibt: „Die Antizipationsschaltkreise beurteilen den potenziellen Gewinn nicht isoliert. Wir sind auf Veränderung eingestimmt. Wir beurteilen unsere potenziellen Ergebnisse nicht nur daran, was tatsächlich passiert ist, sondern auch daran, was hätte passieren können. Die Möglichkeit, dass wir Geld hätten verlieren können, macht den Gewinn umso süßer.“ / 10/ Viele Informationen stammen aus dem Versuch, unser Anlageverhalten bei Kapitalanlagen zu erklären. Es bedarf auch eines weiteren Transfers in das Entscheidungsverhalten eines Einkäufers, wenn er Geld anlegen soll, in Form vom Zukauf von Produkten und Dienstleistungen. Im Grunde ist es vergleichbar. Es ist zwar nicht das eigene Vermögen, was investiert wird, sondern ein Budget eines Unternehmens. Klar ist auch, dass die Budgethöhe eine Rolle spielt. Doch irgendeiner hat diese Budgethöhe definiert/ ermittelt. Und dieser ist ein Mensch, der auch eine Anlage tätigen will. Der eigentliche Budgetgründer ist möglicherweise nicht an unserem Verkaufsgespräch beteiligt. „Und was hat das mit dem Einkäufer zu tun? “, so Fritz zu Paul. „Nur so eine Idee, mein lieber Fritz.“ „Also macht die Möglichkeit eines Verlustes die Hoffnung auf einen Gewinn noch verlockender. Denkt man darüber nach, erkennt man sehr schnell, dass dieses Verhalten sehr sinnvoll ist. Die Evolution hat uns natürlich so konstruiert, dass wir Belohnungen, die mit viel Risiko einhergehen, wachsamer registrieren - so wie wir wissen, dass man beim Pflücken einer Rose vorsichtiger sein muss als bei einem Gänseblümchen.“ / 10/ „Die Belohnung ist also die Sicherheit, oder? “ <?page no="122"?> 8 Der Preis 112 Fritz hat einen Gedankenblitz: Mehr Budget bekomme ich nur von dem, der ursächlich eine Anlage tätigen will, nicht von seinem Vermittler - oder zumindest nur in Ausnahmefällen. Der Einkäufer verfolgt unbewusst eine Erwartungshaltungserfüllung, eine Belohnung. Die Gier nach einer eigenen Belohnung scheint mehr zu bewegen, als die reinen Fakten. Was ist die Einkäufergier? Wie verbinde ich mein Produkt mit dieser Gier? Der Antizipationsschaltkreis: Fluch und Segen für den Verkäufer! „Was sind denn pekuniäre Motive? “, fragt Paul. „Wie kommen Sie denn auf diesen Begriff? “, so Fritz Samuel Taylor Coleridge hat einmal gesagt: „Pekuniäre (geldliche) Motive wirken entweder gar nicht - oder sie sind von der Sorte Stimulans, die nur als Rauschmittel wirken.“ / 10/ „Also doch, der Preis ist das Motiv“, so Fritz zu Paul. „Jetzt haben wir es amtlich.“ „Naja, mein lieber Fritz. So recht scheinen Sie von den unterbewussten Aktivitäten in unserem Gehirn noch nicht wirklich überzeugt zu sein. Ja, es ist auch schwer, sich einzugestehen, dass die Fakten eine so kleine Rolle spielen.“ „Es wird seine Zeit brauchen, bis ich es akzeptiere, verstehe und bewusst in meiner Kommunikation, z. B. im Verkaufsgespräch, anwenden kann.“ „Ja, das geht mir auch so, auch ich muss genauso wie Sie diesen Schritt machen. Daher ist es wichtig für uns, sich diesem Thema zu stellen. Je früher, desto eher haben wir einen Vorteil.“ In der Antike wurden von Sehern die Zeichen gedeutet, auch heute ist das noch so. „Wie ein antiker Baru, ein babylonischer Priester, aus einer blutigen Leber liest, stellen auch heute Marktpropheten manchmal richtige Prognosen - wenn auch durch Glück. Alle Vorhersagen fallen denselben zwei Problemen zum Opfer: Erstens nehmen sie an, dass nur das hätte passieren können, was tatsächlich passiert ist; zweitens verlassen sie sich zu sehr auf die kurzfristige Vergangenheit, um die langfristige Zukunft vorherzusagen - ein Fehler, den der Investmentguru Peter Bernstein ‚nachhersagen’ (postcasting) nennt. Kurzum, die Experten können kaum ein Scheunentor mit einer Schrotflinte treffen - selbst, wenn sie in der Scheune stehen.“ / 10/ „Harte Worte“, so Fritz zu Paul. „Und was heißt das für uns und unsere Aufgabenstellung, ganz besonders im Umgang mit unserem Einkäufer? “ „Nun ja, es geht ja um die Prognose, dass unser Produkt irgendeinen sachlichen Vorteil bringt, einen Nutzen oder so. Ist ja irgendwie auch eine Prognose.“ „Welche ökonomischen Variablen auch immer Sie betrachten mögen - Zinsen, Inflation, Wirtschaftswachstum, Ölpreis, Arbeitslosigkeit, das Haushaltsdefizit, den Wert einer Währung etc. - über drei Dinge können Sie sicher sein. Erstens: Es bekommt jemand Geld dafür, darüber Prognosen zu stellen. Zweitens wird er Ihnen nicht sagen - und vielleicht auch selbst nicht wissen -, wie genau <?page no="123"?> 8.3 Wie ticken wir, wenn es ums Geld geht? 113 seine Vorhersagen bislang lagen. Und drittens: Wenn Sie auf der Basis solcher Prognosen investieren, wird es Ihnen wahrscheinlich leidtun, da sie die Zukunft auch nicht besser prophezeien können als das Gemurmel des babylonischen Baru.“ / 10/ „Das ist ja Netzbeschmutzung“, so Fritz zu Paul. „Alle unsere Prognosen über die Vorteile unserer Produkte, die Berechnungen etc. sollen alle mit den Aussagen eines Sehers in der Antike verglichen werden? “ „Nein, es hinterfragt nur, weshalb wir mit den Fakten doch nicht immer den Erfolg haben, und ob wir durch das Runterbeten von Fakten einen wirklichen Vorteil haben oder ob es andere wirksamere Stellhebel gibt. Denn eines ist klar: In einem von Verdrängung geprägten Marktumfeld wird es in Zukunft deutlich schwieriger werden, sich nur durch das Produkt hervorheben zu können. Die Produkte werden vergleichbarer. Einzig allein unsere kommunikativen Fertigkeiten und die Fähigkeit, wissenschaftliches Wissen über das Entscheidungsverhalten von Menschen abstrahiert in eine reflexartige eigene Verkaufskommunikation zu transportieren, wird uns ein wirkliches Alleinstellungsmerkmal und somit den Wettbewerbsvorteil bringen“, so Paul. „Die beiden Psychologen Daniel Kahnemann und Amos Tversky haben der althergebrachten Meinung, Menschen würden sich stets rational verhalten, den Todesstoß versetzt. Zwar werden in der Wirtschaftstheorie alle relevanten Informationen logisch verarbeitet, doch wer entscheidet denn, welche Informationen wie genutzt werden? Das ist doch der Mensch. Um zu ermitteln, welche Alternativen den besten Kompromiss bilden zwischen Risiko und Risikoeinschätzung, hat viel mit der Persönlichkeit eines Menschen zu tun. Und Rendite verspricht - ach übrigens, wer definiert denn die Rendite, das ist doch auch ein Mensch, der mit der Rendite eine bestimmte Erwartung verknüpft - Belohnung zum Beispiel. Klingelt da etwas, mein lieber Fritz? “ „Kahnemann und Tversky haben jedoch gezeigt, dass der Mensch in der Realität dazu neigt, seine Vorhersagen über langfristige Trends auf der Basis erstaunlich kurzfristiger Daten zu erstellen - oder aufgrund von Fakten, die nicht einmal relevant sind.“ / 10/ . Fazit: Ein klarer Widerspruch zu rationalem Verhalten. „Die Lösung dieses Rätsel über den Zufall liegen tief in unserem Gehirn und in der grauen Vorgeschichte unserer Spezies verborgen. Der Mensch hat eine phänomenale Fähigkeit, einfache Muster zu erkennen und zu interpretieren. Das hat unseren Urahnen dabei geholfen, die Gefahren einer urzeitlichen Welt zu überleben, hat es ihnen ermöglicht, Raubtieren zu entkommen, Nahrung und Unterkunft zu finden und schließlich am richtigen Ort zur richtigen Jahreszeit Nutzpflanzen anzubauen. Heutzutage hilft uns diese Geschicklichkeit beim Erkennen und Deuten von Mustern, viele der grundlegenden Herausforderungen des Alltages zu bewältigen. Die Erkennung von Mustern in Zufallsdaten ist eine fundamentale Funktion unseres Gehirns - so grundlegend für das menschliche Wesen, dass unsere Spezies nicht nur als homo sapiens, also vernunftbegabter Mensch, bezeichnet werden sollte. Vielmehr sollten wir treffender als homo formapetens bezeichnet werden, als mustersuchender Mensch. Wenn auch die meisten Tiere die Fähigkeit haben, Muster zu erkennen, ist einzig der Mensch in dieser Hinsicht geradezu zwanghaft. Was motiviert uns zu diesem Verhalten? “ / 10/ <?page no="124"?> 8 Der Preis 114 Macht ja Sinn auch in der heutigen Zeit. Es sind so viele Informationen zu verarbeiten, aber das Gehirn treibt uns ja wohl dazu, eine Art Ordnungssystem zu finden. Na logisch, wir fokussieren auf den Preis. Als Ordnungssystem: messbar, sichtbar, vergleichbar etc. Wir müssen eher das Belohnungssystem ansprechen als zu versuchen, dieses eigene Ordnungssystem infrage zu stellen. „Ein Team von Wissenschaftlern am Dartmouth College hat herausgefunden, dass anscheinend in der linken Gehirnhälfte ein Modul existiert, was den Menschen dazu veranlasst, nach Mustern zu suchen und kausale Zusammenhänge zu erkennen, auch wenn keine vorhanden sind.“ / 10/ „Na klar, wie kann man sonst sagen, dass ein anderes - nicht vergleichbares Produkt - billiger sein kann. Irgendeinen Grund muss es ja geben, dass ein anderer billiger ist. Diese rationale Vorgehensweise ist wohl unmöglich, wenn dieses Modul bereits aktiviert wurde. Da ist man ja schon emotional blockiert“, so Paul und Fritz einstimmig. Woher kommt dieser verfluchte Segen oder dieser segensreiche Fluch, zwanghaft nach Mustern zu suchen? Paul Glimcher, Neurobiologe am Center for Neural Science der New York University, sagte einmal: „Wenn ich mit meinen Freunden, den Ökonomen, zusammensitze, analysieren sie die Kunst finanzieller Entscheidungen, als wäre sie ein platonisches Problem der Logik. Sie haben keine Ahnung, dass es sich dabei um ein biologisches Problem handelt. Wir haben Millionen von Jahren als Primaten hinter uns, wir sind biologische Organismen. Natürlich sind das biologische Prozesse! Die Evolution muss unsere Entscheidungen steuern, wenn wir mit Situationen konfrontiert sind, die zu bewältigen wir uns entwickelt haben.“ / 10/ „Paul, das stellt ganz andere Strategien in den Vordergrund. Bisher haben wir alles logisch angepackt, durch diese Aussagen wird ja alles in Frage gestellt. Doch, weshalb hatten wir Erfolg in der Vergangenheit bei der Zielerreichung? Da haben wir es doch richtig gemacht, ohne all dieses biologische und psychologische Wissen“, so Fritz. „Ja, Fritz“, so Paul. „Das macht mich ja stutzig. Alles das, was wir uns bisher erarbeitet haben, sind Fakten, wissenschaftlich fundierte Ergebnisse. Dem gegenüber stehen unsere Erfolge. Doch wieso hatten wir Erfolg? Was waren die Erfolgshebel? Können wir den Erfolg garantiert wiederholen? Das sind doch die wirklichen Fragen. Weshalb wir Erfolg hatten, das ist eine Frage, die keiner beantworten kann. Die Frage ist, wie können wir unseren Erfolg in der Zukunft absichern? Diese Frage ist existenzieller.“ „In fast der gesamten Geschichte unserer Spezies war der Mensch ein Jäger und Sammler und hat in kleinen Gruppen als Nomade gelebt, Sexualpartner gesucht, Unterkunft gebaut, Beute gejagt, Raubtiere gemieden und essbare Früchte, Beeren und Wurzeln gesammelt. Unsere Vorfahren hatten weniger und leichtere Entscheidungen zu treffen als wir: Meide die Plätze, an denen Leoparden lauern. Lerne Anzeichen für kommenden Regen zu deuten und die Hinweise auf Antilopen hinter dem Horizont oder frisches Wasser in der Nähe. Lerne, wem man vertrauen kann, wie man mit ihnen kooperiert und allen anderen übertrifft. Um solche Aufgaben zu lösen, hat sich unser Gehirn entwickelt.“ / 10/ <?page no="125"?> 8.3 Wie ticken wir, wenn es ums Geld geht? 115 „Nun ja, Gott sei Dank, hat sich einiges geändert. Was übrig bleibt, ist die Suche nach dem, dem man vertrauen kann. Das beschäftigt sicherlich den Einkäufer mehr als die Frage, wo man frisches Wasser findet“, so Fritz. „Na also, dann macht es doch Sinn herauszufinden, was in unserem Gehirn passiert, dass es uns sagt: Dem kannst du vertrauen. Mit dem macht es Sinn zu kooperieren. Allein, wenn wir nur diese Frage beantworten können, und Werkzeuge für unser Verhalten bekommen, dann können wir eine Menge an Sicherheit für die Zukunft generieren“, so Paul. „Der wichtigste Unterschied zwischen uns und dem Affen, erklärt Todd Preuss, Anthropologe an der Emory University, scheint weniger in der Bildung zusätzlich neuer Bereiche des Gehirns zu bestehen, sondern eher in der Vergrößerung existierender Bereiche und der Anpassung der internen Maschinerie an neue und andere Aufgaben. Die Was-wäre-wenn-Frage, die die Was-wird-passieren-wenn-Frage, die kurzfristigen und langfristigen Auswirkungen, wenn wir dies oder jenes tun - wir haben viel mehr Gehirn in der Region, wo solche Prozesse stattfinden. Der Mensch ist nicht das einzige Tier, das Werkzeuge herstellt, Verstand besitzt oder die Zukunft plant. Aber keine andere Art kann mit der phänomenalen Fähigkeit konkurrieren, Vorhersagen zu treffen, zu extrapolieren, Zusammenhänge zu beobachten und Ursachen aus Ergebnissen zu schließen. Unsere hochentwickelte Art, der homo sapiens sapiens, ist weniger als 200 000 Jahre alt. Und das menschliche Gehirn ist in dieser Zeit kaum gewachsen. Im Jahr 1997 haben Paläoanthropologen in Äthiopien einen 154 000 Jahre alten Homo-sapiens-Schädel gefunden; das Gehirn, dessen Sitz er einst gewesen ist, hatte ein Volumen von etwa 1450 Kubikzentimetern. Das ist mindestens das dreifache Volumen eines Gorillas- oder Schimpansengehirns - aber nicht kleiner als das Gehirn eines durchschnittlichen, heute lebenden Menschen. Unser Gehirn ist tief verwurzelt in der archaischen Umwelt, in der sich unsere Urahnen lange vor dem Auftritt des homo sapiens entwickelt haben. Die Evolution ist keineswegs beendet, doch die meisten der modernen Regionen des menschlichen Gehirns, etwa der präfronatele Kortex, haben sich überwiegend in der Steinzeit entwickelt.“ / 10/ „Wir entscheiden noch immer so wie früher? “, so Fritz. „Nun ja, die Inhalte werden sich geändert haben, nicht jedoch die Funktion. Und genau hier macht es Sinn, unser Verhalten zu hinterfragen. Hier macht es Sinn, Techniken zu trainieren, um genau hier den Hebel ansetzen zu können“, so Paul. „Aber was ist denn mit den vielen Errungenschaften in den letzten Jahren? “, so Fritz. “Es tut schon etwas weh zu erfahren, dass das Hirnvolumen kaum anders ist als vor 154.000 Jahren.“ „Wir stellen uns gerne vor, dass wir eine lange Geschichte technologischen Fortschritts hinter uns haben; aber die Landwirtschaft und die ersten Städte sind erst vor 11.000 Jahren entstanden. Die frühesten bekannten Finanzmärkte - in denen sporadisch Produkte wie Gerste, Weizen, Hirse, Kichererbsen und Silber gehandelt wurden - kamen um 2.500 v. Chr. In Mesopotamien auf. Und geordnete Märkte mit regelmäßigem Handel von Aktien und Anleihen gibt es erst seit 400 Jahren. Unsere Vorfahren brauchten über sechs Millionen Jahre, um diesen Entwicklungsstand zu erreichen, wenn Sie sich vorstellen, die gesamte Entwick- <?page no="126"?> 8 Der Preis 116 lungsgeschichte des Menschen sei auf einer Papierrolle von einem Kilometer Länge, würde die ersten Börse erst sieben Zentimeter vor deren Ende auftauchen.“ / 10/ „Ja, und der Bezug zur Börse hilft sicherlich den Transfer in unseren Verkaufsalltag zu bringen. Wie an der Börse buhlen diverse Lieferanten um das Geld des Kunden. Nun ja, an der Börse sind es Unternehmen, die um das Geld der Investoren buhlen. Da gibt es eine sinnvolle und nicht verrückbare Parallelität, da sind sich Paul und Fritz einig. „Es ist kein Wunder, dass es unserem urzeitlichen Gehirn so schwerfällt, die modernen Herausforderungen im Entscheidungsprozess (z. B. beim Geld ausgeben - privat oder beruflich, als Anleger oder Einkäufer) zu bewältigen. Das menschliche Gehirn ist eine Hochleistungsmaschine - ein Maserati sagt der Neurowissenschaftler P. Read Montague vom Bayler College of Medicine, wenn es ums Lösen prähistorischer Probleme, wie das Erkennen einfacher Muster, oder das blitzschnelle Erzeugen emotionaler Reaktionen geht. Aber es kann weniger gut langfristige Trends ausmachen, die Zufälligkeit von Entwicklungen erkennen oder sich auf vielerlei Faktoren gleichzeitig konzentrieren - Probleme, mit denen unsere frühen Vorfahren selten konfrontiert waren, die aber jeder Entscheider jedes Mal wieder bewältigen muss.“ / 10/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Ich habe nur eine Chance, ich muss seine Fakten kennen, damit ich überhaupt einen gemeinsamen Nenner habe, um Einfluss auf ihn zu nehmen. „Jetzt haben wir gehört, dass Entscheidungen weniger logisch als mehr biologisch sind“, so Fritz zu Paul. „Aber was biologisch im Gehirn abläuft und wie wir Einfluss nehmen können, ist immer noch nicht so ganz klar.“ „Welche enorme Aufgabe sich die Neurowissenschaftler gestellt haben, wenn sie versuchen, das biologische Urgestein unserer Entscheidungsprozesse zu durchdringen. Wolfram Schultz, ein Neurophysiker an der Universität in Cambridge in England, hat sich auf die Erforschung von Dopamin spezialisiert, einer Substanz im Gehirn, die es Tieren und Menschen ermöglicht herauszufinden, wie sie handeln müssen, um zu gegebener Zeit belohnt zu werden. Dopaminsignale haben ihren Ursprung tief in den Eingeweiden des Gehirns, dort, wo es an die Wirbelsäule angeschlossen ist. Die Dopaminneuronen, übrigens eine winzige neuronale Minderheit mit enormer Macht. Wenn diese Dopaminneuronen feuern, dann sind das Ausbrüche wie bei einem Feuerwerk, überall im Gehirn. Sie verbreiten gewaltige Energiewolken in den Regionen des Gehirns, die Motivationen zu Entscheidungen und Entscheidungen zu Handlungen werden lassen. Diese elektrochemischen Impulse können in einer Zwanzigstelsekunde von der Hirnbasis zu den Entscheidungszentren hinaufschießen. Gemeinhin stellt man sich Dopamin als eine angenehme Droge vor, die ein natürliches High bewirkt, ein interner Dr. Feelgood, der das Gehirn mit einer sanften Euphorie durchflutet, wann immer sie etwas bekommen, was sie sich gewünscht haben. Aber es steckt mehr dahinter. Sie müssen nicht nur den Wert einer erwartenden Belohnung einschätzen, sondern sich auch zu den Aktionen motivieren, die notwendig sind, um die Belohnung zu bekommen. Wenn wir wissen, dass eine Belohnung in Aussicht steht, sagt der Psychologe Kent Berridge von der Universität von Michigan, dann haben Sie das Wissen. Wenn Sie feststellen, dass Sie nicht einfach dasitzen können, sondern dafür etwas tun müssen, kommt Macht und Motiva- <?page no="127"?> 8.3 Wie ticken wir, wenn es ums Geld geht? 117 tion zum Wissen hinzu. Wir haben uns so entwickelt, weil es nicht ausreicht, die Zukunft passiv abzuwarten.“ / 10/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Der andere muss durch meine Kommunikation ein Wissen für sich durch unser Produkt erhalten, dazu muss ich aktiv werden. Meine Kommunikation muss dieses Wissen zu einer Art Belohnung für ihn selbst umwandeln, dazu muss ich aktiv werden. Ich muss aktiv das Abschlusssignal senden, sonst kommt keine Dopaminausschüttung in Gang, auch dazu muss ich aktiv werden. Paul zu Fritz: „Das sind unsere drei Stellhebel, die wir bedienen müssen.“ Drei grundlegende Erkenntnisse über Dopamin und Belohnung sollen als eine Art Kommunikationsstrategie fungieren: 1.) Wenn man etwas bekommt, was man erwartet hat, wird kein Dopamin ausgeschüttet. 2.) Ein unerwarteter Gewinn (Vorteil, Nutzen etc.) stimuliert das Gehirn sehr stark. Es entsteht ein hoher Motivationsschub durch die Dopaminneuronen. Diese Art positiver Aufmerksamkeit erzeugt eine auf Belohnung gerichtete, besondere Aufmerksamkeit. Belohnungen sind es, die uns immer wieder für einen Nachschlag zurückkommen lassen. Diese Art der Ausschüttung von Dopamin lässt uns überhaupt ein Risiko eingehen. Denn schließlich macht es Angst, Risiken einzugehen; wenn es sich nicht so gut anzufühlen würde, große Gewinne bei denkbar schlechten Chancen zu erzielen, wären wir niemals bereit, etwas anderes als die sicherste (und am wenigsten lukrative) Wette einzugehen. 3.) Wenn eine erwartete Belohnung sich nicht einstellt, erlebt unser Gehirn ein Motivationsvakuum. / 10, S. 74/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Nur etwas mehr als erwartet - ein individueller, unerwarteter (auch gegebenenfalls nur in der Vorstellung) Gewinn führt zu einen Dopaminfeuerwerk und führt auch dazu, einen gesetzten Lieferanten zu verdrängen. Die erwartete Belohnung muss für den anderen greifbar sein, schon vor dem Abschluss. So, wie die Natur ein Vakuum verabscheut, hasst der Mensch den Zufall. Der menschliche Zwang, Vorhersagen über das Unvorhersehbare zu treffen, ist für jedes verkaufende Unternehmen überlebenswichtig. Sich also z. B. mit einem neuen Lieferanten und dessen Argumenten auseinanderzusetzen - und das ist ja die Konsequenz bei der Verdrängung von bestehenden Lieferanten im Rahmen der Neukundengewinnung. So versuchen diese Unternehmen die Quadratur des Kreises, also etwas zu initiieren, wogegen unsere Natur selbst etwas hat. Fritz zu Paul: „Das sind ja schöne Aussichten.“ „… hat seinen Ursprung in den Dopaminzentren des reflexiven Gehirns.“ / 10/ <?page no="128"?> 8 Der Preis 118 „Die Neurowissenschaftler wissen noch nicht genau, wie angenehme Gefühle im Gehirn übertragen werden oder warum Belohnungen sich so befriedigend anfühlen. Jedoch wissen wir sicher, dass wir ohne funktionierende Dopaminschaltkreise unfähig sind, die Aktionen durchzuführen, die erforderlich sind, um Belohnungen zu ernten.“ / 10/ Und es wird noch besser: „Wenn wir Muster oder bestimme Umstände erlernt haben, z. B. die Erfahrung mit einem aktuellen Lieferanten, die uns schon einmal Geld eingebracht (oder Verlust verhindert) hat, wird Dopamin in unserem Gehirn aktiviert durch diesen Anreiz ausgelöst - und nicht etwa durch den tatsächlich erhalten Gewinn.“ / 10/ Also lediglich die Erwartung, nicht die tatsächliche Realität, führt zu Handlungen. Fritz hat einen Gedankenblitz: Durch meine Kommunikation muss ich es schaffen, eine so starke Vorstellung und damit eine zu erwartende Belohnung in Aussicht zu stellen, die die gemachten Erfahrungen übertreffen. Aus Experimenten weiß man, dass „unser reflexiver Teil unseres Gehirns Muster intuitiv erkennt, obwohl der reflektive Teil sich noch damit abmüht, es zu analysieren.“ / 10/ Der Verstand ist langsamer als die Emotionen. Während wir gedanklich mit dem Verstand arbeiten, ist die Entscheidung schon längst getroffen worden. „Während die reflektiven Teile des Gehirns versuchen herauszufinden, was besser ist - also der Verstand arbeitet -, hat der Nucleus accumbens im reflexiven Gehirns bereits die Antwort, und feuert …“ / 10/ Und noch ein Punkt ist enorm wichtig zu wissen für jeden Verkäufer, der versucht seinen Lieferanteil bei einem Kunden zu etablieren: „Neuroökonomen an der Duke University haben gezeigt, dass unser Gehirn bereits nach zweimaligem Auftreten eines Reizes beginnt, eine weitere Wiederholung zu erwarten.“ / 10/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Ein wiederholbares positives Erlebnis mit meinem Mitbewerb muss ich bei meinem neu zu gewinnenden Kunden in jedem Fall vermeiden. „Indem das Gehirn solche Regelmäßigkeiten sofort erkennt, setzt das Gehirn seine begrenzten Ressourcen effizient ein.“ / 10/ „Paul, daraus ergeben sich folgende Konsequenzen für mein Handeln als Verkäufer“, so Fritz: „Ich muss mir klar machen, wie sehr wir Menschen durch Intuition und automatisches Verhalten beherrscht werden.“ „Wenn auch die reflektiven Hirnregionen ebenfalls eine wichtige Rolle dabei spielen, treffen wir Prognosen über zukünftige Belohnungen doch überwiegend mit den eher emotionalen, reflexiven Teilen des Gehirns. Wir bilden uns gerne ein, wir würden denken, aber ein erstaunlich großer Teil läuft automatisch ab, unterhalb der Bewusstseinsschwelle.“ / 10/ <?page no="129"?> 8.3 Wie ticken wir, wenn es ums Geld geht? 119 Fritz hat einen Gedankenblitz: Mein Verhalten wirkt beim anderen emotional, also unterhalb der Bewusstseinsschwelle. Positiv oder negativ. Es liegt an mir, welches Ergebnis durch mein Verhalten dort erzeugt wird. Es ist also unerlässlich und für meinen Verkaufserfolg von großer Bedeutung, dass ich eben dieses Verhalten an den Tag lege, welches eher positiv beim anderen wirkt. „Paul, eines ist doch spannend. Der Einkäufer müsste doch eigentlich wissen, dass er nur bedingt beurteilen kann, was ich ihm anbiete. Dennoch fragt er nicht den eigenen Fachmann und lässt sich von ihm die Sicherheit oder die Ablehnung geben. Stattdessen bezieht er sich nur auf sein Budget und nimmt Risiken einer anderen Kostenstelle billigend in Kauf.“ „Fritz, das ist ein interessanter Punkt. Mal hören, was die Psychologie dazu sagt? “ „Eine der fundamentalsten Eigenarten des menschlichen Wesens ist die Selbstüberschätzung.“ / 10/ Es gibt ein Experiment, bei dem 100 Autofahrer nach ihren Fahrkünsten befragt wurden. Fast alle sprachen sich selbst eine hohe Fahrkompetenz aus. So weit, so gut, das spannendste ist, dass diese Befragung im Krankenhaus nach einem von ihnen verursachten Verkehrsunfall (mit Toten, Schwerverletzten und eigenen schweren Verletzungen) stattfand. / 10, S. 95/ „Kurz gesagt: Selbsteinschätzung ist Selbstbetrug. In jedem von uns lauert ein Hochstapler, der uns unermüdlich ein aufgeblähtes Bild unserer eigenen Fähigkeiten vorgaukelt. Je weniger kompetent oder erfahren wir auf einem Gebiet sind, desto mehr strengt sich der innere Hochstapler an, um uns davon zu überzeugen, dass wir gerade darin ein Meister sind. Und im gewissen Maße ist das auch gut so. Indem wir uns etwas in die Tasche lügen, stärken wir unser Selbstwertgefühl. Und es ist nur allzu verständlich. Die meisten Menschen hören lieber auf die Schmeicheleinheiten ihres inneren Hochstaplers, als die finanzielle Performance objektiv zu messen, denn der innere Hochstapler erzählt letztendlich nie etwas Negatives.“ / 10/ „Paul, ich habe von einem Mere-Exposure-Effekt gehört, der hilft uns bestimmt auch, das Entscheidungsverhalten von Menschen zu verstehen.“ „Klasse Fritz, dass Sie sich nun immer tiefer in die Welt der Psychologie graben, um zu verstehen, was da beim Entscheiden/ Verkaufen abläuft. Ja, es macht Spaß, Stück für Stück, wie in einem Puzzlespiel, den inneren Marionettenfäden der Entscheidung auf die Schliche zu kommen. Schade nur, dass wir bisher niemals mit einem Trainingsinstitut zusammengearbeitet haben, dass es genau so macht. Ja, und es müsste auch selbst in seiner Organisation und anhand von objektiven Nachweisen den Beweis der Richtigkeit der Analyse, seinem Forschen und den Erfolg beweisen können.“ Der oben genannte Effekt wurde vor ca. 40 Jahren vom Psychologen Robert Zajonic erkannt. Er fragte seine Probanden, ob Fantasiewörter ( es war den Probanden nicht bekannt, dass es sich um Fantasiewörter handelte, er sprach von Worten aus der türkischen Sprache) eher negativ oder positiv auf die Probanden gewirkt hätten. Spannend war, dass über die Häufigkeit der Wiederholungen die Probanden eher dem Wort ein positives Gefühl zuordneten. Er forschte mit Symbolen weiter und fand heraus, dass die Symbole besser gefielen, wenn die- <?page no="130"?> 8 Der Preis 120 se fünfmal unterbewusst gesehen wurden (er zeigte die Symbole in so kurzer Zeit, dass man diese nicht bewusst wahrnehmen konnte). / 10, S. 104/ Fazit: „Die Gegenwart vertrauter Dinge (auch wenn sie uns nicht bewusst ist) hebt unsere Stimmung. Vertrautheit erzeugt Zufriedenheit.“ / 10/ „Man könnte meinen, dass die Zu- oder Abneigungen bewusste Entscheidungen seien und die Vorlieben auf Erkenntnissen beruhen würden, die wir aus der Würdigung von Tatsachen gewonnen haben. Zajoncs Ergebnisse zeigten aber vielmehr, dass unsere Vorlieben aus Erfahrungen entstehen - unabhängig davon, ob diese uns je bewusst geworden sind. Das zeigt auch, weshalb der Rat so gut ankommt - kaufe, was du kennst.“ / 10/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Ja, das macht Sinn, daher auch die vielen Aktivitäten, eine Marke zu etablieren. Eine Marke bedeutet Vertrauen. Wie kann ich in meiner Kommunikation Vertrauen aufbauen? Es muss um den anderen gehen, um seine Welt, seine Vorstellung, und ich muss in seinen Worten und mit seinen Worten sprechen. Neben dem Mere-Exposure-Effekt gibt es noch das Halle-Berry-Neuron. „Der Hippocampus ist ein wichtiger Teil des reflexiven Gehirns, eine Brutstätte emotionaler Erinnerungen und dicht mit Neuronen belegt, die beginnen zu feuern, wenn wir einen bestimmten Ort aufsuchen, sehen oder nur an ihn denken. Nach dem etwas einmal für uns relevant und wichtig gewesen ist, wird eine Ortszelle im Hippocampus aktiviert, wann immer wir diesem Etwas erneut begegnen.“ / 10/ „Im Neuroökonomielabor von Peter Kenning an der Universität Münster angefertigte Hirnscans zeigen dass, wenn wir in unvertrauter Umgebung Geld investieren, die Amygdala (Mandelkern) anspringt, eines der Angstzentren des Gehirns. Diese Erkenntnisse lassen vermuten, dass automatisch ein Gefühl des Wohlbefindens entsteht, wenn wir in vertrauter Umgebung Geld investieren. Diese Reaktion entsteht im biologischen Urgestein des reflexiven Gehirns.“ / 10/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Vom „Guten Tag“ an muss ich eine für den anderen vertraute Atmosphäre herstellen. „Inzwischen erforschen Neuroökonomen die treibenden Kräfte hinter dem Colonel-Klink- Effekt. Im Bereich um den Nucleus caudatus, welcher tief im Zentrum des Gehirns liegt, wird möglicherweise die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung überwacht. Der Nucleus caudatus dient als Koinzidenzdetector (DEFINITION) des Gehirns. In diesem Bereich des reflexiven, emotionalen Gehirns gleichen wir unsere Handlungen mit den externen Folgen ab - unabhängig davon, ob tatsächlich ein Zusammenhang zwischen ihnen besteht oder nicht. Dieser Bereich wird auch am stärksten aktiviert, wenn wir Vertrauen zu einem fremden Menschen fassen.“ / 10/ „Wissenschaftler an der Universität von Wisconsin haben gezeigt, dass die Vorstellung, man habe eine Situation unter Kontrolle - selbst wenn man keinerlei Einfluss darauf hat - die <?page no="131"?> 8.3 Wie ticken wir, wenn es ums Geld geht? 121 neuronalen Aktivitäten in den Gehirnarealen die Schmerz, Angst und Konflikt verarbeiten, reduzieren kann.“ / 10/ Fritz hat einen Gedankenblitz: In meinen Verhalten muss ich dem anderen das Gefühl der Kontrolle geben. „Maßgeschneidertes Selbstvertrauen, die größte Gefahr für den Verkäufer“, so Paul zu Fritz. „Jetzt machen Sie einmal einen Punkt, lieber Paul. Das ist ja ganz schön dreist, was Sie da sagen. Wie kommen sie denn dazu? “ „Fritz, ich habe einmal von einem Harvard-Philosophen, Willard Van Orman Quine, gehört.“ „ Am Anfang seiner Laufbahn entfernte Quine die Taste mit dem Fragezeichen von seiner Schreibmaschine. Als Quine im hohen Alter gefragt wurde, wie er es geschafft habe, 70 Jahre lang zu schreiben, ohne jemals ein Fragezeichen zu setzen, antwortet er: ‚Nun, wissen Sie, ich beschäftige mich mit Gewissheiten.’“ / 10/ „Dort, wo es ums Geld geht, gibt es nur wenige Gewissheiten, unser Gehirn ist darauf angelegt, die eigenen Fähigkeiten zu übertreiben, das Vertraute zu bevorzugen und sich mehr über die Kontrolle der Vergangenheit und Zukunft einzubilden, als wir es vermutlich jemals haben werden.“ / 10/ „Ja, und was meinen Sie damit, lieber Paul? “ „Kennen Sie die Emotionen des Einkäufers oder glauben Sie, diese zu kennen? “, so Paul. „Wie ist denn das mit dem Risiko? “, fragt Paul. Fritz meint, dass wir bei jedem Einkauf eines neuen Produktes unser Risiko rational kalkulieren könnten. Er kenne diese Vorgehensweise aus der Anlagenberatung. Denn dort stellen die Finanzberater den Investoren die Frage: Welches Risiko wären Sie bereit einzugehen? Solch eine Frage stellt sich wohl jeder, wenn er eine neue Entscheidung treffen muss. Gehen wir diesem Thema einmal auf den Grund und versuchen zu verstehen, wie wir Menschen das Risiko einzuschätzen versuchen. „Das erste Problem solcher Fragebögen besteht darin, dass Sie voraussetzen, Sie wüssten bereits, wie viel Risiko Sie bereitwillig eingehen wollen. Wenn Sie das wüssten, warum sollten Sie dann einen Fragebogen ausfüllen? “ / 10/ Losgelöst eines weiteren Ergebnisses von Studien zeigt, dass die Ähnlichkeit der Ergebnisse bei 56% liegt. „Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei beliebige Fragebögen für dieselbe Person dasselbe Risikoprofil ermitteln, ist kaum besser als der Wurf einer Münze. Ihre vermeintliche Risikotoleranz mag weniger von Ihrer Persönlichkeit abhängen als vielmehr davon, wessen Fragebogen Sie gerade ausfüllen.“ / 10/ „Das bezieht sich auf das institutionelle Analysieren des Risikos, so Fritz zu Paul. „Was aber geschieht in einer persönlichen Entscheidungssituation, in der man sich gegebenenfalls <?page no="132"?> 8 Der Preis 122 selbst einen Fragebogen oder eine Checkliste erstellt, um sein eigenes Risiko zu bewerten? “ will Fritz wissen. „Also ohne externe Beratung. Da geht man doch rational vor“, ergänzt Fritz. „Man macht sich Gedanken und erstellt eine Matrix. Diese Matrix wird mit mathematischen Aspekten, logischen Aspekten, bewertet. Gewichtung, Bewertung, Einzelergebnis für jede Kategorie und ein Gesamtergebnis und schon hat man eine Entscheidungsgrundlage“, erläutert Fritz. „Übrigens, ich habe einmal einen Physikprofessor kennengelernt, der hat genau so eine Matrix erstellt, um seine Anforderungen an ein Haus, welches er kaufen wollte, darzustellen. Mit sage und schreibe über 50 Anforderungskriterien.“ , so Fritz. „Ja, sagt Paul, das kenne ich. So gehen wir auch vor, wenn wir eine Ausschreibung machen wollen. Doch, Fritz wir beide wissen ja jetzt schon, dass diesem Resultat, also der Erstellung dieser Matrix in Form, Inhalt, Bewertung etc. bereits etwas vorhergegangen ist: Unser Gehirn hat bereits viele Wege geebnet, das allein ist wichtig.“, so Paul. „Hat denn überhaupt ein Mensch eine immer gleiche Risikotoleranz, die ebenso gemessen werden kann wie eine Schuhgröße? In erstaunlichem Maße hängt die Höhe des Risikos, die sie bewältigen können, von der momentanen Stimmung ab. In fünf Minuten - oder vielleicht nur wenigen Sekunden - kann sich die Stimmung ändern und somit die Bereitschaft, Risiken einzugehen.“ / 10/ „Um besser zu verstehen, warum unsere Einstellung zum Risiko so leicht durch Emotionen kontaminiert werden kann, vermag uns die Entwicklungsgeschichte des Gehirns einige nützliche Hinweise zu geben. Stellen Sie sich vor, Sie sind durch eine Zeitreise um Äonen in die Hochebene Ostafrikas zurückversetzt worden. Ihnen fällt eine verdächtige Bewegung im Savannengras auf - es könnte ein Löwe sein. In einem neuronalen Gewitter kracht ein Blitz in Ihre mentale Alarmanlage und lässt Sie Hals über Kopf auf einen Baum kraxeln, um sich in Sicherheit zu bringen. Falls sich herausstellen sollte, dass der vermeintliche Löwe nur ein Luftzug im Gras war, haben Sie durch Ihre Flucht keinen Nachteil erlitten. Ob der Löwe nun real oder imaginär ist - die Flucht vor ihm erhöhte die Wahrscheinlichkeit, dass Sie lange genug überleben werden, um Nachkommen zu zeugen und Ihre Gene weiterzugeben. Raubtiere waren nicht das einzige Risiko, das unsere Vorfahren fürchten lernten. Wasserknappheit, Unterkunft am falschen Ort, die Zuversicht, eine Nahrungsquelle würde verlässlicher sein, als sie sich dann erwies - bei allen Risiken könnte es um Leben und Tod gehen. Sie lehrten uns einen instinktiven Hass auf alles Ungewisse.“ / 10/ Fritz und Paul sind sich einig. All diese genannten Themen waren die wichtigen Entscheidungen unserer Vorfahren. Und es geht um das Entscheidungsverhalten. Hier gibt es kausale Zusammenhänge, und die wollten sie ja gerade kennen und verstehen lernen. „Im urzeitlichen Labor der Evolution war die Sensibilität für Verluste wahrscheinlich vorteilhafter als die Dankbarkeit für Gewinne, hat der Psychologe Amos Tversky gesagt. Es wäre wunderbar gewesen, einer Art anzugehören, die fast unempfindlich für Schmerzen war und eine unendliche Genussfähigkeit hatte. Aber dann hätten wir die evolutionäre Schlacht <?page no="133"?> 8.3 Wie ticken wir, wenn es ums Geld geht? 123 wahrscheinlich nicht überlebt. Für die Hominiden konnte eine unzureichende Reaktion auf reale Risiken tödlich sein, während eine Überreaktion auf Risiken, die sich als imaginär herausstellten, in der Regel harmlos war. Daher ist die Alarmanlage in Ihrem Gehirn - zentriert um den Thalamus, die Amygdala und die Insula - mit hochempfindlichen Auslösern ausgestattet. Über Tausende von Generationen ist der Vorsicht-besser-als-Nachsicht-Reflex zu einem tiefverwurzelten Instinkt geworden.“ / 10/ Aus Experimenten weiß man: „Es kommt nicht nur auf die Größe des Gewinns an, sondern auch darauf, wie verlässlich der Gewinn erwartet werden kann.“ / 10/ Fritz zu Paul: „Ja, das ist logisch. Das kann wohl jeder an sich selbst nachvollziehen. Sobald ich die Höhe des Gewinns kenne, kommt automatisch die Frage nach der Wahrscheinlichkeit oder anders formuliert: Wie sicher ist mir der Gewinn bzw. wie unsicher ist der Gewinn, also das Risiko.“ „Die Risikoeinschätzungen sind sehr veränderlich und subjektiv. Sie hängen vom Bezugsrahmen und der Schwankungsbreite in Bezug auf das Gesamtergebnis ab. Wenn wir mit der Chance konfrontiert sind, Geld zu gewinnen und zu verlieren, kann unsere Entscheidung durch eine kleine Veränderung des Zusammenhangs oder der Beschreibung wie ein Stück Knetmasse in die eine oder andere Richtung gezogen werden - ein Phänomen, das Psychologen als Framing-Effekt bezeichnen.“ / 10/ Was ist denn ein Bezugsrahmen im Gehirn? Das fragen sich Paul und Fitz. Oder: „Wodurch entstehen Bezugsrahmen im Gehirn? Das liegt in der Wechselwirkung zwischen Gefühl und Verstand, sagt die Psychologin Cleotilde Gonzales von der Carnegie Mellon University. Das Gehirn bemüht sich stets, auf dem einfachsten Weg zu einer Entscheidung zu gelangen - mit den geringsten emotionalen Kosten und der kleinsten mentalen Anstrengung (oder kognitiven Kosten).“ / 10/ „Wenn ein Risiko negativ gerahmt ist, ruft es Bilder hervor und weckt Emotionen. Der Gedanke Geld zu verlieren ist, wie der Verlust von Menschenleben, von Natur aus so alarmierend, dass er eine intensivere Aktivierung einer Hirnregion namens Sulcus intraparietalis auslöst. Diese gekrümmte Gewebefalte befindet sich oben im Kopf hinter den Ohren und scheint ähnlich wie eine mentale Kinoleinwand zu funktionieren. Sie ermöglicht die Visualisierung und Vorstellung der Konsequenz von Handlungen, die noch nicht stattgefunden haben. Je ungewisser diese Konsequenzen sind, desto aktiver wird der Sulcus intraparietalis. Und wenn der Rahmen sich vom Gewinn zum Verlust verschiebt, erscheinen unabhängig davon, ob der Verlust gewiss und nur wahrscheinlich ist ein negatives Bild, gefolgt vom negativen Gefühl. Ihr Gehirn kann die Entscheidung für eine Sache nicht länger ausschließlich auf der Basis der jeweils ausgelösten Emotionen entscheiden - da sowohl ein möglicher als auch ein sicherer Verlust sich lausig anfühlen. Also lässt das Halb-leer-Szenario das Gehirn härter arbeiten. Wenn wir Entscheidungen treffen, erklärt Gonzales, wägen wir gegeneinander ab, wie sehr wir einerseits über eine Alternative nachdenken müssen und welcher Verlust andererseits droht. Wenn das Gehirn so schwer arbeiten muss, gibt der emotionale Einsatz den Ausschlag. Der einfachste emotionale Einsatz entscheidet.“ / 10/ <?page no="134"?> 8 Der Preis 124 Mit dem Rahmen ist gemeint, wie unsere Aufmerksamkeit gelenkt wird. Wird unsere Aufmerksamkeit ins Positive oder Negative gelenkt? Das geht zum Beispiel durch Formulierungen. „Wenn wir Risiken meiden, dann flammen neuronale Aktivitäten in der Amygdala auf, was vermuten lässt, dass dieses Angstzentrum im Gehirn Sie von der vermeintlichen Gefahr wegsteuert. Die Amygdala reagiert anscheinend wie ein sehr ungenaues Messinstrument, nur auf krasse Unterschiede zwischen behalten und verlieren.“ / 10/ Oder wie Fritz formuliert: Lust empfinden oder Unlust vermeiden. „Der präfrontale Kortex muss ins Spiel kommen, um den etwas subtileren Unterschied zu verstehen, dass die Optionen gleich sind. Durch Betonung des emotionalen Aspekts des Framing-Effektes können Verkäufer die Amygdala konstant feuern lassen - und so verhindern, dass das reflektive Gehirn interveniert. Der Vorteil ohne Nachteile, man erkauft die Begrenzung der Nachteile mit der Limitierung des Gewinns. Mehr siehe die wohl raffinierteste Form des finanziellen Framings, der EIA, Equity-Indexed-Annuity.“ / 10, Seite 155/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Kommunikation ist nicht logisch, sondern psychologisch. Es bleibt dabei! „Risiko geht ja irgendwie mit Angst einher“, so Fritz zu Paul. „Ja, das stimmt. Den Punkt Angst im Rahmen von Entscheidungen sollten wir auch beleuchten. Denn statt Lust empfinden bzw. Unlust vermeiden könnte man wie unserere Vorfahren ja auch sagen, Angriff oder Flucht. Und Flucht setzt Angst voraus.“ „Weder einem Menschen, noch einer Menschenmenge, noch einer Nation kann man trauen, sich unter Einfluss großer Angst menschlich zu verhalten oder vernünftig zu denken … Der Sieg über die Angst ist der Beginn der Weisheit“ Bertrand Russell / 10/ „Verhielten wir uns strikt logisch, würden wir Wahrscheinlichkeiten eines Risikos beurteilen, indem wir uns fragen, wie oft ein negatives Ereignis bereits früher unter ähnlichen Begleitumständen eingetreten ist. Stattdessen erklärt der Psychologe Kahnemann, neigen wir dazu, die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses danach zu beurteilen, wie leicht wir es uns vorstellen können. Ergänzend kommt hinzu, dass, je weniger Zeit seit einem Ereignis verstrichen ist, desto lebhafter ist unsere Erinnerung an ähnliche vergangene Ereignisse ist, desto präsenter ist es in unserer Gedankenwelt - und desto wahrscheinlicher wird uns die Wiederholung vorkommen. Die Wiederholung eines Ereignisses wird nicht dadurch wahrscheinlicher, dass es sich erst vor Kurzem zugetragen hat oder dass wir es lebhaft in Erinnerung haben.“ / 10/ Ein Beispiel für die überwältigende Macht der Emotionen des reflexiven Gehirns über die analytischen Fähigkeiten des Gehirns, des reflektiven Gehirns: „Bitte sprechen Sie das Wort Flugzeugabsturz laut aus. Was sehen Sie vor Ihrem geistigen Auge? Vermutlich schlimme Bilder. Im Prinzip, sagt Paul Slvic, Psychologe an der Universität von Oregon, wird Risiko zusammengebraut aus zwei gleich hochdosierten Zutaten - Wahrscheinlichkeiten und Konsequenzen. Unser Gehirn projiziert jedoch nur die Konsequenz, <?page no="135"?> 8.3 Wie ticken wir, wenn es ums Geld geht? 125 nicht die Wahrscheinlichkeit. Die in unserem reflexiven Gehirn erzeugten Emotionen können unsere analytischen Fähigkeiten verdrängen, und so kann ein bestimmtes Risiko auch andere Dinge riskanter erscheinen lassen.“ / 10/ „Mensch Paul, das ist ja richtig spannend. So nach und nach verstehe ich, was läuft. Gut, das zu wissen. Jetzt kann ich viel zielgerichteter vorgehen. Ich habe eine Strategie (wie? ) und habe Maßnahmen (womit? ), also Werkzeuge.“ „Doch wie funktioniert das denn mit diesem inneren Alarmknopf? Wenn ich weiß, wann er gedrückt wird, dann kann ich auch vermeiden, dass er gedrückt wird. Denn wir wissen ja beide, dass der Aufwand, etwas Negatives zu tun gleich groß ist wie der Aufwand, etwas Positives zu tun.“ Fritz hat einen Gedankenblitz: -k + „Tief im Zentrum des Gehirns, auf gleicher Höhe mit dem oberen Rand der Ohrmuschel, befindet sich ein kleiner, mandelförmiger Gewebeknochen, der als Amygdala (Mandelkern) bezeichnet wird. Wenn wir einer potenziellen Gefahr begegnen, agiert dieser Teil des reflexiven Gehirns als Alarmanlage und erzeugt blitzartig intensive Emotionen wir Furcht oder Wut, die er in das reflektive Gehirn hinaufschießt wie eine Leuchtrakete. Tatsächlich gibt es zwei Amygdalae, eine in der linken und eine in der rechten Hirnhälfte, ähnlich wie in einem Aufzug, der auf beiden Seiten der Tür einen Alarmknopf hat. Die Amygdala fokussiert die Aufmerksamkeit blitzartig auf alles, was neu oder ungewohnt ist, sich schnell verändert oder einfach beängstigend ist. Das kann erklären, warum wir auf seltene, aber plastische Gefahren überreagieren - denn wer bei Gefahr zögert, ist letztendlich verloren; ein Sekundenbruchteil kann den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen.“ / 10/ Wenn wir auf eine Schlange treten, eine Spinne erblicken oder einen scharfen Gegenstand auf sich zufliegen sehen, schreckt die Amygdala uns auf und lässt uns zur Seite springen, ducken oder etwas anderes tun, um schnellstmöglich der Gefahr zu entrinnen. Und der Verlust von Geld - oder die Vorstellung eines solchen Verlustes - löst die gleiche Angstreaktion aus.“ / 10/ Paul zu Fritz: „Sehen Sie, unser Gehirn ist auf Abwehr getrimmt, also besser für unser reflexives Gehirn, dass der Verstand, der reflektive Teil, kaum eine Chance hat. Egal wie gut unser Produkt ist, wenn wir nur durch einen kleinen Fehler in unserem Verhalten den Alarmknopf drücken, dann war‘s das.“ „Ja“, so Fritz. „In der Vergangenheit hatte ich Erfolge und Misserfolge. Doch weshalb ich Erfolg hatte, das weiß ich gar nicht so recht, auch nicht, weshalb ich keinen Erfolg hatte. War ja immer nur der Preis. Doch das war der Verstand, der dann für die Emotionen einen Grund gesucht hat.“ Fritz hat einen Gedankenblitz: Ich wirke immer, leider egal wie. Doch das heißt, ich muss an mir arbeiten um möglichst positiv zu wirken. Ich muss an meinem Verhalten arbeiten. <?page no="136"?> 8 Der Preis 126 „Zwar entsteht Furcht auch in anderen Regionen des Gehirns, doch die Rolle der Amygdala ist bislang am besten erforscht. Sie wird zwar auch durch angenehme Reize aktiviert, scheint jedoch auf Furcht spezialisiert zu sein. Die Amygdala ist direkt verbunden mit Arealen, die die Gesichtsmuskeln, die Atmung und den Herzschlag steuern. Darüber hinaus signalisieren von der Amygdala ausgehende Nervenleitungen anderen Teilen des Gehirns, Noradrenalin auszuschütten, eine Art Anlasshilfe, die die Versorgung der Muskeln mit Energie für eine sofortige Aktion vorbereitet. Erstaunlicherweise kann die Amygdala den Körper mit Angstsignalen überfluten, bevor uns überhaupt bewusst wird, dass wir Angst haben. In der Gegenwart realer oder potenzieller Gefahr warnt die Amygdala nicht. Sie müssen nicht von einem zehnstöckigen Gebäude fallen, um Angst davor zu bekommen, hinunterzufallen, sagt der Neurowissenschaftler Antonie Bechara von der Universität von Südkalifornien, unser Gehirn braucht diese praktische Erfahrung nicht.“ / 10/ „Emotionen können von Vorteil sein, wenn sie durch eine Kette früher Erfahrungen ausgelöst werden, erklärt Bechara, denn sonst würden wir ewig brauchen, um eine Entscheidung zu treffen. Bei Vorträgen von Investoren (und das sind sicherlich rational geprägte Typen, die mit Zahlen, Daten und Fakten umgehen können/ müssen und genau entscheiden - rational, bewusst, nutzenorientert etc.) zieht Bechara manchmal eine Klapperschlange aus einem verschlossenen Beutel und schleudert diese ins Publikum. Theoretisch müssten rationale Menschen sitzen bleiben, während die Schlange durch die Luft fliegt. Sie müssten sich einen Moment Zeit nehmen, um zu entscheiden, ob es den Trubel wert ist, aus der Flugbahn der Schlange zu hechten, und um die Wahrscheinlichkeit zu kalkulieren, mit der ein Autor bei einem Vortrag eine lebende Schlange ins Auditorium schleudert. Nach Abwägung der potenziellen Nachteile gegen die möglichen Vorteile sollten rationale Menschen zu dem Ergebnis kommen, dass kein Anlass zur Sorge besteht. Stattdessen fangen sie jedoch an, panisch zu schreien und von den Sitzen aufzuspringen. Die Schlange ist ein Spielzeug aus Gummi. Macht diese blitzartige Reaktion der Amygdala uns irrational? Natürlich nicht. Wie er unseren Urahnen beim täglichen Kampf ums Überleben geholfen hat, so bleibt der Angstreflex auch im heutigen Alltag ein notwendiges Überlebenswerkzeug. Er lässt uns nach beiden Seiten sehen, bevor wir die Straße überqueren, und uns am Geländer eines hohen Balkons festhalten. Wenn jedoch eine Bedrohung finanzieller statt physischer Art ist, wird reflexive Furcht uns eher einer Gefahr aussetzen, anstatt uns davor zu bewahren. Wenn wir unser Investment jedes Mal verkaufen, wenn der Wert plötzlich absackt, machen wir den Makler reich und uns selbst arm und gereizt.“ / 10/ „Die Amygdala lässt uns auch ängstliche Körpersprache in einem Sekundenbruchteil erkennen. Und schließlich ist die Amygdala empfänglich für eine einzigartige Methode des Menschen, Botschaften zu übermitteln - die Sprache. Gehirnscans haben gezeigt, dass die Amygdala auf bestimmte Worte intensiver reagiert als auf andere Worte. Französische Wissenschaftler haben gezeigt, dass bei bestimmten Worten der Schweiß ausbrechen kann, selbst wenn es nur für 12/ 1000 Sekunden erscheint - das ist etwa 25-mal schneller als ein menschlicher Lidschlag. Ein alarmierendes Wort oder zwei können sogar mächtig genug sein, um Erinnerungen zu verändern.“ / 10/ Fritz zu Paul: „Was sagt uns das alles über das Anlegen von Geld? Denn darum geht es beim Einkauf.“ <?page no="137"?> 8.3 Wie ticken wir, wenn es ums Geld geht? 127 „Reflexive Angst wird bei Menschen nicht nur durch physische Gefahren ausgelöst, sondern auch durch soziale Signale, die einen Alarm übermitteln. Verschieden wahrgenommene Signale bereiten den archaischen Teil des Gehirns auf eine Kampf-oder-Flucht-Reaktion vor, bevor wir überhaupt ins Handeln kommen. Gehirnscans haben gezeigt, dass zu erwartende Verluste schon das Angstzentrum aktivieren. Schlechte Erlebnisse aktivieren Gene in der Amygdala, die die Produktion von Proteinen stimuliert, die wiederum Zellen verstärken, die in verschiedenen Arealen des Gehirns zur Speicherung von Erinnerungen dienen. Eine von der Amygdala ausgehende Flut von Signalen kann darüber hinaus die Ausschüttung von Adrenalin und anderen Stresshormonen auslösen, die Erinnerungen einbrennen und sie somit unauslöschlich machen.“ / 10/ Was ist daran so schlimm? “, fragten sich Paul und Fritz. „Nun, ein Augenblick der Panik kann die Einkaufsstrategie völlig durcheinanderbringen.“ / 10/ Zu Beginn, im Verlauf und/ oder zum Schluss eines jeden Verkaufsgesprächs. Fritz hat einen Gedankenblitz: Wir schließen wohl vom Kleinen aufs Ganze. Aus einem Experiment der Universität von Iowa / 10, S. 181/ wissen die Wissenschaftler, dass die Entscheidungen von der unbewussten Angst gesteuert werden, die man körperlich spürt, obwohl es dem denkenden Teil des Verstandes nicht bewusst ist, dass wir Angst haben. Und gerade wenn es um Geld geht, spielt das eine entscheidende Rolle. Zumindest in der entwickelten Welt ist Geld an sich zu einer begehrenswerten Ressource geworden. Aktueller gesellschaftlicher Druck - und Traditionen aus Jahrhunderten - lassen uns Geld mit Sicherheit und Bequemlichkeit gleichsetzen. Und so sind finanzielle Verluste oder Defizite eine schmerzhafte Strafe, die fast archaische Angst hervorruft. Geld ist ein Symbol für das Problem des Lebens, sagt der Neurowissenschaftler Antonio Damasio. Geld repräsentiert die Ressourcen, die wir brauchen, um unser Leben zu erhalten und uns als Organismen in unserer Umwelt behaupten zu können.“ / 10/ Fritz zu Paul: „Jetzt wird einiges klarer. Und ich verstehe auch, dass es nicht die Argumentation war, die zum Erfolg oder zum Misserfolg in der Vergangenheit führte. Beides ergab sich, je nachdem wie stark ich beim Gegenüber Angst habe entstehen lassen. Leider weiß ich nicht, was habe ich getan, um welches Ergebnis zu erzielen. Das heißt in der letztendlichen Konsequenz, ich muss jemanden kennenlernen, der mich trainiert, um den anderen emotional in eine Art Schwebezustand zwischen Angriff und Flucht zu bringen.“ „Tja, mein lieber Fritz. Damit haben wir eine neue Hürde. In Deutschland gibt es etwa 200.000 Berater, Trainer und Coaches.“ / 11/ „Wie finden wir den Richtigen? “ „Ganz einfach“, sagt Fritz. „Der richtige Trainer nutzt unser hier erarbeitetes Wissen und gibt uns pragmatische und erlernbare Werkzeuge auf dieser Basis.“ „Ironischerweise kann dieser hochgradig emotionale Teil des Gehirns uns manchmal dazu helfen, rationaler zu handeln. Denn bei beschädigter Amygdala meiden wir Risiken nicht. Das Ergebnis nennt Bechara die Krankheit der Entscheidungsfindung. Ohne emotionale Signale von der Amygdala, die den präfrontalen Kortex vorwarnt, wie schlimm sich der Verlust an- <?page no="138"?> 8 Der Preis 128 fühlen würde, würden wir so lange Risiken eingehen, bis wir pleite wären. Normalerweise spielt die Amygdala die entscheidende Rolle des Alarmgebers, der signalisiert: Tue das nicht. Wenn aber erst das reflexive Gehirn beschädigt ist, sagen die reflektierenden Bereiche: Hmm, vielleicht sollte ich es einmal probieren. Ohne die rettende Angst versuchen die analytischen Teile des Gehirns immer wieder, die Wahrscheinlichkeit zu überlisten - mit verhängnisvollen Konsequenzen. Der Prozess einer vorteilhaften Entscheidung, sagt Damasio, hat nicht nur logische, sondern auch emotionale Aspekte.“ / 10/ Ein weiteres Experiment hat gezeigt, dass „Die Teilnehmer mit einem emotional beeinträchtigten Gehirn, um 13 Prozent mehr Geld gewannen als jene mit intaktem Gehirn“ / 10/ . Das heißt, hier ist eine höhere Risikobereitschaft. „Die Lektion? Nun, sie lautet nicht, dass man seinen Gewinn steigern könnte, indem man sich den Hammer auf den Kopf schlägt. Sie lautet, dass die Angst vor Verlusten immer im Gehirn lauert.“ / 10/ Wichtig in diesem Kontext ist auch das Ellsberg-Paradoxon. Der Militäranalyst Daniel Ellsberg, den älteren Lesern bekannt als eine der Personen, die mitwirkten, den US- Präsidenten Nixon zu Fall zu bringen. Er stellte der New York Times die Pentagon-Papiere zur Verfügung, die systematische Fehler in den Entscheidungsprozessem des Vietnamkrieg aufdeckten. Ellsberg war experimenteller Psychologe an der Harvard University und hatte die Ergebnisse einer irritierenden kleinen Entdeckung publiziert, die als das Ellsberg-Paradoxon bekannt geworden ist. Bekannte Kenntnisse sind Dinge, von denen wir wissen, dass wir es wissen. Im Falle von bekannten Unkenntnissen wissen wir, dass es einige Dinge gibt, die wir nicht wissen. So hatte der US-Verteidigungsminister im Jahr 2002 bewusst oder unbewusst eine Beschreibung des Ellsberg-Paradoxons. Von Dingen, von denen wir nichts wissen, dieses führt zu Ängsten. Das Ellsberg-Paradoxon ist im selben Spannungsfeld verwurzelt, welches viele unsere Investitionsentscheidungen beeinflusst. „Werden unsichere Aktionen geplant, dann wird das Angstzentrum der Amygdala sehr aktiv. Darüber hinaus dämpft das Nachdenken über eine unsichere Entscheidung die Aktivität des Nucleus caudarus, dem erwähnten Belohnungszentrum des Gehirns, das uns ermöglicht, Vertrauen zu anderen Menschen zu fassen und es als angenehm empfinden, eine Situation unter Kontrolle zu haben. Wenn wir die Chancen nicht kennen, werden nicht nur die Ängste aktiviert, sondern das Gefühl der Kontrolle bleibt ebenfalls aus.“ / 10/ „Mensch Paul, was nun, wir können nur wachsen, wenn wir andere Mitbewerber verdrängen. Also für den Interessenten sind wir als neuer Lieferant eine bekannte Unkenntnis. Das heißt, es werden Ängste bei ihm aktiviert und er verliert das Gefühl der Kontrolle. Was nun? “ Ja, wichtige Frage. Es hat ja in der Vergangenheit schon geklappt. Spannend wäre herauszufinden, wie hoch unsere Abschlussquote bei Neukunden in der Vergangenheit war. Dann heißt es zu klären, wie wir uns verhalten müssen, um eben diese Ängste beim Gesprächspartner möglichst klein zu halten. Und wie, um ihm das Kontrollgefühl zurückgeben? „Unser Gehirn ist extrem sensibel für den kleinsten Unterschied zwischen dem, was wir erwarten, und dem, was tatsächlich passiert. Es entsteht ein Schreck. Es dauert eine Weile, bevor sich der Puls nach einer solchen Schrecksekunde wieder beruhig hat. Es ist die schlichte Macht des Schrecks: Am nachhaltigsten lernen wir aus unseren Erfahrungen, wenn etwas passiert, was wir nicht erwartet haben. Der rasende Puls und die strapazierten Nerven ga- <?page no="139"?> 8.3 Wie ticken wir, wenn es ums Geld geht? 129 rantieren, dass es eine Weile dauern wird, bevor wir unser Handeln weiter gestalten. Es hat kaum evolutionären Wert, sich an alles in unserer Umgebung zu erinnern, sagt R. Douglas Fields, Neurowissenschaftler am National Institutes of Health. Aber es zahlt sich aus, Neuartiges zu registrieren. Ohne den Schreck der Erkenntnis, dass etwas schief gegangen ist, würden wir weiterhin Fehler machen, bis die Summe der Handlungen uns in unentwirrbares Chaos verstrickt hat. Unabhängig vom jeweiligen Nutzen reagiert unser Gehirn ebenso blitzartig auf unerwartete Veränderungen. Natürlich würden wir, wenn wir ständig von allen Möglichkeiten überrascht würden, unser gesamtes Leben in fiebriger Anspannung verbringen und schließlich an nervöser Erschöpfung sterben; glücklicherweise reagiert das Gehirn jedoch immer weniger intensiv, je öfter es einer Erfahrung ausgesetzt ist - ein Prozess, der als Anpassung bezeichnet wird. Je vertrauter etwas ist, desto weniger stark wird das Gehirn davon aktiviert, sagt der Neurowissenschaftler Michael Gazzaniga von der Universität von Kalifornien in Santa Barbara. Das verringert den Stoffwechsel im Gehirn. Die Neuronen sparen Energie, indem sie herunterschalten und pro Sekunde weniger Signale aussenden, wenn eine potenzielle Gefahr vertrauter und damit weniger bedrohlich geworden ist. Aber eine plötzliche Änderung genügt, um die Neutronen sofort wieder hochschalten zu lassen. Es ist das Gefühl des Erschreckens - das Neue und Unerwartete -, das den Autopiloten im Gehirn ausschaltet, gerade rechtzeitig, um schnell genug auf Änderungen reagieren zu können. Selbst eine nebensächliche Überraschung, kann uns dazu verleiten, eine gravierende Änderung durchzuführen, ungeachtet dessen, ob ein plötzlicher Strategiewechsel wirklich sinnvoll ist.“ / 10/ Nicht die Fakten, der Verstand, sondern das Gefühl, die Emotionen - hier der Schrecken - nehmen Einfluss auf unser Verhalten. Das macht es in jedem Fall nicht leichter im Verkauf. Gerade, wenn wir auf einen Menschen treffen, dessen Normalität darin besteht, Kaufentscheidungen zu treffen, wird er eine gewisse Routine entstehen lassen. „Möglicherweise so tief, dass er gar nicht in der Lage ist, die Fakten zu bewerten, den Vorteil für sich zu erkennen, sondern rein emotional erschreckt wird, und in den Fluchtmodus geht! “, so Fritz und Paul. Hier sind sich beide einig. Wir müssen dieses Wissen in unser Verhalten transportieren. Fritz hat einen Gedankenblitz: Das Unerwartete registriert alles. Von der kleinsten Kleinigkeit wird aufs Ganze geschlossen. „Wo Schatten ist, da ist auch Licht“, so Paul zu Fritz. „Suchen wir einmal nach Wegen zwischen den Schlaglöchern und nicht die Schlaglöcher. Wenn wir an uns insgesamt arbeiten, dann können wir diesen Schreck ja auch positiv umdrehen. Wie funktioniert das überhaupt mit dem Schreck? “ „Unsere ständige Bereitschaft zu staunen scheint eines jener Hauptmerkmale zu sein, das den Menschen von anderen Tieren unterscheidet. Woher kommt das? Menschen und Menschenaffen sind die einzigen Landsäugetiere, die in einer mittig gelegenen vorderen Region des Gehirns, dem anterioren cingulären Kortäx (ACC), spezialisierte Neuronen haben, die sogenannten Spindelzellen. Der Mensch hat in dieser Hirnregion mindestens doppelt so viele Spindelzellen wie die Menschenaffen. Diese Zellen ähneln einem verlängerten Korkenzieher und können auf Signale aus anderen Gehirnbereichen ansprechen, so ermöglichen sie dem <?page no="140"?> 8 Der Preis 130 ACC, Aufmerksamkeit zu bündeln, Schmerzen wahrzunehmen und Irrtümer festzustellen. Der ACC trägt darüber hinaus dazu bei, das Gefühl des Schreckens zu erzeugen, das entsteht, wenn die normalen Erwartungen nicht erfüllt werden. Der ACC muss unseren Vorfahren einen evolutionären Vorteil verschafft haben. Da sie durch ihre Fähigkeit, aufrecht zu gehen, einen größeren Aktionsradius hatten, bemerkten die frühen Hominiden mehr und vielfältigere Gefahren und Belohnungen als andere Primaten. Das rudimentäre System der Affen entwickelte sich wahrscheinlich bei den Menschen weiter, um mehr allgemeine Irrtümer und unerwartete Entwicklung zu signalisieren, sagt der Harvard-Neurowissenschaftler George Bush. Es ist wichtiger, so schnell wie möglich Irrtümer zu erkennen, als Erfolge zu registrieren. Je weiter unsere Urahnen sich von zu Hause entfernten, desto lebenswichtiger wurde es, solche Entscheidungen schnell und richtig zu treffen. Für die Urmenschen war oft das Vertraute mit dem Unbekannten durchsetzt; ein mögliches Beispiel könnte eine Beerenart sein, deren Aussehen sich nur geringfügig von einer vertrauten Art unterschied, die aber giftig sein konnte. Die Hominiden, die am sensibelsten auf die geringfügigsten Unterschiede reagierten, hatten die besten Überlebenschancen.“ / 10/ Klar, wenn nur eine kleinste Unstimmigkeit vom anderen bemerkt und als solche interpretiert wird, klingeln die Alarmglocken und alle rationalen Fakten sind vom Tisch. Ich muss also auf meine Wirkung achten, so stellt Fritz für sich fest. „Die Neuronen des ACC reagieren auf vielerlei überraschende oder widersprüchliche Ereignisse innerhalb von drei Zehntelsekunden. Der ACC erhält seinen Input sowohl von den Dopamin-Neuronen, die die Belohnungssignale übertragen, als auch von den Neuronen der Amygdala, die bei Gefahr feuern. Er ist außerdem eng mit dem Thalamus in der Mitte des Gehirns verbunden, der dazu beiträgt, Aufmerksamkeit auf Sinneswahrnehmungen (wie visuelle, akustische oder olfaktorische Eindrücke) zu lenken. Und der ACC ist mit dem Hypothalamus verbunden, einem anderen Teil des reflexiven Gehirns, dessen Funktion man mit einem Thermostaten vergleichen könnte, der Puls, Blutdruck, Körpertemperatur und Blutchemie regelt und diese Parameter möglichst nahe am Sollwert hält.“ / 10/ Ein Schreck bringt in Folge alles im Körper durcheinander, es entsteht Panik. „Bei Menschen löst Geld - dieses moderne Produkt hochentwickelter Zivilisation - eine erstaunlich primitive Reaktion auf Unerwartetes aus. Aus einem Experiment wissen die Wissenschaftler, wann immer die Probanden einen Fehler machten, konnten sie entweder Geld gewinnen oder verlieren oder es passierte nichts. Wenn ein Fehler zu einem finanziellen Verlust führt, feuerte der ACC sehr viel intensiver, als wenn kein Geld auf dem Spiel stand. Und ein breiter Streifen von Zellen im Hirnstamm (eine Region oberhalb der Wirbelsäule, die grundlegende Körperfunktionen steuert) wurde ebenfalls aktiviert, wann immer ein Fehler Geld kostete. Wenn allerdings ein gleicher Fehler keinen finanziellen Verlust nach sich zog, reagierte der Hirnstamm kaum. Das ist umso erstaunlicher, weil der Hirnstamm einer der urtümlichsten Teile des menschlichen Gehirns ist. Menschen machen ständig Fehler, sagt der Psychologe William Gehring von der Universität Michigan. Aber die Fehler, die uns wirklich etwas ausmachen und die wir in der Zukunft unter allen Umständen gerne vermeiden wollen, sind Fehler, die gravierende negative Folgen haben - wie etwa ein finanzieller Verlust.“ / 10/ <?page no="141"?> 8.3 Wie ticken wir, wenn es ums Geld geht? 131 Fritz erinnert sich an einen Gedankenblitz: „Wenn der Verstand auf das Gefühl trifft, dann siegt meist das Gefühl. Sobald die Neuronen gefeuert werden, ist unser Verstand für logische und richtige Argumente nicht erreichbar.“ Forscher haben einmal die Neuronenaktivität im ACC gemessen. „Es stellte sich heraus, dass 38 Prozent der Neuronen feuerten, wenn der Geldbetrag plötzlich geringer wurde, aber nur 13 Prozent aktiviert wurden, wenn die Probanden unerwartet eine größere Belohnung erhielten. Diejenigen Neuronen, die auf eine positive Überraschung reagieren, erzeugten ein schwächeres Signal. Auf der elementarsten biologischen Ebene macht eine positive Überraschung sehr viel weniger Eindruck als eine negative.“ / 10/ Klingt logisch, ist logisch, hat jedoch die Konsequenz, dass die Angst (Furcht, und damit das Fluchtverhalten) biologisch stärker, also emotionaler wirkt als ein möglicher faktischer (damit rationaler) Gewinn. „Stellen Sie sich bitte einmal Folgendes vor: Ich würde Ihnen einen billigen und einfachen Kaffeebecher zum Kauf anbieten. Er ist nicht wertvoll, hat keinen Erinnerungswert und Sie besitzen bereits einige Kaffeebecher. Hätten Sie Interesse daran, ihn zu kaufen? Falls ja, wie viel würden Sie dafür bezahlen? / 10, S. 212, 213/ - Und nun stellen Sie sich bitte vor, dass ich Ihnen den Becher, anstatt zum Kauf anzubieten, einfach geben würde. Er ist kein Geschenk und keine Belohnung, doch jetzt gehört er ihnen. Wären Sie bereit, ihn an jemand anders zu verkaufen? Falls ja, wie viel würden Sie dafür verlangen? Theoretisch sollte Ihr Kauf- und Verkaufspreis gleich hoch sein. Es ist derselbe Becher und Sie sind derselbe Mensch, unabhängig davon, ob Sie zufällig kaufen oder verkaufen. Zahllose Experimente haben jedoch gezeigt, dass Menschen einen zweibis dreimal höheren Preis für einen soeben erhaltenen Becher fordern, als sie bereit sind, für einen Becher zu bezahlen, den sie noch nicht besitzen. Und auch solche Menschen, die - wahrscheinlich ebenso wie Sie - zunächst darauf bestanden hatten, dass sie sich keinesfalls so albern verhalten würden. Wissenschaftler nennen dieses Phänomen den Besitztumseffekt. Was lässt Sie zögern, etwas zu verkaufen, was Sie vielleicht ohnehin nicht hatten kaufen wollen? Bevor Sie den Becher kaufen, achten Sie darauf, wie viel Geld Sie ausgeben müssten, um ihn zu bekommen (und was Sie anderweitig mit dem Geld machen könnten). Das Nachdenken über diese Frage wird wahrscheinlich den Preis verringern, den sie bereit wären zu zahlen. Wenn Sie aber erst den Becher besitzen und aufgefordert werden, ihn zu verkaufen, achten Sie mehr darauf, einen Gegenstand aufzugeben, der Ihr Eigentum geworden ist (und darauf, was Ihnen daran gefällt, ihn zu besitzen). Diese Fragen werden typsicherweise Ihren Verkaufspreis in die Höhe treiben.“ / 10/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Der im Besitz befindliche Becher kann emotional dem auszugebenden Geld gleich gesetzt werden. Die eigene Einkaufshöhe ist eine rein emotionale Angelegenheit. Was ist es dem anderen emotional wert, mir sein Geld zu geben? Diese Frage heißt es zu beantworten. Unseren Vorfahren hat es geholfen, im Überlebenskampf alles zu vermeiden, was zu einem Verlust führt. Diese Vermeidungsstrategie ist emotional so tief verwurzelt, dass sie zumindest den Verstand blockiert. <?page no="142"?> 8 Der Preis 132 Hamlet hat einst gesagt: „Dass wir die Übel, die wir haben, lieber ertragen, als ins unbekannte fliehn.“ Wie weise dieser Hamlet. Nicht noch so rationale (und richtige) Argumente helfen, wenn das Unterbewusstsein nicht angesprochen wird. „Die Qual der Wahl. Zu viel des Guten führt zur Qual der Wahl und erzeugt vielerlei potenzielle Reue. Je schwieriger eine Entscheidung erscheint, desto weniger will der Mensch sich entscheiden. Dennoch sind wir fast immer beunruhigt von der Gefahr, zu wenige Optionen zu haben. Durch die Lautsprecherdurchsage: Das Geschäft schließt in 5 Minuten, könnten Sie sich gedrängt fühlen, schnell noch etwas aus dem Regal zu nehmen, was Sie sonst vielleicht nicht gekauft hätten. Die schlichte Warnung, dass Sie eine Wahlmöglichkeit verpassen könnten, genügt, um diese Möglichkeit attraktiver erscheinen zu lassen.“ / 10/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Entscheidungsfindung ist emotional und ganzheitlich. Die reine Führung in der emotionalen Abschlussphase oder die Verknappung der Optionen wird nicht ausreichen, wenn ich nicht vorher sauber gearbeitet habe. Abschlusstechnik alleine reicht nicht aus. Spannend ist auch, dass wir ständig in einer Phase: „Was hätte sein können? “ sind. Dazu ein schönes Beispiel: „Richtig oder falsch: Sie würden lieber 150 als 100 Dollar gewinnen? Falls Sie richtig geantwortet haben, erwägen Sie bitte folgendes Szenario: Als Ralph an die Kasse des Roxy-Kinos tritt, wird ihm gesagt, er habe soeben 100 Dollar gewonnen, weil er der 100 000 Besucher des Kinos sei. Unterdessen gewinnt Bill im Bijou-Lichtspielhaus 150 Dollar, weil er dort der 1 000 001 Besucher ist. Wer wären Sie lieber, Bill oder Ralph? Einen Moment darauf erfährt Bill allerdings, dass der Mann unmittelbar vor ihm in der Warteschlange 10 000 Dollar gewonnen hat, da er der millionste Besucher des Bijou-Lichtspielhauses war. Wer würden Sie jetzt lieber sein: Bill oder Ralph? Wie dieses Beispiel zeigt, hängt die empfundene Intensität der finanziellen Reue nicht nur davon ab, was passiert ist, sondern auch davon, was hätte passieren können. Wenn Sie wie die meisten Menschen sind, hätten Sie zunächst lieber in Bills Haut gesteckt, weil er noch mehr Geld als Ralph gewonnen hat. Aber Sie spüren auch, dass Bills Begeisterung in dem Moment schal wurde, als er erfuhr, dass er stattdessen 10 000 Dollar hätten gewinnen können. Psychologen nennen dieses Phänomen kontrafaktisches Denken - die Vorstellung dessen, was hätte sein können.“ / 10, S. 224/ Es entstehen Emotionen wie Neid, Reue, Ärger, Traurigkeit etc. Die Fakten werden bedeutungslos. „Das menschliche Gehirn ist ein hervorragender Apparat, um die Realität des Seins mit der Fantasie des Möglichen zu vergleichen. Dieses Verhalten hat sich wahrscheinlich entwickelt, um unsere Vorfahren in die Lage zu versetzten, Erzeugung und Verbrauch knapper Ressourcen zu planen, in einer kargen Umwelt, in der Gefahren und Belohnungen verlässlicheren Regeln folgte als in der heutigen Zeit. Zumindest eine Region des präfrontalen Kortex (bekannt unter dem Fachbegriff Brodmann-Areal 10) ist beim Menschen sehr viel größer als im Gehirn anderer Primaten. Doppelt so groß und viermal mehr mit Neuronen verdichtet, und es ist filigraner mit dem Rest des Gehirns verbunden. Areal 10 befindet sich in derselben neuronalen Nachbarschaft wie der orbitofrontale Kortex (oder OFC). Zusammen mit dem in <?page no="143"?> 8.3 Wie ticken wir, wenn es ums Geld geht? 133 der Nähe liegenden ventromedialen präfrontalen Kortex (oder VMPFC) scheint dies eine der wichtigsten Regionen des Gehirns zu sein, mit dem wir tatsächliche Gewinne damit vergleichen, was wir uns damit erhofft haben. Der OFC ist besonders eng mit anderen Teilen des Gehirns verbunden, die Erinnerungen, Emotionen und die Wahrnehmung der Sinne verarbeiten.“ / 10/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Mit einer Investition ist immer ein faktischer ROI verbunden (rational, messbar) und eine Emotion. Letztere ist wirkungsvoller für die Belohnung und somit den Handlungsantrieb für die Investition. Es geht also um den emotionalen Gegenwert. „Die Neuroökonomie kann mittlerweile erklären, wie der orbitofrontale Kortex nicht nur auf das reagiert, was ist, sondern auch auf das, was hätte sein können. Im Human Reward Learning Lab am California Institute of Technology hat der Neurowissenschaftler John O Doherty einen Magnetressonanztomografen eingesetzt, um die Gehirne von Probanden zu scannen, während sie die Chance hatten, entweder einen Dollar oder nichts zu gewinnen, oder einen Dollar zu verlieren. Er zeichnete alle Aktivitäten in ihren Gehirnen auf, wenn Sie ein Spiel gewannen oder verloren und wenn das Ergebnis neutral war. Neutronen im orbitofrontalen Kortex feuerten innerhalb von etwa vier Sekunden, wenn ein Proband einen Dollar gewann, wurden aber fast ebenso aktiv, wenn die Teilnehmer einen Verlust von einem Dollar vermieden. Dagegen erstickte der direkte Verlust eines Dollars die Aktivitäten derselben Neuronen, ganz ähnlich wie das Ausschalten des Lichts ein Zimmer in Dunkelheit taucht. Das Verfehlen des Gewinns von einem Dollar dämpfte den Output dieser Neuronen allerdings fast ebenso dramatisch. Also reagiert der OFC sowohl auf das, was passiert, also auch auf das, was hätte passieren können. Die Vermeidung eines Verlustes erzeugt eine neuronale Spannung, deren Intensität mehr als halb so groß ist wie beim Erzielen eines direkten Gewinns. Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand: Die Vermeidung eines Verlustes ist eine abgeschwächte Form eines Gewinns, und das Verfehlen eines Gewinns ist eine mildere Form des Verlustes. Wenn Sie sich vorstellen, was hätte sein können, schaffen Sie imaginäre Ergebnisse - aber reale Gefühle.“ / 10/ Und Gefühle sind Emotionen, die unser Handeln steuern, zumindest jedoch beeinflussen. Weshalb sind wir so konstruiert? Dafür gibt es eine interessante Erklärung: Design Constraint (einschränkende Anforderung für die Konstruktion eines Systems.) Dem Thema auf die Schliche gekommen ist der Experte für Murphys Gesetz. Es ist der in Oxford ausgebildete Physiker Robert A. J. Matthews. Der mittels Untersuchungen das Murphysche Gesetz vom Marmeladenbrot gelöst hatte. „Vor einigen Jahren machte Matthews sich daran, eines der ältesten Beispiele für Murphys Gesetz zu untersuchen: Warum scheint eine Scheibe Brot immer auf der Butterseite zu landen, wenn sie zu Boden fällt? Alle bekannten Thesen sind falsch, selbst die 50: 50 Chance. Warum also hat das Brot die Tendenz, auf der falschen Seite zu landen? Das Universum ist gegen uns konstruiert, sagt Matthews kategorisch. Bei der Größe und Geschwindigkeit einer fallenden Scheibe Brot und der typischen Höhe von Tischkanten hat eine kippende Scheibe Brot nicht genug Platz, um eine volle Umdrehung zu absolvieren, bevor sie zu Boden fällt. Und Tischplatten sind so niedrig, weil Menschen im Durchschnitt 1,83 Meter groß sind. Und warum ist das so? Wenn wir wesentlich größer wären, sagt Matthews, würde bei einem Sturz der Kopf mit so viel Wucht auf <?page no="144"?> 8 Der Preis 134 den Boden knallen, dass die chemischen Verbindungen, die unseren Schädel zusammenhalten, aufbrechen würden - dann würden ständig Menschen sterben, wenn sie stolperten und hinfallen.“ / 10/ Die Natur hat sich bei allem etwas gedacht. Man muss es verstehen und verwerten, statt zu bewerten, denkt sich Fritz. „Wenn wir entscheiden wollen, dann hat das auch immer mit Reuegefühlen zu tun. Was ist das? „An den inneren Oberflächen des Großhirns, unterhalb der Lappen einiger anderer Teile der Großhirnrinde, befindet sich eine Region, die als Insula bezeichnet wird (nach dem lateinischen Wort für Insel). Die Insula ist eines der Hauptzentren des Gehirns, die Ergebnisse auswerten, die negative Emotionen wie Schmerz, Ekel und Schuldbewusstsein auslösen - genau das, was wir fühlen, wenn wir Geld verlieren. Wie der anteriore cinguläre Kortex, ist der vordere Teil der Insula dicht besetzt mit besonderen Neuronen, die Spindelzellen genannt werden. Diese Neuronen können sich darauf spezialisieren, uns dabei zu helfen, unser Verhalten an veränderte Umstände anzupassen. Erstaunlicher Weise enthalten diese Zellen ein Molekül, das im menschlichen Gehirn nur sehr selten vorkommt, im Verdauungssystem jedoch reichlich vorhanden ist, besonders im Dickdarm, wo es dazu beiträgt, die Kontraktionen auszulösen, die den Nahrungsbrei durch den Darm befördern. Wenn Sie ein Bauchgefühl bekommen, dass eine Investition schlecht ist, dann ist das nicht nur Einbildung - womöglich feuern die Spindelzellen ihrer Insula synchron mit dem Verdauungstrakt. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die direkte Stimulation der Insula durch elektrischen Strom einen intensiven Brechreiz und einen übermächtigen ekelhaften Geschmack auslöst. Zudem scheint die Insula eine der wichtigen Regionen zu sein, in denen das Gehirn aufwallende Emotionen zu bewussten Gefühlen verarbeitet. Trotz des Namens ist die Insula keine Insel, sie ist eng mit dem Hypothalamus verknüpft, der zur Steuerung von Herz und Lunge beiträgt; mit dem Thalamus, wo Sinneseindrücke verarbeitet und einfache Belohnungen verglichen werden; mit der Amygdala, wo Angst verarbeitet wird; mit den motorischen Regionen des Kortex, die die Muskeln auf eine Aktion vorbereiten, mit dem anterioren cingulären Kortex, wo Überraschungen und Widersprüche registriert werden; und mit dem orbitofrontalem Kortex, dem Bereich, der anscheinend beurteilt, was hätte sein können.“ / 10/ „So viele Reaktionen im Gehirn. Wahnsinn, was da abläuft, wenn wir etwas wahrnehmen und es soll zu einer Entscheidung kommen. Es wäre fatal, dieses nicht zu berücksichtigen“, so Paul und Fritz. Da sind sich beide einig. Denn, schon eine flüchtige Wahrnehmung aktiviert die Insula, sie benötigt etwa eine Viertelsekunde, um eine Igitt-Reaktion zu erzeugen. Und über belegbare Fakten für unser Produkt hat das Gehirn noch gar keine Informationen verarbeitet. „Noch etwas anderes lässt die Insula feuern: Der Verlust von Geld. In einem Versuch war die Insula nach dem Verlust von Geld etwa dreimal so aktiv wie nach dem Gewinn.“ / 10/ Fritz zu Paul: „Was nützt uns der Best-Prrice-Beweis, wenn unser Hirn eher auf die Vermeidung von Verlusten getrimmt ist? “ <?page no="145"?> 8.3 Wie ticken wir, wenn es ums Geld geht? 135 „Das Wissen, dass etwas Schmerzliches passieren kann, ist beinahe so schlimm wie der Schmerz selbst; das Gehirn schreckt bei der Erwartung von Schmerz fast ebenso heftig, wie es auf tatsächliche Schmerzen reagiert. Die Insula erzeugt Gefühle des Ekels nicht nur dann, wenn das Geld verloren ist oder verloren wird, sondern auch, wenn der Verlust erwartet wird; genau so, wie Sie nicht erst angeekelt sind, wenn Sie in einen Hundehaufen treten, sondern bereits dann, wenn Sie ihn erblicken; das ist schließlich der Grund, weshalb wir nicht in den Hundehaufen treten.“ / 10/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Allein die Erwartungshaltung an einen Verlust wirkt mehr bei meinem Gegenüber als die Vorteile für ihn. Ich muss seine Erwartungshaltung steuern. Denken wir noch einmal an den Nucleus accumbens. Wird dieser in unserem reflexiven Gehirn heftig erregt, dann sind wir glücklich. Das heißt, die Erregung entsteht durch die Erwartung eines künftigen Reichtums, nicht durch die Geldeingänge auf unserem Konto. „Anders ausgedrückt ist die erwartete Freude tendenziell intensiver als die erlebte Freude.“ / 10/ Fritz zu Paul: „Wir müssen erwartungshaltungsorientiert kommunizieren.“ Ein weiterer Punkt ist auch wichtig: das psychische Immunsystem. „Wir sind mit etwas ausgestattet, was der Verhaltenswissenschaftler Daniel Gilbert als das psychische Immunsystem beschreibt. Es lässt uns negative Erfahrungen für viel schlimmer halten, als diese tatsächlich sind. Da wir glauben, unsere Reaktionen auf negative Ereignisse würden nie abklingen, sind wir überrascht von unseren Selbstheilungskräften. Auf der anderen Seite gewöhnen wir uns auch an positive Ereignisse sehr viel schneller als erwartet.“ / 10/ Dazu ein Experiment: Bitte schließen Sie für einen Moment die Augen und stellen Sie sich vor, es würde Ihnen etwas Wunderbares passieren - der Jackpot im Lotto. Und Sie stellen sich jetzt bitte Ihr Leben nach dem Gewinn vor. Wie sieht es aus? Und jetzt stellen Sie sich bitte etwas sehr Schreckliches vor - ein Autounfall, nach dem Sie vom Hals abwärts querschnittsgelähmt sind. Wie stellen Sie sich jetzt das Leben vor, das Sie zu erwarten haben? / 10, S. 257/ „Wahrscheinlich wären Ihre spontanen Reaktionen auf das Gedankenspiel, über Nacht zum Multimillionär zu werden, so etwas wie … keine Sorgen mehr machen, alle Träume verwirklichen etc. Ihre Reaktion auf die Vorstellung gelähmt zu sein, wäre wohl etwas anders, so etwa wie … das könnte ich nicht ertragen, ich wäre lieber tot etc. Etwas Seltsames passiert, wenn wir uns vorstellen, wie glücklich oder unglücklich ein Ereignis uns machen würde. Wir fixieren uns auf den falschen Vorgang. Wenn Sie sich die Auswirkung eines dramatischen Ereignisses auf Ihre künftige Lebensqualität vorstellen, erscheint es Ihnen wir ein Blitzschlag oder ein Schmiedehammer, der auf einen Amboss schmettert - eine plötzliche, einschneidende Veränderung, die Ihre Aufmerksamkeit fesselt und Ihre Emotionen mit Beschlag belegt. Und wenn sie gerade passieren, fühlen sich große Ereignisse des Lebens wirklich wunderbar oder schrecklich an, wie wir es gehofft oder befürchtet haben. Aber wenn der Moment der Veränderung vergangen ist, bleiben nur die Auswirkung der Veränderung und der Prozess, sich daran gewöhnt zu haben. Dieser Prozess ist subtil, sporadisch und langwierig. Da die Ge- <?page no="146"?> 8 Der Preis 136 wöhnung an eine Veränderung so viel weniger dramatisch ist als die Veränderung selbst, ist es viel schwieriger, sich im Voraus vorzustellen, wie man sich in dieser Phase fühlen wird. Ihre Vorstellung ist auf den Moment des Werdens fixiert (sei es nun reich oder gelähmt), nicht auf den Zustand des Seins. Sein ist ganz anders als Werden.“ / 10/ Fritz hat einen Gedankenblitz: Es geht um das Einswerden des Gegenübers mit dem Produkt, jetzt und hier, nicht um das, was einmal sein wird. „Wenn wir uns die Zukunft vorstellen, überschätzen wir die Intensität und Dauerhaftigkeit unserer Gefühle. Das führt zu einem Phänomen, das Daniel Gilbert, Misswünschen, nennt, das Streben nach Besitztümern oder Erlebnissen, von denen wir irrigerweise annehmen, sie würden uns fortan glücklicher machen.“ / 10/ „Wir gründen unsere Ziele auf das, was wir für unsere Wünsche halten; tatsächlich eine Grundannahme der Wirtschaftswissenschaften, die Menschen würden ihre Vorlieben und Abneigungen kennen. Aber oft stellen wir fest, dass ein Ding, das wir vermeintlich haben wollten, bevor wir es bekommen haben, nicht mehr das ist, was wir wirklich wollten, nachdem wir es bekommen haben.“ / 10/ „Mithilfe von Gehirnscans und Aufzeichnung elektrischer Signale an der Kopfhaut hat der Neurowissenschaftler Richard Davidson von der Universität Wisconsin herausgefunden, dass bei glücklichen Menschen der linke präfrontale Kortex weitaus aktiver ist. Neuronen auf der linken Seite des PFC helfen uns, ein negatives Ereignis zu bewältigen, sich unter schwierigen Umständen auf das Erreichen eines positiven Ziels zu konzentrieren, und unterdrücken die in der Amygdala erzeugten negativen Emotionen. Darüber hinaus ist bekannt, dass die gezielte Vertreibung von negativen Emotionen anscheinend positive Emotionen schafft.“ / 10/ Und noch ein Experiment zum Schluss: Möchten Sie lieber heute 10 € bekommen oder morgen 11 €? Wenn Sie wie die meisten Menschen sind, würden Sie lieber heute 10 € bekommen, als 24 Stunden eine, Extra-Euro zu warten. Nun fragen Sie sich: Würden Sie lieber in einem Jahr 10 € bekommen oder 11 € in einem Jahr und einem Tag? Wenn die Frage so gestellt wird, ändern die meisten Menschen ihre Antwort auf 11 €, obwohl die Belohnung nach wie vor 24 Stunden auseinanderliegen. Irgendwie scheint es einfacher zu sein, in der Zukunft Geduld zu haben als in der Gegenwart. Wie dieses Gedankenspiel zeigt, kommt unser Anlegerhirn leicht durcheinander, wenn Sie Entscheidungen treffen, die sich erst im Laufe der Zeit auswirken.“ / 10, S. 276/ Hier arbeiten der reflexive und der reflektive Teil des Gehirns gegeneinander. „Die reflektiven Bereiche des präfrontalen und parietalen Kortex werden unabhängig davon, ob Sie die sofortige oder die spätere Belohnung (z. B. einen ROI durch ein Produkt) wählen, aktiviert. Das reflexive Gehirn springt dagegen nur an, wenn die sofortige Belohnung gewählt wird, und entfaltet ein Feuerwerk von Aktivitäten im Nucleus accumbus und den benachbarten Regionen. Jetzt wird ein Dopaminstoß aktiviert. Eine Entscheidung für die spätere Belohnung kann das nicht liefern, so das Forschungsteam um Jonathan Cohen von der Princeton University.“ / 10/ <?page no="147"?> 8.4 Der gefühlte Preis 137 Fritz und Paul sehen sich an. Es nützt die ganze Argumentation über Vorteile und Nutzen nichts, wenn wir nicht im Gespräch das Dopaminfeuerwerk aktivieren. 8.4 Der gefühlte Preis „Zumindest auf dem Papier gibt es ihn - den Menschen, der perfekt mit Geld umgehen kann. Den kühlen Rechner, der in finanzieller Hinsicht immer einen klaren Kopf bewahrt und vernünftige Entscheidungen trifft. So findet er stets die günstigste Lösung, ob an der Börse oder bei Ebay oder in der Philosophie: Im Einkauf liegt der Gewinn, also zu teuer! ! ! Sein Name: homo oeconomicus. „Doch dieser hoch effiziente (wirtschaftliche) Wirtschafter existiert nur auf dem Papier. Er ist ein Modell, mit dem Ökonomen das menschliche Handeln in der Wirtschaft beschreiben und im Allgemeinen, so das Kalkül, soll dieses rational und auf den Profit ausgerichtet sein. Doch Psychologen sind überzeugt: Der homo oeconomicus ist eine pure Fiktion - ein Idealmensch, mit dem Otto Normalverbraucher oder Otto Normaleinkäufer, Otto Normalgeschäftsführer/ vorstand oder -projektleiter kaum Ähnlichkeiten besitzt.“ / 12/ Hier eine kurze Zeitreise: Anfang der 1970er-Jahre kamen die beiden Psychologen Daniel Kahnemann und Amos Tversky an der Hebräischen Universität in Jerusalem zu dem Schluss: Menschen fällen logische Urteile lediglich auf Basis einfacher Faustformeln (sogenannter Heuristiken). / 12, S. 50/ 1994 kamen die Psychologen Veronika Denes-Raj und Seymour Epstein von der University of Massachusetts zum Schluss, dass wir unlogisch handeln; aufgrund der Macht des Zählers oder auch Nennerblindheit genannt. Menschen sind ganz offensichtlich nicht darin geübt, mit Wahrscheinlichkeiten umzugehen - eine denkbar schlechte Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg. Auch die Annahme, dass Menschen grundsätzlich darauf aus sind, ihren Gewinn zu maximieren, klingt zunächst einmal einleuchtend. Der amerikanische Psychologe Richard Herrnstein hat in vielen Experimenten nachgewiesen, dass Menschen vor allem kurzfristige Gewinne im Blick haben. Da der Nutzen einer Alternative über die Zeit kaum berechnet werden kann und somit auch nicht der momentane Gewinn relativ zu langfristigen Gewinnmöglichkeiten. Anders als der homo oeconomicus ist der Mensch also eher spontan und auf die Gegenwart fixiert. „Es schwelt eine Diskussion zwischen den Ökonomen und den Psychologen, inwieweit die Experimente tatsächlich übertragbar sind.“ / 12, S. 52,53/ Dieser Punkt muss meiner Ansicht nach in jedem Fall hier erwähnt werden. Er passt gerade zu perfekt in unsere Philosophie. Demzufolge ist die Psychologie nicht Mittel zum Zweck, sondern nur ein Mittel zum Zweck. Ein Vehikel. Und so will ich die Psychologie auch verstehen. „Steigt der subjektive Wert, steigt damit auch die Kaufbereitschaft. Ein Phänomen, welches die Psychologen den Besitztumseffekt nennen. Er besagt, dass wir ein Gut A, das wir unser eigen nennen, für wertvoller halten als ein vergleichbares oder identisches Gut B, welches <?page no="148"?> 8 Der Preis 138 nicht zu unserem Eigentum zählt. Wer etwas besitzt, der überschätzt den Wert dieses Besitzes mindestens um den Faktor zwei.“ / 12/ Logisch, dass wir schon aus dem Reflex heraus sagen: zu teuer. „Das Leben besteht nun mal aus zahlreichen One-shot-Entscheidungen, die - einmal getroffen - nur sehr schwer revidierbar sind. Logisch, so der Sozialpsychologe Fritz Strack, im Leben fehlt die Zeit, alles mehrfach durchzuspielen und aus Fehlern zu lernen.“ / 12/ Daher suchen wir uns eine für uns einfachere Größe, etwas, was wir skalieren können. Den Preis. Alles wird darauf fokussiert. Das spart Energie im Gehirn. Ob es die tatsächliche optimale Lösung im Sinne des homo oeconomicus ist/ war, kann nicht gesagt werden. Denn wir wissen ja, wie schwer wir uns mit Wahrscheinlichkeiten tun. Der Ökonom Steffen Huck vom University College in London hat nachgewiesen, dass in Verhandlungssituationen ein ausgeprägter Besitztumseffekt von Vorteil ist. Diese Menschen verhandeln härter und erfolgreicher. „Unser Fazit, mein lieber Fritz: Entscheiden leicht gemacht. In ökonomischen Entscheidungssituationen müssen oft Wahrscheinlichkeiten abgeschätzt werden. Dazu greifen wir auf einfache Regeln zurück - die sogenannten Urteilsheuristiken. Diese Faustregeln sind nicht per se irrational. Oft führen sie zu ähnlich guten Urteilen, wie komplizierte Denkprozesse.“ Fritz hat Gedankenblitze: 1. Die Repräsentativitäts-Heuristik (Verhalten ist repräsentativ z. B. für eine Gruppe) Einkäufer müssen „zu teuer“ sagen 2. Die Verfügbarkeits-Heuristik (mental leichter abrufbar) Ich benötige mentale Verknüpfungen beim Anderen. Initiiert durch mein Verhalten kann ich negative und positive realisieren 3. Die Anker-Heuristik (komplexe Themen werden an einer gerade verfügbaren Zahl geankert) Das Mitbewerberangebot ist der Maßstab der Dinge. / 12, Seite 56/ Interpretation der Heuristik durch den Autor <?page no="149"?> 139 9 Stimmen und Kritisches 9.1 Erlebnisse von Teilnehmern Was Fritz erlebt hat, erleben viele der Teilnehmer in meinen Verkaufstrainings. Neben diesen Erlebnissen der Teilnehmer tun sich diese auch immer sehr schwer, die Psychologie zu akzeptieren und zu nutzen. Es geht nicht um die Liebe zur Psychologie, sondern um die Wirksamkeit und somit die Chancen für den Verkäufer. Sehr oft argumentieren Teilnehmer auch wie Fritz. Man hätte ja Erfahrung - und weshalb ein Verkaufstraining? Für die Leser dieser Teilnehmergruppe sei ein Hinweis auf den sogenannten Bestätigungsfehler erlaubt. „Also die Tendenz, das für logisch zu halten, woran wir aus Erfahrung oder anderen Gründen glauben. Oder anders formuliert: Schlussfolgerungen eher für richtig zu halten, wenn sie zu den eigenen Überzeugungen passen.“ / 2/ Je erklärungsbedürftiger die Produkte und/ oder Dienstleistungen werden, umso mehr zieht die Logik uns in ihrem Bann. Deanna Kuhn schreibt in ihrem Artikel „Gegen jede Logik“: „.. wenn wir wüssten, wie vielen Einflüssen unser logisches Denken unterliegt, müsste uns allerdings Angst und Bange werden.“ / 2/ 9.2 Kritisches Fazit Paul und Fritz ziehen ein kritisches Fazit: „Die modernen Methoden der Hirnforschung haben uns somit bereits etliche neue Erkenntnisse über den ökonomisch handelnden Menschen beschert. Allerdings bieten bildgebende Techniken lediglich Aufschlüsse über das Geschehen im Gehirn. Wie der Kunde im wirklichen Leben denkt und handelt, lässt sich daraus nicht sicher erschließen. Trotz dieser Einschränkungen hat die Hirnforschung dazu beigetragen, am Bild des homo oeconomicus zu rütteln. Es erscheint zwar offensichtlich, dass der Mensch nach Maximierung des eigenen Nutzens strebt.“ / 12/ Und genau hier ist die Chance für jeden Verkäufer, wenn er sich mit IWP-Methoden und IWP-Werkzeugen ausstattet, diese versteht lernt und deren Anwendung so lange trainiert, bis diese reflexartig abrufbar sind. Dann steigen seine Chancen, diese in diesem Buch aufgezeigten Erkenntnisse mehr für sich zu nutzen. Dies wurde bereits dreimal mit dem Int. Deutschen TrainingsPreis bewiesen. Hier hat eine unabhängige Jury aufgezeigt bekommen, dass mit diesen Methoden und Werkzeugen ein Return-On-Training darstellbar ist, sogar weltweit. „Eine Nutzenmaximierung“, alleine in diesem Wort steckt so viel Wahrheit. Hatte Fritz überhaupt eine Vorstellung von dem persönlichen bzw. individuellen Nutzen seiner Kunden, der maximiert werden sollte? „Doch sollte dieses Optimierungsverhalten vielschichtiger definiert werden. Nicht nur das monetäre Thema kann wertvoll sein, auch die Erfahrung bestimmter Emotionen stiftet diesem Sinn Nutzen.“ / 12/ <?page no="150"?> 9 Stimmen und Kritisches 140 Fritz zu Paul: „Es gibt wohl beim Kundennutzen ein K.o.-Kriterium, dieses heißt es zu finden.“ „Damit deutet sich in den Wirtschaftswissenschaften ein Paradigmenwechsel an. Der rationale homo oeconomicus überlässt das Feld dem homo neurobiologicus, dessen Verhalten kognitiv, emotional und sozial bestimmt wird.“ / 12/ In diesem Sinne schauen Sie bei mir herein und erleben Sie, wie der homo neurobiologicus angesprochen werden kann. Sie haben ein Recht auf Erfolg. Abb. 20: Gehirnforschung - Und so geht es heute <?page no="151"?> 9.3 Kritische Auseinandersetzung mit der Neuroökonomie 141 9.3 Kritische Auseinandersetzung mit der Neuroökonomie Fritz und Paul haben sich ja schon mit einem kritischen Fazit beschäftigt. Nach meiner Ansicht gehört eine weitere kritische Auseinandersetzung in diesen Kontext. Viele Bilder aus dem Hirnscanner sind als bunte Bilder allgegenwärtig. Diese vielen bunten Bilder lassen uns schnell zu falschen Vorstellungen vom Denkorgan kommen. Grund genug, etwas Skepsis an den Tag zu legen. War das Gehirn im 18. Jahrhundert erst ein hydraulischer Apparat, so wurde es im 19. Jahrhundert zu einer mechanischen Rechenmaschine und im 20. Jahrhundert wurde schließlich ein Computer daraus, der allzu rationale Entscheidungen zu Tage brachte. „Heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, beherrscht eine neue Metapher das Denken - diesmal inspiriert von den farbenfrohen Bildern aus dem Hirnscanner. Wir stellen uns das Gehirn gewöhnlich als eine Art Schweizer Taschenmesser vor, eine Ansammlung von Modulen, die sich im Lauf der Evolution zur Lösung bestimmter Probleme entwickelt haben. Unsere Sprache etwa, damit wir uns verständigen können, einen Gesichtsdetektor, um zwischen Freund und Feind zu unterscheiden, eine Abteilung für Risikoabschätzung, um das Überleben des Einzelnen oder der Gruppe zu sichern, oder auch ein Gotteszentrum, das uns Trost spendet durch den Glauben an das Jenseits. Auch viele Neurowissenschaftler bedienen sich dieser Modul-Metapher. So behaupten sie oft, eine bestimmte Hirnregion sei für XY zuständig, wobei XY eine beliebige Aufgabe sein kann, die eine Versuchsperson gerade löst, während sie im Tomografen liegt. Die farbigen Hirnareale die wir auf den Bilder sehen, haben keineswegs so klar definierte Funktionen wie es scheint.“ / 6/ Dem widerspricht die Erkenntnis, dass bestimmtes Verhalten nicht funktioniert, wenn bestimmte Hirnareale defekt sind. Doch widerspricht sich das tatsächlich oder soll hier nur darauf hingewiesen werden, sich man sich das Gehirn nicht einfach nur wie ein Schweizer Taschenmesser vorzustellen darf? So sehe ich das, denn „es gibt im Gehirn kein Module, die für sich allein genommen funktionieren und Informationen an eine Art zentralen Prozessor senden, sagt die Neurophilosophin Patricia Smith Churchland von der Universität of California in San Diego. Es gibt spezialisierte Regionen, auch Netzwerke - aber sie sind nicht zwangsläufig einer bestimmten Aufgabe zugeordnet.“ / 6/ Die bildgebenden Verfahren ermöglichen neue Einsichten, keineswegs eine Art Bedienungsanleitung für den Mensch, besonders nicht für eine hundertprozentige Erfolgsgarantie. Viele unserer Teilnehmer wollen eine Art Garantieschein haben. Ist auch ja verständlich. Doch Garantiescheine erhält man nur, wenn man etwas neu kauft. Dann gibt es einen Garantieschein für 6-12 Monate. Folgende Punkte sollten uns, bei aller Erkenntnis durch die Neuroökonomie, zumindest skeptisch machen. Was in keinem Fall bedeutet, alles einfach abzulehnen. Das wäre wiederum zu einfach. 1. „Der Hirnscanner ist keine natürliche Umgebung für Denk- und Entscheidungsprozesse. Wenn Sie also das nächste Mal irgendwo lesen, was alles im Gehirn von Versuchspersonen passiert, die gerade einkaufen; bedenken Sie, dass die untersuchten Menschen nicht wirklich zwischen den Regalreihen umherliefen, Waren aus den Regalen zogen und dabei vielleicht ein paar Elektroden am Kopf klebten.“ Fritz und Paul <?page no="152"?> 9 Stimmen und Kritisches 142 stellten ja schon fest, solange der Einkäufer nicht im MRT liegt, während wir mit ihm verhandeln, können die ganzen Erkenntnisse im ersten Schritt ernstzunehmende Hinweise sein. Es wäre töricht, diese nicht zu nutzen. Produkte, Dienstleistungen und auch Lösungen werden immer vergleichbarer, es gibt einen Käufermarkt und es wird immer wichtiger werden, sich als Verkäufer von anderen Verkäufern abzuheben, um seine eigenen Produkte, Dienstleistungen und auch Lösungen an den Mann/ an die Frau zu bringen, am besten noch zu besten Preisen. Das geht nur, wenn man sich darüber klar wird, dass Menschen immer noch von Menschen kaufen. Je mehr ich mich in meinem Verhalten in Richtung diesem kaufenden Menschen verhalte, umso größer werden meine Chancen. 2. „Der MRT misst die Aktivität von Nervenzellen nur indirekt. Oft heißt es, bei MRT- Scans habe eine bestimmte Region aufgeleuchtet, wenn der Proband Geld ausgab, an Sex dachte oder was auch immer machte und dachte. Die Maschine sendet für einige Millisekunden lang ein zweites Magnetfeld (es gibt ja noch das eine, das natürliche Magnetfeld, welches uns umgibt), worauf die Protonen im Körper der Versuchsperson sich kurz zur Seite neigen und sich entlang des neuen Feld ausrichten - sie geraten in Resonanz. Nach kurzer Zeit drehen sie sich wieder in ihre ursprüngliche Lage zurück, wobei sie selbst Energie in Form eines schwachen Magnetfeldes abgeben. Diese Energie kann der Scanner messen und ein plastisches Bild erstellen, da sich die Atome aus unterschiedlichen Gewebearten unterschiedlich verhalten. Die Aktivität von Hirnregionen wird deshalb sehr indirekt gemessen: indem man sich das Phänomen zu Nutze macht, dass das Blut um rege arbeitende Neuronen herum seine magnetische Eigenschaften ändert.“ 3. „Die Farbeffekte überzeichnen die tatsächlichen Prozesse im Gehirn, denn tatsächlich ist die neuronale Aktivität je nach Aufgabe auf ein Netzwerk von Gehirnzellen verteilt. Die Einfärbung macht der Computer, denn, hierbei sind sich alle Wissenschaftler einig, dass eine bessere Durchblutung und Sauerstoffversorgung von Hirnregionen auf eine höhere Aktivität der dortigen Neuronen hinweisen.“ Dennoch, entscheidend ist, dass bei aller geforderten Skepsis sich jeder Verkäufer klar sein sollte, dass, wenn er etwas verkaufen will, sich das Gehirn des Kunden einschaltet. Und er ist gut beraten, dieses vorhandene Wissen für sich zu nutzen.“ 4. „Scan-Bilder zeigen keine echten Gehirne, sondern statistische Mitteilungen.“ Der Scanner macht etwa alle zwei Sekunden ein Bild vom Dauerfeuer der Nervenzellen. Dann werden die einzelnen Messwerte kombiniert und aus allen Daten Mittelwerte berechnet.“ 5. „Hirnareale arbeiten nicht eigenständig, sondern als Teil von Netzwerken. Der rechte präfrontale Kortex etwa ist offenbar Teil eines Netzwerks, dass bei quasi jeder schwierigen Entscheidung feuert. Dennoch es fehlt noch ausreichendes Datenmaterial, um Aktivitätenunterschiede deutlich aufzeigen zu können.“ / 6, S. 88/ Skepsis ist angebracht, das ist klar. Dennoch weist alles darauf hin, dass im Gehirn eine Menge passiert, und wer sich das aktuelle Wissen zunutze macht, der wird eine bessere Ausgangssituation haben. Das gute am Verkäufer ist ja, dass er für sich entscheiden kann. Denn Erfolg ist ja bekanntlich freiwillig! <?page no="153"?> 9.3 Kritische Auseinandersetzung mit der Neuroökonomie 143 Fritz und Paul sind sich einig: In einem von Verdrängung geprägten Marktumfeld kann man nicht einfach so drauflos „verkaufen“. Die Gefahr, vom Verkäufer zum Verläufer zu werden, ist zu groß, die Folgen sind zu katastrophal, es bedarf einer seriösen Orientierung, um das eigene Verkaufsverhalten reproduzierbarer, sicherer und schneller zu machen. Es gibt im Verkauf eine schöne Geschichte (Autor unbekannt). Morgens früh in Afrika wacht die Antilope auf und weiß, dass sie rennen muss, dass sie sonst vom Löwen gefressen wird. Auch der Löwe wacht morgens in Afrika auf und weiß, dass er rennen muss, um die Antilope zu fangen und zu fressen, da er ohne Fressen nicht überlebt. Es ist also egal, wer Sie auch immer sind, morgens in Afrika, ob Löwe oder Antilope, es heißt nur rennen. Das ist Fakt. Doch es wäre grob fahrlässig im Verkauf, so einfach drauflos zu rennen, nur weil man es schon immer so gemacht hat. Die Orientierung ist entscheidend. <?page no="154"?> 144 Nachwort Liebe Leserin, lieber Leser, Sie haben nun einen kleinen Überblick über Neuroökonomie, Hirnforschung, Psychologie, Entscheidungsverhalten etc. erhalten. Einen ganz, ganz, ganz kleinen Teil. Klar ist auch, dass letztendlich alle gemachten Versuche und Experimente im Labor stattgefunden haben. Psychologie soll ein Vehikel für uns im Verkauf und in der Führung sein, denn in beiden Aufgabenstellungen geht es darum, andere zu Taten zu bewegen. Der absolute Beweis kann nur erbracht werden, wenn der Einkäufer während des Verkaufsgesprächs mit Fritz in einem MRT liegt. Bis dahin wird es noch etwas dauern. Dieses Buch sollte Sie neugierig auf die Theorie machen, die hinter allem stehen muss, um so praktikable und umsetzbare Trainings zu konzipieren wie die von uns durchgeführten. Ebenso der wissenschaftliche Hintergrund und die empirische Beweisführung sind Gütekriterien - unsere Gütekriterien für Ihren Erfolg. Als Schlusswort soll eine Aussage von Herrn Prof. Christoph Koch dienen. Er ist Professor für kognitive Biologie und Verhaltensbiologie am California Institute of Technology in Pasadena und Forschungsdirektor am Allen Institute for Brain Science in Seattle. Er hat die für mich passenden Worte gefunden: „Als Naturwissenschaftler suche ich nur nach rationalen Erklärungen für das Bewusstsein. Aber ich glaube auch, dass es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als sich Physiker und Philosophen momentan erträumen lassen. Daher sollten wir bei allem berechtigten Enthusiasmus bescheiden bleiben. Schließlich geht es hier um die Erforschung eines der größten Rätsel dieses Universums! “ / 13, S.26/ ) Nutzen Sie die Gedankenblitze von Fritz. Wir sehen uns im Training. Ihr Warren P. van Hasz warren.vanhasz@iwp-training.de <?page no="155"?> 145 Zum guten Schluss 100 Prozent aller Entscheidungen werden zuerst mithilfe des Limbischen Systems (Unterbewusstes/ Gefühlszentrum) gefällt und erst danach mit dem NeoKortex (Bewusstsein) begründet; positiv oder negativ. „Das Limbische System benutzt für seine Entscheidungen alle ihm zur Verfügung stehenden Informationen (auch das ist eine Aufgabe des Verkäufers, die Informationen dem anderen zur Verfügung zu stellen; auch hier spielt die Psychologie eine große Rolle), also auch den Verstand, Fakten und logische Argumente, um komplexe Situationen differenziert bewerten zu können, bewertet diese jedoch emotional.“ Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth Für eine Kauf- oder Investitionsentscheidung ist es also nicht wichtig, welchen Wert oder Vorteil ein Produkt oder eine Leistung tatsächlich hat, sondern welcher emotionale Nutzen bei Ihrem/ unserem Kunden (hier die Vorfreude) beim gedanklichen Durchspielen möglicher Entscheidungsvarianten entsteht (Kopfkino). Bei Entscheidungen ist bereits 1/ 3 Sekunde vor der Reaktion im Denkhirn der entsprechende Impuls im Limbischen System messbar. Grund genug, sich psychologisch als Verkäufer zu verhalten, oder? <?page no="156"?> 146 Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Käufermarkt aus: © fotolia Bild: 7186373 Abb. 2: © shutterstock Abb. 3: aus: Magellan-Prinzip, Lernmodell, Trainingsfolie Abb. 4: aus: Cartoons Neue Cartoons: Durchsetzungsvermögen © Karsten Schley/ toonpool.com Abb. 5: aus: IWP-Classic, PVT 3, Trainingsfolie Abb. 6: aus: business-commerce-sales-sales_teams-consumer-sales_reports-strategy © cartoonstock Abb. 7: aus: GuG, Basiswissen, Das Gehirn, Aufbau und Funktion, © akg images gmbh, Berlin Abb. 8: aus: Gier - Neuroökonomie, Jason Zweig, mit freundlicher Genehmigung durch den Hanser Verlag, München Abb. 9: aus: Gier - Neuroökonomie, Jason Zweig mit freundlicher Genehmigung durch den Hanser Verlag, München Abb. 10: aus: Gier - Neuroökonomie, Jason Zweig mit freundlicher Genehmigung durch den Hanser Verlag, München Abb. 11: aus: GuG, Basiswissen II, S. 61, mit freundlicher Genehmigung von Thomas Braun, Heidelberg Abb. 12: aus: GuG, Basiswissen II, S. 62, mit freundlicher Genehmigung von Thomas Braun, Heidelberg Abb. 13: aus: Die GuG-Infografik, Neurobiologie des Gesprächs, GuG 5_2014, S.56+57, mit freundlicher Genehmigung von Jan Neuffer, neufferdesign.de, Berlin Abb. 14: Eigene Darstellung Abb. 15: aus: Gier von Jason Zweig / 10/ , Abb. 9.1, S. 182, mit freundlicher Genehmigung von Scott A. Huettel, Duke University Abb. 16: aus: IWP-Classic, PVT 1, 07A_Vorteil, Trainingsfolie Abb. 17: aus: IWP-Classic, PVT1, 14C, Angriff-Flucht, Trainingsfolie Abb. 18: aus: GuG, Trainer 1/ 2005, S. 28, mit freundlicher Genehmigung von Dr. Maja Storch, Zürich Abb. 19: aus: SalesBusiness 3/ 2013, S. 20, mit freundlicher Genehmigung von Menthe Management & Emrich Consulting Abb. 20: aus: Spektrum der Wissenschaft, Spezial, Wie entscheiden wir, S. 14, mit freundlicher Genehmigung von Professor Dr. Bernd Weber, Universität Bonn <?page no="157"?> 147 Definitionen von Begriffen (Quelle: Wikipedia und andere gekennzeichnete Quellen) Def. 1: Thematischer Auffassungstest Der Thematische Auffassungstest (auch: Thematischer Apperzeptionstest), in der Fachliteratur TAT abgekürzt, ist ein 1935 von Henry A. Murray und Christiana D. Morgan entwickelter projektiver Test, der als Persönlichkeitstest oder, in der Motivationspsychologie, zur Messung von Motiven eingesetzt wird. Def. 2: Priming bzw. Bahnung Der Begriff Priming bzw. Bahnung bezeichnet in der Psychologie die Beeinflussung der Verarbeitung (Kognition) eines Reizes dadurch, dass ein vorangegangener Reiz implizite Gedächtnisinhalte aktiviert hat. Diese Aktivierung spezieller Assoziationen im Gedächtnis aufgrund von Vorerfahrungen mit den betreffenden Informationen geschieht häufig und zum allergrößten Teil unbewusst. Def. 3: Hedgefonds Hedgefonds (englisch hedge funds, von englisch to hedge [h d ], „absichern“) sind geringer regulierte Investmentfonds, die aktiv verwaltet werden. Sie verfolgen unterschiedlichste Anlagestrategien und können diese mit einer breiten Palette an Finanzinstrumenten umsetzen, darunter auch Derivate und Leerverkäufe. So sollen auch in schwachen Marktphasen überdurchschnittliche Renditen zu erzielen sein. Hedgefonds werden mit der Aussage beworben, zwar ein hohes Verlustrisiko aufzuweisen, dafür aber die Chance auf sehr hohe Renditen zu bieten. Ungeachtet ihrer Bezeichnung, die auf Risikoabsicherungsstrategien (Hedging) hindeutet, gelten Hedgefonds aufgrund der Hebelwirkung der derivativen Produkte als risikoträchtige Anlageform. Hedgefonds versuchen zumeist über Fremdfinanzierung eine höhere Eigenkapitalrendite zu erwirtschaften (Hebel- oder Leverage-Effekt). Def. 4: Impliziter Assoziationstest (IAT) Der Implizite Assoziationstest (IAT) von Greenwald, McGhee und Schwartz (1998) ist ein implizites Verfahren der Sozialpsychologie zur Messung von Assoziationsstärken zwischen mentalen Repräsentationen von Objekten im Gedächtnis. Der IAT wird am Computer durchgeführt und basiert auf der Idee, dass es Personen leichter fällt, auf assoziierte Konzepte mit derselben Antworttaste anstatt mit einer entgegengesetzten Antworttaste zu reagieren. Der IAT wird hauptsächlich zur impliziten Messung von Ein- <?page no="158"?> Definitionen von Begriffen 148 stellungen gegenüber Objekten des Selbstwerts (self-esteem), der Identität (self-identity) und der Stereotype verwendet, ist jedoch, theoretisch betrachtet, auf jegliche Gedächtnisinhalte anwendbar, sofern sie im Gedächtnis in perzeptuellem (visuellem) oder semantischem Format gespeichert sind. Def. 5: Beeinflussen Fehlattribution Verfahren (AMP =Affect Misattribution Procedure) Die Affect-Misattribution Procedure (AMP; Payne et al., 2005) ist ein relativ neues indirektes Maß für Einstellungen. Im Verlauf der Messung sehen Vpn wiederholt eine Abfolge kurz dargebotener Bahnungsreize gefolgt von einem chinesischem Schriftzeichen, das nach wenigen Zehntelsekunden maskiert wird. Aufgabe ist es, die Attraktivität der Schriftzeichen einzuschätzen. Es entsteht typischerweise ein Primingeffekt dergestalt, dass Schriftzeichen nach positiven Bahnungsreizen attraktiver gefunden werden als nach negativen Bahnungsreizen. Momentan besteht eine lebhafte wissenschaftliche Diskussion um die Frage, ob die Primingeffekte in der AMP auf der Grundlage kontrollierter oder automatischer Prozesse ablaufen. Zudem ist unklar, welche Rolle Reaktionsbahnungsprozesse spielen. Das vorliegende Projekt untersucht diese Frage, indem die Genauigkeitsmotivation der Vpn bei der Aufgabenbearbeitung manipuliert wird. Zudem wird die Konstanz der Tastenzuordnung manipuliert. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Primingeffekte auch unter hoher Genauigkeitsmotivation auftreten und nicht von der Konstanz der Tastenzuordnung beeinflusst werden. Dies sind Indizien für eine geringe Kontrollierbarkeit des Primingeffektes und gegen die Wirksamkeit eines Reaktionsbahnungsmechanismus als Grundlage (Quelle: http: / / forschungsinfo.tu-dresden.de/ detail/ forschungsprojekt/ 15077) Def. 6: Magnetresonanztomographie Die Magnetresonanztomographie (MRT, kurz auch MR; Tomographie von altgriechisch tome ‚Schnitt‘ und graphein ‚schreiben‘) ist ein bildgebendes Verfahren, das vor allem in der medizinischen Diagnostik zur Darstellung von Struktur und Funktion der Gewebe und Organe im Körper eingesetzt wird. Es basiert physikalisch auf den Prinzipien der Kernspinresonanz (NMR), insbesondere der Feldgradienten-NMR, und wird daher auch als Kernspintomographie bezeichnet (umgangssprachlich gelegentlich zu Kernspin verkürzt). Die ebenfalls zu findende Abkürzung MRI stammt von der englischen Bezeichnung Magnetic Resonance Imaging. Mit der MRT kann man Schnittbilder des menschlichen (oder tierischen) Körpers erzeugen, die eine Beurteilung der Organe und vieler krankhafter Organveränderungen erlauben. Sie basiert auf - in einem Magnetresonanztomographiesystem (Kurzform: Kernspintomograph, MRT-Gerät) erzeugten - sehr starken Magnetfeldern sowie magnetischen Wechselfeldern im Radiofrequenzbereich, mit denen bestimmte Atomkerne (meist die Wasserstoffkerne/ Protonen) im Körper resonant angeregt werden, wodurch in einem Empfängerstromkreis ein elektrisches Signal induziert wird. Da somit das zu beobachtende Objekt „selbst strahlt“, unterliegt die MRT nicht dem physikalischen Gesetz zum Auflösungsvermögen optischer Instrumente, nach dem die Wellenlänge der verwendeten Strahlung umso kleiner sein muss, je höher die geforderte Auflösung ist. In der MRT können mit Wellenlängen im Meterbereich <?page no="159"?> Definitionen von Begriffen 149 (energiearme Radiowellen) Objektpunkte im Submillimeterbereich aufgelöst werden. Eine wesentliche Grundlage für den Bildkontrast sind unterschiedliche Relaxationszeiten verschiedener Gewebearten. Daneben trägt auch der unterschiedliche Gehalt an Wasserstoff-Atomen in verschiedenen Geweben (z. B. Muskel, Knochen) zum Bildkontrast bei. Im Gerät wird keine belastende Röntgenstrahlung oder andere ionisierende Strahlung erzeugt oder genutzt. Allerdings sind die Wirkungen der magnetischen Wechselfelder auf lebendes Gewebe nicht vollständig erforscht. Def. 7: NUTBASER KaufenLassen-Methodik Die NUTBASER KaufenLassen-Methodik gibt uns die klaren Strukturen vor, um mit dem potentiellen Kunden die Fragen nach dem „WAS“ sorgfältig und ganzheitlich zu bearbeiten, das Phase-Tens-Modell (vom IWP) zeigt uns „WIE“ dies geht. Durch diese einmalige Verbindung bekommt der Mitarbeiter im Verkaufsprozess nicht nur die Sicherheit, welche Informationen notwendig sind, um den Verkaufsprozess erfolgreich zu gestalten, sondern auch zu jederzeit im Prozess ein klares Bild, was die nächsten Schritte sein müssen, um den Prozess erfolgreich abzuschließen und auch mit welchen Werkzeugen (IWP-Trainingstools) dies gelingt. Kontakt: warren.vanhasz@iwp-training.de (Quelle: www.nutbaser.de) Def. 8: Homo reciprocans Homo reciprocans: Gegenpol zum klassischen Denkmodell des Homo oeconomicus. Begriff: Gegenpol zum klassischen Denkmodell des Homo oeconomicus. Mithilfe des Modells des Homo reciprocans sollen Motive für die Berücksichtigung ökologischer Knappheit in Entscheidungen von Wirtschaftssubjekten erklärt werden. Dem Konzept liegt die Annahme zugrunde, das Entscheidungen nicht perfekt sein müssen, sondern ausreichend (eingeschränkte Rationalität) um das Überleben zu sichern. Grundgedanke: Reziprozität kann Rationalisierungskriterium sein. Zwei mögliche Richtungen der Reziprozität: Negativ als Zwang (z. B. rechtliche Anforderungen), positiv als Geschenk. Weitere Motivation: Tausch und Gegenseitigkeit. (Quelle: http: / / wirtschaftslexikon.gabler.de/ Archiv/ 222078/ homo-reciprocans-v5.html) Def. 9: Kooperativs Spiel Kooperative Spiele im Bewegungs- und Sportbereich verwerfen das Konkurrenzprinzip und sind im Gegensatz zu Nullsummenspielen, wo der Gewinn der einen Partei den Verlust der anderen bedeutet, sogenannte Nicht-Nullsummen-Spiele. Weder Mannschaften noch Einzelspieler spielen gegeneinander, die Aufgaben des Spiels müssen im Zusammenwirken gelöst werden. <?page no="160"?> Definitionen von Begriffen 150 In kooperativen Sportspielen steht die Grundidee des Miteinander-Spielens und das Gemeinschaftsgefühl, das Kooperation und Vertrauen voraussetzt, im Vordergrund. Freude, Zufriedenheit, Aufregung und Gemeinsamkeit die dabei erlebt werden, gelten als Werte an sich. Es geht auch um ein „spielerisches Kräftemessen“, jedoch nicht um Konkurrenz, Sieg, Leistung und Vergleichbarkeit. Es gibt keine wirklichen Verlierer. Als Beispiele mag dienen, dass das Ziel der Spielgruppe sei, gemeinsam von einer Insel zu fliehen, dabei Hindernisse und Widrigkeiten überwinden muss. Dies kann allerdings nur durch Zusammenarbeit (Hilfestellungen, verteilte Aufgaben etc. ) zum Ziel führen, zumal wenn noch der Faktor Zeit eine Rolle spielt. Def. 10: Präferenzialistische Methodologie Der präferenzialistischen Methodologie geht es darum, Regeln für die rationale Präferenz fallibler Theorien anzugeben. Um die Frage zu klären, wann eine Theorie einer anderen, konkurrierenden Theorie überlegen und daher vorzuziehen ist, entwickelt Radnitzky Pre- und Post-Test-Kriterien. Ausgangspunkt jeder Theorienkonkurrenz sind n Theorien, die sich bei unterschiedlichen Ausgangsstellungen mit dem gleichen Problemkomplex beschäftigen (Überschneidung von Fragekomplexen). Ziel ist es festzustellen, welche Theorie der Wahrheit am nächsten kommt. (Quelle: http: / / www.luebbert.net/ uni/ methoden/ wt/ index.php) <?page no="161"?> 151 Literaturverzeichnis 1 / 1/ Mediation, FernUni Hagen, Verhandeln Teil 1, Fritjof Haft/ Christian Stiefel / 2/ Gehirn&Geist, Basiswissen I Psychologie / 3/ GeoWissen 2010, Nr. 45, Was will ich? / 4/ Spektrum der Wissenschaft Spezial, 1/ 12, Wie entscheiden wir? / 5/ Gehirn&Geist, Heft 5/ 2014 / 6/ Gehirn&Geist, Basiswissen, Das Gehirn - Aufbau und Funktion / 7/ Gehirn&Geist, Trainer Nr. 1/ 2005 / 8/ Entscheidungsverhalten landwirtschaftlicher Betriebsleiter bei Bioenergie-Investitionen - Erste Ergebnisse einer empirischen Untersuchung - Karol Granoszewski, Christian Reise, Achim Spiller, Oliver Mußhoff, Gefördert vom: Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung. Universität Göttingen, 37073 Göttingen, ISSN 1865-2697 / 9/ IPM-Broschüre (Download: www.ipm-profil.de) / 10/ Gier, Neuroökonomie, Janson Zweig, Hanser-Verlag / 11/ Besser mit Weiterbildung von Gerhard Etzel (Herausgeber), Campus Verlag, 2009 / 12/ Gehrin&Geist, Heft 1-2, 2009 / 13/ Gehirn&Geist, Methoden der Forschung, Nr. 1/ 2013 / 14/ Wie wir entscheiden, Johan Lehrer, Piper-Verlag, 2009 / 15/ Emotional Boosting, Hans-Georg Häusel, Haufe-Verlag, 2. Auflage / 16/ Wie Menschen ticken, Psychologie für Manager, Windmühlen Verlag, Hamburg, 2. Auflage / 17/ Sales Business, 3/ 2012, S. 18-20 / 18/ Buy*ology, Martin Lindstrom, Campus Verlag / 19/ Neuroökonomie, Birger. P. Priddat (Hrsg.), Metropolis-Verlag, 2007 1 ) Fachkenntnis und Extrovertiertheit reichten in der Vergangenheit aus, um erfolgreich zu sein. Doch es wird enger an der Verkaufsfront. Und es ist egal, was Sie verkaufen. Sie erhalten einen Auftrag immer von einem Menschen. Menschen reagieren nicht logisch, sondern psycho-logisch. Grund genug, sich mit dieser psychologischen Art auseinanderzusetzen. Die Literaturauswahl ist eher wissenschaftlich und soll unsere Trainings flankieren. <?page no="162"?> 152 Anhang Checklistenfragen Zusammenstellung der im Buch aufgeführten Checklistenfragen (in der im Buch aufgeführten Reihenfolge) Aus der Praxis für die Praxis - Checklistenfrage Kenne ich genau die Schnittmenge zwischen meinen Argumenten und den Kundenwünschen? Aus der Praxis für die Praxis - Checklistenfrage Argumentiere ich aus der Erfahrung oder habe ich relevante erfragte Informationen vom Interessenten/ Kunden? Aus der Praxis für die Praxis - Checklistenfragen Erfolg ist bekanntlich zu 90 Prozent gute Vorbereitung. Wie sieht Ihre Vorbereitung für ein Verkaufsgesprächs aus? Haben Sie ein genügendes Repertoire an Fragen, um das Gespräch in Richtung der Findung der Kauf- und Entscheidungsmotivation zu steuern, oder fragen Sie nur nach den technischen Spezifikationen und nach dem technischen Prozess? Welche Fragen könnten vom Gesprächspartner kommen? Sind Sie darauf vorbereitet, die Motivation hinter der Frage zu erfahren? Wie erhalten Sie die Gesprächsführung zurück, wenn der andere fragt und führt? Wie können Sie die notwendige Beziehung aufbauen, um den anderen zum Reden zu bringen? Aus der Praxis für die Praxis - Checklistenfrage Orientiere ich mein Gespräch am Entscheidungsverhalten des Gegenübers? Nutze ich meine Kommunikation, um das Entscheidungsverhalten des Gegenübers kennenzulernen? Aus der Praxis für die Praxis - Checklistenfrage Wie ist meine Wirkung im ersten Kontakt? Welche Fragen helfen mir zu erfahren, welche Lust mein Gegenüber mit dem Produkt/ der Dienstleistung/ der Lösung erleben will bzw. welche Unlust er vermeiden will? Aus der Praxis für die Praxis - Checklistenfrage Wie ist meine Haltung? Wie ist meine Sitzposition/ Sitzanordnung? Ist mein kommunikatives Verhalten auf Augenhöhe? <?page no="163"?> Anhang Checklistenfragen 153 Aus der Praxis für die Praxis - Checklistenfrage In welcher Phase des Verkaufsgesprächs bin ich und welche Informationen benötige/ bzw. welche Zielsetzung verfolge ich? Aus der Praxis für die Praxis - Checklistenfrage Ist meine Nutzenargumentation kundenorientiert? Befriedigt mein Nutzen die Entscheidungsmotive meines Gegenübers? Aus der Praxis für die Praxis - Checklistenfrage Nutze ich alle meine Wirkungsfaktoren (Körpersprache, Stimme und Inhalt)? Achte ich auf die beiden Hauptwirkungsfaktoren? Aus der Praxis für die Praxis - Checklistenfrage Habe ich die Persönlichkeit meines Gegenübers an seinem Verhalten - an seinen Wirkungsfaktoren - erkannt? Weiß ich, wie mein Gegenüber gerade „drauf“ ist? Ist meine Argumentation kundennutzen- und ggf. auch persönlichkeitsorientiert? Achte ich auf eine persönlichkeitsorientierte Wortwahl meinerseits? Aus der Praxis für die Praxis - Checklistenfrage Ist meine Kommunikation lösungsorientiert? Verwende ich kommunikative Werkzeuge zum Beziehungsaufbau? Aus der Praxis für die Praxis - Checklistenfrage Welches Verhalten lege ich an den Tag, um von meinem Gesprächspartner positiv, auf Augenhöhe und partnerschaftlich wahrgenommen zu werden? Habe ich konkrete Indizien erhalten/ erfragt/ beobachtet, um persönlichkeitsorientierte Präferenzen zu erkennen? Führe ich mein Gespräch in Richtung der Kauf- und Entscheidungsmotivation, um diese zu erfahren? Habe ich konkrete und nicht mehr interpretierbare Informationen über die Kauf- und Entscheidungsmotivation vom Gesprächspartner erhalten? Kenne ich die Anforderungen und Beweggründe meines Gesprächspartners als Summe der Kauf- und Entscheidungsmotivation? Zielt meine Argumentation in die Richtung, dass mein Produkt/ meine Dienstleistung/ meine Lösung einen Motivationsbeitrag bei meinem Gegenüber leistet? Wie sind meine Redeanteile in den jeweiligen Phasen des Verkaufsgesprächs? Kenne ich die Beweggründe für Fragen und Reaktionen meines Gegenübers? Konzentriere ich mich auf Gemeinsamkeiten? Verwende ich die Einwandvermeidungsstrategie nach dem Motto: Je besser die Bedarfsanalyse, um so geringer der Anteil der Einwände? Aus der Praxis für die Praxis - Checklistenfrage Kenne ich das Wertesystem meines Gegenübers? Welche persönliche Wertvorstellung hat mein Gegenüber? <?page no="164"?> Anhang Checklistenfragen 154 Aus der Praxis für die Praxis - Checklistenfrage Kenne ich die Entscheidungsbeteiligten und deren Kauf- und Entscheidungsmotivation? Was bewegt die Gesprächspartner zum aktuellen Thema: Betriebswirtschaftliche Kennzahlen und/ oder Produktivität und/ oder Externe Wahrnehmung und/ oder Gesundheitlicher Aspekt und/ oder Interne Reputation Was heißt das jeweils ganz konkret? In welchen Situationen gilt dieses? Welchen Beitrag bringt unser Produkt/ unsere Dienstleistung/ unsere Lösung zu den Themen der Gesprächspartner? Erkennt mein Gesprächspartner, wie unsere Argumente den gewünschten Erfolgsbeitrag leisten? Ab wann muss der Erfolg realisiert werden? Wer entscheidet hinsichtlich Budgeterhöhungen? Wie ist die Zeitschiene für Entscheidung/ Realisierung/ Erfolgsbeitrag? <?page no="165"?> Jörg Ro Erfo und Kom Tipps u 2., akt. A (expert ta ISBN 97 Zum Buc Das Buch Kommunik Kommunik Sprachmu Inhalt: Einige Erf Körper uns Die Landk zielorientie erfolgreich Die Intere Alle Mens munizieren einsteiger Der Auto Jörg Rose *1966, Kom Jörg Ros kommunik spezialisie osenber olgre d ziel mmu und Trick Aufl. 2014, aschenbüc 8-3-8169-3 ch: h vermittelt m kation im kationspsych ster. folgstipps zu s zeigt, was karte ist nicht erter - Dur her und zielo essenten: schen, die im n wollen. Be mit Kundenk or: enberger M.A mmunikation enberger is kation hat er ert. Jörg Rose rger, M.A eiche lorie unika ks für de 97 S., 2 cher, 86 - 3267-3 mit griffigen Berufsallta hologie und um Einstieg der Kopf de t das Gebiet rch Zielform rientierter Ko m berufliche esonders an kontakt. A. nstrainer und st Inhaber d r sich auf d enberger ist Be Tel: 0715 E-Mail: ex A. e entie ation en Alltag 24,80 €, 4 Karrieretip und praxisn g. Es in d gibt Ein - Erfolgsfak enkt: Erfolgre t: Erfolgsfilte ulierungen ommunikatio n Kontext g gesprochen Coach der Training die Themen Autor versch estellhotl 59 / 92 65-0 xpert@expe rte n 43,60 CHF pps) nahen Form formiert üb nblick in W ktoren in der eicher Einsa r in der Kom noch erfolg on gekonnt kom sind Berufs gsagentur re Präsentatio hiedener Fac line: 0 • Fax: -20 ertverlag.de mulierungen ber den Wirkung un r menschlich tz von Körpe mmunikation greicher kom mseden ist si on, Auftrittsc chbücher, die e Tipps und T neuesten nd Funktion hen Kommun ersprache in - Wer (richt mmunizieren lber. 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G anagement f he Zeitmanag Be Tel: 071 E-Mail: ex er agem 0 CHF anagement i lten und ko ich von per n, praktische sleben. e: n Einflussfak mente für die ps für den Um nfachheit - Von der Jah mentBoard - mus - Zeitpl che Umgang organisation mit Telefon u in sagen - rnehmen und Geschäftsfüh ür Fach- und gement und estellhot 159 / 92 65xpert@exp ment ist die Grund omplexe Pr rsönlichen V e Instrument ktoren für erf e effektive un mgang mit int Zeitanalyse hreszur Ta - Entwicklung ansysteme - g mit internen n und Inform und E-Mail - Besucher - d Organisati rer der IHKd Führungsk Arbeitstechn tline: 0 • Fax: -20 pertverlag.d dlage, um die rojekte erfol Verhaltenswe te und dere folgreiches Z nd effiziente ternen und e e, ag - n m- - - onen -Akademie M kräfte tätig. A niken spezial 0 de e vielfältigen lgreich abzu eisen und E n individuell Zeit- und Selb Zeitplanung externen Zeit München.We Als Trainer un lisiert. Aufgaben un uschließen. Einstellungen le Anwendu bstmanagem g vorgestellt träubern. esterham, ist nd Business nd Termine Zeit- und bestimmt. ng bei der ment. In Teil t. In Teil III seit vielen Coach hat <?page no="167"?> Dipl.-In So a Ihre Konku in der 9., neu b (Praxisw Zum Buc Wer sich brandaktu Sicherung Wettbewe Das Buch und Tools und gezie Inhalt: W forschung kurrenzüb Ihren Wet Fallbeis setzungen erfolgreich Sie sich a Sie erhalt vorgestell Checkliste Anhang f Konkurren Die Inter Das Buc Marketing F & E, Ko alte Hase Rezensio »das Buc Tools, mi gezielt ve Der Auto Peter Kair managem in leitende als 24.000 in namha Geschäfts ng. Peter analys Konk urrenzana Praxis bearb. 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Er ffentlichunge nar Center G tline: 0 • Fax: -20 pertverlag.d g 0 CHF 9-3138-6 will, brau Zur langfristig von relevan praxisgerech chaffen, ana mmer wichti en der Konku ewerbsinform tung und Prä tbewerbsana bauen W tegien umse en auf dem P ür Ihre Praxi ele zeigen I Gelernte sof s sowie ein us eb, nd isgerechte M fen, analysie rete Hilfen un Erfurter H en für die Ko aftswissensc g und Vertrie r trainiert und en. Peter Ka GmbH. www. 0 de ucht gen ten hte Methoden lysieren, wir ger wird S urrenzanalys mationen gew äsentation vo alyse Org ie Sie Konk etzen Benc rüfstand is. Alle notw Ihnen, "wie fort in die P en "Check", Methoden, ne ren, wirkung nd Anleitunge efte zum an onkurrenzana chaften. 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Zudem wieder die M ntwickeln. cher Sicht - Gesprächen - Die Gesp ewandt werd en) - Aktives Auswertung d Entscheidu onsfähigkeit passives Zuh cheid wissen nst des aktiv s Verständni rden, die ihre erten Einblic llem: es ist p örverhalten ü r Freunde, Ko n bessere Ge er Lebensnä estellhot 159 / 92 65xpert@exp esprä Zuhö €, 43,60 C eben besser der Redefäh m aktiven Zu unikationsps ass das geko m erhält der Möglichkeit, - Die vier E - Die typis prächsfördere den? - ICH s Zuhören im ungen treffen t verbessern hören erfah n, sondern au ven Zuhören is zu überprü re Kommunik ck in das, wa praxisnah ge überprüfen u ollegen und A espräche füh ähe des Them tline: 0 • Fax: -20 pertverlag.d äche ren CHF re Gespräch higkeit gibt e uhören an. E ychologie un onnte Zuhöre Leser anhan seine Zuhö Ebenen der schen Gesp er (Was ma H-Botschaften m n n hren will, üb uch konkrete ns wird nicht üfen und zu kation beruflic as kommunik eschrieben. 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