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Mitarbeiterführung erfolgreich und praxisorientiert

Changemanagement – Führungsinstrumente – Betriebliche Gesundheitsförderung

0503
2018
978-3-8169-8388-0
978-3-8169-3388-5
expert verlag 
Dieter Brendt
Jürgen Amberg

In dem Maße wie Anforderungen an Unternehmen und Mitarbeiter stetig wachsen wird der Wettbewerbsfaktor Personal immer entscheidender. Gefragt sind effektive Mittel und effiziente Wege zur erfolgreichen Gestaltung von Veränderungsprozessen und zur Optimierung des Führungshandelns. Anhand von Praxisbeispielen aus sozialer Betreuung und Pflege bietet das Buch Inhabern und Personalverantwortlichen kleiner und mittlerer Unternehmen aller Branchen wertvolle Denkanstöße und sofort umsetzbare Möglichkeiten, wie sich Instrumente und Konzepte zur Mitarbeiterführung maßgeschneidert und kostengünstig entwickeln und nachhaltig umsetzen lassen, um Mitarbeiter dauerhaft und wirksam zu unterstützen, sowie systematisch zu fördern. Es wird aufgezeigt, wie durch interne und externe Begleitung Führungskräfte unterstützt werden können, erfolgreich, systematisch und flexibel die implementierten Mittel anzuwenden und Teamressourcen gewinnbringend zu nutzen und auszubauen. Zudem wird Gesundheitsförderung als besondere Führungsaufgabe und Bestandteil einer fürsorglichen Führungskultur fokussiert.

<?page no="1"?> Dieter Brendt · Jürgen Amberg Mitarbeiterführung erfolgreich und praxisorientiert Changemanagement - Führungsinstrumente - Betriebliche Gesundheitsförderung <?page no="3"?> Dipl.-Psych. Dieter Brendt Dipl.-Soz.päd. Jürgen Amberg Mitarbeiterführung erfolgreich und praxisorientiert Changemanagement - Führungsinstrumente - Betriebliche Gesundheitsförderung <?page no="4"?> Bei der Erstellung des Buches wurde mit großer Sorgfalt vorgegangen; trotzdem lassen sich Fehler nie vollständig ausschließen. Verlag und Autoren können für fehlerhafte Angaben und deren Folgen weder eine juristische Verantwortung noch irgendeine Haftung übernehmen. Für Verbesserungsvorschläge und Hinweise auf Fehler sind Verlag und Autoren dankbar. © 2018 by expert verlag, Wankelstr. 13, D -71272 Renningen Tel.: + 49 (0) 71 59 - 92 65 - 0, Fax: + 49 (0) 71 59 - 92 65 - 20 E-Mail: expert@expertverlag.de, Internet: www.expertverlag.de Alle Rechte vorbehalten Printed in Germany © Covermotiv: Dieter Brendt Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. ISBN 978-3-8169-3388-5 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / www.dnb.de abrufbar. Bibliographic Information published by Die Deutsche Bibliothek Die Deutsche Bibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data are available on the internet at http: / / www.dnb.de <?page no="5"?> Vorwort der Autoren Die Daten und Beispiele in diesem Band stammen aus der Arbeit der Autoren als Coaches. Bei der Veröffentlichung von Zahlen und Daten ist stets darauf geachtet worden, unsere Verpflichtung, betriebliche Interna zu schützen, strikt einzuhalten. Soweit hier Beispiele von Einzelpersonen genannt werden, sehen wir uns in der Pflicht, deren Persönlichkeitsrechte durch diese Veröffentlichung nicht zu verletzen. Daher sind alle Beispiele in diesem Buch so verändert worden, dass Ähnlichkeiten mit lebenden Personen rein zufällig wären. Der vorliegende Band ist in Dialogform aufgebaut, d.h. ein virtueller Teilnehmer steht in den Kapiteln 1 und 2 im Dialog mit einem internen, in den Kapiteln 3 und 4 mit einem externen Coach und stellt diesen durch seine Fragen vor immer wieder neue Herausforderungen. Leserinnen und Leser sollen damit einen Einblick in die zahlreichen Gespräche, die die beiden Autoren mit Mitarbeitern und Vorgesetzten zum Thema führten, erhalten und gewinnen beim Lesen den Eindruck unter den Diskutierenden mit dabei zu sein. Durch dieses aktivierende Element wird dem Leser der Einstieg in die Thematik besonders leicht gemacht und der abstrakt-theoretische Hintergrund wird beinahe spielerisch vermittelt. Die Leserinnen und Leser möchten es den Autoren nachsehen, dass die männliche Form (z.B.: „Der Teilnehmer“) in diesem Band gewählt wurde. Es erschien stilistisch vorteilhafter und erleichtert das Lesen. Natürlich sollen sich Leserinnen und Leser gleichermaßen von den Beispielen angesprochen fühlen, um ihren Umgang mit Zeit, Ziel und Ressourcen bewusster und effizienter zu gestalten. An dieser Stelle möchten wir nicht versäumen, uns bei unseren Auftraggebern und Kunden, den Teilnehmern an unseren Workshops, Seminaren und Coachings zu bedanken, die uns durch ihre Fragen, Beiträge und ihr persönliches Beispiel wichtige Hinweise und Anregungen zu diesem Buch gegeben haben. Wir bedanken uns besonders bei den Mitarbeitern des expert-Verlags für die redaktionelle Unterstützung. Aachen, April 2018 Dieter Brendt und Jürgen Amberg <?page no="6"?> Inhaltsverzeichnis Wegweiser durch das Buch ………………………………..…..... 1 1 Changemanagement im praktischen Alltag ................................ 5 1.1 Einführung (Changemanagement, Rahmenbedingungen)................ 6 2 Changemanagement am Beispiel einer Betreuungsorganisation im psychiatrischen Handlungsfeld ... 11 2.1 Ausgangslage .................................................................................. 11 2.2 Führungsinstrumente im Praxiseinsatz ........................................... 17 2.2.1 Teamaufstellung ………………………………………...……….. 18 2.2.2 Team-Klima-Index ……………………………………..….…….. 19 2.2.3 Assessment zur Auswahl von Führungskräften …………...……. 20 2.2.4 Jahresmitarbeitergespräch ………………………………....…….. 31 2.2.5 Besprechungswesen ……………………………………....……... 38 2.2.6 Teamsupervision …………........………………………...….…… 40 2.2.7 Fallsupervision …………………………………………...….…... 41 2.2.8 Teamcoaching …………………………………………...….…… 42 2.2.9 Ein Blick in die Zukunft ………………………………...……… 45 3 Unterstützung und Begleitung von Führungskräften .............. 47 3.1 Mitarbeiterbefragungen zur Beschreibung der Organisationskultur.................................................................. 48 3.2 Unternehmensleitbilder und Führungsgrundsätze als Orientierungsrahmen für berufliches Handeln .............................. 60 3.3 Prozessbegleitung von Fach- und Führungskräften mittels Moderation und Coaching............................................................. 74 3.4 Kooperative Konfliktbewältigung ................................................. 92 4 Gesundheitsorientiertes Führen ................................................. 99 4.1 Stress-Erscheinungsformen.......................................................... 100 4.2 Stressbewältigung ........................................................................ 110 4.3 Burnout......................................................................................... 119 4.4 Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen ....................... 124 5 Literaturliste............................................................................... 133 6 Abbildungsverzeichnis............................................................... 135 7 Autorenkurzprofil...................................................................... 136 <?page no="7"?> 1 Wegweiser durch das Buch In Teil 1 erörtert Dipl. Soz. Päd. Amberg aus Sicht eines langjährigen Bereichsleiters und internen Coaches stellvertretend für Branchen jeglicher Art zunächst die Notwendigkeit von Change-Management in der Gesundheits- und Sozialbranche. Er beschreibt die zentrale Herausforderung an Mitarbeiter und Führungskräfte in Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens. Er stellt die einem Veränderungsprozess zugrunde liegenden Determinanten aus verschiedenen gesellschaftlichen Zusammenhängen dar. So verlangt der Leitsatz ´Ambulant vor stationär´ beispielsweise immer neue Strategien in der Organisations- und Personalentwicklung eines jeden Unternehmens. Letztlich liegt der Fokus dabei stets auf der Sicherung von adäquaten Mitarbeiterfähigkeiten und deren zielorientierter Nutzung, planvoller Steuerung und zukunftsorientierter Weiterentwicklung. Aus unternehmerischer Sicht geht der Autor auf die Herausforderung Wettbewerbsfähigkeit der Gesundheits- und Sozialbranche ein und beschreibt die Position der Unternehmen im Spannungsfeld des ´Sozialrechtlichen Dreiecks´. Dabei steht die Steigerung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit im Blickwinkel des Betrachters, da sie die Logik der neuen Betreuungskonditionen mit besserer Inklusions- und Integrationsfähigkeit und differenzierter Leistungsorientierung der Mitarbeiter und einer verbesserten ´Customer-Relation-Strategie´ verbindet. Im Teil 2 wird die Entwicklung eines tiefgreifenden Veränderungsprozesses im Sinne einer De-Institutionalisierung hin zu einem personenzentrierten und bedürfnisgerechten Dienstleisters aus Sicht eines Mitgestalters dargestellt. Die dabei gemachten Erfahrungen des Autors sowie die entwickelten Strategien und Instrumente für Führungskräfte werden in diesem Kapitel beschrieben, wobei beispielhaft der über viele Jahre durchgeführte Dezentralisierungsprozess einer zentralen Wohneinrichtung für Menschen mit psychiatrischen Behinderungen in Richtung eines modernen, sozialraumorientierten Unternehmens in der psychiatrischen Versorgungslandschaft erörtert wird. Neben den beschriebenen Struktur- und Organisationsveränderungen innerhalb des Unternehmens geht dieses Kapitel insbesondere auf Instrumente zur Entwicklung von kompetenten und belastbaren Führungskräften ein. Mit Beispielen <?page no="8"?> Wegweiser durch das Buch 2 aus der alltäglichen Praxis wird der Einsatz dieser Instrumente anschaulich beschrieben und reflektiert. Im Teil 3 erörtert Dipl.-Psych. Dieter Brendt aus der Perspektive eines externen Coachs, Trainers und Beraters wie sich durch die Implementierung von Unternehmensleitbildern und Führungsgrundsätzen tragfähige Voraussetzungen für eine von allen Beteiligten geteilte Organisationskultur schaffen lassen. Er greift dabei auf Erfahrungen mit bewährten Methoden und Verfahren in unterschiedlichen Branchen zurück und eröffnet so den Blick über den Tellerrand hinaus. Zudem wird aufgezeigt, wie sich mit Moderationstechniken und Coaching Probleme und Themen des alltäglichen betrieblichen Geschehens kreativ lösen lassen. Teil 4 ist dem Thema „gesundheitsorientiertes Führen“ gewidmet, welches im durch wachsende Anforderungen geprägten, anhaltenden Transformationsprozess, dem sich heute Unternehmen aller Branchen stellen müssen, zunehmend an Bedeutung gewinnt. Schließlich lassen sich zunehmende Leistungsansprüche nur mit motivierten und gesunden Mitarbeiter bewältigen. Es ist inzwischen fast schon eine Binsenwahrheit: Wer Leistung fordert, muss Gesundheit fördern! Dass dem Verhalten von Führungskräften dabei eine Schlüsselrolle zukommt, hat sich dem Autor einmal mehr gezeigt, als er kürzlich im Rahmen eines Workshops zum betrieblichen Gesundheitsmanagement mit dem Fragebogen „Health oriented Leadership (HoL)“ ein Instrument zur Erfassung gesundheitsförderlicher Führung eingesetzt hat. Dem Manual folgend, lassen sich drei Komponenten unterscheiden: „1. Mit der Komponente ‚Wichtigkeit‘ ist die Bedeutung bzw. der Stellenwert gemeint, der dem Thema Gesundheit beigemessen wird. 2. Mit der Komponente ‚Achtsamkeit‘ bzw. Bewusstsein wird die bewusste Aufmerksamkeit bzw. Achtsamkeit für gesundheitliche Probleme und Risiken erfasst. 3. Die Komponente ‚Verhalten‘ zielt auf konkrete Maßnahmen und Verhaltensweisen, mit denen gesundheitliche Risiken am Arbeitsplatz reduziert und Ressourcen gefördert werden. Als besonderes Merkmal dieses Verfahrens wird gesundheitsförderliche Führung, nicht nur in Bezug auf die Arbeitssituation und das Verhalten der Mitarbeiter (StaffCare), sondern auch mit Blick auf den Umgang der Führungskräfte und Mitarbeiter mit der eigenen Gesundheit erfasst (SelfCare).“ Die Fragebogen-Sets wurden von zwei Führungskräften (FK1 und FK2) eines Geschäftsbereichs und deren direkt unterstellten Mitarbeitenden ausgefüllt. Im <?page no="9"?> Wegweiser durch das Buch 3 Hinblick auf die gesundheitsförderliche Mitarbeiterführung (StaffCare) zeigte sich für beide Vorgesetzten wenig überraschend, dass ihre Mitarbeitenden ihnen bescheinigten, der Gesundheit ihrer jeweiligen Mitarbeitenden (MA1 zu FK1 und MA2 zu FK2) einen geringen Stellenwert beizumessen (Wichtigkeit), weniger bewusst Anzeichen und Bedingungen wahrzunehmen, die den Gesundheitszustand und das Stresserleben beeinflussen (Achtsamkeit) und ein geringeres Maß an persönlicher Aktivität in Bezug auf gesundheitsrelevante Handlungen und Verhaltensweisen zu unternehmen (Verhalten: persönlicher Lebensstil und Gesundheitsverhalten bei der Arbeit) als sie (die Führungskräfte) selbst dies von sich glaubten (vgl. das Säulendiagramm in Abb. A). Abb. A: Profilausschnitt Vergleich Führungskräfte/ Mitarbeiter (StaffCare) 0 1 2 3 4 5 Achtsamkeit Wichtigkeit Lebensstil Gesundheitsverhalten FK1 MA1 FK2 MA2 Bei beiden Vorgesetzten wurde ein nachhaltiger Denkanstoß insofern durch das Ergebnis im Hinblick auf die gesundheitsförderliche Selbstführung (SelfCare) ausgelöst, als sich hier verdeutlichte, wie sehr das eigene Verhalten sich auf das Gesundheitsverhalten auswirkt (vgl. das Säulendiagramm in Abb. B. auf der Folgeseite). So fanden sich bei der Führungskraft FK1 mit den geringeren Werten im Vergleich zur Führungskraft FK2 auch geringere Ausprägungen bei den ihr zugeordneten Mitarbeitenden MA1. Das Ergebnis unterstreicht somit Schlussfolgerungen aus zahlreichen Studien, die belegen, dass jemand, der sich selbst gut führt, auch andere besser führen kann. Die beiden Vorgesetzten entschlossen sich zu einem Coaching, um für sich Möglichkeiten zu erschließen, sich selbst besser führen zu können, um durch ihr Vorbildverhalten ihre Mitarbeiter anzuregen, sich gesundheitsförderlich zu verhalten. Die Inhalte dieses Coachings werden im vierten Kapitel unseres Buches vorgestellt. <?page no="10"?> Wegweiser durch das Buch 4 Abb. B: Profilausschnitt Vergleich Führungskräfte/ Mitarbeiter (SelfCare) 0 1 2 3 4 5 Achtsamkeit Wichtigkeit Lebensstil Gesundheitsverhalten FK1 MA1 FK2 MA2 Es werden vor allem wesentliche Aspekte zum eigenen Stressmanagement erörtert. Auf einführende Erörterungen zum Wesen von Stress, seinen Gründen und Erscheinungsformen folgen Anregungen zur wirksamen Stressbewältigung und zur Burnoutprophylaxe. Mit der Darstellung einer Vorgehensweise zur „Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen im Betrieb“ wird zudem aufgezeigt, wie sich Stressfaktoren im betrieblichen Alltag systematisch reduzieren lassen. <?page no="11"?> 5 1 Changemanagement im praktischen Alltag Der praktische Alltag in Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens ist geprägt von einem kontinuierlichen Veränderungsprozess. Die folgenden Praxisbeschreibungen basieren auf Erfahrungen des Autors aus einem mehr als fünfundzwanzigjährigen Wandlungsprozess einer psychiatrischen Einrichtung im Gesundheits- und Sozialwesen. Teilnehmer: „Wer initiiert diese Veränderungsprozesse, und wer trägt die Verantwortung für das Gelingen? “ Interner Coach: „Veränderungen begleiten unser Leben und prägen unser Handeln. Unternehmen und die Menschen, die diese Unternehmen bilden, befinden sich in einem stetigen Wandel. Sozialpolitische Entwicklungen, rechtliche Rahmenbedingungen, veränderte gesellschaftliche Konventionen wie auch ein größeres Bedürfnis nach Work-Life Balance bei Arbeitnehmern prägten zu allen Zeiten diesen Prozess. Die Herausforderungen totalitärer Regimes im 20. Jahrhundert, in stärkster Ausprägung im Faschismus erlebt, führten zwischen 1920 und 1950 in den westlichen Demokratien die wohlfahrtsstaatliche Ordnung herbei, an der sich bis zum heutigen Tag Veränderungsprozesse orientieren. Mit der im Jahr 2006 durch die UN beschlossenen und von aktuell 167 (Stand 20.04.2017) Nationen unterzeichneten „Übereinkunft über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ entwickelt sich das Wohlfahrtssystem von einem fürsorglich orientierten Handlungsansatz zu einem von hoher Selbstbestimmung (Empowerment) geprägten sozialen Dienstleistungssystem in Deutschland. Diese Strategie hat zum Ziel, Menschen mit Behinderung in den Bereichen zu fördern, die den Grad an Autonomie und Selbstbestimmung im Leben von Menschen oder Gemeinschaften erhöhen. Ferner soll sie diesen Menschen mehr Möglichkeiten eröffnen, ihre Interessen (wieder) eigenmächtig, selbstverantwortlich und autonom zu vertreten. Wie man damit umgeht und ob Veränderung positiv genutzt wird, um erfolgreich zu werden, ist so Aufgabe jedes Einzelnen. Der Begriff Changemanagement hat sich in den letzten Jahren für die gezielte Durchführung von Veränderungen etabliert. Veränderung bedeutet dabei immer, etwas Bestehendes aufzugeben (Ausgangszustand) und einen anderen Zustand (Zielzustand) zu erreichen. Dies ist nicht immer leicht, und es ist nicht immer leicht herauszufinden, wie man auf eine Veränderung reagieren kann. <?page no="12"?> 1 Changemanagement im praktischen Alltag 6 Hauptsächlich geht es darum, die Veränderung einzusetzen, um den größtmöglichen Mehrwert für das Unternehmen daraus zu erzielen und die Veränderung im Sinne der Unternehmensstrategie als Instrument einzusetzen. Dabei ist die wesentliche Aufgabe von Change Management, gezielt und aktiv, strategisch wohlüberlegt und wirkungsvoll in die Anpassungsprozesse einzugreifen. In gelungenen Prozessen werden die Einzelschritte strategisch sinnvoll geplant, gesteuert, kontrolliert und stabilisiert. Es findet eine strategische Ausrichtung unter Anwendung verschiedener Methoden, Konzepte und Instrumente statt.“ 1.1 Einführung (Changemanagement, Rahmenbedingungen) “Nichts ist so beständig wie der Wandel.” Dieses Zitat des Heraklit von Ephesus (etwa 540 - 480 v. Chr.) beschreibt die zentrale Herausforderung an Mitarbeiter und Führungskräfte in einer Einrichtung. Anstehende Veränderungen lassen sich im Spannungsfeld steigender Erwartungen an eine qualitative Leistungserbringung und eine durch Einsparungen geprägte Aufgabenerfüllung jedoch nur mit ganzheitlichen Ansätzen bewältigen. Die Organisationsentwicklung muss daher sowohl die Aufbauals auch die Ablauforganisation sowie qualitative und quantitative personelle Besetzungen berücksichtigen. Letztlich liegt der Fokus dabei immer auf der Sicherung von adäquaten Mitarbeiterfähigkeiten und deren zielorientierten Nutzung, planvollen Steuerung und zukunftsorientierten Weiterentwicklung. Teilnehmer: „Anhand welcher Kriterien erkennt man Veränderungsbedarfe? “ Interner Coach: „Die politische Diskussion um das Thema Inklusion, Selbstbestimmung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben von Menschen mit Behinderung führt zunehmend zu einem gesellschaftlichen Diskurs um die Frage, wie Menschen mit und ohne Behinderung zusammenleben wollen und sollen. Darüber bilden gesetzliche Vorgaben wie zum Beispiel die UN- Behindertenrechtskonvention (UN-Charta, 2006), die neuen Pflegestärkungsgesetze I - III (PSG I-III) sowie das seit dem 01. Januar 2017 geltende Bundesteilhabegesetz (BTHG) die Grundlagen zur Erbringung von Betreuungs- und Pflegeleistungen in den Einrichtungen der Behindertenhilfe.“ Teilnehmer: „Wie sieht das im konkreten praktischen Alltag aus, gibt es dann keine Wohnheime mehr? “ <?page no="13"?> 1.1 Einführung (Changemanagement, Rahmenbedingungen) 7 Interner Coach: „Im alltäglichen Umgang mit pflegbedürftigen und/ oder Menschen mit Behinderungen wird dies besonders deutlich. Die neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen fördern für diese Zielgruppe den Wunsch nach individueller Lebensplanung und einem möglichst selbstbestimmten Leben. Unter diesem Gesichtspunkt fördern die Kostenträger wie z. B. örtliche und überörtliche Sozialhilfeträger, Pflegekassen und Integrationsämter systematisch ambulante Betreuungs- und Angebotsstrukturen (Persönliches Budget, Budget für Arbeit) für Menschen mit Behinderung. Dementsprechend leben zunehmend mehr Menschen mit Behinderung nicht mehr in stationären Wohneinrichtungen (Wohnheimen), sondern inkludiert in „normalen“ Wohnungen, auf Basis eines Mietvertrags, in der Gemeinde. Die Betreuungsleistung ist zukünftig abgekoppelt von den existenzsichernden Leistungen der Lebenswelten Wohnen und Lebensunterhalt, die notwendigen Leistungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben werden über ambulante Betreuungsangebote bedarfsorientiert gewährt.“ Abb. 1: Entwicklung der wohnbezogenen Hilfen bei erwachsenen Leistungsberechtigten zum jeweiligen Stichtag 31.12., LVR Vorlage-Nr. 14/ 1924 Sozialausschuss Teilnehmer: „Welche Auswirkungen hat das für Menschen mit Behinderung? “ Interner Coach: „Inklusive Lebensformen gelten grundsätzlich für alle Menschen eines Gemeinwesens. Ein besonderer Fokus liegt aber auf der Gruppe von Menschen, die behinderungs- oder altersbedingt auf Unterstützungsleistungen angewiesen sind. So wollen beispielsweise ältere Menschen oft ihren Lebens- <?page no="14"?> 1 Changemanagement im praktischen Alltag 8 abend in der vertrauten Umgebung der eigenen Wohnung, in ihrem vertrauten Viertel verbringen und nicht in einem Altenheim. Für Menschen mit Behinderung, die aus der Geschichte einer Anstaltstradition heraus häufig in stationären Wohnheimen leben, wird dies besonders deutlich. Traditionell wurden für Menschen mit Behinderungen spezielle Einrichtungen geschaffen, in denen sie leben oder arbeiten. Dies führt unter anderem dazu, dass Menschen mit Behinderung im allgemeinen Arbeits- und Wohnalltag selten vorkommen. Und so werden Menschen mit Behinderung auf der Straße oft noch befremdlich angeschaut, weil ihr Anblick unvertraut ist und man nicht so recht weiß, wie man mit ihnen reden soll. So vermeiden Menschen den Umgang mit behinderten Menschen oftmals gar nicht aus Ablehnung, sondern aus dem Gefühl der Unwissenheit und Unsicherheit heraus. Zu unserer Gesellschaft gehören Menschen mit Behinderung einfach nicht dazu. Auf diese Weise sinkt ihre Chance, die vorhandenen geistigen oder körperlichen Fähigkeiten auszubauen. Unter diesen Rahmenbedingungen arbeiteten soziale Einrichtungen mit langer Tradition nach einem fürsorglichen Betreuungsauftrag und einer eher nach innen gerichteten Unternehmensphilosophie. Bundesweit lebten nach Angabe der ´Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (Gesamtstatistik 2012)´ im Jahr 2012 insgesamt mehr als 500.000 Menschen mit Behinderung in stationären Wohneinrichtungen.“ Teilnehmer: „Welche Auswirkungen haben diese Veränderungen für Betreuungseinrichtungen? “ Interner Coach: „In NRW leben aktuell noch mehr als 40.000 Menschen mit Behinderung in stationären Wohneinrichtung. Diese Zahl konnte bis heute durch entsprechende Ambulantisierungsmaßnahmen auf dem Niveau des Jahres 2004 gehalten werden. Im Gegensatz dazu entwickelt sich die Zahl der Menschen mit Behinderung, die ambulante Betreuungsleistungen in Anspruch nehmen, deutlich nach oben. Erhielten im Jahr 2004 ca. 15.000 Leistungsberechtigte in NRW ambulante Hilfen, sind es im Jahr 2015 bereits mehr als 61.000 Hilfeempfänger (Bericht an das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein- Westfalen, Vorlage 16/ 4260). Durch die veränderte Form der Betreuungsleistungen liegen die Anforderungen an Betreuungseinrichtungen darin, neue professionelle Betreuungssettings ´ambulant vor stationär´ zu entwickeln und umzusetzen. Dies erfordert grundle- <?page no="15"?> 1.1 Einführung (Changemanagement, Rahmenbedingungen) 9 gende Veränderungsprozesse in der Organisations- und Personalentwicklung der in diesen Geschäftsfeldern tätigen Unternehmen.“ Teilnehmer: „Wie kann ich mir das konkret vorstellen? “ Interner Coach: „Um diesen Veränderungen gerecht zu werden, muss sich eine Organisation in Struktur, Strategie, Konzeption, Methodik, Konzeption und fachlicher Haltung verändern. In einem solchen Fall sprechen wir von einem Paradigmenwechsel mit sehr hohen Anforderungen an die Veränderungsbereitschaft einer Organisation. Die eher dem fürsorglichen Betreuungssystem zugeordneten Groß- und Komplexeinrichtungen traditioneller Prägung versorgten Menschen mit Behinderung in zentralen Wohneinrichtungen mit teils mehr als 500 stationären Wohnplätzen. Die Einrichtungen lagen überwiegend außerhalb von Städten und Gemeinden, wodurch der ausgrenzende Charakter auch äußerlich sichtbar wurde. Abgeschottet durch Lage und geringe Außenaktivitäten lebten viele Menschen mit Behinderung exkludiert in den Strukturen einer ´Totalen Institution´ (vergl. Goffman, Erving, Asylums, 1961 sowie Fengler, Christa und Fengler, Thomas, Alltag in der Anstalt, 1980). Erst in den 70er Jahren des 20sten Jahrhunderts initiierte die Politik durch die Psychiatrie-Enquete (sozial-liberale Bundesregierung unter Willy Brandt 1974) einen Reformprozess, dessen Auswirkungen bis zum heutigen Tag anhalten.“ Teilnehmer: „Wie reagierten die Träger auf den Veränderungsbedarf? “ Interner Coach: „Sehr unterschiedlich, viele Träger sahen keinen direkten Handlungsbedarf, einige Träger, insbesondere im Rheinland, wurden durch Initiativen und Anreizprogramme des überörtlichen Sozialhilfeträgers und verschiedener Stiftungen (z. B. Stiftung Wohlfahrtspflege, Aktion Mensch) aktiv. Voraussetzung für einen Veränderungsprozess war in allen Fällen die Entscheidung des Trägers, alte Strukturen zugunsten einer Neupositionierung aufzulösen.“ Teilnehmer: „Man sagt ja, der ´Fisch stinkt vom Kopf her´. Ist das tatsächlich so? “ Interner Coach: „Ja schon, wie bei allen anstehenden Veränderungen treten Ängste, Ungewissheiten und Unsicherheiten bei den Verantwortlichen auf, und die Abwägung aller Risiken und Chancen muss dann zu einer Grundsatzentscheidung führen. Auf dieser Basis kann der Trägerverantwortliche entspre- <?page no="16"?> 1 Changemanagement im praktischen Alltag 10 chende Zielvorgaben und Visionen an die Mitarbeiter seiner Organisation weitergeben und klare Handlungs- und Zielvorgaben formulieren. Insbesondere Führungskräfte, die diesen Veränderungsprozess verantwortlich initiieren, gestalten und begleiten sollen, benötigen klare, fest vereinbarte Zielvorgaben. In Kapitel 3 beschreibt Brendt die dazu einsetzbaren Instrumente Leitbild, Führungsleitlinien und Mitarbeiterbefragung. Führungskräfte müssen in der Lage sein, differenzierte Lösungsstrategien gemeinsam mit den ihnen anvertrauten Mitarbeitern umzusetzen. Nicht immer sind den verantwortlich tätigen Führungskräften diese Ausmaße bewusst. So schrieb der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker anlässlich einer Ansprache bei der Eröffnungsveranstaltung der Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte im Jahr 1993: ´Humanes Zusammenleben, Integration, braucht zuerst und vor allem Raum in den Köpfen und Herzen der Menschen. Man kann das nicht einfach delegieren an Architekten und Städteplaner, an Kindergärtner und Schulleiter. Bauherren können nur den Rahmen für das Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderung schaffen. Wie wir uns dann tatsächlich begegnen, das hängt allein davon ab, ob wir zum Beispiel den Rollstuhlfahrer nach der Uhrzeit fragen statt seinen Betreuer oder ob wir den dreißigjährigen Spastiker mit ´Sie´ statt mit ´Du´ anreden, ob wir ihm den Weg erklären oder ob wir das nur seinem Begleiter gegenüber tun. Was wir zu lernen haben, ist so schwer und doch so einfach und klar: Es ist normal, verschieden zu sein.´ Die entscheidende Herausforderung ist zukünftig die Wettbewerbsfähigkeit der Betreuungsorganisationen im veränderten sozialrechtlichen Dreieck. Diese neue Situation kann nicht durch die rechtliche und sozialpolitische Debatte beantwortet werden, da jene lediglich die Ausgabenseite tangiert. Es bedarf in erster Linie der Steigerung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit, die die Logik der neuen Betreuungskonditionen mit besserer Inklusions- und Integrationsfähigkeit und differenzierter Leistungsorientierung der Mitarbeiter und einer verbesserten ´Customer-Relation-Strategie´ verbindet.“ <?page no="17"?> 11 2 Change-Management am Beispiel einer Betreuungsorganisation im psychiatrischen Handlungsfeld Im folgenden Kapitel beschreibt der Autor rückblickend den Beginn eines Change-Managmentprozesses in den frühen 90er Jahren des letzten Jahrhunderts. Auslöser dieses Prozesses waren die durchaus erschütternden Ergebnisse der 1974 von der damaligen sozialliberalen Bundesregierung iniziierten Psychiatrie-Enquete. Die beschriebene psychiatrische Einrichtung versorgte insgesamt mehr als 200 Menschen mit psychischer und/ oder geistiger Behinderung in den Strukturen einer zentral organisierten Anstalt in einer rheinländischen Großstadt. Die Lebensbedingungen der betroffenen Menschen waren geprägt von einer fürsorglichen Verwahrung innerhalb der nach außen fast geschlossenen Einrichtung. Mit zunehmender gesellschaftlicher Diskussion um die Zustände in der deutschen Psychiatrie wuchs gleichzeitig auch der Druck auf den Träger, seine bisherige Versorgungsstruktur kritisch zu überprüfen und notwendige Veränderungen einzuleiten. 2.1 Ausgangslage Die in langer Tradition tätige gemeinnützige Einrichtung betreute bis in die 90er Jahre Menschen mit psychischer und geistiger Behinderung in einer Zentraleinrichtung im Zentrum einer Großstadt. Das Wohnangebot umfasste insgesamt 260 stationäre Plätze auf mehreren Stationen der Zentraleinrichtung. Trotz der zentralen innerstädtischen Lage verblieben die Bewohner der Einrichtung ausschließlich auf dem zum Haus gehörenden Gelände mit einer kleinen Parkanlage. Das alltägliche Leben war überwiegend geprägt durch den Rhythmus fester Essens- und Versorgungszeiten auf den Wohnstationen. Die Mahlzeiten wurden von der zentralen Küche der Einrichtung zubereitet und auf den Stationen durch Mitarbeiter verteilt. Die Zeiträume zwischen den Mahlzeiten verbrachten die sogenannten „Langzeitpatienten“ auf den Stationen oder auf dem hauseigenen Gelände. Beschäftigung und/ oder Animation war nicht Bestandteil des Versorgungsauftrags, lediglich individuelle Aufgaben wurden von den Betreuern an die Betreuten vergeben. Eigenes Geld, eigene Kleidung und individuelle Gestaltung <?page no="18"?> 2 Change-Management am Beispiel einer Betreuungsorganisation im psychiatrischen Handlungsfeld 12 der Lebensräume der Betreuten gab es nicht. Die Zimmer der Stationen waren aufgeteilt in Bettensäle, in denen vier bis acht Betten aufgestellt waren. Sanitäreinrichtungen gab es nur als zentrale Sammelduschen auf den Stationen Die Betten waren lediglich mit einer spanischen Wand voneinander getrennt. Eine individuelle Lebensführung oder Teilhabe am gesellschaftlichen Leben war unter diesen Umständen nicht möglich Teilnehmer: „Wie wurden diese Menschen in jener Zeit betreut? “ Interner Coach: „Seit Anfang der 50er Jahre, also kurz nach Ende des zweiten Weltkrieges, lebten diese Menschen in den Strukturen einer Anstaltsorganisation und nach den Regeln eines Krankenhauses. Das heißt, es gab einen Chefarzt, vereinzelte Stationsärzte sowie Pflegekräfte und Hilfskräfte in der direkten Versorgung der Langzeitpatienten. Der Tagesablauf begann mit dem morgendlichen Wecken, Medikamentenvergabe, Körperpflege und dem Frühstück. Es folgte das Mittagessen, vereinzelte ärztliche Visiten, notwendige Kontakte zum Sozialdienst und Freizeit auf den Stationen oder auf dem Gelände. Am späten Nachmittag wurde das Abendessen gereicht, die Medikamente verteilt, gegen 19.00 Uhr begann für die meisten der Langzeitpatienten die Nachtruhe. Dieser Ablauf wiederholte sich täglich, Besucher kamen in der Regel nicht ins Haus. Highlights waren die jahreszeitlichen Fest- und Feiertage mit stationsbezogenen Veranstaltung und besonderen Mahlzeiten. Die meisten Menschen mit Behinderung lebten schon seit Jahren bis Jahrzehnten in der Einrichtung und zeigten teils sehr starke Hospitalisationserscheinungen. Teilhabe, Selbstbestimmung und Integration in die Gemeinde fand unter dem damaligen, fürsorglich ausgerichteten Betreuungssystem nicht statt.“ Teilnehmer: „Waren die sogenannten Langzeitpatienten zufrieden mit ihrem Leben? “ Interner Coach: “Zunächst schien es so, sie hatten ein Dach über dem Kopf, Ansprache durch das Betreuungspersonal, es gab Essen und Kleidung und dazu hin und wieder Besonderheiten wie Kaffee, Tabak oder Süßigkeiten. Sie mussten keine eigenen Entscheidungen treffen, zum Beispiel über Einkäufe, Freizeitwünsche oder Anschaffungen. Bei genauerem Hinschauen zeigten sich die Symptome einer totalen Institution. Durch die „fürsorgliche Belagerung“ der Langzeitpatienten waren sie nicht in der Lage, eigene Wünsche, Vorstellungen oder Bedürfnisse zu entwickeln bzw. zu artikulieren. Auf die Frage, ob der Bewohner XY gerne in eine eigene Wohnung ziehen möchte, antworteten sowohl der Betroffene als auch das Betreuungspersonal mit einem deutlichen „Nein“. Erst viel später wurde mir bewusst, dass die Klienten, aber auch die Mitarbeiter in ihrer <?page no="19"?> 2.1 Ausgangslage 13 damaligen Situation gar nicht anders reagieren konnten. Ohne Kenntnis von Alternativen zu einem Leben außerhalb einer Anstalt, verbunden mit einer langjährigen Hospitalisation gab es keine Vorstellung über andere Lebensformen. Dies galt im Besonderen für die Bewohner der Einrichtung, in vielen Fällen aber auch für die Mitarbeiter des Hauses.“ Teilnehmer: „Was führte denn zu einer Veränderung der Lebenssituation der Bewohner? “ Interner Coach: „Erst zu Beginn der 90er Jahre wurde dieses Betreuungssystem durch eine personelle Veränderung im Leitungsbereich des Trägers in Frage gestellt und damit fragiler. Sowohl ökonomische Rahmenbedingungen als auch die zunehmend öffentliche Diskussion über die Versorgungsstrukturen von Menschen mit Behinderung lösten erste Veränderungen aus. Ein erster Meilenstein war die Öffnung der vormals geschlossenen Stationen. Diese Entscheidung des neuen Leiters löste zunächst erhebliche Irritationen bei den Mitarbeitern und der umliegenden Bevölkerung aus. Waren sie es doch nicht gewohnt, den Menschen mit Behinderungen ein gewisses Maß an Selbständigkeit zuzugestehen. Im Umfeld der Einrichtung zeigten sich besorgte Bürger, waren sie den Anblick und die Präsenz der Menschen mit Behinderung doch nicht gewohnt.“ Teilnehmer: „Wie reagierte der Trägervertreter, wurden die Entscheidungen der Leitung revidiert? “ Interner Coach: „Nein, der neue Leiter des Hauses vereinbarte mit dem Träger eine weitreichende Zielvereinbarung über die Umstrukturierung des Hauses. Leitgedanke war der Aufbau einer Behandlungseinrichtung mit einem differenzierten Behandlungsangebot einerseits und andererseits die Auflösung der zentralen Wohnstationen und Überführung der Langzeitpatienten in dezentrale, gemeindenahe Wohnformen. Mit Beginn der Veränderungen im Behandlungsbereich im Jahr 1991 setzte gleichzeitig der Enthospitalisierungs- und Dezentralisierungsprozess aller 260 sogenannten „Langzeitpatienten“ in gemeindenahe, dezentrale Wohnformen ein.“ Teilnehmer: „Wie sahen die ersten Schritte aus? “ Interner Coach: „In einem ersten Schritt wurde ein verantwortlicher Pädagoge mit der Umsetzung des Veränderungsprozesses beauftragt. Die Erstellung einer Machbarkeitsstudie, die Erstellung einer neuen fachlichen Betreuungskonzeption und der erste spontane Umzug von einigen Langzeitpatienten in eine nah gelegene Wohnung prägten das Geschehen und sorgten bei Bewohnern und Mitar- <?page no="20"?> 2 Change-Management am Beispiel einer Betreuungsorganisation im psychiatrischen Handlungsfeld 14 beitern für Unruhe. Allein die Änderung der Titulierung von „Langzeitpatient“ zu „Bewohner“ wurde in der Mitarbeiterschaft heftig diskutiert und sorgte für erhebliches Konfliktpotential. Die Angst, liebgewonnene bzw. internalisierte Werte, Normen und soziale Rollenmuster zu verlieren, führte zu einer starken Abwehrhaltung gegenüber den kommunizierten Veränderungswünschen der Leitung. Gegen hohen Widerstand, aber gemeinsam mit einer kleinen Gruppe von motivierten Mitarbeitern wurde die erste Außenwohngruppe mit vier Bewohnern in Nachbarschaft der Stammeinrichtung etabliert. Mit den verbliebenen Mitarbeitern wurden regelmäßige Gespräche geführt und eine verbindliche Teamstruktur eingeführt. In diesem Rahmen hatten die Mitarbeiter Gelegenheit, ihre Sorgen, Nöte und Fragen zu artikulieren. Auf der anderen Seite berichteten die Betreuer der kleinen Außenwohngruppe über die (überraschenderweise) sehr positive Entwicklung der Bewohner in ihrem neuen Lebensumfeld.“ Teilnehmer: „Wie begegneten Sie den Bedenken der kritischen Mitarbeiter? “ Interner Coach: „Die Einführung eines Besprechungswesens gab den meisten Mitarbeitern mehr Sicherheit, die vielen Einzelgespräche führten ebenfalls zu einer Stabilisierung des Projekts. Parallel wurde ein Leitungsteam aufgestellt und die zentrale Organisationsstruktur schrittweise in dezentrale Strukturen überführt. In den Jahren 1995 - 2000 konnten drei weitere Außenwohngruppen realisiert und ca. dreißig Bewohner in andere gemeindenahe Betreuungseinrichtungen überführt werden. Dazu wurden einige der älteren und pflegebedürftigen Bewohner in Altenheime ihrer Heimatgemeinden entlassen. Dieser Zeitraum war geprägt von einer Aufbruchstimmung, der sich zunehmend mehr Mitarbeiter anschlossen. Andererseits verließen auch einige Mitarbeiter das Unternehmen, da sie sich mit den geplanten Veränderungen nicht anfreunden konnten. Anfang 2001 wurde ein erstes dezentrales Wohnhaus für 24 Menschen mit Behinderung in der Region eröffnet. Weitere kleine Wohneinrichtungen folgten in den Jahren 2006 - 2017, verteilt im gesamten Versorgungsgebiet des Trägers. Mit der Realisierung des letzten dezentralen Wohnheims konnten alle stationären Wohnplätze in der ehemaligen Groß- und Komplexeinrichtung aufgelöst bzw. umstrukturiert werden.“ Teilnehmer: „Wurden auch ambulante Betreuungsformen entwickelt? “ Interner Coach: „Im Jahr 2001 fand ein erster Paradigmenwechsel statt. Mit der Einführung des neuen Sozialgesetzbuchs IX (SGB IX) wurde die Gleichberech- <?page no="21"?> 2.1 Ausgangslage 15 tigung von Menschen mit Behinderung im Grundgesetz verankert. Mit der Implementierung des Sozialgesetzbuchs XII wurden die Möglichkeiten zum Aufbau ambulanter Betreuungsstrukturen für den Träger möglich. Ambulant Betreutes Wohnen, Eingliederung und Normalisierung sind seither stark wachsende Bereiche. Angesichts des aktuellen Paradigmenwechsels in der Behindertenhilfe - vom Fürsorgesystem hin zu Selbstbestimmung und Teilhabe, Inklusion und Normalisierung sowie einer wachsenden Zahl älterer Menschen mit Behinderung sind innovative Wohnformen und Angebote gefragt. Die Einführung des neuen Bundesteilhabegesetzes zeichnet einen weiteren aktuellen Paradigmenwechsel auf. Um die Entwicklung von Lebensperspektiven und Teilhabe effizient zu gestalten, initiierte das Management des Unternehmens im Februar 2003 ein Projekt unter dem Arbeitstitel ´Enthospitalisierung und Dezentralisierung´ im Bereich Wohnen, Arbeit, Freizeit.“ Teilnehmer: „Wie kam dieser Arbeitsauftrag bei den Mitarbeitern an? “ Interner Coach: „Nachdem die Großeinrichtung in eine dezentrale Organisationsstruktur überführt war, entwickelte sich ein weiterer Veränderungsprozess. Die kurzen Wege der zentralen Einrichtung, neue Formen der Kommunikation, ein neues dezentrales Betreuungskonzept machten der Aufbau einer modifizierten Organisations- und Leitungsstruktur notwendig. Eine Gruppe von ca. zehn Mitarbeitern analysierten in einem Projektteam die Kernprozesse verschiedener Wohnbereiche in der Versorgungsregion. Sie tauschten Erfahrungen aus, diskutierten und generierten Vorschläge, um die Abläufe zu optimieren. Innerhalb eines halben Jahres begründeten sie fast 100 Verbesserungsmöglichkeiten, von denen etliche binnen weniger Wochen zu kleinen und großen Resultaten im gesamten Trägerbereich geführt haben. In der Folge wurde die zentrale Führungs- und Organisationsstruktur analysiert, wobei Kleingruppen die verabschiedeten Maßnahmen engagiert umsetzten. Bezüge zu zahlreichen internen Dienstleistern beispielsweise Gesundheitsdienst, Hauswirtschaft oder Verwaltung wurden in Schnittstellen-Workshops übergreifend neu organisiert.“ Teilnehmer: „Was war die zentrale Zielvorgabe für diesen Veränderungsprozess? “ Interner Coach: „Das Hauptziel war die Umstrukturierung der zentralen Wohneinrichtung zu einem dezentralen, sozialraumbezogenen Betreuungsangebot mit eigenverantwortlich handelnden Sozialraumteams.“ <?page no="22"?> 2 Change-Management am Beispiel einer Betreuungsorganisation im psychiatrischen Handlungsfeld 16 Teilnehmer: „Können Sie den Weg dorthin beschreiben? “ Interner Coach: „Das Projektteam der zentralen Wohneinrichtung entwickelte Ideen für mehr Handlungsspielraum und Entscheidungskompetenz der dezentralen Teams, bis hin zu ausgedehnter Personalverantwortung und Einführung einer Vertrauensarbeitszeit. Mittlerweile setzt sich eine Organisationsstruktur und kultur durch, die auf eigenverantwortlichen Sozialraumteams unter der Gesamtleitung des Direktoriums setzt. Fünf Sozialraumteams in der Größe von ca. 30 - 60 Mitarbeitern; anstelle der früheren 15 Stationsleiter gibt es in der neuen Teamstruktur 5 Teamleiter sowie einen Leiter für den Bereich Arbeit und Tagesstruktur. Diese Führungskräfte haben ein Assessment zur Förderung von Führungskräften absolviert und führen heute große Teams, planen deren Personalbedarf und -einsatz, akquirieren neue Teammitarbeiter und verantworten die Personalentwicklung in Kooperation mit der Direktion. Über Sozialraumkonferenzen unter Beteiligung des zuständigen Direktors des Fachbereichs sind sie in die Entwicklung des Unternehmens aktiv eingebunden, sorgen für das Controlling von Budgets und stellen in ihrem Team die gesamte Betreuung und Entwicklung der Menschen mit Behinderung sicher. In der alten Organisationsstruktur war der Stationsleiter so etwas wie der Kopf einer kleinen Familie. Die heutigen Sozialraumleiter sind Familienoberhaupt, Personalentwickler und Manager in einem.“ Teilnehmer: „Wie wirken sich diese Veränderungen auf die betreuten Klienten aus? “ Interner Coach: „Die Klienten profitieren entsprechend den neuen Vorgaben und Erwartungen ebenso vom Veränderungsprozess: Durch die neue Teamorganisation erweitert sich ihr persönliches Wohnumfeld erheblich. Mehr Kontakte, Freizeitoptionen und Freiräume können geboten werden. Das Wunsch- und Wahlrecht der Menschen mit Behinderung wird unterstützt, so sind gemeinschaftsorientierte und individuelle Strukturen gleichermaßen möglich. Kontinuierlich und flexibel zugleich sind die angebotenen Betreuungsleistungen.“ Teilnehmer: „Welchen Nutzen zieht das Unternehmen aus dieser Veränderung? “ Interner Coach: „Der Nutzen für das Unternehmen zeigt sich darin, dass die meisten Mitarbeiter mehrere Prozesse aktiv mitgestalten, die Fachlichkeit bei den Mitarbeitern steigt deutlich und Verbesserungen werden viel schneller in das Tagesgeschäft sowie in die vorhandenen Systeme implementiert. Die gesamten Informations- und Kommunikationswege konnten aufgrund der neuen Organisations- und Personalstrukturen bei gleichzeitiger Prozessorientierung optimiert bzw. erneuert werden.“ <?page no="23"?> 2.2. Führungsinstrumente im Praxiseinsatz 17 Teilnehmer: „Welche Instrumente haben Sie eingesetzt, um die Mitarbeiter auf diesen Veränderungsprozess vorzubereiten? “ Interner Coach: „In den letzten Jahren entwickelte das Unternehmen ein standortübergreifendes Leitbild unter Beteiligung von Delegierten aller Fachbereiche. In einem zweiten Schritt wurden einheitliche Führungsleitlinien entwickelt und in die Leitungsebene kommuniziert. Alle zwei Jahre findet eine standortübergreifende Mitarbeiterbefragung statt. Zusätzlich brachte der kirchliche Träger eine Charta für das Unternehmen auf den Weg. An diesem laufenden Prozess sind alle Mitarbeiter auf verschiedenen Ebenen beteiligt.“ Teilnehmer: „Sie sprechen die überregionalen Maßnahmen an, nutzen Sie auch Instrumente, die Sie für den täglichen Einsatz entwickelt haben? Und wurden Sie bei der Entwicklung von Fachleuten unterstützt? “ Interner Coach: „Seit einigen Jahren wird die die Organisations- und Personalentwicklung am Standort durch einen externen Coach begleitet. Dieser steht dem Leitungsteam insbesondere für die Entwicklung von Führungsinstrumenten zur Verfügung. Mit seiner Unterstützung wurden im Leitungsteam (1.) Teamaufstellungen durchgeführt sowie Untersuchungen zum (2.) Arbeitsklima (TKI) durchgeführt. Zur Gewinnung von neuen Führungskräften entwickelte das Leitungsteam ein (3.) Assessment zur Bestimmung von Führungskräften. Ein strukturierter Rahmen für das (4.) Mitarbeiterjahresgespräch wurde als weiteres Instrument entwickelt. Im Bereich Teamsupervision und Teamcoaching werden bedarfsorientiert (5.) Fallsupervisionen bzw. (6.) Konfliktmanagement durchgeführt.“ 2.2. Führungsinstrumente im Praxiseinsatz Mit den beschriebenen Umwälzungen in der psychiatrischen Landschaft wurde die Notwendigkeit erkannt, einen Prozess einzuleiten, mit dem die Organisations- und Personalentwicklung des Trägers systematisch bei der Realisierung neuer, zeitgerechter Leitziele gefördert werden sollte. Dazu wurden in einem ersten Schritt qualifizierte und kompetente Führungskräfte benötigt, um die notwendigen Veränderungen in die Mitarbeiterschaft zu implementieren. Für die Entwicklung und Umsetzung dieser Instrumente konnte ein externer Experte (BRENDT-TRAINING@t-online.de) gewonnen werden. Das folgende Kapitel beschreibt die wesentlichen Instrumente, die mit diesem Experten entwickelt wurden, und führt einen kritischen Diskurs über die Wirksamkeit im praktischen Alltag des Trägers. <?page no="24"?> 2 Change-Management am Beispiel einer Betreuungsorganisation im psychiatrischen Handlungsfeld 18 2.2.1 Teamaufstellung Teilnehmer: „Was ist genau eine (1.) Teamaufstellung und welches Ziel wurde damit verfolgt? “ Interner Coach: „Die Teamaufstellung ist eine Aufstellungsvariante der Methode der Familienaufstellung, bei der die Mitglieder eines Arbeitsteams im Raum aufgestellt werden, um die Beziehungsdynamik innerhalb dessen zu veranschaulichen. Ziel einer Teamaufstellung ist die physische Sichtbarmachung der Sozialstruktur des Teams (räumlich und körperlich), so dass sie für jeden Teilnehmer wahrnehmbar wird. Gerne verweise ich auf das Titelbild dieses Buches. Es symbolisiert genau diese gruppendynamische Methode. Damit die anwesenden Teammitglieder einen tieferen Einblick in die Struktur ihres sozialen Systems bekommen und ihre jeweiligen Rollen leichter finden, werden diese unter unterschiedlichen Ordnungen und diesbezüglichen Gesichtspunkten aufgestellt. Jeder steht für sich selbst, mit seiner eigenen Biographie, seinen persönlichen Eigenschaften und gegenwärtigen Gefühlen. Ihm wird deutlich, wo er steht, wie er steht, mit wem und inwiefern er sich auseinanderzusetzen hat. Teilnehmer: „Nach welchen Kriterien wird eine Aufstellung durchgeführt? “ Interner Coach: „Beliebige Kriterien, nach welchen sich die Teammitglieder ordnen können, sind im Rahmen der Aufstellung möglich: Dienstalter, Berufsjahre, biologisches Alter, Funktion, Kompetenzgrad, Position und Verantwortungshöhe oder auch andere Stellenwerte. Diesbezüglich wird das räumliche Ordnen (wie Aufrücken, Nachrücken, Platz machen, Position einnehmen oder tauschen) mit seiner Figur ohne große Diskussion vollzogen. Im konkreten Fall einigte sich das Leitungsteam unserer Einrichtung darauf, die Qualität und Intensität der Kommunikation untereinander aufzustellen. Darüber hinaus verdeutlichte die Aufstellung die Beziehungsstruktur der Teammitglieder untereinander.“ Teilnehmer: „Wie erfolgte die Auswertung der Aufstellung? “ Interner Coach: „In einem ersten Schritt wurde die jeweilige Position der Reihe nach dem Gegenüberbzw. Nebenstehenden oder auch dem gesamten Team ohne weitere Diskussion kurz mitgeteilt. In einer zweiten Runde wurden die persönlichen Eindrücke und Ergebnisse im Gesamtteam unter Moderation des Coachs ausgetauscht. Zum Abschluss schilderte jedes Teammitglied seine persönliche Einschätzung und formulierte für sich persönliche Aufgaben zur Optimierung der Kommunikation und Verbesserung der Beziehung zu einzelnen Teammitgliedern. Individuell nutzte ein Teil der Teammitglieder die Gesprächs- <?page no="25"?> 2.2. Führungsinstrumente im Praxiseinsatz 19 runde zu kritischen Rückmeldungen bezüglich der Erwartungen an die anderen Teammitglieder. Durch die Teamaufstellung lernte sich das Leitungsteam besser kennen, die Teammitglieder nahmen ihre Beziehung zueinander in visualisierter Form wahr. Dies schärfte den Blick füreinander und sensibilisierte jeden Einzelnen in der Kommunikation, im Umgang und in der Kritikfähigkeit miteinander. Die Aufstellung wird vom Leitungsteam als Teil eines Teamentwicklungsprozesses wahrgenommen und stellt eine lebendige und dynamische Auseinandersetzung u. a. mit den Ergebnissen des Teamklimaindex dar.“ 2.2.2 Team-Klima-Index Teilnehmer: „Sie sprechen von den Ergebnissen des (2.) Teamklimaindex. Können Sie genauer erläutern, um welche Methode es sich hier handelt? “ Interner Coach: „Das Instrument TKI (Thomas-Kilman Conflict Mode Instrument) eignet sich generell zur Evaluation der Arbeitsatmosphäre für Innovation und Effektivität in Teams. Es handelt sich um einen Fragebogen, der leicht und sehr schnell ausgefüllt werden kann (ca. 15 Minuten). Für das Leitungsteam unserer Einrichtung wurde der Fragebogen eingesetzt, um sich einen Überblick über die Haltung der Führungskräfte über folgende Eigenschaften zu verschaffen: Visionen, z. B. die Pläne, Ziele und übergeordneten Leitmotive eines Teams. Aufgabenstil, z. B. wie Teamaufgaben typischerweise bearbeitet und Ziele verfolgt werden. Partizipation, z. B. das Ausmaß an Mitwirkung bei Entscheidungen. Sicherheit, z. B. wie viel gegenseitiges Vertrauen zwischen Teammitgliedern besteht. Qualität der Kommunikation, z. B. Struktur und Kommunikationsstil in Sitzungen. Normen, z. B. ungeschriebene Gesetze, gebräuchliche Vorgehensweisen. Kohäsion, z. B. wie ausgeprägt ein "Wir"-Gefühl innerhalb eines Teams erlebt wird. Innovation, z. B. wie kreativ ein Team bei der Entwicklung neuer Projekte ist. <?page no="26"?> 2 Change-Management am Beispiel einer Betreuungsorganisation im psychiatrischen Handlungsfeld 20 Teilnehmer: „Welche Ziele werden mit den Ergebnissen angestrebt? “ Interner Coach: „Die Identifizierung von konkreten Stärken und Schwächen des Teams (z. B. Gestaltung von Maßnahmen mit dem Ziel, Innovation und Leistung in Teams zu fördern; einen Indikator für den Erfolg von Maßnahmen, die Teamvisionen stärken, und die Unterstützung für Innovationen zu gewinnen.) Darüber hinaus ist durch die Normierung des TKI ein Benchmarking mit internen und externen Teams möglich. Gestärkt durch die Erkenntnisse der o. a. teambildenden Maßnahmen konnte das Leitungsteam in seiner weiteren Arbeit in neue Fragestellungen zur weiteren Organisationsentwicklung sowie zu Fragen der Personalplanung einsteigen. Die Umsetzung dezentraler Organisationsstrukturen war zwangsläufig verbunden mit erheblichen Veränderungen in der Personalentwicklung. Vormals zentrale Betreuungsstrukturen in der großen, zentralen Einrichtung wurden nun in dezentrale, sozialraumorientierte Lebensräume verlagert. Dies hatte zur Folge, dass Mitarbeiter oftmals unbewusst angstbesetzt (weil ungewohnt) auf neue Situationen reagierten. Neben der Veränderung der Organisationsstruktur war ein Umdenken in fachlicher Sicht zwingend notwendig. Wurden die „alten“ Teams eher aus der Zentrale im täglichen Handeln angewiesen, mussten die Mitarbeiter im neuen System mit Sozialraumleitungen und Koordinatoren als Führungskräften vor Ort ihren Arbeitsalltag bewältigen. Die fachliche Heranführung der Mitarbeiter an das neue Betreuungssystem konnte nur durch den Einsatz zusätzlicher Leitungskräfte erfolgen. Diese Leitungskräfte zu identifizieren und zu entwickeln war und ist eine der größeren Herausforderungen im beschriebenen Umwandlungsprozess der Großeinrichtung zu einem dezentralen, sozialraumbezogenen Betreuungssystem. Um dieser Herausforderung gerecht zu werden, entschied die oberste Leitungsrunde, ein Assessment zur Gewinnung von Führungskräften zu entwickeln.“ 2.2.3 Assessment zur Auswahl von Führungskräften Teilnehmer: „Zum besseren Verständnis, welche Ziele sollen mit dem geplanten (3.) Assessment zur Gewinnung von Führungskräften realisiert werden? “ Interner Coach: „Für die neue, dezentrale Struktur des Fachbereichs wurden zusätzliche Führungskräfte sowohl für die oberste Leitungsebene (Sozialraumleiter) mit einem speziellen Kompetenzprofil gesucht als auch Führungskräfte für eine neu eingeführte mittlere Leitungsebene (Koordinatoren). Aufgabe der mittleren Leitungsebene (Koordinatoren) ist es, die Sozialraumleiter in der Führung der 30 - 60 Mitarbeiter umfassenden Sozialraumteams fachlich und administra- <?page no="27"?> 2.2. Führungsinstrumente im Praxiseinsatz 21 tiv mit einem Stellenumfang von 10 - 30% zu unterstützen. Insgesamt mussten bis zu zehn Führungspositionen besetzt werden. Darüber hinaus sollte für zukünftige Erweiterungen ein Pool von Kandidaten für Führungsaufgaben entwickelt werden. Dazu war es notwendig, ein strukturiertes Auswahlverfahren mit spezifischen Anforderungen an Führungseigenschaften zu entwickeln.“ Teilnehmer: „Wie und von wem wurde das Assessment geplant? “ Interner Coach: „In der Geschäftsleitung des Trägers wurde für den Fachbereich Eingliederungshilfe die Einführung eines Assessments (AC) zur Gewinnung von Führungskräften (Sozialraumleiter, Koordinatoren) beschlossen. Der Leiter des Fachbereichs wurde mit der Realisierung des Assessments für seinen Fachbereich beauftragt. Die Entwicklung des Assessments erfolgte durch die Leitungsebene (Leitung Fachbereich und Sozialraumleiter) unter Einbeziehung einer moderierenden externen Beratung durch einen erfahrenen Coach.“ Teilnehmer: „Welche Stellen mussten in die Planung einbezogen werden? “ Interner Coach: „Mit der Geschäftsführung des Trägers und den Mitgliedern der Mitarbeitervertretung (MAV) wurden die Verfahrensgrundsätze im Vorfeld kommuniziert. Insbesondere arbeitsrechtliche und datenschutzrechtliche Bestimmungen mussten mit den Mitbestimmungsgremien ausgehandelt und abgestimmt werden. Darüber hinaus wurde ein Verfahren bezüglich der Handhabung und Plausibilität / Aussagerelevanz in einer Probephase mit freiwilligen Probanden der obersten Leitungsebene und dem Bereich der bereits beschäftigten Koordinatoren des Fachbereichs entwickelt. Die praktische Umsetzung des Verfahrens wurde von Sozialraumleitern und bestehenden Koordinatoren erprobt und durchgeführt.“ Teilnehmer: „Aus welchen Elementen besteht das Assessment? “ Interner Coach: „Das Assessment besteht aus folgenden Elementen: Fragebögen Interview Präsentation Rollenspiel“ <?page no="28"?> 2 Change-Management am Beispiel einer Betreuungsorganisation im psychiatrischen Handlungsfeld 22 Teilnehmer: „Können Sie die einzelnen Elemente genauer beschreiben? “ Interner Coach: „Als psychometrische Verfahren werden folgende Fragebögen eingesetzt: BIP-6F (Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung - 6 Faktoren), AVEM (Arbeitsbezogenes Verhalten- und Erlebensmuster) und TKI (Teamklimainventar). Das Verfahren BIP-6F umfasst neben dem Fragebogen zur Selbstbeschreibung ergänzende Bögen zur Fremdbeschreibung und einen Bogen zur Beschreibung positionsspezifischer Anforderungen. Für das von uns durchgeführte Verfahren wird ausschließlich der Bogen zur Selbstbeschreibung eingesetzt. Die 48 Fragen erwarten eine Einschätzung der Teilnehmer in den Faktoren Engagement, Disziplin, Dominanz, Stabilität, Kooperation und Soziale Kompetenz. Exemplarisch lauten die Fragen: ´Ich folge lieber spontanen Einfällen, anstatt systematisch zu planen´ oder ´Mich reizen besonders Probleme, die sehr schwierig zu lösen sind´ (aus Fragenbogen BIP-F6, R. Hossiep, C. Krüger). Die Ergebnisse zu den sechs abgeprüften Faktoren finden sich im Profilbogen auf einer Skala von 01 - 10, wobei der Bereich 04 - 07 die Oberbzw. Untergrenze bildet. Die Ergebnisse des Verfahrens AVEM erlauben Aussagen über gesundheitsförderliche bzw. gesundheitsgefährdende Verhaltens- und Erlebensweisen bei der Bewältigung von Arbeits- und Berufsanforderungen unserer Kandidaten. Gemessen werden Verausgabungsbereitschaft, beruflicher Ehrgeiz, Perfektionsstreben, Distanzierungsfähigkeit, Resignationstendenz bei Misserfolg sowie die subjektive Bedeutung der Arbeit. Exemplarisch für dieses Verfahren sind im Fragebogen Aussagen wie: ´Die Arbeit ist mein ein und alles´ oder ´Misserfolge kann ich nur schwer verkraften.´ (Fragebogen AVEM, U. Schaarschmidt und A.W. Fischer). Für die Überprüfung der Sozialen Erwünschtheit wird in unserem Assessmentverfahren ein Fragebogen mit folgender Instruktion eingesetzt: ´In diesem Fragebogen geht es um einen wichtigen Aspekt des Klimas, bzw. der Atmosphäre in Ihrem Team, bzw. Ihrem Arbeitsbereich innerhalb der Einrichtung. Es wird gefragt, wie Sie dort die Kommunikation und Kooperation erleben bzw. bewerten. Es gibt keine ´richtigen´ oder ´falschen´ Antworten - viel wichtiger ist, dass Sie möglichst genau und ehrlich zügig beantworten.´ ´Zudem wird gefragt, was Sie vorschlagen, um die Kommunikation und Kooperation in Ihrem Team, bzw. Arbeitsbereich und darüber hinaus in Ihrer Einrich- <?page no="29"?> 2.2. Führungsinstrumente im Praxiseinsatz 23 tung zu optimieren. Wir sind gespannt auf Ihre Vorschläge, die Sie bitte stichwortartig und kurz auf der Rückseite des Fragebogens frei formulieren´. Die Auswertungsmatrix gibt in einer neunstufigen Skalierung Auskunft darüber, ob eine hinreichend soziale Erwünschtheit vorliegt oder verzerrte Antworten auf die Fragen des Fragebogens erfolgt sind. Im Ergebnis erhalten wir Profilmuster zu den zu prüfenden Kompetenzen. Auf Wunsch können diese Verfahren über BRENDT-TRAINING@t-online.de angefordert und begleitet werden.“ Teilnehmer: „In welcher Form fließen diese Erkenntnisse in das weitere Verfahren ein? “ Interner Coach: „Die Ergebnisse aus den psychometrischen Verfahren fließen sowohl in das Interview als auch in die Präsentation ein und werden noch einmal gezielt überprüft und abgesichert. Für das strukturierte Interview wurden zu jedem der folgenden Kompetenzbereiche ein Anforderungsprofil sowie Fragenkomplexe erarbeitet. In der praktischen Umsetzung begleiten jeweils zwei Führungskräfte das Interview. Die Dauer des Interviews ist auf maximal 45 Minuten festgelegt. Während einer der beiden Interviewer das Interview führt, eine Einführung zum jeweiligen Kompetenzbereich anbietet und systematisch den Fragebogen abarbeitet, beobachtet der andere Kollege den Interviewten und dokumentiert seine Einschätzung nach festgelegten Kriterien für die folgenden Sequenzen: Kommunikation im Gespräch Kommunikation im Rollenspiel Konfliktfähigkeit Haltung und Glaubwürdigkeit Selbstorganisation Ergebnisorientierung Lernfähigkeit Belastbarkeit“ Teilnehmer. „Wie sehen die strukturierten Gesprächsbögen aus? “ Interner Coach: „Am Beispiel des Kompetenzbereichs ´Ergebnisorientierung´ lässt sich die Struktur der Gesprächsbögen gut erläutern. Zunächst findet man im Kopf des Bogens eine Beschreibung des Kompetenzbegriffs. „Ergebnisorientierung“ bedeutet: ´,flexibel und mobil die eigenen Leis- <?page no="30"?> 2 Change-Management am Beispiel einer Betreuungsorganisation im psychiatrischen Handlungsfeld 24 tung stets in Relation zum Unternehmenserfolg zu setzen, Aufgaben in guter Qualität zu erledigen und dabei zeitliche Einsatzbereitschaft zu zeigen und Leistungen an klaren Ergebnissen zu messen.´ Diese Kompetenz wird ermittelt mit Fragen wie z. B.: ´Wenn Sie eine Entscheidung treffen, wie schätzen Sie die Tragweite der Entscheidung ab (ergibt sich das für Sie automatisch oder legen Sie Prüfkriterien oder Maßstäbe an)? ´ oder ´Wie unterscheiden Sie zwischen wichtigen und weniger wichtigen Entscheidungen? ´ Ein weiteres Beispiel wäre die Frage: ´Was passiert, wenn Ihre KollegInnen eine andere Entscheidungsalternative bevorzugen? ´ Der Beobachter wertet die Antworten des Befragten nach festgelegten Kriterien aus und trägt seine Einschätzung in eine Auswertungsmatrix ein. Die Kriterien sind ebenfalls standardisiert und lauten beispielsweise: ´Prüft die Fakten und geht planvoll vor´ oder ´Passt Vorgehensweisen ausreichend an, um Leistungen zu steigern und effizienter und flexibler zu arbeiten´. Unter diesen Gesichtspunkten überträgt er seine Einschätzung in die Auswertungsmatrix mit folgender Skalierung: 25% trifft nicht zu 50% trifft eher nicht zu 75% trifft teils/ teils zu 100% trifft zu + übertrifft die Anforderung ++ übertrifft deutlich die Anforderung Die abschließende Bewertung des Kompetenzbereichs erfolgt nach dem Interview in Abstimmung mit dem Interviewer. Dazu wird ein fünfstufiges Bewertungssystem mit einer Skalierung von Minus bis Plus/ Plus genutzt. Abb. 2.1: Matrix Kompetenzbewertung Kompetenzbewertung nach Interview - ! + ++ Für die jeweiligen Kompetenzbereiche stehen solche strukturierten Frage- und Auswertungsbögen zur Verfügung.“ Teilnehmer: „Gibt es für die Präsentation und das Rollenspiel ebenfalls Auswertungsbögen? “ <?page no="31"?> 2.2. Führungsinstrumente im Praxiseinsatz 25 Interner Coach: „Ja, für beide Teile des Assessments gibt es entsprechend aufgebaute Beobachtungsbögen. So findet sich im Kopf des Bogens die Erläuterung der Bedeutung des Kompetenzbereichs „Kommunikation in der Präsentation“ mit folgender Definition: ,Kommunikationsfähigkeit bedeutet in der Präsentation für andere sowohl die fachliche als auch die persönliche Ebene zu beachten, sich flexibel auf unterschiedliche Adressaten einzustellen, Themen zielgerichtet zu besprechen und auch die Meinung anderer dabei zu integrieren´. Ebenso sind Kriterien zur Beurteilung der Kommunikationskompetenz hinterlegt wie auch das einheitliche Bewertungsschema der anderen Kompetenzbereiche. Für die Präsentation hat der Teilnehmer eine Vorgabezeit von maximal zehn Minuten. Begleitet wird dieses Instrument ebenfalls von zwei Beobachtern, die den Verlauf und das Verhalten des Teilnehmers im Auswertungsbogen dokumentieren. Bereits mit der Einladung zum Assessment wird der Bewerber auf dieses Instrument hingewiesen. Er kann sich ein beliebiges Thema aus seinem Arbeitsbereich für die Präsentation auswählen. Nach der Präsentation diskutieren die Beobachter ihre Ergebnisse und einigen sich auf eine gemeinsame Beurteilung des Teilnehmers. Zu Beginn des abschließenden Rollenspiels werden die Beschreibung der Ausgangssituation und die unterschiedlichen Rollen zufällig verteilt. Das Rollenspiel dauert maximal 10 Minuten. Als Protokollbogen dient der Bogen „Konfliktfähigkeit“. Das Rollenspiel führen jeweils zwei Kandidaten durch, bei ungleicher Personenzahl wird ein Mitglied der Leitungsebenen des Trägers diesen Part besetzen. Abschließend werden die Ergebnisse im Rahmen einer Leitungsbesprechung ausgewertet und in eine Auswertungsmatrix (vgl. Abb. 2.2) übertragen.“ Die abschließenden Bewertungen werden gemeinsam in einer Auswertungsrunde von den am Tag der Durchführung des Assessments (AC-Tag) beteiligten Leitungskräften vorgenommen. Die Erkenntnisse aus dem AC-Tag sind entscheidungsleitend für die Besetzung der ausgeschriebenen Leitungsfunktionen. Die Ergebnisbesprechung mit den Kandidaten findet zeitnah in einer Sozialraumleitersitzung statt. Der Leiter des Fachbereichs teilt den Bewerbern die Ergebnisse des Verfahrens unter folgenden Aspekten mit: Ergebnis mitteilen Soll / Ist - Vergleich thematisieren <?page no="32"?> 2 Change-Management am Beispiel einer Betreuungsorganisation im psychiatrischen Handlungsfeld 26 Bei positiver Übereinstimmung danach fragen, wie er/ sie dies künftig sichern möchte - schließlich bedingt ein Positionswechsel neue Herausforderungen Bei negativer Abweichung danach fragen, wie er/ sie das sieht, was aus seiner/ ihrer Sicht unternommen werden sollte und wie er/ sie selbst den Denkanstoß nutzen wird, um den mit einem Positionswechsel verbundenen neuen Herausforderungen gerecht zu werden Nach Beendigung des Verfahrens werden die einzelnen Bewerber zeitnah schriftlich über die Einstellungsentscheidung für die ausgeschriebenen Leitungsstellen durch den Wohnbereichsdirektor informiert. Alle Unterlagen, die sich im Zusammenhang mit dem AC ergeben, werden bei Einstellungszusage der Personalakte zugeführt, alle anderen Unterlagen werden vernichtet. Bei internen Bewerbern wird eine Konstellation von direktem Vorgesetzten und Bewerber ausgeschlossen. Abb. 2.2: Zuordnung der Assessment-Methoden, Ergebnisse und Kompetenzbewertung Kompetenzen Testverfahren Interview Verhalten Rollenspiel Präsentation Kompetenzbewertung - ! + ++ Kommunikationsfähigkeit BIP-6F: Sozialkompetenz Bogen: Kommunikationsfähigkeit im Gespräch Bogen: Kommunikationsfähigkeit in der Präsentation Konfliktfähigkeit BIP-6F: Kooperation Bogen: Konfliktfähigkeit Haltung und Glaubwürdigkeit IGIP Gesamteindruck Selbstorganisation BIP-6F: Disziplin Bogen: Selbstorganisation; Planung und Koordination Ergebnisorientierung BIP-6F: Dominanz Bogen: Ergebnisorientierung; Entscheidungen treffen Lernfähigkeit BIP-6F: Engagement Bogen: Lernfähigkeit; Leistungsmotivation Belastbarkeit BIP-6F: Stabilität AVEM: Profil Bogen: Belastbarkeit <?page no="33"?> 2.2. Führungsinstrumente im Praxiseinsatz 27 Teilnehmer: „Kann man das Assessment prozesshaft darstellen? “ Interner Coach: „Natürlich, im Rahmen unseres Qualitätsmanagements wurden die Prozesse im Handbuch dargestellt. Zum einen zeigt das Ablaufdiagramm „Assessment Center - Einleitung“ den Beginn eines jeden Verfahrens die Schritte von der Personalbedarfsermittlung bis zur Einladung der Bewerber. Ein zweites Ablaufdiagramm „Assessment Center - Durchführung“ beschreibt die konkrete Durchführung des Verfahrens von der Einladung der Bewerber bis zur Ergebnismitteilung. Das Verfahren ´AC´ beginnt mit der Beratung über anstehende Personalmaßnahmen auf Leitungsebene in der Sozialraumleiterkonferenz. Daran schließt sich bei Besetzungsnotwendigkeit eine Abstimmung mit der Geschäftsführung an. Entsprechend des Abstimmungsergebnisses erstellt der Wohnbereichsdirektor die Stellenausschreibung(en). Die Stellenausschreibung erfolgt nach Einschätzung des Bedarfs sowohl intern als auch extern und enthält einen Hinweis auf das durchzuführende Assessment. Die eingehenden Bewerbungsunterlagen werden vom Wohnbereichsdirektor gesichtet und in einem nächsten Schritt mit den Sozialraumleitern, in der Regel in der Sozialraumleitersitzung, abgestimmt. Nach Ablauf der Bewerbungsfrist erfolgt die schriftliche Einladung der Kandidaten zu einem Erstgespräch. Inhalt des Erstgesprächs ist das Kennenlernen des Bewerbers, die Abklärung der Einstellungsbedingungen für die ausgeschriebene Leitungsstelle sowie eine Erläuterung des Assessmentverfahrens. Zeigt sich der Bewerber als geeignet und stimmt dem Verfahren zu, werden die Fragebögen ausgehändigt. Die Fragebögen haben eine Rücklaufzeit von einer Woche. Nach Auswertung der Fragebögen durch das Sekretariat des Wohnbereichsdirektors erfolgt die schriftliche Einladung des Bewerbers inklusive eines detaillierten Ablaufplans, so dass den Kandidaten die Bestandteile und die Abfolge des AC bekannt sind.“ <?page no="34"?> 2 Change-Management am Beispiel einer Betreuungsorganisation im psychiatrischen Handlungsfeld 28 Abb. 2.3: Assessment Center - Einleitung <?page no="35"?> 2.2. Führungsinstrumente im Praxiseinsatz 29 Abb. 2.4: Assessment Center - Durchführung <?page no="36"?> 2 Change-Management am Beispiel einer Betreuungsorganisation im psychiatrischen Handlungsfeld 30 Teilnehmer: „Hat sich die Führungskompetenz durch den Einsatz dieses Verfahrens verbessert? “ Interner Coach: „Der Einsatz des Assessments hatte mehrere positive Effekte. Es konnten deutlich mehr Mitarbeiter motiviert werden, an einem solchen Verfahren teilzunehmen. Die hohe Transparenz und die klar formulierten Leistungsanforderungen als auch das klar strukturierte Vorgehen gab den Bewerbern ein Mehr an Sicherheit, sich einem solchen Verfahren auszusetzen. Mit dem Einsatz des Verfahrens konnten die geforderten Leitungskompetenzen besser eingeschätzt und objektiviert werden. Seit dem Einsatz des Assessments konnten darüber hinaus mehrere interne Bewerbungen für Aufgaben der mittleren Leitungsebene berücksichtigt werden . Bedingt durch Wachstum und Personalfluktuation konnten mittlerweile zwei Kollegen der mittleren Leitungsebene einen Aufstieg in die obere Leitungsebene realisieren. Stabilere Teamstrukturen und eine Reduzierung der Personalfluktuation konnte durch die verbesserte Kompetenz der Führungskräfte erreicht werden. Ebenso gibt es punktuelle Verbesserung im Fehlzeitenmanagement.“ Teilnehmer: „Welche Auswirkungen auf das Arbeitsklima konnten beobachtet werden? “ Interner Coach: „Durch die Gewinnung neuer Führungskräfte und durch die Kompetenzerweiterung der bestehenden Leitungskräfte konnte eine Stabilisierung der Teams erreicht werden. Insbesondere der gesetzlich initiierte Veränderungsdruck konnte durch die gewachsene Führungskontinuität besser kanalisiert und aufgearbeitet werden. In den letzten Jahren wurden zwei Mitarbeiterbefragungen durchgeführt, die eine deutlich positive Tendenz bei den Items `Arbeitsklima´, ´Arbeitszufriedenheit´ und ´Arbeitsbelastung` zeigten. Auf dieser Basis sind die verschiedenen Instrumente des beschriebenen Assessments effektiv zu nutzen und können mit einem vertretbaren Zeitaufwand zur Auswahl von Führungskräften für den Fachbereich gezielt eingesetzt werden.“ <?page no="37"?> 2.2. Führungsinstrumente im Praxiseinsatz 31 2.2.4 Jahresmitarbeitergespräch Teilnehmer: „Wie wurden die Mitarbeiter stärker in den Veränderungsprozess integriert? “ Interner Coach: „Durch eine regelmäßige, standortübergreifende Mitarbeiterbefragung werden Entwicklungen wie z. B. Führungsverhalten, Belastungen am Arbeitsplatz, Teamklima etc. evaluiert. Die Ergebnisse der letzten Befragungen zeigen sehr deutlich, dass die Arbeitsbelastung gestiegen ist, die Arbeitszufriedenheit aber auch zugenommen hat. Allgemeine Bewertungen der Führungskräfte zeigen ebenfalls eine positive Tendenz, obwohl der hohe Veränderungsdruck von vielen Mitarbeitern kritisch bewertet wird.“ Teilnehmer: „Kommunizieren die Führungskräfte nur im (4.) Jahresmitarbeitergespräch mit ihren Mitarbeitern? “ Interner Coach: „Natürlich nicht, die Führungskräfte haben auf ihren unterschiedlichen Ebenen Kontakt zu ihren Mitarbeitern. Die Koordinatoren sind durchgängig in den Teams der jeweiligen Sozialräume präsent und stehen in ständigem Kontakt mit den Mitarbeitern. Die Sozialraumleitungen nehmen regelmäßig an den Teams in den Sozialräumen teil und stehen für Fragen der Mitarbeiter immer zur Verfügung. Der Wohnbereichsdirektor nimmt an den quartalsweisen Sozialraumteams in den Sozialräumen des Versorgungsgebietes teil. Darüber hinaus sind individuelle Gespräche nach Terminabsprache möglich.“ Teilnehmer: „Wer führt die Jahresmitarbeitergespräche? “ Interner Coach: „Früher führte der Wohnbereichsdirektor gemeinsam mit einem Sozialraumleiter die Gespräche. Nach einem intensiven Entwicklungsprozess werden diese Gespräche heute von den Koordinatoren im Einzelgespräch geführt. Dies konnte nur durch eine gute Personalauswahl für Führungsaufgaben und durch intensive Begleitung durch die Sozialraumleitungen erreicht werden. Nur in Konfliktsituationen wird die nächsthöhere Leitungsebene hinzugezogen.“ Teilnehmer: „Gibt es individuelle Mitarbeitergespräche oder werden strukturierte Gespräche geführt? “ Interner Coach: „Die Mitarbeiterjahresgespräche werden nach einem strukturierten Verfahren von dem direkten Vorgesetzten geführt. In einem weiteren Coachingprozess wurden fünf Kriterien, die in einem Mitarbeiterjahresgespräch berücksichtigt werden sollen, erarbeitet: <?page no="38"?> 2 Change-Management am Beispiel einer Betreuungsorganisation im psychiatrischen Handlungsfeld 32 (1)Belastbarkeit Der Mitarbeiter stellt sich den vielfältigen Aufgaben einer Betreuung im Betreuten Wohnen und behält dabei die Übersicht über die einzelnen Arbeitsschritte. Behält die im IHP vereinbarten Ziele im Auge und verkraftet auch Rückschläge und Misserfolge. (2)Flexibilität Der Mitarbeiter kann sich schnell auf neue Situationen einstellen. Zeigt sich offen gegenüber neuen Aufgaben und unterschiedlichen Anforderungen. Kann die eigene Leistungsfähigkeit auch in extremen Situationen abrufen. (3)Einfühlungsvermögen Der Mitarbeiter begegnet den Klienten mit Herz und Verstand. Kann die Komplexität der Erkrankung wahrnehmen und auf die krankhaften Veränderungen zeitnah reagieren. Hat keine Berührungsängste mit Menschen, die „anders“ sind. (4)Teamfähigkeit Der Mitarbeiter ist sowohl den Klienten als auch den Kollegen gegenüber offen und verlässlich. Zeigt sich in der Zusammenarbeit kollegial und kooperativ. Trägt Teambeschlüsse mit und macht keine Alleingänge. (5)Organisationsfähigkeit Der Mitarbeiter plant zielgerichtet Arbeitsabläufe und organisiert sich und das Umfeld sinnvoll und effektiv. Behält auch bei verschiedenen Anforderungen und Aufgaben die Übersicht. Setzt Prioritäten und kann auch Aufgaben delegieren. (6)Weitere häufige Nennungen: Zuverlässigkeit, Konfliktfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit Auf Basis dieser Kriterien wurde ein strukturierter Gesprächs- und Dokumentationsbogen zum Mitarbeiterjahresgespräch entwickelt. Sowohl der Mitarbeiter als auch die Führungskraft geben im Vorfeld des Gesprächs ihre Einschätzung zu den genannten Fragestellungen ab. Im Mitarbeitergespräch werden die Einschätzungen verglichen. Abweichungen können sofort im direkten Austausch thematisiert und diskutiert werden. Ziel des Gesprächs ist es, ein hohes Maß an Übereinstimmung zu erzielen. Bei erheblichen Abweichungen und fehlenden Lösungsansätzen wird die nächsthöhere Führungskraft eingeschaltet. <?page no="39"?> 2.2. Führungsinstrumente im Praxiseinsatz 33 Der strukturierte Gesprächsbogen für das Mitarbeiterjahresgespräch: Ziel des Mitarbeitergesprächs ist es zu erfahren, ob besprochene Ziele umgesetzt wurden, wie zufrieden Sie mit der Arbeitssituation im Allgemeinen und insbesondere mit Ihrer derzeitigen Tätigkeit, dem Abteilungsklima und der Führungsperson sind. Gleichzeitig wird der direkte Vorgesetzte Ihnen seine Einschätzung mitteilen. Als Vorbereitung auf das Mitarbeitergespräch am _______ um _______ Uhr, bitte ich Sie, sich anhand der nachfolgenden Fragen Gedanken zu machen und die anschließenden Punkte zu beantworten. Beschreiben Sie die Hauptaufgaben des vergangenen Jahres. Welche zusätzlichen Aufgaben haben Sie im vergangenen Jahr neu übernommen? Welche dieser Aufgaben sind gut erledigt worden und warum? Welche dieser Aufgaben wurden nicht so gut erledigt und woran hat dies gelegen? Welche dieser Aufgaben machen Ihnen viel Spaß und welche bearbeiten Sie weniger gerne? Welche Faktoren - persönlich und auch außerhalb der eigenen Person - haben Ihnen geholfen, gute Leistungen zu erzielen? Welche Faktoren - persönlich und auch außerhalb der eigenen Person - haben gute Leistungen behindert? Was macht Sie zufrieden und was erzeugt Frust? Welche Ziele haben Sie sich für Ihre persönliche Entwicklung gesetzt und welche Maßnahmen sind zu deren Erreichung wichtig? Wo sehen Sie Veränderungen Ihres Aufgabenbereiches im kommenden Jahr und wo müssen deshalb Schwerpunkte gesetzt werden? In welchem Aufgabenbereich möchten Sie im nächsten Jahr Schwerpunkte setzen und warum? Welche Erwartungen haben Sie an Ihren Vorgesetzten? Über welche Dinge möchten Sie sonst noch sprechen? Zur Verlaufsüberprüfung sind Fragen auch per Bewertung in einer Skala von1 bis 10 zu beantworten. Hier steht die 1 für nicht erreicht bzw. besonders problematisch und die 10 für zur vollsten Zufriedenheit umgesetzt bzw. das Ziel erreicht. Für alle Fragen gilt das Prinzip der freiwilligen Beantwortung. <?page no="40"?> 2 Change-Management am Beispiel einer Betreuungsorganisation im psychiatrischen Handlungsfeld 34 Abb. 2.5: Jahresmitarbeitergespräch (Fragebogen für den Mitarbeiter) Name: Vorname: Gesprächsdatum: Funktion: Einsatzbereich: Vorgesetzter: 1. Was sind Ihre Arbeitsaufgaben? Wofür sind Sie verantwortlich? Verantwortung im Organisationsbereich (Schichtleitung, Praxisanleiter etc.) Verantwortungsbereich innerhalb des Wohnbereiches (z. B. Mitarbeit in Arbeitsgruppen etc.) ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ 2. Wie schätzen Sie Ihre Arbeitsergebnisse seit dem letzten Mitarbeitergespräch ein? Welche Ergebnisse wurden erzielt? Wurde die Zielvereinbarung erreicht? (Wenn Ja: Was hat Ihnen geholfen das Ziel zu erreichen; wenn Nein. Was hat Sie daran gehindert das Ziel zu erreichen) ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ <?page no="41"?> 2.2. Führungsinstrumente im Praxiseinsatz 35 3. Welche Aufgaben liegen Ihnen besonders, welche Kompetenzen sind besonders ausgeprägt? Fach-Methodenkompetenz: z. B. Projektmanagement, Moderationstechnik; Sozialkompetenz: z. B. Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Umgang mit den Klienten, Führungsqualität. Konnten Sie Ihre Kompetenzen einsetzen? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ 4. In welchen Bereichen möchte Sie Ihre Fähigkeiten verstärken oder aufbauen? Welche Fortbildungen oder Arbeitshilfen würden Ihnen dabei helfen? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ 5. Gibt es Vorstellungen/ Veränderungswünsche in der weiteren beruflichen Entwicklung? (Verantwortungsbereich, Funktion, Arbeitsbereich, Arbeitszeiten). Wurden Vereinbarungen umgesetzt? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ <?page no="42"?> 2 Change-Management am Beispiel einer Betreuungsorganisation im psychiatrischen Handlungsfeld 36 6. Gibt es Ziele für das folgende Jahr? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ 7. Welche Maßnahmen zum Erreichen der Ziele müssen umgesetzt werden? Welche Unterstützung benötigen Sie von Ihrem Vorgesetzten ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ 8. Wie empfinden Sie die Zusammenarbeit mit Ihrem direkten Vorgesetzten? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ _______________________________________________________________ <?page no="43"?> 2.2. Führungsinstrumente im Praxiseinsatz 37 9. Wie bewerten Sie die Entwicklung in der Zusammenarbeit? In welchen Bereichen möchte Sie Ihre Fähigkeiten verstärken oder aufbauen? Welche Fortbildungen oder Arbeitshilfen würden Ihnen dabei helfen? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ 10. Sonstiges: Bemerkungen / Wünsche und Anregungen ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ 11. Bereichsspezifische Fragen? ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ ________________________________________________________________ Ort, Datum___________________________ Unterschrift Mitarbeiter Unterschrift Führungskraft <?page no="44"?> 2 Change-Management am Beispiel einer Betreuungsorganisation im psychiatrischen Handlungsfeld 38 2.2.5 Besprechungswesen Teilnehmer: „Sie sagten, es gäbe noch weitere Instrumente in der Kommunikation mit den Mitarbeitern. Wie sehen diese konkret aus? “ Interner Coach: „Gemeinsam mit den Führungskräften wurden für den Fachbereich der Eingliederungshilfe völlig neue Kommunikationsstrukturen geschaffen. Die Konzeption einer dezentralen Betreuung schlug sich zunächst darin nieder, dass das Versorgungsgebiet in sogenannte Sozialräume unter geographischen, sozialplanerischen und lebensraumbezogenen Quartieren aufgeteilt wurde. So entstanden in einem ersten Schritt fünf Sozialräume im Versorgungsgebiet.“ Teilnehmer: „Und wie wurden die Teams zusammengestellt? “ Interner Coach: „In den einzelnen Sozialräumen, die sich bis heute etabliert haben, werden sämtliche stationären und ambulanten Betreuungsangebote vorgehalten. Ein wenig dem Zufall geschuldet ist die Tatsache, dass sich in jedem der Sozialräume eine stationäre Wohneinheit befindet. Somit stehen für alle Mitarbeiter Funktions- und Arbeitsräume zur Verfügung. Daneben haben sich sogenannte Tagesstruktur-Zentren entwickelt, die neben den Angeboten für Klienten auch Räume für die Mitarbeiter vorhalten. Entsprechend der jeweiligen Angebotsstruktur bestehen die multiprofessionellen Teams aus fachlich qualifizierten Mitarbeitern verschiedener Professionen wie z. B. Sozialarbeitern, Ergotherapeuten und Krankenpflegekräften. Ergänzt werden die Teams mit Hilfskräften, sie bilden einen Anteil zwischen 30% bis 50% des Gesamtteams eines Sozialraums.“ Teilnehmer: „Welche Ebenen und Teamstrukturen prägen einen Sozialraum? “ Interner Coach: „Der Fachbereich beschäftigt ca. 250 Mitarbeiter insgesamt. In den einzelnen Sozialräumen bilden alle zugehörigen Mitarbeiter das Sozialraumteam. In der Regel liegt die Größe dieser Teams je nach Angebotsstruktur bei 30 bis 60 Mitarbeitenden. Gemeinsam wurde in der Führungsgruppe ein Besprechungswesen konzipiert, welches folgende Eckpunkte berücksichtigt: Turnus der Teams Bezeichnung der Teams Benennung der Teilnehmenden Inhalte der Teams <?page no="45"?> 2.2. Führungsinstrumente im Praxiseinsatz 39 Je nach Einrichtungs- und Betreuungsart wird der Turnus festgelegt, wie z. B. „Täglich bei Schichtwechsel“ im stationären Wohnbereich oder „wöchentlich“ für Teams in ambulanten Betreuungsstrukturen. Die Bezeichnung der Teams reicht von „Übergabeteam“ bis „Sozialraumforum“ und wird durch die oberste Leitungsrunde definiert. Ebenso ergibt sich die Teilnahme aus der Tätigkeit der Mitarbeiter heraus. So richtet sich das „Übergabeteam“ an die Mitarbeiter aus dem aktuellen Dienst und jene des folgenden Dienstes. Unter dem Eckpunkt „Inhalte“ wird die inhaltliche Ausprägung der Teams beschrieben, wie z. B. für das Sozialraumteam die Inhalte „Trägerinformationen, Information der Leitung, Organisatorisches, Veranstaltungen etc.“. Eine detaillierte Auflistung aller Teams ist im QM-Handbuch des Fachbereichs hinterlegt und steht den Mitarbeitern auf einer EDV-Plattform zur Verfügung.“ Teilnehmer: „In welcher Form werden betreuerische Inhalte besprochen? “ Interner Coach: „Für diesen Bereich gibt es fallbezogene Reflexionsgespräche in den einzelnen Teams bzw. individuelle Gespräche mit betroffenen Mitarbeitern der Teams. Für die Teams ist es einmal im Jahr möglich, einen speziellen Teamtag außerhalb der Einrichtung durchzuführen. Dieses Instrument dient dem Team-Building bzw. der Teamhygiene bei oder nach schwierigen Betreuungsprozessen wie z. B. gewalttätige Übergriffe durch Klienten. Weiterhin bietet ein jährlich durchgeführter Sozialraumtag den Mitarbeitern die Möglichkeit, ihre Angebote zu präsentieren bzw. sich über die Aktivitäten der anderen Sozialräume zu informieren. Dieser Tag steht allen Mitarbeitenden des Trägers offen, externe Teilnehmer sind nicht vorgesehen.“ Teilnehmer: „Sie sprachen von Supervision und Coaching? “ Interner Coach: „Beginnen wir mit der Supervision.“ <?page no="46"?> 2 Change-Management am Beispiel einer Betreuungsorganisation im psychiatrischen Handlungsfeld 40 2.2.6 Teamsupervision Auf die Möglichkeit einer Teamsupervision greifen Teammitglieder des Trägers oftmals erst dann zurück, wenn „das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist“ und sich bestimmte Probleme und Konflikte über längere Zeit oder akut zugespitzt haben. In der Tat sind langwierige Probleme am Arbeitsplatz häufig der Anlass zur Inanspruchnahme dieses Angebots. Um eine Supervision sinnvoll einzusetzen, muss aber nicht unbedingt ein Krisenfall eingetreten sein. Teilnehmer: „Wozu kann Supervision darüber hinaus dienen? “ Interner Coach: „Die Hauptindikationen, die sich in der Supervisionsarbeit bei unserem Träger immer wieder herauskristallisieren, lassen sich wie folgt kategorisieren: Indikationen zur Supervision: Teamaufbau Teamreflektion Problem- und Konfliktdiagnose Problem- und Konfliktlösung Unterstützung sozialer Prozesse Teilnehmer: „Was kann ich unter den einzelnen Kategorien verstehen? “ Interner Coach: „Teamaufbau. Neu gebildete Teams unterstützen durch Supervision ihren Teamaufbau. Die Supervision geht dann in die Richtung einer präventiven Teamentwicklung. Ein neues Team kann dabei z. B. im Rahmen seiner Kompetenzen schon am Anfang die Grundlagen und Regeln für die künftige Zusammenarbeit festlegen: Welche Ziele haben wir? Wer hat welche Rolle? Welche Aufgaben gibt es? Wer übernimmt diese im Einzelnen? Die Supervision trägt mit zum gegenseitigen Kennenlernen bei, der Grundlage für Vertrauen und Akzeptanz im Team. Für eventuelle Konflikt- und Krisenfälle lassen sich dabei schon im Vorfeld Regeln des Vorgehens vereinbaren. Teamreflektion. Wird Supervision im Sinne einer Teamreflektion genutzt, dann um in größeren Zeitabständen von einigen Monaten das Teamgeschehen und die Qualität der Zusammenarbeit gemeinsam zu betrachten: Welches waren die Team-Erfolge bzw. die Teamschwierigkeiten der letzten sechs Monate? Was sind die Ziele des Teams, inwiefern wurden sie erreicht? Wie war die Kommunikation miteinander? <?page no="47"?> 2.2. Führungsinstrumente im Praxiseinsatz 41 Problem- und Konfliktdiagnose. Wendet sich ein Team an die Supervision, weil das Gefühl vorherrscht, uneffektiv und lustlos zu arbeiten, ohne jedoch die Ursache dafür zu kennen, dann besteht die Aufgabe der Supervision zunächst in einer Diagnose der zugrundeliegenden Konflikte und Probleme: Warum läuft etwas schief? Nach ihrer Identifikation erarbeitet das Team angemessene Strategien, um sie künftig entweder zu vermeiden oder besser zu bewältigen. Problem- und Konfliktlösung. Liegt bereits im Vorfeld ein klar umrissenes Problem vor, dient Supervision dazu, gemeinsam an dessen Bewältigung zu arbeiten und Maßnahmen zur Verbesserung zu planen: Was ist zu tun? Wer übernimmt was? Wie und wann wird der Erfolg überprüft? Hierbei hat Supervision gelegentlich Gemeinsamkeiten mit Qualitätszirkeln. Unterstützung sozialer Prozesse. Besteht das Anliegen eines Teams vor allem darin, in der Supervision die zwischenmenschlichen Beziehungen, die soziale Unterstützung und das Klima der Zusammenarbeit zu beleuchten, dient die Supervision der Unterstützung sozialer Prozesse: Wer kann was dazu beitragen, dass man sich wohl fühlt am Arbeitsplatz? Ziel ist das Schaffen eines positiven Arbeitsklimas, als Grundlage dafür, dass die Teammitglieder gern ihren jeweiligen Aufgaben nachgehen. Ein Team entscheidet jeweils selbst darüber, welches dieser Ziele es in einer Supervision angehen möchte. Die Anzahl und Häufigkeit der Sitzungen werden durch die Führungskräfte festgelegt, die Entscheidung über den Supervisor trifft das Team in Selbstverantwortung. An dieser Stelle verweise ich nochmals auf das im Buch beschriebene Instrument TKI „(Thomas-Kilman Conflict Mode Instrument).“ 2.2.7 Fallsupervision Teilnehmer: „Worin liegt der Unterschied zur Teamsupervision? “ Interner Coach: „Im Gegensatz zur Teamsupervision beschäftigt sich die Fallsupervision mit konkreten Fragen aus der Betreuungsarbeit mit Klienten. Es werden einzelne problematische Situationen bzw. Anliegen aus dem direkten beruflichen Kontext des Mitarbeiters aufgegriffen und besprochen. Dieser (Supervisand) stellt für eine abgestimmte Zeiteinheit das für ihn bestehende Problem in der Teamgruppe vor (z. B. Klient hält sich fortgesetzt nicht an verabredete Vereinbarungen). Die anderen Teammitglieder interagieren ausschließlich zum vorgestellten Fall und arbeiten über den gesamten Zeitraum für den Supervisanden. Bei gemischten Gruppen, die sich zur gemeinsamen Fallsupervision treffen, liegt der hohe Wert dieser Supervisionsgruppen in der Vielfalt der <?page no="48"?> 2 Change-Management am Beispiel einer Betreuungsorganisation im psychiatrischen Handlungsfeld 42 Supervisionsteilnehmer, die durch deren verschiedene Erfahrungen, unterschiedlichen beruflichen Backgrounds und Sichtweisen entsteht.“ Teilnehmer: „Welche Erfahrungen kann der Supervisand aus der Fallsupervision mitnehmen? “ Interner Coach: „Entlang des konkreten Falls aus der praktischen Tätigkeit geht es darum, das eigene Handeln zu überprüfen, die Wahrnehmung zu schärfen und ein besseres Verstehen des jeweiligen Falls zu ermöglichen. Der vorstellende Supervisand wird dabei unterstützt, seine eigenen Handlungsmöglichkeiten zu erweitern, Übertragungen und blinde Flecken zu erkennen, Blockierungen aufzulösen, Eigenanteile und Verstrickungen zu bearbeiten und neue Sichtweisen und Strategien zu entwickeln.“ Teilnehmer: „Muss der Supervisand die Ergebnisse einer Fallsupervision übernehmen? “ Interner Coach: „Nein, dem fallvorstellenden Supervisanden werden die erarbeiteten Lösungsmöglichkeiten zur freien Verfügung angeboten. Es liegt in dessen Entscheidung, welche Ansätze und Ideen er für nützlich und hilfreich bewertet und seiner Fragestellung zum Fall möglicherweise zuträglich sind.“ Teilnehmer: „Was haben die anderen Teammitglieder von einer Fallsupervision? “ Interner Coach: „Die anderen Supervisionsteilnehmer haben ihrerseits ebenfalls die Möglichkeit, nützliche Anregungen und Ideen mitzunehmen, die sie in ihrem beruflichen Kontext umsetzen können. Darüber hinaus bietet die Fallsupervision dem Vortragenden wie auch den anderen Teilnehmern den Vorteil, sich die Klienten während der Fallsupervision in einer gewissen Tiefe anzusehen bzw. auch z. B. mit Hilfe von Aufstellungen (siehe Kapitel 2.2.1) reinzufühlen.“ 2.2.8 Teamcoaching Teilnehmer: „Was ist der Unterschied von Teamcoaching zu Supervision? “ Interner Coach: „Teamcoaching beschreibt im Gegensatz zur Supervision Maßnahmen, die durch Führungskräfte definiert und eingeleitet werden. Anders als bei der Supervision wählt die Führungskraft den Coach aus und beauftragt diesen mit einer konkreten Fragestellung zur Erreichung bestimmter Unternehmensziele.“ <?page no="49"?> 2.2. Führungsinstrumente im Praxiseinsatz 43 Teilnehmer: „Wie kann ich mir das konkret vorstellen? “ Interner Coach: „Lassen Sie mich zunächst mit einem Zitat der European Coaching Association e.V. (ECA), Düsseldorf, antworten: ´Professionelles Team Coaching schafft eine zukunfts- und unternehmensorientierte, produktive, lösungs- und zielorientierte Zusammenarbeit unter den einzelnen Team-Mitgliedern eines Unternehmens. Team Coaching findet in einer vertrauensvollen, empathischen, durch gegenseitige Sympathie geprägten Interaktion zwischen Coach und Team-Mitgliedern statt. Die Begegnung ist partnerschaftlich auf Augenhöhe. Ziel ist die Umsetzung der zuvor genau festgelegten Vorgaben der Unternehmensleitung. So ist jedes einzelne Teammitglied bspw. nach erfolgreicher Implementierung eines „Corporate Identity“ nicht nur Träger, sondern vor allem auch Multiplikator innerhalb und außerhalb des Unternehmens: Das Team wird zum Manager und Repräsentanten der Unternehmensziele und Unternehmens-Vision / - Mission / - Erfolg.´“ Teilnehmer: „Mit welchen Fragestellungen beschäftigt sich Teamcoaching? “ Interner Coach: „Teamcoaching ist auf allen Hierarchieebenen eines Unternehmens einsetzbar. In Führungsteams werden Themen wie z. B. Implementierung eines Corporate Indentity, Optimierung der Arbeitsabläufe und Schnittstellen, Rollenverteilung, Erarbeitung von Assessments (s. Kap. 2.2.3), Weiterentwicklung von Kernkompetenzen oder ökonomische Unternehmensziele bearbeitet. In den Mitarbeiterteams wird Teamcoaching eingesetzt zur Intervention in akute oder schwelende Konfliktsituationen als auch zur Verbesserung der Kommunikation, zum Aufzeigen von Verhaltensoptionen, zum Umgang mit Emotionen innerhalb eines Teams und damit zur Optimierung der Zusammenarbeit. Für alle Teamebenen eignet sich Teamcoaching zur Steigerung der Zusammengehörigkeit, Motivation, Belastbarkeit, Stressresistenz und einer damit verbundenen Steigerung der Leistung.“ Teilnehmer: „Können Sie das Teamcoaching an einem praktischen Beispiel aus Ihrem Arbeitsalltag beschreiben? “ Interner Coach: „Lassen Sie mich eine Konfliktsituation in einem unserer Betreuungsteams schildern: „Ein Teamleiter nimmt in seinem Team seit mehreren Wochen eine konfliktbeladene Stimmung zu Entscheidungen der Teamleitung wahr. Ein Teammitglied exponiert sich dabei in besonderem Maße und kritisiert durch die Teamleitung getroffene Entscheidungen. Insbesondere der Umzug der <?page no="50"?> 2 Change-Management am Beispiel einer Betreuungsorganisation im psychiatrischen Handlungsfeld 44 Einrichtung in einen anderen Stadtteil sorgt für Spannungen im Team. Wer geht mit an den neuen Standort, was passiert mit denjenigen, die nicht umziehen wollen etc. Nach und nach entsteht der Eindruck, dass weitere Teammitglieder ebenfalls „angesteckt“ sind und zunehmend Entscheidungen der Teamleitung kritisieren bzw. ein unspezifisches Gefühl von Verunsicherung und Unzufriedenheit äußern. Die Teamleitung identifiziert konkret einen Mitarbeiter, der zunehmend „sein eigenes Süppchen kocht“ und andere Teammitglieder negativ beeinflusst. Da sich die Atmosphäre in diesem Team nicht positiv verändert, wird durch die Teamleitung ein Teamcoaching angefragt. Auf Leitungsebene wird der Auftrag für eine Coachingmaßnahme definiert und schriftlich fixiert.“ Teilnehmer: „Wie sah der Auftrag genau aus? “ Interner Coach: „Der beauftragte Coach hatte den Auftrag, zunächst eine Analyse der akuten Konfliktsituation des Teams unter folgenden Fragestellungen durchzuführen: Wie kommuniziert das Team untereinander, wie verläuft die Kommunikation zwischen Teamleitung und Teammitgliedern und welche Rollenverteilung ist innerhalb des Teams etabliert. Auf Basis der Analyseergebnisse sollten über einen festgelegten Zeitraum von zunächst 12 Monaten folgende Ziele erreicht werden: 1. Eine deutliche Verbesserung der Kommunikation innerhalb des Teams, 2. Der Umgang mit Emotionen innerhalb eines Teams sollte professioneller und fachlicher gesteuert sein, 3. Durch die Erarbeitung von transparenten Regeln im Umgang miteinander sollte die Zusammenarbeit optimiert werden. 4. Schaffung einer Grundlage für anstehende Personalentscheidungen. Teilnehmer: „Konnten die Ziele im vorgegebenen Zeitraum erreicht werden? “ Interner Coach: „Größtenteils ja, durch gezielte Interventionen des Coaches konnten die Konfliktlinien innerhalb des Teams analysiert und teilweise aufgelöst werden. Unsicherheiten, die durch den Umzug der Einrichtung bedingt waren, konnten offensiv angegangen werden, so z. B. mit folgendem Arbeitsauftrag an die Leitung: ´Sprechen Sie doch den Leiter an, was denn nun mit dem neuen Standortpersonal ist. Es sei auch eine Frage der Wertschätzung, dass man vier Monate vor dem Umzug wisse, ob man denn nun an den neuen Standort komme, oder was auch immer´. <?page no="51"?> 2.2. Führungsinstrumente im Praxiseinsatz 45 Nach Abstimmung mit dem Coach und der Teamleitung wurde die oberste Leitung in das Team eingeladen und erläuterte das gesamte Umzugsthema. Im weiteren Coachingprozess konnte diese Thematik offen und konstruktiv kommuniziert werden. Die Ängste im Zusammenhang mit dem „gefühlten Auseinanderbrechen“ des Teams, der Umgang untereinander und die Ängste im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Umzug konnten unter Begleitung durch das Coaching zunehmend offener diskutiert werden. Die Teammitglieder äußerten sich zufrieden mit dem Verlauf der Gespräche und sahen sich weiterhin auf einem guten Weg.“ Teilnehmer: „Konnte sich das Team aus heutiger Sicht dauerhaft stabilisieren? “ Interner Coach: „Natürlich gab es auch Rückschläge im Coachingprozess. Insbesondere die eher kritisch eingestellten Mitarbeiter sorgten durch verstärktes Agieren von Zeit zu Zeit für Unruhe im Team. Für die dauerhafte Stabilität des Teams sorgte letztendlich ein Wechsel in der Teamleitung. Bedingt durch die starke Führungskompetenz konnte der neue Teamleiter eine deutlich höhere Transparenz und Offenheit dem Team gegenüber zeigen. In versachlichten Diskussionen wurde das Thema Umzug zielorientiert fortgeführt, durch klare Rollenzuweisungen wurden verbindlich Verantwortungsbereiche und Zuständigkeiten festgelegt. Die Atmosphäre im Team verbesserte sich spürbar, der Umzug an den neuen Standort verlief optimal und die Kommunikationskompetenz innerhalb des Teams verbesserte sich deutlich. Nach einer Laufzeit von einem Jahr konnte der Coachingprozess wie geplant beendet werden. In der Folgezeit entschied sich das Team zu einer punktuellen Wiederaufnahme des Coachingprozesses um sich mit dem Thema: ´Die richtigen Dinge zeitnah ansprechen! Verkleinerung des „blinden Flecks“ - Feedback! ´ auseinander zu setzen. Dies wurde durch die Teamleitung unterstützt und konnte in einem Zeitraum von sechs Monaten erfolgreich umgesetzt werden.“ 2.2.9 Der Blick in die Zukunft Die oben beschriebenen Führungsinstrumente sind heute integraler Bestandteil unseres Unternehmens. Unternehmensentwicklung ist eine Daueraufgabe und große Herausforderung für jedes Unternehmen. Aus der sich dynamisch entwickelnden Umwelt ergeben sich immer neue Anforderungen auch in Unternehmen im Sozial- und Gesundheitswesen, denen wir uns täglich stellen müssen, <?page no="52"?> 2 Change-Management am Beispiel einer Betreuungsorganisation im psychiatrischen Handlungsfeld 46 um die Existenz des Unternehmens langfristig zu sichern. Eine langfristige Organisationsentwicklung umfasst neben der Ziel- und Strategieentwicklung und dem Aufbau effektiver Strukturen und effizienter Prozesse auch eine vorausschauende Personalentwicklung, die Entwicklung einer wertebasierten Unternehmenskultur und vieles mehr. Organisationsentwicklung und Veränderungsmanagement (Change Management) gehören in jedem Unternehmen untrennbar zusammen. Nur so lassen sich neuen Herausforderungen erfolgreich meistern und Unternehmensziele erreichen. Gesunde Unternehmensentwicklung führt nur dann zu mehr Rentabilität und Effizienz, wenn alle Mitarbeiter in den Veränderungsprozess aktiv einbezogen werden. Ihre Qualifikationen, Kompetenzen und verborgenen „Schätze“ entscheiden über den Unternehmenserfolg. Wir haben in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten umfangreiche Erfahrungen damit gemacht, diese manchmal auch verborgenen Potenziale im Rahmen unserer Unternehmensentwicklung zu heben. Für die zukünftige Entwicklung des Trägers hat sich die Geschäftsführung in diesem Jahr dazu entschieden, die anstehenden Änderungen auf Basis der Managementmethode `Balanced Scorecard´ für alle Bereiche des Unternehmens zu realisieren. Die Balanced Scorecard ist ein Verbindungsglied zwischen Strategiefindung und -umsetzung. In ihrem Konzept werden die traditionellen finanziellen Kennzahlen durch eine Kunden-, eine interne Prozess- und eine Lern- und Entwicklungsperspektive ergänzt. Der Fachbereich ´Eingliederungshilfe´ des Trägers sieht diese Entwicklung als gute Perspektive, die bisher erreichten Ziele im Rahmen der Führungskräfteentwicklung konstruktiv und innovativ einzubringen. <?page no="53"?> 47 3 Unterstützung und Begleitung von Führungskräften Um Changemanagement erfolgreich gestalten und den damit einhergehenden Anforderungen an Führung gerecht werden zu können, bedarf es der Begleitung und Unterstützung von Führungskräften in ihrem betrieblichen Alltag. Unternehmensleitbilder sind in dieser Hinsicht insofern eine wichtige Voraussetzung, eine „sine qua non“, als durch sie ein Rahmen, eine „Unternehmensphilosophie“ sowie eine bedeutsame Orientierungshilfe für das berufliche Handeln aller formuliert werden. Damit einhergehende Führungsgrundsätze liefern nicht nur Zielsetzungen für die tägliche Führungspraxis, sondern auch verbindliche Regeln für das Miteinander im Unternehmen. Unternehmensleitbilder und Führungsgrundsätze bilden die Basis einer von allen Beschäftigten geteilten Organisationskultur. Methoden der internen und / oder externen Begleitung verhelfen Führungskräften dazu, diese auch nachhaltig im Sinne des Unternehmens zu leben. Diesem Gedankengang folgend zeigen wir zunächst anhand von Praxisbeispielen auf, wie sich die Organisationskultur eines Unternehmens beschreiben und wie sich darauf abgestimmte Leitbilder und Führungsgrundsätze entwickeln lassen. Im Weiteren wird aufgezeigt, wie Führungskräfte als Moderatoren mit ihren Teams kreativ Probleme und Themen des betrieblichen Geschehens lösen, wie sie durch Coaching begleitet und unterstützt werden und Konflikte kooperativ bewältigen können. <?page no="54"?> 3 Unterstützung und Begleitung von Führungskräften 48 3.1 Mitarbeiterbefragungen zur Beschreibung der Organisationskultur Bevor wir uns Möglichkeiten der Optimierung der Organisationskultur zuwenden, erörtern wir zunächst Möglichkeiten ihrer Beschreibung. Zur Erfassung ihrer unterschiedlichen Facetten des Organisationklimas wird zumeist mit Mitarbeiterbefragungen gearbeitet. Erste eigene Erfahrungen reichen etwa 25 Jahre zurück, wo wir den wohl bekanntesten Betriebsklimafragebogen von Lutz von Rosenstiel eingesetzt haben. Teilnehmer: „Zum besseren Verständnis - wie lassen sich die drei Begriffe ‚Organisationskultur‘, ‚Organisationsklima‘ und ‚Betriebsklima‘ voneinander abgrenzen oder sind sie als Synonyme zu verstehen? “ Coach: „Das ‚Betriebsklima‘ steht umgangssprachlich für die Stimmung oder Atmosphäre, die von den Mitarbeitern für ihren Betrieb oder ihre Organisationseinheit als typisch wahrgenommen und bewertet werden. Es werden in erster Linie soziale Aspekte fokussiert, strukturelle eher vernachlässigt. Wissenschaftlich relevanter ist das Organisationsklima, das als die, durch die Mitarbeiter erlebte und durch ihr Verhalten beeinflusste, relativ überdauernde Qualität der inneren Umwelt der Organisation über die Werte einer bestimmten Menge von Organisationsmerkmalen beschrieben werden kann. Die von den Mitarbeitern geteilte Wahrnehmung der betrieblichen Bedingungen berücksichtigt nicht allein soziale Aspekte, sondern alle für die Mitarbeiter relevanten Aspekte der Organisation (Kollegen, Vorgesetzte, Ablauforganisation, Mitsprachemöglichkeiten, Interessenvertretung, …). Wie später noch dargestellt wird, lässt sich demzufolge der ‚Betriebsklima-Fragebogen‘ von Rosenstiel auch als Instrument zur Messung des ‚Organisationsklimas‘ verstehen. Während über das Organisationsklima bewusst wahrgenommene, kontrollierbare Prozesse der Umwelt erfasst werden (sollen), bezieht sich die Organisationskultur weitergehend auf tief verankerte, häufig nicht bewusste Werte und Annahmen und bildet somit einen Oberbegriff für die Gesamtheit der gemeinsamen Grundannahmen, Werte und Normen der Mitglieder einer Organisation. Zeit- und gruppenspezifisch weithin akzeptiert, wird die Organisationskultur von (fast) allen geteilt und sorgt für die Einbindung der Mitarbeiter in die Organisation, wobei sie einem ständigen Wandel unterliegt. Zudem wird der Begriff Organisationskultur als Metapher für ein theoretisches Verständnis für Organisationen verwendet, wonach Traditionen, Werte und Normen von entscheidender Bedeutung für den Erfolg des Unternehmens sind. Vor dem Hintergrund dieser Prämisse macht es selbstverständlich sehr viel Sinn, <?page no="55"?> 3.1 Mitarbeiterbefragungen zur Beschreibung der Organisationskultur 49 sich mit geeigneten Methoden zur Erfassung des Organisationsklimas auseinanderzusetzen, um darauf aufbauend Maßnahmen zur Optimierung der Organisationskultur zu erwägen.“ Teilnehmer: „Sie sprachen diesbezüglich bereits den Betriebsklima-Fragebogen von Lutz von Rosenstiel an. Allerdings führten Sie auch aus, dass sie diesen bereits vor etwa 25 Jahren zum ersten Mal angewendet haben. Lässt sich dieser Bogen überhaupt noch auf die heutige Situation übertragen? “ Coach: „Der 1992 in vierter Auflage veröffentlichte Betriebsklimafragebogen ist für unsere Überlegungen insofern von Belang, als er zwei wesentliche Gütekriterien aufweist, die bei der Wahl einer Mitarbeiterbefragung für das eigene Unternehmen ausschlaggebend sein sollten. Zum einen werden zahlreiche Facetten des Organisationsklimas erfasst: Kollegen, Vorgesetzte, Organisation, Information und Mitsprache, sowie betriebliche Leistungen. Zum anderen bietet der Betriebsklimafragebogen gute Interpretationsmöglichkeiten. Anhand einer Stichprobe von ca. 25.000 Mitarbeitern aus 60 Betrieben, meist in Bayern, ist eine Prozentrangskala abgeleitet worden. Demnach wird bei einem Rang > 75 % das Klima in diesem Aspekt als exzellent wahrgenommen, Unterschiede im Bereich zwischen 25 % und 75 % sind vorsichtig zu interpretieren, bei einer Unterschreitung der gängigen Standards um 25 % ist zwingend von einer Handlungsempfehlung auszugehen. Zudem lassen sich die nach wie vor inhaltlich durchaus zeitgemäßen 85 Fragen, bzw. Items mit einer Bearbeitungsdauer von etwa 20 Minuten auf einer jeweils fünfstufigen Skala von „stimmt“ bis „stimmt nicht“ wenig zeitaufwendig einschätzen. Inwieweit heute 25.000 Mitarbeiter in bayrischen Unternehmen ihre Kreuze weiter links oder rechts machen würden - wir wissen es nicht. Allerdings glauben wir, dass sich wegen der großen Stichprobe eher nur tendenzielle Abweichungen ergäben. Von daher sollte aus unserer Sicht nichts gegen eine Interpretation eigener Ergebnisse mittels der beschriebenen Prozentrangskala sprechen, zumal auch in uns vorliegenden anderen, aktuelleren Verfahren vergleichbare Items ausgewählt worden sind und ähnliche Mittelwerte ausgewiesen werden.“ Teilnehmer: „Ihren Überlegungen folgend drängt sich eine Frage nahezu auf: Wie wird weiter mit den Ergebnissen einer Befragung verfahren? “ Coach: „Lassen Sie es mich an einem Beispiel aus einer Kooperation mit einem Fertigungsbetrieb verdeutlichen, wo der Betriebsklimafragebogen im Rahmen eines Changemanagement-Prozesses in einem jährlichen Rhythmus dreimal eingesetzt worden ist. Ich beschränke mich bei meinen Ausführungen zunächst auf den Bereich ‚Vorgesetzte‘. Abb. 3.1 zeigt das Ergebnis auf das mit Piktogrammen in der Form von Smileys einzuschätzende Item: ‚Die Führung durch die <?page no="56"?> 3 Unterstützung und Begleitung von Führungskräften 50 Vorgesetzten ist …‘ Abgestuft sind 5 Punkte bis zum freundlichsten Smiley zugeordnet worden. September 2010 Abb. 3.1 Die Führung durch die Vorgesetzten ist ... Im September 2010 ergibt sich demnach ein Mittelwert über alle Befragten von 3,22, was auf einen Unterschied zur Norm im Bereich zwischen 25 % und 75 % hinweist und von daher vorsichtig zu interpretieren ist. Wie die Säulen zeigen, liegt das Ergebnis zwar oberhalb der Norm und auch oberhalb eines Schwesterunternehmens an einem anderen Standort (PTG), zeigt jedoch im Vergleich zu den Vorjahren eine leicht abfallende Tendenz. Der Darstellung lässt sich weiter entnehmen, dass die Ergebnisse der Vorgesetzten (Säulen A bis H) allesamt oberhalb der Norm liegen. Dem hohen Niveau der Führungskräfte entsprechend sind im nächsten Schritt die Items des Bereichs ‚Vorgesetzte‘ einzeln betrachtet worden, um Hinweise auf den leichten Abwärtstrend zu finden. Als ein Beispiel sei das Ergebnis des Items ‚Die Stimmung bei uns ist abhängig von den Launen der Vorgesetzten‘ (Abb. 3.2 auf der Folgeseite) dargestellt. <?page no="57"?> 3.1 Mitarbeiterbefragungen zur Beschreibung der Organisationskultur 51 September 2010 Abb. 3.2 Die Stimmung bei uns ist abhängig von den Launen der Vorgesetzten In dieser Hinsicht bestätigt sich nicht nur der Abwärtstrend, sondern es zeigt sich auch, dass die Vorgesetzten des Schwesterunternehmens (PTG) besser eingeschätzt werden. Ein Grund hierfür dürfte in den Ergebnissen der Vorgesetzten G und H liegen. Ein Blick in den Bereich ‚Information und Mitsprache‘ des Betriebsklimafragebogens unterstreicht, dass zumindest der Vorgesetzte H (vgl. Abb. 3.3 auf der Folgeseite) sein Führungshandeln reflektieren sollte. Aufgrund seines Ergebnisses hat sich der Vorgesetzte H dazu entschlossen, in einem Coaching an seiner Außenwirkung und seinem Informationshandeln zu arbeiten.“ Teilnehmer: „Eine nachvollziehbare Entscheidung - nur, wie konnten Sie sicherstellen, dass die Ergebnisse einwandfrei diesem Vorgesetzten zugeordnet werden konnten. Schließlich heißt das Item ja ‚Die Stimmung bei uns ist abhängig von den Launen unserer Vorgesetzten‘ …“ <?page no="58"?> 3 Unterstützung und Begleitung von Führungskräften 52 September 2000 Abb. 3.3 Über wichtige Dinge und Vorgänge in unserem Betrieb sind wir ausreichend informiert Coach: „In diesem Unternehmen haben wir uns dafür entschieden, an einer Teamsitzung bei Abwesenheit des Vorgesetzten zum Tagesordnungspunkt ‚Mitarbeiterbefragung‘ teilzunehmen, den Fragebogen dort vorzustellen, auszugeben, gleich ausfüllen und in einem verschlossen Umschlag abgeben zu lassen, so dass die Anonymität der Befragung gewährleistet werden konnte und eine eindeutige Zuordnung bei hoher Teilnehmerquote möglich gewesen ist. Nach meinen Erfahrungen steht und fällt die Akzeptanz der Fragebogenergebnisse mit der Relevanz der Fragen und eben diesen beiden letztgenannten Aspekten. Auch hier sei ein Beispiel aus unserer Beratungspraxis angeführt. Bei einem Global-Player werden an allen Standorten weltweit alle zwei Jahre zum gleichen Zeitpunkt PCs wie in Wahlkabinen nebeneinander aufgestellt, an denen die Mitarbeiter freiwillig während ihrer Arbeitszeit online an einer Befragung teilnehmen können. <?page no="59"?> 3.1 Mitarbeiterbefragungen zur Beschreibung der Organisationskultur 53 Eingangsfragen ermöglichen die Zuordnung der Befragten zu Organisationseinheiten, in der Regel zu Kostenstellen. 76 fortlaufende Items sind zu Kategorien zusammengefasst: Nachhaltiges Engagement, Karriere- und Fähigkeitsentwicklung, Kommunikation und Leitbild, Unternehmensimage, Compliance und Anstand, Unternehmensführung, Innovation und Befähigung, Direkte Führungskraft, Gesundheit und Arbeitssicherheit, Zusammenarbeit, Kundenorientierung, Qualität und Effizienz, Vergütung und Leistung sowie Bindung und Zufriedenheit. Die Ergebnisse werden sowohl für die einzelnen Items als auch für die Kategorien dargestellt. Es wird aufgezeigt, wieviel Prozent der Befragten auf der fünfstufigen Skala positiv mit ‚Stimme zu‘ oder ‚Stimme eher zu‘ geantwortet haben. Die neutrale Einstufung ‚? ‘ und die negativen Bewertungen ‚Stimme eher nicht zu‘ und ‚Stimme nicht zu‘ werden nicht dargestellt. Abweichungen zu den Normen ‚Historisch‘ (eine frühere Umfrage), ‚Elterneinheit‘ (die Muttergesellschaft), ‚Unternehmen gesamt‘ (der Konzern) und ‚Branche‘ (Vergleichsnorm des Anbieters) werden als Prozentpunkte farblich dargestellt, grün die positiven, rot die negativen, grau - kein Unterschied. Statistisch signifikante Abweichungen werden besonders herausgestellt. Alles in allem durchaus eine runde Sache, wären da nicht die Akzeptanzprobleme, die mir Bereichsleiter einer Tochterfirma des Konzern mitteilten, in dem ich zur gleichen Zeit als Coach für Führungskräfte und Teams gearbeitet habe: 1. Bei einer Teilnehmerquote von meist nur etwa 20 % pro Kostenstelle ließe sich aus den Ergebnissen bestenfalls eine Tendenz ableiten. Die geringe Teilnahme der Mitarbeiter sei darauf zurückzuführen, dass die Teilnehmer schon bei der vorherigen Befragung Schwierigkeiten mit der Software gehabt hätten und den Sinn vieler Items anzweifelten und sie zum Teil nicht verstünden. 2. Das Interesse des ‚normalen‘ Werkers konzentriere sich auf das Geschehen in seinem unmittelbaren Umfeld und weniger auf Themen wie Leitbild, Unternehmensimage oder Compliance. Items wie ‚Unser Leitbild gibt mir eine Orientierung bei meiner täglichen Arbeit‘ stießen bei ihm auf Unverständnis. 3. Zudem seien die Ergebnisse, die den Bereich der Mitarbeiter direkt beträfen nicht eindeutig interpretierbar. Als Beispiel sei eine Kostenstelle angeführt, wo 22 von 96 Mitarbeitern laut Ergebnisdarstellung an der Befragung teilgenommen hätten. Der Bereichsleiter, fünf Meister und vier Schichtführer (erste Werker) hätten laut eigenen Angaben an der Befragung teilgenommen, <?page no="60"?> 3 Unterstützung und Begleitung von Führungskräften 54 blieben also nur noch 12 Werker. Nun stelle sich die Frage, welcher direkte Vorgesetzte gemeint ist, wenn ein Item wie ‚Meine direkte Führungskraft geht mit gutem Beispiel voran‘ aus der Kategorie ‚Direkte Führungskraft‘ beantwortet wird. Schließlich werde ja nur das Gesamtergebnis der Kostenstelle dargestellt. Nichtsdestotrotz waren insbesondere die Bereichsleiter gefragt, die Ergebnisse der Befragung den Mitarbeitern vorzustellen und mit ihnen zu diskutieren, was sie über die Ergebnisse denken, ob die Ergebnisse ihren Erwartungen entsprechen, was überraschend/ unerwartet, bzw. positiv und negativ war und ob die Ergebnisse, Änderungen und Probleme der letzten 12 bis 18 Monate widerspiegeln. Zudem sollte reflektiert werden, welche Initiativen es gibt, die einige dieser Probleme angehen und was noch zu tun ist. Einige Bereichsleiter entschieden sich, die Diskussion in Workshops mit externer Moderation zu führen. So sind zur Vorbereitung der Workshops im Führungskreis eines Bereichs (Bereichsleiter, Meister und 1. Werker) neben der Vorgehensweise Items aus den Kategorien bestimmt worden, die insofern besonders relevant für das Führungsverhalten der Vorgesetzten sind, als sie ihnen einen Blick auf den ‚blinden Fleck‘ ermöglichen und somit Denkanstöße zur Optimierung ihres Führungshandelns ermöglichen. Der ‚blinde Fleck‘ ist Teil des sogenannten Johari-Fensters (vgl. Abb. 3.4.) und enthält Informationen darüber, wie der jeweilige Adressat von Anderen wahrgenommen wird. Durch die Reflexion des Feedbacks der Anderen erschließen sich dem Feedbacknehmer Möglichkeiten, sein Handeln zu überdenken und ggf. zu ändern. Abb. 3.4: Johari-Fenster Mir selbst bekannt Mir selbst nicht bekannt Anderen bekannt Öffentlicher Bereich Blinder Fleck Anderen nicht bekannt Privatbereich (Intimsphäre) Tiefenbereich (Unbewusste) <?page no="61"?> 3.1 Mitarbeiterbefragungen zur Beschreibung der Organisationskultur 55 Die Workshops für das Team von jeweils einer direkten Führungskraft sind dann in drei Teilen durchgeführt worden: 1. Die direkte Führungskraft präsentiert seinem Team das Ergebnis der Mitarbeiterbefragung. Die anschließende Ergebnisdiskussion bestätigt in allen Fällen die auf der vorherigen Seite bereits dargestellten Akzeptanzprobleme. 2. Dem Team werden die vom Führungskreis ausgewählten Items der Mitarbeiterbefragung vorgestellt, wobei unter Verweis auf das Johari-Fenster eingehend begründet wird, warum diese Items von Relevanz für die Optimierung des Führungshandelns sind. Die Items sind auf Metaplankarten geschrieben und linksbündig auf einer Metaplantafel angebracht. Rechts von ihnen befinden sich die Bewertungsfelder: Item ++ + ? - -- Der Anzahl der Items entsprechend erhalten die Mitarbeiter Klebepunkte, die sie dann bei Abwesenheit der direkten Führungskraft in das jeweilige Bewertungsfeld einkleben. Anschließend wird die Punkteverteilung reflektiert und mit dem Befragungsergebnis für den gesamten Bereich verglichen. In einem anschließenden Brainstorming werden weitere Themen ermittelt, die für die Optimierung des Teams relevant sind. 3. Der Moderator stellt dem wieder hinzugerufenen direkten Vorgesetzten sowohl die Punkteverteilung als auch das Ergebnis des Brainstormings vor und bittet um eine erste Stellungnahme. Später werden im Führungskreis alle Ergebnisse diskutiert und Maßnahmen erwogen, die den Mitarbeitern dann in der nächsten Teambesprechung präsentiert werden. Es sei noch angemerkt, dass sich sowohl positive als auch negative Abweichungen vom Ergebnis der Mitarbeiterbefragung gefunden haben, zum Teil sogar hoch signifikant.“ Teilnehmer: „Das Vorgehen erscheint mir durchaus plausibel, um mehr Relevanz herzustellen. Allerdings stellt sich mir im Zusammenhang damit auch die Frage, ob man das Ganze nicht auch ohne diesen enormen Aufwand einer Mitarbeiterbefragung hätte durchführen können.“ <?page no="62"?> 3 Unterstützung und Begleitung von Führungskräften 56 Coach: „Es ist durchaus denkbar, dass die Ergebnisse bei anderen Tochtergesellschaften des Konzerns das dortige Geschehen besser beschreiben als in der von mir betreuten Tochter. Insofern habe ich nur eine Stichprobe von N=1 und vermag von daher auch nicht zu beurteilen, inwieweit der mit der Mitarbeiterbefragung verbundene Aufwand gerechtfertigt ist. Wie dem auch sei - auf jeden Fall sorgt die zweijährliche Mitarbeiterbefragung dafür, dass sich insbesondere die Vorgesetzten mit dem Ergebnis auseinandersetzen und ihr Handeln reflektieren müssen - und das ist auf jeden Fall positiv! Ich greife aber gerne Ihren Gedanken auf und präsentiere beispielhaft eine Vorgehensweise, wie man gänzlich ohne Mitarbeiterbefragung Elemente der Unternehmenskultur beschreiben und wie an ihrer Optimierung gearbeitet werden kann. In diesem Fallbeispiel haben die Bereichsleiter eines Fertigungsbetriebes in einem Workshop eine Analogie zum Geschehen in ihrem Unternehmen entworfen, welches sie wie einen Baum als wachsendes Gebilde (vgl. Abb. 3.5) verstehen. Der Baumstamm steht für die Vision des Unternehmens und stützt die belaubte Krone, in der betriebliche Elemente als Früchte platziert sind. Diese Elemente gilt es zu optimieren. Aufgrund der Vielzahl der Elemente haben sich die Bereichsleiter darauf geeinigt, drei Aspekte vorrangig zu bearbeiten: 1. Kommunikation von Zielen und Visualisierung von Zielen 2. TU (der Betrieb) als Team 3. Vorgesetzter als Gestalter und Umsetzer von Abläufen und Aufgaben Zur Beschreibung der weiteren Vorgehensweise sollte es hier ausreichen, den letztgenannten Aspekt ‚Vorgesetzter als Gestalter und Umsetzer von Abläufen und Aufgaben‘ darzustellen. Vier der zwölf Teilnehmer beschäftigen sich damit, als Vorschlag ein ‚IST‘ zu beschreiben und ein ‚SOLL‘ zu formulieren, das anschließend von allen abgestimmt wird (Vgl. im Weiteren Abb. 3.6) <?page no="63"?> 3.1 Mitarbeiterbefragungen zur Beschreibung der Organisationskultur 57 Abb. 3.5: Bildhafte Analogie zum betrieblichen Geschehen V I S I O N Kommunikation Von Zielen u. Visualisierung der Ziele Kennzahlen Definition von Abstellplätzen Kennzahlenecken Pokale Effizientes Verbesserungswesen Werker an Verbesserungs- Prozessen beteiligen Arbeiten & Saubermachen ( Doppelfunktion) Vereinfachtes Lagerwesen Fertigungsleiter als Puscher für Gruppenarbeit Planmäßig über den Tellerrand schauen Meister 1 Tag komplett zu TK Job Rotation TU/ TK auch 1. Werker Vorgesetzte als Gestalter und Umsetzer von Abläufen und Aufgaben Effiziente MA - Auswahl Bewusstsein der MA für Aufgaben und Abläufe Was können wir konkret beeinflussen und wie Inflexibilität der MA Beteiligung der MA an Investitionsentscheidungen Führen und Fördern des „Guten “ Flexible Arbeitszeit Erfolg transparent machen F & O im Geburtsmonat Andere Abteilungen zu Stryker z.B. CB Leidensdruck für Veränderungen? (Motivation) Was ist der Schlüssel zum Erfolg Umgang mit Belastungsschwankungen Spaß am Erfolg schaffen als Motivator Regelmäßige Veröffentlichungen / Präsentationen TU als Team <?page no="64"?> 3 Unterstützung und Begleitung von Führungskräften 58 Abb. 3.6: Beschreibung von IST und SOLL (Flipchart-Abschrift zu: ‚Vorgesetzter als Gestalter und Umsetzer von Abläufen und Aufgaben‘) Diese von allen Bereichsleitern geteilte IST/ SOLL-Beschreibung dient als Grundlage für einen Maßnahmenkatalog (vgl. Abb. 3.7 auf der Folgeseite) Stärken: • Viel freie Kompetenz zur Gestaltung • Freie Gestaltungsmöglichkeiten • Gute Beispiele sind vorhanden • Geführte Gestaltung funktioniert • Gut im Trouble shooten Stärken/ Schwächen: • Starke Persönlichkeiten • Rollenverständnis, haben wir die Aufgabe als Gestalter angenommen • Veränderungskompetenz Schwächen: • Wir nutzen den Spielraum zur Gestaltung nicht • Zersplitterte Zuständigkeiten • Verlassen auf andere (das andere was tun) Wo wollen wir hin: • Wir gestalten XY • Zeit für Gestaltung nehmen • Gestaltung als Aufgabe etablieren • Betriebssystem installieren • Klärung: was heißt Gestaltung • Konflikt ist CHANCE • Konfliktkultur schaffen • Wir lassen uns die Umsetzung nicht aus der Hand nehmen • Auch wenn wir delegieren, bleiben wir verantwortlich • BL bleibt immer verantwortlich: Nicht andere vorschicken • Sicherstellung der Nachhaltigkeit • Zuständigkeiten klären • Spielraum klären • Erfolge feiern <?page no="65"?> 3.1 Mitarbeiterbefragungen zur Beschreibung der Organisationskultur 59 Abb. 3.7: Maßnahmenkatalog Thema Wer Mit Wem Bis Wann Regelmäßige Strategierunde G. J. 31.01.17 Kurzbericht über aktuelle Themen in den Betrieben K. 23.11.16 Problemfälle gemeinsam besprechen Problemeigner und D. 23.11.16 Patenbeziehung schaffen Alle 23.11.16 Das Verfahren ist schnell umsetzbar, hat allerdings einen entscheidenden Nachteil: Die Vision berücksichtigt ausschließlich die Perspektive der Bereichsleiter. Die Belegschaft bleibt außen vor. Spätestens bei der Einführung von Unternehmensleitbildern empfiehlt es sich jedoch, deren Sichtweise auch mit zu erfassen, um eine gemeinsam getragene Vision zu entwickeln. Abschließend sei als Alternative zu der Durchführung einer Mitarbeiterbefragung mit der Unterstützung eines entsprechenden Anbieters moderner Human Ressources Lösungen und dem aus meiner Sicht nach wie vor einsatzfähigen Betriebsklimafragebogen von Lutz von Rosenstil auf den im Hogrefe Verlag 2004 erschienen ‚Fragebogen zur Erfassung des Organisationsklimas (FEO)‘ von K. Daumenlang, W. Müskens unter Mitarbeit von U. Harder hingewiesen. Laut Verlagsinformation kann der Bogen bei Erwachsenen und Jugendlichen ab Berufseintritt als Einzel- und Gruppenverfahren in profitorientierten (Großbetriebe und mittelständische Unternehmen) und non-profitorientierten Organisationen (Kliniken, Verwaltungen, caritative Einrichtungen), sowie in einzelnen Abteilungen und Arbeitsgruppen bei Maßnahmen zur Personal- und Organisationsentwicklung und deren Evaluation eingesetzt werden. Es werden 12 Dimensionen des Organisationsklimas erfasst: Vorgesetztenverhalten, Kollegialität, Bewertung der Arbeit, Arbeitsbelastung, Organisation, berufliche Perspektiven, Entgelt, Handlungsraum, Einstellung zum Unternehmen, Interessenvertretung, Mitarbeiterbewertung. <?page no="66"?> 3 Unterstützung und Begleitung von Führungskräften 60 Die Skalen sind teils Fremdbeurteilungsskalen (z.B. Vorgesetzter, Mitarbeiterbewertung), teils Selbstbeurteilungsskalen (z.B. Arbeitsbelastung). Für die Auswertung liegen Mittelwerte und Streuungen verschiedener Vorgesetzten- und Mitarbeitergruppen, sowie Vergleichsdaten aus verschiedenen Beschäftigungsbereichen vor. Nach meinem Dafürhalten handelt es sich um ein kostengünstiges, probates und fundiertes Verfahren, das auf dem Zweifaktorenmodell des Führungsverhaltens (vgl. Blake & Mouton: Consideration and Initiating Structure) basiert.“ 3.2 Unternehmensleitbilder und Führungsgrundsätze als Orientierungsrahmen für berufliches Handeln Die im vorangegangenen Kapitel vorgestellten Verfahren zur Beschreibung des Organisationsklimas haben Möglichkeiten zur Erfassung von Facetten und damit einhergehenden Ausprägungen des IST-Zustandes eines Unternehmens aufgezeigt. Mit den in diesem Kapitel angestellten Überlegungen zur Entwicklung eines Leitbildes werden Anregungen geboten, den SOLL-Zustand in Form einer schriftlichen Erklärung einer Organisation über ihr Selbstverständnis und ihre Grundprinzipien, kurz den Zielzustand eines Unternehmens zu formulieren. Daran anschließend wird aufgezeigt, wie Führungsgrundsätze implementiert werden können. Teilnehmer: „Wozu soll ein Leitbildbild überhaupt entwickelt werden? “ Coach: „Im Idealfall gibt das Leitbild allen Organisationsmitgliedern eine einheitliche Orientierung und trägt dazu bei, deren Identifikation mit der Organisation bzw. mit dem Unternehmen zu unterstützen. Es ist insofern auch schriftlicher Ausdruck der Unternehmensidentität (Corporate Identity) als darin beschrieben wird, wie ein Unternehmen sein Verhalten und sich selbst in der Öffentlichkeit darstellt. Entscheidend ist, dass die Leitbildinhalte nicht nur schriftlich als Bestandteile einer angestrebten Identität fixiert, sondern von den obersten Führungskräften kommuniziert und vorgelebt werden. Wird die Unternehmensidentität nachhaltig gelebt und konsequent gepflegt, trägt das zu hoher Marktgeltung bei, die sich positiv auf den Erfolg des Unternehmens am Markt auswirken kann.“ Teilnehmer: „Und was genau sollte im Unternehmensleitbild beschrieben werden? “ <?page no="67"?> 3.2 Unternehmensleitbilder und Führungsgrundsätze als Orientierungsrahmen für berufliches Handeln 61 Coach: „In einem Leitbild sollen kurz und prägnant die strategischen Ziele (Mission und Vision) eines Unternehmens und die wesentlichen Orientierungen für Art und Weise ihrer Umsetzung beschrieben werden. Es sollte zumindest folgende Fragen beantworten: 1. Wer sind wir (unsere Identität und unsere Ziele)? 2. Wem nutzen wir (unser Markt, unsere Kunden bzw. unsere Zielgruppen)? 3. Wie wollen wir zusammenarbeiten (unsere Führungsgrundsätzen und unsere Art der Kooperation)? Das durch die Beantwortung dieser Fragen entwickelte Leitbild liefert insofern die Grundlage der Unternehmensführung, als es den Mitarbeitern Hauptziele und Rahmenbedingungen für das gesamte Unternehmensgeschehen aufzeigt. Seine Formulierung gehört in den Bereich der strategischen Planung und dient der Ausrichtung und Motivation der Mitarbeiter. Wenn neue unternehmerische Strategien entwickelt, Kundenbeziehungen überdacht, Qualitätsstandards klar definiert oder die Organisationsstruktur überprüft werden soll, sollte das Leitbild neu ausgerichtet werden.“ Teilnehmer: „So weit so gut - nur stellt sich da eine nicht ganz unerhebliche Frage: Von wem sollte das Leitbild entwickelt, ggf. geklärt und neu formuliert werden? “ Coach: „Wer nur einem oder getreu dem Motto ‚Wer nicht mehr weiter weiß, gründet einen Arbeitskreis‘ nur wenigen Personen die Erstellung eines Unternehmensleitbildes überlässt, dürfte zwar schneller zu einem Ergebnis kommen, dass sich auf der Homepage oder auf Plakaten in den Fluren gut macht, aber bei den Mitarbeitern nur wenig Akzeptanz findet. Schließlich kommt es bei einem Leitbild weniger auf die Form, sondern vor allem auf den von allen Organisationsmitgliedern geteilten Inhalt und nicht zuletzt auch auf den Entstehungsprozess an. Von daher empfiehlt sich eine möglichst weitreichende Beteiligung der Organisationsmitglieder in einer Großgruppenmoderation.“ Teilnehmer: „Wie wird in einer solchen Großgruppenmoderation vorgegangen? “ Coach: „Idealerweise nehmen alle Organisationsmitglieder an der Großgruppenmoderation teil. Ist dies - aus welchen Gründen auch immer - nicht möglich, sollte ein repräsentativer Querschnitt der Belegschaft aus unterschiedlichen Berufen, Abteilungen und Hierarchien ausgewählt werden. Zudem sollte die Unter- <?page no="68"?> 3 Unterstützung und Begleitung von Führungskräften 62 stützung der Unternehmensleitung sichergestellt sein. Lassen Sie mich das Vorgehen an einem Beispiel aus meiner Beratungspraxis erläutern. Bei meinem Auftraggeber handelt es sich von der Geschäftsform her um einen eingetragenen gemeinnützigen Verein, der ‚auf lange Sicht seine Position als einer der stärksten Vernetzungspartner im sozialpsychiatrischen System in der Städteregion‘ festigen und nachhaltig sichern möchte. Ein Beitrag hierzu soll die Entwicklung eines Leitbildes sein, wozu in Abstimmung mit dem Betriebsrat repräsentativ ausgewählte Mitarbeiter aus unterschiedlichen Fachrichtungen und Hierarchiehöhen zu einem zweitägigen Workshop mit Großgruppenmoderation in ein Tagungshotel eingeladen werden. Um die Unterstützung durch den Vorstand zu bekräftigen und die Leitbildarbeit an die Entscheidungsgremien der Organisation anzubinden, beginnt der Workshop mit einem Grußwort des Vorstands und der Einführung durch die Geschäftsführung. Der Vorstand stellt zunächst die IST-Situation des Vereins vor dem Hintergrund der gesteigerten Wettbewerbssituation sowie veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen dar und unterstreicht die damit einhergehende Notwendigkeit zu einer Veränderung der bestehenden Strukturen, bei der einem gemeinsam entwickelten und gelebten Leitbild eine bedeutsame Rolle zugeschrieben wird: ‚Der Verein ist sehr groß geworden, längst kann nicht mehr jeder alle Mitarbeiter und schon gar nicht alle Klienten kennen und die verschiedenen Arbeitsbereiche entwickeln sich nach ihrer eigenen Dynamik. Die Übersichtlichkeit lässt nach und die Versuchung kann groß sein, sich auf seinen eigenen Bereich zu beschränken. Unsere Herausforderung in dieser Situation ist es, Strukturen zu entwickeln, die sowohl den Klienten als auch den Mitarbeitern das Maß an Überschaubarkeit und Sicherheit geben, das wir alle brauchen, um uns den unvermeidlichen Unübersichtlichkeiten und Unwägbarkeiten des Alltags immer wieder neu zu stellen. Nur wenn man einen solchen sicheren Hafen hat, kann man sich auch an abenteuerlichen Fahrten auf hoher See erfreuen. Ich glaube, dass wir auf dem Weg zu solchen neuen, Sicherheit gebenden Strukturen schon ein gutes Stück zurückgelegt haben, und dass wir die Qualitäten, wegen derer unsere Angebote geschätzt werden, so auch in Zukunft erhalten und weiterentwickeln können werden. <?page no="69"?> 3.2 Unternehmensleitbilder und Führungsgrundsätze als Orientierungsrahmen für berufliches Handeln 63 Ich wünsche Ihnen und uns allen, dass dieser Workshop dabei ein wichtiger Meilenstein wird und dass Sie alle mit frischer Energie und Klarheit über die nächsten Schritte aus diesem Wochenende zurückkommen. Natürlich wünsche ich Ihnen auch eine angenehme Zeit an dem schönen Tagungsort, den Sie sich ausgewählt haben und vor allem viel Spaß bei der gemeinsamen Arbeit, an diesen beiden Tagen und in der Zeit, die vor uns liegt.‘ Im Anschluss an das motivierende Grußwort stellt die Geschäftsführung nicht nur dar, in welchen zeitlichen, inhaltlichen und strukturellen Bedingungszusammenhängen der gemeinsame Workshop steht, sondern begründet auch, warum sich die Entscheidungsgremien des Vereins für eben dieses Vorgehen entschieden haben: ‚Ein gemeinsames Leitbild, eine gemeinsame und geeinte Identität und eine Unternehmensphilosophie sind momentan das wichtigste Fundament unseres Vereins. Wie das Fundament eines Gebäudes, so muss auch unser Fundament stabil, solide und widerstandsfähig sein. Ein robustes, starkes und massives Fundament gibt Sicherheit und Orientierung: sowohl den Klienten als auch den Mitarbeitern und natürlich auch denen, mit denen wir zusammenarbeiten. Wer ist nun prädestiniert, unser Leitbild zu entwickeln? Die einfachste Möglichkeit wäre sicherlich gewesen, diese Aufgabe dem Vorstand oder auch mir zu übertragen. Da Qualität und Umsetzung eines Leitbildes aber immer von der Art und der Breite der Beteiligung der Mitarbeiter bestimmt werden, ist diese einfache Möglichkeit erst gar nicht in Betracht gezogen worden. Im Leitungsteam und vom Vorstand ist vielmehr entschieden worden, unser Leitbild gemeinsam, transparent und nachvollziehbar und infolgedessen mit so vielen Beteiligten wie möglich zu erarbeiten. Nur eine breit angelegte Beteiligung und Mitwirkung ist Garant dafür, dass das Leitbild eine wirkliche Orientierung und Verbindlichkeit für alle Mitarbeiter des Vereins darstellt und dass dieses Leitbild auch gegenüber unseren Kunden gelebt wird und damit für diese erlebbar wird. Diese breite Beteiligung der Mitarbeiterschaft zeigt sich hier und heute darin, dass alle sieben Bereichsleitungen, der Mitarbeitervertretungsvorsitzende und jeweils zwei weitere Vertreter aus jedem Bereich vertreten sind. Wie eben ausgeführt, basiert unsere neue Struktur einerseits auf den vom Vorstand in seinem Grußwort im Einzelnen dargestellten neueren Entwicklungen. Zum anderen fußt die neue Struktur gleichzeitig auch auf der Historie und den Wurzeln des Vereins. <?page no="70"?> 3 Unterstützung und Begleitung von Führungskräften 64 Ebenso verhält es sich mit dem heute zu formulierenden Leitbild. Auch dieses soll sich auf Bewährtes und Gewachsenes besinnen … und darüber hinaus auch einen programmatischen Blick in die Zukunft des Vereins eröffnen. Der Zukunftsaspekt ist insofern von besonderer Bedeutung als ein Leitbild auch eine gewisse Haltbarkeit und Dauerhaftigkeit aufweisen muss und es sich gerade eben nicht um ein Leitbild handelt, wenn nur das nächste Jahr oder die nächsten drei Jahre in den Blick genommen werden. … Ich wünsche uns allen viel Erfolg für den vor uns liegenden Prozess und darf damit das Wort an unseren Moderator weitergeben‘. Um ein einheitliches Verständnis zu schaffen, erläutert der Moderator seine Definition zum Begriff Leitbild: Ein Leitbild ist eine klar gegliederte, langfristige Zielvorstellung eines Unternehmens oder einer Institution und beinhaltet, mit welchen Strategien diese Unternehmensziele erreicht werden sollen. Insofern ist das Unternehmensleitbild die Ausformulierung der Unternehmenskultur im Hinblick auf folgende Funktionen und Inhalte: Orientierungsfunktion: Werte, Normen, Regelungen und Paradigmen Integrationsfunktion: Wir-Gefühl = Corporate Identity, Kommunikationsstil Entscheidungsfunktion: Regeln für das Krisenmanagement, Entscheidungsspielraum Koordinierungsfunktion: Mitarbeiter, Führungskräfte, Mediation, Öffentlichkeitsarbeit Ein Leitbild enthält damit alle relevanten Aussagen zur angestrebten Kultur (Umgang, Auftreten, Benehmen) in einem Unternehmen oder einer Institution. Es stellt die Verbindung von gewachsenem Selbstverständnis, der Unternehmensphilosophie (Gesellschafts- und Menschenbild, Normen und Werte) und der beabsichtigten Entwicklung, den quantitativen und qualitativen Unternehmenszielen dar. Im nächsten Schritt stellt der Moderator die im Vorfeld des Workshops mit dem Führungskreis abgestimmte Ausgangsfrage: Benennen Sie alles, was aus Ihrer Sicht wichtig und notwendig ist, was im Leitbild des Vereins berücksichtigt werden sollte, damit wir für die Herausforderungen der Zukunft gut gerüstet sind! <?page no="71"?> 3.2 Unternehmensleitbilder und Führungsgrundsätze als Orientierungsrahmen für berufliches Handeln 65 Berücksichtigen Sie bei Ihren Ideen die in der Leitbild-Definition benannten Facetten! Denken Sie an die verschiedenen Aspekte, die ihre Unternehmenskultur prägen: die Aufgaben, die Struktur und das Selbstverständnis des Aachener Vereins, Arbeitsatmosphäre, Kompetenz und Fachlichkeit, Qualität, das Gebot der Wirtschaftlichkeit, Umgang miteinander, zum Klienten und zum Kostenträger! Daran anknüpfend wird in den eigentlichen Workshop gemäß folgendem Ablaufschema eingestiegen: 1. Die Teilnehmer äußern ihre Beiträge nicht - wie meistens üblich - mündlich, sondern überwiegend schriftlich. 2. Für eine erste Ideensammlung im Plenum werden zur Ausgangsfrage die Beiträge der Teilnehmer auf Karten geschrieben. Dafür gelten Regeln: 2.1. deutlich schreiben 2.2. ein Gedanke pro Karte 2.3. auf sieben Wörter pro Karte beschränken 2.4. zweibis dreizeilig schreiben 2.5. Groß- und Kleinbuchstaben 3. Im Anschluss an die erste Ideensammlung fassen die Teilnehmer die Gedanken mit Hilfe des Moderators in Themengruppen zusammen und schaffen damit eine Voraussetzung für die weitere Bearbeitung nach Schwerpunkten. 4. Der nächste Schritt ist die Bildung von Kleingruppen für die stufenweise Bearbeitung (siehe Punkt 7) einzelner Themenblöcke. Auch für die Kleingruppen gilt die Regel, Beiträge in Form beschrifteter Karten zu leisten. Der Moderatorenkoffer liefert dafür umfangreiches Darstellungsmaterial. 5. Die ersten Arbeitsergebnisse der Kleingruppen werden dem Plenum in einer Zwischenpräsentation vorgestellt, damit alle Workshopteilnehmer für alle Themenblöcke Ideen zur weiteren Bearbeitung einbringen können. 6. Nach einer Fortsetzung der Kleingruppenarbeit erfolgt - wiederum im Plenum die Abschlusspräsentation. <?page no="72"?> 3 Unterstützung und Begleitung von Führungskräften 66 7. Die Arbeiten in den Kleingruppen folgen einem Stufenplan: 7.1. Themenblock 7.2. Erste Ideen zum Leitbild (Stichwortartige Textvorschläge) 7.3. Zwischenpräsentation im Plenum 7.4. Kritische Würdigung der Textvorschläge 7.5. Feinschliff der Texte 7.6. Abschlusspräsentation 7.7. Vorschlag für ein Leitbild des Vereins Neben der Prozessbegleitung achtet der Moderator insbesondere bei der Abschlusspräsentation darauf, dass die vorgeschlagenen Leitsätze Kernaussagen über grundlegende Werte, Ziele und Erfolgskriterien des Unternehmens treffen, sowie das Verhältnis zum Kunden, bzw. wie im Beispiel zu Klienten bestimmen und die spezifische Kompetenz des Unternehmens formulieren. Gemeinsam mit den Teilnehmern prüft der Moderator, ob im Leitbild gut verständliche, präzise und realistische Visionen beschrieben werden, indem er fragt: Sind die getroffenen Aussagen für das Unternehmen wesentlich? Sind die Leitsätze allgemein genug gehalten? Haben sie eine langfristige Perspektive? Bilden sie das Unternehmen vollständig ab? Sind die Leitsätze realisierbar? Sprechen sie eine klare Sprache? Im Hinblick auf den letztgenannten Aspekt wird auf aussagekräftige Formulierungen kurze und einfache Sätze ehrliche Angaben sachliche, treffende und zukunftsweisende Formulierungen direkte Ansprache, sowie einen einheitlichen Stil geachtet. Nach redaktioneller Überarbeitung des Entwurfes und Abstimmung mit dem Vorstand, setzt dieser das nun endgültige Leitbild in Kraft, welches auf einer Betriebsversammlung allen Mitarbeitern vorgestellt und erläutert wird und anschließend in geeigneter Form und Fassung öffentlichkeitswirksam verbreitet wird. Das Verfahren zur Erarbeitung des Leitbildentwurfs eignet sich prinzipiell auch, um Führungsgrundsätze zu entwickeln, die im Einklang mit einem von allen Organisationsmitgliedern gemeinsam getragenen und gelebten Leitbildes stehen.“ <?page no="73"?> 3.2 Unternehmensleitbilder und Führungsgrundsätze als Orientierungsrahmen für berufliches Handeln 67 Teilnehmer: „Worin unterscheiden sich Führungsgrundsätze von Leitbildern, bzw. was ist darunter zu verstehen? “ Coach: „Nach Wunderer (2009) und Weibler (2012) beschreiben oder normieren Führungsgrundsätze relativ dauerhaft die grundsätzlichen Beziehungen zwischen Vorgesetzten und ihren Mitarbeitern auf Basis einer Führungsphilosophie. Sie sind Bestandteil einer Führungskonzeption und Teilmenge von betrieblichen Grundsätzen, schriftlich niedergelegt und sollen die betriebliche Mitarbeiterführung vereinheitlichen sowie damit eine Basis für eine effiziente Führung bieten. Die Führungsgrundsätze können sich dabei auf verschiedene Elemente der strukturellen Führung - und damit beispielsweise auf Kompetenz-, Informations-, Entscheidungsregeln - beziehen, aber auch die direkte Führung und das Menschenbild der Führungskräfte beeinflussen.“ Teilnehmer: „Damit stellt sich die nicht ganz unwesentliche Frage, wie man an Führungsgrundsätze kommt, die den so formulierten Ansprüchen gerecht werden.“ Coach: „Wie schon beim Leitbild ist es auch für Führungsgrundsätze bedeutsam, möglichst viele Organisationsmitglieder unterschiedlicher Hierarchiestufen an ihrer Entwicklung zu beteiligen, um die Voraussetzung für eine möglichst weitgehende Akzeptanz zu schaffen. Als Beispiel mag das Vorgehen in der Tochtergesellschaft eines Konzerns dienen, die wie ein mittelständisches Unternehmen auf dem IT- und Telekommunikationsmarkt operiert. Die Erarbeitung der Führungsgrundsätze erfolgte in drei Phasen: 1. Eine siebenköpfige Lenkungsgruppe, in der sowohl die Geschäftsführung als auch der Betriebsrat, sowie die Bereichsleiter vertreten sind, bestimmt unter externer Moderation die Zielsetzung und das weitere Vorgehen. 2. Von der Lenkungsgruppe ausgewählte Mitarbeiter mit und ohne Führungsverantwortung erarbeiten in einem zweitägigen Workshop einen Vorschlagstext für die Führungsgrundsätze. 3. Die Lenkungsgruppe reflektiert und verabschiedet die Führungsgrundsätze und stellt sie in einer Betriebsversammlung der Belegschaft vor. In der ersten Phase hat sich die Lenkungsgruppe darauf verständigt, ein Brainstorming zum Thema „Führungsgrundsätze“ durchzuführen. Auf diese Weise sollten den Teilnehmern des Workshops richtungsweisende Anhaltspunkte geliefert werden, ohne einen zu konkreten Vorschlag vorzugeben.“ Teilnehmer: „Was spricht dafür, mit einem Brainstorming zu arbeiten und was ist bei der Durchführung zu beachten? “ <?page no="74"?> 3 Unterstützung und Begleitung von Führungskräften 68 Coach: „Die Kreativitätstechnik Brainstorming bietet sich an, um in Gruppen erste Ideen zu entwickeln. Im Allgemeinen ist Brainstorming eine Methode zur Lösung von Problemen mit Hilfe neuer Ideen. Brainstormings funktionieren umso besser, je präziser die zu beantwortende Frage zur Problemstellung formuliert wird. Die Gruppe gibt sich dabei die Frage selbst vor und es ist sicher zu stellen, dass die Frage von allen eindeutig aufgefasst wird, da sonst die Gefahr besteht, aneinander vorbeizureden. Ein Brainstorming funktioniert umso besser, je einfacher die Problemstellung gewählt wird. Entscheidend ist, dass möglichst schnell eine Liste möglicher Lösungen zusammengetragen wird. Damit Ideen einen „Schneeballeffekt“ bei allen Teilnehmern auslösen, müssen Grundregeln für das Brainstorming beachtet werden: 1) Kritik ist verboten - und zwar jede Art von Kritik, selbst herabgezogene Mundwinkel und vor allem Killerphrasen, wie „ Das klappt sowieso nicht, da steht der X gegen“. Während des Brainstormings ist die Vernunft „abgeschaltet“, es wird „aus dem Bauch heraus“ agiert. Damit wird vor allem das negative Konferenzdenken verhindert. Die kritische Betrachtung der Ergebnisse des Brainstormings findet später statt. Die Entscheidung über Wert, Durchführbarkeit und Umsetzung der Ideen erfolgt getrennt von der Ideenfindung im Brainstorming. 2) Es gibt weder Urheberrechte noch Privateigentum an Ideen alles ist Gemeinschaftsleistung der Kleingruppe. Wer Ideen eines anderen aufgreift und weiterentwickelt, ist kein Ideendieb sondern trägt zum Erfolg aller bei. Mit der gegenseitigen Anregung wird der Schneeballeffekt möglich und ein sinnvolles Miteinander ergibt sich beinahe unweigerlich. 3) Quantität vor Qualität je mehr Vorschläge, umso besser, denn die Chance, brauchbare Ideen zu finden, steigt mit ihrer Menge. 4) Freie Einfälle auch verrückte Ideen sind gestattet. Der Phantasie sollen keine Grenzen gesetzt werden. Um der Angst vor Blamagen entgegenzuwirken, achten alle auf die strikte Einhaltung des Kritikverbots. Angestrebt wird eine kreative Atmosphäre, in der ungehemmt auch „gesponnen“ werden darf. 5) Moderatoren entwickeln keine eigenen Ideen, sind ausschließlich damit beschäftigt, die Ideen der anderen aufzuschreiben und zwar vollständig und unverfälscht. Es empfiehlt sich, die Ideen für alle sichtbar auf einer Flipchart zu notieren. Die Teilnehmer sollten Papier und Bleistift bereithalten, um individuelle „Zwischenspeicher“ anlegen zu können, damit Engpässe vermieden werden, wenn der Ideenstrom besonders rasch sprudelt. <?page no="75"?> 3.2 Unternehmensleitbilder und Führungsgrundsätze als Orientierungsrahmen für berufliches Handeln 69 6) Zeit: mindestens 15, höchstens 60 Minuten pro Brainstorming 7) Notorische Nörgler und Besserwisser sind im Brainstorming nicht gefragt. Brainstormings gelingen gut, wenn gegenseitige Sympathie, verschiedene Fach- und geringe Hierarchiestufen gegeben sind. Mehr als zehn Personen sollten nicht an einem Brainstorming teilnehmen. 8) Der Moderator braucht selbst nicht besonders kreativ zu sein, denn seine Aufgabe besteht darin, das Brainstorming zu steuern und auf die strikte Einhaltung der Brainstormingregeln zu achten. Vor allem achtet er darauf, dass jegliche Kritik unterbleibt und sichert, dass jeder Teilnehmer zu Wort kommen kann und niemand Dauermonologe hält und wirklich jede Idee notiert wird. Abb. 3.8. zeigt die Flipchart-Abschrift der Lenkungsgruppe zum Brainstorming „Führungsgrundsätze“: Abb. 3.8: Brainstorming „Führungsgrundsätze“ (Flipchart-Abschrift) bundesweite Geltung - Sicherung der Führungsqualität - Anforderungen an Führungskräfte - Kriterien für messbare Verhaltensweisen - Führungsstil - Grundsätze für Führungsverhalten - Definition „Führungskraft“ - Einklagbar - „Wie gehen wir miteinander um? “ - Führungsbild vs. Leitbild - Konfliktlösung - Gemeinsame Sprache - Führungsgrundsätze = Teil der Unternehmenskultur - Einsatz der „Werkszeuge“ - Mitarbeiterpotential nutzen - Besseres Miteinander - Instrumentarium für Führungskräfteauswahl - Was ist unter „Führen“ zu verstehen? - Übernahme von Führungsverantwortung - Umgang miteinander, zum Mitarbeiter, untereinander - Repräsentation nach außen - Verhaltenskodex - Interne Kunden - Führungsgrundsätze als Randbedingung zur Erfolgssicherung <?page no="76"?> 3 Unterstützung und Begleitung von Führungskräften 70 - XY - Leitbild xy - Leitbild Führungsgrundsätze - Führungsgrundsätze leben - Kontrollinstanz? - Regeln für das Zusammenwirken - Führungskräfte müssen sich an den Grundsätzen messen lassen! Die in Abb. 3.8 fett gedruckten Beiträge sind als sehr bedeutsam diskutiert und zu einem Zielbild integriert worden (vgl. 3.9): Abb.: 3.9: Zielbild Anforderungen der VG Erwartungen der MA Grundsätze Verhaltenskodex Umgang Allgemeine Regeln Verhalten Führen Kommunizieren Kontrollieren Bewerten Dem Zielbild folgend schlägt die Lenkungsgruppe für die Führungsgrundsätze eine Gliederung vor: Präambel Befugnisse und Pflichten der Vorgesetzten Befugnisse und Pflichten der Mitarbeiter In der zweiten Phase beschreiben ausgewählte Teilnehmer unterschiedlicher Hierarchiestufen und Fachbereiche während ihres Workshops in zwei parallel tagenden Kleingruppen, zum einen solche mit, zum anderen solche ohne Führungsverantwortung, ihre jeweilige Perspektive, wobei sie sich an dem Input der Lenkungsgruppe orientieren und sich folgenden Leitfragen widmen: Worin sehen Sie Sinn und Zielsetzung von Führungsgrundsätzen? Warum und wozu sind sie nützlich? <?page no="77"?> 3.2 Unternehmensleitbilder und Führungsgrundsätze als Orientierungsrahmen für berufliches Handeln 71 Was soll mit ihnen erreicht werden? Worüber sollten Führungsgrundsätze klare Aussagen enthalten? Mit welcher Verbindlichkeit jeweils? Vorteile Nachteile.“ Teilnehmer: „Was spricht dafür, zwei Kleingruppen, einmal mit, einmal ohne Führungsverantwortung die gleichen Fragen bearbeiten zu lassen? “ Coach: „Betrachten wir beispielhaft das Ergebnis der beiden Kleingruppen im Hinblick auf die jeweils erarbeiteten stichwortartigen Antworten zu den Vor- und Nachteilen von Führungsgrundsätzen, erschließen sich schon deutliche Unterschiede in den Perspektiven der beiden Gruppen (vgl. Abb. 3.10). Beide Sichtweisen bilden die Grundlage für das weitere Vorgehen. Abb. 3.10: Vorteile (+) und Nachteile (-) von Führungsgrundsätzen Teilnehmer ohne Führungsverantwortung mit Führungsverantwortung + für neue Mitarbeiter ist es leichter, sich am Leitbild zu orientieren + Einklagbarkeit gegenüber Vorgesetzten + Besseres miteinander arbeiten und umgehen + Besseres Auftreten gegenüber Kunden + Universelle Einsetzbarkeit + Klarere Abgrenzung der Aufgaben + Interne Problemlösung (miteinander arbeiten) - Einhaltung der Grundsätze (wer kontrolliert die Grundsätze? ) - Flexibilität geht verloren - Einklagbarkeit der Führungsgrundsätze (vom Techniker gegenüber NL - Leiter) + allgemeine Kenntnis der Bandbreite für Führungsaufgaben + Vereinheitlichung Führungsstil Vertretung / Austauschbarkeit + Vergleichbarkeit Führungskräfte durch Mitarbeiter + Festgelegte Führungsstrategie zur Erreichung der Unternehmensstrategie + Kontrollierbarkeit / Messbarkeit + Minimieren von Unternehmensrisiken infolge von Führungsfehlern + Führungserfahrungen fließen ein + Verbesserte, offenere Unternehmenskultur (siehe auch Leitbild) - Gefahr der eingeschränkten Entscheidungsmöglichkeiten Einengung des Spielraumes - Vereinheitlichung Führungsstil Geringe Berücksichtigung von Unterschieden (regional) - „Hinter den Regeln verstecken“ <?page no="78"?> 3 Unterstützung und Begleitung von Führungskräften 72 - Gefahr der schlechteren Führungsqualitäten infolge geringerer Berücksichtigung individuell stärker ausgeprägter Führungsqualitäten Nach der Präsentation und Erläuterung im Plenum sind die Überlegungen zu den Vor- und Nachteilen im nächsten Schritt in zwei parallel arbeitenden Kleingruppen Textvorschlägen zu Führungsgrundsätzen verarbeitet worden. Um zu gewährleisten, dass alle in den vorherigen Kleingruppen besprochenen Aspekte berücksichtigt werden, sind zwei neue Gruppen gebildet worden, so dass in beiden Gruppen sowohl Teilnehmer mit als auch ohne Führungsverantwortung vertreten waren. Abb. 3.11 zeigt beispielhaft anhand des Gliederungspunktes „Befugnisse und Pflichten von Vorgesetzten“ die Textvorschläge der parallel arbeitenden Gruppen. Abb. 3.11: Ergebnisse zu Befugnisse und Pflichten des Vorgesetzten Gruppe A Gruppe B - Die Führungskraft als Vorbild beeinflusst das Mitarbeiterverhalten positiv und zielgerichtet. - Die Erreichung der gemeinsamen Ziele ist gekennzeichnet durch seinen kooperativen Führungsstil. - Er ist sich seinem hohen Maß an sozialer Verantwortung gegenüber seinen Mitarbeitern bewusst. - Dies zeigt sich durch die gerechte Behandlung seiner Mitarbeiter und sein Interesse an den persönlichen Belangen seiner Mitarbeiter. Der Vorgesetzte ... verhält sich vorbildlich in seinem Auftreten und Verhalten, ist für seine MA ansprechbar, hört ihnen zu, zeigt Verständnis und setzt sich mit Problemen auseinander (siehe Anforderungsprofil) informiert seine MA und sich selbst zeitgerecht, vollständig und umfassend delegiert die Arbeiten an geeignete Mitarbeiter, indem er Aufgabe, Befugnis und Verantwortung vollständig überträgt bewertet den MA mit Anerkennung und Kritik schätzt aufgabenbezogen Potentiale der MA ein. Er fördert die MA, indem er zielgerichtet Stärken festigt und Schwächen abbaut. <?page no="79"?> 3.2 Unternehmensleitbilder und Führungsgrundsätze als Orientierungsrahmen für berufliches Handeln 73 Auch diese Ergebnisse werden im Plenum präsentiert, erläutert und zu einem integrativen Textvorschlag in der letzten Phase des Workshops verarbeitet. Abb. 3.12 zeigt beispielhaft den Textvorschlag zu „Befugnisse und Pflichten des Vorgesetzten“. Abb. 3.12: Vorschlag zur Integration beider Textvorschläge Die Führungskraft als Vorbild beeinflusst das Mitarbeiterverhalten positiv und zielgerichtet. Die Erreichung der gemeinsamen Ziele ist gekennzeichnet durch seinen kooperativen Führungsstil. Er ist sich seinem hohen Maß an sozialer Verantwortung gegenüber seinen Mitarbeitern bewusst. Dies zeigt sich durch die gerechte Behandlung seiner Mitarbeiter und sein Interesse an den persönlichen Belangen seiner Mitarbeiter. Der Vorgesetzte ... verhält sich vorbildlich in seinem Auftreten und Verhalten, ist für seine MA ansprechbar, hört ihnen zu, zeigt Verständnis und setzt sich mit Problemen auseinander (siehe Anforderungsprofil) informiert seine MA und sich selbst zeitgerecht, vollständig und umfassend delegiert die Arbeiten an geeignete Mitarbeiter, indem er Aufgabe, Befugnis und Verantwortung vollständig überträgt bewertet den MA mit Anerkennung und Kritik schätzt aufgabenbezogen Potentiale der MA ein. Er fördert die MA, indem er zielgerichtet Stärken festigt und Schwächen abbaut. In der letzten Phase stellt der Moderator der Lenkungsgruppe den gemeinsamen Textvorschlag vor und erläutert ihn. Die Lenkungsgruppe bewertet das Ergebnis und nimmt einen letzten ‚Feinschliff‘ vor, bevor die Führungsgrundsätze von der Geschäftsführung der Belegschaft präsentiert werden.“ Teilnehmer: „Wenn ich den gesamten Prozess der Erarbeitung von Führungsgrundsätzen betrachte, sehe ich, dass dem Moderator oder Team-Coach eine bedeutsame Rolle zukommt und die erfolgreiche Erarbeitung von Führungsgrundsätzen und Unternehmensleitbildern nicht unwesentlich von seiner Prozesssteuerung abhängt.“ <?page no="80"?> 3 Unterstützung und Begleitung von Führungskräften 74 Coach: „Dem ist unbedingt zuzustimmen. Wenden wir uns von daher den Themen ‚Moderation‘ und ‚Coaching‘ etwas genauer zu.“ 3.3 Prozessbegleitung von Fach- und Führungskräften mittels Moderation und Coaching Die Überlegungen in den beiden vorangegangenen Kapiteln unterstreichen die Bedeutung von Moderation und Coaching als Methoden der Prozessbegleitung im betrieblichen Kontext. Die Ausführungen in diesem Kapitel zeigen, wie sich Moderation und Coaching erfolgreich realisieren lassen. Wenden wir uns zunächst dem Themenfeld Moderation zu, bevor wir uns dem Themenkomplex Coaching widmen. Teilnehmer: „Welche Anforderungen werden an Führungskräfte in der Rolle von Moderatoren gestellt? “ Bei der Moderation von Teams kommt es nicht darauf an, wer zuerst eine Problemlösung entwickelt oder wer seine Vorstellungen am nachdrücklichsten vertreten kann, sondern darauf, dass die Gruppe gemeinsam anstehende Aufgabenstellungen bearbeitet. Die Erfahrung zeigt, dass sich komplexe Anforderungen meist nur durch Gemeinschaftsleitungen optimal bewältigen lassen. Abgesehen von wenigen Ausnahmen erreichen Teams mehr als einzelne Experten („Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“), wenn jedes Teammitglied sich bereitwillig in das Team einfügt. Ein gutes Team verfügt über Mitglieder, die sich artikulieren können - Wir-Haltung empfinden positive Einstellung haben - Geduld zeigen systematisch vorgehen - Fachwissen besitzen Ob ein Team gut zusammenarbeitet, hängt in entscheidendem Maße davon ab, ob sich der Teamleiter als Moderator versteht und stellt an ihn in dieser besonderen Funktion auch besondere Anforderungen: 1) Starkes Engagement Der Teamleiter als Moderator verfügt genau dann über ein angemessen starkes Engagement, wenn er darauf achtet, zwei extreme Einstellungen zu vermeiden: - Er sollte nicht übermotiviert, d.h. kritiklos, fanatisch und ohne Widerspruch zu dulden ans Werk gehen. Es gibt weder für die Führung einer Gruppe, <?page no="81"?> 3.3 Prozessbegleitung von Fach- und Führungskräften mittels Moderation und Coaching 75 noch für die Lösung der anstehenden Problemstellungen Patentrezepte - zu radikales Vorgehen bei der Ein- und Durchführung von Arbeitskreisen provoziert Widerstand und Widerspruch. - Er sollte vor allem in der Einführungsphase darauf achten, skeptischen Einstellungen im Hinblick auf die Erfolgsaussichten der Arbeit offen und partnerschaftlich zu begegnen. Es gilt Zweifeln, kritischen Fragen und Einwänden standzuhalten, überzeugend zu argumentieren und dabei die Probleme der anderen ernst zu nehmen und sich fair mit ihnen auseinanderzusetzen. Schließlich signalisieren die Einwände Interesse - solange jemand sich kritisch mit der Arbeit auseinandersetzt, beschäftigt er sich damit. Jeder Skeptiker bietet über sein bekundetes Interesse an, ihn im partnerschaftlichen Gespräch zu überzeugen. Diese Chance muss als solche erkannt und zur Vertiefung des kooperativen Miteinanders genutzt werden. 2) Durchhaltevermögen Bei der Implementierung von Veränderungsprozessen wird es beinahe zwangsläufig nach der ersten Begeisterung zu zeitweiligen Rückschlägen kommen. Dies liegt in der Natur der Sache - schließlich müssen viele Menschen ihr Miteinander regeln, sich auf einander einstimmen, nicht nur ihr berufliches sondern auch ihr soziales Handeln reflektieren und sich aus überkommenen Positionen lösen, um gemeinschaftlich neue Wege zu finden und einzuschlagen: Frustrationen sind beinahe vorprogrammiert. Für den Moderator im Prozessmanagement heißt das, Frustrationen so zu verarbeiten, dass sie ihm dazu verhelfen, die Arbeit im Team zu optimieren - Rückschläge sind keine Niederlagen, sondern Wegweiser für die zukünftige Arbeit und zugleich Anker, um neue Sichtweisen zu erschließen. So gesehen sind sie sogar Kraftquelle für die weitere Zusammenarbeit. 3) Positive Einstellung zur Leistung des Teams Sowohl beim Analysieren von Problemen als auch bei der Lösung begegnet der Moderator den Teammitgliedern partnerschaftlich und aufgeschlossen. Mit seiner positiven Einstellung zur Gemeinschaftsleistung sichert er diese durch die Wahl geeigneter Methoden und Techniken. Selbstkritisch sollte er davon ausgehen, dass er von den Teammitgliedern eher autoritärer wahrgenommen wird als er selbst glaubt. Dies bedeutet jedoch keineswegs den Verzicht auf die Führung der Gruppe - diese muss geführt werden, jedoch partnerschaftlich und verantwortungsbewusst ohne Manipulationsversuche. 4) Fähigkeit zum systematischen Vorgehen Um systematisch Prozessmanagement zu betreiben, sind logisches Denken und planvolles Vorgehen Grundvoraussetzungen. Es gilt, eine klare Linie zu halten <?page no="82"?> 3 Unterstützung und Begleitung von Führungskräften 76 ohne in bevormundendes, starres Vorgehen zu verfallen oder unsystematisch und oberflächlich Problemstellungen zu bearbeiten. Kreativität und Einfallsreichtum der Gruppe werden sonst blockiert. 5) Sprachliche Ausdrucksfähigkeit Der Zirkelleiter muss in der Lage sein, einen Tatbestand verständlich, klar, präzise und eindeutig auszudrücken. Schließlich wird diese Fähigkeit im Team immer wieder abgefordert, zum Beispiel, wenn ein Teilnehmer sich sprachlich nicht deutlich genug ausdrücken kann. Hier muss sich der Leiter in die Gedankenwelt des Teilnehmers einfühlen und in seinem Sinn für alle neu und verständlich formulieren es im Team unterschiedliche Meinungen zum Thema gibt. Hier gilt es, eine für alle akzeptable Kompromisslösung zu finden und überzeugend vorzutragen die erarbeiteten Lösungsansätze schriftlich protokolliert und in einen Maßnahmenkatalog übertragen werden müssen. Hier müssen eindeutige Formulierungen gefunden werden, so dass der Text auch im Nachhinein ohne weitere Erklärung verstanden werden kann. 6) Fachkompetenz und Fähigkeit zur Selbstkritik Besonders dann, wenn der Teamleiter in seiner Rolle als Moderator selbst Experte auf einem Gebiet ist, das im Team behandelt wird, kann es zu Konflikten kommen, wenn es anderen Teilnehmern an dem nötigen Hintergrundwissen fehlt. Hier muss darauf geachtet werden, Wissenslücken sachorientiert zu schließen, damit die Gruppe die zur Problemlösung nötigen Vorkenntnisse besitzt. Konflikte können auch entstehen, wenn ein Teilnehmer ausgewiesener Spezialist ist und es dem Teamleiter bei dem behandelten Punkt an Fachwissen fehlt. In diesem Fall muss er selbstbewusst sein Nichtwissen eingestehen und seinen Partner bitten, seine fachliche Kompetenz der Gruppe zur Verfügung zu stellen. In jedem Fall liegt der Schlüssel zur erfolgreichen Arbeit nicht im besserwisserischen oder belehrenden Tun, sondern im kooperativen Miteinander. 7) Persönliche Autorität Gleich ob als Vorgesetzter oder als Kollege der gleichen Hierarchiestufe - der Teamleiter wird sich als Moderator in seinem Unternehmen profilieren können, wenn es ihm gelingt, Gemeinschaftsleistungen zu erzielen. Hierzu ist persönliche Autorität mehr gefragt als hierarchische. Mit zunehmenden Erfolgen wird seine persönliche Autorität gefestigt und seine soziale Kompetenz wachsen. Dies wird ihm umso mehr gelingen, je souveräner er als Moderator den Gesundheitszirkel leitet. Die zehn Gebote für Moderatoren (Abb. 3.13) auf der Folgeseite bieten hierzu eine Orientierungshilfe. <?page no="83"?> 3.3 Prozessbegleitung von Fach- und Führungskräften mittels Moderation und Coaching 77 Abb. 3.13: 10 Gebote für Teamleiter in der Moderatorenrolle 1) Aufmerksamkeit und Interesse sichern, ggf. Atmosphäre entspannen 2) Diskussion in Gang setzen 3) Diskussion im Hinblick auf Art und Menge der Beiträge steuern: Alle ermuntern, ihre Meinung zu äußern ohne Antworten zu erzwingen 4) Aussprache versachlichen: positive Emotionen fördern, negative abbauen, Vorurteile verdeutlichen, persönliche Angriffe zurückweisen und entschärfen = Eskalationen frühzeitig unterbinden 5) Helfen ohne zu tadeln: Meinungen gleichberechtigt würdigen, beim Formulieren unterstützen, Diskussionsbeiträge weder durch Äußerungen noch durch Körpersprache abwerten 6) Spielregeln benennen und einhalten: Worterteilung flexibel gestalten, so dass spontane Reaktionen möglich bleiben, Nebendiskussionen verhindern. Behutsamkeit vor Forschheit aber auch Machtwort vor Chaos 7) Zeit beachten: Straffen und forcieren 8) Zwischenzusammenfassungen durchführen, präsentieren und visualisieren, um Ruhe und Abstand herzustellen 9) Am Ende zusammenfassen und Maßnahmenkatalog vereinbaren 10) Dank an die Teilnehmer und ggf. an Fachreferenten. Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass eine konsequente Moderation als wesentliche Bedingung für optimale Gemeinschaftsleistungen zu betrachten ist. Mit der Moderation steht und fällt die Gemeinschaftsleistung. Unter Moderation werden alle Bemühungen eines oder zwei Menschen verstanden, den Meinungs- und Willensbildungsprozess einer Gruppe zu ermöglichen und zu erleichtern, ohne inhaltlich einzugreifen und zu steuern. Moderatoren verstehen sich als methodische Helfer, die ihre eigenen Meinungen, Ziele und Wertungen zurückstellen. Sie schaffen Atmosphäre, indem sie für geeignete Rahmenbedingungen sorgen, um ein offenes, faires und ehrliches Miteinander zu ermöglichen organisieren Kommunikation, sprechen Störungen offen an und versachlichen Konflikte entwickeln Spielregeln für den Umgang miteinander fördern Informationsaustausch durch Fragen nach Fakten, Bedürfnissen und Interessen <?page no="84"?> 3 Unterstützung und Begleitung von Führungskräften 78 entschärfen starre Positionen, indem sie Forderungen in Wünsche oder Erwartungen umformulieren ermöglichen konstruktive Mitwirkung an der Lösungsfindung suchen gemeinsam mit den Teilnehmern nach Lösungsalternativen setzen Problemlösetechniken und Gewinner-Gewinner-Strategien ein und stellen Realisierung und Erfolgskontrolle sicher.“ Teilnehmer: „Gibt es vor dem Hintergrund der skizzierten Anforderungen an den Moderator Empfehlungen zur erfolgreichen Moderation? “ Coach: „Um erfolgreich zu moderieren, sollte ein Teamleiter die Regeln zum Verhalten des Moderators beachten: 1) Fragen statt sagen Durch Fragen wird Kommunikation in Gang gesetzt. Die Teammitglieder bringen alles mit, was benötigt wird: Fachkompetenz in Theorie und Praxis, Willen, Kreativität und die Fähigkeit, zu suchen was fehlt und aus allem zu lernen. Ein Moderator organisiert den Austauschprozess, öffnet Türen und räumt Blockaden aus. Seine Aufgabe besteht darin, Bedürfnisse, Ziele und Meinungen zu verdeutlichen, auf den Punkt zu bringen und diskutierbar darzustellen. Dabei müssen Unterschiede und Gemeinsamkeiten bewusst wahrgenommen werden, um den Rahmen für Lösungsmöglichkeiten abzustecken. Gemeinsames Handeln wird auf der Basis gegenseitigen Vertrauens ermöglicht oder es wird sichtbar, wo die Grenzen gemeinsamen Vorgehens liegen. Den Anstoß dazu gibt der Moderator mit seiner Fragetechnik. Bestimmte Fragen dienen dem Austauschprozess, andere sind ungeeignet, verhindern ihn geradezu. Die Kunst besteht darin, im richtigen Augenblick die richtige Frage zu stellen. Wer fragt will etwas wissen was er noch nicht weiß - daher keine Lehrerfragen, keine Fang- und auch keine Suggestivfragen ist neugierig und will auf die Antworten neugierig machen, daher keine banalen, langweiligen Fragen, keine Wissens- und auch keine peinliche Fragen will Aufmerksamkeit wecken - daher weder Killernoch Rechtfertigungsfragen möchte Auskunft über viele, unterschiedliche Meinungen - daher weder Ja- Nein-Fragen noch theoretische oder hypothetische Fragen setzt auf Vertrauen - daher keine „Wer-ist-Schuld-Fragen“ und keine abwertenden und/ oder beschönigenden Fragen will nicht einzelne in einer Gruppe beschämen, verletzen oder ausschließen - daher keine Fragen, die zu Gesichtsverlust führen oder einzelne hervorheben. <?page no="85"?> 3.3 Prozessbegleitung von Fach- und Führungskräften mittels Moderation und Coaching 79 2) Aus der richtigen Grundhaltung heraus handeln In der Fragehaltung verdeutlicht sich die Grundhaltung des Moderators zu den Teilnehmern seines Arbeitskreises. Es ist hoch bedeutsam, zu reflektieren, aus welchem Menschenbild heraus auf die Gruppe zugegangen wird. Dieses wird in der Gruppe im Verhalten und der Stimmung gespiegelt. Die Gruppe reagiert sensibel auf „Kleinigkeiten“ im Verhalten des Moderators. Selbst wenn es keinem unmittelbar bewusst ist - in Blick, Bewegung, Tonfall, Ruhe und Hektik drückt sich die Meinung des Leiters und sein Gefühl für und in der Gruppe aus. Es kann jedoch nicht Aufgabe des Moderators sein, sich zu verstellen oder seine Befindlichkeit zu verdecken. Für ihn geht es vielmehr darum, sich seiner Haltung bewusst zu werden und zu erkennen, welchen Anteil sein Verhalten an möglichen Problemen in der Gruppe hat, statt nur bei den Teilnehmern des Gesundheitszirkels die Schuld zu suchen. Die eigene Grundhaltung hinterfragen bedeutet gleichzeitig, sich der eigenen Stärken und Schwächen bewusst zu sein - was verursacht persönlichen Ärger, was verletzt und wann besteht Gefahr, sich aus Machtstreben, Ehrgeiz, Eitelkeit oder Sympathie menschlich verwickeln zu lassen. Alles was der Moderator tut, wirkt auf die Gruppe. Er muss wissen, was mit ihm geschieht, was bei ihm im Gruppenprozess abläuft, um nicht unnötig in Fettnäpfchen zu treten oder sich selbst und der Gruppe böse Fallen zu stellen. Fürchtet sich zum Beispiel ein Moderator vor heftigen Auseinandersetzungen, wird er alles versuchen, Konflikte schon im Vorfeld zu unterbinden. Die Gruppenatmosphäre bleibt zwar ruhig, es geht aber auch nicht weiter. Hier muss der Moderator seine Angst entweder selbst überwinden oder sich für konfliktträchtige Problemstellungen einen Co-Moderator suchen, der ihm unterstützend unter die Arme greift, so dass er nach und nach lernt, seine Angst besser zu steuern. 3) Die Gruppe anleiten und nicht bekämpfen Es ist beinahe ein Naturgesetz - kaum steht jemand vor einer Gruppe, neigt er dazu, sie zu lenken, zu steuern oder gar zu manipulieren. Allein schon die Position „Leiter“ oder „Moderator“ verführt dazu, zu glauben man selbst wisse am besten, wo es langgeht und was am besten zu tun ist. Einem guten Moderator ist bewusst, dass er zwar das Steuerrad in seinen Händen hält und weiß wie die Maschine funktioniert, die Gruppe jedoch den Kurs bestimmt. Als methodischer Helfer hält er sich inhaltlich eher bedeckt und zurück keine einfache Aufgabe für fachkompetente Moderatoren. Schließlich entspricht es dem Normalverhalten eher, entweder sprachlich oder auch nichtsprachlich über die Körpersprache mitzuteilen, welche Meinung man zu Problemstellungen des eigenen Fachgebietes hat. Ein Moderator muss sich von im „normalen“ betrieblichen Alltag sehr nützlichen Ich-Behauptungsmaßnahmen nicht nur lösen, er muss davon loslassen <?page no="86"?> 3 Unterstützung und Begleitung von Führungskräften 80 dass er es ist, der die Gruppe irgendwohin haben will - er muss in das Wissen, die Fähigkeiten und den Willen der Teilnehmer Vertrauen investieren und haben seinen eigenen Ehrgeiz und den Leistungsdruck, dass doch etwas herauskommen muss, auf die Gruppe zu übertragen, und statt dessen schauen, was von der Gruppe thematisiert wird und was zu fördern ist seine eigene Meinung zum Thema und sein Engagement in die Zielsetzung zu dämpfen und jede Meinung, so wie sie ist, anzunehmen und gelten zu lassen. Der gute Moderator versteht sich als „Hebamme“ der Gruppe, er ist sich stets der Gefahr der Manipulation bewusst, reflektiert entsprechend sein Verhalten und bremst rechtzeitig eigene Manipulationsabsichten. 4) Störungen Vorrang geben Jede körperliche Störung, sei es Hunger, Durst, Kälte, Schmerz oder ähnliches und jede psychische Störung, z.B. Angst, Ärger oder Traurigkeit wirkt sich als Hindernis im Lern- und Kommunikationsverhalten aus. Werden Störungen nicht beachtet, entsteht die Gefahr, dass Problemlösungen verhindert oder verfälscht werden, und zwar sowohl beim Einzelnen als auch bei der Gruppe. Je stärker eine Störung unterdrückt wird, desto mehr wird sie indirekt vorherrschen: Paralleldiskussionen entstehen, Rechtfertigungsstrategien werden entwickelt, Nebenkriegsschauplätze eröffnet und Scheingefechte ausgekämpft. Die Problembearbeitung wird verhindert, weil die Störung unbewusst das Gruppengeschehen dominiert. Erkannte Störungen müssen offensiv, rechtzeitig und direkt angegangen werden - selbst wenn sie überhaupt nichts mit dem Thema, was zu bearbeiten ist, zu tun haben. Die Bearbeitung von Problemstellungen gelingt besser, schneller und einfacher, wenn vorher die Störung aus dem Weg geräumt wurde. Oft reicht schon, auf die erkannte Störung hinzuweisen, sie bewusst zu machen, das damit verbundene Unbehagen kundzutun, um die Gruppe wieder auf die Bearbeitung des Themas zu konzentrieren. Störungen liegen sozusagen „in der Luft“. Sie teilen sich als Eindruck von der Gruppenatmosphäre dem Gefühl mit. Werden Ausdruck und Verhalten der Teilnehmer, sprachliche und nicht-sprachliche Signale sensibel wahr- und ernst genommen, lassen sich Störungen rechtzeitig erkennen. Durch ein „Blitzlicht“ in der Gruppe, eine kurze Stellungnahme jedes Einzelnen zur thematisierten Störung, lässt sich das mit der Störung verbundene Unbehagen verdeutlichen und behandeln. 5) „Wahrnehmen“, „Vermuten“ und „Bewerten“ unterscheiden Die meisten Missverständnisse zwischen Menschen resultieren daraus, dass Vermutungen über die Wirklichkeit nicht von der Wahrnehmung der Realität <?page no="87"?> 3.3 Prozessbegleitung von Fach- und Führungskräften mittels Moderation und Coaching 81 unterschieden werden und dann die Vermutungen sehr schnell in Bewertungen umgewandelt werden. Es gilt, die Ebenen „Wahrnehmen“, „Vermuten“ und „Bewerten“ zu trennen, um Missverständnissen im Gesundheitszirkel vorzubeugen. Hier ein Beispiel: - Der Moderator nimmt wahr, dass die Teilnehmer stumm und mit verschränkten Armen auf ihren Stühlen sitzen und einige sogar zum Fenster hinausschauen - Er vermutet, dass sie sich langweilen - Er ist ärgerlich - schließlich redet er doch nicht langweilig - und bewertet das Verhalten der Gruppe als beleidigendes Desinteresse an seinen wirklich wichtigen und auch interessanten Ausführungen. Spricht der Moderator die Gruppe auf seine Vermutung hin direkt an, dass seine Ausführungen wohl für sie langweilig seien, drängt er die Gruppe in eine Verteidigungsposition und damit gegen sich. Und das alles, obwohl auch durchaus denkbar ist, dass die Teilnehmer müde oder aus irgendeinem Grund bedrückt sind. Um angemessen auf das Verhalten in der Gruppe zu reagieren, muss die Beobachtung entweder in eine Frage umgemünzt oder als subjektive Interpretation verkleidet angeboten werden. Dadurch wird der Gruppe Raum gegeben, eine eigene Antwort zu finden und/ oder die Wahlmöglichkeit, sich den Schuh anzuziehen oder auch nicht. Dieses Verhalten lässt sich gut üben, indem zu jeder Wahrnehmung im Gruppenprozess grundsätzlich drei Vermutungen gesucht werden, bevor reagiert wird. So wird auch die Natur der eigenen Wahrnehmungen deutlich. Denn oft resultieren Vermutungen aus früheren Geschichten, die nichts mit dem aktuellen Geschehen zu tun haben. Je bewusster mit diesen Geschichten umgegangen wird, umso klarer kann im Hier und Jetzt entschieden werden, was wichtig ist und was nicht in den Gesundheitszirkel hineingehört. 6) Persönlich statt allgemein sprechen Allgemeines Sprechen verdichtet sich in einem kleinen Wörtchen: „man“. Es reicht schon, einfach all die Sätze in denen „man“ verwendet wird, neu zu formulieren: „Ich“ statt „man“, um zu erkennen, wie nützlich es ist, persönlich zu sprechen. Verwandeln sich alle „man soll“, „man muss“ oder „man tut nicht“ in „ich soll“, „ich muss“ oder „ich tue nicht“, wird deutlich, dass die Ausführungen nur eine, nämlich „meine Sicht“ der Dinge widerspiegeln. Ob und inwieweit diese Sichtweise auch für andere gültig ist, ist ein ganz anderes Problem. Mit der Regel „ich statt man“ verfügt jeder im Team über ein Hilfsmittel, mehr Eigenverantwortung für das Gesagte zu übernehmen und es nicht jemanden anderen in die Schuhe zu schieben. Die Haltung ist unabdingbare Voraussetzung für den Leiter des Gesundheitszirkels, um eben diesen überhaupt moderieren zu <?page no="88"?> 3 Unterstützung und Begleitung von Führungskräften 82 können. Schließlich muss gerade er sich von den Ansprüchen, Gefühlen und Spielen, die auftauchen können, möglichst frei halten. Hinzu kommt, dass er als Moderator der Gruppe die meiste Angriffsfläche bietet. Immer wieder wird er mit Ansprüchen konfrontiert: „Er muss führen“, „Er muss den Überblick haben“, „Er muss Disziplin halten“, „Er muss durchgreifen“ und, und, und. Diese Ansprüche stellen ihm Fallen, in die er nicht ahnungslos hineintappen darf. Es ist für ihn zwingend notwendig zu wissen, wo er selbst steht, was er selber muss und will und wofür er Verantwortung zu übernehmen hat. Mit „ich statt man“ verfügt er über ein gutes Hilfsmittel, sich darüber Gewissheit zu verschaffen. 7) Körpersprache beachten Ständig werden Informationen auf dem nicht-gesprochenen Weg über die Körpersprache vermittelt und wahrgenommen. Anders als sprachliche sind körpersprachliche Informationen nicht oder nur sehr schwer zu verfälschen, von daher also sehr verlässlich wenn sie richtig gedeutet und verstanden werden. Widerspricht der körpersprachliche Ausdruck, also Mimik, Gestik, Haltung und Bewegung des gesamten Körpers den gesprochenen Ausführungen, gilt: Der Körper lügt nicht! Wer sich am Kopf kratzt, die Nase reibt, die Stirn runzelt, die Augen niederschlägt oder mit dem Finger in die Luft sticht, so, als würde er sein Gegenüber aufspießen, teilt seinen Partnern deutlich mit, was im Augenblick mit ihm los ist. Um mit diesen Signalen umgehen zu können, ist es wichtig, in bedeutsamen Situationen den Schwerpunkt der Konzentration auf die Körpersprache zu verlegen. Normalerweise wird nämlich stärker auf die Inhalte als auf die Form geachtet. Die körpersprachlichen Botschaften wirken unterschwellig, ohne dass sie bewusst wahrgenommen werden. Als Übung zur Schulung der bewussten Wahrnehmung der Körpersprache empfiehlt sich, in alltäglichen Gesprächssituationen die verbale Kommunikation wie Hintergrundmusik aufzunehmen und sich auf nicht-gesprochene Informationen zu konzentrieren. Nimmt der Moderator körpersprachliche Signale des Unbehagens wahr, besteht seine Aufgabe darin, den Teilnehmern die Möglichkeit zu geben, ihre Stimmung auszudrücken, indem er seine Wahrnehmung thematisiert. 8) Bewertungen und Beurteilungen vermeiden Selbstverständlich ist auch ein Moderator ein ganz normaler Mensch mit Wertungen, Meinungen und Vorurteilen. Solange er moderiert, muss er jedoch persönliche Bewertungen zurückstellen und jeden im Team und jede Meinung gleich wichtig und neutral annehmen. Neutralität ist unabdingbare Voraussetzung für erfolgreiche Moderation. Nur wenn es dem Moderator gelingt, Mei- <?page no="89"?> 3.3 Prozessbegleitung von Fach- und Führungskräften mittels Moderation und Coaching 83 nungen inhaltlich nicht zu werten, wird jeder im Arbeitskreis Vertrauen zu ihm fassen. „Nicht bewerten und beurteilen“ gilt nicht nur für Meinungen, sondern auch für das Verhalten der Gruppenmitglieder. Schließlich weist jedes Verhalten auf wichtige Stellungnahmen, Probleme, Störungen oder Unbehagen hin und ist insofern bedeutsam für die Moderation. Signale der Teammitglieder müssen, so wie sie sind, angenommen und in der Moderation umgesetzt werden, z. B. indem eine Störung Vorrang erhält und bearbeitet wird oder ein Konflikt verdeutlicht wird. Moralische Vorhaltungen und Appelle verhindern, dass der Moderator angemessen auf den Gruppenprozess reagiert, er ignoriert so wichtige Botschaften und bringt die Gruppe schließlich in eine Rechtfertigungsposition, er provoziert geradezu Widerstand. Eine sinnvolle Steuerung der Diskussion wird wegen des resultierenden mehr oder weniger versteckten Kampfes zwischen Moderator und Gruppe wohl kaum mehr möglich. 9) Sich nicht rechtfertigen „Wer sich verteidigt (entschuldigt), klagt sich an“ - so die Übersetzung eines alten französischen Sprichwortes, welches für die Moderation volle Gültigkeit hat. „Sich rechtfertigen“ ist meist überflüssig und führt nur zu einem unnötigen Hin- und Herschieben von Vorwürfen und Vorhaltungen. Werden im Teamprozess Situationen provoziert, die den Moderator veranlassen sollen, sich oder sein Vorgehen zu rechtfertigen, geht es meist in Wahrheit darum, einen Sündenbock für Schwierigkeiten zu finden, denen sich die Gruppe nicht stellen möchte. Geht der Moderator der Gruppe auf den Leim und versucht sich zu rechtfertigen, beginnt ein Sieger-Verlierer-Spiel, welches die Gruppe als Ankläger gewinnen will. Egal ob es ihr gelingt oder nicht, in jedem Fall leidet durch das Spiel das Vertrauen, das die Gruppe in den Moderator hat. Auch hier empfiehlt sich, die wahren Hintergründe für die Provokation zu erfragen, also die Störung zu bearbeiten und die durch das beginnende Spiel gebundene Energie wieder zur Diskussion der anstehenden Themen einzusetzen. 10) Die Methode bestimmen und nicht diskutieren Wird über die Methoden diskutiert ist das so, als ob zwei Liebende über die Liebe reden, statt zu lieben. Moderieren heißt methodisch handeln und nicht darüber diskutieren, wie methodisch vorgegangen werden soll. Lässt sich der Moderator darauf ein, über die Methode zu reden, kann es lange dauern, bis er zum Moderieren kommt. Mit dem „über die Methode reden wollen“ wird in der Regel ein Nebenkriegsschauplatz eröffnet; es wird aus welchen Gründen auch immer signalisiert: „Wir wollen nicht an das Problem heran! “ Es empfiehlt sich, nicht in die Methoden- <?page no="90"?> 3 Unterstützung und Begleitung von Führungskräften 84 diskussion einzusteigen, sondern herauszuarbeiten, was der Problembearbeitung im Weg steht, warum die Gruppe blockt. Provoziert nur ein Einzelner, kann oft eine einfache Handlung, wie das Austeilen von Karten und Filzstiften und eine darauf folgende Arbeitsanweisung genügen, um die Klippe geschickt zu umschiffen. Selbstverständlich kann in den Pausen oder in extra dafür vorgesehenen Zeiten über die eingesetzten Methoden und Techniken gesprochen werden - schließlich interessiert es ja die Teamteilnehmer, warum so und nicht anders vorgegangen wurde. Sinnvollerweise sollte dies immer erst geschehen, wenn die Teilnehmer die Methode erlebt haben. Erfolgreiche Moderation von betrieblichen Gruppen zeigt sich darin, dass Kommunikation und Zusammenarbeit sich verbessern Reibungsverluste zwischen Gruppen und Abteilungen abnehmen Arbeitszufriedenheit zunimmt sich die Fähigkeit steigert, Probleme zu erkennen und mit eigenen Mitteln abzustellen sich Arbeitserleichterungen für Mitarbeiter ergeben Abwesenheitsraten sinken Führungskräfte kooperativer führen Reklamationen weniger werden Kulanzkosten sich verringern Kunden sich zufriedener äußern und sich die Gesamtleistung optimiert. Elf Punkte, die verdeutlichen, dass der zunächst beschwerliche Weg der Moderation von Arbeitsgruppen ein überaus lohnender ist - stehen an seinem Ende doch über die Lösung betrieblicher Fragestellungen hinaus auch die Verbesserung des Unternehmensergebnisses, der Qualität und der Mitarbeitermotivation.“ Teilnehmer: „Welche Möglichkeiten gibt es, Führungskräfte bei der Anwendung der, wie die Ausführungen zeigen, doch nicht ganz so einfachen Moderationsmethode zu unterstützen.“ Coach: „Nicht nur in dieser Hinsicht, sondern auch in anderen Belangen des Führungshandelns bietet sich Coaching fast zwangsläufig an.“ <?page no="91"?> 3.3 Prozessbegleitung von Fach- und Führungskräften mittels Moderation und Coaching 85 Teilnehmer: „Mit dem Thema ‚Coaching‘ eröffnen Sie ein weites Feld, in dem sich viele Anbieter mit immer wieder neuen Ansätzen und Methoden tummeln. Wie soll man sich da zurechtfinden? “ Coach: „Diesbezüglich möchte ich mich gerne den Ausführungen in einer Sonderveröffentlichung der Zeitschrift ‚Wirtschaftspsychologie Aktuell‘ zum Thema Coaching (02/ 2017) anschließen: ‚Coaching hat sich in Unternehmen längst etabliert als eine anerkannte Maßnahme der Personalentwicklung, die besser und wirkungsvoller als ein Seminar oder Training auf die aktuellen Probleme der Mitarbeiter eingehen kann und diese dabei unterstützt, die notwendigen Kompetenzen aufzubauen. Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V. (BDP) definiert Coaching als zielgerichtete, wissenschaftlich fundierte und professionelle psychologische Diagnostik, Intervention und Evaluation bei berufsbezogenen und persönlichen Fragestellungen. Was der BDP mit seiner Definition unterstreicht, ist die Bedeutung umfassender Psychologie-Kenntnisse für eine qualitativ hochwertige Coaching-Dienstleistung‘. Wegen der vielen verschiedenen anderen Coachingverbände und deren Perspektiven, möchte ich mich hier darauf beschränken, auf eine entsprechende eigene Internetrecherche zu verweisen.“ Teilnehmer: „Wie gehen Sie persönlich das Thema Coaching an? “ Coach: „Ich verstehe unter Coaching eine professionelle Form eines personenzentrierten Beratungs- und Betreuungsprozesses für Menschen in der Arbeitswelt, der berufliche und private Inhalte umfassen kann und zeitlich begrenzt ist. Aus meiner Sicht ist Coaching keine Beratung „von der Stange“, sondern richtet sich nach den individuellen Bedürfnissen des Coachee und zielt immer auf die Förderung von Selbstreflexion und -wahrnehmung, Bewusstsein und Verantwortung zur Erweiterung und/ oder Flexibilisierung der Möglichkeiten des Coachee. Coachee und Coach arbeiten auf gleicher „Augenhöhe“ auf der Basis einer tragfähigen und durch gegenseitige Akzeptanz und Vertrauen gekennzeichneten, freiwillig gewünschten Beratungsbeziehung. Der Coachee erhält „Hilfe zur Selbsthilfe“ in Form von Prozessberatung auf der Grundlage eines gemeinsamen Vertrages.“ Teilnehmer: „Wie ist Ihre Vorgehensweise im Coaching? “ Coach: „Unser Coaching orientiert sich an den vier Phasen Analyse, Diagnose, <?page no="92"?> 3 Unterstützung und Begleitung von Führungskräften 86 Phase Termin Dauer Maßnahmen Analyse T 0 0,5 h Vorgespräch mit dem Vorgesetzten des Coachee: - Kurzinformation zum Coachee - Fremdbeschreibung - Ziele für das Coaching aus organisatorischer Sicht T 1 1,5 h Kontaktaufnahme und Erstgespräch: - Gegenseitiges Kennenlernen und Beziehungsaufbau - Voraussetzungen prüfen (Freiwilligkeit, Diskretion, gegenseitige Akzeptanz, funktionstüchtiges Selbstmanagement, Offenheit, Veränderungsbereitschaft) - Ausgangsituation klären - Ausgabe und Erläuterung der Fragebogen Bearbeitung der Fragebögen, Rückgabe, Auswertung T 2 (Fr. abd.) 3,0 h Ergebnisdarstellung: - Selbstbeschreibung - Fremdbeschreibungen Diagnose T 3 (Samstag) 6,0 h Exploration: - Reflexion der Ergebnisdarstellung - Persönlichkeitsbild - Ableitung persönlicher Zielsetzungen - Abstimmung über das weitere Vorgehen (inkl. Feedback für den Vorgesetzten) Es empfiehlt sich, die zeitaufwendigen Termine T 2 und T 3 wie oben ausgewiesen an einem Wochenende oder aber auf jeden Fall an zwei aufeinanderfolgenden Tagen durchzuführen. Wegen des hohen zeitlichen Aufwandes sollte erwogen werden, T 3 vorzugsweise extern in einem Hotel am Ort zu realisieren. Alle anderen Termine sollten hausintern stattfinden. Die Terminabsprachen werden von Coach und Coachee gemeinsam getroffen. <?page no="93"?> 3.3 Prozessbegleitung von Fach- und Führungskräften mittels Moderation und Coaching 87 Interventionen T 4 T 6 2,0 h ( 3 x ) Begleitung des Coachee (abstrakt im Gespräch oder real in der Organisation): neutrales und fundiertes Feedback geben - Interventionen durchführen (Bewusstsein und Verantwortung stärken) - Übungen zwischen den Terminen festlegen („Hausaufgaben“) - Selbstreflexion fördern - Hilfe zur Selbsthilfe geben Zwischenbilanz (inklusive 2. Feedback für den Vorgesetzten) im Anschluss an T 6 T 7 T 9 2,0 h ( 3 x ) Fortführung der Begleitung des Coachee (abstrakt im Gespräch oder real in der Organisation) wie oben zu „T 4“ „T 6“ Evaluation T 10 2,0 h Abschlusstermin: - Evaluation des Coachings (Ergebnisse, offene Fragen) - Formales Ende festlegen - Weiteren Umgang miteinander klären T 11 1,0 h Abschließendes Feedback für den Vorgesetzten Für Feedbackgespräche mit den Vorgesetzten ist das Einverständnis des Coachee zwingend erforderlich. Coach und Coachee stimmen jeweils ab, ob und worüber mit dem Vorgesetzten gesprochen wird.“ Teilnehmer: „Stichwort ‚Evaluation‘ - gibt es Möglichkeiten zur quantitativen Erfassung des Coachingerfolgs? “ Coach: „Wir sind nicht nur vom Nutzen unserer Coachings im Hinblick auf eine Verbesserung der Führungssituation, Effizienzsteigerung, Potentialentfaltung, Verhaltensänderung, Problem- und Konfliktlösung, Zielerreichung, sowie Unterstützung von Schlüsselpersonen überzeugt, sondern können dies auch immer dann quantitativ nachweisen, wenn wir ‚Vorher-Nachher-Messungen‘ mittels wissenschaftlich abgesicherter, standardisierten Fragebogen durchführen (vgl. Abb. 3.14). <?page no="94"?> 3 Unterstützung und Begleitung von Führungskräften 88 2 3 4 5 F A M K F/ K vorher nachher Norm Abb. 3.14: Vorher-Nachher-Messung mittels FVVB In allen Aspekten des Fragebogens zur Vorgesetztenverhaltensbeschreibung (FVVB) zeigen sich sowohl im Vergleich zur Messung vor dem Coaching als im Vergleich zur Norm Optimierungen auf allen Skalen: Die höheren Werte auf den Skalen ‚Freundliche Zuwendung / Respektierung (F)‘, ‚Mitreißende arbeitsstimulierende Aktivität (A)‘, ‚Mitbestimmung und Beteiligung ermöglichend (M)‘, sowie auch auf der Kombinationsskala ‚Freundliche Zuwendung / Aktivität (F/ K) weisen ebenso ein verbessertes Führungsverhalten aus, wie der nun gut durchschnittliche Wert auf der Skala ‚Kontrolle vs. Laissez-faire (K), welcher ein angemesseneres Kontrollverhalten beschreibt.“ Teilnehmer: „Ein durchaus beeindruckendes Ergebnis - allerdings erscheint mir der zeitliche Aufwand über einen so langen Zeitraum doch recht hoch. Gäbe es dazu eine Alternative? “ Coach: „Ihre Frage bestätigt unsere Erfahrung, dass besonders im höheren Management zeitlich kompaktere Lösungen gefragt sind. Wir haben daher eine Variante zum klassischen Coaching entwickelt. Im Vorfeld zu unserem Compact-Coaching erhält der Teilnehmer eine Auswahl psychometrischer Verfahren per Post zugesandt. Die Ergebnisse dienen der Entwicklung erster Hypothesen zum Persönlichkeitsbild des Teilnehmers. Die Auswahl der Verfahren leitet sich aus der Aufgabenstellung und/ oder dem Anforderungsprofil des Stelleninhabers ab. 2 3 4 5 F A M K F/ K vorher nachher Norm <?page no="95"?> 3.3 Prozessbegleitung von Fach- und Führungskräften mittels Moderation und Coaching 89 Die zu einem ersten Gesamtbild verdichteten Ergebnisse der psychometrischen Verfahren werden am ersten Tag präsentiert und erläutert. Sie bilden den „roten Faden“ für die Exploration. Im Focus der Exploration steht die Persönlichkeit des Teilnehmers, seine Fähigkeit zu unternehmerischen, konzeptionellen Denken und Handeln, sowie auch Führungskompetenz und bedingt Fachkompetenz. Besondere Bedeutung kommt der Kommunikationsfähigkeit des Teilnehmers zu. Er reflektiert wichtige Schritte seiner Lebensgeschichte und präzisiert die Fragestellungen, die sich aus seiner augenblicklichen Situation ergeben. Der Coach hört aufmerksam zu und fragt, wenn ihm für das langsam wachsende Gesamtbild der ihm gegenübersitzenden Persönlichkeit noch wichtige Informationen fehlen. Ziel ist, wiederkehrende Muster aus der Biographie des Teilnehmers zu erkennen, die hinsichtlich seiner Aufgabenstellung bedeutsam sind. Die abschließende Gesprächsanalyse dient dazu, gemeinsam Vorstellungen über das Vorgehen am zweiten Tag zu entwickeln. Im Coaching am 2. Tag wird dem Teilnehmer ein Szenario geboten, zukünftige Herausforderungen zu durchdenken und ggf. zu simulieren und zu üben. Gesprächs- und Verhandlungssimulationen, Vortrag und Präsentation, konzeptionelle Aufgaben und Arbeitsmethodik werden je nach Erfordernis besonders zugeschnitten. Psychologisches und methodisches Wissen ergänzen die Übungen, die ggf. auch mit Videoaufzeichnungen nachgearbeitet werden. Im „learning by doing“ werden konstruktive Verbesserungsvorschläge des Coachs reflektiert und ausprobiert. Im Lerndialog mit dem Coach schließt der Teilnehmer Wissenslücken, überprüft seine Einstellung und lernt neue Handlungsstrategien kennen und anwenden. Der Coach verdeutlicht Stärken und ermutigt zum kreativen Ausprobieren neuer Denk- und Handlungsmodelle. Es ist das übergeordnete Ziel des Coachings, dem Teilnehmer Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zur individuellen, konstruktiven Gestaltung seiner beruflichen Handlungskompetenz zu vermitteln. Das Training endet mit einer vom Coach und dem Teilnehmer gemeinsam verfassten Nachschrift zum Compact-Coaching für den Auftraggeber. Auf Wunsch des Teilnehmers sind follow-ups möglich.“ Teilnehmer: „Und wie sieht eine solche Nachschrift aus? “ Coach: „Abb. 3.17 zeigt beispielhaft die skizzierte Abschrift einer mit einem Teilnehmer vereinbarten Nachschrift auf der Folgeseite. <?page no="96"?> 3 Unterstützung und Begleitung von Führungskräften 90 Abb. 3.15: Abschrift der Nachschrift zum Compact-Coaching Analyse und Diagnose am ersten Tag: Besprechung der Testergebnisse der im Vorfeld versandte Fragebogenverfahren: Selbst- und Fremdbild im Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP) und des Musters im Arbeitsbezogenen Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM) und den sich daraus ergebenden Empfehlungen für Interventionen Exploration zur Verdichtung des Persönlichkeitsbildes Einsatz des Fragebogens zur Analyse belastungsrelevanter Anforderungsbewältigung (FABA) zur Abstimmung der Trainingsziele Bearbeitete Trainingsziele am zweiten Tag: Realistische Tätigkeitsorganisation in Anlehnung an das Ergebnis im FABA: Qualitative Zielbildung, Gedankenstopp-Training zur Reduzierung leistungsorientierter Ängste Veränderung von Arbeitsbedingungen als Ziele zur Teamentwicklung: Sicherung durchschaubarer und beeinflussbarer Arbeitssituationen, langfristige Arbeitsplanung ermöglichen, individuelle Leistungsvorgaben, selbständige Tätigkeitsspielräume/ Freiheitsgrade sichern, Reduzierung von Außensteuerung, Vermeidung von Über-/ Unterforderung, Sicherung vollständiger Tätigkeiten Optimierung der Kooperationsbereitschaft durch selbstorganisierende Teambildung Gearbeitet wurde mit Methoden aus NLP (Neurolinguistisches Programmieren): Wohlgeformte Ziele + future pace, Körpersprachenmodell + Kalibrieren + Ankern, Moment of Excellence, sowie RET (Rational Emotives Training): ABC - Methode Strategische Überlegungen zur Sicherung des Teamerfolgs in sechs verzahnten, aufeinanderfolgenden Schritten: Einhalten der Zuständigkeiten (1), Akzeptanz der Zuständigkeiten (2), Ordnung und Disziplin (3), Wunsch nach Einklang: gerne in ruhiger Atmosphäre arbeiten, wo es keinen Stress untereinander gibt (4), Motivation: Wunsch als Team bei der Aufgabe erfolgreich zu sein (5), gemeinsames Ziel: Erfolgreiches Team (6). Die Reihenfolge ergibt sich aus dem Schwierigkeitsgrad des Schrittes. Einfache Schritte erfolgen zuerst, um so schnelle und wichtige Erfolgserlebnisse zu erzielen Ausblick - zwei weitere Coachings zu den Themen: Moderierte Besprechungen als Technik zur selbstorganisierenden Teambildung Erlernen optimaler Formen der Bewältigung sozialer Konflikte <?page no="97"?> 3.3 Prozessbegleitung von Fach- und Führungskräften mittels Moderation und Coaching 91 Das Beispiel unterstreicht die hohen Anforderungen, die an einen externen Coach im Hinblick auf sein psychologisches und strategisches Know-How zu stellen sind. Darüber hinaus ist in besonderem Maß sein Einfühlungsvermögen gefragt. Im Hinblick darauf sei auf den Ansatz von Erik de Haan verwiesen, der sich in seinem Ansatz ‚Relational Coaching‘ eingehend mit diesen Aspekten auseinandersetzt und schließlich die Einflussmöglichkeiten des Coachs so auf den Punkt bringt: ‚Das Einzige, worauf der Coach tatsächlich Einfluss hat und was er tun kann, um - wenn auch nur indirekt - den Erfolg des Coachings zu beeinflussen, ist die Gestaltung der Beziehung zwischen Coach und Coachee. Relationales Coaching ist dann gegeben, wenn der Coach 1) sich bemüht, das Problem/ Thema aus der Sicht der Beziehungen, in der dieses entstanden ist, und auch die Coaching-Beziehung zu verstehen; 2) sich anstrengt, die Beziehung so stark und produktiv wie möglich zu gestalten; 3) keine Einschränkungen bei seinen spezifischen Interventionen weder in der Art noch in der Reihenfolge ihres Einsatzes macht. Solange der Coach der Meinung ist, dass sie mit seiner eigenen Persönlichkeit vereinbar sind und er wirklich dahintersteht, ist die Wahl gerechtfertigt‘ Diesem Gedankengang folgend, hängt erfolgreiches Coaching weniger von den angewandten Modellen und Techniken ab, sondern in erster Linie von einem guten Rapport zwischen Coach und Coachee: Erst muss die Beziehung geklärt und Vertrauen aufgebaut werden, damit Interventionen greifen: Die Chemie muss stimmen! “ Teilnehmer: „Ich denke, dies gilt im übertragenen Sinn auch für interne Coachings. Was ist darüber hinaus zu beachten, wenn Vorgesetzte intern coachen? “ Coach: „Aus meiner Sicht empfiehlt sich internes Coaching, wenn Mitarbeiter entwicklungsorientiert geführt werden sollen, es bereits von vornherein klar ist, dass vor allem berufliche Aspekte zu thematisieren sind und auf die Neutralität des Coachs kein besonderer Wert gelegt wird. Zudem sollte innerhalb des Unternehmens internes Coaching positiv bewertet und die Interessen des Coachees mit den Organisationszielen übereinstimmen, wie z.B. wenn organisationsinterne Personalentwicklungsmaßnahmen durch den Vorgesetzten unterstützt werden sollen, sowie fachliche Fragen mit einer auch kontrollierenden und bewertenden Führungskraft vertieft aufgearbeitet werden sollen. Bisher unbekannte Lösungen sollten besser durch den Einsatz von Moderationsmethoden angestrebt werden. <?page no="98"?> 3 Unterstützung und Begleitung von Führungskräften 92 Selbstverständlich ist das Einverständnis des Vorgesetzten einzuholen und sicherzustellen, dass ihm nicht nur für das Coaching ausreichend Zeit zur Verfügung gestellt wird, sondern auch die Reflexion seiner Bemühungen z.B. in Form von Supervision, der Beratung für Berater, ermöglicht wird.“ 3.4 Kooperative Konfliktbewältigung Nachdem zuletzt skizziert worden ist, wie Führungskräfte als Moderatoren betriebliche Aufgabenstellungen mit ihrem Team gemeinsam angehen und wie sie durch Coaching in ihren Bemühungen unterstützt und begleitet werden können, geht es nun darum aufzuzeigen, wie Führungskräfte alltägliche Konflikte bewältigen können, die beinahe zwangsläufig auftreten, sobald Probleme allein oder mit anderen zu lösen sind und unterschiedliche Ziele, Interessen, Bedürfnisse, Denk- und Verhaltensweisen aufeinandertreffen. Ungelöst und verdrängt kosten Konflikte Kraft, Zeit und Gesundheit. Sie blockieren Energien, Kreativität und Motivation. Richtig angepackt bietet sich demgegenüber die Chance, sachlich oft überraschend schnell weiterzukommen, sowie Motivation und Leistungskraft wiederzufinden. Teilnehmer: „Worüber genau sprechen wir, wenn wir von Konflikten im betrieblichen Kontext reden? “ Coach: „Unabhängig vom Kontext sprechen wir von Konflikten, wenn zwei Elemente gleichzeitig gegensätzlich oder unvereinbar sind und jemand sich und/ oder andere aus innerem Antrieb und/ oder äußeren Forderungen drängt, Stellung zu beziehen. Konfliktelemente können dabei vielfältiger Natur sein: Gedanken, Gefühle, Neigungen, Widersprüche, Wünsche, Verhaltensweisen, Absichten, Beurteilungen, Bewertungen, Personen oder Gruppen. Was auch immer - Konflikte sind Störungen, die den Handlungsablauf unterbrechen und dazu zwingen, sich der eigenen Orientierung zu vergewissern. Sie lösen unweigerlich Gefühle aus, haben die Tendenz zu eskalieren und erzeugen Lösungsdruck. Ebenso vielfältig wie Konfliktelemente sind mögliche betriebliche Konfliktursachen: Unzureichende Kommunikation, gegenseitige Abhängigkeit, Gefühl, ungerecht behandelt zu werden, (Rollen-)Mehrdeutigkeit aufgrund der Verantwortung, wenig Gebrauch von konstruktiver Kritik, Misstrauen, unvereinbare Persönlichkeiten und Einstellungen, Kämpfe um Macht und Einfluss, Groll, Ärger, Empfindlichkeit, Mitgliedschaft in unterschiedlichen Einheiten, Auseinandersetzung über Zuständigkeiten, Belohnungssystem, Gesichtsverlust und/ oder Wettbewerb um knappe Ressourcen.“ <?page no="99"?> 3.4 Kooperative Konfliktbewältigung 93 Teilnehmer: „Vor dem Hintergrund all dieser möglichen Konfliktursachen dürfte eine Konfliktanalyse mehr als Sinn machen, bevor die eigentliche Konfliktbearbeitung angestrebt wird. Was schlagen Sie diesbezüglich vor? “ Coach: „In unseren Konfliktmanagement-Trainings arbeiten wir mit einer dreistufigen Methodik der Konfliktbeschreibung und -ergründung zur Ableitung von Lösungsvorschlägen, die sich nicht nur in den Trainings, sondern auch nach Rückmeldung der Teilnehmer in der Praxis bewährt hat: 1) Beschreibung: Was ist / war gewesen? - Informationssammlung ohne Wertung zur Erfassung des Konfliktgeschehens 2) Bewertung: Warum ist das so? - Fakten mit psychologischem Wissen und gesunden Menschenverstand erklären 3) Vorschläge zur Intervention: Was ist zu tun? - Mit organisatorischen und/ oder personellen Maßnahmen die Konfliktlösung angehen Ob zutreffend erklärt und interveniert werden kann, hängt in entscheidendem Maß von der Qualität der Analyse ab: Wir schlagen daher ein Raster vor, um eine vollständige Informationssammlung zu sichern: Informationen zur Person und Situation: Um wen handelt es sich? Wie alt? Was für ein Typ? Wie lange in der Firma? Welche Position bekleidet er? Wie werden sein Leistungsvermögen und seine Leistungsbereitschaft beurteilt? Zeitbezug: Wann, wie oft, im Zusammenhang womit treten Konflikte auf? Verhalten: Wie verhält er sich in den Konflikten? Sach- oder Beziehungsproblem, personalisierter Sachkonflikt: Welcher Art ist der Konflikt? Gruppenstrukturen und Gruppenverhältnisse: Inwiefern sind sein Team oder teamübergreifende Andere in welcher Art und Weise involviert? Kommunikation: „Wie gestaltet sich das Miteinander vor, während und nach dem Konfliktgeschehen? Wie wird miteinander geredet? Mit der so durchgeführten, weitgehend wertungsfreien Informationssammlung erschließt sich nicht nur die Möglichkeit zu einer zutreffenden Diagnose und eines darauf aufbauenden Vorschlags zu einer angemessenen Intervention sondern auch der wohl vorbereitete Einstieg in die kooperative Konfliktbewältigung. Zudem sichert diese Vorgehensweise, das der Konfliktlöser mit der zwin- <?page no="100"?> 3 Unterstützung und Begleitung von Führungskräften 94 gend notwendigen professionellen Distanz an die Konfliktbearbeitung herangeht.“ Teilnehmer: „Wie gestaltet sich die Vorgehensweise bei der kooperativen Konfliktbewältigung? “ Coach: „Davon ausgehend, dass die konfliktlösende Führungskraft selbst am Konflikt beteiligt ist, schlagen wir eine sechsphasige Vorgehensweise vor: 1) Erregung kontrollieren Zur Beginn des Prozesses sollte der am Konflikt selbst auch beteiligte Konfliktlöser auf die eigenen körperlichen Warnsignale achten, Reizworte kennen, die ihn leicht auf die Palme bringen, Vorwürfe überhören und übergehen, sich nicht aus dem Gleichgewicht bringen lassen und darauf achten, zwischen der (Verhandlungs-)Rolle des anderen und seiner Person zu unterscheiden. 2) Vertrauen bilden Im nächsten Schritt geht es darum, sich zu öffnen, indem eigene Vorstellungen und Empfindungen mitgeteilt und dem anderen mit realistischen Vorschlägen entgegengekommen wird, wobei sich spätestens dann die gute Vorbereitung durch die beschriebene Methodik der Konfliktbeschreibung und -ergründung mit der Ableitung von Vorschlägen zur Konfliktlösung auszahlen wird. Chancen, den anderen über den Tisch zu ziehen, sollten bewusst nicht genutzt, aber signalisiert werden, dass man es hätte tun können. Auch sollte sichergestellt werden, dass die eigenen Motive und Absichten nicht als Täuschung verstanden werden. 3) Offen kommunizieren Es sollte sorgfältig zugehört und nachgefragt, sowie sich bisheriger Ergebnisse durch Zusammenfassen vergewissert werden, wobei Details zu beachten, zu registrieren und evtl. durch Notizen festzuhalten sind. Treten Psychospiele auf, sind diese beim Namen zu nennen. Als hilfreich hat sich das Einflechten von humorvollen Gesten und lockeren Bemerkungen erwiesen. 4) Problem lösen In dieser Phase geht es vor allem darum, dass es gelingt, die Mussziele von den Wunschzielen jeder Seite zu trennen und in Tausch und Gegentausch einzutreten, wobei das „Gesamtpaket“, das übergeordnete Ziel, nicht aus den Augen zu verlieren ist. Es sollte immer wieder auf Nutzen und Vorteile hingewiesen werden, die jede Seite von einer Einigung hat, sowie stets das Risiko bedacht werden, wenn es nicht gelingt, zu einer Einigung zu kommen. <?page no="101"?> 3.4 Kooperative Konfliktbewältigung 95 5) Vereinbarung treffen Selbst kleine Ergebnisse sollten zwar schon als Erfolg verbucht werden, wobei allerdings auch Wert darauf gelegt werden sollte, sich nicht mit vorschnellen Entscheidungen zufrieden zu geben, wobei es durchaus angebracht sein kann, über den eigenen Schatten zu springen. Wie auch immer - die gemeinsame Vereinbarung sollte klar und unmissverständlich formuliert werden. Zudem sollte auch besprochen werden, wie beide Konfliktparteien reagieren, wenn das Ergebnis von anderer Stelle kritisiert wird. 6) Ergebnis verarbeiten Wenn es am Ende gelungen ist, sich nach der Decke zu strecken, das Mögliche von dem gewünschten zu unterscheiden, Rachegefühle zu verbannen und mit Enttäuschungen fertig zu werden gilt es, innerlich zur Vereinbarung „ja“ zu sagen.“ Teilnehmer: „Die Vorgehensweise als Konfliktbeteiligter ist das Eine, aber viele Führungskräfte kommen immer wieder in die Situation, Konflikte anderer managen zu müssen. Wie sollte dann vorgegangen werden? “ Coach: „Sowohl wir selbst in der Rolle als externe Konfliktmoderatoren als auch unsere Coachees und die Teilnehmer unserer Konfliktmanagementseminare haben in ihren Praxisphasen gute Erfahrungen mit einem Konfliktmanagement- Fahrplan über sechs Stationen gemacht: 1) Vorbereitung Der Konfliktmanager stellt die Verbindung zu beiden Parteien her, informiert beide Parteien in separaten Gesprächen über das anstehende Konfliktlösungsverfahren, sammelt in Einzelgesprächen erste Informationen über den Konflikt und versucht die Hintergründe des Konflikts zu verstehen, indem er sich an folgenden Leitfragen für ein halbstandardisiertes Interview orientiert: Was bringen die Konfliktparteien vor? Was ärgert, stört, irritiert sie? Sehen beide Parteien das Konfliktgeschehen gleich, ähnlich oder verschieden? Auf welche Informationen stützen sie sich? Beziehen sich die Streitpunkte auf objektive Sachverhalte oder persönliche Ansichten? Könnte der Konflikt aus einem anderen Bereich hierher verschoben worden sein? <?page no="102"?> 3 Unterstützung und Begleitung von Führungskräften 96 Wie erleben sie die Streitpunkte persönlich? Wie wichtig sind Ihnen diese Punkte? Was ist der „springende Punkt“, auf den sich beide Seiten versteifen? Worum geht es Ihnen? Stehen hinter den Parteien weitere Personen, organisierte Einheiten oder formlose Kollektive? Was sind die (drei) größten Stärken und Schwächen jeder Konfliktpartei? Fühlt sich eine Seite der anderen seelisch überlegen, unterlegen oder gleichwertig? Wie definieren sie ihre Beziehung zueinander? Was erwarten Sie voneinander? Sind sie organisatorisch einander zugeordnet: Über-/ untergeordnet? Gleichrangig nebeneinander? Im Arbeitsablauf voneinander abhängig? Wie erleben die Parteien die von der Organisationsstruktur bzw. dem Arbeitsablauf gegebenen Abhängigkeiten? Wie gehen Sie mit ihnen um? (Nutzen? Ausweichen? Missbrauchen? Ablehnen? ) Welche Forderungen kann eine Partei aufgrund ihrer Position an die andere stellen? Stehen die Parteien allein? Haben sie Verbündete? Gibt es am Konflikt interessierte Dritte? Was hat den Konflikt ausgelöst? Welche „kritischen“ Ereignisse haben ihn verschärft? Debattieren die Parteien noch miteinander, reagieren sie inzwischen aufeinander oder kämpfen sie schon gegeneinander? Welche Verhaltensmuster treten zwischen ihnen immer auf? Wie versucht die eine Partei die andere dazu zu bringen, auf ihre Anliegen einzugehen? Was hat jede Seite bisher getan, um die Erwartungen der anderen zu unterlaufen? Was versprechen sich die Parteien von einer Fortsetzung des Konflikts? Was glauben sie zu verlieren, wenn sie sich mit der Gegenseite verständigen? Zu welchem Einsatz sind sie bereit? Ist der Konflikt dauerhaft oder zeitlich begrenzt? Wo und wann könnte der Konflikt wieder aufflammen? Was unternimmt jede Partei, um mit dem Ergebnis konstruktiv zu leben? Welchen Nutzen oder Schaden hat der Konflikt den Parteien und der Organisation gebracht? Nach der Informationssammlung schafft der Konfliktmanager die Voraussetzung für die eigentliche Konfliktverhandlung und bereitet die äußeren Rahmenbedingungen vor, wobei er Hemmschwellen und Auslöser beachtet, einen für die Kon- <?page no="103"?> 3.4 Kooperative Konfliktbewältigung 97 fliktparteien akzeptablen Zeitpunkt und Zeitraum vereinbart, Raum- und Sitzordnung und das Ziel der Aussprache festlegt. 2) Eröffnung der Konfliktvermittlung Am gemeinsamen Gesprächstisch werden Ausgangslage, Ziele, die einzelnen Schritte des Vorgehens, die Spielregeln, die Rolle des Konfliktmanagers und die Rollen der Konfliktparteien sowie der Zeitplan geklärt. Die Akzeptanz der Regeln wird gesichert, ihr Einhalten durch die Parteien und ihr Einklagen durch den Konfliktmanager vereinbart. 3) Konfrontation der Sichtweisen Der Konfliktmanager regt die Parteien dazu an, ihre Sicht der Dinge offen darzulegen, d.h., ihre konkreten Erlebnisse und Erfahrungen, sowie die damit verbundenen Gefühle zu thematisieren, wobei er seiner Rolle entsprechend sowohl auf die Einhaltung der Regeln (nicht unterbrechen, ausreden lassen, einander zuhören etc.) als auch darauf achtet, dass die Gesamtthematik zur Sprache kommt. Zudem sorgt der Konfliktmanager dafür, dass gefühlsgeladene Äußerungen weitgehend zugelassen werden, sowie ‚Waffengleichheit‘ und eine optimale Spannung durch ein gut ausbalanciertes Miteinander gesichert sind. 4) Auswertung des Konfliktgeschehens Wenn alles auf dem Tisch liegt, was die Konfliktpartner sich an Erfahrungen und Gefühlen mitgeteilt haben, muss das Material gemeinsam gesichtet, geordnet und ausgewertet werden, wobei vor allem zu klären ist, welches die echten Anliegen sind und welche sachlichen Interessen und welche emotionalen Bedürfnisse vorliegen. Nur wenn beide Seiten die Prioritäten des Partners wirklich verstanden haben, kann das Aushandeln einer Lösung mit Aussicht auf Erfolg beginnen. 5) Konfliktverhandlung Idealerweise orientiert sich der Konfliktmanager am „Harvard-Konzept“, welches vorschlägt, Menschen und Probleme getrennt voneinander zu behandeln, nicht Positionen, sondern Interessen in den Mittelpunkt zu stellen, vor der Entscheidung verschiedene Wahlmöglichkeiten zu entwickeln und das Ergebnis auf objektiven Entscheidungsprinzipien aufzubauen. Dementsprechend vereinbart er: Welches Verhalten soll jede Seite öfter, bzw. stärker zeigen? Welches Verhalten soll jede Seite seltener, bzw. gar nicht mehr zeigen? Welches Verhalten soll jede Seite so wie bisher beibehalten? <?page no="104"?> 3 Unterstützung und Begleitung von Führungskräften 98 Was soll jede Seite tun, um es der anderen zu erleichtern, das gewünschte Verhalten zu zeigen? 6) Konfliktcontrolling Da das Tagesgeschäft seine Tücken hat, werden beide Partner auf Herz und Nieren geprüft, ob sie es mit der offenen Zusammenarbeit ernst meinen. Zudem wird vereinbart: Wann, wie häufig und mit wem erfolgt eine Überprüfung der in der Konfliktverhandlung erzielten Vereinbarung? Welche Sanktionen sollen greifen, wenn eine Seite die Vereinbarung bricht? “ <?page no="105"?> 99 4 Gesundheitsorientiertes Führen In dem durch wachsende Anforderungen geprägten, anhaltenden Transformationsprozess, dem sich heute Unternehmen aller Branchen stellen müssen, sind Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit zentrale Erfolgsfaktoren, die nur mit gesunden und motivierten Mitarbeitern zu erreichen sind. Von daher gewinnt das Thema “gesundheitsorientiertes Führen“ zunehmend an Bedeutung: Wer die volle Leistungsfähigkeit fordert, muss auch innerbetrieblich Möglichkeiten anbieten, die Leistungskraft und die Gesundheit zu stärken und zu erhalten. Das Motto lautet: „Leistung fordern - Gesundheit fördern“. Deshalb muss sich ein zukunftsorientiertes Personalmanagement auch mit betrieblichem Gesundheitsmanagement befassen. Die Philosophie des betrieblichen Gesundheitsmanagements besteht darin, sowohl auf die Eigenverantwortung des Einzelnen zu setzen als auch die Führungskräfte und den Arbeitgeber in die Pflicht zu nehmen. Führungskräfte sind aufgefordert, betriebliches Gesundheitsmanagement als Anforderungskriterium zu akzeptieren und ihr Führungsverhalten darauf auszurichten. Es gilt gesundheitsorientiert zu führen und innerbetriebliche Veränderungsprozesse auch unter gesundheitlichen Gesichtspunkten mit zu gestalten. Um gesunde Führung in einem Unternehmen zu etablieren, sind die Führungskräfte selbst und ihre eigene Gesundheit gefragt. Führungskräfte wirken als Multiplikatoren und können gesundheitsförderliche Unternehmenswerte leben und verstärken sowie Maßnahmen zur Gesundheitsförderung aktiv unterstützen. Das eigene Gesundheitsverhalten der Führungskräfte spielt eine wichtige Rolle, denn sie sind Vorbild für ihre Mitarbeiter. Von daher wird in diesem Abschnitt zunächst dargestellt was Führungskräfte zu den Themen „Stress“, „Stressbewältigung“ und „Burnout“ wissen und wie sie damit umgehen sollten, bevor mit der „Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen im Betrieb“ eine inzwischen durchaus bewährte Methode zur gesundheitlichen Prävention vorgestellt wird. <?page no="106"?> 4 Gesundheitsorientiertes Führen 100 4.1 Stress - Erscheinungsformen Wer seinen alltäglichen Stress im Allgemeinen, und die mit einer Führungstätigkeit einhergehenden zusätzlichen Belastungen im Besonderen in den Griff bekommen möchte, sollte sich zunächst einmal grundsätzlich mit dem Wesen von Stress, seinen Gründen und Erscheinungsformen bis hin zum Burnout als Folge von nicht bewältigtem Stress auseinandersetzen, bevor er Gegenmaßnahmen in Betracht zieht und Entspannungsverfahren auswählt. Diesem Gedankengang folgend beschreiben wir in diesem Kapitel zunächst, was während einer Stressreaktion in unserem Körper geschieht. Teilnehmer: „Ehrlich gesagt kenne ich niemanden, der nicht zumindest hin und wieder davon spricht, in der einen oder anderen Art Stress zu erleben. Sei es, dass ihm Kunden oder Klienten ‚Stress machen‘, er wegen Zeitnot ‚unter Stress steht‘ oder er beklagt, dass ‚andere sich nicht so einen Kopf machen müssen und es allein schon deshalb bei ihnen wesentlich stressfreier abläuft‘. Vor dem Hintergrund solcher Äußerungen, die sich beliebig fortsetzen lassen, stellt sich die Frage, was eigentlich genau hinter diesem arg strapazierten Allerweltsbegriff „Stress“ steckt? “ Coach: „Der Begriff ‚Stress‘ wurde 1950 in der Medizin und Psychologie von Hans Selye eingeführt. Nach Selye definiert sich Stress über ‚die Belastungen, Anstrengungen und Ärgernisse, denen ein Lebewesen täglich durch viele Umwelteinflüsse ausgesetzt ist. Es handelt sich um Anspannungen und Anpassungszwänge, die einen aus dem persönlichen Gleichgewicht bringen können und bei denen man seelisch und körperlich unter Druck steht‘. Statt von Umwelteinflüssen sprechen wir heute umfassender von äußeren und inneren belastenden Bedingungen und Situationen, so genannten Stressoren, wie z.B. die häufig beklagten, stetig zunehmenden Erwartungen von Kunden, bzw. Klienten, der durch Transformationsprozesse erzeugte besondere Erfolgszwang beim Changemanagement, die stetig wachsende Arbeitsmenge und -vielfalt durch immer mehr gesetzliche Auflagen, zunehmender Zeitdruck und häufige Störungen aller Art, aber auch das eigene Anspruchsdenken an Qualität und Quantität der Leistung sowie Berufs-/ Freizeitkonflikte infolge der durch das hohe berufliche Engagement bedingten starken zeitlichen Inanspruchnahme. Durch die Notwendigkeit gesundheitsorientierter Führung wird nun ein zusätzliches Spannungsfeld aufgebaut. So tragen Führungskräfte Verantwortung dafür, dass Aufgaben erfüllt, Deadlines eingehalten und Ziele vor dem Hintergrund von starkem Zeitdruck und häufigen Arbeitsunterbrechungen erreicht werden. Zu damit einhergehenden Tätigkeiten, die mit hohen Anforderungen verbunden <?page no="107"?> 4.1 Stress - Erscheinungsformen 101 sind, die sich durchaus stressauslösend auswirken können, haben Führungskräfte auch eine (Mit-) Verantwortung für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter, was schon dazu beitragen kann, den Stresspegel noch weiter in die Höhe zu treiben. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um unvereinbare Gegensätze, sondern vielmehr um zwei Seiten einer Medaille, die für einen nachhaltigen Unternehmenserfolg unverzichtbar sind. Die in einer wie immer gearteten Führungssituation enthaltenen, gleichen Stressoren können bei unterschiedlichen Personen aufgrund individueller Motive, Einstellungen und Bewertungen verschieden wirken oder als Stressverstärker in Erscheinung treten, wie beispielsweise übermäßiges Arbeitsengagement, exzessive Planungs- und Kontrollambitionen, Ungeduld, Selbstüberforderung, Dominanzstreben und/ oder Erholungsunfähigkeit. Ob ein Stressor zum gesundheitsschädlichen Di-Stress oder zum harmlosen oder sogar gesundheitsfördernden Eu-Stress führt, hängt davon ab, wie der Einzelne mit der stressauslösenden Anforderung umgeht, kurz: Stress entsteht im Kopf! Nehmen wir beispielsweise an, einem fachlich überaus versierten „Mann ohne viel Worte“ wird angeraten, am Jubiläum eines wichtigen Kunden teilzunehmen, ihm während der Feier ein Geschenk zu überreichen und eine kurze Ansprache zu halten. Allein schon die Vorstellung, sich vor Publikum präsentieren zu müssen und die damit einhergehende Angst, sich zu blamieren, setzt ihn seelisch und körperlich unter Druck. Er fühlt sich durch die Aufgabe maßlos überfordert und kommt buchstäblich ins Schwitzen. Je länger er über seinem Redemanuskript brütet, umso weniger fällt ihm ein. Er reagiert disharmonisch - Di-Stress hat sich entwickelt. Etwa zur gleichen Zeit fühlt sich ein anderer, der es durch Verbands- und Ehrenamtstägigkeiten gewohnt ist, öffentlich aufzutreten, gleichermaßen gefordert und geehrt, als an ihn herangetragen wird, exakt die gleiche Aufgabe zu übernehmen. Freudig erregt ruft er zu Hause an und erzählt seiner Gattin, dass sich ihm hier eine Gelegenheit bietet, sich bei seinem Kunden positiv in Szene zu setzen. Gleich darauf setzt er sich an seinen Schreibtisch und bereitet konzentriert und kreativ seine Rede vor. <?page no="108"?> 4 Gesundheitsorientiertes Führen 102 Er sieht in dem Arbeitsauftrag keine Belastung, sondern eine Herausforderung, der er sich euphorisch stellt - Eu-Stress ist entstanden. Unser Beispiel unterstreicht, dass Stress aufgrund von unterschiedlichen Bewertungen des gleichen Stressors auf zwei Arten auftreten kann. Die Gegenüberstellung in Abbildung 4.1 benennt die wesentlichen Merkmale.“ Abb. 4.1: Gegenüberstellung von Eu- und Di-Stress Eu-Stress = Positiver Stress Di-Stress = Negativer Stress harmlos oder sogar gesundheitsfördernd fördert die Weiterentwicklung spornt zur Leistung an kann zur Höchstleistung führen Arbeit und Freizeit machen Spaß man zeigt gute Arbeitsergebnisse es treten nur wenig Stressreaktionen auf gesundheitsschädlich Leistungsdruck man fühlt sich überfordert man wird planlos und / oder resigniert Die Leistung wird immer schlechter Freizeit wird zum Stress Fehler häufen sich die Krankheitsanfälligkeit steigt Teilnehmer: „Motive, Einstellung und Bewertungen fungieren also als Bindeglieder zwischen Stressoren und körperlichen und psychischen Reaktionen, die sich bei Di-Stress gesundheitsschädlich auswirken. Welche Wirkungen genau werden durch Di-Stress hervorgerufen? “ Coach: „Stressreaktionen wirken sich auf vier Ebenen aus: 1. Auf der kognitiven Ebene beeinflussen Stressreaktionen unsere Denk- und Wahrnehmungsprozesse. Di-Stress führt hier zur Einengung der Wahrnehmung und Informationsaufnahme, Lern- und Gedächtnisleistungen nehmen messbar ab. Konzentrationsstörungen, Tagträume, Gedächtnis- und Leistungsstörungen und / oder Alpträume sind mögliche Folgen. 2. Bei Dauerstress wird vor allem die emotionale Ebene betroffen. Es entstehen unterschiedliche Zustände mit Gefühlen, die Angriffs- oder Fluchttendenzen auslösen oder aber Hilflosigkeit hervorrufen. Es resultieren Aggressionsbereitschaft, Angst, Unsicherheit, Unausgeglichenheit, Nervosität, Depressionen, Gereiztheit oder Hypochondrie (eingebildete Krankheiten). <?page no="109"?> 4.1 Stress - Erscheinungsformen 103 3. Die Erhöhung der Reaktionsbereitschaft in Richtung Erregung wirkt sich auf der vegetativ-hormonellen Ebene auf das vegetative Nervensystem und alle angeschlossenen Organe und auf die Hormone aus. Mögliche Folgen sind Herz-Kreislauf-Beschwerden, labiler Blutdruck, Infarktrisiko, Gastritis, Darm- und Magengeschwüre, Schlafstörungen, Verdauungsbeschwerden, Müdigkeit, Verschiebung des Hormonhaushalts, Migräne, Schwitzen und bei Frauen Zyklusbeschwerden. 4. Auf der muskulären Ebene verbraucht ständige Anspannung viel Energie. Wir ermüden vorzeitig. Chronische Verspannungen ganzer Körperpartien sind die Folge. Allgemeine Verspanntheit, leichte Ermüdbarkeit, Krampfneigung, Muskelzittern, Rücken-, Nacken- und Kopfschmerzen sind mögliche Vorzeichen.“ Teilnehmer: „Damit wäre klar, welche Wirkungen Stressreaktionen auf lange Sicht hervorrufen (können), offen bleibt - was geschieht in unserem Körper, wenn eine Stressreaktion abläuft? “ Coach: „Hinweise zur Beantwortung dieser Frage erhalten wir, wenn wir Stress wie Biologen als einen psychophysischen Zustand betrachten, bei dem unser Körper durch einen Stressor so sehr aus dem Gleichgewicht gebracht wird, dass zusätzliche Energien erforderlich werden, um auf die neu entstandene außergewöhnlich belastende Situation oder Bedingung zu reagieren. Als wichtigste kurzfristige Auswirkungen der Stressreaktion auf den Körper werden in Sekundenbruchteilen: Gehirn aktiviert und durchblutet, Speichelfluss reduziert, Mund trockener, Bronchien erweitert, Atem beschleunigt, Blutdruck erhöht, Herzschlag schneller, Schweiß erzeugt, Energie in Form von Blutzucker und Fetten bereitgestellt, Verdauungstätigkeit und Energiespeicherung gehemmt, Hände und Füße kalt, Gerinnungsfähigkeit des Blutes erhöht, Libido gehemmt, Schmerztoleranz und Immunkompetenz kurzfristig erhöht, langfristig vermindert.“ Teilnehmer: „Das Ganze sieht mir danach aus, als ob unser Körper blitzschnell hochgefahren wird, um einer Gefahr zu begegnen oder auszuweichen. Denn ei- <?page no="110"?> 4 Gesundheitsorientiertes Führen 104 nerseits werden in der Liste alle Funktionen benannt, die notwendig sind, um eine außerordentliche motorische Aktion einzuleiten; das Gehirn wird in Alarmbereitschaft gesetzt, Atmung, Herz-Kreislauf angeregt, Energie bereitgestellt. Andererseits werden Verdauung und Energiespeicherung sowie das sexuelle Verlangen heruntergefahren, allesamt Funktionen, die in einer akuten Gefahrensituation weniger wichtig sind.“ Coach: „Alles in allem handelt es sich um ein automatisiertes Reaktionsrepertoire, welches maßgeblich dazu beigetragen hat, der Menschheit ihr Überleben zu sichern. Stress ist insofern etwas vollkommen Normales, um Gefahrensituationen zu meistern, wie sie z.B. jeder Fahrzeugführer im öffentlichen Personennahverkehr zur Genüge kennt. Läuft ein Kind plötzlich und ohne zu schauen zwischen parkenden Autos auf den Fahrweg sichern eben diese automatisierten Reaktionen, dass er blitzartig und gerade noch rechtzeitig abbremst oder ausweicht.“ Teilnehmer: „Eine ähnliche Situation ist mir noch gut in Erinnerung. Was sich da in meinem Körper alles abgespielt hat, wurde mit allerdings erst klar als ich mein Fahrzeug nach einem halsbrecherischen Ausweichmanöver endlich sicher zum Stehen gebracht hatte. Erst da habe ich gespürt, wie anstrengend die Reaktion war: Mein Herz schlug heftig, mein Atem ging schnell, meine Hände waren schweißnass, an Aufstehen war vorerst überhaupt nicht zu denken, so weich waren meine Knie. Ich spürte deutlich, dass ich dringend eine Erholungspause brauchte, in der sich dann erst ganz allmählich mein Blutdruck normalisierte, das Herz wieder langsamer schlug. Dass ich vor Antritt der Fahrt ein deutliches Hungergefühl verspürt hatte, merkte ich erst wieder, als ich die Fahrt wieder aufgenommen hatte.“ Coach: „Ihr Erleben in dieser Gefahrensituation ist - physiologisch betrachtet - das Ergebnis eines komplexen Regelkreises, an dem vor allem unser Gehirn und unser Hormonsystem beteiligt sind. Nehmen wir eine Gefahr wahr, alarmiert unser Zwischenhirn unseren Körper über das autonome Nervensystem, welches über seine beiden Nervenstränge Sympathikus und Parasympathikus mit allen wichtigen Organen verbunden ist. Über die so genannte Sympathikus-Nebennierenmark-Achse wird die Nebennierenrinde stimuliert, die die Neurotransmitter Noradrenalin und Adrenalin in den Blutkreis ausschüttet. Diese Botenstoffe sind dafür verantwortlich, dass unser Körper blitzschnell hochgefahren wird. Damit alle Energie in die überlebenswichtige Alarmreaktion fließen kann, bremst gleichzeitig der hemmende Parasympathikus Verdauungsvorgänge und Sexualfunktionen. Aufgrund der mit Gefahrensituationen verbundenen Angstreaktionen werden parallel zu den beschriebenen Vorgängen in einer kleinen Schaltzentrale des <?page no="111"?> 4.1 Stress - Erscheinungsformen 105 Zwischenhirns, dem Hypothalamus, die Botenstoffe Vasopressin und CRH (Corticotropin Releasing Hormone) freigesetzt. Letztgenannter erreicht über die Blutbahn das Hormonzentrum unseres Gehirns, die Hypophyse, und veranlasst dort, dass das Hormon ACTH (Adrenocorticotropes Hormon) blitzschnell über den Blutkreislauf zum Nebennierenmark geschickt wird, wo das Hormon Cortisol freigesetzt wird, welches - anlog zum aktivierenden Sympathikus - Glukose- und Fettreserven mobilisiert und die Gehirnfunktionen verbessert. Der mit dem CRH zeitgleich entsandte Botenstoff Vasopressin stellt sicher, dass die Niere nur langsam Flüssigkeit ausscheidet, damit Angriffs- oder Fluchtraktionen nicht durch eine volle Blase beeinträchtigt werden.“ Teilnehmer: „Damit wäre klar, was geschieht, wenn wir „auf 180“ kommen. Stellt sich nun die Frage - wie kommen wir da wieder runter? “ Coach: „Auf der physiologischen Ebene sorgt das Hormon Oxytozin in Kooperation mit dem hemmenden Parasympathikus dafür, dass unser Körper nach bestandener Gefahr in der Ruhepause wieder auf das normale Niveau heruntergefahren wird. Unterstützt wird dieser Vorgang durch das schon angesprochene Hormon Cortisol, welches über eine negative Rückkopplung Vasopressin, CRH und ACTH hemmt und somit seine eigene Ausschüttung vermindert. Der grundlegende Mechanismus der körperlichen Stressreaktion ist von dem eingangs bereits erwähnten Stressforscher Hans Selye im ‚Allgemeinen Adaptionssyndrom‘ beschrieben worden. Abbildung 4.2 zeigt den durch drei Stadien gekennzeichneten schematischen Ablauf des Adaptionssyndroms (vgl. auch F. Vester, 1976): 1. Durch einen Stressor wird eine Alarmreaktion ausgelöst, die den Widerstand des Körpers zunächst absinken lässt - die „Schrecksekunde“. Ist der Stressor zu stark kann dies in der Alarmphase sogar tödliche Folgen haben. 2. In der Phase des Widerstandes verändert der Körper in der beschriebenen Weise wichtige Körperfunktionen, um sich den Stressbedingungen anzupassen. Der durch die Anpassung erhöhte Widerstand kann jedoch nicht unbegrenzt aufrechterhalten werden. 3. Wird der Körper weiter Stressoren ausgesetzt führt das zur dritten Phase - zur Erschöpfung, schlimmstenfalls bis zum Tod. <?page no="112"?> 4 Gesundheitsorientiertes Führen 106 Abb. 4.2: Schematischer Ablauf des Allgemeinen Adaptionssyndroms Alarmphase Phase des Widerstandes Phase der Erschöpfung Hoher Widerstand Geringer Wider- Teilnehmer: „Was geschieht, wenn weitere Stressoren ausbleiben? “ Coach: „Unser Körper erholt sich und beginnt sich zu regenerieren. Stresshormone werden unter der Regie des parasympathischen Nervensystems abgebaut. Wir entspannen uns allmählich so weit, dass wir das Niveau des normalen Widerstandes erreichen.“ Teilnehmer: „Heißt das, dass wir unserem Körper nur genügend Zeit einräumen müssen, damit er sich ganz von alleine wieder einpendeln kann? “ Coach: „Die hohe Beteiligung der entwicklungsgeschichtlich älteren Gehirnregionen an der automatisierten Stressreaktion lässt durchaus darauf schließen, dass die Natur es für uns ursprünglich wohl genauso eingerichtet hat. Immer darauf bedacht, Energie und Ressourcen möglichst effektiv einzusetzen, hat Mutter Natur einen Mechanismus entwickelt, der es uns in grauer Vorzeit bei Gefahr ermöglichte, in Sekundenbruchteilen bereit zu sein, um dann nach getaner Tat in Muße auszuruhen und neue Kräfte zu sammeln. War der Kampf oder die Jagd beendet, machte man es sich am Feuer bequem und ruhte sich von der Anstrengung aus; auf Anspannung folgte eine ausreichend lange Phase der Entspannung.“ - + 0 Normaler Widerstand Unterste Toleranzgrenze Erhöhter Widerstand durch Anpassung (Tod) Tod <?page no="113"?> 4.1 Stress - Erscheinungsformen 107 Teilnehmer: „Wenn ich mir meinen alltäglichen beruflichen Stress anschaue, würde es mir bestimmt auch gut tun, mich nach einer Anstrengung an ein Lagerfeuer zu setzen. Da das wohl illusorisch sein dürfte, besitze ich also mit dem Stressregelkreis einen hocheffizienten Mechanismus für den Dschungel, der mir bei akuten, vereinzelt auftretenden Gefahren das Überleben sichert, sich aber wohl kaum eignet, meinen alltäglichen Dauerstress am Arbeitsplatz zu bewältigen. Schließlich folgt dort Stressor auf Stressor. Entspannung ist da kaum angesagt.“ Coach: „Die Leidensgeschichte einer Führungskraft in einer erfolgreich, europaweit agierenden Firma, der nach einem Tinnitus (Hörsturz) an einem unserer Workshops zur gesundheitsorientierten Führung teilnahm, bestätigt nicht nur diese Sichtweise sondern verdeutlicht darüber hinaus, dass manch einer selbst eine Menge dazu beiträgt, seine energieaufwändige Stressautomatik immer wieder in Gang zu setzen, ohne sich ausreichend Zeit zur Erholung zu nehmen. Unser Klient schildert zunächst ausführlich, wie er ständig gefordert sei, alltäglich betriebsam von Termin zu Termin zu hetzen, nicht selten in Verbindung mit zeitaufwendiger Reisetätigkeit ins Ausland. Ohne ihn ginge es einfach nicht. Er habe ‚jede Menge um die Ohren‘. Zeit für Pausen oder zum Planen gebe es da nicht. Planen sei ohnehin sinnlos, da ständig etwas dazwischen komme. Das Wort ‚Pause‘ sei für ihn ohnehin ein Fremdwort. Immer häufiger stelle sich allerdings heraus, dass die ganze Hektik völlig unnötig sei und er durch seine beinahe ungesteuerte Motorik sinnlos wertvolle Energie vergeudet habe. Nach wie vor führe er seine Betriebsamkeit jedoch in erster Linie auf einen hohen Arbeitsanfall zurück, räume aber auch ein, dass er schon bestrebt gewesen sei, sich jeder Aufgabe bedingungslos zu stellen, um perfekte Ergebnisse zu erzielen. Auch falle es ihm schon schwer ‚Nein‘ zu sagen. Voll im Stress sei es ihm verständlicherweise kaum möglich erst nachzudenken, bevor er handle. Vielmehr reagiere er meist spontan und intuitiv, ‚aus dem Bauch heraus‘. Fehlentscheidungen und Fehlhandlungen hätten deshalb beträchtlich zugenommen. Das wiederum habe den Druck verstärkt, weil er die Fehler wieder habe ausbügeln müssen. So sei ein Teufelskreis entstanden. Selbstverständlich arbeite er bedeutend länger, als gut sei. Das sei er allein schon seiner Position schuldig, wobei ihm schon klar sei, dass bloße Anwesenheit nicht mit Leistung gleichzusetzen sei. Nicht nur andere, leider auch er selbst spüre, dass er nach einer langen Reise und anschließenden anstrengenden Ar- <?page no="114"?> 4 Gesundheitsorientiertes Führen 108 beitsstunden an Leistungsfähigkeit deutlich abnehme. Deshalb habe er auch oft das Gefühl, dass sein Arbeitsergebnis immer weniger in einem sinnvollen Verhältnis zum dafür notwendigen Zeitaufwand stehe. Nicht selten beschäftige er sich mit konzeptionellen Dingen zu Hause, behellige mit beruflichen Themen seine Frau, andere Verwandte und Bekannte. Am Negativsten wirke sich sein Druck dadurch aus, dass er sich nachts von einer Seite auf die andere wälze und den für seine Erholung so wichtigen Schlaf nicht mehr ausreichend finde. Hinzu komme neuerdings wegen Einsätzen in Übersee der ‚Jet-Lag‘, der seine innere Uhr zeitweise völlig durcheinander wirbelt. Nun sei zu allem Überfluss auch noch der Tinnitus hinzugekommen. Je stärker der Druck, umso mehr Zigaretten konsumiere er und umso stärkeren Kaffee brauche er. Außerdem habe er begonnen, Tabletten in größerer Stückzahl einzunehmen. Tagsüber nehme er Aufputschmittel, was seine Einschlafstörungen verstärke. Deshalb bräuchte er abends stärkere Schlafmittel. Am Morgen sei er dann wie gerädert, saft- und kraftlos. Folglich seien Aufputschmittel an der Reihe. Er frage sich inzwischen ernsthaft, wie lange sein Körper das noch mitmache. Die Sache mit dem Tinnitus sei ja wohl auch kaum von ungefähr gekommen, wie ihm inzwischen klar geworden sei. In seiner Freizeit nehme er sich immer wieder vor, etwas zur Entspannung zu tun, schaffe es aber nicht. Stattdessen habe er begonnen, sich ein Gläschen Wein oder zwei zu gönnen - das entspanne nicht nur, es muntere sogar ein wenig auf. Manchmal finde er es jedoch schon bedenklich, wie sehr er sich daran gewöhnt habe. Immer seltener komme er am Abend ohne seine Gläschen Wein aus. Bedenklich finde er auch, dass es ihm zunehmend schwerer falle, sich zu beherrschen, seine negativen Emotionen zu steuern. Schon ein kleiner Anlass könne ihn ‚auf die Palme bringen‘. Seine Mitarbeiter stünden seinen Ausbrüchen hilflos gegenüber - wie sollte einer auch nur ahnen können, das solche Kleinigkeiten ihn ‚auf 180‘ bringen? Von seiner Familie und seinen Bekannten erwarte er eigentlich, dass diese Rücksicht auf seine Überarbeitung nehmen, werde aber in letzter Zeit zunehmend enttäuscht, was ihn wieder verstärkt in die Arbeit treibe. Seine Frau meine, dass er den Stress von der Arbeit nicht nur nach Hause mitbringe, er beginne zunehmend seine nächsten Mitmenschen mit seinen Launen förmlich zu terrorisieren. Seine Stimmungsschwankungen rechtfertige er ihr gegenüber mit seiner starken Erschöpfung.“ <?page no="115"?> 4.1 Stress - Erscheinungsformen 109 Teilnehmer: „Auch wenn ich nicht in einem derartigen chaotischem Stressszenario lebe, das eine oder andere kommt mir schon bekannt vor! Insofern drängt sich mir die Frage auf, ob, bzw. inwieweit negative Auswirkungen von Dauerstress wie der dort berichtete Tinnitus bei einem vergleichbaren Lebensstil umso wahrscheinlicher werden, je mehr Stressoren aufeinander folgen und je intensiver sie erlebt werden, so dass sich eine echte Entspannung einfach nicht mehr einstellen kann? “ Coach: „Der Stressregelkreis unterscheidet sich in einem wesentlichen Aspekt von anderen körperlichen Regelkreisen. Nehmen wir zum Beispiel den Regler, mit dessen Hilfe wir unsere Körpertemperatur einstellen, welche normalerweise bei 36,5 Grad Celsius liegt. Mit dem Ansteigen der Temperatur bei einer fiebrigen Erkrankung werden physiologische Prozesse eingeleitet, die der Abwehr von Krankheitserregern dienen. Mit dem Ende der Infektion wird unsere Körpertemperatur wieder auf den Sollwert von 36,5 Grad Celsius heruntergefahren, weil bei weiterhin zu hohen Temperaturen unser Körper geschädigt würde (Prinzip der Homöostase). Demgegenüber stellt der Stressregelkreis unseren Körper bei Dauerstress nach und nach auf einen höheren Sollwert ein (Prinzip der Allostase). Die damit verbundene hohe Aktivierung kann von unserem Organismus allerdings nicht auf Dauer verkraftet werden. Durch den ständig erhöhten Cortisolwert im Blut wird das Immunsystem geschwächt, woraus eine höhere Anfälligkeit für Infekte resultiert. Dauerhaft erhöhte Blutdruck- und Blutfettwerte erhöhen die Gefahr von Herzinfarkt und Schlaganfall. Zwar verbessert eine kurzfristige Stressreaktion die Aufmerksamkeit, Dauerstress wirkt sich jedoch negativ auf Gedächtnisleistung und Konzentrationsvermögen aus. Muskel- und Rückenleiden resultieren aus der Dauerspannung. Magen- und Darmgeschwüre, erhöhte Krebsanfälligkeit, Tinnitus, Depressionen, Impotenz, kurzum eine ganze Palette körperlicher und seelischer Erkrankungen stehen in mehr oder weniger direktem Zusammenhang mit der Überlastung der Körperfunktionen durch Dauerstress (allostatic overload).“ Teilnehmer: „Bei den Aussichten wäre es wohl am Besten, erst gar nicht Gefahr zu laufen, in ein solches Stressszenario hineinzugeraten.“ Coach: „Sinnvollerweise sollten Sie Stressbewältigung nicht erst dann lernen, wenn Sie seelisch und körperlich unter Druck stehen. Nehmen Sie sich diese Erkenntnis zu Herzen und lassen Sie sich von dem berichteten Stressszenario anregen, frühzeitig vorzubeugen. Wenn es um Stress geht, gilt uneingeschränkt: Vorbeugen ist besser als heilen! “ <?page no="116"?> 4 Gesundheitsorientiertes Führen 110 4.2 Stressbewältigung Nach den Ausführungen zu den Erscheinungsformen von Stress werden nun Gegenmaßnahmen fokussiert, indem dargestellt wird, wie wir nicht jede Angelegenheit schwerer nehmen als sie tatsächlich ist; durch ruhiges Überlegen bessere Ergebnisse erzielen und über die damit verbundenen Erfolgserlebnisse Di-Stress abbauen; Mut zum „Nein“ entwickeln und somit Stressfaktoren allmählich abbauen; im Privatleben Raum für Entspannung schaffen und durch gesteigerte Fitness unsere Belastbarkeit stärken. Nachdem wir kurz das Autogene Training nach Schultz vorstellen, präsentieren wir ausführlich mit einer Modifikation der Progressiven Muskelentspannung nach Jacobsen ein praxisbewährtes Entspannungsverfahren, das sich sowohl zu Hause oder im Hotelzimmer als auch am Arbeitsplatz durchführen lässt. Teilnehmer: „Wenn ich an das berichtete Stressszenario zurückdenke, stellt sich mir die Frage, welche Möglichkeiten gibt es, in ein solches erst gar nicht einzusteigen bzw. jederzeit auszusteigen? “ Coach: „Oft ist man oder wird man entweder von seinem Kunden oder auch aus eigenem Antrieb auf eine bestimmte Problematik hin so stark fixiert, dass man sich nicht von ihr lösen kann. Sie gewinnt dann einen Stellenwert im beruflichen, nicht selten auch im privaten Lebensbereich, die ihr nicht zukommen darf. Wenn Ihnen so etwas geschieht, haben Sie zu wenig über die Bedeutung der Angelegenheit nachgedacht, sind vielleicht sogar vom noch stärker gestressten Kunden zur falschen Einschätzung verleitet worden. Erwägen Sie daher, wenn Sie sich durch die eine oder andere Angelegenheit stark unter Druck gesetzt fühlen, ob Sie dieser Angelegenheit nicht mehr Gewicht beimessen als sie verdient. Sollte dies der Fall sein, liegen zwei mögliche Ursachen nahe: Ihre Prioritätensetzung ist fehlerhaft oder aber Sie setzen sich unnötig stark unter Druck, zeigen möglicherweise sogar Tendenzen zum ‚Workaholic‘. Auch wenn Sie unter Zeitdruck arbeiten müssen, sollte das Sie nicht davon abhalten, stets zu prüfen, ob die Ihnen erteilte Aufgabe tatsächlich diese hohe Priorität hat. Ist die Aufgabe wirklich so wichtig? Muss sie tatsächlich so schnell erledigt werden? <?page no="117"?> 4.2 Stressbewältigung 111 Ein großer Fehler besteht darin, übereilt zu handeln, aus Angst, nicht rechtzeitig mit der Arbeit fertig zu werden. Stattdessen ist angebracht, zunächst kurz innezuhalten, die Priorität zu bestimmen und sich dann erst zu entscheiden, die Aufgabe geplant und systematisch auszuführen. Seien Sie zudem bereit, zu einer Aufgabe ‚Nein‘ zu sagen, auch wenn Ihr Kunde Ihnen beispielsweise einen lukrativen Auftrag in Aussicht stellt, Sie aber klar erkennen, dass Sie jetzt schon, oder auf Dauer überfordert sind bzw. sein werden. Fragen Sie sich, ob Sie Ihren Ehrgeiz noch steuern können oder ob, bzw. inwieweit er Sie bereits beherrscht. Die Gefahr negativer Folgen von Dauerstress besteht auch dort, wo ein ‚Haus der offenen Tür‘ betrieben wird, in dem jedes Telefonat entgegengenommen wird, jeder Besucher jederzeit Zugang hat. Gegenmaßnahme: ‚Tür zu! ‘ Sie tun weder sich selbst noch Ihrem Partner etwas Gutes, wenn Sie die eigenen Fähigkeiten überschätzen. Klar - man sollte ehrgeizig und bestrebt sein, Wünsche des Kunden zu erfüllen, aber auch wissen und wahrhaben wollen, wo die eigenen Grenzen liegen. Weder Ihr Kunde noch Ihre Mitarbeiter werden Ihnen später helfen können, vielleicht auch nicht helfen wollen, wenn Sie - bedingt durch zahlreiche Überforderungen - in Ihrer Leistung absinken und / oder krank werden. Auch wenn Sie sorgsam prüfen müssen, ob ein Mitarbeiter übertragene Aufgaben bewältigen kann - Delegieren hilft! Sollten sie dennoch zu sehr fürchten, dass Ihr Mitarbeiter versagt, führen Sie sich vor Augen, was für eine Delegation spricht: Auf Dauer können Sie die Ihnen übertragenen Aufgaben alle nicht mehr allein schaffen. Es bleibt nicht aus, dass Arbeiten liegen bleiben und möglicherweise erst nach Feierabend von Ihnen erledigt werden. Sie sind überfordert und liefern nicht die Qualität, die Sie erreichen wollen. Ihr Mitarbeiter muss Chancen zur Bewährung erhalten. Wie will er sich weiterqualifizieren, wenn Sie ihm nur Routineaufgaben übergeben? Was soll ihn motivieren? Sie zeigen Mut zum kalkulierten Risiko. Seien Sie bereit, Aufgaben auch dann zu delegieren, wenn eine gewisse Gefahr besteht, dass Ihr Mitarbeiter scheitert. Sie haben es in der Hand. Sie können abschätzen, ob Sie die Übertragung der Arbeiten schon wagen können. Fördern Sie durch Fordern! <?page no="118"?> 4 Gesundheitsorientiertes Führen 112 Sie überwinden Ihre eigene Bequemlichkeit. Schließlich ist es nicht leicht, Aufgaben echt zu delegieren. Sie müssen nämlich Geduld beim Einarbeiten des Mitarbeiters zeigen, Fingerspitzengefühl entwickeln und ihn immer wieder durch angemessenes Lob ermutigen. Zu allem Überfluss kommt noch hinzu, dass nicht wenige Führungskräfte ihren Arbeitstag mit Aktivitäten überfrachten, die sie genauso gut sein lassen könnten. Nichts würde passieren. Für viele Tätigkeiten gibt es keinerlei sachliche Notwendigkeit, auch wenn immer wieder sachliche Scheinargumente angeführt werden. Hier einige Beispiele aus der Praxis: „Als Team- und Projektleiter muss ich unbedingt über jedes Detail Bescheid wissen; schließlich brauche ich einen Wissensvorsprung.“ „Ich kann doch keine halben Sachen hinnehmen. Wo kämen wir denn da hin? In der Technik gibt es nur Hundertprozent-Lösungen, und zwar immer und überall! “ „ Wenn ich nicht immer alle Einzelheiten festhalte, komme ich später in Teufels Küche. Wie soll ich mich dann verteidigen? “ „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser! Wenn ich nicht immer alles kontrolliere, läuft es garantiert schief! “ „Was mir meine Leute vorlegen, kann ich so nie weitergeben. Ich muss immer allem noch den letzten Schliff geben! “ „In diesem Ausschuss muss ich doch unbedingt vertreten sein! “ Sicher mag das eine oder andere für bestimmte Fälle gelten, doch was an den Äußerungen bedenklich stimmt, sind die kursiv zitierten Wörtchen ‚unbedingt‘, ‚nie‘, ‚immer‘, ‚alles‘ und ‚überall‘. Wer so denkt, argumentiert nicht rational. Er setzt sich unnötig unter Druck. Selbstüberforderung und unangemessen hohe Anforderung an die Arbeitserfüllung sind die Folge. Der erste Schritt zur Besserung ist die selbstkritische Reflexion. Gegenmaßnahmen liegen in zielgerichteten, ökonomischeren Handlungen. Das Zauberwort zum Stressabbau lautet: ‚Funktionsgerechtigkeit‘. Im zweiten Schritt optimieren Sie Ihren Fitnessfaktor! Für viele Führungskräfte besteht die Gefahr, dass sie ganz in ihrer Arbeit aufgehen. Zählen Sie auch dazu? Oder haben Sie eine glückliche Zweiteilung vorgenommen zwischen hohem <?page no="119"?> 4.2 Stressbewältigung 113 Engagement während der Arbeitszeit, sicher mehr als acht Stunden am Tag, und echter Entspannung in der Freizeit? Nach der geistigen Anstrengung im Betrieb sollte das körperliche Training in der Freizeit nicht zu kurz kommen. Entspannen fällt leichter, wenn nach Feierabend etwas gänzlich anderes getan wird als im Büro. Schließlich lässt sich die alltägliche Dauerbelastung mit gut ausgebildeter persönlicher Fitness wesentlich besser bewältigen. Der Begriff Fitness, ähnlich wie der Begriff „Stress“ ist ein Modegriff: Er wird häufig verwendet, ohne klar definiert zu sein. Im Englischen steht „to fit“ für passend, geeignet bzw. fähig, tauglich. Fitness bedeutet demnach Eignung, Fähigkeit oder Tauglichkeit. Man könnte Fitness demnach als Leistungsfähigkeit definieren, die Körper, Seele und Geist umfasst. Demnach wäre Fitness eine Fähigkeit, die es dem Organismus erlaubt, unterschiedliche (wechselnde oder gleich bleibende) Anforderungen zu bewältigen, verbunden mit der durch Lernen und Training erworbenen Fähigkeit der Regeneration bzw. der Steigerung der Belastungsfähigkeit. Fitness könnte damit auf das Resultat jedes erfolgreichen Lern- oder Trainingsensembles angewendet werden: Stressfitness, Ernährungsfitness, mentale Fitness, Konzentrations-, Lern- und Leistungsfitness. Im Allgemeinen wird zwischen körperlicher und geistiger Fitness unterschieden. Der Erwerb von Fitness, gleich welcher Art, ist demnach ein Anpassungs- oder Lernprozess, bei dem der Erwerb einer bestimmten Fähigkeit ausgebildet oder erworben wird. Als Fitnesstraining werden meist Aktivitäten bezeichnet, die die körperliche Leistungsfähigkeit erhalten und verbessern. Hierbei kann es sich sowohl um freizeitsportliche Aktivitäten, als auch um Aktivitäten im Bereich des Leistungssports handeln. In einem erweiterten Wortsinn kann Fitnesstraining auch im Rahmen von Rehabilitationsmaßnahmen als körperliches Aufbautraining praktiziert werden. Körperliche Fitness bezieht sich auf Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit und Koordination. Entsprechend lassen sich vier Trainingsarten unterscheiden, durch die der Aufbau körperlicher Fitness erreicht werden kann: Aerobes Ausdauertraining (z.B. Laufen, Walking, Nordic-Walking, Radfahren, Schwimmen, Triathlon, Rudern, Inlineskating, Eis(schnell)lauf, Skilanglauf, Aerobic, Aqua-Jogging, Aqua-Walking, Aquarobic) <?page no="120"?> 4 Gesundheitsorientiertes Führen 114 Krafttraining (z.B. Gerätetraining, Kieser Training, Kampfsport, Aqua-Workout bzw. Aquapower = Krafttraining gegen den Wasserwiderstand, auch mit Hanteln) Beweglichkeitstraining (z.B. Stretching, Joga, Tai Chi Chuan, Gymnastik, Rückenschule, Klettern, Kampfsport, Wassergymnastik, Tanzen) Koordinationstraining (z.B. Ballspiele („dribbeln“), Golf (Abschlag, Putten), Seilspringen, Hindernislauf, Slalomlauf usw.) Prüfen Sie, ob,bzw. inwieweit für Sie in dem einen oder anderen der aufgelisteten Felder Handlungsbedarf besteht und wählen Sie aus der breiten Palette privater und / oder öffentlicher Anbieter eine für Sie passende Kombination für ein Fitnesstraining. Wenn Sie regelmäßig trainieren, dient das nicht nur Ihrer Erholung, es steigert auch Ihre Leistungsfähigkeit und erhöht Ihre Belastbarkeit. Sie haben dem alltäglichen Stress einfach mehr entgegenzusetzen. Sorgen Sie zudem dafür, dass das Gleichgewicht zwischen Beanspruchung einerseits und Erholung andererseits auf Dauer stimmt. Jeder von uns kann zwar über einen begrenzten Zeitraum Höchstleistungen erbringen, wir sollten uns aber nicht einbilden, grenzenlos belastbar zu sein. Wir verfügen weder über die geistigen noch körperlichen Möglichkeiten, um ständig bis an unsere persönlichen Grenzen zu gehen. Wir sind uns selbst gegenüber in der Pflicht, für einen angemessenen Ausgleich zu sorgen. Nehmen Sie sich selbst und die eigene Gesundheit wichtig. Legen Sie Wert darauf, sich selbst etwas Gutes zu tun. Tragen Sie Ihre Ausgleichsaktivitäten mit einer hohen Priorität ebenso in Ihr Zeitplanbuch ein, wie berufliche Ziele und Termine. Gerade in Zeiten starker Arbeitsbelastung sinkt häufig die Bereitschaft, sich positiven Ausgleich zu verschaffen. Angenehme Hobbies und Freizeitaktivitäten werden weniger wahrgenommen und auch weniger genossen. Unerledigte Arbeiten, Zeitdruck und beruflicher Ärger bestimmen unser Denken und Handeln. Resultat: Wir stürzen geradezu in unsere Arbeit. So paradox es klingt - gerade im Dauerstress müssen wir die Zügel besonders fest in die Hand nehmen, uns also unter Druck setzen, um uns Zeit für einen angemessenen Ausgleich zu nehmen. Schaffen Sie sich Freiraum für Zufriedenheitserlebnisse. Genießen Sie entspannende, positive Erlebnisse im Alltag ohne schlechtes Gewissen. Sollten Sie sich zu rastlos und zu erschöpft fühlen, um aufwendigere Aktivitäten wie Theater- und Konzertbesuche wahrzunehmen, dann beginnen Sie eben mit „kleineren“ Vergnügungen. Am besten fangen sie sofort damit an! <?page no="121"?> 4.2 Stressbewältigung 115 Führungskräfte verbringen etwa 85 % ihrer Arbeitszeit im Sitzen an Schreib- oder Besprechungstischen, im Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln. Wenn wir im Stuhl sitzen, verkümmern unsere 500 Muskeln. Unsere Muskulatur leistet gerade so viel, wie von ihr verlangt wird - je weniger, umso deutlicher büßt sie an Leistungsfähigkeit ein. Auch unser Herz-Kreislauf-System arbeitet immer weniger ökonomisch. Suchen Sie nach Möglichkeiten, sich auch während Ihrer Arbeitszeit ausreichend zu bewegen. Nutzen Sie die „kleinen“ Möglichkeiten zur körperlichen Bewegung während Ihres Arbeitstages: Vertreten Sie sich vor und nach Ihrer Mittagsmahlzeit kurz die Beine: Drehen Sie eine Runde um den Block! Platzieren Sie Ihren Papierkorb etwas weiter weg von Ihrem Schreibtisch, stellen Sie häufig benutzte Akten ganz oben ins Regal. Gehen Sie zu Ihren Mitarbeitern, statt mit Ihnen zu telefonieren. Steigen Sie Treppen statt mit dem Aufzug zu fahren. Sitzen Sie dynamisch: wechseln Sie zwischen vorgeneigter, aufrechter und zurückgelehnter Sitzhaltung und schonen Sie so Rücken und Bandscheiben. Lesen Sie Ihre Post, Akten im Stehen (am Stehpult). Praktizieren Sie Ausgleichsübungen: Lassen Sie Schultern und Arme locker hängen. Drehen Sie den Kopf abwechselnd von rechts nach links, und von links nach rechts. Ihr Kopf ist bei den Drehbewegungen leicht nach vorne gebeugt. Ihr Blick richtet sich dabei nach unten. Umfassende und hochwirksame Unterstützung bei der Stressbewältigung bieten darüber hinaus systematische Entspannungsmethoden wie das „Autogene Training“ nach Prof. J. H. Schultz oder die „Progressive Muskelentspannung“ nach Edmund Jacobson. Die systematischen Entspannungsübungen beider Methoden führen dazu, dass sich das Erregungsniveau senkt, sich die Belastbarkeit erhöht und positive Veränderungen in der Selbsteinschätzung auftreten, sowie Angstbereitschaft abnimmt und bereits bestehende psychosomatische Beschwerden wie Spannungskopfschmerz oder Herz-Kreislaufstörungen abgebaut werden. Beide Methoden bewirken, dass unser Körper in einen Ruhezustand mit vermindertem Energieverbrauch versetzt wird, was sich darin zeigt, dass der Sauerstoffverbrauch abnimmt, die Herzfrequenz reduziert und der Blutdruck gesenkt Blutdruck wird, die Hautdurchblutung sich verbessert und der Spiegel bestimmter Hormone im Blut abgesenkt wird. <?page no="122"?> 4 Gesundheitsorientiertes Führen 116 Beide Verfahren legen mit ihrer systematischen Methodik den Grundstein zur Erregungsreduktion, bauen funktionelle Beschwerden ab und bewirken auf der emotionalen Ebene Gelassenheit, Ruhe und Erholung. Die erreichte Entspannung bezieht sich nicht nur auf die physiologische Lockerung der Muskulatur, sondern sie erzeugt auch eine positive innere Haltung. Ziel des Autogenen Trainings nach Prof. J. H. Schultz ist es, durch Konzentration und Selbstbeeinflussung einen Zustand herbeizuführen, der auf der Grenze zwischen Wachen und Schlafen liegt. Bei richtiger Anwendung entsteht durch die „konzentrative Entspannung“ ein Gefühl der Schwere, durch die Erweiterung der Blutgefäße ein Gefühl der Wärme und schließlich ein Gefühl der tiefen inneren Ruhe. Besonders leicht erlernbar ist die progressive Muskelentspannung nach Edmund Jacobson, mit der wir sowohl bei Anfängern als auch bei Wiedereinsteigern, die bereits einmal eine Entspannungsmethode erlernt, diese aber dann nicht weitergeführt haben, gute Resultate erzielen. Für den Anfänger ist grundsätzlich zu empfehlen, eine Langversion (ca. 40-45 Minuten Dauer) der Muskelentspannung einzuüben, um danach schrittweise kürzere Formen zu erlernen. Das entspricht auch den Anforderungen der praktischen Anwendung: Im Verlaufe einer Phase des regelmäßigen Übens führt eine fortschreitende Verkürzung zu immer besseren Entspannungsresultaten, die schließlich den Anwender zur Spontanentspannung (Langzeitziel) befähigt, was bedeutet, dass die Methode in praktisch jeder Alltagssituation vom Anwender nutzbringend eingesetzt werden kann. Das Prinzip der Progressiven Muskelentspannung beruht auf der Anspannung und der Entspannung der willkürlichen Muskulatur. Worum geht es dabei? Viele Menschen beklagen, dass Sie sich nicht richtig entspannen können. Sie meinen damit, dass sie sich oft gestresst fühlen und glauben, nur schwer abschalten zu können. Das ist eine Beobachtung, die auch Dr. E. Jacobsen seinerzeit (im Jahre 1934) offenbar schon beobachten konnte. Während viele Menschen glauben, dass ihnen Entspannung eher schwer fällt, sind andererseits die meisten davon überzeugt, dass ihnen das Anspannen der Muskulatur weniger Probleme bereitet. Tatsächlich ist es aber so, dass viele Menschen sich mit der Wahrnehmung des Unterschiedes zwischen Anspannung und Entspannung schwer tun. Der zentrale Fokus beim Üben liegt daher genau darauf, den Unterschied zwischen diesen beiden Zuständen besser wahrnehmen zu lernen. Die Muskelent- <?page no="123"?> 4.2 Stressbewältigung 117 spannungsmethode ist somit im Grunde ein Diskriminationstraining, meint: Das Ziel des Übens ist es, die Wahrnehmung dieser Unterschiede zu verbessern. Die sich zunehmend verbessernde Entspannung ist daher die Folge genau dieses Lerneffekts. Aus diesem Grund muss auch der Vorstellung, dass man während des Übens „vollkommen weg“ ist, entgegen getreten werden. Das weckt falsche Erwartungen und steht dem wirksamen Üben entgegen. Der Schwerpunkt liegt auf „Training“ und es handelt sich daher um eine aktive Methode. Vielen Menschen, die unsere Muskelentspannungsmethode kennen lernen, kommt es entgegen, dass sie für das Üben keines speziellen philosophischen Hintergrundwissens bedürfen und dass sie auch nicht Anhänger einer bestimmten religiösen Richtung sein müssen, um gute Resultate erzielen zu können. Die Methode beruht allein auf dem physiologischen Grundprinzip der Anspannung und Entspannung der Muskulatur. Und so gestaltet sich daher auch der Ablauf beim Üben: Der Übende spannt eine bestimmte Muskelpartie an, spürt der Anspannung für einen Moment nach, nimmt sie wahr und nimmt sie dann wieder zurück. Für die Teilnehmer stellen sich im Moment des Zurücknehmens der Anspannung folgende Fragen: Welche Unterschiede nehme ich jetzt in diesem Moment wahr? Was ist jetzt anders? Welche „Entspannungssymptome“ nehme ich vielleicht jetzt schon wahr: Ein angenehmes, entspanntes Körpergefühl. Angenehme Wärme. Schwere. Ruhe. Die Wirksamkeit muskulärer Entspannungsmethoden ist wissenschaftlich vielfach überprüft. Bei regelgerechter und regelmäßiger Anwendung ist die Methode ein effizientes Verfahren und stellt eine wirksame Unterstützung bei der Stressprävention dar. Gegenindikationen sind eher selten. Bei geringen Zweifeln sollte jedoch ein kompetenter Ansprechpartner, ein Arzt, ein Diplompsychologe oder ein Psychotherapeut um Rat gefragt werden. Ansonsten laden wir Sie gerne ein, eine Kurzform der Muskelentspannung auszuprobieren! Lassen Sie sich darauf ein, indem Sie die Unterschiede zwischen dem Spannungszustand zuvor und dem nachfolgenden Entspannungszustand bei einer von uns kreierten Übungsfolge wahrnehmen, die Sie an Ihrem Arbeitsplatz ausführen können. Ihre Wirksamkeit haben viele Teilnehmer unserer Seminare zum gesundheitsorientierten Führen bestätigt. <?page no="124"?> 4 Gesundheitsorientiertes Führen 118 Die Spannung in den nachfolgend benannten Muskelgruppen sollten Sie jeweils für fünf Sekunden halten, während Sie auf aufrecht auf Ihrem Schreibtischstuhl sitzen. Sie nutzen die gesamte Sitzfläche und Ihr Lendenbausch hat leichten Kontakt zur Rückenlehne, Ihre Unterarme ruhen locker auf den Oberschenkeln und Ihre Füße sind leicht gespreizt vor dem Stuhl platziert. Gehen Sie die Abfolge zweimal durch. Danach sollten Sie wieder in die Anfangsposition zurückgehen und sich eine knappe Minute auf die tiefe Entspannung konzentrieren, die auf die Anspannungsphase erfolgt. 1. Ziehen Sie Ihre Zehen im Sitzen kopfwärts und drücken Sie Ihre Fersen kräftig zum Boden. Spannen Sie dabei Waden und Oberschenkelmuskulatur an! 2. Spannen Sie Ihre Gesäßmuskulatur an! 3. Ballen Sie beide Hände zu Fäusten, strecken Sie sie neben der Sitzfläche nach unten und drehen Sie sie maximal einwärts. Ihre Schultern sollten dabei nach hinten gezogen sein. Spannen Sie die Muskulatur der Schultern, Hände und Arme an. 4. Spreizen Sie maximal Ihre Finger seitlich vom Körper weg. Drehen Sie die Handflächen nach oben, wobei die Daumen nach hinten zeigen. Schneiden Sie zusätzlich Grimassen. 5. Führen Sie Ihren linken Arm hinter dem Kopf zur rechten Schulter. Drücken Sie mit dem Hinterkopf nach außen und halten Sie mit dem Unterarm dagegen. 6. Führen Sie die gleiche Anspannung mit dem rechten Arm aus. Schließen Sie nach der zweimaligen Ausführung der Abfolge Ihre Augen und konzentrieren Sie sich auf die angenehm entspannenden Effekte der progressiven Muskelentspannung. Da das jeweilige Entspannungserleben vom Übenden subjektiv sehr unterschiedlich empfunden wird, achten Sie auf kleinste Anzeichen einer beginnenden Entspannung: Ein angenehmes, entspanntes Körpergefühl. Angenehme Wärme. Schwere. Ruhe.“ <?page no="125"?> 4.3 Burnout 119 4.3 Burnout In diesem Kapitel widmen wir uns dem Thema Burnout und greifen dabei auf Erkenntnisse der jüngeren Forschung zum Burnout-Syndrom zurück, um darzulegen, wie Betroffene ihre Behandlungsbedürftigkeit erkennen können, und welche Maßnahmen sich in Abhängigkeit vom Stadium des „Ausbrennens“ empfehlen. Wir orientieren uns bei unseren Überlegungen an dem Leitsatz „Wer ausbrennt - muss vorher gebrannt haben“. Teilnehmer: „Sicher sind sowohl die vorgestellten Tipps zur Reduzierung von Di-Stress als auch die Anwendung der Progressiven Muskelentspannung hilfreiche Werkzeuge zur Bewältigung des alltäglichen Dauerstresses - nur: Was ist zu tun, wenn ich dennoch in eine Situation gerate, in der der Druck, den ich mir selbst auferlege und der von außen an mich herangetragen wird, dazu führt, dass ich zu viel, zu lange und zu intensiv arbeite, so dass ich mich zunehmend müde, ausgelaugt, erschöpft, ja oft genug sogar resigniert, unausgeglichen und überreizt fühle? “ Coach: „Ihre Darstellung entspricht im Wesentlichen dem, was der New Yorker Psychoanalytiker Dr. Herbert Freudenberger 1974 in einer Selbstbeschreibung als Burnout-Falle bezeichnete, in die „the dedicated“ (die Hingebungsvollen) und „the committed“ (die ihrer Aufgabe Verpflichteten, Überidentifizierten) wegen überhöhten Engagements hineintappen. Unsere Erfahrung zeigt, dass nicht wenige Führungskräfte mit eben solchen Eigenschaften in die sogenannte Burnout-Falle, in diesen Zustand umfassender psychischer und physischer Erschöpfung geraten, oft sogar schon recht bald nach Aufnahme einer verantwortungsvollen Führungsaufgabe, wenn die anfänglichen Herausforderungen gemeistert sind, Monotonie droht und die weitere Entwicklung blockiert ist.“ Teilnehmer: „Wodurch lässt es sich vermeiden, in die Burnout-Falle zu tappen bzw. wie kommt man wieder aus ihr heraus? “ Coach: „Wenn wir der Konzeption Freudenbergers folgen, bietet Burnout dem Betroffenen ein eigenständiges Konstrukt, um geringere psychische Belastbarkeit, weniger Leistungsfähigkeit, herabgesetzte Stimmung und körperliche Begleitsymptome zu thematisieren, ohne deswegen für psychisch krank gehalten zu werden. <?page no="126"?> 4 Gesundheitsorientiertes Führen 120 Im Hinblick auf präventive und therapeutische Strategien hat Freudenberger eine Reihe von Empfehlungen ausgesprochen, die im Wesentlichen dem Betroffenen ermöglichen, eine gesunde Distanz zum überhöhten beruflichen Engagement herzustellen. Folgen wir diesen, sollten Selbstständige Klären, ob bzw. inwieweit ihre Ansprüche an sich und ihre Arbeit realistisch sind konsequent ihre Arbeitsstunden begrenzen (Freizeit = frei haben) sich klare Urlaubsregeln geben, ohne dabei Flexibilität im Hinblick auf unerwartete Aufgabenstellungen seitens Klienten oder Kunden einzubüßen kollegiale Kontakte pflegen (z.B. in Unternehmens-, oder Berufsverbänden) und sich bei gutem Interaktionsklima offen mit Kollegen über Möglichkeiten austauschen, wie sich Belastungen begrenzen lassen an einschlägigen Veranstaltungen (Workshops, Seminaren, Vorträgen etc.) teilnehmen, um sich dort Anregungen für eine optimierte Work-Life-Balance zu holen unter Anwendung von Zeitmanagementprinzipien zu hohe Arbeitsbelastung vermeiden und monotonen Arbeitsabläufen vorbeugen sich durch Training körperlich fit halten.“ Teilnehmer: „Aber verstehen wir heute unter Burnout nicht doch mehr als den von Freudenberger beschriebenen Zustand, in dem es jemanden zwar nicht gut geht, er jedoch keineswegs psychisch krank oder gestört ist, und greifen dann die angeführten sicher wichtigen und richtigen Empfehlungen zur Distanzierung von einer beruflichen Überlastungssituation nicht zu kurz? “ Coach: „Meist wird unter Burnout ein fortschreitender Prozess verstanden, der mit körperlicher, emotionaler und geistiger Erschöpfung einhergeht, und durch Stress ausgelöst wird, der nicht mehr bewältigt werden kann. Unter Kapitel Z 73 „Probleme und Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“ der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen ICD-10 wird das Burnout-Syndrom als Erschöpfungssyndrom aufgeführt. Demzufolge lässt sich Burnout als eigenständige Gesundheitsstörung betrachten, die einem typischen Verlauf folgt.“ Teilnehmer: „Und wie genau sieht der Verlauf des Burnout-Syndroms aus? “ Coach: „In einer umfassenden Synopse der in der Literatur häufig genannten Symptome hat Michael Burisch sieben Phasen der Burnout-Symptomatik benannt, von denen wir auch in unserer Praxis bei betroffenen Selbstständigen eine ganze Reihe vorgefunden haben, nämlich: <?page no="127"?> 4.3 Burnout 121 1) Warnsymptome der Anfangsphase - einerseits Überengagement (u.a. Zeitnot, Verleugnung eigener Bedürfnisse), anderseits zunehmende psychischen Erschöpfungszeichen (u.a. nicht abschalten können, Energiemangel, Unausgeglichenheit) 2) Reduziertes Engagement - innerliche Distanz gegenüber Klienten und Kunden, Desillusionierung, Verlust von Empathie, Zynismus, negative Einstellung zur Arbeit, Überdruss, Fluchtphantasien, Verkürzung der Arbeitszeiten, Gefühl ausgenutzt zu werden, Beruf-Familie-Probleme etc. 3) Emotionale Reaktionen, Schuldzuweisung - regressive Stimmung des Versagens, reduzierte Selbstachtung, Schuld- und Insuffizienzgefühle, Depressionen, Pessimismus, Hilflosigkeit, Gefühl, festgefahren zu sein bis hin zu Selbstmordgedanken, aber auch Aggressionen in Form von Schuldvorwürfen an andere, destruktivem Kritikverhalten, Nörgeleien, Reizbarkeit und zunehmende Konflikten mit anderen sowie negativistische Einschätzungen 4) Abbau - Reduktion der kognitiven Leistungsfähigkeit (u.a. Konzentrations- und Gedächtnisschwäche, Desorganisation, etc.), der Motivation (insbesondere reduziertes Engagement), der Kreativität (verringerte Phantasie und Flexibilität) und deutliches Schwarz-Weiß-Denken sowie geringere Veränderungs- und Anpassungsbereitschaft 5) Verflachung - fortschreitende Verflachung des gesamten emotionalen (Gleichgültigkeit), sozialen (Eigenbrötlerei) und geistigen Lebens (Vernachlässigung von Hobbys, Langeweile und Desinteresse) in Verbindung mit Rückzugsdenken 6) Psychosomatische Reaktionen - Muskelverspannungen, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Störungen, Schlafprobleme, Herz-Kreislauf-Beschwerden, Schwindel, Schwächung des Immunsystems, etc. und nicht zu vergessen erhöhter Konsum von Alkohol, Kaffee, Tabak und anderen Drogen 7) Verzweiflung - negative Einstellung zum Leben, Hoffnungslosigkeit, Gefühl der Sinnlosigkeit, existenzielle Verzweiflung bis hin zu Selbstmordabsichten. Einer unserer Klienten hat in der Nachbetrachtung sein Erleben der Burnout- Symptomatik so auf den Punkt gebracht: „Ich habe mich so gefühlt, als säße ich in einer Falle, aus der es kein Entrinnen gab! “ <?page no="128"?> 4 Gesundheitsorientiertes Führen 122 Teilnehmer: „Damit stellen sich zwei Fragen - erstens: Woher weiß ich, dass ich in der Burnout-Falle sitze? Und zweitens: Wie komme ich da wieder raus, bzw. erst gar nicht hinein? “ Coach: „Um das Ausmaß der Behandlungsbedürftigkeit zu erkennen arbeiten wir sowohl in unseren Burnout-Seminaren als auch bei unseren Individualberatungen und Coachings mit Burnout-Screening-Skalen. Hierbei handelt es sich um wissenschaftlich fundierte Fragebögen zur Selbstbeurteilung. Mit ihnen lassen sich subjektive psychische, physische und psychosoziale Beschwerden erfassen, die typisch für das Auftreten der Burnout-Symptomatik sind. Wir haben sehr gute Erfahrungen mit den Burnout-Screening-Skalen BOSS I und BOSS II gemacht, die ab einem Alter von 18 Jahren bei Männern und Frauen in allen Berufsgruppen und Lebenssituationen sowohl zur Eingangsdiagnostik als auch zur Verlaufsuntersuchung eingesetzt werden können. Mit BOSS I lassen sich Beschwerden in den Lebensbereichen Beruf, eigene Person, Familie und Freunde über einen Beurteilungszeitraum von drei Wochen erfassen. BOSS II erfragt körperliche, kognitive und emotionale Beschwerden über einen Beurteilungszeitraum von sieben Tagen. Wir bieten Ihnen direkt per Mail BRENDT-TRAINING@t-online.de die Möglichkeit, die Fragebögen abzurufen, die wir dann gerne gegen eine Bearbeitungsgebühr für Sie auswerten und die Ergebnisse und Vorschläge zum weiteren Vorgehen in einem Telefonat zu Ihrem Wunschtermin erläutern. Schließlich besteht der erste Schritt zur Behandlung eines Burnout-Syndroms darin, dass die Behandlungsbedürftigkeit vom Betroffenen akzeptiert wird. Dies dürfte jedem leichter fallen, wenn er für sich realisiert, dass es sich bei Burnout zwar um eine Gesundheitsstörung handelt, er deswegen jedoch nicht gleichzeitig psychisch krank ist. Insofern erfolgt keine Stigmatisierung und der Betroffene kann sich mit einem positiven Selbstbild in die Behandlung begeben.“ Wenn Sie für sich Behandlungsbedürftigkeit erkannt haben, sollten Sie für sich Wege erschließen, um sich in optimaler Weise: durch Reduktion und Ausschaltung der Stressoren zu entlasten, in dem Sie konsequent Zeitmanagement betreiben und Möglichkeiten zur Stressbewältigung beachten (vgl. Kapitel 4.2) zu erholen, indem Sie Entspannungsverfahren einsetzen, wie z.B. die Progressive Muskelentspannung anwenden (vgl. Kapitel 4.2), ihre Batterien durch Wellness, Hobbys und Freizeitaktivitäten wieder aufladen und durch Sport Ihre Fitness optimieren <?page no="129"?> 4.3 Burnout 123 zur Besonnenheit zu ermahnen, indem Sie Perfektionismus und Selbstüberforderung begrenzen, sich gegenüber überzogene Forderungen wappnen und eigenen Bedürfnissen angemessenen Raum geben. Wir können es auch ganz einfach auf den Punkt bringen - Wenn es Ihnen gelingt, die in Kapitel 4 vorgestellten Empfehlungen in die Tat umzusetzen, sind Sie nicht nur auf dem besten Weg chronischen Di-Stress zu bewältigen, sondern legen auch den Grundstein für eine erfolgreiche Burnout-Abwehr. Darüber hinaus verfügen Sie über effektive Mittel, aus eigener Kraft die Burnout- Symptomatik anzugehen. Sollten Sie jedoch schon so tief in der Burnout-Falle stecken, dass Sie therapeutische Unterstützung in Anspruch nehmen möchten, sollten Sie sich zunächst ein wenig Zeit nehmen und in Ruhe Ihre Situation klären, bevor Sie sich an einen Gesprächspartner Ihres Vertrauens wenden. In diesem Zusammenhang haben sich folgende Fragen als überaus hilfreich erwiesen: Was verursacht mein aktuelles Problem? Was habe ich bisher dagegen unternommen? Wie möchte ich künftig vorgehen? Durch die sorgfältige, schriftliche Beantwortung dieser drei Fragen, verschaffen Sie sich nicht nur einen guten Überblick über Ihre Gesamtsituation, sondern legen auch den Grundstein dafür, dass Ihr Gesprächspartner gemeinsam mit Ihnen Ziele und Methoden für das weitere Vorgehen abstimmen kann. Sollten Sie in dieser Hinsicht Beratungsbedarf haben, stehen wir Ihnen gerne über zur Verfügung: BRENDT-TRAINING@t-online.de <?page no="130"?> 4 Gesundheitsorientiertes Führen 124 4.4 Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen Als Ende 2013 der Gesetzgeber alle Arbeitgeber dazu verpflichtete, auch für psychische Belastungen eine Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz durchzuführen, gab es nicht wenige, die dieses Instrument als eine weitere lästige Vorgabe angesehen haben. Demgegenüber zeigen unsere Erfahrungen, dass der durch eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen angestoßene Prozess eine echte Chance für eine gesundheitsförderliche Organisationsentwicklung darstellt und den Führungskräften Unterstützung bei ihren Bemühungen um gesundheitsorientierte Führung bietet. Basierend auf den Empfehlungen der Träger der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung haben wir ein Vorgehen entwickelt, welches in einem zeitlich und wirtschaftlich günstigen Verhältnis eine effektive Möglichkeit darstellt, die vom Gesetzgeber eröffnete Chance zum Einsatz eines zielgerichteten und wirkungsvollen Instrument zur Gestaltung gesunder Strukturen zu nutzen. Die folgenden Ausführungen in diesem Kapitel sind der Beschreibung der von uns entwickelten Methodik gewidmet. Teilnehmer: „Was genau ist eigentlich unter psychischen Belastungen zu verstehen? “ Coach: „Nach der Norm DIN EN ISO 10075 ‚Ergonomische Grundlagen psychischer Arbeitsbelastung‘ werden psychische Belastungen als ‚die Gesamtheit der erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken‘ definiert. Als psychisch bedeutsame Einflüsse lassen sich dabei vielfältige Aspekte anführen, wie beispielsweise die Arbeitsintensität, die Dauer und Verteilung der Arbeitszeit oder die soziale Unterstützung am Arbeitsplatz. Psychische Belastung ist insofern als wertneutral zu verstehen, als eine Arbeit ohne psychische Belastung genauso wenig denkbar ist wie eine Arbeit ohne körperliche Belastung. So wie körperlich beanspruchende Tätigkeiten (z.B. Heben und Tragen schwerer Lasten, Umgang mit Gefahrstoffen) bergen auch psychische Belastungen (z.B. Leistungsanforderung, zu viel Arbeit, soziale Konflikte, Zeitdruck, Störungen) gesundheitliche Risiken in sich. Dementsprechend sind auch psychische Belastungen der Arbeit in einer Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen.“ Teilnehmer: „Welche Vorgehensweise schlagen Sie vor? “ Coach: „Da sich die Gefährdungsbeurteilung auf konkrete betriebliche Bedingungen und Tätigkeiten beziehen soll, setzt ihre Planung und Umsetzung voraus, dass die an ihr Beteiligten, sowohl das Tätigkeitsspektrum als auch die unterschiedlichen Arbeitsaufgaben und-anforderungen in ihrem Arbeitsumfeld ken- <?page no="131"?> 4.4 Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen 125 nen. Von daher ist die Mitwirkung von fachkompetenten Beschäftigten bedeutsam, um Gefährdungen erkennen und gezielt einleiten zu können, die von allen Organisationsmitgliedern akzeptiert und mitgetragen werden. Wir können im Hinblick auf unseren Ansatz zur nachhaltigen Implementierung von Gefährdungsbeurteilungen psychischer Belastungen sowohl in Industrieunternehmen als auch in Dienstleistungsunternehmen auf gute Erfahrungen verweisen. Unser Ansatz beruht vor allem darauf, dass wir in Workshops mit Hilfe eines Leitfadens zielgerichtet erfassen, wie die Mitarbeiter ihre subjektive, personenabhängige Wahrnehmung der Arbeitssituation und damit möglicherweise zusammenhängende gesundheitliche Folgen bewerten. Mit dem Workshop beginnt ein kontinuierlicher Prozess indem Arbeitsbereiche und Tätigkeiten festgelegt, psychisch bedeutsame Einflüsse gemäß § 5 ArbSchG, Ziffer 6, sprich Gefährdungen anschließend ermittelt und beurteilt, konkrete Maßnahmen festgelegt und durchgeführt, sowie die Überprüfung der Maßnahmen im Hinblick auf ihre Wirksamkeit und das Fortschreiben der Gefährdungsbeurteilung gesichert werden. Dieser Prozess orientiert sich an den in der GDA-Leitlinie ‚Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation“ vorgeschlagenen sieben Schritten: 1) Festlegen von Tätigkeiten/ Bereichen 2) Ermittlung der psychischen Belastung der Arbeit 3) Beurteilung der psychischen Belastung der Arbeit 4) Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen 5) Wirksamkeitskontrolle 6) Aktualisierung/ Fortschreibung 7) Dokumentation und wird, wie in § 13 Abs.2. ArbSchG gefordert, von einer ‚fachkundigen Person‘ moderiert. Bei Unternehmen mit mehr als 21 Mitarbeitern empfiehlt sich, den Arbeitssicherheitsausschuss (ASA) als Steuerungsgremium mit einzubeziehen. 1) Festlegen von Tätigkeiten/ Bereichen Um zu gewährleisten, dass sich die Gefährdungsbeurteilung auf konkrete Bedingungen und Tätigkeiten, im Betrieb bezieht, werden zunächst Tätigkeiten und/ oder Bereiche für Workshops festgelegt, die im Hinblick auf die psychische Belastung gleichartig sind. Sodann werden Workshop-Teilnehmer ausgewählt, die das ausgewählte Tätigkeitsspektrum überblicken und die unterschiedlichen Arbeitsaufgaben- und Anforderungen kennen und über ihre Basiskenntnisse hinaus sich aufgeschlossen der Thematik annehmen möchten. Es empfiehlt sich eine Begrenzung der Teilnehmerzahl auf acht Personen, die sich idealerweise aus dem Fachbereichsleiter, einem Betriebsrat, der Fachkraft für Arbeitssicherheit <?page no="132"?> 4 Gesundheitsorientiertes Führen 126 oder dem zuständige Sicherheitsbeauftragten und fünf weiteren, im Hinblick auf ihre Aufgabenstellung, ihre hierarchische Position und ihr (Dienst-)Alter verschiedenen Mitarbeiter zusammensetzen sollte. Die Moderation erfolgt durch einen externen Coach. 2) Ermittlung der psychischen Belastung der Arbeit In den von uns moderierten Workshops hat es sich bewährt, auf die in der GDA- Leitlinie ‚Beratung und Überwachung bei psychischer Belastung am Arbeitsplatz‘ zuzugreifen, in der die wesentliche Belastungsfaktoren aufgeführt werden (vgl. www.gda-psyche.de). Hier werden mit ‚Arbeitsinhalt/ Arbeitsaufgabe‘, ‚Arbeitsorganisation‘, ‚Soziale Beziehungen‘, ‚Arbeitsumgebung‘ und ‚Neue Arbeitsformen‘ fünf Merkmalsbereiche beschrieben. Den Merkmalsbereichen sind die Inhalte der Gefährdungsbeurteilung und diesen die jeweils mögliche kritische Ausprägung zugeordnet. Diese Auswahl haben wir in ein Raster überführt, wobei wir auch darauf geachtet haben, dort nicht erfasste Faktoren berücksichtigen zu können. Es ergibt sich ein vierseitiges Raster, welches am Ende dieses Kapitels vollständig abgebildet ist. Das Raster bietet nicht nur die Möglichkeit, in Frage kommende Belastungen schrittweise zu analysieren und ggf. zu ergänzen, sondern kann auch zur Bearbeitung in den fünf folgenden Phasen genutzt werden. 3) Beurteilung der psychischen Belastung der Arbeit Nehmen wir als Beispiel die erste Seite unseres Rasters zum Merkmalsbereich ‚Arbeitsaufgabe/ -inhalte‘. In der Spalte Tätigkeitsmerkmale ist ‚Vollständigkeit der Tätigkeit‘ als möglicher Belastungsfaktor aufgeführt und darunter das Ziel für dieses Tätigkeitsmerkmal beschrieben. Die Workshop-Teilnehmer analysieren den IST-Zustand dahingehend, ob im Hinblick auf das Ziel, dem anzustrebendem SOLL (‚Möglichst geschlossene und umfassende Arbeitsabläufe mit vorbereitenden, ausführenden und nachbereitenden Aufgaben‘) Handlungsbedarf besteht oder nicht und kreuzen dementsprechend das Ergebnis ihrer Analyse in der der Spalte ‚Handlungsbedarf‘ an. 4) Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen Bei Handlungsbedarf werden aus dem Ergebnis der Analyse Vorschläge abgeleitet, nachvollziehbar begründet und in der Spalte ‚Maßnahmen‘ festgehalten. Maßnahmen, die sich auf betriebliche Verhältnisse (Organisation, Struktur, Prozesse, Tätigkeiten) beziehen sind dabei gegenüber Vorschlägen zur Verhaltensänderung der Mitarbeiter zu bevorzugen. Werden mehrere Maßnahmen vorgeschlagen, sind diesbezüglich Prioritäten zu setzen, wobei in der Spalte ‚Durchführung‘ konkret festgehalten wird, wer bis wann für die Umsetzung verantwortlich ist. <?page no="133"?> 4.4 Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen 127 5) Wirksamkeitskontrolle In der Spalte ‚Wirksamkeitskontrolle‘ wird nachvollziehbar festgehalten, was wann gemacht worden ist, z.B. ‚mündliche Nachfragen im Rahmen einer Begehung‘ oder ‚schriftliche Kurzbefragungen der Mitarbeiter im betreffenden Fachbereich‘. 6) Aktualisierung/ Fortschreibung Die Gefährdungsbeurteilung wird turnusmäßig jährlich geprüft. Sollten sich Gegebenheiten infolge von Restrukturierung, Reorganisation von Tätigkeiten und Abläufen, Anschaffung neuer Maschinen, auffälligen Häufungen von Fluktuation, Beschwerden oder Gesundheitsbeeinträchtigungen, die auf Gefährdungen durch psychische Belastung bei der Arbeit hindeuten sowie neue arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen oder sich Arbeitsschutzverschriften geändert haben, ist die Gefährdungsbeurteilung gemäß § 3 Abs. 1 ArbSchG zu aktualisieren. 7) Dokumentation Unser Raster erfüllt die Mindestvorschriften gemäß § 6 ArbSchG und enthält alle in der GDA-Leitlinie ‚Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation“ empfohlenen Punkte: Beurteilung der Gefährdungen Festlegung konkreter Arbeitsschutzmaßnahmen einschließlich Terminen und Verantwortlichkeiten Durchführen der Maßnahmen Überprüfung der Wirksamkeit Datum der Erstellung Das vierseitige Raster ist auf den Folgeseiten abgebildet. <?page no="134"?> 1. Arbeitsaufgabe/ -inhalte Tätigkeitsmerkmal Bedarf? Maßnahmen Durchführung Wirksamkeit Ziel = SOLL ja nein Art: wer: bis wann: überprüft am: Vollständigkeit der Tätigkeit Möglichst geschlossene und umfassende Arbeitsabläufe mit vorbereitenden, ausführenden und nachbereitenden Aufgaben Verantwortung Klare Zuständigkeiten, zumutbare Verantwortung (bei angemessener Qualifikation, Handlungsspielräumen und ggf. Unterstützung) Informationsangebot Notwendige Informationen zum passenden Zeitpunkt in geeigneter Darstellung, Vermeidung unnötiger Informationen Handlungsspielraum Möglichst große inhaltliche und zeitliche Gestaltungsmöglichkeiten im Hinblick auf Arbeitsinhalte, Methoden und Abläufe Emotionale Inanspruchnahme Kompetenz im Umgang mit belastenden Situationen/ Widerspruch zwischen zu zeigenden und erlebten Gefühlen, Unterstützung Abwechslungsreichtum Geistig und körperlich abwechslungsreiche und damit Konzentration anregende Tätigkeiten Qualifikation und Einsatz Anforderungsgerechte Qualifikation (fachspezifisch und -übergreifend), adäquater Einsatz Sonstige 128 <?page no="135"?> 2. Arbeitsorganisation Tätigkeitsmerkmal Bedarf? Maßnahmen Durchführung Wirksamkeit Ziel = SOLL ja nein Art: wer: bis wann: überprüft am: Anforderungen/ Realisierungsbedingungen Übereinstimmung von Anforderungen und Realisierungsbedingungen, widerspruchsfreie Aufträge, Vermeidung unnötiger Änderungen Arbeitszeit Günstige Arbeitszeitmodelle (keine dauerhaften Überstunden/ kein permanenter Zeitdruck, Berücksichtigung persönlicher Bedürfnisse/ Pausen) Arbeitsanfall und zeitlicher Ablauf Realistische Zeitvorgaben, ausgeglichene und verlässliche Arbeitszuweisung (ansonsten Zeitpuffer) Störungen und Unterbrechungen Vermeidung unnötiger Störungen und Unterbrechungen, voraussehende Planung, frühzeitige Information über Abweichungen Rückmeldungen Angemessene, konstruktive Rückmeldung über Aufgabenerledigung und eigene Leistung Transparenz Betriebliche Abläufe, Entscheidungen und Perspektiven sind transparent und nachvollziehbar Sonstige: 129 <?page no="136"?> 3. Soziale/ betriebliche Rahmenbedingungen Tätigkeitsmerkmal Bedarf? Maßnahmen Durchführung Wirksamkeit Ziel: ja nein Art: wer: bis wann überprüft am: Führungsverhalten Wertschätzung der Person, klare Vorgaben, fördernde Rückmeldung zur Leistung, Unterstützung bei Problemen Umgang mit Kollegen Frühzeitige und konstruktive Thematisierung von Konflikten, keine Ausgrenzung einzelner Personen oder Gruppen Kooperation/ Kommunikation Funktionierende fachliche und soziale Kommunikation, Kooperation bzgl. Aufgabenerledigung, gegenseitige Unterstützung Informationsaustausch Frühzeitiger, angemessener Informationsaustausch z.B. bei Änderungen von Vorgaben, gewohnten Betriebsabläufen, Störfällen… Mitsprache der Beschäftigten Beteiligung von Mitarbeitern an Entscheidungen, konstruktives Vorschlags-/ Beschwerdewesen Berufliche Qualifikation und Entwicklung Angemessene Qualifizierungsangebote und fördernde, langfristige berufliche Entwicklungsmöglichkeiten Förderung des Betriebsklimas Betriebliche Gemeinschaftsaktivitäten und Gesundheitsangebote, Unterstützung an der Schnittstelle Beruf/ Privatleben Besondere Personengruppen Berücksichtigung besonderer Bedürfnisse z.B. von Behinderten, älteren Arbeitnehmern, Jugendlichen, Alleinerziehenden, Schwangeren Rahmenbedingungen Leistungsgerechte Bezahlung, Arbeitssicherheit, soziale Sicherheit (soweit betrieblich beeinflussbar) Sonstige: 130 <?page no="137"?> 4. Arbeitsplatz-/ Umgebungsbedingungen (Achtung: Hier nur Beurteilung der psychischen Belastungen, die übrigen Gefährdungen werden an anderer Stelle beurteilt) Tätigkeitsmerkmal Bedarf Maßnahmen Durchführung Wirksamkeit Ziel: ja nein Art: wer: bis wann: überprüft am: Lärm Vermeiden subjektiv störender oder vegetativ beeinträchtigender Geräusche Klima Zuträgliche und angenehme klimatische Bedingungen mit Berücksichtigung auch des individuellen Empfindens Beleuchtung Optimale Beleuchtung im Hinblick auf Aufgabe und persönliche Bedürfnisse (z.B. ältere Mitarbeiter) Ergonomie Ergonomische Arbeitsmittel (Bildschirm, Softwareergonomie…) Gefahrstoffe/ Geruchsbelästigung Ausreichendes Wissen über Art der Gefährdung, Möglichkeit der Umsetzung der erforderlichen Schutzmaßnahmen, möglichst keine störenden Geruchsbelästigungen Infektionsgefährdung Ausreichendes Wissen und Möglichkeit der Umsetzung der erforderlichen Schutzmaßnahmen Beeinträchtigung durch PSA Vorrang von technischen vor persönlichen Schutzmaßnahmen, sofern PSA erforderlich, geringst mögliche Beeinträchtigung Unsicherheit/ Angst auslösende Bedingungen Werden thematisiert, ernst genommen und ggf. erforderliche Schutzmaßnehmen umgesetzt. Sonstige: 131 <?page no="138"?> Erläuterungen: 1. Die Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz bezüglich der psychischen Belastungen liegt im Verantwortungsbereich des Arbeitgebers. Dies schließt insbesondere auch die Entscheidung über die Auswahl der anzuwendenden Analyseverfahren ein. 2. Der Arbeitgeber hat alle relevanten Tätigkeitsmerkmale daraufhin zu prüfen, ob von ihnen psychische Belastungen der Mitarbeiter ausgehen können. Bei Anhaltspunkten für kritische psychische Tätigkeitsmerkmale, sind diese im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung einer genaueren Analyse zu unterziehen und geeignete Maßnahmen abzuleiten und umzusetzen, um das Risiko psychischer Belastungen für die Mitarbeiter zu reduzieren. Grundsätzlich haben dabei verhältnispräventive Maßnahmen Vorrang vor verhaltenspräventiven, können durch letztere aber sinnvoll ergänzt werden. 3. Bei der Beurteilung wirken die Geschäftsführern, der Sicherheitsbeauftragte, der Betriebsrat, die Bereichsleitungen sowie Basis-Mitarbeiter mit. Somit werden aussagekräftige Ergebnisse erzielt und die Akzeptanz der umzusetzenden Maßnahmen wird er-höht. 132 <?page no="139"?> 133 5 Literaturliste Badura, B. et al (2016), Fehlzeiten-Report 2016, Heidelberg: Springer Bamberg, E. (Hrsg.), Ducki, A., Metz, A.-M. (1998), Handbuch betriebliche Gesundheitsförderung, Göttingen: Verlag für angewandte Psychologie Bechtel, P., Smerdka-Arhelger, I. (2012), Pflege im Wandel gestalten - Eine Führungsaufgabe, Heidelberg: Springer Beck, D. et al (2014), Empfehlungen zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung, Berlin: Bundesministerium für Arbeit und Soziales Becker, M. (2013), Personalentwicklung, Schäffer-Poeschel: Stuttgart Berthel, J.; Becker, F. G. 10. Auflage 2013, Personal-Management, Stuttgart: Schäffer-Poeschel Brendt, D. (1995), Menschenführung im Baubetrieb, Neu-Isenburg: ztv-Verlag Brendt, D., Zeitmanagement für den Bauleiter, 5. bearbeitete Auflage (2017), Renningen: expert verlag Brendt, D., 2. Neu bearbeitete Auflage (2011), Zeitmanagement für Techniker und Ingenieure, Renningen: expert verlag Brendt, D.; Sollmann, C. (2011), Zeitmanagement für Selbstständige, Renningen: expert-Verlag Brendt, D.; Sollmann, C. (2012), Burnout am Arbeitsplatz, Renningen: expert- Verlag Brendt, D.; Sollmann, C., 2. Neu bearbeitete Auflage (2017), Gesundheitsmanagement als Führungsaufgabe, Renningen: expert-Verlag Brengelmann, J.C. (1993), Erfolg und Streß, Weinheim: Beltz Burisch (2006), Das Burnout-Syndrom (3. Auflage), Heidelberg: Springer Comelli, G. (1995), Führung durch Motivation, München: Beck Crisan/ Lyon (1991), Anti-Stress-Training (2. Aufl.), Heidelberg: Sauer Dießner, H. (1999), Praxiskurs Selbst-Coaching, Paderborn: Junfermann Dogs, W. (1991), Konzentrative Entspannungstherapie (18. Aufl.), Duisburg: Braun Fisher, R., Ury, W., Patton, B. (1998), Das Harvard-Konzept (17. Aufl.), Frankfurt/ Main: Campus Gros, E. (Hrsg.) (1994), Anwendungsbezogene Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie, Göttingen: Verlag für Angewandte Psychologie Hagemann, W., Greulich, K. (2009), BOSS, Göttingen: Hogrefe <?page no="140"?> 5 Literaturliste 134 Hofmann, E. 3. Korrigierte Auflage (2012), Progressive Muskelentspannung, Göttingen: Hogrefe Hofmann, E. (2001), Weniger Stress erleben, Neuwied - Kriftel: Luchterhand Hoffman, B. (1990), Handbuch des autogenen Trainings (10. Aufl.), München: dtv Hornung, J. (2013), Nachhaltiges Personalmanagement in der Pflege, Heidelberg: Springer Jaggi, F. (2008), Burnout - praxisnah, Stuttgart: Thieme Kaluza, G., 3. Auflage (2015) Stressbewältigung, Heidelberg: Springer Kowalzik, U. (2005) Erfolgreiche Personalentwicklung, Hannover, Schlütersche Verlagsgesellschaft Lewin, K. (1935), A Dynamic Theory of Personality, Columbus OH: McGraw- Hill Niermeyer, R. (2001), Motivation, Freiburg i. Br.: Haufe Rauen, C. (2002), Handbuch Coaching, Göttingen: Hogrefe Regnet, E. (2017), Konflikt und Kooperation, Göttingen: Hogrefe Schelp, T. (1997), Rational-Emotive Therapie. Bern: Huber Schuler, H. (Hrsg.) (2001), Lehrbuch der Personalpsychologie, Göttingen: Hogrefe Sperling, J.B. (1997), Führungsaufgabe Moderation (2. Aufl.), Planegg: WRS Stockinger, T. (2014), Personalentwicklung, Heidelberg: Springer Strobel, I. (2015), Stressbewältigung und Burnoutprävention, Stuttgart: Haug Stroebe, R.W. (1995), Arbeitsmethodik 1 (7. Aufl.), Heidelberg: Sauer Stroebe, R.W. (1993), Arbeitsmethodik 2 (5. Aufl.), Heidelberg: Sauer Thomas, A.M. (1998), Coaching in der Personalentwicklung, Bern: Huber Tosch, M. (1997), Besprechungen moderieren, Eichenzell: Neuland Unger H.P., Kleinschmidt C. (2007), Bevor der Job krank macht (3. Aufl.), München: Kösel Vester, F. (1976), Phänomen Stress, Stuttgart Wagner-Link, A. (2010), Verhaltenstraining zur Stressbewältigung, Stuttgart: Klett-Cotta Weiß, J. (1992), Selbst-Coaching (3.Aufl.), Paderborn: Junfermann Zwingmann, I. et al (2015), Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung in reportpsychologie, Berlin: Deutscher Psychologen Verlag <?page no="141"?> 135 6 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis Nr. Abbildung Seite A B 1. 2.1. 2.2. 2.3. 2.4. 2.5. 3.1. 3.2. 3.3. 3.4. 3.5. 3.6. 3.7. 3.8. 3.9. 3.10. 3.11. 3.12. 3.13. 3.14. 3.15. 4.1. 4.2. Profilausschnitt Vergleich Führungskräfte/ Mitarbeiter (StaffCare) Profilausschnitt Vergleich Führungskräfte/ Mitarbeiter (SelfCare) Entwicklung der wohnbezogenen Hilfen Matrix Kompetenzbewertung Zuordnung der Assessment-Methoden … Assessment Center - Einleitung Assessment Center - Durchführung Jahresmitarbeitergespräch Die Führung durch die Vorgesetzten ist … Die Stimmung bei uns … Über wichtige Dinge und Vorgänge in unserem Betrieb … Johari-Fenster Bildhafte Analogie zum betrieblichen Geschehen Beschreibung von IST und SOLL Maßnahmenkatalog Brainstorming „Führungsgrundsätze“ Zielbild Vorteile und Nachteile von Führungsgrundsätzen Befugnisse und Pflichten des Vorgesetzten Vorschlag zur Integration beider Textvorschläge 10 Gebote für Teamleiter in der Moderatorenrolle Vorher-Nachher-Messung mittels FVVB Nachschrift zum Compact-Coaching Gegenüberstellung von Eu- und Di-Stress Ablauf des Allgemeinen Adaptionssyndroms 3 4 7 24 26 28 29 34 50 51 52 54 57 58 59 69 70 71 72 73 77 88 90 102 106 <?page no="142"?> 136 7 Autorenkurzprofile Dipl.-Psych. Dieter Brendt Vielseitige Berufserfahrungen als Techniker in leitenden Positionen. Studium der Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie. Supervisor BDP. Seit 1989 freiberuflicher Trainer, Berater und Coach. Kontakt: BRENDT-TRAINING@t-online.de Jürgen Amberg Diplom-Sozialpädagoge, Direktor Wohn- & Beschäftigungsverbund der Alexianer Aachen GmbH, Koordinator Eingliederungshilfe Alexianer GmbH <?page no="143"?> Dipl.-Psych. Dieter Brendt, Dr. Christoph Sollmann .jpg Gesundheitsmanagement als Führungsaufgabe Effektive Mittel und effiziente Wege zur betrieblichen Gesundheitsförderung 2., neu bearb. Aufl. 2017, 282 S., zahlr. Abb., Checklisten u. Arbeitsblätter, 45,00 €, 58,50 CHF (Praxiswissen Wirtschaft, 113) ISBN 978-3-8169-3178-2 Zum Buch: Hauptsache gesund! Stimmt - denn nur wer gesund ist und sich bei seiner Arbeit wohl fühlt, kann sein Leistungspotenzial in vollem Umfang abrufen. Da Unternehmen heutzutage in besonderem Maße vom Leistungsvermögen ihrer Mitarbeiter/ innen abhängen, schaffen sie mit Maßnahmen zur Verbesserung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und mit Projekten zur betrieblichen Gesundheitsförderung wesentliche Voraussetzungen zur Festigung und Steigerung ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Das Buch bietet Inhabern und Personalverantwortlichen eine Fülle von Möglichkeiten, wie sie nicht nur ihre Firma und ihre Mitarbeiter, sondern auch sich selbst fit machen können und durch maßgeschneidertes Gesundheitsmanagement ihr »Return on Investment« maximieren. Die Darstellung und Diskussion von Beispielen aus der betrieblichen Praxis liefert vielseitige und umfassende Denkanstöße. Checklisten, Leitfäden, konkrete Maßnahmenkataloge und realistische Aktionspläne gewährleisten die unmittelbare Übertragbarkeit. Die Interessenten: - Inhaber und Personalverantwortliche kleinerer und mittlerer Unternehmen - Personalentwickler - Beauftragte des Arbeits- und Gesundheitsschutzes - Mitarbeiter/ innen in Gesundheitsförderungsprojekten Rezensionen: »Das Gesundheitsmanagement wird zur Führungsaufgabe. Gesundheitsprojekte werden firmenspezifisch entwickelt und die erfolgreiche Stressbewältigung wird hier hervorgehoben. Die Aspekte Ernährung, Bewegung und dementsprechend auch die Fitness werden unter dem Gesichtspunkt des Gesundheitsmanagement als Führungsstil in Augenschein genommen.« Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsförderung in der EU Die Autoren: Diplom-Psychologe Dieter Brendt: Freiberuflicher Coach und Consultant, Projektierung und Begleitung firmenspezifischer Programme zur Gesundheitsförderung, Bundesweite, branchenübergreifende Aktivitäten in Unternehmen unterschiedlicher Größe, Autor von Fachbüchern: Zeitmanagement für den Bauleiter, Menschenführung im Baubetrieb, Zahlreiche Artikel in Fachzeitschriften Diplom-Psychologe Dr. Christoph Sollmann: Führungskräftetrainer und Verhaltenstherapeut, Branchenübergreifende Erfahrung in Change-Prozessen, Potenzialerfassung, Coaching. Autor von Fachartikeln über Potenzialentwicklung und Assessment-Center-Technik Blätterbare Leseprobe und einfache Bestellung unter: www.expertverlag.de/ 3178 Bestellhotline: Tel: 07159 / 92 65-0 • Fax: -20 E-Mail: expert@expertverlag.de <?page no="144"?> Dipl.-P Dr. Ch Bur am Sympto Prophyl 2012, 15 (Praxisw ISBN 97 Zum Buc »Was tun Druck, de getragen müde, au auch Sie schöpfung auszustei toren, auf auch als wandten P zur Reduk und Selbs Inhalt: Burnout a Kosten - nungsform individuel Bewältigu Die Inter Ob in de Selbststän land - we Die beide Gesundhe lichem Str Die Auto Dipl.-Psy bänden u Dienst. Th kation und gement. I ker und In managem Auslandse Trainer, C und im ö mentcente Psych. 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