Führung in der Technik
0712
2021
978-3-8169-8467-2
978-3-8169-3467-7
expert verlag
Dieter Brendt
Olaf Mackowiak
Mitarbeitende zielgerichtet und effektiv führen zu können, ist ein Schlüssel für nachhaltigen Unternehmenserfolg. In diesem Buch werden den Leser:innen durch die direkte Ansprache und die Praxisbeispiele von Kolleg:innen in vergleichbaren Situationen Denkanstöße und Tipps geboten, um ihren Führungsstil zu analysieren und darauf aufbauend zu optimieren. Es werden bewährte Maßnahmen und Techniken zur effizienten Gestaltung und Beherrschung der vielfältigen Anforderungen im sich schnell verändernden technischen wie gesellschaftlichen Umfeld vorgeschlagen, die praxisgerecht im Führungsalltag eingesetzt werden können.
9783816984672/Zusatzmaterial.html
<?page no="0"?> Führung in der Technik DIETER BRENDT OLAF MACKOWIAK MIT ZUSATZMATERIAL <?page no="1"?> Führung in der Technik <?page no="3"?> Dieter Brendt, Olaf Mackowiak Führung in der Technik <?page no="4"?> © 2021 · expert verlag GmbH Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autoren oder Herausgeber übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Internet: www.expertverlag.de eMail: info@verlag.expert Druck: CPI books GmbH, Leck ISBN 978-3-8169-3467-7 (Print) ISBN 978-3-8169-8467-2 (ePDF) ISBN 978-3-8169-0064-1 (ePub) Umschlagabbildung: © Dirk Heil Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. <?page no="5"?> 7 9 1 13 1.1 13 1.2 17 1.3 21 1.4 34 2 39 2.1 46 2.2 51 2.2.1 52 2.2.2 55 3 59 3.1 59 3.2 63 3.3 75 3.4 85 3.4.1 85 3.4.2 88 3.4.3 90 3.4.4 93 4 99 4.1 100 4.2 103 4.3 106 Inhalt Vorwort der Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wegweiser durch das Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführende Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nichts in der Technik ist beständiger als der Wandel . . . . . . . Anforderungen an technische Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . Potenzialanalyse technischer Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . Potenzialeinschätzung durch Interviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . (Gemeinsam) Ziele setzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ziele im Mitarbeiter: innenjahresgespräch SMART formulieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Praxis des Mitarbeiter: innenjahresgesprächs . . . . . . . . . . . . . . Vorbereitung auf das Mitarbeiter: innenjahresgespräch Durchführung des Mitarbeiter: innenjahresgespräches (Miteinander) planen und entscheiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Entscheidungsbaum-Modell nach Vroom & Yetton . . . . . Anforderungen an Führungskräfte als Moderator: innen . . . . Kreativ planen und entscheiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Planung im betrieblichen Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Persönliche Zeitplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Planung von betrieblichen Abläufen . . . . . . . . . . . . . . . . Terminplanung im Projekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Terminlicher Basisplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausführen (lassen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlegungen zur Bedeutung des Delegierens . . . . . . . . . . . . . Das Reifegradmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Effektive Führung durch Anwendung des Reifegradmodells . <?page no="6"?> 4.4 112 4.5 114 4.6 115 4.7 118 5 121 5.1 121 5.2 123 5.3 130 5.3.1 130 5.3.2 134 5.3.3 138 6 141 6.1 141 6.2 149 6.3 155 7 169 8 171 173 175 177 Delegation in der betrieblichen Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Delegierbare Tätigkeiten und Aufgaben finden . . . . . . . . . . . . Führung durch Delegation mit Reifegraden . . . . . . . . . . . . . . . Ergebniskontrolle bei der Delegation von Tätigkeiten und Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (Gemeinsam) kontrollieren und bewerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontinuierliche Verbesserungsmöglichkeiten durch anonymisierte Befragungen der Mitarbeiter: innen . . . . . . . . . Reflexion des Führungshandelns mittels 360°-Feedback . . . . . Kontrolle und Steuern mittels Shopfloor Management . . . . . . Ansätze und Aufbau eines Shopfloor Managementsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schritte der Einführung eines Shopfloor Managementsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betrieblicher Nutzen durch Shopfloor Management . . Miteinander reden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Basics zu Körpersprache, Sprechweise und sprachlichem Ausdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundsätzliches zur Gesprächsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiele gelungener Kommunikation in der betrieblichen Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Autorenkurzprofile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Inhalt <?page no="7"?> Vorwort der Autoren Die Daten und Beispiele in diesem Band stammen aus der Arbeit der Autoren als Coaches. Bei der Veröffentlichung von Zahlen und Daten ist stets darauf geachtet worden, unsere Verpflichtung, betriebliche Interna zu schützen, strikt einzu‐ halten. Soweit hier Beispiele von Einzelpersonen genannt werden, sehen wir uns in der Pflicht, deren Persönlichkeitsrechte durch diese Veröffentlichung nicht zu verletzen. Daher sind alle Beispiele in diesem Buch so verändert worden, dass Ähnlichkeiten mit lebenden Personen rein zufällig wären. Der vorliegende Band ist in Dialogform aufgebaut, d. h., ein virtueller Teilnehmer steht in den Kapiteln jeweils zu Beginn mit dem externen und anschließend mit dem internen Coach im Dialog und stellt diesen durch seine Fragen vor immer wieder neue Herausforderungen. Leser: innen sollen damit einen Einblick in die zahlreichen Gespräche, die die beiden Autoren mit Mitarbeiter: innen und Führungskräften zum Thema führten, erhalten und beim Lesen den Eindruck gewinnen, unter den Diskutierenden mit dabei zu sein. Durch dieses aktivierende Element wird den Leser: innen der Einstieg in die Thematik besonders leicht gemacht und der abstrakt-theoretische Hintergrund wird beinahe spielerisch vermittelt. Als externer Coach antwortet Dieter Brendt, als interner Olaf Mackowiak in gendergerechter Art und Weise. Für die Inhalte sind die beiden Autoren jeweils urheberrechtlich selbstverantwortlich. Falls es Fragen oder Anfragen zu den Autoren gibt, finden sich in den Kurzprofilen Kontaktdaten. An dieser Stelle möchten wir nicht versäumen, uns bei unseren Kolleg: innen und Mitarbeitenden sowie unseren Auftraggebenden und Kund: innen, den Teilnehmenden an unseren Workshops, Seminaren und Coachings zu bedanken, die uns durch ihre Fragen, Beiträge und ihr persönliches Beispiel wichtige Hinweise und Anregungen zu diesem Buch gegeben haben. Wir bedanken uns besonders bei Johannes Brendt und den Mitarbeitenden des expert verlags für deren Unterstützung. <?page no="9"?> Wegweiser durch das Buch Im vorliegenden Band werden einleitend grundsätzliche Überlegungen zu unserem speziellen Thema „Führung in der Technik“ behandelt (Kapitel 1). Im Hauptteil geht es dann um zielgruppenspezifische Überlegungen, Techniken und Methoden sowie Denkanstöße zum Transfer in die betriebliche Praxis, orientiert am Führungskreiszyklus (Kapitel 2 bis 5). Die abschließenden Aus‐ führungen zum „Miteinander reden“ runden unser Buch ab (Kapitel 6). Mit dem Inhaltsverzeichnis ist Ihnen bereits ermöglicht worden, sich einen ersten Überblick über die Themen zu verschaffen, die in den folgenden Kapiteln behandelt werden. Unser „Wegweiser durch das Buch“ hilft Ihnen, ganz konkret Zeit zu sparen. Verschaffen Sie sich mit ihm einen Eindruck vom Inhalt der einzelnen Kapitel. Jedes ist in sich abgeschlossen. Entscheiden Sie selbst, ob Sie alles „in einem Rutsch“ oder besonders Interessantes zuerst bearbeiten wollen, oder nur die Abschnitte, die Ihnen wichtig sind. In Kapitel 1 widmen sich die Autoren auf der Grundlage ihrer Erfahrungen als externe und interne Coaches der Frage, ob und inwieweit der beständige Wandel in der Technik sich auf die Anforderungsprofile von Führungskräften in unterschiedlichen Hierarchiestufen auswirkt. Im Anschluss werden Möglich‐ keiten aufgezeigt, wie sich geeignete Kandidat: innen für eben diese neuen Anforderungsprofile finden lassen. Die Kapitel 2 bis 5 orientieren sich an dem auf der Folgeseite dargestellten Managementzyklus mit den Stufen: • (Gemeinsam) Ziele setzen • (Mit-)Planen • (Mit-)Entscheiden • Ausführen (lassen) • (Gemeinsam) Kontrollieren und Bewerten <?page no="10"?> Den Stufen sind Kapitel zugeordnet, in denen Techniken und Methoden zur erfolgreichen Realisation der einzelnen Schritte dargestellt werden. In Kapitel 2 werden zunächst Methoden und Techniken zur persönlichen Zielsetzung vorgestellt, die sich in der Praxis zur Optimierung des beruflichen Handelns bewährt haben. Hintergrund ist hier die „Zielsetzungstheorie“ nach Locke und Latham, die beschreibt, dass sich wohlgeformte Ziele durchaus motivierend auf das berufliche Handeln auswirken. Als besonders wirkungsvolle Methode, um gemeinsam mit Mitarbeiter: innen motivierende Ziele zu vereinbaren, wird das Führungsinstrument „Mitarbeiterjahresgespräch“ eingehend erörtert. Kapitel 3 fasst die Stufen „(Mit-)Planen“ und „(Mit-)Entscheiden“ zusammen. Zunächst wird anhand des „Entscheidungsbaummodells“ nach Vroom und Yetton aufgezeigt, wann Mitarbeiter: innen hinzugezogen werden sollten, um Changemanagement-Prozesse zu gestalten. Es werden Methoden und Techniken präsentiert, wie Führungskräfte als Moderator: innen ideenreich Maßnahmen und Aktionen (Gemeinsam) Ziele setzen (Gemeinsam) Kontrollieren + Bewerten (Mit-)Planen (Mit-)Entscheiden Ausführen (lassen) Abb. 1: Managementzyklus Den Stufen sind Kapitel zugeordnet, in denen Techniken und Methoden zur erfolgreichen Realisation der einzelnen Schritte dargestellt werden. In Kapitel 2 werden zunächst Methoden und Techniken zur persönlichen Zielsetzung vorgestellt, die sich in der Praxis zur Optimierung des beruflichen Handelns bewährt haben. Hintergrund ist hier die „Zielsetzungstheorie“ nach Locke und Latham, die beschreibt, dass sich wohlgeformte Ziele durchaus motivierend auf das berufliche Handeln auswirken. Als besonders wirkungs‐ volle Methode, um gemeinsam mit Mitarbeiter: innen motivierende Ziele zu vereinbaren, wird das Führungsinstrument „Mitarbeiter: innenjahresgespräch“ eingehend erörtert. Kapitel 3 fasst die Stufen „(Mit-)Planen“ und „(Mit-)Entscheiden“ zusammen. Zunächst wird anhand des „Entscheidungsbaummodells“ nach Vroom und Yetton aufgezeigt, wann Mitarbeiter: innen hinzugezogen werden sollten, um Changemanagement-Prozesse zu gestalten. Es werden Methoden und Tech‐ niken präsentiert, wie Führungskräfte als Moderator: innen ideenreich Maß‐ 10 Wegweiser durch das Buch <?page no="11"?> nahmen und Aktionen sammeln und strukturiert Entscheidungen im Hinblick auf deren Umsetzung herbeiführen können. Beispiele zu Planungs- und Ent‐ scheidungsprozessen in einem produzierenden Betrieb runden das Kapitel ab. In Kapitel 4 „Ausführen (lassen)“ wird zunächst die Bedeutung des Delegie‐ rens thematisiert. Die Leser: innen erhalten zudem Gelegenheit, ihre Einstellung zum Delegieren selbstkritisch zu analysieren. Sie lernen im Weiteren das „Reifegrad-Modell“ nach Hersey und Blanchard kennen und für ihre betriebliche Praxis zu nutzen. In der letzten Station des Führungskreislaufs „(Gemeinsam) kontrollieren und bewerten“ werden in Kapitel 5 Möglichkeiten aufgezeigt, wie Führungskräfte ihr Führungshandeln reflektieren können, um sich Möglichkeiten zur Optimie‐ rung zu erschließen. Des Weiteren wird mit dem Shopfloor Management eine Methode zum Controlling von Prozessen sowie Erfahrungen aus der Praxis mit diesem Führungsinstrument vorgestellt. Das Abschlusskapitel unseres Buches beschäftigt sich mit der betrieblichen Kommunikation. Grundlagen zur Rhetorik und zur Gesprächsführung werden ebenso thematisiert wie Beispiele aus der betrieblichen Praxis für ein überzeu‐ gendes „Miteinander reden“. Literatur-, Abbildungs- und Tabellenverzeichnis sowie Hinweise zu den Autoren stehen am Ende unseres Buches. Zusatzmaterial zu diesem Buch finden Sie zum Download unter: files.verlag.expert/ 9783816934677 11 Wegweiser durch das Buch <?page no="13"?> 1 Einführende Überlegungen Im Vorwort zu seiner bezeichnenderweise „Beständiger Wandel“ betitelten Fest‐ schrift zur 175-jährigen Industrie- und Wirtschaftsgeschichte von Schweffel & Howaldt (seit 2012 Thyssen Krupp Marine Systems) stellt Dr. Jürgen Rohweder fest: „Auf eine derart lange Geschichte kann man als Unternehmen nur dann zurückblicken, wenn man es verstanden hat, sich den jeweils veränderten Zeit‐ läufen unternehmerisch anzupassen und notwendige strukturelle Entscheiden zu treffen, bevor einem die Kräfte des Marktes in eine Situation bringen, in der es keinen Ausweg mehr gibt.“ Und der langjährige Konzernsprecher kennt auch den Erfolgsfaktor im Hinblick auf die Umsetzung der überlebenswichtigen Entscheidungen: „Am Ende waren es immer die Menschen, vom Auszubildenden bis zur Führungsspitze, die zu diesen Erfolgen verholfen haben.“ Angelehnt an diese Ausführungen beschreiben wir in unseren einführenden Überlegungen zunächst Faktoren, die den beständigen Wandel bis heute aus‐ machen, wo wir mit der Corona-Pandemie eine überaus herausfordernde Krise erleben. Daran anknüpfend zeigen wir, welchen Anforderungen sich technische Führungskräfte zu stellen haben. Wir präsentieren mit der Potenzialanalyse ein Verfahren, mit dem sich systematisch Mitarbeitende aus den eigenen Reihen im Hinblick auf anfor‐ derungsgerechte Führungskompetenz auswählen lassen, damit auch künftig krisenhafte Zuspitzungen bewältigt werden können. Praktische Erfahrungen bei der Auswahl externer Bewerber auf Linien- oder Stabsstellen durch zielorientierte Mitarbeiterauswahlgespräche bilden den Schlusspunkt unseres Eingangskapitels. 1.1 Nichts in der Technik ist beständiger als der Wandel Vielen Quellen lässt sich entnehmen, dass Heraklit bereits 500 vor Christus feststellte: „Nichts ist beständiger als der Wandel! “ Lebte er heute, käme er wohl kaum umhin hinzuzufügen: „Und er kommt schneller als gedacht.“ Dies zeigt auf eindrucksvolle Weise eine Studie der Staufen AG und der Staufen Digital Neonex GmbH, die unter dem Titel „Erfolg im Wandel“ im Frühjahr 2019 in insgesamt <?page no="14"?> 421 Unternehmen in Deutschland zum zweiten Mal nach 2017 durchgeführt wurde. Wie Abb. 1.1. ausweist, wurden die teilnehmenden Unternehmen 2017 be‐ fragt, wie stark sich ihr Unternehmen innerhalb von 24 Monaten verändern würde. Im Vergleich zur Prognose wurde 2019 der IST-Zustand erhoben, sprich, es wurde gefragt, inwieweit sich das jeweilige Unternehmen in den letzten beiden Jahren verändert hatte. Abb. 1.1.: Wie stark veränderte sich Ihr Unternehmen innerhalb von 24 Monaten 0 20 40 60 80 100 Prognose 2017 IST 2019 Angaben in % sehr stark stark weniger stark gar nicht Abb. 1.1.: Wie stark veränderte sich Ihr Unternehmen innerhalb von 24 Monaten Es zeigt sich deutlich, dass der Wandel stärker ausgefallen ist als erwartet. Es ist anzunehmen, dass das Ergebnis bei einer ähnlichen Befragung heute in Zeiten von Corona noch deutlicher ausfallen würde. Wie dem auch sei - das Ergebnis dieser Studie bekräftigt unsere Beobach‐ tungen: Der Wandel vollzieht sich schneller und heftiger als es in den Unter‐ nehmen erwartet wird. Obwohl Zahlen, Daten, Fakten eine eindeutige Sprache sprechen, besteht die Gefahr, dass erst dann reagiert wird, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Und das ist auch bereits vor der Pandemie so gewesen, wie ein Beispiel aus unserer Beratungspraxis verdeutlicht. 2009 wurden wir gebeten in einer Konzerntochter einen Demografie-Check durchzuführen. Die GmbH agiert mit ca. 500 Mitarbeitenden wie ein selbststän‐ diges mittelständisches Unternehmen auf dem Markt der Telekommunikations- und Informationstechnologie. Abb. 1.2. zeigt Chart Nr. 3 unserer damaligen Prognose. 14 1 Einführende Überlegungen <?page no="15"?> 3 Abb. 1.2.: Prognose der Altersstruktur (absolut) 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 2009 2014 2019 60+ 55-59 50-54 45-49 40-44 34-39 30-34 25-29 20-24 <20 Abb. 1.2.: Prognose der Altersstruktur Das IST 2019 bestätigt unsere Prognose. Die Zahl der jüngeren Mitarbeitenden hat deutlich abgenommen und immer mehr ältere scheiden in absehbarer Zeit aus dem Unternehmen aus bzw. sind schon ausgeschieden. 2009 konnte dies noch durch Neueinstellungen kompensiert werden. In Zeiten des Fachkräfte‐ mangels sieht dies heute allerdings ganz anders aus. Obwohl es vor zehn Jahren bereits absehbar war, hat das Unternehmen weiter auf den Ausgleich des demografischen Wandels durch Neueinstellungen gesetzt - doch: woher nehmen, wenn nicht stehlen, sprich Headhunter einsetzen, die versprechen, die entstandenen Lücken zu schließen. Ob und inwieweit dies gelingt, sei dahingestellt. Sicher ist, es kostet … Nun sind demografischer Wandel und Fachkräftemangel nicht die alleinigen Faktoren, die den beständigen Wandel in der Technik schnell und heftig voran‐ treiben, wie sich aus der Tabelle zu den „Treibern des Wandels“ in Maschinen- und Anlagenbau (M), Automobil- (A) und Elektroindustrie (E) gemäß o. g. Studie entnehmen lässt: Treiber des Wandels (Angaben in %) M A E Technologischer Fortschritt (z. B. Digitalisierung, vernetzte Produktion) 80 80 81 Fortschreitende Individualisierung von Produktion und Services 52 41 48 Veränderung der Arbeitswelt (z. B. neue Arbeitszeitmodelle) 33 43 38 Globalisierung der Wirtschaft 44 43 33 Rechtliche Veränderungen (z. B. neue Regulierungsvorgaben) 13 39 14 Geopolitische Entwicklungen und Umbrüche 25 41 14 Demografischer Wandel 16 13 14 Tab. 1.1.: Treiber des Wandels 15 1.1 Nichts in der Technik ist beständiger als der Wandel <?page no="16"?> Während im Maschinen- und Anlagenbau sowie in der Elektrotechnik und Elek‐ tronik in erster Linie der technische Fortschritt, insbesondere die Digitalisierung und die fortschreitende Individualisierung als Treiber des Wandels ausgemacht werden, kommen in der Automobilindustrie noch Aspekte wie Geopolitik und Regulierungsvorgaben hinzu, was an der starken Exportorientierung dieser Branche liegen dürfte. Wie dem auch sei - in jeder technischen Branche sind in steigender Frequenz Anpassungsleistungen gefragt, die von ohnehin schon stark belasteten Mitarbeitenden erbracht werden müssen. Und genau das stellt Führungskräfte immer wieder aufs Neue vor besondere Herausforderungen. Schließlich sind nicht nur technische und organisatorische Lösungen gefragt, sondern diese sind auch an den Mann, respektive die Frau zu bringen. In diesem Zusammenhang sei auf die Ergebnisse einer repräsentativen Befra‐ gung von 2000 Beschäftigten in NRW hingewiesen, die 2012 vom Landesinstitut für Arbeitsgestaltung des Landes Nordrhein-Westfalen in dem Leitfaden für Personalverantwortliche und Führungskräfte „Den Wandel gesund gestalten - langfristig erfolgreich restrukturieren“ veröffentlicht wurde: Abb. 1.3.: Wie stark fühlen Sie sich durch … belastet? 0 20 40 60 80 100 Hoher Zeitdruck Hohe Verantwortung Überforderung durch Arbeitsmenge Umstrukturierungsmaßnahmen Lärm N = 2000, Angaben in % nicht belastest etwas belastet ziemlich belastet stark belastet Abb. 1.3.: Wie stark fühlen Sie sich durch … belastet? FRAGE: „Wenn ich den Ergebnissen aus der Abbildung folge, dann stellen Restrukturierungsmaßnahmen, also aufgrund des technologischen Fortschritts und der zunehmenden Individualisierung von Produktion und Services erfor‐ derliche Anpassungsleistungen einen hohen Belastungsfaktor für Mitarbeitende in der Technik dar? “ Externer Coach: „Aus unserer Sicht ist genau dies der Fall. Fast alle Unter‐ nehmen, in denen wir tätig waren, steckten in Restrukturierungsmaßnahmen bzw. hatten sie gerade abgeschlossen oder planten sie. Für uns stellt sich das so dar: ‚Ein Change jagt den anderen! ‘ 16 1 Einführende Überlegungen <?page no="17"?> Überspitzt dargestellt, sollen sich Mitarbeitende permanent anpassen und weiterbilden. Kein Wunder, dass sie sich fragen, wie lange sie das Ganze noch aushalten. Das zunehmende Change-Tempo ist gefährlich, selbst für Mitarbeitende, die sich grundsätzlich flexibel und veränderungsbereit geben. Hinzu kommt, dass zumeist weder Führungsnoch Fachkräfte durch Verände‐ rungsprozesse entlastet werden. Zudem: Mitarbeitende entscheiden sich nicht zu Veränderungsprozessen - diese werden vielmehr ‚verordnet‘. Es resultieren Kontrollverlust, Stress und Verunsicherung: ‚Werde ich die neuen Aufgaben bewältigen können? ‘ Anhand eines Beispiels aus der Praxis lässt sich dieser Gedankengang zumindest nachvollziehen. Die Bereichsleitung eines produzierenden Unter‐ nehmens hat permanent und kontinuierlich die Umsetzung ausgewählter Maßnahmen fokussiert, aktuell: die Einführung einer dritten Schicht. Die mittlere Führungsebene verweist auf Probleme bei der Arbeits- und Per‐ sonalaufteilung sowie auf daraus resultierende Fehlerkosten. Sie und ihre Mitarbeitenden betrachten die angestrebte Umstrukturierungsmaßnahme als einen weiteren Change, der noch unsinniger ist als der vorherige. Selbst diejenigen, die zu Beginn noch motiviert waren, ziehen sich zurück. Als bei der Besprechung zur Einführung der Maßnahme ein Meister halblaut vor sich hin stöhnt ‚Ach, change mich doch am A …‘ löst das nicht nur in der Runde seiner Kollegen ein breites Grinsen aus, sondern wird in Windeseile zu einem geflügelten Wort im ganzen Bereich.“ 1.2 Anforderungen an technische Führungskräfte FRAGE: „Aber sind es nicht die Meister: innen, die derartige Maßnahmen umzusetzen haben? “ Externer Coach: „Während Geschäftsführung, Vorstand und/ oder Bereichslei‐ tung unternehmerische Verantwortung tragen, Ziele und Vorgaben formulieren und Visionen entwickeln, ist das mittlere Management, wie Sie richtig hinter‐ fragen, für die Umsetzung der Ziele und Vorgaben verantwortlich. Sie befinden sich in einer Sandwichposition zwischen dem höheren Management und den Mitarbeitenden, in der ihre Loyalität sowohl gegenüber dem Unternehmen als auch den Beschäftigten gefragt ist. Sie sind gefordert mit Veränderungsängsten, sozialen und materiellen Bedürfnissen sowie mit Widerständen und Selbstzwei‐ feln ihrer Mitarbeitenden angemessen umzugehen. Ihr Erfolg hängt - nicht nur bei Restrukturierungen - maßgeblich davon ab, inwieweit es ihnen gelingt, sich vor dem Hintergrund eigener Bedürfnisse und Ängste eindeutig zu engagieren, 17 1.2 Anforderungen an technische Führungskräfte <?page no="18"?> offen und transparent im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu kommunizieren und klare Zielvorstellungen zu haben, sowie glaubwürdig zu sein und sich vorbildlich zu verhalten. Auf den Punkt gebracht benötigen sie die Fähigkeit, ihren Mitarbeitenden die Notwendigkeit der angestrebten Zielsetzung zu vermitteln und sie aktiv in die Prozesse zur Zielerreichung einzubinden. Als Meister: in führen heißt, Menschen dazu anzuleiten, dass sie innerhalb des Bereiches und darüber hinaus unter den Bedingungen wirtschaftlichen Handelns bestimmte Ziele erreichen, auf der inhaltlichen Ebene die Richtung bestimmen und auf der Beziehungsebene Menschen dafür in Bewegung setzen, komplexe Umweltfaktoren jonglieren und das gesamte Vorgehen ethisch ver‐ tretbar anpacken.“ FRAGE: „Welche Kompetenzen und Skills sind erforderlich, bzw. müssen erworben und ausgebaut werden, um diesem Bündel an Erwartungen an das mittlere Management zu entsprechen? “ Externer Coach: „Als wir vor etwa dreißig Jahren im Seminarprogramm eines Konzerns eine modulare Schulungsreihe für Meister: innen anboten, haben wir bereits postuliert, dass es früher genügte, ein guter Fachmann bzw. gute Fach‐ frau zu sein, welche(r) vermochte, administrative Vorgänge sauber abzuwickeln und seine/ ihre Amtsautorität angemessen zu nutzen. Heute (damals 1990) und künftig seien im mittleren Management strategi‐ sche und soziale Kompetenz sowie persönliche Autorität gefordert. Moderne Meister: innen schaffen Rahmenbedingungen, die es den Mitarbeitenden ermög‐ lichen, ihre Aufgaben selbstständig und effizient zu erfüllen. Abb. 1.4. zeigt, welche Anforderungen aus unserer Sicht nach und nach in den letzten dreißig Jahren an technische Führungskräfte herangetragen wurden und heute von ihnen erwartet werden. Gerade in Zeiten von Corona, wo die Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeitenden eine besondere Bedeutung erlangt, ist anforderungsgerechtes modernes Führungshandeln eine „sine qua non“, eine unbedingte Notwendig‐ keit. 18 1 Einführende Überlegungen <?page no="19"?> Abb. 1.4.: Anforderungen an technische Führungskräfte im Zeitverlauf Fachkompetenz Fachkompetenz +Management- Skills Fachkompetenz +Management- Skills +Soziale Kompetenz Fachkompetenz +Management- Skills +Soziale Kompetenz +Selbstkontroll- Kompetenz Abb. 1.4.: Anforderungen an technische Führungskräfte im Zeitverlauf Mit Management-Skills sind Fähigkeiten und Fertigkeiten gemeint, die es Führungskräften ermöglichen, Führungsinstrumente, Techniken und Methoden einzusetzen, um erfolgreiches Führungshandeln im Führungskreislauf zu ge‐ währleisten. (Vgl. diesbezüglich unsere Ausführungen zu Ziele setzen - Planen/ Ent‐ scheiden - Ausführen - Kontrollieren in den Folgekapiteln 2 bis 5). Soziale Kompetenz bezieht sich auf eine Reihe von Aspekten, die im Folgenden gelistet sind. Soziale Kompetenz technischer Führungskräfte • Überzeugend sprechen (rhetorische Fähigkeiten und Fertigkeiten) • Ich-Botschaften vermitteln • Fragetechnik beherrschen • Aktiv und passiv zuhören können • Argumentationstechnik (z. B. dialektischer Fünfsatz) anwenden • Begeisterungsfähigkeit = intrinsisch motivieren • Authentisch auftreten • Feedback geben und nehmen Tab. 1.2.: Soziale Kompetenz technischer Führungskräfte 19 1.2 Anforderungen an technische Führungskräfte <?page no="20"?> Der letztgenannte Aspekt „Feedback geben und nehmen“ weist auf die in Abb. 1.4. genannte Selbstkontrollkompetenz. In diesem Zusammenhang sei auf das sogenannte JOHARI-Fenster (nach Johannes Luft et al.) in Abb. 1.5. hingewiesen: Abb. 1.5.: JOHARI-Fenster Den anderen Mir selbst bekannt Unbekannt bekannt Öffentliche Person Blinder Fleck Unbekannt Private Person Unbekanntes Abb. 1.5.: JOHARI-Fenster Letztlich geht es darum, mithilfe von Feedback etwas über den im JO‐ HARI-Fenster aufgezeigten blinden Fleck zu erfahren. Selbstkontrollkompetenz zeigt sich darin, dass das Feedback anderer über die eigene Wirkung dazu genutzt wird, sein (Führungs-)Verhalten zu justieren und sich so im koopera‐ tiven Miteinander in einem kontinuierlichen Selbstverbesserungsprozess zu optimieren.“ FRAGE: „Was ist im Hinblick auf Feedback geben und nehmen zu beachten, um mit Selbstkontrollkompetenz das (Führungs-)Handeln zu optimieren? “ Externer Coach: „In unseren Coachings vermitteln wir unseren Teilneh‐ menden: • Wie andere mich wahrnehmen, bleibt mir selbst normalerweise ver‐ borgen. • Ich bin bestrebt, mehr darüber zu erfahren, wie andere mich und mein Verhalten wahrnehmen. • Wenn ich weiß, wie andere mich wahrnehmen, verstehe ich das Verhalten anderer mir gegenüber besser als bisher. • Ich lerne und übe, mich selbst und mein Verhalten kritisch zu überprüfen. • Wenn ich weiß, wie ich auf andere wirke, kann ich mich selbst besser steuern. • Ich lerne und übe, anderen in konstruktiver Weise sowohl positive als auch kritische Rückmeldungen zu ihrem Verhalten zu geben. 20 1 Einführende Überlegungen <?page no="21"?> • Als Führungskraft bin ich u. a. auch Coach - einer der wichtigsten Aufgaben eines Coachs besteht darin, offenes Feedback zu geben. • Ich kann als Coach nur dann wirklich effektiv sein, wenn meine Mitar‐ beitenden mir mitteilen, wie sie mein Führungsverhalten erleben. Um effektiv zu sein, bedarf es der Einhaltung von Regeln. Regeln für persönliches Feedback • Ich bin OK - Du bist OK (gegenseitige Wertschätzung) • Beschreiben - nicht bewerten • Immer zuerst positive Rückmeldungen • Möglichst konkrete Rückmeldungen geben • Jeder spricht für sich selbst • Bei Störungen „Signal“ geben • Jeder ist für sich verantwortlich • Strikte Vertraulichkeit Tab. 1.3.: Regeln für persönliches Feedback Wer seine Selbstwahrnehmung auf diese Weise schärft, schafft Voraussetzungen zur Optimierung seines Führungshandelns, um offen, ehrlich und vertrauens‐ voll in den direkten Arbeits-, Führungs- und Kooperationsbeziehungen zu wirken und mit ggf. vorhandenen Widerständen konstruktiv umzugehen.“ FRAGE: „Vor dem Hintergrund all dieser Erwartungen an mittlere Führungs‐ kräfte drängt sich die Frage auf, wie finde ich Mitarbeitende mit genügend Potenzial, um den Anforderungen gerecht zu werden? “ Externer Coach: „Wir haben in Kooperation mit einem Unternehmen der Te‐ lekommunikations- und Informationstechnologie mit der Potenzialanalyse ein Verfahren entwickelt, das sich, angelehnt an Methoden des Assessment-Centers, als geeignet erwiesen hat, die Eignung von High Potentials aus den eigenen Reihen für höhere Führungs- oder Stabsfunktionen festzustellen.“ 1.3 Potenzialanalyse technischer Führungskräfte Im ersten Schritt des Pilotprojekts für die Tochtergesellschaft eines Industrie‐ konzerns, die am Markt wie ein mittelständiges Unternehmen operiert, haben wir in einem Workshop mit Teilnehmenden der höheren Führungsebene (Ge‐ schäftsführer: innen und Bereichsleiter: innen) herausgearbeitet, welche Kompe‐ 21 1.3 Potenzialanalyse technischer Führungskräfte <?page no="22"?> tenzen für die Erfüllung der Aufgaben im mittleren Management erforderlich sind und dabei mit Problemlösungs-, sozialer und persönlicher Kompetenz drei Bereiche ausgemacht, denen wir Fähigkeiten und Fertigkeiten zugeordnet haben. Um ein einheitliches Verständnis zu schaffen, sind diese stichwortartig definiert worden: Problemlösungskompetenz: • Organisation und Planung: Prioritäten setzen, Umgang mit Komplexität, Arbeitsabläufe koordinieren • Analysevermögen: Problemanalyse, schlussfolgerndes Denken, Analyse von Abläufen • Unternehmerisches Selbstverständnis: Kostenorientierung, bereichs‐ übergreifendes Denken, Identifikation, Servicedenken • Strategisches Denken: Markt-/ Wettbewerbsdenken, Zielsetzung, Denken in Gesamtzusammenhängen Soziale Kompetenz: • Führungsverhalten: Selbstverständnis, Delegation, Ziele setzen, Motiva‐ tion, Steuerung, Direktivität, Informations- und Kommunikationsver‐ halten • Durchsetzungsvermögen: Umgang mit Widerstand • Partnerschaftlichkeit: Kooperation, Teamfähigkeit, Einfühlungsver‐ mögen, Konfliktmanagement • Begeisterungsfähigkeit: Überzeugungskraft, Verhandlungsgeschick, Rhe‐ torik, Präsentieren Persönliche Kompetenz: • Leistungsmotivation: Initiative, Dynamik, Power, Leistungswille • Belastbarkeit: Ausdauer, Stressresistenz • Flexibilität: Veränderungsbereitschaft, Kritikfähigkeit, Offenheit, Lern‐ flexibilität • Entscheidungsverhalten: Risikobereitschaft, Verantwortungsbereit‐ schaft, Umsetzungsorientierung • Im Weiteren sind zu den benannten Fähigkeiten und Fertigkeiten sog. „Verhaltensanker“ herausgearbeitet worden, indem jeweils festgelegt 22 1 Einführende Überlegungen <?page no="23"?> worden ist, worauf sich die Interviewenden und Beobachtenden während der Potenzialanalyse fokussieren sollten. • Zu jedem Kompetenzbereich sei hier ein Beispiel vorgestellt: Organisation und Planung (aus: Problemlösungskompetenz) • Setzt Prioritäten sinnvoll • Verfügt über effiziente Techniken der Planung u. Arbeitsorganisation • und setzt sie sinnvoll ein • Geht organisiert und strukturiert an die Lösung neuer Probleme heran • Hat jederzeit einen guten Überblick über Probleme im Arbeitsbereich • Stimmt die Tagesplanung mit betroffenen Personen ab • Steuert systematisch die zur Zielerreichung notwendigen Mittel Führungsverhalten (aus: Soziale Kompetenz) • Ist sich seiner Vorbildfunktion bewusst • Hat Interesse an Führungsaufgaben und kann sie begründen • Hat ein eigenes Führungsverständnis, das über die Fachverantwortung hinausgeht • Gibt Informationen weiter und sorgt für Transparenz • Delegiert Aufgaben sinnvoll • Motiviert die Mitarbeitenden (z. B. Lob und Kritik, Einbeziehung in Entscheidungen, Delegation) • Sieht sich für die Entwicklung seiner Mitarbeitenden verantwortlich (fachlich und persönlich) • Bearbeitet Probleme mit Mitarbeitenden konstruktiv und offensiv • Möchte seine Mitarbeitenden unterstützen • Ist sich bewusst, dass Führung zeitintensiv ist • Führt Gespräche effizient und reflektiert Entscheidungsverhalten (aus: persönliche Kompetenz) • Prüft die Fakten und geht planvoll vor • Schätzt die Risiken seines Vorgehens ab • Geht begrenzte Risiken ein • Übernimmt Verantwortung für sein Verhalten 23 1.3 Potenzialanalyse technischer Führungskräfte <?page no="24"?> Schließlich haben sich die Teilnehmenden auf eine Skala zur Beurteilung der Fä‐ higkeiten und Fertigkeiten geeinigt, wobei einfache Zeichen zur Beschreibung der Ausprägung (siehe zweite Zeile) dienen: Im Hinblick auf … erfüllt die teilnehmende Person die Anforderungen zu 0-20 % 21-40 % 41-60 % 61-80 % 81-100 % - ! > + ++ Tab. 1.4.: Skala zur Beurteilung der Fähigkeiten und Fertigkeiten An Ende des Workshops ist von den teilnehmenden oberen Führungskräften zu jeder Anforderung das SOLL für unterschiedliche berufliche Profile (Technik, Projektmanagement, Vertrieb etc.) festgelegt worden. Dementsprechend lässt sich jeweils ableiten, ob und wo die an der Potenzialanalyse teilnehmenden High Potentials Bedarf haben: Im Hinblick … zeigt sich für die teilnehmende Person Entwicklungsfeld Entspricht den Anforderungen Stärke Wir sind dann damit beauftragt worden an den Verhaltensankern, orientiert an allen Einzelkompetenzen, Methoden zu deren Beurteilung vorzuschlagen. Zur Disposition stehen: • Testverfahren • Übungen: Präsentation, Rollenspiel • Geleitetes Interview Im Hinblick auf die Testverfahren haben wir uns für zwei bewährte Fragebögen entschieden: BIP-6F: Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeits‐ beschreibung - 6 Faktoren: • Engagement • Disziplin • Sozialkompetenz • Kooperation • Dominanz • Stabilität TOP: Deutsche Fassung des Dark Triad of Personality at Work mit den Skalen: 24 1 Einführende Überlegungen <?page no="25"?> • Selbstbezogene Arbeitshaltung • Durchsetzungsbezogene Arbeitshaltung • Ungebunden impulsiver Arbeitsstil Anhand der Beschreibung der Faktoren, bzw. Skalen haben wir eben diese den Einzelkompetenzen so zugeordnet, wie es in der Übersicht auf der Folgeseite dargestellt ist. Wie dort ersichtlich, stimmen die in Klammern aufgeführten Merkmale der jeweiligen Kompetenz mit den stichwortartigen Beschreibungen der Faktoren bzw. Skalen zum Teil sogar 1: 1 überein. Werden unsere „Verhaltensanker“ zum Vergleich mit der zugeordneten Skala hinzugezogen, zeigen sich in den dortigen Kurzbeschreibungen weitere Entspre‐ chungen. So entspricht unserem Verhaltensanker zu Leistungsmotivation: • Bezieht aus seinen beruflichen Aufgaben Befriedigung, • lässt sich vor allem durch schwierige und herausfordernde Aufgaben motivieren, • hat begründete und ehrgeizige berufliche Ziele, • bringt Beispiele für interne Wettbewerbsorientierung, • ist bereit, viel Zeit und Energie in seine berufliche Tätigkeit zu investieren. Die Beschreibung zum BIP-Faktor Engagement: • „Sieht sich als Triebfeder von Fortschritt und Veränderung, • wird durch Wettbewerb motiviert, • ist ausgesprochen ehrgeizig und leistungsorientiert.“ Kompetenzen Zugeordnete Skala Führungsverhalten (Selbstverständnis, Delegation, Ziele setzen, Motivation, Steuerung, Direkti‐ vität, Informations- und Kommunikati‐ onsverhalten) TOP: Selbstbezogene Arbeitshaltung (Führungsanspruch, Überzeugungs‐ glaube, Autoritätsbedürfnis, Risikofreude, Überlegenheitsgefühl) Durchsetzungsvermögen (Umgang mit Widerstand) TOP: Durchsetzungsbezogene Ar‐ beitshaltung (Unsentimentalität, Skepsis, Durchset‐ zungsglaube) BIP: Dominanz (Durchsetzungsfähigkeit, Unabhängig‐ keit, Konfliktbereitschaft) 25 1.3 Potenzialanalyse technischer Führungskräfte <?page no="26"?> Partnerschaftlichkeit (Kooperation, Teamfähigkeit, Einfüh‐ lungsvermögen, Konfliktmanagement) BIP: Kooperation (Teamorientierung, Kompromissbereit‐ schaft, Integrationsfähigkeit) Begeisterungsfähigkeit (Überzeugungskraft, Verhandlungsge‐ schick, Rhetorik, Präsentieren) BIP: Sozialkompetenz (Kontaktstärke, Einfühlungsvermögen, Begeisterungsfähigkeit) Leistungsmotivation (Initiative, Dynamik, Power, Leistungs‐ wille) BIP: Engagement (Karriereorientierung, Leistungsan‐ spruch, Wettbewerbsorientierung) Belastbarkeit (Ausdauer, Stressresistenz) BIP: Stabilität (Gelassenheit, Selbstbewusstsein, Stress-/ Frustrationstoleranz) Flexibilität (Offenheit, Lernflexibilität, Verände‐ rungsbereitschaft) TOP: ungebunden impulsiver Ar‐ beitsstil (Flexibilität, Impulsivität, Beschönigung) Entscheidungsverhalten (Risikobereitschaft, Problemlösetech‐ niken, Verantwortungsbewusstsein) BIP: Disziplin (Planungs-/ Strukturorientierung, Sorg‐ falt, Analyseorientierung) Die Testergebnisse haben wir dann jeweils in unsere fünfteilige Beurteilungs‐ skala für die entsprechende Kompetenz übersetzt. Der Beurteilungsbogen für die Präsentationsübung zeigt, wie die Verhaltens‐ anker den Beobachtern helfen, sich bei der Beurteilung der Übung auf die wesentlichen Aspekte zu fokussieren: Verhaltensanker zur Beurteilung der Präsentationsübung ++ + ✔ ! - Organisation und Planung • Setzt Prioritäten sinnvoll • Verfügt über effiziente Techniken der Planung und Ar‐ beitsorganisation und setzt sie sinnvoll ein • Geht organisiert und strukturiert an die Lösung neuer Probleme heran • Hat jederzeit einen guten Überblick über Probleme im Arbeitsbereich • Stimmt die Tagesplanung mit betroffenen Personen ab • Steuert systematisch die zur Zielerreichung notwen‐ digen Mittel 26 1 Einführende Überlegungen <?page no="27"?> Verhaltensanker zur Beurteilung der Präsentationsübung ++ + ✔ ! - Strategisches Denken • Stellt übergreifenden Blickwinkel her • Verliert sich nicht in Details, hat den Blick für Wesentli‐ ches • Stellt Bezüge zu Unternehmenszielen her • Stimmt sein Verhalten auf Ziele und taktische Schritte ab Durchsetzungsvermögen • Behält durchgängig die Gesprächsführung • Strebt eine gute Problemlösung an, geht keine ‚faulen‘ Kompromisse ein • Vertritt seine Meinung, auch bei Widerstand, selbstsicher und prägnant • Spricht klar und deutlich • Äußert klar die Erwartungen an seinen Gesprächs‐ partner • Setzt seine Ziele wesentlich durch Begeisterungsfähigkeit • Kann Ideen und Gedanken gut vermitteln • Nutzt fundierte Argumente • Die Fragen werden gezielt beantwortet • Hat insgesamt fundierte und reflektierte Konzepte • Wirkt authentisch und lebhaft • Kann zu den Zuhörern Kontakt herstellen Belastbarkeit • Verfolgt Ziele mit Ehrgeiz und Ausdauer • Reagiert bei Belastung angemessen • Will den Gesprächspartner deutlich beeinflussen • Versucht auch Einstellungsänderungen herbeizuführen • Vertritt Missionen und Botschaften mit Überzeugung Flexibilität/ Kritikfähigkeit • Ist offen für Kritik (passive Kritikfähigkeit) und • Setzt sie in aktives Handeln um/ zeigt sich lernfähig • Widerlegt oder ergänzt Kritikpunkte oder Fakten • Kritisiert ohne zu verletzen (aktive Kritikfähigkeit) • Behält das Gesamtziel der Unterredung im Blick (reagiert emotional angemessen) • Kann sich in den anderen hineinversetzen (bleibt aber im Sinne des Oberziels konsequent) Dementsprechend gibt es auch einen Beurteilungsbogen für das Rollenspiel und das geleitete Interview, dass von zwei Interviewenden geführt wird. Fragt der eine, nutzt der andere den Bogen für seine Beobachtungen: 27 1.3 Potenzialanalyse technischer Führungskräfte <?page no="28"?> Verhaltensanker im Interview und deren Beurteilung ++ + ✔ ! - Analysevermögen • Verfügt über eine schnelle gedankliche Auffassungsgabe • Analysiert Vorgänge konkret, zügig und effizient • Erkennt inhaltliche Zusammenhänge u. Vernetzungen • Nimmt logische Ableitungen vor und erarbeitet Lö‐ sungen • Gewichtet die Informationsvielfalt und macht seine Prio‐ ritäten deutlich Unternehmerisches Selbstverständnis • Identifiziert sich klar mit seinem Unternehmen • Unterbreitet aktiv Vorschläge zur Verbesserung/ kann Beispiel nennen (Interview) • Sieht sich selbst verantwortlich für die Lösung auftre‐ tender Probleme • Ist sich der Schnittstellen bewusst und bewältigt diese • Sorgt für einen bereichsübergreifenden Informations‐ austausch • Verfügt über ein gutes Unternehmenswissen/ aktualisiert dieses aus verschiedenen Quellen (Interview) • Betrachtet das Unternehmen auch aus einer überge‐ ordneten Perspektive und kann Verbesserungsfelder be‐ nennen • Sieht sein eigenes Handeln auch unter unternehmeri‐ schen Perspektiven/ Kostenperspektive Partnerschaftlichkeit • Verfügt über eine freundliche Ausstrahlung • Hört seinem Gesprächspartner (aktiv) zu • Nimmt die Argumente seines Gegenübers auf und geht auf sie ein • Zeigt sich kooperativ und teamfähig • Versetzt sich in die Situation des anderen • Bewältigt Konflikte auf der Grundlage beiderseitiger Akzeptanz Begeisterungsfähigkeit • Kann Ideen und Gedanken gut vermitteln • Nutzt fundierte Argumente • Die Fragen werden gezielt beantwortet • Hat insgesamt fundierte und reflektierte Konzepte • Wirkt authentisch und lebhaft • Kann zu den Zuhörern Kontakt herstellen Um eine Vergleichbarkeit aller High Potentials zu gewährleisten, ist den Inter‐ viewern zudem ein Leitfaden mit Beispielfragen an die Hand gegeben worden, 28 1 Einführende Überlegungen <?page no="29"?> an dem sie sich orientieren können. Sie müssen jedoch nicht unbedingt die Fragen genauso stellen, sondern sollen sich bei ihren Fragen jeweils an den jeweiligen Bewertungskriterien orientieren. Es resultiert ein halbstandardisiertes Interview mit Einschätzungen zu allen Kompetenzen. Beispielhaft sei hier ein Auszug des Interviewleitfadens darge‐ stellt. Auszug aus dem Interviewleitfaden Organisation und Planung (Prioritäten setzen, Umgang mit Komplexität, Arbeitsabläufe koordinieren) Organisieren und Planen sind Kernaufgaben. Das Erkennen und Setzen von Prioritäten und das Koordinieren von Arbeitsabläufen ist hierbei von besonderer Bedeutung: • Welche Methoden/ Instrumente der Planung und Organisation nutzen Sie? • Nutzen Sie auch Methoden des Projektmanagements? Wie kontrollieren Sie hier den Erfolg und den Verlauf von Projekten? Nach welchen Kriterien beurteilen Sie den Erfolg von Projekten? • Welche Methoden des Projektmanagements nutzen Sie? Wie kontrollieren Sie den Erfolg und den Verlauf von Projekten? Nach welchen Kriterien beurteilen Sie den Erfolg von Projekten? • Was ist Ihre Vorgehensweise bei der Planung und Durchführung von Projekten? Setzen Sie Hilfsmittel ein? Welche sind Ihnen bekannt? • Wie steuern Sie die zur Zielerreichung notwendigen Mittel (Verfahren und Personen)? • Wie koordinieren Sie Arbeitsabläufe in Ihrem Bereich? • Welche Organisations- und Planungstechniken sind Ihnen bekannt? Wie nutzen Sie sie? • Wie strukturieren Sie Ihren persönlichen Tagesablauf ? • Welche Hilfsmittel nutzen Sie bei Ihrer persönlichen Arbeitsplanung? • Wie stellen Sie sicher, dass Sie nichts vergessen? • Nach welchen Gesichtspunkten setzen Sie Prioritäten? Bewertungskriterien ++ + ✔ ! - • Setzt Prioritäten sinnvoll • Verfügt über effiziente Techniken der Planung und Ar‐ beitsorganisation und setzt sie sinnvoll ein • Geht organisiert und strukturiert an die Lösung neuer Probleme heran • Hat jederzeit einen guten Überblick über Probleme im Arbeitsbereich • Stimmt die Tagesplanung mit betroffenen Personen ab • Steuert systematisch die zur Zielerreichung notwen‐ digen Mittel 29 1.3 Potenzialanalyse technischer Führungskräfte <?page no="30"?> Die Einschätzungen aus den Quellen Interview (ITW), Rollenspiel (ROS), Prä‐ sentation (PRÄ) und Testverfahren (BIP und TOP) zur Eignungsbeurteilung fließen in der Ergebnismatrix zusammen und werden als IST dem SOLL gegen‐ übergestellt: Problemlösungskompetenz ITW ROS PRÄ BIP TOP IST SOLL Organisation und Planung Analysevermögen Unternehmerisches Selbstverständnis Strategisches Denken Soziale Kompetenz ITW ROS PRÄ BIP TOP IST SOLL Führungsverhalten Durchsetzungsvermögen Partnerschaftlichkeit Begeisterungsfähigkeit Persönliche Kompetenz ITW ROS PRÄ BIP TOP IST SOLL Leistungsmotivation Belastbarkeit Flexibilität Entscheidungsverhalten Tab. 1.5.: Ergebnismatrix Nach Abstimmung aller Dokumentationsbögen mit der oberen Führungsebene sind „gestandene“ mittlere Führungskräfte in deren Handhabung, d. h. als Be‐ obachtende/ Interviewende geschult worden. Die Potenzialanalysen sind dann 30 1 Einführende Überlegungen <?page no="31"?> mit jeweils sechs High Potentials an einem Tag realisiert worden, die im Wechsel einstündige Interviews und die Übungen durchführten und in den Warteschleifen die Tests bearbeiteten. Nach der Abschlusskonferenz ist der umseitige Bogen für das Feedback (inklusive Hinweisen zur eigenen Verhaltens‐ optimierung) für alle High Potentials genutzt worden. Selbst-/ Fremdbild-Vergleich Name: Selbst‐ bild Bewertung der Kompetenzen Rot: Entwicklungsfeld Orange: Entspricht den Anforde‐ rungen Grün: Stärke Fremd‐ bild Problemlösungskompetenz: Organisation und Planung (Prioritäten setzen, Umgang mit Komplexität, Arbeitsabläufe koordinieren) Analysevermögen (Umgang mit Zahlen, Problemanalyse, Schlussfolgerndes Denken) Unternehmerisches Selbstverständnis (Kostenorientierung, Servicedenken, Prozessmanagement, Identifikation) Strategisches Denken (Marktorientierung, Ziel setzen, Kenntnis der Vertriebs‐ struktur, übergreifendes Denken) Soziale Kompetenz: Führungsverhalten (Motivation, Qualifikation, Direktivität, Ziele setzen, Infor‐ mationsverhalten, Delegation) Durchsetzungsvermögen (Umgang mit Widerstand) Partnerschaftlichkeit (Kooperation, Teamfähigkeit, Einfühlungsvermögen, Kon‐ fliktmanagement) Begeisterungsfähigkeit (Überzeugungskraft, Verhandlungsgeschick, Rhetorik, Prä‐ sentieren) Motive und Einstellungen: Leistungsmotivation (Initiative, Dynamik, Power, Leistungswille) 31 1.3 Potenzialanalyse technischer Führungskräfte <?page no="32"?> Belastbarkeit (Ausdauer, Stressresistenz) Flexibilität (Offenheit, Lernflexibilität, Veränderungsbereitschaft) Entscheidungsverhalten (Risikobereitschaft, Problemlösungstechniken, Verantwor‐ tungsbewusstsein) Bewertung der Teilnahme an den Bestandteilen des AC Rot: „Geht besser! “ Orange: „Passt schon! “ Grün: „Gut ge‐ lungen! “ Präsentation Interview Rollenspiel Fazit (auf den Punkt gebracht) aus Sicht der teilnehmenden Person: aus Sicht der Beobachter: innen: Abb. 1.6.: Feedbackbogen zur Potenzialanalyse FRAGE: „Wenn ich es recht verstehe, erfordern Potenzialanalysen nach diesem Muster eine erhebliche Manpower. Welche weniger aufwändige Alternativen zu diesen sicher sehr aussagekräftigen Verfahren im Hinblick auf die Eignungs‐ feststellung von High Potentials kommen in Frage? “ Externer Coach: „Eine Alternative wäre das von uns angebotene Individual‐ coaching, eine andere ein gut geführtes, zielorientiertes Interview.“ FRAGE: „Wie genau wird in einem Individualcoaching verfahren? “ 32 1 Einführende Überlegungen <?page no="33"?> Externer Coach: „Auch hier werden Elemente aus der Potenzialanalyse genutzt, die Verwendung psychometrischer Verfahren, das Interview und In-Sensu-Übungen, sowie Rollenspiele mit dem Coach: Die Teilnehmer: innen erhalten eine Auswahl psychometrischer Verfahren per Post zugesandt. Die Ergebnisse dienen der Entwicklung erster Hypothesen zum Persönlichkeitsbild der Teilnehmer: innen. Die Auswahl der Verfahren leitet sich aus der Aufgabenstellung und/ oder dem Anforderungsprofil der Stelleninhaber: innen ab. Die zu einem ersten Gesamtbild verdichteten Ergebnisse der psychometri‐ schen Verfahren werden präsentiert und erläutert. Sie bilden den „roten Faden“ für die Exploration. Im Focus der Exploration steht die Persönlichkeit der Teil‐ nehmer: innen, ihre Fähigkeit zum unternehmerischen, konzeptionellen Denken und Handeln sowie auch Führungskompetenz und bedingt Fachkompetenz. Be‐ sondere Bedeutung kommt der Kommunikationsfähigkeit der Teilnehmer: innen zu. Sie reflektieren wichtige Schritte ihrer Lebensgeschichte und präzisieren die Fragestellungen, die sich aus ihrer augenblicklichen Situation ergeben. Der Coach hört aufmerksam zu und fragt, wenn ihm für das langsam wachsende Gesamtbild der ihm gegenübersitzenden Persönlichkeit noch wich‐ tige Informationen fehlen. Ziel ist, wiederkehrende Muster aus der Biografie der Teilnehmer: innen zu erkennen, die hinsichtlich ihrer Aufgabenstellung bedeutsam sind. Den Teilnehmer: innen wird ein Szenario geboten, zukünftige Herausforde‐ rungen zu durchdenken und ggf. zu simulieren und zu üben. Im Lerndialog mit dem Coach schließen die Teilnehmer: innen Wissenslücken, überprüfen ihre Einstellung und lernen neue Handlungsstrategien kennen und anwenden. Der Coach verdeutlicht Stärken und ermutigt zum kreativen Ausprobieren neuer Denk- und Handlungsmodelle. Es ist das übergeordnete Ziel des Coachings, den Teilnehmer: innen Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zur individuellen, konstruktiven Gestaltung ihrer beruflichen Handlungskompetenz zu vermitteln. Das Training endet mit einem vom Coach und den Teilnehmer: innen ge‐ meinsam verfassten Kommuniqué über die wesentlichen Erkenntnisse des Compact-Coachings für den Auftraggeber. Auf Wunsch der Teilnehmer: innen sind Follow-ups möglich.“ 33 1.3 Potenzialanalyse technischer Führungskräfte <?page no="34"?> 1.4 Potenzialeinschätzung durch Interviews FRAGE: „Bleibt noch als Alternative das Interview, um die Eignung eines Kandidaten für eine in Frage kommende Stelle zu klären. Was ist hierbei zu beachten? “ Interner Coach: „Die von mir angewendeten Interviews verfolgen immer das Ziel: Ich möchte die persönlichen Motivationsfaktoren und die persönlichen Zielvorstellungen zur beruflichen Entwicklung ermitteln. Weiterhin möchte ich von Potenzialträger: innen eine eigene Einschätzung bekommen, wo er/ sie sich in den nächsten 5-10 Jahren beruflich sieht. Doch, bevor man ein persönliches Interview führen kann, steht die Auswahl von möglichen Potenzialträger: innen an. Generell ist aus meiner Erfahrung zu sagen, Mitarbeiter: innen, die aus Eigenmotivation eine Weiterbildung an‐ gestrebt haben oder anstreben, sei es eine Meisterausbildung, Technikeraus‐ bildung oder ähnliches, haben sich für mich häufig als mögliche Potenzial‐ träger: innen gezeigt. Ein anderer Weg ist die Empfehlung einer Führungskraft der unteren Führungsebene, die durch das Delegieren von Aufgaben auf den möglichen Potenzialtragenden aufmerksam geworden ist. Bevor ich jedoch auf den sich für mich in der Praxis bewährten Ablauf eines Interviews eingehe, sollte man sich im Vorhinein Gedanken machen, welche Möglichkeiten für perspektivische personelle Weiterbildung, unabhängig vom Zielbild, im Unternehmen möglich sind. Hierzu gehören: • Bereichsinterne Fortbildung, • bereichsübergreifende Fortbildung, • Übertragung weiterer Aufgaben und Verantwortung, • Einsatz in anderen Bereichen, • interne Trainings, • externe Coachings, • externe Fortbildung, • Unterstützungsmöglichkeiten für externe Fortbildung. Nachdem man sich Klarheit über sinnvolle und zur Verfügung stehenden Mög‐ lichkeiten geschaffen hat, kann man mit den Vorbereitungen eines Interviews beginnen. 34 1 Einführende Überlegungen <?page no="35"?> Folgender Ablauf eines Interviews hat sich für mich bewährt: 1. Einladung zum Gespräch Hier ist zu beachten, dass die möglichen Potenzialträger: innen über den Wunsch des Gespräches mit Gesprächsgrund rechtzeitig informiert werden. Keinesfalls sollte man kurzfristig anberaumte oder spontane Gespräche durchführen. Diese überfordern viele mögliche Potenzial‐ träger: innen und sind nicht zielführend. Häufig kommen von Potenzial‐ träger: innen aus Angst etwas Falsches zu sagen Antworten wie: „Ja, würde ich gern machen“, „ja, sehe ich auch so“, „ja, könnte ich mir vorstellen“. 2. Schaffen einer lockeren Gesprächsatmosphäre Hier heißt es die Potenzialträger: innen willkommen heißen und ihnen einen Platz am Gesprächstisch anbieten, vorzugsweise in einer 90-Grad-Sitzordnung. Keinesfalls sollten diese Gespräche über den Schreibtisch der Führungskraft erfolgen. Nach einem kleinen ‚warm up‘ ist den möglichen Potenzialträger: innen mitzuteilen, warum sie schon länger positiv aufgefallen sind und wie man zu dieser Einschätzung gelangt ist. Ziel ist es, den Mitarbeitenden darzustellen, warum aus Sicht der Führungskraft Potenzial bei ihnen besteht. 3. Gesprächsführung Zur Ermittlung der möglichen Potenziale sollten Fragetechniken mittels W-Fragen oder offenen Fragestellungen zu folgenden Themenstellungen angewendet werden. • Wo sehen Sie sich in 5-10 Jahren? • Wo sind aus Ihrer Sicht Ihre Stärken und Schwächen? • Was für Tätigkeiten und Aufgaben reizen Sie mehr: Fach-/ Sachauf‐ gaben, organisatorische Aufgaben, Projektaufgaben oder Führungs‐ aufgaben? Wichtig ist hierbei, den möglichen Potenzialträger: innen genug Redezeit einzuräumen, sie nicht zu unterbrechen und sie nicht in die Richtung zu drängen, in der das Potenzial vermutet wird. Die Führungskraft sollte den Potenzialträger: innen vielmehr Möglichkeiten und Wege aufzeigen, wobei aus meiner Sicht zu Anfang immer folgende Richtungsfrage zu berücksichtigen ist: „Sehen sie sich in 5-10 Jahren eher im Bereich der Mitarbeiter: innenführung oder in einem Bereich mit Fach- und Sachauf‐ gaben bzw. Projektaufgaben? “ 35 1.4 Potenzialeinschätzung durch Interviews <?page no="36"?> 4. Beenden des Gespräches und Folgetermin Am Ende sollte den Mitarbeitenden, unabhängig vom Ergebnis des Gespräches für die Gesprächsbereitschaft gedankt werden. Bei einem positiven Ergebnis hinsichtlich der Einschätzung von vorhandenen Po‐ tenzialen und der Einwilligung der Mitarbeitenden diese weiter zu ent‐ wickeln, ist ein weiterer Gesprächstermin in frühestens einem Monat zu vereinbaren. Sowohl Potenzialträger: innen als auch Führungskraft benö‐ tigen Zeit, um über die besprochenen Themen nochmals nachzudenken, diese zu verarbeiten und um ein mögliches Zielbild zu entwickeln. Weiterentwicklung von Potenzial bedarf ‚Willens und Bereitschaft‘ von beiden Seiten. Mit den im Interview gewonnenen Erkenntnissen lassen sich bei Mitarbeitenden vorhandene, vielleicht auch unbekannte Potenziale weiterentwickeln. Es ist eine gezielte Mitarbeiter: innenentwicklung oder auch eine Entwicklung hinsichtlich der Nachfolgeregelung kontinuierlich und aufbauend möglich. Es bieten sich für mich hier die bekannten Personalentwicklungsmethoden an: • On the Job Training • Near the Job Training • Internes Coaching • Externes Coaching • Externe Weiterbildung Diese Methoden sind entsprechend der Ausprägung der vorhandenen Poten‐ ziale einzeln oder teilweise auch zusammen anzuwenden. Grundlage zur Ermitt‐ lung der anzuwendenden Methode sowie die Ermittlung von Trainingsinhalten ist hier das Mitarbeiter: innen- oder in diesem Fall das Personal-Entwicklungs‐ gespräch. Dieses sollte mit den Potenzialträger: innen zwei- oder dreimal im Jahr geführt werden. In meiner Praxis hat sich für die Weiterentwicklung von Potenzial‐ träger: innen die Verbindung von ‚On the Job Training‘ und ‚Externes Coaching‘ als erfolgversprechendste Entwicklungsmethode erwiesen.“ FRAGE: „Wie beeinflussen Change-Prozesse oder andere aktuelle Ereignisse das Erkennen und Weiterentwickeln von Potenzialträger: innen? “ Interner Coach: „Change-Prozesse aus Eigenmotivation und kontinuierlicher Weiterentwicklung wirken motivierend auf Mitarbeitende und Führungskräfte. Ein verordneter Change-Prozess verändert alles und kann schlimmstenfalls das Gegenteil bewirken, eine Abteilung oder einen Bereich lähmen, sowie 36 1 Einführende Überlegungen <?page no="37"?> auf Mitarbeitende demotivierend wirken. Jede Veränderung wirkt auf Mitar‐ beitende und Führungskräfte und kann, je nachdem wie der Change-Prozess durchgeführt wird, zur starken Belastung werden. Es sollen zusätzliche Auf‐ gaben durch die mittleren und unteren Führungsebenen geleistet werden. Durch diese Mehrbelastung, besonders bei verordneten Change-Prozessen, bleibt die kontinuierliche Weiterentwicklung meist auf der Strecke. Somit kann diese Art der Veränderung in harmonischen Führungsteams zu Unruhe und Demotivation führen. Die Motivation zur eigenen Weiterentwicklung und Förderung von Potenzialträger: innen gerät in den Hintergrund oder findet aufgrund der durch den Change-Prozess erforderlichen Mehrbelastung ungenügend oder gar nicht mehr statt. Es werden erwartete Aufgaben erledigt und zeitweise ‚Dienst nach Vorschrift‘ gemacht.“ FRAGE: „Welche Erfahrungen haben Sie in Change-Prozessen hinsichtlich Mitarbeiter: innenentwicklung und Veränderungen gemacht? “ Interner Coach: „Viele erfahrene Führungskräfte der mittleren Führungs‐ ebene, etwa Meister, Gruppenleiter oder Teamleiter, neigen dazu, Verände‐ rungen auf ‚Nicht-Machbarkeit‘ zu prüfen. Hierzu zählen Veränderungen zur Mitarbeiter: innenförderung und Mitarbeiter: innenentwicklung genauso wie Veränderungen in Fertigungsprozessen und Fertigungsabläufen. Es wird an Bewährtem festgehalten. Neuerungen, die aus verordneten Veränderungen resultieren, oder neue Methoden werden nur schwer, mit Nachdruck oder gar nicht angenommen. Veränderungen sind für die Weiterentwicklung von Unternehmensbereichen und Abteilungen aber kontinuierlich erforderlich. Die Veränderungen und die Weiterentwicklung von Potenzialträger: innen erfordern klare Zielsetzungen. Nur wenn ich als Führungskraft klare und eindeutige Zielsetzungen entwi‐ ckelt habe, ist eine effektive und personelle Weiterentwicklung der Potenzial‐ träger: innen und des Verantwortungsbereiches möglich. Das Durchführen von Interviews hilft hierbei die oft gegebene Kluft zwischen der jungen und alten Generation von Führungskräften zu überbrücken. Es ermöglicht eine kreative Kommunikation, in der neue Sichtweisen und Ideen entwickelt werden können.“ FRAGE: „Wie kann man Führungskräften begegnen, die Veränderungen nur unwillig begleiten, aktuelle Methoden der Mitarbeiter: innenentwicklung nicht annehmen oder diesen entgegenarbeiten? “ Interner Coach: „Führungskräfte, die sich mit Veränderungen schwertun, kann man nicht mit Zielvorgaben oder der Anwendung von anderen (als den 37 1.4 Potenzialeinschätzung durch Interviews <?page no="38"?> gelebten) Führungsstilen und Führungstechniken zu Veränderungen zwingen. Hier ist vielmehr Geduld, Training und Ausdauer erforderlich. Die höhere Führungskraft sollte die Notwendigkeit der Veränderung immer wieder erklären und darstellen. Es ist zu verdeutlichen, aufgrund welcher Zwänge die ange‐ strebte Veränderung durchgeführt werden muss. Man könnte dieser Art der Führungstechnik auch mit ‚jeder Tropfen höhlt den Stein‘ bezeichnen. Aus meiner Erfahrung ist dieses aber der einzige Weg, Mitarbeitende mit ablehnender Haltung und Skepsis mitzunehmen. Veränderungsprozesse und Mitarbeiter: innenentwicklung brauchen Zeit, Zeit, die in aktuellen Phasen häufig nicht verfügbar ist. Veränderungsprozesse und Mitarbeiter: innenentwicklung brauchen aber auch willige Mitarbeitende und Führungskräfte der unteren und mittleren Führungsebene. Diese müssen bereit sein, die zusätzlichen Aufgaben freiwillig neben ihren Kernaufgaben im Tagesgeschäft anzunehmen und die Entwicklung im Verantwortungsbereich voranzutreiben. Veränderungen und Mitarbeiter: innenentwicklung sind aufgrund meiner Erfahrung nur erfolgreich, wenn folgende Kriterien berücksichtigt werden: • Es muss ausreichend Zeit vorhanden sein. • Mitarbeitende und Führungskräfte müssen die Veränderungen verstehen. • Die nächsthöhere Führungskraft muss die Bedeutung von Veränderung und Personalentwicklung immer wieder in den Vordergrund stellen. • Führungskräfte müssen freiwillig die zusätzlichen Aufgaben für die Dauer des Veränderungsprozesses annehmen wollen. • Führungskräfte müssen die Bedeutung und Vorteile erkennen, die sich aus der Förderung von Potenzialträger: innen für ihr eigenes Arbeitsum‐ feld ergeben. • Die Veränderung sollte von innen herauskommen (Impulse können durchaus von außen gesetzt werden). • Führungskräfte müssen für sich die Vorteile einer eigenen Weiterent‐ wicklung erkennen. Herausforderungen, Krisen und die Weiterentwicklung von Technologien for‐ dern kontinuierliche Personalentwicklung. Hier hat sich für mich eine konti‐ nuierliche und schrittweise aufeinander aufbauende personelle Weiterentwick‐ lung, mit externem Coaching, als die erfolgversprechendste Möglichkeit gezeigt. Weiterentwicklungen, die schubweise durchgeführt werden, habe ich bisher nicht als nachhaltig und zielführend erlebt. 38 1 Einführende Überlegungen <?page no="39"?> 2 (Gemeinsam) Ziele setzen Getreu dem Motto „Nur wer sich selbst gut führt, kann auch andere gut führen“, stellen wir in diesem Kapitel zunächst Methoden und Techniken zur persönli‐ chen Zielsetzung vor, die sich in der Praxis zur Optimierung des beruflichen Handelns bewährt haben. Übereinstimmend zu einer der am besten bestätigten Theorien in der Personalpsychologie, der „Zielsetzungstheorie“ nach Locke und Latham (2002), zeigen auch meine Erfahrungen bei der Begleitung von Fach- und Führungskräften in sozialen Einrichtungen, dass sich wohlgeformte Ziele durchaus motivierend auf das berufliche Handeln auswirken. Wer erfolgreiches Selbst-Coaching nicht nur in allen Belangen des beruflichen, sondern auch des privaten Lebens betreiben möchte, sollte fähig sein, sich spezifische, d. h. konkret beschriebene und schwierige, aber realistisch zu erreichende Ziele zu setzen. Die Ausrichtung des eigenen Handelns an prägnanten Zielen gibt dem Handeln die erforderliche Richtung und Orientierung. Hierdurch entsteht Klarheit, die nicht nur die tagtägliche Planung vereinfacht. Die Zielformulierung setzt einen Orientierungs- und Energiebereitstellungsprozess im Organismus in Gang, welcher zwar noch kein Garant für den Erfolg darstellt, doch lässt sich mit Fug und Recht behaupten, dass die Zielformulierung der Anlasser ist, der unseren Motor in Gang bringt. Wer an der Optimierung seines und des Verhaltens anderer arbeiten möchte, muss ein Gefühl für den Sinn von Veränderungen entwickeln. Ziele sind keine Absichtserklärungen, wie wir sie zu Silvester äußern, wenn wir uns dies und das im neuen Jahr vornehmen. Klare eigene Ziele unterscheiden sich grundsätzlich von solchen guten Vorsätzen. Sie sind weder unreflektiert übernommen noch stellen sie fromme Wünsche dar. Wohlgeformte Ziele werden bewusst definiert und erschließen uns konkrete Möglichkeiten, unser Verhalten konsequent und systematisch zu optimieren. Unser Leben erhält Richtung und Sinn. Wer seine Ziele definiert hat, behält auch in der Hektik des Tagesgeschäftes den Überblick. Selbst unter größter Arbeitsbelastung setzen Sie und die von Ihnen angeleiteten Mitarbeitenden die richtigen Prioritäten und verstehen es, ihre berufliche Handlungskompetenz optimal einzusetzen. Das Mitarbeiter: in‐ nenjahresgespräch ist dabei der Schlüssel zum Erfolg. Bei der Verfolgung wohlgeformter Ziele werden Sie und Ihre Mitarbeitenden erleben, wie sich emotionale Kräfte positiv auf das Handeln auswirken. Jedes erreichte Teilziel, jeder Schritt in die vorgegebene Richtung, jeder Meilenstein <?page no="40"?> bestätigt Sie und Ihre Mitarbeitenden in ihrem Tun. Mit zunehmender Selbst‐ bestätigung steigt die Eigenmotivation und zusätzliche Energien werden frei‐ gesetzt. Wohlgeformte Ziele stehen selbstverständlich im Einklang mit Ihrem per‐ sönlichen Leitbild, Ihrer persönlichen Philosophie. Damit werden Randbedin‐ gungen für Ziele aufgrund von individuellen Wertvorstellungen und persönli‐ chen Stärken beschrieben. Das persönliche Leitbild beantwortet die Fragen: • Wer will ich sein? • Wo will ich was leisten? • Wer ist/ wird Empfänger: in meiner Leistungen? • Was sind meine zentralen Wertvorstellungen? • Was ist für mich gut? • Wie will ich leben? Sowohl längerfristige als auch kurzfristige Ziele sind positiv formuliert, konkret, beobachtbar und messbar und aus eigener Kraft erreichbar. Klare Ziele beantworten die Frage: • Was will ich bis wann erreicht haben? Mit längerfristigen Zielen werden Strategien festgeschrieben. Es geht um längerfristige Verhaltensmuster zum Erreichen übergeordneter Ziele. Kurzfris‐ tige Ziele sind eher taktischer Natur. Es werden Maßnahmen/ Aktivitäten mit konkreten Terminen, Ablaufplan, Budget und Kapazitäten festgelegt. Sowohl Strategien als auch Maßnahmen beantworten die Frage: • Wie, auf welchem Weg will ich die gesetzten Ziele erreichen? Wir unterscheiden - wie in der Tabelle auf der Folgeseite dargestellt - prinzipiell drei Zielbereiche, die unterschiedliche Facetten aufweisen: 40 2 (Gemeinsam) Ziele setzen <?page no="41"?> Zielbereiche mit ihren Facetten Ziele der Einrichtung Berufliche Ziele Persönliche Ziele • Mitarbeitende • Stellenziele • Personalauswahl und -entwicklung • Teamentwicklung • Betriebsklima • Termineinhaltung • Qualität • Investitionen • Projekte • Innovationen • … • Arbeitsplatzsicherheit • Selbstverwirklichung • Arbeit selbst • Gehalt • Kollegialität • Wertschätzung • … • Familie • Gesundheit • Sport • Hobbys • Verein • … Tab. 2.1.: Zielbereiche mit ihren Facetten Bei der Zielauswahl und Koordination ist auf Harmonie zu achten. Ziele aus unterschiedlichen Bereichen sollten sich ergänzen und nicht gegenseitig ausschließen. Einmal pro Jahr sollten Sie und Ihre Mitarbeitenden die ausgewählten Ziele neu überdenken. Doch, bevor Sie sich daran machen, Ziele auszuwählen, sollten Sie: 1. Kriterien für wohlgeformte Ziele kennen und anwenden lernen und 2. sich damit auseinandersetzen, auf welche Art und Weise Sie Ihre Ziele erreichen - erfolgsmethodisch Maßnahmen/ Aktionen formulieren. Sie werden nur dann in der Hektik des betrieblichen Alltags den Überblick behalten, wenn Sie Ihre Ziele schriftlich fixieren. Mit einem wohlgeformten Ziel schaffen Sie die Voraussetzung dafür, Ihre Prioritäten richtig zu setzen und Ihre Fähigkeiten optimal einzusetzen. So gewährleisten Sie, dass Sie schnell und sicher Ihr Ziel erreichen. 41 2 (Gemeinsam) Ziele setzen <?page no="42"?> FRAGE: „Was sind wohlgeformte Ziele? “ Externer Coach: „Der Begriff ‚wohlgeformte Ziele‘ stammt aus einem Modell des Neuro-Linguistischen Programmierens (NLP), welches ich in meinen Einzel‐ coachings sehr erfolgreich eingesetzt habe. Demnach sind ‚wohlgeformte Ziele‘ aus gutem Grund keine Verbote, sondern Gebote. Denn Elfmeterschießende, die sich vornehmen nicht zu scheitern, werden verschießen, weil sie nicht ‚nicht‘ denken können. Im Angesicht des Torhüters haben sie ihr Scheitern und nicht ihren Erfolg vor Augen. Wir benötigen Zielbilder, die uns eine realistische Vorstellung vom Erfolg vermitteln. So, und nur so werden wir von innen motiviert. Wir handeln nicht, weil wir von außen dazu ermuntert, aufgefordert oder gar gezwungen werden, sondern weil wir es wollen, können und dürfen. Und das gilt sowohl für die Führungskraft in der Technik als auch für ihre Mitarbeitenden. Die Charakteristika wohlgeformter Ziele sind im ‚SPECI‘-Format in Abb. 2.1. dargestellt. Abb. 2.1.: Wohlgeformte Ziele im ‚SPECI'-Format Die fett gedruckten Leitfragen werden in der Checkliste auf der Folgeseite aufgegriffen und bieten Ihnen die Möglichkeit, die Leitfragen auf Ziele anzu‐ wenden, die mir in Coachings genannt worden sind. Prüfen Sie anhand der Fragen, ob die angeführten Ziele wohlgeformt sind und formulieren Sie dann richtig! 42 2 (Gemeinsam) Ziele setzen <?page no="43"?> Checkliste: Übung zu „wohlgeformten Zielen“ Beispiel Checkup mit Leitfragen: Ja ? / Nein ? Wohlgeformtes Ziel Ich möchte schnellstens mein Co‐ rona-Management verbessern. Ab nächster Woche versuche ich mehr Zeit für meine Familie zu erübrigen. Ab Montag nehme ich nicht mehr an überflüssigen Meetings teil. Bis zum 31.12. telefoniere ich statt im Durchschnitt drei Stunden ma‐ ximal zwei Stunden. Ich versetze meinen Bereichsleiter in die Lage das Projekt X eigenver‐ antwortlich zu leiten. Das erfor‐ dert Aufwendungen in Höhe von € … Tab. 2.2.: Checkliste: Übung zu „wohlgeformten Zielen“ Ziele richtig zu formulieren ist das eine, Maßnahmen abzuleiten das andere. Wohlgeformte Ziele klären, was Sie anstreben, Maßnahmen zeigen, wie Sie dahin kommen, welche Mittel Sie dazu brauchen, was Sie tun müssen, um das Ziel zu erreichen, kurz: Maßnahmen sollen zum Ziel führen! Je konkreter Sie Ihren Weg zum Ziel beschreiben, umso sicherer werden Sie Ihr Ziel auch erreichen. Sie verfügen über eine gute Wegebeschreibung, wenn Sie • sich vorstellen können, dass Sie Ihr Ziel schon erreicht hätten. Deutliche Zielbilder und klare Vorstellungen über die Vorgehensweise motivieren Sie Ihr Ziel anzustreben und sichern, dass Sie sich genau darauf konzen‐ trieren. • Mittel, Maßnahmen und Zeitpunkte festlegen, um die richtigen Dinge in der richtigen Reihenfolge zum richtigen Zeitpunkt zu tun. 43 2 (Gemeinsam) Ziele setzen Was genau? Wer? Wo? Wieviel? Wann? Wann nicht? <?page no="44"?> • in einem schriftlich fixierten Aktionsplan den inhaltlichen und zeitlichen Aufgabenumfang übersehen können und einzelne konkrete Schritte de‐ tailliert geplant haben. Genug der allgemeinen Überlegungen zur Zielsetzung! Nehmen Sie sich jetzt ein wenig Zeit und legen Sie Ihre Ziele im Arbeitsblatt ‚Ziele‘ auf der nächsten Seite fest. • Fixieren Sie Ihre Ziele schriftlich. • Verschaffen Sie sich Klarheit über alle drei Zielbereiche. • Setzen Sie Prioritäten und achten Sie auf harmonische Zielabstimmung. • Formulieren Sie eigene spezifische, d. h. konkrete und schwierige, aber er‐ reichbare Ziele, statt Ziele unbewusst oder unreflektiert zu übernehmen. 1. Bestimmen Sie für jeden Zielbereich wohlgeformte Ziele (wenigstens eins pro Zeile), und zwar jeweils: • kurzfristig (mehrere Tage bis Wochen) • mittelfristig (mehrere Wochen bis Monate) • langfristig (mehrere Monate bis Jahre) 2. Legen Sie fest, wie sie vorgehen werden, um Ihre klaren Zielvorstellungen zu verwirklichen. Arbeitsblatt: „Ziele“ Welche Ziele für die Einrichtung will ich erreichen? Ziele für die Einrichtung Aktionsschritte zur Realisierung Kurzfristig Mittelfristig Langfristig 44 2 (Gemeinsam) Ziele setzen <?page no="45"?> Welche beruflichen Ziele will ich erreichen? Berufliche Ziele Aktionsschritte zur Realisierung Kurzfristig Mittelfristig Langfristig Welche persönlichen Ziele möchte ich erreichen? Persönliche Ziele Aktionsschritte zur Realisierung Kurzfristig Mittelfristig Langfristig Tab. 2.3.: Arbeitsblatt: „Ziele“ Das Denken in Zielen fördert das Bewusstsein für das eigene Handeln und ist ein wichtiger Baustein im Selbstcoaching. Der bereits erwähnten ‚Zielsetzungsthe‐ orie‘ von Locke und Lathman (2002) folgend sei allerdings darauf hingewiesen, dass es mehr bedarf als konkrete und herausfordernde Ziele wohlgeformt zu formulieren. Damit Ziele sich motivierend auf das Leistungsverhalten auswirken, muss die Person, die das Ziel formuliert hat, sich verpflichtet fühlen, es erreichen zu wollen, sich an das Ziel gebunden fühlen, es als wichtig und bedeutsam betrachten und es im Einklang mit dem stehen, was selbstwirksam erreicht werden kann. Zudem sollte die Aufgabenkomplexität nicht allzu hoch und zwischenzeitliches Feedback bei längerfristigen Zielen ausreichend vorhanden 45 2 (Gemeinsam) Ziele setzen <?page no="46"?> sein. Eine gute Möglichkeit im beruflichen Bereich all dies zu beachten und mit hohen und spezifischen Zielen dann auch die gewünschten Leistungsergebnisse zu erzielen, erschließt sich, wenn im Mitarbeiter: innenjahresgespräch Ziele SMART zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden vereinbart werden.“ 2.1 Ziele im Mitarbeiter: innenjahresgespräch SMART formulieren FRAGE: „Was verstehen Sie unter einem Mitarbeiter: innenjahresgespräch und was bedeutet im Zusammenhang damit, dass Ziele SMART vereinbart werden sollen? “ Externer Coach: „Lassen Sie mich zunächst im Hinblick auf die Beantwortung des ersten Teils der Frage aus dem Vorwort eines ‚Leitfaden(s) für Mitarbei‐ terjahresgespräche‘ zitieren, den ich in einem Workshop mit der Geschäftsfüh‐ rung, Führungskräften, Mitarbeitenden und der Vertretung des Betriebsrats gemeinsam entwickelt habe: ‚Der Umgang mit den ‚Mitarbeitenden‘ sowie der Umgang der ‚Mitarbei‐ tenden‘ untereinander wird im Rahmen einer zielgerichteten Personalführung zur wesentlichen Steuergröße, die aktiv zur Erfüllung der Unternehmensziele und zur Bewahrung und Erweiterung der Wettbewerbsfähigkeit unseres Unter‐ nehmens beitragen kann. Voraussetzung für wertschöpfende Leistungen ist die Entfaltung der Mitar‐ beitenden in ihrem Beruf. Es ist heute nicht mehr nur eine angemessene Bezahlung, die die Beschäftigten zu hohen Leistungen motiviert. Genauso wichtig sind Bedingungen, die die physische und psychische Leistungsfähig‐ keit möglichst langfristig erhalten und, wenn möglich, noch erweitern. Im Vordergrund dieser Bedingungen stehen nicht nur etwa Arbeitsplatzgestaltung, Ergonomie, gesundheitsfördernde Programme, sondern vor allem die Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen am Arbeitsplatz. Mitarbeiter: innenjahresgespräche, die die Einschätzung der Leistungen der Mitarbeitenden und deren weitere berufliche Entwicklung sowie gemeinsam zu vereinbarende Ziele und gesundheitsfördernde Maßnahmen zum Inhalt haben, nehmen heute einen herausragenden Stellenwert innerhalb des Füh‐ rungsinstrumentariums unseres Unternehmens ein und zählen unstrittig zu dem wesentlichsten und am häufigsten angewandten Führungsinstrument. Auch Aufsichtsrat und Vorstand unseres Unternehmens legen großen Wert auf die interne Kommunikation ihrer Beschäftigten. Neben den alltäglichen Gesprächen ist es dem Aufsichtsrat und dem Vorstand wichtig, dass sich die Be‐ 46 2 (Gemeinsam) Ziele setzen <?page no="47"?> reichsleitungen in regelmäßigen Abständen intensiv mit ihren Mitarbeitenden befassen, für die sie Personalverantwortung tragen. Im Rahmen von strukturierten Gesprächen sollen die Bereichsleitungen mit ihren Mitarbeitenden gemeinsam Bilanz ziehen und die nahe und weitere Zu‐ kunft planen und damit die Mitarbeiter: innen- und Unternehmensentwicklung in Einklang bringen.‘ Im Weiteren haben wir dann im Workshop den eigentlichen Leitfaden abgestimmt, der festlegt, wer mit wem, wann, wie vor- und nachbereitet, das Führungsinstrument ‚Mitarbeiter: innenjahresgespräch‘ in der Form eines strukturierten Vier-Augen-Gespräches durchführt, in dem Führungskräfte und Mitarbeitende top-down gemeinsam im Hinblick auf wesentliche Aspekte der beruflichen Handlungskompetenz Bilanz ziehen, die nahe und weitere Zukunft planen und Mitarbeiter- und Unternehmensentwicklung in Einklang bringen. Durch die damit einhergehende Intensivierung des Vertrauensverhältnisses zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften sollen neben der Förderung klassischer Ziele der Personalentwicklung wie Eigenverantwortung, Kunden‐ orientierung und Qualitäts- und Kostenbewusstsein auch gesundheitsbewusstes Verhalten in der Form von Förderzielen geweckt und gestärkt werden. Am Ende eines jeden Mitarbeiter: innenjahresgespräches steht ein Protokoll, das der Personalakte beigelegt wird und folgende Leitfragen beantwortet: 1. Welche Leistungsstärken hat der Mitarbeitende? 2. In welchen Teilen der Aufgaben kann/ sollte der Mitarbeitende seine Leistung noch verbessern? 3. Welche Förderungsmaßnahmen werden zur besseren Erfüllung der Auf‐ gaben vorgeschlagen? 4. Wie nimmt der Mitarbeitende zur Bewertung im Hinblick auf die bilan‐ zierten Aspekte seiner beruflichen Handlungskompetenz, zum Verlauf des Mitarbeiter: innenjahresgesprächs und Sonstigem Stellung? 5. Welche Ziele vereinbaren die Gesprächspartner? Bei der Zielvereinbarung prüfen jeweils beide Gesprächspartner im Mitar‐ beiter: innenjahresgespräch, ob die Ziele auch SMART formuliert sind (vgl. Abb. 2.2.: SMART(e) Ziele). Die Überprüfung mit der SMART-Formel bietet sich insofern an, als allen Beteiligten diese aus anderen Kontexten, z. B. dem Qualitätsmanagement bestens bekannt sind. 47 2.1 Ziele im Mitarbeiter: innenjahresgespräch SMART formulieren <?page no="48"?> Abb. 2.2.: SMART(e) Ziele Formale Zielvereinbarungen zu kennen und einzuhalten, das ist die eine Sache. Eine andere ist es, wesentlich in seinem Handeln zu sein, planvoll und selbst ge‐ steuert zu denken und sein Verhalten an einigen wenigen, wesentlichen Zielen auszurichten. Selbstverständlich ist es für die in der Technik Tätigen zudem wichtig, den Weg zum Ziel kontinuierlich zu überprüfen. Diese aus meiner Sicht bedeutsame Voraussetzung für den Erfolg im Bereich der Technik wird durch die Implementierung des Führungsinstruments ‚Mitarbeiter: innenjahresgespräch‘ unterstützt und gefördert. Es sei zudem herausgestellt, dass durch die Durchführung von Mitarbeiter: in‐ nenjahresgespräch allen Kriterien der Zielsetzungstheorie von Locke und Lathman (2002) für motivierende Ziele entsprochen wird: 1. Spezifische und hohe Ziele: Durch die gemeinsame Zielvereinbarung zwischen Führungskräften und deren Mitarbeitenden im Vier-Augen-Ge‐ spräch wird der Anspruch auf herausfordernde Ziele gewährleistet. Die Anwendung der SMART-Formel sichert zudem die Spezifität. 2. Zielbindung: Da Ziele nicht nur abgenickt, sondern gemeinsam be‐ schlossen werden, fühlen sich Mitarbeitende dem Ziel verpflichtet. 3. Bedeutung: Durch die Verschriftlichung der Ziele wird die Wichtigkeit einer nachhaltigen Zielerreichung unterstrichen. 4. Selbstwirksamkeit: Die im Mitarbeiter: innenjahresgespräch in Selbst- und Fremdbeurteilung vorgenommene Beurteilung wichtiger Aspekte der beruflichen Handlungskompetenz sichert, dass Leistungsvermögen der Mitarbeitenden weder übernoch unterschätzt wird. 48 2 (Gemeinsam) Ziele setzen <?page no="49"?> 5. Feedback: Die kontinuierliche Durchführung von Mitarbeiter: innenjah‐ resgesprächen dient der Orientierung bei der Verfolgung zeitlich weiter entfernt liegender Ziele. 6. Aufgabenkomplexität: Durch die Prüfung von Selbstwirksamkeit und ausreichendes und konkretes Feedback im Mitarbeiter: innenjahresge‐ spräch wird die richtige Strategie zur Zielverfolgung bei komplexen Aufgaben gewählt. Bei Evaluationen nach der Implementierung von Mitarbeiter: innenjahresge‐ sprächen in verschiedenen produzierenden und dienstleistenden technischen Firmen hat sich in unseren qualitativen Interviews gezeigt, dass bei einer so unterstützten, adäquaten Zielsetzung, die Befragten ihre Handlungsrichtung, -intensität und -ausdauer ihren Zielen angepasst haben. Sind die Ziele erreicht worden, hat sich dies positiv auf die Zufriedenheit ausgewirkt. Diese Zufrieden‐ heit wiederum hat sich anspornend auf die Verfolgung nachfolgender, meist dann auch anspruchsvollerer Ziele ausgewirkt. Unsere Interviewergebnisse bestätigen somit die Prognosen der Zielsetzungstheorie.“ FRAGE: „Wenn ich an ‚Ziele setzen‘ denke, tue ich mich nicht nur schwer damit, Ziele für mich selbst zu formulieren, sondern auch damit, mir vorzustellen, welche Ziele sich andere in der Technik setzen könnten.“ Externer Coach: „Eine Orientierung über Zielarten im beruflichen Bereich zeigt die unten dargestellte Tabelle: Zielarten Zielarten Qualität Quantität Arbeits‐ ziele Inhaltlich entsprechen diese den Zielen der Stellen- oder Tätigkeitsbeschreibung, die im Qualitätsmanagement angelegt ist Anzahl und Dauer der Arbeitszeit, Umfang der Aufgaben Leistungs‐ ziele Selbstständige Durchfüh‐ rung der Aufgabe ‚Reparatur und Instandhaltung von …‘ nach der halbjährlichen Ein‐ arbeitung am 01.01.2021 Definition der zu erbringenden Kennzahlen, der dafür zur Verfügung stehende zeitliche Rahmen, der prozentuale Anteil des Leistungs‐ ziels in Relation zu weiteren Zielen oder ge‐ messen an der Gesamtdauer der Arbeitszeit Entwick‐ lungsziele Ziele, die in Zusammenhang mit der berufli‐ chen Leistung stehen, je‐ doch keine eindeutigen Leistungsziele darstellen; Selbst-/ Fremdbild-Abgleich: Verbesserung der persönlichen Qualität um X % 49 2.1 Ziele im Mitarbeiter: innenjahresgespräch SMART formulieren <?page no="50"?> Erwerb von sog. Soft-Skills oder auch zur Förde‐ rung von Gesundheit und Work-Life-Balance Tab. 2.4.: Zielarten Existieren mehrere Ziele nebeneinander, so ist deren Kompatibilität zu beachten. Ziele, die nicht miteinander vereinbar sind, führen zu Zielkonflikten. So kann ein Ziel zum Komplex ‚Angebotspalette erweitern und Kundenzufriedenheit erhöhen‘ mit der Einstellung neuer Mitarbeitender verbunden sein. Das aber wäre nicht mit einem Ziel im Hinblick auf ‚kurzfristige Kosteneinsparung‘ ver‐ einbar. Für das Formulieren von Zielen hat daher die Prüfung der Vereinbarkeit besondere Relevanz. Das gilt in allen Bereichen, auch in der Gegenüberstellung von beruflichen und persönlichen Zielen. Auch sie müssen auf Kompatibilität geprüft werden, um Zielkonflikte zu erkennen und die Ziele real und machbar zu formulieren. Beispielsweise kann ein Ziel im Bereich ‚Berufliche Karriere und wirtschaftli‐ cher Aufstieg‘ mit einem Ziel für ‚mehr Zeit für die Partnerschaft‘ in Konkurrenz stehen, wenn die Verfolgung des beruflichen Zieles bedeutet, mehr Stunden als vorher pro Woche in entsprechende Aktivitäten zu investieren. Ein Zielkonflikt kann schon dann entstehen, wenn einer der Partner feststellt, dass für die Part‐ nerschaft nicht mehr genügend Zeit und Energie übrig ist, um die gemeinsame Zeit auch wirklich genießen zu können. Von daher sind die Auswirkungen auf andere Lebensbereiche, wie Familie, Partnerschaft, Gesundheit und Freizeitge‐ staltung bei der Zielplanung gegeneinander abzuwägen. Wie ausgeführt, kann die einseitige Betonung beruflicher Ziele negative Aus‐ wirkungen haben, wenn das private und familiäre Leben bei der Planung außen vor gelassen wird. Wer von seinen beruflichen Zielen vollständig absorbiert wird, darf sich nicht wundern, wenn er irgendwann mit dem Beruf verheiratet ist. Das kann eine Weile funktionieren, auf Dauer aber birgt diese ‚Ehebezie‐ hung‘ erhebliche Nachteile. Abgesehen von der meist negativen Wirkung auf die wirkliche Ehe oder Partnerschaft treten insbesondere dann Probleme auf, wenn die berufliche Karriere ausbleibt oder wenn es gilt, berufliche Niederlagen durchzustehen. Die Konsequenz besteht darin, nicht nur kurzfristige, berufliche, sondern auch längerfristige Lebensziele, die den rein ökonomisch-wirtschaftlichen As‐ pekt übersteigen, zu beachten. Diese Form der nachhaltigen Lebens- und Kar‐ riereplanung stellt eine Art Risikoprophylaxe für die körperliche und psychische Gesundheit für alle in der Technik Tätigen dar. Nachhaltige Lebensplanung 50 2 (Gemeinsam) Ziele setzen <?page no="51"?> senkt nach meiner Erfahrung das Risiko von Suchterkrankungen, Burnout-Syn‐ drom, psychosomatischen Leiden und bestimmten Erkrankungen aus dem Formenkreis der Depression. Private und familiäre Erwartungen und Wünsche sollten daher stets in die Überlegungen, wohin die Reise führen soll, einbezogen werden. Ähnlich verhält es sich mit der Gesundheit oder mit (körperlicher) Fitness. Sie ist nicht automatisch gegeben, auch wenn sie jüngeren Menschen manchmal als selbstverständlich erscheint. Die Kunst seelischer Ausgeglichenheit, ausreichender Fitness und erfüllender Partnerschaft trotz hohen beruflichen Engagements beruht auf einer Mixtur aus ausgewogenen Zielen mit nachhaltigem Charakter und relativ kurzfristigen Erfolgs- und Zufriedenheitserlebnissen im ‚Hier und Jetzt‘ und nicht etwa im ‚Dann und Wann‘. Zögern Sie nicht und nutzen Sie für sich selbst das Arbeitsblatt ‚Ziele‘ zur Formulierung der dort angeführten Zielfacetten. Zur Orientierung im Hinblick auf gemeinsame Zielformulierungen mit Mit‐ arbeitenden dienen die folgenden Erfahrungen des internen Coachs aus seiner betrieblichen Praxis. 2.2 Praxis des Mitarbeiter: innenjahresgesprächs FRAGE: „Welche Möglichkeiten ergeben sich durch das Mitarbeiter: innenjah‐ resgespräch, und lassen sich durch das Jahresgespräch Ziele für Mitarbeitende entwickeln? “ Interner Coach: „Jeder Führungskraft sollte bewusst sein: Das Mitarbeiter: in‐ nenjahresgespräch eignet sich auch sehr gut als Führungsinstrument und ist nicht nur ein Feedbackgespräch. Das Mitarbeiter: innenjahresgespräch ist als Führungsinstrument bei entspre‐ chender Anwendung eine gute Ergänzung zu den anderen angewandten Füh‐ rungsinstrumenten. Zusätzlich eignet es sich auch sehr gut, um Erkenntnisse von möglichen Potenzialträger: innen zu bekommen und diese weiterzuentwi‐ ckeln. Meine berufliche Erfahrung hat aber auch gezeigt, dass viele Mitarbeitende das Jahresgespräch als ‚verordnetes Übel‘ ansehen und dieses nur schnell über sich ergehen lassen wollen. Das trifft besonders dann zu, wenn das Jahresge‐ spräch kein Gespräch ist, sondern dem Mitarbeitenden ein standardisierter vorausgefüllter Bewertungsbogen als Jahresfeedback der erbrachten Leistung übergeben wird. 51 2.2 Praxis des Mitarbeiter: innenjahresgesprächs <?page no="52"?> Es hat sich gezeigt, dass diese Art der Durchführung von Mitarbeiter: innen‐ jahresgesprächen verlorene Zeit ist. Das Jahresgespräch verfehlt hier völlig sein Ziel als Führungsinstrument. Es wird dem Mitarbeitenden einzig eine gewisse Art von einseitigem Feedback gegeben, das eigentliche Gespräch findet nur begrenzt oder gar nicht statt. Noch mehr stellt sich das Jahresgespräch in Frage, wenn die Führungskraft sich im Gespräch auf eine lange in der Vergangenheit liegende Einzelheit bezieht, und nur hierzu Feedback gibt, ohne dass zwischenzeitlich weitere Gespräche stattgefunden haben. Dieses trifft besonders bei negativen Ereignissen zu. Folgende Zielsetzungen sollten im Mitarbeiter: innenjahresgespräch erreicht werden: • Steigerung der Motivation des Mitarbeitenden • Gegenseitiger Austausch und Verständnis beider Seiten • Erkennen von Potenzialen • Erkennen von Entwicklungsmöglichkeiten • Ableiten von Entwicklungsmaßnahmen • Feedback geben und Feedback bekommen Mitarbeiterjahresgespräche sind genau dann zielführend, wenn • es nicht das einzige Mitarbeiter: innenjahresgespräch innerhalb eines Jahres ist, • sich die Mitarbeitenden darauf konstruktiv einlassen und ehrliches Feed‐ back möchten, • das Gespräch offen und ehrlich ist und auf Augenhöhe geführt wird, • Bereitschaft zur Weiterentwicklung besteht, • die Führungskraft auch bereit ist Feedback zu bekommen.“ 2.2.1 Vorbereitung auf das Mitarbeiter: innenjahresgespräch FRAGE: „Wie sollte sich die Führungskraft auf das Jahresgespräch vorbe‐ reiten? “ Interner Coach: „Jedes Mitarbeiter: innenjahresgespräch bedarf einer guten Vorbereitung. Das Gespräch darf nicht auf Basis einer Momentaufnahme geführt werden, vielmehr ist rückwirkend ein ganzes Jahr zu betrachten. Mitarbeiter: innenjahresgespräche ohne ausreichend Vorbereitung sind weder objektiv noch zielführend. Um eine perspektivische Weiterentwicklung des Mitarbeitenden zu betreiben, ist es auch wichtig, dass die Führungskraft eine Zielvorstellung entwickelt und diese mit dem Mitarbeitenden im Gespräch in 52 2 (Gemeinsam) Ziele setzen <?page no="53"?> Übereinstimmung bringt. Nur auf diese Weise lassen sich Ziele SMART ableiten und eine Weiterentwicklung der Mitarbeitenden betreiben. In meiner beruflichen Praxis hat sich für das Mitarbeiter: innenjahresge‐ spräch, zusätzlich zu einem standardisierten Feedbackbogen mit zu bespre‐ chenden Punkten, viel mehr eine über das Jahr erstellte einfache Themensamm‐ lung mit der Bewertung, ‚was war gut (+), was war nicht so gut (-)‘ als praktikabel erwiesen. Auf Basis dieser Themensammlung lässt sich in der Vorbereitung sehr gut eine belastbare Gesprächsstrategie für einen zusammenfassenden Rückblick im Jahresgespräch aufbauen. Im Folgenden ist eine praktikable Vorlage zur Themensammlung dargestellt. Pkt. Thema Gut nicht so gut Warum / Erwartung 1 Durchführung Pro‐ jekt XYZ (+)(+)(+) Geringere Projektkosten, verkürzter Durchlauf 2 Betriebsmittel (-) Schlechter Zustand 3 Arbeitssicherheit (-)(-)(-) Hohe Unfallzahlen, Ord‐ nung/ Sauberkeit 4 Einhaltung von Terminen (o) u.s.w 10 Tab. 2.5.: Vorlage zur Themensammlung Wie man dem Beispiel entnehmen kann, versuche ich zusätzlich auch eine Bewertung der Ausprägung zu den gesammelten Merkmalen vorzunehmen. Die Ausprägung reicht bei mir von • Erwartung deutlich erfüllt / übertroffen => (+) (+) (+) • Erwartung erfüllt => (o) • Erwartung deutlich nicht erfüllt => (-) (-) (-) Es sind wobei auch feinere Abstufungen möglich. Es hat sich gezeigt, dass es nicht sinnvoll und zielführend ist, Themen mit einer deutlichen Ausprägung erst im Jahresgespräch anzusprechen. Diese 53 2.2 Praxis des Mitarbeiter: innenjahresgesprächs <?page no="54"?> Themen sollten zeitnah nach Auftreten angesprochen werden. Hierfür eignet sich besonders ein persönliches Belobigungsgespräch oder ein Kritikgespräch. Für eine strukturierte Gesprächsvorbereitung zum Mitarbeiter: innenjahres‐ gespräch plane ich 30-60 Minuten als Vorbereitungszeit je Gespräch ein. Ziel der Vorbereitung ist es, zu dem sich aus der Themensammlung ergebenden ‚Stärken-/ Schwächen-Profil‘ Kategorien zu bilden. Im nächsten Schritt überlege ich mir, zu welchen Kategorien ich dem Mitarbeitenden ein Jahresfeedback geben möchte. Die Basis des Mitarbeiter: innenjahresgespräches bleibt somit immer das entstandene ‚Stärken-/ Schwächen-Profil‘. Zudem ist es hilfreich für den Aufbau des Jahresgespräches den im Folgenden dargestellten Gesprächsaufbau zu berücksichtigen. 1. Zu welchen Themen will ich basierend auf dem ‚Stärken-/ Schwä‐ chen-Profil‘ Feedback geben? 2. Wo sind die Stärken des Mitarbeitenden? 3. Wo sind die Schwächen der Mitarbeitenden? 4. Wo besteht aus Sicht der Führungskraft Entwicklungsbedarf ? 5. Welche Möglichkeiten zum Entwicklungsbedarf kann ich als Führungs‐ kraft Mitarbeitenden anbieten? Durch diese strukturierte Art der Vorbereitung, basierend auf dem ‚Stärken-/ Schwächen-Profil‘, kann die Führungskraft den Mitarbeitenden ein bestmögli‐ ches und objektives Feedback zu erforderlichen Kompetenzen und Anforde‐ rungen im Jahresgespräch geben.“ FRAGE: „Wie sollte der Inhalt und das Ergebnis des ‚Stärken-/ Schwächen-Profil‘ im Jahresgespräch angewendet werden? “ Interner Coach: „Als Gesprächsgrundlage bieten sich unternehmensweite ein‐ heitliche Feedbackbögen für Mitarbeiter: innenjahresgespräche an. Hierdurch entstehen für das Unternehmen ein einheitliches Regelwerk und ein einheit‐ licher Standard. Dieser einheitliche Standard bietet der Führungskraft einen Rahmen und ermöglicht den Mitarbeitenden sich auf Themenbereiche vorzu‐ bereiten. Zusätzlich bietet der einheitliche Feedbackbogen die Möglichkeit der strukturierten Gesprächsdokumentation, d. h., angesprochene Themen können gleich den Anforderungen und Kompetenzen zugeordnet werden. Auf keinen Fall sollte ein Jahresgespräch ohne Dokumentation geführt werden. Um das Jahresgespräch auch als Führungsinstrument einsetzen zu können, hat sich ein standardisierter Gesprächsbogen mit folgenden Anforderungen und Kompetenzen als hilfreich erwiesen: • Qualität der Arbeitsergebnisse 54 2 (Gemeinsam) Ziele setzen <?page no="55"?> • Quantität der Arbeitsergebnisse • Fachliche Kompetenzen und fachübergreifende Kompetenzen • Soziale Kompetenzen • Führungskompetenz (bei Führungskräften) • Handlungskompetenz, Vertrauen und Glaubwürdigkeit • Veränderungskompetenz und Umsetzungskompetenz • Werteorientierung, Ressourcenmanagement und Kostenmanagement Führungskräften werden mit diesen grundlegenden Anforderungen an Mitar‐ beitende in technischen Bereichen, verknüpft mit den einzelnen Punkten, Anregungen geboten den Mitarbeitenden ein objektives Feedback im Mitar‐ beiter: innenjahresgespräch zu geben.“ 2.2.2 Durchführung des Mitarbeiter: innenjahresgespräches FRAGE: „Welcher Ablauf eines Mitarbeiter: innenjahresgesprächs hat sich in der praktischen Anwendung als erfolgreich erwiesen? “ Interner Coach: „Wie schon beschrieben, sollte als Grundlage des Jahresge‐ spräches ein einheitlicher Feedbackbogen unternehmensweit genutzt werden. Es hat sich gezeigt, dass es nicht zielführend ist, den Feedbackbogen abzuar‐ beiten, zu jedem Kriterium ein kurzes Feedback und eine Bewertung abzugeben, wenn das Jahresgespräch auch als Führungsinstrument genutzt werden soll. Wenn Mitarbeiter: innenjahresgespräche mit der beschriebenen Vorbereitung und als freies Gespräch geführt werden, sind diese zielführend und als Führungs‐ instrument einsetzbar. Man kann auch sagen, der Feedbackbogen bildet nur den groben Rahmen und dient zur Dokumentation sowie zur Bewertung einzelner Kriterien. Grundlage ist bei mir immer das erstellte ‚Stärken-/ Schwächen-Profil‘ des jeweiligen Mitarbeitenden. Für ein von mir geführtes Jahresgespräch plane ich 60-90 Minuten, inklusive Zielableitung mit dem Mitarbeitenden, ein. Gespräche über 90 Minuten sollten aufgrund nachlassender Konzentration und Wiederholungen auf beiden Seiten vermieden werden. Sollte das Jahresgespräch nicht innerhalb der 60-90 Minuten beendet werden können, ist es besser, rechtzeitig nach Abschluss eines Themas abzubrechen und einen zweiten Termin zu vereinbaren. Mitarbeiter: innenjahresgespräche werden von mir frei, auf Augenhöhe und nebeneinandersitzend (90°-Position) geführt. Die Gesprächsführung bleibt aber immer bei mir als Führungskraft. Es werden im Gespräch alle von mir in der Vorbereitung ermittelten und kategorisierten Themen angesprochen und erläutert. Es lohnt sich nicht, Themen zu besprechen oder zu Themen ein 55 2.2 Praxis des Mitarbeiter: innenjahresgesprächs <?page no="56"?> Feedback zu geben, wenn diese nicht in den Aufzeichnungen vorkommen oder erwähnenswert waren. Der Einstieg in das von mir ‚locker‘ geführte Mitarbeiter: innenjahresge‐ spräch beginnt mit einem kurzen Rückblick auf das vergangene Jahr. Im Zweiten Schritt gehe ich auf die von mir ermittelten und für mich wichtigen Kriterien und Themenbereiche ein. Diese Art der Gesprächsführung ermöglicht Themen aus Sicht der Führungskraft zu besprechen und aufzuarbeiten. Hierbei hat sich gezeigt, dass bei einem aus Sicht der Führungskraft negativem Feedback der Grund hierfür nicht immer bei den Mitarbeitenden liegt, sondern die Anforderungen aufgrund mangelhafter Kommunikation oder zu hoher Qualifi‐ kationseinschätzung der Führungskraft, durch den Mitarbeitenden nicht erfüllt werden konnten. An dieser Stelle ergibt sich für mich somit die erste Möglichkeit zur Ableitung eines SMART formulierten Zieles für das nächste Jahr. Weiterhin habe ich festgestellt, dass durch die lockere Gesprächsführung und des Austausches zu Themen auf Basis der beschriebenen Vorbereitung, automatisch Themenbereiche und Anforderungen eines standardisierten Feed‐ backbogens angesprochen werden. Für die Gesprächsführung ist es teilweise weiterhin vorteilhaft, eine Selbst‐ einschätzung zu einzelnen Themenbereichen von den feedbacknehmenden (Mitarbeitenden) zu erfragen. Dieses Vorgehen eignet sich besonders bei ver‐ schlossenen und introvertierten Mitarbeitenden. Hier lässt sich mit dieser Technik und offenen Fragen (W-Fragen) das Gespräch gut führen und lenken. Als Gesprächsabschluss nehme ich eine Bewertung zu einzelnen Themen im Feedbackbogen auf Basis des Gesprächs, meiner Einschätzung und der Selbsteinschätzung der Mitarbeitenden vor. Es hat sich gezeigt, dass meistens die Selbsteinschätzung der Mitarbeitenden und die Einschätzung der Führungskraft deckungsgleich sind. Wird von mir eine abweichende Einschätzung zur Selbsteinschätzung vor‐ genommen, kann diese durch die Aufzeichnungen nachvollziehbar begründet werden. Durch diese Art des Feedbacks und der so einvernehmlich vorgenommenen Bewertung einzelner Kriterien, versuche ich mit dem Mitarbeitenden drei Ziele ‚SMART‘ formuliert als Zielvereinbarung abzuleiten. Auch hier bietet es sich an, den Mitarbeitenden auf Basis des Gesprächsver‐ laufes und der Bewertung nach seinen persönlichen Ziel- und Entwicklungsvor‐ stellungen zu fragen oder mit ihm zu erarbeiten. Ich gebe erst Ziele vor, wenn die Mitarbeitenden keine persönlichen Ziele haben, keinen Qualifizierungsbedarf für sich sehen oder keine Ziele möchten. 56 2 (Gemeinsam) Ziele setzen <?page no="57"?> Das Feedback und die Bewertung der vereinbarten Jahresziele durch die Führungskraft ist Ausgangspunkt des Jahresgespräches im Folgejahr. Zusätz‐ lich sind das Feedback und die Bewertung der einvernehmlich abgeleiteten Zielvereinbarungen bei einer monetären variablen Vergütung als Bewertungs‐ grundlage einsetzbar. Zusammenfassend habe ich festgestellt, dass Mitarbeiter: innenjahresge‐ spräche, die in dieser Form der • Vorbereitung, • Gesprächsführung, • Zielableitung geführt werden, sich sehr gut als Führungsinstrument eignen.“ FRAGE: „Wie wird ein Jahresgespräch mit Mitarbeitenden geführt, die kein Jahresfeedback wollen, dieses als ‚lästiges Übel‘ ansehen, sich nicht weiterent‐ wickeln möchten, oder kein Interesse an Feedback aufgrund bevorstehenden Ausscheidens (z. B. Ruhestand) haben? “ Interner Coach: „In diesem Fall gibt es aus meiner Sicht nur die Möglichkeit des direkten Feedbacks. Grundlage ist auch hier das ‚Stärken-/ Schwächen-Profil‘ des Mitarbeitenden, wobei in diesem Fall kein gegenseitiges ‚lockeres Gespräch‘ und ein Austausch auf Augenhöhe stattfindet. Als vorgesetzte Führungskraft kann ich die Mitarbeitenden nur direkt ansprechen und Feedback geben zu: • Wo waren aus Sicht der vorgesetzten Führungskraft Stärken vorhanden? • Wo gab es aus Sicht der vorgesetzten Führungskraft Schwächen? Zum vorgenommenen Feedback erfolgt im Anschluss eine direkte Bewertung der Stärken und der Schwächen durch die Führungskraft mit einer klaren SMART formulierten Zielvorgabe für das Folgejahr. Mit dieser Art der Gesprächsführung habe ich besonders bei Mitarbeiten‐ dengruppen, die schon lange in ihrem Tätigkeitsfeld beschäftigt sind, Erfolge erzielt. Bei dieser Gruppe Mitarbeitenden wirkt das direkte Gespräch, besonders bei einer plötzlichen nicht erwarteten abweichenden negativen Beurteilung durch die Führungskraft zur Selbsteinschätzung des Mitarbeitenden, plötzlich motivierend, und erweckt den Ehrgeiz, zumindest wieder das alte Niveau zu erreichen.“ FRAGE: „Kann die Führungskraft als Feedbackgeber aus dem Mitarbeiter: in‐ nenjahresgespräch auch lernen und etwas für sich selbst ableiten? “ 57 2.2 Praxis des Mitarbeiter: innenjahresgesprächs <?page no="58"?> Interner Coach: „Nach Abschluss des Mitarbeiter: innenjahresgespräches und SMART formulierten Zielen für das Folgejahr folgt bei mir immer die Bitte um Feedback durch die Mitarbeitenden an die Führungskraft. Ein Einfordern macht hier keinen Sinn, es gibt viele Mitarbeitende, die eine gewisse Scheu haben, der Führungskraft gegenüber offen Kritik zu äußern. Diese sind häufig Mitarbeitende, die neu im Bereich sind, oder zu denen kein Vertrauensverhältnis aufgebaut wurde. Damit auch ich als Führungskraft mich weiterentwickeln kann, hat es sich als vorteilhaft gezeigt, um Feedback zu folgenden Themenbereichen zu bitten: • Zusammenarbeit in Bezug auf Information, Kommunikation, Delegation • Zuteilung von Aufgaben und Verantwortung • Berücksichtigung von Kenntnissen und Fähigkeiten • Unterstützung bei der beruflichen Entwicklung • Auftreten und Verhalten dem Mitarbeitenden gegenüber Hier sei aber gesagt: ‚Es wird kein zweites Jahresgespräch geführt.‘ Die Füh‐ rungskraft erfragt für sich das Feedback, einschließlich Verbesserungsmöglich‐ keiten zu Kritikpunkten und wertet es für sich selbst aus. Je häufiger die Frage zum Feedback an unterschiedliche Mitarbeitende oder Gruppen von Mitarbeitenden gestellt wird, desto mehr ergibt sich ein Entwicklungsbild für die Führungskraft. Werden alle direkt zugeordneten Mitarbeitende um Feedback gebeten, resultiert ein breitgefächertes Bild zur persönlichen Weiterentwick‐ lung. Mit Zusagen zu Veränderungen im Handeln sollte die Führungskraft aber vorsichtig umgehen. Der Mitarbeitende wird die Führungskraft an diesen Punkten messen. Werden mehrfach zugesagte Punkte nicht eingehalten, ist in den Folgejahren die Frage nach dem Feedback sinnlos. Zusammenfassend ist zu Mitarbeiter: innenjahresgesprächen zu sagen: • Mitarbeiter: innenjahresgespräche eignen sich als zusätzliches Führungs‐ instrument. • Mitarbeiter: innenjahresgespräche motivieren. • Mit Mitarbeiter: innenjahresgesprächen kann effektive Mitarbeiter: in‐ nenentwicklung betrieben werden. • Durch Mitarbeiter: innenjahresgespräche können Potenzialträger: innen ermittelt werden. • Auf Basis des Mitarbeiter: innenjahresgespräches kann eine variable Ver‐ gütung abgeleitet werden. • Durch Feedback an Vorgesetzte ergeben sich Entwicklungsmöglich‐ keiten.“ 58 2 (Gemeinsam) Ziele setzen <?page no="59"?> 3 (Miteinander) planen und entscheiden In diesem Kapitel widmen wir uns zunächst der Frage, ob bzw. wann es geboten ist, Mitarbeitende in Planungs- und Entscheidungsprozessen miteinzubeziehen. Hierzu greifen wir auf das Entscheidungsbaum-Modell nach Vroom & Yetton zu‐ rück. Im Anschluss zeigen wir auf, welchen Anforderungen sich Führungskräfte zu stellen haben, wenn sie als Moderator: innen Changemanagement-Prozesse gestalten. Zudem präsentieren wir Methoden und Techniken, um ideenreich Maßnahmen und Aktionen zu sammeln und strukturiert Entscheidungen im Hinblick auf deren Umsetzung zu treffen. Schließlich reflektieren wir Planungs- und Entscheidungsprozesse in einem produzierenden Betrieb während der Corona-Krise. 3.1 Das Entscheidungsbaum-Modell nach Vroom & Yetton Spätestens nachdem Kurt Lewin in den 1940er Jahren experimentell das Ver‐ halten und die Arbeitsleistung kleiner Gruppen unter Variation der Führungs‐ stile demokratisch, autoritär und laissez-fair geprüft hat, dürfte erwiesen sein, dass es den richtigen Führungsstil nicht gibt. Abhängig von äußeren Einfluss‐ faktoren sollte jeweils der passende, der Situation angemessene Führungsstil realisiert werden. Es reicht, wenn man sich eine im wahrsten Sinne des Wortes brenzlige Situation vorstellt. Im Brandfall bedarf es klarer Ansagen der Einsatzleitung, um das Handeln der Feuerwehr in die richtigen Bahnen zu lenken. Es ist klar geregelt, wer was wie zu tun hat. Diskussionen verbieten sich hier geradezu. Schließlich muss schnell gehandelt werden. Klar ist: Hier ist autoritäres zwingend notwendig und unbedingt erforderlich. In diesem Zusammenhang sei zudem angemerkt, dass nach meinem Dafür‐ halten in Krisensituationen autoritäre Vorgehensweisen eher sogar gefordert und auch wertgeschätzt werden, was sich beispielsweise auch deutlich in den Beliebtheitswerten deutscher Ministerpräsident: innen auf dem Höhepunkt der ersten Corona-Welle deutlich gezeigt hat. Es hat sich mir der Eindruck aufge‐ drängt, dass in Krisensituationen demokratische Abstimmungsprozesse sogar eher als fehl am Platz betrachtet werden, während autoritäre Verhaltensweisen breite Zustimmung gefunden haben. <?page no="60"?> FRAGE: „Aus diesen Annahmen lässt sich folgern, dass Führungshandeln situativ ausgerichtet werden sollte, um das Verhalten der Mitarbeitenden dahingehend zu beeinflussen, dass anvisierte Leistungsergebnisse bei weitge‐ hender Akzeptanz des Vorgehens motiviert erzielt werden. Damit stellt sich die Frage, wann ich mich für ein eher direktives Vorgehen mit konkreten Ansagen entscheiden sollte bzw. wann ein kooperatives gemeinsames Planen und Entscheiden eher angesagt ist, um der Situation gerecht zu werden.“ Externer Coach: „Die diskrete Unterscheidung zwischen ‚direktiv‘ einerseits und ‚kooperativ‘ andererseits reicht nicht aus, um der Vielfalt unterschiedlicher Führungssituationen in der Technik Rechnung zu tragen. In Anlehnung an Tannenbaum & Schmidt bietet es ich eher an, von einem sogenannten Füh‐ rungsstilkontinuum auszugehen, in dem Graustufen zwischen den zwei Polen ‚direktiv‘ und ‚partizipativ/ kooperativ‘ anhand einer Entscheidungssituation beschrieben werden. Demnach agieren Führungskräfte in Entscheidungssituationen zwischen den genannten Polen ‚direktiv‘ und ‚partizipativ/ kooperativ‘, indem sie • die Entscheidung treffen und sie bekannt geben, • die schon getroffene Entscheidung ‚verkaufen‘, wobei sie ihre Gedanken mitteilen und zu Fragen auffordern, • eine vorläufige Entscheidung bekanntgeben, die noch abgeändert werden kann, • das Problem beschreiben, Vorschläge sammeln, und dann selbst die Entscheidung treffen, • die Grenzen umschreiben und die Gruppe auffordern, zu entscheiden, • den Mitarbeiter: innen gestatten, sich in gesteckten Grenzen frei zu bewegen.“ FRAGE: „Somit weiß ich zwar, dass ich situationsabhängig Entscheidungen mehr oder weniger stark unter Einbeziehung der Mitarbeiter: innen treffen sollte, aber noch nicht, für welche Situation welche Vorgehensweise geeignet ist.“ Externer Coach: „Und genau hier setzt das Modell von Vroom & Yetton an. Auch hier werden zunächst Führungsstile beschrieben und dann werden Merkmale der Entscheidungssituation festgelegt, die als geschlossene Fragen in einem Entscheidungsbaum den Weg zu einem der beschriebenen Stile bahnen. Hinweise zur Entscheidungsstrategie und zum Entscheidungsstil runden das Modell ab. Führen Sie sich eine Entscheidungssituation vor Augen und folgen Sie den Ausführungen auf den Folgeseiten! “ 60 3 (Miteinander) planen und entscheiden <?page no="61"?> Führungs-, bzw. Entscheidungsstile nach Vroom & Yetton • Autokratisch AI (Alleinentscheidung): Die Führungskraft löst und ent‐ scheidet das Problem auf Grundlage ihrer aktuell verfügbaren Informa‐ tionen selbst. • Autokratisch AII (Einholen fehlender Informationen): Die Führungskraft holt die ihr zur effizienten Entscheidung notwendigen Informationen jeweils bei einzelnen Mitarbeitenden ein und entscheidet daraufhin allein. • Konsultativ BI (Beratung mit Einzelnen): Die Führungskraft bespricht das Problem jeweils mit einzelnen, relevanten Mitarbeitenden und nicht als Gruppe, um Ideen und Vorschläge einzuholen, entscheidet dann aber allein. • Konsultativ BII (Beratung mit der Gruppe): Die Vorgesetzten diskutieren das Problem mit ihren Mitarbeitenden in einer Gruppenbesprechung und entscheiden dann allein, wobei die Ideen und Vorschläge der Besprechung nicht zwingend in die Lösung der Vorgesetzten eingehen müssen. • Demokratisch GII (Gruppenentscheidung): Die Führungskraft erörtert das Problem mit ihren Mitarbeitenden als Gruppe. Sie ist dabei in der Rolle einer koordinierenden vorsitzenden Person, der die restlichen Gruppenmitglieder nicht in ihrer Entscheidungsfindung beeinflusst. Merkmale der Entscheidungssituation a. Qualitätsanforderungen: Gibt es eine Qualitätsanforderung, ist vermut‐ lich eine Lösungsalternative besser als eine andere? b. Informationsstand der vorgesetzten Person: Hat sie genügend Informa‐ tionen, um eine qualitativ hochwertige Entscheidung allein treffen zu können? c. Strukturiertheit des Problems: Ist das Problem strukturiert? Hat es sich bereits auf die Auswahl aus vorhandenen Alternativen reduziert? d. Handlungsspielraum der Mitarbeitenden: Ist die erfolgreiche Umsetzung der Entscheidung von der Akzeptanz der Entscheidung durch die Mitar‐ beitenden abhängig? e. Einstellung der Mitarbeitenden zu autoritärer Führung: Würde eine autokratische Entscheidung seitens der vorgesetzten Person von den Mitarbeitenden akzeptiert werden? f. Akzeptanz der Organisationsziele durch die Mitarbeitenden: Teilen die Mitarbeitenden die Unternehmensziele, die durch die Problemlösung erreicht werden sollen? g. Gruppenkonformität: Wird die gewählte Lösungsalternative vermutlich zu Konflikten unter den Mitarbeitenden führen? 61 3.1 Das Entscheidungsbaum-Modell nach Vroom & Yetton <?page no="62"?> Verwenden Sie nun hier abgebildeten Entscheidungsbaum, indem Sie unter Beachtung der darunter aufgeführten Regeln auf dem Weg zu Entscheidungs‐ findung die Fragen a - g beantworten und so die Empfehlung für den optimalen Entscheidungsstil finden. 7 Abb. 3.1.: Entscheidungsbaum Abb. 3.1.: Entscheidungsbaum Regeln auf dem Weg zur Entscheidungsstrategie • Informationsregel: Wenn die Entscheidungsqualität hoch sein soll, die vorgesetzte Person nicht über ausreichende Informationen oder Fachwissen verfügt, scheidet AI aus. • Ziel-Übereinstimmungsregel: Wenn die Entscheidungsqualität hoch sein soll, die Mitarbeitenden die Ziele der Organisation, in Bezug auf die Problemlösung nicht teilen, ist GII auszuschließen. • Regel für unstrukturierte Probleme: Wenn die Entscheidungsqualität hoch sein soll, die Führungskraft nicht über genügend Informationen verfügt und das zu lösende Problem unstrukturiert ist, dann scheiden AI, AII und BI aus. • Akzeptanzregel: Die Akzeptanz der Entscheidung durch die Mitarbei‐ tenden ist wichtig und bei autoritärer Entscheidung nicht genügend sichergestellt: AI und AII scheiden aus. • Konfliktregel: Die Akzeptanz der Entscheidung durch die Mitarbei‐ tenden ist wichtig und bei autoritärer Entscheidung nicht genügend sichergestellt; zudem sind die Mitarbeitenden über die beste Lösung uneins: AI, AII und BI scheiden aus. 62 3 (Miteinander) planen und entscheiden <?page no="63"?> • Fairness-Regel: Wenn die Entscheidungsqualität unwichtig, deren Ak‐ zeptanz allerdings wichtig und bei autokratischer Entscheidungsweise nicht genügend sichergestellt ist, dann scheiden AI, AII, BI und BII aus. • Akzeptanz-Vorrang-Regel: Wenn die Mitarbeitenden die Ziele der Organisation teilen und die Akzeptanz wichtig, jedoch bei einer Allein‐ entscheidung nicht wahrscheinlich ist, dann sollten AI, AII, BI und BII außer Betracht bleiben. Bei der Auswahl des optimalen Entscheidungsstils sind zudem die Aspekte der Partizipationsmaximierung und der Aufwandsminimierung zu beachten. Während bei der Partizipationsmaximierung zur Entwicklung des Teamgeistes grundsätzlich der zulässige Entscheidungsstil auszuwählen ist, der am meisten Entscheidungspartizipation bietet, ist bei der Aufwands-Minimierung grund‐ sätzlich der Stil auszuwählen, der am wenigsten zeitaufwendig ist, d. h. zumeist der direktivste Stil. Wer sich mit den nachfolgenden Leitfragen zu den Facetten der Entschei‐ dungssituation auseinandersetzt, findet den optimalen Entscheidungsstil: • Entwicklungschancen: Wie wichtig ist Ihnen die Maximierung der Entwicklungschancen für die Mitarbeitenden? • Zeitökonomie: Wie wichtig ist Ihnen die Minimierung der zur Entschei‐ dungsfindung benötigten Zeit? • Kostenrestriktion: Sind die Kosten für eine gemeinsame Besprechung mit allen Mitarbeitenden unverhältnismäßig hoch? • Zeitrestriktion: Liegt eine Zeitrestriktion vor, die so schwerwiegend ist, dass sie der Beteiligung von Mitarbeitenden am Entscheidungsprozess Grenzen setzt? • Informationsstand der Mitarbeitenden: Haben die Mitarbeitenden genügend Informationen für eine Entscheidung von hoher Qualität? 3.2 Anforderungen an Führungskräfte als Moderator: innen FRAGE: „Schaue ich auf meine Führungspraxis, stelle ich fest, dass es zuneh‐ mend wichtiger geworden ist, die Mitarbeitenden in die Entscheidungsfindung und in Planungsprozesse mit einzubeziehen und dies auch zumeist von den Mitarbeitenden ausdrücklich gewünscht wird. Ich komme also kaum noch darum herum, mir Gedanken über das zu machen, was Sie ‚Partizipationsmaxi‐ mierung zur Entwicklung des Teamgeistes‘ genannt haben. Nur - wie gehe ich diesbezüglich vor bzw. welche Anforderungen kommen da auf mich zu? “ 63 3.2 Anforderungen an Führungskräfte als Moderator: innen <?page no="64"?> Externer Coach: „Je wichtiger es ist, Ressourcen von Mitarbeitenden bei‐ spielweise in Changemanagement-Prozessen schon bei der Planung und Ent‐ scheidungsfindung einzubeziehen, und/ oder Potenziale der Mitarbeitenden zu entfalten bzw. zu entwickeln, umso bedeutsamer ist es, als Führungskraft den Anforderungen an die Rolle von Moderator: innen im betrieblichen Kontext zu entsprechen. Bei der Moderation von Teams kommt es nicht darauf an, wer zuerst eine Problemlösung entwickelt oder wer seine Vorstellungen am nachdrücklichsten vertreten kann, sondern darauf, dass die Gruppe gemeinsam anstehende Auf‐ gabenstellungen bearbeitet. Die Erfahrung zeigt, dass sich komplexe Anforde‐ rungen meist nur durch Gemeinschaftsleitungen optimal bewältigen lassen. Ab‐ gesehen von wenigen Ausnahmen erreichen Teams mehr als einzelne Experten (‚Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile‘), wenn jedes Teammitglied sich bereitwillig in das Team einfügt. Ein gutes Team verfügt über Mitglieder, die • sich artikulieren können, • Wir-Haltung empfinden, • positive Einstellung haben, • Geduld zeigen, • systematisch vorgehen, • Fachwissen besitzen. Ob ein Team gut zusammenarbeitet, hängt in entscheidendem Maße davon ab, ob sich Führungskräfte als Moderator: innen verstehen und stellt an sie in dieser besonderen Funktion auch besondere Anforderungen: 1) Starkes Engagement Führungskräfte als Moderator: innen verfügen genau dann über ein angemessen starkes Engagement, wenn sie darauf achten, zwei extreme Einstellungen zu vermeiden: Sie sollten nicht übermotiviert, d. h. kritiklos, fanatisch und ohne Wider‐ spruch zu dulden ans Werk gehen. Es gibt weder für die Führung einer Gruppe noch für die Lösung der anstehenden Problemstellungen Patentrezepte - zu radikales Vorgehen bei der Ein- und Durchführung von Arbeitskreisen provoziert Widerstand und Widerspruch. Sie sollten vor allem in der Einführungsphase darauf achten, skeptischen Einstellungen im Hinblick auf die Erfolgsaussichten der Arbeit offen und part‐ nerschaftlich zu begegnen. Es gilt Zweifeln, kritischen Fragen und Einwänden standzuhalten, überzeugend zu argumentieren und dabei die Probleme der an‐ 64 3 (Miteinander) planen und entscheiden <?page no="65"?> deren ernst zu nehmen und sich fair mit ihnen auseinanderzusetzen. Schließlich signalisieren die Einwände Interesse - solange jemand sich kritisch mit der Arbeit auseinandersetzt, beschäftigt er sich damit. Skeptiker: innen bieten über ihr bekundetes Interesse an, sie im partnerschaftlichen Gespräch zu überzeugen. Diese Chance muss als solche erkannt und zur Vertiefung des kooperativen Miteinanders genutzt werden. 2) Durchhaltevermögen Bei der Implementierung von Veränderungsprozessen wird es beinahe zwangs‐ läufig nach der ersten Begeisterung zu zeitweiligen Rückschlägen kommen. Dies liegt in der Natur der Sache - schließlich müssen viele Menschen ihr Miteinander regeln, sich aufeinander einstimmen, nicht nur ihr berufliches, sondern auch ihr soziales Handeln reflektieren und sich aus überkommenen Positionen lösen, um gemeinschaftlich neue Wege zu finden und einzuschlagen: Frustrationen sind beinahe vorprogrammiert. Für Moderator: innen im Prozessmanagement heißt das, Frustrationen so zu verarbeiten, dass sie ihnen dazu verhelfen, die Arbeit im Team zu optimieren - Rückschläge sind keine Niederlagen, sondern Wegweiser für die zukünftige Arbeit und zugleich Anker, um neue Sichtweisen zu erschließen. So gesehen sind sie sogar Kraftquelle für die weitere Zusammenarbeit. 3) Positive Einstellung zur Leistung des Teams Sowohl beim Analysieren von Problemen als auch bei der Lösung begegnen Moderator: innen Teammitgliedern partnerschaftlich und aufgeschlossen. Mit einer positiven Einstellung zur Gemeinschaftsleistung sichern sie diese durch die Wahl geeigneter Methoden und Techniken. Selbstkritisch sollten sie davon ausgehen, dass sie von den Teammitgliedern eher autoritärer wahrgenommen werden als sie selbst glauben. Dies bedeutet jedoch keineswegs den Verzicht auf die Führung der Gruppe - diese muss geführt werden, jedoch partnerschaftlich und verantwortungsbewusst, ohne Manipulationsversuche. 4) Fähigkeit zum systematischen Vorgehen Um systematisch Prozessmanagement zu betreiben, sind logisches Denken und planvolles Vorgehen Grundvoraussetzungen. Es gilt eine klare Linie zu halten ohne in bevormundendes, starres Vorgehen zu verfallen oder unsystematisch und oberflächlich Problemstellungen zu bearbeiten. Kreativität und Einfalls‐ reichtum der Gruppe werden sonst blockiert. 65 3.2 Anforderungen an Führungskräfte als Moderator: innen <?page no="66"?> 5) Sprachliche Ausdrucksfähigkeit Führungskräfte sollten in der Lage sein, einen Tatbestand verständlich, klar, präzise und eindeutig auszudrücken. Schließlich wird diese Fähigkeit im Team immer wieder abgefordert, zum Beispiel, wenn • Teilnehmende sich sprachlich nicht deutlich genug ausdrücken können. Hier sollten sich Führungskräfte in die Gedankenwelt der Teilnehmenden einfühlen und in ihrem Sinn für alle neu und verständlich formulieren. • es im Team unterschiedliche Meinungen zum Thema gibt. Hier gilt es, eine für alle akzeptable Kompromisslösung zu finden und überzeugend vorzutragen. • die erarbeiteten Lösungsansätze schriftlich protokolliert und in einen Maßnahmenkatalog übertragen werden müssen. Hier müssen eindeutige Formulierungen gefunden werden, so dass der Text auch im Nachhinein ohne weitere Erklärung verstanden werden kann. 6) Fachkompetenz und Fähigkeit zur Selbstkritik Besonders dann, wenn Führungskräfte in ihrer Rolle als Moderator: innen selbst Expert: innen auf einem Gebiet sind, das im Team behandelt wird, kann es zu Konflikten kommen, wenn es anderen Teilnehmenden an dem nötigen Hintergrundwissen fehlt. Hier muss darauf geachtet werden, Wissenslücken sachorientiert zu schließen, damit die Gruppe die zur Problemlösung nötigen Vorkenntnisse besitzt. Konflikte können auch entstehen, wenn Teilnehmende ausgewiesene Spe‐ zialist: innen sind und es den Führungskräften bei dem behandelten Punkt an Fachwissen fehlt. In diesem Fall sollten sie selbstbewusst ihr Nichtwissen eingestehen und ihre Partner: innen bitten, ihre fachliche Kompetenz der Gruppe zur Verfügung zu stellen. In jedem Fall liegt der Schlüssel zur erfolgreichen Arbeit nicht im besserwis‐ serischen oder belehrenden Tun, sondern im kooperativen Miteinander. 7) Persönliche Autorität Gleich ob als vorgesetzte Person oder als Kolleg: in der gleichen Hierarchiestufe - Führungskräfte werden sich als Moderator: innen in ihrem Unternehmen profilieren können, wenn es ihnen gelingt, Gemeinschaftsleistungen zu erzielen. Hierzu ist persönliche Autorität mehr gefragt als hierarchische. Mit zuneh‐ menden Erfolgen wird persönliche Autorität gefestigt und soziale Kompetenz wachsen. Um souverän aufzutreten, helfen die 66 3 (Miteinander) planen und entscheiden <?page no="67"?> 10 Gebote für Führungskräfte in der Moderatorenrolle: 1. Aufmerksamkeit und Interesse sichern, ggf. Atmosphäre entspannen. 2. Diskussion in Gang setzen. 3. Diskussion im Hinblick auf Art und Menge der Beiträge steuern: Alle ermuntern, ihre Meinung zu äußern, ohne Antworten zu erzwingen. 4. Aussprache versachlichen: positive Emotionen fördern, negative ab‐ bauen, Vorurteile verdeutlichen, persönliche Angriffe zurückweisen und entschärfen = Eskalationen frühzeitig unterbinden. 5. Helfen, ohne zu tadeln: Meinungen gleichberechtigt würdigen, beim Formulieren unterstützen, Diskussionsbeiträge weder durch Äußerungen noch durch Körpersprache abwerten. 6. Spielregeln benennen und einhalten: Worterteilung flexibel gestalten, so dass spontane Reaktionen möglich bleiben, Nebendiskussionen verhin‐ dern. Behutsamkeit vor Forschheit, aber auch Machtwort vor Chaos. 7. Zeit beachten: Straffen und forcieren. 8. Zwischenzusammenfassungen durchführen, präsentieren und visuali‐ sieren, um Ruhe und Abstand herzustellen. 9. Am Ende zusammenfassen und Maßnahmenkatalog vereinbaren. 10. Dank an die Teilnehmer und ggf. an Fachreferenten. Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass eine konsequente Moderation als wesentliche Bedingung für optimale Gemeinschaftsleistungen zu betrachten ist. Mit der Moderation steht und fällt die Gemeinschaftsleistung. Unter Mode‐ ration werden alle Bemühungen eines oder zweier Menschen verstanden, den Meinungs- und Willensbildungsprozess einer Gruppe zu ermöglichen und zu erleichtern, ohne inhaltlich einzugreifen und zu steuern. Moderator: innen verstehen sich als methodische Helfer: innen, die ihre ei‐ genen Meinungen, Ziele und Wertungen zurückstellen. Sie • schaffen Atmosphäre, indem sie für geeignete Rahmenbedingungen sorgen, um ein offenes, faires und ehrliches Miteinander zu ermöglichen, • organisieren Kommunikation, sprechen Störungen offen an und versach‐ lichen Konflikte, • entwickeln Spielregeln für den Umgang miteinander, • fördern Informationsaustausch durch Fragen nach Fakten, Bedürfnissen und Interessen, • entschärfen starre Positionen, indem sie Forderungen in Wünsche oder Erwartungen umformulieren, • ermöglichen konstruktive Mitwirkung an der Lösungsfindung, • suchen gemeinsam mit den Teilnehmenden nach Lösungsalternativen, 67 3.2 Anforderungen an Führungskräfte als Moderator: innen <?page no="68"?> • setzen Problemlösetechniken und Gewinner-Gewinner-Strategien ein und • stellen Realisierung und Erfolgskontrolle sicher.“ FRAGE: „Gibt es vor dem Hintergrund der skizzierten Anforderungen an Moderator: innen Empfehlungen zur erfolgreichen Moderation? “ Externer Coach: „Um erfolgreich zu moderieren, sollten Führungskräfte die Regeln zum Verhalten von Moderator: innen beachten: 1) Fragen statt sagen Durch Fragen wird Kommunikation in Gang gesetzt. Die Teammitglieder bringen alles mit, was benötigt wird: Fachkompetenz in Theorie und Praxis, Willen, Kreativität und die Fähigkeit zu suchen, was fehlt und aus allem zu lernen. Moderator: innen organisieren den Austauschprozess, öffnen Türen und räumen Blockaden aus. Ihre Aufgabe besteht darin, Bedürfnisse, Ziele und Meinungen zu verdeutlichen, auf den Punkt zu bringen und diskutierbar darzustellen. Dabei müssen Unterschiede und Gemeinsamkeiten bewusst wahr‐ genommen werden, um den Rahmen für Lösungsmöglichkeiten abzustecken. Gemeinsames Handeln wird auf der Basis gegenseitigen Vertrauens ermög‐ licht oder es wird sichtbar, wo die Grenzen gemeinsamen Vorgehens liegen. Den Anstoß dazu geben Moderator: innen mit ihrer Fragetechnik. Bestimmte Fragen dienen dem Austauschprozess, andere sind ungeeignet, verhindern ihn geradezu. Die Kunst besteht darin, im richtigen Augenblick die richtige Frage zu stellen. Wer fragt, • will etwas wissen, was er noch nicht weiß - daher keine Lehrer: innen‐ fragen, keine Fang- und auch keine Suggestivfragen, • ist neugierig und will auf die Antworten neugierig machen, daher keine banalen, langweiligen Fragen, keine Wissens- und auch keine peinlichen Fragen, • will Aufmerksamkeit wecken - daher weder Killernoch Rechtferti‐ gungsfragen, • möchte Auskunft über viele, unterschiedliche Meinungen - daher weder Ja-Nein-Fragen noch theoretische oder hypothetische Fragen, • setzt auf Vertrauen - daher keine „Wer-ist-Schuld-Fragen“ und keine abwertenden und/ oder beschönigenden Fragen, • will nicht einzelne in einer Gruppe beschämen, verletzen oder aus‐ schließen - daher keine Fragen, die zu Gesichtsverlust führen oder einzelne hervorheben. 68 3 (Miteinander) planen und entscheiden <?page no="69"?> 2) Aus der richtigen Grundhaltung heraus handeln In der Fragehaltung verdeutlicht sich die Grundhaltung der Moderator: innen zu den Teilnehmenden ihrer Arbeitskreise. Es ist hoch bedeutsam zu reflektieren, aus welchem Menschenbild heraus auf die Gruppe zugegangen wird. Dieses wird in der Gruppe im Verhalten und der Stimmung gespiegelt. Die Gruppe reagiert sensibel auf ‚Kleinigkeiten‘ im Verhalten der Moderator: innen. Selbst wenn es keinem unmittelbar bewusst ist - in Blick, Bewegung, Tonfall, Ruhe und Hektik drückt sich die Meinung der Moderator: innen und ihr Gefühl für und in der Gruppe aus. Es kann jedoch nicht Aufgabe der Moderator: innen sein, sich zu verstellen oder ihre Befindlichkeit zu verdecken. Für sie geht es vielmehr darum, sich ihrer Haltung bewusst zu werden und zu erkennen, welchen Anteil ihr Verhalten an möglichen Problemen in der Gruppe hat, statt nur bei den Teilnehmenden die Schuld zu suchen. Die eigene Grundhaltung hinterfragen, bedeutet gleichzeitig, sich der eigenen Stärken und Schwächen bewusst zu sein - was verursacht persönlichen Ärger, was verletzt und wann besteht Gefahr, sich aus Machtstreben, Ehrgeiz, Eitelkeit oder Sympathie menschlich verwickeln zu lassen. Alles was Moderator: innen tun, wirkt auf die Gruppe. Sie sollten wissen, was mit ihnen geschieht, was bei ihnen im Gruppenprozess abläuft, um nicht unnötig in Fettnäpfchen zu treten oder sich selbst und der Gruppe böse Fallen zu stellen. Fürchten sich Moderator: innen beispielsweise vor heftigen Auseinanderset‐ zungen, werden sie alles versuchen, Konflikte schon im Vorfeld zu unterbinden. Die Gruppenatmosphäre bleibt zwar ruhig, es geht aber auch nicht weiter. Hier sollten Moderator: innen ihre Angst entweder selbst überwinden, oder sich für konfliktträchtige Problemstellungen eine Co-Moderator: in suchen, welche ihnen unterstützend unter die Arme greift, so dass sie nach und nach lernen, ihre Angst besser zu steuern. 3) Die Gruppe anleiten und nicht bekämpfen Es ist beinahe ein Naturgesetz - kaum steht jemand vor einer Gruppe, neigt er dazu, sie zu lenken, zu steuern oder gar zu manipulieren. Allein schon die Position ‚Leiter: in‘ oder ‚Moderator: in‘ verführt dazu, zu glauben, man selbst wisse am besten, wo es langgeht und was am besten zu tun ist. Guten Moderator: innen ist bewusst, dass sie zwar das Steuerrad in ihren Händen halten und wissen, wie die Maschine funktioniert, die Gruppe jedoch den Kurs bestimmt. Als methodische Helfer: innen halten sie sich inhaltlich eher bedeckt und zurück - keine einfache Aufgabe für fachkompetente Mo‐ 69 3.2 Anforderungen an Führungskräfte als Moderator: innen <?page no="70"?> derator: innen. Schließlich entspricht es dem Normalverhalten eher, entweder sprachlich oder auch nicht-sprachlich über die Körpersprache mitzuteilen, welche Meinung man zu Problemstellungen des eigenen Fachgebietes hat. Moderator: innen sollten sich von im ‚normalen‘ betrieblichen Alltag sehr nützlichen Ich-Behauptungsmaßnahmen nicht nur lösen, sondern davon los‐ lassen, • dass sie es sind, die die Gruppe irgendwohin haben wollen - Sie sollten in das Wissen, die Fähigkeiten und den Willen der Teilnehmenden Vertrauen investieren und haben, • ihren eigenen Ehrgeiz und den Leistungsdruck, dass doch etwas heraus‐ kommen muss, auf die Gruppe zu übertragen, und stattdessen schauen, was von der Gruppe thematisiert wird und was zu fördern ist, • ihre eigene Meinung zum Thema und ihr Engagement in die Zielsetzung zu dämpfen und jede Meinung, so wie sie ist, anzunehmen und gelten zu lassen. Gute Moderator: innen verstehen sich als ‚Hebammen‘ der Gruppe, sie sind sich stets der Gefahr der Manipulation bewusst, reflektieren entsprechend ihr Verhalten und bremsen rechtzeitig eigene Manipulationsabsichten. 4) Störungen Vorrang geben Jede körperliche Störung, sei es Hunger, Durst, Kälte, Schmerz oder ähnliches und jede psychische Störung, z. B. Angst, Ärger oder Traurigkeit wirkt sich als Hindernis im Lern- und Kommunikationsverhalten aus. Werden Störungen nicht beachtet, entsteht die Gefahr, dass Problemlösungen verhindert oder verfälscht werden, und zwar sowohl bei Einzelnen als auch bei der Gruppe. Je stärker eine Störung unterdrückt wird, desto mehr wird sie indirekt vor‐ herrschen: Paralleldiskussionen entstehen, Rechtfertigungsstrategien werden entwickelt, Nebenkriegsschauplätze eröffnet und Scheingefechte ausgekämpft. Die Problembearbeitung wird verhindert, weil die Störung unbewusst das Gruppengeschehen dominiert. Erkannte Störungen müssen offensiv, rechtzeitig und direkt angegangen werden - selbst wenn sie überhaupt nichts mit dem Thema, was zu bearbeiten ist, zu tun haben. Die Bearbeitung von Problemstellungen gelingt besser, schneller und einfa‐ cher, wenn vorher die Störung aus dem Weg geräumt wurde. Oft reicht schon, auf die erkannte Störung hinzuweisen, sie bewusst zu machen, das damit verbundene Unbehagen kundzutun, um die Gruppe wieder auf die Bearbeitung des Themas zu konzentrieren. 70 3 (Miteinander) planen und entscheiden <?page no="71"?> Störungen liegen sozusagen ‚in der Luft‘. Sie teilen sich als Eindruck von der Gruppenatmosphäre dem Gefühl mit. Werden Ausdruck und Verhalten der Teilnehmenden, sprachliche und nicht-sprachliche Signale sensibel wahr- und Ernst genommen, lassen sich Störungen rechtzeitig erkennen. Durch ein ‚Blitzlicht‘ in der Gruppe, eine kurze Stellungnahme jedes einzelnen zur thematisierten Störung, lässt sich das mit der Störung verbundene Unbehagen verdeutlichen und behandeln. 5) ‚Wahrnehmen‘, ‚Vermuten‘ und ‚Bewerten‘ unterscheiden Die meisten Missverständnisse zwischen Menschen resultieren daraus, dass Vermutungen über die Wirklichkeit nicht von der Wahrnehmung der Realität unterschieden werden und dann die Vermutungen sehr schnell in Bewertungen umgewandelt werden. Es gilt, die Ebenen ‚Wahrnehmen‘, ‚Vermuten‘ und ‚Be‐ werten‘ zu trennen, um Missverständnissen im Gesundheitszirkel vorzubeugen. Hier ein Beispiel: • Ein: e Moderator: in nimmt wahr, dass die Teilnehmenden stumm und mit verschränkten Armen auf ihren Stühlen sitzen und einige sogar zum Fenster hinausschauen. • Er/ Sie vermutet, dass sie sich langweilen. • Er/ Sie ist ärgerlich - schließlich redet er/ sie doch nicht langweilig - und bewertet das Verhalten der Gruppe als beleidigendes Desinteresse an ihren wirklich wichtigen und auch interessanten Ausführungen. Spricht der/ die Moderator: in die Gruppe auf ihre Vermutung hin direkt an, dass seine/ ihre Ausführungen wohl für sie langweilig seien, drängt er/ sie die Gruppe in eine Verteidigungsposition und damit gegen sich. Und das alles, obwohl auch durchaus denkbar ist, dass die Teilnehmenden müde oder aus irgendeinem Grund bedrückt sind. Um angemessen auf das Verhalten in der Gruppe zu reagieren, muss die Beobachtung entweder in eine Frage umgemünzt oder als subjektive Interpre‐ tation verkleidet angeboten werden. Dadurch wird der Gruppe Raum gegeben, eine eigene Antwort zu finden und/ oder die Wahlmöglichkeit, sich den Schuh anzuziehen oder auch nicht. Dieses Verhalten lässt sich gut üben, indem zu jeder Wahrnehmung im Grup‐ penprozess grundsätzlich drei Vermutungen gesucht werden, bevor reagiert wird. So wird auch die Natur der eigenen Wahrnehmungen deutlich. Denn oft resultieren Vermutungen aus früheren Geschichten, die nichts mit dem aktuellen Geschehen zu tun haben. Je bewusster mit diesen Geschichten 71 3.2 Anforderungen an Führungskräfte als Moderator: innen <?page no="72"?> umgegangen wird, umso klarer kann im Hier und Jetzt entschieden werden, was wichtig ist und was nicht in das Gruppengeschehen hineingehört. 6) Persönlich statt allgemein sprechen Allgemeines Sprechen verdichtet sich in einem kleinen Wörtchen: ‚man‘. Es reicht schon, einfach all die Sätze, in denen ‚man‘ verwendet wird, neu zu formulieren: ‚Ich‘ statt ‚man‘, um zu erkennen, wie nützlich es ist, persönlich zu sprechen. Verwandeln sich alle ‚man soll‘, ‚man muss‘ oder ‚man tut nicht‘ in ‚ich soll‘, ‚ich muss‘ oder ‚ich tue nicht‘, wird deutlich, dass die Ausführungen nur eine, nämlich ‚meine Sicht‘ der Dinge widerspiegeln. Ob und inwieweit diese Sichtweise auch für andere gültig ist, ist ein ganz anderes Problem. Mit der Regel ‚ich statt man‘ verfügt jedes Teammitglied über ein Hilfsmittel, mehr Eigenverantwortung für das Gesagte zu übernehmen und es nicht je‐ manden anderen in die Schuhe zu schieben. Die Haltung ist unabdingbare Voraussetzung für Moderator: innen, um das Gruppengeschehen moderieren zu können. Schließlich muss gerade er/ sie sich von den Ansprüchen, Gefühlen und Spielen, die auftauchen können, möglichst frei halten. Hinzu kommt, dass Moderator: innen der Gruppe die meiste Angriffsfläche bieten. Immer wieder werden sie mit Ansprüchen konfrontiert, führen zu müssen, den Überblick zu haben, Disziplin zu halten, durchgreifen zu sollen und, und, und. Diese Ansprüche stellen ihnen Fallen, in die sie nicht ahnungslos hineintappen dürfen. Es ist für sie zwingend notwendig zu wissen, wo sie selbst stehen, was sie selber müssen und wollen und wofür sie Verantwortung zu übernehmen haben. Mit ‚ich statt man‘ verfügen die Moderator: innen über ein gutes Hilfsmittel, sich darüber Gewissheit zu verschaffen. 7) Körpersprache beachten Ständig werden Informationen auf dem nicht-gesprochenen Weg über die Körpersprache vermittelt und wahrgenommen. Anders als sprachliche sind kör‐ persprachliche Informationen nicht oder nur sehr schwer zu verfälschen, von daher also sehr verlässlich - wenn sie richtig gedeutet und verstanden werden. Widerspricht der körpersprachliche Ausdruck, also Mimik, Gestik, Haltung und Bewegung des gesamten Körpers den gesprochenen Ausführungen, gilt: Der Körper lügt nicht! Wer sich am Kopf kratzt, die Nase reibt, die Stirn runzelt, die Augen nieder‐ schlägt oder mit dem Finger in die Luft sticht, so, als würde er sein Gegenüber aufspießen, teilt seinen Partner: innen deutlich mit, was im Augenblick mit ihm los ist. 72 3 (Miteinander) planen und entscheiden <?page no="73"?> Um mit diesen Signalen umgehen zu können, ist es wichtig, in bedeutsamen Situationen den Schwerpunkt der Konzentration auf die Körpersprache zu verlegen. Normalerweise wird nämlich stärker auf die Inhalte als auf die Form geachtet. Die körpersprachlichen Botschaften wirken unterschwellig, ohne dass sie bewusst wahrgenommen werden. Als Übung zur Schulung der bewussten Wahrnehmung der Körpersprache empfiehlt sich, in alltäglichen Gesprächssituationen die verbale Kommunikation wie Hintergrundmusik aufzunehmen und sich auf nicht-gesprochene Informa‐ tionen zu konzentrieren. Nehmen Moderator: innen körpersprachliche Signale des Unbehagens wahr, besteht ihre Aufgabe darin, den Teilnehmenden die Möglichkeit zu geben, ihre Stimmung auszudrücken, indem sie ihre Wahrnehmung thematisieren. 8) Bewertungen und Beurteilungen vermeiden Selbstverständlich sind auch Moderator: innen ganz normale Menschen mit Wertungen, Meinungen und Vorurteilen. Solange sie moderieren, sollten sie jedoch persönliche Bewertungen zurückstellen und jeden im Team und jede Meinung gleich wichtig und neutral annehmen. Neutralität ist unabdingbare Voraussetzung für erfolgreiche Moderation. Nur wenn es Moderator: innen gelingt, Meinungen inhaltlich nicht zu werten, wird jeder im Arbeitskreis Vertrauen zu ihnen fassen. ‚Nicht bewerten und beurteilen‘ gilt nicht nur für Meinungen, sondern auch für das Verhalten der Gruppenmitglieder. Schließlich weist jedes Verhalten auf wichtige Stellungnahmen, Probleme, Störungen oder Unbehagen hin und ist insofern bedeutsam für die Moderation. Signale der Teammitglieder müssen, so wie sie sind, angenommen und in der Moderation umgesetzt werden, z. B. indem eine Störung Vorrang erhält und bearbeitet wird oder ein Konflikt verdeutlicht wird. Moralische Vorhaltungen und Appelle verhindern, dass Moderator: innen angemessen auf den Gruppenprozess reagieren, sie ignorieren so wichtige Botschaften und bringen die Gruppe schließlich in eine Rechtfertigungsposition, sie provozieren geradezu Widerstand. Eine sinnvolle Steuerung der Diskussion wird wegen des resultierenden, mehr oder weniger versteckten Kampfes zwi‐ schen Moderator: innen und Gruppe wohl kaum mehr möglich. 73 3.2 Anforderungen an Führungskräfte als Moderator: innen <?page no="74"?> 9) Sich nicht rechtfertigen ‚Wer sich verteidigt (entschuldigt), klagt sich an‘ - so die Übersetzung eines alten französischen Sprichwortes, welches für die Moderation volle Gültigkeit hat. ‚Sich rechtfertigen‘ ist meist überflüssig und führt nur zu einem unnötigen Hin- und Herschieben von Vorwürfen und Vorhaltungen. Werden im Teamprozess Situationen provoziert, die Moderator: innen veran‐ lassen sollten, sich oder ihr Vorgehen zu rechtfertigen, geht es in Wahrheit meist darum, einen Sündenbock für Schwierigkeiten zu finden, denen sich die Gruppe nicht stellen möchte. Gehen Moderator: innen der Gruppe auf den Leim und versuchen sich zu rechtfertigen, beginnt ein Sieger-Verlierer-Spiel, welches die Gruppe als An‐ kläger gewinnen will. Egal ob es ihr gelingt oder nicht, in jedem Fall leidet durch das Spiel das Vertrauen, das die Gruppe in die Moderator: innen hat. Auch hier empfiehlt sich, die wahren Hintergründe für die Provokation zu erfragen, also die Störung zu bearbeiten und die durch das beginnende Spiel gebundene Energie wieder zur Diskussion der anstehenden Themen einzusetzen. 10) Die Methode bestimmen und nicht diskutieren Wird über die Methoden diskutiert, ist das so, als ob zwei Liebende über die Liebe reden, statt zu lieben. Moderieren heißt methodisch handeln und nicht darüber diskutieren, wie methodisch vorgegangen werden soll. Lassen sich Moderator: innen darauf ein, über die Methode zu reden, kann es lange dauern, bis er zum Moderieren kommt. Mit dem ‚über die Methode reden wollen‘ wird in der Regel ein Nebenkriegs‐ schauplatz eröffnet; es wird aus welchen Gründen auch immer signalisiert: ‚Wir wollen nicht an das Problem heran! ‘ Es empfiehlt sich, nicht in die Methodendis‐ kussion einzusteigen, sondern herauszuarbeiten, was der Problembearbeitung im Weg steht, warum die Gruppe blockt. Provozieren nur einzelne, kann oft eine einfache Handlung wie das Austeilen von Karten und Filzstiften und eine darauffolgende Arbeitsanweisung genügen, um die Klippe geschickt zu umschiffen. Selbstverständlich kann in den Pausen oder in extra dafür vorgesehenen Zeiten über die eingesetzten Methoden und Techniken gesprochen werden - schließlich interessiert es ja die Teamteilnehmenden, warum so und nicht anders vorgegangen wurde. Sinnvollerweise sollte dies immer erst geschehen, wenn die Teilnehmenden die Methode erlebt haben. 74 3 (Miteinander) planen und entscheiden <?page no="75"?> Erfolgreiche Moderation von betrieblichen Gruppen zeigt sich darin, dass • Kommunikation und Zusammenarbeit sich verbessern, • Reibungsverluste zwischen Gruppen und Abteilungen abnehmen, • Arbeitszufriedenheit zunimmt, • sich die Fähigkeit steigert, Probleme zu erkennen und mit eigenen Mitteln abzustellen, • sich Arbeitserleichterungen für Mitarbeitende ergeben, • Abwesenheitsraten sinken, • Führungskräfte kooperativer führen, • Reklamationen weniger werden, • Kulanzkosten sich verringern, • Kunden sich zufriedener äußern und • sich die Gesamtleistung optimiert. Elf Punkte, die verdeutlichen, dass der zunächst beschwerliche Weg der Mo‐ deration von Arbeitsgruppen ein überaus lohnender ist - stehen an seinem Ende doch über die Lösung betrieblicher Fragestellungen hinaus auch die Verbesserung des Unternehmensergebnisses, der Qualität und der Motivation der Mitarbeitenden.“ 3.3 Kreativ planen und entscheiden FRAGE: „Nachdem wir uns intensiv mit den Anforderungen, denen sich Führungskräfte zu stellen haben, wenn sie als Moderator: innen Changema‐ nagement-Prozesse gestalten, sowie mit Empfehlungen zur Gestaltung der Moderator: innen-Rolle auseinandergesetzt haben, bleibt nun noch zu klären, mit welchen Methoden und Techniken sich der Moderationsprozess erfolgreich gestalten lässt, um im und mit dem Team mehr zu schaffen, als es Einzelne allein könnten.“ Externer Coach: „In dieser Hinsicht empfiehlt sich der Rückgriff auf bewährte Kreativitäts- und Visualisierungstechniken, die in Workshops zur Bearbei‐ tung betrieblicher Problemstellungen eingesetzt werden, wie beispielsweise in Kreativ-Workshops zur Optimierung der Organisations- und Prozessentwick‐ lung oder auch in Qualitäts- und Gesundheitszirkeln. Gute Erfahrungen haben wir im Hinblick auf unterschiedliche betriebliche Thematiken damit gemacht, systematisch sechs Phasen zu durchlaufen, in denen sich unterschiedliche Methoden und Techniken empfehlen: 75 3.3 Kreativ planen und entscheiden <?page no="76"?> Phasen Methoden 1. Problemstellung Kartenabfrage 2. Problemauswahl Punkten 3. Problemanalyse Ishikawa-Diagramm, Pareto-Analyse 4. Lösungsvorschläge Brainstorming, Brainwriting 5. Präsentation Ablaufplan mit Maßnahmenkatalog 6. Erfolgskontrolle Die genannten Methoden sind Gegenstand der folgenden Ausführungen. 1) Präzisierung der Problemstellung durch Kartenabfrage In einem Kurzvortrag werden Fakten und Rahmenbedingungen vorgestellt und aus ihnen die zu bearbeitende Fragestellung hergeleitet. Bei der Formulierung der Fragestellung sollte nicht versäumt werden, positive und negative Aspekte gleichermaßen zu berücksichtigen. Hier ein Beispiel für eine Ausgangsfrage: ‚Wenn ich die Fakten und Rahmenbedingungen aus dem Einführungsvortrag berücksichtige, fällt mir im Hinblick auf die Optimierung unseres betrieblichen Gesundheitsschutzes folgendes ein: A. Was läuft schon ganz gut, müsste jedoch verstärkt werden (grüne Karten)? B. Was sehe ich kritisch, wo besteht Handlungsbedarf (rote Karten)? Die Beantwortung der Frage erfolgt schriftlich auf dafür eigens ausgegebenen Metaplan-Karten mit dicken Filzstiften. Bei Metaplan-Karten handelt es sich um verschiedenfarbige, unterschiedlich geformte und verschieden große Pappkar‐ tonkarten. Formen und Größen ermöglichen die Gestaltung aussagekräftiger Metaplantafeln. Hierbei handelt es sich um Stellwände, die mit braunem Pack‐ papier bespannt werden. Für die Beschriftung der Metaplan-Karten gelten Regeln: • Karten im Querformat mit der dicken Seite des Filzschreibers beschreiben • Karten dreizeilig denken, immer links oben beginnen • Pro Karte nur ein Gedanke • Deutlich in Druckbuchstaben (jeden Buchstaben einzeln) schreiben, Schriftgröße etwa 3 cm • Groß- und Kleinbuchstaben verwenden, kurze Ober- und Unterlänge der Buchstaben 76 3 (Miteinander) planen und entscheiden <?page no="77"?> Bei der Ordnung der Karten unterstützen die Moderator: innen die Gruppe. Sie sammeln zunächst die Karten ein und lesen sie jeweils einzeln vor, bevor sie diese anheftet. Die Gruppe entscheidet welche Karten zu welcher Themen‐ gruppe gehören. Bei einer Fragestellung, wie oben vorgeschlagen, können durchaus positive und negative Aspekte in der gleichen Themengruppe auftau‐ chen. Die Regeln sichern, dass die Karten auch aus einer Entfernung von 6 bis 8 m gelesen werden können, wenn sie auf eine oder auch mehrere Metaplantafeln gesteckt bzw. nach ihrer Zuordnung unter Oberbegriffen zu einem aussagekräf‐ tigen Bild geklebt werden. Fertige Tafeln werden grundsätzlich fotografiert, so dass ein Metaplanprotokoll entsteht und keine Karte = Meinung verloren geht. 2) Problemauswahl durch Punkten Im nächsten Schritt geht es darum, die sich aus den Themenbereichen er‐ gebenden Problemstellungen stufenweise zu bearbeiten. Hierzu werden alle Themenbereiche aufgeschrieben. Mit selbstklebenden Punkten haben die Teil‐ nehmenden nun die Möglichkeit Prioritäten in der Reihenfolge der Bearbeitung der Themen zu setzen. Die Bearbeitung der Themen erfolgt so, wie gepunktet wurde: Das Thema mit den meisten Punkten zuerst etc. Nachdem nun klar ist, in welcher Reihenfolge vorgegangen werden sollte, sollte ggf. erwogen werden, die Gruppe zu teilen. Kleingruppen sollten nach Möglichkeit aus vier Personen bestehen. Die Entscheidung für die eine oder andere Untergruppe erfolgt unter themen‐ spezifischen Gesichtspunkten - nicht wer am besten miteinander kann, sondern wer zu einem Thema Wichtiges beisteuern kann, gehört in eine Kleingruppe. Die Aufteilung in Kleingruppen empfiehlt sich, weil so auch die stilleren eher zu Wort kommen und sich die Teilnehmenden schneller auf Formulierungen einigen können als in einer Großgruppe. Dort besteht die Gefahr, dass sich zu stark verzettelt wird. 3) Problemanalyse mit Visualisierungsmethoden Die Aufgabe der Gruppe besteht nun darin, Ursachen für die Problemstellungen zu benennen und erste Ideen zur Verbesserung zu entwickeln. Um sich einen Überblick zu verschaffen, empfehlen sich die Visualisierungsmethoden Ishi‐ kawa-Modell und Pareto-Analyse. Das Ishikawa-Modell ist eine häufig verwendete Visualisierungstechnik. Sie ist einfach und schnell zu verstehen und kann nahezu auf jede Problemstellung angewendet werden. Um 1950 wurde sie von Professor Kaoru Ishikawa zum 77 3.3 Kreativ planen und entscheiden <?page no="78"?> ersten Mal eingesetzt. Das Ursache-Wirkungs-Diagramm des Ishikawa-Modells wird auch als Tannenbaum- oder Fischgräten-Diagramm bezeichnet. Im Kern besagt das Modell, dass Ursachen und Wirkungen voneinander getrennt dargestellt werden müssen. Ishikawa benennt mit ‚Menschen‘, ‚Ma‐ schinen‘, ‚Material‘ und ‚Methoden‘ vier Hauptbereiche für mögliche Ursachen eines Problems. Ihre Visualisierung orientiert sich an dem unten abgebildeten Muster. Abb. 3.2.: Ursache-Wirkungsdiagramm Die Hauptursachen werden nun detailliert analysiert und dahingehend über‐ prüft, welche einzelne Ursachen besonders zum Entstehen des Problems bei‐ tragen. Um dieses Ziel zu erreichen, geht die Kleingruppe schrittweise vor: 1. Das Problem wird im Hinblick auf seine Auswirkungen präzise be‐ schrieben: Welches Problem soll bearbeitet werden? Woran zeigt sich, dass es ein Problem ist? 2. Hauptursachenbereiche werden festgelegt. Die meist gewählten sind die oben genannten ‚Mensch‘, ‚Maschine‘, ‚Material‘ und ‚Methode‘. Denkbar sind auch andere, z. B.: ‚Geld‘, ‚Einrichtungen‘, ‚Umgebung‘ oder ‚Hilfsmittel‘. Die Auswahl wird durch die präzise Beschreibung der Auswirkungen bestimmt. 3. In das selbst vorgegebene Raster werden nun Einzelursachen zur jewei‐ ligen Hauptursache eingetragen. Die Teilnehmenden gewinnen so einen Überblick über Ursache-Wirkungszusammenhänge. 78 3 (Miteinander) planen und entscheiden <?page no="79"?> 4. Nachdem die Ursachen für ein Problem im Ishikawa-Modell darge‐ stellt wurden, einigen sich die Teilnehmenden der Kleingruppe darauf, welche Einzelursache am meisten zur Problementstehung beiträgt. Dies kann zum einen in Form einer Einschätzung der Wahrscheinlichkeit geschehen. Zum anderen können auch konkrete Zahlen und Fakten eingeholt und in einer Pareto-Analyse verarbeitet werden. Die Pareto-Analyse wurde schon Ende des 19. Jahrhunderts von dem italieni‐ schen Wissenschaftler Vilfredo Pareto entwickelt. Sie basiert auf der simplen Feststellung, dass zu seiner Zeit 20 % der Bevölkerung über 80 % des Vermögens verfügte. Diese 80/ 20-Regel lässt sich immer wieder feststellen. So geschehen 80 % aller Verkehrsunfälle auf 20 % der Straßen, 80 % aller betrieblicher Fehlzeiten werden durch 20 % der Mitarbeiter: innen verursacht oder 80 % der Hausbesuche von Ärzt: innen werden bei 20 % ihrer Patient: innen durchgeführt. Die Pareto-Analyse ermöglicht, dass sich selbst unüberschaubare einzelne Ursachen zu einer konstanten Ursachenlogik verdichten lassen und ist vielfältig anwendbar. Wird die Pareto-Analyse zur Ermittlung von Haupt- oder Schwer‐ punktfehlern in einem bestimmten Bereich eingesetzt, gilt: 1. Festlegen, was untersucht werden soll, z. B. im Anschluss an das Ishi‐ kawa-Modell mögliche Gesundheitsgefährdungen durch das Material, das angeliefert wurde, die Mitarbeiter: innen selbst, die Methode oder die Maschine, mit der gearbeitet wird. 2. Den Zeitraum, in der die Untersuchung stattgefunden hat, oder statt‐ finden soll, bestimmen. Der Untersuchungszeitraum soll so bestimmt sein, dass er ein zuverlässiges Bild liefert, aus dem bestimmte Fehlerhäu‐ figkeiten eindeutig hervorgehen. 3. Die erhobenen, bzw. zu erhebenden Daten werden in eine Checkliste übertragen, aus der die Häufigkeit der Fehler klar erkennbar ist. 4. Die erhobenen Daten werden in einer Pareto-Analyse-Graphik darge‐ stellt. Hier ein Beispiel aus der Praxis eines metallverarbeitenden mittelständischen Unternehmens: Nachdem festgestellt worden ist, dass bei den betriebsärztlichen Versor‐ gungen Augenverletzungen infolge von „Verblitzen“ an erster Stelle rangierten, nahm sich ein Qualitätszirkel des Problems an und stellte sich folgende Fragen: A. Schutzbrille ausreichend? B. Schutzschild + Schutzbrille beim Schlacke abklopfen? C. Reduktion bei Policarbonat-Brillen à UV-Licht absorbierend? 79 3.3 Kreativ planen und entscheiden <?page no="80"?> D. Seitliche UV-Strahlung / Reflexionen im Glas bei Änderung Arbeitsab‐ lauf / Positionierung? Eine Untersuchung der Einzelfälle resultierte im folgenden Tortendiagramm: 14% 40% 12% 34% A B C D Abb. 3.3.: Tortendiagramm Das Tortendiagramm zeigt an, dass bereits 40 % aller Fehlerursachen im Beispiel oben beseitigt wären, wenn die Fehlerquelle ‚B‘ ausgeschlossen wird. Wird auch noch ‚D‘ gelöst, sind 3/ 4 aller Fehlerursachen beseitigt. Das Tortendiagramm legt ein stufenweises Vorgehen bei der Fehlerbeseitigung nahe - eine Problemlösung wird auf der anderen aufgebaut. 4) Lösungsvorschläge im Brainstorming oder -writing Die Kreativitätstechniken ‚Brainstorming‘ und ‚Brainwriting‘ bieten sich an, um in Gruppen erste Ideen zur Lösung betrieblicher Problemstellungen zu entwickeln. Brainstorming ist eine Methode zur Lösung von Problemen mit Hilfe neuer Ideen. Brainstormings funktionieren umso besser, je präziser die zu beantwor‐ tende Frage zur Problemstellung formuliert wird. Die Kleingruppe gibt sich die Frage selbst vor. Fragen, die mit ‚wie‘ beginnen, liefern die besten Resultate. Die Frage sollte von allen eindeutig aufgefasst werden, sonst besteht die Gefahr, aneinander vorbeizureden. Bei zu komplexen Problemstellungen empfiehlt sich, mehrere Fragen abzuleiten und in mehreren Brainstormings zu bearbeiten, statt komplexe, mehrschichtige und deshalb auch mehrdeutige Fragen vorzugeben. 80 3 (Miteinander) planen und entscheiden <?page no="81"?> Beim Brainstorming fällt die Auseinandersetzung mit der Materie und das Nachdenken über die Problemstellung weg. Es funktioniert umso besser, je einfacher die Problemstellung gewählt wird. Entscheidend ist, dass möglichst schnell eine Liste möglicher Lösungen zusammengetragen wird. Damit Ideen einen ‚Schneeballeffekt‘ bei allen Teilnehmenden auslösen, müssen Grundre‐ geln des Brainstormings beachtet werden: • Kritik ist verboten - und zwar jede Art von Kritik, selbst herabgezogene Mundwinkel und vor allem Killerphrasen, wie ‚Das klappt sowieso nicht, da steht der X gegen‘. Während des Brainstormings ist die Vernunft ‚ab‐ geschaltet‘, es wird ‚aus dem Bauch heraus‘ agiert. Damit wird vor allem das negative Konferenzdenken verhindert. Die kritische Betrachtung der Ergebnisse des Brainstormings findet später statt. Die Entscheidung über Wert, Durchführbarkeit und Umsetzung der Ideen erfolgt getrennt von der Ideenfindung im Brainstorming. • Weder Urheberrechte noch Privateigentum an Ideen - alles ist Gemein‐ schaftsleistung der Kleingruppe. Wer Ideen eines anderen aufgreift und weiterentwickelt, ist kein Ideendieb, sondern trägt zum Erfolg aller bei. Mit der gegenseitigen Anregung wird der Schneeballeffekt möglich und ein sinnvolles Miteinander ergibt sich beinahe unweigerlich. • Quantität vor Qualität - je mehr Vorschläge, umso besser, denn die Chance brauchbare Ideen zu finden steigt mit ihrer Menge. • Freie Einfälle - auch verrückte Ideen sind gestattet. Der Fantasie sollen keine Grenzen gesetzt werden. Um der Angst vor Blamagen entge‐ genzuwirken, achten alle auf die strikte Einhaltung des Kritikverbots. Angestrebt wird eine kreative Atmosphäre, in der ungehemmt auch ‚gesponnen‘ werden darf. • Protokollführer - entwickeln keine eigenen Ideen, sind ausschließlich damit beschäftigt, die Ideen der anderen aufzuschreiben, und zwar voll‐ ständig und unverfälscht. Es empfiehlt sich, die Ideen für alle sichtbar auf einem Flipchart zu notieren. Die Teilnehmenden sollten Papier und Blei‐ stift bereithalten, um individuelle ‚Zwischenspeicher‘ anlegen zu können, damit Engpässe vermieden werden, wenn der Ideenstrom besonders rasch sprudelt. • Zeit - mindestens 15 höchstens 60 Minuten pro Brainstorming • Sympathie - notorische Nörgler und Besserwisser sind im Brainstor‐ ming nicht gefragt. Brainstormings gelingen gut, wenn gegenseitige Sympathie, verschiedene Fach- und geringe Hierarchiestufen gegeben sind. Mehr als zehn Personen sollten nicht an einem Brainstorming teilnehmen. 81 3.3 Kreativ planen und entscheiden <?page no="82"?> • Führungskräfte als Moderator: innen brauchen selbst nicht besonders kreativ zu sein, denn ihre Aufgabe besteht darin, das Brainstorming zu steuern und auf die strikte Einhaltung der Brainstormingregeln zu achten. Vor allem achten sie darauf, dass jegliche Kritik unterbleibt und sichern, dass jeder Teilnehmende zu Wort kommen kann und niemand Dauermo‐ nologe hält und wirklich jede Idee notiert wird. In kleinen Gruppen sind Moderator: innen gleichzeitig Protokollführende. Tote Punkte werden von Moderator: innen dadurch überwunden, dass das zu bearbeitende Problem neu formuliert wird und die Gruppe veranlasst wird, gefundene Ideen weiter auszubauen. Das Brainwriting setzt auf die aus der Brainstorming-Praxis gewonnene Er‐ kenntnis, dass die Gesamtleistung einer Gruppe immer dann zunimmt, wenn Teilnehmende auf den Ideen anderer aufbauen können bzw. die Ideen anderer aufgreifen und weiterentwickeln oder als Grundlage für Gegenvorschläge nutzen. Bis zu sechs Personen haben für jeweils drei Lösungsansätze zur anste‐ henden Problematik durchschnittlich fünf Minuten Zeit. Die Vorschläge werden schriftlich fixiert, nachdem durch die Moderator: innen die Fragestellung in der Kleingruppe abgestimmt wurde. Zur Abstimmung der Fragestellung sollten jedoch höchstens zehn bis fünfzehn Minuten verwendet werden. Danach tragen die Teilnehmenden die genaue Fragestellung handschriftlich in den Kopf des Formulars ein, welches zur Durchführung benötigt wird. Hier die Vorlage zu einem Brainwriting-Formular: Thema: Lösung A Lösung B Lösung C Tab. 3.1.: Brainwriting-Formular 82 3 (Miteinander) planen und entscheiden <?page no="83"?> Nach der Fixierung des Themas bitten die Moderator: innen die Teilnehmenden zum anstehenden Problem ihre ersten drei Lösungsvorschläge in das Blatt einzutragen. Hierfür stehen maximal drei Minuten zur Verfügung. Am Ende der ersten Phase schiebt jede teilnehmende Person das vor ihr liegende Blatt im Uhrzeigersinn ihrer Nachbar: in zur Linken hin. Sie selbst erhält das Blatt der vorderen Person. Nunmehr nimmt jede auf, was ihre Vorgänger: in notiert hat und entwickelt darauf aufbauend drei weitere Lösungsvorschläge. Sie muss dabei keineswegs und unbedingt logisch weiterentwickeln, im Gegen‐ teil, sie soll ihren Gedanken freien Lauf lassen und zwanglos niederschreiben, was ihr einfällt. Für die zweite Phase stehen vier Minuten zur Verfügung. Zu Beginn jeder Folgephase wird das Blatt im Uhrzeigersinn weitergereicht und von der vorderen Person entgegengenommen. Erneut beginnt jede/ r damit aufzunehmen, in freier Assoziation weiterzuentwickeln, Gegensätzliches zu formulieren oder ganz neue Ideen einzutragen. Ab Phase 3 stehen fünf bis sechs Minuten zur Verfügung. Während des Brainwritings besteht Schweigepflicht. Dies und der Zeitdruck versetzen die Teilnehmenden in eine ‚panikartige‘ Stimmung, in der zunehmend der Verstand ‚ausgeschaltet‘ und mehr und mehr ‚aus dem Bauch heraus‘ entschieden wird: Kreativität wird so frei. Die Auswertung der Bögen nimmt die Kleingruppe gemeinsam vor. Bei sechs Teilnehmern können 6 X 3 X 6 also 108 Lösungsgesichtspunkte herauskommen. Hieraus lassen sich in einer Gesamtschau der Bögen vielfältige Anregungen ableiten, wie die vorgegebene Problemstellung gelöst werden kann. Das Brainwriting hat gegenüber dem Brainstorming den Vorteil, dass alle sich beteiligen und auch ihren Beitrag leisten können. Gleich welche Methode gewählt wird, das Ergebnis - die Lösungsvorschläge werden nun kritisch ge‐ würdigt. Erst jetzt werden mögliche Schwierigkeiten und Hindernisse benannt. Selbstverständlich sind neue Ideen hoch willkommen. 5) Präsentation mit Ablaufplan und Maßnahmenkatalog Nun gilt es, die kreativen Vorschläge konkret zu verarbeiten. Dabei sind die benannten Hindernisse, Schwierigkeiten und nachteilige Folgen zu berücksich‐ tigen und realisierbare Maßnahmen vorzuschlagen. Es hat sich als hilfreich erwiesen, mit standardisierten Aktionsplänen zu arbeiten, die der Geschäftsleitung zur Prüfung vorgelegt werden. Die Präsentation bei der Geschäftsleitung übernimmt dabei jeweils eine für die Gruppe beauftragte Person, die am gesamten Prozess der Themenbearbei‐ tung beteiligt war, gemeinsam mit den Moderator: innen. 83 3.3 Kreativ planen und entscheiden <?page no="84"?> Hier ein Beispiel für einen Umsetzungs-Aktionsplan: Themenfeld Vorgeschlagene Maßnahme aus dem Qualitätsarbeitskreis Aktions-Umsetzungsschritte (Was zu tun ist) Verantwortlicher (Wer) Bereich (Wo) Terminierung (bis wann) Mittelbedarf/ Kosten Genehmigungsvermerk Tab. 3.2.: Umsetzungs-Aktionsplan Die Erfolgskontrolle sollten Moderator: innen im Sinne eines echten Control‐ lings realisieren - Nicht Kontrolle, sondern Prozessbegleitung und -steuerung stehen im Vordergrund! “ FRAGE: „Wenn ich das Recht verstehe, handelt es sich bei der vorgestellten Sys‐ tematik um Vorschläge zur Gestaltung von Workshops zur Lösung betrieblicher Problemstellungen, wobei ich die dargestellten Methoden durchaus auch als Instrumente verstehe, die sich separat im betrieblichen Alltag einsetzen lassen. Insgesamt betrachtet, erscheint mir die vorgestellte, zwar sehr systematische aber auch recht umfängliche Methodik jedoch mit hohem Zeitaufwand und Personaleinsatz verbunden, der sich in der Hektik des betrieblichen Alltags nur schwer umfassend realisieren lässt. Von daher stellt sich mir die Frage, welche Vorgehensweisen empfehlenswert sind, wenn unter Zeitdruck aufgrund von sich schnell verändernden Situationen Planungen vorzunehmen und Entscheidungen zu treffen sind, wie es aktuell in besonderem Maße unter Corona-Bedingungen der Fall ist? “ 84 3 (Miteinander) planen und entscheiden <?page no="85"?> 3.4 Planung im betrieblichen Umfeld Interner Coach: „Planung ist im betrieblichen Umfeld immer ein Blick in die Zukunft um • Richtungsentscheidungen vorzugeben, • Szenarien zur Entscheidungsfindung aufzubauen, • Prognoseaussagen zu tätigen, • strukturiertes Arbeiten zu ermöglichen, • Abweichungen vom Soll zu erkennen, • Prioritäten setzen zu können, • in Projekten dritten gegenüber aussagekräftig zu sein. Ziel der Planung ist somit die prognostizierte Vorhersage eines Zielzustandes unter Berücksichtigung aktueller Ereignisse, die Auswirkungen auf den ge‐ planten Ablauf haben. Genauso sinnvoll wie die Planung der betrieblichen Abläufe der Fertigung eines Produktes ist die Planung der persönlichen Abläufe, kurz gesagt, die eigene Zeitplanung. Ich habe festgestellt, dass in technischen Fertigungsbetrieben die Erreichung von Meilensteinen und Fertigstellung von Aufträgen optimal nur durch das Zusammenspiel von Produktionsplanung und persönlicher Zeitpla‐ nung erreicht werden kann. Die Nutzung nur einer der beiden Planungsvor‐ gänge wird nie die Effektivität des Zusammenspiels beider Methoden erreichen.“ 3.4.1 Persönliche Zeitplanung FRAGE: „Welche Planungsmethoden haben sich zur persönlichen Zeitplanung in einem technischen Bereich als praktikabel erwiesen? “ Interner Coach: „In meinem 37-jährigen Berufsleben, davon 30 Jahre in Führungsverantwortung in unterschiedlichen Hierarchiestufen, habe ich immer wieder unterschiedliche Methoden der persönlichen Zeitplanung kennenge‐ lernt und auch ausprobiert, wie zum Beispiel die Tagesplanung mit A/ B/ C-Ana‐ lyse, oder die ALPEN-Methode. Für mich hat sich, unter allen Zeitplanungstechniken, die ‚Eisenhower Me‐ thode‘ als praktikable und effektive Zeitplanungstechnik durchgesetzt. Die Anwendung dieser Methode hilft mir als Führungskraft nicht nur die knappe Ressource ‚Zeit‘ mit maximaler Effektivität zu nutzen, sie bietet mir darüber hinaus auch Ansätze als Führungsinstrument, durch die Möglichkeit der Dele‐ gation von Aufgaben. 85 3.4 Planung im betrieblichen Umfeld <?page no="86"?> Die folgende Grafik zeigt vereinfacht die vier Prinzipien der Eisenhower-Me‐ thode, die grundsätzlich anfallende Aufgaben nach Wichtigkeit und Dringlich‐ keit unterteilt. Eisenhower-Prinzip der persönlichen Zeitplanung Abb. 3.4. Eisenhower-Prinzip Ich habe festgestellt, dass bei konsequenter Anwendung viele der zu erledi‐ genden Aufgaben in die Rubrik ‚delegieren‘ fallen. Somit bietet sich an dieser Stelle zur Schaffung von Freiraum die beschriebene Führungstechnik ‚Manage‐ ment by Delegation‘ mit all ihren Vorteilen an. Die seit mehreren Jahren konsequente Anwendung des ‚Eisenhower-Prinzip‘ hat dazu geführt, dass diese Technik inzwischen in der Anwendung bei mir ein Automatismus geworden ist, der es mir ermöglicht, sehr schnell Wichtiges von Unwichtigem zu trennen, um somit eine effektive Tagesgestaltung zu erreichen. Aufgrund der Fülle von täglichen neuen Anforderungen und Aufgaben halte ich im technisch-gewerblichen Bereich eine strikte und stringente Tagespla‐ nung, von der nicht abgewichen wird, nicht für sinnvoll. Häufig überschlagen sich die Ereignisse, so dass, um eine Aktualität zu gewährleisten, viel umgeplant werden muss. Ich habe die Erfahrungen gemacht, dass eine persönliche Zeit‐ planung von zu erledigenden Aufgaben auf Wochenbasis effektiver ist als die Planung auf Tagesbasis. Die Berücksichtigung des folgenden Grundsatzes einer langjährigen Füh‐ rungskraft hat mir bei allen Planungsaktivitäten immer geholfen. 86 3 (Miteinander) planen und entscheiden <?page no="87"?> ‚Je mehr Du planst, desto früher und häufiger überholt dich die Wirklichkeit.‘ Diesem Grundsatz zufolge sollte eine persönliche Zeitplanung nur so genau wie erforderlich sein und den Prinzipien der 60/ 40 %-Regel folgen. Die 60/ 40 %-Regel meint in diesem Fall, dass nur 60 % der verfügbaren Ar‐ beitszeit geplant werden sollte, 40 % bleiben als Reserve für Unvorhergesehenes, wobei ich bei Tätigkeiten im Projektgeschäft durch viele unterschiedliche Einflüsse von außen (fehlendes Material, Ausfall von Unterauftragnehmern, Pandemien wie Corona) und innen (Anlagenausfall, Ausfall von Mitarbeitenden, veränderte Prioritäten) auch den Fall 40/ 60 % schon hatte. An diesem Beispiel wird ersichtlich, wie flexibel die eigene Zeitplanung in Abhängigkeit zu ungeplanten Ereignissen sein muss. Eine weitere Reduzie‐ rung kleiner 40 % der persönlichen Planung ist nicht sinnvoll, da diese zum ‚Chaos-Management‘ führt. Die Anwendung des ‚Eisenhower-Prinzip‘ mit variierender Auslegung der 60/ 40 %-Regel (60/ 40 % bis 40/ 60 %) der persönlichen Zeitplanung ermöglicht es mir auf Basis von Wochen- und Monatsplanungen (-Zielen) effektiv zu arbeiten und den Überblick für das ‚Wesentliche und Wichtige‘ zu behalten. Weiterhin habe ich festgestellt, dass handelsübliche handschriftliche Zeitpla‐ nungssysteme (hierzu zählt auch ein einfacher Taschenkalender) zur Struktu‐ rierung und Durchführung der eigenen Zeitplanung einfacher und unkompli‐ zierter zu handhaben sind als digitale Tools. Meine Erfahrung zur handschriftlichen Zeitplanung hat gezeigt: • Notizen und Termine sind schneller eingetragen, • Informationen sind einfacher auffindbar, • Aufgaben sind schnell festgehalten und eingeplant, • Gedanken können schnell dokumentiert werden, • Informationen sind schnell auffindbar und verfügbar. Mir begegnen immer häufiger junge und dynamische Manager mit Notebook und Handy unter dem Arm, die nicht arbeitsfähig sind, wenn die Online-Ver‐ bindung und das Handynetz nicht zur Verfügung stehen. 87 3.4 Planung im betrieblichen Umfeld <?page no="88"?> Aufgrund dieser Erkenntnisse nutze ich eine Verbindung aus beiden Sys‐ temen: In der digitalen Form: • Einladungen zu Besprechungen • Darstellung von Freiräumen In der handschriftlichen Form: • Dokumentation von persönlichen Wochen-/ Monatsaufgaben • Dokumentation von persönlichen Monatszielen • Mitschriften und Notizen zu Besprechungen • Dokumentation von Gedanken • Auffälligkeiten zum Fertigungsprozess • Notizen zu Regelbesprechungen Nur die konsequente Anwendung der beschriebenen Planungsphilosophie er‐ möglicht es mir bei der heutigen Informationsflut und ca. 30-40 Mails täglich einen Überblick zu behalten und das Wesentliche vom Unwesentlichen zu trennen. Führungskräfte, die diese Technik nicht anwenden, verlieren sich häufig in Kleinigkeiten, was zu Verlusten und Verschwendung bei der verfüg‐ baren Zeit führt. Ihnen bleibt am Ende keine Zeit mehr zum Agieren, sie können nur noch situativ reagieren.“ FRAGE: „Welche Planungen sind zusätzlich zu der persönlichen Zeitplanung in handwerklichen und technischen Bereichen sinnvoll? “ Interner Coach: „Neben der persönlichen Zeitplanung zum effektiven Res‐ sourceneinsatz, ist auch die Planung betrieblicher Abläufe von elementarer Bedeutung für die Zielerfüllung. Während die Planung der betrieblichen Abläufe sich nach Einführung, Umsetzung und einer Anpassungsoptimierung zu einer Planungsroutine entwi‐ ckelt, unterliegt die Zeitplanung im Projekt einer ständigen Überprüfung und Anpassung. 3.4.2 Planung von betrieblichen Abläufen Die Planung von betrieblichen Abläufen regelt hauptsächlich: • Informationsflüsse • Fertigungsprozesse • Kommunikations- und Berichtswesen 88 3 (Miteinander) planen und entscheiden <?page no="89"?> • Organisatorische Abläufe • Erforderliche Ressourcen • Personaleinsatz Die dargestellten Planungsthemen sind Bestandteil der betrieblichen Ablauf‐ organisation im Unternehmen. Wie alle Zeitplanungen unterliegt auch die Planung des Produktionsablaufes, im Rahmen der Ablauforganisation im Un‐ ternehmen, der Anpassung. Gründe für diese Anpassung ergeben sich häufig aufgrund von • erkannten Schwachstellen im Ablauf, • Störungen im Ablauf, • erkannten Verschwendungen (ein Thema wird an zwei Stellen bearbeitet), • Suche nach möglichen Potenzialen, • neuen internen Anforderungen, • neuen externen Anforderungen. Eine von mir genutzte Methode, um erforderliche Veränderungen zu analy‐ sieren, Prozessverbesserung zu betreiben und die Ablaufplanung anzupassen ist die Wertstromanalyse. Der große Vorteil der Wertstromanalyse ist die visuelle Darstellung. Die visuelle Darstellung der Ablaufplanung hilft • Schwachstellen der Produktionsplanung, • Schnittstellenprobleme, • fehlende Kommunikationsflüsse, • Schwachstellen in der Kommunikation, • Doppelarbeit auf einen Blick zu erkennen und die betriebliche Ablaufplanung darauf hin zu verbessern und anzupassen. Auf Basis des ermittelten IST-Wertstroms wird ein neuer SOLL-Wertstrom aufgebaut, bei dem die Störungen der Ablaufplanung verbessert oder ganz beseitigt werden. Für die Erarbeitung des neuen SOLL-Wertstroms bieten sich Kreativtech‐ niken und LEAN-Methoden an, mit denen die Schwachstellen bearbeitet werden können. Die folgende Abbildung 3.5 zeigt einen ermittelten IST-Wertstrom für eine bereichsübergreifende Ablaufplanung von komplexen Bauteilen. 89 3.4 Planung im betrieblichen Umfeld <?page no="90"?> Abb. 3.5. Wertstromanalyse In der Darstellung werden die Schwachstellen durch die nummerierten Kaizen-Kennzeichen sichtbar gemacht, so dass an diesen stellen eine effektive Verbesserung der Ablaufplanung erreicht werden kann. Gleich nummerierte Kaizen-Blitze weisen auf eine gleiche Störung in der Ablaufplanung hin. Wertstromanalysen sind keine einmalig anzuwendenden Methoden zur Verbesserung der Ablaufplanung, sondern können wiederholt nach längeren Phasen auch als Kontrollinstrument zur Bestätigung der Ablaufplanung oder zur Erkennung von neuen Handlungsfeldern eingesetzt werden. 3.4.3 Terminplanung im Projekt Neben der persönlichen Zeitplanung und der Planung von betrieblichen Ab‐ läufen ist die Terminplanung im Projekt auftragsbezogen und findet hauptsäch‐ lich in anfertigenden Unternehmen statt. Während die persönliche Zeitplanung und betriebliche Ablaufplanung eher vorwärtsorientierte Planungen sind, ist die Projektplanung meist eine rückwärtsorientierte Planung auf Grundlage eines in der Zukunft liegenden zu errei‐ chenden Ereignisses/ Liefertermins. Auf Basis der betrieblichen Durchlaufzeiten einzelner Schritte ergibt sich durch Aneinanderreihung der in Abhängigkeit stehenden Arbeitsschritte ein Starttermin.“ 90 3 (Miteinander) planen und entscheiden <?page no="91"?> FRAGE: „Wie sollte eine pragmatische, effektive grafische Planung aufgebaut sein? “ Interner Coach: „Eine Planung ist nur dann pragmatisch und einfach in der Anwendung, wenn diese nicht zu komplex und inhaltlich überfüllt aufgebaut ist. Häufig werden Terminplanungen innerhalb eines komplexen Projektes zu detailliert in Planungsabteilungen von nicht im Fertigungsablauf beteiligten Mitarbeitenden entworfen. Ein hoher Detailgrad macht die Planung unübersichtlich, hemmt den Ferti‐ gungsprozess und somit den Projektfortschritt, wenn nur exakt entsprechend der einzelnen Detailschritte abgearbeitet werden kann und darf. Ein Haupt‐ grund sind nicht kalkulierbare und vorhersehbare Störungen. Komplexe und langwierige Fertigungsabläufe im Bereich der Einzelteilfertigung erfordern eine gewisse Menge an Flexibilität aufgrund aktueller Ereignisse und Störungen im Prozess. Um eine Transparenz im Fertigungsprozess zu behalten, fordern diese Ereignisse und Störungen immer wieder eine Anpassung der Terminplanung. Die häufigsten Störungen sind • fehlendes Material, • Konstruktionen mit unzureichendem Reifegrad, • nicht auf die Fertigungstiefe abgestimmte Konstruktionen, • ausgefallenes Personal, • Produktionsfehler, • Maschinen- und Anlagenausfälle. Aktuelle Terminpläne führen zu Transparenz und helfen vereinbarte Liefer‐ verpflichtungen einzuhalten. Durch Transparenz im Fertigungsprozess wird es möglich Abweichungen zum geplanten Ablauf zu erkennen und bietet die Möglichkeit erforderliche Maßnahmen rechtzeitig einzuleiten. Somit sind Anpassungen der Terminplanung unvermeidbar, wenn diese weiterhin die Grundlage des Fertigungsablaufes sein soll. Störungen im Fertigungsablauf erfordern Richtungsentscheidungen, um einen Endtermin oder Lieferverpflichtungen nicht zu überschreiten. Wenn diese auf Grundlage von verschiedenen Szenarien getroffen werden sollen, kommt es bei zu detailreichen Terminplänen meist zu Stillständen im Fertigungsablauf, da die Erstellung der Szenarien extrem zeitaufwändig ist. Die Abbildungen 3.6 und 3.7 zeigen den Zusammenhang von Detaillierungs‐ grad und Nutzen einer Terminplanung. 91 3.4 Planung im betrieblichen Umfeld <?page no="92"?> Abb. 3.6.: Zusammenhang zwischen Nutzen und Anzahl Planungsvorgängen Abb. 3.7.: Zusammenhang zwischen Erstellungs-/ Aktualisierungsaufwand und Detailie‐ rungsgrad Die Praxis hat mir gezeigt, eine gröbere Terminplanung mit Darstellung von Meilensteinen und dem kritischen Pfad im Fertigungsablauf ermöglicht eine schnellere Entscheidungsfindung für Veränderungen im Fertigungsablauf bei Terminüberschreitungen. 92 3 (Miteinander) planen und entscheiden <?page no="93"?> Egal wie eine Terminplanung aufgebaut ist, detailreich, oder auch nur als Meilensteinplanung, keine Terminplanung sieht am Ende von komplexen Fertigungsabläufen noch so aus wie die Basisplanung oder Anfangsplanung. Aufgrund der Erkenntnisse aus den Abbildungen 3.3. und 3.4. hat sich für mich als ausgangs- und mittelfristiger Terminplan ein grober Basisterminplan mit Meilensteinen und Darstellung des kritischen Pfades im Herstellungspro‐ zess effektiver erwiesen als eine feingliedrige Detailplanung einzelner Arbeits‐ schritte. 3.4.4 Terminlicher Basisplan In Abbildung 3.8. ist beispielhaft ein Basisterminplan für ein komplexes Produkt dargestellt. Die Durchlaufzeit im Herstellungsprozess beträgt mehr als acht Monate und benötigt eine Beteiligung von fünf unterschiedlichen Gewerken. Die Planung enthält alle für diesen Fertigungsprozess relevanten Informa‐ tionen wie • Hauptarbeitsschritte, • Durchlaufzeiten, • kritischer Pfad, • erforderliche Meilensteine, auf deren Basis ein prognostizierter Endtermin erreicht werden kann. 93 3.4 Planung im betrieblichen Umfeld <?page no="94"?> Abb. 3.8.: Basisplan mit Meilensteinen und kritischem Pfad Eine feingliedrige Detailplanung des gleichen Fertigungsablaufes würde ent‐ gegen meiner Planungstechnik sich über mehrere Seiten erstrecken, somit unübersichtlich und in der praktischen Anwendung nicht handhabbar sein. Auf dem von mir handschriftlich erstellten Entwurf des Basisterminplanes mit Meilensteinangaben lässt sich bei Bedarf jederzeit eine tiefergelegte Planung der Hauptarbeitsschritte aufbauen und in eine digitale Form übertragen.“ FRAGE: „Wie kann eine tiefergelegte Detailplanung auf einer Basisterminpla‐ nung erstellt werden? “ Interner Coach: „Eine gute und realistische Detailplanung lässt sich nur vor ‚Ort‘ (am Produkt) mit den beteiligten (wissenden) Mitarbeitenden erstellen. Nur Mitarbeitende im Fertigungsprozess kennen den idealen Fertigungsab‐ lauf einzelner Arbeitsschritte oder sind bei Störungen zum geplanten Ablauf auch in der Lage alternative Abläufe zu entwickeln. Detailplanungen, die von nicht im Fertigungsprozess beteiligten Mitarbei‐ tenden erzeugt werden, sind häufig unrealistisch, nicht umsetzbar und werden von den ‚Praktiker: innen‘ nicht beachtet. Die Terminplanung ist als ‚Steuerungs- und Kontrollinstrument‘ somit nicht anwendbar und verliert ihren Nutzen. 94 3 (Miteinander) planen und entscheiden <?page no="95"?> Die Erstellung der Detailplanung war somit reine Zeitverschwendung und ist nur für den Papierkorb geeignet. Es ist aber durchaus sinnvoll einen komplexen Hauptarbeitsschritt, plane‐ risch in einzelne Abläufe zu zergliedern. Der Vorteil, der sich hieraus ergibt, ist die Transparenz und Kontrolle auf dem Zeitstrahl bis zum nächsten Haupt‐ arbeitsschritt oder Meilenstein. Eine Zergliederung des Hauptarbeitsschrittes unter Berücksichtigung von Aufwand/ Nutzen, ist nur ab einer Durchlaufzeit von > 8 Wochen bei einem Gewerk, oder < 8 Wochen, wenn mehrere Gewerke in Abhängigkeit stehen, sinnvoll. Darunter sind allgenmeine regelmäßige ‚Fer‐ tigungsabstimmungen vor Ort‘ oder auch ‚Shopfloor Management Runden‘ ausreichend. Die Aufgliederung des Hauptarbeitsschrittes in eine Detailplanung (Feinpla‐ nung) ist immer mit Beteiligung der Mitarbeitenden vor Ort zu erarbeiten. Eine von der Leitung beauftragte Person übernimmt hierbei die Moderation, nimmt die Abhängigkeiten auf und schreibt diese nieder. Auf der Basis der so entstan‐ denen Detailplanung werden in den ‚Shopfloor Runden‘ Wochenarbeitspakete in Abgleich mit Kapazitätsbestand und Kapazitätsbedarf abgestimmt. Abbildung 3.9. und 3.10. zeigen eine Detailplanung des Hauptarbeitsschrittes ‚Ausbau Innen‘ und das daraus abgeleitete Wochenarbeitspaket. Abb. 3.9.: Detailplan 95 3.4 Planung im betrieblichen Umfeld <?page no="96"?> Abb. 3.10.: Wochenarbeitspaket Wochenarbeitspakete stellen zu erreichende selbst gesteckte Zieltermine dar. In Regelbesprechungen (Shopfloor Runden) wird der IST-Status des Wochenarbeit‐ spaketes verfolgt, sowie das Wochenarbeitspaket der Folgewoche abgestimmt. Nicht erreichte Wochenziele und unerwartete Ereignisse können so in der Folgewoche berücksichtigt werden. Eine Anpassung der Detailplanung (Feinplanung) findet nur bei einer Über‐ schreitung des Endtermins eines Arbeitsschrittes statt. Die Wochenplanung soll dazu beitragen, durch Anpassung und Veränderung der Arbeitsorganisation, wie • Personalerhöhung, • Mehrarbeit und Schichtarbeit, • Veränderung der Arbeitsabläufe, die Endtermine der Detailplanung (Feinplanung) einzuhalten und somit Eckter‐ mine und Meilensteine des Basisplans zu erreichen.“ Vorteile, die sich aus der dargestellten Planungsmethodik ergeben: • Die dargestellte Planungsmethodik ermöglicht die Erstellung von realis‐ tischen Terminplänen. 96 3 (Miteinander) planen und entscheiden <?page no="97"?> • Durch Nutzung der Detailpläne als Kontrollinstrument und der Wochen‐ arbeitspakete als Gesprächsgrundlage der Shopfloor Runden (Regelbe‐ sprechungen) wird Transparenz im Fertigungsablauf erreicht. Abwei‐ chungen werden frühzeitig erkannt und gegensteuernde Maßnahmen können eingeleitet werden. • Reduzierung von Anpassungen im Basisplan, da die Anpassung nur erforderlich ist, wenn ein Meilenstein überschritten oder der kritische Pfad verlassen wird. • Ein bestätigter (nicht veränderter Idealablauf) oder aufgrund von neuen Erkenntnissen modifizierter Basisplan bietet planerische Sicherheit für Folgeprojekte. • Das frühzeitige Einbinden von Experten führt zu realistischen, umsetz‐ baren Terminplänen. FRAGE: „Was ist bei der Erstellung einer Planung zu beachten und welche Planungsfehler werden oftmals gemacht? “ Interner Coach: „Bei der Erstellung einer terminlichen Ablaufplanung werden folgende Planungsfehler immer wieder gemacht: • Terminliche Ablaufpläne werden von fachlich unwissenden Mitarbei‐ tenden erstellt. • Terminliche Ablaufpläne werden ohne Einbindung von wissenden Mit‐ arbeitenden des Arbeitsablaufes erstellt bzw. diese werden nicht mit eingebunden. • Neue terminliche Ablaufplanungen bauen für Folgeprojekte häufig auf dem letzten, kreativ angepassten Terminplan und nicht auf dem neutralen Basisplan des idealen Fertigungsablaufes auf. • Abhängigkeiten finden in der terminlichen Ablaufplanung oftmals keine Berücksichtigung. • Terminliche Ablaufplanungen sind im Basisplan oftmals zu detailliert. • Es wird für lange Arbeitsphasen keine Detailplanung (Feinplanung) erstellt. • Es werden auf Grundlage der terminlichen Planung keine Wochenarbeitspakete erstellt. • Kapazitäten und Ressourcen werden nicht berücksichtigt. • Terminliche Ablaufplanungen werden als Vorschlag angesehen. • Terminliche Ablaufplanungen werden nicht aktuell gehalten. • Terminliche Ablaufplanungen werden nicht als Gesprächsgrundlage und Controlling-Instrument genutzt. 97 3.4 Planung im betrieblichen Umfeld <?page no="98"?> Zusätzlich zu den Planungsfehlern, die schon bei der Erstellung eines Termin‐ planes gemacht werden, kommt es im laufenden Fertigungsprozess zu weiteren Einflüssen, die Auswirkungen auf die Terminplanung haben. Das bedeutet, je unrealistischer die Anfangsplanung ist, umso unwahrscheinlicher wird die Erreichung des prognostizierten Zieltermins unter den Einflüssen von innen und außen sein. Eine Planung, egal ob persönliche Zeitplanung, Ablaufplanung oder Termin‐ planung im Projekt, ist immer ein Blick in die Zukunft unter Berücksichtigung von Störungen und Einflüssen. Je mehr miteinander kommuniziert wird, umso realistischer ist der in der Zukunft liegende Zieltermin zu erreichen. Auf dieser Grundlage von immer neuen Erkenntnissen können bei Erfor‐ dernis schnelle Richtungsentscheidungen abgeleitet werden. Diese stabilisieren den Terminplan und führen somit zur Einhaltung des Zieltermins.“ 98 3 (Miteinander) planen und entscheiden <?page no="99"?> 4 Ausführen (lassen) Bereits in unseren einführenden Überlegungen (vgl. Kapitel 2) haben wir ausgeführt, wie sehr die Führungssituation in der Technik sowohl durch tech‐ nologische Entwicklungen, Stichwort „Digitalisierung“, als auch durch gesell‐ schaftliche Veränderungen wie den demografischen Wandel und gestiegene Ansprüche der Mitarbeitenden im Hinblick auf ihre Work-Life-Balance sowie persönliche Anforderungen, wie hoher Zeitdruck und hohe Verantwortung, Überforderung durch zunehmende Arbeitsmenge und stetige Umstrukturie‐ rungsmaßnahmen geprägt ist. All diese Herausforderungen begründen die unbedingte Notwendigkeit der Delegation. Diesem Umstand tragen unsere Überlegungen und Ausführungen zu Erfahrungen aus der betrieblichen Praxis Rechnung. Stufe 4 „Ausführen (lassen)“ des Führungskreislaufes ist dem Thema „Dele‐ gation“ gewidmet und handelt davon, wie Führungskräfte Aufgaben an ihre Mi‐ arbeitende übertragen sollen. Einerseits geht es darum, sich selbst zu entlasten, um auf diese Weise mehr Zeit für übergreifende, mehr unternehmerische Tätig‐ keiten zu gewinnen, wie z. B. für die Gestaltung von Strukturen und Prozessen bei Umstrukturierungsmaßnahmen. Andererseits sollen Mitarbeitende durch Aufgabenübertragung mehr Selbstständigkeit und Verantwortung erhalten. Im Idealfall profitieren beide Seiten - wenn „echt“ delegiert wird. Bei einer „echten“ Delegation wird nicht nur die Aufgabe, sondern es werden auch die Verantwortung und damit verbundene Entscheidungsbefugnisse voll‐ ständig übertragen. Oft sieht die betriebliche Praxis jedoch anders aus: Da wird einem Techniker die Aufgabe übertragen, ein Teilprojekt in einer bestimmten Frist fertig zu stellen. Schafft er es nicht, wird er selbstverständlich zur Verantwortung gezogen. Nur - mal eben fehlende Kleineisenteile besorgen, das darf er nicht. Er hat weder ein Budget noch die „Entscheidungsbefugnis“ zum Erwerb. Jetzt - just in time - steht er da und versucht, seinen Projektleiter zu erreichen, damit der ihm eine „Genehmigung erteilt“. Ohne die Kleineisenteile geht nichts - kleine Ursache, große Wirkung - malen sie sich den Stress selbst aus, wenn der Techniker den Projektleiter nicht erreicht! Am Ende steht die massive Frustration des Technikers. Hauptursache: Es wurde nicht vollständig delegiert. Er erhielt zwar die Aufgabe und die Verant‐ wortung, aber keine Entscheidungsbefugnisse. Echte Delegation setzt wirkliches Vertrauen in die Kompetenz der Mitarbei‐ tenden voraus. Ist dieses Vertrauen nicht gegeben, sind zwei Ursachen denkbar: <?page no="100"?> Die Führungskraft ist sich der Bedeutung des Delegierens nicht bewusst und verfügt nicht über die richtige Einstellung zum Delegieren. Die Mitarbeitenden besitzen noch nicht den richtigen „Reifegrad“ zur voll‐ ständigen Aufgabenübertragung. Nutzen Sie die folgenden Ausführungen, um Ihre Einstellung zum Delegieren selbstkritisch zu hinterfragen. Lernen Sie im Weiteren das Reifegrad-Modell kennen. Es zeigt im Grundsatz, wie Sie Ihre Mitarbeitenden stufenweise zur „Delegationsreife“ entwickeln und Ihren Führungsstil effektiv gestalten können. Im Anschluss an die modellhafte Skizzierung wird dargestellt, wie die dortigen Erwägungen erfolgreich im Führungsalltag umgesetzt werden. Somit erhalten Sie konkrete Denkanstöße zum Transfer des Modells in Ihre eigene betriebliche Praxis. 4.1 Überlegungen zur Bedeutung des Delegierens Führung lässt sich auch als „das Ausführen von Aufgaben durch andere“ definieren. Mit anderen Worten: Wer nicht effektiv delegiert, führt auch nicht effektiv. Es werden Ressourcen verschenkt und Potenziale der Mitarbeitenden bleiben ungenutzt. Und das, obwohl zentrale Aufgaben technischer Führungs‐ kräfte darin bestehen, qualifizierte Entscheidungen zu treffen, diese durchzu‐ setzen und ihre Mitarbeitenden zu inspirieren. Zudem ist jede Führungskraft in der Technik auf die Mitarbeit von engagierten Mitarbeitenden angewiesen, um vielfältigen Herausforderungen gerecht zu werden. Delegieren erschließt Möglichkeiten, Aufgaben effektiv zu lösen, die optimale Nutzung der Kapazitäten sicherzustellen, sowie eigene Kapazitäten für die Ausführung von gestalterischen und unternehmerischen Tätigkeiten und den eigentlichen Führungsaufgaben freizuhalten, statt ausführendes Organ zu sein, die Mitarbeitenden und ihr Kompetenzniveau zu fördern und für ein gutes Teamklima in einer von allen mitgetragenen Unternehmenskultur Sorge zu tragen. Delegieren heißt nicht Möglichkeiten zu finden, sich als Führungskraft vor langweiligen und unangenehmen Arbeiten zu drücken und die Mitarbei‐ tenden zu überlasten. FRAGE: „Damit stellt sich eine nicht unwesentliche Frage: Was muss, was sollte und was kann delegiert werden? “ Externer Coach: „Um diese Frage zu beantworten, sollten Sie eine Zuordnung Ihrer Aufgaben gemäß der im folgenden dargestellten Delegationsbereiche vornehmen: 100 4 Ausführen (lassen) <?page no="101"?> 1. Aufgaben, die Sie selbst lösen müssen: Hierunter fallen alle Aufgaben, die Sie unter keinen Umständen delegieren dürfen, wie z. B. die Definition des Auftrags des Unternehmens, übergeordnete Ziele, Politik und Strategien, Genehmigungen von Budgets, Einstellungen, Kündigungen, Gehaltsver‐ handlungen, Beurteilunsgespräche, Anerkennung, Zurechtweisungen usw. 2. Aufgaben, die sie lösen sollten: Hierzu gehören zwei Typen von Aufgaben: Solche, die bei starkem Zeitdruck nicht delegiert werden können und große, komplexe Aufgaben, die am besten von Ihnen mit Hilfe anderer gelöst werden. 3. Aufgaben, die Sie delegieren können: Hierunter sind Aufgaben zu ver‐ stehen, die Sie als technische Führungskraft aufgrund Ihrer größeren Erfahrung vermutlich selbst zwar am besten lösen könnten. Allerdings können solche Aufgaben auch von anderen Mitarbeitenden der Organisa‐ tion übernommen werden, was jedoch Schulung, gründliche Einweisung und Nachfassen erfordert. In der Einarbeitungsphase entstehen Fehler, Missverständnisse und Frustationen. Auf kurze Sicht könnten Sie diese Aufgaben sicherlich erheblich schneller und besser selbst ausführen. Auf lange Sicht ermöglicht Ihnen die Delegation solcher Aufgaben, sich er‐ heblich zu entlasten und Kapazitäten für andere Aufgaben sowie auch für die Entwicklung von weiteren Mitarbeitenden zur Delegationsfähigkeit zu gewinnen. Somit zahlt sich die Zeit, die Sie in die Schulung Ihrer Mitarbeitenden investieren und die Toleranz, die Sie ihnen gegenüber ausüben, letztlich aus. 4. Aufgaben, die Sie delegieren sollten: Hierunter fallen Aufgaben, die auch ohne Ihr Zutun einwandfrei gelöst und auch selbstverständlich bei Ihrer Abwesenheit gelöst werden. Für deren Ausführung sollten die Mitarbei‐ tenden die erforderliche Kompetenz besitzen, damit die reibungslose und flexible Funktion der Organisation unter allen Umständen gewährleistet ist. 5. Aufgaben, die Sie delegieren müssen: Hierunter fallen Aufgaben, die klar zum Arbeitsbereich der Mitarbeitenden gehören und auch ohne Ihre Einmischung glatt erledigt werden und Aufgaben, die andere schneller und besser ausführen. Nachdem Sie nun ‚im Prinzip‘ zwar wissen, welche Delegationsmöglichkeiten Sie haben, sollten Sie mit dem Fragebogen auf der Folgeseite selbstkritisch hin‐ terfragen, ob bzw. inwieweit Sie Ihre Möglichkeiten auch optimal wahrnehmen. Das wird Ihnen nur dann gelingen, wenn Sie über die richtige Einstellung zum Delegieren verfügen. Entscheiden Sie spontan, ohne lange zu überlegen! 101 4.1 Überlegungen zur Bedeutung des Delegierens <?page no="102"?> Selbsttest: Wie ist meine Einstellung zum Delegieren? ja ? nein 1. Ich spare oft Zeit, wenn ich die Arbeiten selbst ausführe. 2. Ich kann mich mit Fehlern meiner Mitarbeitenden nur schwer abfinden. 3. Ich habe es am liebsten, überall mitzumischen und zu wissen, was in meiner Abteilung vorgeht. 4. Ich empfinde es manchmal als ungerecht, wenn meine Mitar‐ beitenden meine Anweisungen nicht gleich verstehen. 5. Ich empfinde es manchmal als ungerecht, wenn meine Mitarbei‐ tenden von anderen gelobt werden, ohne dass meine Leistung gewürdigt wird. 6. Nur wenn ich selbst beteiligt war, kann ich mich darauf ver‐ lassen, dass eine Aufgabe bestmöglich ausgeführt worden ist. 7. Es fällt mir schwer, die Ideen anderer zu akzeptieren. 8. Ich habe so spezielle Erfahrungen und Kenntnisse, dass ich die Aufgaben am besten selbst löse. 9. Die Mitarbeitenden sollten nur Informationen bekommen, die sie zur Ausführung ihrer Aufgabe brauchen. 10. Meine Mitarbeitenden wollen keine größere Verantwortung übernehmen. 11. Wenn ich zu viel delegiere, verliere ich die Kontrolle. 12. Viele Kunden und Geschäftsfreunde wollen nur mit mir spre‐ chen. 13. Es könnte für mich und meine Umgebung besser sein, heikle und peinliche Angelegenheiten zu delegieren. 14. Ich als Führungskraft sollte mich nicht mit langweiligen und unangenehmen Aufgaben beschäftigen. 15. Es fällt mir schwer, mich damit abzufinden, dass Mitarbeitende eine Aufgabe auf eine andere Weise lösen, als ich es getan hätte. 16. Ich kann nicht hinnehmen, dass Mitarbeitende meine Instruk‐ tionen nicht Punkt für Punkt befolgen. 17. Führungskräfte, die viel delegieren, sind sich ihrer selbst nicht sicher. 18. Wenn ich zu viel delegiere und die Kompetenz anderer erhöhe, gefährde ich meine eigene Führungsposition. 102 4 Ausführen (lassen) <?page no="103"?> Selbsttest: Wie ist meine Einstellung zum Delegieren? ja ? nein 19. Meine engsten Mitarbeitenden sollten eigentlich dasselbe Leis‐ tungsvermögen und dieselbe Einstellung haben wie ich. 20. Meine Mitarbeitenden sollten möglichst nicht zu sehr domi‐ nieren. Tab. 4.1.: Delegieren Auflösung Lassen Sie bitte alle Aussagen unberücksichtigt, bei denen Sie ein Fragezeichen angekreuzt haben. Wenn Sie häufiger mit ‚nein‘ als mit ‚ja‘ geantwortet haben, erleichtert Ihre Einstellung echtes Delegieren. Haben Sie häufiger mit ‚ja‘ geantwortet, so wird Ihre Einstellung echtes Delegieren erschweren. Sie sollten daran arbeiten, Ihre Einstellung zu ändern.“ 4.2 Das Reifegradmodell Frage: „Nur, was nützt die beste Einstellung zum Delegieren, wenn die Mitar‐ beitenden weder wollen noch können? “ Externer Coach: „Hier bietet Ihnen das Reifegradmodell und seine Anwendung für die betriebliche Führungspraxis bewährte Hilfe. Hersey/ Blanchard stellen in ihrem situativen Führungsmodell den „Reifegrad“ der Mitarbeitenden als bedeutsamen Faktor heraus. Der Reifegrad der Mitarbeitenden wird vierfach abgestuft definiert. Jede Stufe lässt sich über die Einschätzung von Aufgabenreife (= Leistungsvermögen: kann er/ sie es? ) und psychologischer Reife (= Leistungsbereitschaft: will er/ sie es? ) bestimmen. Unter Aufgabenreife, der beruflichen Handlungskompetenz der Mitarbei‐ tenden, fassen wir ihr fachliches Können in Theorie und Praxis, Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten, die sie durch Ausbildung, Übung, Training und Erfahrung erworben haben. Hohe Aufgabenreife zeigt sich darin, dass Mitarbeitende mit dieser Ausprä‐ gung über einschlägige Berufserfahrungen und fundiertes Fachwissen verfügen, wissen, was zu tun ist, Probleme selbstständig lösen und sich auch selbst kontrollieren sowie sich termintreu verhalten und sorgfältig nachfassen. 103 4.2 Das Reifegradmodell <?page no="104"?> Unter psychologischer Reife, dem Engagement der Mitarbeitenden, fassen wir ihren Leistungswillen, Selbstvertrauen und Selbstsicherheit, sowie ihre Motivation, ihr Interesse an und ihre Begeisterung für ihre Arbeit. Darunter fällt auch ihre Aufgeschlossenheit für Kritik und ihre Fähigkeit, positiv zu denken und zu handeln, indem sie andere ermutigen, unterstützen, aufmerksam zuhören und Lob und Anerkennung angemessen aussprechen. Hohe psychologische Reife zeigt sich in einem starken Leistungswillen bei großer Identifikation mit der Aufgabe und Beharrlichkeit in der Zielverfolgung: Mitarbeitende mit hoher psychologischer Reife mögen ihre Arbeit. Aufgabenreife und psychologische Reife ergeben den Reifegrad, für den jeweils ein Führungsstil vorgeschlagen wird. Reifegrad 1: • Niedrige Reife: geringe Aufgabenreife und geringe psychologische Reife Mitarbeitende in diesem Reifegrad setzen ihre Ziele sehr gering an und ver‐ meiden jegliches Risiko. Ihre Motivation drückt sich überwiegend im Streben nach Befriedigung der Grundbedürfnisse (besonders starke Gewichtung finan‐ zieller Aspekte) und Sicherheitsbedürfnisse aus. • Führungsstil: Anordnen/ Anweisen Führungskräfte geben genaue Instruktionen und Anweisungen, was, wie, wo, wann, von wem, mit wem und mit welchen Mitteln zu erledigen ist und überwachen sehr genau die Arbeit. Reifegrad 2: • Niedrige bis mittlere Reife: wenig motiviert und mäßig fähig Die Leitmotive der Mitarbeitenden mit Reifegrad 2 liegen bei den Bedürfnissen nach Sicherheit und sozialer Anerkennung. Auch vermeiden sie Risiken. Ihre Leistungsziele setzen sie niedrig an. • Führungsstil: Erklären / Überzeugen Führungskräfte erklären, warum eine Tätigkeit ausgeführt werden muss und geben Gelegenheit für die Klärung von Verständnis- und Wissensfragen. Reifegrad 3: • Mittlere bis hohe Reife: fähig und mäßig motiviert 104 4 Ausführen (lassen) <?page no="105"?> Mitarbeitende mit diesem Reifegrad setzen sich selbst hohe, aber erreichbare Ziele und erwägen aufgeschlossen Risiken. Sie wünschen gute soziale Kontakte und legen großes Gewicht darauf, dass ihre Leistungen gewürdigt werden. • Führungsstil: Ermutigen / Beteiligen Führungskräfte tauschen Ideen, Vorschläge und Alternativen bei der Entschei‐ dungsfindung aus und ermöglichen Selbstständigkeit bei der Arbeitsausführung. Reifegrad 4: • Hohe Reife: starke Aufgabenreife und psychologische Reife Mitarbeitende mit Delegationsreife setzen sich selbst hohe, aber realistische Ziele und sind bereit, kalkulierte Risiken einzugehen. Für sie spielen die Bedürf‐ nisse nach persönlicher Leistungsanerkennung und Selbstverwirklichung eine zentrale Rolle. • Führungsstil: Übertragen/ Überlassen Den Mitarbeitenden wird volle Handlungsverantwortung und Entscheidungs‐ kompetenz bei der Aufgabenerteilung übertragen. Mit dem Reifegradmodell wird Ihnen nicht nur nahegelegt, Ihren Führungs‐ stil dem Leistungsvermögen und der Leistungsbereitschaft der Mitarbeitenden anzupassen, sondern es schlägt auch vor, die Mitarbeitenden Stufe für Stufe in den Reifegrad 4 zu führen, um dann ‚echt‘ delegieren zu können.“ Die Darstellung bringt das Modell von Hersey/ Blanchard auf den Punkt. Abb. 4.1.: Reifegradmodell nach Hersey/ Blanchard Frage: „Wie lässt sich das Modell auf meine betriebliche Praxis übertragen? “ 105 4.2 Das Reifegradmodell <?page no="106"?> Externer Coach: „Im Pro-Fit-Coaching arbeiten wir mit Fragebögen zur Reife‐ grad- und Führungsstilbestimmung, um aufzuzeigen, wie sich das Modell vom Grundsatz her transferieren lässt. Es hat sich gezeigt, dass sich durch ihren Einsatz für die Teilnehmenden Wege erschließen, Mitarbeitende effektiv zu führen.“ 4.3 Effektive Führung durch Anwendung des Reifegradmodells Das hier vorgestellte Verfahren ist für Sie als Führungskraft in der Technik eine Hilfe zur Selbsteinschätzung Ihres Führungsstils, den Sie bezogen auf eine ganz bestimmte Person, mit der Sie arbeiten, praktizieren. Durch den Vergleich zwischen Ihrem Führungsstil und dem Reifegrad dieser Person haben Sie die Möglichkeit, die Angemessenheit und damit auch die Effektivität Ihres Führungsverhaltens in drei Arbeitsschritten zu prüfen. Ihr Führungsstil umfasst alle Verhaltensaspekte, von denen Sie selbst über‐ zeugt sind, dass Sie das Verhalten Ihrer Mitarbeitenden in Ihrem Sinne zur Zielerreichung beeinflussen. Der Reifegrad wird bestimmt von dem Grad der Fähigkeiten und Qualifika‐ tionen sowie von der Motivation und dem Selbstvertrauen eines bestimmten Mitarbeitenden, bezogen auf eine konkrete Zielsetzung, Aktivität oder Verant‐ wortlichkeit. Im ersten Schritt geht es darum, den eigenen Führungsstil zu bestimmen (= wie sehe ich mich selbst? ). Bearbeiten Sie dazu den Fragebogen auf der nächsten Seite wie folgt: • Wählen Sie eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter aus. • Tragen Sie in die Spalten 1 bis 6 Verantwortlichkeiten oder Hauptauf‐ gaben dieser Person ein. • Legen Sie Ihren Führungsstil zu der jeweils benannten Hauptaufgabe fest, indem Sie zunächst die vier aufgeführten Führungsverhaltensweisen lesen und dann den Stil auswählen, der am besten beschreibt, welchen Führungsstil Sie bezogen auf diese konkrete Aufgabe im Umgang mit dieser Person überwiegend praktizieren. Für diesen Fall ist ein „P“ einzu‐ tragen. Dies ist der primäre Führungsstil. Falls eine weitere Stilbeschreibung zutrifft, die von Ihnen oft realisiert wird, so ist ein „S“ für sekundären Stil zusätzlich einzutragen. Der sekundäre Stil kann vorhanden sein, muss aber nicht. 106 4 Ausführen (lassen) <?page no="107"?> Primärer und sekundärer Führungsstil können von Aufgabe zu Aufgabe variieren. Schließlich werden ja auch nicht alle Aufgaben gleich gerne und gleich gut von dieser Person erledigt. Arbeitsblatt: Fragebogen zur Führungsstilbestimmung Für: Aufgaben / Verantwortlichkeiten Datum: 1. Gebe genaue Instruktionen und Anwei‐ sungen und überwache sehr genau den Ar‐ beitsfortschritt. 2. Erkläre das „Warum“ einer Tätigkeit und gebe Gelegenheit für die Klärung von Ver‐ ständnis- und Fachfragen. 3. Tausche Ideen und Alternativen bei Entschei‐ dungsfindungen aus. 4. Übertrage die volle Verantwortung für Ent‐ scheidungsfindung und Aufgabenerfüllung. Tab. 4.2.: Arbeitsblatt: Fragebogen zur Führungsstilbestimmung Ermitteln Sie im zweiten Schritt den Reifegrad des Mitarbeitenden, bezogen auf jede der sechs Aufgaben. Verwenden Sie dazu das Arbeitsblatt auf der Folgeseite: • Übertragen Sie die oben aufgeführten Aufgaben in die entsprechenden freien Felder 1 bis 6 des Fragebogens zur Reifegradermittlung. • Beachten Sie, dass zwei Skalen zu bewerten sind. Die eine gibt Aufschluss über Fähigkeiten, Fertigkeiten und Erfahrungen (Aufgabenreife), die andere über Motivation und Selbstvertrauen (psychologische Reife). • Kreuzen Sie für die betreffende Person zu jeder benannten Hauptaufgabe den Grad der Aufgabenreife und unabhängig davon, den der psychologi‐ schen Reife an. 107 4.3 Effektive Führung durch Anwendung des Reifegradmodells 1. 2. 3. 4. 5. 6. <?page no="108"?> Arbeitsblatt: Fragebogen zur Reifegradermittlung 1. Hauptaufgabe / Verantwortlichkeit: Aufgabenreife: hervorra‐ gend hoch ausrei‐ chend gering Die Mitarbeiter: in ist fähig, er/ sie hat die erforderliche Qualifikation und Er‐ fahrung 4 3 2 1 Psychologische Reife: immer sehr oft vor‐ handen selten Die Mitarbeiter: in ist motiviert, er/ sie hat Selbstvertrauen und Leistungs‐ willen. 4 3 2 1 2. Hauptaufgabe / Verantwortlichkeit: Aufgabenreife (wie unter 1): 4 3 2 1 Psychologische Reife (wie unter 1): 4 3 2 1 3. Hauptaufgabe / Verantwortlichkeit: Aufgabenreife (wie unter 1): 4 3 2 1 Psychologische Reife (wie unter 1): 4 3 2 1 4. Hauptaufgabe / Verantwortlichkeit: Aufgabenreife (wie unter 1): 4 3 2 1 Psychologische Reife (wie unter 1): 4 3 2 1 5. Hauptaufgabe / Verantwortlichkeit: Aufgabenreife (wie unter 1): 4 3 2 1 Psychologische Reife (wie unter 1): 4 3 2 1 6. Hauptaufgabe / Verantwortlichkeit: Aufgabenreife (wie unter 1): 4 3 2 1 Psychologische Reife (wie unter 1): 4 3 2 1 Tab. 4.3.: Arbeitsblatt: Fragebogen zur Reifegradermittlung Bestimmen Sie den Reifegrad, indem Sie die Verbindungsmatrix nach Hersey/ Blanchard (Abbildung 4.2.) nutzen. Ein Beispiel: 108 4 Ausführen (lassen) <?page no="109"?> Nehmen wir an, Sie hätten für Ihren Mitarbeitenden im Hinblick auf eine beliebige Tätigkeit ihre fachliche Reife mit „3“ und die psychologische Reife mit „2“ bewertet. Es resultiert ein Reifegrad von „2“ mit der Tendenz zu „3“. 4 4 3>4 2>3 2 3 3>4 3 2>3 2 2 2>3 2>3 2 1>2 1 2 1>2 1 1 4 3 2 1 Aufgabenreife Abb. 4.2.: Verbindungsmatrix zum Reifegradmodell Im dritten Arbeitsschritt vergleichen Sie, ob Ihr Reifegrad mit dem Führungsstil übereinstimmt, den Sie im ersten Schritt bestimmt haben. Prüfen Sie, ob der Reifegrad mit der Zahl übereinstimmt, die den einzelnen Führungsstilen in der Beschreibung vorangestellt ist. Sie liegen mit Ihrem Führungsstil im Hinblick auf die jeweilige Aufgabe richtig, wenn die Zahlen für den Reifegrad und den Führungsstil übereinstimmen. Nehmen wir unser Beispiel von oben. Bei dem ermittelten Reifegrad „2>3“ („2“ mit einer Tendenz zu „3“) führen Sie Ihren Mitarbeiter im Hinblick auf die benannte Aufgabe effektiv, wenn Sie im primären Führungsstil „erklären und überzeugen“ und im sekundären „ermutigen und beteiligen“ praktizieren. Stimmt Ihr primärer Führungsstil mit dem Reifegrad überein und liegt Ihr sekundärer Führungsstil eine Stufe höher, befinden Sie sich auf einen guten Weg, Ihren Mitarbeitenden beruflich weiterzuentwickeln - Sie fördern durch fordern! Sie laufen Gefahr, die Person zu überfordern, wenn Sie bei einem niedrigen Reifegrad einen höherstufigen Führungsstil wählen. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn Sie die Person für eine bestimmte Hauptaufgabe oder Verantwortlichkeit im Reifegrad „2“ eingeschätzt haben, jedoch im Führungsstil 109 4.3 Effektive Führung durch Anwendung des Reifegradmodells Psychologische Reife <?page no="110"?> die „4“ wählen: „übertragen, überlassen“. Besser wäre es, der Person die Aufgabe klar darzulegen und sie von der Bedeutung der Aufgabe zu überzeugen. Sie werden Ihren Mitarbeitenden wahrscheinlich unterfordern, wenn Sie ihr in einer Hauptaufgabe einen höheren Reifegrad zuordnen, im Führungsstil jedoch darunter bleiben. In Pro-Fit-Coachings sind gute Erfahrungen damit gemacht worden, den teilnehmenden Führungskräften als „Hausaufgabe“ zwischen zwei Sitzungen aufzutragen, Ihre Mitarbeitenden bei der Anwendung des Reifegradmodells wie folgt einzubeziehen: Stellen Sie Ihrer mitarbeitenden Person das Modell vor und bitten Sie sie, dass sie unabhängig von Ihnen den gleichen Fragebogen aus ihrer Sicht ausfüllt. Lassen Sie sie aufschreiben, in welchen Tätigkeiten sie ihre Hauptaufgaben sieht. Wundern Sie sich jedoch beim späteren Vergleich nicht, wenn sie etwas anderes aufgeschrieben hat als Sie. Nutzen Sie ein solches Ergebnis, um mit ihm die Prioritäten in ihrem Aufgaben-/ Verantwortungsbereich klarer abzu‐ stimmen. Nehmen Sie es ernst, wenn sie Ihren Führungsstil anders einschätzt als Sie. Sie nimmt auf ihre Art wahr, und was sie dort wahrnimmt, ist weder richtig noch falsch - es ist ihre Sicht der Dinge. Nutzen Sie ihr Feedback zur selbstkritischen Reflexion, hören Sie geduldig und ruhig zu. Vermeiden Sie Diskussionen über die Richtigkeit ihrer Wahrnehmung. Je stärker Sie ihre Sichtweise in Frage stellen, umso weniger wird sie Ihnen weiterhin mitteilen. Sollte sie in der Reifegradbestimmung anders liegen als Sie, lassen Sie sich ihre Einschätzung erklären. Fassen Sie hier getrost nach, wenn Ihnen etwas unklar ist. Nehmen Sie ihre Einschätzung als Zusatzinformation zur Absicherung Ihrer eigenen Einschätzung. Je präziser hier die Diagnose ist, umso effektiver werden Sie den zum Reifegrad passenden Führungsstil realisieren können. Weiterhin sollten Sie mit Ihrer mitarbeitenden Person Möglichkeiten er‐ wägen, wie Sie sie dabei unterstützen können, dass sie sich von niedrigeren zu höheren Reifegraden weiterentwickeln kann. Je optimaler Sie Ihr Führungsverhalten an den Möglichkeiten Ihrer Mitarbei‐ tenden ausrichten, umso effektiver wird sich die Zusammenarbeit gestalten. Statt Leistungsminderungen wegen Über- oder Unterforderung durch eigene Mehrarbeit ausgleichen zu müssen, entwickeln Sie Ihre Mitarbeitenden syste‐ matisch zur „Delegationsreife“. Unsere Erfahrungen zeigen, dass sich die von uns gecoachten technischen Führungskräfte mit der richtigen Einstellung zur Delegation und der Entwick‐ lung von hoch leistungsfähigen und leistungswilligen Mitarbeitenden entlasten 110 4 Ausführen (lassen) <?page no="111"?> und die Zufriedenheit und damit verbunden das Leistungsergebnis Ihrer Mitar‐ beitenden erhöhen. Delegationen sind allerdings nur dann erfolgreich, wenn sie in der richtigen Art und Weise erfolgen. Bei einer echten Delegation wird mit den Mitarbei‐ tenden vereinbart, was sie bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erreichen oder erfüllen sollen. Alles Weitere liegt in den Händen der Mitarbeitenden. Sie wählen ihre Mittel selbst, bestimmen den Weg zum Ziel und entscheiden, wen sie für ihr Projektteam gewinnen möchten. Bei „Scheindelegationen“ wird trotz der offiziellen Auftragsübergabe die Übernahme der Verantwortung nicht ermöglicht. Entscheidungen werden nicht freigegeben, sondern in der Hand des Delegierenden belassen. In Tab. 4.4. wird an Zitaten aus der Praxis deutlich, worin sich Scheindelegationen von echten Delegationen unterscheiden. Schein- und echte Delegation im Vergleich Scheindelegation (Zitate aus der Praxis) Echte Delegation (Vorschläge für die Praxis) „Herr S., wir haben einen Auftrag für Sie …“ Herr S, wir möchten Sie für das neue Projekt in … gewinnen … „Am besten sprechen Sie dafür Michael G. und Josef F. an …“ Was meinen Sie - wer könnte Sie am besten unterstützen? „Um da durchzukommen, brauchen wir schweres Gerät. Ich schlage vor, wir …“ Welche Maschinen beabsichtigen Sie ein‐ zusetzen? „Wir haben für die Erdarbeiten Zeit bis Ende August, dann müssen wir fertig sein.“ Das Projekt soll bis Anfang Oktober ab‐ geschlossen sein. Für den Abschluss des 1. Meilensteins sehen wir einen Termin Ende August. Ist das so OK? Tab. 4.4.: Schein- und echte Delegation im Vergleich Die Beispiele zeigen, dass bei Scheindelegationen trotz Auftragsübergabe nach wie vor der Chef Entscheidungsträger ist. Wenn Ihnen Aufgaben so delegiert würden - wie würde sich das wohl auf Ihre Leistungsbereitschaft auswirken? 111 4.3 Effektive Führung durch Anwendung des Reifegradmodells <?page no="112"?> Vermeiden Sie Scheindelegationen und nutzen Sie die Leitfragen zur echten Delegation, um Aufgaben an Ihre leistungsstarken Mitarbeitenden professionell zu übertragen: • Kennen die Mitarbeitenden die Zielsetzung der Aufgabe? • Haben die Mitarbeitenden die nötige Qualifikation und die nötigen Befugnisse zur Ausführung der Aufgabe? • Verfügen die Mitarbeitenden über alle Informationen, die sie zur zielge‐ rechten Ausführung der Arbeit brauchen? • Ist bei der Auftragsübergabe gewährleistet, dass die Mitarbeitenden die Möglichkeit haben, Fragen zu stellen, wenn ihnen etwas unklar ist? • Akzeptieren die Mitarbeitenden die Aufgabe im Hinblick auf Zielsetzung bzw. Sollvorgabe? • Führen Sie das Delegationsgespräch im Umkehrton, so wie Sie selbst bei einer Auftragsübergabe angesprochen werden möchten? • Sind Termine für die Besprechung der Ergebnisse vereinbart - Fehlerana‐ lyse und Erfolgskontrolle? • Entspricht die Aufgabe den Leistungsmöglichkeiten der Mitarbeitenden, oder sind sie über- oder unterfordert? Die einzig richtige Antwort auf alle Fragen lautet „Ja“. Wenn Sie nicht aus voller Überzeugung zustimmen, halten Sie stichwortartig fest, woran das liegt. Überlegen Sie dann (mit Ihren Mitarbeitenden) was Sie wie tun können, um dies zu ändern! Frage: „Die bisherigen Ausführungen zum Thema Delegieren sind für mich gut nachvollziehbar, beziehen sich jedoch mehr auf Erfahrungen in den Pro-Fit-Co‐ achings, was die Frage nahelegt: Wie sieht der Transfer der Grundannahmen des Reifegradmodells in der betrieblichen Praxis aus? “ 4.4 Delegation in der betrieblichen Praxis Interner Coach: „Aufgrund meiner beruflichen Erfahrung bei Delegationen sei betont: Delegieren muss man wollen! Wer nicht bereit ist loszulassen, wird nie delegieren und sich diese Technik zu Nutze machen, um Freiräume zur Erfüllung seiner Kernaufgaben zu bekommen.“ 112 4 Ausführen (lassen) <?page no="113"?> FRAGE: „Was bedeutet das für Führungskräfte und wie sieht Delegation im Arbeitsalltag aus? Und weiter: Was ist das Wichtigste, was bei der Übertragung von Aufgaben und Tätigkeiten an Mitarbeitende zu berücksichtigen ist? “ Interner Coach: „Auf diese Frage gibt es in der täglichen betrieblichen Praxis nur eine Antwort, die alles zusammenfasst und auf den Punkt bringt: Vertrauen wollen und vertrauen können! Wer als Führungskraft kein Vertrauen zu seinen Mitarbeitenden oder Team‐ kolleg: innen aus anderen Bereichen hat, wird nie erfolgreich delegieren oder mit anderen zusammenarbeiten können. Wobei die Übertragung von Aufgaben und Tätigkeiten nicht nur „Top-down“, sondern auch „Bottom-up“ erfolgen kann, dann jedoch in Form von Hilfestellung oder Unterstützung. In meiner fünfundzwanzigjährigen Führungspraxis habe ich immer wieder feststellen müssen, dass die theoretischen Ansätze zum Delegieren (mögen sie auch noch so gut und effektiv erscheinen) nicht oder nur bedingt zum Erfolg führen, wenn vergessen wird (vielleicht auch absichtlich) demjenigen, dem eine Aufgabe oder Tätigkeit delegiert wird, nicht auch das Vertrauen hierfür gegeben wird. Vertrauen setzt sich im Rahmen einer Delegation dem Anderen gegenüber zusammen aus: • Vertrauen schenken und • Vertrauen wollen. Unabhängig von der unter 4.2. beschriebenen Überlegungen zum Reifegrad von Mitarbeitenden im Reifegradmodell von Hersey/ Blanchard ist vor der Delegation folgendes zu berücksichtigen: Wem will ich vertrauen = Wem schenke ich mein Vertrauen? Will ich überhaupt vertrauen = Kann und will ich loslassen? “ FRAGE: „Warum delegieren wir überhaupt? “ Interner Coach: „Die Delegation ist im heutigen Arbeitsalltag das einzige Mittel sich Freiraum für seine eigentlichen Kernaufgaben zu schaffen, indem man am besten längerfristige Tätigkeiten oder häufig wiederkehrende Aufgaben Mitarbeitenden übergibt. Die Übertragung von kurz- und mittelfristigen Auf‐ gaben und Tätigkeiten ist zwar auch möglich, jedoch weniger erfolgverspre‐ chend um Freiräume zu schaffen, da Delegieren auch Zeit benötigt. Es sei denn, man agiert nach dem Schema ‚Kleinvieh macht auch Mist‘. Häufig wird das Wort ‚Delegation‘ mit der Weitergabe oder Erteilung von kurzfristig zu erledigenden Aufgaben verwechselt! Dies hat allerdings nichts mit ‚Delegation als Führungstechnik‘ zu tun, sondern eher damit: 113 4.4 Delegation in der betrieblichen Praxis <?page no="114"?> ‚Ich habe eine Aufgabe zu erledigen, habe aber keine Lust die Aufgabe selbst zu machen, sondern lasse das andere für mich machen‘. Demgegenüber ist nur die Delegation als Führungstechnik zielführend und hilft der Führungskraft.“ FRAGE: „Das bringt uns zu der Frage, was kann delegiert werden und was sollten wir als Führungskraft delegieren? “ Interner Coach: „Generell kann alles an Aufgaben und Tätigkeiten, unter Berücksichtigung bestimmter Regeln, delegiert werden. Für die reine Delegation und der Führung von Mitarbeitenden durch Delega‐ tion ist aber der Reifegrad 4 notwendig. Meine Erfahrung als Führungskraft zeigt, einzig die Verantwortung lässt sich nicht delegieren. Unabhängig hiervon ist aber, dass bei Mitarbeitenden mit Reifegrad 4, für die Erfüllung der delegierten Tätigkeiten oder Aufgaben auch unbedingt die Verantwortung für die bestmögliche Erfüllung zu über‐ tragen ist und die Annahme vom Mitarbeitenden auch erwartet werden kann. Die eigentliche Verantwortung für das Ergebnis bleibt aber immer bei der Führungskraft. 4.5 Delegierbare Tätigkeiten und Aufgaben finden Führungskräfte die ‚Führung durch Delegation‘ aktiv realisieren wollen, oder aufgrund der heutigen Arbeits- und Aufgabenfülle delegieren müssen, sollten nicht wie vorher beschrieben in die Rolle des Aufgabenverteilers verfallen und meinen sie delegieren jetzt. Vielmehr sollten sich Führungskräfte mehr damit auseinandersetzen, dass die Führung durch Delegation nachfolgende Vorteile mit sich bringt: • Freiräume für die eigentlichen Kernaufgaben werden geschaffen. • ‚Echte‘ Delegation wirkt sich auf Mitarbeitende motivierend aus. • Mitarbeitende werden gefördert. Vor dem Delegieren ist genau zu überlegen, welche Tätigkeiten oder Aufgaben man als Führungskraft delegieren kann, möchte oder auch will. Folgende Fragen sind hilfreich, um mögliche delegierbare Themenfelder zu finden: • Habe ich ‚liebgewordene Kinder‘ in Form von Aufgaben und Tätigkeiten, die mir Spaß machen, aber auch andere können? 114 4 Ausführen (lassen) <?page no="115"?> • Gibt es Routineaufgaben/ -tätigkeiten, die nicht zu meinen Kernaufgaben gehören? • Gibt es Aufgaben/ Tätigkeiten, die auf Mitarbeitende motivierend wirken würden? • Gibt es Aufgaben/ Tätigkeiten, mit denen Mitarbeiterförderung betrieben werden kann? • Gibt es aus einem übergeordneten Themenfeld immer wiederkehrende oder auch neue Aufgaben / Tätigkeiten? Allen Themen, die sich hierheraus ergeben, ist aber ein schon beschriebenes Thema voranzustellen: Will ich vertrauen wollen und will ich Vertrauen schenken! Tipp: Schreiben sie eigene Aufgaben, die Zeit beanspruchen, über einen län‐ geren Zeitpunkt (ca. vier Wochen) auf. Entscheiden sie dann auf Basis oben genannter Fragestellungen, ob Themen zur Delegation dabei sind.“ 4.6 Führung durch Delegation mit Reifegraden FRAGE: „Wie werden mit der ‚Führungstechnik Delegation‘ im Arbeitsalltag die großmöglichsten Erfolge bei geringstem Zeiteinsatz erreicht? “ Interner Coach: „Folgende Vorgehensweise hat sich für mich als Führungs‐ kraft in der praktischen Anwendung von Delegation und ‚Führen durch Dele‐ gation‘ als zielführend erwiesen: Schritt 1: Anfallende Tätigkeiten oder Aufgaben aus dem Arbeitsalltag, die nicht zur Kernaufgabe gehören, sind zu identifizieren und entsprechend dem Reifegradmodell (Abbildung 4.2.) zu sortieren. Schritt 2: Auswahl geeigneter Arbeitskräfte aus Sicht der Führungskraft. Schritt 3: nach entsprechender Mitarbeiterauswahl, den Mitarbeitenden in Form eines persönlichen Gespräches gegenüber kommunizieren, was als Tätig‐ keit oder Aufgabe übertragen werden möchte. In einer gelösten Gesprächsatmosphäre wird die Tätigkeit oder Aufgabe be‐ schrieben und erklärt. Hierbei ist wichtig, die Meinung und auch Vorschläge des Anderen zur Art und Weise der Umsetzung zuzulassen. Ein ‚No Go‘ ist die Delegation durch schriftliche Aufgabenverteilung in elek‐ tronischer Form von Steckbriefen, Zielerfüllungsblättern, Aufgabenbeschrei‐ 115 4.6 Führung durch Delegation mit Reifegraden <?page no="116"?> bungen oder IT-Programmen. Diese Art der Delegation führt bei Mitarbeitenden zu Demotivation und hat nichts mit der ‚Führungstechnik Delegation‘ zu tun. Führungskräfte, die diese Form der Delegation und des Führens anwenden, wollen nur Aufgaben verteilen. Diese sollen anschließend entsprechend ihrer eigenen Vorstellungen umgesetzt werden. Zusätzlich möchte die Führungskraft noch ein Kontrollinstrument zur Zielerfüllung installieren. Dies ist nicht die Anwendung von Delegation als modernes Führungsinstru‐ ment. Führungskräfte, die so handeln, haben die Methode und die Vorteile, die Delegation als modernes Führungsinstrument (Führungstechnik) mit sich bringt, nicht verstanden. Die Mitarbeitenden werden in diesem Fall zum ‚Auf‐ gabenerfüller‘. Die Literatur, bzw. die Theorie sagt, echte Delegation ist anwendbar für Mitarbeitende mit dem Reifegrad ‚4‘. Wie in Kapitel 4.2 beschrieben, besitzen diese Mitarbeitenden eine sehr hohe Delegationsreife, die sich durch eine hohe Aufgabenorientierung und eine niedrige Beziehungsorientierung zur Führungskraft auszeichnet. Sie sind somit die idealen Mitarbeitenden, an die man Aufgaben oder Tätigkeiten eigenverantwortlich übertragen sollte. Meine langjährige Erfahrung als Führungskraft zeigt aber, nicht immer wollen Mitarbeitende mit einem Reifegrad ‚4‘ auch Aufgaben eigenständig über‐ nehmen. Hier ist die Führungstechnik ‚Mitarbeiterführung durch Delegation‘ oder die ‚direkte Delegation‘ von Aufgaben bei diesen Mitarbeitenden nicht anwendbar. Mitarbeitende mit einem persönlichen Reifegrad ‚4‘, die nur ihren Job machen wollen und ihre hohe Aufgabenreife sowie persönliche Reife nur im Privatleben einbringen möchten, kennt die Literatur leider nicht. Die Theorie geht leider immer von einer willigen Arbeitskraft aus, die weiterkommen und Höchstleis‐ tungen erbringen möchte, immer kooperativ ist und sich in höchstem Maße mit ihrem Arbeitgeber identifiziert“. FRAGE: „Was machen wir als Führungskraft, wenn wir einen Großteil von Mitarbeitenden der Reifegradgruppen ‚1-3‘ haben? “ Interner Coach: „Auch diesen Mitarbeitergruppen können und sollten Tätig‐ keiten und Aufgaben übertragen werden, um sie mit der Führungstechnik Delegation zu führen und auch zu fördern. Wichtig ist nur, dass man zu den Fragestellungen unter Kapitel 4.5 (mögliche delegierbare Themenfelder), zur Vermeidung einer Überforderung oder auch Unterforderung, die erforderlichen Reifegrade berücksichtigt. Die reine Delega‐ tion zur eigenverantwortlichen Erledigung von Aufgaben und Tätigkeiten sollte aber nur bei Mitarbeitenden mit einer Reifegruppe ‚4‘ angewendet werden. Bei 116 4 Ausführen (lassen) <?page no="117"?> den Reifegraden ‚1-3‘ führt die reine Delegation schnell zu Misserfolgen sowie einer Überforderung. Dieses führt bei Mitarbeitenden zu Demotivation und ist somit kontraproduktiv. Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung hat sich die in Tab. 4.4. dargestellte Zuordnung von Reifegrad, zu übertragbaren Tätigkeiten/ Aufgaben als prakti‐ kabel erwiesen. Auf Basis dieser Zuordnung, lässt sich die Theorie ‚Führung durch Delegation‘ in der Praxis gut umsetzen und mit ihr arbeiten. Es muss der Führungskraft aber bewusst sein, Mitarbeitende, egal welchen Reifegrades, die sich auf diese Art bzw. Technik des Führens nicht einlassen wollen, werden Sie so nicht führen können. Hier bleiben Ihnen dann nur die bekannten Führungsstile (patriarchisch, laissez faire, kooperativ) übrig, die Sie idealerweise entsprechend des Charakters des Mitarbeitenden zum situativen Führungsstil zusammenführen oder einzeln anwenden. Eine weitere Hilfe kann auch eine Einschätzung der Mitarbeitenden nach der Management Grid Matrix (Verhaltensgitter oder auch 9-Felder-Matrix) von Balke und Mouton sein.“ Fragestellungen zu übertragbaren Tätigkeiten zum Reifegrad Fragestellungen Erforderlicher Reifegrad Habe ich „liebgewordene Kinder“ in Form von Aufgaben und Tätigkeiten, die mir Spaß ma‐ chen, aber auch andere könnten? Reifegrad 4 Gibt es Routineaufgaben/ -tätigkeiten, die nicht zu meinen Kernaufgaben gehören? Reifegrad 1 oder 2 Gibt es Aufgaben/ Tätigkeiten die auf Mitarbei‐ tende motivierend wirken würden? Reifegrad 3 Gibt es Aufgaben/ Tätigkeiten, mit denen Mitar‐ beiterförderung betrieben werden kann? Reifegrad 3 Gibt es aus einem übergeordneten Themenfeld immer wiederkehrende oder auch neue Auf‐ gaben/ Tätigkeiten? Reifegrad 3 oder 4 Tab. 4.5.: Fragestellungen zu übertragbaren Tätigkeiten zum Reifegrad 117 4.6 Führung durch Delegation mit Reifegraden <?page no="118"?> Merksätze der Erfahrung: Ein Team, das hauptsächlich aus Mitarbeitenden der Reifegruppe 1 besteht, wird nie erfolgreich sein! Ein Team, das Hauptsächlich aus Mitarbeitenden der Reifegruppe 4 besteht, wird häufig zerstritten sein und nie als Team funktionieren! FRAGE: „Warum ist es sinnvoll Aufgaben zu delegieren und eine Mitarbeiter‐ führung durch Delegation anzuwenden? “ Interner Coach: „Als Führungskraft brauche ich Freiraum. Die richtige Nut‐ zung und Anwendung dieser Techniken schafft den Freiraum für die Führungs‐ kraft und fördert die Mitarbeitenden. Es wird ein erfolgreiches Team, bestehend aus den Reifegruppen 1-4 geformt, die Mitarbeitenden werden motiviert und sind bereit Höchstleistungen zu erbringen. Die Verantwortung für das Ergebnis bleibt aber immer bei der Führungskraft.“ 4.7 Ergebniskontrolle bei der Delegation von Tätigkeiten und Aufgaben FRAGE: „Wie lässt sich prüfen, ob die übertragene Tätigkeit und Aufgabe entsprechend den Anforderungen durchgeführt wird und Mitarbeitende das gewünschte Ergebnis liefern? “ Interner Coach: „Methoden wie • Regeltermine/ Jour fixe, • Kontrolle durch Hintergrundinformationen, • Kontrolle durch KPI (Kennzahlensysteme), • Kontrolle durch elektronische Systeme, ‚Aufgabe <-> Antwort Ping-Pong‘ zeigen mir, dass sie nur einer Führungskraft dienen, die nicht auch Vertrauen bei der Übertragung von Tätigkeiten oder Aufgaben mit überträgt. Die genannten Methoden werden durch Mitarbeitende häufig nur als ‚Ergebnis-Kontrolle‘ wahr‐ genommen. Sie zeigen nicht das wahre Ergebnis und führen bei Mitarbeitenden zu Demotivation, nach dem Motto ‚ich mache es ja sowieso nicht gut genug‘. Mitarbeitende neigen dazu alles positiv darzustellen oder zu begründen, warum das Ergebnis nicht erreicht werden konnte. Handlungsfelder und Problemstellungen werden nicht offen angezeigt und thematisiert, sie fallen unter den Tisch. Eine vertrauensvolle konstruktive Zusammenarbeit wird hier nie stattfinden. Diese Art der Kontrolle lässt sich auch als Micromanage‐ 118 4 Ausführen (lassen) <?page no="119"?> ment-Kontrolle bezeichnen. Die Führungskraft will in alles eingebunden sein und alle erdenklichen Informationen haben und Details kennen. Eigent‐ lich will die Führungskraft hier alles selbst entscheiden und benötigt nur jemanden, der die Detailarbeit macht. Mangelndes Vertrauen Mitarbeitenden gegenüber, führt in diesem Fall zum Kontrollzwang. Durch dieses Microma‐ nagement wird der eigentliche Sinn der Delegation, bzw. des Führens durch Delegation verfehlt. Es wird den Mitarbeitenden der Freiraum genommen, ihre Motivation wird zerstört. Es kommt zu schlechteren Arbeitsergebnissen und zu einer schlechteren Arbeitsatmosphäre. Die Führungskraft, die so agiert, wird den erwünschten Erfolg und Zeitgewinn nicht erreichen. Methoden, die die Kommunikation in den Vordergrund stellen, sind we‐ sentlich effektiver und erfolgversprechender für die Erzielung eines guten Ergebnisses. Folgende Methoden haben sich in der Praxis bewährt: 1. Mitarbeitenden immer eine ‚offene Tür‘ bieten. 2. Immer offene, ehrliche, aber auch kontroverse Kommunikation führen. 3. Mitarbeitenden Hilfestellung anbieten. 4. Als Team agieren, und was vor allem ganz wichtig ist, 5. bei Misserfolgen sich nach außen vor die Mitarbeitenden stellen und nach innen, die Mitarbeitenden nicht anklagen, sondern unterstützen und zum Weitermachen ermutigen. Somit ist zusammenfassend zu sagen: • Kommunikation ist besser als Kontrolle. • Kontrollzwang ist demotivierend für Mitarbeitende. • Keinesfalls Ergebnisabfrage in elektronischer Form.“ FRAGE: „Welche Erfahrungen haben Sie in der Anwendung von Delegation und ‚Führen durch Delegation gemacht‘? “ Interner Coach: „Meine Erfahrungen haben gezeigt, dass die Anwendung der ‚Führungstechnik Delegation‘, entsprechend der reinen Theorie der Wissen‐ schaft und die praktische Anwendung im Arbeitstag nicht immer zusammen‐ passen. Abgeleitet aus diesen Erfahrungen habe ich 12 Erkenntnisse entwickelt, die mir geholfen haben, diese Technik erfolgreich anzuwenden.“ 119 4.7 Ergebniskontrolle bei der Delegation von Tätigkeiten und Aufgaben <?page no="120"?> 1. Delegation ist verbunden mit Investition in Zeit, aber auch eine Investi‐ tion für die Zukunft. 2. Managerfalle umgehen, Delegation nicht als ‚Ich brauche jemanden, der meine Arbeit macht‘ verstehen. 3. Entsprechend der Tätigkeiten und Aufgaben geeignete Mitarbeitende auswählen. 4. Mitarbeitenden die erforderlichen Ressourcen und das Vertrauen geben. 5. Immer ein ‚offenes Ohr‘ haben und ansprechbar für Mitarbeitende sein. 6. Sich als Unterstützer und Begleiter sehen. 7. Geduld bewahren und nicht gleich mit „Top-Ergebnissen“ entsprechend der eigenen Vorstellungen rechnen. 8. Mitarbeitenden auf Augenhöhe begegnen. 9. Kontrollzwang vermeiden und nicht versuchen, alles besser zu wissen, denn: Viele Wege führen zum Ziel. 10. Anerkennung schenken, Feedback geben und Danke sagen. 11. Vermeiden Mitarbeitende durch Delegation zu führen, wenn diese so nicht geführt werden wollen. 12. Sowohl auf Überforderung als auch auf Unterforderung von Mitarbei‐ tenden achten. Zusammenfassend ist im Hinblick auf ‚Delegation‘ und ‚Führung durch Dele‐ gation‘ folgendes zu sagen: Delegation ist: Delegation = Vertrauen schenken Delegation = Loslassen wollen Delegation = Fähigkeiten von Mitarbeitenden einschätzen & nutzen wollen Delegation = Andere Lösungen und Wege akzeptieren Delegation = Kommunikation Delegation ist nicht: Delegation ≠ Kontrolle auf Micromanagementebene Delegation ≠ Mitarbeitenden die eigene Meinung aufzwingen Delegation ≠ Mitarbeitende als Erfüllungsgehilfen sehen Die richtige Anwendung von Delegation und der ‚Führung durch Delegation‘ ermöglicht der Führungskraft sich Freiräume in einer funktionierenden Organi‐ sation zu schaffen. Die häufige Nutzung dieser Führungstechnik hat mir gezeigt, dass Mitarbeitende zumeist mehr können als ich es ihnen zugetraut habe. Zudem habe ich aber auch festgestellt, dass es sinnlos ist, Mitarbeitende so führen zu wollen, wenn diese nicht so geführt werden möchten.“ 120 4 Ausführen (lassen) <?page no="121"?> 5 (Gemeinsam) kontrollieren und bewerten In der letzten Station des Führungskreislaufs „(Gemeinsam) kontrollieren und bewerten“ werden zum einen Möglichkeiten aufgezeigt, wie Führungskräfte ihr Führungshandeln hinterfragen können, um sich Möglichkeiten zur Optimie‐ rung zu erschließen. Zum anderen wird mit dem Shopfloor Management eine Methode zum Controlling von Prozessen vorgestellt und Erfahrungen aus der Praxis mit diesem Führungsinstrument reflektiert. 5.1 Kontinuierliche Verbesserungsmöglichkeiten durch anonymisierte Befragungen der Mitarbeiter: innen Im Kapitel 2.2 zur „Praxis der Mitarbeiter: innenjahresgespräche“ führt der interne Coach aus, dass er sich jeweils zum Ende der Mitarbeiter: innenjahres‐ gespräche von seinen Mitarbeitenden zu seinem Führungsverhalten Feedback einholt, um sein eigenes Handeln kontinuierlich verbessern zu können. FRAGE: „Dies hört sich auf den ersten Blick zwar vielversprechend an, aber es liegt doch auf der Hand, dass eine solche Vorgehensweise ein offenes Vertrau‐ ensverhältnis auf Augenhöhe zwischen Führenden und Geführten voraussetzt. Dies dürfte nicht so ohne weiteres angenommen werden, da zwischen beiden Gesprächspartner: innen ein Hierarchiegefälle und damit auch eine gewisse Abhängigkeit besteht. Aufgrund dessen dürften selbst Mitarbeitenden, die ansonsten kein Blatt vor dem Mund nehmen, ihr Feedback an die Führungskräfte doch schon sehr wohl überlegen. Von daher stellt sich die Frage, ob bzw. inwieweit das auf diese Art gewonnene Feedback das Geschehen in der Führungssituation wirklich beschreibt.“ Externer Coach: „Ohne die Bedeutung der Rückmeldung der Mitarbeitenden an ihre Führungskräfte im Mitarbeiter: innenjahresgespräch schmälern zu wollen, empfehlen wir von daher, diese durch anonymisierte standardisierte Fragebogenverfahren zu ergänzen.“ FRAGE: „Welche Möglichkeiten bieten sich in dieser Hinsicht an? “ Externer Coach: „Nicht wenige, meist größere Unternehmen setzen auf Be‐ fragungen der Mitarbeitenden zur Erfassung der Organisationskultur, wobei sie nicht zuletzt auch zur Wahrung der Anonymität mit renommierten Bera‐ <?page no="122"?> tungsfirmen kooperieren. In der Befragung der hier beispielhaft dargestellten Beratungsfirma wird die Organisationsbzw. Unternehmenskultur über gut definierte ‚Kulturelemente‘ wie strategische Ziele, Produktqualität, Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Personalführung, Kooperation, Personalentwicklung, Ökologie und Umweltschutz, Informationspolitik, Erscheinungsbild und die Stellung des Unternehmens beschrieben. Den Elementen sind Kategorien zu‐ geordnet, deren Ausprägungen über eine Reihe darauf abgestimmter Items ermittelt werden. Als Beispiel sei hier eins von insgesamt sechs Items, zu der in unserem Zusammenhang besonders interessanten Kategorie ‚Direkte Füh‐ rungskraft‘, angeführt, welche neben anderen Kategorien dem Kulturelement ‚Personalführung‘ zugeordnet ist. Items wie ‚Meine direkte Führungskraft gibt mir regelmäßig Feedback zu meiner Leistung‘ werden den Teilnehmenden fünffach skaliert präsentiert, positiv mit ‚Stimme zu‘ und ‚Stimme eher zu‘, dem neutralen? ‘, sowie negative mit ‚Stimme eher nicht zu‘ und ‚Stimme nicht zu‘. Ausgezählt werden nur die positiven und negativen Einschätzungen zu diesem und den anderen Items der Kategorie ‚Direkte Führungskraft‘. Sowohl für diese Kategorie als auch alle anderen Kategorien des Kulturelements ‚Personalführung‘ wird die Verteilung der positiven und negativen Einschätzungen prozentual zur Anzahl der Teilneh‐ menden ermittelt. Letztlich resultieren sowohl Kennzahlen für die Kategorien als auch für die Kulturelemente, die extern mit den Ergebnissen der Gesamtheit aller Befragten und mit Befragten der gleichen Branche sowie auch intern mit den Ergebnissen des Unternehmens und anderer Unternehmensbereiche verglichen werden. Über dieses Benchmarking werden Trends im Hinblick auf die Güte der Unternehmenskultur dargestellt. Im Anschluss an die Befragung stellen alle Führungskräfte den Mitarbei‐ tenden ihres Verantwortungsbereiches das Ergebnis vor, diskutieren es und leiten in, von ihnen selbst oder auch extern moderierten Workshops Maß‐ nahmen zur Optimierung der Unternehmenskultur ab. Ob und inwieweit die Maßnahmen den gewünschten Erfolg gebracht haben, lässt sich dann an den Kennzahlen der nächsten turnusmäßigen Befragung ablesen. Falls nicht, gilt es erneut nachzujustieren. Daraus resultiert idealerweise ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess der Organisationskultur, ihrer Kulturelemente und last, but not least damit einhergehender, im Hinblick auf die Führungssituation bedeutsamer Bestandteile (Kategorien). Als externer Coach habe ich vor dem Hintergrund derartiger Mitarbeiterbefra‐ gungen zahlreiche Workshops zur Optimierung der Organisationskultur mode‐ riert. Dort ist mir deutlich geworden, dass die erfolgreiche Implementierung des Instruments nicht nur stark von der Akzeptanz des Fragebogens selbst abhängt, 122 5 (Gemeinsam) kontrollieren und bewerten <?page no="123"?> sondern in einem hohen Maß davon, dass Verbesserungsvorschläge aus den Workshops nachhaltig realisiert werden. Hier sind Führungskräfte gefragt, die sich selbst und ihre Mitarbeitenden für das Verfahren begeistern und gemeinsam mit ihnen realisierbare Optimierungsvorschläge tatkräftig umsetzen.“ 5.2 Reflexion des Führungshandelns mittels 360°-Feedback FRAGE: „Wenn ich das Recht verstehe, liefern mir Befragungen von Mitarbei‐ tenden der geschilderten Art sehr facettenreiche und umfangreiche Informa‐ tionen zur Bewertung der Organisationskultur, die mir Optimierungsmöglich‐ keiten erschließen, erfordern jedoch einen sehr aufwändigen Prozess. Damit stellt sich mir die Frage, ob es nicht weniger umfangreiche Instru‐ mente gibt, um einzelne, mich besonders interessierende Aspekte aus dem Gesamtspektrum der Organisationskultur zu thematisieren, zu bewerten und zu kontrollieren, im Sinne von Controlling = begleitend zu steuern? “ Externer Coach: „In diesem Zusammenhang sei zum einen auf Coachings hingewiesen, in denen wir je nach Fragestellung mit dem sogenannten 360°-Feedback zum Selbst-/ Fremdbild-Vergleich im Hinblick auf Ausschnitte der beruflichen Handlungskompetenz der Teilnehmenden gearbeitet haben. Zum anderen verweisen wir auf unsere Erfahrungen im Shopfloor Management, wo wir gemeinsam mit den Mitarbeitenden bedeutsame betriebliche Kennzahlen thematisiert und gesteuert haben, indem wir Optimierungsmöglichkeiten er‐ schlossen, verfolgt und kontinuierlich bewertet haben. Beim 360°-Feedback handelt es sich um ein Verfahren, bei dem der Selbstbe‐ schreibung der Teilnehmenden vier Fremdbeschreibungen gegenübergestellt werden, die aus ihrer beruflichen Umwelt gewonnen werden, nämlich idea‐ lerweise jeweils 90° von Vorgesetzten, Mitarbeiter: innen, Kolleg: innen und Kund: innen. Die Daten zu den fraglichen Aspekten der beruflichen Handlungs‐ kompetenz können dabei sowohl in der Selbstbeschreibung als auch in den Fremdschreibungen durch mehr oder weniger freie Interviews oder über theo‐ riegeleitete standardisierte Fragebögen erhoben werden. Wir setzen auf eine Kombination beider Möglichkeiten, indem wir vorab ausgeteilte Fragebögen zur Formulierung erster Hypothesen einsetzen, die dann in der Ergebnispräsentation gemeinsam mit den Teilnehmenden disku‐ tiert werden, um gemeinsam Ziele zur Verbesserung des Führungshandelns abzustimmen, an denen dann in einem Coaching-Prozess sukzessive gearbeitet wird. Das folgende Beispiel aus unserer Beratungspraxis erläutert die Vorge‐ hensweise. 123 5.2 Reflexion des Führungshandelns mittels 360°-Feedback <?page no="124"?> Ein stark in Projekten eingebundener Ingenieur hat sich mit seinem Vor‐ gesetzten im Mitarbeiterjahresgespräch darauf verständigt, sich Feedback zu seiner sozialen Kompetenz einzuholen und das Ergebnis zu nutzen, um Op‐ timierungsmöglichkeiten zu erschließen und daran zu arbeiten. Nach dem gegenseitigen Kennenlernen haben mein neuer Klient und ich uns auf den Einsatz des Inventars zur Messung sozialer Kompetenzen in Selbst- und Fremd‐ bild (ISK-360°) geeinigt, welches hauptsächlich für berufliche Handlungsfelder entwickelt worden ist. Das vorrangige Ziel des ISK-360° besteht darin, dass Fach- oder Führungs‐ kräfte ihre Selbstbeschreibung im Hinblick auf ihre soziale Kompetenz mit einem oder mehreren Fremdbildern vergleichen. Unter sozialer Kompetenz wird dabei die Gesamtheit des Wissens, der Fähigkeiten und Fertigkeiten einer Person verstanden, die die Qualität eigenen Verhaltens im Sinne sozialkompetenten Verhaltens fördern, welche entscheidend dazu beitragen, in spezifischen Situa‐ tionen eigene Ziele zu verwirklichen und gleichzeitig die soziale Akzeptanz des Verhaltens zu wahren. Und genau diese Schlüsselqualifikation ist von unserem Klienten bei seiner Arbeit in Projektteams gefordert, in denen es nach seiner Einschätzung ‚allzu oft menschelt, was sich immer wieder nachteilig auf den angestrebten Projekterfolg auswirkt‘. Von einem Selbst-/ Fremdbildvergleich erhofft er sich Informationen über seinen ‚blinden Fleck‘ (vgl. diesbezüglich die Ausführungen unter 1.2), die ihm dazu verhelfen, sein Verhalten in Projektteams zu optimieren. Das ISK-360° besteht aus einem Fragebogen zur Erfassung des Selbstbilds (ISK-360°-S) und einem für das Fremdbild (ISK-360°-F) mit jeweils 32 Items, die sich gleichermaßen zur Selbst- und Fremdbeschreibung eignen. Beispiels‐ weise entspricht dem Item ‚Für gewöhnlich bestimme ich, wo es langgeht‘ im ISK-360°-S das Item ‚Für gewöhnlich bestimmt X, wo es langgeht‘ im ISK-360°-F. Die Items sind über ‚trifft gar nicht zu‘, ‚trifft eher zu‘, ‚teils/ teils‘, ‚trifft eher zu‘ und ‚trifft sehr zu‘ fünffach skaliert. Der angekreuzten Einschät‐ zung wird ein Wert zugeordnet. Die 32 Items werden auf vier grundlegende Kompetenzen aufgeteilt, deren Ausprägung über einen Mittelwert von 1-5 ausgedrückt wird: Soziale Orientierung = Ausmaß, in dem eine Person anderen Menschen offen und mit positiver Grundhaltung gegenübertritt Offensivität = Fähigkeit, aus sich herauszugehen und im Kontakt mit anderen Menschen eigene Interessen verwirklichen zu können Selbststeuerung = Fähigkeit eines Menschen, flexibel und rational zu handeln, wobei man selbst Akteur ist 124 5 (Gemeinsam) kontrollieren und bewerten <?page no="125"?> Reflexion = Ausmaß, in dem sich eine Person mit sich und ihren Interaktions‐ partnern auseinandersetzt Das ISK-360° bietet Fach- und Führungskräften die Möglichkeit, ihr Selbstbild mit einem oder mehreren Fremdbildern, z. B. von Vorgesetzten, Kolleg: innen, Mitarbeiter: innen und Kund: innen zu vergleichen, was dann einem 360°-Feed‐ back gleichkäme. Zudem liegen für den Selbstbildfragebogen Normwerte für die Gesamt‐ stichprobe von 3600 Personen sowie deren Teilstichproben (Männer, Frauen, Nicht-Berufstätige, Berufstätige ohne Führungsaufgaben, Führungskräfte und Selbstständige) vor. In unserem Fallbeispiel haben wir mit unserem Klienten vereinbart, neben seinem Selbstbild Fremdbilder seiner Vorgesetzten, Kolleg: innen und von Freund: innen zu erfassen, also 180° aus dem beruflichen, ergänzt um 90° aus dem privaten Bereich, da unser Klient im Vorgespräch angegeben hatte, dort weitaus besser als in beruflichen Kontexten zurechtzukommen. Abb. 5.1. zeigt sein Ergebnis auf der Skala ‚Offensivität‘. Abb. 5.1.: Offensivität 1,52 2,53 3,54 Vorgesetzte Kolleg: innen Freund: innen Abb. 5.1.: Offensivität In der Abbildung zeigt der Balken eine hohe Ausprägung der Selbstbeschreibung unseres Klienten im Hinblick auf seine Fähigkeit, aus sich herauszugehen und im Kontakt mit anderen Menschen eigene Interessen verwirklichen zu können. Eine derart hohe Ausprägung weist aus, dass er sich selbst als jemanden beschreibt, der selbstsicher auf andere Menschen zugeht, ohne Konflikten aus dem Weg zu gehen, leicht Kontakt zu anderen findet und durchsetzungsstark ist. Demgegenüber weisen ihn die Säulen über seinen Fremdbeschreibungen jedoch mehr oder weniger deutlich als jemanden aus, der sich eher im Hin‐ tergrund hält, Konflikten aus dem Weg geht und sich anderen unterordnet. Besonders bemerkenswert, aber auch nicht weiter verwunderlich ist der große Unterschied zwischen seiner Selbstbeschreibung und den Fremdbeschreibungen 125 5.2 Reflexion des Führungshandelns mittels 360°-Feedback <?page no="126"?> seiner Vorgesetzten. Schließlich hat seine direkte Führungskraft im Mitarbei‐ tergespräch den Selbst-/ Fremdbildvergleich angeregt. Das Delta zu seinen Kolleg: innen ist zwar geringer ausgeprägt, bekräftigt aber zumindest tendenziell das Ergebnis für den beruflichen Bereich. Der eher kleinere Unterschied zu seinen Freund: innen zeigt demgegenüber an, dass er im privaten Kontext eher so wahrgenommen zu werden scheint, wie er selbst sich beschreibt. Nachdem wir abklären konnten, dass es sich bei den Einschätzungen aus dem privaten Bereich nicht um ‚Freundschaftsdienste‘ gehandelt hat, haben wir thematisiert, was er außerhalb des beruflichen Umfelds im Hinblick auf die soziale Kompetenz ‚Offensivität‘ anders macht und ob sich seine privaten Ressourcen nicht auch auf seinen Job übertragen lassen. Hieran anknüpfend haben wir mit unserem Klienten persönliche Zielsetzungen abgeleitet, die wir im anschließenden Coa‐ ching verfolgt haben. Mit Erfolg, wie eine zweite Erhebung mit dem ISK-360° deutlich gezeigt hat.“ FRAGE: „Bei dem Fallbeispiel geht es um die Optimierung einer besonderen be‐ ruflichen Handlungskompetenz. Welche Möglichkeiten gibt es darüber hinaus auch andere berufliche Kompetenzen zu reflektieren? “ Externer Coach: „Es gibt eine ganze Reihe von Beratungsfirmen, die selbst entworfene Instrumente zum 360°-Grad-Feedback anbieten. Ob und inwieweit deren Einsatz die damit zumeist verbundenen, vergleichsweise hohen Kosten rechtfertigen, vermögen und möchten wir nicht beurteilen. Hier ist der Auftrag‐ geber gefragt, einzuschätzen, ob sich der Einsatz lohnen wird und ein Return of Investment tatsächlich zu erwarten ist. Nicht zuletzt auch aus ökonomischen Gründen schlagen wir alternativ vor, statt Beratungsfirmen mit selbst entwickelten Instrumenten zu beauftragen, zu schauen, welche der auf dem Markt erhältlichen, bewährten Fragebögen auftragsspezifisch in Frage kommen. Sehr gute Erfahrungen haben wir sowohl mit den bereits unter Punkt 1.3 vorgestellten BIP 6-F als auch mit seinem ‚großen Bruder‘ gemacht, dem Bochumer Inventar zur Persönlichkeitsbeschreibung (BIP), welches wir in Einzel-Coachings häufig einsetzen, um umfassende Selbst-/ Fremdbild-Vergleiche zur beruflichen Handlungskompetenz anzubieten. Beim Bochumer Inventar zur Persönlichkeitsbeschreibung (BIP) handelt es sich um einen persönlichkeitsdiagnostischen Fragebogen, der auf wissen‐ schaftlicher Basis im Hinblick auf den beruflichen Kontext relevante Persön‐ lichkeitsfacetten erfasst. Neben dem Selbstbeurteilungsbogen liegt ein Fremd‐ beschreibungsbogen vor, der für einen Selbst-/ Fremdbildvergleich genutzt werden kann. Es werden auf insgesamt 14 Dimensionen überfachliche Kompe‐ tenzen wie berufliche Orientierung (Leistungsmotivation, Gestaltungsmotiva‐ 126 5 (Gemeinsam) kontrollieren und bewerten <?page no="127"?> tion, Führungsmotivation), Arbeitsverhalten (Gewissenhaftigkeit, Flexibilität, Handlungsorientierung) und soziale Kompetenzen (Sensitivität, Kontaktfähig‐ keit, Soziabilität, Teamorientierung, Durchsetzungsstärke) sowie die psychische Konstitution (Emotionale Stabilität, Belastbarkeit, Selbstbewusstsein) darge‐ stellt, die bedeutende Determinanten des beruflichen Erfolgs darstellen. Was genau erfasst wird, lässt sich recht gut dem Manual entnehmen, in dem zu jeder Dimension beschrieben wird, welche Bedeutung einer hohen Ausprägung zukommt. Um Ihnen einen Eindruck zu vermitteln, seien hier die Beschreibungen zu den Dimensionen des Bereichs der beruflichen Orientierung zitiert: ‚Leistungsbereitschaft: Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit einem hohen Gütemaßstab; Motiv, hohe Anforderungen an die eigene Leistung zu stellen; große Anstrengungsbereitschaft; Motiv zur fortwährenden Steigerung der eigenen Leistungen Gestaltungsmotivation: Ausgeprägtes Motiv, selektiv erlebte Missstände zu verändern sowie Prozesse und Strukturen nach eigenen Vorstellungen gestalten zu wollen; ausgeprägte Bereitschaft zur Einflussnahme und zur Verfolgung eigener Auffassungen Führungsmotivation: Ausgeprägtes Motiv zur sozialen Einflussnahme; Prä‐ ferierung von Führungs- und Steuerungsaufgaben; Selbsteinschätzung als Au‐ torität und Orientierungsmaßstab für andere Personen‘ Beispielhaft sei im Hinblick auf das Führungshandeln die in der Technik bedeutsame Dimension ‚Führungsmotivation‘ herausgegriffen, da das dortige Ergebnis anzeigt, inwieweit sich im Selbst- und Fremdbild der Wille zum Führungshandeln darstellt. Sehen sich die Proband: innen als Personen, die von sich aus das Heft in die Hand nehmen und führen wollen und werden sie im beruflichen Kontext auch als solche wahrgenommen. Aus unserer Sicht stellt dies eine unabdingbare Voraussetzung für erfolgreiche Führungshandeln dar. Schließlich gilt: Führen muss man wollen! Die Skalenausprägung im Selbstbild der Dimension ‚Führungsmotivation‘ wird mit 15 Items von den insgesamt 210 Items des BIP erfasst. Die Pro‐ band: innen drücken auf einer sechsstufigen Skala von ‚trifft überhaupt nicht zu‘ bis ‚trifft voll zu‘ den Grad ihrer Zustimmung zu Items wie „Andere orientieren sich an mir‘ oder ‚Ich trage gern die Verantwortung für wichtige Entscheidungen‘ aus. Wie bei allen anderen Dimensionen wird auch für die ‚Führungsmotivation‘ die Rohwertsumme ermittelt, nachdem jedem Item ent‐ sprechend der Selbsteinschätzung ein Wert zwischen ‚1‘ und ‚6‘ beigemessen 127 5.2 Reflexion des Führungshandelns mittels 360°-Feedback <?page no="128"?> worden ist. Aus der Rohwertsumme resultiert eine neunstufige Skala aus sogenannten Staninen, die einen Vergleich zu den Eichstichproben des BIP erlauben, die an mehr als 22.000 Personen bis 2018 erhoben wurden. Stanine zwischen ‚4‘ und ‚6‘ liegen im durchschnittlichen Bereich, geringere Werte weisen auf leicht bis stark unterdurchschnittliche Ergebnisse, höhere auf leicht bis stark überdurchschnittliche. Der Selbstbeschreibung zur ‚Führungsmotivation‘ mit den bereits erwähnten Facetten ‚Ausgeprägtes Motiv zur sozialen Einflussnahme; Präferierung von Führungs- und Steuerungsaufgaben; Selbsteinschätzung als Autorität und Ori‐ entierungsmaßstab für andere Personen‘ lässt sich die Fremdbeschreibung gegenüberstellen. Auf einer neunstufigen Skala mit drei beschriebenen Skalen‐ werten (‚1‘: deutlich unterdurchschnittlich, ‚5‘: durchschnittlich, ‚9‘ deutlich überdurchschnittlich) wird die Einschätzung zu drei Aspekten erfragt, die sich auf die o. g. Facetten der Selbsteinschätzung beziehen. In dem Fall wird eingeschätzt, inwieweit die zu bewertende Person erstens nach Führungsverant‐ wortung strebt (Item 7), zweitens in Gruppen die Leitungsfunktion übernimmt (Item 8) und drittens Autorität ausstrahlt (Item 9). Abb. 5.2. stellt das Ergebnis eines Projektingenieurs für den Selbst-/ Fremdbild-Vergleich der Dimension ‚Führungsmotivation‘ dar. Abb. 5.2.: Führungsmotivation im detaillierten Vergleich 7. ... strebt nach Führungsverantwortung 8. ... übernimmt in Gruppen die Leitungsfunktion 9. ... strahlt Autorität aus 0123456789 OM SH DB DW MT 7. 8. 9. Ja Abb. 5.2.: Führungsmotivation im detaillierten Vergleich Es zeigt sich, dass die als Balken dargestellte Selbsteinschätzung des Projektin‐ genieurs bis auf eine Ausnahme recht gut mit den Säulen der Fremdeinschät‐ zungen übereinstimmen. Das deutliche Delta findet sich bei der Person, die zwar 128 5 (Gemeinsam) kontrollieren und bewerten <?page no="129"?> am wenigstens häufig mit dem Projektingenieur zusammenarbeitet, jedoch seine Arbeitsaufträge erteilt, sowie für seine weitere berufliche Entwicklung maßgeblich verantwortlich ist - seinem direkten Vorgesetzten. Dass die Unterschiede in den Einschätzungen des Vorgesetzten (in Abb. 5.2.: OM) und den Kolleg: innen (in Abb. 5.2.: SH, DB, DW und MT) des Projektinge‐ nieurs nicht nur allein auf Nähe/ Distanz-Beurteilerfehler zurückzuführen sind, erschließt sich, wenn zudem das Ergebnis auf der Dimension ‚Gestaltungsmo‐ tivation‘ betrachtet wird. Dem dort erfassten Motiv, selektiv erlebte Missstände zu verändern sowie Prozesse und Strukturen nach eigenen Vorstellungen gestalten zu wollen und der dort eingeschätzten Bereitschaft zur Einflussnahme und zur Verfolgung eigener Auffassungen werden im Fremdbild die Aspekte gegenübergestellt, motiviert gestaltend einzugreifen (Item 4), bestrebt zu sein, Missstände zu beseitigen (Item 5), sowie motiviert zu sein, eigene Vorstellungen umzusetzen. Abb. 5.3. zeigt das Ergebnis für den Projektingenieur. Abb. 5.3.: Gestaltungsmotivation im detaillierten Vergleich 4. ... hat die Motivation durch seine Tätigkeit gestaltend einzugreifen 5. ... ist bestrebt, Missstände zu beseitigen 6. ... ist motiviert, eigene Vorstellungen umzusetzen 0123456789 OM SH DB DW MT 4. 5. 6. Ja Abb. 5.3. Gestaltungsmotivation im detaillierten Vergleich Es zeigt sich nicht nur, dass die Fremdeinschätzungen zwischen Vorgesetztem und Kolleg: innen näher beieinanderliegen, sondern auch der Selbst-/ Fremdbild‐ vergleich zwischen dem Projektingenieur und seiner Führungskraft (OM) liegt näher beieinander als bei der Dimension ‚Führungsmotivation‘. Allerdings zeigt sich eine deutlich abweichende Einschätzung. Die Führungskraft schätzt den Projektingenieur als jemanden ein, der über eine nur vergleichsweise geringe Motivation verfügt, durch seine Tätigkeit gestaltend einzugreifen. In der Diskussion der Ergebnisse erklärt der Projektingenieur, dass vor allem die Ergebnisse seines Selbst-/ Fremdbildvergleichs mit seinem Vorgesetzten auf 129 5.2 Reflexion des Führungshandelns mittels 360°-Feedback <?page no="130"?> den Dimensionen Gestaltungs- und Führungsmotivation recht gut widerspie‐ geln, was ihn in der betrieblichen Praxis tatsächlich antreibt: ‚Mir liegt es mehr, mich einzubringen und dabei mitzuwirken, Prozesse und Strukturen zu optimieren als das Verhalten anderer zu steuern. Führen ist irgendwie nicht mein Ding.‘ Zu klären, ob und unter welchen Bedingungen Führen nicht doch sein ‚Ding‘ sein könnte und wie er sich dementsprechend einbringen sollte, war dann Teil des anschließenden Coachings.“ FRAGE: „Wenn ich es Recht verstehe, sind bislang Möglichkeiten dargestellt worden, Führungshandeln zu reflektieren und korrigierend zu optimieren. Es ist zweifelsohne richtig, dass Führungskräfte die Art und Weise, wie sie führen, durch Controlling kontinuierlich verbessern. Aber Führungskräfte sind auch gefragt, anhand betrieblicher Kennzahlen ihre Bereiche zu steuern. Fast schon zwangsläufig stellt sich somit die Frage, welche sich zur Kontrolle und Steuerung des Verantwortungsbereiches anbietet? “ 5.3 Kontrolle und Steuern mittels Shopfloor Management Interner Coach: „Eine Möglichkeit zur Kontrolle und Steuerung der betrieb‐ lichen Produktionsabläufe ist die Einführung eines Shopfloor Managementsys‐ tems. Das SFM-System bietet aber noch einen weiteren Ansatz, nämlich die Nutzung als Führungsinstrument. 5.3.1 Ansätze und Aufbau eines Shopfloor Managementsystems Bevor ich auf Einzelheiten des Shopfloor Managementsystems und den sich daraus abgeleiteten Kennzahlen eingehe, sollte die Führungskraft sich über‐ legen, was sie durch den Aufbau eines Shopfloor Managementsystems erreichen und verbessern möchte. Übersetzt bedeutet Shopfloor Management nichts anderes als ‚Führen vor Ort‘. Die Führungskraft muss nach Einführung des SFM bereit sein, einen Teil ihrer täglichen Arbeitszeit auf dem Shopfloor zu verbringen, um von dort aus Problemlösung und Mitarbeiterführung zu betreiben. Dadurch, dass sich Führungskräfte der verschiedenen Hierarchieebenen ‚vor Ort‘, das heißt auf dem Shopfloor bewegen, sind sie näher am täglichen Geschehen und an den Basisthemen. 130 5 (Gemeinsam) kontrollieren und bewerten <?page no="131"?> Nach Einführung und inzwischen einjähriger Durchführung von Shopfloor Management habe ich folgende Erfahrungen gemacht: • Themenstellungen und Probleme werden früher wahrgenommen, • es wird schneller auf Themenstellungen und Probleme reagiert, • Maßnahmen werden zielführender eingeleitet, • Entscheidungen werden kurzfristig vor Ort getroffen oder eskaliert, • Themenstellungen und Probleme werden frühzeitiger gelöst. Meine bisherigen Erfahrungen im Einsatz von Shopfloor Management zeigen, dass folgende vier Ansätze verfolgt werden. Im ersten Ansatz führt Shopfloor Management zur Erhöhung der Transparenz der betrieblichen Fertigungsabläufe. Im zweiten Ansatz bietet Shopfloor Management die Möglichkeit, die Kom‐ munikation mit den Mitarbeitenden zu betrieblichen Themenstellungen zu verbessern. Mitarbeitende werden nicht nur informiert, sondern es findet ein Austausch zu den betrieblichen Themenstellungen in der Gruppe/ dem Team untereinander statt. Im dritten Ansatz wird durch die Schaffung von Transparenz im Fertigungs‐ ablauf und die Einbindung von Mitarbeitenden, eine schnelle Problemlösung ermöglicht und der dadurch erzielte Erfolg sichtbar gemacht. Im vierten Ansatz führt Shopfloor Management durch die Beteiligung der Mitarbeitenden zu betrieblichen Themenstellungen, zu einer kontinuierlichen Verbesserung der Arbeitsabläufe.“ FRAGE: „Kann Shopfloor Management in allen Bereichen und Hierarchie‐ ebenen angewendet werden und was ist bei der Einführung von Shopfloor Management zu beachten? “ Interner Coach: „Es hat sich gezeigt, dass Shopfloor Management sowohl in technischen Produktionsbereichen als auch in Konstruktionsbereichen ein‐ gesetzt werden kann. Ein Unterschied besteht einzig in der Gestaltung von Kennzahlen des jeweiligen Bereiches. Die Grundlage für ein funktionierendes Shopfloor Managementsystem bilden immer Themenfelder mit abgeleiteten Kennzahlen, die immer nach einer ‚SOLL-IST=DELTA‘Logik bearbeitet werden. Dabei ist zu beachten, dass sich die Mitarbeitenden mit den Themenfeldern und Kennzahlen identifizieren. Anders gesagt, die Themenfelder und Kenn‐ zahlen müssen die Problemfelder der Mitarbeitenden wiedergeben. Shopfloor Management kann nicht von ‚oben nach unten‘ verordnet werden. Ein Shopfloor Managementsystem muss in den jeweiligen Bereichen/ Abtei‐ lungen mit den Mitarbeitenden entwickelt werden. Einführung von Shopfloor 131 5.3 Kontrolle und Steuern mittels Shopfloor Management <?page no="132"?> Management bedeutet somit auch Einleitung eines Change-Prozesses, der alle Mitarbeitenden beteiligt und einbindet. Durch eigene Erfahrung eines ersten Versuches SFM einzuführen, habe ich festgestellt, dass die Entwicklung von Kennzahlen auf und für obere Führungs‐ ebenen, mit einem Reporting durch die Mitarbeitenden nicht den Erfolg eines funktionierenden Shopfloor Managementsystems erbracht hat. Es wurde Zeit investiert, Erfolge und Nutzen blieben aus. Es bleibt ein Kennzahlen- und Kontrollsystem der oberen Führungsebenen und hat keinen Bezug zu den The‐ menstellungen und den Problemen der Mitarbeitenden im betrieblichen Ablauf. Die Erfahrung hat mir somit gezeigt, dass ein Shopfloor Managementsystem, das nach dem ‚Top-down-Prinzip‘ eingeführt und den ‚Change-Gedanken‘ nicht berücksichtigt, nicht erfolgreich sein wird.“ FRAGE: „Wie ist aufgrund Ihrer Erfahrungen ein Shopfloor Management‐ system einzuführen und was ist bei der Einführung von Shopfloor Management zu beachten? “ Interner Coach: „Die Einführung von Shopfloor Management bedeutet auch die Einleitung eines Change-Prozesses. Shopfloor Management bedingt eine Verhaltensänderung der Mitarbeitenden zu eigenverantwortlichem Handeln sowie gleichzeitig eine Verhaltensänderung der Führungskraft dahingehend, Mitarbeitende trainieren und coachen zu wollen. Die Führungskraft übernimmt im Shopfloor Management die Rolle des ‚Moderators‘ in den Regelrunden. Besonders in hierarchisch geführten Bereichen, oder auch in Bereichen mit vielen Einzelarbeitsplätzen, bedarf es einer großen Veränderung des Arbeits- und Führungsverhaltens. Mitarbeitende werden durch das SFM aufgefordert, in ihrem Arbeitsumfeld eigenständig Entscheidungen zu treffen, Probleme zu analysieren und Problemlösung zu betreiben. Durch diese große Veränderung im Verhalten, ist ein sorgfältig eingelei‐ teter Change-Prozess begleitend erforderlich. Die Mitarbeitenden müssen mit‐ genommen und angeleitet werden, sie müssen Shopfloor Management als Unterstützung für ihre Arbeitsaufgabe verstehen. SFM soll ihnen die Arbeit erleichtern, um die gestellten Aufgaben sowie Ziele schneller und einfacher zu erreichen. Die folgende Grafik, Abb. 5.4., zeigt die Veränderung des Führungsverhaltens und den damit verbundenen Change-Ansatz im SFM. 132 5 (Gemeinsam) kontrollieren und bewerten <?page no="133"?> Abb. 5.4. Veränderung der Führungskultur durch Shopfloor Management Eine externe Unterstützung zur Einführung von SFM und dem einzuleitenden Change-Prozess ist hierbei sehr hilfreich. Externe Trainer: innen werden als ‚neutrale Personen‘ angesehen, zu denen leichter Vertrauen aufgebaut wird. Der Bedarf einer externen Unterstützung wird umso erforderlicher, je höher die Zahl, der in der Vergangenheit nicht erfolgreich durchgeführten Verände‐ rungsprozesse war. Die Aufgabe des ‚externen Coachs‘ ist die Moderation und Begleitung des Veränderungsprozesses. Als moderierende Person unterstützt sie die Entwicklung der betrieblichen Kennzahlen auf Arbeitsebene, in der Begleitung gibt er/ sie dem Moderator der Shopfloor-Runden Feedback. Nur wenn die Mitarbeitenden den Bedarf von erforderlichen Veränderungen verstehen und SFM als Erleichterung zur Bewältigung der gestellten Anforde‐ rungen erkennen, wird ein Shopfloor Managementsystem erfolgreich sein. Unter Beachtung dieser Erkenntnisse sowie mit externem Coaching für Mitarbeitende und Führungskräfte habe ich in meinem Bereich, in einem zweiten Anlauf, ein Shopfloor Managementsystem erfolgreich eingeführt. Hauptaugenmerk in der Einführungsphase war die Beteiligung und Einbin‐ dung der Mitarbeitenden sowie die Erarbeitung ihrer Problemstellungen im Arbeitsablauf. Die anschließend entwickelten Kennzahlen schaffen Transpa‐ renz, Messen die Veränderungen im Fertigungsprozess und machen Problem‐ stellungen sichtbar. Somit kann man sagen, die Einführung eines Shopfloor Managementsystems sollte nicht nach dem ‚Top-down-Prinzip‘, sondern nach dem ‚Button-up-Prinzip‘ 133 5.3 Kontrolle und Steuern mittels Shopfloor Management <?page no="134"?> erfolgen, in dem sich Kennzahlen von unten nach oben verdichten (kaskadiertes System). Im Vordergrund eines SFM-Systems stehen aber nicht Kennzahlen, sondern die Verhaltensänderungen der Mitarbeitenden zum • eigenverantwortlichen Lösen von Problemstellungen im täglichen Ar‐ beitsablauf und Arbeitsumfeld, • die kontinuierliche Verbesserung • das Befähigen von Mitarbeitenden.“ 5.3.2 Schritte der Einführung eines Shopfloor Managementsystems FRAGE: „Wie und in welchen Schritten ist Shopfloor Management eingeführt und ein Kennzahlenboard entwickelt worden? “ Interner Coach: „Durch die Erfahrung eines ersten Versuches in meinem Bereich ein Shopfloor Managementsystems einzuführen, habe ich mit externer Unterstützung einen Ablauf in sechs Phasen entwickelt, bei dem die Mitarbei‐ tenden im Vordergrund stehen. Phase 1: Grundschulung • Was ist Shopfloor Management und welche Vorteile entstehen durch SFM für uns Mitarbeitende und dem Unternehmen? • Was bedeuten Change-Prozesse und wie laufen diese ab? • Was ist ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)? • Wie betreibe ich KVP an meinem Arbeitsplatz? • Wie kommuniziere ich auf dem Shopfloor und was kann bei Kommuni‐ kation falsch laufen? • Was bedeutet ‚Führen mit offenen Fragen‘? • Welche Rollen gibt es im Shopfloor Management und wer nimmt welche Rolle ein? Phase 2: Regelkommunikation einführen • Erarbeitung von Themenfeldern, die für die Mitarbeitenden Problemstel‐ lungen im täglichen Arbeitsablauf hervorrufen oder sie bewegen. • Erarbeitung von hilfreichen Kennzahlen durch die Mitarbeitenden, be‐ zogen auf ihren Arbeitsplatz und ihre Ebene (hier sollten Kennzahlen 134 5 (Gemeinsam) kontrollieren und bewerten <?page no="135"?> entwickelt werden, die immer wieder zu Problemstellungen im Arbeits‐ ablauf führen). • Entwickeln von eigenen Templates durch die Mitarbeitenden zur Darstel‐ lung ihrer Kennzahlen auf dem Shopfloor Board. • Verantwortlichkeit zur Pflege der Kennzahlen definieren. • Terminierung der Regelrunden zum Shopfloor Meeting am Board. Für eine Übersichtlichkeit und Transparenz auf dem Shopfloor Board und im Shopfloor Bereich ist es hilfreich, Kennzahlen zu folgenden Themenfeldern zu entwickeln und zu gruppieren. • Allgemeines • Sicherheit • Nachhaltigkeit • Qualität • Ablieferung / Termin • Kosten Wenn SFM in mehreren Bereichen eingeführt und praktiziert wird, ergibt sich auf Basis der Themenfelder für Führungskräfte der einzelnen Bereiche und Bereichsleitung eine gute Übersicht und Transparenz über die Fertigungsab‐ läufe. Ein bereichsübergreifender Benchmark wird ermöglicht, Führungskräfte können untereinander kommunizieren und voneinander lernen. Abbildung 5.5. zeigt das in einem Workshop entwickelte Board für einen Fertigungsbereich. Kennzahlen wurden hier entsprechend der genannten The‐ menfelder gruppiert. 135 5.3 Kontrolle und Steuern mittels Shopfloor Management <?page no="136"?> Abb. 5.5. Entwickeltes Shopfloor Board Phase 3: Sensibilisierung der Führungskräfte und Schaffung eines einheitlichen Führungsverständnisses im Shopfloor Management • Einführung Shopfloor Management und Regelkommunikation • Befähigung von Mitarbeitenden und Führungskräften zum einheitlichen Vorgehen in Problemlösungstechniken • Betreiben von KVP, dieses einfordern und weiterentwickeln • Betreiben von kontinuierlicher strukturierter Problemlösung • Kommunikationsarten im Shopfloor Management Phase 4: Schulung von Mitarbeitenden und Führungskräften im Arbeiten am Shopfloor Board • Führungskraft als Moderator: in • Führen mit offenen Fragen • Anwendung der ‚SOLL-IST=DELTA‘-Logik • Rolle der Teammitglieder 136 5 (Gemeinsam) kontrollieren und bewerten <?page no="137"?> Phase 5: Arbeiten am Shopfloor Board • Regelmäßige Teammeetings • Darstellung der Kennzahlen des Arbeitsumfeldes durch Teammitglieder • Moderation der Themenfelder durch Führungskraft • Führen mit offenen Fragen anhand der Kennzahlen • Durchführung der Regelkommunikation in ca. 15-20 Minuten Phase 6: Training, Coaching, Begleitung (ca. 2-4 Wochen) • Auftreten vor Gruppen als Moderator: in • Moderationsfeedback für Moderator: in • Gruppendynamik für Teammitglieder • Verhalten am Shopfloor Board Das Shopfloor Managementsystem wurde für die in Abbildung 5.6. dargestellte Aufbauorganisation entsprechend der sechs entwickelten Phasen umgesetzt. Die Einführung erfolgte erst in einem Pilotbereich. Durch die gute Vorbereitung und unter Beteiligung der Mitarbeitenden aus dem Pilotbereich, war es möglich, dass SFM-System mit Kennzahlen und Regelkommunikation innerhalb von vier Wochen umzusetzen. Anschließend erfolgte die Adaption der anderen fünf Bereiche innerhalb von weiteren vier Wochen, so dass nach insgesamt acht Wochen eine geschlossene Kommunikationskaskade aufgebaut war. Abb. 5.6. Aufbauorganisation des installierten Shopfloor Managementsystems 137 5.3 Kontrolle und Steuern mittels Shopfloor Management <?page no="138"?> Entsprechend der Aufbauorganisation sind somit 15 Shopfloor Boards entstanden, an denen dreimal je Woche die Regelkommunikation mit Bewertung der Kenn‐ zahlen und Einleitung von Verbesserungsmaßnahmen durchgeführt wird. 5.3.3 Betrieblicher Nutzen durch Shopfloor Management FRAGE: „Warum ist in Ihrem Bereich Shopfloor Management eingeführt worden, welche Ziele wurden damit verfolgt, welchen Nutzen hat das Shopfloor Management gebracht? “ Interner Coach: „Durch steigenden Kostendruck und damit verbundenen Zielvorgaben zur Kostenreduzierung musste zur Erfüllung der Zielvorgaben eine praktikable Lösung gefunden werden. Die Lösung sollte gleichzeitig dem Lean-Gedanken folgen sowie Führung und Orientierung bieten. Weitere IT-Lösungen, wie Planungssysteme, IT-Auswertungen im ERP, als Reportingsysteme, wurden von meinen Führungskräften und mir als nicht ziel‐ führend angesehen. Diese fordern meist noch mehr administrative Tätigkeiten und erfüllen nicht die Anforderungen an Lean-Management. Weiter wollten wir dem Lean-Gedanken folgen und die Einbindung der Mitarbeitenden erhöhen. Moderne Shopfloor Managementsysteme bieten genau diese Ansätze und schaffen zusätzlich noch eine Transparenz der Fertigungsabläufe. Folgende Ziele sind nach einem Jahr der Anwendung von Shopfloor Manage‐ ment erreicht worden: • Einbindung und Qualifikation der Führungskräfte • Werkstattgerechte Aufbereitung bereits existierender Konzepte, mit Fokus auf Termineinhaltung, Qualität (Fehlerkultur) und Arbeitssicherheit • Mitarbeiter: innen- und Führungskräftetraining durch Coaching • Aufbau einer Führungskaskade • Führungskräfte nutzen SFM als Führungsinstrument • Der kontinuierliche Verbesserungsprozess ist aktiviert • Schaffung von Nachhaltigkeit Mit der Erreichung der Ziele, hat sich innerhalb eines Jahres der Anwendung von Shopfloor Management folgender Nutzen ergeben: • Die Führungskräfte reagieren nicht mehr im ‚Feuerwehrmodus‘, sondern agieren frühzeitig und proaktiv. • Eine effiziente Regelkommunikation hat sich auf Abweichungen fokus‐ siert. • Abweichungen werden frühzeitig erkannt. 138 5 (Gemeinsam) kontrollieren und bewerten <?page no="139"?> • Es findet eine zielführende und rechtzeitige Eskalationen statt. • Die disziplinierte Bearbeitung von abgeleiteten Maßnahmen führt zu einer höheren Prozesseffizienz. • Die Performance ist messbarer und damit auch steuerbarer. • Positive Auswirkung auf die Erhöhung der Produktivität. • Kritische Termine werden zuverlässiger eingehalten; die interne Liefer‐ performance ist verbessert. • Das eigenverantwortliche Agieren und Handeln der Mitarbeitenden ist gestärkt. • Auf dem Shopfloor besteht ein gleiches Führungsverständnis. Weiterhin hat sich die Zufriedenheit sowohl bei den Mitarbeitenden als auch den Führungskräften deutlich verbessert. Mitarbeitende und Führungskräfte wirken motivierter. FRAGE: „Warum ist Shopfloor Management auch ein Führungsinstrument? “ Interner Coach: „Wie in meinen Ausführungen dargestellt, bietet ein Sho‐ pfloor Managementsystem Transparenz, kontinuierliche Verbesserung und Weiterentwicklung eines Bereiches in den Produktionsabläufen und führt zur Mitarbeiterzufriedenheit bei der Arbeitsausführung. Somit bietet SFM alle Voraussetzungen als Führungs- und Kontrollinstrument von produktiven Abläufen: 1. Das Shopfloor Board dient der Führungskraft als Informations- und Kommunikationsplattform. 2. Das Shopfloor Board bildet transparent die ‚IST-Situation‘ der Fertigung anhand von Kennzahlen ab. Durch die ‚SOLL-IST=DELTA‘-Logik ergeben sich frühzeitig Fragen bei Abweichungen zum ‚SOLL‘. Hier setzt der Führungsgedanke an, in dem die Führungskraft mit offenen Fragen die Mitarbeitenden zielorientiert zur Lösungsfindung auffordert oder diese mit ihnen betreibt. 3. Es bietet die Möglichkeit Fehler frühzeitig zu erkennen und strukturiert Problemlösung zu betreiben. 4. Durch die strukturierte Kommunikation mit den Mitarbeitenden werden die Prozesse im eigenen Bereich kontinuierlich verbessert. 5. Mitarbeitende werden durch Übertragung von Aufgaben und Zielvor‐ gaben im Rahmen ihrer Tätigkeit zu eigenverantwortlichem Handeln aufgefordert. 6. Mitarbeitende werden durch das Coaching der Führungskraft befähigt und gefördert. 139 5.3 Kontrolle und Steuern mittels Shopfloor Management <?page no="140"?> Damit ersetzt Shopfloor Management nicht die anderen bekannten Führungs‐ instrumente wie ‚Mitarbeiter: innenjahresgespräche‘, ‚Führen mit Zielvereinba‐ rungen‘ (Kapitel 2) und ‚Management by Delegation‘ (Kapitel 4). Shopfloor Management ist auch kein ‚Allheilmittel‘ für alle betrieblichen Probleme. Sho‐ pfloor Management richtet sich als Führungsinstrument an das Team oder die Gruppe eines Bereiches, während die anderen Führungsinstrumente sich eher an die einzelnen Mitarbeitenden richten. Die ‚SOLL-IST=DELTA‘-Logik bietet hier der Führungskraft in der Rolle des Moderierenden am Shopfloor Board den idealen Ansatzpunkt zur Führung des verantwortlichen Produktionsbereiches hinsichtlich der Produktionsabläufe. Aufbauend auf die Abweichung (DELTA) kann Problemlösung zielgerichtet eingefordert und Prozessverbesserung betrieben werden. Shopfloor Management ist ein einfaches und effektives Führungsinstrument, welches die Mitarbeitenden in den Vordergrund stellt. Die Führungskraft über‐ nimmt die Rolle des Moderierenden sowie der Übungsleitung und erarbeitet/ for‐ dert Lösungen ein. Durch die strukturierte Problemlösungstechnik und dem KVP-Gedanken werden die Motivation der Mitarbeitenden gesteigert und gleichzeitig wirt‐ schaftliche Erfolge für den Bereich und das Unternehmen erzielt. Durch die Anwendung von Shopfloor Management als Führungsinstrument wird mir von den Mitarbeitenden der unteren Arbeitsebene folgendes Feedback zurückgespiegelt: • Wir sind informierter. • Wir werden mehr eingebunden. • Wir haben eine bessere Transparenz über unseren Bereich. • Wir können eigenverantwortlicher handeln und uns untereinander ab‐ stimmen. • Wir können unsere Themen und Probleme besser platzieren und be‐ kommen schneller und verbindlicher Rückinformation. Shopfloor Management ist somit ein effektives Führungs- und Kontrollinstru‐ ment und eignet sich zur Steuerung der Produktionsabläufe auf Werkstattebene (Shopfloor), unter Einbindung der Mitarbeitenden.“ 140 5 (Gemeinsam) kontrollieren und bewerten <?page no="141"?> 6 Miteinander reden Entscheidend für den Erfolg der im Managementzyklus - (gemeinsam) Ziele setzen, (mit-)planen und entscheiden, ausführen (lassen), (gemeinsam) kontrol‐ lieren und bewerten - dargestellten Methoden, Techniken und Tipps aus der betrieblichen Praxis ist deren Vermittlung. Kommunikationsfähigkeit erweist sich an jeder Stelle des Kreislaufs als Kernkompetenz. Von daher soll mit grundsätzlichen Überlegungen zu dieser Schlüsselqualifikation des Führungs‐ handelns in der Technik unser Buch abgerundet werden. Nach einführenden Darstellungen zu wesentlichen Aspekten der nonverbalen und verbalen Kom‐ munikation widmen wir uns der Gesprächsführung und stellen abschließend Beispiele für die begleitende Kommunikation am Arbeitsplatz vor. 6.1 Basics zu Körpersprache, Sprechweise und sprachlichem Ausdruck Wir vermitteln auf zwei Wegen Informationen über uns, indem wir • durch Mimik, Gestik und Körperbewegungen unser Befinden und Wesen ausdrücken und • unsere Gedanken, Vorstellungen, Urteile, Wünsche und Gefühle in Worte fassen. Während wir gut gelernt haben, unsere gesprochenen Äußerungen zu steuern und zu kontrollieren, entstehen die Signale unseres Körpers überwiegend unbewusst und sind deshalb in ihrem Aussagegehalt grundsätzlich verlässlicher. Unser Körper lügt nicht! Um Körpersprache zu deuten, bedienen wir uns der Kinesik - der Wissen‐ schaft von der Körpersprache. Unter Körpersprache verstehen wir bewusste und/ oder unbewusste Bewegungen des Körpers oder seiner Teile, mit denen bestimmte Ziele erreicht werden sollen oder Gefühle ausgedrückt werden. Es besteht eine enge Kopplung zwischen unseren Gefühlen, Stimmungen und Befindlichkeiten und unserer Körpersprache. Wer traurig, enttäuscht und niedergeschlagen ist, kann wohl kaum ein fröhliches Lachen zeigen. Das gilt auch umgekehrt: Wer bewusst eine heitere Mimik, ein Lächeln aufsetzt, kann nicht zugleich Trauer und Trübsinn empfinden. <?page no="142"?> Wir können diesen Zusammenhang zwischen Befinden einerseits und kör‐ persprachlichem Ausdruck andererseits nutzen, um z. B. unser Selbstbewusst‐ sein zu stärken. Wer in aufrechter Haltung mit festem und zielstrebigem Schritt geht, verspürt das Aufkommen von Sicherheit, wer den Blick offen und fest auf seinen Partner richtet (ohne ihn anzustarren), gewinnt Ruhe und Sicherheit. Indem wir unseren Körper steuern, vermögen wir kritische Situationen angemessener zu überstehen und besser zurechtzukommen, wenn wir uns in einem „Tief “ befinden. Bereits Immanuel Kant verwies darauf, dass unsere Gefühle der körperlichen Haltung folgen. Überprüfen Sie nun unsere Überlegungen zum Zusammenhang zwischen Körper und Gefühl, indem Sie zwei Übungen nachvollziehen, die der Pantomime Samy Molcho in seinem Buch „Körpersprache als Dialog“ vorschlägt. Umkreisen Sie langsam und genüsslich mit der Zungenspitze Ihre Lippen und versuchen Sie gleichzeitig an eine üble Begebenheit zu denken. Sie werden feststellen - es geht nicht, denn die Bewegung Ihrer Zunge als Teil eines unausgesprochenen Gedankens stimmt Ihren Geist „genüsslich“. Ziehen Sie Ihre Augenbrauen hoch und versuchen mit dieser Mimik aggressiv zu sein. Auch hier werden Sie feststellen, dass es nicht funktioniert, weil durch das Hochziehen der Augenbrauen eine Öffnung der Ringmuskulatur veranlasst wird. Diese signalisiert, dass wir auf mehr Informationen aus sind. Nur - wenn wir Informationen suchen, können wir nicht gleichzeitig Entscheidungen treffen und genau dies ist eine notwendige Bedingung für Aggressivität - schließlich müssen wir entschieden gegen den anderen vorgehen. Wir haben naturgemäß ein Bedürfnis, unsere Kontaktpartner: innen einzu‐ schätzen, und zwar im Hinblick auf Ehrlichkeit, Vertrauenswürdigkeit, Hilfsbe‐ reitschaft und ihrer Fähigkeit, zu verstehen und zu urteilen. Wir möchten wissen, wie andere auf uns reagieren werden und ob bzw. wie sie von sich aus aktiv werden. Schon der erste Eindruck löst in uns bestimmte Vorstellungen über den anderen und damit verbunden auch Gefühle der Sympathie oder Antipathie aus. Solange solche Vorgänge unbewusst und unkontrolliert ablaufen, können sich erhebliche Fehlurteile einschleichen. Menschen, die wenig Ähnlichkeit mit Personen unserer bisherigen Umwelt haben, werden wir nur schwer gefühlsmäßig einschätzen können. Soweit wir keine Ähnlichkeiten finden, zwischen dem, was wir beobachten und dem, was in unserem Gedächtnis gespeichert ist, zeigen wir entweder die intuitive Abwehr des Pessimisten oder die Neugierde des Optimisten. 142 6 Miteinander reden <?page no="143"?> Machen wir uns bewusst, wie wir Körpersprache erleben: Mimik: freundlich, angespannt, vergrämt, streng, pfiffig, ironisch, erschrocken, ängstlich etc. Blick: offen, klar; fest, beständig; schweifend, abgewendet; unruhig; niederge‐ schlagen Gestik: lockere Armbewegungen; Arme verschränkt; harmonische, lebhafte, hektische oder fahrige Gestik; Hände geöffnet, gefaltet, versteckt Körperhaltung: aufrecht, locker, angespannt, schlaff, gekrümmt; zuckende, eckige oder geschmeidige Bewegungen; Kopfhaltung verkrampft, geknickt, hoch erhoben etc. Gang: straff, schleppend, bummelnd, zielstrebig, verspielt, ruhig und fest etc. Zum Körperausdruck können wir auch noch die Stimme hinzunehmen. Spräche unser Partner eine völlig fremde Sprache, könnten wir doch aus der Art, wie er spricht, viele Informationen gewinnen. Sprechtempo: schnell, verzögert, langsam, hastig, ruckweise Lautstärke: kräftig, zaghaft, leise, behäbig Betonung: deutlich, monotone Sprechweise Pausen: treten häufig, selten, gar nicht auf Stimmlage: schroff, rau, piepsig, hoch, sonor, voll Der Versuch, den einzelnen Ausprägungen zu dem einen oder anderem Aspekt des körpersprachlichen Ausdrucks einen spezifischen Aussagewert zuzuordnen muss fehlschlagen. Jede einzelne Facette kann auf unterschiedliche Befindlich‐ keiten zurückzuführen sein. Die verschränkte Armhaltung kann ebenso auf eine gemütliche innere Haltung wie auf ein sich Verschließen hinweisen. Ein Lächeln kann aus Freundlichkeit, aber auch aus Verlegenheit/ Unsicherheit auftreten. Dennoch vermögen wir andere einzuschätzen, wenn wir darauf achten, ob mehrere gleichsinnige Merkmale gemeinsam auftreten. Wer auch in Plaudersi‐ tuationen schnell spricht, rasch geht, lebhafte Gestik zeigt, für den ist sicher ein hohes persönliches Tempo charakteristisch. Wahrscheinlich wird er auch schnell auffassen, schnell reagieren und ziemlich sicher schnell essen und arbeiten. 143 6.1 Basics zu Körpersprache, Sprechweise und sprachlichem Ausdruck <?page no="144"?> Am besten werden wir den körpersprachlichen Ausdruck unserer Mitmen‐ schen verstehen, wenn wir ihr Verhalten nachahmen und dann unser Empfinden beachten und bewusst machen. Testen Sie es mit den verschiedenen Formen des Lächelns: • Was besagt ein zaghaftes, ein erstarrtes, ein sanftes oder ein verschmitztes Lächeln? • Wie genau sieht es aus? • Was empfinden Sie dabei? Je besser wir uns selbst kennen, desto besser verstehen wir andere! In einem Gespräch mit einem anderen sagt uns die Körpersprache, ob er seine Worte ernst meint oder uns möglicherweise provozieren will; ob er aufnahme‐ bereit für unsere Worte ist oder abgelenkt, ob er unsere Rückmeldungen richtig aufnimmt, ob wir ihn verletzen oder ob er unsere Ausführungen anzweifelt. Wir selbst können andere besser überzeugen, wenn wir unsere Worte durch die entsprechende Betonung, Mimik und Gestik begleiten. Häufig können wir ohne Worte ausdrücken, was wir denken - z. B. durch den offenen, fragenden Blick, ein verständnisvolles Lächeln oder eine enttäuschte Mimik mit gleich‐ zeitig schlaffer Körperhaltung. Wir bewundern diejenigen, die sicher auftreten und in flüssiger, überzeu‐ gender Sprache ihre Meinung kundtun, die vor einer Gruppe frei sprechen oder in Gegenwart höhergestellter Personen ihre Gedanken zum Gespräch beitragen. Ist diese Fähigkeit erlernbar, oder werden „Redner: innen“ geboren? Die Techniken der Redekunst = Rhetorik sind erlernbar, der Wortschatz kann erweitert werden. Zum überzeugenden Reden gehört aber auch, dass wir als Redner: in etwas zu sagen haben. Wir brauchen Sachverstand, eine eigene Meinung und ein Ziel, was wir vermitteln wollen. Unsere Wirkungsmittel sind unser Auftreten, unsere Stimme und unsere Sprechweise und Sprache. Gleich ob wir im Vortrag, im Gespräch mit anderen, bei Diskussionsbeiträgen oder bei Begrüßungen unsere Gedanken vermitteln - unsere Darstellungsweise lässt sich schrittweise verbessern, wenn wir unser Verhalten an Empfehlungen zum sicheren und überzeugenden Einsatz unserer Wirkungsmittel überprüfen. Bei öffentlichen Auftritten, wie Reden oder Ansprachen an die Belegschaft gilt im Hinblick auf die Körpersprache (Haltung und Auftreten, Gestik, Mimik, Gebärde und Blickkontakt): • Stehen Sie frei, ohne sich abzustützen. • Nehmen Sie eine lockere, aufrechte Haltung ein, treten Sie nicht von einem Fuß auf den anderen. 144 6 Miteinander reden <?page no="145"?> • Unterstützen Sie Ihre Ausführungen durch eine ruhige, den Aussagen entsprechende Gestik. • Halten Sie Blickkontakt, denn Sie brauchen Rückmeldungen. Im Hinblick auf das Wirkmittel Stimme mit seinen Facetten Lautstärke, Beto‐ nung, Klangfarbe, Sprechrhythmus, Sprechtempo und Pausen empfiehlt sich: • Wählen Sie Lautstärke und Tonlage angemessen. • Variieren Sie die Lautstärke nach der Bedeutsamkeit der Aussagen. • Achten Sie auf eine den Sinn verdeutlichende Betonung - Monotonie verhindert die Überzeugung. • Die Klangfarbe schafft die Atmosphäre, die Stimme sollte locker und moduliert klingen. • Sprechen Sie nicht zu schnell, der Zuhörer soll Ihre Aussagen verarbeiten können - variieren Sie im Tempo nach der Bedeutsamkeit der Aussagen. • Achten Sie besonders auf Pausen - sie entsprechen den Absätzen in der Schriftform. Legen Sie vor oder nach wichtigen Sätzen eine Pause ein, sie dient der Konzentration der Hörer. Zum Wirkmittel Sprechen und Sprache gehören Artikulation, Satzlänge, Wort‐ wahl und Anschaulichkeit der Darstellung. Hier gilt: • Öffnen Sie den Mund zu einer deutlichen Aussprache, sprechen Sie ähnlich klingende Mitlaute deutlich aus. • Verschlucken Sie nicht die Endsilben. • Die deutliche Aussprache der Selbstlaute gibt Ihrer Stimme den Klang. • Wählen Sie kurze Sätze - nicht verschachteln. • Wählen Sie eine aktive Ausdrucksweise, indem Sie Tätigkeitswörter verwenden - vermeiden Sie „Hauptwörterei“. • Veranschaulichen Sie durch Eigenschaftsworte. • Benutzen Sie bildliche Vergleiche, um abstrakte Aussagen zu veranschau‐ lichen: Üben Sie eine bildhafte Ausdrucksweise. • Wiederholen Sie wichtige Aussagen in geringer Variation. • Die Sprache ist flüssig, wenn Sie Ihr Thema voll beherrschen und selbst überzeugt sind. • Wählen Sie so weit möglich die lebendige Zeitform der Gegenwart. • Vermeiden Sie Fremdworte, umschreiben Sie Fachbegriffe zur Verdeutli‐ chung. • Vergrößern Sie Ihren Wortschatz, z. B. durch das Sammeln von Worten mit gleicher oder ähnlicher Bedeutung. 145 6.1 Basics zu Körpersprache, Sprechweise und sprachlichem Ausdruck <?page no="146"?> Ansprechende Wirkmittel benötigen eine passende Form, damit sie gut zur Geltung kommen können. Sachlogik, die jeweilige Zielgruppe und das eigene Ziel sind im Hinblick auf den Aufbau von Reden und Ansprachen an die Mitarbeiter: innen zu beachten. Dazu gehören im Einzelnen: • Begrüßung • Das Thema nennen und erläutern • Begründen, warum das Thema für die Zuhörer wichtig ist • Darstellung des Sachverhaltes, der Problematik - Spannung kann durch das Aufzeigen von Gegenargumenten erzeugt werden, durch provozie‐ rende Angaben • Bezug zum Vorwissen und den Interessen der Zuhörer herstellen • Ausführung der eigenen Vorstellungen mit „Beleg“, „Zeugnissen“ • Zusammenfassung, Schluss, Aufruf zum Handeln • Beachten Sie: veranschaulichen ist besser als argumentieren, demons‐ trieren besser als veranschaulichen Auch bei Reden oder Ansprachen handelt es sich um einen Austausch von Nach‐ richten zwischen einem/ einer Sender: in und einem/ einer Empfänger: in, wobei in Vier-Augen-Situationen, wie unten dargestellt, Sender: in und Empfänger: in über eine Rückkopplungsschleife ihre Rollen wechseln. Jede Kommunikation leidet darunter, dass der/ die Sender: in seine Gedanken in Sprache übertragen muss und diese von dem/ der Empfänger: in wiederum zu entschlüsseln ist, um den Sinn zu erfassen. An beiden Stellen der Verschlüsse‐ lung und Entschlüsselung können Störungen auftreten. Was der/ die Sender: in sagt, muss nicht genau das treffen, was er meint. Was der/ die Empfänger: in der Nachricht entnimmt, muss nicht unbedingt mit ihr identisch sein. Viele Begriffe unserer Sprache haben mehrfache Bedeutungen (z. B. Krone). Wir verwenden Worte im übertragenen Sinn (schwimmen) und benutzen relative Angaben, ohne den Maßstab zu nennen (schnell - was ist schnell? ). Derartige Störungen sind rationaler Art und lassen sich durch entsprechende Konkretisierungen recht einfach beheben. Schwerwiegendere Differenzen können daraus resultieren, dass wir mit jeder Nachricht auch emotionale Botschaften senden. Das Beispiel auf der Folgeseite 146 6 Miteinander reden <?page no="147"?> zwischen einem Vorgesetzten und seinem Mitarbeiter zeigt auf, dass jede Nachricht außer dem Sachinhalt auch von drei emotionalen Botschaften begleitet wird. Wir beziehen uns hier auf Friedemann Schulz von Thun, der in diesem Kontext von den vier Aspekten der Sprache spricht. Der Vorgesetzte sagt zu seinem Mitarbeiter: „Die Lageskizze fehlt.“ Der Mitarbeiter kann daraus entnehmen: 1. Die Sachinformation, dass die Skizze dem Vorgesetzten nicht vorliegt 2. Eine Selbstoffenbarung: Der Vorgesetzte ist verärgert 3. Eine Beziehungsaussage: Der Vorgesetzte wirft dem Mitarbeiter vor, dass er ihm die Skizze nicht vorgelegt hat 4. Einen Appell: Der Vorgesetzte erwartet, dass sein Mitarbeiter die Skizze besorgt Das Modell bringt deutlich zum Ausdruck, dass es nicht darauf ankommt, wie wir meinen, was wir sagen, sondern viel mehr, wie es bei anderen ankommt, oder wie es im Volksmund heißt: • Der Ton macht die Musik! oder • Wie wir in den Wald hineinrufen, so schallt es auch heraus! Was Empfängerinnen oder Empfänger einer Nachricht entnehmen, wird zudem durch weitere Faktoren beeinflusst: • Durch die körpersprachlichen Nachrichtenteile wie die begleitende Mimik, die Betonung, Stimmlage usw. • Durch die Erwartungen des Empfängers, die er aufgrund seiner Erfah‐ rungen und grundlegenden Einstellungen gebildet hat (z. B. „Vorgesetzte wollen immer perfekte Arbeit“ - um bei unserem Beispiel zu bleiben). Wenn der Vorgesetzte seinem Mitarbeiter sagt, dass die Lageskizze fehlt, ent‐ nimmt der Mitarbeiter der Stimme, ob sein Vorgesetzter aufgeregt oder ruhig ist, und er weiß aus Erfahrung, ob er ein eher geduldiger oder ungeduldiger Mensch ist. Mit diesen Zusatzinformationen interpretiert er die Nachricht. Wie weit unsere Erwartungen aber mit der Wirklichkeit übereinstimmen, wissen wir häufig nicht. Wir neigen zu Verallgemeinerungen und zeitweise übernehmen wir die Botschaft, die gerade zu unserer Stimmung passt. Ist der Mitarbeiter in unserem Beispiel selbst schon nervös, wird er eher zu der Annahme neigen, dass sein Vorgesetzter ihm einen Vorwurf macht. 147 6.1 Basics zu Körpersprache, Sprechweise und sprachlichem Ausdruck <?page no="148"?> Das Kommunikationsschema zu den vier Facetten einer Nachricht legt nahe, rückzufragen, was der Sender ausdrücken wollte, sobald der Empfänger glaubt, eine negative Botschaft wahrzunehmen. Der Mitarbeiter könnte z. B. fragen: „Wann brauchen Sie die Skizze? “. Die Antwort klärt, wie dringend es dem Chef ist. Reagiert der Mitarbeiter dagegen auf die wahrgenommene Verärgerung seines Vorgesetzten mit gleicher Münze und sagt z. B.: „Suchen Sie die Skizze am besten zwischen den anderen Papieren da! “, wird sich die Spannung zwi‐ schen beiden steigern. Den Ärger werden sie bei der nächstbesten Gelegenheit entladen - z. B. gegenüber Dritten, indem der Vorgesetzte über unzuverlässige Mitarbeiter: innen schimpft und der Mitarbeiter sich bei Kolleg: innen über die Anmaßung des Chefs beklagt. Treten solche Verstimmungen zwischen zwei Partnern wiederholt auf, bilden sich negative Vormeinungen. Das könnte sich in dem Satz ausdrücken: „Eigent‐ lich ist er ein guter Mitarbeiter, aber ich komme einfach nicht klar mit ihm“. In solchen Fällen würde wohl nur ein klärendes Gespräch zwischen beiden in ruhiger Stunde helfen. Kritisch wird die Verständigung dann, wenn der Inhalt und die Form einer Nachricht sich widersprechen, oder wenn die Aussage mit dem Vorgang nicht übereinstimmt. Sagt der Vorgesetzte z. B. zu seinem Mitarbeiter: „Sie schaffen es immer wieder mich aufzumuntern! “, wird er das im Hinblick auf die fehlende Lageskizze nicht positiv meinen. Der Mitarbeiter spürt das, ärgert sich, kann aber die Aussage nicht angreifen. Ähnliches resultiert, wenn z. B. der Mitarbeiter seinem Vorgesetzen, lächelnd ohne sich weiter zu bemühen, antwortet: „Das tut mir leid“. Der Vorgesetzte wird diesen Worten wohl kaum glauben, sondern sie eher für Ironie halten. Diese Überlegungen verdeutlichen, wie vielschichtig Kommunikation ist. Fassen wir die wichtigsten Kennzeichen zusammen: Kommunikation verläuft auf zwei Ebenen, nämlich der Sachebene (rationale Ebene) und der Beziehungsebene (emotionale Ebene). Gesendet wird über die Worte (die verbale Kommunikation), aber ebenso über nonverbale Signale wie sprachliche Betonung, Mimik, Gestik etc. Die emotionale Ebene ist zu untergliedern in drei Aspekte. Der Sender sagt etwas über sein Befinden (Selbstoffenbarung) sowie über seine Beziehung zum Partner (Beziehungsaspekt) und vermittelt auch, was er vom anderen wünscht (Appell). Ebenso verfügt der Empfänger über entsprechende Eingangskanäle. Er hört oder nimmt wahr, was ist das für einer (seine Selbstoffenbarung), wie geht er mit mir um (sein Beziehungsaspekt) und was erwartet er von mir (sein 148 6 Miteinander reden <?page no="149"?> Appell). Welchen Kanal er vordringlich auf Aufnahme schaltet, hängt von seinem Befinden, seinen Bedürfnissen und dem jeweiligen Umfeld ab. Soweit uns diese Kommunikationseinflüsse bewusst sind, können wir unsere eigenen Reaktionen auf eine Nachricht besser kontrollieren, können für Ge‐ sprächspartner: innen mehr Verständnis entwickeln und durch Rückmeldungen oder Rückfragen die Beziehungsbotschaften besser klären - wofür wir aller‐ dings einige Energie aufwenden müssen. Aus dem, was Menschen zueinander sagen, kann entnommen werden, ob sie sich als gleichrangig betrachten bzw. ob sie als Partner: innen miteinander umgehen oder ob eine/ r von beiden sich über den/ die andere/ n gestellt fühlt. Prüfen Sie bitte folgende Aussagen: 1. Kommen Sie doch bitte näher! 2. Wie wollen wir das Problem angehen? 3. Wäre es Ihnen möglich, bei mir vorbeizuschauen? 4. Würden Sie das bitte erläutern? 5. Haben Sie das verstanden? 6. Ich weiß nicht, ob ich mich klar ausgedrückt habe. 7. So können Sie das nicht durchführen. Die 2., 3., 4., und 6. Aussage könnten Führungskräfte zu Mitarbeiter: innen sagen und umgekehrt Mitarbeiter: innen zu vorgesetzten Personen. Das Gespräch bewegt sich auf Augenhöhe! Die anderen Aussagen werden kaum gegenüber Höhergestellten angewendet werden. Sie sind nicht umkehrbar. Wer partnerschaftliche Gespräche anstrebt, sollte sich im Hinblick auf die Umkehrbarkeit von Aussagen sensibilisieren und sich gut überlegen, welche Formulierungen er/ sie wählt, da in ihr die Haltung zu anderen ausgedrückt wird. 6.2 Grundsätzliches zur Gesprächsführung Wir führen ständig Gespräche - um zu informieren, als kurzen Gedanken‐ austausch, zur Unterhaltung, um Erlebtes/ Erfahrenes zu besprechen. Diese Gespräche sind in der Regel problemlos. Schwierigkeiten treten üblicherweise erst dann auf, wenn ein ganz bestimmtes Ziel verfolgt wird, das nicht unbedingt im Interesse der Gesprächspartner: innen liegt. Beispiele hierfür sind: • Ein Kritikgespräch, in dem einer den anderen zu einer Verhaltensände‐ rung bewegen will. 149 6.2 Grundsätzliches zur Gesprächsführung <?page no="150"?> • Eine Verhandlung, in der abweichende Interessen auf einen Nenner zu bringen sind. • Ein Beratungsgespräch, in dem sich einer der Partner vom anderen Hilfe verspricht. • Ein Klärungsgespräch, das Differenzen, Verstimmungen, Verärgerungen zwischen Menschen in den Ursachen aufklären und Gemeinsamkeiten bewusst machen soll. Die wichtigste Voraussetzung, um solche Gespräche in ausgeglichener Atmo‐ sphäre und mit Aussicht auf Erfolg führen zu können, liegt in der Haltung der Partner: innen zueinander. Jeder muss sein Gegenüber als gleichwertig anerkennen, ihn als Menschen achten und akzeptieren, dass der andere seine eigene Sichtweise hat. Überlegen wir nun, wie idealerweise solche Gespräche aufgebaut werden sollten, um daraus Hinweise für unser eigenes Vorgehen abzuleiten. 1. Der/ Die Initiator: ihn des Gespräches sollte zu Beginn verdeutlichen, dass er/ sie seinen/ seine Partner: in schätzt. Beispiele: „Ich schätze die Zusammenarbeit mit ihnen, weil …“ „Es gefällt mir, dass …“ „Ich bin an Ihrem Angebot interessiert; ich würde es begrüßen, wenn wir …“ „Sie haben eine breite Erfahrung und ich hoffe, dass Sie mir bei meinem Problem behilflich sein können.“ „Schön, dass Sie die Zeit für das Gespräch gefunden haben - ich habe es mir schon seit längerer Zeit gewünscht. Sie haben sicher einen harten Tag hinter sich, kann ich Ihnen … anbieten/ bestellen? “ 2. Zwischen beiden Partner: innen muss der Sachverhalt, um den es geht, ganz klar sein. Der/ Die Einladende wird ihn aus seiner/ ihrer Sicht dar‐ stellen und fragen, ob sich die Schilderung mit der Sichtweise des Partners oder der Partnerin deckt. Diese/ r kann ggf. seine/ ihre Aspekte hervor‐ heben. Beide Gesprächspartner: innen enthalten sich einer Wertung. Beispiele: • „Ich hatte Sie gebeten, einen Vorschlag für … zu unterbreiten und ihn mir bis gestern vorzulegen. Ich habe von Ihnen bis heute noch keinen Vorschlag erhalten. Würden Sie dazu bitte Stellung nehmen? “ • „Ich hatte Ihnen in der letzten Woche zweimal gesagt, dass ich keine übermäßige Überziehung der Pausen wünsche und Sie gebeten, darauf 150 6 Miteinander reden <?page no="151"?> zu achten. Heute erlebe ich wiederum, dass die Gruppe sich hier noch unterhält. Würden Sie dazu bitte Stellung nehmen.“ • „Wir haben in der letzten Woche wieder zwei Termine doppelt angesagt. Das zu korrigieren, kostet Zeit und unsere Partner werden verärgert. Sehen Sie eine Regelung solche Fehler zu vermeiden? “ - Pause - „Ich würde Ihnen auch gerne einen Vorschlag machen! “ • „Ich habe oft das Problem, dass ich nicht weiß, wie ich mich verhalten soll, wenn … Wie soll ich vorgehen? “ • „Wir hatten uns geeinigt, dass wir das Werkzeug abwechselnd oder gemeinsam reinigen. Tatsache ist, dass ich es in den meisten Fällen allein besorgen muss. In der letzten Woche habe ich z. B. viermal … Ich wünsche mir sehr, dass wir gemeinsam zu einer gerechten Lösung kommen.“ Bei der Darstellung des Sachverhaltes sollten keine Gräben aufgerissen werden. Das geschieht immer dann, wenn jede Person nur ihre Situation sieht und die andere unterschwellig anklagt. Richtig wäre es dagegen, das übergeordnete Ziel zu sehen, an dem beide interessiert sind. Das erreichen die Gesprächspartner: innen, wenn sie sich vorher jeweils in die Situation der anderen Person versetzen, sie zu verstehen suchen. 3. Jetzt haben die Partner: innen das Wort. Sie werden sich verteidigen oder die Person beschuldigen, die als erste gesprochen hat, dass die Probleme auf ihr Verhalten zurückgehen. Diese sollte sich zunächst still zurückhalten und dann durch Fragen klären, wo die Ursachen für den Konflikt liegen. Sie könnte fragen: • „Was hat Sie gehindert, mich rechtzeitig zu informieren? “ • „Welche Punkte sind für Sie unklar? “ • „Was haben Sie den Kolleg: innen gesagt? “ • „Was befürchten Sie von …? “ • „Wann können wir die Termine vergleichen? “ • „Wie könnten Sie mich informieren? “ • „Wie wichtig sind Ihnen …? “ • „Wer könnte uns noch beim Reinigen helfen? “ • „Wann haben Sie am ehesten Zeit? “ Die Beispiele beginnen alle mit einem W-Fragewort. Das ist Absicht, denn darauf können die Partner: innen ihre Gedanken ausführen. Beginnen Fragen dagegen mit „Können Sie …“, „Haben Sie…“, „Würde das …“ u. ä., so können die Partner: innen darauf mit kurzem „Ja“ oder „Nein“ antworten - auch würden sie sich eingeengt fühlen. 151 6.2 Grundsätzliches zur Gesprächsführung <?page no="152"?> Stellen Sie offene Fragen, W-Fragen, damit die Partner: innen sich äußern können und damit Sie Informationen erhalten: Was, wie, weshalb, womit, wer, wodurch usw. Verwenden Sie „Warum“ nicht, wenn Sie Gründe für ein Handeln oder Verhalten erfragen wollen. Verwenden Sie geschlossene Fragen, auf die nur mit „Ja“ oder „Nein“ ge‐ antwortet werden kann nur, wenn Sie knapp einige Fakten klären wollen. Geschlossene Fragen wirken leicht wie ein Verhör. Offene Fragen können als Schaufel-Fragen breit angelegt oder als Spaten-Fragen vertiefend eingesetzt werden. Stellen Sie die Fragen in Abhän‐ gigkeit von Ihrem Ziel. Hypothetische Fragen können keine verlässlichen Antworten geben („Was würden Sie tun, wenn …? “). Alternativ-Fragen engen die Partner: innen ein. Sie können taktisch eingesetzt werden, um beispielsweise eine Entscheidung herbeizuführen: „Treffen wir uns besser heute oder morgen? “ Suggestiv-Fragen sind Manipulation: „Sie fühlen sich wahrscheinlich über‐ lastet.“ Rhetorische Fragen erwarten keine Antwort. Sie dienen in Vorträgen der Belebung. Kettenfragen sind unklug, da die Partner: innen sich die ihnen genehme aus‐ wählen kann - und sie sind unfair, da die Partner: innen nicht alle beachten können. Gegenfragen sind unhöflich, werden als Taktik angewendet: „Mögen Sie die Arbeit nicht? “ - „Würden Sie mir eine andere geben? “ 4. Der weitere Gesprächsverlauf muss darauf ausgerichtet sein, ein gemein‐ sames Ziel zu formulieren und dafür Lösungswege zu beraten. 5. Das Gespräch endet mit einer Vereinbarung, die möglichst konkret gefasst sein sollte. In engagiert geführten Gesprächen kommt es nicht selten vor, dass eine Person der anderen ins Wort fällt. Das ist dann sogar noch verständlich, wenn eine Person lange Redeanteile für sich beansprucht, sehr breit schildert und sich wiederholt. Ein gut geführtes Gespräch erfordert es aber, folgende Hinweise zu beachten: • Bemühen Sie sich um einen Dialog, die Partner: innen müssen die Chance zur Erwiderung erhalten. • Sprechen Sie klar und deutlich, keine Endsilben verschlucken, nicht zu leise sprechen und formulieren Sie eindeutig. Die Partner: innen sollten nicht raten müssen. • Erläutern Sie Ihre Anliegen an konkreten Beispielen, nicht die Fantasie spielen lassen oder von Annahmen ausgehen. 152 6 Miteinander reden <?page no="153"?> • Hat die andere Person das Wort, hören Sie aufmerksam zu. Wir unter‐ scheiden passives und aktives Zuhören und meinen damit zum einen, dass wir der Person durch Signale wie Kopfnicken, Blickkontakt, „Ja“, „Mhm“ u. ä. unser Interesse an ihren Ausführungen bekunden und zum anderen, dass wir dadurch, dass wir ihre Aussagen in eigene Worte fassen und rückspiegeln, Verständnisschwierigkeiten mindern und das Gespräch wieder in die richtige Bahn bringen. • Achten Sie darauf, dass das Thema nicht verlassen wird. Durch zielstre‐ bige Fragen können Sie das Gespräch lenken: Wer fragt - führt! • Vermeiden Sie Vormeinungen. Gehen Sie offen in das Gespräch ohne sich vorher auf eine Meinung, eine Lösung festzulegen. Haben Sie z. B. die Vorstellung, Ihre Partner: innen werden nie nachgeben, werden Sie sich unbewusst dementsprechend verhalten (= Krampfhaltung). Darauf reagieren die Partner: innen dann wirklich hartnäckig. Wir sprechen von dem psychologischen Phänomen der „sich selbst erfüllenden Prophezeiung“. • Verwenden Sie keine „Killerphrasen“ wie: „Das haben wir stets so ge‐ macht“, „Das geht nicht“, „Dazu reicht Ihre Erfahrung noch nicht“ oder „Wir wollen keine Experimente machen, dazu fehlt die Zeit“. • Verkleinern oder vergrößern Sie das Problem nicht, um das es geht. Bauschen Sie es auf, werden Sie unglaubwürdig, verniedlichen Sie es, wird das Gespräch nicht ernst genommen. Wenn wir diese Regeln beachten wollen, sollten wir ruhig und ausgeglichen in das Gespräch gehen. Vorher sollten wir prüfen, ob unsere Einstellung zum Problem sachlich oder subjektiv geprägt ist. Wenn wir feststellen, dass wir uns betroffen, vom anderen missachtet fühlen, sollten wir uns zunächst selbst erforschen: • Was stört mich konkret? • Woran liegt es, dass es mich stört? • Bilde ich mir Angriffe ein, oder sind sie wirklich gegeben? • Bringt das Verhalten der anderen Person sachliche Probleme oder nur mir persönliche Ungelegenheiten? Dass wir für schwierige Gespräche den richtigen Zeitpunkt wählen müssen, ist wohl selbstverständlich. Die Partner: innen sollten nicht unter Zeitdruck stehen oder den Kopf voller Sachprobleme haben. Manchmal ergibt sich eine günstige Situation - z. B. anschließend an die Klärung einer Sachfrage. Besteht dafür keine Aussicht, sollte direkt ein Gesprächstermin vereinbart werden. 153 6.2 Grundsätzliches zur Gesprächsführung <?page no="154"?> Immer dann, wenn zwischen zwei Menschen eine emotionale Störung be‐ steht, sind Sachfragen kaum erfolgreich zu lösen. Emotionale Störungen können z. B. durch folgende zwischenmenschliche Beziehungen hervorgerufen werden: • Er will mir ständig beweisen, dass er mir überlegen ist. Dabei kenne ich seine Schwächen doch genau. • Sie glaubt, mir Anweisungen geben zu können und überschreitet dabei ihre Kompetenzen. • Er trifft willkürlich Entscheidungen, die Ärger und Unzufriedenheit hervorrufen. Ich kann mich damit nicht identifizieren. • Sie ist stets in Hektik und hört mir nicht zu. Wenn ich selbst entscheide, ist es ihr nicht recht. Ich kann diesen Zwiespalt nicht ertragen. Mein Chef erwartet, dass ich abends länger arbeite. Ich möchte ihn auch unterstützen, brauche die Zeit aber auch für private Erledigungen. Bleibe ich, ärgere ich mich, gehe ich nach Hause, habe ich ein schlechtes Gewissen. Er sollte für mich mehr Verständnis haben. Diese Störungen werden häufig nicht in Worte gefasst und klar ausgespro‐ chen. Stattdessen wird auf der Sachebene gekämpft. Man lässt die andere Person reinfallen, widersetzt sich, verhält sich ganz passiv (innere Kündigung), schluckt den Ärger runter oder lässt ihn an Fremden aus. Zur Lösung gibt es die beiden Möglichkeiten: 1. Ein Konfliktgespräch führen. 2. Für das eigene Verhalten feste Vorsätze treffen und danach handeln, ohne sich vom anderen beeinflussen zu lassen. Der zweite Lösungsweg ist immer dann notwendig, wenn die Störungen durch Charaktereigenschaften der Partner: innen hervorgerufen werden, die wohl unabänderlich sind (Hektik, Unsicherheit). Der erste Weg verspricht dann Erfolg, wenn die Situationsumstände zu Ver‐ stimmungen führten oder zufällig entstandene Vorurteile die Ursache dafür sind. Im Konfliktklärungsgespräch werden nicht die Sachverhalte im Vordergrund behandelt, um die Differenzen ausbrechen, sondern die Beziehung der Betei‐ ligten zueinander. Die Partner: innen äußern sich darüber, wie sie das Verhalten der anderen Person empfinden. Beispiel: „Ich habe immer wieder den Eindruck, Sie würden mir wenig zutrauen, das kränkt mich.“ Ganz falsch wäre es zu sagen: „Sie verhalten sich stets recht überheblich.“ 154 6 Miteinander reden <?page no="155"?> Wählen Sie also Ich-Aussagen, keine Sie-Aussagen in solchen Gesprächen. Sollten die Partner: innen auf ihre Aussage („Ich empfinde …“) antworten „Das ist Ihr Problem! “ wählen Sie die Meta-Sprache. Die Meta-Ebene ist eine übergeordnete Ebene. Sie betrachten dann die Situation und Beziehung zwischen sich und dem/ r Gesprächspartner/ in aus übergeordneter Sicht. Sie könnten sagen: „Es geht nicht um mich, sondern um uns beide, unsere Beziehung zueinander. Gibt es zwischen uns Spannungen, wirkt sich das auf die Arbeit aus. Ich möchte deshalb wissen, wie sie mich sehen.“ Mit dieser Frage versuchen Sie ein Feedback zu erhalten. Reagieren die Partner: innen darauf ehrlich, müssen Sie ihnen auch still zuhören, ohne sogleich zu widersprechen, sich zu verteidigen. Sie können Fragen stellen, um ein möglichst klares Bild von ihren Sichtweisen zu bekommen. Versuchen Sie, die Partner: innen zu verstehen. Vielleicht haben sie Angst vor Ihnen, vielleicht sind sie unsicher und treten deshalb betont arrogant auf. Das Gespräch könnte damit enden, dass Sie sagen: „Ich werde das überdenken, vielleicht versuchen wir es einmal mit gegensei‐ tiger Hilfsbereitschaft.“ Sollten Sie mit diesem schwierigen Gespräch nicht beim ersten Mal Erfolg haben, lassen Sie sich nicht entmutigen - versuchen Sie es wieder! FRAGE: „Nach all diesen Tipps zur Kommunikation schlechthin, stellt sich die Frage, wie sich deren Transfer in die betriebliche Praxis darstellt.“ 6.3 Beispiele gelungener Kommunikation in der betrieblichen Praxis Interner Coach: „In diesem Kapitel möchte ich Anregungen zu Kommunika‐ tionsmöglichkeiten und den damit verbundenen Kommunikationsarten geben. Für die Leitung eines Bereiches mit drei weiteren Hierarchieebenen und 180 Mitarbeitenden, haben sich für mich die dargestellten und von mir angewen‐ deten Kommunikationsformen, als praktikabel und hilfreich erwiesen. Die Erfahrungen, die ich in diesem Zusammenhang mit Kommunikation ge‐ macht habe, sind genauso vielfältig und unterschiedlich, wie die verschiedenen Ansätze Kommunikation zu betreiben. Es hat sich für mich gezeigt, es gibt im täglichen Arbeitsumfeld nicht ‚nur die eine optimale‘ Kommunikationsart/ Kom‐ munikationsform. 155 6.3 Beispiele gelungener Kommunikation in der betrieblichen Praxis <?page no="156"?> Kommunikation, sowohl in der Art als auch in der Form, hat in der Praxis unterschiedliche Ausprägungen und Abhängigkeiten. Ich habe festgestellt, dass die Art der Kommunikation Großteils abhängig ist von • der Situation, • der Stimmung der Kommunikationspartner: innen, • der Einstellung der Kommunikationspartner: innen, • der Hierarchiestufe der Kommunikationspartner: innen, • dem Umfeld, • der Branche, • der Vertrautheit der Kommunikationspartner: innen, • dem Charakter der Kommunikationspartner: innen. Im täglichen Arbeitsablauf entstehen wiederum unterschiedliche Situationen, die eine unterschiedliche Form der Kommunikation nach sich ziehen. Die häufigsten Situationen, die mir im Arbeitsumfeld begegnen, sind • Regelverstöße, • Abstimmungs- und Informationsbedarfe, • organisatorische Arbeitsbesprechungen, • Problemlösungsbedarfe, • Produktionsbesprechungen, • Personal- und 4-Augengespräche. Wenn man jetzt die unterschiedlichen Kommunikationssituationen mit den Abhängigkeiten zur Kommunikationsart zusammenbringt, ist ersichtlich, wie viele unterschiedliche Ansätze für eine gute und erfolgreiche Kommunikation erforderlich sind. Im Folgenden möchte ich einige der von mir praktizierten Kommunikations‐ arten mit den angewandten Kommunikationsformen darstellen. Regelverstöße gegen Arbeitssicherheitsvorschriften Diese fordern eine sehr direkte und eindeutige Kommunikation, in Form einer Ansprache mit Begründung der Grundlage. Es ist hilfreich die Kommunikation auf Augenhöhe und auf einem Niveau durchzuführen, das das Gegenüber (Mitarbeitende) versteht. Beispiel 1: Rauer Umgangston in einem stahlverarbeitenden Betrieb, die Kollegen lästern untereinander, stacheln sich untereinander auf, agieren aber trotz kleiner Be‐ findlichkeiten als Team. Team und Führungskraft pflegen ein gutes Verhältnis. 156 6 Miteinander reden <?page no="157"?> Wenn in diesem Umfeld ein Regelverstoß von der Führungskraft festgestellt wird, ist es hilfreich auch in gleicher Form die Kommunikation zum Regelver‐ stoß zu betreiben. Die Art der Kommunikation wäre in indem Fall zum Beispiel, ‚Hey Max, bist Du denn… …, Du weißt doch was passiert, wenn … und das in die Hose geht. Es gibt doch die Anweisung, dass …‘ Diese direkte Kommunikation und Ansprache ist aufgrund des im Be‐ reich existierenden Vertrauensverhältnis zwischen Führungskraft und Mitar‐ beitenden, eine Kommunikation auf Augenhöhe und auf gleichem Niveau bzw. der gleichen Sprachebene. Die Botschaft wird sofort verstanden und führt zur Verhaltensänderung des Mitarbeitenden. Beispiel 2: Anderer Fall, gleicher Regelverstoß, gleiche Arbeitsumgebung, Regelverstoß aber durch eine fremde oder in der Hierarchie höhere Person begangen. Die Art der Kommunikation wäre in diesem zweiten Beispiel, ‚Hallo Herr Mustermann, ich möchte sie darauf hinweisen, dass aufgrund der Vorschrift … … …, sie sich so nicht verhalten dürfen‘. Wie man den beiden Beispielen entnehmen kann, sind beide Hinweise auf den Regelverstoß direkt, unterscheiden sich aber dennoch in ihrer Art. Meine Erfahrung hat gezeigt, mit dieser Art der Kommunikation begibt sich die Führungskraft auf Augenhöhe des Gegenübers und kommuniziert auf eine Art, die vom Anderen verstanden wird. Wichtig ist für die Kommunikation bei Regelverstößen aber immer, dass diese direkt, sofort bei Kenntnisnahme des Regelverstoßes stattfindet und nicht diskutiert wird.“ FRAGE: „Welche weiteren Kommunikationsformen können im Bereich der Arbeitssicherheit angewendet werden und dienen gleichzeitig als Führungsin‐ strument? “ Interner Coach: „Zusätzlich zur direkten und sofortigen Kommutation bei Regelverstößen im Bereich der Arbeitssicherheit habe ich als weitere Kommu‐ nikationsmöglichkeit ein Medium entwickelt, dass Führungskräften sowohl ein Regelwerk als auch eine Anleitung zur Form der Kommunikation gibt. Die Einführung einer Arbeitssicherheits-/ Gesundheits-/ Umweltschutzmel‐ dekarte bietet zum einen die Möglichkeit der Dokumentation des Vorfalls, zum anderen auch die Beschreibung der durchzuführenden Kommunikationsform, aufgrund einer durchzuführenden Risikobewertung. Die Kommunikationsform variiert im Regelwerk durch ein festgelegtes Stufenmodell. 157 6.3 Beispiele gelungener Kommunikation in der betrieblichen Praxis <?page no="158"?> Die in Abbildung 6.1. dargestellte Regelkarte wird durch jede Führungskraft mitgeführt und sofort bei Kenntnisnahme des Regelverstoßes ausgefüllt. Die Festlegung der daraus resultierenden Kommunikationsform ergibt sich aus der, auf der Meldekarte durchgeführten Risikobewertung. Auf Basis der ausgefüllten Meldekarte ist immer und sofort das direkte, förmlich und bestimmende Sicherheitskurzgespräch zu führen. Hierbei wird, wie auch in den vorhergehenden zwei Beispielen, die mitarbeitende Person auf den Regelverstoß mit Darstellung der ‚Schwere‘ des Verstoßes, aufgrund der Risiko‐ bewertung mit den der möglichen Auswirkungen, hingewiesen. Entsprechend der Risikoausprägung folgt möglichst am selben Tag ein separates Personalgespräch, auf das der/ die Mitarbeitende im Kurzgespräch hingewiesen wird. Entgegen der vorherigen direkten Kommunikation vor Ort zur Gefahrenab‐ wehr, wird hier die Kommunikation in Form eines Mitarbeiter: innengespräches (Kritikgespräch) geführt. In diesem Fall dient die Kommunikation sowohl der Gefahrenabwehr als auch als Führungsinstrument. Die in Beispiel 1 dargestellte ‚Werkstattsprache‘ darf hier aber nicht angewendet werden. Ziel ist es, durch den direkten, begründeten Hinweis auf das Fehlverhalten und einer damit verbundenen Zielvorgabe, eine Verhaltensänderung beim Mitarbeitenden zu erreichen. Das Mitarbeiter: innengespräch erfolgt hier nach den Regeln des Kritikgespräches. Die in Abbildung 6.1. und Abbildung 6.2. dargestellte Meldekarte und dazugehö‐ rigen Verhaltensregeln bilden die Basis und die Spielregeln für die Kommunikation mit den Mitarbeitenden bei Regelverletzungen im Bereich der Arbeitssicherheit. Abb. 6.1.: Meldekarte‚ Arbeitssicherheit-Gesundheit-Umwelt 158 6 Miteinander reden <?page no="159"?> Abb. 6.2.: Verhaltensregeln zur Meldekarte Meldekarte und Verhaltensregeln bilden zusammen ein gestuftes Medium, um effektiv Kommunikation zu betreiben. Diese Art der Kommunikationsform eignet als Führungsinstrument und bietet gleichzeitig den Vorteil einer Dokumentation.“ FRAGE: „Welche Kommunikationsmöglichkeiten haben sich in der Anwen‐ dung als praktikabel erwiesen? “ Interner Coach: Zur Führung eines im Projektgeschäft tätigen Fertigungs‐ bereiches ist Kommunikation ein wichtiges Führungsinstrument. Ohne eine zielgerichtete Kommunikation ist die Steuerung der einzelnen Fertigungspro‐ zesse in der Produktion nicht möglich. Es hat sich gezeigt, Kommunikation ist eines der wichtigsten Instrumente, um Fertigungsabläufe und Mitarbeitende zu 159 6.3 Beispiele gelungener Kommunikation in der betrieblichen Praxis <?page no="160"?> koordinieren und zu führen. Neben der beschriebenen Kommunikationsform bei Regelverstößen möchte ich weitere von mir genutzte Kommunikationsformen darstellen und beschreiben, wie diese von mir angewendet werden. Im Einzelnen nutze ich als Kommunikations-, Steuerungs- und Führungsin‐ strument • ‚Das Büro der offenen Tür‘, • Teamrunden, • Shopfloor-Runden, • Jour-fix-Termine. Hierbei ist zu sagen, es gibt nicht nur ‚eine beste Kommunikationsform‘, sondern jede einzelne Kommunikationsform ist dem Anlass entsprechend anzuwenden. Büro der offenen Tür Das ‚Büro der offenen Tür‘ hat sich für mich als eine der effektivsten Kommuni‐ kationsformen zur Steuerung meines Bereiches erwiesen. Das heißt nicht, dass die anderen Kommunikationsformen ineffektiv sind, sondern sie werden, von mir als Ergänzung aufbauend, auf dem ‚Büro der offenen Tür‘ genutzt. Das von mir gelebte Prinzip der ‚offenen Tür‘ bietet die Möglichkeit des kurzen Austausches zwischen mir und meinen Mitarbeitenden. Da im Arbeitsalltag viele Informationen schnell fließen müssen, ist dieses aus meiner Sicht die einzige Möglichkeit, Informationen schnell zu bekommen oder auch weiterzugeben. Das ‚Büro der offenen Tür‘ ist zur kurzen Informationsweitergabe eine echte Alternative zur E-Mail. Es fordert den Austausch untereinander und fördert somit die Kommunikation. Zusätzlich gibt es den Mitarbeitenden das Signal, dass bei Bedarf die Unterstützung der Führungskraft vorhanden ist. Meine Erfahrungen zum Informationsaustausch via E-Mails haben gezeigt, dass diese zeitaufwändiger, unkonkreter, fehlerbehafteter und unpersönlicher sind. Die häufig so wichtige verbale Kommunikation findet nicht statt, der Unterstützungsgedanke ist nicht vorhanden, die zu übertragenden Botschaften können vom Empfänger fehlinterpretiert werden. Die Folge ist häufig ein ‚E-Mail-Ping-Pong‘ zwischen Sender: in und Empfänger: in. Durch das ‚Büro der offenen Tür‘ biete ich meinen mitarbeitenden Führungs‐ kräften jederzeit die Möglichkeit ihre Themen schnell zu platzieren und Infor‐ mationen zu bekommen. Ich habe aber auch festgestellt, dass mitarbeitende Führungskräfte die Mög‐ lichkeit häufig auch gerne nutzen, um sich zu Themen abzustimmen und Feedback einzuholen. 160 6 Miteinander reden <?page no="161"?> Der Leitung des Bereiches bietet diese Kommunikationsform den großen Vorteil am Tagesgeschäft des Bereiches indirekt beteiligt zu sein. Als Leitung kann ich somit mein Führungshandeln auf aktuelle Geschehen ausrichten und jederzeit situativ anpassen. Durch die offene Tür wird den Mitarbeitenden und Führungskräften die Un‐ terstützungsbereitschaft signalisiert. Das bedeutet aber nicht, dass die Themen des eigenen Verantwortungsbereichs bei mir abgeladen oder hochdelegiert werden können und von mir geregelt bzw. erledigt werden. Die Kommunikation und der Austausch zu Themen dienen der gegenseitigen Information und Abstimmung, was häufig zu anderen Denkansätzen sowie zur Verdeutlichung der Aufgaben beiträgt. Meine Erfahrungen haben weiterhin gezeigt, diese Kommunikationsform unterstützt nicht nur den Abstimmungsbedarf und Informationsbedarf, sondern baut zwischen den Kommunikationspartner: innen auch Vertrauen auf oder stärkt dieses. Ein gutes Vertrauensverhältnis schafft eine Kommunikationsbasis, die auch den Austausch von negativen Themen und Vorfällen zwischen beiden Kommunikationspartner: innen erleichtert. Bei einem guten Vertrauensverhältnis scheuen sich Mitarbeitende nicht, auch schlechte Nachrichten und Fehler zu überbringen und zu kommunizieren. Bei der Kommunikationsform ‚Büro der offenen Tür‘ werden angefallene Themen kurz platziert und bei Bedarf in einem zweiten Meeting aufgearbeitet. Hier bieten sich, wie schon erwähnt, die Jour-fixe-Termine, Teamrunden oder Shopfloor-Runden, entsprechend dem erforderlichen Kommunikationsbedarf an. Teamrunden Teamrunden bieten sich für organisatorische Arbeitsbesprechungen an, bei denen bereichsübergreifende Informationen oder Themen erörtert werden müssen. In großen Bereichen mit mehreren Abteilungen oder Gruppen ist ein breitflächiger gleichzeitiger Austausch von Informationen genauso wichtig, wie die Erzielung eines gemeinsamen Verständnisses zu Themenstellungen. Nur bei gleichem Verständnis ist das Übertragen (Senden) einer Information (Botschaft) effektiv und wird von allen Mitarbeitenden (Empfänger: innen) ‚gleich richtig‘ oder ‚gleich falsch‘ verstanden. Ich praktiziere hierzu in meinem Verantwortungsbereich 14-tägige-Team‐ runden mit den Team- und Gruppenleitern. Ziel der Teamrunden ist es, sich zu Themen wie • aktuelle Lage/ Situation im Unternehmen, • aktuelle Auftragslage, 161 6.3 Beispiele gelungener Kommunikation in der betrieblichen Praxis <?page no="162"?> • anstehende Veränderungen, • aktuelle Herausforderungen, • aktuelle Weiterentwicklungen, • einheitliches Führungs- und Kommunikationsverständnis abzustimmen und ein gleiches Verständnis zu erlangen. Längere Diskussionen oder Nachfragen zu Themen weisen auf eine unterschiedliche Sichtweise hin und führen zwangsläufig zu Kommunikationsfehlern. Gleiche Sachver‐ halte werden unterschiedlich interpretiert/ weitergegeben und werfen bei Mit‐ arbeiter: innen wiederum Fragen aufgrund unterschiedlich kommunizierter Inhalte auf. Teamrunden bieten den großen Vorteil des gegenseitigen Austausches und fördern die Kommunikation untereinander. Als Führungskraft übernehme ich in den Teamrunden meist die Rolle des Moderators. Durch Fragestellungen wird das Team geleitet oder es werden von mir die Sichtweisen des Unterneh‐ mens dargestellt und verdeutlicht. Der mögliche Kommunikationsfehler aus der ‚Sender: in/ Botschaft/ Empfänger: in‘-Problematik wird so auf ein Minimum reduziert. Teamrunden, die in einer lockeren Atmosphäre geführt werden, bieten für abteilungsübergreifende Themen nicht nur eine ideale Kommunikationsplatt‐ form, sondern stärken auch das ‚Wir-Gefühl‘. Um den Teilnehmenden die Möglichkeit der Vorbereitung zu geben, hat sich folgende Struktur als praktikabel erwiesen: 1. Regelmäßiges 14-tägiges Treffen 2. Teambesprechungen fallen nicht aus (bei Bedarf Führung durch den Vertreter) 3. Ausreichend Zeit einplanen (2 Stunden) 4. Mitarbeitende bekommen ausreichend Gesprächszeit, Themen werden nicht abgebrochen (abgewürgt). Im Bedarfsfall werden Maßnahmen ab‐ geleitet und einzelnen Teilnehmenden, zur Erarbeitung von Lösungsvor‐ schlägen bis zur nächsten Teamrunde zugeordnet. 5. Die Dokumentation erfolgt in einem fortlaufenden Teamprotokoll, das im Anschluss der Teamrunde verteilt wird. 6. Gefasste Beschlüsse werden in einem Beschlussprotokoll festgehalten und archiviert. Meine Erfahrungen zeigen, dass in Teams mit einem starken ‚Wir-Gefühl‘ und starken Zusammenhalt, eine sehr direkte Kommunikation geführt werden kann. Direkte Kommunikation heißt in diesem Zusammenhang, die Kommunikation im Team ist offen, ehrlich und transparent. Kritik wird untereinander offen 162 6 Miteinander reden <?page no="163"?> angesprochen, unterschiedliche Meinungen werden akzeptiert, ein gemeinsam erarbeitetes Ergebnis wird von allen getragen. Themen, ob positiv oder negativ, werden direkt in der Teamrunde ange‐ sprochen, thematisiert oder zur Lösungsfindung platziert. Die in meinen Teamrunden vorherrschende lockere Atmosphäre und der bestehende starke Zusammenhalt, führen dazu, dass selbst schwere oder negative Themen mit einer gewissen Art von Humor genommen, ins Positive gedreht und zielführend bearbeitet werden. Es entsteht ein gleiches Zielverständnis. Kommunikation und Information in unteren Hierarchieebenen erfolgen auf eine positive Art, mit gleichem Verständnis zum Inhalt. Starker Zusammenhalt in Führungsteams ist keine Selbstverständlichkeit. Auch in meinem Führungsteam hat sich der Zusammenhalt und das Vertrauen untereinander nicht von alleine entwickelt, sondern ist durch Teamtrainings, mit externer Unterstützung und durch Coachings einzelner Teammitglieder, erarbeitet worden. Mitarbeitende Führungskräfte in funktionierenden Teams arbeiten in der Routine selbstständig, eigenverantwortlich, stimmen sich untereinander ab und informieren sich gegenseitig. Mir als nächsthöhere Führungskraft fällt nur die Rolle des Moderators und des Lenkers, nach Vorgabe der Zielrichtung des Unternehmens zu. Anders gesagt: ‚Der Kapitän gibt nur die Richtungsentschei‐ dungen vor und ist Teil des Führungsteams‘. Zusätzlich werden Teamrunden von mir gleichzeitig auch als Kommunika‐ tionsplattform zur Weiterentwicklung des Bereiches, zur Findung von Poten‐ zialen und zur Lösung von Problemen genutzt. Zur Bearbeitung dieser Themen empfehlen sich die Methoden: • Brainstorming, • Negatives Brainstorming, • Brainwriting. Bei großen Themenstellungen nutze ich gerne einen externen Moderator als neutrale Unterstützung und Lenker. Häufig haben wir uns im Team an Kleinig‐ keiten festgebissen, zu kleinteilig bewegt, oder Ansätze aus ‚Betriebsblindheit‘ auf ‚Nicht-Machbarkeit‘ geprüft. Der Fokus auf das Kernthema war nicht mehr vorhanden. In diesen Fällen hat sich zur Unterstützung der Kommunikation der externe Moderator als sehr hilfreich erwiesen. Der externe Moderator fungiert nur als ‚Lenker‘, die Themen wurden ergebnisoffen, schneller und zielgerichteter hinsichtlich möglicher Lösungsansätze bearbeitet. 163 6.3 Beispiele gelungener Kommunikation in der betrieblichen Praxis <?page no="164"?> Shopfloor-Runden Shopfloor Management ist die von mir eingesetzte Kommunikationsform für Produktionsbesprechungen. Für mich hat sich die in Kapitel 5.3 beschriebene Form, mit dem für meinen Verantwortungsbereich dargestellten Aufbau als praktikabel und zielorientiert erwiesen. Das Shopfloor Management bietet, auf Basis der grafisch dargestellten, betrieblichen Kennzahlen, Kommunikationsansätze. Aufgrund von Fragestel‐ lungen werden erforderliche Maßnahmen abgeleitet. Der große Vorteil hinsichtlich der Kommunikation mittels Shopfloor-Runden besteht darin, • dass die Runden kurz und prägnant, • zielorientiert und • verständlich sind. Durch die grafische Darstellung werden mögliche Kommunikationsfehler der ‚Sender: in/ Botschaft/ Empfänger: in‘-Problematik ausgeschlossen. Jour-fixe-Termine Interne Abteilungsthemen und Personalthemen sind immer 4-Augen-Themen. Als Kommunikationsform nutze ich hierfür regelmäßige Jour-fixe-Termine. Meine Jour-fixe-Termine sind 14-tägige Abstimmungsrunden mit freier und offener Kommunikation zu • organisatorischen Themen, • Personalthemen, • der Abstimmung von Erwartungshaltungen, • betriebswirtschaftlichen Kennzahlen und • Zielvorgaben. Jour-fixe-Termine mit meinen direkten Mitarbeitenden sind einstündige Ter‐ mine und finden im Wechsel mit den Teamrunden statt. Ziel ist die beidseitige Abstimmung zu Erwartungshaltung und dem eventuellen Unterstützungsbedarf zu den genannten Themenfeldern. Die Basis des Jour-fixe-Termins bilden Beobachtungen, Auffälligkeiten und Veränderungen der letzten 14 Tage, sowie Kennzahlen (z. B. betriebswirtschaft‐ liche Kennzahlen), bei denen sich für beide Kommunikationspartner: innen weiterer Gesprächsbedarf ergeben hat. Die beidseitige Kommunikation unterliegt dabei keinem Regelwerk, erfolgt frei und auf Augenhöhe. Je nach Vertrauensverhältnis etwas mehr oder weniger 164 6 Miteinander reden <?page no="165"?> offen und direkt, aber immer in einer gelösten Atmosphäre und nie über den Schreibtisch hinweg. Die freie Gesprächsführung bietet viel Freiraum, bringt aber, bei nicht klarer und eindeutiger Darstellung der Erwartungshaltung, das Problemfeld ‚Sender: in/ Empfänger: in‘ mit sich. Um dieses Problemfeld zu minimieren oder auszuschließen, arbeite ich zu‐ sätzlich zur verbalen Kommunikation oft noch mit einer bildlichen Kommunika‐ tion. Das Thema wird dem Kommunikationspartner: innen auf eine anschauliche Weise verdeutlicht, macht es greifbarer und prägt sich ein. Je nach Umfang nutze ich zur Skizzierung der Themenstellung (Botschaft) ein einfaches A4-Blatt, oder bei umfangreicheren Themen ein Flip-Chart oder White-Board. Es hat sich gezeigt, dass häufig erst durch die grafische, visuelle Unterstüt‐ zung dem/ der Empfänger/ in die zu übertragende Botschaft (in diesen Fall einer Führungskraft aus dem Führungsteam) deutlich wurde. Diese Art der unterstützenden Kommunikation schafft ein klares Verständnis zu den Themen. Eine Vielzahl späterer Nachfragen wird reduziert und führt zu besseren Ergebnissen, da der Kommunikationspartner die gleiche Zielvorstel‐ lung erlangt. Jour-fixe-Termine, die auf Augenhöhe in einer lockeren Gesprächsatmo‐ sphäre geführt werden, sind zumeist effektiver als Gespräche, die in einen autoritären Führungsstil geführt werden. Mitarbeitende sind bei dieser Art der Kommunikationsführung ungehemmter und offener als bei einer autoritären Gesprächsführung, bei der nur die Erwartungshaltungen kommuniziert werden. Jour-fixe-Termine, die durch Mitarbeitende nur widerwillig wahrgenommen werden, sind weder zielführend noch ergebnisorientiert. In solchen Fällen sollten beide Kommunikationspartner: innen überlegen, wie die Abneigung zur Kommunikation entstanden ist und welche Möglichkeiten zur Kommunikati‐ onsverbesserungen ergriffen werden können. Häufig ist ein externes Coaching zur Unterstützung in diesen Fällen hilfreich. Wenn es beiden Kommunikationspartner: innen nicht gelingt, eine für beide Seiten zielführende Kommunikationsbasis zu schaffen, wird während des Jour-fixe-Termins auch keine Kommunikation, im Sinne von gegenseitigem Austausch stattfinden. Der Jour-fixe-Termin wird zum Berichtstermin und zum Delegationstermin von Aufgaben nach dem ‚Top-down-Prinzip‘. Werden Jour-fixe-Termine auf diese Art geführt, lösen sie bei Mitarbeitenden • Stress, • psychische Belastung, 165 6.3 Beispiele gelungener Kommunikation in der betrieblichen Praxis <?page no="166"?> • Missmut, • De-Motivation und • Dienst nach Vorschrift aus. Das Ergebnis ist, die hierarchisch höhere Führungskraft bekommt von dem/ der Kommunikationspartner: in das Bild vermittelt, das die höhere Führungskraft hören möchte oder entsprechend ihren Vorstellungen ist. Eine Kommunikation in Form eines offenen und freien Gesprächs, zum Austausch von Informationen ist nicht mehr vorhanden, Vertrauen wird nicht aufgebaut, sondern geht ver‐ loren. Den Vorteil, den ‚Jour-fixe-Termin‘ als Führungsinstrument durch die Nut‐ zung als Führungstechnik mit sich bringt, ist nicht mehr gegeben. Die Füh‐ rungsart, die hier betrieben wird, nennt sich im Volksmund auch ‚Befehl und Gehorsam‘. Die Weiterentwicklung der Mitarbeitenden hinsichtlich Kommuni‐ kations- und Informationsbedarf bleibt unberücksichtigt. Autoritäre Führung und das Zeitalter ‚Industrie 4.0‘ passen nicht mehr zusammen. Das Zeitalter ‚Industrie 4.0‘ führt immer mehr zur Digitalisierung und Verknüpfung von Mensch und Maschine. Gleichzeitig fordert ‚Industrie 4.0‘ Eigenverantwortlichkeit, selbstständiges und selbstverantwortliches Handeln durch die Mitarbeitenden. FRAGE: „Wie hat sich der Informationsbedarf und Kommunikationsbedarf in technischen Unternehmen in den letzten Jahren weiterentwickelt? “ Interner Coach: „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass vor 10-15 Jahren Mitarbeitende zufrieden waren, wenn im Unternehmen oder an ihrer Maschine ein ausreichend großer Arbeitsvorrat vorhanden war. Führungskräfte führten nach dem Stil ‚der Mitarbeitende soll seine Leistung in seinem Arbeitsumfeld bringen‘, ‚ich, Führungskraft sorge dafür, dass immer genug Arbeit vorhanden ist‘. Eine berufsfeldübergreifende Kommunikation fand nicht statt oder wurde kurzgehalten. Die fortschreitende Weiterentwicklung im Unternehmen durch • Internet, • Intranet, • Industrie 4.0 und der • Digitalisierung der Fertigungsabläufe wurde von den Mitarbeitenden schnell als Informationsmedium entdeckt. Die neuen Medien machten ‚hungrig‘ auf mehr Information, sowohl von internen Themen als auch neugierig auf die Außendarstellung des Unternehmens. 166 6 Miteinander reden <?page no="167"?> Bereiche, in denen Führungskräfte diesen Wissenshunger zum • eigenen Unternehmen, • eigenen Bereich und • eigenen Arbeitsplatz durch Kommunikation nicht erbringen konnten, blieben stehen und haben sich nicht weiterentwickelt. Wenn langjährige Führungskräfte, die diese Veränderung ihrer Rolle hin‐ sichtlich Information und Kommunikation nicht erkennen oder diese nicht annehmen wollen, beziehen Mitarbeitende ihre Informationen durch externe Medien. Dieses führt zwangsläufig zu Missverständnissen und weiterem Kom‐ munikationsbedarf. Die Mitarbeitenden fühlen sich nicht informiert, Vertrauen geht verloren. Die Mitarbeitenden dieser Bereiche werden immer unzufriedener und demo‐ tivierter, die Produktivität dieser Bereiche geht zurück. Wird von Führungs‐ kräften das Bedürfnis der Mitarbeitenden nach eigenverantwortlichem Handeln und dem Willen an ihren Arbeitsplatz Verantwortung zu übernehmen nicht erkannt, wird als Folge gleichzeitig auch der Vorteil eines KVP-Prozesses unterdrückt. Zusammenfassend ist zu sagen, ‚erhöhter Informationsbedarf führt zu häufigerem Informationsbedarf ‘ und zu Veränderungen im Informations‐ verhalten. Mitarbeitende auf unteren Hierarchieebenen erwarten Erklärungen und Begründungen für Veränderungen in ihrem Arbeitsumfeld. Nur wenn Mitarbeitende den Grund und den Nutzen der Veränderung im Bereich oder Unternehmen verstehen, werden sie ihr Handeln anpassen und die Veränderungen mittragen. An dieser Stelle schließt sich der Kreislauf zu ‚Kommunikation als Erfolgsre‐ zept‘, zur Einleitung von Veränderungen. Lieber einmal länger und ausführlicher erklären und Veränderungen be‐ gründen. Ausführlich und begründet erklären, bedeutet aber nicht, ‚ich habe dieses als Führungskraft einmal getan, somit habe ich ausreichend gut kommuni‐ ziert‘. An der Stelle sei gesagt, gute Kommunikation zu Themen muss verständlich sein, nicht abstrakt und muss häufig mehrfach durchgeführt werden. Durch eine Kommunikation mit eindeutigen und klaren Begründungen werden Ziele schneller erreicht. In technischen Fertigungsbereichen hat sich die heutige Kommunikation, von der reinen Information hin zu gegenseitigem Austausch weiterentwickelt.“ 167 6.3 Beispiele gelungener Kommunikation in der betrieblichen Praxis <?page no="169"?> 7 Literaturliste Bamberg, E. (Hrsg.), Ducki, A., Metz, A.-M. (1998), Handbuch betriebliche Gesundheits‐ förderung, Göttingen: Verlag für angewandte Psychologie Blümert, G. (2010), Hilfe bei seelischen Erkrankungen am Arbeitsplatz, Renningen: expert verlag Becker, M. (2013), Personalentwicklung, Stuttgart: Schäffer-Poeschel Berthel, J., Becker, F. G. 10. Auflage 2013, Personal-Management, Stuttgart: Schäffer-Po‐ eschel Borg, I. (2000), Führungsinstrument Mitarbeiterbefragung, Göttingen: Hogrefe Brendt, D. (1995), Menschenführung im Baubetrieb, Neu-Isenburg: ztv-Verlag Brendt, D., Sollmann, C. (2017), Gesundheitsmanagement als Führungsaufgabe (2. neu bearbeitete Auflage), Renningen: expert verlag Brendt, D., Amberg, J. (2018), Mitarbeiterführung - erfolgreich und praxisorientiert, Renningen: expert verlag Brendt, D. (2011), Zeitmanagement für Techniker und Ingenieure (2. aktualisierte Aufl.), Renningen: expert verlag Brendt, D. (2019), Stressfreie Selbstorganisation zur Burnoutvermeidung, Renningen: expert verlag Comelli, G. (1995), Führung durch Motivation, München: Beck Dießner, H. (1999), Praxiskurs Selbst-Coaching, Paderborn: Junfermann Doppler, K., Lauterbach C. (2005), Changemanagement (11. Aufl.), Frankfurt/ Main: Campus Duftschmid, C. (2018), Zielsetzungstheorie nach Locke und Latham, Norderstedt: GRIN Verlag Fisher, R., Ury, W., Patton, B. (1998), Das Harvard-Konzept (17. Aufl.), Frankfurt/ Main: Campus Gros, E. (Hrsg.) (1994), Anwendungsbezogene Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsy‐ chologie, Göttingen: Verlag für Angewandte Psychologie Hossiep, R. et al. (2008), Mitarbeitergespräche, Göttingen: Hogrefe Hossiep, R., Paschen. M. (2003), BIP (2. Aufl.), Göttingen: Hogrefe Hossiep, R., Krüger, C. (2012), BIP -6F, Göttingen: Hogrefe Kanning, U. P., Holling H. (Hrsg.) (2002), Handbuch personaldiagnostischer Instrumente; Göttingen: Hogrefe Kanning, U. P., Kempermann H. K. (2012), Fallbuch BIP, Göttingen: Hogrefe König, R., Haßelmann U. (2004), Konflikte managen am Arbeitsplatz, Göttingen: Van‐ denhoeck & Ruprecht <?page no="170"?> Kowalzik, U. (2005), Erfolgreiche Personalentwicklung, Hannover: Schlütersche Verlags‐ gesellschaft Leyendecker B., Pötters, P. (2018), Shopfloormanagement, München: Hanser Lewin, K. (1935), A Dynamic Theory of Personality, Columbus OH: McGraw- Hill Malorny, C., Langner, M. A. (2007), Moderationstechniken, München: Hanser Maslow, A. H. (2002). Motivation und Persönlichkeit, Reinbek: Rowohlt Müller-Klement, K.G., Seiwert, L. J. (1991). Zielwirksam arbeiten. Technik, Methodik und Praxis des persönlichen Zeitmanagements, Renningen: expert verlag Mummendey, H. D. (1995), Die Fragebogen-Methode (2. Aufl.), Göttingen: Hogrefe Neuberger, O. (1998), Das Mitarbeitergespräch (4. Aufl.), Leonberg: Rosenberger Fach‐ verlag Niermeyer, R. (2001), Motivation, Freiburg i. Br.: Haufe Peter, L. J., Hull, R. (2001), Das Peter-Prinzip: Oder die Hierarchie der Unfähigen, Reinbek bei Hamburg: rororo Rauen, C. (Hrsg.) (2002), Handbuch Coaching, Göttingen: Hogrefe Regnet, E. (2017), Konflikt und Kooperation, Göttingen: Hogrefe Riechert, I. (2011), Psychische Störungen bei Mitarbeitern, Berlin: Springer Rohweder J. (2013), Beständiger Wandel, Hamburg: Koehlers Verlagsgesellschaft Scherm, M. (2005), 360-Grad-Beurteilungen, Göttingen: Hogrefe Schuler, H. (Hrsg.) (2001), Lehrbuch der Personalpsychologie, Göttingen: Hogrefe Schulz von Thun, F. (2001), Miteinander reden: Kommunikationspsychologie für Füh‐ rungskräfte (2. Aufl.), Reinbek bei Hamburg: rororo Schwarzinger, D., Schuler, H. (2016), TOP, Bern: Hogrefe Sperling, J. B. (1997), Führungsaufgabe Moderation (2. Aufl.), Planegg: WRS Stockinger, T. (2014), Personalentwicklung, Heidelberg: Springer Stroebe, R. W. (1995), Arbeitsmethodik 1 (7. Aufl.), Heidelberg: Sauer Stroebe, R. W. (1993), Arbeitsmethodik 2 (5. Aufl.), Heidelberg: Sauer Thomas, A. M. (1998), Coaching in der Personalentwicklung, Bern: Huber Tosch, M. (1997), Besprechungen moderieren, Eichenzell: Neuland Weiß, J. (1992), Selbst-Coaching (3. Aufl.), Paderborn: Junfermann 170 7 Literaturliste <?page no="171"?> 8 Autorenkurzprofile Dieter Brendt, geb. 1954, Diplompsychologe, ABO-Psychologie, RWTH Aachen, Supervisor, BDP Aus einer traditionsreichen Handwerkerfamilie stammend kann der Autor nach einer Lehre zum Fernmeldehandwerker auf langjährige Berufserfahrungen als Techniker (zuletzt in leitenden Positionen beim Deutschen Wetterdienst und in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung) zurückgreifen. Sein Studium der Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie auf dem 2. Bildungsweg hat er über unternehmerische Tätigkeiten im Baugewerbe finanziert. Ab 1989 als Trainer, Coach und Personalberater in unterschiedlichen Bran‐ chen tätig. Tätigkeitsfelder: Zeit- und Selbstmanagement, Betriebliche Gesund‐ heitsförderung, Führung, Kommunikation und Kooperation, Coaching, Train the Trainer. Zu den ersten drei Themen liegen zahlreiche Veröffentlichungen (zumeist im expert verlag) vor. Kontakt: BRENDT-TRAINING@t-online.de Olaf Mackowiak, geb. 1966, Maschinenbaumeister, Schweißfachmann DVS, Betriebswirt, Betriebsleiter Aus einer Familie selbstständiger Schlossereiunternehmen stammend kann der Autor nach einer Ausbildung zum Stahlbauschlosser, mit Berufsausübung im Schlosserei- und Maschinenbaugewerbe, auf langjährige handwerkliche Berufserfahrung zurückblicken. Durch frühzeitige ständige Weiterqualifizie‐ rung folgte im Alter von 28 Jahren die Übernahme einer Meisterposition und mit 39 Jahren die des Betriebsleiters mit einer Personalverantwortung von 170 Mitarbeitern in einem Großunternehmen. Die Weiterqualifizierung zum Schweißfachmann und Betriebswirt erfolgte berufsbegleitend in Verbindung mit der Übernahme von neuen Aufgaben. Bisher ausgeübte Tätigkeitsfelder und Funktionen im Bereich Ma‐ schinen-/ Anlagenbau: Leitung eines Meisterbereiches mit Kosten-, Termin-, und Personalverantwortung, Schweißaufsicht im schweißtechnischen Bereich, Objektleitung mit Terminverantwortung, Betriebsleitung mit Kosten-, Termin-, und Personalverantwortung, verschiedene Kurzeinsätze im Ausland, Prüfer IHK und Ausschuss für Prüfungen DIHK. <?page no="172"?> 172 8 Autorenkurzprofile <?page no="173"?> Register A/ B/ C-Analyse 85 ALPEN-Methode 85 Anforderungen an Führungskräfte 63 Arbeitssicherheit 157 Belastungsfaktoren von Führungskräften 17 BIP 127 BIP 6-F 24 Brainstorming 80 Brainwriting 80 Demografie 14 Eisenhower-Prinzip 86 Entscheidungsbaum 59 Feedback 20 Führungskultur 133 Führungsstil 107 Interview 27 Ishikawa-Diagramm 77 ISK-360° 124 JOHARI-Fenster 20 Jour fixe 161 Kartenabfrage 76 Körpersprache 67 LEAN-Methoden 89 Leitbild 40 Managementzyklus 9 Mitarbeiter: innenentwicklungen 37 Mitarbeiter: innenjahresgespräch 52 Moderator: innen 59 On the Job Training 36 Pareto-Analyse 77 Potenzialanalyse 21 Potenzialeinschätzung 34 Reifegradmodell 103 Shopfloor Management 130 SMART(e) Ziele 47 Soziale Kompetenz 18 Stärken-/ Schwächen-Profil 54 Teamrunden 161 Terminplanung 90 TOP 24 Verhaltensanker 22 Visualisierungsmethoden 77 Wandel in der Technik 15 Wertstromanalyse 89 Wohlgeformte Ziele 41 Ziele 39 <?page no="175"?> Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Managementzyklus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Abb. 1.1.: Wie stark veränderte sich Ihr Unternehmen innerhalb von 24 Monaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Abb. 1.2.: Prognose der Altersstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Abb. 1.3.: Wie stark fühlen Sie sich durch … belastet? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Abb. 1.4.: Anforderungen an technische Führungskräfte im Zeitverlauf . . . 19 Abb. 1.5.: JOHARI-Fenster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Abb. 1.6.: Feedbackbogen zur Potenzialanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Abb. 2.1.: Wohlgeformte Ziele im ‚SPECI'-Format . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Abb. 2.2.: SMART(e) Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Abb. 3.1.: Entscheidungsbaum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Abb. 3.2.: Ursache-Wirkungsdiagramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Abb. 3.3.: Tortendiagramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Abb. 3.4. Eisenhower-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Abb. 3.5. Wertstromanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Abb. 3.6.: Zusammenhang zwischen Nutzen und Anzahl Planungsvorgängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Abb. 3.7.: Zusammenhang zwischen Erstellungs-/ Aktualisierungsaufwand und Detailierungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Abb. 3.8.: Basisplan mit Meilensteinen und kritischem Pfad . . . . . . . . . . . . . 94 Abb. 3.9.: Detailplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Abb. 3.10.: Wochenarbeitspaket . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Abb. 4.1.: Reifegradmodell nach Hersey/ Blanchard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Abb. 4.2.: Verbindungsmatrix zum Reifegradmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Abb. 5.1.: Offensivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Abb. 5.2.: Führungsmotivation im detaillierten Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . 128 Abb. 5.3. Gestaltungsmotivation im detaillierten Vergleich . . . . . . . . . . . . . . 129 Abb. 5.4. Veränderung der Führungskultur durch Shopfloor Management . 133 Abb. 5.5. Entwickeltes Shopfloor Board . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Abb. 5.6. Aufbauorganisation des installierten Shopfloor Managementsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Abb. 6.1.: Meldekarte‚ Arbeitssicherheit-Gesundheit-Umwelt . . . . . . . . . . . 158 Abb. 6.2.: Verhaltensregeln zur Meldekarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 <?page no="177"?> Tabellenverzeichnis Tab. 1.1.: Treiber des Wandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Tab. 1.2.: Soziale Kompetenz technischer Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . 19 Tab. 1.3.: Regeln für persönliches Feedback . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Tab. 1.4.: Skala zur Beurteilung der Fähigkeiten und Fertigkeiten . . . . . . . . 24 Tab. 1.5.: Ergebnismatrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Tab. 2.1.: Zielbereiche mit ihren Facetten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Tab. 2.2.: Checkliste: Übung zu „wohlgeformten Zielen“ . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Tab. 2.3.: Arbeitsblatt: „Ziele“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Tab. 2.4.: Zielarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Tab. 2.5.: Vorlage zur Themensammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Tab. 3.1.: Brainwriting-Formular . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Tab. 3.2.: Umsetzungs-Aktionsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Tab. 4.1.: Delegieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Tab. 4.2.: Arbeitsblatt: Fragebogen zur Führungsstilbestimmung . . . . . . . . . 107 Tab. 4.3.: Arbeitsblatt: Fragebogen zur Reifegradermittlung . . . . . . . . . . . . . 108 Tab. 4.4.: Schein- und echte Delegation im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Tab. 4.5.: Fragestellungen zu übertragbaren Tätigkeiten zum Reifegrad . . . 117 <?page no="178"?> ISBN 978-3-8169-3467-7 Mitarbeiter: innen zielgerichtet und effektiv führen zu können, ist ein Schlüssel für nachhaltigen Unternehmenserfolg. In diesem Buch werden den Leser: innen durch die direkte Ansprache und die Praxisbeispiele von Kolleg: innen in vergleichbaren Situationen Denkanstöße und Tipps geboten, um ihren Führungsstil zu analysieren und darauf aufbauend zu optimieren. Es werden bewährte Maßnahmen und Techniken zur effizienten Gestaltung und Beherrschung der vielfältigen Anforderungen im sich schnell verändernden technischen wie gesellschaftlichen Umfeld vorgeschlagen, die praxisgerecht im Führungsalltag eingesetzt werden können. Der Inhalt Wandel in der Technik - Anforderungen an technische Führungskräfte - Potenzialanalyse und -einschätzung von technischen Führungskräften - Ziele, Vorbereitung und Durchführung von Mitarbeiter: innenjahresgesprächen - Planen und Entscheiden im betrieblichen Umfeld - Reifegradmodell - Delegieren von Tätigkeiten und Aufgaben - Verbesserungsmöglichkeiten durch anonymisierte Befragungen der Mitarbeiter: innen - Reflexion des Führungshandelns - Kontrolle und Steuern mittels Shopfloor Management - Kommunikation in der betrieblichen Praxis Die Zielgruppe Technische Führungskräfte aller Hierarchieebenen, Koordinator: innen, Gruppenleiter: innen, Personen mit höherer Fachprüfung, Ingenieur: innen aller Fachrichtungen und Projektverantwortliche werden angesprochen. Die Autoren Dieter Brendt: Vielseitige Berufserfahrungen als Techniker in leitenden Positionen, Studium der Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie, Supervisor BDP, seit 1989 freiberuflicher Trainer, Berater und Coach Olaf Mackowiak: Betriebsleitung in der Metallverarbeitenden Industrie, Führungsverantwortung für 170 Mitarbeiter: innen, 25 Jahre Führungserfahrung auf unterschiedlichen Hierarchieebenen
