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Energietransport und Energiespeicherung

Eine Technik- und Wirtschaftsgeschichte

0810
2020
978-3-8169-8478-8
978-3-8169-3478-3
expert verlag 
Fritz Dieter Erbslöh

Transport und Speicherung von Energie sind seit mehreren Jahrzehnten zentrale Themen der Ökonomie, der Ökologie, der Politik und darüber hinaus der Gesellschaft, wobei die verwendete Technik ihren jeweils besonderen Stellenwert hat und oft im Mittelpunkt steht - was aktuelle Beispiele wie die Favorisierung regenerativer Energie, die Probleme der Gasimporte, die offenen Fragen der Speicherung elektrischer Energie oder die Notwendigkeit neuer Übertragungsnetze anschaulich belegen.

<?page no="0"?> Energietransport und Energiespeicherung Eine Technik- und Wirtschaftsgeschichte FRITZ DIETER ERBSLÖH <?page no="1"?> Energietransport und Energiespeicherung <?page no="3"?> Fritz Dieter Erbslöh Energietransport und Energiespeicherung Eine Technik- und Wirtschaftsgeschichte <?page no="4"?> Umschlagabbildungen (Copyrights von links nach rechts): © peterschreiber.media (Adobe Stock 144892234), © Satephoto (Stock-Fotografie-ID: 682538860), © AvigatorPhotographer (Stock-Fotografie-ID: 1036515332), © ewg3D (Stock-Fotografie-ID: 1036605654) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 · expert verlag GmbH Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autoren oder Herausgeber übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Internet: www.expertverlag.de eMail: info@verlag.expert Printed in Germany ISBN 978-3-8169-3478-3 (Print) ISBN 978-3-8169-8478-8 (ePDF) <?page no="5"?> 5 Inhalt Inhalt .............................................................................................................................. 5 Vorwort von Professor Dr. Werner Klaffke ....................................................................... 9 1. Zur Systematik - ein Vorwort................................................................................ 11 2. Energieformen...................................................................................................... 13 3. Darstellungsformen strömender Energie............................................................... 17 4. Geschichte des Energietransports ......................................................................... 21 Flugkörper ...................................................................................................... 21 Gestänge ........................................................................................................ 24 Seil, Kette, Transmissionen ............................................................................ 27 Hydraulik ........................................................................................................ 33 Seil- und Kabelbahnen.................................................................................... 37 Schachtförderung........................................................................................... 39 Wasserhaltung ............................................................................................... 45 Ölförderung .................................................................................................... 50 Aufzüge .......................................................................................................... 51 Nutzung für die Energieversorgung ............................................................... 60 Tiefbohrungen................................................................................................ 65 Antriebs- und Transmissionswellen ............................................................... 66 Druckluftwerkzeuge und Druckluftnetze ....................................................... 72 Druckluft und Mobiltät................................................................................... 76 Heizungsanlagen ............................................................................................ 78 Fernheizung.................................................................................................... 81 Heatpipe, Wärmerohr .................................................................................... 88 Geothermie .................................................................................................... 89 Holz................................................................................................................. 92 Kohle .............................................................................................................. 96 Erdöl ............................................................................................................. 129 Stadtgas........................................................................................................ 189 Erdgas ........................................................................................................... 201 <?page no="6"?> Inhalt 6 Elektromobilität: Akkumulatoren und Wasserstoff ..................................... 218 Kernbrennstoffe - Uran ................................................................................ 228 Es wurde Licht .............................................................................................. 236 Die Zentralen ................................................................................................ 238 Kraftwerke.................................................................................................... 254 Regenerative Stromerzeugung..................................................................... 259 Brennstoffzellen ........................................................................................... 271 Beleuchtung ................................................................................................. 275 Solare Wärme............................................................................................... 289 Technische Wärmestrahlung - Infrarot ........................................................ 296 Laser ............................................................................................................. 299 Mikrowellen ................................................................................................. 305 Strahlentherapie .......................................................................................... 308 5. Energieströme in Deutschland im Überblick.........................................................313 6. Geschichte der Energiespeicherung .....................................................................315 Militärische Anwendungen .......................................................................... 315 Rückgewinnung ............................................................................................ 316 Talsperren und Pumpspeicher ..................................................................... 320 Gasometer.................................................................................................... 330 Wassertürme................................................................................................ 332 Waffentechnik.............................................................................................. 340 Druckluftspeicher ......................................................................................... 341 Feste Körper ................................................................................................. 345 Ruthsspeicher............................................................................................... 346 Warm- und Heißwasser................................................................................ 348 Andere Medien ............................................................................................ 350 Nachhaltige Speicher: Wald und Holz .......................................................... 352 Steinkohle und Braunkohle, Reichweiten .................................................... 356 Erdöl, Raffinerieprodukte, Reichweiten ....................................................... 363 Speicherung von Stadtgas und Erdgas ......................................................... 373 Batterien, Akkumulatoren, Redox-Flow ....................................................... 384 Wasserstoff als Energiespeicher .................................................................. 399 Uran.............................................................................................................. 408 <?page no="7"?> Inhalt 7 Kondensatoren und Supercaps .................................................................... 410 SMES............................................................................................................. 413 7. Wege zu Energiesystemen ...................................................................................417 Das Grundproblem der elektrischen Energie: Speicherung ......................... 430 Power-to-Gas als Lösungsansatz .................................................................. 432 Energiewirtschaftsgesetz ............................................................................. 443 Energiewende .............................................................................................. 447 Liberalisierung .............................................................................................. 451 8. Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Aspekte .....................................................453 9. Zusammenfassung...............................................................................................469 10. Bildverzeichnis ....................................................................................................471 11. Literatur und wichtige Quellen ............................................................................495 <?page no="9"?> 9 Vorwort von Professor Dr. Werner Klaffke Sich des Themas „Energietransport und Speicherung“ anzunehmen, ist keinesfalls so ausgefallen, wie es bei flüchtiger Betrachtung scheinen mag. „Energie“ ist derzeit medial allgegenwärtig, besonders wenn es um deren Erzeugung geht, womöglich noch der Bereitstellung in „regenerativer“ Form. Somit ist eine fundamentale Betrachtung des Themas angezeigt, lässt sich doch Energie weder „erzeugen“, noch „regenerieren“. Vielmehr geht es um deren Umwandlung in eine für den jeweiligen Anwendungsfall brauchbarere Form. Spätestens an diesem Punkte sollten einem Massen- und Energieerhaltungssätze aus dem Physik- und Chemieunterricht wieder eingefallen sein. Diese naturwissenschaftliche Sicht auf die Welt mit der aus den Geschichtswissenschaften zu verweben, macht einen ganz besonderen Reiz aus. Denn die Gestaltung seiner Umwelt ist ein dem Menschen innewohnendes Bedürfnis, das weit über den täglichen Erhalt seiner Lebensfunktionen und den Fortbestand seiner Art hinausgeht. Früh in seiner Entwicklungsgeschichte begann er damit, seine Muskelkraft oder die der durch ihn eingesetzten Tiere durch geeignete Werkzeuge zu erweitern. Dies mündete in die Konstruktion immer weiter verfeinerter Maschinen, die geeignet waren, zunächst Massebewegungen ineinander umzuwandeln und schließlich - auf Muskeln gänzlich verzichtend - chemische Energie in Bewegung umzusetzen. Energie und deren Wandlung war auch immer von politischer Bedeutung, sei es, um Ressourcen in Besitz zu bringen oder Einfluss auf Wirtschaftsräume und Transportwege zu erweitern. Eine gute Gelegenheit also, wie im vorliegenden Falle, Energie ganzheitlich und im geschichtlichen Kontext darzustellen. Zusammen mit der nichtenergetischen Stoffumwandlung hat die Art, wie wir chemische Energie nutzen, großen Wohlstand hervorgebracht. Die Beherrschung chemischer und physikalischer Prozesse hatte zur Folge, dass heute 7 Milliarden Menschen ernährt werden können und in den vergangenen 50 Jahren deutlich weniger Hunger gelitten werden musste als in den Jahrhunderten davor. Bessere Lebensumstände, den Aufstieg in die Mittelschichten geschafft zu haben und mittlerweile mehr als 90 % aller Kinder Zugang zu Bildung zu gewähren, das sind durchaus vorzeigbare Ergebnisse eines auf menschlicher Intelligenz, auf Wissenshunger und Kreativität aufbauenden Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. Risiken und Nebenwirkungen eingeschlossen, denn die Umwandlung chemischer Energie in Wärme und weiter in Bewegungs- und elektrische Energie führt bei der Einbringung nicht-biogenen Kohlenstoffs in die belebte Welt zwangsläufig zur Frage um den Verbleib dieses Elements. Dessen Oxidation führt bekanntlich zu Kohlendioxid, einem - wenn nicht sogar dem zentralen Spurengas. Die rein technische Fokussierung auf thermodynamische Wirkungsgrade hat, wie wir heute wissen, in der Vergangenheit diesem Umstand nicht adäquat Rechnung getragen. Eine Nachlässigkeit, die von den Ingenieuren in den nächs- <?page no="10"?> 10 Vorwort von Professor Dr. Werner Klaffke ten Jahren vordringlich zu bearbeiten ist. Einerseits durch direkte Beseitigung dieser Reaktionsprodukte aus der Atmosphäre, andererseits durch den verstärkten Einsatz von Energie, die von außen auf den Planeten einwirken. Wohlgemerkt, auf die Verlockung diese „regenerativ“ zu nennen, sollte man nicht hereinfallen. Denn Strom aus Sonne, Wind und Wasserkraft geht entweder auf die Strahlung der Sonne oder die Rotation der Erde im Gravitationsfeld der Sonne und des Mondes zurück. Umfassend die technischen und gesellschaftlichen Ansätze über die Jahrhunderte zu verfolgen, ist spannend und eine gewinnbringende Reise zu einem der zentralen Felder menschlicher Kreativität und menschlichen Schaffens. Demut sollte allerdings auch aller Ehrerbietung gegenüber den enormen Leistungen der Technik angebracht sein und uns auf dem weiteren Weg stets begleiten. Ein Bonmot des in Montreal geborenen Physikers Hubert Reeves bringt es auf den Punkt: “Man is the most insane species. He worships an invisible God and destroys a visible Nature. Unaware that this Nature he’s destroying is this God he’s worshiping”. Prof. Dr. Werner Klaffke Haus der Technik e. V. Essen, im Januar 2020 <?page no="11"?> 1 Zur Systematik - ein Vorwort 11 1. Zur Systematik - ein Vorwort Energietransport und -speicherung durchziehen und bestimmen weite Teile der Technikanwendung, sowohl im technischen wie auch im historischen Verständnis. Diese Vielfalt erfordert eine Gliederung. Der Zugang zum Thema wird in dieser Abhandlung aus der Sicht der Energieströme geschaffen, die in ihrer grundsätzlichen Verschiedenheit zu jeweils spezifischen Techniken und Anwendungen geführt haben. Der strömenden Energie liegt didaktisch eine Allgemeine Dynamik zugrunde, wie sie G. FALK 1 seit den 1960er Jahren für ein besseres Verständnis von Energie entwickelt hat. Dies ist zunächst ein naturwissenschaftlicher Ansatz und damit neuartig für eine technikhistorische Darstellung. Für einen solchen Ansatz gibt es Gründe. An erster Stelle steht, dass auf diesem Wege die Formen der Energie sauber eingeführt werden und damit Energietransport und -speicherung ihre natürliche Gliederung finden, die zugleich erlaubt, die verschiedenen Techniken 2 des Transport- und Speichergeschehens zu beschreiben und voneinander zu trennen. Das Thema insgesamt steht für einen umfassenden Zugang. Energietransport und Energiespeicherung sind für fast alle Bereiche der Technik zentral. Eine hierauf gegründete Technikgeschichte entwickelt sich hiermit zu einer Gesamtgeschichte der Technik in neuer Gliederung. Ausgenommen von diesem Ansatz sind allerdings Nachrichten- und Kommunikationstechnik und damit auch alle heutigen, mit der Digitalisierung zusammenhängenden Anwendungen - hier ist die Entropie, nicht die Energie die entscheidende Bestimmungsgröße. Die Aktualität des Gegenstandes Transport und Speicherung gibt zusätzlichen Anlass, die Linien der Entwicklung zu verfolgen. Transport und Speicherung von Energie sind seit Jahrzehnten zentrale Themen der Ökonomie, der Ökologie, der Politik und darüber hinaus der Gesellschaft, wobei die verwendete Technik ihren jeweils besonderen Stellenwert hat und oft im Mittelpunkt steht - was aktuelle Beispiele wie die Favorisierung regenerativer Energie, die Probleme der Gasimporte, die offenen Fragen der Speicherung elektrischer Energie oder die Notwendigkeit neuer Übertragungsnetze anschaulich belegen. Technikgeschichte im heutigen Mainstream-Verständnis geht didaktisch anders vor und stellt primär die Zeitachse, die Anwendungsbereiche und die Wirkungen der Technik in den Mittelpunkt. Von dieser Art des Zugangs wird hier auf der zweiten Ebene Gebrauch gemacht. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass Technikgeschichte sich schon länger von einer Geschichte der Erfindungen, der Technik selbst und der mit ihnen verbundenen „Großen Männer“ abgewandt hat - hin zu einer Wirtschafts-, Sozial- und Strukturgeschichte. Diese Aspekte sollen hier nicht vernachlässigt werden, jedoch sind sie Folgen, nicht Ursachen. In dieser Konsequenz werden sie von der Herausbildung einer 1 -Gottfried-Falk-,*16.-August-1922-in-Gelsenkirchen; -†-20.-Oktober-1991-in-Karlsruhe.- 2 -Im-heutigen-Sprachgebrauch-wäre-hier-von-„Technologien“-zu-sprechen.-Etymologisch-korrekt-ist-je‐ doch-„Techniken“---Technologie-ist-die-„Wissenschaft-von-der-Technik“.- <?page no="12"?> 1 Zur Systematik - ein Vorwort 12 Energiewirtschaft bis zu wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Aspekten in gesonderten Kapiteln in angemessenem Umfang behandelt. Die Darstellung insgesamt dient dem Überblick über ein komplexes Thema. Dort, wo Vertiefungen naheliegen, sind diese als kursiv gesetzte Exkurse eingefügt. Ihre Lektüre ist nicht Voraussetzung für das Verständnis der nachfolgenden Texte. <?page no="13"?> 13 2. Energieformen Der Gebrauch von Energieformen im häufig verwendeten, landläufigen Sinn wie „Windenergie”, „Erdöl“, „Kernenergie“ oder „Strom“ hält wissenschaftlichem Anspruch nicht stand. Es ist eigentlich überraschend, wie sorglos nicht nur im allgemeinen Sprachgebrauch der Öffentlichkeit, sondern auch in der Publizistik und auch in technischen Veröffentlichungen mit Energie und ihren Begrifflichkeiten umgegangen wird. Das soll hier vermieden werden. Wie im unten angefügten Exkurs begründet, werden Energieformen hier aus einem naturwissenschaftlich-physikalischen Ansatz heraus wie folgt gegliedert, benannt und für die Strukturierung des Energietransportes und der Energiespeicherung verwendet: ● Bewegungsenergie ● Potenzielle Energie ● Rotationsenergie ● Volumenenergie ● Elektrische Energie ● Wärme ● Chemische Energie ● Strahlungenergie Exkurs: Energieformen in naturwissenschaftlicher Begründung Mit G. FALK 3 und seiner Schule 4 leiten wir die Energieformen physikalisch korrekt aus der GIBBSschen Normalform ab, die sich allgemein 𝑑𝑑𝑑𝑑 � � 𝜉𝜉 � � 𝑑𝑑𝑑𝑑 � schreibt, mit 𝑑𝑑𝑑𝑑 für die Energieänderung eines Systems, den intensiven Größen 𝜉𝜉 � und den mengenartigen (extensiven) Größen 𝑑𝑑𝑑𝑑 � , die jeweils zufließen. Die Terme 𝜉𝜉 � 𝑑𝑑𝑑𝑑 � sind genau das, was wir suchen: die Energieformen in differentieller Schreibweise, genauer die Prozess-Energieformen, die für die Zufuhr oder Abfuhr von Energie stehen. Führt man die Operation „Differentiation zur Zeit t“ vollständig durch, so erhält man 𝑑𝑑𝑑𝑑 𝑑𝑑𝑑𝑑 � � 𝜉𝜉 � � 𝑑𝑑𝑑𝑑 � 𝑑𝑑𝑑𝑑 und damit einen Energiestrom, der sich aus einzelnen Teilströmen zusammensetzt. 3 -Falk,-G.: -Theoretische-Physik,-Bd.-2; -Thermodynamik,-§-6,-Begriff-der-Gibbs‐Funktion,-1966,-S.-21ff.- 4 -Herrmann,-B.-F.: -KPK---der-Karlsruher-Physikkurs,-Hochschulskripten,-Aufl.-2015. <?page no="14"?> 2 Energieformen 14 Und was strömt da eigentlich, was sind die mengenartigen 𝑋𝑋 � auf der rechten Seite? Am Beispiel der uns vertrauten Elektrizität wird das rasch klar: Dort strömen die Ladungsträger, was wir in Abkürzung den elektrischen Strom nennen - und je höher die Spannung, umso mehr Leistung fließt zu oder ab. Die Antwort im konkreten Fall ist also 𝑑𝑑𝑑𝑑 𝑑𝑑𝑑𝑑 � 𝑈𝑈 𝑑𝑑𝑑𝑑 𝑑𝑑𝑑𝑑 � 𝑈𝑈 𝐼𝐼 Man hat damit zwei strömende Größen - den elektrischen Strom als Träger einerseits und die transportierte Energie andererseits. Das kann man auch in einem Bild zusammenfassen und anschaulich sagen: Der elektrische Strom führt die Energie mit. Das also ist letztlich die Definition eines elektrischen Energietransports. Wie hier der elektrische Strom die extensive und die Spannung die intensive Größe ist, kann man das Bild strömender Größen über alle bekannten Energieformen erweitern. Das führt in einigen Fällen zu einer ungewohnten Darstellung - so wird der Strom an Bewegungsenergie jetzt mit J für den Impuls als 𝑑𝑑𝑑𝑑 𝑑𝑑𝑑𝑑 � 𝑣𝑣 𝑑𝑑𝑑𝑑 𝑑𝑑𝑑𝑑 geschrieben, den man herkömmlich eher als 𝑑𝑑𝑑𝑑 𝑑𝑑𝑑𝑑 � 𝑣𝑣 𝐾𝐾 mit 𝐾𝐾 für die uns mehr vertraute „Kraft“ kennt. In der hier bevorzugten Schreibweise kann man auf den ohnehin schwierigen Kraftbegriff ganz verzichten - er wird durch die zeitliche Änderung des Impulses, also durch den Impulsstrom, ersetzt. Man erhält insgesamt die auf der Folgeseite in Abb. 2-1 zusammengefasste Darstellung der wichtigsten Energieströme 5 . In der physikalischen Didaktik nach G. FALK macht die Strahlungsenergie gewisse Schwierigkeiten, da hier die MAXWELLsche Theorie der elektromagnetischen Wellen einzubeziehen und entsprechend umzuformulieren ist. Diese Schwierigkeit umgehen wir hier, indem wir Strahlung korpuskular begreifen und sie als Photonenstrom darstellen. Wir fühlen uns dabei in guter Gesellschaft: R. P. FEYNMAN 5 -Quelle-IER,-Institut-für-Energiewirtschaft-und-Rationelle-Energieanwendung-(Hg.): -Grundlagen-der- Energielehre,-Stuttgart-2010; -Tab.-2.2,-abgewandelt-und-ergänzt-vom-Autor.- <?page no="15"?> 2 Energieformen 15 betont in seinem Exkurs über das Licht die alleinige Realität des schon auf I. NEWTON zurückgehenden korpuskularen Verständnisses. * Die in dieser Spalte verwendeten Begriffe sind zwar anschaulich, aber nicht völlig korrekt. Es müsste eigentlich heißen: „Strom von Bewegungsenergie“, „Wärme-Strom“ etc. Abb.-2‐1: -Energieformen-in-Anlehnung-an-G.-Falk; -Quelle: -eigene-Darstellung Energietransport lässt sich also anhand der o.a. Tabelle sauber nach Formen klassifizieren. Jedoch muss noch ein weiteres Kriterium hinzutreten, um den Begriff im Sinne unseres Themas sinnvoll abzugrenzen. Die folgende Skizze veranschaulicht, was hiermit gemeint ist: System A System B Energiestrom Von Energietransport im hier gemeinten Sinn wollen wir sprechen, wenn sich System A wie auch System B jeweils deutlich als geschlossene Einrichtung definieren und erkennen lassen, und wenn zugleich eine räumliche Trennung beider Systeme gegeben ist. Auch diese beiden Kriterien lassen noch Spielraum: Ist System A z. B. der Motor eines Automobils und System B die angetriebene Achse einschließlich Differential und Räderwerk, so ist zweifellos ein Energiestrom in Form von Rotationsenergie über die physisch vorhandene Kardanwelle vorhanden und erkennbar (und auch messbar). <?page no="16"?> 2 Energieformen 16 Energiewandler Die Alternative, das gesamte Automobil als System zu begreifen, hat allerdings den gleichen definitorischen Rang - dann sind alle physikalischen und technischen Vorgänge reine Interna, und Energietransport beschränkt sich auf Betankung und ggf. auf das transportierte Gut. Der Wahl der Systemgrenzen haftet damit eine gewisse Willkür an - sie wird fallweise entschieden und begründet werden. Die Frage, wie es um die jeweils in A und B gespeicherte Energie bestellt ist, bedarf ebenfalls der Erörterung. Korrekt im Sinne der gewählten Didaktik ist, dass die Energie eines Systems sich als Zustandsgröße nicht in Formen darstellen lässt, sondern nur der Austausch im oben definierten Sinn. 6 Wir wollen hier eine Erweiterung vornehmen und der gespeicherten Energie dann eine Form zuordnen, wenn Zufluss und Abfluss in identischer (Energie-) Form erfolgen. Das Oberwasser des Koepchenwerks speichert also potenzielle Energie - und analog wollen wir das für alle Energieformen verstehen. 7 In der Technik ist der Fall häufig, dass Energie in einer vorbestimmten Form benötigt wird, während sie zunächst in anderer Form verfügbar ist. Diese Aufgabe übernehmen Energiewandler, deren grundsätzliche Funktion so darstellbar ist: Form A Form B Ein Beispiel dieser Art ist der Elektromotor - Form A ist hier die elektrische Energie, Form B die Rotationsenergie. Aufbauend auf diesen definitorischen Einführungen sollte es gelingen, Energietransport und Energiespeicherung ihre natürliche und zugleich korrekte Gliederung zu geben. Dass dies gelegentlich zu überraschenden Zuordnungen führt - etwa des Verkehrs und seiner Techniken zum chemischen Energietransport - ist eine Konsequenz, die zum Nachdenken über bisher vertraute Darstellungen Anlass geben kann. 6 -Falk,-Thermodynamik,-S.-24.- 7 -Auch-dies-nicht-ohne-Referenz: -„Diese-[Austausch‐]Formen- der- Energie- sollen- im- Folgenden- als- „Pro‐ zessenergieformen“- bezeichnet- werden.- Dagegen- lässt- sich- die- gespeicherte- Energie- eines- Systems- nicht- notwendigerweise- unterteilen,- sie- kann- aber- unter- bestimmten- Voraussetzungen- in- „Energie‐ anteile“,- wie- kinetische-Energie,-potenzielle-Energie-oder-innere-Energie-zerlegt-werden.-“,-zitiert-nach- IER,-Energielehre,-S.-2‐5.- <?page no="17"?> 17 3. Darstellungsformen strömender Energie Energiegewinnung, Umwandlung und Verbrauch in der Form von Strömen darzustellen, ist durchaus nicht unüblich. Dazu dienen häufig die sog. Sankey-Diagramme. Der Sinn solcher Sankey-Diagramme ist die graphische Darstellung von Mengenflüssen, also von Stoffen und eben auch Energie, die ja eine mengenartige Größe ist. Anders als beim einfachen Flussdiagramm werden hier die Mengen durch mengenproportional dicke Pfeile dargestellt. Sankey-Diagramme gehen auf den irischen Ingenieur Captain M. H. P. R. SANKEY zurück, der 1898 eine solche Darstellungsform nutzte, um Energieflüsse bzw. -verluste realer und idealer Dampfmaschinen zu visualisieren. Die Methode war lange Zeit vergessen, bis sie in den 1990er Jahren zu einem Instrument wurde, die Ineffizienzen und Einsparpotenziale im Umgang mit Ressourcen aufzuzeigen. Solche Beispiele zeigen Abb. 3-1 für die Metro Helsinki und Abb. 3-2 auf der Folgeseite gleich für ganz Deutschland. Abb. 3-2: Energieflussbild-für-die-Helsinki-Metropolitan-1988; -- Quelle: -http: / / www.idrc.ca/ openebooks/ 448‐2penebooks/ 448‐2,-Abruf-12.3.2019- <?page no="18"?> 3 Darstellungsformen strömender Energie 18 Abb. 3-2: Klassisches Energieflussbild für Deutschland 2008; Quelle: Arbeitsgemeinschaft-- Energiebilanzen, http: / / www.ag‐energiebilanzen.de, Abruf 22.01.2020 <?page no="19"?> 3 Darstellungsformen strömender Energie 19 So eindrucksvoll diese Flussbilder sind - sie erfüllen nicht oder bestenfalls punktuell die Forderung, die Energietransporte nach den im vorigen Kapitel explizite beschriebenen Energieformen zu gliedern bzw. zu beschreiben. Was sie im Zusammenhang mit dieser Veröffentlichung interessant macht, ist jedoch die zugrunde liegende Vorstellung einer strömenden Energie, die nicht nur die Anschauung befriedigt, sondern zumindest im Ansatz auch dem in Kap. 1 beschriebenen Grundmuster folgt, nach dem Energieformen nur im Austausch sichtbar werden. <?page no="21"?> 21 4. Geschichte des Energietransports Alle Energieformen haben ihre eigene Erzählung - sie werden daher einzeln und aufeinanderfolgend behandelt. Bewegungsenergie Die Transportform Bewegungsenergie steht nicht umsonst am Anfang der Darstellung - ihre Nutzung durch den Menschen ist die historisch älteste. Die Ursprünge der Verwendung von Bewegungsenergie reichen weit zurück. Und sie führen - wie häufig in der Menschheitsgeschichte - zu den frühen Kriegswaffen: Pfeil und Bogen, mechanische Geschosse etc. Flugkörper Die Verwendung von Pfeil und Bogen ist im alten Ägypten bereits für das 13. Jh. v. Chr. nachgewiesen, auch schon in der fortentwickelten Form des Reflexbogens, wie er später ebenfalls in Griechenland verwendet wurde, s. Abb. 4.1-1. Abb.-4.1‐1: --Griechischer-“Reflex”‐Bogen; -Quelle: -- Neuburger,-A.: -Technik-des-Altertums,-Leipzig-1920,- S. 223 Der von antiken Bögen abgeschossene Pfeil flog immerhin 900 m weit, sodass es sich um eine sehr attraktive Waffe handelte, die in vielen Kulturen Anwendung fand, so auch bei den nordamerikanischen Sioux-Indianern, die damit auf Büffeljagd gingen und so die beachtliche Größe des Impulstransports veranschaulichen. Der Bogen gehörte jedoch interessanterweise nicht zur Standardausrüstung der römischen Legionäre. Aus dem Bogen entwickelte sich die Armbrust als schon fortgeschrittenere Technik. Spätestens den Normannen in Frankreich gelang es, die Armbrust zu einer kriegstauglichen Waffe in Europa weiterzuentwickeln. In der Schlacht von Hastings (1066) setzten sie gegen die Angelsachsen Armbrüste ein: „Die Verwendung von Bögen und Armbrüsten in Kämpfen zwischen Christen wurde durch das Zweite Lateranische Konzil 1139 verboten, da sie wegen ihrer Reichweite und ihrer Durchschlagskraft gegen Rüstungen als unritterlich galten. Der Einsatz gegen „Heiden“, insbesondere gegen arabisch-islamische Gegner, blieb jedoch erlaubt.“ 8 In einer sehr speziellen Form findet sich eine abgewandelte Armbrust auch bei LEONARDO DA VINCI, der sie als transportables Geschütz skizzierte. 8 -http: / / www.wikipedia.org/ wiki/ Armbrust,-Abruf-31.5.2019.- <?page no="22"?> 4 Geschichte des Energietransports 22 Geschütze, die im Prinzip Riesenschleudern waren und heute Katapulte genannt werden, sind ebenfalls im antiken Orient ab dem 4. Jh. V. Chr. nachgewiesen, erreichten jedoch erst bei den Römern ihre verbreitete Verwendung. 9 Ein Nachbau des bei ihnen verwendeten „Onager“ schleuderte eine Steinkugel von 2 kg über 350 Meter. 10 Eindrucksvolle Varianten sind von LEONARDO DA VINCI überliefert, bis hin zum „architronito“, einer mit gespanntem Dampf betriebenen Steinschleuder. 11 In Fortsetzung der Katapulte und zeitlich mit ihnen überlappend kamen mit der Erfindung und Nutzung des Schießpulvers die Kanonen auf, die erstmals während der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert nachgewiesen sind Die Europäer ersetzten als erstes die Eisenpfeile durch schwere kugelige Projektile (Blei- oder Steinkugeln), was zur nächsten Fortentwicklung der Bombarde oder auch Steinbüchse führte. Bald wurde auch mit gusseisernen Kugeln experimentiert, die aber in der Herstellung Nachteile hatten. Die steinernen Kugeln wurden bis in das 16. Jahrhundert hinein weiterverwendet. Der Übergang zu einer Führung im Lauf sorgte für eine Erhöhung der Reichweite und der Zielgenauigkeit. -Abb.-4.1‐2: -Eines-der-ersten-Pul‐ vergeschütze,-1405-nach-K.-Kyey‐ ser; --Quelle: -Feldhaus,-F.-M.: -Die- Technik,-Reprint-1970,-S.-399 - Die frühen Formen der Geschütze wurden zunächst bei Belagerungen verwendet, als Büchsen und Mörser. Da sie eine geringe effektive Reichweite hatten, wurden sie nah an den Mauern in Stellung gebracht. Um das Jahr 1400 verfügten europäische Heere im Belagerungskrieg über weiterentwickelte Geschütze. Ihre Reichweite war jedoch immer noch gering, in der Regel nicht mehr als 180 m. Anfang des 15. Jahrhunderts kamen erste pulvergetriebene Geschütze zum Einsatz, was letztlich die Weiterentwicklung zu Kanonen bedeutete, die auch weitere Entfernungen überbrücken konnten. Abb. 4.1-2 zeigt ein frühes Beispiel nach K. KYESER. Auf Schiffen wurden gegen Ende des 15. Jahrhunderts pulvergestützte Schiffsgeschütze eingesetzt, so auch auf den Schiffen der Kolumbus-Expedition. 9 -Detaillierte-technische-Darstellung-der-griechischen-und-römischen-Katapulte,-z.-B.-in: -Landels,-J.-G.: - Die-Technik-der-antiken-Welt,-München-1979,-S.-118ff.- 10 -Neuburger,-Technik,-S.-226.- 11 -Heidenreich,-L.-H.,-Dibner,-B.,-Reti,-L.: -Leonardo-‐-der-Erfinder,-Stuttgart‐Zürich,-1985,-S,-116.- <?page no="23"?> 4 Geschichte des Energietransports 23 Die ersten mit einer Sprengladung gefüllten Hohlgeschosse der Artillerie tauchten vereinzelt im 14. Jahrhundert auf. Die eigentliche Entwicklung der Granate begann jedoch in Europa Anfang des 16. Jahrhunderts, als neben den massiven Stein-, Keramik-, Glas- und Metallkugeln dann als Bomben bezeichnete Hohlgeschosse Verwendung fanden. Mit dem Aufkommen der Granaten änderte sich die Energieform - jetzt war es chemische Energie, die transportiert wurde. 12 Die Verwendung von Bewegungsenergie im militärischen Sektor war jedoch noch nicht zu Ende - sie hält bis heute an, insbesondere im Bereich der Handfeuerwaffen, der Gewehre und Pistolen. Gewehre gehen auf das Handrohr zurück, erstmals wohl um das Jahr 1300 verwendet. Die Bezeichnung leitet sich von der Konstruktion ab: einem gegossenen Metalllauf mit Pulver als Treibladung. Die Arkebuse oder Hakenbüchse taucht zu Beginn des 16. Jahrhunderts auf; sie war unhandlich und bedurfte aus Gewichtsgründen der mechanischen Abstützung. Am Ende des Jahrhunderts setzte sich die leichter zu handhabende Muskete durch. In den nachfolgenden beiden Jahrhunderten wurde vor allem der Zündmechanismus weiterentwickelt - Luntenschloss, Radschloss, Steinschloss, Perkussionsschloss kennzeichnen die Entwicklungsstufen, deren letzte schließlich durch das Zündhütchen markiert ist. Eine der ganz frühen Entwürfe zu einem Radschloss zeigt Abb. 4.1-3. . ----Abb.-4.1‐3: -Das-sog.- Radschloss-in-einem-der- Entwürfe-von-L.-da-Vinci,- um-1500; -Quelle: -Hei‐ denreich-/ -Dibner-/ -Reti,- Leonardo,-S.-111- - Bis auf wenige Ausnahmen waren die frühen Gewehre noch Vorderlader. Aus dem 17. Jahrhundert sind nach F. M. FELDHAUS dann erste Hinterlader bekannt, und seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts wurden einige Hinterlader-Modelle industriell hergestellt, zum Teil mit papierner Patrone. 13 Die Patrone mit Metallhülse kam Mitte des 19. Jahrhunderts auf und ebnete den Weg zum modernen Gewehr. Sie machte auch die Entwicklung von Mehrladern, Selbstladern und Maschinengewehren möglich, die seit Anfang des 20. Jahrhunderts und bis heute die Infanterieausrüstung bestimmen . 12 -Unter-Verwendung-von-http: / / www.wikipedia.org/ wiki/ Geschütze,-Abruf-31.5.2019.- 13 -Feldhaus,-Technik,-S.-430-f.- <?page no="24"?> 4 Geschichte des Energietransports 24 Gestänge Der Bergbau war über Jahrhunderte Technikführer und schuf zahlreiche Innovationen. Das Problem, Energie für Pumpen und Vertikaltransporte im Schacht über z. T. weite Entfernungen heranzuschaffen, führte zu den Kunstgestängen, insbesondere zu den hier interessierenden Feldgestängen. Das Arbeitsprinzip erklärt DIDEROT mit Abb. 4.1-4. - Abb.-4.1‐4: -Die-Kunst-bei-Diderot,-Quelle: -En‐ zyklopädie-1762‐1777; -Reprint-Augsburg-1995,- Bildtafel-Mineralogie-(Exzenter-und-Übergang- zum-Gestänge,-mittlerer-Bildteil)- - Das Feldgestänge diente dazu, die von der Antriebsmaschine zur Verfügung gestellte Energie über größere Entfernungen bis zu den Kunstsätzen des Schachtgestänges zu leiten, zum Teil über beträchtliche Entfernungen. Dabei machten sich dann wegen der zu bewegenden großen Massen Verluste vermehrt bemerkbar, sodass am Ende z. B. nur 50 % der Leistung verfügbar waren. --- - - -- - - --- -Abb.-4.1‐5: -Holzschnitt-von-G.-E-von-Löhneyß; -Quelle: -Bericht-vom-Bergwerck,-1650,-- Digitalisiertes-Original,-Abbildung-409-(Ausschnitt),-Sächsische-Landesbiliothek- - <?page no="25"?> 4 Geschichte des Energietransports 25 Das Auftauchen solcher Kunstgestänge ist für das Erzgebirge und für den Harz für das 16. Jahrhundert nachgewiesen. Realisierungen finden sich erstmals wohl 1555 in Joachimsthal. 14 1564 wurde ein derartiges System am Rammelsberg in Betrieb genommen. 15 Die Gestänge erreichten zum Teil beachtliche Längen - bis über 7 Kilometer 16 - und querten dabei Berge, Täler und Felder, s. Abb. 4.1-5. Es gab zwei Arten von Feldgestängen: Feldgestänge mit Walzen und Feldgestänge mit Schwingen, und es gab auch zwei verschiedene Baumaterialien: Holz und Eisen. Ihre Errichtung und ihre Instandhaltung waren aufwändig. Feldgestänge hielten sich sehr lange, bis in das 19. Jahrhundert hinein. Abb. 4.1-6 zeigt das Feldgestänge des Kunstschachtes im Steinkohlerevier Döhlen auf Freitaler Gebiet, das mit einer Länge von 420 m im Jahr 1806 errichtet wurde. - - -- -- - Abb.-4.1‐6: -Kunstradge‐ bäude-und-Feldgestänge- des-Döhlener-Kunst‐ Schachtes,-Steinkohlen‐ revier-bei-Freital; -Quelle: - unbekannt-(I.C.A.-Richter? ),- um-1850- R. FLECHNER, der im Nickelbergbau tätig war, berichtete noch 1879 über die von ihm in der Grube Slättberg (bei Falun) veranlasste Aufstellung eines doppelten Kunstgestänges von 1300 m Länge. 17 Gestänge wurden nicht nur im Bergbau verwendet - sie kamen immer zum Einsatz, wenn dislozierte Pumpleistung benötigt wurde, so auch in der spektakulären Wasserhebung von Marly, die die Parkanlagen von Versailles versorgte, s. Abb. 4.1-7. Gestänge dienten auch zum Energietransport in den Salinen - sowohl zur Schachtförderung wie auch zur Berieselung der Gradierwerke. Sie sind in Teilen noch heute erhalten, so im Nahetal, in Bad Kösen oder auch in Lüneburg. Ein 1,3 km langes Pumpgestänge führte dort von 1782 bis 1865 von der Ratswassermühle an der Ilmenau bis zur Saline; 14 -Schmidt,-W.,-Theile,-W.: -Denkmale-der-Produktions‐-und-Verkehrsgeschichte,-Berlin-1989.- 15 -Dehler,-M.: -Wassermanagement-im-historischen-Bergbau,-Freiberg-o.-Jahr,-S.-5.- 16 -Klemm,-F.: -Geschichte-der-Technik,-Reinbeck-1983,-S.-88.- 17 -Flechner,-R.: -Polyt.-Journal,-1879,-Band-232,-S.-256‐264.- <?page no="26"?> 4 Geschichte des Energietransports 26 Abb. 4.1-8 zeigt ein restauriertes Teilstück. Die Anlage war das Werk des Hamburger Baumeisters E. G. SONNIN (1713-1794). - - - - - - - - - - - - - - - - - Abb.-4.1‐7: -Die-Wasserhebemaschine-von-Marly-mit-über-Gestänge-angetriebenen-Pumpstationen,- gesamte-Hubhöhe-162-Meter; -Kupferstich-1725; -Quelle: -Deutsches-Museum,-Wasserkunst-bei-Marly- - - -Abb.-4.1‐8: -Ein-Teilstück-des-Lüneburger- Gestänges-wurde-in-Originalgröße-rekon‐ struiert; -Quelle: -Deutsches-Salzmuseum,- Pumpgestänge- - Feldgestänge gab es nicht nur in Deutschland, wie bereits das oben zitierte Beispiel aus dem Nickelbergbau zeigte. Mit dem Sördalens Konstgång gibt es aus Schweden ein weiteres Beispiel, das mit seinen 2,5 km Länge noch bis 1921 in Betrieb war. Versorgt wurden die Gestänge im Allgemeinen über die Wasserkraft, jedoch sind auch einige Anwendungen überliefert, die Windmühlen als Energiequelle nutzten. Insgesamt verlor sich ihre Be- <?page no="27"?> 4 Geschichte des Energietransports 27 deutung, als der Energietransport mit der Dampfmaschine auf eine neue Prozessenergieform setzen konnte - die viel leichter zu transportierende chemische Energie in der Form der Kohle. Stangenkünste erlebten eine späte Renaissance in der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Zusammenhang mit der entstehenden Ölförderung. Ein vermutlich erstes Beispiel ist die Installation des „Canadian Jerker Line Systems“ in Oil Springs, Ontario, Canada im Jahre 1863. Als Antrieb diente eine Dampfmaschine, deren Leistung über mehrere Stangenkünste auf einzelne Ölquellen verteilt wurde, die sich im Umkreis von einer Meile befanden - anders war die Wirtschaftlichkeit bei der geringen Ergiebigkeit der Quellen nicht sicher zu stellen. Abb. 4.1-9 zeigt einen Ausschnitt der rekonstruierten Anlage. Sie wurde vielfach kopiert und abgewandelt. -- Abb.-4.1‐9: -Stangenkunst-in-Oil-Springs,-On‐ tario,-Kanada,-rekonstruiert; -Quelle: -Lowtech- Magazine-2013,-Photo-Markus-Wandel-- Seil, Kette, Transmissionen Vom Gestänge zum bewegten Seil ist es zwar physisch, jedoch nicht physikalisch ein großer Schritt. Beide transportieren Bewegungsenergie. Besonders auffällig - und auch von ökonomisch quantitativer Bedeutung - war und ist das im Bereich der Schifffahrt, speziell dem Gütertransport auf den großen Flüssen. Ketten- und Seilschifffahrt waren die ersten Techniken, die große Transportmengen ermöglichten. In ihrer Urform gehören sie nicht in die Kategorie des Energietransports über das Seil - die Schiffe produzierten die Bewegungsenergie an Bord über eine im Strom festliegende Kette. Es ist vielmehr die Schleppschifffahrt, die hier interessiert. Schleppschifffahrt gab es auch an der Kette. So war auf der Elbe die Bellingrathsche Gesellschaft in der Kettenschifffahrt tätig, die 1881 mit der „Vereinigten Hamburg-Magdeburger Dampfschiffahrts-Companie“ zur „KETTE - Deutsche Elbschiffahrts-Gesellschaft Dresden“ fusionierte. Die vereinigte Gesellschaft verfügte damals über 27 Kettenschlepper, die jeweils bis zu 12 Kähne stromaufwärts befördern konnten. Im Vergleich zum schon existierenden und damit konkurrierenden Radschleppdampfer konnten so bei deutlich eingespartem Kohleverbrauch mit erheblich weniger Personal größere Lasten mit fast doppelter Geschwindigkeit transportiert werden. <?page no="28"?> 4 Geschichte des Energietransports 28 Die Schleppschifffahrt an der Kette war so ein erheblicher Fortschritt gegenüber dem Treideln und den Raddampfern, den man zeitbedingt auch immer aus der Sicht der Konkurrenz zur Eisenbahn verstehen muss. In den folgenden Jahren stieg die Menge der auf der Elbe transportierten Güter sprunghaft an, was Abb. 4.1-10 als Beispiel anschaulich macht. Doch bereits Ende des 19. Jahrhunderts begann auf der Elbe der Niedergang der Kettenschifffahrt. Der Hauptgrund war der stetige Ausbau des Flusses, der das wichtigste Argument für die Kettenschifffahrt - Leistungsfähigkeit bei ungenügend tiefem Fahrwasser - beseitigte. In Sachsen befuhren die letzten Kettenschlepper 1943 die Elbe; der letzte auf der gesamten Elbe stellte 1948 bei Aussig (heute Tschechien: Usti nad Labem) den Betrieb ein. 18 - Abb.-4.1‐10: -Kettendampfer-auf-der- Elbe-bei-Dresden,-der-eine-Vielzahl-von- Schleppkähnen-flussaufwärts-zieht,- etwa-1880; -Quelle: -Z.-Die-Gartenlaube,- 1882- - Erst mit dem Aufkommen der großen und starken Raddampfschlepper schlug die Stunde der Schleppzüge. Die Schlepper zogen bis zu acht Lastkähne. Sie hatten teilweise eine Länge von über einem Kilometer. Ein Beispiel liefert Abb. 4.1-11. Abb.-4.1‐11: -Schleppzüge-vor- Bingen; -Quelle: -Buchholz,-P.-M.: - Die-Schönheiten-unserer-Heimat,-o.- Ort-und-J.-- -- 18 -Nach-http: / / www.wikipedia.org/ wiki/ Kettenschifffahrt-auf-Elbe-und-Saale,-Abruf-2.6.2019.- <?page no="29"?> 4 Geschichte des Energietransports 29 Mit dem Erscheinen der ersten Dampfschiffe wurden auch auf dem Rhein Fahrten mit angehängten Schleppschiffen unternommen. Da zu dieser Zeit die Leistung der Dampfmaschinen noch gering war, erreichten diese Schleppzüge zu Beginn nur kleine Geschwindigkeiten. Schleppzüge, die zum Oberrhein fuhren, wurden in Bad Salzig geteilt, da auf der Gebirgsstrecke nur drei Anhänge zugelassen waren. Zeitweise lagen mehrere hundert Kähne dort auf Reede. Hinter Bingen wurden die Schleppzüge wieder neu zusammengestellt. In der Talfahrt wurden jeweils zwei Kähne nebeneinander gekoppelt, beladene Kähne fuhren dann direkt hinter dem Schlepper, und nur der erste Anhang hatte einen Schleppdraht vom Schlepper. Gefahren wurde nur von Sonnenaufbis Sonnenuntergang, auch bei Nebel ruhte die Schifffahrt. Schleppzüge waren lange auf dem Rhein ein alltägliches Bild, bis weit in das 20. Jahrhundert hinein. Die letzte Schleppfahrt mit einem Seitenradschlepper fand 1967 statt. Das Regelschiff war jetzt der Selbstfahrer mit Dieselmotor, und die Zeit der Schubboote hatte schon begonnen. In der Seefahrt haben Schleppschiffe nach wie vor ihre Bedeutung. Sie haben nur eine Technik: sie verbinden sich mit dem Schiff oder der Bohrinsel über Trossen und setzen ihre starke Maschinenleistung für den Seilzug ein. Die Schlepptrossen sind am Schlepper an Haken eingehängt oder an Seilwinden aufgerollt. Die Trossen waren ursprünglich im Durchmesser grobe Taue aus Pflanzenfasern, meist Hanf. Stahltrossen kamen um die Wende zum 20. Jahrhundert auf und sind heute für große Pfahlzüge unverzichtbar. 19 Die Leistung der Schlepper variiert je nach Typ. Hochseeschlepper haben heute Motorleistungen von 15.000 kW und mehr, der Pfahlzug kann über 250 Tonnen betragen. Größere Hafenschlepper entwickeln bei Motorleistungen von 2.000 kW bis 4.000 kW einen Pfahlzug von 20 bis 80 Tonnen. Abb. 4.1-12 zeigt das Heck der modernen, 2011 erbauten Nordic mit seiner Trossenführung für einen Pfahlzug von 201 Tonnen. Abb.-4.1‐12: -Notschlepper-Nordic-vom- Heck-aus; -Quelle: -Rolls-Royce-Werk‐ photo, http: / / www.rrpowersys‐ tems.com,-Abruf-22.01.2020- - Nicht nur Schiffe, auch Flugzeuge können geschleppt werden - das ist vom hier weniger interessierenden Segelflugsport hinlänglich bekannt. Auf seinen Erfahrungen aufbauend, ergaben sich jedoch Transportanwendungen, die Folgen haben sollten. Anfang der 19 -Pfahlzug-ist-der-vom-Schlepper-aufgebrachte-statische-Seilzug,-gemessen-in-Tonnen.- <?page no="30"?> 4 Geschichte des Energietransports 30 1930er-Jahre fanden im Deutschen Reich und in der Sowjetunion die ersten Projektarbeiten für sogenannte Lastensegler und der Bau von Versuchsmodellen statt. In Deutschland entstand für Forschungszwecke der Kleinlastensegler OBS bei der DFS in Darmstadt. Der Jagdflieger ERNST UDET, dem der OBS vorgeflogen wurde, gab daraufhin die Weisung zur Entwicklung eines militärischen Lastenseglers, woraufhin die DFS 230 konstruiert wurde. Abb. 4.1-13 zeigt das Modell im Flugschlepp. - -- Abb.-4.1‐13: - Lastensegler-DFS- 230-im-Schlepp; - Quelle: -Bun‐ desarchiv-Bild- 1011‐567‐1523‐ 38- - In der Sowjetunion entstand 1934 der für sechs Soldaten ausgelegte Lastensegler Groschew G-4. Nach dem erfolgreichen Einsatz der DFS 230 bei der Eroberung von Eben- Emael begannen sowohl die Alliierten (Großbritannien, Hotspur) als auch die Achsenmächte mit der Entwicklung von Lastenseglern (Japan, Ku-1 und Italien, TM-2). Auch die zu diesem Zeitpunkt noch neutralen USA entwickelten das erste Modell (CG-3A). Andere Länder, wie Schweden (Fi-3), die Türkei (THK-1), Australien und Indien zogen nach, erzielten jedoch keine nennenswerten Ergebnisse. Lastensegler waren keine Utopie - sie kamen im 2. Weltkrieg mehrfach um Einsatz und brachten Soldaten und Transportgut in das jeweilige Zielgebiet. Die meisten Lastensegler wurden bewusst zum einmaligen Gebrauch gebaut und nach dem Einsatz nicht geborgen und wiederverwendet. Häufig war Holz der für Rumpf und Tragflächen verwendete Werkstoff. Nach den ersten positiven Erfahrungen wurden auch größere Maschinen gebaut, die in der Lage waren, die Truppe mit militärischem Gerät zu versorgen. Später dienten Lastensegler auch dazu, komplette Einheiten zu verlegen. Schleppflugzeuge waren dabei meistens die ohnehin eingesetzten Flugzeuge, z. B. die Junkers Ju 52 oder die Ju 87. Die Westalliierten setzten bei militärischen Operationen den Lastensegler in großen Mengen ein. Insgesamt wurden in den USA allein von WACO Aircraft Company und Ford Motor Company über 5000 Exemplare gebaut. Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges war auch die Ära der Lastensegler vorbei - die Hubschrauber und große Transportflugzeuge traten an ihre Stelle. Nur in der Sowjetunion wurden sie noch weiterentwickelt und blieben bis 1950 im Bestand. Auch Seil- oder Riementransmissionen mit ihren bewegten Endlos-Seilen dienen dem mechanischen Energietransport. Sie gehen in ihren Ursprüngen auf den Schnurtrieb und damit mindestens bis in das 15. Jahrhundert zurück, s. Abb. 4.1-14. Seiltriebe dieser Art finden sich fortan häufig bei einfachen handwerklichen Geräten, insbesondere bei den <?page no="31"?> 4 Geschichte des Energietransports 31 Spinnrädern der Heimwerker(innen) - und dort noch bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts. - Abb.-4.1‐14: -Der-Schnurtrieb-als-Urform-der-Trans‐ mission,-Grafik-aus-der-Handschrift-des-Anonymus- der-Husssitenkriege; -Quelle: -Feldhaus,-Technik,-S.-955- - Seiltransmissionen waren die nächste Entwicklungsstufe für den mechanischen Energietransport nach den Feldgestängen. E. L. DIGAUT berichtet 1841 über ein solches System, s. Abb. 4.1-15. Der Ersatz textiler Seile durch das Drahtseil folgte wenig später. Die Drahtseile fanden beim Maschinenbetrieb vor allem Anwendung für Transmissionen auf weitere Entfernung. Zu diesem Zweck benutzte man Seile von 6 mm bis 26 mm Stärke, wie von den GEBR. HIRN im Jahre 1850 in Deutschland eingeführt. Um ein Durchhängen zu vermeiden, wurde oft mehrere Abschnitte hinter einander geschaltet, wie z. B. in Oberursel, wo eine Gesamtlänge von 1000 m mit insgesamt 8 Abschnitten erreicht wurde. 20 Abb.-4.1‐15: -“Ein-System-zur-Fortleitung-der-Bewegung-mittelst-Seilen-und-Spannrollen”; -Quelle: -Polyt.- Journal-1841-Bd.-81,-S.-168‐191 Für den Antrieb eigentlicher Maschinen, z. B. von Drehbänken, nutzte man noch im 17. und 18. Jahrhundert eher die Zahnradübertragung. Erst das Drahtseil und die Riemen, die ein „Import“ waren, brachten hier eine Wende. In den 1870er Jahren wurde in der techni- 20 -Bericht-von-Guilleaume,-F.-C.,-in: -Polyt.-Journal-1870,-Bd.196,-S.-39f.- <?page no="32"?> 4 Geschichte des Energietransports 32 schen Literatur umfangreich über in Amerika verwendete Riementransmissionen berichtet, deren Prinzip die Nutzung flacher, breiter Lederriemen anstelle der Seile war. Fortan findet man sie häufiger, zunächst in den USA, dann auch im kontinentalen Europa. Es entstanden umfangreiche Transmissionseinrichtungen, deren Charakteristik die zentrale Energieerzeugung (z. B. mit einer Dampfmaschine) und die Verteilung der Energieströme über Seil- und Riementransmissionen auf die Arbeitsmaschinen war. Gegenüber dem Zahnradantrieb konnte jetzt die Energie über längere Wege und mit vergleichsweise geringem Materialeinsatz weitergeleitet werden. Abb. 4.1-16 und sehr anschaulich Abb. 4.1-17 vermitteln einen Eindruck von Arbeitsprinzip und Anwendung. Abb.-4.1‐16: -Prinzip-einer-Riementransmission; -Quelle: -Sonnemann,-R.-(Hg): -Geschichte-der-Technik,- Leipzig-1978,-S.-228- Riementransmissionen waren durchaus flexibel im Einsatz. Durch das Nebeneinander von gestuften Riemenscheiben unterschiedlicher Durchmesser konnte der Bediener verschiedene Drehzahlen einstellen, was letztlich die Urform eines Getriebes bedeutete. Ein- und Ausschalten war ebenfalls mit der Anordnung zweier gleicher Riemenscheiben nebeneinander möglich, von denen die zweite lose lief. Das Aus- und Einkuppeln besorgte der Bediener, indem er den Riemen auf die lose Scheibe schob und wieder zurück wechselte. Flexibel aufgehängte Rollen unterbanden als sogenannte Riemenspanner das unerwünschte (und gefährliche) Flattern. Riementransmissionen waren damit ein wichtiges Glied maschineller und arbeitsteiliger Fertigung und ermöglichten sie eigentlich erst. Sie haben sich in der Produktion lange gehalten, vor allem in den kleineren Betrieben noch bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts. Der Autor hat als Student während seines Maschinenbau-Praktikums selbst noch unter dem unsäglichen Lärm gelitten, den die knatternden Lederriemen verursachten. Jedoch war es eine Technik des Übergangs - die bequem verfügbare elektrische Energie und der preiswert gewordene Elektromotor ermöglichten die Einzelversorgung jeder Arbeitsmaschine und dazu noch deren individuelle Steuerung. Damit war die Zeit der mechanischen Transmissionen vorbei. <?page no="33"?> 4 Geschichte des Energietransports 33 - - - Abb.-4.1‐17: -Titelblatt-von-Z.-Scientific- American-vom-20.-März-1880; -Quelle: - Archiv-Z.-Scientific-American,-Ausgabe- 20.3.1880- Hydraulik Seil und Kette können nur auf Zug beansprucht werden. Gewissermaßen die Umkehrung des Seils ist die Energieübertragung über den Druck in inkompressiblen Medien - alle Energie transportierenden hydraulischen Systeme gehören in diese Kategorie. 21 Die Stange oder die geführte Kette, die Zug oder/ und Druck übertragen können, stellen ein drittes physisches Medium dar, das auch noch Aufmerksamkeit verdient. Anwendungen finden sie jedoch meist als internes Maschinenelement - wie z. B. die Kolbenstange - und werden als solche im Anschluss an die Definitionen in Kap. 2 hier nicht weiter behandelt. B. PASCAL legte die Grundlagen für die Entwicklung der Hydraulik mit dem "hydrostatischen Gesetz". Als Begründer der technischen Hydraulik gilt der Engländer J. BRAMAH. 21 -Nicht-dagegen-hydraulische-Systeme,-die-nur-Kräfte-übertragen,-wie-z.-B.-heutige-Automobil‐Brems‐ systeme.- <?page no="34"?> 4 Geschichte des Energietransports 34 Im Jahr 1795 entwickelte er eine mit Druckwasser betriebene hydromechanische Maschine, die nach dem hydrostatischen Gesetz von PASCAL arbeitete und die eingebrachte Kraft 2034-fach vergrößerte: die hydraulische Presse, s. Abb. 4.1-18. - -Abb.-4.1‐18: -Prinzip-der-hy‐ draulischen-Presse: -die-zur-Verfor‐ mung-benötigte-Energie-fließt-von-2)- über-4),-5)-nach-3); -Quelle: -Hydrau‐ lic‐press-/ -Prinzipzeichnung-einer-Hy‐ draulischen-Presse-/ -Eigene-Zeich‐ nung-von-Wela49.- Druckwasser konnte auch dazu verwendet werden, Rotationsenergie zu erzeugen. Den ersten brauchbaren Ansatz lieferte A. SCHMID. Der Schweizer Maschineningenieur entwickelte in den 1870er Jahren einen Wassermotor, der ähnlich einer Dampfmaschine arbeitete. Ein Kolben in einem Zylinder wurde wechselseitig mit Druckwasser beaufschlagt - ein sog. hydrostatischer Antrieb, vergleichbar der mit potenzieller Energie arbeitenden Wassersäulenmaschine (siehe Kap. 4.2.2). SCHMIDS Motoren, in der Weltausstellung 1873 in Wien vorgestellt, waren Kolbenmaschinen, später kamen auch PELTON-Räder in Gebrauch. Abb. 4.1-19 zeigt die konstruktiven Details, Abb. 4.1-20 einen kommerziell angebotenen Wassermotor. Die Verfügbarkeit hydrostatischer Maschinen führte zu einer erstaunlichen Entwicklung: es entstanden wasserbasierte hydraulische Netze, z. B. in Genf, London, Hull, Manchester und Sidney. Am größten war das Netz in London, mit insgesamt 290 km Länge bei 55 bar Druck. Und es war auch am längsten in Betrieb, von 1884 bis zum Jahre 1977. Das Londoner Netz zeigt Abb. 4.1-21. - Abb.-4.1‐19: -Wassermotor-nach-dem-Pelton‐Prinzip; - Quelle: -Strandh,-S.: -Die-Maschine,-Herder-1980,-S.-224- - <?page no="35"?> 4 Geschichte des Energietransports 35 Abb.-4.1‐20: -Englischer-Wassermotor,-Anzeige-von-1906--- vertrieben-bis-1931; -Quelle: -Power-from-the-Tap: -Water-Mo‐ tors,-in: -De-Decker,-K.-(Hg): -Lowtech-Magazine Der Grund, weshalb es sich überhaupt etablierte und sich so lange hielt, lag im für die Innenstadt notwendigen sauberen und kompakten Betrieb - zunächst in Konkurrenz zur Dampfmaschine, später dann zur entstehenden elektrischen Versorgung. - - Abb.-4.1‐21: -Das-Netz-der-Londoner-Hydraulic-Power-Company-1895; -Quelle: -Power-Water-Networks- in: -De-Decker,-K.-(Hg.): -Lowtec-Magazine- Wassermotoren kamen seit den 1870er Jahren auch als Haushaltsmaschinen in Gebrauch, z. B. als Antrieb von Waschmaschinen, Wäschewringmaschinen, Eismaschinen. Erfolgreich eingesetzt wurde der Wassermotor ab 1914 auch vom heute noch bekannten deutschen Hersteller MIELE. Eine besondere Spezialität war seine Verwendung als Nähmaschinenantrieb, in Deutschland z. B. 1878 von der Firma GÖBEL Bad Ems, vertrieben. 22 Die Maschine und einen Auszug aus der zugehörigen Patentschrift zeigt Abb. 4.1-22. 22 -Polyt.-Journal-Bd.-230,-1878,-S.-394/ 395.- <?page no="36"?> 4 Geschichte des Energietransports 36 Während des ersten Weltkrieges wurde die Herstellung insbesondere der kleinen Wassermotoren eingestellt. „Erhöhte Wassergebühren und Konkurrenz seitens kleiner Elektromotoren führten zur Beendigung dieser Episode in der Geschichte der Antriebsmaschinen.“ 23 - -- Abb.-4.1‐22: -Göbels- Nähmaschine-mit-Was‐ sermotor,-Patent-von- 1877; -Quelle: -Polyt.- Journal-Bd.-230,-1878,-- S.-394 Das Turbinenbohren oder auch Richtbohren der Erdölindustrie ist dagegen eine noch heute aktuelle Anwendung des hydraulischen Energietransports. Bei ihm ist der Bohrkopf an einer im Bohrloch versenkten Turbine angebracht. Für die Rotation sorgt der Bohrschlamm, der mit hohem Druck zur Turbine gepumpt wird. Der Vorteil dieses Bohrverfahrens ist, dass die Richtung einer Tiefbohrung beeinflusst werden kann. Damit ist die Bohrung nicht nur auf die Vertikale beschränkt, sondern kann auch horizontal verlaufen. Die Möglichkeit, horizontal zu bohren hat, hat viele Vorteile, besonders für den Umwelt- und Naturschutz. Mit der Horizontalbohrtechnologie ist es möglich, an Lagestätten zu gelangen, die weit entfernt vom Bohrplatz sind. Die technischen Grundlagen des Richtbohrens gehen auf Entwicklungen in der UdSSR unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg zurück. Bereits Mitte der 1950er-Jahre beherrschte das so genannte Turbinenbohren die Bohrtechnik in der Sowjetunion. Die erste Anwendung der Turbinenbohrtechnik außerhalb der Sowjetunion erfolgte 1952/ 53. 24 1905 gilt als der Beginn der Ölhydraulik, als H. D. WILLIAMS und R. JANNEY erstmals Mineralöl als Übertragungsmedium für ein hydrostatisches Getriebe verwendeten. Heute sind auf Öl basierende Hydraulikmotoren in Gebrauch, verwendet u. a. für Förderbänder und als Fahrantrieb für Baumaschinen - Spezialanwendungen, vor allem dort, wo sehr gleichförmige und exakte Fahrbewegungen benötigt werden. Im Gegensatz zum Medium Wasser benötigen ölhydraulische Anlagen jedoch immer einen geschlossenen Kreislauf. Die meisten Anwendungen der Ölhydraulik beziehen sich jedoch auf die hier nicht interessierende Kraftverstärkung und auf die Signalübermittlung. 23 -Strandh,-Maschine,-S.-224.- 24 -Nach-http: / / www.wikipedia.org/ wiki/ Turbinenbohren,-Abruf-3.6.2019.- <?page no="37"?> 4 Geschichte des Energietransports 37 Seil- und Kabelbahnen Kabelbahnen, bei denen ein Seil entweder unmittelbar als Zugseil dient oder als unterirdisch umlaufendes Seil ohne Ende durch Greifer mit dem Wagen verbunden werden kann, gehören ebenfalls in dieses Kapitel (ebenso wie einspurige Hängebahnen mit einem Drahtseil als Gleis, meist einem zweiten als Zugseil). Sofern sie wesentlich der Überwindung von Höhenunterschieden und damit der Gewinnung potenzieller Energie dienen (wie z. B. Bergbahnen) gehören sie allerdings in das Folgekapitel. Hier ist also zunächst die reine Ortsveränderung gemeint, auch über Hindernisse hinweg . --Abb.-4.1‐23: -Luftbahn-mit-endlosem-Seil-nach-Johannn-Hart‐ lieb,-Wien--1411; -Quelle: -Feldhaus,-F.-M.: -Ruhmesblätter-der- Technik,-Leipzig-1910,-S.-515- Am Ausgangspunkt standen die Luftseilbahnen für den Materialtransport, seit dem Mittelalter in Europa bekannt, s. Abb. 4.1-23, in Asien sicher noch früher. 25 Im Jahre 1861 machte der preußische Bergassessor F. F. FREIHERR VON DÜCKER erste erfolgreiche Versuche im Park von Bad Oeynhausen, eine Drahtseilbahn mit Zwischenstützen zu errichten, deren Sinn die beliebige Verlängerung der Strecke sein sollte. Nach Zwischenschritten - so das MÜLLERsche Seiltrajekt Abb. 4.1-24 - erhielt schließlich 1877 der Leipziger Ingenieur A. EICHERT ein Patent, gegen das sich VON DÜCKER vergeblich wehrte. Zu diesem Zeitpunkt war allerdings schon eine Straßen-Seilbahn in Amerika in Betrieb gegangen. 1873 fuhr die erste verkabelte Straßenbahn in San Francisco, initiiert durch A. S. HALIDIE, Besitzer einer Drahtseilfabrik. Mehrere Linien wurden im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert in Betrieb genommen. Auf dem Höhepunkt im frühen 20. Jahrhundert fuhren ungefähr 600 seilgetriebene Wagen zur gleichen Zeit durch San Francisco. Das verhängnisvolle Erdbeben in Kalifornien 1906 war dann allerdings ein Wendepunkt. Mehrere Kabelbahnen wurden in der Folge mit Einzelantrieben elektrifiziert. Ab 1940 wurden auf einigen der verbliebenen Linien Busse eingesetzt. 1947 versuchte Bürgermeister 25 -Dies-und-die-ff.-Ausführungen-nach-Dieterich,-G.: -Die-Erfindung-der-Drahtseilbahnen,-Leipzig-1908.- <?page no="38"?> 4 Geschichte des Energietransports 38 R. APHAM sogar, die Kabelstraßenbahnen gänzlich abzuschaffen, doch gelang es einem Komitee, sich für den Erhalt der Cable Cars ein- und erfolgreich durchzusetzen. 1954 wurden dann doch noch weitere Linien stillgelegt, sodass lediglich die drei heute noch existierenden übrigblieben. Von 1982 bis 1984 wurde das Kabelstraßenbahn-System, das sich in einem bedauerlichen Zustand befand, saniert - es hatte sich zu einer weltweit bekannten und erhaltenswerten Touristenattraktion entwickelt, die man nicht mehr missen mochte. - - -Abb.-4.1‐24: -Seiltrajekt- für-die-Siglsche-Loko‐ motivfabrik-in-Wien,- 1869; -Quelle: -Dieterich,- Drahtseilbahnen,-Fig.- 31- In einigen Großstädten der USA fand das Beispiel von San Francisco Nachahmer, so in Chicago, St. Louis und New York. Um 1890 herum gab es in der Neuen Welt insgesamt circa 800 Kilometer Kabelstraßenbahnstrecken. In Europa wurden derartige Strecken nur in wenigen Städten errichtet, beispielsweise in London, Lissabon und Paris. Abb 4.1-25 zeigt einige konstruktive Details der Bahn in London. - - -Abb.-4.1‐25: -Einige-kon‐ struktive-Details-der-Lon‐ doner-Kabelbahn,-z.-B.-in- Fig.-3-die-unterirdische- Kabelführung-in-Kurven; - Quelle: -Polyt.-Journal,-Jg.- 1885,-Bd.-256,-S.-428-‐-433- - Die meisten Betriebe wurden nach wenigen Jahren auf elektrischen Betrieb mit Oberleitung umgestellt. Die Pariser Kabelstraßenbahn z. B. war zwischen 1891 und 1924 in Betrieb. Als eine der letzten Kabelstraßenbahnen in Europa wurde die Kabelbahn in Douglas, der Hauptstadt der Isle of Man, 1929 eingestellt. Im australischen Melbourne wurde die <?page no="39"?> 4 Geschichte des Energietransports 39 letzte Kabelbahn im Oktober 1940 auf Oberleitungsbetrieb umgestellt. Erhalten geblieben ist heute nur der bereits erwähnte Teil des Netzes in San Francisco. Aus den klassischen Kabelbahnen des späten 19. Jahrhunderts haben sich im späten 20. Jahrhundert neue kabelgetriebene Bahnsysteme entwickelt - die seilgezogenen Kabinen- oder Gondelbahnen für den städtischen Personennahverkehr, oder auch die People Mover, bekannt von vielen Flughäfen mit ihren langen Wegen zu den Gates. Solche Anlagen sind meist wie Standseilbahnen fix an das Seil oder einen Kettentrieb gekuppelt. Potenzielle Energie Die Hebung eines Fördergutes wie auch die von Personen bedarf der Zufuhr und damit des Transportes an potenzieller Energie. Es ist wenig überraschend, dass es wiederum der Bergbau war, der hier als Innovator voranging. Schachtförderung Die Entwicklung des Bergbaus lief vom direkten Abbau oberflächennaher Rohstoffe über Schurfpingen hin zu den Schächten, und dies sehr früh. Bergbau wurde in Europa schon im Altertum betrieben, insbesondere auf Kupfer, Salz und Edelmetalle, vorzugsweise Silber. Der älteste Nachweis bergbaulicher Tätigkeit gelang 1975 für den serbischen Ort Rudna Glava, wo offenbar schon 3.400 v. Chr. zahlreiche Schächte mit Tiefen bis zu 20 m für den Abbau von Kupferkarbonaten existierten. 26 Bekannt sind die bronzezeitlichen Fundstätten von Hallstatt im oberösterreichischen Salzkammergut, wo noch bis in die Gegenwart Salzbergbau betrieben wird. Abb.-4.2‐1: -Rekonstruktion-eines-Salzbergwerks-aus-der-Bronzezeit,- Hallstatt; -Quelle: -Kern,-A.,-Kowarik,-K.,--Rausch,-A.,--Reschreiter,-W.- H.: -Salz‐Reich,-7000-Jahre-Hallstatt,-Wien-2008,-S.-67-Abb.-1- Abb. 4.2-1 zeigt die Rekonstruktion einer alten Schachtanlage, die noch im Grubenteil Christian von Tuschwerk erhalten ist. In Griechenland erreichten später die Schächte im Bergbau auf Silber Teufen von 120 m, wobei die Förderung durch vermietete Sklaven die Regel wurde. Für Deutschland war der Harz die erste Region - seit vor 1000 und über das ganze Mittelalter 26 -Wilsdorf,-H.: -Kulturgeschichte-des-Bergbaus,-Essen-/ Zwickau-1987,-S.-53.- <?page no="40"?> 4 Geschichte des Energietransports 40 hin wurde hier Bergbau auf Silber betrieben. 27 Der schwer datierbare Übergang zu Schächten im hohen Mittelalter und damit zur Schachtförderung erforderte eine Möglichkeit der Lastenförderung ohne aufwendige direkte Weitergabe von Hand zu Hand beziehungsweise über Lastengänger, wie sie noch für den bronzezeitlichen Salzbergbau angenommen werden muss und für den griechischen Silberbergbau nachgewiesen ist. 28 Der Handhaspel war die Lösung und ist die älteste, einfachste und verbreitetste Technik der Schachtförderung. Sie war, wie wir heute wissen, schon bei den Römern bekannt, s. Abb. 4.2-2, musste aber wohl für das Mittelalter wieder neu erfunden werden. Handhäspel wurden bei kleinen Schächten bis zu einer Teufe von etwa 45 max. 100 Metern verwendet. 29 Noch zur Zeit G. AGRICOLAS waren sie in Gebrauch, s. Abb. 4.2-3. - Abb.-4.2‐2: -Römisches--Haspelwerk-mit-Seilführungen,- Schacht-in-Vipasca-(Portugal),-um-100-nach-Chr.; -Quelle: - Wilsdorf,-Kulturgeschichte,-Vorsatz- - Abb.-4.2‐3: -Wie-Agricola-den-Handhaspel- beschreibt; -Quelle: -Agricola,-G.: -De-re-me‐ tallica,-Libri-XII,-1556- - 27 -Anschlag-des-Rammelsberges-bei-Goslar-im-Jahre-968,-nach-Ludwig,-K.‐H.-in: -Propyläen-TG,-Bd.-Me‐ talle-und-Macht,-S.-43.- 28 -Wilsdorf,-Kulturgeschichte.,-S.-61.- 29 -Weber,-W.: -Hanfförderseile-im-18-‐19.-Jahrhundert,-Tab.-1,-in: --BERGKNAPPE--90,-4/ November-1999.- <?page no="41"?> 4 Geschichte des Energietransports 41 Ab dem 15. Jahrhundert ergänzte der Pferdegöpel, der größere Teufen ermöglichte, den Antrieb durch menschliche Muskelkraft, s. Abb. 4.2-4. Er blieb bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts die hauptsächliche Betriebsart der Schachtförderung; gelegentlich wurde bei geeignetem Gelände als Alternative das Wasserrad zur Energielieferung verwendet, wie auch bei AGRICOLA beschrieben. Das eigentliche Transportelement war das Seil, hergestellt aus Pflanzenfasern (Hanf) oder gedrehtem Leder. Die Qualität des Seils begrenzte noch im späten Mittelalter die praktikable Teufe eines Förderschachtes durch das ungünstige Verhältnis von Eigengewicht zu Reißfestigkeit . Abb.-4.2‐4: -Pferdegöpel,-offenbar-eine-- Prinzipskizze,-aus-Taccola,-Liber-tertius- de-ingeneis,-vor-1441; -Quelle: -Ludwig,-K.‐ H.,-in: -Propyläen-TG,-Bd.-Metalle-und- Macht,-S.-73- Über Jahrhunderte blieb die Fördertechnik nahezu unverändert - bis mit der Dampfmaschine ein neuer Antrieb zur Verfügung stand (der allerdings zunächst zur Wasserhebung eingesetzt wurde, s. Kap. 4.2.2). Allerdings war für die Schachtförderung die von der Antriebsmaschine zu liefernde Kreisbewegung notwendig, und die stand vor 1879, dem Jahr des ersten einschlägigen Patents, für die Dampfmaschine gleich welcher Bauart nicht zur Verfügung. 30 30 Paulinyi,-A.: -Die-Umwälzung-der-Technik,-in: -Propyläen-TG,-Bd.-Mechanisierung-und-Maschinisierung,- S.-375.- <?page no="42"?> 4 Geschichte des Energietransports 42 Um 1800 waren dann in England schon 130 Dampfmaschinen für die (Kohle-)Förderung im Einsatz. Eines der ersten Beispiele zeigt Bradleys Bergwerk, s. Abb. 4.2-5. Typisch für die weitere Entwicklung ist die Anwendung der maschinellen Förderung im auf Kohlevorkommen gestützten Ruhrgebiet, wo man in den 1830er Jahren die Mergelschicht durchstoßen hatte und somit in der Lage war, die Kohle in Tiefen vom mehr als 100 m auszubeuten. Die bisherigen Holzkonstruktionen für die Schachtförderung reichten auf Grund zunehmender Belastungen nicht mehr aus - sie wurden ersetzt durch den die umlenkende Seilscheibe tragenden „Förderturm“ und das danebenstehende Maschinenhaus mit der Fördermaschine. - - - - - - - - - - - - - - - - -- -Abb.-4.2‐5: -Bradley’s-Bergwerk,-Ende-18.-Jh.-mit-Fördergerüst-und-Seilantrieb-über-eine- Dampfmaschine; -Quelle: -Varchmin,-J.,-Radkau,-J.: -Kraft,-Energie-und-Arbeit,-München-1979,-S.-83- - <?page no="43"?> 4 Geschichte des Energietransports 43 Die weithin sichtbaren und somit symbolischen Fördertürme selbst wurden anfangs als Mauerwerk errichtet. Trotz ihrer massiven, in Abb. 4.2-6 erkennbaren Bauweise, die unter dem Namen Malakow-Turm bekannt wurden, 31 waren die gemauerten Schachttürme den stetigen, durch den Betrieb der Fördermaschinen hervorgerufenen Oszillationen auf Dauer nicht gewachsen - sie waren reparaturanfällig und somit teuer. Abhilfe kam vom Stahl, der sich inzwischen als Bauwerkstoff für hohe Beanspruchungen bewährt hatte. Ab 1880 kamen stählerne Fördergerüste in Gebrauch. Dies geschah vor allem bei Neuanlagen und anlässlich der Tieferteufung bereits vorhandener Schachtanlagen, im letzteren Fall regelmäßig durch das Einziehen solcher Fördergerüste in vorhandene Malakow-Türme. Von ihnen dienten die meisten in der Folgezeit nur noch der Bewetterung - und heute als technisches Denkmal. - - - - - - Abb.-4.2‐6: -Malakowturm-im-Ruhrgebiet,-Bauskizze; -Quelle: - RUB,-Betreiber-d.-Malakowturms-Zeche-Julius-Philipp- Als Bergrat W. J. ALBERT im Jahr 1834 das erste Stahldrahtseil herstellte, war es zwar nicht das erste Drahtseil der Welt. Funde aus Pompeji und alte Nachrichten aus China über die Verwendung an Hängebrücken belegen, dass das aus Draht hergestellte Seil eine Vorgeschichte hatte. 32 Seine unbestrittene Innovation war jedoch ein neuer Aufbau aus sogenannten Litzen und Drähten, wobei die verwendeten 3 Litzen wiederum aus jeweils 4 Drähten bestanden. Beide Elemente, die Litzen wie die Drähte, waren schraubenförmig geführt - „geschlagen“, um den später üblichen Fachausdruck zu verwenden. ALBERTs neues Seil fand erstmalig in einer Clausthaler Grube Verwendung und bewährte 31 -Hergeleitet-wurde-diese-Bezeichnung-von-dem-festungsartigen-Erscheinungsbild-der-Anlagen-im-Ana‐ logieschluss-zum-Fort-Malakow-der-Festung-Sewastopol,-das-im-Krimkrieg-(1853‐56)-hart-umkämpft- wurde-und-umfangreich-Berichtsgegenstand-geworden-war.- 32 --Siehe-Dietz,-P.,-et-al.: -Mit-Dietz-vom-Albertschen-Seil-zur-Leichtbautrommel, IMW-‐-Institutsmittei‐ lung-Nr.-35,-2010,-S.-68.- <?page no="44"?> 4 Geschichte des Energietransports 44 sich dort. Das Drahtseil revolutionierte danach die Fördertechnik und machte den Einsatz der Dampfmaschine in der Schachtförderung erst effizient. Die ersten im Ruhrgebiet als Fördermaschine eingesetzten Dampfmaschinen verfügten über eine Leistung von 8 bis 20 PS. Mit diesen Fördermaschinen war man in der Lage, eine Nutzlast von einer Tonne aus einer Teufe von 150 Metern mit einer Geschwindigkeit von 2 m/ s zu fördern. Als Seilträger wurden anfangs wegen der starken Vibrationen und zur Vermeidung von Verdrehungen Bobinen und damit das Flachseil verwendet, s. Abb 4.2-7. Modernere Maschinen hatten schon bald Leistungen von 50 PS und mehr. Sie arbeiteten mit einem Dampfdruck von 3 bis 5 Atmosphären. Einige der Maschinen hatten eine Doppelfunktion - sie wurden gleichzeitig als Fördermaschine und zur Wasserhaltung eingesetzt. Dampfmaschinen wurden zur Förderung bis zum Ende des 20. Jh. betrieblich genutzt. Sie wurden auch noch lange neu errichtet, so die 1963 von der Gutehoffnungshütte in Gelsenkirchen gebaute größte Dampffördermaschine Europas. Die zweizylindrige Zwillingsdampfmaschine hatte eine Leistung von 4100 PS, wog 285 Tonnen und hob Nutzlasten von 12 Tonnen mit einer Geschwindigkeit von 18 m/ s aus dem 1000 m tiefen Schacht. 33 Abb.-4.2‐7: -Die-“Bobine”-und-damit-die-Verwendung-des-Flachseils; -- Quelle: -http: / / www.wikipedia.org/ wiki/ Fördermaschine,-Abruf- 2.12.2018- Aufgrund der Zunahme der Fördertiefen und der Lastmengen stieß die konventionelle Trommelförderung Mitte des 19. Jahrhunderts an ihre sicherheitstechnischen und wirtschaftlichen Grenzen. Insbesondere das Seilgewicht machte sich störend bemerkbar. Bedingt hierdurch wurden die Trommelfördermaschinen immer größer und schwerer. Der deutsche Bergbauingenieur C. F. KOEPE löste dieses Problem mit der nach ihm benannten Treibscheibe, die er sich 1877 patentieren ließ. Ihr Wirkprinzip war die Reibung zwischen Scheibe und Seil, was dann den Gewichtsausgleich durch ein Gegengewicht oder eine zweite Förderlast notwendig und zugleich nützlich machte, s. Abb. 4.2-8. 33 http: / / www.wikipedia.org/ wiki/ Fördermaschine,-Abruf-2.12.2018. <?page no="45"?> 4 Geschichte des Energietransports 45 Abb.-4.2‐8: -Prinzip-der-Treibscheibe-nach-Koepe; -Quelle: - http: / / www.wikipedia.org/ wiki/ Treibscheibenförderung,-Abruf- 2.12.2018- Die Koepescheibe wurde häufig, jedoch nicht immer eingesetzt. Ihre Vorteile kamen insbesondere zum Tragen, als der elektrische Antrieb zur Verfügung stand. Der konnte direkt an die Seilscheibe angeflanscht werden, sodass separate Maschinenhäuser entbehrlich wurden, s. Abb. 4.2-9. - Abb.-4.2‐9: -Elektrische-Turmförder‐ maschine-mit-Koepescheibe-von-1923-im- obersten-Stock-des-Förderturms-des-Kai‐ serin‐Augusta‐Schachtes-in-Oelsnitz/ Erz‐ gebirge; -Quelle: -H.-G.-Graser,-Photo,-- Eigenes-Werk- Moderne Fördermaschinen werden entweder von schnelllaufenden Drehstrom- oder Gleichstrommotoren mit nachgeschaltetem Getriebe oder langsam laufenden stromrichtergesteuerten Gleichstrom- oder Synchronmotoren angetrieben. Langsam laufende Motoren werden direkt mit der Hauptwelle gekoppelt. Bis 2 MW Leistung werden schnell- und über 2 MW langsam laufende Motoren verwendet. Wasserhaltung Der Schachtförderung zeitlich voraus ging die Wasserhebung - eines der drängendsten Probleme des frühen und auch noch des heutigen Bergbaus. Wasserhaltung war im frühen Bergbau, etwa bis zum 13. Jahrhundert, eine Aufgabe für die „Wasserknechte“ - sie wurde manuell betrieben. Mit dieser Art der Wasserhaltung konnten Grubenbaue mit Teufen von 20 bis 30 Metern entwässert werden, was dann allerdings einen hohen personellen Aufwand bedeutete und damit auch beträchtliche Kosten verursachte. <?page no="46"?> 4 Geschichte des Energietransports 46 Je tiefer die Schächte wurden, umso schwieriger gestaltete sich die manuelle Wasserhaltung. Ab dem 14. Jahrhundert wurden spezielle Wasserhebemaschinen im Bergbau eingesetzt. Anfangs wurden sie noch mit menschlicher Muskelkraft, später dann mit Pferden mittels Pferdegöpel angetrieben. Die ersten im Bergbau eingesetzten Wasserhebemaschinen waren die Bulgenkunst und später die Heinzenkunst, s. Abb. 4.2-10. Die den Energietransport vermittelnden Bauteile waren Seil oder Kette. Abb.-4.2‐10: -Verfahren-mittelalterlicher- Wasserhebung,-a)-Bulgenkunst,-b)-und- rechts-Heinzenkunst; -Quelle: -Dehler,-M.: - Wassermanagement-im-historischen- Bergbau,-Freiberg-o.-J.-,-S.-3- - - - -- - - - Abb.-4.2‐11: -Wassergetriebene-Heinzenkunst-bei-Agricola,- 1580; -Quelle: -Deutsche-Fotothek,-Original-Dresden,-Säch‐ sische-Landesbibliothek-‐-Staats‐-und-Universitätsbibliothek- Dresden-(SLUB),-Signatur/ Inventar‐Nr.: -Metall.5- - Ab Mitte des 16. Jahrhunderts wurden sog. Pumpenkünste zur Wasserhaltung verwendet, die mit einem Wasserrad angetrieben wurden. Für diese auch als Wasserkünste bekannten Anlagen war die Verfügbarkeit von Wasser vor Ort die Voraussetzung; wo dies nicht gegeben war, kamen Feldgestänge zum Einsatz, s. Kap. 4.1.2. Speziell im Harz diente ein ausgeklügeltes System von Teichen und Kunstgräben dazu, die Wasser ortsnah heranzuführen. Eine mit Wasserkraft betriebene Heinzenkunst beschreibt auch AGRICOLA, s. Abb. 4.2-12. <?page no="47"?> 4 Geschichte des Energietransports 47 Mit der Verfügbarkeit von (Kolben-)Pumpen ergaben sich neue Möglichkeiten: der Antrieb von unter Tage angeordneten Pumpen durch im Schacht geführte Pumpgestänge, ggf. wegen der Begrenzung der Förderhöhe in mehreren Etagen übereinander. Abb. 4.2-12 zeigt das Prinzip und Abb. 4.2-13 die Gestängeführung im Schacht über mehrere Sohlen. Abb.-4.2‐12: -Gestängegetriebene-Pumpen-im-Schacht; -Quelle: -Zeich‐ nungen-des-J.-C.-Bucholz-1691,-Original-Herzog‐August‐Bibliothek,- Wolfenbüttel- - - - Abb.-4.2‐13: -Gestängean‐ trieb-im-Schacht--zur-Was‐ serhaltung,-linke-Seite- (rechts-Förderschacht),- Einzelheit-vergrößert; - Quelle: -Atlas-zu-des-Herrn- von-Villefosse-Mineral‐ Reichthum,-Tafel-3,-U.‐Bibl.- Freiberg-- Die neuen Pumpensätze bestanden aus kombinierten Saug- und Druckpumpen. Über das hölzerne Pumpengestänge waren die einzelnen Pumpsätze durch Hebelarme verbunden. Das Verhältnis von nötigem Aufschlagwasser zum Pumpwasser betrug 18: 1. Damit das Aufschlagwasser mehrmals genutzt werden konnte, ordnete man die Wasserräder in unter Tage liegenden Radstuben übereinander an. 34 Im Jahr 1556 bildete AGRICOLA schon Kunstgezeuge mit 3 Kolbenpumpen untereinander ab. 34 -Dehler,-M.: -Wassermanagement-im-historischen-Bergbau,-Freiberg-o.J.,-S.-5.- <?page no="48"?> 4 Geschichte des Energietransports 48 Zum Ende des 16. Jahrhunderts wurden bei Tiefen von 100 bis 200 m unterhalb des Stollenniveaus 10 bis 20 Pumpen hintereinandergeschaltet. Jede Pumpe besaß eine Saughöhe von 7 m und eine Hubhöhe von 3 bis 13 m. Das mit Kolbenpumpen ausgestattete Kunstgezeug wurde im 18. bis 19. Jahrhundert und sogar bis 1913 in Tiefen bis zu 400 m unterhalb des Stollenniveaus eingesetzt. Hier waren bis zu 40 Pumpen in Betrieb. 35 Andere Quellen sprechen sogar davon, dass schon Ende des 18. Jahrhunderts durch die Hintereinanderschaltung von Kunstgezeugen und Pumpen ein Abbau bis 770 m Tiefe möglich war. 36 Hierfür sollen maximal 40 Kolbenpumpen, hintereinander bzw. übereinander geschaltet, ausgereicht haben. Bei großen Wasserzuflüssen wurden bis zu drei Pumpen nebeneinander angeordnet. Ab dem 20. Jahrhundert wurde als Material für die Pumpen Eisen statt Holz verwendet, da Eisen dem größeren Druck in den Pumpensteigleitungen besser standhalten konnte. Eine Alternative zum Antrieb der Pumpen über das Wasserrad bot dann die seit den 1760er Jahren einsatzfähige Wassersäulenmaschine. Die Wassersäulenmaschinen von J. K. HÖLL (in Ungarn), G. WINTERSCHMIDT (in Deutschland) und S. WESTGARTH (in England) wurden fast gleichzeitig um die Mitte des 18. Jh. erfunden und dann hauptsächlich in Ungarn, Kärnten und später in Sachsen bei Bergwerken benutzt. Bei Wassersäulenmaschinen wird ein Kolben durch den Druck einer Wassersäule in einem Zylinder bewegt und so durch wechselnde Zu- und Abfuhr des Aufschlagwassers mechanische Energie erzeugt. 37 Das Prinzip dieser Kolbenmaschine zeigt Abb. 4.2-14. Abb.-4.2‐14: -Arbeitsprinzip- der-Wassersäulenmaschine; - Quelle: -Döring,-M.: -Wasser‐ räder,-Wassersäulenmaschi‐ nen-und-Turbinen---Oberhar‐ zer-Wasserwirtschaft-wurde- Weltkulturerbe,-Beitrag-34.- Dresdner-Wasserbaukollo‐ quium-2011- - Während bei Wasserrädern die nutzbare potenzielle Energie dem Raddurchmesser entsprach, konnte man mit der neuen Maschine den Höhenunterschied zwischen Wassergraben und Lösungsstollen in einer Stufe nutzen, s. Abb. 4.2-15. Wassersäulenmaschinen waren Langsamläufer mit 4 bis 12 Takten pro Minute und mehreren hundert Litern Hubraum. Durch den gegenüber Kunsträdern geringeren Platzbedarf 35 -Nach-Becke,-A.--et.-al.: -Der-Freiberger-Bergbau---Techn.-Denkmale-und-Geschichte,-Freiberg-1986.- 36 -Nach-Markworth,-L.: -Verschlossen-und-versiegelt,-Freiberg-2002,-S.-80‐87.- 37 -Das-Arbeitsprinzip-einer-Wassersäulenmaschine-wird-oft-falsch-dargestellt-und-zum-Beispiel-durch- den-Impuls-des-Aufschlagwassers-erklärt.-Es-handelt-sich-jedoch-um-eine-die-Hydrostatik-nutzende-Kol‐ benmaschine.- <?page no="49"?> 4 Geschichte des Energietransports 49 und die günstige Zahl der Takte eigneten sie sich gut zum Antrieb der Pumpen. Schwierigkeiten bereitete vor allem die Herstellung von Zylinder, Kolben und Dichtungen. Der Durchbruch gelang hier WINTERSCHMIDT in Clausthal 1747. Seine Wassersäulenmaschine trieb das Pumpengestänge direkt an und ersetzte vier Wasserräder bei gleichzeitig geringerem Wasserbedarf - ein für den Harzer Bergbau mit seinen damals schon mehrere hundert Meter tiefen Schächten geradezu idealer Energielieferant. - - - - Abb.-4.2‐15: -Vergleich-von-Wasserrad-und- Wassersäulenmaschine; -Quelle: -Troitzsch,-U.: - Technischer-Wandel,-in: -Propyläen-TG,-Bd.- Mechanisierung-und-Maschinisierung,-S.-79- Mit der weiteren Verbesserung durch G. F. VON REICHENBACH 1817 verbreitete sich die neue Technik in kurzer Zeit über die meisten europäischen Montanreviere. Die Entwicklung der Wassersäulentechnik fand ihren Abschluss in den großen Zwillingsmaschinen, die in der zweiten Hälfte des 19. Jh. im Harz gebaut wurden. Ein Beispiel ist die 1866 im Schacht Königin Marie errichtete Wassersäulenmaschine mit einem Arbeitsdruck von 597 m (60 bar). Die letzte Maschine arbeitete im Schacht „Kaiser Wilhelm II“ in Clausthal bis 1923 und damit 160 Jahre über die Erfindung der Dampfmaschine hinaus. Der Einsatz von Dampfmaschinen zur Wasserhaltung blieb zunächst konkurrierend. Diese sehr spezielle Nutzung verhalf der neuen Antriebsmaschine jedoch eigentlich erst zum Durchbruch und kann vor allem dort zur Verwendung, wo Wasserkraft nicht oder nur beschränkt zur Verfügung stand, beginnend mit den Konstruktionen von und nach NEWCO- MEN und fortgesetzt von WATT, s. zum Beispiel Abb. 4.2-16. Im beginnenden Steinkohlebergbau, wo rasch auch größere Teufen erreicht wurden und die Kohle als Energielieferant gleichsam vor der Tür lag, war die Dampfmaschinenantrieb allerdings von vorneherein der Weg der Wahl. <?page no="50"?> 4 Geschichte des Energietransports 50 - Abb.-4.2‐16: -Eine-der-ersten- Dampfmaschinen-auf-dem-Konti‐ nent,-eingesetzt-ab-1788--in-Tar‐ nowitz-(Schlesien)-zur-Wasserhe‐ bung-im-Silberbergwerk-Frie‐ drichsgrube; -Quelle: -Original- Stadtarchiv-Tarnowskie-Góry- Der Einsatz der neuen Maschine zur Wasserhebung bedeutete antriebsseitig zwar eine wesentliche Verbesserung - hinsichtlich der Pumpen verblieb es jedoch über lange Zeit noch bei der Untertage-Anordnung von Kolbenpumpen und der Nutzung von Gestängen für den vertikalen Energietransport. Dieser Weg des Pumpenbetriebs war sehr störanfällig, bildete aber lange Zeit die einzige technische Möglichkeit, größere Grubenwassermengen abzuführen. Seine Ablösung durch den Elektromotor mit dem Ende des 19. und dem Beginn des 20. Jahrhunderts bedeute zugleich auch den Wechsel der Energieform hin zur elektrischen Energie, wenigstens im Bereich der Wasserhaltung. Ölförderung Gestängepumpen, wenn auch jetzt mit elektromotorischem Antrieb, eroberten sich jedoch im 20. Jahrhundert ein neues Einsatzfeld: die Erdölförderung, genauer die an die Primärförderung anschließenden Phasen. Erdöl in größerer Tiefe kann zunächst ohne technische Hilfen gewonnen werden. Diese Phase wird als Primär- oder Eruptivförderung bezeichnet. In dieser Phase reicht der natürliche Überdruck, unter dem das Öl steht, aus, um vor allem die leichteren Komponenten an der Oberfläche unmittelbar austreten zu lassen. Mit wachsender Ausbeutung lässt der natürliche Lagerstättendruck nach, sodass man technische Hilfen braucht, um die Förderung aufrecht zu erhalten. Als Unterstützung kommt in einer zweiten Phase das Auffüllen des Bohrlochs mit Wasser infrage: die auflastende Wassersäule ersetzt den ursprünglichen Lagerdruck. Drittens und zuletzt wird der Einsatz von Tiefpumpen notwendig, um den noch großen Rest (oft die Hälfte des gesamten Vorkommens) auszufördern. Das Bild der meisten in Förderung stehenden terrestrischen Ölfelder wird von Gestängetiefpumpen geprägt, die wegen ihrer typischen Bewegungsabläufe auch „Pferdekopfpumpen“ genannt werden. Das oberirdische Aussehen täuscht: die Pumpe selbst, ausgeführt als Kolbenpumpe, ist in die ölführende Schicht abgesenkt und wird über ein Gestänge angetrieben, das mit dem oberirdischen „Pumpenbock“ verbunden ist und sich auf- und <?page no="51"?> 4 Geschichte des Energietransports 51 abwärts bewegt. Der Zyklus beträgt üblicherweise 2,5 bis 12 Hübe pro Minute. Gestängetiefpumpen sind jedoch nur bis Tiefen bis etwas mehr als 2500 m wirtschaftlich einsetzbar, da sonst das Gewicht der zu hebenden Flüssigkeitssäule zu hoch wäre. Abb. 4.2-17 macht einen so beschriebenen Pumpensatz im oberirdisch sichtbaren Teil anschaulich. - - - - - Abb.-4.2‐17: -Ein-”Pferdekopf”-im--Einsatz; - bei-Landau/ Pfalz-fördert-Wintershall- noch-heute-Öl; -Quelle: -Wintershall- Deutschland-GmbH,-Werkphoto- - Aufzüge Wie beim Bergwerk Beförderung in die und aus der Tiefe, war schon früh der oberirdische Transport von Gütern und Menschen in der Vertikalen nachgefragt. Damit sprechen wir die Aufzugsanlagen in ihren verschiedenen Ausprägungen an. Ein erstes, noch handbetriebenes Beispiel aus dem antiken Rom zeigt die Rekonstruktion der Abb. 4.2-18. Neben den Seilführungen sind auch die Ausgleichsgewichte bemerkenswert, die das nötige Drehmoment an der Kurbel rechts reduzierten. Dass sich Kaiser NERO einen Seilaufzug von 36 m Hubhöhe bauen ließ, gehört allerdings eher in den Bereich der Sage. 38 - Abb.-4.2‐18: -Synchron‐Aufzüge- für-die-Gladiatoren-im-antiken- Rom,-Kolosseum; -Quelle: -- Simmen,-J.,-Drepper,-U.: -- Der-Fahrstuhl,-S.-206- - 38 --Simmen,-J.,-Drepper,-U.: -Der-Fahrstuhl,-München-1984,-S.-210.- <?page no="52"?> 4 Geschichte des Energietransports 52 Seilbetriebene Aufzüge kamen in der Neuzeit im 18 Jahrhundert in gelegentlichen Gebrauch, allerdings waren es eher Kuriosa. Als eigentlicher Erfinder des neuzeitlichen Fahrstuhls gilt E. WEIGEL (1625 bis 1690), Professor für Mathematik und Astrologie zu Jena. Er entwickelte einen mit einer komplizierten Seilmechanik betriebenen Fahrkorb, den er „Zugtreppe" nannte. -- Abb.- 4.2‐19: - „Fliegende- Stühle”- aus- dem- frühen- 18.- Jh.,- Augsburg- 1714,- links- der- von- Weigel; - Quelle: - Simmen,- J.,- Drepper,- U.: - Der- Fahrstuhl,- München-1984,-S.-197- Der Königlich-Dresdner Hofmechanikus, A. GÄRTNER (1654 bis 1727), fertigte mit ähnlicher Technik das „Gärtnersche Tischchen" an, eine Konstruktion mit verborgener Mechanik. AUGUST DER STARKE und andere ließen sich damit gedeckte Tafeln wie durch Zauberkraft aus der Versenkung kommen. Wer auf sich hielt, besaß schließlich einen „Fliegenden Stuhl", s. Abb. 4.2-19, so auch Kaiserin MARIA THERESIA. Sie ließ im Westflügel ihres Schlosses Schönbrunn eine jener „künstlichen Maschinen" installieren, mit der „10 und mehr Personen durch die Stockwerke durch ein einziges Rad, welches von einem Menschen getrieben wird, auf und ab bewegt" werden konnten. 39 - - Abb.-4.2‐20: -Aus-Otis’-Patentschrift-31128- von-1861; -Quelle: -Archiv-Simmen,-J.-/ -Drep‐ per,-U.,-Berlin,-urspr.-National-Archives- - 39 -Zitiert-aus-Oehler,-J.: -Beschreibung-des-kaiserlichen-Lustschlosses-Schönbrunn-und-des-darin-befindli‐ chen-Gartens,-Wien-1805.- <?page no="53"?> 4 Geschichte des Energietransports 53 Den eigentlichen Durchbruch verdanken wir E.G. OTIS, der eine automatisch greifende Fallsicherung erfand und ihr sicheres Funktionieren erstmals öffentlich 1853 im neuen New Yorker Crystal Palace vorführte. Abb. 4.2-20 zeigt eine Skizze aus der Patentschrift von 1861, Abb. 4.2-20 dann die künstlerisch überhöhte spektakuläre Vorführung. - - - -Abb.-4.2‐21: -Otis-führt-1853-seine-automa‐ tische-Fangvorrichtung-vor; -Quelle: -Grafik,- unbekannter-Künstler,-Otis-Elevator-Com‐ pany,-Berlin‐Paris- - Bei OTIS war es das Seil, das den Energietransport übernahm. Seilaufzüge wurden zunächst in der Trommel-Bauweise ausgeführt: Das, die Kabine tragende Seil wurde von einer Seiltrommel auf- und abgewickelt. Um die notwendige Antriebsleistung so klein wie möglich zu halten, waren früh schon Gegengewichte üblich, die mit einem zweiten Seil über eine andere, auf gleicher Achse gegenläüfig wirkende Seiltrommel geführt wurden. Das Gegengewicht wurde normalerweise aus der Leermasse des Aufzuges und der halben Nutzlast berechnet. Solche Aufzüge waren schon vor OTIS in Gebrauch - allerdings nur im Produktionsbetrieb, wo Sicherheitsaspekte (noch) keine Rolle spielten, s. Abb. 4.2-22. Die ersten Trommelaufzüge wurden Mitte des 19. Jahrhunderts gebaut und von Dampfmaschinen angetrieben. Seiltrommeln werden bei größeren Seillängen rasch unhandlich groß. Der Trommelaufzug war und ist damit prinzipiell nicht für große Förderhöhen geeignet. So wurde er zunehmend vom Treibscheibenaufzug verdrängt. Dabei spielte als weiterer Vorteil eine Rolle, dass Treibscheiben die Verwendung mehrerer Parallelseile zulassen und damit höhere Sicherheit bieten, während der Trommelaufzug konstruktionsbedingt mit nur einem Seil auskommen musste. Von Nachteil war allerdings der mit der Treibscheibe verbundene Schlupf, den der Trommelaufzug nicht kannte. Mit der Treibscheibe machte die Aufzugstechnik eine Anleihe beim deutschen Bergbau, wo KOEPE mit seinem Patent von 1877 die Schachtförderung revolutioniert hatte, erstmals 1878 auf der Schachtförderanlage Hannover; s. hierzu auch Kap. 4.2.1. <?page no="54"?> 4 Geschichte des Energietransports 54 - - - - - - -- Abb.-4.2‐22: -Zur-Genesis-des-Aufzugs-in-der-Moderne: -Dampfbetriebener-Transmissionsaufzug-von- 1835-für-die-Arbeiter-in-einer-englischen-Fabrik; -Quelle: -Polyt.-Journal-1835,-Band-58,-Nr.-XII.-(S.-118- 124) Beim Treibscheibenaufzug wird das Tragseil, das an einem Ende die Kabine und am anderen Ende ein Gegengewicht trägt, über eine angetriebene Rolle, die Treibscheibe, geführt. Das Seil ist nicht an der Treibscheibe befestigt, sondern wird durch bloße Reibung gehalten und bewegt, s. auch Abb. 4.2-8. Zur Vergrößerung der Auflagefläche und damit der Reibung ist die Treibscheibe mit Rillen (Keil- oder Rundrillen) versehen, in die sich das Seil durch die von Gewicht und Gegengewicht aufgebrachte Zugspannung hineinpresst. Bei einem Aufzug mit Treibscheibe spielt die Länge des Seils zunächst keine Rolle. Jedoch ist schon physikalisch einleuchtend, dass bei großen Seillängen und extremem Betriebszustand (Kabine unten, Gegengewicht oben) das Gewicht des Seils mitberücksichtigt werden muss. Dies Problem kannte der Bergbau schon länger - dort war es mithilfe eines mitlaufenden Unterseils bewältigt worden. Die Lösung für Aufzugsanlagen sah ähnlich aus, jedoch wird hier das Unterseil in der Form einer Kette ausgeführt, die zusätzlich noch durch Rollen stabilisiert wird, um unerwünschte Schwingungen bei Anfahr- und Bremsvorgängen zu vermeiden („Gewichtsausgleichkette“). Der so modifizierte Aufzugstyp eignete sich für die neu entstehenden Hochhäuser. Als Antriebsarten bei Seilaufzügen kamen in der Anfangszeit Dampfmaschinen zum Einsatz; später wurden die Dampfmaschinen durch Elektroantriebe ersetzt. Ein frühes Beispiel ist der Mönchbergslift in Salzburg, der 1890 eröffnet wurde und mit Gleichstrommotoren des Hauses SIEMMENS & HALSKE ausgerüstet war, die über eine Akkumulatorenstation gespeist wurden. Das Beispiel ist auch insofern bemerkenswert, als hier wohl erstmals Koepescheibe, automatische Fangvorrichtung nach OTIS und elektrischer Antrieb gemeinsam realisiert wurden. Ein etwas späteres Beispiel zeigt Abb. 4.2-23. Bei sehr großen Höhen muss man Kompromisse machen. Für die höchste Plattform des Eiffelturms muss man in der zweiten Etage umsteigen und in einen zweiten Aufzug wechseln. In The Shard in London, dem höchsten Hochhaus der EU mit insgesamt 310 m Höhe, gelangt man mit den schnellen Aufzügen (6 m/ s) zunächst zum 33. Stockwerk, Dort wechselt man den Aufzug und erreicht damit die Cloudscape in der 68. Etage. <?page no="55"?> 4 Geschichte des Energietransports 55 Abb.-4.2‐23: -Ein-früher-“elektrischer”-Aufzug-(Ausführung-von- Schmidt,-Kranz-u.-Komp.-in-Nordhausen); -Quelle: -Aufzüge,-in: - Meyers-Großes-Konversations‐Lexikon,-6.-Auflage-1905-1909- SIEMENS hatte zunächst 10 Jahre früher seinen eigenen innovativen elektrischen Aufzug als Kletterer konzipiert - Motor und Korb bildeten eine Einheit, die an einer Zahnstange eingriff, s. Abb. 4.2-24. Diese Bauweise - die auch wegen der Einheit von Antrieb und Last keinen Energietransport im definierten Sinn erkennen lässt - wurde kurze Zeit später zugunsten des Seilaufzuges aufgegeben. <?page no="56"?> 4 Geschichte des Energietransports 56 . - - - - -Abb.-4.2‐24: -Der-welterste-elektrische-Aufzug-von-W.-Sie‐ mens,-Aufnahme-aus-der-Pfalzgauausstellung-zu-Mannheim- im-Jahre-1880; -Quelle: -Siemens-Historical-Institute,- http: / / new.siemens.com/ global/ de/ unternehmen/ ueber‐ uns/ geschichte/ news/ personenaufzug,-Abruf-22.01.2020- - Nicht aufgegeben wurde jedoch die Alternative zum Seil: der hydraulische Aufzug. Auch er geht auf OTIS zurück und bestand seine Bewährungsprobe 1878 in den USA am Broadway. Hydraulikaufzüge sind im Prinzip Kolbenmaschinen, die durch Wasser oder Öl angetrieben werden, das über eine Pumpe in den Zylinder gelangt und den Kolben hebt. Der oft als Teleskop ausgebildete Kolben hebt entweder direkt die Kabine hoch (direkter hydraulischer Aufzug) oder er wirkt nach dem Prinzip eines inversen Flaschenzuges auf ein Seilsystem, das dann größere Hubhöhen erlaubt (indirekter hydraulischer Aufzug). Bei indirekten betriebenen Anlagen muss die Hubmechanik seitlich vom Kabinenschacht angeordnet werden. Die beiden Systeme zeigt die Abb. 4.2-25. Hydraulikaufzüge sind gegenüber den Seilaufzügen in ihrer Technik einfacher. Entsprechend sind auch ihre Anschaffungskosten geringer, und ihre Lebensdauer ist grösser. Nicht zuletzt deshalb werden sie bis heute gebaut und genutzt. Im Gegensatz zu Seilaufzügen eignen sich hydraulische Aufzüge aufgrund ihrer Bauweise jedoch nur für kleinere Förderhöhen. Inzwischen sind Höhen von 15 bis 25 m möglich, darüber wird es gegenüber dem Seil unökonomisch. Auch ist ihre Höchstgeschwindigkeit ist sehr begrenzt, sie liegt bei maximal 1 m/ s, üblicherweise bei 0,63 m/ s. Im Sinne der Gliederung der Energieströme nach Kap. 2 sind die hydraulischen Aufzüge eine Ergänzung zu Kap. 4.1.4, wobei hier der Energietransport in der Vertikalen stattfindet. Sie haben sich bis heute gehalten. Historisch haben hydraulische Anlagen zeitweise Bedeutung erlangt, so bei der Errichtung des Eiffelturms zur Weltausstellung 1889. Der von OTIS konzipierte Lift zur zweiten Etage arbeitete mit einem Hydraulikzylinder von 11 m, dessen Hub durch einen umgekehrten zwölffachen Flaschenzug auf ungewöhnliche 132 m vergrößert wurde, s. Abb. 4.2-26. <?page no="57"?> 4 Geschichte des Energietransports 57 - --- Abb.-4.2‐25: -Wirkprinzipien-hydraulischer-Aufzüge; -Quelle: - http: / / www.wikipedia.org/ wiki/ Aufzugsanlage,-Abruf- 22.01.2020- -- - - Abb.-4.2‐26: -Eiffelturm,- Aufzugsanlage-zur-zweiten- Etage,-links-unten-der- Hydaulikzylinder; -Quelle: - United-Technologies-- Corporation,-USA- - Für die Erschließung der immer höher werdenden Gebäude blieb es bis heute beim Seilaufzug mit Koepe-Scheibe. Den Zusammenhang von Gebäudehöhe, Technik und Liftgeschwindigkeit zeigt die Abb. 4.2-27. Wobei hinzuzufügen ist, dass sehr große Höhen oft durch die Hintereinanderschaltung von mehreren Aufzugsanlagen erreicht wurden und heute auch noch werden, was den ein- oder mehrmaligen Wechsel der Personen und Güter erforderlich macht. Beispiele hierzu wurden bereits oben erwähnt. Eine Sonderstellung nimmt der Paternoster ein. Seine Funktionsweise zeigt Abb. 4.2-28. Sie zeigt deutlich, dass hier Ketten statt Seile für den Energietransport benutzt wurden und werden. Paternoster, erstmals 1880 verwendet, waren im Betrieb nicht ungefährlich - deshalb sagt die deutsche Aufzugsverordnung von 1972: „Personen-Umlaufaufzüge dürfen nach dem 31. Dezember 1973 nicht mehr errichtet werden“. Einige haben als historisches Relikt <?page no="58"?> 4 Geschichte des Energietransports 58 überlebt - ohnehin war ihr prozentualer Anteil an allen Aufzugsanlagen zwi1schen 960 und 1970 bereits auf ein halbes Prozent gesunken. 40 Abb.-4.2‐27: -Zusammenhang-von-Gebäudehöhe,-Technik-und-Liftgeschwindigkeit,-Beispiele-aus-New- York-und-Chicago-aus-den-Jahren-1850---1975,-Geschäftshäuser; -Quelle: -Archiv-J.-Simmen/ U.-Drepper,- Berlin- 40 -Simmen-/ -Drepper,-Fahrstuhl,-S.-228.- <?page no="59"?> 4 Geschichte des Energietransports 59 Anders sieht es heute für die wirtschaftliche Nutzung aus. Sogenannte Etagenpaternoster können dabei auch mehrere Gebäudeebenen bedienen, etwa für Einlagerung und Versand. Ein Silopaternoster kann durch zusätzliche waagrechte Führung über gerade und schleifenförmige Schienen auch horizontal erstreckten Lagerraum füllen. Abb.-4.2‐28: -Der-Paternoster,-Funktionsweise; -Quelle: -Simmen-/ -Drep‐ per,-Fahrstuhl,-S.-224- - Ein Aufzugsbauwerk besonderer Art ist das Schiffshebewerk. Es kann seil- oder hydraulikbetrieben sein. Abb. 4.2-29 zeigt eine seilbetriebene Ausführung. Die neuesten Entwicklungen der Aufzugtechnik verzichten auf besondere physisch erkennbare Elemente des Energietransports. Weltweit wird an verschiedenen Forschungseinrichtungen und von Unternehmen an seillosen Antriebslösungen für Aufzüge gearbeitet. Seit 2003 gibt es von THYSSEN-KRUPP Aufzüge, bei denen mehrere Kabinen im selben Schachtsystem verkehren. Das Multi-System ist ein seilloses Aufzugsystem, bei dem die Kabinen sich sowohl horizontal als auch vertikal bewegen können. OTIS betreibt zu diesem Zweck seit 2007 den Shibayama Test Tower. Thyssen-Krupp Elevator weihte 2017 im süddeutschen Rottweil einen Testturm ein. Die 246 Meter hohe Konstruktion dient dem Test sowie der Zertifizierung von Aufzugsinnovationen und trägt nach Darstellung des Betreibers so zu erheblichen Verkürzungen der Entwicklungszeit zukünftiger und bereits in der Konstruktionsphase befindlicher Wolkenkratzer auf der ganzen Welt bei. Mit 12 Schächten und Fahrgeschwindigkeiten von bis zu 18 m/ s bietet der <?page no="60"?> 4 Geschichte des Energietransports 60 Turm Möglichkeiten zur Lösung kommender Herausforderungen. Drei Schächte sind für die seillosen, mit Linearmotoren betriebenen Multi-Aufzüge vorgesehen. Auch hier findet natürlich Energietransport statt, jetzt jedoch in der Form elektrischer Energie. Abb.-4.2‐29: -Das-alte-Schiffshebewerk-Niederfinow-noch-vor-der-Fertigstellung,-Betriebsbeginn-- 1934,-Treibscheibenanlage-mit-36-m-und-4500-t-Hub; -Quelle: -Aufnahme-um-1930,- Staatliche-Museen-zu-Berlin,-Kunstbibliothek Nutzung für die Energieversorgung Die Nutzung und zum Teil auch die Wiedergewinnung potenzieller Energie durch „Wasserkraft“ spielt heute eine große Rolle im Rahmen einer umweltverträglichen Energieversorgung. Technisch stehen dahinter die Speicherkraftwerke und die Pumpspeicheranlagen mit ihren Fallleitungen, nicht jedoch die Flusskraftwerke, die meist Laufwasserkraftwerke sind. - -----Abb.-4.2‐30: -Druckleitungen-eines-Speicherkraft‐ werks; -Quelle: http: / / www.bine.info/ filead‐ min/ content/ Publikationen/ Basis_Energie-Basis- Energie18_2004_09,-Abruf-unbekannt- Bei den Speicherkraftwerken werden im Allgemeinen Mitteldruckkraftwerke (Nutzfallhöhe <?page no="61"?> 4 Geschichte des Energietransports 61 20 bis 100 m) und Hochdruckkraftwerke (Nutzfallhöhe 20 bis etwa 2000 m) unterschieden. 41 Abb. 4.2-30 zeigt die Druckleitungen eines Speicherkraftwerks, die den Energietransport zur Turbine übernehmen. Abb. 4.2-31 lässt die Fallrohre eines Pumpspeicherkraftwerks erkennen, die im Gegenzug der Wiederauffüllung des Speichers dienen. Abb.-4.2‐31: -Rohrsystem-eines-Pumpspeicherkraftwerks; -Quelle: -eon-Grafik-BR Speicherkraftwerke wurden erst interessant, als Erzeugung und Nutzung der elektrischen Energie aus „Wasserkraft“ großtechnisch möglich waren. Als erstes Wasserkraftwerk überhaupt gilt die Anlage im englischen Northumberland, 1880 in Betrieb genommen. Mit den Elektricitäts-Werken Reichenhall errichtete der Holzstoff-Fabrikant K. FISCHER das erste öffentliche Wechselstromkraftwerk Deutschlands in Bad Reichenhall, das am 15. Mai 1890 den Betrieb aufnahm. Es war das erste Wasserkraftwerk in Deutschland und dazu noch das erste öffentliche Elektrizitäts-Werk in Bayern. Und dann eröffnete 1895 an den Niagarafällen in den USA das erste Großkraftwerk der Welt. Es war zunächst mit 3, später 21 Turbinen-Generatorsätzen ausgestattet und speiste schließlich eine Leistung von 78 MW ins Netz. In Deutschland waren Wasserkraftwerke neben den Dampfmaschinenkraftwerken anfangs die wichtigsten Stromlieferanten. Maßgeblichen Anteil am Ausbau der „Wasserkraft“ hatte die Essener Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk AG (RWE). Als eines der frühen Wasserkraftwerke ging 1905 das heutige RWE-Kraftwerk in Heimbach in der Nordeifel in Betrieb. Mit 12 MW war es damals das größte Wasserkraftwerk Europas. Zusammengefasst kann man die zeitliche Entwicklung der „Wasserkraft“ wie in der folgenden Tabelle darstellen. 41 -Definitionen-nach-Wasserkraftwerk,-in: -Der-Brockhaus,-Naturwissenschaft-und-Technik,-Mannheim-/ - Heidelberg-2003.- <?page no="62"?> 4 Geschichte des Energietransports 62 Die Tabelle zeigt die starke Wechselwirkung mit der Maschinentechnik: Die Entwicklung der verschiedenen Turbinenarten prägte die Nutzung der „Wasserkraft“. In Deutschland und in der Schweiz erhielt ihre Nutzung wesentliche Impulse über die Eisenbahngesellschaften. Sie benötigten für ihre Bergstrecken hohe Schubkräfte und damit viel Energie. Da andererseits in den Bergregionen Wasserkraft ortsnah verfügbar war, war der Bau von Speicherkraftwerken für die Bahnstromversorgung naheliegend. Speicherkraftwerke, die ihrer Natur nach steuerbar sind, wirken ausgleichend für die Energieversorgung. Nachstehende Abb. 4.2-32 demonstriert dies am Beispiel der Schweiz. Die Fortentwicklung der Speicherkraftwerke stößt in Deutschland an Grenzen - das verfügbare Potential an Speichern ist weitestgehend ausgeschöpft, 42 s. Einzelheiten hierzu in Kap. 6.2.1, Talsperren und Pumpspeicher. Die andere verfügbare Technologie für den Energietransport über das fallende Wasser, die Pumpspeicheranlagen mit Fallrohren, Stromerzeugung und Pumpanlagen in der Talstation sind wohl ursprünglich eine deutsche Innovation gewesen. 1908 wurde in Heidenheim / Brenz das erste Werk dieser Art in Betrieb genommen - allerdings als Testanlage für die Turbinen der Firma Voith. - -Abb.-4.2‐32: -Ein-Beispiel-zur-jahreszeitlich-schwankenden-Energieerzeugung-aus-„Wasserkraft”; -Quelle: - Schweizer-Bundesamt-für-Energie-BFE-2011- 42 -So-das-deutsche-Umweltbundesamt-in-einer-Stellungnahme-von-2014.-- <?page no="63"?> 4 Geschichte des Energietransports 63 Die erste der Stromerzeugung dienende Anlage entstand 1914 in Neckartenzlingen bei Stuttgart, mit seinen 440 kW wurde es bis 1997 betrieben. Der großtechnische Durchbruch war dann Ende der 1920er Jahre A. KOEPCHEN vom Rheinischen Elektrizitätswerk vorbehalten, der die Technik auch international bekannt machte, s. Einzelheiten wieder in Kap. 6.2.1. - - - - - - - - - - - - -Abb.-4.2‐33: -Das-Fallrohrsystem-des- Pumpspeicherwerks-Hohenwarte-II- mit-rd.-300-m-Fallhöhe; -Quelle: -Vat‐ tenfall-GmbH,-Werkphoto - Pumpspeicherkraftwerke sind damit jünger als die Speicherkraftwerke; sie können besonders gut zur Abdeckung von Lastspitzen eingesetzt werden. Abb. 4.2-33 zeigt das auffällige Fallrohrsystem eines solchen Pumpspeicherkraftwerks (hier noch während der Bauzeit, ca. 1960). Auch hier gilt, dass die Ausbaumöglichkeiten in Deutschland begrenzt sind. Nur wenige Geländesituationen eignen sich, wie die nähere Darstellung der Energiespeicher im Abschnitt Talsperren und Pumpspeicher in Kap. 6.2.1 zeigen wird. Wie groß der zu betreibende Aufwand ist, demonstriert das Beispiel der Schluchsee-Kaskade, deren Druckleitungen in Stollenbauweise ausgeführt sind, mit Durchmessern von bis zu 3 m. Die sukzessive über mehr als zwei Jahrzehnte bis 1951 errichtete Gesamtanlage, die im Turbinenbetrieb eine Leistung von 470 MW abgibt, zeigt Abb. 4.2-34. <?page no="64"?> 4 Geschichte des Energietransports 64 Abb.-4.2‐34: -Die-dreistufige-An‐ lage-des-Schluchsee‐Pump‐ speicherwerks,-errichet-1929‐ 1951; -Quelle: -Universität-Kassel,- Vorlesung-Hydromechanik- - Die Pumpspeichertechnologie hat sich weltweit durchgesetzt. Ihre Rentabilität wird stark beeinflusst von der Tarifstruktur - ein Pumpbetrieb mit dem billigeren Nachtstrom bringt die größten Vorteile. Ein Beispiel erreichbarer Größenordnungen zeigt Abb. 4.2-35. - - Abb.-4.2‐35: -Jährliche-Kosteneinsparungen-in- der-Stromerzeugug-durch-den-Einsatz-des-- geplanten-(noch-nicht-realisierten)-Pump‐ speicherwerks-Atorf; -Quelle: -Lehrstuhl-für-- Energiewirtschaft-und-Anwendungstechnik,-- TU-München- Rotationsenergie Wesentliches Element zum Transport von Rotationsenergie ist die Welle, ganz ursprünglich aus Holz, später aus Stahl. Wellen wurden ursprünglich nur aus vollem Material gefertigt. Es ist jedoch schon lange möglich, statt einer Stahlwelle das Stahlrohr zu verwenden, was eine deutliche Einsparung an Material bedeutete und für das zu übertragende Moment nur geringe Nachteile mit sich brachte. Das war von Wichtigkeit bei einer speziellen Anwendung: der Herstellung von tiefen Bohrungen. <?page no="65"?> 4 Geschichte des Energietransports 65 Tiefbohrungen Zunächst und bis zur Mitte des 19. Jh. dienten Tiefbohrungen der Erschließung von Wasser und wurden mit fortschreitender Technik mit fallenden Meißeln durchgeführt, bekannt unter dem Kürzel „Stoßendes Bohren“. Bei der Erbohrung einer Springquelle war die Beobachtung gemacht worden, dass das aufsteigende Wasser den Bohrschlamm mit heraufbrachte. Durch diese Art der Freimachung der Bohrlochsohle konnte für den Meißel eine etwa zehnfach größere Wirkung erzielt werden. Man machte sich diese Beobachtung zunutze: Im Jahre 1846 soll FAUVELL die Wasserspülmethode erfunden haben. Er ersetzte dazu das bisher verwandte massive Bohrgestänge durch ein Hohlgestänge. Fast gleichzeitig mit dieser Spülvorrichtung für Meißelbohrung kam die Diamantkernbohrung, auch als „Drehendes Bohren“ bezeichnet, in Gebrauch. Sie bedient sich ebenfalls des Druckwassers zum Ausspülen und Reinigen der Sole, ihr namensgebendes Merkmal ist jedoch das drehende Gestänge. Beide Bohrmethoden sind von der Mitte des 19. Jahrhunderts an, entweder einzeln oder kombiniert, häufiger in Anwendung gekommen. 43 Die breiter Umsetzung des Verfahrens brauchte jedoch recht lange Zeit, was den besonderen Anforderungen geschuldet war: ● hohles, ständig zu verlängerndes Bohrgestänge, ● großes Drehmoment, ● unterbechungsfreie Spülflüssigkeit, ● Nachführung und Regelung der Bohrlast. Der erste berühmt gewordene Einsatzfall des drehenden Bohrens war die Bohrung am Spindletop-Hügel bei Beaumont (Texas), die am 10. Januar 1901 in 347 m Tiefe auf unter hohem Druck stehendes Erdöl stieß. Es erfolgte ein gewaltiger Ausbruch, in dessen Folge täglich etwa 100.000 Barrel Rohöl unkontrolliert aus dem Bohrloch ausgestoßen und aus dem sich bildendem Ölsee abgeschöpft wurden. Das Ereignis, bekanht als Spindletop-Gusher, wird üblicherweise mi dem Beginn des Erdölbooms in Texas und dessen Auswirkungen auf die Ölproduktion der USA in Verbindung gebracht. Aus technikhistorischer Sicht war es jedoch zugleich der Durchbruch des heute „Rotary“ genannten Verfahrens, auch wenn es bis in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg als störanfällig und damit dem Schlagbohrverfahren eigentlich unterlegen galt. Unter den verschiedenen Verfahren für Tiefenbohrungen ist das Rotary-Verfahren heute das verbreitetste. Hierbei wird über Tage am „Drehtisch“ eine Drehbewegung erzeugt, die über das Bohrgestänge an den Bohrer übertragen wird. Die Rohre sind rund neun Meter lang und aus solidem Stahl, damit sie den enormen Kräften standhalten können. Bis sie die vorgesehene Tiefe erreichen, werden viele Rohre aneinandergereiht. Besonders der Bohrkopf ist großem Druck ausgesetzt. Die Länge der Gestänge erreicht oft tausend Meter 43 -Nach-Landgraeber.-H.,-in: -Polyt.-Journal,-Die-Bohrtechnik,-1925,-Band-340,-S.-207-210.-Nach-anderen- Quellen-meldete-1844-der-Brite-Robert-Beart-ein-Patent-für-ein-Bohrverfahren-an,-das-weitgehend-der- modernen-Rotary‐Tiefbohrtechnik-entspricht.- <?page no="66"?> 4 Geschichte des Energietransports 66 und mehr. Das Verfahren hat allerdings auch seine Grenzen: es ist beschränkt auf senkrechte oder leicht schräge Tiefbohrungen zur Erkundung und Erschließung von Erdölfeldern, Erdgas-Lagerstätten oder Heißwasser-Vorkommen (Geothermie). Abb. 4.3-1 zeigt das Arbeitsprinzip. Abb.-4.3‐1: -Schematische-Darstellung-des-Rotary‐- Verfahrens; -Quelle: -Rotary-Verfahren,-in: -Lexikon-- der-Geowissenschaften,-Spektrum-Akademischer-- Verlag,-2000- - - Antriebs- und Transmissionswellen Wellen können starr oder biegsam sein. Biegsame Wellen werden verwendet, wenn Antrieb und Arbeitsort auf direktem Wege nicht erreichbar sind. Sie bestehen aus mehreren Lagen entgegengesetzt schraubenförmig umeinander gewundener Drähte (Wellenseele), die als Paket in einem Schutzschlauch rotieren. Sie haben wegen der Wickelung eine Vorzugsdrehrichtung. Flexible Wellen finden sich heute noch in Armaturen zur Weitergabe von Messgrößen (z.B. Tachometer). Ihre Verwendung in der Zahnmedizin ist inzwischen durch andere Bohrtechniken abgelöst worden. Die klassische Form der Wellennutzung ist jedoch auch heute noch die Übertragung großer Leistungen. Sie wurden mit dem Aufkommen der Transmissionen (s. Kap. 4.1.3) zum unverzichtbaren Bestandteil dieser Anlagen. Eine frühe Anlage mit einem schon komplexen Wellen-Seilsystem findet sich im wasserreichen Bergischen Land, wo z.B. der „Balkhauser Kotten" seit dem frühen 17. Jahrhundert als „Doppelkotten" betrieben wurde. Abb. 4.3-2 zeigt den Aufriss und Abb. 4.3-3 den Grundriss der Betriebsanlagen mit den holzgefertigten Wellen und den Seiltransmissionen. <?page no="67"?> 4 Geschichte des Energietransports 67 - Abb.-4.3‐2: -Der-Balkhauser-Kotten-an-der-Wupper,-technische-Einrichtung,-Aufriss-1922; -- Quelle: -LV-Rheinland,-Rhein.--Industriemuseum,-Kleine-Reihe,-Heft-7: -Dampfschleifereien,-- Historische-Handwerksstätten-der-Solinger-Schneidwarenindustrie,-Köln-1991- - Abb.-4.3‐3: -Der-Balkhauser-Kotten-an-der-Wupper,-technische-Einrichtung,-Grundriss-1922; -- Quelle: -LV--Rheinland,-Rhein.-Industriemuseum,-Kleine-Reihe-H.-7- Im ausgehenden 18. Jh. wurde das Problem der Energieverteilung in der Breite wichtig - die in den Fabrikhallen verteilten Arbeitsmaschinen waren von einer Zentrale zu versorgen. So durchzogen die jetzt stählernen Transmissionswellen die ganze Halle und wurden gelegentlich auch noch über einen Riementrieb oder Zahntrieb mit ihrer Fortsetzung im nächsten Stockwerk verbunden, s. Abb. 4.3-4. <?page no="68"?> 4 Geschichte des Energietransports 68 - - Abb.-4.3‐4: -Wellenführung-über-mehrere-Geschosse; - Quelle: -Kennedy,-R.,-The-Book-of-Modern-Engines-and- Power-Generators,-Vol.-VI,-London-1905- -- Wie lange Transmissionen und speziell Transmissionswellen ihre Bedeutung behielten, wird daran deutlich, dass noch 1923 die Norm DIN 112 „Lastdrehzahlen von Transmissionswellen“ in der 4. Auflage erschien. Schiffswellen Wellen mit sehr großen übertragenen Leistungen kennt vor allem der Schiffbau. Sie sind dort der Hauptteil der sog. Wellenanlage. Eine Wellenanlage ist ein durchaus komplexes System mit beispielsweise den Komponenten 44 ● Propellerwelle, auch mit keramischer Beschichtung, ● Wellenkupplung und / oder Flanschkupplung, ● Stevenrohr (aus Stahl, Edelstahl oder Aluminium), ● Stevenrohrlager (für öl-, fett- oder wassergeschmierte Anlagen), ● Stevenrohrdichtungen verschiedener Ausführungen, ● Schottwanddichtung, ● Wellenerdungssystem, ● Wellenbremse oder Wellenblockiervorrichtung, ● Trossenschutz wahlweise mit Netzmessern, ● Propellermutter mit Zinkanode, ● Trag- und Drucklager, ● Wellenbock in I- oder V-Form. Die Anordnung ist üblicherweise linear, was sich ändert, wenn die Maschine aus mehreren Komponenten besteht. Abb. 4.3-5 zeigt den prinzipiellen Aufbau und die Abfolge der Elemente. 44 -Werksangabe-Schaffran-Propeller-+-Service-GmbH.- <?page no="69"?> 4 Geschichte des Energietransports 69 - Abb.-4.3‐5: -Aufbau- einer-Schiffswellen‐ anlage,-Wärme‐ belastung-der-Lager; - Quelle: -International- Journal-of-Mechani‐ cal-Engineering-and- Applications,-Volu‐ me-5,-Issue-4‐1,-July- 2017,-Figure-4- - - Schiffswellen sind naturgemäß mit der Entstehung des Schraubenantriebs sachlogisch verbunden. Von LEONARDO DA VINCI existieren Zeichnungen mit Propellern als Antrieb von Booten und Fluggeräten, die einem Helikopter ähneln. Es war jedoch der Österreicher J. RESSEL, der den Propeller zur technischen Reife brachte. Das Jahr 1829 gilt als die Geburtsstunde des Schiffsschraubenantriebs - auch wenn die Probefahrt der Civetta aus anderen Gründen unglücklich endete. Da RESSEL ein internationales Patent versagt blieb, war die weitere Entwicklung jedoch anderen vorbehalten. Der englische Farmer und Erfinder F. P. SMITH reichte 1836 ein Patent auf die Entwicklung der Schiffsschraube ein. Kurz darauf stellte der aus Schweden stammende Ingenieur J. ERICSSON einen ähnlichen Antrag in den Vereinigten Staaten. Zu beiden Seiten des Atlantiks hoben diese beiden Ingenieure die Schraubendampfschifffahrt aus der Wiege. 1837 nahm mit ERICSSONS Novelty das erste von einer Schraube angetriebene Handelsschiff seinen Dienst auf. Vier Jahre später wurde die Rattler als erstes Kriegsschiff mit dem neuen Antrieb von SMITH zu Wasser gelassen, s. auch die spätere Abb. 4.6-24 und generell Kap. 4.6.2.2, Kohlegetriebene Schiffe. 1843 baute der britische Ingenieur I. K. BRUNEL auf einer Werft in Bristol die Great Britain. Ganz aus Eisen und mit einem Schraubenantrieb versehen war sie eines der größten Passagierschiffe seiner Zeit. Die Jungfernfahrt wurde in der Presse als Weltwunder gefeiert. Auf der Strecke Liverpool - New York stellte sie bereits bei ihrer ersten Fahrt einen neuen Geschwindigkeitsrekord auf. Es war der endgültige Durchbruch für die Dampfschifffahrt und die Schiffsschraube. 45 Die von der Wellenanlage zu übertragenden Leistungen wuchsen mit der Tonnage der Schiffe, insbesondere der Tanker und Containerschiffe. Im Jahre 2010 stellte MAN einen neuen Rekord auf - ihr neuer Motor trieb das 350 Meter lange Containerschiff Cosco Guangzhou mit 101.645 PS an. MAN hatte ihn zwar konstruiert, gebaut werden musste er jedoch unter Lizenz - und zwar in Südkorea, China und Japan. Der Motor war so riesig, 45 -Die-Entwicklung-der-Schiffsantriebe,-in: -ZDFmediathek-25.1.2009,-Abruf-25.5.2019.- <?page no="70"?> 4 Geschichte des Energietransports 70 dass er nicht transportiert werden konnte. Deshalb musste er in den asiatischen Werften im Schiff montiert werden. 46 Neuere Schiffsantriebe begnügen sich nicht mit einer Hauptmaschine - sie erlauben die Zuschaltung weiterer Triebwerke, sog. Booster zur kurzfristigen Leistungsverstärkung. Abb. 4.3-6 zeigt ein solches System im Schema, Abb. 4.3-7 das zugehörige Energieflussdiagram mit dem Energiefluss in die Welle. - - - - Abb.-4.3‐6: -Schiffsantrieb-mit- Booster; -Quelle: -Z.-ABB-Technik- 3/ 1997- Abb.-4.3‐7: -Energiefluss-in-die-- Propellerwelle; -Quelle: -Z.-ABB-- Technik-3/ 1997- 46 -Spiegel-Online,-1.4.2010,-in: -http: / / www.spiegel.de,-Abruf-25.5.2019.- <?page no="71"?> 4 Geschichte des Energietransports 71 Volumenenergie In dieses Kapitel gehört im Hinblick auf technische Anwendungen vor allem die Druckluft (früher: Pressluft, heute Pneumatik). Sie sind zahlreich, denn Druckluft ist als Gas gut speicherbar und über Leitungen transportierbar; sie erfüllt außerdem alle Bedingungen des Explosionsschutzes, und gelegentliche Lecks sind tolerierbar. Druckluft wurde und wird deshalb in vielen Bereichen von Industrie und Handwerk intensiv genutzt. Druckluft dient dabei ● als Energieträger ● als gereinigtes und aufbereitetes Atemgas ● zur Reinigung ● zum Lackieren und Malen ● für Kühlungsprozesse ● zur Erzeugung von Stickstoffen Hier interessiert naturgemäß nur die erste der Verwendungsmöglichkeiten. Ein erstes Beispiel findet sich bereits in der Antike, bei den Tempeltüren des im ersten Jahrhundert n. Chr. in Alexandria lebenden HERON. Seine Tempeltüren öffneten sich über eine mit dem Gewicht des verdrängten Wassers und ein nachfolgendes Rollensystem arbeitende Mechanik, sobald in einem primären Behälter Heißluft erzeugt wurde., s. die Skizze in Abb. 4.4-1. Die Möglichkeit zur Verrichtung von Arbeit durch Änderung des Luftzustandes wurde von HERON zumindest unbewusst erkannt. 1965) - Abb.-4.4‐1: -Die-Tempeltüren-des-Heron; -Quelle: - Netz,-H.,-Vom-Heronsball-nach-Calder-Hall,- Deutsches-Museum-1965 1965) Anknüpfend an HERON beschrieb der französische Physiker PAPIN im Jahre 1667 die Möglichkeit, Körper mithilfe von Luft zu transportieren. Er erzeugte in einem Rohr vor und hinter einem dort platzierten Körper eine Druckdifferenz und stellte fest, dass dieser Kräfte erfuhr und sich bewegte. PAPIN legte hiermit den Grundstein zur späteren pneumatischen Fördertechnik. <?page no="72"?> 4 Geschichte des Energietransports 72 Druckluftwerkzeuge und Druckluftnetze Als Erfinder der industriellen und verkehrstechnischen Nutzung von komprimierter Luft gilt indes der dänische Ingenieur MEDHURST, der 1810 vorschlug, in Eisenrohren mithilfe von Luftpumpen ein Druckgefälle zu erzeugen, das sich dann zum Transport von Kapseln nutzen ließe. Auf diesem Prinzip basierte denn auch die erste Rohrpostanlage der Welt, die im Jahr 1853 innerhalb des Londoner Telegrafenamtes in Betrieb ging. 1863 wurde dann die ganze Londoner Innenstadt mit Rohrpostbriefen versorgt. Die Innovation wurde vielerorts nachgeahmt unter anderen in Berlin, Paris und New York. In der amerikanischen Metropole diente die Rohrpost nicht nur zum Transport von Briefen und Paketen. So wurde unter dem Broadway eine unterirdische „Rohrpostanlage“ zum Transport von Personen gebaut. Sie war allerdings nur von 1870 bis 1873 in Betrieb und transportierte jährlich bis zu 400.000 Passagiere. Dann verdrängte die mit Dampf und später elektrisch betriebene U-Bahn die Personenrohrpost. Ein besonderes Beispiel ist die Berliner Rohrpost, wo die Rohrpoststrecken im beiden Teilen der getrennten Stadt noch lange in Betrieb blieben (m Westen bis 1963, im Osten bis 1977). Bis 1949 verbanden sie auch noch die Westsektoren mit dem Ostsektor. Dann sorgte der Osten im Rahmen der Berlin-Blockade auch hier für eine Trennung, s. Abb. 4.4-2. - - - Abb.-4.4‐2: -Skizze-zur-Rohr‐ postblockade-in-Berlin-1949; - Quelle: -Prof.-Dr.-Nemo-Klein- ‐-eigener-Entwurf-(auch-ver‐ wendet-in-http: / / www.-wi‐ kipedia.org/ wiki/ - Rohrpost-in-Berlin)- Rohrpostanlagen existieren noch heute. Die Supermarktkasse, die das Bargeld zum Tresor sendet, ist nur ein Beispiel von vielen: In Banken, Tankstellen, Universitäten, Apotheken oder Krankenhäusern ist die Rohrpost auch heute noch nachgefragt. Eine Anlage aus dem Jahre 2014 zeigt Abb. 4.4-3. Selbst im Deutschen Bundestag wird Post über die Röhre verschickt - der Vorteil neben der Schnelligkeit und den vergleichsweise geringen Kosten: Die Rohrpost ist abhörsicher. Der deutsche Weltmarktführer Aerocom hat weltweit mehr als 35.000 Rohrpost-Systeme verlegt, 70 % davon waren bestimmt für Krankenhäuser. <?page no="73"?> 4 Geschichte des Energietransports 73 Abb.-4.4‐3: -Test-einer-mehrkanaligen-- Rohrpostanlage-2014; -Quelle: -Aerocom,-- Werkphoto-- - - Das kennzeichnet den Anwendungsbereich: Rohrpostanlagen dienen heute meist dem Transport von Hardware innerhalb des Unternehmens und sind damit Teil der Intralogistik geworden. Unter den Druckluftwerkzeugen, die das Arbeitsglied des pneumatischen Energietransports bilden, ragt der druckbetriebene Bohrhammer heraus. Bohrhämmer wurden als Reaktion auf die Bedürfnisse des Bergbaus entwickelt. Er wurde 1848 erstmals hergestellt und 1849 für J. COUCH aus Philadelphia patentiert. Zunächst wurde noch eine Dampfmaschine für den Kolbenantrieb genutzt. Schon ein Jahr später war der Antrieb von Dampf auf Druckluft umgestellt. Damit ist dieser Pneumatikhammer der erste echte druckbetriebene Bohrhammer. Speziell im Bergbau und Tunnelbau, wo Dampfmaschinen vor Ort kaum einsetzbar waren, war dies eine willkommene Lösung, zumal neben der Energieübertragung auch die Lüftung und die Sicherheit in Stollen und Tunnel profitierten. In Europa wurde seit den späten 1840er Jahren an pneumatischen Bohrhämmern geforscht. Der Durchbruch kam 1861: Der König von Sardinien, CARLO ALBERTO, wollte eine Bahnverbindung zwischen Italien und Frankreich schaffen. Hierzu war ein Tunnel mit zwölf Kilometer Länge notwendig, um die Bahnverbindung aufzubauen. Die zunächst auf 25 Jahre veranschlagte Bauzeit des später so genannten Mont Cenis-Tunnels konnte durch den nach dem Beginn der Arbeiten im Jahre 1857 ab 1861 eingeführten Vortrieb mit pneumatischen Bohrhämmern sowie mithilfe der neuen elektrischen Zündung der Sprengladungen auf 14 Jahre verkürzt werden. Als 1871 im Mont Cenis der Tunneldurchbruch erfolgte, lagen von beiden Seiten über 7000 m Rohrleitungen. Damit war zum ersten Mal die Transportierbarkeit von Energie als Einsatzvorteil der Druckluft nachgewiesen und wurde über die öffentliche Berichterstattung einer breiten Öffentlichkeit bekannt ge- <?page no="74"?> 4 Geschichte des Energietransports 74 macht. 47 Druckluftwerkzeuge wurden für den Bergbau, insbesondere den Steinkohlebergbau, dauerhaft wichtig. Noch 1931 galt: „Deshalb herrscht der Druckluftantrieb in Schlagwettergruben, während er in andern durch den elektrischen Antrieb verdrängt ist oder verdrängt wird, nur dass die Druckluft für die Bohrhämmer und Abbauhämmer unersetzlich ist. Die Druckluft dient in der Grube hauptsächlich zum Antrieb von Bohrhämmern und Bohrmaschinen, Simplex- und Duplexpumpen, kleinen Ventilatoren, Haspeln, Schüttelrutschen, Abbauhämmern und Schrämmaschinen.“ 48 Abb. 4.4-4 gibt ein Anwendungsbeispiel unter Tage, wie es in Deutschland heute im Bergbau selten geworden ist. Abb.-4.4‐4: -Bohren-mit-Pressluft-unter-Tage; -- Quelle: -Atlas-Copco,-Werkphoto-- Pneumatische Borhämmer und Bohrmaschinen verkörpern zwei verschiedene Arbeitsprinzipien - den linearen, auf Kolbenhub basierenden Motor und den rotierenden Motor, als Kolbenmaschine oder als Lamellenmotor ausgeführt, s. Abb. 4.4-5. - Abb.-4.4‐5: -Arbeitsprinzip-des-pneumatischen-Lamellenmotors; -- Quelle: -http: / / www.wikipedia.org/ wiki/ Lamellenmotor,-Abruf- 22.01.2020- - Die Verfügbarkeit solche Antriebe ermöglichte nach den Erfahrungen am Mont Cenis den Aufbau lokaler Druckluftnetze, die ein Gewerbeviertel versorgten. Ein Beispiel ist hier Paris, wo nach 1888 ein recht großes System entstand, das Aufzüge, Pumpen und sogar 47 -Nach-Drucklufttechnik-‐-das-Onlinekompendium,-http: / / www.Drucklufttechnik.de,-Abruf-22.01.2020.- 48 -Hoffmann,-H.,-Hoffmann,-C.,-Lehrbuch-der-Bergwerksmaschinen,-Heidelberg-1931,-S.-307.- <?page no="75"?> 4 Geschichte des Energietransports 75 Generatoren mit Druckluft versorgte. Dass für die Verlegung Abwasserkanäle genutzt werden konnten, war der Unempfindlichkeit der Rohrleitungen gegen Nässe geschuldet. Die Rohrleitungen erreichten schließlich (1960) eine Länge von 900 km bei einem jährlichen Luftdurchsatz von 400 Mio. cbm. Das Netz blieb über 100 Jahre in Betrieb (Einstellung 1994). Auch für die Abfallbeseitigung entstanden druckluftgestützte Systeme, verwirklicht z. B. in den Norwich Sewerage Works, England. Die Herstellerfirma Shone entwarf nach diesem Muster ein Projekt für ein ganzes Stadtviertel, s. Abb. 4.4-6. . - - - Abb.-4.4‐6: -"The- Shone-Hydro‐Pneu‐ matic-System-of-- Sewerage"; -Quelle: - W.-H.-Allen-and-Co,- The-Sanitary-Record,- London-1890,-S.-151- - Abb.-4.4‐7: -Mus‐ teranlage-der-Her‐ stellerfirma-MIDI; - Quelle: -Werk‐ sprospekt-MIDI,- Houston-und-Tampa,- USA- Druckluftnetze sind auch heute noch aktuell, eingesetzt zur zentralen Versorgung von Maschinen und Werkstätten. Allerdings beziehen sie sich heute im Allgemeinen auf das Gewerbe und auf geschlossene Gebäudeanlagen, s. Abb. 4.4-7. Einen Überblick über das große Spektrum der Druckluftanwendungen gibt die tabellarische Aufstellung der Abb. 4.4-8. <?page no="76"?> 4 Geschichte des Energietransports 76 Abb.-4.4‐8: -Druckluftanwen‐ dungen; -Quelle: -Ziesling,K.,-Druck‐ luftnetze,-Mainz-1973,-S.-151 Druckluft und Mobiltät Druckluft und deren technische Verfügbarkeit bedeutete auch einen Schub für die Mobilität. 1838 konstruierten F. A und T. DU MOTAY ein Fahrzeug, das sich mittels Druckluft fortbewegte und 1840 in Paris öffentlich vorgestellt wurde, s. Abb. 4.4-9. Abb.-4.4‐9: -Das-erste-mit-- Druckluft-betriebene-Fahrzeug; - Quelle: -Druckluft,-in: --Achmed-A.- W.-Khammas,-Buch-der-Synergie- --- Das für Schienen gedachte Vehikel konnte acht Passagiere befördern. Sein Drucklufttank speicherte die Luft bei einem Druck von 17 Atmosphären, während der Arbeitsdruck im Zylinder 3 Atmosphären betrug. 1842 brachten die beiden Erfinder den Vorschlag ein, eine „Locomotive atmosphérique“ auf den Eisenbahnstrecken von Lille fahren zu lassen. 1844 führten sie schließlich ein mit Druckluft betriebenes Fahrzeug vor, das Lokomotive und Waggon in einer Einheit zusammenfasste. Sie planten auch druckluftbetriebene Straßenfahrzeuge. 1872 begann der Franzose L. MĖKARSKI mit seinen Arbeiten, Straßenbahnen der Creusot-Werke für den Druckluft-Betrieb umzubauen. Die Versuche liefen von 1876 an über drei Jahre, bis schließlich im Februar 1979 die Compagnie des Tramways in Nantes einen regulären Dienst mit 22 Fahrzeugen über 6 km zwischen Doulon und dem Gare Maritime eröffnete, der 1880 bis Chantenay verlängert wurde, s. Abb. 4.4-10. <?page no="77"?> 4 Geschichte des Energietransports 77 -------Abb.-4.4‐10: -Die-erste-- Druckluftbahn-in-Nantes- 1879,-hier-an-einer-Lade‐- station; -Quelle: -J.-Prentice,- 1994-&-2003- -- Im Laufe der folgenden zehn Jahre wurden noch weitere Ortschaften an das Druckluft-Straßenbahnnetz angeschlossen, sobald auch dort die benötigten Nachfüllstationen aufgebaut waren. Ähnliche Drucklufttrams wurden auch in Paris (1887), Bern (1890), Vichy (1895), Aix-les-Bains (1896), La Rochelle (1899), und Saint-Quentin (1901) eingesetzt. Die Bahn in Paris - nach dem System MĖKARSKI - überlebte bis zum Jahr 1914, s. Abb. 4.4-11. Es lag nahe, Druckluftmotoren auch für andere mobile Anwendungen zu verwenden. Viele Versuche und auch Patente beschäftigten sich seit den 1920er Jahren mit dem Druckluftautomobil - bis heute letztlich erfolglos. - - - - Abb.-4.4‐11: -Druckluftbahn- System-MĖKARSKI-in-Paris,- 1900; -Quelle: - http: / / www.Wikipe‐ dia/ Straßenbahn_-Île‐de‐ France,-Abruf-22.01.2020- <?page no="78"?> 4 Geschichte des Energietransports 78 - Abb.-4.4‐12: -HODGES’-Patent,- weiterentwickelt; -Quelle: -Luftmotoren,-in: - Scott-Robertson,-Pneumatic-Options--Re‐ search-Library- Anders verhält es sich mit Lokomotiven für spezielle Zwecke. Der Amerikaner HODGES entwarf im Jahre 1911 eine pneumatische Lokomotive und verkaufte das Patent an die HK Porter Unternehmen in Pittsburgh für den Einsatz in Kohlebergwerken. Weil Luftmotoren keine Verbrennungsvorgänge kennen, sind sie eine sichere Option in der Kohleindustrie. HODGES‘ zweiphasiges System besaß einen Wärmetauscher, der die teilweise expandierte Druckluft durch die Nutzung der Umgebungsluft wieder aufwärmte. In Europa wurde HODGES’ Patent weiterentwickelt, sodass eine jetzt höhere Reichweite bzw. längere Betriebsdauer die kommerzielle Verwendung erleichterten. Lokomotiven dieser Art waren bis ins 3. Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts in großer Zahl in belgischen, deutschen und französischen Bergwerken in Gebrauch. Die jetzt auf Dreifach-Expansion ausgelegte Konstruktion zeigt Abb. 4.4-12. Wärme Wärme kann durch Leitung, aber auch durch aufgeheizte Gase oder hochtemperierte Flüssigkeiten in der Form von Wärmemitführung transportiert werden, wie es aus Heizungsanlagen der unterschiedlichsten Bauarten selbstverständlich geworden ist. Der Wärmetransport ist in den letztgenannten Fällen an einen Stofftransport gebunden. Heizungsanlagen Wie so manche Technik, geht auch die Heizungsanlage in ihren Anfängen auf die Antike zurück, speziell auf die Hypokausten. Der Begriff „Hypokaustenheizung" wird vom griechischem „Hypokaustum" abgeleitet und bedeutet „von unten beheizt" (hypo = von unten, kaustum = brennen). Gemeint ist damit eine schon 2000 Jahre vor Chr. im griechisch- <?page no="79"?> 4 Geschichte des Energietransports 79 hellenistischen Raum eingeführte und durch die Römer weiterentwickelte Warmluftbeheizung. 49 Am Anfang dieser Heizungsart wurden die Baderäume öffentlicher Thermen (z. B. Pompei, Stabianer Thermen) beheizt, indem Wasserbassins, Fußböden und Wände mit Heißluft bzw. Rauchgasen erwärmt wurden. Später wurden auch Privathäuser und militärische Anlagen in dieser Art beheizt. In den meisten Fällen musste jedoch der Hauptraum des Hauses reichen - Hypokausten waren in der Bauweise aufwendig und teuer. Das erklärt sich schon aus der Aufzählung der Systemkomponenten. Man benötigte: ● einen Heizraum, ● einen speziell gestalteten mehrschichtigen Fußboden mit Unterkellerung, ● Hohlziegel in den Wänden, ● einen Abzug für die Warmluft. Die Feuerkammer (Heizraum) lag außerhalb der Nutzräume. In diesen war der Fußboden aus vier Schichten aufgebaut: Kellersohle, auf ihr aufgebaut einzelne, etwa 30 cm hohe Ziegelsäulen aus quadratischen oder runden Platten, auf diesen ruhend eine Deckplatte und schließlich der als Nutzfläche dienende Estrich, oft als Fliesenboden ausgeführt. Die gesamte Konstruktion des Fußbodens war ca. 30 - 50 cm hoch und benötigte so viele Stunden bis zur völligen Durchwärmung. Vom Heizraum strömte die heiße Luft weiter in die Wandkanäle, die so auch die Wände beheizten. Erst dann traten die Kanäle ins Freie aus. Abb. 4.5-1 zeigt vereinfacht das Prinzip. Im Grunde handelte es sich um eine Fußbodenheizung, wie wir sie auch heute kennen, jedoch betrieben mit Warmluft. Die Durchströmung der Hohlziegel in den Wänden wiederum führt zur heutigen Sonderart der Kanalheizung. Die Frage nach der primären Herkunft ist offen. Bei VITRUV (kurz für MARCUS VITRU- VIUS POLLIO) f indet sich der Hinweis auf C. S. ORATA, der Anfang des 1. Jahrhunderts v. Chr. in Campanis eine Hypokaustenanlage zur Beheizung seiner Austern- und Fischzuchtanlagen verwendete. 50 Belegt sind dagegen zahlreiche Bodenfunde aus etwas späterer Zeit, in Deutschland z. B. in der Thermenruine in Xanten und auf der Saalburg. Auch in China waren ähnliche Systeme in Gebrauch, in Einzelfällen noch vor den Römern. Dort wurden z. B. um 300 v. Chr. Rauchgaskanäle in Fußböden und Wänden installiert. Ähnliche Systeme, oft in grober Nachahmung, finden sich auch in nachrömischer Zeit. So setzte sich zu Beginn des Mittelalters in Mitteleuropa das Prinzip eines Hypokausten- Kachelofens in Form eines Grundofens durch. Mit diesen Öfen war es möglich, mehrere Räume zu beheizen und gleichzeitig die Strahlungswärme im Aufstellungsraum zu nutzen. Säle in Burgen oder Rathäusern wurden häufiger mit einer Hypokausten-ähnlichen Steinluftheizung ausgestattet. 49 -Der-Ausdruck-„Warmluftheizung"-ist-eigentlich-nicht-korrekt,-weil-den-Räumen-keine-warme-Luft-zu‐ geführt-wird,-sondern-die-Strahlungswärme-des-Fußbodens-und-der-Wände-wirkt.- 50 -Siehe-auch: -Fagan,-G.-G.: -Sergius-Orata: -Inventor- -of-the-Hypocaust? ,-in: --Z.- -Phoenix-Vol.-50,-No.-1- 1996,-S.-56‐66.- <?page no="80"?> 4 Geschichte des Energietransports 80 Anfang des 18. Jahrhunderts kamen Luftheizapparate in Gebrauch, bei denen die Luft in besonderen, meist im Keller gelegenen Heizkammern an eisernen Öfen (Calorifèren) erwärmt und den zu heizenden Räumen durch Kanäle zugeführt wurde. Abb.-4.5‐1: -Schema-einer-Hypokaustenheizung; - Quelle: --Brunner,-H.,-Fessel,-K.,-Hiller,-F.-(Hg.),- Hypokaustenheizung,-in: -Lexikon-Alte-Kulturen-2,- Mannheim-1993,-S.-292- - Die Verwendung von Warmwasser für Heizungszweck ist in der Antike und in nachrömischer Zeit nicht nachweisbar. 1716 stattete der in England lebende Schwede M. D. TRIF- VALD ein Treibhaus in Newcastle mit einer Warmwasserheizung aus - sie gilt als die erste Heizung dieser Art. Die Entwicklung der ersten Zentralheizungssysteme für Wohngebäude kam im Verlauf des 18. Jahrhunderts durch Nachfrage zustande: Adel und wohlhabendes Bürgertum hatten großes Interesse daran, die Zahl der Feuerstellen in ihren Häusern zu verringern. Diesen Wunsch erfüllte ein zentrales Heizungssystem. Als Transportmedium diente zunehmend Warmluft, aber vor allem Dampf. Dennoch konnte sich die Zentralheizung bis in das erste Drittel des 19. Jahrhunderts nicht in der Breite etablieren, allein schon aus Kostengründen. Haushalte fragten vor allem Einzelöfen nach. Neue Impulse für eine Weiterentwicklung der Zentralheizung im deutschen Raum brachten in den USA gefertigte Gussheizkessel und Radiatoren. Nach diesem Vorbild fertigte der Industrielle E. KÖRTING 1875 den ersten Niederdruck-Dampfkessel mit liegend angeordneten Gussgliedern. Auch J. WATT beheizte 1774 seine Fabrik- und Wohnräume in Birmingham mit Dampf. Der Ingenieur J. HAAG, geboren in Kaufbeuren, baute 1843 mit seiner „Werkstätte für allgemeinen Maschinenbau und für die Herstellung von Zentralheizungen“ im baden-württembergischen Schloss Sigmaringen die erste Dampfheizung Deutschlands ein. Für HAAG folgten Aufträge der Höfe von München, Wien. Berlin und Petersburg. Das sich rasch entwickelnde Unternehmen wurde dann 1857 unter dem Firmennamen „Maschinen- und Röhrenfabrik Johannes Haag" nach Augsburg verlegt. In der Folge hielt die Dampfheizung allmählich Einzug in die Wohnhäuser wohlhabender Bürger. Die Erfindung der besseren Heizung setzte sich jedoch nur langsam durch. Viele Haushalte blieben, um Heizkosten zu sparen, beim Kohleofen. Von einer ersten Niedrigdruck-Dampfheizung mit Dampftemperaturen um 100 °C wird für 1878 berichtet. Die praktische Umsetzung machte die Abtrennung des Kondenswassers notwendig. Siphons, also Leitungsschleifen, und eine von den Heizkörpern ausgehende <?page no="81"?> 4 Geschichte des Energietransports 81 gesonderte Leitung für die Rückführung des Kondenswassers waren hier die Lösung. Der abgekürzt „NDH“ genannte Heizungstypus setzte sich ab 1880 am Markt durch. Warmwasserheizungen folgten später als gewissermaßen zweite Entwicklungsstufe. Ein frühes Beispiel einer Schwerkraftheizung zeigt Abb. 4.5-2. - - - - - -- Abb.-4.5‐2: -Erste-Schwerkraftheizungen,-historische-Darstellung- des-Prinzips; -Quelle: -Bruno-Bozy,-Garding,-urspr.-Fa.-Wilo- Erst als die Firma GEBR. BUDERUS 1920-1925 die ersten mit Pumpen ausgestatteten Anlagen auf den Markt brachten, kam auch hier der Durchbruch. Die ersten Etagenheizungen in Miethäuser entstanden. Die Nachfrage nach Warmwasser- und Niederdruckdampfheizungen stieg in den 1920er Jahren insgesamt erheblich an. Hinzu kam, dass immer leistungsstärkere Heizkessel, Heizkörper und Rohrleitungssysteme gewünscht wurden und auch verfügbar waren. Nach dem Zweiten Weltkrieg und den ersten Jahren des Wiederaufbaus setzte sich in Deutschland die Zentralheizung in der Breite durch - sie galt nicht mehr als Komfort, sondern wurde zur Selbstverständlichkeit. Der Wechsel von der Kohlebzw. Kokszur Ölfeuerung erleichterte das Handling, das sich durch die zunehmende Verfügbarkeit von Erdgas noch weiter vereinfachte. Die Spitze des Angebots ist in der Gegenwart die Nutzung der Wärmepumpe als Energiequelle (ggf. zusätzlich) und die energiesparende wie komfortable Organisation der häuslichen Wärme über das digitalisierte Smart Home. Fernheizung Die bisher berichteten Heizungssysteme waren auf konkrete Gebäude beschränkt, also von geringer Reichweite. Zwar wird schon im Jahr 1818 eine Beheizung von Gebäuden aus einer 270 m entfernten Heizzentrale berichtet. Als Ursprung einer „Fernheizung“ gilt jedoch die 1876 in New York errichtete dampfbasierte „Städteheizung“. 51 Im Jahre 1886 wurde erstmals ein Elektrizitätswerk mit einer Heizzentrale (Heizung mit direktem Dampf) verbunden. 1893 leitete das Hamburger Elektrizitätswerk probeweise 51 -Göbel,-F.‐W.,-in: --Z.-Sanitär‐Heizung‐Klima-(SBZ),-Ausgabe-18,-2012.- <?page no="82"?> 4 Geschichte des Energietransports 82 Dampf zum Heizen in das 300 Meter entfernte Rathaus. Um 1900 wurde diese Technik auch in Dresden eingesetzt und versorgte dort elf Gebäude mit Wärme. Andere Städte folgten. So begann 1921 die Stadt Barmen mit einer Fernheizung, deren Rohre längs der Wupper geführt wurden. Die Nachbarstadt Elberfeld schloss sich 1927 mit einer Wärmeversorgung aus ihrem Kraftwerk an. Die gleichzeitige Erzeugung von Strom und Wärme ist heute unter dem Kürzel KWK (Kraft-Wärme-Kopplung) bekannt. KWK wird in Kap. 7.2 ausführlich dargestellt. Hier muss genügen, dass durch die Erzeugung von Strom und Wärme innerhalb nur eines Industriebetriebes der Brennstoffbedarf deutlich gesenkt und die Wärme innerhalb eines Fernwärmenetzes für den Verbraucher günstig bereitgestellt werden konnte und kann. Mehr als 80 % der per Fernwärme in Deutschland bereitgestellten thermischen Energie werden heute innerhalb einer KWK-Anlage gewonnen. Die hier bereitgestellte Wärme wird meist über Wasserdampf oder Wasser weitergeleitet. Wasser, in welcher Form auch immer, bietet sich wegen seiner hohen Speicherkapazität von 4,2 kJ/ kg o K an. In jüngster Zeit setzt man vermehrt auf Heißwassernetze und sondert Dampfnetze allmählich aus, da diese deutlich risikoanfälliger sind. Über isolierte Rohrleitungssysteme wird das heiße Wasser unter Druck zu den Verbrauchern transportiert. Über eine Kompaktstation erfolgt dort die Wärmeübergabe in den Warmwasserkreislauf des Verbrauchers. In der Entwicklung der Fernwärme lassen sich vier Generationen unterscheiden: 52 ● Die erste Generation wurde erstmals ab 1876 in New York verwendet und fand anschließend auch in Europa Verbreitung. Die Systeme nutzten heißen, unter Druck stehenden Wasserdampf als Übertragungsmedium, der in vor Ort isolierten Stahlrohren übertragen wurde. Der Dampf wurde vorwiegend in mit Kohle befeuerten zentralen Kesseln und einigen wenigen Kraftwerken mit KWK erzeugt. Die Radiatoren in den Wohnungen arbeiteten mit hohen Temperaturen von 90 °C und mehr. Durch die hohen Dampftemperaturen waren die Wärmeverluste im Netz groß, zudem kam es zu Korrosion im Rücklauf, was die Energieeffizienz nicht gut aussehen ließ. Bis ca. 1930 kamen ausschließlich solche Fernwärmesysteme vor, z. B. in New York, auch in Paris. ● Die zweite Generation kam um 1930 auf und war bis in die 1970er Jahre die vorherrschende Technik. Die Systeme nutzten Druckwasser mit Temperaturen von zumeist über 100 °C, das in vor Ort isolierten Stahlrohren transportiert und durch zentrale Pumpstationen befördert wurde. Vor Ort wurden Radiatoren mit Heiztemperaturen von ca. 90 °C genutzt, die direkt oder indirekt gespeist wurden. Die Technik fand u. a. in großen Fernwärmesystemen der früheren Sowjetunion Anwendung. 52 -Vier-Kategorien-nach-http: / / www.wikipedia.org/ wiki/ Fernwärme,-Abruf-2.3.2019.- <?page no="83"?> 4 Geschichte des Energietransports 83 ● Die dritte Generation kam in den 1970er Jahren auf, anschließend wurden ab den 1980er Jahren die meisten Fernwärmesysteme auf diesem Stand aufgebaut und viele ältere Systeme umgerüstet. Technisch basiert dieses System ebenfalls auf Heißwasser, das zumeist aber weniger als 100 °C erreicht. Befördert wird das Wasser durch zentrale Pumpstationen. Die Transportrohre wie auch die meisten anderen Komponenten werden jedoch nicht mehr vor Ort isoliert, sondern vorgefertigt. Die Verteilstationen sind im Vergleich zu den Vorgängern kompakt gebaut und die Wärmeübertrager bestehen i. A. aus rostfreiem Stahl. In den Wohnungen kommen Radiatoren mit Heiztemperaturen von jetzt nur ca. 70 °C zum Einsatz, die direkt oder indirekt versorgt werden, z. T. auch als Fußbodenheizungen ausgelegt sind. Die Wärmeerzeugung findet in zentralen Heizkraftwerken mit KWK statt, in dezentralen Blockheizkraftwerken, auch in Müllheizkraftwerken und Biomassekraftwerken. Gelegentlich wird geothermische und solarthermische Energie als Ergänzung in solche Netze eingespeist. Hauptmotivation für den Aufbau war nach den Ölkrisen in den 1970er Jahren die Steigerung der Energieeffizienz sowie der Ersatz von Erdöl durch andere Energieträger wie Kohle, Biomasse und Müll. ● Die vierte Generation befindet sich derzeit in Vorbereitung und soll ab ca. 2020 großflächig zum Einsatz kommen. Sie ist hauptsächlich geprägt durch die Erfordernisse von Klimaschutz und nachhaltiger Energieerzeugung und -verwendung. In Dänemark war 2016 die Umstellung von der dritten auf vierte Generation bereits in Gang gebracht. Der gegenwärtige Stand der Fernheizung in Europa ist durch ein erhebliches Ungleichgewicht gekennzeichnet. Wie Abb. 4.5-3 anschaulich beschreibt, gibt es eine Konzentration der Anlagen in Osteuropa, insbesondere den Nachfolgestaaten der UdSSR, auch also in den Neuen Bundesländern. Die Situation in der Bundesrepublik ist dementsprechend nach Ost und West geteilt. Den Anteil der Fernwärme an der Heizungsversorgung von Wohngebäuden in Deutschland weist Abb. 4.5-4 mit rd. 14 % aus. Über weitere Einzelheiten gibt eine Untersuchung des Bundeskartellamtes aus dem Jahr 2012 für das vereinte Deutschland einen verlässlichen Überblick. 53 Das Bundeskartellamt hat seine Untersuchungen auf nach Leitungslängen gegliederte Netzkategorien gestützt, die einen guten Einblick in die Struktur deutscher Netze geben. Danach überwiegen die Netze mit geringen Reichweiten (< 1 km) bei weitem, s. Abb. 4.5-5. Danach handelt es sich im Wortsinn in der Mehrheit um "Nahwärme", anders, als der titelgebende Begriff Fernwärme es nahelegt. 53 -Bundeskartellamt-(Hg),-Sektoruntersuchung-Fernwärme,-Abschlussbericht,-August-2012.- <?page no="84"?> 4 Geschichte des Energietransports 84 - Abb.-4.5‐3: -Fernwärmesysteme-in-Europa-für-Städte-mit-mehr-als-5.000-Einwohnern; -Quelle: -Halmstad- University-(Schweden),-District-Heating-and-Cooling-- Abb.-4.5‐4: -Heizungsversorgung-für-Wohngebäude-in- der-BRD,-Stand-2010; -Quelle: -AGFW,--Energieeffizienz‐ verband-für-Wärme,-Kälte-und-KWK-e.-V.- - <?page no="85"?> 4 Geschichte des Energietransports 85 -- - - - - - - - - - Abb.-4.5‐5: -Netzkategorien-nach-Bundeskartellamt; -Quelle: -Bundeskartellamt,-Fernwärme,-Abb.-3- Im Rahmen der Untersuchung wurden knapp 1.500 wärmeerzeugende Anlagen für das Jahr 2007 sowie knapp 1.600 für das Jahr 2008 erfasst. Dabei wurde unterschieden nach Heizwerken, in denen ausschließlich Wärme erzeugt wird, und Heizkraftwerken, die sowohl Wärme als auch Strom in einem gekoppelten Prozess (KWK-Prozess) erzeugen. Heizwerke waren mit einem Anteil von 78 % (im Jahr 2007) bzw. 79 % (im Jahr 2008) an der Gesamtzahl der erfassten Wärmeerzeugungsanlagen der dominierende Anlagentyp. Bei den verbleibenden 22 % bzw. 21 % der Anlagen handelte es sich um KWK-Anlagen, die auch Strom abgaben. Das scheint zunächst ein Widerspruch zu den o. a. Branchenangaben, die auf ein weites Überwiegen von KWK-Anlagen hinausliefen. Die Erklärung ist wohl, dass zwar die reinen Wärmeerzeuger der Zahl nach am häufigsten sind, sie auch im Zeitrahmen des Berichtes den häufigsten Anlagentyp bilden, sie aber im Betrachtungszeitraum nur knapp ein Viertel der gesamten Wärme lieferten. 54 Dementsprechend entfielen mehr als drei Viertel der insgesamt produzierten Wärmemenge (brutto) von rund 58 TWh (2007) bzw. 60 GWh (2008) auf KWK-Anlagen, was die oben gemachten Angaben zum Überwiegen der KWK einigermaßen rechtfertigt. Die Einteilung in Klassen nach Abb. 4.5-5 sagt noch nichts, zumindest nichts Näheres zu den installierten Leitungslängen aus; dies ist in Abb. 4.5-6 für die sogenannten Großnetze (>100 km) nachgeholt, von denen für Deutschland insgesamt 38 ermittelt wurden. Die vom Bundeskartellamt betrachteten Fernwärmenetzgebiete wiesen eine Gesamtnetzlänge von 15.283 km im Jahr 2007 bzw. 15.535 km im Jahr 2008 auf. Die durchschnittliche 54 -Genau: -22-%-im-Jahr-2007-bzw.-23-%-2008.-- <?page no="86"?> 4 Geschichte des Energietransports 86 Netzlänge lag bei 14,5 km im Jahr 2007 bzw. 13,3 km im Jahr 2008, wobei die Bandbreite von wenigen 100 Metern bis über 800 km reichte. Die Angaben können als hinreichend vollständig und damit als repräsentativ gelten. - - - --Abb.-4.5‐6: -Leitungs‐ längen-der-Groß‐ wärmenetze; -Quelle: - Bundeskartellamt,-Fern‐ wärme,-Abb.-4- - In Fernwärmeanlagen wird das Heißwasser über die wärmegedämmten Rohrleitungen in einem geschlossenen Kreislauf geführt. Zur Vermeidung von Korrosionen und Härteausscheidungen auf den inneren Oberflächen der Medienrohre ist das im Kreislauf verwendete Wasser enthärtet. Das Heißwasser dient nicht nur der Sicherstellung der Raumtemperatur, sondern auch zur Erzeugung von Warmwasser, die über einen gesonderten Wärmetauscher angekoppelt wird. Hier muss zur Vermeidung einer Kontamination mit Legionellen eine Warmwassertemperatur von mehr als 60 °C dauerhaft aufrechterhalten werden. Je nach Mediumtemperatur, erforderlichem Durchfluss und statischen Erfordernissen kommen in der Gegenwart als Rohrleitungssysteme wärmegedämmte Kunststoffmantelverbundrohre, Stahlmantelrohre, Wickelfalzrohre und verschiedene flexible Rohrsysteme zum Einsatz. Übliche Vorlauftemperaturen sind 80 °C bis 130 °C , übliche Drücke liegen zwischen 16 und 25 bar (1,6 bzw. 2,5 Mpa). In den meisten untersuchten Fällen ist der Fernwärmekreislauf durch einen Wärmeübertrager hydraulisch vom nur thermisch gekoppelten Verbraucherkreislauf getrennt, nur in wenigen Fällen wird die Fernwärme direkt eingekoppelt, wie etwa für Großverbraucher. Insbesondere bei Wohngebäuden orientiert sich die Auslegung der Übergabestation nicht primär am Heizwärmebedarf, sondern am Wärmebedarf für die Warmwasserbereitung. Die Verlegung der Rohrleitungen erfolgt bei modernen Fernheizungen unterirdisch. Bei früheren Anlagen überwog die aufgeständerte Leitungsführung, s. als Beispiel die aus dem Jahr 1950 stammende Abb. 4.5-7. In den ehemaligen Ostblockstaaten war die oberirdische Leitungsführung aus Kosten- und Servicegründen bis in die Gegenwart gängig - mit charakteristischen, wenn auch wenig schönen Folgen für das Stadtbild, wie Abb. 4.5 8 am Beispiel Leipzig demonstriert. <?page no="87"?> 4 Geschichte des Energietransports 87 Abb.-4.5‐7: -Teil-des-aufge‐ ständerten-Fernwärmenetzes- in-St.-Pölten,-1950; -Quelle: - Fernwärme-St.-Pölten-/ -- Austria,-Werkphoto- - Abb.-4.5‐8: -Leitungsführung- einer-Fernheizung-in-Leipzig,- um-2010; -Quelle: -Heute-im-- Osten,-Dokumentation-MDR- Nah- und Fernwärmeprojekte zum Ausbau vorhandener Netze in Großstädten und zur Neuinstallation einer Nahwärmeversorgung sind in den kurz- und mittelfristigen Energieszenarien der jüngsten Zeit im Hinblick auf ihre Effizienz in die Diskussion gekommen. So kam eine Studie der FH Wolfenbüttel zu dem Ergebnis: ● An vielen Standorten sind Wärmenetze weder wirtschaftlich noch ökologisch vertretbar. 55 Möglicherweise haben sie nur noch für dicht besiedelte Mehrfamilienhausgebiete mit hoher Anschlussdichte längere Zukunftsaussichten. 55 -Wolff,-D.; -Studie-Einsatzgrenzen-und-Gestaltung-einer-zukünftigen-Fern‐-und-Nahwärmeversorgung,- FH-Wolfenbüttel,-2015.- <?page no="88"?> 4 Geschichte des Energietransports 88 Heatpipe, Wärmerohr Eine besondere Form des Wärmetransports wird durch die seit den 1940er Jahren bekannt gewordenen Heat Pipes 56 ermöglicht, in denen Verdampfungswärme transportiert wird. Das Prinzip dieser rein passiven Elemente zeigt Abb. 4.5-9. Abb.-4.5‐9: -Zur-Funktionsweise- einer-Heat-Pipe; -Quelle: VGB- Power-Tec-2009- -- Wärmerohre sind äußerst effiziente Wärmeübertrager, die bei kleiner treibender Temperaturdifferenz große Wärmestrommengen über mehr oder weniger große Entfernungen transportieren können. Sie haben verschiedenartige Anwendungen gefunden, beispielsweise zum Temperaturausgleich und zum Forttransport der Wärmedissipation in Satelliten, zum Kühlen und Isothermalisieren elektronischer Bauteile und Schaltungen und von elektrischen Komponenten und Geräten, zur isothermen Beheizung oder Kühlung chemischer Reaktoren, zur Realisierung isothermer Hohlräume in der Ofentechnik oder für Strahlungsnormale, u.v.a.m. Neben der Elektronik-Kühlung ist das wichtigste Anwendungsgebiet der Einsatz von Wärmerohr-Wärmetauschern zur Wärmerückgewinnung aus stoffgebundenen Abwärme-Strömen, in erster Linie heißen Gasen, zum Zweck der Heizwärme- oder Prozesswärmeerzeugung. 57 Wärmerohre können auf vielfache Weise in unterschiedlichen Geometrien als einzelne Elemente zu Heiz-, Kühl- und Isothermalisierungszwecken eingesetzt werden. Der typische Geometriebereich reicht von Miniaturstrukturen mit Durchmessern <1 mm bis zu großen Kammern mit Durchmessern von 1 m. In Japan werden Wärmerohre mit 150 m Länge hergestellt. Eine interessante und auch kommerziell bedeutsame Anwendung haben Heat Pipes in der Solartechnik gefunden, wo vollständige Wärmekollektoren aus einer Reihe von Heat Pipes zusammengesetzt werden, die am oberen Ende die abtransportierte Energien über einen Wärmetauscher an das Arbeitsmedium abgeben, s. Abb. 4.5-10. 56 -Gaugier,-R.-S.,-Heat-Transfer-Device,-US-Patent-2350348,-Dec.-1942-/ -June-1944.- 57 -Nach-Groll,-M.: -Wärmerohre-als-Bauelemente-in-der-Energietechnik,-o.-Ort-und-Jahr.- <?page no="89"?> 4 Geschichte des Energietransports 89 Abb.-4.5‐10: -Das-Innere- eines-solarthermischen- Kollektors-mit-Heat-Pipes; - Quelle: -Modell-Vitosol-200‐T,- SP2A-der-Viessmann-Werke- Eine etwas exotische Verwendung haben Heat Pipes bei der Verlegung der Alaska Pipeline gefunden, die 1975 bis 1978 errichtet wurde. Hier war das Problem zu lösen, dass das aus Transportgründen warmzuhaltende Öl den Permafrost-Untergrund zu stark aufheizen und damit Deformationen der Pipeline bis zur Zerstörung und zum Ölunfall auslösen könnte. Vertikale Heat Pipes sorgen nun dafür, dass der Untergrund gekühlt wird und damit stabil bleibt, s. Abb. 4.5-11. - Abb.-4.5‐11: -Heat-Pipes-- kühlen-den-Permafrost‐- Untergrund,-hier-die-- Wärmetauscher-am- jeweils-oberen-Ende; - Quelle: -Chase-Delatush,- University-of-Alaska-Fair‐ banks,-2015- Geothermie Geothermie ist das Verfahren der Nutzung von Erdwärme zur Wärmgewinnung und zur Stromerzeugung. Dabei wird ein Wärmestrom aus dem heißen Erdinneren kanalisiert und technisch nutzbar gemacht. Der Erdkern hat eine geschätzte Temperatur von 5000- 8000 °C; 99 % der Erdmasse haben eine Temperatur von über 1000 °C. Von dem verbleibenden einem Prozent der dem Menschen zugänglichen Erdhülle haben ca. 90 % eine Temperatur von z. T. deutlich über 100 °C. <?page no="90"?> 4 Geschichte des Energietransports 90 Die wirtschaftliche Nutzung dieser Wärme, d.h. eine Stromproduktion mittels Wasserdampfdruck, ist bislang auf nur einige wenige Gebiete beschränkt ist. Besonders bevorzugt sind hierbei - neben den etwa 500 aktiven Vulkanen - jene Gegenden mit ehemals vulkanischer Tätigkeit, denn erloschene Vulkane können ihre Wärme in der Tiefe über Millionen von Jahren halten. Hier besteht die Möglichkeit, in diese Gesteinsschichten Wasser hineinzupumpen, welches dann - als Dampf wieder austretend - Turbinen antreiben kann. Für die Beheizung von Wohnflächen reichen dagegen schon Bohrungen in heißwasserführende Schichten relativ geringer Tiefe. Hierbei hat sich 100 - 200 °C heißes Wasser gut bewährt, sogar über längere Zeiträume hinweg. Insbesondere dieser nassen Geothermalenergie wird neuerdings mehr Beachtung geschenkt, da die Heizkosten hierbei niedriger sind als bei Öl oder Kohle; zudem ist die Nutzung umweltfreundlich und wesentlich krisenfester. Zusätzlich lässt sich dem Erdreich aus Tiefen zwischen 15 m und 200 m mittels Erdwärmesonden, Grundwasser-Wärmepumpen und Erdwärmekollektoren nutzbare Wärme entziehen. Die Raumluftkonditionierung durch Erdwärmetauscher wurde in Deutschland seit Ende der 1980er Jahre in mehreren Pilotprojekten untersucht und anschließend kommerziell umgesetzt. Die ersten Spuren der Geothermie finden sich vor über 2000 Jahren v. Chr. in den Liparischen Inseln in Italien, wo man warmes Wasser aus natürlichen Quellen für Thermen benutzte. Beispiele für solch frühe Nutzungen der Geothermie finden sich auch in China, wo vor ca. 2.000 Jahren die heißen Quellen von Huaquingchi einem Bade- und Behandlungszentrum der Qin-Dynastie dienten. Die Thermalquellen von Ziaotangshan bei Peking waren etwa 800 Jahre bei der kaiserlichen Familie und hohen Würdenträgern der Ming- und Qing-Dynastien beliebt. In Japan wurden in der Nähe von heißen Quellen und Vulkanen prähistorische Siedlungen gefunden, in denen das heiße Wasser zum Heizen und Kochen und wohl auch zum Baden genutzt wurde. Die Nachweise reichen zurück bis in die dritte Eiszeit - 15 oder 20.000 Jahre v. Chr. Das gilt als die erste Form der Nutzung geothermischer Energie. Im Europa des Mittelalters findet man dagegen Nutzungsnachweise erst etwa ab dem Jahr 1330, und dies speziell in Frankreich. Dort ist man stolz auf die Thermalquelle von Par in den südlichen Ausläufern der Auvergne bei Chaudes-Aigues, die mit ihren 82 °C als die heißeste in Europa gilt. Ab 1330 ist dort ein Netzwerk nachgewiesen, das Warmwasser an einige Häuser verteilte, und für dessen Instandhaltung die lokalen Feudalherren eine Steuer erhoben. Das warme Wasser wurde hier nicht nur für den privaten Bedarf genutzt, sondern auch für einfache gewerbliche Tätigkeiten, wie das Waschen von Wolle und Fellen. Etwa zur gleichen Zeit wurden in Italien, in der Nähe von Volterra in der Toskana, sogenannte Lagoni (kleine Teiche mit Brackwasser, gespeist mit heißem Dampf von über 100 °C) für das Extrahieren von Schwefel, Vitriol und Alaun verwendet. Im Mittelalter und auch noch danach beschränkte man sich auf solche Oberflächenfunde. Erst im 19. Jahrhundert setzte eine systematische Nutzung ein. Im Jahre 1818 begann der Franzose F. J. DE LARDEREL <?page no="91"?> 4 Geschichte des Energietransports 91 mit den „bedeckten Lagoni“ (Abb. 4.5-12) einen chemischen Betrieb, der zur Entstehung eines Dorfes führte, das seither seinen Namen trägt. Abb.-4.5‐12: -"Bedeckte-Lagoni",-eine-Technik,-die-den- Dampf-sammelt-und-dann-Dampfmaschinen-antreibt,- um-das-Warmwasser-zu-pumpen; -Quelle: -Il-Museo-della- Geotermia-di-Larderello- Erst Im zwanzigsten Jahrhundert beginnt die Produktion von elektrischer Energie aus thermalen Quellen, auch wegen des wachsenden Interesses an erneuerbaren Energien. In Larderello erzeugte ein geothermisches Kraftwerk erstmals im Jahr 1904 Strom. Prinz GI- NORI CONTI schaltete symbolisch fünf Glühbirnen an und kündigte für das Folgejahr den Bau des ersten experimentellen 20 kW liefernden Geothermiekraftwerks an. Die erste moderne Fernwärmeversorgung, die durch Geothermie versorgt wird, wurde in Reykjavik (Island) im Jahr 1930 installiert und später durch weitere Anlagen bis zur Gegenwart ergänzt, s. als Beispiel Abb. 4.5-13. In der Folge entstanden Netzwerke mit Erdwärme in Frankreich, Italien, Ungarn, Rumänien, USSR, Türkei, Georgien, China, USA. - - - Abb.-4.5‐13: -Das-Nesjavellir‐Geothermie‐Kraftwerk- in-Þingvellir,-Island-2006; -Quelle: -Gretar-Ívarsson,- Geologe-bei-Nesjavellir- Die weltweite Produktion von Erdwärme wurde in den 1970er Jahren durch die Ölkrisen und die Bemühungen der Entwicklungsländer um die Nutzung einer nationalen Ressource angetrieben. Die installierte Kapazität weltweit stieg von 400 MW im Jahr 1960 auf 8.000 MW am Ende des Jahrhunderts. Die erste geothermische Anlage in Deutschland ging im Jahr 1984 in Waren an der Müritz in Betrieb. Sie versorgt heute 1.800 Haushalte mit Wärme. Derzeit ist der Anteil an Leistung, die durch Geothermie erzeugt wird, auf 15 GW beschränkt, was 1 % des globalen Energiebedarfs darstellt. Dennoch - mit dem Interesse, das das letzte Jahrzehnt erneuerbaren Energien entgegenbringt, könnten sich die Zahlen schnell und erheblich ändern. <?page no="92"?> 4 Geschichte des Energietransports 92 Die Nutzung der Tiefengeothermie hat in Deutschland ihren Schwerpunkt in der Zulieferung von Wärme an Fernwärmenetze. 58 Aus 23 Anlagen wurden 2016 rund 815 GWh Wärmeenergie übergeben. Die Nutzung der geothermischen Energie zur Wandlung in Strom erfolgte im gleichen Jahr an 8 Standorten, wobei überwiegend ein- und zweistufige ORC (Organic Rankine Cycle)- Kraftwerke oder Kalina-Anlagen zum Einsatz kamen. Die Stromerzeugung stellte an den meisten Standorten eine Ergänzung zur Wärmebereitstellung dar, d. h. die Kraftwerke waren dort wärmegeführt. Eine reine Stromerzeugung war nur an 3 Standorten realisiert. Die elektrische Anlagenkapazität belief sich 2017 auf ca. 40 MW el und stellte 2016 etwa 174 GWh bereit. 59 Anders stellt sich die Situation für die oberflächennahe Geothermie dar, deren Schwerpunkt die Gewinnung von Erdwärme mithilfe von Erdwärmeanlagen (Wärmepumpen) aus maximal 400 m Tiefe ist. Der Absatz von Wärmepumpen ist zwar über die letzten Jahre schwankend gewesen, aber mit zum Beispiel rd. 23.000 im Jahr 2017 doch recht hoch. Insgesamt liegt die Zahl der in Deutschland installierten Erdwärmepumpen bei rd. 370.000 - eine beeindruckend hohe Zahl gegenüber den rd. 30 Tiefengeothermieanlagen. Ihre installierte Leistung liegt bei 4.300 MW, was etwa 4 - 5 großen Kraftwerken entspricht. Anders als die Tiefengeothermie ist die oberflächennahe Erdwärmegewinnung weitgehend akzeptiert. Dies gilt zumindest für geringe Teufen. Geht man tiefer, können unter besonderen Umständen Schäden im Untergrund auftreten. Die war etwa der Fall in Staufen, wo seit einer 70-Meter-Bohrung im Jahr 2008 der Boden aufquillt, mit geschätzten Gebäudeschäden von 50 Mio. Euro. Chemische Energie Chemischer Energietransport umfasst ein breites Spektrum von Energieträgern. Holz als Brennstoff, Kohle zur Verhüttung und als Brennstoff, Petroleum bzw. Öl zur Beleuchtung und später als Brenn- und Treibstoff, Gas zur Beleuchtung und als Brenn- und Treibstoff - die Aufzählung charakterisiert die zentrale Stellung dieses Kapitels. Holz Die Nutzung des Holzes als Brennstoff geht weit zurück, bis zur Nutzbarmachung des Feuers im Paläolithikum. Im Neolithikum besaß der Mensch dann schon eine Feuertechnik, die ihm Transport, Aufbewahrung und Nutzbarmachung ermöglichte. Der verwendete Rohstoff fand sich in der unmittelbar umliegenden Natur, von systematischer Gewinnung und Transport war noch lange nicht die Rede. Die griechische und römische Antike verwendete dann umfangreich Holz als Brennstoff für den häuslichen Bereich, also zum Kochen und Heizen, in relativ einfachen Öfen, aber auch in den anspruchsvolleren Hypokaustenanlagen (s. Kap. 4.5.1, Heizungsanlagen). Die meist für das Kochen verwendete Form war die der Holzkohle (anthrax im Griechischen, carbo bei den Römern), weil sie 58 -Angaben-des-Bundesverbandes-Geothermie-e.-V.-für-das-Jahr-2017.- 59 -Aus-dem-Positionspapier-des-Bundesverbandes-Geothermie-e.-V.-(BVG)-zum-7.-Energieforschungs‐ programm-des-Bundesministeriums-für-Wirtschaft-und-Energie-(BMWi),-2017.-- <?page no="93"?> 4 Geschichte des Energietransports 93 langsamer brannte, weniger Rauch entwickelte und leichter über Fächer oder Blasebälge zu regeln war. 60 Holzkohle wurde in der Antike auch gebraucht für Metallschmelzöfen, da sich mit ihr hohe Temperaturen (nach LANDELS bis 1500 Grad) erreichen ließen. Da sich nur bestimmte Hölzer (Steineiche, Buche) für die Köhlerei eigneten und deren Meiler von den Verwendungsstätten wegwanderten, dürfte erstmals die Transportfrage aufgekommen sein und Holzkohle damit zu einem durchaus teuren Brennstoff gemacht haben. Salzgewinnung ist von den meisten Zivilisationen des Altertums bezeugt. Schon die Sumerer und Babylonier nutzten Salz zur Konservierung von Lebensmitteln. Salz blieb über Jahrtausende hinweg ein wichtiges Wirtschaftsgut. Im sonnenreichen antiken Mittelmeerraum war die Gewinnung aus dem Meer naheliegend. Nördlich entwickelte sich der Trockenabbau von Steinsalz und damit die auf Brennholz angewiesenen Salzsiederei. Eines der ältesten Salzbergwerke befindet sich in Wieliczka in Polen, eine Salzsiederei gab es dort seit 3500 v. Chr., unterirdischen Abbau seit dem 13. Jahrhundert. Aus der Bronzezeit gibt es Hinweise auf Salzabbau in Hallstatt im Salzkammergut. Der konkurrierende Nassabbau geht auf die Jungsteinzeit und die Bronzezeit zurück, als im heutigen Sachsen- Anhalt Salz aus der Sole gewonnen wurde. In der Eisenzeit (Hallstattzeit) bestanden Salinen an zahlreichen Solequellen und an den Küsten. Wichtigste Standorte in Deutschland waren: Halle an der Saale, Bad Nauheim, Schwäbisch Hall, Werl (bei Dortmund). Kernprozess der Salzgewinnung war das Sieden. Hierfür wurden große, von unten beheizte Pfannen benutzt, die zunächst aus Ton oder Keramik, seit dem frühen Mittelalter aus Metall bestanden und mit den „Pfännern“ eine eigenen Berufsstand hervorbrachten. Die Pfannen wurde im Lauf der Jahrhunderte immer größer - „In alpenländischen Salinen standen im 17. und 18. Jahrhundert Pfannen mit 18 Meter Durchmesser und darüber.“ 61 Dem Sieden selbst wurden schließlich zur Einsparung von Brennstoff Prozesse vorgeschaltet, die der Anreicherung der Sole dienten, die selten eine Konzentration von 20 % erreichte und meist deutlich darunter lag. Seit dem 16. Jahrhundert geschah dies in den mit Strohmatten arbeitende sogenannten Leckwerken, später dann mit der Schwarzdorngradierung, die in den noch heute sichtbaren Bauten der Gradierwerke ablief. Abgesehen von der Gewinnung aus dem Meer war für die verschiedenen Verfahren ein hoher spezifischer Energiebedarf typisch. Aber auch die Menge an produziertem Salz war erheblich. Allein für Lüneburg, der bedeutendsten Saline des Nordens, stieg im 13. Jahrhundert der Jahresertrag an Salz auf 15-16.000 Tonnen und der Verbrauch an Holz stieg mit. 62 Schätzungen aus späterer Zeit kommen im Mittel auf 1: 100 als Relation von kg Salz zu Raummeter Holz. 63 Die Folge waren umfangreiche Rodungen, die zu Holzverknappung und in der Folge zu beträchtlichem Holzhandel führten. Die These, dass hierauf die Entstehung der Lüneburger Heide zurückzuführen sei, gilt inzwischen zwar als widerlegt - jedoch bleibt es auf- 60 -Landels,-Technik,-S.-36.- 61 -Troitzsch,-U.,-in: -Propyläen-TG,-Bd.-Mechanisierung-und-Maschinisierung,-S.-82.- 62 -Ludwig,-K.H.,-in: -Propyläen-TG,-Bd.-Metalle-und-Macht,-S.-168f.- 63 -Ludwig,-Metalle-und-Macht,-S.-178,-korrigiert.- <?page no="94"?> 4 Geschichte des Energietransports 94 grund der aufgefundenen Lieferscheine bei weiten, umfangreich genutzten Transportwegen und -mengen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass Holz auch als Werkstoff und nicht nur als Brennholz Verwendung fand. Die Holznot brachte die mittelalterliche Gesellschaft an sozial umkämpfte Grenzen der Waldnutzung, verstärkte sich im ausgehenden Mittelalter noch aufgrund der expandierenden gewerblichen Nutzung von Brennholz v.a. im Bergbau (Metalle, Salz) und in der protoindustrieller Produktion (RADKAU) 64 . Das führte zur Verlängerung der Transportwege und zur steigenden Bedeutung des Holzhandels. Die fortschreitende Nutzung der Kohle und ihrer Derivate war dann ein wesentliches Merkmal der Industrialisierung vom 17. bis zum 19. Jahrhundert. Damit war die Nutzung von Holz als Brennstoff bis auf Nischen (z. B. Hausbrand) praktisch beendet, wogegen Holz als Werkstoff parallel eine weiter steigende Bedeutung erhielt, die in Teilen der Bedarfsdeckung bis heute andauert. Der Transport des Holzes ging im Allgemeinen nicht über Land, sondern bediente sich zumeist des Wasserweges, zum Teil in für diesen Zweck neu gebauten Kanälen, oder, wo es notwendig war, der Holztrift. Bei dieser Transportart, typisch für die Oberläufe der größeren Flüsse, werden die Stämme einzeln „getriftet“, im Gegensatz zur Flößerei, die in größeren, verbundenen Einheiten ablief und in waldreichen Ländern heute noch abläuft. In den Bergen wurden Klausen errichtet, um genügend Wasser für die Trift anzustauen. Abb. 4.6-1 gibt ein anschauliches Bild einer solchen Anlage im heutigen Zustand. Die Flößerei diente dem Weitertransport, sobald es die Gewässer zuließen. Sie dürfte erst im Hohen Mittelalter an Bedeutung gewonnen haben. Das Transportgut - Baumstämme, Balken und Bretter - wurde zu eigenständigen Fahrzeugen (Floßtafeln, Gestören, Gestößen) zusammengefügt. Zusammengehalten wurden diese durch „Wieden" (seilartig verdrehte Schösslinge von Weiden, Haseln, Buchen usf.) und durch mit hölzernen Nägeln angeschlagene Holzriegel („Wegspangen"). Gesteuert wurde mit Rudern, die am vorderen und hinteren Ende angebracht waren und mit Stangen, die am vorderen Ende einen eisernen Widerhaken trugen. Eine Floßtafel konnte drei bis zehn Meter breit und 15 bis 25 Meter lang sein. Auf großen Flüssen wurden mehrere Floßtafeln zu einem Verband (Floßtrain, Fuhr) von oft beträchtlicher Länge zusammengestellt. Abb.-4.6‐1: -Alte-Triftklause,-im-unteren-Bereich-des- Hinteren-Kraxenbachtals,-Ruhpolding; -Quelle: -Privat‐ photo-J.-Köhler- 64 -Radkau,-J.: -Holz---wie-ein-Naturstoff-Geschichte-schreibt,-München-2012,-S.-133ff.- <?page no="95"?> 4 Geschichte des Energietransports 95 Die Zahl der auf einem Floß oder einem Floßtrain beschäftigten Flößer schwankte zwischen 2 und ca. 20. Am Bestimmungsort (etwa im Rheindelta, am Unterlauf von Weser oder Elbe, vor allem in den vielen an Flussufern wachsenden Städten mit ihrem enormen Bedarf an Bau- und Brennholz) wurden die Flöße zerlegt und das Holz verkauft. Die Flößer reisten dann zu Fuß in ihre Heimat zurück. Dem Volumen nach rangierte die Flößerei auf der Donau samt ihren Nebenflüssen vor der auf allen anderen Fluss-Systemen Europas. Geflößtes Bau- und Brennholz unterlag dem Marktrecht (s. Stapelrecht) wie andere Waren auch. Der Verdienst aus der Beförderung von anderem Transportgut und von Fahrgästen kam zum Holzerlös hinzu. Um das holzfördernde System vom Wald bis zur städtischen Floßlände zu betreiben und instandzuhalten, bildeten sich verschiedene Holzgewerbe, vom Waldhauer bis zum Floßführer. Trift und Flößerei waren zwar von regionalen Bedingungen unterschiedlich geprägt, stets jedoch mit schwerer Arbeit, oft mit Gefahr verbunden. 65 Für die Flößerei wurden in Mitteleuropa praktisch alle schiffbaren Flüsse genutzt, wenn auch in unterschiedlicher Intensität und nicht unbedingt zeitsynchron. Ein Höhepunkt wurde um die Mitte des 19. Jahrhunderts erreicht, als auf der Donau und ihren Zuflüssen Loisach, Isar, Inn und Iller jährlich über 5000 Flöße gezählt wurden. Wegen des Ausbaus des Schienen- und Straßennetzes wurde die Flößerei gegen Ende des 19. Jahrhunderts weitgehend eingestellt. So fuhr das letzte Floß auf dem Neckar 1899 durch Tübingen. Etwas länger dauerte es am Rhein; dort waren nach 1945 noch sporadisch Flöße unterwegs. 1967 wurde hier die Flößerei gänzlich eingestellt. Auf der Weser kam die Flößerei Mitte der 1950er Jahre praktisch zum Erliegen, jedoch passierten noch 1964 sechs Flöße die Schleuse in Hameln. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts haben dann Straße und Schiene endgültig den Holztransport übernommen, oft in Kooperation miteinander, wie Abb. 4.6-2 demonstriert . Abb.-4.6‐2: -Holztransport-in-der-- Gegenwart; -Quelle: -Arbeitsgemeinschaft- DREHSCHEIBE-e.-V.,-Köln- 65 -Absätze-Flößerei-teilweise-übernommen-aus-Flößerei,-in: -Mittelalter‐Lexikon,-Prepedia-‐-Gemein‐ schaft-zur-Erhaltung-Freien-Wissens,-o.-J.-- <?page no="96"?> 4 Geschichte des Energietransports 96 Kohle Der Gebrauch von Steinkohle in der Antike ist nur sporadisch nachgewiesen. Bergbau ist sehr wohl häufig und in verschiedenen Kulturkreisen bis hin zu China überliefert - aber es war Bergbau auf Gold, Silber, Kupfer und andere Metalle. In der römischen Kaiserzeit hatte die Provinz Britannien mit dem Gebrauch von Steinkohle eine Sonderstellung; sie wurde in den Distrikten von Mendip und Pentre auch für die Bleischmelze verwendet, 66 während die Metallschmelze an den übrigen bekannten Orten auf Holz und Holzkohle gegründet war. Im frühen Mittelalter ist Steinkohleabbau erstmals für das Jahr 1095 für das Kloster Saint Sauveur en Rue in der französischen Grafschaft Forez bezeugt (WILSDORF). Für England ist der Beginn für das 12. Jahrhundert anzusetzen. Im Gebiet von Newcastle haben damals Mönche systematisch nach Steinkohle gegraben. Auch aus der Gegend von Lüttich liegen frühe Nachrichten über Steinkohlenbergbau vor, wo Abbau von 1198 an nachgewiesen ist. In Deutschland kommen die ersten belegten Nachrichten im 12. Jahrhundert aus dem Aachener Kohlenrevier, wo ab 1113 Mönche aus der Abtei Klosterrath bei Herzogenrath Kohlen abgebaut haben. Hier diente die Kohle wohl nur dem Zweck der Raumheizung. Rein quantitativ erreichten die Engländer im 13. Jahrhundert in der Steinkohleförderung einen Vorsprung, wogegen im Aachener Revier weniger, dafür aber schwefel- und aschearme Kohle gewonnen wurde. All dies ändert jedoch nichts daran, dass Holz und Holzkohle auch noch im 14. Jahrhundert mit dem Übergang zum Hochofen und dem Frischfeuer die bevorzugten Brenn- und Reduktionsstofffe bei der Eisengewinnung blieben. Das änderte sich auch nicht im 16. Jahrhundert, in der Zeit und Berichterstattung AGRICOLAS. An der Ruhr war die Steinkohle sicher schon seit 1000 n. Chr. bekannt, ihre Nutzung erfolgte jedoch erst deutlich später. Zunächst waren es einfache Gruben, in denen die Bauern „Kohlengräberei“ betrieben, wenn die Landwirtschaft saisonbedingt ruhte. Für die Zeit nach 1230 existieren umfangreichere Belege für die weitere Entwicklung. Im Jahr 1350 waren Tiefen von 120 m erreicht, um die Mitte des 15. Jahrhunderts dann 200 m. Die Technik dahinter lieferte der schon weiter entwickelte und etablierte Erzbergbau. Problematisch war der Transport der Kohle. Pferde konnten größere Mengen nur mit Mühe ziehen, und erst im späten 14. Jahrhundert wurden größere Kohlemengen per Schiff transportiert ein Transportweg, der von der Salzgewinnung her vertraut war. Der Kohlebergbau hatte mit den gleichen Schwierigkeiten wie der Erzbergbau zu kämpfen, insbesondere mit der Wasserhaltung. Die hierfür notwendige Technik war zwar im Erzbergbau vorhanden, wurde an der Ruhr jedoch zunächst nur in vereinfachter Form praktiziert. Ein Beispiel sind die neben den Stollen geführten Wassergräben, die im 15. Jahrhundert südlich der Ruhr für die märkische Region nachgewiesen sind. Mit dem Ende des Mittelalters erlebten Wirtschaft und Handel in ganz Europa einen erheblichen Aufschwung. Die Produktion stieg, vor allem in England, wo der Bergbau von 66 -Wilsdorf,-H.,-Kulturgeschichte-des-Bergbaus,-Essen-1987,-S.-75.- <?page no="97"?> 4 Geschichte des Energietransports 97 etwa 1550 an eine Konjunktur erlebte und auch neue Anwendungsfelder für die Kohle fand. Der Trend erfasste auch Deutschland bzw. seine kohleführenden Gebiete. Ein Beispiel ist das Salinenwesen, das zunehmend Steinkohle anstelle des teuer gewordenen Holzes nutzte, nachgewiesen etwa für Unna. Ein anderes Beispiel ist die Verwendung der Kohle für die Kalkbrennerei im Raum Osnabrück. Etwa von 1750 an ging die preußische Verwaltung die Transportprobleme des Ruhr-Bergbaus effektiver an. Die Ruhr besaß im 18. Jahrhundert bereits eine größere Anzahl von Staustufen, die von Mühlenbesitzern, Fischern und Fabrikanten angelegt worden waren. 1735/ 36 hatte Bergrat DECKER empfohlen, den Fluss schiffbar zu machen und für den Kohletransport zu nutzen. 1749 erteilte dann die preußische Regierung eine Konzession, die die Schifffahrt erlaubte. Sie galt, rechtlich verständlich, nur für den preußischen Landesbereich. Die unterschiedlichen Interessen der Länder erlaubten jedoch erst ab 1776 eine Umsetzung. Insgesamt entstanden 16 Schleusen, die letzte im Jahr 1780. Die Schleusenkammern waren auf 45 m × 5 m genormt und erlaubten damit den Transport durch die „Ruhraaken“, die meist 35 m Länge hatten. Damit war die Schiffbarkeit der Ruhr für die Zwecke des Kohletransportes sichergestellt - - - -- Abb.-4.6‐3: -Stollenbergbau,-Kohleverla‐ dung-und-Treidel-an-der-Ruhr; -Quelle: -Ar‐ beitskreis-Mülheim-an-der-Ruhr,-Bergbau- in-Mülheim-an-der-Ruhr,-2018,- http: / / bergbau‐muelheim.de/ wp‐con‐ tent/ uploads/ 2014/ 05/ Stollenbergbau- -- Die 74 Kilometer lange Fahrt flussabwärts dauerte 2 Tage; flussaufwärts wurden die Schiffe getreidelt. Ein anschauliches Bild liefert Abb. 4.6-3. Auch Uferwege und Straßen wurden angelegt, ebenso Kohle-Lagerplätze. Die Rechte der Bergbau-Unternehmer wurden vertraglich festgelegt, ebenso wie der Abbau, die Löhne, die Arbeitszeit und die Verkaufspreise. Das schaffte zunächst Sicherheit: Zwischen 1735 und 1791 vervierfachte sich die Förder- und damit auch die Transportmenge. Andererseits schränkte der strenge staatliche Dirigismus die Handlungsfreiheit der Unternehmer auf Dauer stark ein. <?page no="98"?> 4 Geschichte des Energietransports 98 In diesen Zusammenhang gehört auch der Rauendahler Kohlenweg, der als der erste Schienenweg Deutschlands gilt. Die Strecke wurde bereits 1787 benutzt, also 48 Jahre vor der Bahn Nürnberg-Fürth. Schienen waren in Deutschland eine technische Neuerung, die über Bergrat EVERSMANN von englischen Vorbildern übernommen wurde. Schwierigkeiten bereitete bereits ihre Herstellung, die schließlich von der „Gute Hoffnungs Hütte“ in Sterkrade übernommen wurde. Dort wurden die Schienen mit Hilfe eines speziell hierfür errichteten Temperofens produziert und anschließend über die Ruhr angeliefert. Auf der Strecke fuhren hölzerne Wagen, Abb. 4.6-4, die die Kohle der Zechen Dickebücherbank, Nockerbank, Johann Friedrich und St. Matthias bergab zur Ruhr transportierten. Die entladenen Wagen wurden zurück bergauf mit Pferden gezogen. - - - - Abb.-4.6‐4: -Die-Kohlenwagen-des-Rauendahler- Kohlenwegs,-Replik; -Quelle: -Privatphoto-Stahlkocher- Wesentliche Impulse für die Steinkohle stammten aus ihrem im 18. Jahrhundert erweiterten gewerblichen Nutzungsspektrum. In England gelang 1716 A. DARBY die Eisenerzverhüttung mit „coaks” und TH. SAVERY, TH. NEWCOMEN und J. WATT erschufen im Zeitraum 1698 bis 1784 die universell einsetzbare Dampfmaschine, deren Arbeitsprinzip die Umwandlung von chemischer in potenzielle Energie (zur Wasserhaltung) und in Rotationsenergie (zum Betrieb von Maschinen) war. Den ersten Experimenten zur Verkokung folgte rasch die breite Umsetzung: ab 1740 wurden in England Hochöfen mit Kohle beschickt, 1796 wurde ein erster Hochofen mit Koks in Deutschland angefahren. 67 Die allgemeine Verbreitung der Dampfmaschine, die im 18. Jahrhundert zunächst in der Wasserhaltung eingesetzt wurde, war dann eine Sache des frühen 19. Jahrhunderts. 1827 schätzte man die Zahl der Dampfmaschinen in England auf 15.000. 68 1836 erstellte man in Preußen die erste deutsche Dampfmaschinenstatistik, und zwar für den Regierungsbezirk Düsseldorf. Nach einer nicht ganz vollständigen Statistik des Jahres 1846 gab es etwas später im Zollverein 1518 Dampfmaschinen. 1861 war die Zahl bereits auf 8695 Stück gestiegen. England war, wie hinlänglich bekannt, der Vorreiter der Industrialisierung, Deutschland folgte mit einem Verzug von 30-40 Jahren nach. 67 -Im-oberschlesischen-Gleiwitz,-erst-1849-im-Ruhrgebiet.- 68 -Miszelle-3,-in: -Polyt.-Journal-Bd.-24,-1827,-S.-464.- <?page no="99"?> 4 Geschichte des Energietransports 99 Mit der Möglichkeit, die Dampfmaschine auch mobil zu verwenden, folgte dann die dritte Voraussetzung der industriellen Revolution. Im englischen Kohlebergbau waren bis zum Jahr 1800 rd. 480 km Schienenwege zum Transport von Kohle von den Zechen zu Flüssen und Häfen erbaut, betrieben als Pferdebahn. 1801-1808 folgte dann die wenig erfolgreiche Konstruktion erster Dampflokomotiven durch TREVITHICK, bis in den 1810er/ 1820er Jahren die Weiterentwicklung, v. a. in den Kohlegruben von Nordostengland, insbesondere durch den Grubenmechaniker G. STEPHENSON gelang. Die Zeit der dampfbetriebenen und damit kohlebasierten Eisenbahn begann 1830, mit der Eröffnung der Strecke Liverpool-Manchester. Die Eisenbahn hat für das Thema Energietransport eine doppelte Bedeutung: einerseits wurde und wird sie selbst für Kohletransporte benutzt, andererseits ist jede Lokomotive einschließlich des notwendig mitgeführten Kohletenders unabhängig vom Transportzweck ein Beispiel chemischen Energietransports. Der Eisenbahn und ihrer weiteren Entwicklung ist deshalb in dieser Konsequenz weiter unten ein gesondertes Unterkapitel gewidmet. Alles zusammengenommen, hatte sich damit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Kohle einschließlich ihrer guten Transportfähigkeit zu einem Schlüsselfaktor von Technik und Wirtschaft entwickelt - sie wurde zum „Brot der Industrie“ (LANDELS). Abb.-4.6‐5: -Entwicklung-der- Kohleförderung-im-Rhei‐ nisch‐Westfälischen-Kohlen‐ becken-während-des-19.- Jahrhunderts; -Quelle: -Grafik- Hogenberg,-Daten-in: - Kohleförderung,-Brockhaus- Konversationslexikon,-14.- Auflage,-1894‐1896- Das wird auch am Beispiel der deutschen Fördervolumina deutlich. Ihr schnelles Wachstum zeigt sich beispielhaft im Jahresvergleich 1839/ 1853: 1839 1 Mio. Tonnen 1853 2 Mio. Tonnen Die Steinkohle hatte sich etabliert und war als Energielieferant für die Industrie und speziell auch für die Stahlerzeugung unverzichtbar geworden - noch spielte die Bahn im Verbrauch quantitativ keine Rolle. Abb. 4.6-5 gibt einen Überblick über den gesamten Zeitraum. Gewissermaßen als Fußnote der Geschichte sei JEVONS Paradoxon erwähnt. JEVONS wunderte sich in seinem 1865 erschienenen Buch The Coal Question darüber, dass Englands Kohlenverbrauch nach der Einführung von WATTS kohlebefeuerter Dampfmaschine anstieg, obwohl sie sehr viel effizienter war als TH. NEWCOMENS frühere Variante, s. Abb. 4.6-6. <?page no="100"?> 4 Geschichte des Energietransports 100 - - Abb.-4.6‐6: -Entwicklung-des- englischen-Kohleverbrauchs-und- Entwicklung-der-Dampfmaschine; - Quelle: -W.-St.-Evans,-ergänzt- nach-http: / / www.wikipedia.org/ - wiki/ Jevons,-The-Coal-Question‐ ing- - Die Auflösung des scheinbaren Widerspruchs: WATTS Neuerungen machten aus Kohle eine kostengünstigere Energiequelle, und das hatte eine steigende Verbreitung seiner Dampfmaschine in vielen und auch neuen Anwendungsbereichen zur Folge. Insgesamt war die Konsequenz ein erhöhter Kohlenverbrauch, obwohl zugleich der Verbrauch jeder einzelnen Anwendung sich verringerte. Exkurs: Ausbau der Flüsse und Kanäle Für den Transport der Kohle bot sich vor der Verfügbarkeit geeigneter Eisenbahnlinien vor allem der Ausbau der Flüsse und Kanäle an, wie oben am speziellen Beispiel der Schiffbarmachung der unteren Ruhr bereits dargestellt. Der Blick muss hier jedoch weiter gehen: Im Zeitraum von 1700 bis 1850 erfolgte einerseits ein großzügiger Ausbau der Flüsse. Parallel begann auch in Deutschland eine erste Ära des Kanalbaus. Mit dem Ausbau und Neubau der Wasserstraßen änderten sich auch die Standortbedingungen für die Industrieproduktion; Kohle und Erz wurden mobil, ebenso die hergestellten Produkte. Im Einzelnen entstanden:  Finowkanal, der älteste noch befahrbare Kanal in Deutschland, erbaut 1605 bis 1620.  Friedrich-Wilhelm-Kanal von Neuhaus an der Spree bis zur Oder bei Frankfurt (Oder), 1663 bis 1693 gebaut. Er war die erste künstliche Verbindung zweier großer Stromsysteme (von Oder und Elbe) in Europa.  Oderverkürzung von 822 km auf 635 km durch Wasserbauarbeiten zwischen der Olsamündung und Hohensaaten, ausgeführt 1736 und 1896.  Baubeginn des Plauer Kanals 1743, nach dem Ersten Weltkrieg zum Elbe-Havel-Kanal ausgebaut.  Bromberger Kanal (polnisch Kanał Bydgoski), Errichtung 1773 bis 1774. <?page no="101"?> 4 Geschichte des Energietransports 101  Rheinbegradigung, 1817 unter Leitung von J. G. TULLA begonnen, vorläufige Beendigung 1876. Das erste Dampfschiff befuhr den Rhein 1823.  1839 begann auf dem Rhein die Schleppschifffahrt mit jeweils drei bis vier kleinen Schleppkähnen von Rotterdam nach Emmerich. Hier wurden die Züge wegen der rheinaufwärts stärkeren Strömung aufgeteilt. Nach 1846 konnte nach Erhöhung der Schlepperleistung die Anzahl der Schleppkähne auf zehn erhöht werden, mit dann schon einer Transportleistung von rd. 2.000 t / pro Schleppverband. Mit dem Aufkommen der Eisenbahn als Transportmittel schien zunächst der weitere Ausbau der Flüsse und der Bau neuer Kanäle gestoppt. Hiergegen machte der 1869 gegründete „Zentralverein zur Hebung der deutschen Fluß- und Kanalschiffahrt“ Front. Und tatsächlich trat mit der Gründung des Deutschen Reichs 1870/ 71 eine Änderung ein. Der Transport über die deutschen Wasserstraßen stieg bei praktisch konstantem Netz von 10.000 km deutlich: 1875 2,9 Milliarden tkm 1901 11,5 Milliarden tkm Die Eisenbahn war indes ein gewichtiger Konkurrent im Transport von Massengütern geworden. Ihr Streckennetz vergrößerte sich im Deutschen Reich im gleichen Zeitraum von 26.500 km auf 46.900 km und die Transportleistung erhöhte sich von 10,9 auf 36,9 Milliarden tkm. Die Erschließung des Ruhrgebietes durch künstliche Wasserstraßen begann im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert mit dem Bau der Kanäle Dortmund-Ems-Kanal, Mittellandkanal, Rhein-Herne-Kanal und Wesel-Datteln-Kanal. Das Ruhrgebiet mit seinen Kohlevorkommen und Stahlwerken konnte dadurch erst seine spätere industrielle Größe erreichen. Der Dortmund-Ems-Kanal wurde 1899 nach sieben Jahren Bauzeit eröffnet. Zugleich ging das erste Schiffshebewerk Henrichenburg - eine besondere Leistung der damaligen Ingenieurskunst - in Betrieb. Damit wurde es möglich, die Hoesch AG von Emden mit Erz zu beliefern. Seit 1915/ 16 war dann auch die Kohleversorgung des östlichen Ruhrgebietes über den Rhein-Herne-Kanal möglich. 1905 wurde der Bau des Mittellandkanals beschlossen - seine endgültige Fertigstellung erfuhr er dann nach 32 Jahren Bauzeit 1938. Der erste Abschnitt bis Minden wurde 1915 in Betrieb genommen. Es folgte der Bau der bis dahin einzigartigen Kanalüberführung in Trogbauweise über die Weser. Nach seiner Fertigstellung verband der Mittellandkanal den Rhein, die Ems, die Weser und die Elbe miteinander. 1915/ 16 erfolgte die Eröffnung von Rhein-Herne-Kanal und Datteln-Hamm-Kanal. Mit der Eröffnung dieser beiden Kanäle war der Aufstieg des Ruhrgebietes zum zentralen und gut erreichbaren Industrierevier gesichert. Insbesondere der Rhein-Herne-Kanal verband zahlreiche Kohlezechen, die erst durch den Kanal in die Lage versetzt wurden, die geförderte Kohle kostengünstig aus dem Revier herauszubringen. 1930 wurde noch der Wesel- <?page no="102"?> 4 Geschichte des Energietransports 102 Datteln-Kanal nach 15 Jahren Bauzeit (mit zwei Unterbrechungen) in Betrieb genommen. Abb. 4.6-7 zeigt die Erschließung des Ruhrgebietes durch schiffbare Wasserwege. . - Abb.-4.6‐7: -Kanäle-und-Wasserstraßen-zur-Erschließung-des-Ruhrgebietes; -- Quelle: -2009‐2019-by-water‐ways.net,-Europas-grösste-Plattform-für-Binnenskipper- In Debatten im Deutschen Reichstag wurde nach dem Ersten Weltkrieg von einer „Kanalpsychose“ gesprochen, da um 1920 Pläne zum Bau von Kanälen in ganz Mitteleuropa „wie Pilze aus dem Boden schossen“. 69 Wieweit dies für den weiteren Kanalbau in Deutschland eine Rolle gespielt hat, soll hier außen vor bleiben. Tatsache ist jedoch, dass mit Ausnahme der Fertigstellung des Mittellandkanals nach dem Wesel-Datteln-Kanal kein neues eigenständiges Kanalprojekt mehr in Angriff genommen wurde. Der Ausbau und die Instandhaltung aller vorhandenen Kanäle und kleineren Wasserstraßen wurde vom Ende der 1960er Jahre auf das sog. Euroschiff ausgerichtet (Länge = 85 m, Breite = 9,50 m, Abladetiefe = 2,50 m und Tragfähigkeit = 1.350 t). Es wurde aus dem Johann-Welker-Schiff nach den Dimensionen des Rhein-Herne-Kanalschiffs konzipiert. In der Gegenwart ist das sogenannte Großmotorschiff (GMS) der aktuelle Schiffsstandard, das in Länge, Breite und Tiefgang nochmals größer geworden ist und auf 2.300 t ausgelegt ist. Alle bedeutenden deutschen Kanäle werden auf die Maße des GMS ausgebaut. Errichtung und Ausbau der Kanäle waren die eine Seite, Schiffbarmachung der natürlichen Gewässer die andere. Wichtigste Wasserstraße war von jeher der Rhein. Ab 1817 wurde unter Leitung von J. G. TULLA der im oberen Teil stark verzweigte und weiter unten relativ träge mäandrierende Fluss zum einen gestreckt und zum anderen zu einem deutlich schneller fließenden Strom umgestaltet, der danach von Dämmen flankiert wurde. Der 69 -Reichtagsprotokoll-v.-23.-März-1927.- <?page no="103"?> 4 Geschichte des Energietransports 103 Schifffahrtsweg und der Lauf des Oberrheins wurde dabei um 81 km verkürzt. Als Überbleibsel des ursprünglichen Flusses und der Auenlandschaft blieben Altrheinarme oder sogenannte Gießen erhalten. 1913 wurde die in ihrer Form vermutlich einzigartige Schleuse Kaiseraugst zusammen mit dem dazugehörigen Wasserkraftwerk Augst/ Wyhlen in Betrieb genommen. Mit dieser Staustufe Augst/ Wyhlen ist es erstmals möglich geworden, den Rhein über Basel hinaus bis nach Rheinfelden zu befahren. Rheinfelden ist bis heute die Rheinschifffahrtsgrenze. Der weitere Ausbau des Oberrheins geht auf den Versailler Vertrag zurück. In der gemeinsamen Grenzstrecke zwischen Basel und Neuburgweier/ Lauterbourg darf Frankreich seit 1919 Wasser entnehmen und Wasserkraftnutzung betreiben. Der für Schifffahrt wichtigste Teil dieser Oberrheinkorrektur war der Bau des auf französischer Seite verlaufenden Rheinseitenkanals (1928-1959), der dann den Schiffsverkehr über vier Staustufen aufnahm und durch den der eigentliche Strom zum „Restrhein“ wurde. 1895 wurde der Kaiser-Wilhelm-Kanal-Kanal nach 8 Jahren Bauzeit eröffnet. Damit wurde eine direkte Verbindung von der Nordsee zur Ostsee geschaffen. Neben einer erheblichen Verkürzung der Fahrtzeit brachte der heute als Nord-Ostsee-Kanal bekannte Schifffahrtsweg auch den Vorteil, dass die gefürchtete Fahrt durch das Skagerrak damit der Vergangenheit angehörte. 1931 wurde die Nord-Schleuse in Bremerhaven in Betrieb genommen. Mit 372 m Länge und einer Breite von 45 m war sie zu der Zeit die größte Schleuse der Welt. 1958-1964 erfolgte die Moselkanalisierung und damit die Schiffbarmachung der Mosel von Koblenz bis Metz. 1975 wurde der Elbe-Seitenkanal nach acht Jahren Bauzeit in Betrieb genommen. Er verkürzt den Weg von Hamburg ins Ruhrgebiet und hat so in der Zeit der Teilung Deutschlands den Weg über Magdeburg mit zwei Grenzkontrollen überflüssig gemacht. 1992 wurde der politisch umkämpfte Main-Donau-Kanal fertiggestellt, dessen Anfänge in das 19. Jahrhundert zurückreichen. Damit entstand eine lang ersehnte durchgehende Verbindung von der Nordsee zum Schwarzen Meer (über deren Sinnhaftigkeit allerdings bis zur Gegenwart gestritten wird). Die aktuelle kommerzielle Inanspruchnahme dieser Kanalverbindung ist nicht sehr hoch, jedoch haben die Veranstalter von Flusskreuzfahrten inzwischen die Route entdeckt. Zusammengenommen ist in den letzten 150 Jahren ein recht geschlossenes und durchgehend befahrbares Wasserstraßennetz in Deutschland entstanden, das vorwiegend Frachtverkehr abwickelt, s. Abb. 4.6-8. Es dient heute (im Jahr 2015) wie vor 150 Jahren dem Transport von Massengütern, konzentriert insbesondere auf die Gütergruppen: Erze, Steine und Erden (circa 55 Millionen Tonnen) Kokerei- und Mineralölerzeugnisse (circa 37 Millionen Tonnen) Kohle, Rohöl und Erdgas (circa 34 Millionen Tonnen) Chemische und Mineralerzeugnisse (circa 22 Millionen Tonnen) <?page no="104"?> 4 Geschichte des Energietransports 104 Abb.-4.6‐8: -Wasserstraßennetz-Deutschland; -Quelle: -Bundesministerium-für-Verkehr-und-digitale-Infra‐ struktur,-2014- Seit Anfang der 1990er Jahre macht sich, ausgehend von geänderten Transportmodi des Seeverkehrs, ein wachsender Anteil des Containerverkehrs bemerkbar: 1995 0,72 Mio. TEU 2015 2,5 Mio. TEU Auch der Übergang von der Massengutproduktion zur Stückgutproduktion in Deutschland macht sich in der Binnenschifffahrt bemerkbar. Abb.4.6-9 und Abb. 4.6-10. stellen die Zusammensetzung der transportierten Güter für 1995 und 2015 einander gegenüber. Während Erze, Steine und Erden (vorher Steine und Erden) im Vergleich zum Jahr 1995 leicht Anteile verloren, stieg die Bedeutung der Konsumgüter zum kurzfristigen Verbrauch (vorher: Fahrzeuge, Maschinen, Halb- und Fertigwaren). Gestiegen ist auch die Bedeutung der Energierohstoffe wie Kohle, Rohöl und Erdgas sowie chemische und Mineralerzeugnisse. Es liegt nahe, den Zuwachs bei Maschinen und Ausrüstungen, langlebigen Konsumgütern und Konsumgütern zum kurzfristigen Verbrauch mit dem oben berichteten wachsenden Anteil des Containertransports in der Binnenschifffahrt zu korrelieren. <?page no="105"?> 4 Geschichte des Energietransports 105 Abb.4.6‐9: Verkehrsauf‐- kommen-Binnen‐ schifffahrt-1995; - Quelle: -Bundesministe‐ rium-für-Verkehr-und-- digitale-Infrastruktur,-- Febr.-2018- - Abb.-4.6‐10: - Verkehrsauf‐kommen- Binnenschifffahrt-2015; - Quelle: -Bundesministe‐ rium-für-Verkehr-und- digitale-Infrastruktur,- Febr.-2018- Der zunehmende Transport von Kohlen (i. e. Steinkohlen) lässt sich unter anderem dadurch erklären, dass heimische Kohle angesichts des sukzessive wirksamen Ausstiegs aus der Kohleförderung in wachsendem Umfang durch Importkohle substituiert werden muss, die von den Rheinmündungshäfen kostengünstig mit Binnenschiffen abtransportiert werden kann. 70 Dass sich der Steinkohleimport in der jüngeren Vergangenheit bis auf die Krisenjahre 2008/ 2009 beständig nach oben entwickelte, zeigt Abb. 4.6-11.. Kohle erreicht Deutschland überwiegend als Seefracht, mit Ausnahme der Einfuhr aus Polen. Die Herkunftsländer zeigt Abb. 4.6-12, die als hauptsächliche Lieferländer Kolumbien und Russland ausweist. Abb. 4.6-13 ist ein Beispiel für den Kohleumschlag im Hansaport Hamburg. 70 -Zitiert-nach-Bundesministerium-für-Verkehr-und-digitale-Infrastruktur,-Febr.-2018.- <?page no="106"?> 4 Geschichte des Energietransports 106 -Abb.-4.6‐11: -Entwicklung-der-Steinkohleimporte-nach-Deutschland; -Quelle: -- Bundesamt-für-Statistik,-Statistik-der-Kohlenwirtschaft-e.-V.- -Abb.-4.6‐12: -Herkunftsländer-der-deutschen-Steinkohleimporte-2011; -Quelle: -ZDF‐Grafik-2013-- - - --Abb.-4.6‐13: -Kohleumschlag-im-Hamburger- Hafen,-Greiferanlage; -Quelle: -Hafen-Hamburg- Marketing-e.-V.,-Photo-Michael-Lindner- <?page no="107"?> 4 Geschichte des Energietransports 107 Im Rahmen der Europäischen Union stellt sich das Bild im Grundsatz ähnlich dar: die EU ist Großimporteur für Kohle geworden. 2015 stammten fast 3/ 4 der Kohleimporte aus nur drei Ländern: Russland (29 %), Kolumbien (24 %) und Vereinigte Staaten (16 %). 71 i Abb.-4.6‐14: -Veränderungen-im-Primärenergieverbrauch-in-der-Bundesrepublik-1990‐2016; -- Quelle: -AG-Energiebilanzen-e.-V.- Der Weitertransport von den Seehäfen zu den Verbrauchern (Kraftwerke, Stahlerzeuger) erfolgt in Deutschland traditionell über die Binnenschifffahrt und die Bahn, mit hart umkämpften Marktanteilen. Dieser Wettbewerb wird in den 2020 Jahren noch zunehmen - der Gesamtprimärenergieverbrauch in der Bundesrepublik sinkt, wenn auch nur leicht. Deutlich größer sind die Verlustraten bei der Steinkohle, von 15,5% im Jahr 1990 auf 12,3% im Jahr 2016, s. Abb. 4.6-14. Dieser Negativtrend wird angesichts der energiepolitischen Vorgaben anhalten. Kohlegetriebene Bahnen Für die Konstruktion einer Eisenbahn mussten verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein.  Das Rad musste bekannt und anwendbar sein - das war seit der Antike gegeben,  eine Schienenbahn musste vorhanden und zu fertigen sein - sie war seit den Kohlenbahnen verfügbar,  die Herstellung und Bearbeitung von Stahl mussten geläufig sein - das war seit dem 18. Jh. spätestens der Fall,  eine mobile Antriebsmaschine musste vorhanden oder konstruierbar sein - das war sie seit dem Beginn des 19. Jh. (TREVITHICK),  ein Treibstoff musste mobil verfügbar sein - das war er mit der Kohle. Auf die Antriebsmaschine kommt es historisch zentral an, insbesondere in ihrer mobilen Form, der Lokomotive - ihr verdankt das Eisenbahnwesen seine Entstehung 71 -Quelle-Eurostat,-Online‐Datenbank: -Importe-(nach-Ursprungsland).- <?page no="108"?> 4 Geschichte des Energietransports 108 In England gab es zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine gut entwickelte Eisen- und Stahlherstellung, auch bestand eine Kohleindustrie, die im Gefolge der Verbreitung der Dampfmaschine Bedeutung gewonnen hatte. Und schließlich waren bereits zahlreiche (pferdebetriebene) Schienenwege entstanden, speziell für den Kohletransport. Insofern war es folgerichtig, dass England in der Zeit der Industriellen Revolution auch zur Geburtsstätte des maschinellen Schienentransportes wurde, eben der dampfbetriebenen Eisenbahn, der Eisenbahn schlechthin im gewachsenen Sprachgebrauch. Die Eisenbahn war zunächst ein Produkt, später auch Bestandteil und Gestalter der Industriellen Revolution. Voraussetzung für das Aufkommen der Eisenbahn war zunächst, dass die von J. WATT erfundene Dampfmaschine auf Räder und Fahrweg gestellt wurde. Das geschah 1802 erstmals durch R. TREVITHICK, der den nicht ganz erfolgreichen Versuch unternahm, in Coalbrookdale dampfbetriebene Grubenlokomotiven einzusetzen. Sein Problem des gusseisernen Fahrwegs löste dann 1820 J. BIRKINSHAW mit den ersten gewalzten Metallschienen. Hierauf konnte G. STEPHENSON aufbauen, der als Autodidakt zum Betriebsleiter eines Bergwerks aufgestiegen war und im Jahre 1814 mit der „Blücher“ eine erste eigene Grubenlokomotive geschaffen hatte. Er wurde 1821 zum Leiter der neuen Strecke Stockton-Darlington berufen, die im Wesentlichen eine Kohlenbahn sein sollte. - - Abb.-4.6‐15: -“Locomotion-1”- als--Nachbau-im-Museum; - Quelle: -Museum-of-Applied- Arts-and-Sciences,-Sidney- Seine hierfür entwickelte und in Abb. 4.6-15 wiedergegebene neue Lokomotive „Locomotion 1“ 72 war bei der Eröffnung der Bahn am 27. September 1825 vor 38 Wagen gespannt, die teilweise mit Kohlen und Weizen beladen waren. Die meisten Wagen waren jedoch mit Sitzplätzen für ca. 600 Festteilnehmer versehen. Tags darauf begann der regelmäßige Betrieb, bei zunächst sehr mäßiger Geschwindigkeit von 15 km/ h. Auf der Strecke fuhren im Regelbetrieb drei von STEPHENSON konstruierte Lokomotiven. Die Bahn war ein wichtiger wirtschaftlicher Erfolg: Der Transportpreis der Steinkohlen, der vorher bei 15 bis 17 Shilling stand, sank auf 10 Sh. 2 Pence die Tonne und die monatlichen Einnahmen stiegen im ersten Betriebsjahr von 700 Pfd. Sterling auf 1500 Pfd. Sterling - mit der Folge, dass sich im zweiten Jahre die ganze Fracht zwischen Stockton, Richmond, Darlington, Yarn etc. von der Straße auf die neue Bahn verlagerte. 73 72 -Ursprünglich-„Active“.- 73 -Polyt.-Journal-1829,-Bd.-34,-S.-356f.- <?page no="109"?> 4 Geschichte des Energietransports 109 So erklärt sich der kolportierte Spruch eines Beteiligten: „Das Land soll Eisenbahnen machen und die Eisenbahnen werden das Land machen.“ Der Bau der Liverpool-Manchester-Eisenbahn 1829 begründete dann STEPHENSONS Ruhm für immer. Beim Rennen von Rainhill für die beste und schnellste Lokomotive dieser Bahn errang seine „The Rocket“ den ausgeschriebenen Preis, indem sie ihr fünffaches Gewicht zog und 14 bis 20 englische Meilen in der Stunde zurücklegte und damit die gestellten Bedingungen weit übertraf. Mit ihrer Jungfernfahrt auf der neu eröffneten Strecke begann 1830 das Zeitalter der Eisenbahn endgültig. Die Bahn wurde rasch zur Konkurrenz für die Kanalschifffahrt, die bisher den Transport von Massengut dominiert hatte. So rasch, dass 1846 F. HEA, Präsident des Verwaltungsrates des Grand-Junction-Canals von London nach Birmingham, vor einem Comité des Unterhauses erklärte: „Wenn in Folge des Kampfes mit den Eisenbahnen die Canäle einmal vollkommen unproductiv geworden sind, so soll nach meiner Meinung die Regierung erlauben, daß das ganze große Canalnetz in ein Eisenbahnnetz umgewandelt werde, das mit dem jetzigen in Concurrenz tritt. Um die Canäle in Eisenbahnen umzuwandeln, braucht man nur ihr Wasser abzuleiten und die Eisenbahn auf die Sohle ihres Bettes zu legen. Eine solche Umwandlung wurde selbst für den Grand-Junction-Canal, der doch sehr viele Schleußen hat, durch den Ingenieur Cubitt als leicht ausführbar erklärt. Es ist unmöglich, die Vortheile zu läugnen, welche die Concurrenz eines mit so geringen Kosten neugeschaffenen Eisenbahnnetzes mit dem alten, dessen Erbauung so bedeutende Summen verschlungen hat, dem Publicum verschaffen würde.“ 74 Auch in Deutschland begann das Eisenbahnzeitalter mit einer Pferdebahn, der für den Kohlentransport gedachten „Prinz-Wilhelm-Eisenbahn“ von Hinsbeck an der Ruhr (heute Essen-Kupferdreh) durch das Deilbachtal bis Nierenhof (heute Velbert-Langenberg), mit einer Streckenlänge von rd. 7,5 km. F. HARKORT, der Erbauer dieser Bahn, hatte 1828 eine Eisenbahn von der Ruhr bis ins Wuppertal in Vorschlag gebracht und hierfür erstmalig in Deutschland eine Aktiengesellschaft für einen Eisenbahnbau gegründet. Zunächst wurde nur die Deilthaler Eisenbahn erbaut und 1831 eröffnet, als Schmalspurbahn und mit Antrieb durch Pferde, s. Abb. 4.6-16. Ihr Zweck war ausschließlich der Transport von Kohle. Davon wurden durch die sich immer weiter verbreitenden Dampfmaschinen große Mengen im Bergischen Land gebraucht (Eisenhütten und Webereiindustrie, diese speziell in Barmen). Die zur Verbindung zwischen Überruhr und Vohwinkel auf 32 km verlängerte und auf Normalspur umgebaute Strecke wurde 1847 neu in Betrieb genommen, dann als dampfbetriebene Eisenbahn . 74 -Polyt.-Journal-1849,-Bd.-114,-S.-161f.- <?page no="110"?> 4 Geschichte des Energietransports 110 - - - - - - - Abb.-4.6‐16: -Gleise-und-Wagen-der-Prinz-Wilhelm-Eisenbahn-und-Schlebusch‐Harkorter-Eisenbahn.-- Abmessungen-in-rhein.-Fuß; -Quelle: -F.-Harkort,-gezeichnet-und-lithographiert-von-Tangermann- Exkurs: Die Entwicklung der deutschen Eisenbahnwesens Die erste wenigstens teilweise mit Dampf betriebene deutsche Eisenbahn war dann die bayerische Ludwigs-Bahn,1835 mit der in England erbauten Lokomotive „Adler“ eröffnet und von Nürnberg über 6 km nach Fürth führend. Sie fuhr bis 1863 im gemischten Betrieb (Pferde und Dampf im Verhältnis 3: 1), ab 1863 dann ausschließlich mit dampfbetriebenen Lokomotiven. Sie hatte keinen wirtschaftlichen Hintergrund, transportierte keine Güter und war für den bayerischen König LUDWIG I. eher ein Objekt des Prestiges. In der zeitgenössischen Öffentlichkeit wurde die Fahrt mit einer Dampflok als Beginn einer neuen Epoche angesehen. Auf die weitere Entwicklung des deutschen Eisenbahnnetzes hatte diese Bahn jedoch keinen Einfluss, denn es erfolgte keine Verknüpfung mit anderen Eisenbahnstrecken. Die Ludwigs-Eisenbahn blieb eine isolierte Vorortbahn und musste schließlich der elektrischen Straßenbahn zwischen Nürnberg und Fürth weichen. Sie stellte am 31. Oktober 1922 den Betrieb ein. Als zweite deutsche Eisenbahn baute die Leipzig-Dresdner Eisenbahn am 24. April 1837 als erstes Teilstück die Strecke von Leipzig nach Althen. Nach dem Ausbau bis Dresden am 7. April 1839 mit einer Streckenlänge von 120 km war sie die erste deutsche Fernbahn; sie führte auch durch den ersten deutschen Eisenbahntunnel. Es folgte als erste Eisenbahn Preußens die Berlin-Potsdamer Eisenbahn, die die 14 km von Zehlendorf nach Potsdam überwand und wenig später bis Berlin fortgeführt wurde. Die vierte deutsche Eisenbahn fuhr ab dem 1. Dezember 1838 von Braunschweig nach Wolfenbüttel. Sie wurde bald als Herzoglich Braunschweigische Staatseisenbahn geführt, um eine Übernahme durch Preußen vorsorglich abzuwehren. Damit wurde die erste deutsche Eisenbahn in staatlichem Besitz geschaffen, davor waren alle Bahnen in privatem Eigentum. <?page no="111"?> 4 Geschichte des Energietransports 111 Eine weitere kurze Eisenbahnstrecke wurde von Düsseldorf nach Erkrath am 20. Dezember 1838 eröffnet als Teilstück der Strecke Düsseldorf-Elberfeld. Am 29. Juni 1839 wurde das erste Teilstück der Magdeburg-Leipziger Eisenbahn von Magdeburg aus in Betrieb genommen und 1840 bis Halle und Leipzig verlängert. Mit ihrer Streckenlänge von 116 km verband sie zwei deutsche Länder. Mit der 1839/ 43 von der Rheinischen Eisenbahn erbauten Strecke von Köln zum Grenzbahnhof Herbesthal und weiter nach Antwerpen entstand die erste internationale Eisenbahnlinie. Am 12. September 1841 nahm die Berlin-Anhaltische Eisenbahn-Gesellschaft den Verkehr vom Anhalter Bahnhof in Berlin nach Köthen (Anhalt) auf, wo die Trasse mit der Magdeburg-Leipziger Eisenbahn zusammentraf. Köthen wurde damit zum ersten Eisenbahnknoten Deutschlands. Am 12. September 1842 eröffneten die Großherzoglich Badische Staatseisenbahnen das erste Teilstück der 285 km langen Bahnstrecke von Mannheim nach Basel, die im Jahre 1855 fertiggestellt wurde. Mit der Eröffnung der Berlin-Frankfurter Eisenbahn am 31. Oktober 1842 vom Berliner Schlesischen Bahnhof nach Frankfurt (Oder) hatte das erst nur lose geknüpfte deutsche Eisenbahnnetz einen Gesamtumfang von knapp 1.000 km erreicht. Am 22. Oktober 1843 wurde die 16 km lange Strecke von Hannover nach Lehrte als Königlich Hannöversche Staatseisenbahnen in Betrieb genommen. Lehrte wurde früh ein bedeutender Eisenbahnknotenpunkt, mit Strecken nach Berlin und Hamburg. Nur drei Jahre später, am 1. September 1846, wurden mit der Eröffnung der 235 km langen Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn von Frankfurt (Oder) nach Bunzlau die zweite Tausend-Kilometer-Marke erreicht. Drei Monate später wurde die mit 286 Kilometern bis dahin längste und die erste bedeutende deutsche Ost-West-Eisenbahnverbindung zwischen den beiden größten deutschen Städten Berlin und Hamburg als Berlin- Hamburger Bahn in Betrieb genommen. Auf der linken Rheinseite übernahm die Rheinische Eisenbahn 1857 die durchgehende Verbindung von Rolandseck nach Krefeld über Bonn, Köln und Neuss, die 1859 über Koblenz nach Bingerbrück verlängert wurde. Dadurch kam es in den nächsten Jahren zu einer Verbindung mit den Strecken der hessischen, württembergischen und badischen Bahnen bis nach Basel. Die gesamte Streckenentwicklung der ersten Phase liest sich im Überblick wie folgt: 75 1840 479 km 1845 2.131 km 1850 6.044 km 1855 7.781 km 1865 13.821 km 1870 19.575 km 1875 27.795 km - 75 -Nach-Rübberdt,-R.: -Geschichte-der-Industrialisierung,-München-1972,-S.-83.- <?page no="112"?> 4 Geschichte des Energietransports 112 Damit hatte sich spät der Traum von F. LIST erfüllt, der neben F. HARKORT als Vorkämpfer eines deutschen Eisenbahnnetzes gilt. Für LIST waren die Überwindung der innerdeutschen Zollschranken und der Eisenbahnbau die wichtigsten Komponenten, die Vielstaatlichkeit und die gewerbliche Rückständigkeit der deutschen Staaten zu überwinden. In seiner Schrift „Ueber ein sächsisches Eisenbahnsystem als Grundlage eines allgemeinen deutschen Eisenbahnsystems und insbesondere über die Anlegung einer Eisenbahn von Leipzig nach Dresden“ hat LIST schon vor der ersten kleinen Strecke Nürnberg-Fürth 1835 die wirtschaftlichen Vorteile einer solchen Bahn am konkreten Beispiel dargestellt: billiger, schneller und an Fahrplänen orientierter Massentransport. Die Inbetriebnahme der Leipzig-Dresdner Eisenbahn 1839 verwirklichte seinen Vorschlag. LISTS Vorstellungen reichten jedoch über den konkreten Fall hinaus, wie schon der Titel seiner Schrift erkennen lässt. Sein deutsches Eisenbahnnetz sah für Berlin 6 Linien vor, s. Abb. 4.6-17 - eine Vorwegnahme der Entwicklung zum deutschen Nationalstaat mit Berlin als Hauptstadt. Abb.-4.6‐17: -Lists-Entwurf-zu-einem-Deutschen-Eisenbahnsystem-aus-dem-Jahre-1833; - Quelle: -Krause,-R.,-in: -Friedrich-List-und-die-erste-große--Eisenbahn,-1887- Auch die Wirtschaftsräume profitierten vom Ausbau der Eisenbahnen, vor allem das Ruhrgebiet, in dem sich ein dichtes Streckennetz entwickelte, Abb. 4.6-18. <?page no="113"?> 4 Geschichte des Energietransports 113 Auf das neue Eisenbahnwesen reagierten die deutschen Länder ganz unterschiedlich. Einige ließen der privaten Initiative, also den Unternehmen, viel Freiraum, in anderen Ländern wuchs der Gedanke einer staatlich finanzierten und vom Staat betriebenen Bahn. Typische Vertreter dieses „Staatsbahngedankens” waren Baden, Württemberg und das Königreich Bayern. In Preußen war die Haltung nicht einheitlich - zunächst überließ man das Feld den „Privaten”, engagierte sich jedoch, als einige der privaten Linien in finanzielle Not gerieten. Solche Bahnen wurden dann übernommen und in staatlicher Regie weitergeführt. Ein Beispiel dieser Art ist die Bergisch-Märkische Eisenbahngesellschaft. Mit O. VON BISMARCK setzte sich dann ab 1871 der „Staatsbahngedanke” auch in Preußen durch. Eine Rolle spielte dabei das Militär - der Bahn wurde eine große strategische Bedeutung zugeschrieben. Schon früh, in den 1830er Jahren, hatte die preußische Generalität eine Bahnverbindung von Berlin nach Osten zur russischen Grenze verlangt. Dass dies nicht unberechtigt war, erwies sich dann im Krieg gegen Dänemark (1864) und erneut im Krieg gegen Österreich (1866), als die Bahn schnelle Aufmärsche ermöglichte. Auch im Französisch-Preußischen Krieg 1870/ 71 konnte Preußen schnelle Siege durch die Hilfe der Eisenbahn erringen. Abb.-4.6‐18: -Das-dichte-Streckennetz-im-Ruhrgebiet,-Stand-1877; -Quelle: -Katalog-zur-Dauerausstellung- des-DB-Museums,-Nürnberg-2009- Diese Erfolge trugen mit dazu bei, den Weg zu einer gemeinsamen deutschen Staatsbahn zu bereiten. Das brauchte allerdings noch längere Zeit und überdauerte die Monarchien: erst die Weimarer Verfassung verankerte mit der Deutschen Reichsbahn das staatliche Monopol. Zunächst waren es jedoch Teilschritte, die getan wurden. Die Reichseinigung von 1871 trug mit dazu bei, dass die Länder Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Mecklenburg-Schwerin, Oldenburg sowie das Reichsland Elsass-Lothringen sich zur Staatsbahn bekannten. Auch nahm die Dynamik des Ausbaus zu, was sich allein im Jahrzehnt 1879/ 1880 im um 73 % vergrößerten Ausbau des Schienennetzes zeigte: 20.341 km in 1870 zu 33.838 km in 1880. Mit dem Streckenausbau ging die öffentliche Wahrnehmung einher. Aus Skepsis und Sorge zu Beginn wurde das „Eisenbahnfieber“, das zunächst nur eine Bezeichnung für <?page no="114"?> 4 Geschichte des Energietransports 114 den Aufregungszustand war, der manche Personen schon vor Antritt einer Eisenbahnfahrt oder während derselben befiel (und noch befällt). Im übertragenen Sinne stand es dann für die fast krankhafte Überspekulation, die zu Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs für das Eisenbahnwesens um sich griff. Lokomotive und Eisenbahnfahren wurden auch zu einem Objekt der Kunst, interpretiert von renommierten Malern und Dichtern. Zu den ersteren gehörten W. TURNER, C. MO- NET, C. PISARRO, É. MANET, V. VAN GOGH, A. VON MENZEL, H. BALUSCHECK. Abb. 4.6-19 zeigt als Beispiel das Gemälde „Anfahrender Schnellzug“ des Letzteren aus dem Jahre 1909. Abb.-4.6‐19: -Hans-Baluschek,- Anfahrender-Schnellzug,-- Gemälde-1909; -Quelle: -Artnet- Worldwide-Corporation-2018: -H.- Baluscheck- Als besonders förderlich für den Ausbau der Bahn in Deutschland erwiesen sich die liberale „Bahnordnung für Eisenbahnen untergeordneter Bedeutung“ von 1887 bzw. das großzügige Preußische Kleinbahngesetz von 1892. Danach benötigten lokale Interessenten, d.h. private oder regionale Körperschaften, für dem öffentlichen Verkehr dienende Eisenbahnen, „die sich nach Ausdehnung, Anlage und Einrichtung der Bedeutung der Nebenbahnen nähern“, lediglich eine Konzession durch den Regierungspräsidenten und nicht durch das Verkehrsministerium. Solche Kleinbahnen wurden erst spät (nach 1945! ) zum „ordentlichen“ Bahnnetz gezählt und blieben zunächst in fast allen Aufstellungen vergessen, was deren Aussagen korrekturbedürftig erscheinen lässt. Die Abb. 4.6-20 differenziert hier besser und weist zudem den höchsten Streckenbestand für das Jahrzehnt 1919/ 1920 aus. Nimmt man die Grenzen von 1937 zur Basis, so hatte das Deutsche Reich im Jahr 1917 etwa 68.000 km Schienenstrecken, die weit überwiegend, nämlich zu 79,5 %, staatlich betrieben wurden. Von den verbleibenden 20,5 % waren wiederum gut die Hälfte Schmalspurbahnen. Nicht mitgezählt sind hier entsprechend der gewählten Grenzen die im Krieg temporär zugewonnenen Gebiete. <?page no="115"?> 4 Geschichte des Energietransports 115 Abb.-4.6‐20: -Länge-des- deutschen-Eisenbahnnetzes- 1900-1998; -Quelle: -Institut-für- Länderkunde,-Leipzig-2000- - Bis Anfang der 1930er Jahre blieb die Eisenbahn Transportmonopolist und für die Betreiber höchst ertragreich. In den Gesamteinnahmen der deutschen Länder im Jahr 1911 machten die Nettoerträge der Staatsbahnen mit 708 Mio. Mark allein 36 % aus. Auch das Deutsche Reich profitierte und verbuchte neben den Überschüssen aus dem Post- und Telegraphenwesen in Höhe von 88 Mio. Mark auch den Gewinn aus der Reichs-Eisenbahnverwaltung in Höhe von 66 Mio. Mark für seinen ordentlichen Haushalt. Kurioserweise war hierin auch eine Fahrkartensteuer enthalten. Die wirtschaftliche Erschließung durch den Eisenbahnbau verlief in den verschiedenen westlichen Ländern nicht gleichmäßig und außerdem in Schüben. Die Entwicklung in England musste sich gegen die Konkurrenz der Kanäle durchsetzen. Der Eisenbahnbau in den USA traf auf vielfach vergrößerte Entfernungen, eine ganz andere Topografie und profitierte außerdem davon, dass den Eisenbahngesellschaften die benötigten Landflächen kostenlos zur Verfügung gestellt wurden. Auf dem Kontinent war anfangs das kleine Belgien führend. Im Vergleich der Streckenkilometer ergibt sich für dann für 1850 und 1900 folgende Gegenüberstellungin Tkm: 76 1850 1900 USA 14,0 311,1 Großbritannien 10,6 35,2 Deutschland 6,0 31,4 Frankreich 3,0 42,8 Österreich-Ungarn 1,5 36,8 Belgien 0,8 6,3 Russland 0,6 48,4 76 -Daten-von-Weber,-W.,-in: -Troitzsch,-U.,-Weber,-W.-(Hg),-Die-Technik,-Stuttgart-1987,-S.-300.- <?page no="116"?> 4 Geschichte des Energietransports 116 Die Geschichten technischer Neuerungen zeigen im Allgemeinen, dass Innovationen nach der Phase der Erfindung, der Vermarktung und der Verbreitung langsam abgelöst werden durch neuere Lösungen. Ein solcher Prozess der Verdrängung durch eine neue Technik lässt sich auch für die Eisenbahn beobachten. Wickelte die Bahn zur Jahrhundertwende noch fast allen Verkehr selbst ab und lag der Anteil 1950 immerhin noch bei 56 %, so ist dieser bis zur Mitte der 1990er Jahre auf unter 20 % gesunken. 77 Neben der Eisenbahn hat sich im letzten Jahrhundert der Straßenverkehr als populäres und vor allem preisgünstigeres Verkehrs- und Transportsystem entwickelt und durchgesetzt. In Nordamerika hatte 1982 das Eisenbahnstreckennetz nur noch die Hälfte seines ursprünglichen Umfanges. Auch die Deutsche Bundesbahn bezeichnete ein Drittel ihres Netzes als unrentabel und reif für die Stilllegung. Ihr Defizit betrug 1981 rund 4,4 Mrd. DM - das war mehr als im selben Jahr für die Instandhaltung, den Ausbau und Neubau von Bundesautobahnen veranschlagt wurde. Die Unterhaltung des 28.500 km langen Schienennetzes mit seinen vielen Weichen, Signalen, Stellwerken und Betriebsgebäuden war wesentlich teurer als die Pflege des sechsmal so langen Straßennetzes, das 90 % des Personenverkehrs und 45 % des Güterverkehrs bewältigte. 78 Nach Streckenstillegungen, Rationalisierungen, der Integration der Deutschen Reichsbahn der DDR, der Einbeziehung einer Logistiksparte (DB Schenker) und eines Auslandsengagements (DB Arriva) hat sich die Bahn in Deutschland wieder konsolidieren können. Eine wichtige Rolle spielte dabei, dass die Konkurrenz, vor allem der Individualverkehr, die ursprünglich günstigen Preise nicht hat halten können. Auch die unter Gesichtspunkten des Umweltschutzes geführten Kampagnen zur Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel zeigten Wirkung. Die Deutsche Bahn konnte 2017 wirtschaftlich wieder erfolgreich abschließen. Noch nie haben so viele Fernreisende die Angebote der Bahn genutzt wie in diesem Jahr. Nicht zuletzt dank dieses Rekordes konnte die Deutsche Bahn 2017 ihren Betriebsgewinn um rund sieben Prozent steigern. Vor Zahlung von Steuern und Zinsen erwirtschaftete der Konzern 2,15 Milliarden Euro. „2017 war wirtschaftlich ein gutes Jahr für die Bahn", sagte Vorstandschef R. LUTZ bei der Vorstellung der Jahresbilanz. Abb. 4.6-21 zeigt die Einzelheiten der Gewinn- und Verlustrechnung für die Jahre 2015 - 2017 im Vergleich. Verschwiegen wurde allerdings, dass ein erheblicher Investitionsbedarf bestand, der die Folgejahre belasten würde. Die Eisenbahnen überlebten also - nicht jedoch die Dampflokomotiven. In Mitteleuropa wurden die Strecken sukzessive elektrifiziert. In den USA wurden seit den 1940er Jahren zunehmend starke Diesellokomotiven eingesetzt, die sich kuppeln und so an wechselnde Anforderungen von Zuglänge und Streckenverlauf anpassen ließen. Zudem benötigten 77 -Balthas,-A.: -Zug-um-Zug,-Eine-Technikgeschichte-der-Schweizer-Eisenbahn-aus-sozialhistorischer-Sicht,- Basel-1993,-S.-133ff.- 78 -Übernommen-von-Eckermann,-E.,-Straßl,-A.,-in: -Troitzsch-/ -Weber,-Technik,-S.-450.- <?page no="117"?> 4 Geschichte des Energietransports 117 die Diesellokomotiven kein Vorheizen. Mit den letzten Dampflokomotivenlieferungen zwischen den Weltkriegen zeichnete sich in den USA auch das Ende der Produzenten Baldwin, LIMA und ALCO ab, die in den 1950er und 1960er Jahren aufgeben mussten. - - - -- Abb.-4.6‐21: -Gewinn‐- und-Verlustrechnung-- der-Deutschen-Bahn,- Halbjahre-2015‐2017; - Quelle: -Bilanzpresse‐- konferenz-DB,-2017- In Deutschland waren die Dampflokomotiven schon vor 1939 auf dem Rückzug und wurden sukzessive durch Elektrolokomotiven abgelöst, s. auch Kap. 4.7.2.2. Nach dem Kriegsende erlebten die Dampfloks in Deutschland jedoch eine Renaissance. Die Strekkenelektrifizierungen waren infolge der Kriegseinwirkungen weitgehend unbrauchbar, sodass man in der frühen Bundesrepublik auf den Dampfbetrieb zurückgreifen musste. Dieselloks waren erst Anfang der 50er Jahre in Deutschland verfügbar, s. Kap. 4.6.3.1. Generell war in Mitteleuropa die Dieseltechnik anders als in den USA für die Dampflokomotive jedoch keine so große Bedrohung - Hauptkonkurrent war die Elektrifizierung. <?page no="118"?> 4 Geschichte des Energietransports 118 In den Alpenländern Österreich, der Schweiz sowie auch im deutschen Bayern waren die Dampflokomotiven schon in den 1960er Jahren weitgehend von den Elektrolokomotiven verdrängt worden. Die Stromerzeugung aus „Wasserkraft“ bedeutete günstige Versorgung, auch eigneten sich Elektroloks besonders für steigungsreiche Strecken. Die nachlaufende Elektrifizierung der Flachlandstrecken führte schließlich in den Folgejahren dazu, dass auch in Mitteleuropa die Dampfloks immer weniger eingesetzt wurden. Die Deutsche Bundesbahn in Westdeutschland stellte schließlich 1977 den Dampflokomotivbetrieb in der Fläche offiziell ein; letzte Einsatzbetriebswerke (Bw) waren Bw Emden und Bw Rheine. Bei der Deutschen Reichsbahn der DDR war die Situation eine andere. Auch dort gab es Kriegszerstörungen an den elektrifizierten Strecken, jedoch mussten auch noch intakte Oberleitungen abgebaut und als Reparation in den Ostblock geliefert werden. So blieb es bis zur Wiedervereinigung beim Dampfbetrieb, für den Vorkriegslokomotiven wiederhergerichtet und z.T. verbessert wurden. Offizielles Ende auf der Normalspur war dann 1988, jedoch wurden Dampflokomotiven im regulären Dienst weit darüber hinaus eingesetzt, auch noch nach der Wiedervereinigung und vereinzelt noch nach dem Jahr 2000. Bis Anfang der 1990er Jahre gab es in Deutschland zudem noch Dampfloks bei einigen Werksbahnen, zuletzt beim Eschweiler Bergwerksverein in Alsdorf und Siersdorf. Bei einigen touristischen Strecken und Kleinbahnen hat sich der Dampfbetrieb bis heute gehalten. Dampfspeicherlokomotiven werden auf einigen Werksbahnen, zum Beispiel für den schweren Verschub von Kohlezügen im Großkraftwerk Mannheim, bis in die Gegenwart eingesetzt. Die Niederländischen Staatsbahnen beendeten den Dampfbetrieb schon 1958, die schweizerische SBB 1967 (bis auf einige Bergstrecken). Bei den Österreichischen Bundesbahnen endete der reguläre Einsatz von Dampflokomotiven auf Normalspurbahnen 1978, jedoch verblieb eine Reserve bis 1982 im Bestand. Die ČSD beendeten den Dampflokomotivbetrieb im September 1981 mit einer Festveranstaltung. Außerhalb Europas und den USA wurden die Dampflokomotiven noch länger betrieben und danach zumeist durch Diesellokomotiven ersetzt. Teilweise sind Dampflokomotiven dort heute noch im Einsatz, häufig mit überaltertem Material. Das ändert jedoch nichts daran, dass das Zeitalter des Dampfes für den Bahnbetrieb endgültig Geschichte ist. Kohlegetriebene Schiffe Auch mit der maritimen Mobilität der Kohle ist ein Doppeltes gemeint - einerseits der Transport von Kohle als Fracht, andererseits der kohlebasierte Schiffsantrieb. Kohle als Frachtgut wurde bereits in Kap. 4.6.2 behandelt. Hier geht es jetzt, ähnlich wie bei den dampfbetriebenen Bahnen, um das dampfgetriebene Schiff, das Dampfschiff. Die Idee, mit Dampf betriebene Schiffe zu bauen, kam schnell mit den ersten ortsfesten Dampfmaschinen auf. Aber erst C. F. JOUFFOY d’ABBANS konnte 1783 einen funktionsfähigen Prototyp vorweisen, und ein wirtschaftlicher Erfolg stellte sich noch deutlich später ein, als der Amerikaner R. FULTON einen dampfbetriebenen Raddampfer konstruierte und 1807 zu Wasser brachte. Sein noch mit zusätzlichen Segeln ausgestattetes Schiff erreichte 4,5 Knoten (8,3 km/ h) und war schon für einen regelmäßigen Dienst brauchbar. <?page no="119"?> 4 Geschichte des Energietransports 119 Europa zog ab 1812 nach, als in Schottland erste fahrtüchtigen Dampfschiffe gebaut wurden. 79 Das erste Dampfschiff, das einen deutschen Hafen anlief, war die Lady of the Lake, die 1816 in Hamburg festmachte und naturgemäß größte Aufmerksamkeit auf sich zog. Auch sie stammte aus einer schottischen Werft; der nur 20 Meter lange und fünf Meter breite, hölzerne Raddampfer war über das damals britische Helgoland die Elbe hinauf in die Hansestadt gefahren. Die geplante Verwendung als Bäderdampfer endete allerdings nach wenigen Betriebsmonaten. Abb. 4.6-22 zeigt das Schiff in Fahrt. -Abb.-4.6‐22: -Das-erste- Dampfschiff-in-Deutsch‐ land,-die-Lady-of-the- Lake,-1816; -Quelle: - Stadtarchiv-Cuxhaven-/ - Repro.-E.-Hein,-Cuxh.,- Vorl.-Siersdorfer,-Essen- Nur wenig später erschien im gleichen Jahr auf dem Rhein zum ersten Mal ein „Schiff mit rauchendem Schornstein ohne Mast und Segel“, die Defiance auf dem Weg von London nach Frankfurt. Das regte zur Nachahmung an: einige Wochen später fuhr der holländische Dampfer Prinz von Oranien rheinaufwärts. Im gleichen Jahr wurden die ersten deutschen Dampfschiffe gebaut, eines in Vegesack an der Weser, das zweite in Berlin. Seit 1825 verkehrten dann die ersten in Holland für deutsche Rechnung gebauten Rheindampfer in Planfahrten. 80 Kurz nach 1830 begann der regelmäßige die Dampfschifffahrt auch auf Elbe, Weser, Oder und Donau. Alle diese frühen Schiffe hatten Holzrümpfe, waren von Schaufelrädern angetrieben und vor allem auf Flüssen und stehenden Gewässern unterwegs. Etwas differenzierter ist der Einsatz der Dampfmaschine im Schiffsbetrieb auf hoher See zu sehen. Anfangs dienten Dampfmaschinen an Bord von Großseglern zunächst nur als Hilfsantrieb zum Manövrieren oder sie kamen bei Flauten zum temporären Einsatz. Ein Beispiel ist der Dreimaster Savannah, der 1819 die erste Atlantiküberquerung unter Mithilfe der Dampfkraft wagte. Er war mit einer Dampfmaschine und seitlichen Schaufelrädern ausgestattet und brauchte von Savannah im amerikanischen Georgia bis St. Petersburg nur 27 Tage. 79 -Nach-http: / / www.wikipedia.org/ wiki/ Dampfschiff,-Abruf-24.4.2019.- 80 -Nach-Rübberdt,-Industrialisierung,-S.-88.- <?page no="120"?> 4 Geschichte des Energietransports 120 Abb.-4.6‐23: -Die-Great-Eastern,-urspr.-1858-(oben),-umgebaut-zum-Kabelleger-1865-mit-dann-nur-4- Schornsteinen-(unten); -Quelle: -Schellen,-H.: -Das-atlantische-Kabel,-Braunschweig-1986,-S.-69- Wenige Jahre später gelang englischen Raddampfern die Atlantikreise ohne Segel. In der Umsetzung blieb es jedoch aus wirtschaftlichen Gründen noch lange beim gemischten Betrieb. Selbst die 1858 erbaute Great Eastern, bis 1901 das größte Schiff der Welt, war noch zusätzlich mit einer sechsmastigen Segelanlage ausgestattet, s. Abb. 4.6-23. Der technische Übergang vom Segelschiff zum Dampfer dauerte einige Jahrzehnte. Erst 1889 wurde mit dem von A. CARLISLE (dem späteren Chefdesigner der Olympic-Klasse) konstruierten 20 Knoten schnellen White-Star-Liner Teutonic der erste Hochsee-Dampfer ohne jegliches Segel in Dienst gestellt. Und auch dann noch ergab sich ein nur allmählicher Wechsel der Technik: Schiffe erforderten (und erfordern heute noch) hohe Investitionen und sind auf lange Lebenszeiten angewiesen, was bei größeren Flotten schon rein statistisch nur langsame Veränderungen erlaubt. Auch das reine Segelschiff hatte als Großsegler aus wirtschaftlichen Gründen noch Zukunft, zumal es in den Häfen wenig Infrastruktur und Technik benötigte. Der Großsegler blieb noch lange, bis in das 20. Jahrhundert hinein, das hauptsächliche Transportmittel für Massengüter wie Getreide, Kohle, Erze und Salpeter und zeitweise auch für die Aussiedler von Europa nach Übersee. Mit der Clipper-Bauweise der Amerikaner kam es auch hier <?page no="121"?> 4 Geschichte des Energietransports 121 noch zu Innovationen. Die Clipper 81 , gebaut ab 1845, nahmen das Konstruktionsziel Geschwindigkeit auf, indem schlanke und stromlinienförmige Schiffsrümpfe mit scharfen und nach innen gekrümmten Bug (Sichelbug) verwendet wurden, bei Beibehaltung der Holzbauweise. Diese „Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen“ ist für die Hochseeschifffahrt des 19. Jahrhunderts typisch gewesen, worauf schon WEBER mit etwas anderer Begründung hingewiesen hat. 82 Zwei Innovationen haben die Hochseeschifffahrt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nachhaltig geprägt: der Übergang vom Holzzu Eisen- und Stahlschiffbau und die Bewährung der Schiffsschraube als neues Vortriebselement. Für die erstere steht die oben bereits erwähnte Great Eastern am Anfang des Weges, für die zweite das 1827 an J. RESSEL erteilte Privileg, mit Hilfe einer dampfmaschinengetriebenen Schraube Schiffe fortzubewegen. Der Übergang vom Holzzu Eisen- und Stahlschiffbau ist mit einer Person eng verbunden: dem englischen Ingenieur I. K. BRUNEL, dem der Reihe nach mit den Schiffen Great Western, Great Britain und eben der Great Eastern große Entwicklungsschritte gelangen. Der Rumpf der Great Western hatte als Raddampfer noch die traditioneller Holzbauweise, jedoch war die Außenhaut mit Eisenplatten belegt. Vor allem aber war die Ausstattung von vorne herein auf seinen Zweck, die Atlantikfahrt Bristol-New York für Passagiere, ausgerichtet. Die Jungfernfahrt fand 1837 statt. 1843 folgte die Great Britain als erster propellergetriebene Transatlantikdampfer, dessen Rumpf zudem nicht mehr aus Holz, sondern aus Eisen bestand. Weitere besondere Merkmale des Schiffes waren ein Doppelboden und wasserdichte Schotts. Ihre Masten waren absenkbar zur Reduzierung des Widerstandes beim Dampfen gegen den Wind. Aufbauend auf diesen beiden Erfolgen wandte sich BRUNEL 1852 mit der Great Eastern seinem dritten Schiff zu, das mit einer Wasserverdrängung von 32.000 Tonnen, einer Länge von 211 Metern und Platz für 4000 Passagiere ein Gigant der Meere war - ein Rekord, den erst die Celtic im Jahr 1901 einstellen konnte. Die Great Eastern, die ursprünglich Leviathan heißen sollte, setzte neue Maßstäbe. Auch die Baukosten sprengten alle Dimensionen: 780.000 Pfund, nach heutigem Wert etwa 100 Millionen Euro. Die Hülle war vollständig aus Stahl gefertigt, der Rumpf erstmalig doppelwandig ausgeführt (Abstand 0,85 m). 83 Der Vortrieb erfolgte über eine Schraube von 7,3 m Durchmesser und zwei Schaufelräder mit je 17 m Durchmesser. Für den Antrieb standen zwei Dampfmaschinen und zehn Kessel bereit - sechs davon versorgten die 4900 PS-Maschine für die Schraube und vier die 3400 PS-Maschine für die Schaufelräder. Das Schiff erreichte damit eine Geschwindigkeit von 12½ kn. 81 -Von-"clipping-the-waves"-=-die-Wellen-schneiden.- 82 -Weber,-W.-in: -Propyläen-TG,-Bb.-Netzwerke,-Stahl-und-Strom,-S.-141.- 83 -Doppelhüllenschiffe-sind-so-konstruiert,-dass-sie-außer-der-Außenhaut-und-den-Längs‐-und-Querver‐ bänden-über-zusätzliche-Schotten-und-Decks-verfügen,-die-eine-komplette-zweite-Hülle-bilden.-Sollte- die-Außenhaut-des-Schiffes-durch-einen-Seeunfall-beschädigt-werden,-so-soll-die-zweite-Hülle-das-Voll‐ laufen-von-größeren-Teilen-des-Schiffs,-beziehungsweise-ein-Austreten-der-Ladung-verhindern.- <?page no="122"?> 4 Geschichte des Energietransports 122 Ein Jahr später lief die Great Eastern vor dem Hafen von New York auf ein Riff, das einen 26 Meter langen Riss in den Rumpf schnitt. Die doppelwandige Ausführung des Rumpfes half, die Katastrophe zu vermeiden. Jedoch sollte man beim Abwracken 1889 zwei Skelette in der Hülle des Rumpfes entdecken. Es sollen die Überreste zweier Werftarbeiter gewesen sein, die während des Baus des Riesen als vermisst gegolten hatten. Auch sonst war der Great Eastern, so sensationell ihre Technik war, kein großes Glück beschieden - sie endete nach Umbauten als Kabelleger, wie schon in Abb. 4.6-23 zu sehen. 1837 ging mit der Novelty das erste schraubengetriebene Handelsschiff nach dem Patent von J. ERICSSON in einen regelmäßigen Dienst, während F. SMITH 1841 mit der Rattler das erste mit Schrauben betriebene Kriegsschiff baute. Abb.-4.6‐24: -HMS-Rattler-(links)-vs.- HMS-Alecto-(rechts),-3.-April-1845; - Quelle: -Unbekannter-Künstler,-- Originalgemälde-In-The-National- Maritime-Museum,-Greenwich- - Mit dem Aufkommen des Schraubenantriebes drängte sich die Frage nach dem effizienteren Antrieb auf - Rad oder Schraube? Zu diesem Zweck veranstaltete die Royal Navy 1845 einen Vergleich zwischen dem Raddampfer Alecto und dem Schraubendampfer Rattler, die beide vom gleichen Typ und mit gleich starken Maschinen ausgerüstet waren. Schon beim einfachen Geschwindigkeitsvergleich gewann die Rattler. Beim zweiten Versuch wurden beide Schiffe mit einer Kette Heck am Heck miteinander verbunden und fuhren mit voller Kraft auf Gegenkurs, s. Abb. 4.6-24. Dabei gelang es dem Schraubendampfer, den Raddampfer bei höchster Kraft beider Maschinen mit 2 Knoten über den Achtersteven abzuschleppen - die Schiffsschraube war damit die Lösung der Zukunft. Exkurs: Die Dampfmaschine im Schiffbau Im Hinblick auf die Kraftmaschine selbst ergab sich weniger eine Basisinnovation als vielmehr eine systematische Weiterentwicklung der an Land erprobten Technik hin zur speziellen Form der Schiffsmaschine, aus der viel später, im 20. Jahrhundert, die Fachrichtung des Schiffsmaschinenbaus wurde. Bei Schiffsmaschinen hatte man mit beengtem Raum zu rechnen. Dies führte bei dem zunächst vorherrschenden Radantrieb dazu, auf den oben liegenden Balancier WATT- SCHER Bauart zu verzichten. Ein Zwischenschritt war der Halbbalancier, vom Amerikaner <?page no="123"?> 4 Geschichte des Energietransports 123 EVANS 1807 verwendet, der gegenüber einer Balanciermaschine gleicher Leistung weniger Platz benötigte. Ein Exemplar aus späterer deutscher Produktion zeigt Abb. 4.6-25. . -Abb.-4.6‐25: -Halbbalancier-der-Ersten- Deutschen-Eisenbahnschienen‐- Compagnie,-1847; -Quelle: -Deutsches- Museum,-Sammlungen- Eine bessere Lösung war die Seitenbalanciermaschine, bei der der doppelt ausgeführte Balancier nach unten verlegt und beidseitig angetrieben wurde, s. Abb. 4.6-26. Die dargestellte Maschine trieb bis 1905 den Rheindampfer Germania an. Boulton & Watt bauten diesen Maschinentyp erstmals 1814. Abb.-4.6‐26: -Doppelarmige-Seiten‐ balanciermaschine-von-Cockerill,- Searing,-England,-1841; -Quelle: - Deutsches-Museum,-Sammlungen-- Bis zum Jahr 1900 wurden Raddampfer vorwiegend von solchen Maschinen angetrieben. Die seitliche Anordnung der Balanciers und die niedrige Bauweise der Maschine ergaben einen günstigen Schwerpunkt für das Schiff. Wegen der schwierigen, umständlichen Bedienung, vor allem aber wegen des großen Gewichts, wurde dieser Typus jedoch zunehmend durch balancierlose Maschinen verdrängt. <?page no="124"?> 4 Geschichte des Energietransports 124 Eine dieser balancierlosen Maschinen zeigt Abb. 4.6-27, die zugleich demonstriert, dass eine schräg liegende Schiffsmaschine eine deutlich geringere Bauhöhe erlaubt. Abb.-4.6‐27: -Schräg-liegende- Schiffsmaschine-für-einen- Flussraddampfer; -Quelle: -- Dampfmaschine,-in: -Meyers- Großes-Konversations‐Lexikon- 1905- - Höherer Dampfruck und die volle Verwendung des Druckgefälles ermöglichten eine bessere Energieausnutzung, einen höheren thermischen Wirkungsgrad also. Dies führte zur Konstruktion der Verbund- oder Compoundmaschinen, in denen das verfügbare Druckgefälle über zwei oder mehr hintereinander geschaltete Zylinder voll ausgenutzt wurde. Eine schon fortgeschrittene Bauart aus den Jahre 1889 zeigt Abb. 4.6-28, die zusätzlich noch die Besonderheit hat, dass sowohl der Hochwie der Niederdruckzylinder auf die gleiche Kolbenstange wirken - ein Prinzip, das unter der Bezeichnung Tandem bekannt wurde. Die horizontale Anordnung machte die Verwendung bei Flussdampfern möglich. Eine Form, die sehr wenig Platz brauchte, war auch die oszillierende Dampfmaschine, bei welcher der Zylinder um zwei in Lagern drehbare hohle Zapfen schwang, so dass der Kopf der Kolbenstange der Kurbelbewegung folgen konnte. Die Dampfzuleitung und -abführung erfolgte durch diese hohlen Zapfen mittels angeschlossener, durch Stopfbüchsen abgedichteter Rohre. Beliebt waren als Schiffsmaschinen auch die sog. Trunkmaschinen. Sie waren dadurch in der Längsrichtung verkürzt, dass man die Kolbenstange als weites Rohr (trunk) ausführte, in dessen Mitte die Pleuelstange angreift. Beide Arten von Maschinen wurden jedoch nur temporär gebaut. Bekanntestes Beispiel ist die Maschineanlage der Great Eastern, s. Abb. 4.6-29. Abb.-4.6‐28: -Waagerechte- Tandem‐Verbundmaschine- von-Hick,-Hargreaves-und-Co.- in-Bolton-1889; -Quelle: -Polyt.- Journal-1890,-Band-276,-S.- 342-343- <?page no="125"?> 4 Geschichte des Energietransports 125 - Abb.-4.6‐29: -Die-oszllierende- Dampfmaschine-der-Great- Eastern; -Quelle: -XIX.-century- artist,-Science-Museum,-Lon‐ don- - Bei Schraubenschiffen wurden ausschließlich stehende Maschinen verwendet, deren Zylinder, an Gerüsten befestigt, über der Schraubenwelle standen. Wegen ihrer äußeren Ähnlichkeit mit Dampfhämmern wurden sie auch Hammermaschinen genannt. Hierbei wurde fast ausnahmslos das Compound-Receiversystem verwendet, das überhaupt bei Schiffsmaschinen zuerst erprobt und erst im Laufe der letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts auch auf Landdampfmaschinen übertragen wurde. Größere Schilfe bekamen stets Dreifach-Expansionsmaschinen, bisweilen auch Vierfach-Expansionsmaschinen; ein Beispiel einer Dreifach-Expansionsmaschine zeigt Abb. 4.6-30. ---------- Abb.-4.6‐30: -Dreifach‐Expansionsmaschine; - Quelle: -Dampfmaschine,-in: -Meyers-Großes-- Konversations‐Lexikon-1905- - <?page no="126"?> 4 Geschichte des Energietransports 126 Die Fortschritte im Schiffsmaschinenbau, der bislang noch Bau von Kolbenmaschinen war, waren insgesamt innerhalb eines Jahrhunderts beachtlich. Der erste deutsche Dampfer Die Weser musste noch mit einem thermischen Wirkungsgrad von 1 % auskommen (Mascninenanlage 14 PS, Kohlenverbrauch 8½ kg/ PSh). Nach 100 Jahren Schiffsmaschinenbau war zwischen 1900 und 1910 für die Kolbendampfmaschinen der Zenit erreicht. Die größten Maschinenanlagen wurden in der Passagierschifffahrt realisiert und lagen bei 2 × 20.000 PS, bei einem Kohlenverbrauch von nur noch 0,75 kg/ WPSh. Das entsprach einer sehr deutlichen Verbesserung des thermischen Wirkungsgrad auf jetzt 13 %. Eine Revolution im Bereich thermischer Kraftmaschinen bedeutete die Entwicklung und Einführung der Dampfturbine in den 1890er Jahren, verbunden mit den Namen C. G. P. DE LAVAL und CH. PARSONS, die zugleich für verschiedene Bauweisen stehen. Da sich mit ihr höhere Wirkungsgrade erreichen lassen, fanden sie rasch ihre Einsatzgebiete, zunächst im Bereich der Kraftwerke (s. Kap. 4.7.3), dann aber auch im Schiffsmaschinenbau. Abb.-4.6‐31: -Laufrad-und-Düsen-einer--Lavalschen- Dampfturbine,-eine-der-Düsen-aufgeschnitten,-um-die-- Lavaldüse-sichtbar-zu-machen; -Quelle: -Dampfmaschine,-- in: -Meyers-Großes-Konversations‐Lexikon-1905- Die Dampfturbine von C. G. P. DE LAVAL ist eine Axialturbine mit partieller Beaufschlagung. In Abb. 4.6-31 ist die Wirkungsweise einer solchen zu erkennen. Durch eine Anzahl Düsen a, die unter spitzem Winkel gegen die Laufradebene geneigt sind, strömt Dampf gegen die Schaufeln des Laufrades b und versetzt dieses in rasche Rotation . Die Dampfturbine von C. A. PARSONS ist dagegen voll beaufschlagt. An die Stelle der einzelnen Düsen der LAVALschen Turbine tritt hier ein vollständiges festes Leitrad. Der Dampf durchströmt nacheinander eine Folge von Leit- und Laufrädern. Während erstere in einem gemeinsamen Gehäuse fest eingebaut sind, sitzen letztere konaxial auf der Turbinenwelle. Die 1884 patentierte Turbine zeichnet sich technisch dadurch aus, dass sie die erste Dampfturbine war, die als Reaktionsturbine arbeitete. PARSONS‘ Turbine war etwas komplizierter in der Konstruktion, erreichte aber bessere Wirkungsgrade und ließ sich leichter an steigenden Dampfdruck und steigende Leistungen anpassen. Abb. 4.6-32 zeigt das Prinzip der Schaufelabfolge. Aufgrund der überlegenen Technik setzte sich die Parsonsturbine schnell durch, wurde sowohl für den stationären Betrieb zur Stromerzeugung als auch als Antrieb für Schiffe tausendfach gebaut. Spätere Dampfturbinenentwickler wie G. WESTINGHOUSE, H. ZOELLY, A. RATEAU u. a. bauten auf PARSONS‘ Erfindung auf. Kurz vor dem ersten <?page no="127"?> 4 Geschichte des Energietransports 127 Weltkrieg arbeiten alle neuen Dampfturbinen nach dem Grundprinzip der Parsonsturbine, d.h. nach dem Reaktionsprinzip. Abb.-4.6‐32: -Einzelheiten-zur-Abfolge-der-Schaufeln- und-deren-Befestigung-bei-einer-Parsonstubine-von- 1906; -Quelle: -Polyt.-Journal-1911,-Band-326,-S.-385f- Die Vorteile der Dampfturbinen gegenüber den Kolbenmaschinen waren: einfache und billige Aufstellung ohne umfangreiche Fundamente, leichte Wartung, ferner geringster Raumbedarf, also kleineres Maschinenhaus, Fortfall der Stopfbüchsen, Dichtungen, des ganzen Kurbelmechanismus, der manchmal komplizierten Steuerung und des Schwungrades, und damit ein ruhiger, stoßfreier Gang. Vor allem aber erhöhte sich der Wirkungsgrad, s. Abb. 4.6-33, was sich in deutlich geringerem Kohlenverbrauch und niedrigeren Betriebskosten niederschlug. Erstes turbinengetriebenes Schiff war das Schnellboot Turbinia, das PARSONS als Experimentalschiff diente, s. Abb. 4.6-34. An die Öffentlichkeit trat PARSONS mit seiner Entwicklung in spektakulärer Weise, indem er mit der Turbinia am 26. Juni 1897 unangekündigt bei einer Flottenparade anlässlich des Diamantenen Thronjubiläums von Königin VICTORIA auflief und als ziviles Schiff unerlaubterweise am Rennen der schnellsten Zerstörer teilnahm - und gewann. Abb.-4.6‐33: -Entwicklung- der-Wirkungsgrade-bei- thermischen-Kraft‐- maschinen; -Quelle: - Dampfturbine,-in: -LEIFI,- Joachim-Herz-Stiftung-- <?page no="128"?> 4 Geschichte des Energietransports 128 Konsequent vergab die britische Marine mehrere Aufträge an PARSONS. 1905 entschied die Admiralität, in Zukunft alle Schiffe der Marine von Turbinen antreiben zu lassen. Die Dampfturbine wurde schnell auch in der Handelsschifffahrt adaptiert. PARSONS` Werft war auch hieran beteiligt und baute vier große turbinengetriebene Passagierschiffe für den Transatlantikverkehr. Zwei von ihnen stellten in der Atlantiküberquerung Geschwindigkeitsrekorde auf, die RMS Lusitania 1906 und die RMS Mauretania 1907. Beide erhielten hierfür das Blaue Band. Auch der Schnelldampfer Imperator der Hamburg-Amerika Linie, gebaut 1912 in den Vulcan Werken Hamburg, bekam vier Turbinen, die direkt mit je einer Propellerwelle verbunden waren. Die Gesamtleistung des Antriebs betrug 60.000 WPS bei einer Drehzahl von 175 U/ min, der Brennstoffvorrat max. 8500 t Kohle. Abb.-4.6‐34: -Die-Turbinia,-Experimen‐ tierträger-1897; -Quelle: -Picture-©-Discov‐ ery-Museum- Nach dem Krieg erholte sich die Passagierschifffahrt auf dem Atlantik nur zögernd. Erst mit dem Aufschwung der 1920er Jahre wurden wieder größere Neubauten in Angriff genommen. Die größte technische Neuerung lag in der Ölfeuerung, die die bis 1914 standardmäßig praktizierte Kohlefeuerung der Schiffe ersetzte. Dadurch steigerte sich die Effizienz der Schiffsmaschinen spürbar, was noch höhere Reisegeschwindigkeiten ermöglichte. Mit dem Übergang zur Ölfeuerung verschwand auch der Beruf des Kohlentrimmers oder auch Kohlenziehers und der des Heizers. Der Kohlentrimmer hatte die Aufgabe, die Kohle an Bord zu versorgen und aus den zum Teil weit vom Kesselraum entfernten Kohlebunkern heranzuschaffen, s. Abb. 4.6-35, die die Verbunkerung zeigt. Die eigentliche Feuerung der Kessel zur Dampferzeugung übernahmen dann die Schiffsheizer. Die beschwerliche und unter heutigen Bedingungen kaum mehr vorstellbare Arbeit des Kolentrimmers veranschaulicht folgender Text: „Die Arbeit wurde in der Regel im Dreiwachen-Törn gefahren. Das bedeutete, dass ein Trimmer vier Stunden arbeitete, acht Stunden Ruhezeit hatte und dann nochmals einen Törn von vier Stunden Arbeit plus acht Stunden Ruhezeit abspulte. Vierundzwanzig Stunden bestanden folglich aus acht Stunden Arbeit und sechzehn Stunden Freiwache. Die Arbeitsbedingungen der Trimmer waren nach heutigen Maßstäben oftmals nahezu unzumutbar. Die Kohlebunker waren lichtlose, verwinkelte und mit Spanten, Stützen und Stringern durchzogene Schiffsräume, die zum Teil in gleicher Höhe, zum Teil höher als die Kesselräume lagen. Die Kohle wurde, sofern sie nicht selbständig aus den Bunkerlöchern <?page no="129"?> 4 Geschichte des Energietransports 129 rieselte, mit Hilfe von Trimmerschaufeln in Schubkarren eingebracht. Die Schubkarren wurden dann über Holzbohlen, die auf der Kohle lagen, zum Kesselraum befördert und dort vor den Kesseln ausgeladen. In den Bunkern, die oft mit stickiger Luft und Kohlenstaub gefüllt waren, diente eine einfache Kabellampe als notdürftige Beleuchtung. In hohen Bunkern, die über mehrere Decks reichten, war die Arbeit oft gefährlich, wenn sich die Kohlen lawinenartig lösten und, durch Trichterbildung während des Abschaufelns oder durch Seegang hervorgerufen, nach unten rutschten. Abb.-4.6‐35: -Kohlentrimmer-bei-der- Kohlenaufnahme-in-Port-Said-1938; - Quelle: -Gotthard-Schuh,-Fotostiftung- Schweiz,-Winterthur- Die Kohlentrimmer standen auf der untersten Stufe der Bordhierarchien. Schiffsheizer begannen meist als Kohlentrimmer und konnten nach zwei Jahren in den Kesselraum wechseln.“ 84 Erdöl Wie bei der Kohle geht es auch beim Öl unter dem Aspekt Transport um mehrere Perspektiven. Einerseits ist Öl ein energiereicher Rohstoff, der von der Exploration bis zum fertigen Produkt weltweit über viele Transportstufen läuft und andererseits ermöglichen die aus ihm produzierten Treibstoffe den mobilen Verkehr zu Lande, im Wasser und in der Luft. Wegen seiner technischen und quantitativen Bedeutung wird letzterer in separaten Kapiteln behandelt. Erdöl bzw. seine Bestandteile sind bereits seit einigen Tausend Jahren bekannt, z. B. schon vor 12.000 Jahren den Menschen im Vorderen Orient, wo es als Erdpech zur Abdichtung von Booten genutzt wurde. In Babylonien wurde Erdöl vermutlich bereits zur Beleuchtung verwendet es hieß dort „naptu”, abgeleitet von „nabatu” = leuchten; das Wort ist der Ursprung des griechischen naphtha für Erdöl. Im antiken Mittelmeerraum kannte man es dann unter diesem Namen. Die römische Armee nutzte Erdöl wohl als Schmierstoff für Achsen und Räder. Im Byzantinischen Reich wurde vermutlich aus Erdöl der Brennstoff für eine als „griechisches Feuer“ bezeichnete Vorform des Flammenwerfers 84 -Aus-http: / / www.wikipedia.org/ wiki/ Kohlentrimmer,-Abruf-30.8.2019.- <?page no="130"?> 4 Geschichte des Energietransports 130 hergestellt, das auch die Kreuzfahrer entsetzte. Im 9. Jahrhundert berichtet dann die arabisch-persische Literatur von der offenbar schon früher entdeckten Kunst der Destillation, also der Trennung des Erdöls in seine Fraktionen. 85 Das späte Mittelalter in Europa kannte das Erdöl als Steinöl, Bergöl, Bergfett oder Peteröle und in den Apotheken als Petroleum und Oleum Petrae. In vorindustrieller Zeit wurde Erdöl zur Herstellung von Heilmitteln, Salben, im Gartenbau und als Lampenöl verwendet. Therapeutische Anwendung fanden Öle aus lombardischen Rohölquellen, und am Tegernsee verkauften die Mönche „Heiliges Quirin-Öl“. Abb. 4.6-36 zeigt eine spätmittelalterliche Darstellung der noch technikfreien Gewinnung. Abb.-4.6‐36: -Aus-dem-Kapitel-Petroleum-in-einem-der-Mainzer-- Kräuterbücher; -Quelle: -Hortes-sanitatis,-Buch-V,-1491,-Kapitel-101- - Zumindest seit dem 6. vorchristlichen Jahrhundert gibt es Aufzeichnungen darüber, dass das Öl von Baku wirtschaftlich genutzt wurde. Wie MARCO POLO berichtete, wurden dort, wo die ölführenden Schichten zutage traten, seichte Gruben geschaffen, in den sich das Öl sammelte und abgeschöpft werden konnte. Das Öl gelangte, in Ledersäcke gefüllt, auf Kamelen in weite Teile Arabiens sowie bis nach Indien. 1594 reichten handgegrabene Schächte bis in Tiefen von 35 m. Der deutsche Arzt und Weltreisende E. KAEMPFER berichtete nach einer 1684 nach Baku unternommenen Reise von „dreißig und mehr Ellen“ tiefen Ölbrunnen. 86 Der Umfang der Ölgewinnung blieb jedoch über viele Jahrzehnte fast gleich. Das änderte sich erst im 19. Jahrhundert.1806 wird von etwa 50 Ölquellen berichtet. 1830 wird berichtet, dass in Baku aus 116 händisch gegrabenen Brunnen jährlich 3.840 metrische Tonnen (über 700 Fässer) Öl gewonnen werden konnten. Um 1865 wird die Anzahl der Ölförderstellen auf der Apsheron-Halbinsel mit 218 angegeben. 1886 werden 168 produzierende Ölbohrungen genannt, die in Tiefen von 50 bis 315 m reichten. 1828 wurde Aserbaidschan von Russland annektiert. Mit dem Beginn der industriellen Entwicklung in Russland erhielten die Ölvorkommen von Baku eine wichtige Rolle. Der steigende Bedarf begünstigte die Entwicklung neuer technischer Erschließungsmethoden. 1844, also 15 Jahre vor DRAKE in Pennsylvania, erbohrte der russische Ingenieur F. N. SEMYENOV mit einem Schlagbohrsystem eine Ölquelle im auch heute noch genutzten Ölfeld von Bibi-Eibat. Dies wäre somit das älteste in Förderung stehende Ölfeld der Welt. 87 85 -Näheres-zur-frühen-Geschichte-des-Erdöls-in-Suhling,-L.: -Erdöl-und-Erdölprodukte-in-der-Geschichte,- D.-Museum,-Abhandlungen,-43.-Jg.-Heft-2/ 3,-1975.- 86 -Suhling,-Erdöl,-S.-89.- 87 -Nach-http: / / www.wabweb.net/ history/ oel/ baku,-Abruf-24.5.2019.- <?page no="131"?> 4 Geschichte des Energietransports 131 Als eigentlicher Startschuss der modernen Geschichte des Erdöls gilt jedoch das Patent von 1855 auf die Herstellung von Petroleum aus Kohle oder Erdöl, das dem kanadischen Arzt und Geologen A. P. GESNER in den USA erteilt wurde. Die kommerzielle Nutzung geht jedoch auf den New Yorker Rechtsanwalt G. BISSELL zurück. Seine durchschlagende Idee war, das Petroleum für die Beleuchtung zu verwenden: die Petroleumlampe war geboren. Das war für den Alltag der Menschen wie des Handwerks nicht unwichtig - Walrat war sehr teuer, das moderne Leuchtgas nur in wenigen Zentren verfügbar. Die Herstellung von Petroleum als Leuchtmittel blieb bis zum Aufstreben der Automobilindustrie in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts der Hauptzweck der Erdölförderung. Heute ist Erdöl einer der wichtigsten Rohstoffe der Industriegesellschaft. Es ist der bedeutendste Energieträger, insbesondere als Rohstoff für die Herstellung von Treibstoffen, sowie Ausgangsstoff für zahlreiche Produkte der chemischen Industrie, wie Düngemittel, Kunststoffe, Lacke und Farben oder auch Medikamente. Erdöl ist nicht nur Energieträger und universeller Rohstoff, sondern ist zugleich ein eminent wichtiger Faktor in der Weltwirtschaft geworden und wurde so zum Objekt wie Subjekt der Politik. Hierauf geht der gesonderte Exkurs „Der Kampf ums Öl“ weiter unten ein. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde bereits außerhalb der USA professionell nach Erdöl gebohrt - 1844 in Baku (s. oben) und in Deutschland, wo im März 1856 in Dithmarschen von L. MEYN und ab 1858 bei Wietze in Niedersachsen (nördlich von Hannover) erfolgreiche Bohrungen durchgeführt wurden. Die nach dem Bohrleiter benannte HUNÄUS- Bohrung bei Wietze wurde am 1. Juli 1859 in einer Teufe von 35 m fündig und gilt häufig als die erste erfolgreich niedergebrachte Erdölbohrung weltweit. Die kommerzielle Nutzung in der Breite ging jedoch von den USA und hier wiederum von BISSELL aus. Er erwarb Land um eine in Titusville, Pennsylvania, gelegene offene und schon länger bekannte Ölquelle und gründete in der Vorstellung, dass hier Ölvorräte in der Erde verborgen lagen, mit Partnern die Pennsylvania Rock Oil Company. Selbst Anwalt, brauchte BISSEL vor Ort technisch und handwerklich tätige Kräfte. Seine Wahl fiel auf E. DRAKE, einen kleinen Gesellschafter der Pennsylvania Rock Oil Company und nach unstetem Leben als Eisenbahner pensioniert. DRAKE bemühte sich zunächst ergebnislos, probierte mit anderen dann ein Bohrverfahren aus und traf schließlich am 27. August 1859 in 21m Tiefe auf Öl, das von selbst aufstieg und sich leicht gewinnen ließ. BISSELL hatte also Recht gehabt. In der Folge zog es viele Abenteurer nach Titusville - gegen Ende 1860 waren es bereits 75 Bohrungen, und 1865 sah es dort wíe in Abb. 4.6-37 aus. Während sich die Gegend am Oil Creek infolge dieses Fundes rasch zu einer prosperierenden Ölförderregion entwickelte, blieb der Ölfund von Wietze wirtschaftlich zunächst folgenlos. Das rechtfertigt, Titusville als den Ort und DRAKE als den Mann anzusehen, mit denen die moderne Geschichte des Öls ihren Ausgang nahm. <?page no="132"?> 4 Geschichte des Energietransports 132 - Abb.-4.6‐37: --Bohr‐-und- Fördertürme-bei-Titusville,- Pennsylvania,-USA,-1865; - Quelle: -Drake-Well-Museum- Collection,-Titusville,-PA.- Die Nachfrage nach Petroleum stieg nach dem Förderboom in Titusville rasch an. Nachfrage befördert den Preis, und so kostete Öl in den Folgejahren rasch 8 $/ Barrel, auf 2007 inflationsbereinigt 107 $/ Barrel. 88 Es gab jetzt einen Markt für Erdöl, und der hat seine eigene, bewegte Geschichte, die im Folgenden als Exkurs dargestellt ist. Exkurs: Der Kampf ums Öl 89 Die USA blieben nicht lange allein; auch Russland begann, mit den Vorkommen in Baku den Petroleumsmarkt zu bedienen. Das Angebot stieg, die Preise sanken: 1977 kostete Öl nur noch 2,56 $/ Barrel, inflationsbereinigt rd. 50 $/ Barrel, Petroleum war zum Grundstoff der Beleuchtung geworden. Insofern musste das aufkommende elektrische Licht und speziell die Erfindung der Glühlampe durch Edison Auswirkungen zeigen. Die Öllampen verloren am Markt und mit ihrem Rückzug sank die Nachfrage nach Öl. Der Preis fiel Anfang 1900 auf unter 2 $/ Barrel, inflationsbereinigt ca. 38 $/ Barrel.) Das Geschäft mit dem Erdöl schien sich dem Ende zuzuneigen. Rettung kam von ganz anderer Seite - vom neu erfundenen Automobil und hier speziell von seiner Massenfertigung, die auf H. FORD zurückgeht. Er brachte das erste in Fließbandfertigung produzierte Modell auf den Markt - sein Modell T, auch Tin Lizzie genannt. Nach der Umstellung auf diese neue industrielle Produktionsweise am 14. Januar 1914 wurde der Verkaufspreis von 850 Dollar (etwa 21.060 $ oder 17.090 € in heutiger Kaufkraft) auf 370 Dollar (etwa 9.170 $ oder 7.440 € in heutiger Kaufkraft) gesenkt. Das war der Einstieg in eine mobile Gesellschaft und zugleich der Beginn einer neuen, vom Benzin 88 -Barrel-heißt-übersetzt-„Fass“.-1-Barrel-=-(gerundet)-159-Liter-ist-die-noch-heute-gültige-Öleinheit,-ab‐ gekürzt-bbl.-Zwischen-dem-englischen-und-dem-amerikanischen-Barrel-gibt-es-kleinere-Unterschiede.- 89 -Unter-Nutzung-verschiedener-Quellen: -Zischka,-A.: -Der-Kampf-um-die-Weltmacht-Öl,-1934; -Jung,-A.: -- Der-Fluch-des-Öls,-Spiegel-online,-31.05.2011; -Boon,-M.: -Oil-Pipelines,-Politics-and-International-Busi‐ ness,-Gildeprint-2014; -BP-AG-(Hg): -Das-Buch-vom-Erdöl,-4.-Aufl.; -Chernow,-R.: Titan-‐-The-Life-of-John-D.- Rockefeller,-Sr,-Mai-5,-1998; --u.a.--- <?page no="133"?> 4 Geschichte des Energietransports 133 dominierten Ära. Die Annahme des Automobils in der Gesellschaft, aber auch der Erste Weltkrieg und seine Folgen ließen die Ölpreise wieder steigen. Die Weltwirtschaftskrise hatte für alle Industriestaaten gravierende wirtschaftliche Folgen. Unternehmenszusammenbrüche waren an der Tagesordnung, eine Zeit hoher Arbeitslosigkeit begann, begleitet von Deflation. In der Summe dieser Faktoren sank auch die Nachfrage nach Erdöl deutlich, sodass der Ölpreis einen historischen Tiefststand erreichte: 0,65 $/ Barrel, inflationsbereinigt 8,92 $/ Barrel im Jahre 1931, Der Zweite Weltkrieg bestätigte die inzwischen kriegsentscheidende Rolle des Öls - Erdöl war eine Macht sui generis geworden. Nach seinem Ende war der Ölpreis trotz der Nachfrage im Wiederaufbau mit rd. 2 $/ Barrel, inflationsbereinigt rd. 17 $/ Barrel recht günstig und blieb näherungsweise auf diesem Stand trotz Suez- und anderer Krisen. In den 60er Jahren dann stiegen Nachfrage und Angebot rasant an, ein Wettkampf um Marktanteile begann. Der Ölpreis sank auf 1,80 $/ Barrel - ein weiterer Tiefpunkt, wenn man überschlägig auf inflationsbereinigt 9,65 $ umrechnet. Am 14.9.1960 schließlich wurde in Bagdad von Irak, Iran, Kuwait, Saudi-Arabien und Venezuela die „Organization of the Petroleum Exporting Countries (OPEC)“ gegründet, um eine gemeinsame Erdölpolitik zu betreiben und das Preisdiktat der multinationalen Erdölgesellschaften zu durchbrechen; Sitz war zunächst Genf, später Wien. Sie hat bis heute Bestand. Wirtschaftlich ist die OPEC ein Quotenkartell, das Verabredungen über Erdölfördermengen trifft. Die Macht der OPEC hängt dabei davon ab, wie hoch ihr Anteil am Rohölmarkt ist. Am Jom Kippur des Jahres 1973 nahm der vierte arabisch-israelische Krieg seinen Anfang. Die Nachfrage nach Öl stieg, die OPEC regierte jedoch politisch und drosselte die Produktion. Die Nicht-OPEC-Länder konnten sie andererseits nicht steigern. Ergebnis war ein Anstieg des Ölpreises um etwa 70 % anstieg: Erdöl kostete 1973 in Preisen dieses Jahres über 5 $/ Barrel. Das war noch nicht alles: Auch 1974 stieg der Ölpreis weiter und erreichte fast 2 $/ Barrel, inflationsbereinigt rd. 50 $/ Barrel. Die später so genannte Erste Ölkrise erfasste die Welt. 1978 war das Jahr des AYATOLLAH KHOMEINI. Er stürzte den Schah und veränderte den Iran danach zu einem muslimisch dominierten Gottesstaat. In der Folge sank Irans Erdöl-Produktion um 3,9 Mill. Barrel, was umgehend Auswirkungen am Ölmarkt hatte. Die islamische Revolution und der nachfolgende erste Golfkrieg zwischen Iran und Irak wurden zu Auslösern der Zweiten Ölkrise. Der Ölpreis wurde in ihrem Verlauf weiter getrieben, bis zu einer Notierung von fast 37 $/ Barrel, inflationsbereinigt rd. 93 $/ Barrel. Die Ölkrisen blieben nicht ohne Folgen. Die ölabnehmenden Industrieländer versuchten sich von den Schwankungen des Marktes zu lösen und schufen Reservekapazitäten. In Deutschland begann man, auf die Kernenergie für die Stromversorgung auszubauen. Vermehrte Exploration führte schließlich zu neuen Fördergebieten außerhalb der OPEC, insgesamt mit dem Ergebnis: Die OPEC verlor ihre bisher geltende Dominanz. <?page no="134"?> 4 Geschichte des Energietransports 134 Allerdings schossen die Maßnahmen über das Ziel hinaus. Überproduktion und Preissenkungen einiger OPEC-Länder senkten den Preis für Öl massiv: nach Überwindung der Krise kostete Öl am Ende nur noch 14,43 $/ Barrel, inflationsbereinigt rd.27 $/ Barrel. Der zweite Golfkrieg war 1990 wieder Auslöser für einen Anstieg der Preise auf jetzt rd. 24 $/ Barrel, inflationsbereinigt rd. 38 $/ Barrel. In den Jahren 1997 und 1998 bewirkte dann die Asienkrise nochmals einen Nachfragerückgang mit der Folge, dass sich der Preis auf 12,72 $/ Barrel, inflationsbereinigt 17 $/ Barrel, neu einstellte. Danach gab es weltweites Wirtschaftswachstum, sodass die Nachfrage nach Öl erneut anstieg. Schließlich lag der Preis am Ende des Jahrhunderts wieder bei knapp unter 20 $/ Barrel. Bemerkenswert ist, dass der Preis zu diesem Zeitpunkt noch unter den (inflationsbereinigten) Werten lag, die 100 Jahre früher gezahlt werden mussten, s. oben. Auch die Preise von 1860 wurden unterboten. In den ersten beiden Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts wurde das Öl aufgrund steigenden Bedarfs auch aus dem asiatischen Raum zunehmend teuer gehandelt, bis sich die weltweiten Finanzkrisen bemerkbar machten und erneut unter Beweis stellten, dass der Ölpreis längst ein Spiegel des Zustandes der Weltwirtschaft, der Finanzmärkte und der politischen Randbedingungen geworden war. Abb. 4.6-38 zeigt in der Grafik die bereinigten Rohölpreise in US-$ für die Jahre 1970 - 2005. Abb.-4.6‐38: -Ölpreis,-Weltwirtschaft-und-Politik; -Quelle: -Infografik-Dow-Jones Der Ölpreis ist die eine Seite des Öls als Wirtschaftsgut. Die andere Seite ist die produzierte Menge, die wiederum, zumindest teilweise, den Bedarf reflektiert, der im Laufe des 20. Jahrhunderts weltweit entstand. Abb. 4.6-39 zeigt, dass in den ersten 35 Jahren des Jahrhunderts die USA weit vor Russland die Produktion dominierten. Sie zeigt aber auch das Hinzutreten weiterer Förderländer, zu denen von den 1930er Jahren an zunächst Persien und folgend, ab 1938, auch Saudi-Arabien gehörte. <?page no="135"?> 4 Geschichte des Energietransports 135 Abb.-4.6‐39: -Weltölproduktion-im-ersten-Drittel-des-20.-Jahrhunderts,-in-1000-Fass- (7-Fass-=-1-t); -Quelle: -Zischka,-Weltmacht-Erdöl,-Anhang- Mit dem ersten Weltkrieg war Öl eine Weltmacht geworden, und der Verbrauch stieg weltweit an, wozu die USA mit ihren 9,2 Mio. Autos im Jahr 1920 besonders beitrugen. Es lag für England wie für die USA nahe, die im Nahen Osten vermuteten Vorkommen zu explorieren und zu erschließen. Im neuen Irak, der sich 1921 gebildet hatte, fanden sie 1927 bei Kirkut eine ergiebige Quelle. Auch Mexiko und Venezuela meldeten neue große Funde. Dem steigenden Verbrauch stand also die Entdeckung neuer Quellen gegenüber. Letztere überwog sogar mithilfe der neuen Techniken wie Aufklärung aus der Luft und Verwendung von Seismografen zur Exploration. Auch die neu gegründeten privaten Ölgesellschaften, ursprünglich nur mit dem Ölhandel verbunden, trugen ihren Teil zu den Erschließungen bei, Das Potenzial des Ölhandels hatte schon im 19. Jahrhundert der US-Amerikaner J. D. ROCKEFELLER rechtzeitig erkannt. Er engagierte sich hier finanziell und im Management und wurde allmählich der reichste Mann der Welt. Sein Blick galt auch den Details - vom Eichenholz für die „Barrels“ bis zu den Öldepots: alles, was mit dem Öl zusammenhing, war sein Feld. So war es nur logisch, dass er sich auch im Bereich der Ölverarbeitung engagierte - zunächst, indem er 1870 die Standard Oil Company gründete, deren primärer Geschäftszweck die Raffination wurde. Sie wurde schnell Marktführer in den USA und betätigte sich auch in Erschließung und Förderung. In den USA war ROCKEFELLER bald als recht rücksichtsloser Unternehmer bekannt; er unterbot jeden Konkurrenten und versuchte, dessen Geschäft zu übernehmen. <?page no="136"?> 4 Geschichte des Energietransports 136 Dies Vorgehen wiederholte ROCKEFELLER auch in Europa, und so wurde Standard Oil zum ersten multinationalen Konzern. 1871 erwuchs ihm allerdings mit den Brüdern LUD- WIG und ROBERT NOBEL 90 Konkurrenz, die sich am Kaspischen Meer engagiert hatten und dort auf neue Felder gestoßen waren. Sie waren auch in Baku tätig, wo bislang die eigentlich schon alte Ölförderung und -raffinierung konzentriert war. Dort gehörte ihnen mit der Petroleum Production Company Nobel Brothers, Ltd., 91 eine der drei großen Ölgesellschaften. Von L. NOBEL wurde später auch als „russischem Rockefeller” berichtet. Die Ölproduktion in Russland überstieg die dortige Nachfrage. So kam es für die Brüder NOBEL zu einer Kooperation mit der Pariser Bankiersfamilie ROTHSCHILD, die über eine neu zu bauende und von ihnen finanzierte Bahnstrecke die Verbindung nach Mitteleuropa und damit zu den Ölmärkten öffnen wollten. Die ROTHSCHILDS gründeten jedoch mit der Caspian-Black Sea Oil Industry and Trade Company auch ein eigenes Unternehmen in Baku, das erfolgreich die Förderung und Raffination von Öl betrieb und so zu den NOBELS aufschloss. Ein weiterer Konkurrent war in Asien entstanden, wo 1897 auf Borneo Öl guter Qualität gefunden und von der The Shell Transport and Trading Company gefördert wurde. Die Firma gehörte dem Händler M. SAMUEL, der sie mit dem Geld der ROTHSCHILDS aufgebaut hatte. 1907 schlossen sich unter H. DETERDING und SAMUEL die N.V. Koninklijke Nederlandse Petroleum und SAMUELS Firma unter dem neuen Namen Royal Dutch Shell zusammen, wobei die bis heute als Logo geführte Muschel („Shell“) auf den Ursprünge SAMUELS als Londoner Raritätenhändler hinwies. Ab 1912 startete die Gruppe Royal Dutch Shell auch in den USA Aktivitäten und machte ROCKEFELLER vor Ort Konkurrenz. Die Kämpfe um den Ölmarkt zwischen ROCKEFELLER, den NOBELS, den ROTHSCHILDS und SAMUEL/ DETERDING waren die ersten, wenn auch nicht mit Waffen ausgetragenen „Ölkriege”. Eine zusätzliche Komponente brachten US-amerikanische Gerichte und Politik hinein: die rüden Geschäftspraktiken von ROCKEFELLERS Standard Oil hatten zu massiver öffentlicher Kritik geführt. Im Ergebnis wurde Standard Oil 1911 vom obersten Gericht der USA in 34 unabhängige Gesellschaften zerschlagen. 92 1908 wurde auch in Masdsched Soleyman, Iran, Öl gefunden, und 1909 wurde zu seiner Förderung die britische Anglo-Persian Oil Company gegründet. An ihr erwarb 1914 die britische Regierung 51 % des Kapitals, was sie de facto zu einer britischen Firma machte. 93 Sie sicherte sich so den direkten Zugang zum Öl, dessen strategische Bedeutung inzwischen unbestritten war. Sie kam damit zugleich ihrem Marineminister W. 90 -Brüder-des-Nobelpreisstifters-Alfred-Nobel.- 91 -Bekannter-als-BRANOBEL.- 92 -Einige-der-neuen-Gesellschaften-führten-weiter-die-Standard-Oil-im-Namen-(Standard-Oil-of-…).-Für- eine-davon,-die-Standard-Oil-of-Indiana,-hatte-unterdessen-der-Chemiker-W.-M.-Burton-herausgefun‐ den,-wie-man-lange-Kohlenstoffketten-aufbrechen-(„cracken”)-konnte---damit-konnte-die-Ausbeute-an- Benzin-aus-Rohöl-mehr-als-verdoppelt-werden.-1910-lag-Benzin-im-Absatz-erstmals-vor-Petroleum.-- 93 -1954-wurde-das-Unternehmen-nach-Abschluss-eines-neuen-Konsortialvertrages-in-British-Petroleum- Company-umbenannt-(BP).- <?page no="137"?> 4 Geschichte des Energietransports 137 CHURCHILL entgegen, der beschlossen hatte, neue Großkampfschiffe nur noch mit Ölmotoren in Auftrag zu geben. 94 Dass Schiffe mit Verbrennungsmotoren schneller waren, galt inzwischen als erwiesen. Und das erschien CHURCHILL, der sich mit Kaiser WIL- HELMS II. weltpolitischem Ehrgeiz konfrontiert sah, als wichtiger Vorteil. In England herrschte Kriegsfurcht, und das nicht grundlos: Deutschland erklärte am 1. August 1914 Russland den Krieg - der erste Weltkrieg begann. 1932 war das Jahr, in dem das junge Königreich Saudi-Arabien in den Kreis der Ölförderländer eintrat, nachdem auf der Insel Bahrain Öl entdeckt worden war. Für das in al-Hasa vermutete Ölfeld gingen die Schürfrechte an die amerikanische Standard Oil of California, eine der Nachfolgegesellschaften von ROCKEFELLERS Standard OiI, die wiederum für Saudi-Arabien die California-Arabian Standard Oil Co. gründete. Damit hatten die USA auch in dieser zukünftig wichtigen Region, die bisher britisch dominiert war, Fuß gefasst. 1938 wurde schließlich in Kuwait das Burgan-Ölfeld entdeckt, eines der größten Felder der Welt. Die Erschließung hier übernahm die Kuwaiit Oil, eine Tochter der amerikanischen Gulf Oil Company und der Anglo-Persian Oil Company, an der wiederum die Engläner die Mehrheit hielten. Im gleichen Jahr waren auch die Amerikaner mit der California-Arabian Standard Oil bei Dhahran und Ras Tanura im Osten Saudi-Arabiens endlich erfolgreich: die Produktion aus der Quelle Dammam 7 konnte beginnen. Der zweite Weltkrieg hemmte dann die weitere Entwicklung zunächst. 95 Gegen Ende des Krieges musste Treibstoff auch in den USA rationiert werden. Das änderte sich sofort nach 1945. Waren in diesem Jahr noch 26 Mio. Autos zugelassen, so waren es 1950 schon 40 Mio. Fahrzeuge, die versorgt werden wollten. Das war aus eigener nationaler Förderung nicht mehr zu schaffen - ab 1948 mussten die USA Öl importieren. In Europa, genauer Westeuropa, wurde der aus den USA initiierte Marshallplan das Tor zum Wiederaufbau. Auch hier war Öl gefragt, im Energiewie im Verkehrssektor. Der Nahe Osten wurde hierfür zur Schlüsselregion. Noch im Jahr 2010 belieferte sie Europa mit 28 % seines Bedarfs. Öl ist zunächst ein Bodenschatz, der der jeweiligen Nation gehört. Insofern war der Streit mit den privaten Gesellschaften um die Einnahmen aus der Ölförderung programmiert. 1917 bereits verstaatlichte Mexiko sein Öl, und Ende 1950 einigten sich die jeweiligen Gesellschaften mit Saudi-Arabien, Kuwait und dem Irak auf eine paritätische Verteilung der Gewinne. Im Iran gab es einen langen Prozess, der 1951 mit einem Grundsatzbeschluss zur Verstaatlichung begann, aber erst 1973 mit der Übergabe aller Ölaktivitäten an die staatseigene National Iranian Oil Company (NIOC) endete. Verstaatlichung war auch an anderer Stelle der Weg zur Gewinnung eigener wirtschaftlicher Souveränität, so 1956 in Aegypten, wo Präsident Nasser für den im Öltransport äußerst wichtigen Suezkanal die Verstaatlichung verkündete. Die folgenden militärischen 94 -S.-auch-Abb.-4.6‐83: -Churchill-an-Bord-der-Selandia.- 95 -Aus-der-California‐Arabian-Standard-Oil-wurde-später-die-Arabia-American-Oil-Company-(Aramco).- <?page no="138"?> 4 Geschichte des Energietransports 138 Auseinandersetzungen endeten mit dem Rückzug der europäischen Mächte. Das war zugleich auch das letzte Kapitel britischer Vorherrschaft im Wirtschaftsgeschehen des Nahen Ostens. Neue Allianzen übernahmen die Führung, nicht zuletzt die oben beschriebene, über den vorderen Orient ausgreifende OPEC. Den Anstieg der Ölproduktion seit den 1930er Jahren zeigt Abb. 4.6-40. Die Top drei der ölproduzierenden Länder sind heute Saudi-Arabien, Russland und die USA.. Abb.-4.6‐40: -Welt‐Ölproduktion-der-jüngeren-Zeit; -Quelle: -Daten-1930‐1959-Bureau-of-Mining-Bulle‐ tins,-Daten-1960‐2012-nach-OPEC‐Website- Exploration, Förderung und Verteilung werden auf der privaten Seite gegenwärtig von nur 5 Gesellschaften beherrscht, s. Abb. 4.6-41. Ihr Anteil an der weltweiten Förderung beträgt allerdings derzeit nur 15 %. Ihnen stehen die mehrheitlich staatlich kontrollierten oder stark unter staatlichem Einfluss stehenden Erdölfördergesellschaften gegenüber, von denen u. a. über die OPEC starke Markteinflüsse ausgehen und die im Folgenden nach ihren täglichen Fördermengen geordnet sind: Saudi Aramco (10,3 Millionen Barrel pro Tag), PEMEX (3,7 Millionen), China National Petroleum Corporation (3,5 Millionen), Petróleos de Venezuela (3,3 Millionen), Kuwait Petroleum Corporation (2,5 Millionen), Nigerian National Petroleum Corporation (2,3 Millionen), Petrobras (2,0 Millionen), Lukoil (1,9 Millionen) und Rosneft (1,7 Millionen). <?page no="139"?> 4 Geschichte des Energietransports 139 Abb.-4.6‐41: -Marktanteile-der-5-großen-Erdöl‐ Konzerne; -Quelle: -Greenpeace,-Die-weltweite- Spur-des-Öls,-3/ 2004-(nach-Angaben-der-Kon‐ zerne)- Lange Zeit bezog sich Exploration und Förderung auf das Festland. In den 1930er Jahren kamen küstennahe Standorte und dann der Festlandsockel hinzu, seit den späten 1950er Jahren auch die offene See. Ein sehr frühes Beispiel dieser Aktivitäten aus dem Jahr 1932 zeigt Abb. 4.6-42. Abb. 4.6-43 stellt dem eine moderne Tiefsee-Förderplattform gegenüber. Abb.-4.6‐42: -Frühe-maritime-Bohrung,-etwa-1-km- -vom-Land-entfernt,-Nähe-Los-Angeles,-1932; -Quelle: - Zischka,-Weltmacht-Erdöl,-Anhang- Abb.-4.6‐43: -Förderplattformen,-wie-hier-die- seit-2003-betriebene-norwegische-Grane-von- Statoil,-prägen-den-Erdöl‐-und-Erdgasabbau-in- der-Nordsee; -Quelle: -Aker-Solutions-Engineer‐ ing,-Werkphoto- <?page no="140"?> 4 Geschichte des Energietransports 140 Bohr- und Förderplattformen gibt es inzwischen in vielen Ausführungen. Die Basis-Typen sind Hubinsel, Halbtaucher und Bohrschiff, unterschieden durch ihre Verankerung auf dem Meeresgrund. Einzelheiten lässt Abb. 4.6-44 erkennen. Bisher haben sich die Offshore-Aktivitäten vor allem auf die Nordsee und den Golf von Mexiko bezogen. Hier sind die meisten Felder erschlossen und werden schon seit Jahrzehnten ausgebeutet. Die neuesten Explorationen gehen in noch größere Tiefen (über 500 m) und in noch nicht erschlossene Regionen, wie die Antarktis oder den Persischen Golf. Die Offshore-Förderung liegt bei etwa einem Drittel der Gesamtförderung; diesen Anteil erwartet die Internationale Energieagentur (IEA) auch für die Zukunft. -- - - - - - - - Abb.-4.6‐44: -Typen-maritimer-Bohr‐-und-Produktionsplattformen; -Quelle: -Technology,-in: -wissenmedia- Exkurs: Entwicklung und Technik der Exploration Im Hinblick auf die eingesetzte Technik steht die Exploration am Anfang der Kette. Ihre Technik erfuhr in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wesentliche Verbesserung: Geologen wurden hinzugezogen, neue Verfahren eingeführt. Hierzu zählen vor allem magnetische, gravimetrische und seismische Untersuchungen. Eine Möglichkeit, das Innere der Erdkruste erkennbar zu machen, bot das Magnetfeld der Erde. Die Gesteinsschichten im Untergrund unterscheiden sich in ihren magnetischen Eigenschaften voneinander und beeinflussen daher auch die Stärke des Magnetfeldes an der Erdoberfläche unterschiedlich stark. Auf dieser Erkenntnis beruht die sogenannte Magnetik. Bei dieser Methode werden die lokalen Schwankungen mit Hilfe von Magnetometern gemessen und geben so Auskunft über die Beschaffenheit des Bodens. Rund um eine Lagerstätte beispielsweise ist das Magnetfeld schwächer, da das ölführende Sedimentgestein weniger stark magnetisch ist als das vulkanisch entstandene taube Gestein. Gesucht wird heute nach solchen Schwankungen des Erdmagnetfeldes mit Flugzeugen oder Hubschraubern. Sie überfliegen die zu untersuchenden Gebiete und ziehen dabei an einem Kabel ein Magnetometer hinter sich her. Anschließend werden aus den gesammelten Daten Karten erstellt. <?page no="141"?> 4 Geschichte des Energietransports 141 Ähnlich wie das Magnetfeld der Erde ist auch die Schwerkraft nicht an allen Orten gleich. Der Grund dafür ist die Dichte der Gesteinsschichten: Ist die Dichte einer Gesteinsart deutlich anders als die des umliegenden Gesteins, ist die Erdanziehungskraft an der Oberfläche entsprechend kleiner oder größer. Diesen Umstand macht sich die Methode der Gravimetrie zu Nutze. Beispielsweise befinden sich unter Salzschichten oft Erdgas- und Erdölvorkommen. Da Salz eine geringere Dichte als viele Gesteinsarten hat, kann eine geringere Erdanziehung ein Hinweis für Salzvorkommen in der Tiefe sein - und so den Geologen einen Weg weisen. Gemessen werden diese winzigen Abweichungen mit einem Gravimeter. Dabei handelt es sich um eine empfindliche Torsionswaage, die an Bord eines Flugzeugs großflächig die Veränderungen der Schwerkraft misst. Die Auffindung der reichen Vorkommen an der Golfküste von Texas ist vor allem auf den Einsatz solcher Drehwaagen zu verdanken, wie H.-J. BRAUN berichtet. 96 Schon länger kommt die Reflexionsseismik zum Einsatz. Nach BRAUN geht die Seismik auf den deutschen Geophysiker L. MINTROP zurück und wurde erstmals 1927 bei der Ölsuche im Golf von Mexiko angewendet. Dabei werden an der Erdoberfläche akustische Wellen erzeugt, die von den unterschiedlichen Bodenschichten reflektiert werden. Je nach Einsatz an Land oder im Wasser werden unterschiedliche Verfahren verwendet. Quellen seismischer Wellen an Land sind Explosivstoffe, Fallgewichte oder seismische Vibratoren. An der Erdoberfläche ausgelegte Geophone dienen als Sensoren zur Aufzeichnung der Wellen. In der marinen Seismik werden die seismischen Wellen mit sog. Airguns erzeugt. Die Aufzeichnung der Wellen erfolgt mit Hydrophonen, die entweder am Meeresboden ausgelegt oder hinter einem Schiff an der Meeresoberfläche im Schlepp gezogen werden. Aus den Laufzeiten und Charakteristiken der reflektierten Signale lassen sich Schichtenprofile errechnen. In der frühen Phase der Prospektion werden 2-D-Messungen durchgeführt, in deren Ergebnis man Schichtenprofile entlang von sich kreuzenden Messlinien erhält. Damit lassen sich kostengünstig größere Gebiete erkunden. Basierend auf den seismischen Daten werden dann auch erste Erkundungsbohrungen getätigt. Im nächsten Schritt werden in ausgewählten Gebieten seismisch 3-D-Messungen durchgeführt. Hierbei werden die Punkte zum Erzeugen und Messen seismischer Wellen so ausgelegt, dass man ein dreidimensionales Bild der Gesteinsschichten erhält. In Kombination mit bohrlochgeophysikalischen Messdaten können nun ein quantitatives Modell der Erdöl- oder Erdgasreserven sowie ein Plan für weitere Bohrungen und zur Förderung erstellt werden. 97 Neuerdings wird auch die mikrobielle Erdöl- und Erdgas Prospektion MPOG® angewendet. 98 Sie beruht auf der Tatsache, dass leichte Kohlenwasserstoffe in geringen Spuren aus Erdöl- und Erdgas-Lagerstätten austreten und durch verschiedene Transportprozesse bis an die Erdoberfläche gelangen. In allen oberflächennahen Bodenhorizonten und Sedimenten existiert eine Vielzahl von Mikroorganismen, die in der Lage sind, bereits geringe Konzentrationen (6-10 Vol%) dieser kurzkettigen Kohlenwasserstoffe zu verwerten und 96 -Braun,-H.‐J.,-in: -Popyläen-TG-Bd.-Energiewirtschaft,-Automatisierung,-Information,-1992,-S.-28.- 97 -Nach-http: / / www.wordpress.com/ Erdöl,-Abruf-12.3.2019.- 98 -Mic-MicroPro-GmbH,-39245-Gommern,-Deutschland.- y - <?page no="142"?> 4 Geschichte des Energietransports 142 auf dieser Basis aktive Populationen aufzubauen. Ihre Entwicklung ist von einem gleichbleibenden Angebot der Kohlenwasserstoffe über einen langen Zeitraum abhängig. Dieses konstante Kohlenwasserstoffangebot findet sich nahezu ausschließlich oberhalb von Erdöl und Erdgas führenden Strukturen. Unter diesen Voraussetzungen entwickeln sich nachweisbare Bakterienpopulationen mit signifikant erhöhter Zellzahl und Aktivität. Auf Grundlage eines komplexen mikrobiologischen Untersuchungsprogramms zur Bestimmung der Keimzahlen und der biochemischen Aktivität spezifischer Bakterien, wird für jede Bodenprobe ein Öl- und ein Gas-Indikator bestimmt. Karten mit den nachgewiesenen Anomalien zeigen die Lage und Ausdehnung der Kohlenwasserstoff-Indikationen. Abb. 4.6-45 gibt eine solcherart gewonnene Karte wieder. Die MPOG® Daten können problemlos in bestehende Explorationsdaten (z. B. Seismik) integriert werden oder zur Vorauswahl besonders interessanter Flächen für nachfolgende, kostenintensivere Verfahren genutzt werden (Wild-cat Exploration). - - - - - - - -Abb.-4.6‐45: -Öl‐Indikation-nach-dem- MPOG®‐Verfahren,-markierte-Punkte-=-Pro‐ benentnahmen; -Quelle: -©-2011-hummelt- und-kusserow-|-Werbeagentur,-Magdeburg- Auf die Exploration folgt die Erschließung der Quelle, beginnend mit der Probebohrung. Sie erst entscheidet über die Wirtschaftlichkeit einer Inbetriebnahme. Mit neuen Bohrtechniken können heute Erdölvorkommen ausgebeutet werden, die zwar bekannt sind, deren Nutzung früher jedoch nicht möglich war. Diese Versuchsbohrungen können sowohl auf dem Land (Onshore) als auch auf dem Meer (Offshore) stattfinden. Hier sind vor allem zwei Bohrverfahren verbreitet, das Bohren im Rotary-Verfahren und das Bohren mit Turbine. Das klassische Rotary-Bohrverfahren, das am häufigsten genutzt wird, wurde bereits als Rotationsenergie transportierend in Kap. 4.3.1 behandelt. Das Turbinenbohren oder auch Richtbohren arbeitet anders - bei ihm ist der Bohrkopf an einer im Bohrloch versenkten Turbine angebracht. Für die Rotation sorgt der Bohrschlamm, der mit hohem Druck zur Turbine gepumpt wird, also ein hydraulischer Energietransport wie in Kap. 4.1.4 beschrieben. <?page no="143"?> 4 Geschichte des Energietransports 143 Ist die Bohrung abgeschlossen und die Ergebnisse weisen auf einen wirtschaftlich förderbaren Fund hin, wird die Bohrung mit dem sogenannten Eruptionskreuz verschlossen. Dies dient der kontrollierten Entnahme des Erdöls aus dem Bohrloch. Das E-Kreuz besteht aus einer Rohrleitung sowie mehreren Druckmessern und Bedienungsgeräten, die fest mit dem Bohrloch verbunden sind. Beim Eruptionskreuz handelt es sich zudem um eine wichtige Sicherheitskomponente zur Absicherung der Bohrung gegen unvorhergesehene Eruptionen. Für die vertikale Förderung des Öls im Bohrloch sorgt der Lagerdruck selbst, und - wenn dieser nicht oder nicht mehr ausreichend ist - eine Pumpanlage, wie unter dem potenziellen Energietransport in Kap. 4.2.3 dargestellt. Die nächste Station der im Laufe der letzten 150 Jahre immer länger werdenden Transportkette ist die Raffinerie, deren Aufgabe die Trennung des Rohöls in seine unterschiedlich flüchtigen Fraktionen ist. Erdöl ist hauptsächlich ein Gemisch verschiedener Kohlenwasserstoffe. Es wird zunächst als nur grob gereinigtes Rohöl gewonnen und dann in den Erdölraffinerien zu einer Palette von Endprodukten weiter verarbeitet. Die Raffinerien werden meist in der Nähe großer Verbrauchszentren betrieben, also im Regelfall in den Industrieländern, die i. A. nicht die Förderländer und von diesen durch große Distanzen getrennt sind. Die größten Transportdistanzen entstehen damit für das Rohöl, das in der Regel entweder per Schiff oder durch eine Pipeline angeliefert wird, während die Endprodukte nur über kürzere Strecken transportiert werden. Die Begründung für diese Standortentscheidungen liefert die Wirtschaftsgeographie: Der Transport des (näherungsweise homogenen) Rohöls über große Entfernungen ist wirtschaftlich günstiger als der Transport vieler verschiedener Produkte. Für die Verbraucherländer kann es zusätzlich vorteilhaft sein, dass ein größerer Teil der Wertschöpfung bei ihnen vor Ort anfällt - wobei die Gewinne allerdings nicht unbedingt auch dort versteuert werden. Abb.-4.6‐46: -Der-erste-Tanker- Zorastr,-ein-zeitgemäß-mo‐ dernes-Schiff; -Quelle: -http: / / - creativecommons.org/ - licenses/ by‐sa/ 3- - Mit diesen allmeinen Hinweisen ist die engere Frage der Technik des Transports erreicht, historisch insbesondere der Gebrauch von Tankschiffen. Er geht auf L. NOBEL zurück, dessen weltweit erster „Tanker“, die Zorastr, ab 1879 auf dem Kaspischen Meer genutzt <?page no="144"?> 4 Geschichte des Energietransports 144 wurde. 99 Die Zorastr war als ölgefeuertes dampfbetriebenes Öltankschiff 1878 in Schweden gebaut, zerlegt mit Kähnen an die Wolga geliefert und 1879 in Betrieb genommen worden, s. Abb. 4.6-46. Anfangs hatte es aufrechtstehende zylindrische Zisternentanks, später wurden jedoch abgeschottete Bereiche des Schiffsrumpfes als Tanks benutzt. -------- Abb.-4.6‐47: -Die-noch-etwas-alt‐ modische-Andromeda-1886; -Quelle: - German-ESSO-Tankers-Album- Der erste Öltanker in Deutschland war dagegen noch ein Segelschiff, die 1885 für den neuen Zweck umgebaute Andromeda von W. A. RIEDEMANN, der später (1890) Mitbegründer der Deutsch-Amerikanischen-Petroleum Gesellschaft (DAPG) wurde. Von ihr ist noch ein altes Foto erhalten, s. Abb. 4.6-47. Der erste maschinengetriebene deutsche Öltanker war die Glückauf, die ebenfalls für RIE- DEMANN gebaut wurde und ihre Jungfernfahrt am 13. Juli 1886 hatte. Die amerikanische SS Standard war 1888 der erste Ganzstahltanker. Ebenfalls mit einem Umbau begann in Deutschland der Öltransport in der Binnenschifffahrt. Die Carolina war ab 1887 der erste ölfahrende Flussdampfer, der für den Mannheimer Unternehmer FENDEL von der Rheinmündungshäfen zum Mannheimer Hafen verkehrte. 100 Doch bald gehörten die Tankschiffe zu den modernsten Schiffen des Binnenverkehrs; sie haben sich dann strukturell seit der Indienststellung der ersten Motortanker in den Jahren 1913 / 1914 aber kaum noch verändert. Das war anders bei den seegehenden Tankern - sie wuchsen immer weiter, in kaum vorstellbare Größenordnungen hinein und wurden zu den größten Schiffen auf dem Meer. In den 1970er Jahren wurde die Tragfähigkeit von einer halben Million twd erreicht. 101 . So baute 1978 Die schwedische Uddavalla-Werft den Zweischrauben-Turbinentanker Nanny für einen schwedischen Reeder. Es ist bis heute das breiteste Einrumpfschiff der Welt, mit einer Länge von 365 m, einer Breite von 79 m und 499.000 twd Tragfähigkeit - 99 -Der-Übergang-zum-Transport-von-Erdöl-über-das-Tankschiff-ist-von-W.-Weber-in-seiner-Studie-„Ameri‐ kanisches-Erdöl-in-Deutschland-1860‐1895“-am-Beispiel-ausführlicher-beschrieben-worden,-in: -Wissen‐ schaft,-Wirtschaft-und-Technik,-Festschrift-Treue-1969,-S.-170f.- 100 -Daten-nach-http: / / www.wikipedia.org/ wiki/ Tanker,-Abruf-12.4.2019.- 101 -Die-Gesamttragfähigkeit-eines-Schiffes-(einschl.-Ladung,-Brennstoff,-Trinkwasser,-Ausrüstung-und- Besatzung)-wird-in-Gewichtstonnen-(1-Gewichtstonne-=-1.-000-kg)-gemessen-—-(engl.)-tons-dead- weight-(tdw).- <?page no="145"?> 4 Geschichte des Energietransports 145 s. Abb. 4.6-48. Der Vergleich mit der Zorastr der Gebrüder NOBEL macht den enormen Entwicklungssprung deutlich: die Zorastr hatte eine Tragfähigkeit von gerade einmal 250 twd. - -Abb.-4.6‐48: -Der-Supertanker- Nanny,-erbaut-1978; -Quelle: - Photo-Collection-Varvshistoriska- Föreningen-I-Göteborg- Rohöl ist ein Gefahrgut - Unglücke mit Ölaustritten blieben nicht aus. Schon früh regte sich in der Bevölkerung Protest wie im Jahr 1970 im Peace-Arch-Park, der Kanada und die USA an der Westküste verbindet, s. Abb. 4.6-49. 102 Auch die nationale wie die internationale Öffentlichkeit widmete den Ölunglücken und ihren Folgen immer wieder markante Schlagzeilen. In einigen Fällen wurden Ölgesellschaften und Reedereien zu hohem Schadenersatz verurteilt. . Abb.-4.6‐49: -Demonstra‐ tion-gegen-Öltanker-im- Peace-Arch-Park,-der- grenzübergreifend-USA- und-Canada-an-der- Westküste-verbindet; - Quelle: Photo-by-George- Garrigues,-Nov.-1970- 102 -Bei-Peace-Parks-handelt-es-sich-um-grenzübergreifende-Schutzgebiete,-in-welchen-der-Ressourcen‐ schutz-mit-der-Friedenssicherung-und-der-wirtschaftlichen-Entwicklung-der-betroffenen-Region-verein‐ bart-werden-soll.- <?page no="146"?> 4 Geschichte des Energietransports 146 Abb.-4.6‐50: -Ölunfälle-in-der-Seefahrt-nach-J.,-senkrecht-die-freigesetzte-Menge-in-t-Öl,-waagerecht-das- Jahr; -In-red: -the-largest-spill-that-year-by-one-tanker; -In-lightblue: -all-spills-smaller-than-30000-m- 3 -com‐ bined; -other-colours: -single-spills-larger-than-30000-m- 3 ; -Quelle: -CTX-Casualty-Database,-Sept.-2008- Ölunfälle werden seit Langem gut dokumentiert, s. Abb. 4.6-50. Die Grafik zeigt Zahl und Größe der Freisetzungen bis zur Gegenwart, mit einem Maximum für 1978. Seither nehmen die Unfälle der Zahl und Größe nach ab. Die Havarie des Öltankers „Exxon Valdez“ 1989, bei der rund 40.000 Tonnen Rohöl in arktische Gewässer ausliefen, führte zur bisher größten Ölkatastrophe in der US-amerikanischen Geschichte. Sie wurde zum Auslöser für eine neue Regelung, nach der alle neu gebauten Tanker ab 1996 mit einer Doppelhülle ausgestattet sein mussten. Sie wurde von der International Maritime Organisation (IMO) weltweit festgelegt. Nachdem 1999 und 2002 weitere große Ölunglücke registriert wurden und die Öffentlichkeit stark bewegten, beschloss die IMO ein Fahrverbot für sämtliche Einhüllentanker ab 2010, was die (relative) Sicherheit nach technischem und menschlichem Ermessen verbessern sollte. Ölunglücke sind allerdings nicht auf die Schifffahrt beschränkt und stellen nach wie vor eine ernste und von der Öffentlichkeit kritisch begleitete Bedrohung dar. 103 Pipelines sind eine über Land oder Waser geführte Alternative für den Erdöltransport, auch über weite Entfernungen (und auch für andere Flüssigkeiten oder für Gase). Oder sie ergänzen den Schiffstransport für den Weg vom Hafen zur Raffinerie. Ein Beispiel dieser Art 103 -2010-explodierte-die-Bohrplattform- „Deep-Water-Horizon“- im-Golf-von-Mexiko; -780-Millionen- Liter-(umgerechnet-etwa-670.000-Tonnen)-Erdöl-flossen-ins-Meer,-was-die-Exxon‐Valdez‐Katastro‐ phe-in-der-Menge-noch-deutlich-übertraf.- <?page no="147"?> 4 Geschichte des Energietransports 147 ist die 28″- (71-cm)-Erdölpipeline Wilhelmshaven-Wesseling (bei Köln) mit einer Jahreskapazität von 15,5 Millionen Tonnen. Pipelines dienen fallweise auch nach der Verarbeitung des Rohöls zur weiteren Verteilung der Produkte und bilden dann ein weiteres Glied in der langen Transportkette. Die Erdölwirtschaft hat hierfür ihre eigene Nomenklatur geschaffen und unterscheidet zwischen Upstream (Rohöl) und Downstream (Produkte). Pipelines haben eine auf die Neuzeit beschränkte Vergangenheit. Anfang des 17. Jahrhunderts wurden im Alpenraum Soleleitungen von den Gewinnungszu den Siedestätten gebaut. Im Jahr 1665 schlug der heute als Polyhistor geltende Jesuit A. KIRCHER den Bau einer bleiernen Rohrleitung zwischen einer Ölquelle und einer ewigen Flamme vor - eine erste Pipeline, wenn man so will. Rohrleitungen, also Pipelines, wurden kurz nach dem Beginn der Erdölförderung neben dem Bahntransport für den kommerziellen Erdöltransport eingesetzt. Eine erste Pipeline im heutigen Verständnis wurde 1865 im US-Staat Pennsylvania gebaut. Als die weltweit erste Langstrecken-Erdöl-Pipeline gilt die Tidewater-Pipeline, die am 28. Mai 1879 in Betrieb genommen wurde. Die Tidewater-Pipeline war 175 Kilometer lang und verlief zwischen Rixford und Williamsport (Pennsylvania). Anlass für ihren Bau waren die hohen von J. D. ROCKEFELLER erhobenen Frachtpreise für den Transport des Öls mit Kesselwagen. Pipelines bestehen in der Regel aus Stahl und können Durchmesser bis 122 cm besitzen. Als Materialien haben sich vor allem Spezialstähle bewährt, die die entsprechenden Voraussetzungen am besten erfüllen und dabei eine hohe Lebensdauer aufweisen - Pipelines haben eine Nutzungsdauer von mehreren Jahrzehnten. Die Verlegung erfolgt ober- oder unterirdisch. Zur erhöhten Sicherheit sind in die Leitungen Ventile eingebaut. Sie vermindern bei einem Rohrbruch die Austrittsmenge. Zur Beförderung des Erdöls wird durch Pumpen Druck aufgebaut. Je nach Gefälle werden an der Leitung in bestimmten Abständen Pumpstationen installiert. Im Schnitt bewegt sich das Erdöl mit einer Geschwindigkeit von 5 - 7 km/ h, bei einer Temperatur von 60-80 °C. Die hohe Temperatur ist wichtig, um die Viskosität (Zähflüssigkeit) des Rohöls zu verringern. Eine Besonderheit sind Offshore-Pipelines. Sie verlaufen am Meeresboden und sind durch dicke Betonschichten beschwert. Hierzu gehören z. B. die Algerien-Sizilien-Pipeline oder die Ekofisk-Emden-Pipeline. Offshore-Leitungen verbinden entweder zwei Landleitungen miteinander oder ein Offshore-Ölfeld (Ölplattform auf Meer) mit dem Festland. Die Nord-West-Ölleitung (NWO) war die erste deutsche Rohölleitung. Sie wurde 1958 gebaut und hat eine Länge von 391 km. Die Pipeline verbindet die Tankeranlegestelle in Wilhelmshaven mit den Raffinerien im Emsland, im Ruhrgebiet und um Köln. Die Kapazität der Rohrleitung beträgt 15,5 Mio. t/ Jahr. Zu den weltweit bekanntesten Pipelines gehört die Trans-Alaska-Pipeline. Sie verläuft von der Prudhoe Bay im Norden zum eisfreien Hafen Valdez am Prince William Sound im Süden. Sie wurde von 1975 - 77 gebaut und hat heute eine Länge von 1.288 km, bei einem Rohrdurchmesser von 122 cm. Die Durchflussleistung beträgt 120 Mio. l/ Tag, das ent- <?page no="148"?> 4 Geschichte des Energietransports 148 spricht knapp 84.000 Liter pro Minute. Die Rohre sind meist oberirdisch auf Stelzen verlegt, da sie über Dauerfrostboden verlaufen, siehe Kap. 4.5.3, Heatpipes. Die aufgeheizten Leitungen würden sonst im Boden versinken. Die Pipeline überquert drei Bergketten und über 800 Flüsse und Bäche. Mit einem Kostenaufwand von rund 8 Mrd. Dollar ist sie das bisher teuerste Pipelineprojekt der Welt. Abb. 4.6-51 zeigt die Brückenkonstruktion über den Tanana River. Abb.-4.6‐51; -Die-Trans‐Alaska-überquert- den-Tanana‐Fluss,-2005; -der-bedeckte- Himmel-hat-die-gleichzeitig-in-Alaska- wütenden-Brände-zur-Ursache; -Quelle: - Photo-by-and-(©)-2005-Derek-Ramsey- In Europa sind die Transalpine Ölleitung (TAL), die oben erwähnte Nord-West-Ölleitung (NWO) und die Mitteleuropäische Rohölleitung (MERO) von Bedeutung. Sie versorgen auch den Nordwesten und Süden Deutschlands mit Rohöl. Die Raffinerien in Ostdeutschland werden hingegen von der russischen Ölleitung Drushba (Freundschaft) versorgt. Rund 80 % aller in deutschen Erdölraffinerien eingesetzten Rohölmengen werden durch Rohöl-Fernleitungen transportiert. Das Netz in Deutschland hat gegenwärtig eine Gesamtlänge von 2.400 km. Die 1967 in Betrieb genommene TAL verläuft von Triest nach Ingolstadt. Auf dem Weg dorthin muss das Rohöl von Meeresniveau über mehrere Pumpstationen über den Alpenkamm transportiert werden. TAL hat eine Gesamtlänge von 759 km, wobei 454 km durch Deutschland verlaufen. Die Rohre haben einen Durchmesser von 100 cm und derzeit eine Kapazität von 37,0 Mio. t/ Jahr; 2012 wurden 34,5 Mio. t befördert. Von Ingolstadt führt eine Rohrabzweigung nach Neustadt und eine nach Karlsruhe. Beide wurden bereits 1963 fertig gestellt. Ein Nachteil der durchweg praktischen Pipelines ist jedoch die Höhe der Investition. Die Verlegung von 1 km Leitung kostet zwischen 0,5 - 1 Mio. Euro. Trotzdem kommen jährlich rund 25.000 km Leitung zu den weltweit über 3 Mio. km verlegten Pipelines hinzu 104 - in der Erwartung eines jahrzehntelangen Betriebs. Für die Realisierung neuer Leitungsprojekte wurden und werden häufig besondere Gesellschaften gegründet, wie nachstehendes Beispiel aus den 1920er Jahren zeigt (Abb. 4.6-52). Raffinerien entstanden mit dem Beginn der Mineralöl-Ära, also Mitte des 19. Jahrhunderts. Sehr schnell begannen die aus Erdöl gewonnenen Leuchtöle die bis dahin aus Tierfetten, 104 -In-diesen-Angaben-sind-Öl‐-und-Gaspipelines-zusammengefasst.- <?page no="149"?> 4 Geschichte des Energietransports 149 insbesondere Waltran, gewonnenen Lampenbrennstoffe zu ersetzen, wozu zunächst eine Aufbereitung des Erdöls durch Destillation notwendig war. Ein erster der Verarbeitung dienender Betrieb wurde 1856 von I. LIKASIEWICZ, dem Erfinder der Petroleumlampe, in Ulaszowice (Polen) eingerichtet. Die Destillation fand bei LIKASIECZ noch auf eine sehr einfache Weise statt: Man füllte einen Kupferkessel mit etwa 750 Liter Erdöl, entfachte ein Feuer darunter und brachte den Kesselinhalt zum Sieden. Die entstehenden Dämpfe leitete man durch ein Kühlrohrsystem, wo sie kondensierten. Auf diese Weise wurde Petroleum gewonnen, das dann direkt zu Beleuchtungszwecken wiederverwendet werden konnte. Den im Kessel verbliebenen teerartigen Rückstand entsorgte man. 105 Nachdem der Betrieb von einem Feuer vernichtet worden war, wurde in Chorkówka eine weitere und schon anspruchsvollere Raffinerie gebaut. Abb.-4.6‐52: -Die-ausgebende-Gesellschaft-wurde- 1910-in-London-gegründet,-um-zwei-Pipelines-von-den- Maikop-Ölfeldern-im-Süden-Russlands-ans-Schwarze- Meer-zu-bauen.-Eine-Pipeline-ging-nach-Enem-in-der- Nähe-von-Novorossiisk-und-eine-nach-Tuapse.-Ausga‐ bedatum-25.9.1920; -Quelle: -HWPH-Historisches- Wertpapierhaus-AG- Die Entstehung und die Entwicklung der modernen Raffinerie ist eng mit ROCKEFELLER verbunden. 1859 hatte er gemeinsam mit M. B. CLARK eine Maklerfirma eröffnet. Nach den ersten Aufträgen für Ölbohrungen in Pennsylvania nahmen wurde 1863 S. ANDREWS neuer Teilhaber, der Patente zur Raffinierung von Rohöl zu Benzin hielt. An diesen waren ROCKEFELLER und CLARK vor allem interessiert. Streit war programmiert, sodass die Firma 1865 zum Verkauf gestellt werden musste. ROCKEFELLER bekam für die damals riesige Summe von 72.500 Dollar den Zuschlag aus der nicht vermeidbar gewordenen Versteigerung. Anschließend machte er ANDREWS wieder zu seinem Partner. Sie kauften 1866 zwei Raffinerien in Cleveland. Durch die gehaltenen Patente waren sie nun die einzige Raffinerie, die reinstes Benzin, Heizöl und Petroleum herstellen konnte. 1870 gründete ROCKEFELLER zusammen mit seinem Bruder WILLIAM, H. M. FLAGLER und einigen anderen dann die Standard Oil Company. Diese verleibte sich - teilweise auch über Drittfirmen - den größten Teil der Konkurrenten ein. Bereits Ende der 1870er 105 -Portal-http: / / www.chemie.de/ Erdölraffinerie.- <?page no="150"?> 4 Geschichte des Energietransports 150 Jahre kontrollierte die Standard Oil 90 % der amerikanischen Ölförderung und deren Weiterverarbeitung. 106 Die Raffinerie Nr. 1 der Standard Oil in Cleveland / Ohio mit Ausbaustand 1889 zeigt Abb. 4.6-53. -- -Abb.-4.6‐53: -Standard- Oil-Refinery-No.-1-in- Cleveland,-Ohio-im-Jahr- 1889; -Quelle: --Photo‐ graph-unbekannt,-in: - Encyclopedia-of-Cleve‐ land-History,-Western- Reserve-Historical-Soci‐ ety- Die Verwertung weiterer aus dem Erdöl gewonnener Produkte und insbesondere die schnelle Verbreitung der Verbrennungsmotoren nach dem Ersten Weltkrieg erforderte nicht nur den Bau zahlreicher neuer Raffinerien, sondern führte auch zu einer rasanten Weiterentwicklung der in einer Raffinerie verwendeten Verfahren. Wie in vielen anderen Industriezweigen haben sich die Anforderungen an eine Raffinerie, insbesondere an die Produkte im Laufe der Jahre geändert. Als Beispiel ist hier die mehrfache Anpassung der Produktspezifikationen zu nennen, die sich in den letzten Jahren aufgrund gesetzlicher Vorgaben (Umwelt und Gesundheit) geändert haben. So sank der erlaubte Schwefelgehalt bei den Kraftstoffen sowie beim Heizöl. Bei den Vergaserkraftstoffen sanken der Benzol- und der Aromatenanteil, das zur Verbesserung der Klopffestigkeit zugesetzte Blei wurde gänzlich eliminiert. Einen Überblick über die gegenwärtig in Deutschland existierenden Raffinerien und ihre z. T. bis 1929 zurückgehende Tradition gibt nachfolgend Abb. 4.6-54. Öl war in den ersten Jahren nach der Jahrhundertwende zu einem unverzichtbaren und Märkte dominierenden Wirtschaftsgut geworden. Um Öl entbrannten Kriege. Wer das meiste Öl besaß, gewann sie auch. Amerikas Präsident W. WILSON prophezeite noch vor Beginn der Kampfhandlungen zum 1. Weltkrieg: „Die Weltgeltung einer Nation wird von ihren Ölschätzen abhängen." Und 1918 kabelte Frankreichs Kriegsminister G. CLMENCEAU nach Washington: „Ein Tropfen Öl ist uns einen Tropfen Blut wert." Als der Krieg wenig später vorüber war, erkannte der 106 -Nach-HSTM,-Historic-Stock-Market.- <?page no="151"?> 4 Geschichte des Energietransports 151 britische Außenminister LORD CURSON: Die Alliierten seien „auf einer Woge von Öl zum Sieg geschwommen". Und nach dem Zweiten Weltkrieg meinte der amerikanische Admiral CH. W. NIMITZ: „Unser Sieg war eine Sache von Öl, Granaten und Bohnen." Abb.-4.6‐54: -Olraffinerien-in-Deutschland,-Stand-2016; -Quelle: -Mineralölwirtschaftsverband-(MWV)- In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts wurden die Transportwege, insbesondere die Routen der Tanker und der Pipelines, zu einem neuen politischen Konkurrenzfeld, auf dem die Politik und wirtschaftliche Interessen aufeinandertrafen und immer noch treffen. Die Drohung „Den Ölhahn zudrehen“ wurde zu einer logistischen Waffe, die aus Investitionsentscheidungen politische Aktionen und aus Managern Politiker machte. Als ein Beispiel sei die Straße von Hormuz am Persischen Golf herausgegriffen. Etwa 20 % der weltweiten Öllieferungen passieren sie. Wenn die Enge nicht mehr problemlos befahrbar ist, wie im Iran-Irak-Krieg in den 1980er Jahren, werden die Optionen knapp <?page no="152"?> 4 Geschichte des Energietransports 152 und teuer: Das Öl kann oder muss dann alternativ durch eine 745 Meilen lange Pipeline durch Saudi-Arabien gepumpt werden. Ein anderes Beispiel ist der Streit von 2007 mit Weißrussland im Jahr 2007. Der russische Pipeline-Betreiber Transneft begründete den Lieferstopp am 8. Jan. 2007 damit, dass Weißrussland sich illegal mit Öl aus der Pipeline Druschba (Freundschaft) versorge. Ungarn musste sich am gleichen Tag noch auf einen Stopp der Erdöllieferungen einstellen, nachdem es nur die Hälfte der täglich üblichen 22.000 Tonnen Rohöl aus Russland erhalten hatte. Die Gemengelage von Politik und Wirtschaft zeigt sich noch deutlicher bei den Gas-Pipelines, auf die in Kap. 4.6.5 einzugehen sein wird. Mit oder besser nach der Raffinerie beginnt die Weiterleitung der Produkte aus den bei der Raffinerie angesiedelten Tanklagern, wobei hier besonders Treibstoffe und Heizöl interessieren. Das geschah von Beginn an auf zwei Wegen: mit dem Transport auf der Straße, oder mit der Kombination Binnenschiff/ Straßentransport. Ziel waren und sind die örtlichen Verteiler für den Verkehrsteilnehmer, die zunächst Zapfstellen und noch nicht Tankstellen hießen, und die individuell mit Brennstoff zu versorgenden Häuser. -- Abb.-4.6‐55: -Tankstellenversorgung-bei- der-Gesellschaft-AVIA-2016; -Quelle: -- Werkphoto-AVIA-Mineralölgesellschaft- Die Versorgung der Tankstellen wie auch der Privathäuser mit Treibstoffen geschieht nach wie vor über die Straße - mit dem Unterschied, dass die Tankfahrzeuge heute beträchtlich größer sind als in den 1920er Jahren, s. Abb. 4.6-55. Tankstellen machten als Speicherorte ihre eigene Entwicklung durch; zu ihrer Geschichte vergl. Kap. 6.6.3.1. Landverkehr mit flüssigen Treibstoffen Der Landverkehr im Sinne dieses Kapitels behandelt die Wege zum treibstoffgetriebenen Automobil und ihre Folgen, den Verkehr. Der Begriff Automobil bezeichnet ein motorbetriebenes, mehrspuriges Kraftfahrzeug, mit dem Personen oder Frachtgüter befördert oder transportiert werden. Der umfassendere Begriff Kraftverkehr entstand gegen Ende des 19. Jahrhunderts, übernommen aus dem Französischen. Voraussetzung für die Entwicklung des Automobils war zunächst die Erfindung des Rades, die wohl etwa 4000 Jahre v. Chr. in verschiedenen Kulturkreisen gleichzeitig stattfand. Daraus entwickelten sich die ersten Wagen. Die ersten bekannten Wagen sind die <?page no="153"?> 4 Geschichte des Energietransports 153 hellenischen Belagerungstürme von ca. 400 v. Chr., die Menschenwagen des DEME- TRIOS von Phaleron von 308 v. Chr. und die Wagen aus dem Römischen Reich. Die Gemeinsamkeit dieser Automobil-Vorläufer ist, dass sie entweder von Menschen oder Tieren angetrieben werden mussten. Doch bereits ein Mönch aus dem 13. Jahrhundert sagte voraus, dass es eines Tages Karren geben wird, „die sich bewegen und in Bewegung bleiben, ohne geschoben oder von irgendeinem Tier gezogen zu werden". 107 Noch lange beherrschten Muskelkraftwagen die Verkehrsszene. Auch LEONARDO, der um 1490 einen ersten Panzerwagen zeichnete, der von selbst fahren konnte, kannte nur diesen Antrieb. Auch wenn er viele Teile für ein Automobil konstruiert hat: den Kolben, den Kilometer-Zähler, die Lenkung, den Hinterradantrieb, den Lüfter, die Kurbelwelle, die Übersetzung und das Kugellager - ihm fehlte die Kraftmaschine. Dafür brauchte es in der historischen Entwicklung den Kolbenmotor, der in seiner Urform auf CHR. HUYGENS und das Jahr 1674 zurückgeht. 1680 entwarf I. NEWTON in England einen Dampfwagen. 10 Jahre später wurde in Frankreich eine Hochdruckdampfmaschine mit Kolben gebaut, die 1712 wiederum in England weiterentwickelt wurde. Die beiden wichtigsten Stationen zur Nutzung der Dampfkraft waren dann TH. NEWCO- MEN und vor allem J. WATT 1768. NEWCOMEN konnte bei seiner atmosphärischen Dampfmaschine die großen Fertigungsprobleme für den Zylinder lösen und die erste betriebsfähige Maschine liefern. WATT gelang dann mit der Einführung des Kondensators der Weg zur doppelt wirkenden Maschine und schließlich auch die Erzeugung von Rotationsenergie, wie sie für die Bearbeitungsmaschinen und später auch die Fahrzeuge benötigt wurde. Ein Dampfwagen wurde erstmals von N. CUGNOT 1769 in Paris vorgestellt, der mit seinem Fardier das erste mit eigenem Antrieb fahrende Fahrzeug der Welt schuf. Die dort verbaute Dampfmaschine entsprach jener des Russen I. I. POLSUNOW von 1763. Vermutet wird, dass die Informationen hierüber über den in Russland tätigen E. G. LAXMANN, Pastor und Professor der Ökonomie, nach Frankreich gelangten. Dem Fardier war von Anfang an jedoch kein dauerhafter Erfolg beschert, weil das Fahrzeug bei einer Vorführung verunglückte. Das bedeutete zunächst Stillstand in der weiteren Entwicklung. Der britische Erfinder, Ingenieur und Maschinenbauer J. TREVITHICK nahm sie 1797 wieder auf und baute 1797 sein erstes Dampfwagenmodell. Seine spätere „Straßenlokomotive“, bekannt als Puffing Devil, beförderte Passagiere mit einer Geschwindigkeit von 8 km/ h, und das selbst über Steigungen. 1803 konstruierte er ein weiteres selbstfahrendes Fahrzeug, den London Steam Carriage, der im Prinzip eine mit einer Dampfmaschine ausgerüstete Postkutsche war, s. Abb. 4.6-56. Es erregte die Aufmerksamkeit von Publikum und Presse, war aber im Betrieb wesentlich teurer als eine gewöhnliche Pferdekutsche und konnte sich so nicht durchsetzen. Mithilfe eines ähnlichen Modells gab es jedoch ab 1828 in England einen Dampfbus, der zwischen London und Bath pendelte. Nach diesem Vorbild baute W. HANCOCK Dampfwagen für Privatleute sowie Dampfomnibusse. 107 -Keller,-M.,-in: -http: / / www.meine‐auto.info.de,-Abruf-5.6.2019.- <?page no="154"?> 4 Geschichte des Energietransports 154 Abb.-4.6‐56: -Die-London-Steam-- Carriage-von-Trevithick-1803; - Quelle: -Patentzeichnung-Trevithick,- Skizze-Simon-Goodrich-1803,-The- Steam-Car-Club-of-Great-Britain- Dampfbetriebene Automobile hatten auf Dauer keinen Erfolg. Sie waren schwer und laut, außerdem teuer in der Herstellung. Hinzu kam die latente Furcht vor Kesselexplosionen, die bei ortsfesten Dampfmaschinen schon zu vielen Unfällen geführt hatten. Eine Zeitlang hielten sich noch Lastwagen und mobile Arbeitsmaschinen, z. B. die Dampfwalze, am Markt. Die automobile Zukunft gehörte jedoch dem leicht zu startenden Verbrennungsmotor auf der Basis flüssiger Treibstoffe mit hoher Energiedichte. Vorarbeit leistete der Franzose LENOIR mit seinem 1860 patentierten Gasmotor. Dann gelang N. OTTO eine bahnbrechende Erfindung. Er entwickelte 1876 in der Gasmotorenfabrik Köln-Deutz den 4-Takt-Gasmotor und 1884 den 4-Takt-Benzinmotor. OT- TOS Zerstäubungs- und elektrisches Zündsystem waren betriebssicher und allen anderen Verfahren überlegen. 108 Damit war der Antrieb geboren, der ortsfest wie auch auf Fahrzeugen eingesetzt werden konnte. Der „Ottomotor“ verdrängte auf seinem Siegeszug über die ganze Welt die von Tieren angetriebenen Göpel, die Windmühlen, die Kolbendampfmaschinen, die Gaskraft- und Heißluftmaschinen. Die Entwicklung des Automobils, wie man es heute kennt, ging erst richtig voran, als C. BENZ am 29. Januar 1886 sein dreirädriges Fahrzeug mit Benzinmotor zum Patent anmeldete, s. Abb. 4.6-57. Die erste Überlandfahrt mit dem Benz Patent-Motorwagen Nr. 3 von BERTHA BENZ im Jahre 1888 ging in die Geschichte ein. Unabhängig davon entwickelten auch G. DAIMLER, W. MAYBACH und S. MARCUS ihre Fahrzeuge, jedoch war es BENZ, der zwischen 1894 und 1902 als Erster ein Serienauto herstellte. 1897 entwickelte E. DIESEL den ersten Motor mit Selbstzündung, der seither Dieselmotor heißt. 1889 wurde von den österreichischen Automobilherstellern GRÄF & STIFT das erste Auto mit Frontantrieb gebaut, patentiert im Jahre 1900. 108 -Das-Wort-Benzin-kommt-ursprünglich-aus-Arabien.-Das-Wort-für-die-entzündliche-Mischung-aus-über- 100,-überwiegend-aus-Erdölprodukten-bestehenden-leichten-Kohlenwasserstoffen-ist-verwandt-mit-den- Wörtern- Benzoe- und- Benzol.- Der- Chemiker-Mitscherlich- (1794-1863)- ließ- sich- von- dem- indonesischen- Benzoebaum-(lat.-styrax-benzoin,-frz.-benjoin)-inspirieren,-als-er-1833-ein-Destillat-aus-Benzoeharz-Benzin- nannte.-1834-ersetzte-Liebig-(1803-1873)-diesen-Namen-durch-Benzol,-und-seitdem-bezeichnet-man-als- Benzin-nur-noch-ein-Destillat-aus-Erdöl. - <?page no="155"?> 4 Geschichte des Energietransports 155 Abb.-4.6‐57: -Die-Inschrift-der-Briefmarke-trifft-den- Kern,-Benz’-Patent‐Motorwagen-Nr.-1-steht-am- Anfang-einer-die-Welt-erobernden-Technik; - Quelle: -Deutsche-Post-AG- Nur ein Jahr später wurde von C. JENATZY die sensationelle Geschwindigkeit von 100 km/ h erreicht, allerdings mithilfe eines Elektroautos. Auf deren Sonderweg wird Kap. 4.6.6 Bezug nehmen. Gegen die alternativen Antriebsarten für Automobile konnte sich das benzingetriebene Automobil aus nachvollziehbaren Gründen durchsetzen: Die Technik des Motors ist entwicklungsoffen und das Erdöl bzw. seine Derivate Benzin oder Diesel sind leicht speicherbar, haben eine sehr hohe Energiedichte und werden über einen einfachen und schnellen Tankvorgang zugeführt. Dies gilt bis in die Gegenwart, auch wenn die Neuauflage von batteriebetriebenen Fahrzeugen seit einigen Jahren den Markt erreicht hat, s. Kap. 4.6.6. In Deutschland war die Bauart des 1901 entwickelte Mercedes-Simplex der Daimler-Motoren-Gesellschaft die Grundlage der meisten produzierten Fahrzeuge der inzwischen zahlreich gewordenen Hersteller. Modelle nach dem Simplex hatten den Motor vorn, ein Getriebe und Antriebswellen zu den Rädern. Bereits 1903 wurde der erste Sportwagen gebaut - mit Allradantrieb. Im selben Jahr wurde das erste Patent für Scheibenwischer erteilt. Kurz darauf erfand F. W. LANCESTER die Scheibenbremse (die aber erst viel später genutzt wurde, nämlich 1955 mit dem Citroën DS). Der Vergleich zeigt, dass die USA früh zu einem „Autoland“ wurden. 1913 ersann der US- Unternehmer H. FORD die Fließbandproduktion und setzte sie mit dem Modell T in seiner 1903 gegründeten Ford Motor Company konsequent um. Nun konnten von ihm und später auch anderen erschwingliche Automobile in Massenfertigung hergestellt werden, was zu einer erheblichen Verkaufssteigerung führte. In Deutschland begann die Fließbandproduktion von Pkw erst 1924 mit dem Opel Laubfrosch. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Produktionszahlen im Deutschen Reich und USA für Pkw bis 1918. Der Vergleich zeigt, dass die Vereinigten Staaten schon früh zu einem Autoland wurden; auch hinterließ der Weltkrieg dort deutlich geringere Spuren. <?page no="156"?> 4 Geschichte des Energietransports 156 PKW Produktion in Deutschland* Produktion in USA* 1895 20 1896 40 1897 50 1898 239 1899 500 1900 936 1901 845 4.000 1902 ** 9.000 1903 1.310 11.235 1904 ** 21.692 1905 ** 24.250 1906 4.866 40.000 1907 4.647 43.000 1908 5.054 80.000 1909 8.723 122.289 1910 11.992 181.000 1911 15.027 199.319 1912 20.132 352.000 1913 17.162 461.500 1914 17.300 543.679 1915 5.960 895.930 1916 3.490 1.525.578 1917 3.520 1.745.792 1918 2.454 943.436 122.482 7.205.485 * Werte nach H. Lipp, automobilia 85-45 ** keine Werte verfügbar 1914 kam das erste hydraulische Bremssystem auf den Markt und seit 1918 wurden Fahrgestell und Karosserie aus Stahl gefertigt. 1923 wurde der erste Lkw mit Dieselmotor ausgeliefert. Kurz nach der Weltwirtschaftskrise ging 1931 in Deutschland der DKW F1 mit Frontantrieb in Serie. Der Rotationskolbenmotor wurde 1933 entwickelt und mitten im Krieg in den noch nicht beteiligten USA das Automatikgetriebe. Nach einer etwas längeren Entwicklungspause bis 1948 kam der Radialreifen oder Gürtelreifen auf den Markt. 1950 überschritt die Weltproduktion erstmals die Grenze von 10 Mio. im Jahr, für Pkw, Lkw und Busse gemeinsam. Das Automobil war zu einem Massenprodukt geworden, der Lkw für den Transport etabliert, der Stadt- und Reiseverkehr mit Bussen schon ein Normalfall. Die nächsten, großen Entwicklungen waren die Benzindirekteinspritzanlage und die Servolenkung. Erstere wurde zum ersten Mal in den Gutbrod Superior und den Goliath GP 700 Sport im Jahre 1951 eingesetzt. Die Servolenkung wurde von der amerikanischen Firma Chrysler im selben Jahr angeboten. Ab 1957 war es möglich, auf Wunsch Sicherheitsbeckengurte einzubauen. Damals waren die Sicherheitsbedingungen in Automobilen noch recht schlecht und die Entwicklung dieser ersten Beckengurte galt als äußerst fortschrittlich. Im Jahr 1963 wurde sechs Jahre später ein Auto mit einem Wankelmotor gebaut, der korrekter auch als Kreiskolbenmotor bezeichnet wird, und nur ein Jahr später <?page no="157"?> 4 Geschichte des Energietransports 157 wurde das elektronische Benzineinspritzsystem entwickelt. Besonders aufsehenerregend war auch die erste Fahrt mit einem allradgetriebenen Auto auf dem Mond am 1. August 1970. Im Anschluss daran war der Subaru Leone von 1972 das erste in Serie produzierte Automobil mit Allradantrieb für die Straßen der Erde. General Motors setzte ab 1974 die ersten Autokatalysatoren für Benzinmotoren ein, Mercedes 1978 das vollelektronische Antiblockiersystem (ABS) in der S-Klasse. In den 1980er Jahren wurden die ersten Fahrzeuge mit Airbags produziert und ab 1984 wurden Erdgasautos in Serie hergestellt. 1990 waren geeignete Katalysatoren für den Dieselmotor entwickelt. Die Einführung des elektronischen Stabilitätsprogramms (ESP) durch Mercedes erfolgte 1995, nachdem bei Testfahrten eines neuen Modells Überschläge aufgetreten waren. ESP wird heute in allen Klassen verwendet, auch den preisgünstigen. Im gleichen Jahr gingen auch die ersten Pkw mit Hybridantrieb in Betrieb, die zusätzlich zum Verbrennungsmotor über einen elektrischen Antrieb verfügten. Initiator war hierbei der japanische Automobilhersteller Toyota mit seinen Prius-Modellen, Heute ist absehbar, dass die elektronische Aufrüstung, also die Ausstattung mit Informationselektronik, wie zum Beispiel Navigationssystemen, Fahrer-Assistenzsystemen, Unterhaltungsmedien sich weiter verstärken wird, bis hin zum autonomen Fahren. Hinzu kommt, dass Umweltschutzaspekte und politische Vorgaben die Entwickler in die Richtung elektrischer Antriebe drängen, wie sie mit Batterie oder Brennstoffzelle realisiert werden können. Der automobile Verkehr hinterließ Spuren in der Landschaft. Es brauchte Straßen, Parkplätze, Tankstellen, Raststätten und ein Verkehrsmanagement. In Deutschland wie auch in den USA kam Fernstraßen eine große wirtschaftliche Bedeutung zu, speziell in Deutschland auch eine eminent politische. Exkurs: Die deutschen Autobahnen Kein anderes Kapitel deutscher Verkehrsgeschichte wurde und wird so kontrovers diskutiert wie der Bau der Autobahnen. Das Spektrum der Beurteilungen reicht von „größte Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach der Wirtschaftskrise (von 1929)" über "geniale Verkehrsplanung" und der damals allgegenwärtigen propagandistischen Verklärung als „Straßen des Führers" 109 bis zur Brandmarkung als Projekt der Kriegsvorbereitung. Zeitgenössische Kritik an dem Bau wurde unterdrückt, dennoch fragten damals nicht wenige nach dem Sinn eines solchen Straßennetzes zu einem Zeitpunkt, als der Individualverkehr in Deutschland noch nicht entwickelt war. Hier ist nicht der Platz, ein endgültiges Urteil über den Autobahnbau zu fällen. Jedoch sollen einige interessante technikhistorische Tatsachen in diesem Zusammenhang dargestellt werden, zumal die Wurzeln der Entwicklung weit zurückreichen und apolitisch sind. 110 109 -Buchtitel-aus-dem-Jahr-1937.- 110 -Im-Folgenden-unter-Verwendung-und-Zitierung-von/ aus-Noßke,-Th.: -Der-Bau-der-Autobahnen,- 2007-2008.- <?page no="158"?> 4 Geschichte des Energietransports 158 Am 23. Januar 1909 wurde die „Automobil-Verkehrs- und Übungsstraße GmbH" AVUS gegründet. Ihre weit gediehenen Pläne zum Bau einer Test- und Rennstrecke für Automobile sollten noch 1914 umgesetzt werden, was jedoch durch den Ausbruch des Weltkrieges verhindert wurde. Im Jahre 1921 finanzierte der Industrielle H. STINNES den Bau der AVUS zwischen Grunewald und Nikolassee im Südwesten Berlins. Dieses am 24.09.1921 eingeweihte Bauwerk war die erste mehrspurige und kreuzungsfreie Straße in Europa. Wie die späteren Autobahnen besaß sie bereits einen bepflanzten Mittelstreifen. Die 9,8 km lange schnurgerade Strecke war anfangs nicht für den öffentlichen Verkehr freigegeben. Am nördlichen und südlichen Ende besaß sie Kehrschleifen, von denen die nördliche Steilkurve erst 1971 abgebrochen wurde. Die AVUS ist heute Bestandteil der Bundesautobahn A115. Ein weiterer wichtiger Meilenstein in der Vorgeschichte der Autobahnen ist der 1927 eröffnete Nürburgring bei Adenau in der Eifel, die als zweijährige „Arbeitsbeschaffungsmaßnahme“ organisiert wurde und so als ein Vorbild für den späteren Autobahnbau gelten kann. Im Jahr 1924 wurde die „Studiengesellschaft für den Automobilstraßenbau“ (STUFA) gegründet, die später - im Dezember 1934 - in „Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen“ (FGS) umbenannt wurde und noch heute existiert. Aus ihr entstand 1926 die Projektgemeinschaft HAFRABA, eine Abkürzung von „Hansestädte - Frankfurt - Basel". Diese Autostraße sollte ursprünglich privat finanziert und betrieben werden. Für ihre Benutzung war eine Gebühr vorgesehen, was schon damals große politische Probleme verursachte. Die Verantwortlichen der HAFRABA suchten mit großem Elan in der Industrie, bei den Industrie- und Handelskammern sowie bei den Kraftfahrzeug-Herstellern nach Verbündeten und Geldgebern. Es gelang dieser Interessengemeinschaft jedoch nicht, zum einen die verantwortlichen Verkehrspolitiker der Weimarer Republik von ihrem Vorhaben zu überzeugen und zum anderen selbst ausreichende Geldmittel für dieses gewaltige Projekt aufzubringen. Die Umsetzung des Projektes wurde erst unter dem NS-Regime möglich. Andere waren da schneller. In Italien entstand 1924 die erste längere Autostraße Europas, der Anfang der „Autostrada" Mailand-Varese. Und im Rheinland entstand von 1929 bis 1932 die vierspurige Autostraße Köln-Bonn, die mit ihren getrennten Fahrstreifen, dem kreuzungsfreien Verkehr und der direkten Trassenführung als erste deutsche Autobahn gelten muss. Die Initiative für die „Nur-Auto-Straße", auf der Fußgänger und Radler ebenso verboten sein sollten wie das „Treiben und Führen von Tieren", ging von K. ADE- NAUER aus, damals Oberbürgermeister von Köln. Ihre Realisierung wurde paradoxerweise durch die Weltwirtschaftskrise begünstigt. Als die Arbeitslosigkeit immer weiter stieg, ließen sich die rheinische Provinzialregierung und die Reichsregierung in Berlin dazu bewegen, den Bau der Köln-Bonner-Auto-Straße als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zu bezuschussen. 5500 Männer fanden vorübergehend Arbeit. Die Einweihung der 20,2 km langen kreuzungsfreien Straße konnte am 6. August 1932 gefeiert werden. Der Bau der Strecke umfasste auch die Errichtung von 32 Brückenbauwerken aus Eisenbeton, um die angestrebte Kreuzungsfreiheit zu gewährleisten. Die Trassenführung der ersten deutschen „Nur-Auto-Straße“ zeigt Abb. 4.6-58. Die Straße war für eine Fahrgeschwindigkeit von 100-120 km/ h konzipiert, der kleinste Halbmesser der Kurven lag bei 1000 m, ein für damalige Landstraßen unglaublich großer Wert. <?page no="159"?> 4 Geschichte des Energietransports 159 Abb.-4.6‐58: -Die-Trassenführung-der-ersten-deutschen-“Nur‐Auto‐ Straße”; -Quelle: - Noßke,-Th.: -Der-Bau-der-Autobahnen,--2007‐2008,-o.- Seite- Abb.-4.6‐59: -Das-Schkeuditzer-Kreuz; - Quelle: -Noßke,-Autobahnen,-o.-Seite- Gegenstand damaliger Diskussionen waren nicht nur die Streckenführung von reinen Kraftfahrzeugstraßen, sondern auch technische Lösungen für Brücken, Anschlussstellen, Abzweigungen und Kreuzungen sowie die notwendige Infrastruktur in deren Umfeld wie Tankstellen und Straßenmeistereien. Für die Kreuzungen und Abzweigungen gab es viele phantasievolle Lösungen, u. a. den Kreisverkehr. Er war (und ist) preisgünstig, kann jedoch hohes und mehrspuriges Verkehrsaufkommen nur schlecht bewältigen. Schließlich <?page no="160"?> 4 Geschichte des Energietransports 160 setzte sich in Deutschland das Renaissance-Kreuz mit nur einer Brücke durch, bekannt auch als Kleeblatt und in Europa weit verbreitet, s. Abb. 4.6-59. Für das Projekt der Kraftwagenbahn Leipzig - Halle (LEHA) wurden im Jahr 1927 Vorarbeiten veröffentlicht. Auf ihm basierte dann einige Jahre später der Abschnitt zwischen Leipzig und Halle der heutigen A14, in deren Verlauf auch die erste niveaufreie Kreuzung zweier Autobahnen in Deutschland gebaut wurde. Beim Schkeuditzer Kreuz wurde 1936 erstmalig das heute allseits bekannte Kleeblatt realisiert, s. oben und Abb. 4.6-59. Abb.-4.6‐60: -Hitler-und-die-Autobahnen---ein-Beispiel-wirkmächtiger-Propaganda; -- Quelle: -Noßke,-Autobahnen,-o.-Seite- Nach der Machtergreifung A. HITLERS wurden die Autobahnprojekte der HAFRABA und anderer Privater sehr rasch zu Reichssache - Reichsautobahnen passten gut in die Visionen des „Führers“. Leistungsfähige Fernstraßen auch über die Grenzen hinaus, die militärische Bedeutung, die mögliche Beschäftigung für eine hohe Zahl von Arbeitslosen schufen einen Anreiz, dem HITLER nicht widerstehen konnte. Fortan waren die die noch gar nicht existierenden Autobahnen „Adolf Hitlers Straßen“, mit denen er sich persönlich identifizierte, s. Abb. 4.6-60. <?page no="161"?> 4 Geschichte des Energietransports 161 Nachdem der Autobahnbau von HITLER „entdeckt“ war, ging es rasch: Am 1. Mai 1933 verkündete er den Bau neuer Kraftfahrbahnen und verknüpfte damit das Ziel der Schaffung einer großen Zahl von Arbeitsplätzen. Am 27.Juni 1933 wurde das Gesetz zur Errichtung eines Unternehmens Reichsautobahnen erlassen, mit einer Durchführungsverordnung vom folgenden 7. August. Neu geschaffen wurde der Posten eines Generalinspektors für das deutsche Straßenwesen, den HITLER an Dr.-Ing. F. TODT, vergab. einen ausgewiesenen Fachmann des Straßenbaus und zugleich NS-Karrierist. Sein „Amt für Technik“ wurde noch im gleichen Jahr zu einer obersten Reichsbehörde erhoben. Die HAFRABA wurde zwangsweise in die GEZUVOR (Gesellschaft zur Vorbereitung der Reichsautobahnen e.V.) umgewandelt, die alle gesetzgeberischen Voraussetzungen für den Autobahnbau schaffen sollte und TODT zugeordnet war. Damit ging auch deren Knowhow in die Hand der neuen Männer über. Bau und Betrieb der Autobahnen wurden an die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft delegiert, deren bisheriges Monopol für den Ferntransport damit natürlich in Gefahr geriet. Aber man brauchte die Experten der Bahn, sowohl für die Technik der Verkehrsbauten als auch für die Finanzierung solcher Großprojekte und setzte für die Zukunft auf Koexistenz. Bau und Betrieb wurden durch Kredite der Reichsbank, durch die Deutsche Reichsbahn und durch die finanzielle Ausbeutung der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung finanziert. Zu Beginn waren pro Kilometer Autobahn-Kosten von 0,1 Mio. Reichsmark einkalkuliert, allerdings stiegen diese Kosten schon nach kurzer Zeit auf den zehnfachen Betrag an . Im Jahr 1933 wurden aber keine nennenswerten Baufortschritte mehr erzielt. Erst am 21. März 1934 wurde an insgesamt 22 Baustellen gleichzeitig begonnen. Allerdings waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal 20000 Arbeiter auf den Baustellen tätig. Ab 1936 sollten jährlich 1000 km Autobahnstrecken fertiggestellt werden, was aber nur unter größten Mühen 1937 und 1938 gelang. Meist wurden Betondecken gegossen, jedoch gab es - abhängig von der örtlichen Situation - auch Abschnitte, die geteert oder sogar gepflastert wurden. TODT wollte mit den Reichsautobahnen nicht nur die schnellsten, sichersten und modernsten Straßen der Welt bauen, sondern auch die schönsten. Er setzte darum den Stuttgarter Architekten P. BONATZ als Berater für ästhetische Fragen beim Autobahnbau ein. In vielen Fällen der Streckenführung und bei den Bauwerken ist die Umsetzung dieser Zielstellung auch zweifellos gelungen. Besonders in den Mittelgebirgen sind Autobahnstrecken entstanden, die auch heute noch auf den außenstehenden Betrachter wie auch auf den Kraftfahrer auf der Autobahn einen ungebrochenen Reiz ausüben, s. Abb. 4.6 61. Der Grad der Mechanisierung war zu Beginn sehr gering. Die Wirtschaftskrise hatte auch in der deutschen Bauindustrie ihre Spuren hinterlassen, sodass es an Ausstattung mit modernem Gerät mangelte. Das war angesichts des Beschäftigungsziels des Vorhabens nicht unerwünscht, führte jedoch dazu, dass das Ziel von 1000 dem Verkehr zu übergebenden Autobahn-Kilometern pro Jahr zunächst nicht erreicht werden konnte. - <?page no="162"?> 4 Geschichte des Energietransports 162 Abb.-4.6‐61: -Nicht-nur-Propaganda; -Quelle: - Vollbehr,-E.: -Die-Straßen-Adolf-Hitlers,-- Koehler-&-Amelang,-Leipzig,-1935- -- Dieser Zustand änderte sich ab 1937 deutlich. 1938 standen schließlich zur Verfügung:  2.700 Bagger,  6.000 Betonmischmaschinen,  4.700 Feldbahnlokomotiven und rund  12 0.000 Kipploren. - - -Abb.-4.6‐62: -Kontinuierliche- Deckenfertigung; -Quelle: - Noßke,-Autobahnen,-o.-Seite- Was nicht in Deutschland beschaffbar war, wurde importiert. Neu wurden Straßenbaumaschinen für den kontinuierlichen Guss der Beton-Fahrbahndecken entwickelt, jedoch blieb ihre Verwendung auf geeignete ebene und gerade Strecken beschränkt, s. Abb. 4.6-62. .„Die Arbeits- und Lebensbedingungen der teilweise zwangsverpflichteten Autobahnarbeiter waren hart. So mussten die zum Autobahnbau verpflichteten Arbeiter täglich oft erhebliche Entfernungen zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu den Baustellen zurücklegen. Im Verlauf des Jahres 1934 wurden die ersten Barackensiedlungen fertiggestellt. Die Arbeitsnorm von 12 m³ Erdbewegung pro Tag war für die Masse der nach jahrelanger Arbeitslosigkeit häufig unterernährten und schwerster körperlicher Arbeit entwöhnten Män- <?page no="163"?> 4 Geschichte des Energietransports 163 ner meist nicht zu schaffen. Der Brutto-Stundenlohn von 45 RPf (später 48 RPf) für einfache Arbeiter und maximal 55 RPf für Maschinenbediener führte zu einem Nettoverdienst, der kaum über dem Arbeitslosengeld lag. Die insgesamt katastrophalen Arbeits- und Lebensbedingungen mit vielen Unfällen und oft auch Toten führten dazu, dass viele Autobahn-Arbeiter mit aller Kraft versuchten, eine andere Arbeit zu finden, was Facharbeitern etwa ab 1936 aufgrund des inzwischen durch die massive Aufrüstung verursachten Wirtschaftsaufschwunges auch vermehrt gelang. Die entstehenden Lücken versuchte man mit zum Teil aus dem Ausland angeworbenen Kräften zu schließen. Zu diesem Zeitpunkt waren maximal 124.000 (! ) Arbeiter im Einsatz.“ 111 1938 wurden die rechtlichen Verhältnisse neu geregelt - die "Reichsautobahnen" wurden von der Deutschen Reichsbahn unabhängig: die Fachkompetenz der Bahn war entbehrlich geworden. Im Mai 1935 war bereits eine „Vorläufige Autobahn-Betriebs- und Verkehrsordnung“ entstanden. Danach durften nur „luftbereifte Kraftfahrzeuge“ die Autobahn benutzen, bei einer Höchstgeschwindigkeit für Pkw von 100 km/ h. Erstmals gab es das noch heute bestehende „Halte-, Wende- und Rückfahrverbot“ und die Vorfahrt für den durchgehenden Verkehr, das Rechtsfahrgebot und das Verbot des Rechtsüberholens - Regelungen also, die bis auf die Geschwindigkeitsbegrenzung noch heute Bestand haben. Abb.-4.6‐63: -- Ausbaustand-der- Reichsautobahnen-- 1938; -Quelle: -Volk- und-Reich-Karte- 111 --Zitiert-aus-Noßke,-Autobahnen,-in: -https: / / web.hs‐merseburg.de/ nosske,-Abruf-12.12.2018.- - <?page no="164"?> 4 Geschichte des Energietransports 164 Den zu Kriegsbeginn erreichten Ausbaustand zeigt Abb. 4.6-63. Der endgültig im Dritten Reich erreichte Ausbau mit 3860 km unterscheidet sich hiervon nur wenig: Am 3. Dezember 1940 wurden die Bauarbeiten offiziell beendet, danach erlaubte der Krieg nur noch einen geringen Zubau (320 Streckenkilometer). In den drei Westzonen wurde nach dem Krieg der Wiederaufbau des deutschen Autobahnnetzes durch die Alliierten vorangetrieben. Bis 1949 waren 2100 Autobahnkilometer wieder befahrbar und auch die meisten der im Krieg gesprengten Brücken standen dem Verkehr wieder zur Verfügung. Die Nutzung hielt sich allerdings in engen Grenzen; zunächst stand nur ein kleiner Bestand von Vorkriegsfahrzeugen zur Verfügung, und Ende 1946 hatte VW erst 10.000 Käfer produziert. Anfang der 1950er Jahre begann der Neubau von Strecken, der bis zur Gegenwart anhält, mit jährlichen Zuwachsraten zwischen einigen 10 und einigen 100 km. Als erstes großes Projekt wurde 1956 das Frankfurter Kreuz fertig gestellt. Das Autobahnnetz der DDR bestand zunächst lediglich aus den ehemaligen Reichsautobahnen. Ende der 1950er-Jahre beschloss die Staatsführung den Bau neuer Verbindungen. Bis zur Wiedervereinigung umfasste der Neubau insgesamt 10 Maßnahmen, darunter der Bau der Autobahn Berlin-Rostock und die Schließung des Berliner Rings. Strecken, die dem Transitverkehr nach Berlin dienten, wurden dabei von der Bundesrepublik Deutschland finanziert. Bedingt durch nur zögerlich getätigte Investitionen waren die Straßen der DDR auch in den 1980er-Jahren noch oft in mäßigem oder sogar sehr schlechtem Zustand. Nach der Wende 1989/ 90 wurden die Autobahnen der ehemaligen DDR im Rahmen der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit mit Milliardenaufwand saniert und entsprechend den Anforderungen moderner Fahrzeuge und dem stark angewachsenen Verkehrsaufkommen ausgebaut . Heute besteht das gesamte Netz einschließlich der ehemaligen DDR, das Bundesautobahnnetz, aus mehr als 13.000 Kilometern. Für die Finanzierung von Autobahn-Baumaßnahmen und die Instandhaltung ist der Bund zuständig. Ihm stehen dafür laut Gesetzbeschluss aus dem Jahr 1955 Teile der Mineralölsteuer zur Verfügung. Die Baukosten pro Kilometer können zwischen 6 Millionen und 20 Millionen Euro liegen 112 , wesentlich höhere Summen fallen für Brücken oder Tunnelbauten an. Wo und wann neue Streckenabschnitte gebaut werden, entscheidet der Bund auf Grundlage des Bundesverkehrswegeplans nach Anfrage und Bedarfsanforderung durch die Länder. --- Die bisherige Darstellung war auf Deutschland zentriert. Autobahnen sind jedoch auch in anderen Ländern Europas entstanden, wenn auch deutlich später als in Deutschland. Frankreich z. B. besaß 1970 erst 1000 km Autobahnstrecke. 112 -Z.-Verkehrs‐Rundschau,-Nachrichten-11.09.2014.- <?page no="165"?> 4 Geschichte des Energietransports 165 Etwas überraschend liegt gegenwärtig Spanien in der Netzlänge an erster Stelle und vor Deutschland, das sich gerne als Mutterland der Autobahnen sieht. Mit Stand von Jan. 2015 ergibt sich: 113 113 -Quelle: -statista-2016.- <?page no="166"?> 4 Geschichte des Energietransports 166 Die Vereinigten Staaten, oben schon als „Autoland“ apostrophiert, liegen mit ihren Interstates, die mit europäischen Autobahnen vergleichbar sind, an der Spitze. Das Interstate Highway System umfasst bundesweit etwa 68.400 km und ermöglicht von Küste zu Küste bzw. von Grenze zu Grenze zu fahren, und zwar ohne Kreuzung oder Ampel. Auf den Interstates spielt sich etwa 20 % des motorisierten Verkehrs ab, obwohl die Straßenlängen selbst nur etwa 1 % des gesamten Straßensystems der USA betragen. Die Sicherheit auf den Interstates wird statistisch als doppelt so hoch wie die auf anderen Straßen angegeben. Die Kosten wurden zu 90 % vom Bund und zu 10 % von dem jeweiligen Staat getragen. Die Interstates sind meist die schnellste Verbindung, aber anders als in Deutschland nicht unbedingt die landschaftlich reizvollste. Auch die Interstates haben ihre Geschichte. 114 Die ersten Interstates wurden in den 1950er Jahren auf Initiative des damaligen US-Präsidenten EISENHOWER gebaut. Deshalb lautet der Name des gesamten Straßensystems auch vollständig "Dwight D. Eisenhower National System of Interstate and Defense Highways" (kurz Interstate Highway System oder Interstate System). Wie der Name andeutet, war es das Ziel von EISENHOWER bei der Planung, ein Netz von überregionalen Straßen aufzubauen, das in Notfällen auch für militärische Zwecke genutzt werden konnte. Vorbild war ihm dabei das deutsche Autobahnnetz. 1956 bewilligte der Kongress die 52 Milliarden Dollar für das riesige Straßensystem, das bis spätestens 1970 fast alle amerikanischen Städte von mehr als 50 000 Einwohnern verbinden sollte. Anders als die deutschen Autobahnen, die noch heute nach dem unter HITLER entwickelten, vierbahnigen Schema gebaut werden, sollten die amerikanischen Super-Autobahnen jeweils den Gegebenheiten des örtlichen Verkehrs angepasst werden. Auf manchen Strecken in den weiten offenen Räumen des Westens genügten zwei Fahrbahnen. Im städtereichen Osten und in Kalifornien sollten mindestens vier und - je näher die Autobahn den großen Städten kam - sechs, acht oder gar zehn Fahrbahnen den Verkehr aufnehmen. Die Finanzierung erfolgte teils aus dem allgemeinen Steueraufkommen, teils aus Einnahmen aus einer zusätzlichen Treibstoff- und Reifensteuer und zu einem kleineren Teil, in den sogenannten Turnpikes, aus einer Maut. Der Staat übernahm die Vorfinanzierung durch die Ausgabe von Schuldverschreibungen. Auch wenn die technischen Anforderungen an die Straßen weitestgehend bundesstaatenübergreifend geregelt wurden, so war die Umsetzung und der Bau der Interstates doch wieder Bundesstaatenangelegenheit. Das führt dann auch dazu, dass Tempolimits vom jeweiligen Bundesstaat festgelegt wurden und werden. Aber nicht nur der Überlandverkehr sollte durch breite Autostraßen kanalisiert und dadurch ungefährlich gemacht werden. Hinzu kamen die „Freeways", die den Verkehr von Stadtteil zu Stadtteil abwickeln. Das eindrucksvollste Beispiel für ein innerstädtisches Autobahnnetz entstand in Los Angeles, der autoreichsten Stadt der Vereinigten Staaten, mit dem Hollywood Freeway, s. Abb. 4.6 64. 114 -Z.-Der-Spiegel-Nr.-45/ 1956.-- <?page no="167"?> 4 Geschichte des Energietransports 167 Abb.-4.6‐64: -Der-Planungsentwurf-für-den-Hollywood- Freeway,-der-in-der-Innenstadt-den-Verkehr-in-4-Stock‐ werken-übereinander-abwickelt; -Quelle: -Caltransdis‐ trict, California-Department-of-Transportation- - Maut auf Autobahnen ist auch in Europa nichts Ungewöhnliches und wird schon länger erhoben. Weil dem französischen Staat das Geld zum Autobahnbau fehlte, beschloss Frankreich 1955, die Finanzierung im Rahmen von Konzessionsverträgen privat abzuwickeln und ein Mautsystem zur Generierung von Einnahmen vorzusehen. Heute gibt es elf verschiedene Betreibergesellschaften für das gut 11.000 Kilometer lange Streckennetz. Einzelne Strecken sind allerdings bis heute noch im Staatsbesitz. Die Maut wird in unterschiedlicher Form in den meisten europäischen Länder erhoben; hier einige Beispiele: Dänemark: Keine Maut- oder Autobahngebühren Großbritannien: Selten Mautgebühren Italien: Mautgebühr beim Einfahren auf oder Ausfahren von Autobahnen oder Schnellstraßen Niederlande: Selten Mautgebühren Österreich: Vignettenpflicht (Pickerl) Polen: Teilweise Mautgebühren Schweiz: Vignettenpflicht Spanien: Mautgebühr beim Einfahren auf oder Ausfahren von Autobahnen oder Schnellstraßen Ungarn: Vignettenpflicht Ungarn hat das modernste Mautsystem in Europa - es funktioniert voll elektronisch. Wie man sieht, ist das Mautsystem heute weit verbreitet. in Deutschland wurde es inzwischen für schwere Lkw auf Autobahnen und Bundesstraßen mit einem GPS-gestützten System eingeführt. Ein im Lkw eingebautes Fahrzeuggerät, die On-Board Unit (OBU), erhebt automatisch die Maut während der Fahrt. Die ab 2020 geplante allgemeine Maut, mit Befreiung der PKW-Fahrer von der Kfz-Steuer, fiel 2019 dem Verdikt der EU zum Opfer. Ob es zu einer gesamteuropäischen Lösung kommen wird, steht dahin. <?page no="168"?> 4 Geschichte des Energietransports 168 Die Verfügbarkeit motorischer Antriebe, Massenfertigung und das Vorhandensein eines Straßen- und speziell Schnellstraßensystems sind die Grundlagen und die Voraussetzungen für das Transportsegment Kraftverkehr. Pkw und Lkw werden heute in solchem Umfang genutzt, dass man nach nur gut 100 Jahren Entwicklung von einer Revolution der Mobilität sprechen muss. Die Produktionszahlen für die Jahre 1895-2018 konnten dies oben nur andeuten. Inzwischen ist der Weltbestand an Kraftfahrzeugen auf 1,26 Milliarden gestiegen 115 . Deutschland hat hieran einen Anteil von 56,6 Millionen. Um den Energietransport zu beziffern, den die Eigenbewegung dieser Bestände verursacht, kann man den jährlichen Treibstoffverbrauch für Deutschland heranziehen, der nach den Abgaben der Zapfstellen mit großer Genauigkeit festgestellt wird. Nimmt man noch den Verbrauch in l/ km hinzu, so erhält man die Kilometerleistung in der jeweils betrachteten Region. Bei dieser kleinen Umrechnung benötigt man den mittleren Verbrauch, der naturgemäß eine geschätzte und damit ungenaue Hilfsgröße ist. Für die nachfolgende Tabelle ist der mittlere Benzinverbrauch mit 10 l/ 100km und der mittlere Dieselverbrauch mit 7 l/ 100km angenommen worden. Die mittleren Strecken des Energietransports erhält man aus der km-Leistung, indem man durch das Doppelte der jeweiligen Bestände teilt. 2014 2015 2016 1000 t 1000 km 1000 t 1000 km 1000 t 1000 km Dieselkraftstoff 35.587 508.386 36.756 525.086 37.901 541.443 Ottokraftstoff 18.527 185.270 18.226 182.260 18.238 182.380 Heizöl, leicht 168.07 16.127 15.812 Der überschlägig berechnete Energietransport ist in der vorstehenden Tabelle nach Otto- und Dieselkraftstoff aufgeteilt. Hier zeigt sich ein Trend hin zum Dieselkraftstoff, der noch deutlicher wird, wenn man den größeren Zeitraum 1979 - 2013 der Abb. 4.6-65 betrachtet: der Dieselkraftstoff dominiert inzwischen den Verbrauch. Abb.-4.6‐65: -Inlandsabsatz-von-Ot‐ tokraftstoff-und-Dieselkraftstoff-in- Mio.-Tonnen; -Quelle: -BAFA-Miner‐ alölinfo- 115 -PKW,-LKW-und-Busse-geneinsam,-statista-2018.- <?page no="169"?> 4 Geschichte des Energietransports 169 Das hat einen doppelten Hintergrund: einerseits steigt die Zahl der dieselverbrauchenden Bestands-Lkw ständig an, s. Abb. 4.6-66, andererseits vermehrt sich der Anteil der dieselverbrauchenden Pkw, s. Abb. 4.6-67, die noch nicht die Dieselkrise 2017/ 18 zeigt.- - Abb.-4.6‐66: -Bestände-im-LKW‐ Sektor; -Quelle: -Shell‐Studie- LKW-/ -Kraftfahrt‐Bundesamt-- - Abb.-4.6‐67: -PKW-in-Deutsch‐ land-nach-Treibstoffart; -Quelle: - Tkarcher-2018,-Creative-Com‐ mons-CC0-1.0-Universal-Public- Domain-Dedication- Ob dieser Trend zum Diesel anhalten wird, darf deshalb bezweifelt werden. Einerseits drückt der „Diesel-Abgas-Skandal” von 2017 die Neuzulassungen, andererseits gewinnt der konkurrierende Elektroantrieb an Boden, wenn auch sehr langsam. Nicht nur auf der Straße, auch auf der Schiene hatte der Dieselmotor seine Konjunktur, zumindest zeitweise. Versuche zum Einsatz von Diesellokomotiven gehen auf die die 1920er Jahre zurück. Das große Problem für die Eisenbahntraktion war die Bedingung des lastfreien Starts, wie sie im Automobil durch die Kupplung gewährleistet war. Eine Lösung lag schließlich im dieselelektrischen Betrieb, eine zweite in der hydraulischen Kraftübertragung über Drehmomentenwandler, vergleichbar dem Automatik-Getriebe bei Pkw und Lkw. Während sich die erste Lösung in Nordamerika und in der Sowjetunion durchsetzte, kam die zweite nach dem Weltkrieg in Mitteleuropa und speziell bei der Deutschen Bundesbahn zum Einsatz. <?page no="170"?> 4 Geschichte des Energietransports 170 Abb.-4.6‐68: -Dieselhydraulische-Lok-der- Baureihe-216,-1400-kW,-120-km-Höchst‐ geschwindigkeit; -Quelle: -http: / / www.u‐ bahn‐berlin.de- Abb. 4.6-68 zeigt eine Lok der Baureihe BR 216, die ab 1960 in einer Zahl von 224 Exemplaren gebaut und zunehmend im Güterverkehr eingesetzt wurde. Ihr letztes Exemplar bei der DB wurde 2004 ausgemustert. Diesellokomotiven sind auch gegenwärtig noch im Einsatz, jedoch hat die seit den 1960er Jahren sukzessive verfolgte Elektrifizierung der Hauptstrecken ihre Verwendung in Mitteleuropa heute auf Nebenstrecken und auf den Güterverkehr beschränkt. Insgesamt hat sich bei den Neubauten das dieselelektrische Konzept durchgesetzt. Für den Personenverkehr auf weniger frequentierten Strecken verzichtet man schon länger auf die Lokomotive und nutzt stattdessen das Triebwagenkonzept, ebenfalls auf dieselelektrischer Basis. Es hat schon eine längere Vergangenheit: Zwischen 1907 und 1915 wurden von den Preußischen Staatsbahnen insgesamt 24 dieselelektrische Verbrennungstriebwagen verschiedener Bauart in Dienst gestellt. Das Konzept wurde in den 1920er Jahren vermehrt wieder aufgegriffen und ist bis heute für den Personenverkehr auf den nichtelektrifizierten Strecken aktuell. Anders sieht die Situation auf anderen Kontinenten bzw. in anderen nichteuropäischen Ländern aus: In Nord- und Südamerika, Afrika, Australien sind nur einige Strecken elektrifiziert, ebenso in Indien. Hier dominiert nach wie vor der dieselelektrische Antrieb mit z. T. überschweren Lokomotiven auf den Fernstrecken. Eine Ausnahme bilden Russland und inzwischen auch China, deren Streckennetz jeweils rund zur Hälfte vollelektrisch ausgebaut ist. Luftverkehr Erste überzeugende Modelle von Fluggeräten stammen von LEONARDO DA VINCI. Bereits im 15. Jahrhundert untersuchte er das Flugverhalten von Vögeln und entwarf nach deren Vorbild Baupläne für Flugzeuge. Die ersten erfolgreichen Flugversuche gelangen jedoch erst im späten 18. Jahrhundert, als die Brüder J. und J. E. MONTGOLFIER 1783 einen bemannten Heißluftballon in die Luft aufstiegen ließen. Von Verkehr ist hierbei natürlich keine Rede, jedoch von ihren Voraussetzungen. Den Weg zur motorisierten Luftfahrt ebneten vor allem die Erfinder des Gleitflugs, darunter A. L. BERBLINGER aus Ulm, der 1811 den ersten flugfähigen Hängegleiter entwickelte. Aufgrund schlechter Witterungsverhältnisse scheiterte BERBLINGER allerdings bei der öffentlichen Vorführung seines Gleiters. Auch der Engländer G. CAYLEY leistete wichtige <?page no="171"?> 4 Geschichte des Energietransports 171 Vorarbeit für die Entwicklung des ersten motorisierten Fluggerätes. Er erfand das Prinzip des modernen Starrflügelflugzeugs und baute einen Dreidecker, der im Jahr 1853 einige Meter weit flog. Ein weiterer Wegbereiter des motorisierten Flugs war O. LILIENTHAL, der seit 1891 über tausendmal erfolgreich mit verschiedenen Gleitflugzeugen segelte. Er bewies, dass ein Fluggerät, das schwerer als Luft ist, sauber und gesteuert fliegen kann. Entscheidend waren die aerodynamische Form der Flügel und seine Erkenntnisse zu Auftrieb und Antrieb. Die Erfindung von Verbrennungsmotoren ermöglichte es schließlich F. GRAF VON ZEP- PELIN, ein erstes motorisiertes Starrluftschiff zu entwickeln. Am 2. Juli 1900 stieg der erste „Zeppelin“ in die Luft, die Z 1, ausgestattet mit einem Motor der DMG (Daimler Motoren Gesellschaft). 116 Am 16. November 1909 wurde mit der Deutschen Luftschifffahrt-Aktiengesellschaft DELAG die erste Luftfahrtgesellschaft der Welt gegründet. Viele deutsche Großstädte bemühten sich um einen „Luftschiffhafen". Das erste Luftschiff der DELAG war die LZ 7 Deutschland, die erstmals zahlende Passagiere auf der Strecke Düsseldorf- Frankfurt-Baden-Baden beförderte. 1911 kam das neue Luftschiff LZ 10 Schwaben hinzu und mit ihm erstmals der Service eines Stewards, der sich um das leibliche Wohl der Passagiere bemühte. Bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges beförderten die Luftschiffe der DELAG 27.773 Passagiere über 273.600 Kilometer ohne jeglichen Personenschaden. Das muss als Beginn des Luftverkehrs gelten. Parallel zur Entwicklung der Starrflugschiffe führten die amerikanischen Brüder WRIGHT das Prinzip G. CAYLEYS „schwerer als Luft“ fort und schafften es, ein flugtaugliches Doppeldecker-Motorflugzeug mit Propeller-Antrieb zu bauen. Am 17. Dezember 1903 führten sie den ersten erfolgreichen Motorflug durch. Das von einem 12 PS starken Benzinmotor angetriebene Flugzeug flog beim ersten Versuch 37 m weit. Ein weiterer Meilenstein in der Geschichte der Luftfahrt war die Ärmelkanalquerung von L. BLERIOT im Jahr 1909. Mit dem ersten Weltkrieg wurde die Entwicklung des Motorflugzeugs insbesondere zu militärischen Zwecken vorangetrieben. 1915 erprobte H. JUNKERS das erste Ganzmetallflugzeug, die Junkers J 1, und baute 1919 auch das erste Ganzmetall-Verkehrsflugzeug der Welt, die Junkers F 13, deren Konstruktionsprinzipien richtungweisend für folgende Flugzeuggenerationen wurden und den Beginn der flugzeuggestützten Verkehrsfliegerei markieren. Ein Luftverkehr im eigentlichen Sinn - also der Transport von Passagieren und Fracht - entwickelte sich jedoch erst in den 1920er Jahren, nachdem in Deutschland die Deutsche Luft-Reederei (DLR), noch während des Krieges als militärisches Unternehmen gegründet, 1919 eine Zulassung als zivile Luftverkehrsgesellschaft erhalten hatte und ihren ersten Linienflug im Februar 1919 von Berlin nach Weimar durchführen konnte . Zu Beginn der 1920er Jahre folgten weitere kleinere Luftfahrtgesellschaften, die auch Passagiere beförderten und zwischen denen ein erbitterter Konkurrenzkampf um die Tagesflüge mit zum Teil alten Militärmaschinen entbrannte. Selbst die beiden größten unter 116 -Ein-Bericht-über-den-motorisierten-Flug-eines-Luftschiffes-im-Jahre-1888-durch-den-Leipziger-Buch‐ händler-Wölfert-ist-zweifelhaft.- <?page no="172"?> 4 Geschichte des Energietransports 172 ihnen in Deutschland, die Deutsche Aero Lloyd 117 und die Junkers Luftverkehr AG, konnten sich ihm nur durch Fusion entziehen, der auf Druck der subventionierenden Reichsregierung zustande kam. So entstand am 6. Januar 1926 die Deutsche Luft Hansa Aktiengesellschaft mit Sitz Berlin. Exkurs: Die Geschichte der Lufthansa Der Bestand der Luft Hansa von 162 Flugzeugen war anfangs bunt gemischt - die meisten waren veraltete Militärmaschinen, jedoch war mit der Junkers F 13 auch das erste speziell als Passagiermaschine konstruierte Flugzeug vertreten, s. Abb. 4.6-69. --Abb.-4.6‐69: -Erster-Linienflug-April-1926-mit- Fokker‐Grulich-F-II-1926-und- Sonderbriefmarke-der-Deutschen-Bundespost- 1976,-mit-der-F13-als-Motiv; -Quelle: - Lufthansa-AG-und-Deutsche-Post-AG- - Ihr erster planmäßiger Flug startete am 6. April 1926 und war mit der Route Halle, Erfurt, Stuttgart, Zürich zugleich auch der erste planmäßige Auslandsflug. Das eingesetzte Flugzeug trug als Firmenlogo den blau-gelben Kranich. Die Lufthansa hatte schnell Erfolg und konnte ein Streckennetz aufbauen, s. Abb. 4.6-70. Zu den ersten Fluggesellschaften, die heute noch in Betrieb sind, zählt auch die US-Fluglinie Delta Airlines, die 1924 zunächst für landwirtschaftliche Zwecke gegründet wurde. In der ersten Entwicklungsphase der Verkehrsluftfahrt, die als „Pionierzeitalter “ in die Geschichte der Luftfahrt eingegangen ist, lag das Schwergewicht des Luftverkehrs auf der Personenbeförderung. 117 -In-der-Aero-Lloyd-war-bereits-1923-die-DLR-aufgegangen.- <?page no="173"?> 4 Geschichte des Energietransports 173 - - ----- Abb.-4.6‐69: -Ausbau-der-Luft-Hansa- Verbindungen-schon-im-ersten-- Betriebsjahr; -Quelle: -Juergen-v.-- Schmeling-2009- Daneben gab es schon in den Anfangsjahren die Luftpost. Erste Anfänge schon vor dem Weltkrieg waren mit besonderen Veranstaltungen und Sonderflügen verbunden. Auch die ersten regelmäßigen Postflüge in Deutschland hatten noch einen sehr speziellen Hintergrund: Sie dienten 1919 dazu, die Abgeordneten der ausgelagerten Nationalversammlung in Weimar mit Post und Zeitungen aus der Hauptstadt zu versorgen. Im Jahre 1922 gab es bereits 13 Luftpostlinien, beflogen von der Aero Hansa AG, der Deutschen Aero Lloyd AG und der Junkers Luftverkehr AG. 1920 hatten mit einer Verbindung nach Schweden die ersten Postflüge ins Ausland stattgefunden. Besondere Briefkästen sollten schon bei der Aufgabe die Sortierung erleichtern, s. das Beispiel aus Berlin in Abb. 4.6-71. ----- Abb.- 4.6‐70: - Erster- Luftpost‐Briefkasten- in- Berlin,- Jan.-1923; -Quelle: -Bundesarchiv,-Bild-102‐00115,-er‐ stellt: -1.-Januar-1923- Mit der Gründung der Luft Hansa änderte und vereinfachte sich die Struktur: die Gesellschaft wurde verpflichtet, mit jedem Personenflug auch Post zu transportieren. Die Luftpost profitierte so künftig vom raschen Ausbau des Luft Hansa Streckennetzes. Das Netz der Luft Hansa wuchs schnell. Schon im Gründungsjahr kam der instrumentengesteuerte Nachtflug mit einer Nachtpost- und Nachtfracht-Strecke Berlin-Königsberg hinzu. Auch eine Verbindung nach Paris und die künftig beliebten Bäderstecken wurden ins Programm aufgenommen. Am Ende des Jahres waren 1527 Personen beschäftigt, <?page no="174"?> 4 Geschichte des Energietransports 174 mehr als sechs Mio. Flugkilometer zurückgelegt, 56.268 Fluggäste, 258 Tonnen Fracht und 301 Tonnen Post transportiert worden. 1927 kamen weitere Strecken hinzu, wie München-Venedig und die Verbindung Berlin- Stettin-Kopenhagen-Göteborg-Oslo, letztere mit Flugbooten. Die neue Strecke Berlin- Madrid wurde 1928 mit 2100 km die längste durchgehende Strecke in Europa. Der wagemutige Flug der Bremen über den Atlantik weckte Hoffnungen für Transatlantik-Flüge. Die Umsatzzahlen stiegen, litten allerdings unter der Wirtschaftskrise und gaben 1929 deutlich nach, bis auf die Luftfracht, s. nachfolgende Tabelle: - Deutscher-Luftverkehr-1928- und-1929; -Quelle: -L’Argus- économique-d’Indochine,-Paris,- 8.-Mai-1930,-Bibliothèque-na‐ tionale-de-France- Im Mai 1929 wurden mit der Reichspost Strecken von Berlin nach London, Malmö und Basel eröffnet. Im Juli 1929 wurde während der Jungfernfahrt des Schnelldampfers Bremen ein Katapultstart demonstriert, als Mittel, den Postdienst über den Atlantik zu verkürzen. Der Beginn der 1930er Jahre stand im Zeichen der Weltwirtschaftskrise. Dennoch wuchs das Unternehmen mit neuen Erstflügen nach New York (1931), einem innerchinesischen Postdienst (1931), dem ersten transatlantischen Postdienst über den Südatlantik mithilfe von Versorgungsschiffen (1934) und der neuen Strecke nach Warschau (1934). Mit dem Zugang neuer Fluggeräte wie der Junkers 52 (s. Abb. 4.6-72, ab 1932) und drei Flugzeugen aus US-amerikanischer Produktion (1934) wuchsen die Reisegeschwindigkeiten. Abb.-4.6‐71: -Die-JU-52/ 3m-von-- 1931; -Quelle: -Flugzeugdatenbank- -in-http: / / www.junkers.de Ganz neu war die Kooperation mit einer ausländischen Gesellschaft für eine gemeinsame Linie (KLM, 1935), die Strecken nach Südamerika erhielten Wasserflugzeuge (1935) und konnten auch nachts beflogen werden, Asienstrecken wurden mit Flügen über den Himalaya weiter erkundet (1936). Die Gründung einer Auslandsgesellschaft in Ecuador (1937), die Einführung einer Post- und Passagierlinie nach Teheran (1937) und die Gründung einer Tochtergesellschaft in Peru (1938) waren weitere Stationen. <?page no="175"?> 4 Geschichte des Energietransports 175 Im gleichen Jahr 1938 gab es auch einen viel beachteten Langstreckenrekord mit neuem Gerät, der Focke-Wulf 200 V1 in der Sonderausstattung „Brandenburg“, die nonstop die 6371 km lange Strecke von Berlin nach New York in knapp 25 Stunden zurücklegte. Das Jahr 1938 war auch insgesamt mit 19,3 Mio. Flugkilometern, 254.713 Passagieren und 5.288 Tonnen Briefen allein im Europa-Verkehr sehr erfolgreich und das bisher beste der Lufthansa. 118 1939 wurde noch ein Liniendienst von Berlin nach Bangkok in fünf Etappen ab Ende Juli eröffnet. Dann beendete der Überfall auf Polen am 25. August 1939 das reguläre und sehr erfolgreiche Geschäft der Lufthansa - der Linienverkehr wurde am Folgetag eingestellt, die Lufthansa mit allem Fluggerät und mit dem fliegenden und dem technischen Bodenpersonal in die Reichsluftwaffe integriert. Die Luft Hansa AG war ein privates Unternehmen und auf Einnahmen angewiesen. Zumindest im innerdeutschen Verkehr stand sie in Konkurrenz zu Reichsbahn und Reichspost. Sie betrieb deshalb aktives Marketing und baute ein Image als modernes und exklusives Transportmittel auf, s. Abb. 4.6-73 und Abb. 4.6-74. Abb.-4.6‐72: -1936-entstandenes-Vielfarb‐Plakat--für-die-Deutsche- Lufthansa; -Quelle: -Max-Ullmann-1936,-Werbung-20d/ I.-37-BTL- -- - - Abb.-4.6‐73: -Luftpost‐Faltblatt-1930; - Quelle: -https: / / web.hs‐merse‐ burg.de/ nosske,-Lufthansa-Archiv - Luft Hansa wurde als Beispiel gewählt, um die Entwicklung des Luftverkehrs in der Pionierzeit darzustellen. Dies ist deshalb naheliegend, weil in der Zwischenkriegszeit zahlreiche technische Impulse von Deutschland ausgingen. Die Entwicklung verlief in den anderen Industrieländern im Grunde ähnlich. In den USA entstanden früh die Delta Airlines (1928), Pan American World Airways (Pan American Airways,1927) und die American Airlines (1930). W. E. BOEING gründete die United Aircraft and Transport Company. Er baute 118 -Schreibweise-ab-1933.-- <?page no="176"?> 4 Geschichte des Energietransports 176 Flugzeuge, beförderte zuerst Post, später auch Passagiere, bis er wegen des Vorwurfs der Monopolbildung auf Anordnung der Regierung 1934 die Firmen trennen musste. So entstanden die United Aircraft Company, die Boeing Airplane Company und die United Air Lines. In England waren es zu Beginn insbesondere die Imperial Airways (1924) und die British Airways (1924), die die Entwicklung maßgeblich mittrugen und später zur BOAC vereinigt wurden (1940). In Frankreich existiert die Air France seit 1933. Die älteste große Fluggesellschaft ist die australische Quantas mit Gründungsjahr 1920. Insgesamt war die den Luftverkehr tragende Branche durch zahlreiche Fusionen und Übernahmen geprägt, was sich nach dem Krieg bis zur Gegenwart fortsetzte. Die übernationale Zusammenarbeit funktionierte im Wesentlichen: Bereits 1919 hatten sich die Luftverkehrsgesellschaften der Welt zur ersten IATA (International Air Traffic Association) zusammengeschlossen, deren Aufgabe in der gegenseitigen Abstimmung der Flugpläne und der Beförderungsbedingungen, u. a. im internationalen Luftverkehr, bestand. Die flugtechnische Entwicklung in den 1920er und 1930er Jahren lässt sich mit SONNE- MANN in vier Hauptlinien zusammenfassen: 119 ● Übergang zur Ganzmetallbauweise, ● Übergang vom Doppeldecker zum Eindecker, einziehbares Fahrwerk, ● Entwicklung der geteilten und getrennt ansteuerbaren Flügelflächen, ● Verstellbare Luftschraube. Aus der Sicht des Verfassers wäre hier noch zu ergänzen: ● Entwicklung von Navigationshilfen für Nacht- und Blindflug. Nach der Niederlage und der Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 gab es zunächst keinen zivilen Flugverkehr in Deutschland mehr. Die Siegermächte hatten sowohl Bau als auch Betrieb von Flugzeugen verboten. Der Luftpostverkehr in den nun besetzten deutschsprachigen Gebieten Österreich und Deutschland wurde von ausländischen Unternehmen übernommen. In Österreich gab es zwei Jahre nach Kriegsende wieder eine regelmäßige Luftpostbeförderung; in Deutschland war dies erst ab 20. Oktober 1948 möglich. Während des Krieges hatten amerikanische Gesellschaften den Fernverkehr forciert und insbesondere hatte die Pan Am ab 1939 einen Nordatlantik-Dienst mit Boeing-Flugbooten eingerichtet. Nach dem Krieg, der vor allem der US-amerikanischen Flugzeugindustrie neue Impulse brachte, war der sparsame und leistungsstarke Turbo-Compound-Motor verfügbar. Damit wurden die neuen Typen DC-4 und DC-6 von Douglas sowie die Constellation von Lockheed ausgestattet, ebenso die Vickers Viscount, die ab 1948 in England ihren Dienst aufnahm. In Deutschland waren während des Krieges die Strahltriebwerke entwickelt worden. Sie brauchten längere Zeit für den Weg in die Zivilluftfahrt. 1957 absolvierten die Jets De 119 -Sonnemann,-R.-(Hg): -Gesch.-der-Technik,-Leipzig-1978,-S.-399.-- <?page no="177"?> 4 Geschichte des Energietransports 177 Havilland Comet 4120 und die Boeing 707 ihren Jungfernflug und dominierten fortan die langen Strecken. Fast alle Wettbewerber stellten auf Strahlantrieb um, so Douglas mit der DC-8 und Frankreich mit der Caravelle. Wie schnell die Turboprop-Ära wieder vorbei war, zeigte das Schicksal der in den späten 1950ern vorgestellten Turboprop Lockheed L-188 Electra. Sie hatte gegen die schon verbreiteten Jets keine Chance. Nur in der kleinen Klasse blieb Turboprop noch marktfähig. Anfang der 1950er-Jahre gelang auch die Neugründung der Lufthansa und der Wiederaufbau der Zivilluftfahrt in Deutschland. Die neue Deutsche Lufthansa AG wurde in der Folge zu einem profitablen, modernen, weltweit agierenden Flag-Carrier der Bundesrepublik. In den 60er Jahren war das Überschallflugzeug ein kurzfristiger Hype für den Luftverkehr. Weder die russische Tupolew Tu-144 noch die französisch-britische Concorde aber konnten sich am Markt durchsetzen. Dazu gehörte auch die Erfahrung, dass ohne die notwendigen Überflug- und Landeerlaubnisse der schnellste Flug nichts nützt. Die 1960er Jahre waren zugleich der Start in die Ära der Großraumflugzeuge. Alle drei US-amerikanischen Hersteller brachten solche Modelle heraus. Europa reagierte hierauf mit dem Gemeinschaftsunternehmen Airbus, dessen erste Entwicklung ein Großraumflugzeug für Kurz- und Mittelstrecken war; sein Jungfernflug fand im Juni 1972 statt. Hart getroffen wurde der internationale Luftverkehr von den Energiekrisen der 1970er Jahre. Airbus z. B. verkaufte 16 Monate lang keinen einzigen A 300. Die Hersteller reagierten hierauf mit sparsameren Modellen. Damit ist die große Linie der 80er Jahre umrissen: im Detail verbessern, die Konstruktion optimieren, neue Triebwerke einbauen und damit Energieverbrauch senken und Betriebskosten drücken. Mit der Fusion Douglas-Boeing unter dem Dach von Boeing 1997 verschwand einer der drei großen Hersteller vom Markt. Seither teilen sich Airbus und Boeing den Weltmarkt für große Passagierflugzeuge untereinander auf, mit wechselnden, aber im Wesentlichen gleichen Anteilen, s. Abb. 4.6-75. Offen bleibt das Schicksal der sog. Super Jumbos - die Nachfrage nach dem größten Passagierflugzeug der Welt, dem Airbus A 380 mit 560 Tonnen Startgewicht und Platz für 509 Fluggäste, stagnierte 2018. Neuere Überlegungen hinsichtlich der Marktchancen gehen weiter und ziehen die Einstellung des Programms in Erwägung. Der Flugverkehr wuchs so stark wie kein anderes Verkehrsmittel. Diese Entwicklung war nicht nur in Deutschland, sondern auch in der EU und weltweit zu beobachten. In der EU beispielsweise nahm die Verkehrsleistung nach 1990 jährlich um gut 4 % zu, s. auch Abb. 4.6-76, die zusätzlich die Auswirkung von Finanzkrisen erkennen lässt. 120 -Das-Vorgängermuster-De-Havilland-Comet,-1952-in-Dienst-gestellt,-erfüllte-wegen-Strukturschäden- im-Dauerbetrieb-nicht-die-Erwartungen.- <?page no="178"?> 4 Geschichte des Energietransports 178 - Abb.-4.6‐74: -Auslieferungen-und- Bestellungen-von-Boeing-und-Airbus- 2016; -Quelle: -Flug-Revue-03/ 2017f2 201 - -- Abb.-4.6‐75: -Die-Entwicklung-der-- Passagierluftfahrt-in-Deutschland-bis- 2016: -Flugpassagiere-auf-deutschen- Flughäfen,-Ein‐-und-Aussteiger,-in- Mio.; -Quelle: -Destatis-2017- Experten erwarten eine weitere Steigerung des Luftverkehrs, in Deutschland wie auch weltweit, s. auch Abb. 4.6-77, in der der Anstieg des Frachtverkehrs auffällt. Die Abb. 4.6-78 vermittelt ein etwas differenzierteres Bild. Sie bestätigt das überproportionale Anwachsen des Frachtverkehrs und zeigt darüber hinaus eine allgemeine Abnahme des Postverkehrs und der innerdeutschen Flugleistungen. Für das Gewicht des Frachtverkehrs gibt es ein frühes Beispiel: die Luftbrücke Westdeutschland-Berlin in den Jahren 1948/ 1949. Die am 20. Juni 1948 von den Westalliierten durchgeführte Währungsreform in den drei Westzonen nahm die sowjetische Besatzung zum Anlass einer unbefristeten Blockade. Zunächst wurden die Westsektoren in der Nacht vom 23. Juni auf den 24. Juni 1948 von der Stromversorgung aus der sowjetisch besetzten Zone abgeschnitten. Gegen 6 Uhr am 24. Juni folgte die Unterbrechung sowohl des gesamten Güterverkehrs als auch des Personenverkehrs auf Straßen, Schienen und einige Tage später auch zu Wasser von den westlichen Besatzungszonen nach West-Berlin . <?page no="179"?> 4 Geschichte des Energietransports 179 - - - - - - - - - - - - Abb.-4.6‐76; -Zur-Entwicklung-des-Luftverkehrs-in-Deutschland; -Quelle: -DLR,-Prognosemodell- Abb.-4.6‐77: -Gewerblicher-Luftverkehr-in-Deutschland-im-Jahre-2017; -Quelle: -Stat.-Bundesamt,-Fach‐ serie-8-Reihe-6.1- <?page no="180"?> 4 Geschichte des Energietransports 180 Die Regierungen der Westmächte hatten zwar mit einer Reaktion auf die Währungsreform gerechnet, aber diese totale Blockade traf sie weitgehend unvorbereitet. Der Militärgouverneur der US-amerikanischen Zone L. D. CLAY setzte sich in den nächsten Tagen mit seinem Engagement für eine Luftbrücke gegen Vorschläge seines britischen Kollegen SIR B. ROBERTSON durch, die Besetzung Berlins zu Gunsten gesamtdeutscher Wahlen aufzugeben. Was folgte, war eine historisch beispiellose Aktion: die Versorgung einer Millionenstadt aus der Luft, eine logistische Meisterleistung, angesichts deren Erfolgs sich die Sowjetunion schließlich veranlasst sah, die bisherige Blockade im Mai 1949 aufzuheben. Die Luftbrücke wurde anschließend schrittweise reduziert, bis zu ihrer vollen Einstellung im September 1949. Sie kostete allein die US Air Force fast 216 Mio. Dollar. 121 Insgesamt wurden von Juni 1948 bis September 1949 rund 2,1 Mio. t Fracht, davon 1,44 Mio. Tonnen Kohle (sic! ) 485.000 Tonnen Nahrungsmittel und 160.000 Tonnen Baustoffe befördert, überwiegend von Flugzeugen der US Air Force, die von der Bevölkerung dankbar begrüßt wurden, s. Abb. 4.6-79. Abb.-4.6‐78: -Eine-C54-der-US-Air-Force- bei-der-Landung-in-Tempelhof-1948; - Quelle: -United-States-Air-Force-Histori‐ cal-Research-Agency- Ölgetriebener Schiffsverkehr In Kap. 4.6.2.2 wurde bereits der Übergang des Schiffsverkehrs zum Öl als Antriebsmittel angesprochen. Einige Beispiele aus realisierten Schiffsbauten in Abb.4.6-80 zeigen, dass die Verwendung von Kohle als Brennstoff für die nach dem ersten Weltkrieg aufgelegten Neubauten ausgelaufen war. Die Veränderung traf den Großschiffbau mitten in der Umstellung zur Dampfturbine. In der Skagarakschlacht des Weltkriegs trafen die kohlebefeuerte deutsche Flotte und die ölbefeuerte Home Fleet der Engländer aufeinander. Dass sie trotz britischer Überlegenheit 121 -United-States-Air-Force-(Hg): -Statistical-Digest,-Jan-1949-‐-June-1950,-S.-402.- <?page no="181"?> 4 Geschichte des Energietransports 181 unentschieden ausging, schreiben Marinehistoriker der explosionssicheren Kohlefeuerung gegenüber der weniger beschusssicheren englischen Ölfeuerung zu. Dass auch die Dampfturbine sich nicht auf Dauer halten konnte, war den Entwicklungsfortschritten beim Dieselmotor geschuldet. Der letzte neugebaute Transatlantik-Schnelldampfer war die 1968 fertiggestellte Queen Elizabeth 2 und die letzten dampfgetriebenen Passagierschiffe wurden Anfang der 1980er Jahre gebaut. Viele schnelle Containerschiffe wurden bis in die 1970er Jahre ebenfalls noch mit Dampfturbinen ausgestattet. -Abb.4.6‐79: -Vergleich-von-Maschinenanlagen-mit-6.000-PS.-Brennstoffverbräuche,-Gewichte-und-Ma‐ schinenpersonal; -Quelle: -Berg,-F.,-Hochhaus,-K.‐H.,-Kannowski,-W.‐R.,-in: -Schiffbautechnische-Gesell‐ schaft-(HG),-Schiffsmaschinen,-1999 Mit dem starken Anstieg des Ölpreises wurden diese Schiffe unrentabel. Sie wurden fast alle entweder auf Dieselantrieb umgerüstet oder verschrottet. Im militärischen Bereich wurden beispielsweise die letzten Turbinenschiffe der Klasse 103 (Lütjens-Klasse) der deutschen Marine im Jahre 2003 außer Dienst gestellt. Bei der Verwendung von mobilen Anwendungen des Dieselmotors standen der Schiffsantrieb und die elektrische Stromerzeugung für den Schiffshilfsbetrieb aufgrund elementarer Vorteile von vorneherein im Vordergrund. Unter vergleichbaren Verhältnissen würde ein Motorschiff nur etwa 25 % des Brennstoffgewichtes verbrauchen, das ein zu dieser Zeit übliches kohlegefeuertes Dampfschiff für die gleiche Seereise benötigen würde. Dadurch vergrößerte sich der Aktionsradius erheblich und bei langen Rundreisen war der Anlauf weiterer Bunkerhäfen nicht mehr notwendig. Besonders das zusätzliche Ladevermögen war von Vorteil, da der Platz für die Bunkerkohle für zahlende Ladung frei wurde. <?page no="182"?> 4 Geschichte des Energietransports 182 1903 ist mit dem Öltanker Vandal das erste betätigte Datum für die Verwendung des Dieselmotors auf Schiffen. Die Vandal hat eine technisch wie wirtschaftsgeographisch interessante Geschichte. Auftraggeber war die Branobel 122 mit Sitz in St. Peterburg, beteiligt waren die Maschinenfabrik Ludwig Nobel, St. Petersburg und die AB Diesels Motorer mit Sitz in Sickla vor den Toren Stockholms. Beide letztgenannten Firmen hatten Lizenzabkommen mit R. DIESEL geschlossen. Die technischen Impulse kamen von dem Schweden K. W. HAGELIN (1860-1954) der 1891 zum technischen Leiter bei Branobel in Baku befördert und 1900 Präsident des Verwaltungsrates wurde. Als Schiffbauer verfolgte er die Idee von E. NOBEL, den wirtschaftlichen Dieselmotor in den firmeneigenen, bisher von Dampfmaschinen angetriebenen Tankern für den Transport der Erdölprodukte auf den russischen Flusssystemen einzusetzen (s. auch Kap. 4.6.3, erstes Tankschiff, Abb. 4.6-46). Dagegen sprach bisher jedoch die fehlende Umsteuerung der Motoren. HAGELIN suchte dafür eine elektrische Lösung und entwarf mit einem Ingenieur eine elektrische Koppelung mit Generator und Fahrmotor zwischen dem Dieselmotor und Propeller. Daraus entstand die erste dieselelektrische Fahranlage. Dieselelektrische Schiffsantriebe haben auch heute noch nach wie vor für Spezialschiffe große Bedeutung; trotz im Allgemeinen gegenüber Direktantrieben schlechterem Wirkungsgrad, größerer Gewichte, höherem Platzbedarf und höheren Investitionskosten. Demgegenüber stehen die besonderen Vorteile, z. B. bei Anforderungen an Energieverschiebung zwischen Verbrauchern größerer Leistung, Geräusch und vibrationsarme Antriebssysteme, stark unterschiedlichen Leistungsbedarf für besondere Fahrprofile, höhere Redundanz- und Verfügbarkeitsanforderungen sowie stufenlose Drehzahlverstellungen der Antriebsmotoren bis zu kleinsten Werten. ASEA lieferte die erforderlichen drei Generatoren (90 kW, 250 U/ min, 500 V Gleichstrom) und ebenso die drei Elektromotoren für die Propeller (100 PS, 300 U/ min). Die Entwicklung und Fertigung der Dieselmotoren von AB Diesels Motorer waren weiter fortgeschritten als die Arbeiten bei Ludwig Nobel, St. Petersburg. So wurden schließlich die Dieselmotoren aus Sickla bezogen und im Januar 1903 nach St. Petersburg überführt. Abb. 4.6-81 zeigt einen der Motoren nach dem Einbau. Der Tanker selbst wurde gemeinsam mit dem schwedischen Schiffskonstrukteur JOHN- SON entworfen. Er war rund 75 Meter lang, 9,50 Meter breit, hatte bei einem Tiefgang von 2,4 Meter eine Tragfähigkeit von rund 800 Tonnen und sollte eine Geschwindigkeit von 13 km/ h erreichen. Er wurde 1902 auf der Wolgawerft Krasnoje Sormowo in Nischni Nowgorod auf Stapel gelegt. Der Kasko, also der eiserne Rumpf, wurde anschließend nach St. Petersburg geschleppt. Hier erfolgte der Einbau der Fahranlagen und der technischen Einrichtungen in den Maschinenraum, der in der Mitte des Schiffes zwischen den vorderen und hinteren Öltanks angeordnet war. 122 -Die-Nobel-Brothers-Petroleum-Company-(später-Branobel)-war-ursprünglich-1876-von-Robert-(1829-‐- 1896)-und-Ludwig-Nobel-(1831‐1888)-in-Baku-gegründet-worden.-1879-wurde-sie-in-eine-Aktiengesell‐ schaft-mit-Sitz-in-St.-Petersburg-umgewandelt . - <?page no="183"?> 4 Geschichte des Energietransports 183 Abb.-4.6‐80: -Einer-der-Dieselmotoren--der-Van‐ dal-an-Bord; -Quelle: -Z.-Ship-&-Offshore,-Nr.-2,- 2012,-S.-7- Abb.-4.6‐81: -Technische-Zeichnung-der-Vandal; -der-Maschinenraum-mit-den-Dieselgeneratoren-be‐ findet-sich-mittschiffs,-die-elektrischen-Fahrmotoren-zum-Propellerantrieb-sind-im-hinteren-kleinen- Maschinenraum-angeordnet; -Quelle: -Zeitschrift-des-Vereins-deutscher-Ingenieure,-Bd.-49,-Nr.-21,-27.- Mai-1905,-S.-892 Die Fahranlage bestand aus den Hauptdieseln mit Generatoren, den Schaltanlagen, der Verkabelung sowie den Fahrmotoren zum Propellerantrieb. Die Fahrmotoren kamen in den hinteren kleineren Maschinenraum. Weiter wurden in St. Petersburg die Ballast- und Lenzpumpen sowie die Pumpensysteme für die Ölladung installiert. Im Frühjahr 1903 erfolgten die Erprobungen mit dem großartigen Ergebnis, dass die Drehzahlumkehr der Propeller mit dieser dieselelektrischen Antriebsanlage in 10-12 Sekunden durchgeführt werden konnte. Auf der Jungfernfahrt wurde die Vandal durch einen Schiffsunfall beschädigt, und nach der Reparatur transportierte sie rund 10 Jahre Öl und Ölprodukte für Branobel. Abb. 4.6-82 zeigt Grund- und Aufriss der Vandal. Wenig später, im Oktober 1903, hatte auch das konkurrierende Projekt, die Péniche Petit Pierre ihre Jungfernfahrt. Das schon auf dem Rhein-Marne-Kanal betriebene Binnenschiff <?page no="184"?> 4 Geschichte des Energietransports 184 war von der Société Française des Moteurs umgebaut worden und hatte einen Dieselmotor erhalten, der zwischen 23 und 30 PS leistete. Das Problem der Rückwärtsfahrt war hier anders und ebenfalls neuartig gelöst: durch einen verstellbaren Propeller. Das Projekt hatte jedoch wegen konstruktiver Fehler keinen glücklichen Ausgang. 123 1908 nahmen die beiden Küstenfrachter Rapp und Schnapp, jeder 350 twd groß und mit 120 PS starken, langsam laufenden und umkehrbaren Zweitakt-Dieseln der AB Diesels Motorer ausgestattet, ihren Dienst in Ost- und Nordsee auf. 1910 wurde der kleine niederländischen Küstentanker Vulcanus der Shell mit einem 450 PS-Viertakt-Dieselantrieb der Firma Werkspoor ausgerüstet. Der Motor hielt lange durch, bis zur Verschrottung des Schiffes im Jahre 1931. Als erstes seegängiges Schiff mit Dieselantrieb gilt die Selandia mit ihren Schwesterschiffen. Sie erregten Aufsehen, als sie ab Frühjahr 1912 den Liniendienst zwischen Europa und Bangkok aufnahmen. Schiffe mit drei Masten, jedoch ohne Rahen und Segel, und ohne Rauch oder Dampf aus Schornsteinen, das war ein völlig ungewohntes Bild für ein großes Handelsschiff. Mit der Indienststellung dieser kombinierten Fracht- und Fahrgastschiffe war die dänische Reederei Det Østasiatiske Kompagni in Kopenhagen - im internationalen Sprachgebrauch die East Asiatic Company (EAC) - die erste Reederei der Welt, die Motorschiffe im interkontinentalen Liniendienst einsetzte. Die EAC war 1867 als Schifffahrtsgesellschaft zur Einrichtung eines regelmäßigen Schiffsverkehrs zwischen Europa und Fernost gegründet worden. Am 5. Dezember 1910 erfolgte die Vertragsunterzeichnung zum Bau des Motorschiffes Selandia auf der Werft von Burmeister & Wain (B&W) in Kopenhagen. Als Liefertermin wurde Ende 1911 vereinbart. Schon wenige Tage später bestellte EAC zwei weitere Motorschiffe, von denen eines ebenfalls bei B&W gebaut werden sollte und das andere als Lizenzbau bei Barcley & Co. in Glasgow. Die Dieselmotoren für beide Schiffe sollte B&W liefern. Der Einsatz der ersten Motorschiffe erwies sich für die EAC als so erfolgreich, dass sie innerhalb weniger Jahre ihre gesamte Flotte von Dampfauf Motorschiffe umstellte. Die Kiellegung für die Selandia erfolgte am 30. März und der Stapellauf am 4. November 1911. Anfang Dezember wurden beide Motoren eingebaut. Die offizielle Werft-Probefahrt konnte am 14. Februar 1912 durchgeführt und das Schiff am folgenden Tag abgeliefert werden. Mit maximal 12,2 kn lag die Geschwindigkeit gut einen Knoten über dem vertraglich festgelegten Wert. Das zweite von Burmeister & Wain gebaute Motorschiff, die Fionia, kam auf ihrer Jungfernreise zur Kieler Woche von 1912. Hintergrund hierfür waren mit anderen Werften verabredete Vorführungen. EAC lud bei dieser Gelegenheit auch A. BALLIN, den Generaldirektor der Hamburg-Amerika Linie (HAL), auf das Schiff ein, obwohl die EAC und die HAL auf den Linien in die Karibik und nach Fernost Wettbewerber waren. BALLIN hatte sich seit Längerem darum bemüht, ein Motorschiff in die Flotte der HAL zu bekommen, bis zu 123 -Z.-Ship-&-Offshore,-Nr.-2,-2012,-S.-10.- <?page no="185"?> 4 Geschichte des Energietransports 185 diesem Zeitpunkt jedoch ohne Erfolg. Spontan kam BALLIN noch während der Kieler Woche mit der EAC überein, die Fionia zu kaufen. Als Reverenz an den dänischen König CHRISTIAN X, der gerade sein Amt übernommen hatte, wurde sie in Christian X umbenannt. Auch die Selandia machte ihre Jungfernreise zur Werbetour, die DIESEL und seinem Motor größte Beachtung bescherte. In London kam W. CHURCHILL, seinerzeit Marineminister, in Begleitung hochrangiger Marineoffiziere an Bord, s. Abb. 4.6-83. Auf eine Anfrage im Parlament antwortete CHURCHILL, er habe eine Studie in Auftrag gegeben, um herauszufinden, ob der Motor für den Einsatz auf Kriegsschiffen geeignet sei. Abb.-4.6‐82: -Churchill-an-Bord-der-Selandia; -- Quelle: -Z.-Ship-&-Offshore,-Nr.-2,-2012,-S.-19- - Die Dieselmotoren der Selandia und ihrer vier Schwesterschiffe hatte Burmeister & Wain unabhängig von anderen Ausführungen selbst entwickelt. Ihre eigenständige Konstruktion sollte für rund zwei Jahrzehnte der Maßstab aller Dinge im Schiffsmaschinenbau werden. Die Selandia erhielt zwei direkt umsteuerbare Viertakt-Kreuzkopfmaschinen vom Typ DM 8150-X mit jeweils acht Zylindern und einer Wellenleistung von 1.000 PS bei einer Drehzahl von 140 min-1. Der Kolbendurchmesser betrug 530 mm und der Hub 730 mm. Die indizierte Leistung der Motoren lag bei 1.250 PS, entsprechend einer Zylinderleistung von rund 156 PS und einem Mitteldruck von 6,3 bar. Die Leistung von insgesamt 2.000 PS reichte aus, um das rund 113 m lange, 7.000 t verdrängende und mit 5.000 BRT vermessene Schiff auf die vertraglich festgelegte Dienstgeschwindigkeit von 11 kn zu bringen. Abb. 4.6-84 zeigt den Motor vor dem Einbau. Die Maschine wurde mit Druckluft angelassen. Die Drehrichtung ließ sich umsteuern, wozu der Motor gestoppt werden musste. Um den Motor rückwärts laufend anzulassen, wurde die Nockenwelle mechanisch verschoben, wobei der gesamte Vorgang nicht mehr als 20 s in Anspruch nahm. Das Maschinenraumpersonal der Selandia verringerte sich im Vergleich zu einem Dampfschiff gleicher Maschinenleistung von 25 auf acht Personen. Die gesamte Mannschaft des Schiffes bestand aus 36 Personen. <?page no="186"?> 4 Geschichte des Energietransports 186 - - - Abb.-4.6‐83: -Der-- Motor-der-Selandia-vor- dem-Einbau; -Quelle: - MAN-Diesel-&-Turbo,- Archiv- - Auch die Stromerzeugung erfolgte an Bord mit Hilfe von Dieselmotoren als Antrieb der Generatoren. Das Schiff erhielt zwei Vierzylinder-Hilfsmaschinen zum Antrieb von 220- Volt-Gleichstrom-Generatoren, die mit einer durchgehenden Welle ausgeführt waren. Schaltkupplungen verbanden dreistufige Kompressoren zur Aufbereitung der Druckluft mit dem freien Ende der Generatoren. Die Aggregate wurden parallel zu den Hauptantrieben im Maschinenraum aufgestellt. Zur Speicherung der von den Aggregaten geförderten Druckluft waren im Maschinenraum entsprechende Druckbehälter vorgesehen, deren Volumen ausreichend für das Starten der Hauptmaschinen und die Versorgung von Hochdruckverdichtern war, mit denen die Druckluft zum Einblasen des Kraftstoffs in die Verbrennungsräume der Motoren aufbereitet wurde. Während die Aggregate die Luft nur gegen einen Druck von 20 bar förderten, benötigte man für die Kraftstoffeinblasung 60 bar. Die Speicherung der Luft erfolgte in Stahlflaschen, die zwischen den beiden Hauptmaschinen aufgestellt waren. So gelangte die Luft unter vergleichsweise hohem Druck auf kürzestem Weg zu den Einblasventilen an den Motoren. Die Selandia machte ihre letzte Reise für die EAC im November 1936, war also fast 25 Jahre für die Gesellschaft im Einsatz gewesen. Immer noch in einem guten Zustand, wurde sie an den norwegischen Reeder O. GODAGER verkauft. Nach nochmaligem Verkauf im Oktober 1940 an die Finnish America Line lief sie 1942 auf Grund, zerbrach und sank. Bei der Herstellung der Motoren gab es mit B&W lange Jahre einen eindeutigen Favoriten, obwohl sich die Konkurrenz, darunter auch die Nürnberger MAN, um Anschluss bemühte, s. Abb. 4.6-85. Welche Marktstellung die dänischen Motoren 17 Jahre nach der Indienststellung der Selandia erreicht hatten, zeigt eine von Lloyds Register veröffentlichte Aufstellung der am 30. April 1929 in Fahrt befindlichen Motorschiffe mit mehr als 2000 BRT. Danach lag Burmeister & Wain mit seinen Viertaktmotoren und 381 ausgerüsteten Schiffen mit insgesamt rund 3,4 Mio. BRT deutlich vor Sulzer mit 102 Schiffen und Doxford (Junkers-Lizenz) mit 53 Schiffen, beide mit Zweitaktmotoren, gefolgt von MAN, Werkspoor und Krupp. <?page no="187"?> 4 Geschichte des Energietransports 187 - -- Abb.-4.6‐84: -1912/ 13,-Einlegen-der-Kurbel‐ welle-beim-doppelt-wirkenden-12.000-PS- Zweitakt‐Dieselmotor-mit-6-Zylindern-auf- dem-Versuchsstand-von-MAN-Nürnberg; - Quelle: --Historisches-Archiv-MAN-AG-Augs‐ burg-- In den 1920er Jahren, nach dem Ende des Krieges, gab es viele Versuche, den Dieselbetrieb zu verbessern. Hierzu gehörten z. B. Doppelkolbenmotoren, Gegenkolbenmotoren und insbesondere doppeltwirkende Zweitaktmotoren, bei denen der Raum unter dem Kolben als zweiter Brennraum genutzt wird. Speziell hierfür gab es eine lange währende Kooperation zwischen der Werft Blohm & Voss und MAN. Abb.-4.6‐85: -Die-doppeltwirkende-Zweitaktmaschine- der-Fritz-mit-den-zwei-Brennräumen; -Quelle: -Z.-Ship-&- Offshore,-Nr.-2,-2012,-S.-21- Die mit einem solchen Antrieb ausgestattete Fritz kam allerdings wegen des Weltkriegs über erste Tests, die durchaus erfolgreich waren, nicht hinaus. Sie wurde als Reparation an England ausgeliefert und auf traditionellen Dampfbetrieb umgerüstet, weil sie vom britischen Personal nicht bedienbar war. Abb. 4.6-86 zeigt die Ursprungsmaschine. <?page no="188"?> 4 Geschichte des Energietransports 188 Während des Krieges musste die Dieseltechnik mit dem Überwasserantrieb für U-Boote weitere Anforderungen erfüllen. Die hier entwickelten Maschinen, z. B. der schnelllaufende 10-Zylinder Viertakter von MAN mit 3.300 PS und 35 % Wirkungsgrad, wurden nach dem Krieg mit Getrieben ausgestattet und zivil verwendet. So erhielten die Monte Sarminto und Monte Olivia als erste große deutsche Passagierschiffe 1924/ 25 bei Blohm & Voss U- Boot-Motoren, deren Drehzahl von 2151 U/ min auf rd. ein Drittel heruntergesetzt war. Nach wie vor war allerdings die Konkurrenz mit dem Dampfbetrieb nicht entschieden. Die 1928 und 1930 in Dienst gehenden Expressdampfer Europa und Bremen erhielten wieder Dampfturninnen mit 100.000 PS - das war eine Leistungsklasse, die für Motoren noch nicht erreichbar war. Etwa gleichzeitig erhielt jedoch die Dieseltechnik mit der Einführung des Abgasturboladers einen neuern Schub. Schon DIESEL hatte 1896 damit experimentiert und eine Leistungsverbesserung um 30 % erreicht, bei allerdings erhöhtem Treibstoffverbrauch. Diesmal kam der Impuls aus der Schweiz, wo BÜCHI das Prinzip der Abgasnutzung neu aufgegriffen hatte. Alle großen Hersteller nahmen Lizenzen, auch MAN. Als erste wurden die beiden deutschen Passagierschiffe Hansestadt Danzig und Preußen, die für den Ostpreußendienst vorgesehen waren, mit Abgasturboladern ausgestattet. Ein entscheidendes Hindernis bei der Durchsetzung der Dieseltechnik bauten jedoch die Kaufleute unter den Reedern auf: Abgesehen von den 10-15 % höheren Investitionen war es insbesondere der Preis des Dieselöls, der sich um 1930 zunehmend ungünstiger im Vergleich zum Heizöl entwickelte. Teilweise wurden Schiffe aus solchen Gründen wieder umgerüstet - vom Dieselauf den Dampfbetrieb. 1935 stellte sich das Verhältnis Diesel/ Dampf auf 11/ 52, gerechnet in Mio. Bruttoregistertonnen. 124 Im und nach dem zweiten Weltkrieg kam Knappheit an Dieselöl hinzu, und so wurde das deutsche Hansa-Programm, unter dem mehr als 200 Schiffe gebaut wurden, komplett auf kohlegefeuerten Dampfbetrieb ausgerichtet. Auch hier fand sich eine Lösung. Sie bestand in der Verwendung von Schweröl, einem Rückstandsöl aus der Destillation und/ oder dem Cracken von Erdöl. Das erforderte zwar die Aufbereitung der dickflüssigen und wasserhaltigen Masse nach Abb. 4.6-87, führte jedoch den Dieselmotor aus der Misere hoher Treibstoffpreise heraus. Es gelang zudem, bei den Zweitakt-Dieselmotoren die Zylinderleistungen deutlich zu erhöhen. Erreichte man um 1870 rd. 4000 PS/ Zylinder, so sind es heute bis zu 7800 PS/ Zylinder. Der Verbrauch sank auf 128 kg/ PSh, was einem Wirkungsgrad von 50 % entspricht. 1987 lieferte MAN für die Umrüstung der Queen Elizabeth 2 auf Motorentechnik neun Dieselmotoren mit einer Gesamtleistung von 96. 000 kW - die größte diesel-elektrische Schiffsantriebsanlage der Welt. 1990 wurden in Deutschland 192.000 Industrie-Dieselmotoren und 2.400 Schiffs-Dieselmotoren gebaut. Einer der leistungsstärksten Dieselmotoren bringt 81.000 kW auf die Schraube eines Container-Schiffes; er hat 14 Zylinder mit 960 mm Kolben-Durchmesser, läuft mit 100 Umdrehungen pro Minute, hat einen thermischen Wirkungsgrad von 50 %, ist 27 m lang, 13 m hoch und wiegt 2300 t. Der heute 124 -Z.-Ship-&-Offshore,-Nr.-2,-2012,-S.-25.- <?page no="189"?> 4 Geschichte des Energietransports 189 stärkste Schiffsdieselmotor hat 97. 000 kW. In 100 Jahren stieg der thermische Wirkungsgrad des Dieselmotors, also die Energieausnutzung des Kraftstoffs, auf mehr als das Doppelte. Sie ist auch heute noch höher als die der anderen Wärmekraftmaschinen Ottomotor, Dampfturbine, Gasturbine und Flugtriebwerk. Die hohen Wirkungsgrade des Dieselmotors und der niedrige Preis des Schweröls hatten Folgen: Die Dampfturbine ist aus allen Leistungsbereichen verdrängt. Man nimmt dabei in Kauf, dass eine anspruchsvolle Schweröl- Aufbereitung und weitere Hilfssysteme vorgesehen werden müssen, was jedoch eine einmalige Investition darstellt, die sich über die günstigeren Betriebskosten pro Fahrkilometer leicht amortisiert. Abb.-4.6‐86: -Schweröl-bedarf-der-- Aufbereitung; -Quelle: -Z.-Ship-&-Offshore,-- Nr.-2,-2012,-S.-26- Stadtgas Leuchtgas ist ein von der Natur angebotenes oder mit technischen Hilfsmitteln künstlich hergestelltes Gas, welches mit leuchtender Flamme brennt und so hohe Temperaturen erzeugt, dass andere Körper zur Weißglut erhitzt werden können. Die Gasbeleuchtung ist im Grunde ebenso alt wie die erste Benutzung des Feuers durch Menschen. Jede eigentliche Flamme ist brennendes Gas; künstlich entgaste Materialien wie Holzkohlen oder Koks glimmen flammenlos. Der historische Anfang der eigentlichen Gasbeleuchtung ist der Zeitpunkt, an dem man zuerst Gaserzeugung und Gasverbrennung zeitlich und örtlich trennte. Das begann zuerst mit rein wissenschaftlichen Experimenten. TH. SIRLEY vermutete schon 1667, dass eine Gasquelle in Lancashire den dort vorhandenen Steinkohlenlagern ihre Entstehung verdankte. Über diesen Zusammenhang stellte J. J. BECHER Untersuchungen an und veröffentlichte 1682 seine Versuche über die Vergasung von Torf in Holland und von Kohlen in England. Dann berichtete ST. HALES 1727 von Versuchen mit „aus Kohle hergestellter, brennbarer, elastischer Luft“. 1739 veröffentlichte J. CLAYTON und wenige Jahre später R. WATSON eingehende Untersuchungen über die Trockendestillation von Steinkohlen. <?page no="190"?> 4 Geschichte des Energietransports 190 Von daher wurde die Tatsache, dass Steinkohlen bei der Trockendestillation Gas freisetzen, der wissenschaftlichen Welt geläufig. 125 Es folgten zahlreiche Untersuchungen, und die Herstellung des Gases war als Experiment bekannt, aber es dachte noch niemand an seine technische Verwendung. Die ersten praktischen Versuche machte dann der holländische Chemiker und Physiker J. P. MINKELERS. Nachdem 1782 die Brüder MONGOLFIER ihre Montgolfiere mit warmer Luft und CHARLES einen Ballon mit Wasserstoff gefüllt hatten, beauftragte der Herzog von ARENBERG drei Professoren der Loewener Universität mit dem Studium der zum Füllen von Ballons geeigneten Gase. MINKELERS gehörte mit zu dieser Kommission und stellte zahlreiche Versuche an, u. a. mit Steinkohlengas. Sein Bericht aus dem Jahre 1784 bewies, dass man mit der Erhitzung von Steinkohle unter Luftabschluss ein Gas erzeugen konnte, das viermal leichter als Luft war. Auch die folgende praktische Anwendung auf das genannte Problem war erfolgreich, wie Ballonaufstiege 1783 und 1784 zeigten. Ob er tatsächlich auch einen Hörsaal seiner Universität Loewen mit seinem Gas beleuchtete, soll hier offenbleiben - nachgewiesen ist jedoch, dass er für die Füllung der Ballons mit noch größeren Mengen des Gases eine Anlage erbaut hat, die über den Labormaßstab hinausging, ein erstes kleines „Gaswerk“. Der nächste, der sich nachhaltig mit dem „Leuchtgas“ beschäftigte, war P. LEBON, der im Jahre 1799 ein Patent auf ein Gaserzeugungsverfahren erhielt und mit seiner „Thermolampe“ schon eine größere Anlage in einem vielbesuchten Gasthaus installierte. In Deutschland machte A. WINZLER die Thermolampe populär, s. Abb. 4.6-88. Der eigentliche Durchbruch gelang allerdings erst W. MURDOCH, der als Konstrukteur und späterer Technischer Leiter bei J. WATT arbeitete. Seine Gaserzeugungsanlage wurde zunächst in WATTS Werk in Soho eingesetzt, wo aus Anlass des Friedens von Amiens die Gebäude der Firma festlich illuminiert wurden und die Öffentlichkeit mit einem neuen Geschäftszweig der Firma bekannt gemacht wurde. 126 Zwar wurden einige Anlagen verkauft, ausschließlich an Fabrikbetriebe, jedoch konnte sich der neue Bereich im Hause Boulton & Watt nicht auf Dauer etablieren - inzwischen gab es erfolgreiche Konkurrenz. Denn inzwischen war in London F. A. WINZER 127 tätig, der in der Gasbeleuchtung, insbesondere auch der öffentlichen, ein wirtschaftlich interessantes Tätigkeitsfeld sah und sich um ein königliches Privileg bemühte, um Gas zur Städtebeleuchtung zu verwenden. Seinen Anträgen wurde 1804 in einem zweiten Anlauf stattgegeben, sodass eine Gesellschaft, die London and Westminster Gas Light and Coke Company, mit Aussicht auf Erfolg gegründet werden konnte. 125 -Nach-Körting,-J.: -Geschichte-der-deutschen-Gasindustrie,-Essen-1963.- 126 -Körting,-Gasindustrie,-S.-52.- 127 -Winzer-(auch-Winsor)-wird-gelegentlich-mit-Winzler-verwechselt.- <?page no="191"?> 4 Geschichte des Energietransports 191 - Abb.-4.6‐87: -Titelblatt-der-ersten- deutschen-Abhandlung-über-Gas‐ erzeugung,-Gaswärme-und-Gaslicht; - Quelle: -Aus-Original-der-US-Southern-- Regional-Library- - Das erste Anwendungsbeispiel gelang ihr 1807 durch eine Installation in der Londoner Pall Mall, wo dreizehn Gaslampen zu je drei Gasdüsen, in Glasampeln untergebracht, über Druckleitungen versorgt wurden. Es bedurfte jedoch noch einiger Jahre und der tätigen Mitwirkung von S. CLEGG, ehe flächendeckende Ergebnisse sichtbar wurden. Auf CLEGG geht u. a. die „chemische Reinigung“ des Gases zurück, indem er es mit Kalkmilch vom übelriechenden und gefährlichen Schwefelwasserstoff befreite. Das war als Prinzip schon länger bekannt, wurde aber von ihm großtechnisch realisiert. Am 31. Dezember 1813 wurde schließlich eine von CLEGG für die Gesellschaft eingerichtete Straßenbeleuchtung in London mit der Beleuchtung der Westminsterbrücke in Betrieb genommen. 128 Am 1. April 1814 wurden im Londoner Stadtteil St. Margareths die Öllampen durch Gasflammen ersetzt - dieses Datum gilt in der Literatur als erste Stadtbeleuchtung. 128 -Winzer-selber-hatte-mit-der-Stadtbeleuchtung-Londons-nichts-mehr-zu-tun; -er-war-nach-finanziellen- Schwierigkeiten-nach-Paris-geflohen-und-lebte-schließlich-von-einer-kleinen-Pension,-die-die-Gesell‐ schaft-ihm-gewährte.- <?page no="192"?> 4 Geschichte des Energietransports 192 - - -Abb.-4.6‐88: -Die-Gasanstalt-in-der-Kgl.- Münze-in-London,-Entwurf-Clegg; -- Quelle: -Körting,-Gasindustrie,-S.-74- - Eine Stadtbeleuchtung setzt ein Rohrnetz, Zwischenspeicherung, Druckregulierung und Mengenzählung zur Abrechnung voraus. Hierzu haben F. ACCUM, A. L. DE LAVOI- SIER 129 und wieder CLEGG ihre Beiträge geleistet, wobei letzterer auch Projekte außerhalb der Gas Light and Coke Company wahrnahm, wie das Beispiel der königlichen Münze in Abb. 4.6-89 zeigt. Nach einem späteren Bericht von ACCUM brannten 1819 in London schon 51.000 Gaslichter, und andere Städte in England wie Edinborough, Glasgow, Bristol, Birmingham waren dem Londoner Beispiel zu dieser Zeit schon gefolgt. Auf dem Kontinent folgte die Einführung der Gasbeleuchtung mit nur einigen Jahren Verspätung. Dort wurden 1816 durch W. A. E. LAMPADIUS eine erste betriebsgebundene Gasanstalt auf dem Kgl. Amalgamierwerk bei Freiberg i. S. und 1817 durch J. J. PRECHTL eine Gasbeleuchtung im von ihm neu errichteten Polytechnischen Institut zu Wien eingerichtet. Für die weitere Entwicklung in Deutschland kam der Impuls aus England. Dort wurde im Dezember 1824 die Imperial Continental Gas Association geründet (ICGA), mit dem erklärten Ziel, das in England entstandene Wissen um Technik und Organisation von Gasanstalten auf dem Kontinent gewinnbringend zu verwerten. Treibende Kraft dahinter war SIR CONGREVE, der sich bereits technische und wissenschaftliche Meriten an anderer Stelle erworben hatte 130 . In Hannover kam die Gesellschaft zuerst zum Zuge, „wobei die Beziehungen des Königshauses erleichternd gewirkt haben mögen“ (KÖRTING). SIR CONGRAVE erhielt 1826 ein Privileg der Stadt auf das Gaslicht für 20 Jahre. Binnen kurzer Zeit, nach nur 7 Monaten, brannten in Hannover die Gaslampen. Das Gaswerk und die Installationen waren nach dem Vertrag Eigentum der Gesellschaft, die als Gegenleistung Vergütungen in der Höhe 129 -Von-ihm-stammt-die-Bezeichnung-„Gazomètre“,-deutsch: -Gasometer.- 130 -Sir-Congreve-hatte-u.-a-als-erster-Raketen-als-Kampfmittel-eingesetzt-und-hierüber-1807-ein-viel-be‐ achtetes-Lehrbuch-geschrieben.- <?page no="193"?> 4 Geschichte des Energietransports 193 erhielt, wie sie bisher für die Beleuchtung mit Öllampen hatten aufgewendet werden müssen. In der Folge gab es zwar viele Streitigkeiten zur Auslegung des Vertrages, jedoch blieb er im Grundsatz für lange Zeit erhalten - erst 1918 übernahm die Stadt das Gaswerk. Auch in Berlin unternahm die ICGA den Versuch, einen Vertrag ähnlich dem in Hannover abzuschließen. Sie kam auch zunächst zum Zuge und erstellte eine Anlage, die ab Jahresbeginn 1829 die Straße „Unter den Linden“ und das Stadtschloss mit Gaslicht erleuchtete. Nach Streitigkeiten mit der ICGA beschloss dann jedoch die Stadtverordnetenversammlung, die Straßenbeleuchtung ab 1847 in eigene Regie zu übernehmen. Dafür hatte der als Berater wirkende R. S. BLOCHMANN (Leiter der städtischen Werke Dresden und Leipzig) den Entwurf für gleich zwei städtische Gasanstalten, diesseits und jenseits der Spree, vorgelegt. Und beide wurden auch rechtzeitig fertig - ab Januar 1847 war die Beleuchtung der (Innen-)Stadt in städtischer Hand. Auch in Dresden lief die Einführung der Gasbeleuchtung auf einen Konkurrenzkampf hinaus, in dem sich diesmal die ICGA und das Königreich Sachsen gegenüberstanden. 1824 erhielt die ICGA eine Absage und der ortsansässige Ingenieur BLOCHMANN den Auftrag, die Gasanstalt und die Verteilanlagen zu errichten. Er tat sich zwar schwer, insbesondere mit der Zulieferung der Rohre durch das Lauchhammerwerk, konnte aber im Frühjahr 1828 die ersten 36 Kandelaber anschließen. Bis 1833 wurde der Betrieb staatlich, also durch das Reich Sachsen, geführt. Dann übernahm die Stadt Dresden, die auf diesem Wege Eigentümerin des ältesten deutschen Gaswerks in kommunalem Besitz wurde. Frankfurt wurde für die Entwicklung der Gaswerke zu einem besonderen Fall. Auch hier hatte die ICGA geboten, die reichsfreie Stadt entschloss sich nach den Erfahrungen aus zwei Hausanlagen auf Steinkohlebasis jedoch für einen besonderen Weg: sie wollte eine Ölgasfabrik und gab hierüber zwei Frankfurter Bürgern einen Auftrag, die bereits mit Ölgas experimentiert hatten. Das Werk kam dann auch im September 1828 in Betrieb, allerdings nur mit einer Tagesproduktion von 84 cbm. Da auch starke Leitungsverluste zu beklagen waren, erreichten die Einnahmen nicht die betriebsnotwendige Höhe - das Werk musste zunächst wieder schließen. Nach wechselvoller Geschichte des Werks, die auch die Lieferung von Containergas einschloss, erreichte die ICGA schließlich 1844 einen Vertrag auf Beleuchtung aus Steinkohlegas, musste jedoch auf ein Monopol verzichten, sodass künftig in Frankfurt zwei Werke existierten. Andere Städte folgten - so 1841 Köln mit einem ICGA-Vertrag, 1847 Bremen mit einem Gaswerk in eigener Regie. Die weitere Entwicklung ist gekennzeichnet durch eine betonte Hinwendung zum Nationalen, dem Zeitgeist entsprechend. Durch eine Initiative des Bankpräsidenten NULANDT entstand 1855 die Deutsche Continental-Gas-Gesellschaft (zu Dessau), nach dem Vorbild der ICGA konzipiert. Ihre Gründung fand 1855 in Dessau statt. Sie wurde mit 500.000 Tal. Gesellschaftskapital ausgestattet. Mitgründer war auch der Abgeordnete in der Preußischen Nationalversammlung V. VON UNRUH, dem zuliebe Dessau als Gründungsort gewählt worden war, damit dieser im unabhängigen Anhalt preußischen Nachstellungen entgehen konnte. Die „Contigas“ baute zunächst vor Ort ein Gaswerk und produzierte ab 1856 Stadtgas zur örtlichen Straßenbeleuchtung. Es folgten weitere Gaswerke in mehreren Städten des In- und Auslandes. Beispiele sind Mönchen- <?page no="194"?> 4 Geschichte des Energietransports 194 gladbach, Magdeburg, Frankfurt/ Oder, Mülheim/ Ruhr, Potsdam und im Ausland Warschau und Lemberg. Mit J. OECHELHÄUSER, der 1858 die Führung der Gesellschaft übernommen hatte, wuchs die „Contigas“ weiter und erweiterte ihr Programm um gasbezogene Geräte. Hierzu gehörten zunächst Gasuhren, dann auch Lampen, Herde, Gasmotoren und anderes. Zum Teil geschah dies in Ausgründungen. Eine fast fachfremde Neugründung war die Dessauer Waggonbau AG zur Projektierung und Fabrikation von gasbetriebenen Straßenbahnen. Die Contigas begleitete mit diesen breit gestreuten Unternehmungen den Wandel Dessaus zu einer Industriestadt. Ihr Unternehmergeist griff aber auch über Stadt- und Branchengrenzen hinaus; sie beteiligte sich an Kohlegruben und branchenfremden Unternehmen. Die Gesellschaft wurde mehrfach umbenannt und besteht nach heute, jetzt in der Form einer Aktiengesellschaft, als Contigas Deutsche Energie AG, München. Weitere Gesellschaften wie die Allgemeine Gas-AG, Magdeburg, und die Holzgasanstalten von L. A. RIEDINGER ergänzten das Bild lebhaften, zum Teil wilden Wachstums. Sie erreichten jedoch nicht die Größe und Bedeutung der Contigas. Die von Privaten gesteuerte Entwicklung verlief in anderen Ländern im Grundsatz ähnlich, jedoch in England mit einigen Besonderheiten. Nachdem dort die Konkurrenz so heftig geworden war, dass mehrere Gesellschaften ihre Hauptleitungen in den gleichen Straßen liegen hatten, sorgte die Metropolis Gas Act 1860 dafür, dass Absprachen unter den Unternehmen möglich wurden und Dividendenhöhe, Gaspreis und Beschaffenheit des Gases unter Regierungsaufsicht kamen. Hinsichtlich der Gasverwendung stand um 1860 immer noch die Beleuchtung im Vordergrund. Ansätze, das Gas auch zum Kochen und zum Heizen zu verwenden, gab es zwar vereinzelt. 131 Jedoch konnte sich beides wegen der hohen Gaspreise nicht durchsetzen. Bedeutsam war jedoch die erste motorische Anwendung, 1859 durch den Belgier LENOIR. Noch bedeutsamer für den Markt war die 1859 beginnende Erdölförderung in Amerika. Die aus dem Erdöl gewonnenen Leuchtöle, besonders Petroleum, ermöglichten ganz neue Lichtquellen. Das Konkurrenzprodukt wurde rasch auch in Europa bekannt und bereitete der Gasindustrie ernste Sorgen. Zwar wirkte der allgemeine Aufschwung nach 1871 belebend, die darauffolgende Depression traf jedoch auch die Gaswerke. Dann trat auch noch das elektrische Bogenlicht auf den Plan, und schließlich brachte EDISON mit dem elektrischen Glühlicht das Produkt heraus, das am Ende - wenn auch viel später - den Niedergang der Gasbeleuchtung bedeuten sollte. Noch war es nicht so weit - die Gasindustrie wusste sich mit neuen Anwendungen und neuer Erzeugungstechnik zu wehren. Gasherde sind hier ein Beispiel aus der zweiten Hälfte, die allerdings ihre Verbreitung erst um die Jahrhundertwende fanden. In der Erzeugung spielte zunehmend die Gasqualität eine Rolle. Unter dem Stichwort Karbonisierung gelang die Erhöhung des Brennwertes und der Leuchtkraft durch die Zufuhr 131 -Siehe-„Thermolampe“,-weiter-oben.- <?page no="195"?> 4 Geschichte des Energietransports 195 von Kohlenwasserstoffen, insbesondere Benzol und Naphtalin. Und mit dem Wassergas, das aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff besteht, gelang sogar eine neue Gas-Spezies. Sie wurde in den Gaswerken teils additiv, teils ersetzend verwendet. Das sogenannte Stadtgas unterschied sich damit in Zusammensetzung und Brennwert von Ort zu Ort. Hinzu kam als Sonderfall das Ölgas, dessen Verwendung aber hauptsächlich auf Eisenbahnwagen und Seezeichen beschränkt blieb. 132 Im Jahre 1899 wurden in Deutschland 1.2 Milliarden cbm Gas erzeugt, wobei schon ein Drittel nicht mehr der Beleuchtung, sondern anderen Zwecken diente: Kochen, Heizung, Motorenbetrieb. Die Beleuchtung mit Gaslicht hatte zwar 1882 mit dem durch sie verursachten Brand des Wiener Ringtheaters mit seinen 384 Toten einen schweren Rückschlag erlitten 133 , blieb jedoch noch lange wichtiges Betätigungsfeld der Gasindustrie trotz der aufkommenden elektrischen Beleuchtung. Zu verdanken war dies AUER V. WELSBACH. Die erste Nachricht über seine Erfindung des Glühstrumpfes war 1886 noch mit Skepsis aufgenommen worden, aber in Wien sprach man schon 1992 von einem Sieg des Auerbrenners - in den ersten 9 Monaten dieses Jahres waren dort 90.000 Brenner geliefert, in Berlin etwa 45.000. Die Verbesserung des neuen Glühlichts wurde auch im 20. Jahrhundert intensiv und mit Erfolg weiter betrieben: An manchen Stellen wurde die schon eingeführte elektrische Straßenbeleuchtung zugunsten des Gasglühlichtes wieder abgebaut, und noch 1914 wurden in Wien alle Schulräume (auch aus Kostengründen) mit Gas eingerichtet. In den Privathaushalten war die Situation allerdings anders, trotz gelegentlicher Innovationen wie in Abb. 4.6-90 - der Dreh am Schalter war eben zu einfach gegenüber den Lösungen, die sich die Gasindustrie für das Anzünden der Flamme einfallen ließ. - Abb.-4.6‐89: -Hängelichter-wiesen-einen-nach-unten-zeigenden-- Gühkörper-auf,-entsprechend-auch-einen-nach-unten-weisenden-- und-schwerer-zu-beherrschenden-Gasfluss; -Quelle: -Körting,-- Gasindustrie,-S.-394- Im gewerblichen und öffentlichen Bereich war das anders - dort hatte sich nach 1910 die Fernzündung durch Druckstöße überall durchgesetzt. Die Zukunft des Gases lag jedoch nicht in der Beleuchtung, sondern in der Bereitstellung von Wärme. Zwischenzeitich, z. B. noch 1909, aktuell gewordene Gasmotoren für das Gewerbe konnten sich nicht dauerhaft gegenüber dem Elektromotor etablieren, da das Gas trotz Sondertarifen zu teuer war. Eine 132 -Körting,-Gasindustrie,-S.-221.- 133 -Das-Unglück-war-auf-fehlerhafte-Bedienung-eines-Gaslichts-zurückzuführen,-bei-dem-die-- elektrische-Fernzündung-versagt-hatte,-sodass-Handauslösung-erforderlich-wurde.- <?page no="196"?> 4 Geschichte des Energietransports 196 Ausnahme bildeten die Großgasmaschinen, die jedoch mit Gichtgasen und Kokereiabgasen arbeiteten. Die Domäne Wärme galt sowohl für die industrielle Anwendung, z. B. in Großbäckereien, als auch für den privaten Sektor. Im letzteren sorgten in der Zeit vor dem Weltkrieg E. LEYBOLD, J. VAILLANT und H. JUNKERS für dauerhafte Lösungen in Küche und Bad. Vor allem war es aber die Raumheizung, die dem Gas bis in die Gegenwart bleibende Anwendung verschaffte. In England wurde sie überwiegend als Strahlungsheizung verstanden, in Deutschland setzte man auf Konvektionsöfen. Im Jahr 1910 erschienen hier Normen für Gasheizofen. 134 Wichtiger in diesem Zusammenhang war aber noch, dass 1908 die ersten gasbefeuerten Zentralheizkessel auf den Markt kamen, zunächst kleinere Typen für die Stockwerksheizungen. Allerdings war das Stadtgas speziell auf dem Wärmemarkt nun nicht mehr allein. Die Zechen produzierten in ihren Kokereien überschüssiges Gas, und die Häuser STINNES und THYSSEN begannen ab 1905, den Städten Kokereigas anzubieten. Die Stadt Essen bezog in diesem Jahr schon die Hälfte ihres Gasbedarfs von den im Stadtgebiet liegenden Zechen. Das war letztlich die Geburtsstunde der Ferngasversorgung, die bis zu Plänen reichte, städtische Werke stillzusetzen. Im Jahre 1912 waren im erweiterten Ruhrgebiet 45 Gemeinden mit Kokereigas versorgt, 1913 schon 50. Die größten Ferngasunternehmen vor dem Krieg waren die Thyssen Gas- und Wasserwerke in Hamborn, die auch die Städte Wesel und Barmen versorgten, und das RWE in Essen. Die klassische Gasindustrie tröstete sich mit der Annahme, dass ein Versorgungsradius von 50 km wohl nie überschritten werden würde und Städte wie Berlin oder Magdeburg niemals wirtschaftlich erreicht werden könnten, aber immerhin war es bei Kriegsbeginn ein Marktanteil von 8 %, den das Ferngas reichsweit erreicht hatte. Umgekehrt hatte die Gaswirtschaft inzwischen gelernt, dass nicht nur das Gas, sondern auch die Nebenprodukte kommerziell vermarktbar waren. An erster Stelle stand dabei der Koks, der neben der Verwendung im Hochofen für Koks-Zentralheizungen, für Schachtöfen in der Zement- und Kalkindustrie und für viele andere Anwendungen interessant war - allerdings durchweg zu schlechten Preisen. Der Weltkrieg brachte den technischen Fortschritt praktisch zum Stillstand und führte zu Engpässen in der Kohleversorgung, die auch in den 1920er Jahren mit der Ruhrgebietsbesetzung und der Inflation weiter anhielten. Neben einer verbreiteten Minderung der Gasqualität kam es zeitweise auch zu Schließungen von Stadtwerken. Neu war das Aufkommen von Gruppengaswerken, als größtes Projekt wohl die Großgaserei Magdeburg mit einem mitteldeutschen Ferngasnetz. Die Betriebsform der Werke wurde mehrfach in Frage gestellt, bis man sich schließlich auf drei mögliche Gestaltungsformen einigte: Kommunalbetrieb, private AG oder GmbH ohne Fremdkapital, gemischtwirtschaftlicher Betrieb. 134 -Bereits-1859-war-in-Frankfurt-a.-M.-der-Deutsche-Verband-der-Gas‐-und-Wasserfachleute-(DVGW)- gegründet-worden,-dessen-Arbeitsgebiete-bis-heute-Regelsetzung-und-Normen,-Abnahmen-und-Zertifi‐ zierung-sind.- <?page no="197"?> 4 Geschichte des Energietransports 197 Ab 1933 kam auch die Gaswirtschaft unter den Druck politischer Zwänge. Die Gesamtorganisation des Gasfachs wurde im Reichsverband des Deutschen Gas- und Wasserfachs zusammengefasst, als Teil der Hauptgruppe Energiewirtschaft. Eine wesentliche Verbreiterung der wissenschaftlichen Arbeit sollte dem Verein durch die Gründung eines Gaswärmeinstituts zuwachsen. Lokale und politische Interessen erreichten jedoch, dass das neue Institut dem inzwischen parteinahen „Haus der Technik“ in Essen zugeschlagen wurde und der freien Forschung entzogen blieb. Das noch später in Kap. 7.4.1 zu besprechende Gesetz zur Förderung der Energiewirtschaft vom 15. Dezember 1935 (Energiewirtschaftsgesetz) stellte die Elektrizitäts- und Gasversorgung unter staatliche Aufsicht, beließ es jedoch formal bei der privaten und öffentlichen Unternehmertätigkeit. Initiiert durch A. VÖGLER, der dem Gasanfall der Ruhrgebietszechen eine dauerhafte Absatzbasis sichern wollte, war 1926 die Aktiengesellschaft für Kohleverwertung (AGKV) mit dem Auftrag entstanden, den Vertrieb des in den Kokereien erzeugten Gases zu übernehmen. 1928 übernahm die AGKV die 300 km langen Gasleitungen der RWE AG; zugleich benannte sich die Gesellschaft in Ruhrgas AG um. In der Folge schloss die Ruhrgas Versorgungsverträge für die Städte Köln, Düsseldorf, Hannover und Saarbrücken, sodass der Gasabsatz 1930 schon 300 Mio. m³ (3,8 Mrd. kWh) erreichte. Das Netz der Gasleitungen vergrößerte sich bis 1936 auf 1.128 km Länge. 32 Kokereien speisten in diesem Jahr 2 Mrd. m³ Kokereigas ein. Als Industriekunde kamen die Opel-Werke in Rüsselsheim hinzu. 1939 forderte des Reichswirtschaftsministeriums die Einbindung der in Bad Bentheim entdeckten Erdgasvorkommen in die unternehmerische und technische Verantwortung der Ruhrgas. Mitten im Krieg wurde daraufhin 1944 eine 75 km lange Erdgasleitung zu den Chemischen Werken Hüls fertiggestellt. Dies Jahr kennzeichnet, wenn auch mitten im Krieg, den Beginn der Erdgasverwendung in Deutschland. Mit der Ruhrgas AG war eine Bewegung angestoßen, die sich in anderen Teilen des Reiches wiederholte: Die Gasversorgung löste sich zunehmend von ihrer kommunalen Basis und entwickelte sich hin zu einem Netz, das mehr und mehr von Kokereien und Großgasereien bestimmt war. Bestehende lokale Gaswerke wurden teils durch Verträge eingebunden, teils aufgegeben. Nicht nur in Deutschland, auch in den USA und Frankreich wurden Versuche wieder aktuell, Stadtgas oder Zechengas als unter Druck komprimierten Treibstoff im Verkehr einzusetzen (bei 200 bar). Diese Möglichkeit kam den Autarkiebestrebungen des Reiches entgegen. Das Reichsverkehrsministerium verlangte, „wo immer möglich, die flüssigen Brennstoffe durch feste und gasförmige zu ersetzen“. Eine erste Autobus-Linie wurde eröffnet, eine erste öffentliche Tankstelle in Hannover gebaut - der Weg zu einem netzgestützten gasmobilen Verkehr schien frei, s. Abb. 4.6-91. Da geschah das Unerwartete: in Berlin zerknallten mehrere Hochdruckflaschen, das Ministerium erließ umgehend, ohne die Untersuchungsergebnisse abzuwarten, ein Verwendungsverbot. Erst nach dem 2. Weltkrieg wurde der Ansatz wieder aufgenommen. <?page no="198"?> 4 Geschichte des Energietransports 198 - Abb.-4.6‐90: -Stadtgas-als-Treibstoff,-1935---1937; - Quelle: -Journal-für-Gaswirtschaft-81,-1937; -S.-252- Hinsichtlich der Gasverwendung war nach dem Abschied von der Flurbeleuchtung jetzt auch der Kampf um die Wohnungsbeleuchtung für die Gaswirtschaft inzwischen verloren, nicht jedoch in der Straßenbeleuchtung. Dort betrug 1938 die beleuchtete Straßenlänge im Reich 26.000 km für Gas und 18.000 km für den elektrischen Strom. Abb.-4.6‐91: -Entwicklung-der-Beheizung-der- Öfen-im-Krefelder-Stahlwerk; -Quelle: -Z.-Das- Gas‐-und-Wasserfach-81,-1938,-S.-625- Die Domäne Wärme gewann weiter hinzu, sowohl in der Küche, im Bad als auch in der Haus- oder Etagenbeheizung. Besondere Zugewinne wurden in der gewerblichen bzw. industriellen Wärmebereitstellung erzielt, für die die gegenläufige Entwicklung Kohleöfen gegen Gasöfen im Krefelder Stahlwerk als herausragendes Anwendungsbeispiel steht, s. Abb. 4.6 92. Der 2. Weltkrieg brachte für die Gasindustrie Sparzwänge und Zerstörung. Von den 51 Kokereien, die 1939 an die Ruhrgas lieferten, waren zu Anfang 1945 zeitweise nur noch <?page no="199"?> 4 Geschichte des Energietransports 199 3 übriggeblieben. Das Ruhrgas-Rohrnetz war bei Kriegsende durch 371 große Schadstellen außer Betrieb gesetzt. Umso überraschender war der schnelle Wiederaufbau nach Kriegsende. In Berlin z B. waren zwei Monate nach dem Ende der Kämpfe alle Erzeugungsstätten wieder in Betrieb. Der Ruhrgas AG lieferten am Jahresende 1945 wieder 26 Kokereien zu, ein Jahr später 46. Nach 20 Monaten waren 94% der Gasindustrie wiederaufgebaut. Im europäischen Ausland traten nach dem Kriegende zwei wichtige Veränderungen ein: 1946 wurden die Gaswerke Frankreichs, 1949 die von England verstaatlicht. In beiden Ländern wurden kleinere Werke schnell stillgelegt, in Frankreich wegen der Umstellung auf Erdgas, in England wegen des Gasbezugs aus Großgasereien. In Deutschland setzte man beim Wiederaufbau zunächst auf den klassischen Rohstoff Kohle, wie auch in vielen anderen Ländern. Die neuen Rohstoffe wie Erdöl - dieses auch aus deutscher Förderung - sowie Destillationsprodukte aus Raffinerien und Erdgas wurden nicht ersetzend, sondern ergänzend gesehen, in dem Sinn, die Gasproduktion zu verbessern und z. B. durch Erdölspaltanlagen zu flexibilisieren. Die Abhängigkeit von der Kohle und den Kokereien führte die Gaswirtschaft durch mehrere Krisen hindurch, verursacht durch den Wechsel von Kohlenmangel und -überschuss einerseits und die beginnenden Probleme in der eisenschaffenden Industrie nach Abschluss der Montanunion andererseits, s. Abb. 4.6-93. Abb.-4.6‐92: -Entwicklung-der-Gaserzeugung-in-den-1950er-Jahren; -Quelle: -Körting,-Gasindustrie,-S.-568 In den 1950er Jahren war die deutsche Gaswirtschaft bemüht, den Öl- und Gaseinsatz in den Gaswerken zu optimieren. Dies stieß deshalb an Grenzen, weil der Wasserstoffanteil bei Erdöl, Methan, Propan etc. bei einem Mehrfachen der Kohle liegt. Es gelang jedoch, den Einsatz von Öl und Flüssiggas deutlich zu erhöhen, s. Abb. 4.6-94. <?page no="200"?> 4 Geschichte des Energietransports 200 - - - - - Abb.-4.6‐93: -Öl‐-und-Flüssiggaseinssatz-bei-Gaswerken-und-Kokereien-in-1000-t/ a; -- Quelle: -Körting,-Gasindustrie,-S.-579- - Eine ganz andere neue Gasquelle ergab sich bei den Raffinerien, die für das bei der Destillation verbleibende Restgas eigentlich keine rechte Verwendung hatten. Dieses „Raff- Gas“ konnte dem Kohlegas beigemischt oder in einer gesonderten Anlage gespalten werden, wie es z. B. bei den Hamburger Gaswerken geschah.-- Beides zusammen, den vermehrten Einsatz von Erdgas und von zum Ausgleich der Spitzenlast dienendem Raffgas, zeigt Abb. 4.6-95, wobei sich die Winterspitzen typisch aus dem erhöhten Bedarf an Heizwärme ergeben. Mit der vermehrten Verfügbarkeit von Erdöl, speziell Heizöl, und von Erdgas zu vertretbaren Preisen stellte sich jedoch die Situation im alles entscheidenden Wärmemarkt als grundsätzlich offen dar. KÖRTING berichtet zwar noch 1963: „Heute stehen wir mit dem in Deutschland sehr billigen Öl und mit Erd- und Raffineriegas als möglichen Rohstoffen vor einem neuen Umschwung, dessen Ausmaß noch nicht zu ermessen ist.“ 135 Der Umschwung hatte jedoch schon längst begonnen. Abb.-4.6‐94: -Einsatz-von-Raffinerie‐-- und-Erdgas-für-die-Gaserzeugung-der- Gaswerke-1957‐1959; -Quelle: -Das-Gas‐- und-Wasserfach-1011,-1960,-S.-829- 135 -Körting,-Gasindustrie,-S.-614.- <?page no="201"?> 4 Geschichte des Energietransports 201 Erdgas Die ältesten Dokumente berichteten schon 3.000 v. Chr. über „ewige Feuer“ im Mittleren Osten. Ausströmendes Gas hatte sich entzündet und sumerische Priester sahen darin ein göttliches Zeichen für die Vorhersage der Zukunft. Nach Berichten britischer Chronisten haben die Chinesen schon um 900 v. Chr. bei der Salzgewinnung gefundenes Erdgas zum Salztrocknen verwendet und dafür erste aus Bambusrohr hergestellte „Pipelines“ genutzt. Im Jahr 1626 berichteten französische Missionare über „brennende Quellen“ in flachen Gewässern von Nordamerika. Aus aufgefundenen Urkunden, Berichten und Legenden geht hervor, dass Erdgas auch schon im alten Europa bekannt war. Im Jahr 1815 wurde in einem Salzschacht in Charleston, West-Virginia, das erste Erdgasfeld entdeckt. Eine nachgewiesene Nutzung von Erdgas begann in den USA im Jahr 1825 im Ort Fredonia im Westen des Bundesstaates New York. Hier legte W. H. HART einen Schacht zur Erdgasgewinnung für die Beleuchtung einer Mühle, eines Wohnhauses und eines Leuchtturms an. Auf ihn geht auch die erste Erdgasgesellschaft, die Fredonia Gas Light Company zurück, gegründet im Jahr 1858. 136 1877 stieß man bei der Erdölsuche in Pennsylvanien auf größere Mengen Gas, und 7 Jahre später schon findet man es in Pittsburgh und Umgebung in der Eisenindustrie, der Rußfabrikation und zur Glasherstellung genutzt, nachdem 1882 eine erste Rohrleitung mit 200 mm Durchmesser und 3, 2 km Länge verlegt worden war. Nach Erschöpfung der Quellen in der Nähe erhielt die Region dann ihr Erdgas aus Doddrich County über eine Entfernung von nun schon mehr als 160 km. 137 Im Erdgas sind im Gegensatz zum Erdöl nur wenige Bestandteile enthalten. Neben Methan (zwischen 75 und 99 %) kommen noch Ethan (C 2 H 6 ), Propan (C 3 H 8 ), Butan (C 4 H 10 ) und Ethen (C 2 H 4 ) vor. Ist deren Anteil besonders hoch, spricht man von „nassem“ Erdgas - weil sich die schwereren Kohlenwasserstoffe unter Druck leicht verflüssigen lassen. Sie werden in der Regel noch an der Förderstelle entfernt und gesondert weiterverarbeitet. Neben den Kohlenwasserstoffen enthält das Erdgas aus manchen Quellen auch noch Schwefelwasserstoff und Kohlendioxid. Dieses „Sauergas" muss vor der Weiterverarbeitung gereinigt werden, weil es stark korrosiv ist und darum Rohre und Produktionsanlagen angreifen würde. In manchen Lagerstätten kommt auch Erdgas mit einem besonders wertvollen Bestandteil vor: Helium. Darum ist die Erdgasförderung heute die wichtigste Quelle für die Gewinnung des begehrten Edelgases. Je nach Methananteil unterscheidet man zwischen H- und L- Gas, s. Abb. 4.6-96. Das niederkalorische L-Gas stammt in Mitteleuropa aus deutscher und vor allem aus niederländischer Produktion. Erdgas wird wie Erdöl erbohrt und tritt unter eigenem Druck an der Förderstelle aus. Die insgesamt recht übersichtliche Technik geht schon auf die Anfänge der Erdgasverwendung zurück: Zur Förderung wird in das Bohrloch ein mehrfach abgedichtetes Rohr - der sogenannte Förderstrang - eingebaut, der bis zum tiefsten Punkt der Lagerstätte reicht. Damit das Erdgas zufließen kann, wird das untere Teilstück 136 -Nach-http: / / www.wikipedia.org/ wiki/ Erdgas,-Abruf-15.5.2019.- 137 -Körting,-Gasindustrie,-S.-230.- <?page no="202"?> 4 Geschichte des Energietransports 202 perforiert. Im Förderstrang ist ein Untertage-Sicherheitsventil eingebaut, das verhindert, dass Erdgas unkontrolliert austritt. -Abb.-4.6‐95: -Zum-Unterschied-von-H‐-und-L‐Gas; -Quelle: -Wingas-GmbH,- https: / / www.wingas.com/ rohstoff‐erdgas- Den obererdigen Bohrlochabschluss bildet das mit hydraulischen Absperrschiebern ausgerüstete Eruptionskreuz (Blowout-Preventer, s. Abb. 4.6-97). Die Absperrschieber können sowohl vom jeweiligen Bohrplatz als auch von den Leitzentralen aus betätigt werden. Abb.-4.6‐96: -Ein-Blowout‐Pre‐ venter; -Quelle: -Exxon-Mobil- Corporation- Wenn das Erdgas aus der Lagerstätte strömt, enthält es natürlicherweise einen gewissen Anteil Wasserdampf. Das Wasser wird in so genannten Gastrocknungsanlagen abgeschieden. Gastrocknungsanlagen sind in sich geschlossene Systeme, bei denen Überdruckabsicherungen im Fall des Ansprechens dafür sorgen, dass überschüssiges Gas zu einer sogenannten Fackelspitze geleitet und dort sicher verbrannt wird. Nach der Trocknung ist das Erdgas transportgerecht. Vor einer Verwendung muss es jedoch noch aus Sicherheitsgründen odoriert werden, da Erdgas im Gegensatz zum Stadtgas geruchlos ist. In Europa wurde 1844 erstmals Erdgas in einem Wiener Bezirk gefunden. Eine erste neuzeitliche Verwendung für Deutschland ist für den Zufallsfund in Neuengamme/ Hamburg <?page no="203"?> 4 Geschichte des Energietransports 203 nachgewiesen, wo 1910 beim Bohren auf Wasser eine heftiger und schnell sich entzündender Ausbruch stattfand, s. Abb. 4.6-98. Anders als meist berichtet, fand das Gas auch durchaus sinnvolle Verwendung: es wurde eine 15,3 km lange Leitung nach Tiefstack gebaut, wo man das Erdgas dem Hamburger Stadtgas zusetzte. Nach Berichten in der Presse hat die Quelle bis 1930 insgesamt 250 Mio. m 3 Gas geliefert und der Stadt einen Gewinn von 20 Mio. Goldmark eingebracht. 138 - - - - - Abb.-4.6‐97: -Erdgas-in-Deutschland---der-Ausbruch-bei- Neuengamme-1910; -Quelle: -Hamburger-Abendblatt,- 4.11.1960- In den 1930er Jahren folgte dann die Entdeckung der Zechstein-Lagerstätten „Mühlhausen“ (1932) und „Langensalza“ (1935) im Thüringer Becken. Einen weiteren Impuls zur Verwendung von Erdgas in Deutschland brachte 1938 der in Kap. 4.6.4 schon erwähnte Fund bei Bad Bentheim nahe der holländischen Grenze. Die dort eingerichtete Leitung zu den Chemischen Werken Hüls konnte zwar erst 1944 in Betrieb gehen, versorgte dann aber das Werk mit Brenngas. Die ersten Erdgasfunde in den Pyrenäen wurden während der Zeit der deutschen Besatzung erbohrt. 139 In der DDR wurden Erdgasvorkommen bei Gommern in der Nähe von Magdeburg erst später entdeckt. Am 4. Juli 1967 begannen die Bohrarbeiten auf der Aufschlussbohrung „Peckensen 4“ unweit des Dorfes Wistedt. Im Dezember 1968 wurde dann die Endteufe von 3.547 Metern erreicht und am 22. Februar 1969 wurde man endlich fündig. Der Lagerstättendruck betrug 400 bar und die Sonde erbrachte eine beachtliche Rate von 600.000 Kubikmetern pro Tag. Am 17. August 1969 wurde schließlich die Förderung in industriellem Maßstab aufgenommen. Zuvor war in 8-monatiger Bauzeit eine Ferngasleitung von der Bohrung zum Betrieb SKET Magdeburg verlegt worden. Das mit der Bohrung erschlossene Erdgas war leider mit 36,06 % methanarm. Dennoch war die Entdeckung der Lagerstätte für die an Rohstoffen arme DDR bedeutend. Dementsprechend wurde die Produktion zügig ausgebaut. Bereits fünf Jahre nach Förderbeginn 138 -Hamburger-Abendblatt-vom-4.-Nov.-1960.- 139 -Körting,-Gasindustrie,-S.-561.- <?page no="204"?> 4 Geschichte des Energietransports 204 wurden 6,75 Milliarden Kubikmeter produziert. Dazu wurden 75 Bohrungen zwischen 1969 und 1974 abgeteuft. 140 Zu dieser Zeit war das große Erdgasfeld bei Groningen in den Niederlanden längst entdeckt (1959). Die Ergiebigkeit des Feldes übertraf den Eigenbedarf der Niederlande, die bisher sogar Kokereigas von der Ruhr bezogen hatten. Die Niederlande wurden so zum ersten großen Erdgas-Exporteur Europas. 1963 begannen die Lieferungen nach (West-)Deutschland. Hinzu kamen inländische Erdgas-Vorkommen in Norddeutschland, die ab den sechziger Jahren erschlossen wurden. 141 Erste innerdeutsche und zu den Niederlanden grenzüberschreitende Pipelines entstanden, s. Abb. 4.6-99 mit Stand von 1968. . Abb.-4.6‐98: -Vorhandene-und-geplante-Transportlei‐ tungen--für-Erdgas-in-West‐Deutschland-1968; - Quelle: -Leuschner,-Gasversorgung,-S.-24 Zu dieser Zeit waren andere Länder schon weit enteilt. Die schon lange ausgebeuteten Erdgasvorkommen in den USA hatten zu Rohrnetzen von beachtlichem Umfang geführt. 1956 hatten die Fernleitungen bereits eine Länge von 215.000 km erreicht. Und Russland baute 1965 um die 5.000 km im Jahr zu. Die inländische deutsche Förderung an Erdgas war dagegen bis Mitte der 1960er Jahre mengenmäßig kaum nennenswert. Sie beschränkte sich noch 1966 auf etwa 6 % des gesamten Gasaufkommens. Das deutsche Erdgas wurde fast durchweg für industrielle Zwecke oder zur Stromerzeugung verbraucht. Nur ein kleiner Teil wurde zur Aufbereitung von Stadtgas verwendet, wie in Kap. 4.6.4 bereits beschrieben. 140 -Quelle: -Steven-Arndt,-Berlin,-in: -http: / / www.erdoel‐erdgas‐deutschland.de,-Abruf-22.01.2020.- 141 -Leuschner,-U.: -Die-deutsche-Gasversorgung-von-den-Anfängen-bis-1998,-S.-24.- <?page no="205"?> 4 Geschichte des Energietransports 205 Parallel zur Entdeckung der holländischen Vorkommen nahm jedoch auch die inländische Förderung einen bemerkenswerten Aufschwung, um dann nach 40 Jahren fast wieder in die Bedeutungslosigkeit zu fallen, s. Abb. 4.6-100. 142 Um dies aufzuhalten, ggf. umzukehren, wurden ab 2008 neue Lagerstättentypen erkundet. Infrage kamen z. B. Tongesteine, die organische Substanz und eventuell auch Erdgas gespeichert haben, sowie auch Kohleflöze. Bürgerinitiativen, die unter dem Mantel des Umweltschutzes hiergegen protestierten und dabei sogar von den öffentlich-rechtlichen Medien unterstützt wurden, brachten die Vorhaben jedoch zu Fall - das Projekt wurde aufgegeben. Auch das schon oft erfolgreich angewandte Hydraulic Fracking wurde seit 2011 nicht mehr genehmigt. So bleibt es beim Absinken der Förderraten, zumal neue konventionelle Erschließungen wegen der Unsicherheiten bei der Umsetzung verworfen wurden. Abb.-4.6‐99: -Erdgasförderung-in- Deutschland-im-Auf-und-Ab; -Quelle: - Wirtschaftsverband-Erdöl‐-und-Erd‐- gasgewinnung-(WEG),-Jahresbericht- 2012- Oldenburg war 1959 die erste Stadt der Bundesrepublik, die ihre Gasversorgung im vollständig von Stadtgas auf Erdgas umstellte. 143 Wie es öfter der Fall ist, stammte auch hier das Erdgas aus einer Ölquelle, hier konkret aus dem 45 Kilometer entfernten Lastrup. Insofern waren hier besondere Bedingungen gegeben. Andere Städte zogen nach, sobald das holländische Gas zur Verfügung stand, was allerdings noch dauerte. Noch 1968 wurden erst etwa 10 % der insgesamt 7,21 Millionen gasversorgten Haushalte der Bundesrepublik mit Erdgas beliefert. Dann aber ging es mit der Umstellung aufwärts. Die Vor-Ort- Versorger starteten hierfür umfangreiche Werbekampagnen, siehe das Beispiel Mannheim, s. Abb. 4.6-101. Die Umrüstung auf Erdgas erfordert einigen Aufwand: im einfachsten Fall müssen die Düsen und die Dichtungen an der jeweiligen Verbrauchsstelle ausgetauscht werden, ggf. müssen jedoch die Geräte vollständig gewechselt werden. Auch in den Gasverteilungen muss nachgearbeitet werden: Das Erdgas trocknet die klassischen Dichtungen aus Hanf rascher aus und lässt sie undicht werden. 142 -Den-letzten-großen-Erdgasfund-in-Deutschland-gab-es-1980-bei-Söhlingen.- 143 -Leuschner,-Gasversorgung,-S.-24.- - <?page no="206"?> 4 Geschichte des Energietransports 206 - -Abb.-4.6‐100: -Werbung-der- Stadtwerke-Mannheim-für- die-Umstellung-auf-Erdgas- 1968; -Quelle: -Stadtwerke- Mannheim- Es blieb nicht bei Erdgaslieferungen aus den Niederlanden. Ab 1973 kam Russland und ab 1977 Norwegen als weitere Lieferanten hinzu. Um 1980 erreichte der Erdgasanteil am Primärenergieverbrauch dann 14 %, s. Abb. 4.6-102. Abb.-4.6‐101: -Erdgasverbrauch-in-Deutschland-1960‐201; -Quelle: -Bundesanstalt-- für-Geowissenschaften-und-Rohstoffe-(BGR),-Energiestudie-2017- Die Initiative zum Import von Erdgas aus den Niederlanden ging von der Ruhrgas AG aus, der größten der etablierten Ferngasgesellschaften, die bereits im Deutschen Reich gegründet worden waren. 144 Das lag auch deshalb nahe, weil ihr Versorgungsgebiet an die Niederlande grenzte. Auch weiterhin war die Ruhrgas eine gestaltende Kraft, sowohl beim Aufbau eines flächendeckenden deutschen Verbundnetzes wie auch bei den Verträgen mit der Sowjetunion, die auf ein Kompensationsgeschäft hinausliefen. Die deutsch-sowjetischen Geschäfte begannen am 1. Februar 1970 mit der Unterzeichnung dreiseitiger Verträge über die Lieferung von Großröhren durch bundesdeutsche Firmen, Erdgaslieferungen durch die Sowjetunion und Gewährung von Krediten durch westdeutsche Banken. Es sollten von Oktober 1973 an jährlich drei Milliarden Kubikmeter Erdgas geliefert werden, nach Ausbau des sowjetischen Pipelinenetzes mit 1,2 Millionen Tonnen Großröhren aus westdeutscher Produktion. Die weitere Entwicklung der deutschen Gasnetze bis 1995 hat LEUSCHNER in Gasversorgung ausführlich behandelt, auf den wir uns hier beziehen. 144 -Die-übrigen-waren Thyssengas,-Saar-Ferngas,-VEW,-Westfälische-Ferngas-und-Ferngas-Salzgitter.- <?page no="207"?> 4 Geschichte des Energietransports 207 Auch in der DDR entstand ein Verbundnetz für das Gas. Aus ersten Vorläufern wurde 1963 ein VEB Verbundnetz Berlin. Im Januar 1969 entstand daraus der VEB Verbundnetz Gas. Dieser rein technische Betrieb stellte die Versorgung der Bevölkerung in den ersten Jahren ausschließlich durch Stadtgas sicher. Es wurde überwiegend aus heimischer Braunkohle durch Kohlevergasung erzeugt - wie oben berichtet, war die eigene Erdgasförderung gering und von schlechter Qualität. Anfang der 1970er Jahre gelang der DDR ein ähnliches Dreiecks-Geschäft wie der Bundesrepublik: Erdgas gegen Devisen, Rohre und Technik. Mit Beginn der russischen Erdgaslieferungen ab Mai 1973 übernahm der VEB Verbundnetz Gas auch dessen Verteilung und Speicherung. Das russische Import-Erdgas war dreimal effizienter und umweltschonender als das bis dahin ausschließlich verwendete Stadtgas. Bis 1989 erhöhte die DDR die importierte Menge bis auf jährlich sieben Milliarden Kubikmeter. Ende 1989 wurden allerdings nur 2 % der ostdeutschen Haushalte mit Erdgas versorgt. Im Zuge der deutsch-deutschen Wirtschafts- und Währungsunion wurde 1990 die VEB Verbundnetz Gas durch die Treuhand privatisiert und firmiert seither als VNG - Verbundnetz Gas Aktiengesellschaft (VNG AG) in Leipzig. - - Abb.-4.6‐102: -Ferngasnetz-Deutschland- 2017,-dessen-Anbindung-und-Auslastung; - Quelle: -Gasversorgung,-in: -LEIFI-Physik,- Joachim-Herz-Stiftung Ende der siebziger Jahre konnte die Umstellung auf Erdgas in der Bundesrepublik als abgeschlossen gelten. Die wichtigste Ausnahme bildete West-Berlin, wo man aus politischen Gründen unter dem Vier-Mächte-Statut beim Kokereigas geblieben war. Anfang Oktober 1985 kam erstmals russisches Erdgas über eine unter der Mauer führende Leitung in den Westen der geteilten Stadt, wo es dem Stadtgas zugesetzt wurde. Unter dem Stößensee wurde ein großer Erdgasspeicher angelegt, weil die West-Alliierten Bedenken <?page no="208"?> 4 Geschichte des Energietransports 208 gegen Repressalien hatten und Abhängigkeit vermeiden wollten. Deshalb begann die Erdgasumstellung in Berlin erst mit dem Fall der Mauer und dauerte dann bis 1996. Den gegenwärtig errichten Stand des deutschen Ferngas-Verbundnetzes zeigt Abb. 4.6-103, einschließlich der Anschlusspunkte und der Auslastung. Die Entwicklung hin zu diesem gut geschlossenen, privat organisierten und inzwischen regulierten System verlief auf der technischen Seite einigermaßen stetig, wie Abb. 4.6-104 ausweist. 2007 betrug die Länge der BRD-Pipelines über alle Druckstufen hinweg 340.000 km, s. Abb. 4.6-105, bis zur Gegenwart angewachsen auf 375.000 km. - - - - Abb.-4.6‐103: -Überblick-über-das- Wachstum-des-Netzes-1970‐1990; - Quelle: -Leuschner,-Gasversorgung,-- S.-28- Abb.-4.6‐104: -Herkunft-und-Transportstufen-des-Erdgases-in-der-BRD- 2007; -Quelle: -Bundesverband-der-deutschen-Gas‐-und-Wasser‐ wirtschaft-(BGW)- Am effizientesten für den Ferntransport sind Fernleitungen mit einer Nennweite von maximal 1.420 Millimetern und einem Druck von 50-100 bar. Verdichterstationen nach Abb. 4.6-106 halten den Druck in den Fernleitungen konstant. Bevor das Erdgas aus den Fernleitungen, d. h. den Rohren großer Nennweite, in die Gasverteilungsnetze, also in Rohre mit geringerer Nennweite, eingespeist wird, wird sein Druck in Gasdruckreduzier- und Verteilerstationen um etwa das Zehnfache auf ein sicheres Maß reduziert. Die Technik der Rohrverlegung erfordert großen Aufwand und umfangreichen Maschineneinsatz, s. Abb. 4.6-107. Pipeline-Abschnitte werden i. A. direkt vor Ort im Handschweißverfahren miteinander verbunden. Es gibt jedoch auch Schweißroboter, die vor allem bei der russischen Gazprom im Einsatz sind, s. Abb. 4.6-108.- <?page no="209"?> 4 Geschichte des Energietransports 209 Abb.-4.6‐105: -Die-Kompressorstation-- -Nowourengojski; -Quelle: -PAO-Gazprom- Abb.-4.6‐106: -Verlegung-einer-Ferngaslei‐ tung-im-Erzgebirge; -Quelle: -Ontras- Transport-GmbH- - - - -- Abb.-4.6‐107: -Schweißroboter-bei-Gazprom; - Quelle: -PAO-Gazprom- Im Offshore-Bereich kommen Spezialschiffe zum Einsatz, wie in Abb. 4.6-109 demonstriert. Die Unterwassereinsätze werden von Tauchern ausgeführt, die bis zu zwei Wochen in Druckkammern bleiben. Sie leben und arbeiten im sog. „Habitat“ (Mitte der Abb. 4.6-110). Dort werden auch die Pipeline-Enden miteinander verschweißt. Zu beiden Seiten werden sie von zwei Greifrobotern gehalten, unterstützt von Ballons, die durch ihren Auftrieb je 20 Tonnen heben. Im Hintergrund der Abbildung schwebt die dem Transport dienende Taucherglocke. <?page no="210"?> 4 Geschichte des Energietransports 210 - - - - - - - -Abb.-4.6‐108: -Verlegeschiff-Solitaire-bei- der-Arbeit-an-der-North-Stream-in-der-- Ostsee; -Quelle: -PAO-Gazprom- - - - Abb.-4.6‐109: -Arbeitstechnik-bei-Offshore‐ Pipelines; -Quelle: -FAZ,-Technik-&-Motor,- 28.6.2012- Für Offshore-Pipelines gelten auch andere Betriebsdrücke, da dort die Kompressorstationen entfallen müssen. In der Ostsee-Pipeline Nord Stream fällt z. B. der Gasdruck von 220 bar bei der Einspeisung auf rd. 177 bar bei der Entnahme ab. Den Druckverlust kann man nicht vermeiden, man kann ihn jedoch nutzen: die Pipeline wurde in drei Abschnitten mit jeweils absinkender Rohrstärke gebaut, sodass geringere Kosten anfielen. Konkret beträgt die Wanddicke der Rohre im ersten Abschnitt 35 Millimetern, im zweiten 31 Millimeter und im letzten Teil 27 Millimeter - das sind sehr viele Tonnen einsparten Stahls. Fernleitungsnetze gehören wie die Bahn zu den natürlichen Monopolen, die keine Konkurrenz haben, und unterstehen deshalb staatlicher Aufsicht. In Deutschland gilt seit 2005 nach der 2. Novelle des Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) der sog. regulierte Netzzugang. Zur Aufsichtführung wurde die Bundesnetzagentur bestellt. Die regional zugeordneten Betreiber müssen danach für alle Lieferanten (hier Gas, aber genauso Elektrizität) offen sein und berechnen hierfür ein reguliertes Entgelt. Der Zugriff auf das Netz durch verschiedene (Gas-)Anbieter muss also diskriminierungsfrei sein. Es gilt hierfür seit 2006 das sogenannte Entry-Exit-Modell, wonach sowohl bei der Einspeisung (Entry) als auch bei der Entnahme (Exit) eine entfernungsunabhängige Gebühr zu zahlen ist, zusammengefasst als Netzentgelte. Die Bundesnetzagentur überwacht diese Netzentgelte, die sich ja nicht im freien Wettbewerb bilden können, im Rahmen im Rahmen der Netzentgeltverordnung (GasNEV, StromNEV). Die Gas- (und Strom-)Lieferanten geben die Netzentgelte an die Verbraucher weiter, sie bilden also einen Teil des Gas-bzw. Strompreises. <?page no="211"?> 4 Geschichte des Energietransports 211 Für die Netzbetreiber, die wirtschaftlich tätige Unternehmen sind, gilt nach der Novellierung des EnWG die Vorgabe der Unabhängigkeit. Es war dies in Deutschland ein gewichtiger Einschnitt, da die Energieversorger traditionell vertikal organisiert waren und von Produktion bis Verbrauch alles in einer Hand hielten. Im Rahmen dieser „Entflechtung“ verkauften z. B. E.ON und RWE AG ihre jeweiligen Netze (Open Grid Europe bzw. Thyssengas) und es bildeten sich die so genannten „unabhängigen Transportnetzbetreiber“ (Independent Transmission Operator, ITO), die sämtlich unabhängig firmieren mussten. In Deutschland sind seit der Umsetzung der Vorgaben 16 Fernleitungsnetzbetreiber registriert, gegliedert in zwei Marktgebiete: ● Marktgebiet Gaspool, vorwiegend in Nord- und Ostdeutschland: Gascade, GTG Nord (Tochter der EWE), Gasunie Deutschland, jordGas (Tochter der Gasunie Deutschland und Open Grid Europe), Nowega, Ontras (Tochter der VNG), Lubmin-Brandov Gastransport, OPAL Gastransport, Fluxys Deutschland und NEL Gastransport; ● Marktgebiet NetConnect Germany, vorwiegend in West- und Süddeutschland: bayernets, GRTgaz Deutschland, Open Grid Europe, Terranets BW, Fluxys TENP und Thyssengas. In den Nachbarländern gelten ähnliche Regelungen. In Österreich gibt es jetzt die Gas Connect Austria (Tochter der OMV), die Baumgarten-Oberkappel Gasleitungsgesellschaft (BOG) und die Trans Austria Gasleitung. In der Schweiz ist die Swissgas entstanden. Besondere Regelungen betrafen den Netzausbau. Danach müssen die Betreiber von Fernleitungsnetzen in jedem geraden Kalenderjahr einen sogenannten Netzentwicklungsplan erstellen, der auf nationaler Ebene zwischen den Betreibern abgestimmt ist, und diesen der Bundesnetzagentur vorlegen. Dies geschah erstmals zum 1. April 2016. Der Netzentwicklungsplan muss alle wirksamen Maßnahmen zur bedarfsgerechten Optimierung, Verstärkung und zum bedarfsgerechten Ausbau des Netzes und zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit enthalten, die in den nächsten zehn Jahren netztechnisch für einen sicheren und zuverlässigen Netzbetrieb erforderlich sind. „Insbesondere ist in den Netzentwicklungsplan aufzunehmen, welche Netzausbaumaßnahmen in den nächsten drei Jahren durchgeführt werden müssen, und ein Zeitplan für die Durchführung aller Netzausbaumaßnahmen.“ 145 Außer per Pipeline kann Erdgas auch als LNG in flüssiger Form in Tanks und damit auch in Tankern transportiert werden, s. Abb. 4.6-111. Bevor das Gas in den Tank gelangt, wird es auf -161,5 °C heruntergekühlt. Dabei wird es flüssig und hat nur noch etwa ein 600stel seines Volumens im gasförmigen Zustand, was den Sinn des Transports in dieser aufwändigen Form erklärt. LNG-Terminals sind gigantische Gasverflüssigungsanlagen. Der LNG-Terminal Sachalin kann beispielsweise jährlich ca. 10 Mio. Tonnen LNG produzieren. 145 --Bundesnetzagentur,-Netzentwicklungsplan-Gas-2016-2026. <?page no="212"?> 4 Geschichte des Energietransports 212 Das entspricht ca. 13 Milliarden Kubikmeter herkömmlichen Gases bzw. einem Gasverbrauch in Deutschland von zwei Monaten. Abb.-4.6‐110: -LNG‐Tanker-für-den-Seetransport; -- Quelle: -PAO--Gazprom- - Flüssigerdgas wird in speziellen kryogenen Behältern auf den LNG-Tankern transportiert. Nachdem das LNG am Endpunkt angeliefert worden ist, wird der „blaue Brennstoff“ in Regasifizierungsanlagen wieder in den gasförmigen Zustand zurückversetzt bzw. dient in flüssiger Form als Kraftstoff. Fasst man die Handelsströme für das Erdgas zusammen, so ergab sich nach British Petroleum (BP) 146 für das Jahr 2014 folgendes Bild: Im Jahr 2014 wurde knapp ein Viertel des weltweiten Primärenergie-Verbrauchs mit Gas gedeckt (23,7 %). Davon wurde wiederum knapp ein Drittel vor dem Verbrauch grenzüberschreitend transportiert (29,3 %) - 66,6 % per Pipeline, 33,4 % als Flüssiggas. Russland ist mit Abstand der wichtigste Gasexporteur (2014: 20,2 %), gefolgt von Katar (12,4 % und Norwegen (10,1 %). Bei den Handelsströmen im Bereich der Energieversorgung sind häufig regionale Präferenzen festzustellen: Beispielsweise bezog Japan - als weltweit größter Gasimporteur - im Jahr 2014 fast die Hälfte der Flüssiggasimporte aus nur vier Staaten derselben Region (48,9 %). Katar lieferte - als weltweit zweitgrößter Gasexporteur - 72,0 % seiner Flüssiggasexporte in die Region Asien-Pazifik. Russland setzte 2014 fast vier Fünftel des Pipeline-Exports in Europa ab (78,8 %). Wiederum bezog Deutschland - in Fortschreibung von Abb. 4.6-105 - 45,3 % der Pipeline-Importe aus Russland, 32,6 % aus Norwegen und 21,3 % aus den Niederlanden. LNG spielt in der Versorgung Deutschlands noch keine Rolle. Das erste große LNG-Terminal in Deutschland, an dem verflüssigtes Erdgas angeliefert werden kann, soll im schleswig-holsteinischen Hafen Brunsbüttel entstehen und Anfang der 2020er Jahre ans Netz gehen. 147 146 -Statistical-Review-of-World-Energy-2015.- 147 -TZ-Die-Welt-vom-3.4.2017.- <?page no="213"?> 4 Geschichte des Energietransports 213 Die Abhängigkeit von Importen, speziell denen aus Russland, macht die deutsche Gasversorgung instabil und zu einem nationalen und europäischen Politikum. So konnte die geplante Pipeline Nabuco, die Erdgas aus Aserbaidschan nach Mitteleuropa bringen sollte, nicht verwirklicht werden; sie scheiterte 2013. Das Projekt South Stream, dessen Leitungen durch das Schwarze Meer und Bulgarien führen sollte, wurde im Dezember 2014 aufgrund der Blockadehaltung Bulgariens vorerst eingestellt. Der russische Energieminister gab der EU die Schuld für die Aufgabe des Vorhabens. Kern der Differenzen zwischen der Europäischen Union und Russland war die Liberalisierung und Öffnung der jeweiligen Energiemärkte für externe Investoren und speziell das von der EU geforderte Unbundling. An der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2 nach Russland, die im Wesentlichen auf der Trasse von Nord Stream 1 durch die Ostsee liegen wird, halten Russland und Deutschland noch 2019 fest - und verärgern damit die Ukraine, den Rest Europas und die USA. Dabei besteht in der aktuellen Gegenwart Handlungsbedarf, denn die Niederländer, bisher zweitwichtigste Erdgas-Partner Deutschlands, haben mit ihrer Förderung in Groningen schon seit einigen Jahren Probleme. Wie aus Abb. 4.6-112 ablesbar, kam es in den späten 1960er und den frühen 1970er Jahren zunächst zu einem steilen Anstieg der Förderung, bis zu einem Maximum im Jahr 1974 mit fast 90 Mrd. m³. Um die Einspeisung aus anderen Feldern möglich zu machen, wurde die Entnahme im Groninger Feld anschließend administrativ reduziert, wobei wohl auch die Schonung der Lagerstätte als weiters Argument hineinspielte. Mit dem Auslaufen der Produktion aus den kleinen Feldern steigerten dann ab 2009 die Entnahmen aus dem Groninger Feld wieder. Der erneute Rückgang der Förderung nach 2014 hatte dann ganz andere Ursachen. Inzwischen waren Erdbeben und oberirdische Schäden an Gebäuden zu verzeichnen gewesen, die eindeutig der Gasentnahme zuzuordnen waren. Daraufhin hat das zuständige niederländische Ministerium zunächst ein Herunterfahren der Förderung verfügt, dann eine Begrenzung auf weniger als 12 Mrd. m³/ a vorgegeben und zum Schluss entschieden, die Erdgasgewinnung aus dem Groninger Feld bis 2030 ganz auslaufen zu lassen. - - - - - - - - - - Abb.-4.6‐111: -Erdgasförderung-im-Groninger-Gasfeld-in-Mrd.-cbm; -Quelle: -Winningsplan-- Groningen-Gasveld-2016,-definitief,-EP-201604259068-- <?page no="214"?> 4 Geschichte des Energietransports 214 - Abb.-4.6‐112: -NEP-Gas- 2018,-Auszug; -Quelle: - Bundesnetzagentur- - Damit wird allerdings auch ein Problem zwangsweise gelöst, das die Gasindustrie zurzeit noch beschäftigt. Das Gas aus den Niederlanden ist niederenergetisch, ist also L-Gas. Mit dem Auslaufen dieser Lieferungen wird die Umstellung von Lauf H-Gas, die jetzt noch nicht flächendeckend vollzogen ist, zur Notwendigkeit. Das deutsche Gasnetz wird nach den Vorgaben der Bundesnetzagentur regelmäßig an Bedarf und Zulieferungen angepasst. Der Mechanismus hierfür ist der Netzentwicklungsplan (NEP). Der NEP 2018 enthält, selektiert für den Bereich Leitungen, die Vorhaben nach Abb. 4.6-113. Wie die Tabelle ausweist, hält sich der national benötigte Zubau mit 1347 km in engen Grenzen. Der Finanzbedarf allein für die Leitungen > 2 km ist mit fast 4 Milliarden € dennoch erheblich. Erdgas ist ein Energieträger, der erst vergleichsweise spät in den Fokus von Förderung und Verwendung rückte, mit einem starken Anstieg erst ab ca.1950. Abb. 4.6-114 illustriert dies am Beispiel der US-Produktion. <?page no="215"?> 4 Geschichte des Energietransports 215 - Abb.-4.6‐113: -Naturgas‐Produktion-der-USA; -- Quelle: -US-Energy-Information-Administration- - Hinsichtlich der Verwendung ergab sich eine Entwicklung, nach der zwischen Industrie und Gewerbe, privaten Haushalten und Verkehr unterschieden werden muss, s. Abb. 4.6-115. - Abb.-4.6‐114: -Erdgasverwendung-in- der-OECD-nach-Verbrauchergrup‐ pen; -Quelle: -U.S.-Energy-Infor‐ mation-Administration- Erdgas wird gewerblich auch für chemische Prozesse in großen Mengen für verschiedene Zwecke verwendet, hauptsächlich jedoch im Energiesektor. Hier sind die Hauptverwendungen die Gewinnung mechanischer Energie, speziell von Rotationenergie mittels Wärmekraftmaschinen wie Gasturbinen und Gasmotoren sowie die Erzeugung von Wärme durch Verbrennung in Heizkesseln. In Ottomotoren ist die hohe Klopffestigkeit des Methans hilfreich, die eine entsprechend hohen Verdichtung erlaubt. Hierfür haben sich speziell für den Betrieb mit Erdgas ausgelegte Gasmotoren durchgesetzt. 148 Die Verwendung im Verkehrssektor spielt quantitativ noch keine besondere Rolle, s. folgendes Kapitel. Die Erzeugung elektrischer Energie in Gaskraftwerken läuft mit hohem Wirkungsgrad ab, der sich noch bei Nutzung der Abwärme steigern lässt (KWK). Näheres hierzu ist in Kap. 4.7.3, Kraftwerke und Kap. 7.2. Kraft-Wärme-Kopplung) beschrieben. Hier genügt es, auf den nach Abb. 4.6-115 deutlich ansteigenden Verbrauch für diesen Sektor hinzuweisen. Erdgas kann auch Ausgangstoff für die Chemie sein. Schon werden aus Erdgas flüssige Energieträger wie Dieselkraftstoff oder Methanol synthetisch hergestellt, wenn auch bisher in kleinen Mengen (siehe Kap. 7.3.2.1, Gas-to-Liquid-Verfahren, GtL). Durch rein physikalische Umwandlung in der Form des Tiefkühlens oder durch Druckspeicherung gewinnt 148 -Unter-Verwendung-von-Textbeiträgen-Sommerwerk,-T.-in: -http: / / www.energiestrom.com,-Abruf- 22.01.2020.- <?page no="216"?> 4 Geschichte des Energietransports 216 man Flüssigerdgas, siehe oben LNG und Folgekapitel. Das ist für Transport und Speicherung nicht unwichtig, kostet allerdings zusätzliche Energie. Für die Energiewirtschaft ist die Wasserstofftechnik zu einem wichtigen Thema geworden. Die Gewinnung von Wasserstoff aus Erdgas ist technisch ausgereift und wird kommerziell genutzt (Dampfreformierung). Landverkehr mit Gas Rund 515.000 Fahrzeuge in Deutschland fahren gegenwärtig mit Gasantrieb. Der weitaus größere Teil davon, nämlich etwa 421.000, wird allerdings mit Autogas betrieben, auch als LPG (von Liquified Petroleum Gas) bekannt. LPG besteht aus Butan und Propan. Es ist neben Otto- und Dieselkraftstoff eine weitere Variante flüssiger Treibstoffe. LPG wird nicht nur in Kraftfahrzeugen verwendet, sondern auch für Heizungsanlagen genutzt und ist als leicht verfügbare Energiequelle in Gewerbe, Industrie und Freizeit in Gebrauch. Zu den heutigen Autogasen zählt man die verflüssigten Gase wie Butan, Propan, Ethan sowie deren Gemische. Sie fallen bei der Förderung und Verarbeitung von Erdöl und Erdgas an und wurden ursprünglich direkt abgefackelt. Vorreiter für die Verwendung des Flüssiggases als Kraftstoff waren in den 1970er Jahren die Niederlande und Italien. Den Beginn machten Taxiunternehmen, später folgten private PKW-Besitzer. Das Taxi war auch anderenorts primärer Anwender, z. B. in Bangkok und Istanbul, auch in der ehemaligen DDR, wo in den 70er Jahren noch die Fahrschulen als Vielfahrer hinzukamen. Heute ist Autogas etabliert und in fast allen Ländern Europas verfügbar. Größter Verbraucher ist Südkorea, vor Japan, Mexiko und Türkei. Auch Deutschland gehört mit 421.000 Pkw im Jahre 2018 zu den größeren LPG-Märkten. LPG ist damit anerkannte und erste Alternative gegenüber Benzin und Diesel geworden. Als Ursachen hierfür werden die gestiegenen Preise für die konventionellen Kraftstoffe und die steuerliche Subventionierung genannt. 149 Abb. 4.6-116 gibt einen Überblick über die Entwicklung, die Anfang der 2000er Jahre einsetzte. - Abb.-4.6‐115: -Die-Stellung-von-Autogas-im-Markt-alternativer-Antriebe; -Quelle: -Kraftfahrt‐Bundesamt-2016- 149 -Diese-und-folgende-Angaben-nach-Deutscher-Verband-Flüssiggas-e.-V.,-2018.- <?page no="217"?> 4 Geschichte des Energietransports 217 Beim Einsatz von LPG gibt es motortechnisch gibt es einige Alternativen: ● GFI-System (Gas Full Injection) ● LPfi-System (Liquid Propane Flex Injection) ● LPI-Anlage (Liquid Propane Injection) ● LPDI-System (Liquid Propane Direct Injection) Bei den letzteren Systemen, die ab 1995 erhältlich waren, wird das Autogas im flüssigen Zustand dem Motor zugeführt und eingespritzt. Um das Gas in flüssiger Form zu halten, ist ein gewisser Druck nötig. Er wird über eine Hochdruckpumpe im Tank erzeugt und liegt bei konstanten 11 bar. Durch diese Technik wird ein direktes Eingreifen in die Motorsteuerung vermieden. Die Anlage bedient sich der originalen Bauteile und beeinflusst diese nicht. Im Endeffekt funktioniert die LPI wie ein Benzin-Einspritzsystem - nur kostengünstiger und umweltfreundlicher. Der mit knapp 94.000 deutlich kleinere Teil der gasbetriebenen Flotte nutzt CNG (Compressed Natural Gas), also Erdgas. 150 Erdgas wird nicht nur von PKW getankt, man findet gelegentlich auch den Einsatz von CNG in Bussen des kommunalen Nahverkehrs. Charakteristisches Merkmal aller Erdgasfahrzeuge ist der Drucktank, der gegenüber einem konventionellen Tank nicht nur technisch aufwändiger, sondern auch deutlich teurer ist. Erdgas wird unter 200-240 bar gespeichert. Den Druck erzeugt ein Kompressor an der Tankstelle aus dem praktisch drucklosen Erdgasnetz. Motorseitig ist der Ottomotor die Basis, der nur geringfügig gegenüber dem Benzinantrieb verändert werden muss. Das ist nicht weiter verwunderlich: der Gasmotor zählt schließlich zur Gründergeneration aller Motoren überhaupt. Wenn die Entwicklung weiter fortschreitet, ist auch die Nutzung einer Brennstoffzelle als Antrieb denkbar, s. folgendes Kap. 4.6.6. Der nachträgliche Umbau eines Benziners auf Erdgasbetrieb ist im Allgemeinen möglich, jedoch verursacht der Einbau eines Drucktanks einigen Aufwand. Der oder die Drucktanks machen Erdgasfahrzeuge in der Anschaffung teurer. Wegen dieses Nachteils hat sich die Zahl der Erdgasfahrzeuge nur moderat entwickelt und ist neuerdings auch wieder gesunken, s. Abb. 4.6-117. Abb.-4.6‐116: -Entwicklung-der-Zahl-der-Erdgasfahrzeuge-in-Deutschland; -Quelle: -Kraftfahrtbundesamt-2018- 150 -Zahlen-für-2018,-nach-Kraftfahrtbundesamt.- <?page no="218"?> 4 Geschichte des Energietransports 218 Was den Ausstoß von Kohlendioxid und Rußpartikeln angeht, sind beide Kraftstoffarten umweltschonender als der Antrieb mit herkömmlichem Benzin. Jedoch führt Erdgas im direkten Vergleich. Erdgas verursacht bis zu 23 % weniger CO 2 , Autogas liegt leicht darunter. Feinstaub wird von Gasfahrzeugen nahezu gar nicht emittiert. Elektromobilität: Akkumulatoren und Wasserstoff Elektroautos gelten als Fortbewegungsmittel der Zukunft, im Allgemeinen in akkumulatorgestützter Ausführung. Akkumulatoren sind chemische Energiespeicher, s. Kap. 6.6.5. Mobile Akkumulatoren 151 bedeuten chemischen Energietransport. Etwas überraschend ist, dass die elektrische Antriebsform fast so alt wie das Automobil selbst ist - nur der „Dampfwagen“ war früher. Versuche, den Elektroantrieb durchzusetzen, waren (und sind) zahlreich, auch im Kap. 4.6.3.1 wurde er bereits gestreift. Das Elektroauto hat eben seine eigene Vergangenheit. Eine sehr lange sogar, die schon früher als die der „Verbrenner“ beginnt. 152 Als offizielle Geburtsstunde des Automobils gilt das Patent von C. BENZ für den seinen Motorwagen Nummer 1, das ihm am 2. November 1886 erteilt wurde. Elektroautos sind jedoch älter. Als Premiere 1881 muss die Präsentation von G. TROUVÉ auf der Elektrizitätsmesse Exposition Internationale d’Électricité 1881 gelten. Das Objekt, das er vorstellte, war ein Trouvé Tricycle benanntes Dreirad mit Batterie und Elektromotor, Geschwindigkeit zu 10 km/ h. TROUVÉ war zweifellos ein Pionier. Er fand auch schnell Nachfolger. Darunter war die britische Firma VOLK, deren von IMMISCH motorisierte Kutsche mit batterielektrischem Antrieb Abb. 4.6-118 zeigt, aber auch das US-Unternehmen Morrison Electric oder der Deutsche A. FLOCKEN mit seinem ebenfalls 1888 vorgestellten vierrädrigen Elektrowagen. - - Abb.-4.6‐117: -Kutsche-mit- Stromantrieb-nach-dem-Vor‐ bild-eines-„dog-cart“,- Volk/ Immisch,-1887/ 1888; -- Quelle: -https: / / commons.- wikimedia.org/ wiki/ - File: Magnus_Volk_on_- his_electric_dog_cart,- _1897.jpg,-- Abruf-04.02.2020- 151 -Landläufig,-aber-falsch,-meist-Batterie-genannt.- 152 -Hier-und-im-Folgenden-wird-Gebrauch-gemacht-von-Weißenborn,-St.: -Der-lange-Weg-der-- Elektroautos,-Abruf-20.05.2016. - <?page no="219"?> 4 Geschichte des Energietransports 219 Verblüffend war der Rekord, den C. JENATZY 1899 mit seiner elektrisch angetriebenen La Jamais Contente aufstellte, die immerhin fast 1,5 t wog. Er erreichte „Tempo 100“, wobei ihm seine Erfahrung als Rennfahrer sicher zugutekam. Sein Automobil zeigt Abb. 4.6-119. Der Rekord hielt allerdings nicht lange - 1892 ging er an ein dampfbetriebenes Modell. Abb.-4.6‐118: -Am-29.-April-1899-stellte-Camille-- Jenatzy-mit-seinem-Elektroautomobil-La-Jamais-- Contente-mit-105,9-km/ h-einen-Geschwindig‐ keitsrekord-auf; -Quelle: -Collection-Jules-Beau.-- Photographie-sportive,-Année-1899- -- Dampfantrieb und elektrischer Antrieb waren also die Initialzündung für das neue Produkt, das Automobil. Sie wurden auch mit diesen Antrieben verkauft, insbesondere in den USA, und lagen lange deutlich vor den nachfolgenden Konstruktionen mit Verbrennungsmotoren, die es dort z. B. um die Jahrhundertwende nur auf ein Fünftel der fahrenden Automobile brachten. Ein weiterer Meilenstein der Geschichte der Elektromobilität war im Jahr 1900 der Lohner- Porsche, der erstmals auf der Weltausstellung in Paris zu bestaunen war. Mit ihm schrieb sich F. PORSCHE erstmals in die Geschichte des Automobils ein, s. Abb. 4.6-120. -Abb.-4.6‐119: -Der-Lohner‐Porsche-mit-elektrischen- Nabenmotoren-in-den-Vorderrädern; -1902-folgte-- eine-Version-mit-Verradantrieb-(im-Bild-mit-- Ferdinand-Porsche,-links); -Quelle: -unbekannt,-1902,- Archiv-„Jacob-Lohner-&-Co"-- - Das erstmals 1900 auf der Weltausstellung in Paris präsentierte Fahrzeug Semper Vivus war in späteren Ausführungen rd. 50 km/ h schnell und hatte mit seinen Bleiakkumulatoren <?page no="220"?> 4 Geschichte des Energietransports 220 eine Reichweite von etwa 50 km. In weiteren Modellen fügte PORSCHE noch einen Verbrennungsmotor hinzu, der den Akkumulator wieder aufladen sollte. Es ist nicht falsch, diesen Mixte-Wagen das welterste Hybridauto zu nennen. Tatsächlich standen Elektrofahrzeuge eine Zeit lang für das Automobil überhaupt. Der umfangreiche Einsatz als Taxis mag zu diesem Bild beigetragen haben. Auch der schon prominente TH. EDISON engagierte sich für die elektrisch betriebenen Fahrzeuge, kaufte von der Baker Motor Vehicle Company den ersten Baker Electric, Modell 104 und versuchte sich in der Weiterentwicklung der Speicherseite. Sein Interesse lag durchaus nahe, denn er war eben zu dieser Zeit auf dem Weg zum Nickel-Eisen-Akkumulator mit alkalischem Elektrolyten, über den dann die Fachwelt ab 1904 detailliert berichtete. 153 Mit solchen Edison-Akkumulatoren wie in Abb. 4.6-122 wurden dann sowohl Fahrzeuge von Baker als auch die von Detroit Electric ausgerüstet. -Abb.-4.6‐120: -Der-Baker-Electric-von-1903,-hier-mit-- Thomas-Edison-und-seiner-zweiten-Ehefrau; -Quelle: - https: / / www.welt.de/ motor,-©-picture-alliance/ - United-Archiv- Abb.-4.6‐121: -Edison‐Akkumulator-zeitgenösssich; -- Quelle: -Verein-Zukunftwerkstatt-Verkehr- - 153 -z.-B.-Polyt.-Journal,-1904,-Bd.-319,-S.-476ff.- <?page no="221"?> 4 Geschichte des Energietransports 221 Die Elektro-Konjunktur hielt das ganze erste Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts an, um dann jedoch nach dem ersten Weltkrieg bis praktisch zum Stillstand der Verkäufe wieder abzusinken. Umgekehrt setzten sich Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor zunehmend und schnell durch. Dafür gab es mehrere Gründe:  Die Amerikaner CH. F. KETTERING brachte den elektrischen Anlasser heraus, der Betrieb wurde einfacher.  Die Anzahl der Tankstellen nahm schnell zu.  Die Benzinpreise waren niedrig.  Das Auto mit Verbrenner wurde intensiv beworben.  Vor allem: H. FORD begann 1914 mit der Fließbandproduktion, das Auto wurde günstiger. 154 Danach blieben der Elektromobilität im Bereich der Personenkraftwagen nur Nischen und immer wieder neue Versuche, wie z. B. 1967 mit dem Kleinwagen Amitron der American Motor Corporation. Er war für die Stadt gedacht, hatte eine Energierückgewinnung, war fahrdynamisch optimiert und hatte eine Reichweite von 240 km - ein durchaus modernes Konzept. Die Zeit war offenbar noch nicht reif - das Modell ging nicht in die Serie. 1972 unternahm BMW zu den Olympischen Spielen einen neuen Anlauf. Sie brachten auf der Basis der sog. Neuen Klasse das Konzeptfahrzeug 1602e heraus, mit einer Reichweite zwischen 30 und 60 km, abhängig von der Fahrweise, und einer Spitzengeschwindigkeit von 100 km/ h. BMW versuchte, die Spiele als Werbeträger zu nutzen und ließ das abgasfreie Fahrzeug die Marathonläufer begleiten. BMW bezeichnet heute den 1602e, der aus konventionellen Starterbatterien versorgt und in nur zwei Exemplaren gebaut wurde, als Meilenstein in der Geschichte ihrer Elektrofahrzeuge. 1976 versah VW, offenbar unter dem Eindruck der Ölkrise, den Golf I mit Batterien und einem 20 PS-Elektromotor. Die sogenannten Citystromer waren als Testfahrzeuge gedacht und wurden mit zunächst 20 Fahrzeugen, später als Golf II citystromer mit 50, dann noch einmal 1989 auf der Basis des Golf III mit 120 Exemplaren gebaut. Die Fahrzeuge waren nicht für den Handel gedacht, wurden jedoch von einigen Energieversorgern für Werbezecke genutzt. Abb.-4.6‐122: -1993-ging-der-Citroën-AX-electrique-in-Serien‐- fertigung; -Quelle: -Lebubu93/ Creative-Commons-BY‐SA-3.0- - 154 -Die-Bedeutung-H.-Fords-für-die-Entwicklung-des-Kraftverkehrs-kann-nicht-hoch-genug-eingeschätzt- werden.-K.-R.-Popper-spricht-von-der-„Henry-Ford‐Revolution“,-s.-ders.,-Alles-leben-ist-Problemlösen,- München-1994,-S.-262.- <?page no="222"?> 4 Geschichte des Energietransports 222 Die französische Marke Citroen hatte ab 1993 ein erstes Elektrofahrzeug in Serienproduktion: den AX electrique, Abb. 4.6-123. Das war eine schon weiter fortgeschrittene Konstruktion, besser abgestimmt auf die spezifischen Anforderungen des Elektroantriebs. Die Akkumulatoren auf jetzt Nickel-Cadmium-Basis waren im Fahrzeugboden untergebracht und schränkten so den Nutzraum nicht weiter ein. Das Fahrzeug wurde allerdings nur in Kleinserie mit 374 Exemplaren aufgelegt. Das war beim Nachfolger Saxo electrique 1996 schon besser; von ihm wurden bis zum Jahr 2003 immerhin 2.174 Stück produziert. In den USA sorgte 1996 der GM EV1 für Aufsehen. Mit ihm reagierte GM auf die neue Umweltschutz-Gesetzgebung. Die Umweltbehörde Kaliforniens hatte sich nach zahlreichen Smog-Alarms zu einem radikalen Schritt entschlossen: Bis 1998 sollten 2 %, bis 2003 sogar 10 % aller verkauften Fahrzeuge „Zero Emission Vehicles“ sein. Das Fahrzeug, das heute als Vorgänger des Chevrolet Volt gilt, war ein anspruchsvoll ausgestatteter, mit induktiv aufladbaren Nickel-Metallhydrid-Batterien ausgerüsteterr Zweisitzer, von dem 1.117 Exemplare gebaut und für ca. 500 $/ Monat an ausgewählte Kunden verleast wurden. Das elegante Modell mit seinem cw-Wert von 0,195, s. Abb. 4.6-124, begeisterte die Fahrer, bis GM 1999 alle Fahrzeuge unter dubiosen Umständen zurückbeorderte. -Abb.-4.6‐123: -Der-bis-1999-produzierte-EV1-von-GM.- Fast-alle-Exemplare-wurden-zurückgerufen-und-von-GM- mit-der-Begründung-verschrottet,-ein-sicherer-Betrieb- der-Fahrzeuge-könne-auf-Dauer-nicht-gewährleistet- werden; -Quelle: -General-Motors-Company,-Werks‐ prospekt- In Europa und den USA, inzwischen auch in China, hat das Elektrofahrzeug vor dem Hintergrund der Klimaproblematik und der Beschlüsse der Weltklimakonferenz aktuelle Bedeutung erlangt. Für den Verkehrssektor bedeutet das eine immer weitergehende Reduzierung der Emissionen, insbesondere des klimasensiblen CO 2 . Batteriebetriebene Elektrofahrzeuge verursachen bereits beim heutigen kohlelastigen EU-Strommix geringere CO 2 -Emissionen als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Die deutsche Bundesregierung hat deshalb den „Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität“ verabschiedet, in dem u. a. das sehr ambitionierte Ziel festgelegt wurde, bis zum Jahr 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf deutsche Straßen zu bringen. 2016 hat sich die große Koalition im Bundestag zusätzlich auf finanzielle Anreize zum Kauf von Elektrofahrzeugen durch den sog. Umweltbonus in Höhe von zunächst 4.000 Euro für Elektrofahrzeuge bzw. 3.000 Euro für Plug-In Hybride mit einem Preis von maximal 60.000 Euro verständigt. In anderen europäischen Ländern wurden ähnliche Programme aufgelegt. Die <?page no="223"?> 4 Geschichte des Energietransports 223 Kosten teilen sich dabei die öffentliche Hand und die Hersteller. Die deutsche Bundesregierung fördert darüber hinaus ● den Ausbau von Ladesäulen, insbesondere von schnell ladenden, ● die Elektromobilität in öffentlichen Fuhrparks, ● die Nutzer durch die Verlängerung der Kfz-Steuerbefreiung von bisher fünf auf nun zehn Jahre. ● Forschung und Entwicklung von Elektromobilität, insbesondere im Bereich der künftigen Batterietechnologie. 155 Die im Jahre 2010 gegründete Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) berät die Bundesregierung und soll mit ihren 150 (! ) Vertretern aus Industrie, Wissenschaft, Politik, Gewerkschaften und Verbänden die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten zur Elektromobilität koordinieren. Entgegen allen Bemühungen und trotz aktuell (2018) auf dem Markt bereits verfügbarer gut 30 batterieelektrisch angetriebener Modelle sind die Absatzzahlen trotz hoher Zuwachsraten immer noch sehr klein. So wurden etwa im Jahr 2014 rund 8.500 BEV 156 neu zugelassen, vor allem von gewerblichen Pkw-Haltern. Allerdings macht dies gemessen an insgesamt rund 3 Millionen Neuzulassungen einen verschwindend geringen Anteil aus. 157 Deutlich besser ist die Bilanz bei den teilelektrischen Hybridfahrzeugen, die allerdings kaum zur Emissionsminderung beitragen. Die Bestandsentwicklung der BEV in Deutschland bis zum Jahr 2017 zeigt Abb. 4.6-125. ----Abb.-4.6‐124: -Jeweils-am-1.-Jan.-jeden- Jahres-zugelassene-Elektrofahrzeuge- (BEV); -Quelle: -e‐Station.-de,-nach- Kraftfahrtbundesamt- Die Erfolge der 2003 gegründeten und noch defizitär arbeitenden Firma TESLA in den USA und weltweit, zusätzlich beflügelt durch attraktives Design (s. Abb. 4.6-126) haben seit dem Jahr 2016 die europäischen Hersteller zu verstärkten Bemühungen um die Elektromobilität veranlasst. Das Ergebnis bleibt abzuwarten - der automobile Markt wird durch den Käufer bestimmt, der angesichts der mit den BEV verbundenen Einschränkungen nach wie vor den Verbrennungsmotor bevorzugt. Die Haupthindernisse sind: 155 -Im-Rahmen-der-Forschungsprogramme-des-BMWi-wird-zum-Beispiel-erkundet,-ob-die-Elektroautos-als- „Schwarmbatterie"-überschüssigen-Strom-als-Puffer-zwischenspeichern-können---eine-wichtige-Frage,-wenn- die-Energieeinspeisung-mit-dem-wachsenden-Anteil-der-Erneuerbaren-zunehmend-schwankt.- 156 -BEV-=-B Battery-E Electric-VVehicle.- 157 -Deutsche-Energieagentur-(DENA)-in: -Deutsche-Verkehrswissenschaftliche-Gesellschaft-e.V-(Hg): - DVWG-aktuell,-Ausgabe-20.9.2015.-- <?page no="224"?> 4 Geschichte des Energietransports 224 ● Geringe Reichweite (einige 100 km) ● Überlange Ladezeiten (bis zu 12 Stunden) ● Keine flächendeckenden Ladepunkte ● Trotz Bonus immer noch sehr hoher Preis und für die Hersteller zusätzlich ● Hohes Gewicht der Batterie ● Geringe Fertigungstiefe und damit nur eingeschränkte Rentabilität - - -Abb.-4.6‐125: -Tesla-Roadster,-das-erste-Serienfahr‐ zeug-von-Tesla-Motors-wurde-zusammen-mit-Lotus- entwickelt; -Quelle: -James-Lipman/ Tesla-Motors- Die weitere Entwicklung der BEV wird maßgeblich durch die Fortschritte der Batterietechnik bestimmt sein, die in Kap. 6.6.5 näher diskutiert werden. Auch die Brennstoffzelle, als Wandler zur Erzeugung elektrischer Energie näher beschrieben in Kap. 4.7.5, kommt für einen elektrischen Antrieb im Straßenverkehr infrage. Transportgrößen sind hier die verwendeten Brennstoffe - also i. A. Wasserstoff, aber auch Methanol, Erd- oder Biogas. Der erste Versuch, die Brennstoffzelle im Straßenverkehr zu nutzen, fand schon recht früh statt. General Motors stellten 1966 ihren Electrovan vor - ein Van, wie schon aus der Modellbezeichnung ersichtlich. Die Brennstoffzelleneinheit war damals noch recht groß, deshalb wurde ein volumenstarker Fahrzeugtyp gewählt, in dem außer dem Fahrer auch nur zwei Mitfahrer Platz fanden. Der Van führte 3 Tanks mit, je einen herabgekühlten für den Wasserstoff und Sauerstoff (die eine Reichweite von 200 km ermöglichten) und einen dritten für den Elektrolyten der Brennstoffzelle. Die 5 kW-LiCl-Brennstoffzelle stammte von Union Carbide. Während der Entwicklung gab es eine Wasserstoffexplosion, zudem war die Brennstoffzelleneinheit auf nur 1000 Stunden ausgelegt - die Technik war keinesfalls reif für die Serie. Bei BMW begann die Entwicklung von Wasserstoff-Fahrzeugen Ende der 1970er Jahre, hier jedoch auf der eher konventionellen Basis eines Verbrennungsmotors. Am Beginn stand ein flüssigwasserstoffbetriebener BMW 520h, später wurde ein Prototyp aus der 7er-Reihe für Wasserstoff umgebaut. Auch Daimler versuchte sich an der Technik, Verbrennungsmotoren mit Wasserstoff zu betreiben. In den Jahren 1984 bis 1988 fuhren Wasserstofffahrzeuge von Mercedes-Benz durch Berlin. Daimler hatte fünf Mercedes- 280-Kombis und fünf Mercedes-Lieferwagen mit Wasserstoff-Motoren ausgestattet, die <?page no="225"?> 4 Geschichte des Energietransports 225 zusammen mehr als 250.000 Kilometer fuhren. Nachdem BMW im Jahre 2009 bekannt gab, dass keine neue Testflotte auf Verbrennungsbasis geplant werde, kam auch Daimler nicht mehr auf diese Technik zurück. Anfang der 1990er Jahre wurde auch die Entwicklung von Brennstoffzellen-Fahrzeugen wieder neu belebt. Das kanadische Unternehmen Ballard Power Systems, unterstützt vom kanadischen Verteidigungsministerium, forschte seit 1983 an Brennstoffzellen. Ein Demonstrations-Brennstoffzellen-Bus wurde 1993 fertig. Im gleichen Jahr unterzeichneten Daimler-Benz und Ballard einen Vertrag zur Entwicklung von Straßenfahrzeugen auf Brennstoffzellenbasis. Mit dieser Unterstützung stellte Daimler 1994 den Transporter NE- CAR 1 vor, dem 1996 der für eine Reichweite von 250 km ausgelegte NECAR 2 folgte. Wie bei GM der Van, so boten sich hier die Transporter an, da die Brennstoffzelleneinheiten immer noch zu groß und zu schwer für den Pkw-Betrieb waren. Mit dem Ankauf von 25 % der Anteile an Ballard 1997 machte Daimler-Benz sein Engagement für die Brennstoffzelle deutlich, Konkurrent Ford übernahm weitere 15 %. Im gleichen Jahr wurde der NECAR 3 vorgestellt, jetzt ein umgebauter Pkw. Hier wurde grundsätzlich Neues getestet: die Herstellung des Wasserstoffs an Bord über einen Methanol- Reformer. Der NECAR 4 von 1999, wo man wieder auf die Betankung mit flüssigem Wasserstoff zurückgriff, hatte schon die realitätsnahe Reichweite von 450 Kilometern. Als letzter Prototyp folgte 2010 ein auf Brennstoffzellenbetrieb umgerüstetes B-Klassenfahrzeug, der B-Klasse F-CELL. Gegenwärtig hat das Angebot den Markt erreicht. Mehrere Autohersteller produzieren Brennstoffzellen-Fahrzeuge in Kleinserien, darunter Honda den Honda FCX Clarity (seit 2008), Hyundai den Hyundai ix35 FCEV (seit 2013), Toyota den Mirai (seit 2014). Die ab Ende 2016 auch in Europa käufliche verbesserte Version des Clarity hat nach den Angaben der amerikanischen United States Environmental Protection Agency die höchste Reichweite aller rein elektrisch angetriebenen Fahrzeuge überhaupt und bestätigt damit die Erwartung vieler Fachleute, die in der Brennstoffzellentechnik und nicht in der Batteriespeicherung die Zukunft des Automobils sehen. Auch Daimler-Benz hat seine Entwicklungsarbeiten weiter vorangetrieben und bietet ab Ende des Jahres 2018 ein Brennstoffzellenfahrzeug GLC F-CELL an, vorerst allerdings für Flottenbetreiber. Das Brennstoffzellensystem ist im Vergleich zur Vorgängergeneration um 30 % kompakter und passt erstmals in einen konventionellen Motorraum. Weitere Verbesserungen gegenüber der B-Klasse F-CELL: 40 % mehr Antriebsleistung und 90 % weniger Platin. Auch das Gewicht ist um etwa 25 % geringer. Das Fahrzeug ist voll alltagstauglich und bietet dank ca. 350 Nm Drehmoment und ca. 147 kW Leistung den gewohnten Fahrkomfort. Die Reichweiten betragen im H 2 -Modus 437 km nach NEFZ und im auch möglichen batterieelektrischen Modus zusätzliche 49 km. Dank 700-bar-Tanktechnologie ist der GLC F-CELL in drei Minuten betankt. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Ergebnisse einer Marktuntersuchung von FROST&SULLIVAN realistisch, die den FCEV-Markt bis ins Jahr 2030 auf circa 583.000 Einheiten ansteigen sehen, s. Abb. 4.6-127. <?page no="226"?> 4 Geschichte des Energietransports 226 - - - -- -- Abb.-4.6‐126: -Marktprognose-für-F‐Cell‐Fahrzeuge; -Quelle: -Frost-und-Sullivan,-In- -AUTOMOBIL-INDUSTRIE-4-|-2018- Beim Übergang zu einer Wasserstoffwirtschaft, wie sie für Brennstoffzellenfahrzeuge unerlässlich ist, müssen große Mengen Wasserstoff transportiert werden, z. B. zur Versorgung der Tankstellen. Beim Wasserstoff war bisher eine Druckgasspeicherung für den Transport, z. B. in Gasflaschen, höchst unökonomisch, wie überhaupt die H 2 -Speicherung nicht einfach ist, s. Kap. 6.6.6, Wasserstoff als Energiespeicher. Weltweit werden nur rund 1 % des produzierten Wasserstoffs in dieser Form gespeichert und transportiert. Wirtschaftlicher ist der Transport trotz der aufrechtzuerhaltenden niedrigen Temperaturen von 10 0 K in kryogener Form. Der Transport von flüssigem Wasserstoff erfolgt nach heutigem Stand ausschließlich in Spezialfahrzeugen über Schiene und Straße. Zurzeit laufen aber auch Entwicklungen zum Transport mit Hilfe von Schiffen und Pipelines, wo mit tiefgekühltem Erdgas (LNG) bereits Erfahrungen vorliegen, s. auch Kap. 4.6.5, Erdgas. Um die Verdampfungsverluste klein zu halten, ist allerdings ein hoher Isolationsaufwand nötig. Außerdem ist geplant, den beim Transport abdampfenden Wasserstoff aufzufangen und als Energieträger für die Fortbewegung des Transportgefährtes zu nutzen. Mit dem Transport von Wasserstoff bei Normaltemperatur in gasförmiger Form über Pipelines gibt es dagegen ausreichende praktische Erfahrungen, auch in Deutschland. Im Ruhrgebiet wird seit Jahrzehnten ein über 240 km langes Wasserstoffnetz betrieben, das 1938 in Betrieb genommen wurde und heute im Besitz der Air Liquide 18 Großabnehmer versorgt. Bei einem Rohrdurchmesser von 80 cm liegt die Durchflussleistung bei 1,3 Mio. m 3 / h. Auch in Sachsen-Anhalt hat die Linde-Gas AG ein 90 km langes Wasserstoff-Pipeline-System errichtet, das von Leuna aus versorgt wird und der Region Rodleben-Bitterfeld-Zeitz zur Verfügung steht. Neuerdings gibt es Bemühungen, zur Sicherung einer wasserstoffbasierten Mobilität eine dezentrale Wasserstoff-Logistik aufzubauen und auch ein neue Transportform über flüssige Wasserstoffträger (LOHC) einzuführen. LOHC (Liquid Organic Hydrogen Carrier) bezeichnet eine Technik der chemischen Bindung des Gases an flüssige organische Substanzen. Sie ist vor allem dann wirtschaftlicher als andere Optionen, wenn relativ geringe Mengen Wasserstoff - bis zu 30 Tonnen pro Tag - über vergleichsweise weite Entfernungen zu transportieren sind. <?page no="227"?> 4 Geschichte des Energietransports 227 Für die Belieferung von Wasserstofftankstellen sind die flüssigen LOHC besonders interessant, weil sowohl ihr Transport als auch die Lagerung vor Ort in vorhandenen Tankbehältern erfolgen kann. Das vermeidet zusätzliche Kosten. Auch Abdampfverluste - ein gängiges Problem bei der Anlieferung von tiefkalt verflüssigtem Wasserstoff - treten nicht mehr auf. Die LOHC-Technik erleichtert somit den Wandel von einer erdölbasierten zu einer wasserstoffbasierten Energiewirtschaft. Gerade in der Übergangsphase, in der es erst wenige Wasserstofftankstellen und -fahrzeuge gibt, lässt sich so eine hohe Versorgungssicherheit mit geringem Aufwand sicherstellen. 158 Abb. 4.6-128 stellt die Transportmöglichkeiten einander gegenüber.- -- - - --- - -- - Abb.-4.6‐127: -Darstellung-der-jeweils-günstigsten-Transporttechnik-für-unterschiedliche-Wasser‐ stoffmengen-und-Transportdistanzen; -Quelle: -FZJ-und-Friedrich‐Alexander‐Universität,-Erlangen- Seit dem Jahr 2013 arbeitet die Linde Group mit einer neuen Speichertechnik, den Transport größerer Mengen von gasförmigem Wasserstoff leichter und sicherer macht: „Dem Technologiekonzern The Linde Group ist es gelungen, den Transport größerer Mengen von Wasserstoff mithilfe einer neuen Speichertechnologie deutlich effizienter zu gestalten. Sie arbeitet mit einem erhöhten Druck von 500 bar bei gleichzeitig verringertem Gewicht der neu entwickelten Speicherelemente. Mit einer Lkw-Ladung kann so mehr als die doppelte Menge an gasförmigem Wasserstoff (CGH 2 ) transportiert werden als bisher. Erfolgreiche Praxistests mit einem ersten industriellen Kunden haben diese deutlichen Vorteile gegenüber der herkömmlichen 200-bar-Technologie bestätigt.…… In seinem Gasezentrum Leuna, Sachsen-Anhalt, hat Linde eine 500-bar-Befüllstation in Betrieb genommen. Die neuen 500-bar-Trailer sind in Zusammenarbeit mit dem Druckgasspeicher- Spezialisten Wystrach GmbH entstanden. An Bord befinden sich jeweils 100 so genannte Composite-Speicher aus leichtgewichtigem Verbundmaterial, die gemeinsam mit der xpe- 158 -Nach-Arlt,-W.: -Machbarkeitsstudie-Wasserstoff-und-Speicherung-im-Schwerlastverkehr,-Erlangen,- 31.-Juli-2017.- <?page no="228"?> 4 Geschichte des Energietransports 228 rion Energy & Environment GmbH entwickelt wurden. Mit einem Trailer können so insgesamt mehr als 1.100 kg oder 13.000 Normkubikmeter Wasserstoffgas transportiert werden. Die Befüll- und Entladezeit verkürzt sich auf unter 60 Minuten.“ 159 So ist es jetzt möglich, neben dem Transport von tiefkalt verflüssigtem Wasserstoff (LH 2 ) oder dem Transport über die Speicherform LOHC, eine weitere wirtschaftliche Alternative für die Belieferung mit größeren Mengen Wasserstoff anzubieten. Linde benutzt die Technik inzwischen für die von ihr errichteten Wasserstoff-Tankstellen. Abb. 4.6-129 zeigt eines der neu entwickelten Fahrzeuge mit den Druckbehältern. Abb.-4.6‐128: -Ein-neuer-Druckgastransporter-für-Wasserstoff-2018; -Quelle: -Z.-KRAFTHAND-16/ 2018- Kernbrennstoffe - Uran Das Element Uran ist seit 1789 bekannt - Entdecker war der deutsche Chemiker M. H. KLAPPROTH, dem wir auch die Namensgebung nach dem kurz zuvor gefundenen Planeten Uranus verdanken. Natürlich vorkommendes Uran ist ein Gemisch dreier Isotope: 234 Uran, 235 Uran, 238 Uran. Über 99 % des Natururans bestehen aus 238 Uran, 235 Uran hat nur einen Anteil von rund 0,7 %, von 234 Uran gibt es in den natürlichen Vorkommen nur geringe Spuren. 235 Uran ist ein stabiles Element, 238 Uran dagegen steht am Beginn einer Zerfallsreihe, s. Abb. 4.6-130, ist also „radioaktiv“, was der französische Physiker H. BECQUEREL 1896 als erster herausfand. Ein nicht ungefährliches Zwischenprodukt ist das Edelgas Radon, das mit der bergmännischen Gewinnung, der Abraumlagerung und der weiteren Verarbeitung des Uranerzes notwendig verbunden ist. Bewetterung im Bergbau und ausreichende Belüftung in den Verarbeitungsstufen lösen das gesundheitliche Problem jedoch vergleichsweise einfach. 159 -Linde-AG,-Pressemitteilung-25.-September-2013.- <?page no="229"?> 4 Geschichte des Energietransports 229 - - - - Abb.-4.6‐129: -Die-Uran‐Radium‐Zerfallsreihe-mit-Radon-als- Zwischenprodukt; -Quelle: -Uranova-rada.svg,-Wikimedia-- Commons Seit 1938 und den Arbeiten von O. HAHN und F. STRASSMANN 160 ist die Spaltbarkeit des 235 Uran unter Neutronenbeschuss und die damit verbundene Freisetzung von Energie bekannt, s auch Abb. 4.6-131. 1939 wiesen JOLIOT, HALBAN und KOWARSKI die bei der Kernspaltung freiwerdenden Neutronen nach, die eine „Kettenreaktion“ in Gang setzen können. Mit der Lösung des Problems, die Kettenreaktion aufrechtzuerhalten und zu kontrollieren, wurde dann auch ein erster Reaktor möglich, den E. FERMI unter großer Geheimhaltung in Chicago entwickelte und 1942 aktivieren konnte, s. Abb. 4.6-132. Bis zur zivilen Anwendung der Kernenergie verging noch recht viel Zeit - den USA wie der Sowjetunion war die militärische Nutzung in der Form der Atomwaffen und atomgetriebenen Schiffen wichtiger. Erstes ziviles Kernkraftwerk überhaupt war 1956 Calder Hall, England. 1958 wurde in Shippingport das erste kommerzielle Kernkraftwerk der Vereinigten Staaten eingeweiht. In Deutschland speiste erstmals 1968 der Druckwasserreaktor Obrígheim elektrische Leistung in das öffentliche Netz ein. Abb.-4.6‐130: -Die-Mas‐ sendefizite-über-der-Ord‐ nungszahl-erklären-den-En‐ ergiegewinn; -Quelle: -100-x- Energie,-Meyers-Lexikonver‐ lag,-1977,-S.145- - 160 -Unter-Mitarbeit-von-L.-Meitner-und-O.-A.-Frisch.- <?page no="230"?> 4 Geschichte des Energietransports 230 - Abb.-4.6‐131: -Der-Fermi‐Reaktor-1942-(Chicago-Pile1); -Quelle: -100-x-Energie,-Meyers-L1977,-S.-153- Der in den Kraftwerken eingesetzte Brennstoff besteht im Regelfall - von Sonderformen wie dem Hochtemperaturreaktor oder dem Schnellen Brüter einmal abgesehen - aus Natururan, dessen Anteil an 235 Uran auf ca. 3 - 4 % angereichert und in sogenannte Brennelemente eingelagert ist. Um diesen gebrauchsfähigen Zustand zu erreichen, bedarf es einiger Verarbeitungsschritte: 161  Das bergmännsch gewonnene Erz wird gebrochen und gemahlen, es enthält Uran in der Form von Oxiden.  Auslaugung mit Säure unter Anwesenheit eines Oxidationsmittels - es entsteht. z. B. Pechblendeerz UO 2 (S0 4 ).  Durch Zugabe von MnO, NaOH oder NH 3 entsteht Ammoniumdiuranat, verdickt auch als „Yellow Cake” bezeichnet.  Nach Zwischenstufen unter Zuführung von HF und F 2 Überführung in die gasförmige Phase (UF 6 ).  Anreicherung der 235 U-Konzentration über Diffusionsverfahren oder Gaszentrifugen in Kaskadenschaltung  Brennelementefabrik: Hier wird das angereicherte UF 6 nasschemisch in UO 2 umgewandelt.  Das UO 2 liegt zunächst als graues Pulver vor. Für Leichtwasserreaktoren wird es zu Tabletten gepresst und gesintert.  Die UO 2 -Tabletten werden noch geschliffen, um Maßgenauigkeit zu erreichen. Anschließend werden mit ihnen Hüllrohre aus Zirkaloy befüllt, die gasdicht verschlossen werden.  Die so entandenen Brennstäbe werden zu mehreren, z. B. 72 für das AKW Krümmel, 230 für AKW Biblis, gebündelt und zu einem Brennelement zusammengefasst. Brennelemente haben z. B. eine Länge von 5 m, einen Querschnitt von 23x23 Zentimetern und wiegen rund 800 kg (AKW Biblis). Für den Transport werden sie in kleinen Einheiten gepackt, s. Abb. 4.6-133. 161 -Unter-Verwendung-von-Zilke,-A.: -Uran: -Vom-Erz-zum-Brennelement,-FH-Münster,-https: / / www.fh‐ muenster.de……/ Uran,-Abruf-12.11.2019.- <?page no="231"?> 4 Geschichte des Energietransports 231 - - Abb.-4.6‐132: -Brennelementelager-in-der- Lingener-Brennelementefabrik; -Quelle: - Neue-Osnabrücker-Z.,-10.4.2017- In der Verarbeitungskette fallen Transporte an, durchgeführt mit den üblichen Verkehrsträgern (Schiff, Bahn, LKW), jedoch unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen. Die Inhalte der speziell konstruierten und behördlich abgenommenen Behälter gelten als “Radioaktive Stoffe mit geringer spezifischer Aktivität”; ihr Transport wird als Gefahrgut behandelt und bedarf besonderer Kennzeichnung, s. Abb. 4.6-134. Diese Einordnung gilt auch für den Transport neuer Brennelemente von der Fabrik ins Kernkraftwerk - unbestrahlte Brennelemente sind nur minimal radioaktiv. -Abb.-4.6‐133: -Kennzeichnung-für-Transporte- radioaktiven-Materials,-Dosisleistung-≤-0,5-mSv/ h- bzw.-≤-2-mSv/ h-an-der-Außenfläche; -Quelle: -- Chr.-Ziehr,-https: / / wiki.einsatzleiterwiki.de,-- Abruf-22.01.2020- Anders sieht es mit dem Transport hoch radioaktiver Stoffe aus, z. B. dem Transport von ausgedienten Brennelementen aus den Kraftwerken oder dem Abfall aus Wiederaufbereitungsanlagen. In Deutschland sind dies die CASTOR-Behälter (Cask for Storage and Transport of Radioactive Material), ein in Deutschland für den Transport und die Zwischenlagerung von ausgedienten Brennelementen entwickelter Behälter. Ihre Grundstruktur besteht aus Sphäroguss mit einer Wandstärke von 45 cm. Die Außenseite trägt Rippen, die zur Ableitung der Wärme dienen - abgebrannte Brennelemente sind bis zu 400 °C heiß. Der Behälter, den es in mehreren Klassen gibt, wurde in Typenprüfungen extremen Beanspruchungen ausgesetzt und gilt mechanisch, thermisch und strahlungstechnisch als sehr sicher, s. Abb. 4.6-135. <?page no="232"?> 4 Geschichte des Energietransports 232 - - --Abb.-4.6‐134: -CASTOR‐Behälter,-Schematischer-Aufbau.-- 1: -Behälterkörper; -2: -Moderatorstäbe; -3: -Tragzapfen; -- 4: -Primärdeckel; -5: -Sekundärdeckel; -6: -Schutzplatte; -- 7: -Druckmessgerät; -8: -Metalldichtung; -9: -Elastomerdich‐ tung; -Quelle: -Castor‐Behälter,-Lexikon-der-Physik- CASTOR-Transporte gingen in Deutschland zunächst vor allem in die zentralen Zwischenlager: Ahaus, Gorleben und Lubmin. Ihre Funktion sei am Beispiel Ahaus erläutert: Das Tranporbehälterlager Ahaus, wie es offiziell heißt, wurde zwischen 1984 und 1990 errichtet. Die Lagerhalle besteht aus zwei voneinander getrennten Bereichen.  Der Lagerbereich I dient der vorübergehenden Zwischenlagerung (maximal 10 Jahre) von sonstigen radioaktiven Stoffen.  Der Lagerbereich II dient der Aufbewahrung von Brennelementen aus Leichtwasserreaktoren, aus dem Rossendorfer Forschungsreaktor und von Brennelementen aus dem nur kurzzeitig betriebenen Hochtemperaturreaktor (THTR) in Hamm-Uentrop. 162 Technischer und rechtlicher Hintergrund solcher Zwischenlager ist u. a. die hohe Temperatur der Brennelemente. Sie müssen 20 bis 40 Jahre überirdisch zwischengelagert werden und abkühlen, bis sie in ein Endlager aufgenommen werden können. Sie verbleiben in den Castoren, die inzwischen in Ahaus nur etwas mehr als 10 % der Lagerkapazität in Anspruch nehmen. In Ahaus lagern bislang sechs CASTOR ® -V-Behälter mit abgebrannten Brennelementen aus deutschen Leichtwasserreaktoren, 305 deutlich kleinere CASTOR ® THTR-Behälter aus dem vorzeitig stillgelegten Thorium-Hochtemperatur-Reaktor (THTR) in Hamm-Uentrop und 18 Behälter vom Typ CASTOR ® MTR 2 mit Brennelementen aus dem Forschungsreaktor in Rossendorf. 163 162 - Bundesamt-für-kerntechnische-Entsorgungssicherheit,-2017; -https: / / www.bfe.bund.de/ DE/ ne/ zwi‐ schenlager_node.html,-Abruf-5.11.2019.- 163 -Nach-Mitteilung-der-BGZ-Gesellschaft-für-Zwischenlagerung-mbH.- <?page no="233"?> 4 Geschichte des Energietransports 233 Nach massiven Protesten der Bevölkerung gegen weitere Einlagerungen in den zentralen Zwischenlagern - s. auch Kap. 8.3, Akzeptanz - beschloss die Bundesregierung 2005 den Bau von dezentralen Zwischenlagerhallen an den AKW-Standorten; die Errichtung einer zweiten Lagerhalle in Ahaus unterblieb damit. Die Standort-Zwischenlager bei den Kraftwerken gingen in den Jahren 2006/ 2007 in Betrieb, sodass inzwischen eine Vielzahl von Möglichkeiten für die Zwischenlagerung existiert, s. Abb. 4.6-136, und große Transporte vermieden werden können. - - Abb.-4.6‐135: -AKW-,-Ver‐- und-Entsorgung; -Quelle: - Deutsches-Atomforum,- Zwischenlagerung-radi‐ oaktiver-Abfälle-in-D.,- Jan.-2019- Legende : Für die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle gibt es weltweit noch keine Lösung. Auch in Deutschland hält die Suche an. 2017 hat die Bundesrepublik das Standortauswahlgesetz in Kraft gesetzt, dessen Ziel es ist, in einem „wissenschaftsbasierten und transparenten Verfahren“ einen Standort für die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle zu finden. Der in Deutschland im Jahr 2000 beschlossene Ausstieg aus der Kernenergie hat naturgemäß Einfluss auf die weitere Entwicklung von Transporten und Lagerung. Er ist jedoch eher quantitativer Art. Auch weiterhin werden Brennelemente transportiert werden - die Brennelemente-Fabrik in Lingen ist nicht vom nationalen Ausstieg betroffen und liefert schon länger ins europäische Ausland. Und die Lagerung, auch die Zwischenlagerung, reicht weit in die Zukunft hinein, wie oben beschrieben. <?page no="234"?> 4 Geschichte des Energietransports 234 Elektrische Energie Das 19. Jahrhundert gilt als das Jahrhundert der Elektrizität. Dabei ging es - stark vereinfacht - in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts um die Gewinnung der grundlegenden Erkenntnisse. Schon im ausgehenden 18. Jahrhundert hatte man sich mit der „ruhenden Elektrizität”, der Elektrostatik, beschäftigt, im 19. Jahrhundert kam die „fließende Elektrizität”, die Elektrodynamik, hinzu. Bis etwa 1850 waren die wichtigsten Grundlagen der Elektrizitätslehre, auch der Elektrodynamik bekannt und von da an begann die Suche nach den Anwendungen. Die Wissenschaftler brauchten zunächst den Strom als „fließende Elektrizität", um ihre Experimente durchführen zu können. Die galvanischen Zellenwaren hierfür die ersten verfügbaren Quellen. Ihre Handhabung war allerdings umständlich, sie degradierten und waren zugleich sehr teuer. Zunächst bestand bei der Bevölkerung kein Bedarf an Elektrizität, man war bisher auch ohne sie gut ausgekommen. Erst mit der zunehmenden Qualität und Verfügbarkeit der galvanischen Zellen fanden sich einige Anwendungsgebiete, von denen hier zwei detaillierter behandelt werden: die Galvanik und die Bogenlampe. Beides setzt eine Strom-, besser Spannungsquelle voraus. Dafür standen zu Beginn des 19. Jahrhunderts nur Batterien bzw. deren Urformen zur Verfügung. 1799 baute A. G. A. VOLTA aus 90 bis 100 Lagen Kupfer, Zink und kochsalznasser Pappe seine „Voltasche Säule", die einen Strom lieferte, sobald man ihre Enden durch einen Draht verband. Die Spannung ließ sich durch eine Schaltung in Reihe erhöhen. Auf J. W. RITTER, der auch mit W. GOETHE korrespondierte, geht die so genannte „Rittersche Säule" zurück, die ähnlich aufgebaut war. Sie bestand aus übereinander geschichteten und mit Tafelsalz (Natriumchlorid) getränkten Kupfer- und Kartonscheiben. Diese Vorrichtung konnte jedoch mit einer Voltaschen Säule geladen werden, wie er herausfand. Das war der Vorgang, der heute unter dem Begriff „Formatieren“ bekannt ist. RITTER gilt daher als der Erfinder des heutigen Akkumulators. Den ersten Akku aus Blei baute der deutsche Mediziner und Physiker W. J. SINSTEDEN. 1854 stellte er zwei Bleiplatten in ein Gefäß, das mit verdünnter Schwefelsäure gefüllt war. Durch mehrfaches Auf- und Entladen mithilfe einer Säule erhielt seine Plattenkombination eine messbare Kapazität. 1859 verbesserte der Franzose G. PLANTÉ diese Urform durch eine spiralförmige Anordnung der Bleiplatten, was die Effektivität des neuen „Bleiakkus“ noch einmal steigerte. Für eine industrielle Fertigung waren diese galvanischen Elemente zwar noch nicht geeignet. Sie erlaubten jedoch, die Anwendungen des elektrischen Stroms im Labor voranzutreiben. Die erste anwendungsgeeignete Stromerzeugung wurde durch den induktionsbasierten Generator möglich. Den ersten bekannt gewordenen Wechselstromerzeuger baute H. PI- XII auf Anregung von A..M. AMPÈRE; sein Modell war 1832 aus zwei Spulen aufgebaut, unter denen ein Permanentmagnet kreiste. Der erzeugte Wechselstrom wurde über einen integrierten Kommutator gleichgerichtet. Im selben Jahr berichtete M. FARADAY über einen Generator, der unmittelbar Gleichstrom lieferte. Ein erster kommerzieller Einsatz von Generatoren gelang der Compagnie L’Alliance, Paris, im Jahr 1849. Der ursprüngliche Gegenstand der Gesellschaft war die elektrochemische Gewinnung von Leuchtgas für die <?page no="235"?> 4 Geschichte des Energietransports 235 Beleuchtung. Tatsächlich dienten die meisten ihrer Generatoren jedoch dazu, in englischen und französischen Leuchttürmen den Betrieb von Bogenlampen zu ermöglichen, dann ohne Kommutator. Sie blieben über Jahrzehnte in Betrieb. Abb. 4.7-1 zeigt einen dieser Generatoren mit Baujahr 1870. Den eigentlichen Durchbruch in der Stromerzeugung bewirkte allerdings erst das sogenannte Dynamoelektrische Prinzip, also die Nutzung des selbsterzeugten Stroms für die Magnetisierung der Spulen. Seine Erfindung und der Bau eines ersten „Dynamo“ 1866 wird meist W. SIEMENS zugeschrieben, jedoch waren hier auch andere tätig. 164 Wie auch immer - damit waren jetzt die Voraussetzungen für eine technisch machbare und zugleich ökonomische Stromquelle geschaffen. Abb.-4.7‐1: -Dieser-Generator-der-Alliance-mit-Baujahr-1870-stammt-aus-der-Frühzeit-der-- Elektrotechnik.-Die-Rotorspulen-drehen-sich-in-einem-Feld-von-Hufeisenmagneten.-Die-Magnete-sind-in- sechs-Kränzen-angeordnet-und-geben-der-Maschine-ihr-charakteristisches-Aussehen; -Quelle: -Tech‐ nisches-Museum-Wien,-Photo- Technische Anwendung fand der elektrische Strom zunächst in der Galvanik. Der Begriff ist nach dem italienischen Arzt und Naturforscher L. GALVANI (1737-1798) benannt. Zu unterscheiden sind die Galvanoplastik, die der Herstellung von Gegenständen dient, und die Galvanostegie, die die Aufbringung metallischer Oberflächen meint. 165 Die Galvanoplastik wurde von M. H. VON JACOBI (1840) erfunden, der aus Wachs gefertigte Formen mit einer stromleitenden Schicht überzog und so mittels Elektrolyse metallische Hohlkörper herstellen konnte. Zur Herstellung auch große Objekte entwickelte R. Ch. BÖTTGER in Frankfurt eine verbesserte Methode, sodass ab der Mitte des 19. Jh. auch lebensgroße Statuen galvanoplastisch gefertigt werden konnten. 164 -So-Jedlik-1851-und-Horth-1854,-auch-Varley-und-Wheatstone,-letztere-zeitgleich-mit-Siemens.- 165 -Der-Begriff-Galvanostegie-ist-veraltet-und-heute-fast-vollständig-durch-den-allgemeineren-Begriff- Galvanotechnik-ersetzt-worden.- <?page no="236"?> 4 Geschichte des Energietransports 236 Das Verfahren hat auch heute noch seine Bedeutung, z. B. für den Formenbau in der Kunststoffverarbeitung. Die Galvanostegie hat zwei Anwendungsgebiete, die dekorative und die funktionale Galvanotechnik. Mit ersterer erreicht man optisch und haptisch attraktive Oberflächen - vergoldeter oder versilberter Schmuck, die Kunststoffgalvanisierung, die Verchromung von Stahlrohrmöbeln und Armaturen zeigen dies beispielhaft auf. Die funktionelle Galvanotechnik hat technische Funktionen, indem sie haltbare oder elektrisch leitfähige Oberflächen schafft. Beispiele sind hier der Korrosionsschutz, die Verringerung von Reibung, die Vergoldung und Versilberung von elektrischen Kontakten, auch die Oberflächenverbesserung von medizinischen Materialien und Werkstoffen. Beide Techniken, die Galvanoplastik wie auch die Galvanostegie, haben auch heute noch große Bedeutung, wie aus den zitierten Beispielen ersichtlich wird. Es wurde Licht Die nach der Galvanik wichtigste Anwendung des elektrischen Stroms wurde zeitgenössisch in der Beleuchtung gesehen, für die zunächst nur die Bogenlampe zur Verfügung stand. Sie ging auf den englischen Chemiker DAVY (1778-1829) zurück, wie näher im Kap. 4.8.1, Beleuchtung, beschrieben. Sie wurde nach einigen Zwischenschritten dann von F. VON HEFNER-ALTENECK, dem Chefingenieur von Siemens & Halske, zur Differential-Bogenlampe verbessert, s. auch Abb. 4.8-9 im Kapitel Beleuchtung. Bei dieser Differential-Bogenlampe wurden die Kohlestäbe, zwischen denen der Lichtbogen brannte, automatisch so nachreguliert, dass mehrere Lampen in Reihe oder parallel von einer Spannungsquelle versorgt werden konnten. Eine erste praktische Anwendung der in Reihe schaltbaren Differentiallampen erfolgte dann zu Pfingsten 1879 in der Kaiserpassage, anlässlich der Berliner Gewerbeausstellung; im gleichen Jahre wurde auch das Reichstagsgebäude mit Differentialbogenlampen versehen, ebenso mehrere Berliner Bahnhöfe: der Schlesische Bahnhof (1879 - 1880, temporär), der neue Anhalter Bahnhof (1879). Dass 1876 bereits die Krupp-Werke in Essen Bogenlampen installierten, beweist, dass Bogenlicht inzwischen das Interesse weiter Kreise fand. Die bei Krupp installierten Bogenlampen nutzten eine eigene Konstruktion, die sich F. KRUPP 1878 patentieren ließ. Auch außerhalb Berlins wurden Bahnhöfe mit Bogenlampen ausgestattet: Hannover 1880, Düsseldorf 1880, Elberfeld 1880 und der Neubau der Zentralstation in München 1881. Es waren dies sämtlich Einzelobjekte - noch keine Straßen- oder Stadtbeleuchtungen. Die erste probeweise Straßenbeleuchtung in Deutschland fand 1880 mit Differentialbogenlampen am Pariser Platz in Berlin statt. Ausgehend von positiven Ergebnissen errichteten im Anschluss Siemens & Halske mit eigenen Mitteln eine elektrische Beleuchtungsanlage mit 36 Bogenlampen, die in der Leipziger Straße, von der Friedrichstraße bis zum Potsdamer Tor, sowie auf dem Potsdamer Platz selbst verteilt waren. Sie ging am 20. September 1882 in Betrieb, s. Abb. 4.7-2, und hatte nach der Vorstellung von S & H den Charakter eines Großversuchs. <?page no="237"?> 4 Geschichte des Energietransports 237 Abb.-4.7‐2: -Erste-elektrische-Straßenbeleuchtung-in- Berlin,-Potsdamer-Platz,-1882; -Quelle: -Carl-Saltzmann- (1847‐1923), Gemälde,-1884- Die Maschinenanlage war auf einem Grundstück an der Ecke der Wilhelm- und Prinz- Albrecht-Straße errichtet. Es waren vier Gasmotoren mit je 12 PS aufgestellt, die von der Gasmotorenfabrik in Deutz leihweise überlassen worden waren. Drei von ihnen bedienten je eine Gleichstrommaschine Modell D0 zur Speisung von zwölf Bogenlampen für 11 Ampere, sodass die Anlage mit drei Stromkreisen arbeitete; der vierte Motor diente als Reserve. Vom Maschinenhaus bis zu den Lampen führten entsprechend sechs Bleikabel, je zwei pro Kreis. Die Anlage lief in Errichtung und Betriebsführung über Siemens & Halske, die Stadt Berlin zahlte zur Kompensation der Aufwendungen ein Fixum von 26.040 Mark pro Jahr. Über die Ergebnisse der Probeinstallation berichtete VON HEFNER-ALTENECK 1884 in der Januar-Sitzung des Elektrotechnischen Vereins. Er machte sehr offen Mitteilungen über die Selbstkosten, welche der Firma S & H aus dem ersten Betriebsjahr erwachsen waren. Sie waren nach seinem Bericht praktisch deckungsgleich mit dem von der Stadt gezahlten Fixum. In technischer Hinsicht waren Installationen und Betrieb fast störungsfrei, jedoch fiel ein hypothetischer Kostenvergleich mit der Gasbeleuchtung wenig überraschend deutlich zugunsten letzterer aus. 166 Der Großversuch brachte wichtige Erkenntnisse für die den Energietransport tragenden Leitungen. „Ganz vorzüglich hat sich ferner die durchaus neue Construction der Kabel bewährt,“ berichtete VON HEFNER-ALTENECK. Die Kabel bestanden aus einem mit getränktem Hanf umsponnenen und dann mit Blei umpressten Kupferdraht; sie wurden unterirdisch verlegt. Die Betriebsspannung betrug für jeden Kreis 650 V 167 - das war ein Innovationsprung, denn bisher lagen nur Erfahrungen mit Telegrafenkabeln vor, bei denen Spannungen von über 50 V schon als bedenklich galten. 166 -Nach-Elektrotechnische-Zeitschrift-(ETZ),-Bd.-1884,-S.-60.- 167 -Die-Lampen,-deren-Betriebsspannungen-bei-ca.-50-V-lagen,-waren-zu-je-12-in-Reihe-geschaltet; -der- Rest-erklärt-sich-aus-Leitungsverlusten.- <?page no="238"?> 4 Geschichte des Energietransports 238 Während das elektrische Bogenlicht so Schritt für Schritt Boden gewann und auch in Theatern und in den Ateliers der Photographen heimisch wurde, war bereits seit der Pariser Internationalen Elektrizitätsausstellung Jahre 1881 die Glühlampe einem breiteren Publikum bekannt geworden. Dort hatte TH. A. EDISON zum ersten Mal sein elektrisches Glühlicht in Europa vorgeführt. EDISON war ein begnadeter Erfinder und ein umtriebiger Geschäftsmann - so hat er die Glühlampe auch nicht eigentlich erfunden, sondern vielmehr verbessert und vor allem vermarktet. Die von den neuen Glühlampen ausgehenden Impulse wurden auf dem Kontinent praktisch umgehend spürbar. S & H nahmen 1882 eine Lizenz auf EDISONS Lampe, produzierten sie selbst und richteten damit Einzelanlagen ein. Das taten auch andere: P. REIꞴER in Stuttgart gilt als der erste Deutsche, der 1882 eine Blockstation 168 mit der Versorgung von 30 Glühlampen einrichtete, die von einem GRAMME-Generator gespeist wurden. Das Bogenlicht war allerdings nicht tot - es war jedoch eine ausgesprochene Starklichtlampe; auch ihre kleinsten Typen gaben immer noch 180 Kerzenstärken. Die neue Glühlampe EDISONS war dagegen ein Kleinlicht, das nur mit 16 Kerzen leuchtete - ziemlich genau so viel wie der allgemein übliche Gasschnittbrenner, dem sie auch in der Lichtfarbe ähnelte. Bogenlampen blieben deshalb auch nach dem Aufkommen und der breiten Akzeptanz der Glühlampen noch lange Zeit interessant. Auf der Basis von Blockstationen fand die elektrische Beleuchtung rasche Verbreitung. Nach einer Veröffentlichung der Deutschen Edison-Gesellschaft für angewandte Electricität in Berlin (s. Kap. 4.7.2) waren es bis zum 15. November 1884 bereits 128 Anlagen, die allein von ihr (und ohne Berücksichtigung ihrer Lizenznehmer) mit EDISON‘scher Glühlichtbeleuchtung versehen worden waren, darunter viele Textil- und Zuckerfabriken. Schnellen Eingang hatte sich das Glühlicht auch in Gastwirtschaften, Vereinshäusern, Theatern und in allen Räumen verschafft, wo sich die bisherige Gasbeleuchtung wegen ihrer großen Wärmeentwickelung und Erzeugung gesundheitsschädlicher Gase als besonders unzuträglich erwiesen hatte. 169 Die Zentralen Mit der Deutschen Edison-Gesellschaft ist zugleich der Beginn der Zentralstationen und damit der öffentlichen Stromversorgung in Deutschland angesprochen. 1881 hatte E. RATHENAU die Rechte der EDISON-Patente für Deutschland gekauft und danach 1883 die erwähnte Gesellschaft gegründet, deren Geschäftszweck die Verwertung eben dieser Patente war. Aus ihr wurde vier Jahre später die „Allgemeine Electricitäts-Gesellschaft“, abgekürzt und bekannter als AEG. Direktoren der Gesellschaft waren er selbst und O. VON MILLER. Am 19. Februar 1884 schloss die Deutsche Edison mit der Stadtgemeinde von Berlin einen Monopol-Vertrag ab, nachdem sie das Recht und die Pflicht zur Elektrifizierung der Berliner Innenstadt erhielt. Am 8. Mai 1884 wurden schließlich die Städtische Electricitäts-Werke (A.G.StEW) als Tochter der Deutschen Edison gegründet, eingetragen mit einem Aktienkapital von 3 Millionen Mark. 168 -Eine-Blockstation-versorgte-einen-Häuserblock---daher-der-Name.- 169 -Ausbreitung-der-elektrischen-Beleuchtungsanlagen,-in: -Polyt.-Journal-Bd.-255,-1885,-S.-44/ 45.- <?page no="239"?> 4 Geschichte des Energietransports 239 Die A.G.StEW wurde am 12. August 1884 in den Konzessionsvertrag mit der Stadt Berlin aufgenommen mit der Konsequenz, dass die Stromversorgung für Berlin nun ihre Aufgabe war. Am 13. September des gleichen Jahres ging die erste von ihr gebaute Blockstation im Keller eines Hauses Unter den Linden/ Ecke Friedrichstraße 85 mit einer Leistung von 100 kW Gleichstrom und einer Spannung von 100 V wird in Betrieb, s. Abb. 4.7-3. Sie versorgte das Café Bauer, angrenzende Läden und Restaurants. Abb.-4.7‐3: -Die-erste-Blockstation-der-DEG-1984; -Quelle: -Zeitgenössische-Zeichnung,- in: -Flaig,-Gerd: -AEG-Firmengeschichte- Die neue Gesellschaft erwarb vor dem Hintergrund des mit der Stadt geschlossenen Vertrages zunächst die für den Bau von Zentralstationen in Aussicht genommenen Grundstücke Markgrafenstraße 44 am Gendarmenmarkt und Mauerstraße 80 in der Friedrichstadt und begann in der Markgrafenstraße 44 mit dem Bau der ersten Station, unter maßgeblichen Mitwirkung VON MILLERS. Die Station eröffnete ihren Betrieb am 15. August 1885 mit der Festbeleuchtung des Königlichen Schauspielhauses am Gendarmenmarkt. Die Gedenktafel der Abb. 4.7-4 an der Markgrafenstraße 35 (früher 44) erinnert daran. Die technische Einrichtung bestand aus 6 stehenden Dampfmaschinen (Borsig), zwölf Dynamomaschinen mit einer Gesamtleistung von 540 kW (S&H) und einem 100-V-Gleichstrom- Zweileitersystem. Die künstlerische Darstellung der Abb. 4.7-5 lässt die etwas unorthodoxe, der innerstätischen Lage geschuldete Raumplanung erkennen. Abb.-4.7‐4: -Gedenktafel-in-der-Berliner-- Markgrafenstraße; -Quelle: -Anonymus-OTFW-Berlin- <?page no="240"?> 4 Geschichte des Energietransports 240 Abb.-4.7‐5: -Die-technische-Ausstattung-der-- Zentrale-Markgrafenstraße; -Quelle: -Die-kleine- Chronik,-AEG-Industrial-Engineering-GmbH- Die Stadt Berlin hatte der DEG und damit auch den Städtischen Elektrizitätswerken - die ja jenseits ihres irreführenden Namens eine voll private Gesellschaft waren - ein Versorgungsgebiet im Radius von 800 m um den Werderschen Markt zu alleiniger Nutzung zugestanden. Als Gegenleistung erhielt sie eine jährliche Abgabe von der Bruttoeinnahme wie vom Reingewinn. Berlin wurde damit auch Geburtsort der öffentlichen Versorgung und des Konzessionsvertrages - ein Modell, das später vielfach kopiert wurde. Dass das Konzessionsgebiet zum Start nur partiell ausgenutzt wurde, weist Abb. 4.7-6 aus. - --Abb.-4.7‐6: -Das-erste-Berliner-„Netz“-mit-der-- Zentrale-Markgrafenstraße-1885; -Quelle: - Matschoß,-C.-et-al.: -50-Jahre-Berliner-Elektri‐ zitätswerke,-Berlin-1934,-S.-13- <?page no="241"?> 4 Geschichte des Energietransports 241 Die große Nachfrage nach Anschlüssen im Bereich zwischen Leipziger Straße und Potsdamer Platz hatte schnell Folgen. Bereits im Dezember 1884 wurde die Genehmigung für eine zweite Anlage beantragt, jetzt auf dem Gelände Mauerstraße 80. Mit ihrem Bau wurde im Frühjahr 1885 begonnen, und ein Jahr später war die Anlage betriebsbereit. Das Kraftwerk Mauerstraße belieferte u. a. das Hotel Kaiserhof und versorgte auch die Straßenbeleuchtung Unter den Linden und Leipziger Straße. 1887 wurden dann beide Netze zusammengeschaltet, 1888 auf das Dreileitersystem umgestellt; zugleich wurde die Anlage in der Markgrafenstraße wesentlich vergrößert. Ab 1. Mai 1896 produzierte das Werk Mauerstraße zusätzlich Gleichstrom von 500 Volt; er war nicht für Beleuchtungszwecke gedacht, sondern versorgte die erste, auch von S & H gebaute elektrische Straßenbahn Berlins. 1889 wurde auf dem Gelände Mauerstraße und angrenzenden neu erworbenen Flächen der Bau eines neuen, erheblich größeren Werkes begonnen. Da Kraftwerk Markgrafenstraße war zwar des erste in Deutschland, weltweit lagen jedoch andere vor ihm. Nach der Anlage von EDISON in der Pearlstreet 1882 ging im gleichen Jahr die Edison-Zentralstation „Holborn Viadukt" in London ans Netz, dann die Mailänder Edison-Zentrale, die ab 1983 stufenweise in Betrieb ging. 170 In Deutschland folgten den beiden Berliner Stationen dann 1886 Dessau (nur 120 KW, gasbetrieben), Elberfeld (350 KW), 1888 schließlich Lübeck, Barmen, Darmstadt, Hamburg und Mühlhausen i. Elsass. Dass sich das elektrische Licht zumindest in der Hauptstadt rasch durchsetzte, zeigt der Verwaltungsbericht der städtischen Gasanstalt in Berlin 171 . Dort wird der Umfang der elektrischen Beleuchtung in Berlin Ende März 1887 und Ende März 1886 wie in Abb. 4.7-7 beschrieben angegeben. - Abb.-4.7‐7: -Elektrische-Be‐ leuchtung-in-Berlin,-ohne- die-für-die-öffentliche-Be‐ leuchtung-in-der-Leipziger- Straße-installierten-36-Bo‐ genlampen; -Quelle: -Polyt.- Journal-1888,-Bd.-268,-S.- 573- Der Weg war jedoch nicht ohne Schwierigkeiten. Der von AUER VON WELSBACH seit 1885 eingeführte Glühstrumpf brachte der Gasbeleuchtung eine viel beachtete Renaissance, s. auch Kap. 4.8.1. Und das Gasglühlicht war nicht das einzige Problem, mit dem die aufstrebende elektrische Versorgung zu kämpfen hatte. Wie Abb. 4.7-8 am auch zeitgenössisch oft zitierten Beispiel der Zentrale Barmen zeigt, war die Auslastung der Zen- 170 -Vgl.-Erbslöh,-F.-D.: -Die-frühen-elektrischen-Zentralanlagen-in-Elberfeld-und-Barmen,-Diss.-Universität- Bochum-1992,-S.-53.- 171 -Journal-für-Gasbeleuchtung-und-Wasserversorgung,-1888,-S.-31.- <?page no="242"?> 4 Geschichte des Energietransports 242 tralen durch das Bedürfnis nach Beleuchtung dominiert - mit deutlichem Schwerpunkt in den Abendstunden und der Winterzeit. Abb.-4.7‐8: -Tageslastkurven-der-Zentrale-Barmen-1890,-- im-Vergleich-Winter-/ -Sommer; -Quelle: -ETZ-1891,-H.-27,- -S.-359- Es fehlte also an Auslastung. Hierfür kam vor allem die „elektrische Kraftübertragung“ infrage, von der A. K. H. SLABY schon 1883 mit Berufung auf die Vorführungen von W. SIEMENS anlässlich der Berliner Gewerbeausstellung behauptet hatte: „Die elektrische Kraftübertragung ist das Schlagwort des Tages geworden in allen industriellen Kreisen und man knüpft die hochgehendsten Hoffnungen daran - und auch nicht mit Unrecht; denn sie steht in der That am Thor und verlangt Einlaß in die Industrie, sie legitimirt sich bereits durch einen vollberechtigten Platz auf Grund zahlreicher erprobter Ausführungen. Die Maschinen-Industrie wird diesen Bundesgenossen nicht von der Hand weisen, sondern sie wird seine Dienste an geeigneter Stelle sich zu Nutze machen.“ 172 Im Kostenvergleich zum Gasmotor kam SLABY zu etwa 2: 3 zu Gunsten der elektrischen Transmission und leitete daraus optimistische Prognosen ab. In allen frühen Elektrizitätswerken wurde Gleichstrom produziert, mit einer auf die Glühlampe ausgerichteten Spannung von 100 oder 110 V. Der ließ sich zwar in Akkumulatoren speichern, um die durch den Hauptverbraucher Beleuchtung am Abend auftretenden Lastspitzen aufzufangen. Ihr Nachteil lag allerdings in den hohen Anschaffungskosten und der sehr begrenzten Kapazität. Um einen Einstieg von der Seite der Strompreise zu finden, wurden in Berlin zunächst Mengenrabatte gewährt, und ab 1988 wurde ein um 25 % reduzierter gesonderter Kraftstromtarif eingeführt. Auch das erwies sich als nicht ausreichend - in den 1890er Jahren sank der Kraftstrom-Tarif in den meisten Zentralen auf 1/ 3 bis sogar 1/ 4 des Brutto-Lichtpreises. 173 Weder durch Speicherung noch durch Preisdumping konnte jedoch ein grundsätzlicher Nachteil nicht beseitigt werden: Der Versorgungsradius der Gleichstromkraftwerke war wegen der 172 -Dr.-A.-Slaby,-Vortrag-im-Berliner-Verein-zur-Beförderung-des-Gewerbefleißes,-Sitzungsbericht-März- 1883,-S.-93.- 173 -s.-Erbslöh,-Zentralanlagen,-S.-64f.- <?page no="243"?> 4 Geschichte des Energietransports 243 hohen Leitungsverluste beschränkt, anfangs auf ca. 600 m und nach technischen Verbesserungen - insbesondere der Einführung des Dreileitersystems - auf ca. 2 km begrenzt. Das war auch der Grund, weshalb die frühen Zentralen meist in der City errichtet wurden. Was weiter weg lag, war auf gesondert eingerichtete Blockstationen angewiesen. Die spielten ohnehin noch lange eine wichtige Rolle, wie auch W. SIEMENS die künftige elektrische Versorgung auf beiden Säulen stehen sah: der Zentrale und der Blockstation. Auch wegen der Reichweitenprobleme, insbesondere aber wegen im Vergleich zur Eigenversorgung immer noch hohen Preise spielte die Stromlieferung an Handwerker und Industrie für die Zentralen zunächst keine oder nur eine geringe Rolle - das Auslastungsproblem blieb weitgehend ungelöst. Noch 1895 berichtet das Bulletin de la Société d'Encouragement von zahlreichen elektromotorischen Anwendungen, die sämtlich auf eine Stromerzeugung vor Ort gestützt waren. 174 Die Übertragung elektrischer Energie über größere Entfernung war also zu einem Schlüsselproblem der Gleichstromzentralen geworden. Eine Verbesserung hatte schon die Einführung des Dreileitersystems gebracht - die Reichweite, die bei vorgegebenem Verlust mit dem Quadrat der Spannung wächst, hatte sich damit vervierfacht, s. Abb. 4.7-9. Das Fünfleitersystem, wie es von der Firma GEBR. NAGLO 1890 in Königsberg verwendet wurde, brachte dann noch einmal eine schon an die Grenzen gehende Verbesserung. Zuvor hatte schon VON MILLER als Organisator der Münchener Elektricitäts-Ausstellung 1882 zusammen mit dem Franzosen DEPRÉZ vom Prinzip der Spannungserhöhung Gebrauch gemacht, als er probeweise eine erste Fernübertragung einrichtete. Die Übertragungsleitung Miesbach-München mit einer Länge von 57 km transportierte die Energie provisorisch über den Eisendraht einer Telegrafenleitung bei einer Generatorspannung von 2000 V - mit einem Wirkungsgrad von 25 %. Zwar konnte DEPRÉZ später das Konzept mit dann 5-6 KV auf eine 112 km lange Strecke zwischen der Gemeinde Creil und Paris in Frankreich übertragen und dabei einen Wirkungsgrad von 45 % erreichen. Jedoch wurde auch klar, dass die Gleichstrom-Fernübertragung nicht die Lösung sein konnte. - Abb.-4.7‐9: -Zum-Prinzip-des-Dreileitersystems; -die- von-der-Zentrale-erzeugte-Spannung-ist-verdoppelt,- die-Versorgung-der-Glühlampen-x-auf-2-Kreise- aufgeteilt,-U/ -2=-100‐110-V,-Mp-üblicherweise- geerdet; -Quelle: -Dreileitersysten,-in: -Lexikon-der- Physik,-Spektrum-Akademischer-Verlag Für die weitere Entwicklung war entscheidend, dass nach den Transformator-Patenten von K. ZIPERNOWSKY, M. DÉRY und O. T. BLÁTHY 1885 und den amerikanischen Polyphase-Patenten von N. TESLA bzw. G. WESTINGHOUSE 175 1888 und den deutschen 174 -Anwendungen-des-elektrischen-Betriebes-bei-Hilfs‐-und-Atrbeitsmaschinen,-Polyt.-Journal-1896,-Bd.- 300,-S.-231-235.- 175 -Westinghouse-hatte-im-Jahr-1888-die-Rechte-an-den-sogenannten-Polyphase‐Patenten-Teslas-erworben.- <?page no="244"?> 4 Geschichte des Energietransports 244 Patenten des bei der AEG arbeitenden M. O. DOLIVO-DOBROWOLSKI der Wechselstrom und speziell der Mehrphasen-Wechselstrom als Alternative zum Gleichstrom zur Verfügung stand. 176 Es war WESTINGHOUSE gewesen, der in den USA 1886 erstmals ein Wechselspannungsnetz zur Beleuchtung installierte 177 . 30 weitere Beleuchtungssysteme, basierend auf Wechselspannungsnetzen, wurden 1889 von ihm eingerichtet. Und es war auch WESTINGHOUSE, der sich öffentlich gegen EDISON positionierte und so zu den Protagonisten des „Stromkriegs“ zu zählen ist. Eine Vorentscheidung in diesem Kampf der Systeme brachte schließlich die Internationale elektrotechnische Ausstellung in Frankfurt 1891. Sie kam im Verlauf der Planungen für eine Frankfurter Städtische Zentrale zustande. Denn unter den Angeboten des Jahres 1887 für eine solche Zentrale war auch eines der Kölner (Ehrenfelder) Firma Helios, das auf einphasigen Wechselstrom hinauslief - ein Novum mit Blick auf die bisher gebauten Zentralen, denn das erste öffentliche Wechselstrom-Kraftwerk in Deutschland nahm erst 1890 in Bad Reichenhall (198 kW, 62,5 Hz, mit 2000 V und 30 A) seinen Betrieb auf. Die in Frankfurt zur Angebotsauswahl eingesetzte Kommission tat sich schwer in den beiden wichtigen Punkten, der Trägerschaft und der Systemwahl. Nachdem 1889 die Entscheidung für einen kommunalen Betrieb gefunden war, blieb angesichts der vorliegenden Angebote von S & H, Schuckert und Helios die Systemwahl immer noch offen. Aufgrund eines weiteren Gutachtens 178 , das sich eindeutig für den Wechselstrombetrieb und damit für Helios aussprach, schien 1889 die Situation geklärt - bis es in Magistrat und Stadtverordnetenversammlung zum offenen Streit kam und schließlich die Entscheidung fiel, zunächst eine große elektrotechnische Ausstellung abzuhalten und deren Ergebnis als Entscheidungshilfe abzuwarten. Damit war das Projekt „Zentrale“ zunächst vertagt. Dass Ausstellungen dieser Art erheblich zur Meinungsbildung in Verwaltung und Öffentlichkeit wie auch zur technischen Entwicklung beitragen konnten, war seinerzeit fast selbstverständlich. Im Rückblick überrascht dennoch deren Fülle, wobei nur die wichtigsten berücksichtigt sind: ● Weltausstellung Paris 1878 (Kohlebogenlampen) ● Berliner Gewerbeausstellung 1879 ( elektrisch betriebene Bahn (S&H) ● Exposition Internationale d’Électricité ,Paris 1981 (mit internationalem Elektrizitätskongress, Oberleitung Bahnen) ● 2. internationale Ausstellung für Elektrotechnik, München 1882 (organisiert durch VON MILLER, Gleichspannungsübertragung Miesbach-München) ● Elektrotechnische Ausstellung Wien 1883 ● Elektrotechnische Ausstellung Turin 1884 (Erste Transformatoren) ● Weltausstellung Paris 1889 (Eiffelturm) ● Internationale Elektrotechnische Ausstellung Frankfurt / M. 1891 (Dreh- 176 -Die-Theorie-des-mehrphasigen-Wechselstroms-wird-allgemein-auf-Ferraris-und-Tesla-zurückgeführt,- s.-auch-Hübschmann,-W.,-in: -Kittler,-E.: -Handbuch-der-Elektrotechnik,-Reprint-1986,-S.-XIV.- 177 -500-V,-3-kV,-100-V---in-Great-Barrington,-Massachusetts.- 178 -Stadtrat-Lindlay-und-Prof.-Kittler,-Darmstadt.- <?page no="245"?> 4 Geschichte des Energietransports 245 stromübertragung Lauffen-Frankfurt) ● Weltausstellung Chicago 1893 (mit Elektrotechnischem Kongress) In der Frankfurter Ausstellung, zu deren technischem Leiter VON MILLER berufen worden war, 179 erhielt Helios einen prominenten Platz und präsentierte dort sein Einphasen-Wechselstromnetz mit 2000 V Spannung. Höhepunkt war jedoch die Drehstromübertragung mit 15.000 V 180 über 175 km vom Portland-Cementwerk in Lauffen/ Neckar zum Ausstellungsgelände, die gemeinsam von Oerlikon und AEG eingerichtet worden war, mit einem Drehstrommotor von DOLIVO- DOBROWOLSKI in der Sekundärstation. Das Schaltschema zeigt Abb. 4.7-10 . Die Übertragung funktionierte am Eröffnungstag wie für den Rest der Ausstellungszeit einwandfrei - anders als die Gleichstromübertragung Miesbach-München, die von zahlreichen Störungen begleitet worden war. Die gemessenen Wirkungsgrade lagen (je nach eingestellter Leistung) zwischen 68 % und 75,2 % für die Gesamtübertragung. Die Übertragungsmöglichkeit hochgespannter Wechselströme über große Entfernung war nachgewiesen und eröffnete damit ganz neue Anwendungen, insbesondere in der Variante Drehstrom. Die Fernübertragung Lauffen-Frankfurt war im Übrigen nicht die einzige der Ausstellung. Die junge Firma W. Lahmeyer & Co, Frankfurt, führte eine Gleichstromübertragung Offenbach-Frankfurt vor, also über etwa 10 km, und nur mit 2000 Volt. Das war so etwa das Maximum dessen, was mit Gleichstrom erreichbar schien. Die Perspektiven der zukünftigen Entwicklung waren damit gleichsam vor Ort abgesteckt. Abb.-4.7‐10: -Schaltschema-der-Anlage-Lauffen‐Frankfurt; -die-Sekundärseite-muss-noch-um-den- Drehstrommotor-ergänzt-gedacht-werden; -Quelle: -M.-O.-Doliwo‐Dobrowolski-1891,-http: / / www.tes‐ lasociety.ch/ TES_DOKU- - 179 -Von-Miller-war-zu-diesem-Zeitpunkt-bereits-bei-AEG-ausgeschieden-und-unterhielt-ein-freies-Büro-in- München.- 180 -8500-V-pro-Phase.- <?page no="246"?> 4 Geschichte des Energietransports 246 - - - - Abb.-4.7‐11: -Drehstromzentrale-in-- Erding-1892,-S&H; -Quelle: -https: / / as‐ sets.new.siemens.com/ sie‐ mens/ asets/ ...-/ 1892‐erding.- Für die zu bauende Frankfurter Zentrale kam der Drehstrom allerdings noch nicht zum Zuge. Nach erneutem Gutachten und im Nachgang schwer zu durchschauenden Verhandlungen wurde schließlich für ein Einphasen-Wechselstrom-Transformatoren-System votiert, nicht für den Drehstrom. Und der Auftrag ging 1893 auch nicht an die prädestinierte Helios, sondern an die neu in den Markt eingetretene Brown, Boverie & Cie. aus der Schweiz. Das erste große Wechselstromkraftwerk in Deutschland war da schon in Betrieb gegangen - 1891 in Köln. Der Vorteil, ein Wechselstromwerk außerhalb des Stadtzentrums anzusiedeln, wurde in diesem Fall voll ausgenutzt. Die erste Drehstromzentrale der Welt wurde dagegen nicht in einer Großstadt, sondern in einem kleinen Ort realisiert, 1892 von S & H in Erding, Oberbayern, s. Abb. 4.7-11. Erding teilt sich diesen Ruhm allerdings mit Heilbronn, denn schon 1890, vor der ersten Drehstromübertragung, war ein Vertrag zwischen dem Portland Cement-Werk in Lauffen, der Stadt Heilbronn und dem Büro Miller über die Errichtung eines Elektrizitätswerks aus Wasserkraft geschlossen worden. Nach dem Erfolg der ersten Fernübertragung wurden die Arbeiten am 15. September 1891 begonnen. Der Aufwand war überschaubar - Heilbronn lag an der für die Fernübertragung gebauten Trasse. Am 10. Januar 1892 floss so erstmals Drehstrom von Lauffen nach Heilbronn. 181 Elektrische Straßenbahnen Parallel zur Entstehung von Blockstationen und später der Zentralanlagen muss die Geschichte der elektrischen Bahnen gesehen werden, die die Öffentlichkeit und die Stadtverwaltungen fast noch mehr bewegte. Sie begann 1879 mit der Vorführung einer ersten elektrischen Lokomotive auf der Berliner Gewerbeausstellung, die W. SIEMENS dort persönlich vorstellte. Die kleine Lok mit der Werksnummer 1 war als Grubenbahn für den Braunkohlenbergbau „Stadtgrube" in Senftenberg gedacht), für den Ausstellungszweck eingerichtet und mit speziellen Wagen versehen worden (Abb. 4.7-12). Nicht weniger als 90.000 Menschen fuhren während der vier Monate andauernden Ausstellung auf der 300 Meter langen Strecke, s. das Motiv der Postmarke in Abb. 4.7-13. 181 -ZEAG-Energie-AG-(Hg): -Jubiläumsschrift-125-Jahre,-2013.- <?page no="247"?> 4 Geschichte des Energietransports 247 Später wurde die technische Sensation auch in Brüssel, Frankfurt am Main, Kopenhagen, London und Moskau vorgeführt. - - - - - -Abb.-4.7‐12: -Eine-neuartige-Bahn-ohne-Dampf-und-ohne-Pferde---Konstruktionszeichnung,-1879; - Quelle: -https: / / assets.new.siemens.com/ siemens/ assets/ ......germany‐berlin‐electric‐locomotive‐ 1879‐eb‐iv‐3807‐300.jpg, Original in: Organ für Fortschritte des Eisenbahnwesens Abb.-4.7‐13: -Gedenkmarke-zur-Internationalen-- Verkehrsausstellung-1979-in-Hamburg: -Quelle: -- Deutsche-Post-AG- Siemens & Halske ersuchten nach der so positiven Resonanz im Folgejahr 1880 um eine Konzession zur Anlage einer elektrischen Hochbahn in Berlin, die ihnen jedoch versagt blieb. Das Unternehmen entschloss sich daraufhin, angeregt durch zahlreiche Anfragen nach den Anlage- und Betriebskosten elektrischer Bahnen, die Ausführung einer solchen Anlage auf eigene Kosten vorzunehmen. 182 Das Ergebnis war die Elektrische Bahn Lichterfelde-Kadettenanstalt, die am 16. Mai 1881 als welterste „elektrische Eisenbahn“ in Berlin ihren Probebetrieb aufnahm. Die Strecke war 2,5 Kilometer lang, auf ihr verkehrten Wagen für je 26 Personen. Der Motor mit einer Leistung von 5 PS trieb über einen Riementrieb beide Achsen an; die Wagen erreichten eine Maximalgeschwindigkeit von 35 bis 40 km/ h. Die Stromzuleitung erfolgte über die Schienen, was im gegebenen Fall - die Bahn nutzte einen bereits vorhandenen Bahnkörper - nahelag. Notwendig war allerdings die Isolation der Wagenkarossen. Abb. 4.7-14 demonstriert, dass es sich um eine private Investition des Hauses S & H handelte, nicht um eine kommunale Einrichtung. 182 -Polyt.-Journal-1881,-Band-241,-S.-368.- <?page no="248"?> 4 Geschichte des Energietransports 248 - - - - Abb.-4.7‐14: -Fahrplan-der-weltersten-Straßenbahn-- (Eisenbahn); -Quelle: -http: / / www.feldbahn‐ riedlhuette.de/ ...Lichterfelde,-Original-Siemens-&-Halske- Die Frage der geeigneten Energiezufuhr blieb zunächst offen. Um Stromunfälle zu vermeiden, schien eine Oberleitung die geeignete Lösung. S & H stellten eine solche auf der Exposition Internationale d’Électricité 1881 in Paris vor. Auf der 500 m langen Demonstrationsstrecke war eine doppelte Schlitzrohrfahrleitung aus Messing installiert, in deren Röhren Schlitten liefen. Die Schlitten wurden über ein Kabel von der fahrenden Bahn nachgeschleppt. Die Doppelung der Leitung diente der Hin- und Rückleitung des Stroms. Ab 1884 verkehrte zwischen dem Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen und dem benachbarten Offenbach die erste kommerziell betriebene elektrische Straßenbahn Deutschlands. Sowohl die elektrische Ausrüstung als auch das eigens für den Bahnbebetrieb errichtete Elektrizitätswerk stammten von S & H. Allein im ersten Jahr wurden auf der 6,7 Kilometer langen Linie mehr als 1 Mio. Fahrgäste befördert. Auch hier war der Betreiber ein privates Konsortium. Abb. 4.7-15 zeigt einen Bildausschnitt, der die Führung der Oberleitung nach dem Prinzip erkennen lässt, das in Paris vorgeführt worden war. Da sowohl die Energiezufuhr über die Schienen als auch SIEMENS’ aufwändige zweipolige Schlitzrohroberleitungen oder auch die in den USA gelegentlich verwendeten Stangenabnehmer sehr störungsanfällig waren, blieb die Einrichtung elektrischer Bahnen für Unternehmen wie für Kommunen riskant. Dennoch war das Interesse nach den ersten positiven Berichten lebhaft, und das gleich weltweit. 1982 waren konzessioniert oder im Bau: 1) Mödling-Vorderbrühl 2,5 km, 2) bei Wiesbaden etwa 2 km, 3) bei Zaukerode in Sachsen eine Grubenbahn in den kgl. Steinkohlenwerken, 4) in London unter der Themse zwischen Charing-Cross und Waterloo-Station 2 km, 5) in Südwales 60 km, für die die elektrische Versorgung durch Wassermotoren erzeugt werden sollte, 6) in Turin und in Mailand, 7) von New-York aus 80 km und 8) bei St. Louis, Miss., 1 km; die letzteren beiden wurden von der EDISON-Gesellschaft gebaut. In der Schweiz sollten noch durch eine englische Gesellschaft elektrische Eisenbahnen von Genf nach Ferney sowie von Genf nach St. Julien nach EDISONs System gebaut werden; die eine hatte etwa 4,8, die andere <?page no="249"?> 4 Geschichte des Energietransports 249 11 bis 16 km Länge. Die Verbreitung elektrischer Bahnen stagnierte danach allerdings zunächst, bis zum Beginn der 1890er Jahre. Abb.-4.7‐15: -Zweipolige-Oberleitung-der-Bahn-Frankfurt‐- Offenbach; -Quelle: -Frankfurter-Rundschau,-Bahn‐Jubiläum-125-Jahre- - Bei der Verlängerung der Strecke in Groß-Lichterfelde 1890 über die Kadettenanstalt hinaus zum Bahnhof Groß-Lichterfelde West wurde dann die in den USA entwickelte einpolige Oberleitung übernommen. Der Triebwagen wurde mit einem sogenannten Bügelstromabnehmer ausgestattet, der von W. REICHEL, Chefkonstrukteur bei S & H, konstruiert und 1889 patentiert worden war. Solche Bügel- oder Lyra-Stromabnehmer konnten nicht vom Fahrdraht abspringen, wie das bei den Rollen- oder Stangenstromabnehmern der Fall war. Auch erlaubten sie höhere Fahrgeschwindigkeiten. Rollen- oder Stangenstromabnehmer gehörten zu den etwas älteren Bauformen. Der Amerikaner F. J. SPRAGUE setzte sie 1889 bei seiner Straßenbahn in Richmond (Virginia) ein. Die Abnehmer drückten über Stange und Feder eine Rolle gegen den Fahrdraht. Bügelstromabnehmer verbreiteten sich bei neuen Straßenbahnprojekten rasch. Sie fanden später auch bei den elektrischen Eisenbahnen Anwendung. Auch bei der ersten Straßenbahn in Australien, die Siemens & Halske 1893 baute, wurden solche Bügelstromabnehmer verwendet. Bei diesen Systemen der Stromzuführung ist es dann für Straßenbahnen bis heute geblieben, wobei die Stangenabnehmer selten geworden sind. Elektrische Straßenbahnen wurden in Deutschland am Ende des 19. Jahrhunderts ein Erfolgsmodell. Abb. 4.7-16 weist für das Reich im Jahre 1913 eine gesamte Streckenlänge von 5.809 km und rd. 2,9 Millionen beförderte Personen aus - die Bahnen waren zu einem Massenverkehrsmittel geworden. Das sind sie bis heute geblieben, trotz der Konkurrenz durch nicht schienengebundene Beförderungsformen, und oft aufgewertet durch partiell unterirdische Streckenführung. Etliche Kommunen, die in den 1960er Jahren ihre Straßenbahnen aufgegeben haben, bereuen diesen Entschluss heute. <?page no="250"?> 4 Geschichte des Energietransports 250 - - - Abb.-4.7‐16: -Die-Straßen‐ bahnen-im-D.-Reich-2013; - Quelle: -K.-H.-Kaufhold,-Art.- Straßenbahnen-im-D.-Reich- vor-1914,--in-Petzina,-D.,- Reulecke,-J.-(Hg): -Bevölke‐ rung,-Wirtschaft,-Gesell‐ schaft-seit-der-Industria‐ lisierung,-1990,-Festschrift- Köllmann,-S.-237- - Elektrische Eisenbahnen Die Elektrifizierung blieb nicht auf die Straße beschränkt, sie betraf auch die Schiene, wenn auch mit zeitlichem Versatz. Auf einer Vorortstrecke begannen S & H am 1. August 1900 einen Versuchsbetrieb mit Triebwagenzügen, deren Endwagen mit drei Fahrmotoren ausgerüstet waren. Alle Motoren konnten vom Endführerstand des jeweils führenden Wagens gesteuert werden. Der Betrieb lief mit 600 V Gleichstrom, zugeführt über eine seitliche Stromschiene. Ähnlich arbeitete der Versuchsbetrieb der UEG (Union-Electricitäts-Gesellschaft), der am 8. Juni 1903 auf einer anderen Vorortstrecke eingerichtet wurde. Die hier eingesetzten Züge waren jedoch bereits mit fortgeschrittener Steuerung ausgestattet (Schützensteuerung). Die Stromzuführung erfolgte ähnlich wie bei S & H, jedoch mit etwas niedrigerer Spannung. Die Elektrifizierung erfasste auch die U-Bahnen, ermöglichte eigentlich erst ihren weltweiten Einsatz. Zum ersten Mal konkret umgesetzt wurde das U-Bahn-Konzept in London. 1854 war hier die private „Metropolitan Railway (MetR)“ gegründet worden, die am 9. Januar 1863 mit der 6,5 km langen Strecke von Paddington nach Farringdon die weltweit erste U-Bahn-Linie in Betrieb nahm und einen Tag später für den öffentlichen Verkehr freigab. Zunächst waren die U-Bahn-Züge noch dampfbetrieben. 1890 erfolgte dann die Elektrifizierung, auch hier über eine Stromschiene. Die lange umstrittene und schließlich erfolgreiche Elektrifizierung der Londoner U-Bahn führte anschließend zu einer U-Bahn- Gründungswelle. 1896 eröffnete die Budapester U-Bahn, 1898 die Wiener Stadtbahn und zwei Jahre später die bald zu einer Berühmtheit werdende Pariser Metro. Die erste deutsche U-Bahn-Strecke (Stralauer Tor-Potsdamer Platz) wurde am 15. Februar 1902 im Rahmen eines Hochbahn- und U-Bahn-Elemente verbindenden Konzepts in Berlin der Bestimmung übergeben. Allerdings waren hier lediglich zwei der insgesamt zehn Kilometer langen Strecke unterirdisch geführt. Zehn Jahre später fuhr, ebenfalls in Kombination mit Hochbahnen, die erste U-Bahn in Hamburg. <?page no="251"?> 4 Geschichte des Energietransports 251 - Abb.-4.7‐17: -Baureihe-ET-165-„Wann‐ seebahn“-der-Berliner-S‐Bahn,-Ver‐ suchstriebwagen; -Quelle: -Christian-Lieb‐ scher,-eigenes-Werk-2007- Alternativen für den innerstädtischen Verkehr waren oft reine Hochbahnen, später als S-Bahnen bezeichnet. Sie haben ihren Ursprung in Berlin, wo ab 1924 die erste elektrifizierte S-Bahn-Strecke in den Regelbetrieb ging, versorgt mit Gleichstrom von 800 Volt, der über eine seitliche Schiene zugeführt wurde, s. Abb. 4.7-17. In Hamburg wurde 1907 ein S-Bahn-System mit Wechselstrom-Oberleitung eingerichtet, das dann 1940 nach dem inzwischen bewährten Prinzip der Berliner S-Bahn auf Gleichstrombetrieb mit 1200 Volt mit seitlicher Stromzuführung umgerüstet wurde. Durch die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs bestand der parallel (auf demselben Gleis) geführte Wechselstrombetrieb noch bis 1955. - - - Abb.-4.7‐18: -Bahnhof-Werther-Brücke-der-- ”Schwebebahn”-Barmen‐Elberfeld,-Entwurfsskizze- -von-1900; -Quelle: -Buschman,-W: Die-Wuppertaler- Schwebebahn,-in: -Denkmalpflege-im-Rheinland"-15,- 1998,-S.-20‐29- Zu den S-Bahnen gehört als Sonderform auch die als Einschienenhängebahn konzipierte „Schwebebahn“ Barmen-Elberfeld (heute Wuppertal), die am 1. März 1901 für den öffentlichen Fahrgastverkehr freigegeben wurde, s. Abb. 4.7-18. Ursprünglicher Erbauer und Betreiber der Schwebebahn war die SCHUCKERT & CO, Nürnberg. Die Technik war neu: Der Fahrstrom wurde (und wird) über eine am Gerüst der Schwebebahn angebrachte Stromschiene mithilfe eines Schleifers zugeführt - die Bahn ist bis heute in Betrieb. Die elektrische Spannung des Gleichstromsystems betrug anfangs 600 Volt, die Versorgung lief zunächst über das Elberfelder Kraftwerk. Mit Einführung der <?page no="252"?> 4 Geschichte des Energietransports 252 neuen Wagengeneration 2015 wurde die Fahrspannung auf 750 Volt erhöht. Der Rückstrom fließt über die Fahrschiene, die sich oben auf dem Traggerüst befindet. Die Stromschiene hingegen ist unter dem Träger an Isolatoren befestigt. Die federnden Stromabnehmer befinden sich oben auf dem Wagenkasten. Die Elektrifizierung von Vollbahnen lief in Deutschland über regionale Initiativen. Einerseits experimentierte man weiter mit Gleichstrom. Andererseits erwog man auch den Einsatz von Dreh- und Einphasenwechselstrom für Traktionszwecke. Mit letzterem Problem befasste sich seit dem Jahre 1898 die St.E.S (Deutsche Studiengesellschaft für elektrische Schnellbahnen). Der St.E.S. gehörten die zehn größten deutschen Elektrofirmen an, auch an der Finanzierung der Strecken interessierte Banken und führende Techniker als Einzelpersonen, um technische Lösungen zu diskutieren und auszutesten. Es war dies ein seltenes Beispiel einer breit angelegten nationalen Kooperation. Triebwagen der St.E.S. erreichten im Oktober 1903 auf einer eigens dafür ausgebauten Teststrecke von 23 km Geschwindigkeiten von mehr als 200 km/ h. Die Versorgung lief über Drehstrom (10 kV), der über eine eigenartig anmutende, weil seitlich angeordnete „Oberleitung“ zugeführt wurde, s. Abb. 4.7-19. Die Versuche waren aufwändig, aber auch eindeutig in ihren Ergebnissen. Insbesondere ergab sich, dass Drehstrom trotz aller Vorzüge wegen des komplizierten Aufbaus der Oberleitung wohl keine Zukunft bei den Bahnen haben würde. Der einfache, also einphasige Wechselstrom lag hier näher und bestimmte die weitere Entwicklung der elektrischen Vollbahnen. 183 Abb.-4.7‐19: -Der-von-AEG-für-die-StES-gebaute- Triebwagen-nach-der-Rekordfahrt-1903; -der-- Betrieb-mit-Drehstrom-machte-eine-seitliche-- Führung-der-Oberleitungen-notwendig; -Quelle: - -AEG-ST‐ES,-Grafik-unbekannt,-1903- 183 Einen-späten-Sieg-hat-der-Drehstromantrieb-dann-mit-der-Baureihe-120-der-Deutschen-Bundes‐ bahn-errungen.-Für-die-bereits-vor-dem-ersten-Weltkrieg-erkannte-Wirtschaftlichkeit-des-Drehstro‐ mantriebs-reichte-zu-Beginn-des-20.-Jh.-die-Technik-noch-nicht-aus. <?page no="253"?> 4 Geschichte des Energietransports 253 Einphasenwechselstrom für Traktionszwecke wurde 1903 von der K.P.E.V (Königlich Preußische Eisenbahn-Verwaltung) und der AEG eingesetzt, zunächst auf einer nicht sehr langen Vorortstrecke bei Berlin (4, 1 km, 25 Hz, 6 kV). Der Versuchsbetrieb auf der Berliner Ringbahn bei Oranienburg mit dem gleichen System war ebenfalls erfolgreich. Nach diesen Erfahrungen wurde es auch für Elektrifizierung der mit 26.6 km schon etwas längeren Hamburger Vorortbahn Blankenese-Ohlsdorf verwendet. Am 29. Januar 1908 begann dort der planmäßige und vollelektrische Betrieb. In Bayern wurden ab 1905 erste Erfahrungen beim Betrieb mit Einphasenwechselstrom auf der privat betriebenen Ammergaubahn gesammelt. Ab 1912 war die Mittenwaldbahn und ab 1913 die Außerfernbahn elektrifiziert, als erste echte elektrische Vollbahnstrecken in Süddeutschland. 1914 folgte die Strecke Freilassing-Berchtesgaden, jedoch wurde hier der Betrieb zu Beginn des Krieges wieder eingestellt und erst im August 1916 endgültig eröffnet. In Baden wurden 1913 die Wiesentalbahn (von Basel Bad Bf nach Zell) und die Wehratalbahn (von Schopfheim nach Säckingen), die beide der Großherzoglich Badischen Staatsbahn gehörten, mit insgesamt 47 Kilometer Streckennetz elektrifiziert, ebenfalls mit Einphasenwechselstrom, jedoch mit niedrigerer Frequenz von 15 Hz bei 15 kV. Nach den ersten Betriebserfahrungen auf der Strecke Bitterfeld-Dessau wurde in Preußen ab 1913 am Aufbau eines elektrischen Bahnnetzes in Mitteldeutschland gearbeitet, das aus einem gesonderten Braunkohle-Bahnkraftwerk Muldenstein versorgt werden sollte. Es kam, bedingt durch den Krieg, nur in Teilen zustande. Insgesamt gab es im Deutschen Reich 1914 ein 264 Kilometer umfassendes Länderbahn-Netz mit elektrischem Betrieb. Bei einem Flickenteppich konnte es auf Dauer nicht bleiben. Deshalb wurde 1912 in Vorwegnahme einer späteren Vereinigung der Teilnetze von den Verwaltungen der Bayerischen Staatseisenbahnen, der Badischen Staatseisenbahnen und der Preußisch-Hessischen Eisenbahngemeinschaft ein „Übereinkommen betreffend die Ausführung elektrischer Zugförderung“ vereinbart, das auf eine ausschließliche Elektrifizierung mit Einphasenwechselstrom (15 kV, 16⅔ Hz) hinauslief. In der Folge wurden alle Länderbahnstrecken nach diesem Standard betrieben oder, sofern eine zeitnahe Anpassung aus technischer oder finanzieller Sicht nicht möglich war, darauf zu einem späteren Zeitpunkt umgestellt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in allen europäischen Ländern die Elektrifizierung der Bahnnetze intensiv vorangetrieben, seit 2000 vermehrt auch unter dem Druck des Umweltschutzes. Dabei war lange Zeit die Vorstellung vorherrschend, dass es um die Vermeidung der lokalen Emissionen in der Form von Russpartikeln und Staub ginge, die sich bei der zentralen Stromerzeugung in Kraftwerken besser eliminieren ließen. Ende des Jahres 2010 waren 58,8 Prozent der Strecken des deutschen Bundesschienennetzes elektrifiziert. Eine vergleichende Übersicht zu anderen europäischen Ländern gibt Abb. 4.7-20. <?page no="254"?> 4 Geschichte des Energietransports 254 . -- - - - Abb.-4.7‐20: -Anteile--Elektrifizierung-bei-nationalen-Bahnen-in-Europa,-2010; -Quelle: -- Allianz-pro-Schiene-e.-V.- - In Deutschland, Österreich und der Schweiz sind gesonderte Bahnhochspannungsnetze üblich, mit einer Frequenz von 16,7 Hertz und Spannungen von 66, 110 oder 132 Kilovolt. Die Schnittstelle zwischen dem öffentlichen Hochbzw. Höchstspannungsnetz und dem Bahnstrom-Hochspannungsnetz bildet ein Bahnstromumformerbzw. Bahnstromumrichterwerk. Die Triebwagen auf der Strecke werden i. A. aus sog. Unterwerken mit Einphasen-Wechselstrom der Mittelspannungsebene von 15 KV gespeist. Eine Strukturübersicht gibt Abb. 4.7-21. . - - - - -- - Abb.-4.7‐21: -Aufbau-des-Bahnstromnetzes-der-Deutschen-Bahn; -Quelle: -- https: / / inside.bahn.de/ wordpress/ uploads/ 2017/ 01/ WE11_08_WiefuNetzDB_01.- Kraftwerke Kraftwerke entwickelten hinsichtlich der verwendeten Technik ihre eigene Geschichte. Am Beginn standen in den 1880er und 1890er Jahren kohlebetriebene Dampfkraftwerke, die zunächst mit Kolbenmaschinen ausgestattet waren. Als in der Zentrale Elberfeld 1890 eine <?page no="255"?> 4 Geschichte des Energietransports 255 erste PARSONS-Turbine mit 1000 kW erfolgreich in Betrieb ging, erhielten die Kolbenmaschinen Konkurrenz. Mit dem Jahr 1903, in dem eine erste Großturbine mit 7400 kW aufgestellt wurde, begann dann das Turbinenzeitalter. Hier standen sich zunächst zwei Bauweisen gegenüber: die einstufige Aktionsturbine von DE LAVAL und die mehrstufige Überdruck-Turbine nach PARSONS, wie schon für den Schiffsmaschinenbau in Kap. 4.6.2.2 erläutert. Von diesen extremen Bauweisen her entwickelten sich spätere Bauarten, die von beiden Prinzipien Gebrauch machten, so der Amerikaner C. G. CURTIS mit seinem aus mehreren Schaufelkränzen bestehendem Aktionsrad. Ein Problem der Anfangszeit waren die hohen Tourenzahlen, die an die Generatoren-Drehzahl von 3000 U/ min anzupassen waren. 184 Abb. 4.7-22 zeigt eine frühe Turbine nach dem PARSONS-Prinzip, wie sie im Deutschen Museum geöffnet zu sehen ist. Die weitere Entwicklung der Dampfturbinen und überhaupt der Wärmekraftmaschinen war durch Erhöhung des Dampfdrucks und der Dampftemperatur bestimmt. Von WATT im Jahre 1776 mit 0,5 Atmosphären und etwa 100 0 C bis zum im Jahr 1915 nach den Plänen von G. KLINGENBERG errichteten mitteldeutschen Braunkohle-Kraftwerk Golpa-Zschornewitz mit 15 Atmosphären und 350 0 C war ein weiter Weg zurückgelegt worden. Und er war noch nicht zu Ende; die Bemühungen von W. SCHMIDT und A. BORSIG zu weiterer Druck- und Temperaturerhöhung erbrachten sogar eine temporäre Renaissance der Kolbenkraftmaschine: Im Jahre 1929 wurden zwei Kolbendampfmaschinen mit den Daten 100 atü Eintrittsdampfdruck, 425 0 C Eintrittstemperatur, 6000 PS gebaut (und nach Ohio geliefert). Allerdings wurden bei zunehmender Leistung die Dampfturbinen gegenüber den Kolbenmaschinen so überlegen, dass die weitere Ausstattung der großen Kraftwerke der Dampfturbine vorbehalten blieb. Abb.-4.7‐22: -Überdruck‐Dampfturbine,-ähnlich-der-Parsons‐Turbine,-Dampfeintrittsdruck-9-bar,- Dampfeintritts‐Temperatur-175- 0 C,-: -Hersteller-BBC,-1902,-Drehzahl-3000-RPM,-Leistung-450-kW; - Quelle: -Deutsches-Museum,-ständige-Ausstellung- 184 -Wechselstromfrequenz-50-Hz-x-60-=-3000-U/ min-bei-einem-zweipoligen-Generator.- <?page no="256"?> 4 Geschichte des Energietransports 256 Ähnlich war das Schicksal der Großgasmaschinen, die als OTTO-Motoren ab 1895 häufig in Hüttenwerken wegen der dort anfallenden Gichtgase eingesetzt wurden. Sie wurden bis in das dritte Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts verwendet, in Leistungsbereichen bis zu 6000 PS - allerdings weniger zur Stromerzeugung, sondern meist zur Erbringung von Maschinenleistung, also Rotationsenergie. Auch sie mussten der Dampfturbine weichen. Abb.-4.7‐23: -Die-jeweils-größten-Tutbinenleistungen-konentioneller-deutscher-Kraftwerksblöcke-bis- 1973; -Quelle: -Schäff,-K.: -Die-Entwicklung-zum-heutigen-Wärmekraftwerk,-VGB-1977,-S.-165- Deren weitere Entwicklung muss auch im Zusammenhang mit den Veränderungen der übrigen Kraftwerksbestandteile und des gesamten Kreislaufs gesehen werden. Kohlestaubfeuerung und damit den Übergang zu großen Kesselleistungen gab es in Deutschland ab 1926, später abgelöst durch die Schmelzfeuerung. Kühltürme wurden notwendig, als mit steigender Leistung die Kondensation in Flusswasser oder Grundwasser nicht mehr ausreichte. Sonderentwicklungen von Turbinen, z. B. die Abgasturbine, die Mehrstufigkeit der Turbinensätze und die Einführung der Zwischenüberhitzung müssen ebenfalls genannt werden, dazu auch bei den Generatoren die Kühlung durch Wasser oder Wasserstoff. Vor allem aber die Steigerung der Blockleistungen konventioneller Kraftwerke, über die die Tabelle der Abb. 4.7-23 Auskunft gibt. Auch die Nutzung von Kernenergie bedient sich der gleichen Prozesse wie das klassische Wärmekraftwerk, lediglich ist die Verbrennung von Kohle, Öl oder Gas durch den Reaktor als Energiequelle ersetzt. Dampfturbinen in Kernkraftwerken (KKW) erreichten zunehmend höhere Leistungen, s. Abb. 4.7-24, und wurden in der jeweiligen Leistungsklasse zunächst dort eingesetzt, noch bevor sie in konventionellen Kraftwerken verwendet wurden. Sie wurden und werden in KKW häufig mit Sattdampfturbinen und auch mit halber Netz- Drehzahl von 1500 Umdrehungen pro Minute betrieben. Die leistungsstärksten Dampfturbinen (je 1755 MW) wurden für die beiden Blöcke des chinesischen Kernkraftwerks Taishan gebaut. <?page no="257"?> 4 Geschichte des Energietransports 257 Abb.-4.7‐24: -Die-Tutbinenleistungen-in-deutschen-Kernkraftwerken-bis-Inbetriebnahmen-1974; -Quelle: - Schäff,-Wärmekraftwerk,-VGB-1977,-S.-167- Bei den konventionellen Wärmekraftwerken ergaben sich in den Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg zwei neue Entwicklungen, die einen tiefen Einschnitt bedeuteten: der Übergang zu Öl und Gas bei den Brennstoffen und die Verfügbarkeit von leistungsfähigen Gasturbinen als neuer Technik. War schon 1964 der Heizöleinsatz beträchtlich, so stellte der Erdgaseinsatz von 1967 bis 1972 alle anderen Brennstoffe in den Schatten. Erst 1973 wuchs der Ölanteil wieder, als der Gasbezug aufgrund äußerer Faktoren begrenzt werden musste. Die Steinkohle wurde dabei auf einen Anteil von 23,8 % im Jahre 1980 zurückgedrängt und fiel weiter auf 18,3 % im Jahre 2011, während der Gaseinsatz fast beständig weiter anstieg (und der Öleinsatz weiter absank), siehe im Einzelnen Abb. 4.7-25. - - Abb.-4.7‐25: --Strom‐ Erzeugung-in-Deutsch‐ land--nach-Ener‐ giequellen; -Quelle: - Gesamtverband-Stein‐ kohle-e.-V.,-Jahres‐- bericht-2012,-Anhang- -- Auf die Kraftwerksgestaltung hatte der Übergang zu Öl- und Gasfeuerung naturgemäß erheblichen Einfluss - es entfielen künftig die Kohlelager, die Bekohlungsanlage, die <?page no="258"?> 4 Geschichte des Energietransports 258 Aschebunker etc. Auch konnten die Kessel erheblich kleiner gebaut werden. D as erste deutsche Ölkraftwerk, das Kraftwerk Schlling bei Stade mit seinem charakteristisch hohen Schornstein von 220 m Höhe (! ! ), ging 1960 in Betrieb. Schon länger werden in Deutschland Ölkraftwerke wegen des hohen Brennstoffpreises und aus Gründen des Umweltschutzes nicht mehr gebaut. Bestehende Ölkraftwerke können ggf. zur Spitzenlastabdeckung eingesetzt werden und gehören dann zur Kraftwerksreserve. Kleinere Ölkraftwerke, deren Leistung bis 10 MW reicht, werden oft motorisch ausgeführt und dann als Blockheizkraftwerke betrieben, die alternativ auch mit Erdgas befeuert werden können. Da die Abgase hohe Temperaturen aufweisen, können diese für nachgeschaltete Prozesse verwendet werden (z. B. Dampferzeuger / Dampfturbine), sodass sich dann ein hoher Gesamtwirkungsgrad von bis zu 58 % realisieren lässt. Gaskraftwerke sind in zwei Bauweisen verbreitet. Entweder wird über eine Kesselanlage Heißdampf erzeugt und dann in einer Dampfturbine verwertet (gasbefeuertes Dampfkraftwerk). Oder das Gas dient als Brenngas einer Turbine (Gasturbinenkraftwerk). Gasturbinen haben mittlere Wirkungsgrade, z. B. 40 %, die Abgase sind noch sehr heiß. Ihre Wärme hoher Temperatur lässt sich ein zweites Mal nutzen, z. B. über einen nachgeschalteten Dampfturbinenprozess. Beide Turbinen arbeiten auf Generatoren, s. das Schaltbild der Abb. 4.7-26, wobei Ein- und Mehrwellenanlagen bekannt sind. Die Technik ist unter dem Kürzel GuD bekannt geworden und ist hocheffizient. Der Wirkungsgrad kann theoretisch und praktisch noch weiter gesteigert werden, wenn die Abwärme der Dampfturbine als Nah- oder Fernwärme ausgekoppelt wird (Kraft-Wärme-Kopplung, s. Kap. 7.2, Kraft- Wärme-Kopplung, BHKW). Typisch für Gaskraftwerke ist, dass sie in der erzeugten Leistung schnell anpassbar sind. Auch liegt die Anfahrzeit eines Gaskraftwerks in der Regel weit unter derjenigen konventioneller Kraftwerke: Gasturbinenkraftwerk ca. 15 Min bis Volllast, gasbefeuertes Dampfkraftwerk max. 1 h bis Volllast. Sie sind somit für das Abfangen von Spitzenlasten geeignet. Das ist Bedingung für den Einsatz von Regelenergie und verhindert einen Zusammenbruch der Netze. Abb.-4.7‐26: -Prinzipschaltblld-eines- GuD‐Kraftwerks; -Quelle: -Tim-Sommer‐ werk,-energiestrom.com- - Die industrielle Nutzung von Gasturbinen begann ab 1935. Den Beginn der Nutzung im Kraftwerk machte 1940 der Standort Neuenburg/ Schweiz. Sie haben im Regelfall Leistungen von einige 100 MW und erreichen damit nicht die Leistungen großer konventioneller oder Kernkraftwerksblöcke, weisen im Vergleich zu Kohlekraftwerken jedoch geringere <?page no="259"?> 4 Geschichte des Energietransports 259 Investitionskosten, allerdings auch höhere Brennstoffkosten auf. Die oben erwähnte Kombination von Gas- und Dampfturbinen wird seit den 1970er Jahren gebaut. Bis 2009 war die hierfür verwendete Bezeichnung GuD für die Siemens AG geschützt; inzwischen ist sie jedoch Teil der Fachsprache geworden. Siemens Power erreichte 2011 zum ersten Mal in der Geschichte der Kraftwerkstechnik im Kraftwerk Irsching 4 mit einer neu entwickelten Turbine einen Weltrekord mit einer Leistung von 578 MW und einem Wirkungsgrad von 60,75 % für die kombinierte Anlage. Mehr als 60 GuD-Kraftwerke sind In Deutschland gegenwärtig (2018) in die Versorgung eingebunden. Vorteile von Gaskraftwerken sind zusammengefasst:  Der Bau eines Erdgaskraftwerks ist relativ schnell abzuwickeln und kostengünstig.  Speziell in der Bauform GuD werden konkurrenzlos hohe Wirkungsgrade von bis zu 60 % erreicht.  Stromerzeugung aus Gas ist flexibel, kann bei Bedarf schnell hochgefahren werden. Das hilft, Schwankungen im Stromnetz auszugleichen.  Früher waren die Bezugsverträge der Lieferanten oft an den Ölpreis gekoppelt, für den es eine Preisbildung an der Börse gab. Zunehmend hat sich der Gaspreis jedoch unabhängig vom Ölpreis entwickelt, unterliegt auch geringeren Schwankungen. Nachteile sind:  Erdgas emittiert naturgemäß größere Mengen von CO 2 . (Erdgas hat jedoch unter den fossilen Energieträgern noch die relativ geringsten Emissionen.)  Gaskraftwerke haben neben CO 2 noch weitere Emissionen wie Schwefel-, Kohlen- und Stickoxyde, die potenziell gesundheitsgefährdend sind.  Die bekannten Gasvorräte reichen nur noch für ca. 60 bis 70 Jahre. Neue Vorkommen, besonders von Gashydraten, könnten jedoch die Verfügbarkeitsdauer ausdehnen, ebenso Maßnahmen der Energieeffizienz.  Gas gilt als relativ teurer Grundstoff der Stromerzeugung. Die Erdgasvorkommen sind auf wenige Länder konzentriert, dies schafft bei Bedarf Importabhängigkeiten.  Die Betriebskosten sind relativ hoch, nicht zuletzt wegen der Brennstoffkosten. Regenerative Stromerzeugung Strom wird heute noch überwiegend von konventionellen Kraftwerken geliefert. Die Zukunft gehört jedoch den „Erneuerbaren“ - „Wasserkraft“, Photovoltaik, Windenergieanlagen und andere regenerativen Quellen. Wasserkraftwerke tragen seit langem zur Stromerzeugung bei. Speicherkraftwerke, die potentielle Energie verwerten, wurden bereits in Kap. 4.2.5 behandelt. Hier interessieren die Laufwasserkraftwerke, die sich auch in der Art der verwendeten Wasserturbinen von den Speicherkraftwerken unterscheiden: PELTON-Turbinen für Speicherkraftwerke, FRANCIS- und KAPLAN-Turbinen für Laufwasser- oder Flusskraftwerke. <?page no="260"?> 4 Geschichte des Energietransports 260 Als ältestes Wasserkraftwerk überhaupt gilt die Anlage im englischen Northumberland, 1880 in Betrieb genommen. Fabrikant K. FISCHER erbaute in Bad Reichenhall das erste öffentliche Wechselstromkraftwerk Deutschlands; es ging im Mai 1890 unter dem Namen Electricitäts-Werke Reichenhall in Betrieb. 185 . Es war aber auch das erste Laufwasserkraftwerk in Deutschland und dazu noch das erste öffentliche Elektrizitäts-Werk in Bayern, s. Abb. 4.7-27. Als ältestes Wasserkraftwerk in Deutschland wird gelegentlich auch das von Schöngeising genannt, das aber erst 1891 in Betrieb ging; es war mit Francis-Turbinen ausgestattet. -Abb.-4.7‐27: -„Electricitätswerk-von-K.- Fischer-in-Bad-Reichenhall-1890”; -Quelle: - Schmidberger,-Wechselstromkraftwerk,- Anhang- Auch die erste Fernleitung 1891, die Verbindung von Lauffen nach Frankfurt, basierte auf der Energiegewinnung aus einem Laufwasserkraftwerk, die das das dortige Zementwerk versorgte. Zur Stromerzeugung diente ein Drehstromgenerator, angetrieben durch die „Wasserkraft“ des Neckar - was eine doppelte Premiere bedeutete. Die Jubiläumsbriefmarke der Post in Abb. 4.7-28 zeigt das Wasserkraftwerk im zeitgenössischen Zustand. Der Beitrag der Laufwasserkraftwerke zur Stromerzeugung ist begrenzt. Die gesamte installierte Leistung summiert sich in Deutschland auf gegenwärtig (2018) rd. 2600 MW, was etwa zwei Kernkraftwerksblöcken entspricht. Sie wird von 585 großen und kleinen Laufwasserkraftwerken erbracht. Der Wirkungsgrad ist hoch - es werden etwa 94 % Stromausbeute erreicht. Die hierfür nötige Kraftwerktechnik wird als weitgehend ausgereift angesehen, auch im Hinblick auf weiteren Zubau. -Abb.-4.7‐28: -Das-für-die-Internationale-Elektrotechnische- Ausstellung-1891-in-Frankfurt-am-Main-genutzte-Wasser‐ kraftwerk-in-Lauffen-am-Neckar,-1891,-Sonderbriefmarke- zum-Jubiläum; -Quelle: -Deutsche-Post-AG-------- 185 Schmidberger,-T.: -Das-erste-Wechselstromkraftwerk-in-Deutschland,-Bad-Reichenhall-1984.- <?page no="261"?> 4 Geschichte des Energietransports 261 - Abb.-4.7‐29: -Laufwasserkraftwerke-in-Deutschland,-Stand-2003; -Quelle: -Wasserkraftwerk,-in: -Brock‐ haus-Naturwissenschaft-und-Technik,-Mannheim-2003- Abb. 4.7-29 zeigt Beispiele von Laufwasserkraftwerken in Deutschland, die zugleich die relativ geringe Leistung der einzelnen Anlagen deutlich machen. In der Summe der vielen kleinen Anlagen erreicht jedoch die installierte elektrische Leistung der deutschen Laufwasserkraftwerke immerhin 63 % aller Wasserkraftanlagen. Regional sind Laufwasserkraftwerke überwiegend im Süden Deutschlands anzutreffen, s. Abb. 4.7-30. Die großen Ströme wie Rhein, Elbe, Donau, Weser kommen für Laufkraftwerke nicht infrage, weil dort die Interessen der Schifffahrt überwiegen. Wasserkraft ist die älteste zur Stromproduktion beitragende regenerative Energieform, und dies gleich vom Beginn der Elektrizitätswirtschaft an. Seit Ende der 1980er Jahre sind Photovoltaik, Windkraft und Biomasse in einem Umfang hinzugekommen, der das gesamte Portfolio mit einem Anstieg von 3,4 % im Jahr 1990 auf inzwischen über 37 % im Jahre 2017 maßgeblich prägt, s. Abb. 4.7-31. Sie müssen als Träger der Energiewende gelten ünd werden weiter wachsende Anrteile haben, während die Wasserkraft aufgrund der beschränkten Ausbaumöglichkeiten stagniert. <?page no="262"?> 4 Geschichte des Energietransports 262 Abb.-4.7‐30: -Verteilung-der-Wasserkraft‐ werke-in-Deutschland; -Quelle: -Regenera‐ tive-Energieversorgung,-in: --LEIFI-Physik,- Joachim-Herz-Stiftung-- Legende: - --- -Laufwasserkraftwerk- --- -Speicherkraftwerk-- --- -Pumpspeicherkraftwerk---- Abb.-4.7‐31: -Anteil-erneuerbarer-Energien-an-der-öffentlichen-Nettostromerzeugung; -Quelle: -- B.-Burger,-Fraunhofer-ISE,-2017- Solare Strahlung ist unentbehrlich für das Leben auf unserer Erde, wird jedoch zunehmend auch technisch genutzt, im Zusammenhang mit elektrischer Energieerzeugung primär über den photoelektrischen Effekt, zum kleineren Teil (in Deutschland) über die Solarthermie. Beides hat eine jeweils eigene Geschichte, von der hier nachfolgend nur die Photovoltaik interessieren soll. <?page no="263"?> 4 Geschichte des Energietransports 263 Der erst später so bezeichnete photoelektrische Effekt (auch photovoltaischer Effekt genannt) geht in seiner Entdeckung auf den Franzosen A. E. BECQUEREL zurück 186 . 1839 fand er heraus, dass ein galvanisches Element seine Spannung erhöhte, wenn man es mit Licht bestrahlte. Eine Erklärung für diesen merkwürdigen Effekt konnte er allerdings noch nicht geben. 1877, also deutlich später, wies der englische Elektroingenieur W. SMITH den Effekt am Halbleiter Selen nach. Er baute eine erste einfache Photozelle.- Ein erstes „Solarmodul“ stammt vom US-Amerikaner CH. FRITTS, der 1883 mehrere Selen-Solarzellen zusammenschaltete; er kam experimentell auf 1 % elektrischer Ausbeute. Ein echtes Verständnis der Wirkungsweise hatte aber auch er nicht. 1904 kam PH. LENARD der Erklärung mit dem Befund näher, dass die Lichtstrahlen Elektronen aus Metallen herauslösen, aber es blieb zunächst noch unbekannt, wieso dies geschah. Ein Jahr später, 1905, konnte A. EINSTEIN dann nachweisen, dass die Emission der Elektronen erst bei einer bestimmten Frequenz des einstrahlenden Lichtes einsetzte und mit dessen (damals nur postulierter) Quantennatur erklärt werden konnte. Hierfür, nicht für seine viel weiter reichenden Arbeiten zur Speziellen und Allgemeinen Relativitätstheorie, erhielt er 1921/ 22 den Nobelpreis. Es brauchte allerdings die Physik des p/ n-Übergangs bei Dioden und Transistoren, die 1949 aufgeklärt war, bis die systematische Entwicklung von Solarzellen auf Halbleiterbasis möglich wurde. Die Erfindung der heute gebräuchlichen Silizium-Solarzelle geht auf das Jahr 1954 zurück und sorgte für internationales Aufsehen: Die Titelseite der New York Times verkündete die Entwicklung der ersten Silizium-Solarzellen durch D. CHAPIN, C. FULLER und G. PEARSON von den Bell Telephone Laboratories, New Jersey. Die kristallinen Silizium- Zellen von ca. 2 cm² erreichten einen Wirkungsgrad von bis zu 6 %. Damit waren dann die Voraussetzungen für eine industrielle Produktion gegeben. Erste technische Anwendungen wurde Ende der 1950er Jahre in der Raumfahrttechnik mit der Energieversorgung von Satelliten gefunden, getestet mit dem Vanguard I. In den 1960er und 1970er Jahren gab es dann durch die Nachfrage aus der Raumfahrt weitere Fortschritte. Nach den Energiekrisen in den 1970er-Jahren wurde mit öffentlicher Förderung verstärkt versucht, die Solarzelle und damit die regenerative Stromerzeugung auch für irdische Anwendungen wirtschaftlich interessant zu machen. In Deutschland wurde Im September 1990 das sog. 100 000-Dächer-Programm gestartet. Ziel war es, zu sehen, wie weit die PV-Technik bereits ausgereift war und welcher Entwicklungsbedarf noch notwendig wäre. Es war als bundesweiter, mehrjähriger Breitentest ausgelegt. Im Juli 1991 wurde das Programm auch auf die neuen Bundesländer ausgedehnt. Gefördert wurden ins Versorgungsnetz integrierte Photovoltaikanlagen von Ein- 186 -Alexandre-Edmond-Becquerel-war-Vater-von-Henri-Becquerel,-der-die-Radioaktivität-des-Urans-ent‐ deckte-und-nach-dem-später-die-Einheit-der-Aktivität-benannt-wurde.- <?page no="264"?> 4 Geschichte des Energietransports 264 und Zweifamilienhäusern im Leistungsbereich 1 bis 5 kW p187 . Im Rahmen des Programms wurden bis 1995 mehr als 2000 PV-Anlagen installiert. Führend in der Solartechnologie waren zu diesem Zeitpunkt die USA, Japan und auch die Bundesrepublik Deutschland, die mit gesetzlichen Maßnahmen wie dem erwähnten 100 000-Dächer-Programm und dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) erhebliche finanzielle Anreize bot. Das 100 000-Dächer-Programm lief Mitte 2003 aus und wurde Anfang 2004 durch die Änderung beziehungsweise Novellierung des EEG kompensiert. Die Einspeisevergütung - und darin bestand die öffentliche Förderung - wurde entsprechend angehoben. Im Jahr 2005 erreichte die Gesamtleistung der in Deutschland installierten Photovoltaik-Anlagen den 1-Gigawattpeak. Kernstück einer heutigen Photovoltaik-Anlage sind die Solarzellen. Sie bestehen aus zwei unterschiedlich dotierten Halbleiterschichten, für die verschiedene Materialien verwendet werden können. Es gibt zwei Arten von Solarzellen: kristalline und amorphe. Kristalline Zellen haben einen Anteil der weltweiten Produktion von rund 80 %. Im Vordergrund stehen immer noch Zellen auf Silizium-Basis:  Monokristalline Solarzellen: Ausgangsmaterial ist das teure Reinst-Silizium, das aus einer Siliziumschmelze herausgezogen, in Stangen gepresst und in bis zu 12 Zentimeter Durchmesser große Scheiben geschnitten wird. Die blau bis schwarzen Zellen beuten die Sonnenstrahlen im Labor bis zu 24 %, in der Praxis aber nur bis 16 % aus.  Multikristalline Solarzellen: Industriell hergestelltes Polysilizium ist billiger als die Produktion von Monokristallen. Der Wirkungsgrad der bläulichen Zellen liegt in der Praxis aber nur bei 11 bis 14 %. Zwei neuere Dünnschichtzellen arbeiten ohne Silizium, mit Material aus Kupfer-Indium- Diselenid (CID) und aus Cadmium-Tellurid (CdTe). Künftige Technik ist ein neues Dünnschichtverfahren, bei dem eine kristalline Siliziumschicht auf ein Trägermaterial aufgebracht wird. Damit kombiniert man die hohen Wirkungsgrade kristalliner Zellen mit dem geringen Materialverbrauch von Dünnschichtzellen. Eine neuere Entwicklung hat hier großes Potenzial: die quasi-monokristallinen Module. Das sind polykristalline Module, die dank einer speziellen Steuerung während des Kristallwachstums ähnliche Eigenschaften haben wie monokristalline Module. Auch sogenannte Tandem-Solarzellen stehen vor der Anwendung: Stapelt man Materialien mit Empfindlichkeiten für verschiedene Teile des Lichtspektrums übereinander, wird auch der Wirkungsgrad erhöht. Zu den neuesten Entwicklungen gehören Konzentrator- Systeme, die die Solarstrahlung mit Spiegeln oder Linsen bündeln und sie auf spezielle Konzentrator-Solarzellen richten. Gegenüber herkömmlichen Zellen verringert sich dabei die erforderliche Halbleiterfläche auf etwa ein Fünfhundertstel. 187 -Mit-kW p- wird-die-maximale-Leistung-einer-Solarzelle-bezeichnet,-die-sich-bei-voller-und-senkrechter- Einstrahlung-ergibt-(p-steht-für-„peak“).- <?page no="265"?> 4 Geschichte des Energietransports 265 Über 40 % Wirkungsgrad wurden im Labor so schon erreicht, vorstellbar sind für die Zukunft noch höhere Werte. 188 Im Überblick über die verschiedenen Zelltypen ergibt sich aus Praxiswerten: Die elektrischen Wirkungsgrade der Zellen sind ein entscheidendes Entwicklungskriterium; Abb. 4.7-32 zeigt an vier Beispielen die zwischen 2003 und 2010 erreichten Fortschritte. - Abb.-4.7‐32: -Entwicklung-der-Wirkungsgrade-von-Solarzellen,-prozentuale-Steigerung-in-der-Serienpro‐ duktion; -Quelle: -Deutsche-Gesellschaft-für-Sonnenenergie,-2010- Die Solarzellen werden zu Modulen zusammengeschaltet, in Rahmen eingefasst und mit einer Glasabdeckung versehen. Über Wechselrichter wird der erzeugte Gleichstrom in Wechselstrom umgewandelt, der anschließend für den Eigenbedarf genutzt werden kann oder ganz bzw. teilweise in das öffentliche Netz der Elektrizitätsversorgung eingespeist wird. Weitere Bauteile einer PV-Anlage sind Schaltvorrichtungen, Sicherungen und Blitzschutzeinrichtungen, s. Abb. 4.7-33. Die Aufstellflächen sollten möglichst nach Süden ausgerichtet und frei von Verschattungen sein. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Module auf Dach-, Fassaden- oder Glasflächen zur photovoltaischen Energieerzeugung eingesetzt werden. 188 -Vorstehende-Sachinformationen-aus: -Material-und-Funktion-von-Solarzellen,-in: -Das-Haus,- https: / / www.haus.de/ smart‐home/ solarenergie‐material‐und‐funktion‐von‐solarzellen,-Abruf- 22.01.2020.- <?page no="266"?> 4 Geschichte des Energietransports 266 Solaranlagen leisteten erstmals im Jahr 2005 einen bezifferbaren Beitrag zur Stromversorgung in Deutschland und spielen inzwischen mit 7,2 % am Netto-Stromverbrauch eine durchaus achtungsvolle Rolle unter den regenerativen Formen der Stromerzeugung, s. Abb. 4.7-34. 189 Abb.-4.7‐33: -Aufbau-einer-privaten-Photo‐ voltaik‐Anlage; -Quelle: -Alsol-AG,- https: / / www.alsol.ch/ html/ img/ schema- - Anfangs stark gefördert, ist die Photovoltaik durch die gewandelte Energiepolitik der Bundesregierung zunehmend auf marktfähige Lösungen angewiesen. Dem kommt entgegen, dass die Modulpreise inzwischen drastisch gesunken sind, s. Abb. 4.7-35. Dazu hat China wesentlich beigetragen: Rund zwei Drittel aller Solarmodule stammen inzwischen von dort. Der Grund: Die chinesische Regierung subventionierte und subventioniert noch ihre ohnehin lohngünstig arbeitenden heimischen Hersteller, die sich als Preisbrecher auf dem Weltmarkt durchsetzen konnten und nicht nur die deutschen Modulproduzenten praktisch verdrängt haben. Ihnen verbleibt nur noch das Geschäft mit den wichtigen Wechselrichtern, den Zählern und der Montage. -- - Abb.-4.7‐34: -Entwicklung-des- Anteils-Erneuerbarer-Ener‐ gien-am-Netto‐Stromver‐ brauch-inkl.-Netzverlusten- (Endenergie)-in-Deutschland,- Quelle: -BMWi,-AG-Energie‐ bilanzen- Dass chinesische Solarkollektoren eine sehr schlechte Umweltbilanz haben, wird in der staatlichen Förderung in Deutschland (und Europa) nicht berücksichtigt. Maßgebende Faktoren sind dabei die geringen Umweltstandards in China, die geringe Effizienz bei der 189 -Zahlen-für-2017; -bezieht-man-sich-auf-die-Brutto‐Stromerzeugung,-so-reduziert-sich-der-Anteil-der- PV-auf-6,1-%.- <?page no="267"?> 4 Geschichte des Energietransports 267 Produktion und der kohlebasierte Energiemix. „Wir schätzen, dass der Kohlendioxid-Fußabdruck in etwa doppelt so hoch ist, wenn ein Solarpanel in China hergestellt und in Europa gebraucht wird, im Vergleich zu einem vor Ort in Europa hergestellten und gebrauchten Panel“, so die Autoren einer 2014 erschienen Studie. 190. Abb.-4.7‐35: -Zum-Preisverfall-auf-dem- Photovoltaik‐Markt; -Quelle: - https: / / www.photovol‐ taik.org/ news/ marktentwicklung‐ studien- - PV-Anlagen können als Aufdach- oder als Freiflächen-Anlagen realisiert werden. Mit deutlich vermehrter Fläche wird schon die Größenordnung eines kleinen Kraftwerks erreicht. Der Hersteller Beletric hat 2013 das seinerzeit größte und modernste Dünnschicht-Freiflächen-Solarkraftwerk Europas in Templin, Brandenburg, an das Netz angeschlossen. Mit 128 MW p installierter Nennleistung wurde das Kraftwerk auf dem ehemals größten russischen Militärflughafen Gross Dölln installiert, s. Abb. 4.7-36. - - -Abb.-4.7‐36: -Solarfarm- mit-128-MW p -bei- Templin,-2013; -Quelle: - Hersteller-BELECTRIC- -- Insgesamt zeichnet sich inzwischen für die Nutzung der Photovoltaik eine positive wirtschaftliche Bilanz ab. „Während der Strom aus öffentlichen Netzen mitunter an die 190 -Untersuchung-der-Northwestern-University,-Illinois,-in-Zusammenarbeit-mit-dem-US-Department-of- Energy-Argonne-National-Laboratory,-2014.- <?page no="268"?> 4 Geschichte des Energietransports 268 30 ct/ kWh kostet, kann der Solarstrom vom eigenen Dach im Gewerbe- und Eigenheimbereich (…) bereits für 10 ct/ kWh erzeugt werden.“ 191 PV-Anlagen sind inzwischen in beiden Anwendungsformen verbreitet, der Einzelanlage und der Solarfarm. Die geografische Verteilung installierter Anlagen zeigt eine Konzentration im Süden Deutschlands, verständlich aus der höheren Einstrahlung, s. Abb. 4.7-37. Abb.-4.7‐37: -Verteilung-von-Photovoltaikanlagen-in- Deutschland,-2016; -Quelle: -Pinterest-Europe-LtD,-- Stromreport,-Infografik- Die Einrichtung von Photovoltaikanlagen ist im nördlich gelegenen Deutschland technisch und ökonomisch nicht sinnvoll. Sie konnte sich nur aufgrund hoher öffentlicher Förderung etablieren. Es überrascht nicht, dass mit der Absenkung der jeweils auf 20 Jahre garantierten Einspeisevergütung die Investitionen in zellulare Solartechnik massiv abgesunken sind, vergl. Abb. 4.7-38. -Abb.-4.7‐38: -Der-Zusammen‐ hang-von-Investition-und- Förderung-bei-Photovol‐ taikanlagen; -Quelle: -- https: / / strom‐report.de/ - -Infografik- - Strom aus Wind - dieser Gedanke ist fast so alt wie die Nutzung des elektrischen Stroms zu Beleuchtung und motorischem Antrieb. Der Schotte J. BLYTH, Dozent am Glasgow and West of Scotland Technical College, war einer der ersten Windstrom-Anwender. Sein 191 -VDI‐Nachrichten,-15.-Juni-2018.- <?page no="269"?> 4 Geschichte des Energietransports 269 Windrad versorgte 10 Glühlampen für seinen privaten Bedarf ab 1887. Er beschrieb es später so: „Ein Dreibein, mit einem rund zehn Meter großen Rotor, vier je vier Meter langen Streben mit Baumwollsegeln daran und einem Bürgin-Dynamo, der vom Schwungrad über ein Seil angetrieben wird.” 192 1891 erreichte der Windstrom dann auch Europa. Der dänische Physiker P. LA COUR errichtete in Askov, Süddänemark, eine Versuchsanlage. Resultate seiner Versuche war eine aerodynamische Formgebung der Flügel und eine Reduzierung ihrer Zahl, um die Rotation zu beschleunigen. In den Folgejahren vergrößerte sich das Interesse; Wissenschaftler begannen, die Grundlagen zu erforschen. Der wichtigste war wohl A. BETZ, Leiter der Aerodynamischen Versuchsanstalt Göttingen, der die heutige Flügelform vorgab und vor allem die Formulierung der Berechnungsgrundlagen voranbrachte. Das 1919 entstandene Betzsche Gesetz, nach dem maximal 59,3 % der kinetischen Energie des Windes genutzt werden können, ist noch heute gültig. 193 In den 1930er Jahren enervierte H. HONNEF mit seinem Projekt von 500 m hohen und 20 MW liefernden Windtürmen die deutsche Öffentlichkeit bis in die Politik hinein - ohne praktische Folgen, es blieb bei einer Idee. Anders in den USA: Die zweiflügelige Smith Putnam, 1941 bis 1945 in Betrieb, war mit einem Rotordurchmesser von 53,3 m und einem Generator mit 1,25 MW Nennleistung die weltweit erste Turbine der Megawattklasse, s. Abb. 4.7-39. Abb.- 4.7‐39: - Die- erste- große- WEA,- die- Smith- Putnam- 1941- -in-den-USA; -Quelle: -United-States-Department-of-Energy- Etwa zur gleichen Zeit entstand in Dänemark mit dem Ingenieur J. JUUL die Basis der Windkraftindustrie. Von ihm stammt das „Dänische Design”, charakterisiert durch drei Flügel, Getriebe und einen direkt ins Netz einspeisenden Generator. In der legendären Windkraftanlage von Gedser, die er für die Elektrizitätsgesellschaft SEAS gebaut hatte, probierte JUUL seine Ideen aus. Hierzu gehörte auch die Regelung durch Strömungsabriss (Stall-Regelung) und die aerodynamische Blattspitzenbremse, die bei zu hoher Drehzahl 192 -Bllyth,-J.: -Arbeit-für-die-Philosophical-Society-of-Glasgow,-2.-Mai-1888.- 193 -Veröffentlicht-in-Betz,-A.: -Wind‐Energie-und-ihre-Ausnutzung-durch-Windmühlen,-Göttingen-1926.- <?page no="270"?> 4 Geschichte des Energietransports 270 durch die Fliehkraft automatisch betätigt wurde. Die Anlage war lange Zeit die größte der Welt und lief 11 Jahre lang ohne Wartung. In den USA erforschte die NASA Multimegawattanlagen, ebenso erneuerte sich die Forschung in Deutschland, wo 1983 die „Große Windkraftanlage” (GROWIAN) in Betrieb ging, ausgelegt für drei MW Nennleistung. 1988 wurde sie nach zahlreichen Pannen und Störungen wieder abgebaut, hatte jedoch wertvolles Know-how erbracht. Die Ölpreiskrisen und das entstandene Umweltbewusstsein waren ursächlich für die weitere Durchsetzung der Windenergie. In Kalifornien z. B. war es die Steuergesetzgebung der 1980er Jahre, die dort viele kleine Windkraftanlagen entstehen ließ. In Europa gingen die Impulse von Dänemark aus, wo 1991 auch der erste kleine Offshore-Windpark der Welt mit 11 Windrädern ufernah errichtet wurde. Auch in Europa spielte die Politik hinein. In Deutschland wurde mit dem Stromeinspeisungsgesetz 1991 ein wichtiger Schritt getan, mit dem die Stromnetz-Betreiber zur Abnahme des erzeugten Windstroms zu definierten Preisen verpflichtet wurden. Weil sich Unterschiede im Ertrag nun deutlicher bemerkbar machten, wurden nicht nur mehr, sondern auch bessere Anlagen errichtet. Investoren achteten darauf, dass Versprechungen der Hersteller über die Leistung in Abhängigkeit von der Windgeschwindigkeit und über geringe Ausfallzeiten vertraglich festgeschrieben wurden. Den weiteren Ausbau verstärkte im Jahr 2001 das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) noch einmal, sodass gegen Ende des Jahres 2003 etwa zwei Drittel der europäischen Windkraftanlagen in Deutschland installiert waren. Abb.-4.7‐40: -Windenergie,-Photovoltaik-und-Biomasse-im-Vergleich,-2016; -- Quelle: -https: / / strom‐report.de,-Infografik- Windenergieanlagen werden nach vorherrschender Meinung die dominierende Rolle bei der regenerativen Stromeinspeisung übernehmen. Schon der Vergleich zum Jahr 2016 zeigt das Überwiegen der installierten Leistung der Windenergie gegenüber der Photovoltaik. Der Unterschied wird noch deutlicher, wenn man die Produktion an elektrischer Energie betrachtet - 79,8 TWh gegenüber 38 TWh bzw. 13% gegen 5,9% im Strommix, s. Abb. 4.7-40. Windkraft hat doppeltes Wachstumspotential: einerseits werden die Einzelanlagen onshore wie offshore immer leistungsstärker, s. Abb. 4.7-41, und zum anderen setzt sich die Expansion offshore mit ihren günstigen Windverhätnissen weitgehend ungehindert von regionaler Politik, Akzeptanzproblemen in der anwohnenden Bevölkerung und übertriebenen Umweltschutzrücksichten fort. <?page no="271"?> 4 Geschichte des Energietransports 271 Der Vorteil der Windkraft macht sich auch in den Zeitreihen bemerkbar, die grafisch bereits in Abb. 4.7-34 für alle regenerativen Energieformen im Strommix gemeinsam dargestellt wurden. Während Photovoltaik in der Einspeisung nach 2015 im Wesentlichen stagniert, steigen die Anteile für Windenergie sowohl onshore wie offshore deutlich. Abb.-4.7‐41: -Größen‐-und-Leistungsverbesserung-der-onshore-WEA; -Quelle: -BWE,-Factsheet-2016- Offshore-Windparks hatten in der Realisierung sowohl aus technischen wie genehmigungsrechtlichen Gründen einen deutlichen Zeitverzug. Deshalb deutet sich in der Abbildung ihr Wachstum erst an. Der Zubau von Meereswindparks hält jedoch weiter an, verstärkt sich in der Gegenwart sogar. Der Trend wird sich in Zukunft weiter fortsetzen - Meereswindparks haben deutliche Vorteile:  höhere mitllere Windstärken,  gleichmäßigere Produktion,  leichtere und schnellere Genehmigung. Brennstoffzellen Auch Brennstoffzellen sind Stromerzeuger. Ihre Erfindung wird heute mit dem Jahr 1839 verbunden, als sich SIR W. R. GROVE mit der Spaltung von Wasser durch Elektrolyse von Wasser beschäftigte. Andere Quellen nennen den deutschen Wissenschaftler CHR. F. SCHÖNBEI und das Jahr 1838. Bei der Entdeckung war die Umkehrbarkeit dieses Prozesses: die heute sogenannte kalte Verbrennung von Wasserstoff und Sauerstoff unter Produktion von elektrischer Energie. GROVES „galvanische Gasbatterie“, mit der dies nachwies, bestand aus Gefäßen mit Schwefelsäure, in die jeweils zwei Platinelektroden eintauchten, denen die eine mit Wasserstoff, die andere mit Sauerstoff umspült wurden, s. Abb. 4.7-42. In der Tat konnte er einen geringen Stromfluss durch einen außen geschlossenen Stromkreis feststellen. Doch der Strom, den sie lieferte, war viel zu schwach, um ihn praktisch nutzen zu können. Da auch die messbare Spannung zu klein war, konnte sich die frühe Brennstoffzelle nicht gegen Erfindungen wie den Elektrodynamo oder später den Verbrennungsmotor durchsetzen. <?page no="272"?> 4 Geschichte des Energietransports 272 Abb.-4.7‐42: -Schema-der-Ur‐Brennstoffzelle-- von-Grove; -Quelle: -http: / / www.die‐ brennstoffzelle.de/ zelltypen/ geschichte- -- Der Begriff „Brennstoffzelle“ bzw. „fuel cell“ wird erstmals am Ende des 19. Jahrhunderts von L. MOND und CH. LANGER verwendet, die für ihre Untersuchungen ein Brenngas aus einer wasserstoffhaltigen Mischung aus Kohle, Luft und Wasser (und es Mondgas nannten). 1894 erkannte dann W. OSTWALD, Direktor des ersten Lehrstuhls für physikalische Chemie in Leipzig, den eigentlichen Nutzen der kalter Verbrennung mit der Vision: „Haben wir ein galvanisches Element, welches aus Kohle und dem Sauerstoff der Luft unmittelbar elektrische Energie liefert [...], dann stehen wir vor einer technischen Umwälzung, gegen welche die bei der Erfindung der Dampfmaschine verschwinden muss. Denken wir nur, wie [...] sich das Aussehen unserer Industrieorte ändern wird! Kein Rauch, kein Ruß, keine Dampfmaschine, ja kein Feuer mehr..." 194 In Deutschland hat die Forschung an Brennstoffzellen eine lange Tradition. F. FISCHER beispielsweise, der erste Direktor des Mülheimer Kaiser-Wilhelm-Instituts für Kohlenforschung (heute: Max- Planck-Institut für Kohlenforschung) hielt am 30. Mai 1921 auf der Jahresversammlung Deutscher Elektrochemiker einen Vortrag, in dem er die „elektrochemische Verbrennung [von Kohle] unter Stromerzeugung …“ als eines der Hauptarbeitsgebiete seines Instituts bezeichnete. Dazu skizzierte Fischer ein technisches Verfahren, in dem aus Kohle in einem mehrstufigen Prozess elektrische Energie gewonnen werden sollte. Die letzte Stufe war eine Brennstoffzelle, die aus Gas schließlich Strom produzieren sollte. Das Verfahren wurde zwar nie verwirklicht, aber in der Brennstoffzelle wurde schon damals eine Zukunft gesehen. An der Weiterentwicklung der Brennstoffzelle waren einerseits die beiden Deutschen E. JUSTI und A. WINSEL 195 und andererseits der Engländer F. TH. BACON beteiligt. Letzterer baute 1932 eine Alkali-Elektrolyt-Brennstoffzelle mit Gas-Diffusions-Elektroden und schließlich 1952 eine 5-kW-Zelle, die er erfolgreich vorführen konnte. Der Allis-Chalmers-Brennstoffzellentraktor war dann erste technische Anwendung. Er war ein Einzelstück, das mit 1.008 Zellen und 15 kW Leistung nur die Leistungsfähigkeit der verwendeten Brennstoffzellen demonstrieren sollte. Der Hersteller, das in Milwaukee ansässige Unternehmen Allis-Chalmers, stellte es im Oktober 1959 der Öffentlichkeit vor. 194 -Ostwald,-W.: -Vortrag-gehalten-vor-der-2.-Jahresversammlung-des-Verbandes-der-Elektrotechniker- Deutschlands,-n8.-Juni-1894-in-Leipzig,-in: --Z.-für-Phys.-Chemie,-15.-Bd.,-Heft-4.- 195 Zur-Geschichte-s.-auch-die-Darstellung-in-Justi,-E.,-Winsel,-A..: -Kalte-Verbrennung.-Wiesbaden,-1962.- <?page no="273"?> 4 Geschichte des Energietransports 273 In den 1960er Jahren erregte K. KORDESCH von Union Carbide Aufsehen, als er ein unter seiner Leitung gebautes, von einer Hydrazin/ Luft-Brennstoffzelle angetriebenes Motorrad fuhr, das mit einer Gallone Hydrazin 320 km weit kam. 1970 brachte er schließlich auch das erste zugelassene Brennstoffzellen-Auto, einen umgebauten Austin-PKW, in Verkehr. Hier kommt K. KORDESCH selbst zu Wort: „Ich habe schon gesagt, dass ich bei UCC große Freiheiten hatte. Deshalb entschloss ich mich, selbst ein Auto mit einer Brennstoffzellen-Anlage auszurüsten. Eigentlich wollte ich Ammoniak als Energieträger verwenden, ein leicht verflüssigbares Gas unter geringem Druck, allgemein verfügbar, nicht explosiv. Leider waren aber damals nur kleine Ammoniak-Cracker verfügbar, so blieb ich beim Wasserstoff in Stahlflaschen. Das Fahrzeug, ein Austin A-40, Baujahr 1965, konnte ich von einem Nachbarn, der den Motor wegen Ölmangel ruinierte, in sehr gutem Zustand billigst kaufen. Die 6-Kilowatt-90 Volt-Brennstoffzelle wurde von meiner Assistentin Marge Macechko mithilfe der Elektroden, die vom Electrovan übrig geblieben waren, gebaut. Die Zubehöraggregate wurden in der UCC-Werkstätte nach meinen Zeichnungen kostenlos hergestellt. Der eigentliche Umbau des Austin A-40 erfolgte in meiner Garage in meiner Freizeit. Zuerst war es etwa ein Jahr lang als reines Bleibatteriefahrzeug zugelassen und auch als Familienfahrzeug in Verwendung. Dann erfolgten der Einbau der Brennstoffzellen-Anlage im Kofferraum und das Montieren der Wasserstoffzylinder am Dach. Der Wagen konnte immer noch vier Personen und unseren Hund Coco befördern. Einen Kofferraum gab es aber leider keinen mehr. Eine Begrenzung war durch die Versorgung mit Wasserstoff gegeben. Auf Reisen, z.B. bei Fahrten zu Tagungen oder Ausstellungen, wurde der Wagen an unser Auto angehängt. Da die Kombination mit der Bleibatterie auch jeden Kaltstart und jede Bergfahrt ermöglichte, war kein Unterschied im Vergleich zu dem früheren Batteriefahrzeug bemerkbar, aber die Fahrstrecke zwischen den Tankfüllungen war etwa sechsmal länger (300 statt 50 Kilometer) …“ 196 Heute stehen verschiedene Typen von Brennstoffzellen zur Verfügung, die sich vor allem in der Wahl des Elektrolyten unterscheiden, was sich in besonders in den verschiedenen Arbeitstemperaturen spiegelt. Wegen der nur begrenzten Spannung der einzelnen Zellen werden diese zu Stapeln (Stacks) zusammengefasst, was sich im Typenblatt der industriellen Fertigung dann am Beispiel so liest: 197 FC-42/ HLC: Brennstoffzellenstapel mit 42 Zellen für Wasserstoffbetrieb und Flüssigkeitskühlung (Hydrogen, Liquid Cooled) Die Verschaltung der Module ermöglicht dann unterschiedliche Konfigurationen, am gewählten Beispiel wiedergegeben: 196 -Zitiert-aus-Pehnt,-M.: -Energierevolution-Brennstoffzelle? ,-Weinheim-2002,-S.-95-f.- 197 -Aus-Handbuch-für-Schunk-Brennstoffzellen‐Stacks.- <?page no="274"?> 4 Geschichte des Energietransports 274 Die Darstellung der Abb. 4.7-43 lässt erkennen, dass das Anwendungsspektrum der Brennstoffzellen breit gefächert ist - es reicht von Kleingeräten über die Hausversorgung bis hin zu Block- und Heizkraftwerken. Abb.-4.7‐43: -Bauweisen-und-Anwendungsbereiche-heutiger-Brennstoffzellen; -Quelle: -Brennstoffzelle,- in: -Fossile-Energieversorgung,-LEIFI-Physik,-Joachim-Herz-Stiftung.- Ihren eigentlichen Wert hinsichtlich mobiler Anwendung gewann die Brennstoffzelle ab den 1950er Jahren mit der beginnenden Raumfahrttechnik. Abb. 4.7-44 zeigt als Beispiel den Brennstoffzellenmodul des Apolloprogramms. Auch die militärische Verwendung ließ nicht lange auf sich warten: Ingenieure der Howaldtswerke Deutsche Werft (HDW) in Kiel beschäftigten sich schon seit 30 Jahren mit Einsatzmöglichkeiten in der Schifffahrt. Ihnen ging es allerdings nicht um konventionelle Schiffe, sondern um U-Boote. Sie sollten für die Unterwasserfahrt eine Brennstoffzelle bekommen. Damit sollte es möglich sein, deutlich länger zu tauchen als ein konventionelles U-Boot, das den Elektroantrieb mit einem konventionellen Akkumulator speist. Anfang des Jahrtausends stach schließlich das erste so ausgerüstete U-Boot der Klasse 212 A in See. - -- - Abb.-4.7‐44: -Apolloprogramm,-alkalische-Brennstoffzellen- von-Pratt-&-Whitney; -Quelle: -Brennstoffzelle,-in: -Achmed-A.- W.-Khammas,-Buch-der-Synergien- - <?page no="275"?> 4 Geschichte des Energietransports 275 Die Brennstoffzelle konnte seitdem kontinuierlich ihren Stellenwert steigern; sie ist längst auch im konventionellen Schiffbau in Gebrauch, s. Abb. 4.7-45, sowie in der Haustechnik, wo sie als Brennstoffzellenheizung Strom und Wärme gleichzeitig erzeugt. Beispiele im Rahmen der allgemeinen Energieversorgung sind noch die Ausnahme. Auf Island jedoch wird die Brennstoffzelle im Zuge der dort eingeführten Wasserstoffwirtschaft bald flächendeckend eingesetzt sein. Abb.-4.7‐45: -Brenn‐ stoffzelllenmodul-an- Bord-einer-Yacht; -Quelle: - Brennstoffzelle,-in: -Welt- Lexikon,-Berlin-2007,- ©Weltgrafik- -- Die momentan leistungsfähigste stationäre Brennstoffzelle ist eine Hochtemperatur-Wasserstoff-Sauerstoff-Brennstoffzelle und steht im Forschungszentrum Jülich. Die serienmäßige mobile (= automobile) Verwendung ist in der Vorbereitung, z. T. auch schon auf dem Markt, s. Kap. 4.6.6. Strahlungsenergie Der Begriff Strahlung umfasst einen weiten Bereich von Phänomenen: natürliches und künstliches Licht, Wärmestrahlung, Laser-Strahlung, Mikro- und Radiowellen, Röntgenstrahlung, Radioaktive Strahlung. Strahlung wird einerseits zur Übertragung von Energie genutzt, dient aber andererseits auch zur Übermittlung von Nachrichten oder Bildern, allgemein von Information. Letzteres ist nicht Gegenstand der Behandlung an dieser Stelle - zwar wird auch hier (eine meist geringe) Energie übertragen, jedoch ist primärerer Zweck die Information 198 . Beleuchtung Licht zur Beleuchtung ist eine alte Kulturtechnik. Sie lässt sich grob in zwei Epochen einteilen: Die Zeit vor und die Zeit nach Erfindung und Nutzung der menschengemachten Elektrizität. 198 -Bzw. von Entropie; der Informationsgehalt einer Nachricht wird durch deren Entropie ausgedrückt.- <?page no="276"?> 4 Geschichte des Energietransports 276 Die Zeit vor der Elektrizität Die Erfindung und Nutzung der ersten Beleuchtung kann man auf eine Zeit um 7.000 v. Chr. datieren. Zu dieser Zeit wurden noch keine Metalle, sondern hohle Steine und Muschelschalen für den Bau genutzt. Diese wurden dann mit Moos und anderen natürlichen Materialien befüllt, die mit Tierfetten bearbeitet wurden. Die wohl wichtigste Form der antiken Beleuchtung war jedoch der Kienspan, von dem sich aus verständlichen Gründen nur wenige Beispiele erhalten haben. Aus den Funden in den Salzbergwerken Hallstatts und Halleins (Österreich) geht jedoch hervor, dass die Späne Längen von bis zu 60 cm hatten. Fackeln waren selten und dienten meist kultischen Zwecken. Griechische Fackeln bestanden aus harzhaltigem oder pechbestrichenem Holz, oft zu Bündel zusammengefasst. Fackelmotive finden sich gelegentlich in Vasenmalereien, s. Abb. 4.8-1. -Abb.-4.8‐1: -Attische-Vasenmalerei-- 5.-Jh.-v.-Christus; -Quelle: -Antiken‐ sammlung-München- Die Anfänge der (mit organischem Material befüllten) Öllampen sind im östlichen Mittelmeerraum zu suchen und gehen auf das 3. Jahrtausend v. Chr. zurück. Anfangs wurden offene Schalen verwendet, später erreichten sie die in Abb. 4.8-2 wiedergegebene Form. Öllampen wurden mit Olivenöl gespeist, das allerdings in Griechenland erst seit dem 6. Jh. v. Chr. nennenswert zur Verfügung stand und außerdem teuer war. Öllampen wurden so zu einer Lichtquelle der „Reichen“. --Abb.-4.8‐2: -Keramische-Öllampe-um- 100-v.-Chr,-vermutlich-Pergamon; - Quelle: -British-Museum-London- <?page no="277"?> 4 Geschichte des Energietransports 277 Die Römer übernahmen alle drei Techniken - Kienspan, Fackel und Öllampe. Bei ihnen kamen vermehrt mehrflammige Öl-Leuchten in Gebrauch, z. T. aus Bronze; in der Spätantike findet sich auch das neue Glas als Material, selten in der Form der sog. Netzgläser, s. Abb. 4.8-3. -Abb.-4.8‐3: -Hängelampe-aus-weißem-Netzglas-mit- erhaltenen-Aufhängungen; -Quelle: - https: / / www.antike‐tischkultur.de,-Abruf- 22.01.2020- Die Römer kannten auch die Kerze, meist aus Bienenwachs, aber auch aus dem billigeren Rindertalg. Ihr Gebrauch beschränkte sich auf besondere Gelegenheiten. Das Mittelalter brachte wenig Veränderung: Holz, Öl, Talg, Pech, Wachs waren weiterhin die üblichen Brennstoffe, darunter das Öl dominierend. Verbesserungen gab es allerdings in der technischen Ausführung: Klemmhalter für die Kerzen, Schirme zur Lichtlenkung, Schutzvorrichtungen gegen Zug und Wind sind Beispiele hierfür. Aus letzteren entwickelte sich die Bauform der Laterne, für die in Abb. 4.8-4 einige Beispiele wiedergegeben sind. 199 Im 18. Jh. erlebte das bisher unveränderte Konzept der Lampe mit der Erfindung des Zentralbrenners eine größere Veränderung. Damit wurde die Nutzung einer separaten Brennquelle möglich. Eine weitere Verbesserung war das Hinzufügen eines Metallrohres, mit dem die Intensität der Flamme reguliert werden konnte. Auch das Glasrohr ist zu nennen, das jetzt Schutz für die Flamme bot, gleichzeitig aber auch die Kontrolle des Luftzuges einfacher machte. Abb.-4.8‐4: -Mittelalterliche-Laternenformen; -- Quelle: -v.-Benesch,-Beleuchtungswesen,-Gruppe- VIII,-Laternen-und-Lampions- 199 -S.-auch-Edler-von-Benesch,-Ladislaus: -Beleuchtungswesen-vom-Mittelalter-bis-zur-Mitte-des-19.-Jh.,- Wien-1905.- <?page no="278"?> 4 Geschichte des Energietransports 278 Und schließlich gab es mit dem neuen Brennertyp des Schweizer Chemikers A. ARGAND 1783 eine echte Innovation. ARGAND nutzte zum ersten Mal einen hohlen Kreisdocht in einer Öllampe. Der Brenner war aus einem Metallzylinder mit doppelter Wand konstruiert, der Kreisdocht in den Zwischenraum eingeführt. Die Luft strömte jetzt durch den inneren Zylinder, und zusammen mit einem Blechzylinder (später Glaszylinder) über der Flamme war das Ergebnis eine ruhige Flamme mit hoher Lichtausbeute. Abb. 4.8-5 zeigt eine Studierlampe mit ARGANG-Brenner. Abb.-4.8‐5: -Öllampe-mit-Argand‐Brenner; -Quelle: -Lothar-Spaniol,- Antik‐Öllampen,-http: / / www.antik‐oellampen.de- Die eigentliche Revolution im Beleuchtungswesen stand jedoch noch bevor. Sie ist mit der Verfügbarkeit des Stadtgases verknüpft, über dessen Entstehung und Einführung in Kap. 4.6.4, Stadtgas, bereits ausführlich berichtet wurde. Dort wurde auch deutlich, dass die treibende Kraft von der Beleuchtung ausging, für die das Gas eine neue und attraktive Perspektive bot. Vom Anfang der 1850er Jahre nahm die Verbreitung der Gasbeleuchtung rasch zu; namentlich bedeutend war die Neuerrichtung von Gaswerken in den 1860er Jahren. 1826-1849 wurden in Deutschland 35, 1850- 1859 176, 1860-1869 sogar 340 und 1870-1875 51 Anstalten errichtet. 1902 zählte Deutschland etwa 1.200 örtliche Gaswerke, darunter über 750 Zentralen, die zur Versorgung von Stadtgebieten dienten. Im Jahre 1895 betrug der Gasverbrauch im Deutschen Reich 733 Mio. cbm, hiervon kamen auf Großberlin allein ca. 200 Mio. cbm. Die weit überwiegende Verwendungsart war immer noch die Beleuchtung - nur 87,5 Mio. cbm dienten anderen Zwecken. 200 Die Verbrennung des Leuchtgases erfolgte auf sogenannten Brennern. Die Lichtentwicklung war außer von der Qualität von der Menge des ausströmenden Gases sowie von der Form der Ausströmöffnung abhängig. Hier hatten sich verschiedene Grundtypen entwickelt: 200 -Daten-aus-Hess,-H.: -Die-Entwicklung-der-Beleuchtungstechnik,-Bunzlau-1902,-S.-22.- <?page no="279"?> 4 Geschichte des Energietransports 279  Der Strahlen- oder Einlochbrenner, bei welchem das Gas aus einem runden Loch ausströmte und die Form einer Kerzenflamme annahm,  der Fledermaus- oder Schnittbrenner. Bei diesem strömte das Gas durch einen Schnitt aus, der den Brennerkopf in zwei Teile teilte,  der Zweilochbrenner, Fischschwanz- oder Manchesterbrenner, bei welchem zwei unter einem rechten Winkel gegen einander geneigte Ausströmungsöffnungen vorhanden waren,  der Zwillingsbrenner, aus zwei geneigten Schnittbrennern bestehend,  der sog. ARGAND-Brenner, bei dem der Brenner ringförmig war und oben eine größere Anzahl (16-40) Löchern von 0,5-1,5 mm Durchmesser hatte. Es entstand hierdurch ein hohler, brennender Gaskegel, wie es oben schon für die Flamme der Öllampe nach ARGAND beschrieben ist. Ein Beispiel eines Gasbrenners für Wohnräume aus den Vereinigten Staaten zeigt Abb. 4.8-6, Abb. 4.8-7 ein Beispiel aus der Anwendung in der Technik. Abb.-4.8‐6: -Gaslampe-in-der-Mississippi-State-Capitol-- Senate-Gallery; -die-Glasglocken-sind-entfernt; -Quelle: - https: / / commons.wikmedia.org/ w/ ......File: MS_State- _Capitol_Senate_Gallery_gas_lamp- - - -- Abb.-4.8‐7: -Gaslampe-für-den-Gebrauch-in-Laboratorien,-London-1852; -- Quelle: -Hofmann,-A.-W.,-in: -Polyt.-Journal-1852,-Band-123,-Nr.-LXI.-(S.- 359-360)- Im gesamten 19. Jahrhundert hielten die Bemühungen an, das Gaslicht zu verbessern. Die zur Verfügung stehenden Parameter waren im Wesentlichen  die Beschaffenheit des Gases,  der Gasdruck,  die Konstruktion der Lampen, hier insbesondere die Gestaltung des Gasaustritts und die Führung der Luft, <?page no="280"?> 4 Geschichte des Energietransports 280  die Ausführung der Absperrbzw. Schaltorgane. Aus der umfangreichen Literatur sei hier nur das Handbuch für Steinkohlengas - Beleuchtung aus dem Jahre 1866 genannt. 201 Eine Sonderstellung nahm die gasgestützte Straßenbeleuchtung ein, über deren sukzessive Einführung schon in Kap. 4.6.4 berichtet wurde. Sie löste die schon lange übliche Beleuchtung der Straßen durch offene Schalen mit Tran oder Öllampen ab. 1667 waren in Paris erstmals Öllampen im großen Stil zur Beleuchtung von Straßen eingesetzt worden. König LUDWIG XIV hatte in den 912 Straßen von Paris 2736 Öllampen aufstellen lassen, um die öffentliche Ordnung zu kontrollieren. Danach folgten: • London 1668 • Amsterdam 1669 • Hamburg 1673 • Berlin 1679 • Wien 1687 • Leipzig 1702. Die Umstellung auf Gas war ein Prozess, der jeweils seine ortsspezifische Geschichte hat, insbesondere abhängig von der Verfügbarkeit einer Gasanstalt. So wurde z. B. in Hamburg die erste Gaslaterne 1845 nach dem Bau der Gasanstalt auf dem Grasbrook, 1844 - 1845, aufgestellt. Vertraglich wurde festgelegt, dass die neuen Laternen einen Abstand von 90 Hamburger Fuß (entspricht 25,74 m) voneinander haben sollten und der Helligkeit von 12 Wachskerzen bester Qualität entsprechen müssten. 202 Da die Gaslaternen zunächst einzeln und von Hand angezündet werden mussten, wurde der in Abb. 4.8-8 dargestellte, mit langer Stange ausgerüstete Laternenanzünder ein neues Element des städtischen Alltags, das die bisher üblichen Versorger, Nachstöcker und Anstecker beim Leuchtenwesen“ 203 ablöste. Später wurden die Lampen mit Druckstößen aus dem Netz in Betrieb gesetzt. Voraussetzung hierfür war allerdings neben einer neuen Ventilkonstruktion auch eine immer brennende Zündflamme. Die Gasbeleuchtung erlebte und überlebte gegen Ende des 19. Jh. drei einschneidende Innovationen: das elektrische Bogenlicht, das AUER-Glühlicht und die elektrische Glühlampe. Das Bogenlicht ging, wie schon in Kap. 4.6.4 erwähnt, auf den englischen Chemiker DAVY (1778-1829) zurück, der 1802 mit Hilfe einer starken Batterie von 2000 galvanischen Elementen und zweier Holzkohlenstifte einen sehr hellen Lichtbogen von ca. 10 cm Länge erzeugen konnte. Sie blieb auch wegen ihrer durch den Abbrand verursachten kurzen Brenndauer zunächst unbeachtet. 201 -Schilling,-N.-H.,-Knapp,-F.: -Beleuchtung,-mit-einer-Geschichte-der-Gasbeleuchtung,-in: -Handbuch-für- Steinkohlengas,-2.-Aufl.-München-1866.- 202 -Sellenschlo,-K.-H.: -Streetlight‐Hamburg,-info@streetlight‐hamburg.de.- 203 -So-in-„Instruction-für-die-Versorger,-Nachstöcker-und-Anstecker-beim-Leuchtenwesen-“-der-Stadt- Hamburg-von-1819.- <?page no="281"?> 4 Geschichte des Energietransports 281 Abb.-4.8‐8: -Der-Laternenanzünder-im-19.-Jh.; -Quelle: -- Rehbein,-A.: --Energiegeschichte,-Juli-2014,-enso-blog- In den 1840er Jahren entwickelten W. E. STAITE und W. PETRIE eine Reihe von Verbesserungen, u. a. einen Nachführmechanismus für die Kohleelektroden. Damit konnte die Betriebsdauer deutlich gesteigert werden. Bogenlicht wurde jetzt öffentlich vorgeführt, gespeist von galvanischen Batterien. Ein erstes Beispiel ist wohl die Beleuchtung des Place de la Concorde in Paris im Jahre 1844 durch L. J. DELUIL. Weitere Expositionen folgten: 1849 der Versuch einer Straßenbeleuchtung durch JACOBI in St. Petersburg (temporär), 1850 Dresdner Oper, 1856 Krönung von Zar Alexander II in Moskau, im gleichen Jahr Bogenlichtbeleuchtung auf den Champs-Élysées (temporär). Die erste kommerziell erfolgreiche Kohlebogenlampe wurde von dem Russen P. N. JABLOTSCHKOW entwickelt 204 . Die Lampe war mit einer isolierten Parallelführung der Elektroden so ausgeführt, dass die komplizierte Mechanik zur Nachführung der Kohleelektroden entfiel. Die „Jablotschkowsche Kerze“ wurde mit einem neuartigen Generator von GRAMME auf der Weltausstellung Paris 1878 vorgestellt und von GRAMME selbst vermarktet. Generell vereinfachte die Verfügbarkeit von Generatoren nach 1866 die Beleuchtungsvorhaben, die bis dahin nur über galvanische Elemente betrieben wurden. SIEMENS ging einen anderen Weg. Sein Chefkonstrukteur VON HEFNER-ALTENECK konstruierte und baute die sog. Differentialbogenlampe, s. Abb. 4.8 9. Sie hatte den Vorteil, dass sich jetzt mehrere Lampen über einen Generator betreiben ließen, parallel wie auch in Reihe. Seine Erfindung beschreibt er selbst folgendermaßen: „Neue elektrische Lampe mit Regulierung des Lichtbogens auf gleichen Widerstand, unabhängig von Veränderungen im äußeren Stromkreis. Viele solcher Lampen sind in den nämlichen Stromkreis oder parallel zueinander schaltbar.“ 1880 erleuchteten 18 Bogenlampen die Hamburger Gartenbauausstellung. Die Bogenlampen, die 1881 im Londoner Savoy-Theater in Betrieb gingen, stammten von Siemens Brothers und waren vermutlich Differentialbogenlampen nach VON HEFNER-ALTENECK. 204 -Die-„Jablotschkowsche-Kerze“-wurde-1876-in-Paris-patentiert.- <?page no="282"?> 4 Geschichte des Energietransports 282 Abb.-4.8‐9: -Schematische-Darstellung-einer-Differentialbogenlampe-nach-von- Hefner‐Alteneck,-veröffentlicht-1897; -Quelle: -Das-Buch-der-Erfindungen,- Gewerbe-und-Industrien-von-Otto-Spamer,-1897,-Dritter-Band,-Verlag-und- Druck-Otto-Spamer- . Andere Städte zogen in der Nutzung des Bogenlichts für eine (naturgemäß nur partielle) Beleuchtung ihrer Straßen nach. Nach Nürnberg und Berlin folgten Hannover und Hamburg. München hatte 1893 die ausgedehnteste elektrische Straßenbeleuchtung Deutschlands. Die Annahme der „Elektriker”, damit sei das Gaslicht zumindest für die Straßenbeleuchtung nicht mehr die erste Wahl, erwies sich jedoch als verfrüht. Das Gaslicht hatte für Wohnungen, öffentliche Gebäude und Straßen Entwicklungspotential. Nach der Erfindung des Gasglühlichts durch C. AUER, Freiherr VON WELSBACH 1885 dauerte es nicht lange, bis der Glühstrumpf seine Marktreife erlangte und dem Gaslicht zu neuer Blüte verhalf. Das AUER-Licht war allen damals bekannten Lichtquellen in Helligkeit und Betriebskosten überlegen. So wurde es ab den 1890er Jahren zunehmend auch als Straßenbeleuchtung verwendet, in Berlin z. B. ab 1895, bei der Preußischen Eisenbahngesellschaft ab 1996. Über den Siegeszug des AUER-Lichtes wurde im Kap. 4.6, Stadtgas berichtet. Hier sind Einzelheiten nachzutragen, die sich auf Technik, Beleuchtungsqualität und Wirtschaftlichkeit beziehen. Am ehesten lassen sich die Ergebnisse der zahlreich angestellten Vergleiche durch das Gutachten von RENK darstellen, der 1893 formulierte: 205 205 -Prof.-Renk,-Dir.-des-Hygienischen-Institutes-der-Universität-Halle,-nach-Polyt.-Journal-1893,-Band- 289/ Miszelle-7-(S.-119-120).- <?page no="283"?> 4 Geschichte des Energietransports 283 „1) Das Gasglühlicht erspart durchschnittlich 50 Proc. an Leuchtgas, verglichen mit Schnitt- und Argandbrennern, und etwa 28 Proc. gegenüber Regenerativbrennern. 2) Das Gasglühlicht verunreinigt die Luft beleuchteter Räume viel weniger als andere Gasflammen, es liefert nur halb so viel Kohlensäure als diese, keine oder nur verschwindende Mengen unvollkommener Verbrennungsproducte und weniger als die Hälfte Wärme; auch russt es nie. 3) Das Gasglühlicht gibt doppelt so viel Licht als ein Argandbrenner und etwa 4mal mehr als ein Schnittbrenner. 4) Es liefert zwar nicht die doppelte bezieh. vierfache Helligkeit auf darunter befindlichen Plätzen, erhöht aber deren Helligkeit sehr beträchtlich, und umso mehr, je weiter seitlich davon ein Platz sich befindet. 5) Die Vertheilung des Lichtes auf einer grossen Fläche ist gleichmässiger als beim Argandbrenner. 6) Das Gasglühlicht besitzt einen 4mal grösseren Glanz als die Flamme des Argandbrenners, es sollte daher nicht ohne Augenschützer Verwendung finden. 7) Das Gasglühlicht ist besonders geeignet zum Mikroskopiren bei künstlicher Beleuchtung. 8) Es eignet sich auch sehr gut zum Zwecke der indirecten Beleuchtung. 9) Das Gasglühlicht hat sich auch Regenerativbrennern gegenüber überlegen gezeigt, nicht nur in Bezug auf Gasersparniss, sondern auch durch Erzeugung grösserer Helligkeit, grösserer Ruhe des Lichtes und Fehlen des Qualmens.“ Die bisher klassische Gasbeleuchtung war damit Vergangenheit, die Zukunft gehörte bei Gas als Leuchtstoff dem AUER-Brenner, wie auch die Gegenüberstellung anlässlich der Pariser Weltausstellung 1901 in den Parkanlagen des Marsfeldes und des Trocadéro ergab, die in folgender zeitgenössischer Tabelle numerisch zusammengefasst ist: 206 206 -Polyt.-Journal-1901,-Band-316-(S.-64-68); -der-Denayrouse‐Brennner-war-das-leistungsfähigste- Modell-der-Pariser-Gasgesellschaft.- <?page no="284"?> 4 Geschichte des Energietransports 284 Glühlicht, Halogen, Entladungsröhren, LED Die dritte Innovation an der Front der Beleuchtung, das elektrische Glühlicht, geht auf den Beginn der 1880er Jahre und auf EDISON zurück. EDISONS wichtigstes Patent war wohl das auf die Kohlefadenlampe im Jahre 1879, seine besondere Leistung die Integration der Lampen in ein vollständiges System - die elektrische Zentrale mit Generatoren, Netz und Verbraucher. In New York nahm er im Jahre 1882 das erste öffentliche Elektrizitätswerk der Welt in Betrieb, an dessen Bau er maßgeblich mitgewirkt hatte. Im gleichen Jahr sprang er nach Europa, wo die Edison Company auf eigene Rechnung eine Anlage mit etwa 1000 Glühlichtlampen einrichtete, teils auf der Straße, teils in den Häusern. Dass die europäischen Hersteller elektrischer Anlagen hier mit Lizenznahmen und Eigenkonstruktionen rasch nachzogen, war schon Thema in Kap. 4.7.1. Sie sahen eine Konkurrenz allerdings zunächst unter dem Aspekt der Bogenlampe. Wie intensiv die Diskussion hier war, zeigt ein Beitrag vom WILHEM SIEMENS in der ETZ von 1883. Er kam zum Ergebnis: „Aus dem Gesagten ergibt sich auch die Richtung, in welcher weitere Fortschritte anzustreben sind und auch sicher noch in erheblicher Weise erreicht werden können: Beschaffung von Kohlen, welche eine höhere Temperatur ertragen können; Erzielung einer Oberfläche, welche der Ausstrahlung leuchtender oder nützlicher Strahlen besonders günstig ist; Erhöhung des Vacuums; Verminderung der Kostspieligkeit der Leitungen, indem man durch die Leitung möglichst hochgespannte Ströme schickt und diese an der Verbrauchsstelle durch angemessene Mittel in Ströme von geringerer Spannung umformt.“ Glühlampen waren allerdings auf lange Zeit auf kleine Lichtstärken beschränkt und eigneten sich damit zunächst besonders für Innenräume. Das Bogenlicht war damit noch lange nicht tot - war es doch eine ausgesprochene Starklichtlampe; auch ihre kleinsten Typen gaben immer noch 180 Kerzenstärken. Die neue Glühlampe EDISONS war dagegen ein Kleinlicht, das nur mit 16 Kerzen leuchtete - ziemlich genau so viel wie der allgemein übliche Gasschnittbrenner, dem sie auch in der Lichtfarbe ähnelte. Bogenlampen blieben deshalb auch nach dem Aufkommen und der breiten Akzeptanz der Glühlampen noch lange Zeit interessant - meist für Straßenbeleuchtungen, aber auch für zahlreiche Sonderzwecke. Erst nach 1929 erlischt das Interesse, wie die auslaufende Zahl der Berichte zeigt, s. Abb. 4.8-10. . - Abb.-4.8‐10: -Auswertung-der-Berichtshäufigkeit-im-Polytech‐ nischen-Journal,-die-Bogenlampe-betreffend; -Quelle: -Polyt.- Journal,-digitale-Bearbeitung-Institut-für-Kulturwissenschaft,-- Humboldt‐Universität,-Stichwort-Bogenlampe-- <?page no="285"?> 4 Geschichte des Energietransports 285 Elektrische Glühlampen waren in Anschaffung und Betrieb zugleich teuer, wie ein Vergleich aus dem Jahre 1890 zeigte: „Nach den Untersuchungen von Fischer, Erisman, Soyka und Rubner liefert bei gleicher Lichtstärke eine gut construirte Erdöllampe weitaus das billigste Licht. Das Gaslicht ist etwa doppelt so theuer, Edisonlicht 3mal, Rüböl 7mal und Stearinkerzen 27mal theurer als Erdöl, während Wallrath und Wachs 60 bis 70mal theurer zu stehen kommen als Erdöl.“ 207 Über einen längeren Zeitraum existierten daher Gasglühlicht, elektrisches Glühlicht und Bogenlicht nebeneinander - wieder die schon oft beobachtete Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen. - - --- Abb.-4.8‐11: -Petroleumlampe,-hängende-Ausführung; -Quelle: - Rabensteiner,-November-2007-(UTC)---Eigenes-Werk- Hinzu kam noch die Petroleum-Lampe, die seit den 1850er Jahren auch in Deutschland in Gebrauch kam (s. Abb. 4.8-11) und deren Gebrauch und Betrieb wegen des zunehmend billigeren Erdöls und seiner Derivate auch der einkommensschwachen Bevölkerung möglich war. Der weitere Weg der Leuchtmittel ging zunächst über die Weiterentwicklung der Glühlampe, wobei das Material für den Glühfaden und die Füllung des Kolbens mit Edelgas oder Halogenen die beiden Entwicklungsparameter waren: 208 207 Über-Gasbeleuchtung-und-elektrische-Beleuchtung,-Polyt.-Journal-1890,-Band-277-(S.-123-125). 208 -Aus-Enseling,-D.: -Vortrag-zur-Vorlesung-„Inkohärente-Lichtquellen“,-FH-Münster-2009.- <?page no="286"?> 4 Geschichte des Energietransports 286 Die Entwicklung der Glühlampe kam an ihr Ende, als die Effizienz für elektrische Geräte zum Politikum wurde: Seit dem 1. September 2012 dürfen klassische Glühbirnen nicht mehr hergestellt und verkauft werden. Der Grund dafür: Sie verwandeln nur etwa fünf Prozent des Stroms in Licht und schaffen es daher höchstens auf eine Energieklasse D, also kaum effizient. Seit dem 1. September 2018 ist auch für Halogenlampen ein EUweites Verbot in Kraft; Halogenlampen sind Glühlampen besonderer Bauart, s. Abb. 4.8-12. - - - Abb.-4.8‐12: -Zum-Aufbau-einer- Halogenlampe; -Quelle: -eLIFE-powered-- by-Vattenfall,-https: / / elife.vatten‐ fall.de/ halogenlampe‐funktion‐vorteile‐ nachteile- - Weiterführend, da mit besserer Effizienz ausgestattet, waren und sind die Leuchtröhren, die auf dem schon bei der Bogenlampe benutzten Prinzip der Gasentladung aufbauen ‒ hohe Spannung, angelegt an ein mit Gas gefülltes Glasrohr, lässt das eingefüllte Gas leuchten. Erstes Beispiel dieser Art ist die Quecksilberdampfentladungslampe, erfunden 1892 vom Berliner Physiker L. ARONS (auch ARONSSCHE Röhre) und patentiert 1901 von P. COOPER HEWITT. Die ersten kommerziell hergestellten Quecksilberdampfentladungslampen waren die ab 1933 verkauften Mitteldruck-Quecksilberdampflampen. Seit 1934 sind auch Hochdruck-Quecksilberdampflampen erhältlich. Die früheren Lampen erzeugten ein blaugrünes Licht, mittlerweile gibt es sie auch mit korrigiertem weißem Licht. Dabei wird der im Quecksilberspektrum fehlende Rotanteil durch einen fluoreszierenden Leuchtstoff auf der Innenseite des Außenkolbens oder durch eine Glühwendel im Außenkolben erzeugt. 209 Die Quecksilber-Dampflampe war der Prototyp für dann folgende Gasentladungslampen. Es gibt sie ohne und mit innerer Beschichtung, wobei die auf dem Glas aufgebrachte Beschichtung die ultraviolette Strahlung der Entladung in sichtbares Licht umwandelt. Die Neon-Lampe, die zum ersten Typus gehört, wurde 1911 von dem Franzosen G. CLAUDE erfunden; sie ist bis zur Gegenwart für die Werbung in Gebrauch (auch mit anderen Füllgasen und damit anderen Lichtfarben). 1927 patentierten H. SPANNER, F. MEYER und E. GERMER die beschichtete Entladungsöhre. Die Firma General Electric kaufte später 209 -Unter-Verwendung-von-http: / / www.wikipedia.org/ wiki/ Quecksilberdampflampe,-Abruf-2.3.2019.- <?page no="287"?> 4 Geschichte des Energietransports 287 das Patent und produzierte ab 1938 die neuen Leuchtstofflampen (so im deutschen Sprachgebrauch, engl. fluorescent lamp) mit kommerziellem Erfolg. Sie wurden zur selbstverständlichen Arbeitsplatzbeleuchtung und erfüllen diese Funktion bis heute. Dabei spielen auch Normen und Verordnungen eine Rolle. Die Arbeitsplatzverordnung, wie wir sie heute kennen, blickt auf eine längere Geschichte zurück. Ursprünglich wurde sie in Deutschland im Jahr 1975 erlassen. Sie enthielt die Anforderungen, die für die Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheitsschutz von Beschäftigten am Arbeitsplatz sinnvoll schienen. Die Regeln waren allerdings so detailliert, dass sie insgesamt 58 §§ umfassten. Fast 30 Jahre lang waren diese Arbeitsstättenregeln geltend und in den Betrieben einzuhalten. Im Zuge der Deregulierung wurde die Verordnung im Jahr 2004 vereinfacht und auf acht §§ gekürzt. Bis 2010 wurde sie noch fünfmal angepasst und bildet so bis heute die neue und gültige Arbeitsstättenverordnung. Das Konzept der aktuellen Arbeitsstättenverordnung entspricht dem Wunsch der Wirtschaft. Dabei ging es um mehr Flexibilität und Entscheidungsfreiheit in den unterschiedlichen betrieblichen Abläufen. Das Ziel der aktuellen Verordnung über Arbeitsstätten ist trotz aller Veränderungen das gleiche geblieben: Die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zu wahren. Unter den mit einzubeziehenden Technischen Regeln findet sich auch die „A3.4 Beleuchtung”. Sie schreibt für die verschiedenen Arbeitsplätze die jeweils einzuhaltenden Mindest-Beleuchtungsstärken vor. So werden für Büroarbeitsplätze, Montage feiner Geräte und feine Arbeiten an Werkzeugmaschinen 500-750 Lux vorgegeben. 210 In der Sonderform der Kompaktleuchtstofflampe wurde die Leuchtstoffröhre auch als „Energiesparlampe” geläufig. Der Hersteller Osram präsentierte sie mit in den Sockel integriertem elektronischem Vorschaltgerät (EVG) und Startelektronik auf der Hannover- Messe 1985. Seit wenigen Jahrzehnten bewegt die LED (Light Emitting Diode) die Menschen und die Märkte. Eine LED ist ein Halbleiterkristall aus zwei verschiedenen Materialien, die unterschiedlich dotiert sind. Damit baut sich ein Überschuss an positiven bzw. negativen Ladungsträgern auf. Fließt nun Strom, reagieren die Elektronen und es wird Energie in Form von Photonen freigesetzt: Die LED leuchtet. Was so einfach klingt, brauchte eine lange Entwicklungszeit: 211 - 1907 entdeckt der Engländer H J. ROUND, dass anorganische Stoffe unter elektrischer Spannung leuchten können. Seine Entdeckung veröffentlicht er in der Z. Electrical World. - 1921 Der russische Physiker O. V. LOSEV beobachtet diese Lichtemission erneut. Er vermutet darin die Umkehrung des Einstein’schen photoelektrischen Effektes. - 1935 entdeckt G. DESTRIAU eine Lichtemission an Zinksulfid und nennt sie „Lossew-Licht“ . 210 -Lux-ist-die-heute-gültige-Einheit-der-Beleuchtungsstärke,-Lumen-die-der-Lichtstärke.- 211 -Nach-ZVEI-‐-Zentralverband-Elektrotechnik‐-und-Elektronikindustrie-e.-V.- <?page no="288"?> 4 Geschichte des Energietransports 288 - 1951 wird der Transistor entwickelt, was zur Erklärung der Lichtemission beiträgt. Zunächst untersuchen Wissenschaftler weiterhin Zinksulfid. - Ab 1957 konzentrieren sie sich dann ganz auf die Lichterzeugung durch Halbleiter. Sichtbare Lichtemissionen auf Basis eines direkten Mischkristalls von Galliumarsenid (GaAs) und Galliumphosphid (GaP) spielen dabei eine besondere Rolle. - 1962 kommt die erste rote Lumineszenzdiode (Typ GaAsP) auf den Markt, entwickelt von dem Amerikaner N. HOLONYAK. Sie markiert die Geburtsstunde der industriell gefertigten LEDs. - 1971 geht die Entwicklung der LED weiter und wird bunter. Dank verbesserter Halbleitermaterialien gibt es LEDs nun in den Farben Grün, Orange und Gelb, beispielsweise in Taschenrechnern und Uhren. Gleichzeitig verbessern sich Leistung und Effizienz. - In den 1980erbis frühen 90er-Jahren kommen mit dem neuen Halbleitermaterial Galliumnitrid (GaN) verschiedene Farbnuancen von Grün bis zu Ultraviolett ins Spiel. - 1993 entwickelt S. NAKAMURA in Japan die erste hellstrahlende, kommerziell erfolgreiche blaue LED. Er bringt auch die sehr effiziente grüne Indium- Galliumnitrid-Leuchtdiode (InGaN-LED) heraus und später auch eine weiße LED. - 2014 erhalten I. AKASYKI, H. AMANO und S. NAKAMURA den Nobelpreis für Physik für „die Erfindung effizienter blauer Leuchtdioden". - 1995 wird eine LED wird vorgestellt, die durch Zugabe von Leuchtstoffen weißes Licht aus Lumineszenzkonversion gewinnt. Zwei Jahre später kommen diese weißen LEDs auf den Markt. - 2006 erreichen die ersten LEDs Im Labor eine Lichtausbeute von 100 Lumen pro Watt. Ihre Effizienz wird zu diesem Zeitpunkt nur noch von Gasentladungslampen übertroffen. Der Wirkungsgrad und die Standfestigkeit der LED haben sich inzwischen weiter erhöht. LEDs sind in nahezu allen Lichtanwendungen zu finden - und ihre Entwicklung geht weiter. Die technische Umsetzung war zunächst auf Punktleuchten konzentriert. Die Zukunft wird jedoch auch lichtstarke flächige Strahler (OLEDS) möglich machen, wie sie heute schon mit kleiner Lichtstärke in der Fernsehelektronik verwendet werden. Die aktive Fläche wird nur noch wenigen Beschränkungen unterliegen und kann z. B. auch gekrümmt sein. Straßenbeleuchtungen wurden im 20. Jh. zunehmend auf der Basis von Quecksilber- oder Natriumdampflampen installiert. Und nach wie vor gab es das Gasglühlicht, wenn auch zunehmend auf dem Rückzug. Selbst heute noch findet man es vereinzelt, allerdings eher als nostalgische Reminiszenz oder in musealer Betreuung. Neuerdings hat die LED auch im öffentlichen Raum Einzug gehalten, z. B. als Fahrzeugbeleuchtung oder zur Straßenbeleuchtung. <?page no="289"?> 4 Geschichte des Energietransports 289 Solare Wärme Wie solare Strahlung in der Form der Photovoltaik zur regenerativen Stromerzeugung genutzt wird und hierfür inzwischen durchaus nennenswerte Beiträge leistet, ist bereits in Kap. 4.7.4 beschrieben. Eine zweite Art der Nutzung solarer Strahlung ist die unmittelbare, gezielte Überführung der Einstrahlung in nutzbare Wärme, die Solarthermie. Sie hat eine längere, bis in die Antike reichende Vorgeschichte. Erste Anwendungen waren Brennbzw. Hohlspiegel für die Fokussierung von Lichtstrahlen. Praktische Anwendung fand die „Sonnenwärme“ und auch deren Vermeidung in der Architektur ihrer Bauwerke, so z. B. im alten Ägypten, in Mesopotamien und in den frühen südamerikanischen Hochkulturen. Der Legende nach soll ARCHIMEDES mithilfe von Hohlspiegeln, die das Sonnenlicht ähnlich einer Lupe konzentrierten und Schiffsegel in Brand setzen konnten, die Flotte der Römer vernichtet haben. Schon seit den frühen Hochkulturen und bis heute wurde und wird die Sonnenwärme bei der Salzgewinnung aus dem Meer genutzt. Technische Anwendungen waren jedoch der Neuzeit vorbehalten. Im 18. Jahrhundert erfand der Naturforscher H.-B. DE SAUSSURE einen Vorläufer der heutigen Solar-Kollektoren. Eine ernsthafte Nutzung beginnt jedoch wohl erst mit E. P. BROWN und C: GUN- THER, die 1905 das Patent für einen „solaren Wasserkocher“ erhielten. 1907 wurde W. MAIER und A. REMSHARDT vom Kaiserlichen Patentamt das Patent Nr. 231294 für eine „Vorrichtung zur unmittelbaren Verwendung der Sonnenwärme zur Dampferzeugung“ zugesprochen. 1908 installierte W. J. BAILLEY von der Carnegie Steel Company in einer isolierten Kiste Wasser führende Kupferrohre, im Prinzip schon ähnlich heutigen Solarkollektoren. Bis 1941 sollen von The Day and Night Solar Water Heater Company, Florida, über 60.000 Stück solcher Kästen hergestellt und installiert worden sein. Im gleichen Jahr 1908 konstruierte der Berliner Privatdozent A. STOCK einen Sonnen- Vakuumofen, an dem das Unternehmen Carl Zeiss, Jena, weitere Versuche durchführte und den es auch 1922 zum Patent anmeldete. Um 1910 betrieb J. A. HARRINGTON in New Mexico eine Dampfmaschine mit Sonnenkraft, um tagsüber Wasser in einen Hochspeicher zu pumpen, der dann über eine Wasserturbine Strom für die nächtliche Beleuchtung einer Erzmine erzeugte. Das erste „richtige“ Solarkraftwerk wurde 1912/ 1913 von dem Deutschamerikaner F. SHU- MAN im ägyptischen Meadi, etwa 25 km südlich von Kairo, als Versuchsanlage errichtet, und erste Tests verliefen erfolgreich. Im Juli 1913 arbeitete die Anlage mit voller Kapazität und gab eine Leistung von 55 PS ab. Vom Erscheinungsbild und vom Grundaufbau her waren die als parabole Rinnen ausgeführten Anlagen den heutigen bereits erstaunlich ähnlich, s. Abb. 4.8-13. Materialprobleme und andere technische Schwierigkeiten beendeten jedoch im Jahr 1914 kurz vor Ausbruch des ersten Weltkriegs die ersten Ansätze einer großtechnischen solaren Stromerzeugung. 212 212 -nach-Louis-M.-Iatarola,-Historical-Society-of-Tacony-1997. - - <?page no="290"?> 4 Geschichte des Energietransports 290 Der US-amerikanische Astrophysiker CH. G. ABBOT baute 1916 einen Solarofen, der mit einen Öl-Zirkulationssystem ausgestattet war und über 150°C erreichte. Indem er einen Aluminium-Reflektor sowie Maschinenöl als Wärmeträger und als Wärmespeicher nutzte, konnte der Ofen 24 Stunden am Tag genutzt werden. Aus der Zusammenarbeit mit AB- BOT im Observatorium auf dem Mt. Willson erhielt auch der „Vater der amerikanischen Raketentechnik“, R. GODDARD, das erste von fünf Solarpatenten. -Abb.-4.8‐13: Parabolrin‐ nenanlage-in-Ägypten,- 1913; -Quelle: The-Electri‐ cal-Experimenter,-- Volume-3,-May-1915-‐- April-1916- 1919 trug sich das Bayerische Innenministerium mit der Gründung eines Solar-Forschungsinstituts und stellte dafür eine Startfinanzierung bereit. Nach langen Diskussionen wurde das Projekt 1922 jedoch wieder aufgegeben. Auch die Idee H. OBERTHS, mithilfe eines großen Spiegels eine solare Energieversorgung aus dem Weltraum zu installieren, blieb ohne realistische Chance - 1930 war die Technik noch lange nicht so weit. Während der 1930er Jahre entstanden in Japan aufgrund des Mangels an eigenen fossilen Brennstoffen Konzepte für solarbetriebene Warmwasserbereiter, die in großer Zahl auch gebaut und betrieben wurden. 1935 begann an der ETH Zürich die Beschäftigung mit solaren Bautechniken. 1938 wurde erstmals eine passive Solararchitektur bei einem Schulhaus in Tucson, Arizona verwendet. 1940 wurde in den USA noch für das „Solarhaus“ geworben, s. Abb. 4.8-14. Weitere Schritte im Bereich der solaren Gebäudetechnik erfolgten dann erst wieder in den späten 1940er und in den 1950er Jahren - der Weltkrieg setzte auch in den USA andere Schwerpunkte. Abb.-4.8‐14: -Werbung-in-den-USA-für-das-Solarhaus,- 1940; -Quelle: -Geschichte-der-Solarenergie-1901--- 1974,-in: -A.-W.-Khammas,-Buch-der-Synergie; ur‐ sprünglich-Popular-Science,-USA- <?page no="291"?> 4 Geschichte des Energietransports 291 Die Arbeiten zur solaren Gebäudetechnik wurden nach dem Krieg in den USA wieder aufgenommen. 1948 war das „Dover Sun House“ fertig gestellt, bei dem neben dem Einsatz von Flachkollektoren auch ein passives Solarenergiekonzept verwirklicht wurde, und das als erstes Gebäude gilt, das das ganze Jahr über nur mit Hilfe von Sonnenenergie beheizt werden konnte. Die Optimierung bei den Kollektorbeschichtungen gelang im jungen Staat Israel in den 1950er Jahren. In den 1960er Jahren wurde es dann wieder stiller um die Solarthermie. Solare Gebäudetechnik - mit und ohne den Einsatz solarthermischer Anlagen - erhielt wieder Auftrieb durch die 1973 einsetzenden Ölkrisen. Im gleichen Jahr berief die UNESCO in Paris eine Konferenz unter dem Titel „Solarenergie im Dienste der Menschen“ ein, und 1974 wurde - als Teil der OECD, der Europäischen Vereinigung für Wirtschaftliche Zusammenarbeit - die International Energy Agency (IEA) gegründet. Das war dann im Folgejahr auch der Start für eine weit angelegte internationale Zusammenarbeit auf dem Sektor der thermischen Solarenergie. Die Entwicklung brauchbarer Konzepte zur solarthermischen Energienutzung wurde von da an durch den Einsatz der Politik stärker vorangetrieben. Die Folgejahre waren speziell in Deutschland durch die Bemühung um mehr Effizienz gekennzeichnet, was letztlich auf die Einsparung am Verbrauch fossil oder nuklear erzeugter Energie und deren Ersatz durch regenerative Energieformen im allgemeinen Verbrauch und höhere Effizienz, speziell im Gebäudebestand, hinauslief. Förderprogramme und Forschungsgelder wurden dafür entwickelt, Verordnungen neu geschaffen, wie z. B. die Wärmeschutzverordnung von 1995 (WschV) und die erste Energieeinsparverordnung (EnEV) 2002, die die Reduzierung des Energiebedarfs um 30 % gegenüber der WschV 1995 und somit die Reduzierung der CO 2 -Emissionen zum Ziel hatte. Da die entscheidende Größe der Primärenergiebedarf war, ergaben die Sparverordnungen einen neuen Schub für die Installation solarthermischen Anlagen: die Nutzung einer Solarthermie-Anlage bedeutet automatisch den verringerten Fremdbezug von Heizenergie. Unmittelbare Förderung erfuhren und erfahren Investitionen in Solarthermie durch KFW, BAFA und DKB 213 . Anders verlief die Entwicklung solarthermischer Kraftwerke. In Frankreich begann 1946 das Centre National de la Recherche Scientifique die verschiedenen Methoden zur Nutzung der Solarenergie zu untersuchen und machte erste Tests an großen Solaröfen nach dem Parabolprinzip. In Meudon wurde ein 2 kW-Ofen errichtet, der 1958 seinen Betrieb aufnahm und Temperaturen zwischen 3.000 und 4.000°C erreichte. In den östlichen Pyrenäen wurde schließlich das Odeillo-Projekt begonnen, das 1970 in den Probebetrieb ging und bis zur Gegenwart arbeitet. Sein riesiger parabolischer Spiegel bedeckt die gesamte Fassade eines elfstöckigen Gebäudes und erreicht im Brennpunkt Temperaturen bis zu 3.800°C, s. Abb. 4.8-15. 213 -KFW-=-Kreditanstalt-für-Wiederaufbau,-BAFA-=-Bundesamt-für-Wirtschaft-und-Ausfuhrkontrolle,-DKB- =-Deutsche-Kreditbank.- <?page no="292"?> 4 Geschichte des Energietransports 292 Abb.-4.8‐15: -Der-Sonnenofen-von-Odeillo.-Als- Einrichtung-des-CNRS-arbeitet-das-System-an- Materialuntersuchungen-für-Weltraum‐ einsätze,-die-Umweltproblematik-und-die-- Energiegewinnung; -Quelle: -Photo-Gerlinde- und-Reinhard-Schielicke,-Jena-- - In Kalifornien wurden in den späten 1970er Jahren erste Projekte für Parabolrinnenkraftwerke begonnen. Im Jahr 1978 wurden dort die amerikanischen öffentlichen Stromversorgungsgesellschaften durch Gesetz verpflichtet, Strom von unabhängigen Produzenten zu klar definierten Kosten abzunehmen. Nachdem sich die Stromkosten infolge der Ölkrisen in wenigen Jahren mehr als verdoppelt hatten, bot das kalifornische Elektrizitätsversorgungsunternehmen Southern California Edison (SCE) langfristige Einspeisekonditionen an. In Verbindung mit steuerlichen Vergünstigungen wurde so der Bau von Solarkraftwerken finanziell interessant. Im Jahr 1984 folgte dann die Errichtung des ersten kommerziellen solarthermischen Parabolrinnen-Kraftwerks in der kalifornischen Mojave-Wüste. Bis zum Jahr 1991 wurden auf 7 km² Fläche insgesamt 9 sogenannte SEGS-Kraftwerke (Solar Electric Generation Systems) mit einer elektrischen Leistung von 354 MW installiert , s. Abb. 4.8-16. Die solaren Stromgestehungskosten konnten von 0,27 US$/ kWh beim ersten Kraftwerk auf etwa 0,12 - 0,14 US$/ kWh bei den zuletzt installierten Anlagen gesenkt werden. Abb.-4.8‐16: -Luftbild-der-solarthermischen-Parabolrinnen‐Kraftwerke-bei-Kramer-Junction-- in-der-Mojave‐Wüste-in-Kalifornien,-USA; -Quelle: -NextEra-Energy-Resources,-Betreiber- <?page no="293"?> 4 Geschichte des Energietransports 293 Die Blüte hielt jedoch nicht an. Mitte der 80er Jahre fielen die Energiepreise wieder drastisch. Nachdem Ende 1990 auch die Steuerbefreiungen ausliefen, ging die Betreiberfirma in Konkurs. 214 Über eine längere Zeit gab es in den USA dann keine neuen Initiativen. Auch in Europa gab es Ansätze, allerdings nur dank öffentlicher Förderung. In den frühen 1980er Jahren entstand Europas größte Forschungsplattform für Solarenergie, die „Plataforma Solar" im spanischen Almeria. In den Jahren 2008 und 2009 gingen drei Parabolrinnenanlagen im spanischen Andalusien ans Netz: Andasol I bis III. Die Kraftwerke nutzten Thermoöl als Wärmeträger, wurden mit einem Salzspeicher für einen quasi-kontinuierlichen Betrieb ausgestattet und lieferten über Wärmetauscher und Dampfturbine jeweils 50 MW an elektrischer Leistung. Ebenfalls in Spanien entstanden kleinere Solarturmkraftwerke. Bei den beiden Solarturmkraftwerken PS 10 und 20 im spanischen Sevilla erhitzt sich der Dampf lediglich auf 250 Grad Celsius und treibt ein Dampfkraftwerk an. Die beiden Anlagen sind die ersten kommerziellen solarthermischen Kraftwerke in Europa. Die erste Anlage versorgt mit einer Leistung von elf Megawatt 6000 Haushalte, die zweite, PS 20, ist mit 20 Megawatt noch größer und hat einige technische Verbesserungen. Nicht nur im sonnenverwöhnten Spanien sind solarthermische Anlagen möglich. In Jülich bei Aachen startete 2009 ein Versuchskraftwerk, das als Solarturm konzipiert ist. 2000 Spiegel reflektieren das Sonnenlicht auf einen 60 Meter hohen Turm, s. Abb. 4.8-17. Auch hier nimmt ein Wärmetauscher die gebündelte Wärmestrahlung der Spiegel auf. Dieser wird von Luft durchströmt, die sich auf bis zu 700 Grad Celsius aufheizt. Mit der heißen Luft wird Dampf erzeugt, der wiederum eine Turbine antreibt. Es wird gegenwärtig noch daran gearbeitet, die Speicherung der Wärme zu verbessern, die dann auch in sonnenscheinärmeren Phasen einen begrenzten Strombedarf decken soll. Ein 2015 begonnenen zweiter Solarturm am gleichen Standort erweitert die Forschungsmöglichkeiten, die sich auch auf die Erzeugung von Wasserstoff, Methan oder anderen Energieträgern in einem Turmkraftwerk richten. Das bereits existierende Spiegelfeld wird so erweitert, dass es beiden Türmen dienen kann. Allerdings sind die Arbeiten in Jülich auf Grundlagenforschung und Industrieförderung ausgerichtet - die Errichtung kommerzieller thermischer Solarkraftwerke ist für Deutschland aufgrund der geografischen Lage nicht sinnvoll. Abb.-4.8‐17: -Die-Solarturm‐Versuchs‐ Anlage-in-Jülich; -Quelle: -DLR,-Institut-für- Solarforschung-- 214 -Nach-Quaschning,-V.,-Geyer,-M.: -Konzentration-auf-die-Sonne,-in-: -Sonne-Wind-&-Wärme-4/ 2000,-S.- 50‐53. <?page no="294"?> 4 Geschichte des Energietransports 294 Sinnvoll war dagegen die Idee eines prominent besetzten Konsortiums vom Sommer 2009, mit großzügig angelegten Solarkraftwerken Strom in Nordafrika zu produzieren. Bis zum Jahr 2050 sollte der dort erzeugte Strom 15 % des Bedarfs in Europa decken. Ein Großteil des Stroms sollte in den afrikanischen Staaten bleiben und so die Entwicklung vor Ort fördern. Das Vorhaben, bekannt geworden unter dem Kürzel Desertec, hat viel Furore gemacht, ist es doch ein alter Traum, den Solarstrom dort zu produzieren, wo garantiert die Sonne scheint. Doch der Plan scheiterte. Ende 2014 musste die Desertec- Initiative ihre Zentrale in München schließen. Weltweit gesehen, ergibt sich trotz zahlreicher Rückschläge und aufgegebener Projekte dennoch eine positive Bilanz für die Nutzung der Solarthermie. Die nachfolgende Tabelle der Abb. 4.8-18 zeigt mit Stand von 2017 die produzierenden Werke mit über 100 MW elektrischer Leistung. * Dampf nur teilweise von der Sonne, Solaranteil Abb.-4.8‐18.-Produzierende-Solarwärmekraftwerke,-Stand-2017; -Quelle: -- http: / / www.wikipedia.org/ wiki/ Art.-Solarthermie,-Abruf-12.12.2018,-ergänzt- Ende 2016 existierten Solarwärmekraftwerke zur Stromerzeugung nach vorläufigen Angaben weltweit mit einer Gesamtleistung von 4,8 GW. Solarthermische Kollektoren mit in der Summe 456 GW waren für die Warmwassergewinnung installiert, mit ca. 325 GW ein <?page no="295"?> 4 Geschichte des Energietransports 295 großer Teil davon in China. 215 2008 hatte eine Studie der IEA noch einen weltweiten Energiebeitrag der Solarthermie von 105 Gigawatt ermittelt, sodass insgesamt eine positive Bilanz mit Aussicht auf weiteres Wachstum zu ziehen ist. Unter den Solarkraftwerken sind die wesentlichen Bauprinzipien: ● die Parabolrinnenanlage, ● die Solarturm-Anlage. -----Abb.-4.8‐19: -Arbeitsweisen-so‐ larthermischer-Kraftwerke; - Quelle: -Solarthermisches-Kraft‐ werk,-in: -Michael-Bockhorst,- Energielexikon-auf-http: / / - www.energieinfo.de-- -- Als Wärmeträger wird bei den Parabolrinnenanlagen Thermoöl oder selten Wasser mit Zusätzen verwendet. Bei den Turmanlagen werden unterschiedliche Wärmeträger genutzt, z. B. flüssiges Nitratsalz, Wasserdampf oder Heißluft. Abb. 4.8-19 zeigt beide Funktionsprinzipen. Solarthermie wird heute auch im privaten Bereich verwendet, i. A. durch die Installation von Auf-Dach-Kollektoren. Solarthermische Kollektoren arbeiten nach einem denkbar einfachen Grundprinzip: Einfangen der Strahlung über einen auf dem Dach montierten Kollektor, Speicherung in einem geeigneten Medium (meist Wasser, mit einem geeigneten Frostschutzmittel versetzt) und dessen Abführung über ein geeignetes Leitungssystem. Damit die gewonnene Wärme nicht verloren geht, muss der Kollektor gut gedämmt sein. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten: ● Der Kollektor wird an den Seiten und auf der Rückseite mit einer Wärmedämmung versehen (sog. Flachkollektoren). ● Der Kollektor wird evakuiert. Nach diesem Prinzip arbeiten die sog. Vakuumröhrenkollektoren. Das Ergebnis ist in beiden Fällen das gleiche: Stark aufgeheiztes Wasser (bis zu 900 0 C bei der Verwendung konzentrierender Kollektoren für die Energiegewinnung), mit geeigneten zusätzlichen Komponenten (Speicher, Zusatzheizung etc.) nutzbar für Raumheizung und Warmwasserversorgung, s. Abb. 4.8-20. 215 -Nach-http: / / www.wikipedia.org/ wiki/ Solarthermie,-Abruf-12.6.-2019.- <?page no="296"?> 4 Geschichte des Energietransports 296 Solarthermie auf der Basis von Kollektoren wird nicht nur im privaten Bereich verwendet. Sie dient im industriellen Sektor mit Anlagen von mehr als 20 m² Kollektorfläche zur Produktion von Prozesswärme, eingesetzt etwa zur Biomasseverarbeitung oder zur Aufheizung/ Vorwärmung von Luft in der chemischen Industrie. - Abb.-4.8‐20: -Solarthermie-für- den-privaten-Gebrauch; - Quelle: -be-Around-GmbH,- http: / / d2h1t9243qzgjg.cloud‐ front.net/ uploads/ attach‐ ment/ image/ 2212/ so‐ larthermie‐heizen‐warmwas‐ ser‐funktionsweise- Technische Wärmestrahlung - Infrarot Wärmestrahlung. physikalisch auch Infrarotstrahlung ist elektromagnetische Strahlung, die sich in Richtung größerer Wellenlängen an die sichtbare Strahlung anschließt und bis zu den Mikrowellen erstreckt. Sie überdeckt einen Wellenlängenbereich von 780 Nanometer bis 1 Millimeter. Sie ist auch Teil des Sonnenlichts, s. Kap. 4.8.1. Die IR-Strahlung wurde im Jahre 1666 von Sir I. NEWTON postuliert. 1800 ermittelte dann Sir W. HERSCHEL - sein Portrait s. Abb. 4.8-21 - die relative Energie dieser Strahlung, indem er Sonnenlicht durch ein Prisma lenkte und hinter dem roten Ende des sichtbaren Spektrums ein Thermometer platzierte. Aus dem beobachteten Temperaturanstieg schloss er, dass sich das Sonnenspektrum jenseits des Roten fortsetzt. ,- Abb.-4.8‐21: -W.-Herschel-vor-dem-Sternbild-der-Zwillinge,- -in-dem-er-1781-den-Planeten-Uranus-entdeckte; -Quelle: -- Fr.-Rehberg,-Stich-1814- Infrarotstrahlung wird vornehmlich zur kontaktlosen Übertragung von Wärme eingesetzt. Natürliche Infrarot-Strahlungsquellen sind die Sonne und das Feuer. Der infrarote Anteil <?page no="297"?> 4 Geschichte des Energietransports 297 der den Erdboden erreichenden Sonnenstrahlung beträgt knapp 50 % und wird in erster Linie zur Materialtrocknung (z. B. zur Salzgewinnung) benutzt, neuerdings auch zur Energiegewinnung, s. Kap. 4.8.1. Offenes Feuer strahlt zum überwiegenden Teil im IR-Bereich, nur geringfügig im sichtbaren Bereich. Hohe IR-Bestrahlungsstärken von 200 W/ m 2 und mehr treten hauptsächlich in der Glas-, Eisen- und Stahlindustrie als Folge großer Prozesswärme auf. Infrarotbestrahlungen sind in der Medizin bewährt. Die Wirkungen der Infrarottherapie beruhen im Unterschied zu anderen Spektralanteilen elektromagnetischer Strahlen nach derzeitigem Stand der Kenntnis auf ihrer weitgehend vollständigen Absorption im Körper und der dadurch bedingten Erwärmung. Erste Beschreibungen zur heilenden Wirkung von Wärmezufuhr finden sich in den altägyptischen Hochkulturen (2400 v. Chr.). Schon lange bevor die moderne Medizin tiefgreifende Erkenntnisse über die Ursachen und Therapien diverser chronischer Erkrankungen besaß, setzten griechische Ärzte im 5. Jahrhundert v. Chr. Wärme und Fieber zur Behandlung. M. HECKEL präsentierte 1960 die tief eindringenden Infrarot-Wärmestrahlen zur Behandlung von Fieber und zur Tumortherapie und hatte einen großen Anteil an der erfolgreichen Geschichte des Infrarot. In der Medizin, aber auch im häuslichen Bereich werden zur Wärmebehandlung des menschlichen Körpers Infrarot-Bestrahlungslampen als künstliche Quellen eingesetzt. Die Glühwendeltemperaturen dieser Lampen liegen bei ca. 2000 °C. Das Kolbenmaterial besteht aus Quarzglas, damit die Infrarotstrahlung ungehindert emittiert werden kann. Die Bestrahlungsstärken dieser Lampen liegen im Bereich von 100‒300 W/ m 2 . Die Erfindung der gleichnamigen Lampe geht auf den Beginn des 20. Jahrhundert zurück. Zu dieser Zeit war bereits das Wissen vorhanden, dass Licht und Farben die Gesundheit positiv beeinflussen. Vom im natürlichen Sonnenlicht enthaltenen Rotlicht unterscheidet sich das Licht von Infrarotlampen dadurch, dass es weder die Umgebung erwärmt noch UV-Strahlen enthält. Erst beim Auftreffen auf die Haut entfaltet das von Infrarotlampen abgestrahlte Licht heilende Wärme. Die meisten künstlichen Strahlungsquellen sind thermische Strahler. Für Wärmebehandlungen in der Industrie werden Infrarotöfen eingesetzt, z. B. für Trocknungsprozesse oder zur Kunstharz-Polymerisation. Allgemein verewndete Bestrahlungsstärken liegen im Bereich von 1‒8 kW/ m 2 . Abb. 4.8-22 zeigt eine IR-Trocknungsanlage aus einem Kfz-Zulieferbetrieb. ---- Abb.-4.8‐22: -Trocknung-und-Härtung-- lackierter-Stahlfedern-mit-IR‐Strahlern; - Quelle: -Werkphoto-Heraeus-Noblelight- - <?page no="298"?> 4 Geschichte des Energietransports 298 Kommerziell verfügbare IR-Strahler bestehen zumeist aus Chromnickelstahl- oder Aluminiumstahl-Drähten, die in metallische Reflektoren eingesetzt sind. IR-Strahler werden bis ca. 1000 °C heiß. Infrarotstrahlung wird schließlich gezielt zum Heizen genutzt, und das nicht erst seit heute. Die Geschichte der Heizung ist auch eine Geschichte der Strahlungsheizung. Die offenen Feuerstellen des Urmenschen wurde in großen Entwicklungsschritten „umhaust “, führten schließlich zum offenen Kamin und schließlich zum Kachelofen, der bei 40° C Oberflächentemperatur den geringsten Konvektionswert aller Öfen hatte, während ein sehr heißer Ofen viele Luftverwirbelungen hervorruft und einen dementsprechend geringen Strahlungsanteil hat. 216 Die Kombination, der Kaminofen, wurde wahrscheinlich im 14. Jahrhundert erfunden. Mit dem Aufkommen von Zentralheizungen im 19. Jahrhundert entstand auch der Heizkörper. Die meisten Heizkörper arbeiten bei der Wärmeübertragung zugleich nach dem Prinzip von Konvektion und Strahlung. Die Wärmeabgabe bei Heizkörpern und Radiatoren erfolgt bei gängigen Vorlauftemperaturen nur zu 30‒40 % durch Strahlungswärme und damit überwiegend durch Konvektion. Die abgestrahlte Wärmemenge steigt physikalisch bedingt mit ungefähr der vierten Potenz der Temperatur an und ist dementsprechend bei dampfbetriebenen Heizungen und erst recht bei elektrischen Strahlungsheizungen höher. Ein höherer Strahlungsanteil bei niedrigeren Vorlauftemperaturen wird durch größere Strahlungsflächen erreicht. Der Anteil der Wärmeleistung, die über die Strahlung abgegeben wird, ist bei einem einfach geformten Heizkörper größer als bei einem stark gerippten. Deswegen werden flache Heizkörper eher als Radiatoren, stark gerippte dagegen eher als Konvektoren bezeichnet. Heizungen mit hohem oder ausschließlichem Infrarotanteil gehören der neuesten Zeit an. 1998 nahm sich M. BUSCHHOFF dieser Thematik an und entwickelte ein funktionsfähiges Wärmewellen-Heizgerät. Das wurde Schritt für Schritt weiterentwickelt; nach zwei Jahren produzierte er das erste serienreife Wandheizpaneel. Die Strahlung solcher Paneele erwärmt die umgebenden Wände, Einrichtungsgegenstände und den Menschen. Da eine Wand nicht sofort die gesamte Strahlungsenergie absorbieren kann, wird ein Teil reflektiert - zur nächsten Wand und solange, bis sich ein Gleichgewicht eingestellt har usw. Als grober Richtwert kann gelten, dass 70 % reflektiert und 30 % absorbiert werden. Nachstehende Abb. 4.8-23 zeigt den heutigen Aufbau eines solchen Wandpaneels. -Abb.-4.8‐23: -Aufbau-des-- Infrarotpaneels; -Quelle: -Werk‐ bild-Infrapower-Group-GmbH- 216 -Schrader,-Julia: -Radiatoren: -Gusseiserne-Heizkörper,-Suderburg-2002.- <?page no="299"?> 4 Geschichte des Energietransports 299 Anwendungsbeispiele sind alle bewohnten Räume, aber auch Büros und Werkhallen. Die russische Raumstation MIR wurde 18 Jahre lang ohne Ausfall von einer Infrarotheizung beheizt, und auch auf großen Kreuzfahrtschiffen sind schon seit Längerem Infrarotheizungen im Einsatz. Infrarotheizungen gelten als effizient und preiswert. Bei der richtigen Anwendung einer Infrarotstrahlungsheizung ergeben sich nach einer Untersuchung der Universität Kaiserslautern sowohl Vorteile beim Energieverbrauch als auch bei den Kosten und der CO 2 -Bilanz. 217 Laser Das Laserlicht ist in seiner Herstellung noch ein sehr junger Beitrag zur Technik, mehr noch in seinen Anwendungen. 60 Jahre zählen im historischen Kontext zur Zeitgeschichte wie auch zur Gegenwart, da die Entwicklung neuer Anwendungsfelder immer noch anhält, sich sogar beschleunigt hat. Laserlicht ist im Sinne dieser Abhandlung „dual“: Es wird einerseits zur Übertragung von Energie genutzt, dient aber andererseits auch zur Übermittlung von Nachrichten oder Bildern. Das Glasfaserkabel ist für Letzteres ein bekanntes Beispiel. Wie oben schon betont, soll die Übermittlung von Information jedoch hier nicht der Gegenstand sein. Das Akronym Laser steht für Light Amplication by Stimulated Emission of Radiation. Dies macht bereits deutlich, wo die Funktionsweise des Lasers liegt, nämlich in der dem Physiker schon lange bekannten stimulierten Emission. A. EINSTEIN führte den Begriff 1917 ein, als er sich um die theoretische Begründung des PLANCKschen Strahlungsgesetzes bemühte. R. LADENBURG wies stimulierte Emission 1928 in Gasentladungen experimentell nach, aber erst 1954 wurde das Prinzip zur Verstärkung von Strahlung von CH. TOWNES umgesetzt. Abb. 4.8-24 zeigt die wesentlichen Komponenten eines Lasers, dessen Funktionsweise im Grunde darin besteht, eine Strahlung zu bündeln, auszurichten und frequenzscharf zu verstärken. --Abb.-4.8‐24: -Schematische-Skizze- eines-einfachen-Lasers,-bestehend- aus-einer-Pumpquelle,-einem- Verstärkungsmedium-und-einem- Resonator-zur-Lichtrückkopplung; - Quelle: -Institut-für-Hochfrequenz‐ technik-der-TU-Braunschweig- Es war im Übrigen nicht das sichtbare Licht, das den Anfang der Entwicklung markierte. Sie stand vielmehr in der Tradition der Radartechnik und der damit verbundenen Suche nach neuen Quellen für Mikrowellenstrahlung. So war der erste Laser auch ein MASER mit M für Microwave. 217 -http: / / www‐user.rhrk.uni‐kl.de/ kosack/ forschung/ INFRAROT‐STRAHLUNGSHEIZUNG,-Abruf- 12.06.2019.- <?page no="300"?> 4 Geschichte des Energietransports 300 Wichtige erste Beiträge zur Entwicklung des Lasers kamen auch von A. SCHALOW (1958), aufbauend auf Berechnungen zum Maser von N. BASOW und A. PROKOROW (1954). G. GOULD reichte 1959 ein Patent zum Laser ein, gebaut wurde der erste optische Laser jedoch 1960 von TH. MAIMAN. Es war ein mit einer Blitzlampe gepumpter Rubinlaser im Roten des Spektrums bei 694 nm, s. Abb. 4.8-25. Der erste Helium-Neon-Laser entstand im selben Jahr, zuerst bei der Infrarotwellenlänge von 1,15 µm, später bei 633 nm ebenfalls im Roten (A. JAVAN). Innerhalb weniger Jahre kamen eine Reihe von anderen Lasertypen hinzu, und die Entwicklung neuartiger Laser dauert bis heute an. Abb. 4.8-26 gibt einige Einzelheiten zu den Materialien, zur Technik und zur zeitlichen Abfolge. Abb.-4.8‐25: -Th.-Maiman-und-sein-Rubin‐ laser; -Quelle: -National-Museum-of-Ameri‐ can-History- - Abb.-4.8‐26: -Auswahl-einiger-wichtiger-Lasertypen-und-Lasertechnologien.-YAG-=-Yttrium‐Aluminium‐ Granat; -Quelle: -Institut-für-Hochfrequenztechnik-der-TU--Braunschweig,-bearbeitet- Bereits kurz nach der Entwicklung des ersten Lasers im Jahre 1960 wurden Behandlungen mit Lasern in der Medizin vorgenommen. 1962 behandelte der amerikanische Dermatologe L. GOLDMANN erstmals Hautkrankheiten mit Laserlicht. Nach seinem Erfolg bildeten sich zahlreiche Expertengruppen, die erforschten, wie man den Laser insbesondere in der Neurochirurgie, der Augenheilkunde und in der Urologie einsetzen könne. Frühe mit einem Laser behandelten Erkrankungen waren neben speziellen Formen von Hauterkrankungen vor allem Netzhautablösungen. Seitdem haben sich dem Laser neue <?page no="301"?> 4 Geschichte des Energietransports 301 Einsatzgebieten erschlossen - sowohl als Alternative für herkömmliche Verfahren als auch ganz neue Anwendungen. Heute wird neben dem konservativen Skalpell auch der Laser als chirurgisches Schneidewerkzeug genutzt. 218 Die folgende Zeittafel (Abb. 4.8-27) gibt die wesentlichen Entwicklungsstufen medizinischer Anwendungen wieder, die rasch aufeinander folgten: - - - - -Abb.-4.8‐27: -Entwicklung- medizinischer-Laseranwendungen; - Quelle: -Poprawe,-Laseranwendung,- o.-Seite- -- Die Verfügbarkeit von Rubinlasern, HeNe-Lasern und CO 2 -Lasern, Argonlasern und Nd- YAG-Lasern mit sehr speziellen Strahlparametern und Eigenschaften ermöglichte eher zufällig Anwendungen, die teilweise spontan relativ gut und teilweise auch sehr schlecht funktionierten. Der Laser wurde dabei als ein universelles Werkzeug betrachtet. Man realisierte unterschiedliche Wellenlängen, aber es fehlte an Infrastruktur, an Technik und an Bewusstsein dafür, dass jede Anwendung eine spezielle Parameterauswahl der Strahlquellen erforderte. Dies galt auch für Anwendungen in der Chirurgie, wo erste CO 2 -Laser zur Behandlung von stark blutenden Organen eingesetzt wurden. Dieses Vorgehen nach der Methode „trial and error“ bezüglich der Entwicklung neuer Behandlungsmethoden mit Laserstrahlung war zwar nicht systematisch, jedoch war es praktisch und durchaus produktiv. 219 Laser werden in der Medizin nicht nur zum Schneiden eingesetzt. Ein weiteres umfangreiches Anwendungsgebiet ist die Kosmetik geworden. Die Wellenlängen mancher Laser lösen in den Körperzellen verschiedene chemische Reaktionen aus. Die Farbstoffe in den Hautzellen reagieren zum Beispiel sehr sensibel auf rotes Laserlicht. Bestrahlt man dunkle Pigmentflecken oder auch Tätowierungen damit, werden die Farbpigmente aufgelöst und vom Körper abgebaut. Nach einigen Behandlungen verschwinden dunkle Pigmentstörungen, Altersflecken oder unliebsame Tätowierungen. 218 -Unter-Verwendung-von-Lasertechnik: -Laseranwendungen-in-der-Medizin,-in: -Universallexikon-Aca‐ demic,-2000‐2017.- 219 -Poprawe,-R.,-in: -Laseranwendung-in-der-Medizin,-Konrad‐Adenauer‐Stiftung,-S.-4f. <?page no="302"?> 4 Geschichte des Energietransports 302 Materialbearbeitung wurde zur wesentlichsten Anwendung der Laserstrahlung im technisch-industriellen Bereich. Ansatzpunkt in der Entwicklung war die Möglichkeit, mit der Strahlung lokal eine sehr hohe Energiedichte zu erreichen. In Verbindung mit einer entsprechenden Fokussierung der Strahlung auf kleine Durchmesser (im 100 μm-Bereich) wurden Leistungsdichten bis 1014 W/ m 2 in kleinen Raumbereichen erzielt, die zu einer starken Erhitzung und zum Schmelzen auch der härtesten Materialien (Diamant, Keramiken, Stahl) führen. 220 Auf diese Weise wurde das Schneiden und Trennen der verschiedensten Materialien (Metalle, Keramik, Kristalle, Plastik, Textilien, Leder, Holz, Papier) möglich - einschließlich der Bearbeitung komplizierter Strukturen mit einer hohen Schnittqualität ohne die bei konventionellen Verfahren notwendige Nachbearbeitung. Auch das Schweißen (Schmelzschweißverfahren als Punkt- oder Nahtschweißen) bei Stahldicken bis zu 30 mm und Schweißgeschwindigkeiten bis zu 3 m/ min. je nach Laserleistung gehört zu den wichtigen Anwendungen. Das Prinzip des Laserschneidens zeigt Abb. 4.8-28. 1. Gasversorgung 2. Schneiddüsen (aus Kupfer) 3. Arbeitsabstands-Düse 4. verarbeitende Richtung 5. Emissionen wie Schlacke / Schmelze 6. ausgespülte Emissionen / Rückstände 7. geschnittene Bodenwellen 8. Wärmeeinflusszone 9. Schnittbreite -- Abb.-4.8‐28.-Laserschneiden; -Quelle: -Werkinfo-eurolaser-GmbH------- Der Vorteil der Laseranwendung besteht dabei - neben allgemein höheren Arbeitsgeschwindigkeiten - darin, dass die Wärmebeeinflussung auf kleine räumliche Bereiche beschränkt ist und eine Bearbeitung in räumlich schwer oder unzugänglichen Bereichen (unter Glas oder im Vakuum, auch bei räumlich komplizierter Struktur) erfolgen kann. Auch ist der Materialabtrag in räumlich eng begrenzten Bereichen möglich geworden. Weitere typische Lasertechnologien wurden das Bohren kleinster Löcher (Durchmesser <500 μm), bevorzugt in harten Materialien, wie auch das Ritzen, Gravieren und Beschriften der verschiedenen Materialien (Glas, Keramik, Metall, Plastik, Papier). Insbesondere 220 -Stand-1999.- <?page no="303"?> 4 Geschichte des Energietransports 303 das Ritzen in feinsten Strukturierungen zur Bearbeitung von mikroelektronischen Hybridschaltkreisen (auf Keramiksubstrat) sowie Silicium-Wafern (Ritzgeschwindigkeiten 400 mm/ s, Spurbreite 30 bis 60 μm) hat seither große Bedeutung erlangt. Neben der Verwendung des fokussierten Laserstrahls zur Materialbearbeitung ist auch eine großflächige Bestrahlung zur Härtung und Oberflächenveredelung von Materialien möglich, wobei die notwendige Abkühlung allein durch Festkörperwärmeleitung erfolgt. Der Oberflächenbehandlung von Halbleitermaterialien zur Ausheilung von Dotierungsschäden durch Rekristallisationsprozesse wie auch der Oberflächenumstrukturierung und der Hartstoffsynthese kommt hierbei besondere Bedeutung zu. Einen Überblick über die sich entwickelnde Vielseitigkeit der Laserverwendung in der Industrie gibt Abb. 4.8-29 . Abb.-4.8‐29: -Einsatzbereiche-in-der-Lasermaterialbearbeitung; -Quelle: -Fraunhofer-ILT,-Cro-&-Hee- Für die Materialbearbeitung kommen unter ökonomischen Gesichtspunkten bevorzugt Hochleistungslaser in Betracht. Um die Jahrtausendwende wurden im Wesentlichen der CO 2 -Laser sowie der Neodym-YAG-Laser eingesetzt, und zwar im kontinuierlichen (Dauerstrich) wie auch im Impulsbetrieb, wobei die Betriebsart vom vorgesehenen Verwendungszweck und vom Bearbeitungsverfahren abhing. Zunehmende Bedeutung kommt heute dem Einsatz ultrakurzer Laserimpulse unter Verwendung des Titan-Saphir-Lasers zu, was eine hohe Kantensteilheit und die Reproduzierbarkeit der erzeugten Strukturen ermöglicht. 221 Verfügbare Wellenlängen vom UV bis in den NIR-Bereich, Pulsdauern von Femtosekunden bis Pikosekunden und Leistungen bis zu einigen kW ermöglichen die Bearbeitung in hervorragender Qualität. 221 -Unter-Verwendung-von: -Materialbearbeitung-mit-Lasern,-in: -Spektrum-Akademischer-Verlag,-Heidel‐ berg.- <?page no="304"?> 4 Geschichte des Energietransports 304 2007 hat das Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS in Dresden einen Weg gefunden, den Lasereinsatz flexibler zu gestalten und dadurch eine höhere Anwendungsvielfalt zu ermöglichen. Eingesetzt wurde eine vergleichsweise junge Technik: der Faserlaser. Dieser Lasertyp war lange Zeit auf die Telekommunikation beschränkt. Seine Signale waren gerade einmal stark genug, um schwache digitale Lichtsignale über Glasfasern zu verschicken - Telefonate und Internet-Botschaften. Doch mittlerweile hatten die Faserlaser aufgeholt und konnten auch für den Energietransport genutzt werden. Der Entwicklungssprung bestand darin, dass sich jetzt die Faser flexibel wie ein Kabel durch den Raum führen ließen. Außerdem erzeugt der Faserlaser Licht mit einer Wellenlänge von etwa 1 µm, die optimal von Metallen wie Stahl und auch Aluminium absorbiert wird. Die Energie des Lasers dringt leicht ins Material ein. Damit konnte ein Faserlaser bei gleicher Laserleistung etwa doppelt so schnell schneiden wie der vor allem bei Schneidprozessen etablierte CO 2 -Laser, der mit 10 µm Wellenlänge arbeitet. Der Faserlaser kam und kommt für verschiedene Fertigungsprozesse zur Anwendung und eignet sich wegen seiner Bauweise sowohl zur flexiblen Verwendung in Produktionslinien wie auch für den kleineren Betrieb. 222 Es lag nahe, Laser auch als Waffe zu verwenden. Über einen tatsächlichen Einsatz ist bisher nichts bekannt. Forschung und Entwicklung wurden bisher hauptsächlich in den USA vorangetrieben. Wesentlicher Impuls für diese Forschung war die 1983 von US-Präsident R. REAGAN verkündete Strategic Defense Initiative. Neben den USA, Russland und China arbeiten an Kampflasern gegenwärtig auch Israel und Deutschland. In den kommenden zehn bis 15 Jahren wird klar werden, ob ein Laser von den führenden Militärmächten als Waffe eingesetzt wird. 223 Bisher existieren Prototypen, darunter auch eine Entwicklung vom deutschen Industrieunternehmen RHEINMETALL, das 2013 einen 50 kW-HEL-Waffentechnologiedemonstrator vorgestellt hat und dieses Programm mit der deutschen Bundeswehr fortführt, s. Abb. 4.8-30. Als erster Realfall ist die Ausrüstung einer Korvette mit einer Laserkanone in Vorbereitung. Nach Angaben der Hersteller ist die Hochenergie-Laserwaffe für die Bekämpfung von beispielsweise Speedbooten oder bei der Luftverteidigung auf kurze Distanz geeignet. Abb.-4.8‐30: -Laser‐Waffen‐ Technologie‐Demonstrator; - Quelle: -Rheinmetall,-Werk‐ photo- - - 222 -Nach-Munde,-Annedore,-in: -Branchenportal-blechnet,-2007.- 223 -Agentur-Sputnik-v.-17.3.2017.- <?page no="305"?> 4 Geschichte des Energietransports 305 Mikrowellen Mikrowellen sind ihrem Wesen nach hochfrequente elektromagnetische Wellen, die durch ihre kurze Wellenlänge im Zentimeterbereich charakterisiert sind und spezifische Wellenlängen-Eigenschaften aufweisen. Als Frequenzbereich werden ihnen 1 bis 300 GHz zugeordnet, entsprechend Wellenlängen von ca. 30 cm bis 1 mm. Als Entdecker der Mikrowellen gilt der deutsche Physiker H. R. HERTZ. Sechs Jahre nach seinen ersten Versuchen mit Radiowellen (1880) wies er dann auch die schon von J. C. MAXWELL theoretisch postulierten Mikrowellen nach. Die Idee der Übertragung von Leistung durch Mikrowellen wurde 1899 von N. TESLA vorgeschlagen. Doch musste ein halbes Jahrhundert vergehen, bis Mikrowellen erstmals energetisch genutzt werden konnten. Der technische Gebrauch von Mikrowellen geht auf den deutschen Hochfrequenztechniker CHR. HÜLSMEYER zurück. Er fand heraus, dass elektromagnetische Wellen dieses Frequenzbereichs von metallischen Objekten reflektiert werden und damit zur Ortung verwendet werden können. Sein 1904 zum Patent angemeldetes Telemobiloskop gilt als Vorläufer heutiger Radarsysteme, deren Entwicklung während des zweiten Weltkrieges forciert wurde. Dies ist allerdings ein Gebiet der Nachrichtentechnik, das hier nicht weiter interessieren sollte - wenn es nicht einen ungewöhnlichen historischen Zusammenhang gäbe: Die Entdeckung der energetischen Nutzung dieses Wellenbereichs war ein Zufallsfund, der dem Radartechniker P. SPENCER gelang. SPENCER war als Mitarbeiter der US-Firma Raytheon im Januar 1945 in Waltham, Massachusetts, im Labor mit einem Rüstungsprojekt beschäftigt und benutzte hierfür ein Magnetron. 224 An eben diesem Magnetron stand Spencer, als der als Snack gedachte Schokoriegel in seiner Tasche zu schmelzen begann. Fasziniert ging er der Ursache auf den Grund. Als nächstes legte er Popcorn-Mais vor das Magnetron: er begann sofort aufzuplatzen. Ähnliches passierte mit einem rohen Ei: es explodierte einem Kollegen ins Gesicht. Spencer brachte alle möglichen Lebensmittel in einer Metallkiste unter und befeuerte sie mit Magnetron-Strahlen. Das Essen wurde heiß wie in einem Ofen - die „Mikrowelle“ war erfunden. Der physikalische Hintergrund bestand und besteht darin, dass Mikrowellen einer bestimmten Frequenz (2,45 GHz) Leistung direkt auf Wasser-Moleküle übertragen können, so dass wasserhaltige Speisen quasi von innen gekocht werden (was zugleich die Grenzen der Mikrowelle sichtbar macht). SPENCER, genauer sein Arbeitgeber, sah die Möglichkeiten, die sich hier eröffneten. 1946 entstand ein erster Prototyp. Am 24. Januar 1950 ließ er sich das Patent Nr. US2495429 (A) genehmigen: „Methoden zur Behandlung von Nahrungsmitteln (das Kochen selbiger mittels elektromagnetischer Energie)", s. Abb. 4.8-31. 224 -Ein-Magnetron-ist-ein-Hochleistungs‐Mikrowellenoszillator,-bei-welchem-aus-der-Energie-von-umlau‐ fenden-Elektronenwolken-leistungsstarke-elektromagnetische-HF‐Schwingungen-ausgekoppelt-werden.- Abgekürzt: -Ein-Magnetron-ist-ein-Mikrowellen‐Sender.- <?page no="306"?> 4 Geschichte des Energietransports 306 Abb.-4.8‐31: -Skizzenteil-aus- Spencers-Patentanmeldung: - Magnetronröhre-zum-Erwärmen- von-Lebensmitteln; -Quelle: - Spencer-Familien-Archiv,- ©1989‐2001-by-J.-Carlton-Gal‐ lawa- Die ersten, ab 1947 von Raytheon hergestellten Mikrowellenherde waren noch Monster, zwei Meter hoch, Hunderte Kilo schwer. Sie hießen Radarange und dienten zunächst gewerblichem Gebrauch, s. Abb. 4.8-32. Erst 1967 bot Raytheon ein praktisches Haushaltsmodell an; nach heutiger Rechnung kostete es mehr als 3500 Dollar. -Abb.-4.8‐32: -Eines-der-ersten-Mikrowellen‐ geräte,-hier-auf-einer-Haushaltsausstellung-in- London-im-März-1947; -Quelle: -Spiegel-online, - 23.01.2015,-http: / / cdn1.spiegel.de/ images/ - image‐799124‐860_poster- -- Die „Mikrowelle“ ist heute in fast handlicher Größe und zu erschwinglichem Preis ein Gerät für den Massengebrauch geworden. <?page no="307"?> 4 Geschichte des Energietransports 307 Die Verwendung von Mikrowellen zur Energieübertragung beschränkt sich heute nicht mehr auf den Haushalt. Mikrowellen haben auch Anwendungsfälle in der Industrie, wie aus nachfolgender Aufzählung ersichtlich: Holz- und Furniertrocknung, Erwärmung bzw. Aushärtung von Klebstellen, Beschleunigung des Abbindens des Betons, Trocknung von textilen Geweben, Schnelltrocknung von photographischen Filmen, Schmelzung oder Sinterung schwerschmelzbarer Pulver, Verdampfung von Lösungsmitteln, um die darin enthaltenen Salze in feinkristalliner Form zu gewinnen, Wiederaufbereitung von Asphalt im Straßenbau. Speziell in der Nahrungsmittelindustrie werden Mikrowellen genutzt zum / für Rösten von Kaffee- oder Kakaobohnen, Trocknen von Kochsalz, Eidottererwärmung zur Pulverherstellung, Sterilisieren von Milch, Brot oder Pharmaprodukten, Vernichtung von Schädlingen in den Nahrungsmitteln, Verdampfung des Wassers bei der Gefriertrocknung. Mikrowellen haben auch Anwendung in der Medizin gefunden. Mikrowellen bewirken, gezielt aufgebracht, die Überwärmung des Gewebes und erzeugen damit ein lokales Fieber. Die heilende Wirkung der Wärme war schon in den altägyptischen Hochkulturen (2400 v. Chr.) bekannt, aber erst in der griechischen Antike konsequent angewandt, anerkannt und als Hyperthermie benannt, s. auch Kap. 4.8.2. Es entwickelten sich später verschiedene Anwendungsgebiete, auch die künstliche Erzeugung von Fieber (Heilfieber) gehörte hierzu. Als passive Hyperthermie wird die Erhöhung der Körpertemperatur mittels Geräteeinsatzes von außen bezeichnet. Als Pionier der modernen „Fiebertherapie“ gilt J. WAG- NER VON JAUREGG. Er erhielt 1927 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin für die Behandlung von Lues mittels Fiebertherapie. Das Verfahren ist heute durch die Antibiotikatherapie abgelöst. Abb.-4.8‐33: -Mikrowellenbestrahlung-der- Schulter-bei-kalzifizierender-Tendinitis; -Quelle: - Werkphoto-Physiomed-- Der Markt der Medizintechnik hält unterschiedliche Geräte der Mikrowellentechnik bereit. Mikrowellentherapie wirkt sanft und effektiv. Sie regt den Stoffwechsel an und kommt bei der Behandlung von Knochen-, Muskel- und Gelenkerkrankungen, Erkrankungen im HNO-Bereich und Erkrankungen der Atmungsorgane zum Einsatz. Da die Mikrowellen die oberflächliche Fettschicht mühelos durchdringen, wird die tiefer liegende Muskelschicht besonders gut erreicht. Hier und auf der Haut erzielen die Mikrowellen einen Erwärmungseffekt, der über Reflexbahnen zu einer Durchblutungssteigerung des Gewebes führt. Ihr <?page no="308"?> 4 Geschichte des Energietransports 308 Wirkprinzip ist die lokale Freisetzung von Energie bzw. Wärme auch in der Tiefe, was Infrarot nicht leisten kann. Abb. 4.8-33 zeigt ein Anwendungsbeispiel. Mikrowellentherapie kommt heute vor allem in der Krebsbehandlung zum Einsatz, oft in Kombination mit einer Chemotherapie. Die sog. Mehrschritttherapie, deren wesentlicher Bestandteil die Hyperthermie ist, geht auf M. VON ARDENNE zurück, der sie in den 1960er Jahren in Dresden entwickelte. Sie ist keine Methode der Schulmedizin, wird jedoch seit den 1990er Jahren ergänzend eingesetzt. Strahlentherapie Nachdem L. FREUND (Wien) im Jahre 1903 einen „Grundriss der gesamten Radiotherapie für praktische Arzte" herausgegeben hatte, ließ sich die Entwicklung der Strahlentherapie anhand von Monographien, Lehrbüchern und Einzelarbeiten nachvollziehen. FREUND selbst hatte im Jahre 1896 eine erstmalige Anwendung der X-Strahlen zur Behandlung eines behaarten Muttermals bei einem jungen Mädchen durchgeführt. Die Fehlbildung verschwand tatsächlich - und nachhaltig, wie eine Nachuntersuchung im Jahr 1956 zeigte. Eine methodische Technik entwickelte sich nur langsam; war doch ihre Grundlage, die Frage nach dem wirksamen Agens, lange kontrovers, bis weitere Beobachtungen und Experimente (u. a. STATER) endgültig den Beweis erbracht hatten, dass es die Röntgenstrahlen selbst, und nicht etwa die zunächst postulierten elektrischen Entladungen waren, die die beobachteten Wirkungen hervorbrachten. Der Kredit der neuen Therapie hob sich weiterhin, seit G. HOLZKNECHT durch Konstruktion eines Dosimeters die Messung der verabreichten Strahlungsmengen ermöglichte und dem Tappen im Dunkeln ein Ende machte. Die Einführung seines und ähnlicher Instrumente verschaffte der expeditiven Methode mit Vollsitzungen und Normaldosen weitere Verbreitung, unter allmählicher Verdrängung der langwierigen und oft unbrauchbaren primitiven Methode mit täglichen Expositionen. Man könnte demnach die frühe Entwicklung der Radiotherapie in zwei Perioden einteilen. 225 1. Periode: Vorherrschen der elektrischen Theorie bis 1900. 2. Periode: Erkennung der Röntgenstrahlen als wirksames Agens, Einführung der expeditiven Methode mit Vollsitzungen und Normaldosen. Das Anwendungsgebiet der Radiotherapie dehnte sich nur allmählich aus, langsamer als zu erwarten gewesen war, wobei die Priorität der Indikationsstellung für die einzelnen Affektionen folgenden Autoren gebühren dürfte: Karzinom - Despeignes 1896 Lupus - Kiimmel und Schiff 1897 Hypertrichosis - Freund 1897 Lupus erythematosus - Schiff 1898 Psoriasis - Ziemssen 1898 Sykosis und Favus - Freund 1898 Naevus vasculosus - Jutassy 1898 225 -Dieser-Abschnitt-und-folgende-nach-Scherer,-E.-et-al.: -4.-Kapitel: -100-Jahre-Strahlentherapie-‐-Rück‐ blick-und-Ausblick,-in: -Strahlentherapie,-Berlin‐Heidelberg-1996,-gekürzt-und-bearbeitet.- <?page no="309"?> 4 Geschichte des Energietransports 309 Chronisches Ekzem - Hahn 1898 Epitheliom - Sjogren und Stenbeck 1899 Alopecia areata - Kienbock 1900 Sarkom - Ricketts 1900 Mycosis fungoides - Scholtz 1902 Leukamie und Lymphomatosen - Pusey und Senn 1902/ 1903. Im Jahre 1912 entstand die Zeitschrift Strahlentherapie, gegründet von C. J. GAUSS, H. MEYER und R. WERNER. Zu dieser Zeit kam die Strahlentherapie vermehrt in der Krebsbehandlung zum Einsatz. Im Zentrum des Interesses stand damals die Behandlung der Leukämie, bei der sich bereits mit geringen Strahlendosen sehr deutliche Erfolge erzielen ließen - wenn auch keine vollständige Heilung. In Haut- und Frauenkliniken wurden Strahlen ebenfalls zu einem wichtigen Thema. Für die Behandlung gynäkologischer Tumoren war insbesondere die Entdeckung des Radiumisotops 226 Ra von Bedeutung, das ab Anfang des 20. Jahrhunderts zur Verfügung stand. Es ließ sich bei Eingriffen durch die Scheide vor und in die Gebärmutter bringen und konnte dort seine Wirkung direkt entfalten. Bestrahlungsplätze nach der Stockholmer Methode waren rasch verbreitet, s. Abb. 4.8-34. Abb.-4.8‐34: -Bestrahlung-im-- Radiumhemmet,-Schweden-1917; - Quelle: -Radiumhemmets-arkiv- -- Mit der zunehmenden Verbreitung leistungsfähigerer Röntgenröhren und von Telekobalt- Geräten änderte sich das Anwendungsspektrum. Nun konnten mit der Strahlentherapie auch tiefgelegene Körperschichten angegangen werden. Vorübergehend gab es auch ein breites Spektrum gutartiger Erkrankungen, die man bestrahlte: Ekzeme, Eiterungen, Rheuma, Keloide, Fisteln und viele andere. Mit dieser im Nachhinein zu unkritischen Ausweitung der Methode kam es zu Nebenwirkungen, vor allem zu einer besorgniserregenden Häufung von Krebserkrankungen bei den oft noch jungen Patienten. Eine wichtige Entdeckung, die auch dem Normalgewebe half, stammt aus den 1920er Jahren. Man hatte erkannt, dass es günstig war, die Strahlendosis nicht kontinuierlich, sondern portionsweise zu verabreichen, im Abstand von Stunden oder Tagen. Diese Entwicklung ging auf R. SCHINZ in der Schweiz zurück, auf die so genannte Züricher Schule. Sie etablierte sich rasch als Standard. <?page no="310"?> 4 Geschichte des Energietransports 310 Anfang der 1950er Jahre war das Gerät „Stabilivolt“ der Firma Siemens verbreitet im Einsatz. Der Erlanger Vereinigten Physikalisch-Mechanischen Werkstätten Reiniger, Gebbert & Schall, die als erste RÖNTGENS Ideen industriell aufgegriffen hatten, waren 1925 im Siemens-Konzern aufgegangen, der künftig in Deutschland der führende Hersteller wurde. 226 H. SACK berichtet hierzu aus der Praxis: „Die Hochspannung von 180 kV hielt das Gerät stabil, nicht aber die Dosisleistung. Während der gesamten Behandlung, die rund 60 Minuten dauerte, musste also jemand am Schalttisch bleiben und die Leistung regulieren.“ 227 Im Bestrahlungsraum seien zudem drei Patienten gleichzeitig bestrahlt worden - durch einfache Holzwände getrennt, die lediglich als Sichtschutz dienten. 1959 erschien ein Bericht der britischen Gesundheitsbehörden mit einer alarmierend erhöhten Leukämierate unter Patienten, die eine Strahlentherapie der Wirbelsäule gegen den Morbus Bechterew erhalten hatten. Daraufhin wurde die Strahlentherapie gutartiger Erkrankungen in den westlichen Staaten fast völlig eingestellt - die Strahlentherapie konzentrierte sich jetzt zunehmend auf maligne Erkrankungen und wurde zum Standard der Onkologie. In den ehemaligen Warschauer Pakt-Staaten, die schlechter mit Alternativverfahren wie zum Beispiel modernen entzündungshemmenden Medikamenten versorgt waren, verlor die Strahlentherapie gutartiger Erkrankungen weniger stark an Boden. Mittlerweile gibt es Bestrebungen, die Methode mit einem eingeschränkten Indikationsspektrum und bei ausschließlich älteren Patienten wieder zu etablieren. Gegenwärtig werden in Deutschland wieder etwa 40.000 Strahlentherapien bei gutartigen Erkrankungen im Jahr durchgeführt. 228 Die Strahlentherapie fristete lange ein Schattendasein am Rande der Radiologie, zu der sie bis 1985 zählte. Der Weg zu einem eigenständigen Fachgebiet sollte nach der Entdeckung der therapeutischen Wirkung von Strahlen noch weit sein. Dennoch entwickelte sich die junge Disziplin rasant weiter. So ebneten neue Techniken den Weg für immer präzisere Einsatzmöglichkeiten. „Wichtige Meilensteine waren ab den 1940er Jahren vor allem die Kreuzfeuermethode, bei der man über mehrere Eintrittspforten auf den Tumor zielt, sowie die Entwicklung der Bewegungs- oder Pendelbestrahlung mit Geräten, die sich um den Körper oder ein Körperteil herumbewegen“, zählt SACK auf. Beide Methoden haben zum Ergebnis, dass sich die Strahlen im Tumor bündeln, auf diesen also die volle Dosis wirkt, während die gesunde Umgebung geschont wird. „Diese Methoden sind bis heute das A und O einer erfolgreichen Strahlentherapie - wobei die Qualität dank moderner Bildgebung und computergesteuerter Bestrahlungsplanung im Laufe der Jahre immer besser geworden ist.“ 226 -Zunächst-unter-dem-Namen-Siemens‐Reiniger.-In-den-USA-wurde-General-Electric-zum-größten-ein‐ schlägigen-Hersteller.- 227 -Sack,-H.,-in: -Strahlentherapie---junges-Fachgebiet-mit-langer-Tradition,-Broschüre-DEGRO-2009.-Sack- war-von-1991‐1994-Präsident-der-Deutschen-Röntgengesellschaft.- 228 -http: / / www.wikipedia.org/ wiki/ Strahlentherapie,-Abruf-21.12.2018.- <?page no="311"?> 4 Geschichte des Energietransports 311 Auch die verwendeten Strahlungsquellen veränderten sich im Laufe der Jahre. In gewisser Weise profitierte die Radioonkologie dabei von der Entwicklung der Atombombe und der Notwendigkeit, dafür Uran anzureichern. „Die Reaktoren standen nach dem Weltkrieg auch für zivile Zwecke zur Verfügung, und so konnte man für die Therapie zwei ganz wesentliche neue Radionuklide produzieren, das Kobalt 60 Co und das Cäsium 137 Cs, deren Strahlenqualität wesentlich höher ist als die der Röntgenstrahlung.“ SACK zieht einen Vergleich: „Während konventionelle Röntgenstrahlen damals eine Energie von um die 200 keV erreichten, schafften Kobaltgeräte, die in Deutschland ab den 1960er Jahren zur Verfügung standen, bis zu 1,1 MeV.“ So dringen die Strahlen viel tiefer ein, und das Dosismaximum liegt nicht mehr auf der Hautoberfläche, sondern dank des Aufbaueffektes, einer Steigerung der Strahlendosis im Körperinneren, in fünf Millimeter Tiefe. In den 1970er Jahren ergänzten dann Betatrons das Arsenal, mit Energien bis zu 42 MeV. Sie wurden später durch Linearbeschleuniger - Abb. 4.8-35 - ersetzt, denen eine ähnliche Technik zugrunde liegt, die aber wesentlich weniger störanfällig sind. „Sie arbeiten so präzise, dass wir davon ausgehen, dass wir jede Körperstelle mit der gewünschten Strahlendosis erreichen können“, so SACK. Damit war ein wichtiger Schritt erreicht, um Patienten ganz individuell mit der geeigneten Dosis behandeln zu können. Protonenbeschleuniger, die ab 2009 an den Standorten Heidelberg und Essen zur Verfügung standen, waren sogar noch um eine Nuance besser. Abb.-4.8‐35: -Ein-medizinischer-Linearbeschleuniger-- sowjetischer-Bauart-in-der-Radiologischen-Klinik- der-Friedrich‐Schiller‐Universität-Jena,-DDR-- Februar-1985; --Quelle: -Bundesarchiv-Bild-183‐ 1985‐0211‐001 Die moderne Strahlentherapie hat also seit ihren Anfängen einen weiten Weg zurückgelegt und ist dem großen Ziel sehr nahe gekommen: der individualisierten Therapie, bei der die Bestrahlungspläne für jeden einzelnen Patienten so ausgefeilt werden, dass der Tumor die volle Dosis erhält und die umliegenden gesunden Organe maximal geschont werden. Einen bedeutenden Anteil daran hatten natürlich auch die neugewonnenen Erkenntnisse in der Strahlenbiologie, etwa zur Wirkung der Strahlung auf gesundes und krankes Gewebe, sowie zahlreiche klinische Studien, bei denen Behandlungsprotokolle für verschiedene Tumorerkrankungen erprobt wurden. <?page no="312"?> 4 Geschichte des Energietransports 312 Für die Entwicklung der Strahlentherapie war es von großer Bedeutung, aus dem Schatten der (diagnostischen) Radiologie herauszutreten. Bis 1974 waren sämtliche Kliniken, Lehrstühle und Arztpraxen, die sich mit Strahlentherapie beschäftigten, radiologische Einrichtungen. „Da ging die Radioonkologie oft im Tagesgeschäft der Diagnostik unter“, schildert SACK die Problematik. „Mit der langfristigen Beobachtung der Strahlentherapie bei den zumeist schwer kranken Menschen wollten sich damals nur sehr wenige Kollegen auseinandersetzen.“ Als ein ganz entscheidender Schritt war zu werten, dass 1974 in Köln der erste Lehrstuhl für Strahlentherapie eingerichtet wurde. Kurz darauf folgten die Universitäten in Freiburg und Erlangen diesem Beispiel, und nach und nach richteten auch alle anderen Universitäten einen solchen Lehrstuhl ein. Ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zum unabhängigen Fachgebiet war 1980 die Gründung der ESTRO und schließlich 1995 der DEGRO, der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie - Deutschland war hier eines der Schlusslichter in Westeuropa. Das hat lange gedauert, aber die Vorteile einer Trennung von der Deutschen Röntgengesellschaft lagen schließlich doch nahe. 229 229 -Vorstehende-Abschnitte-nach-Sack,-Strahlentherapie.- <?page no="313"?> 313 5. Energieströme in Deutschland im Überblick In der Zusammenfassung und zugleich in grober zeitlicher Zuordnung der Energieströme ergibt sich nachfolgendes Schema, wobei die Tönung jeweils ein qualitatives Maß der Nutzung darstellt: Figure-5‐1: -Energieformen-/ -Energieströme-in-zeitlicher-Zuardnung-(Zeitachsen); -Quelle: -eigene-Dar‐ stellung- <?page no="314"?> 5 Energieströme in Deutschland im Überblick 314 Zusammenfassend lässt sich kommentieren:  Der mechanische Energietransport hat nach einer Hochzeit im Mittelter mit dem Übergang in die Neuzeit seine Bedeutung verloren.  Mit der Neuzeit begann die Blüte des chemischen Energietransports, die bis zur Gegenwart anhält.  Beginnend mit dem Industriezeitalter gewann die elektrische Energie in der Form des elektrischen Stroms einen immer größeren Stellenwert, bis hin zur gegenwärtig häufig genannten Prognose: die Zukunft wird elektrisch sein. Aber es gilt auch:  Keine Energieform ist gänzlich verschwunden - die Gegenwart zeichnet sich durch eine breite Vielfalt aus. <?page no="315"?> 315 6. Geschichte der Energiespeicherung Bewegungsenergie Bewegte Körper, Flüssigkeiten und Gase sind zugleich auch Energiespeicher. Unter die bewegten Körper fallen zunächst vor allem militärische Objekte, in neuerer Zeit hat die Rückgewinnung kinetischer Energie in der Technik Bedeutung gewonnen. Militärische Anwendungen Über eine lange Zeit wurden massive Kanonenkugeln aus Stein oder Eisen verwendet, deren gespeicherte kinetische Energie den Sinn der Waffe ausmachte. Über deren Abschussvorrichtungen wurde bereits in Kap. 4.1.1 berichtet. Steinkugeln als Munition für Schiffskanonen z. B. fanden bis weit in die frühe Neuzeit hinein Verwendung. Die Kanonen selbst wurden ursprünglich nicht nach dem Kaliber, sondern nach dem Gewicht der von ihnen verschossenen Kugeln bewertet, vom 3-, 6-, 12-, 24-Pfünder bis zum 32-Pfünder und darüber. Die Abb. 6.1-1 gibt ein Anwendungsbeispiel aus der Erstürmung einer mittelalterlichen Stadt. Abb.-6.1‐1: -Erstürmung-einer-mittelalter‐- lichen-Stadt,-Original-entstanden-in - Bern-- 1478‐1483; -Quelle: -Bern,-Burgerbibliothek,- Mss.h.h.I.1,-p.-97---Diebold-Schilling,-Amtliche- Berner-Chronik,-Vol.-1 Kanonenkugeln wurden auch im offenen Feld verwendet, wurden dort flach abgeschossen und setzten daher mehr als einmal auf - eine mehrfach tödliche Waffe, der ganze Gruppen von Angreifern zum Opfer fielen. Besonders gefürchtet waren die Kettenkugeln, die aus mit Ketten verbundenen Eisenkugeln bestanden und im Flug unkontrolliert rotierten. Hier war zwar die Reichweite geringer, die Verluste bei einem in geschlossenen Formationen angetretenen Gegner umso größer. Gelegentlich findet man heute noch alte Gebäude, in denen sichtbar Kanonenkugeln stecken, wie z. B. in den Mauern der Heiliggeistkirche in Stralsund, s. Abb. 6.1-2. Im Beispiel <?page no="316"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 316 Stralsund ist dies allerdings ein „Fake”, wie der dortige Stadthistoriker mitteilt: „Die Menschen glaubten damals, wenn eine Kanonenkugel bereits im Haus ist - und sei sie auch nur eingemauert -, so schütze das vor weiteren Zerstörungen der Bauwerke.“ 230 Abb.-6.1‐2: - Eingemauerte-- Kanonenkugeln-in-den-- Außenwänden-der- Heilggeistkirche-in- Stralsund; -Quelle: -Ost‐ seezeitung-- v.-13.02.2017- - Mit dem Beginn des 16. Jahrhunderts verbreitete sich die Granate, die mit Sprengstoff gefüllt wurde. Damit änderte sich auch die Energieform - künftig war es gespeicherte chemische Energie, die am Ort des Aufschlags die verheerenden Wirkungen möglich machte. Erhalten blieb die kinetische Energiespeicherung bei den Infanterie- und Sportwaffen, und zwar bis in die Gegenwart hinein. Rückgewinnung Zu den Anwendungen, in denen gespeicherte Bewegungsenergie in der Technik verwendet wird, gehört auch die Wiedergewinnung von kinetischer oder Bewegungsenergie (Rekuperation), wie sie heute unter Gesichtspunkten einer Verbrauchsminderung z. B. in Kraftfahrzeugen serienmäßig genutzt wird. Rückgewinnung von Bewegungsenergie bedeutet zugleich eine Abbremsung der Bewegung, was zum gebräuchlichen, aber irreführenden Terminus „Rückgewinnung von Bremsenergie“ geführt hat. Abb. 6.1-3 erläutert die grundsätzliche Funktionsweise. Technisch gut machbar ist die Wiedergewinnung, besser: Nutzbarmachung von Bremsenergie als elektrische Energie. Es ist nicht erstaunlich, dass sich die ersten Anwendungen bei elektrischen Bahnen finden. 230 -Ostseezeitung-v.-13.02.2017.- <?page no="317"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 317 -- - --- --Abb.-6.1‐3: -Rückgewinnung- von-Bremsenergie-oder- Nutzbremse; -Quelle: -Mazda-3- Betiebsanleitung- „Wenn man sich schon in der Frühzeit des elektrischen Bahnbetriebs mit der Aufgabe befasste, die beim Bremsen frei werdende Arbeit nicht mehr nutzlos an Bremsklötzen oder Widerständen zu vernichten, sondern sie in die Fahrleitung zurückzugeben, so wollte man vor allem den großen Stromverbrauch der steigungsreichen Strecken herabsetzen, die Nutzbremse als Gefällebremse verwenden.“ 231 Ein erstes erfolgreiches Beispiel ist wohl die Elektrolok Ce 6/ 8 (Krokodil) der Schweizer Bundesbahn (SBB), deren Pflichtenheft von 1918 die Bereitstellung und Einspeisung von Rekuperationsenergie vorsah. Abb. 6.1-4 zeigt das Kokodil im Einsatz im Gebirge. Anfangs wurde eine Rückgewinnung von etwa 5 % der eingespeisten Energie erreicht. - - --- Abb.-6.1‐4: -Das-Krokodil-im-Einsatz; -- Quelle: -Schweizerische-Bundesbahnen-- SBB- 231 -So-Töfflinger,-K.,-in: --Die-Nutzbremse,-Neue-Elektrische-Bremsverfahren-für-Straßen‐-und-Schnellbah‐ nen,-Berlin/ Heidelberg-1934,-S.-16.-Der-Begriff-Nutzbremse-wird-heute-nicht-mehr-verwendet,-obwohl- er-fachlich-korrekt-wäre.- <?page no="318"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 318 Versuche und auch Umsetzungen der Rekuperation wurde in der Folge von vielen Bahnunternehmen unternommen. So erhielt die Ende der 1970er-Jahre entwickelte Drehstromlokomotive der DB-Baureihe 120 eine Rückspeisung der Bremsenergie in die Oberleitung. Nach vierjähriger Erprobung wurden 1984 insgesamt 60 Serienlokomotiven der Baureihe 120.1 zu einem Stückpreis von 5,5 Mio. D-Mark bestellt. Sie wurden nach der Auslieferung ab 1987 für Intercity- und Interregio-Züge und nachts für schnelle Güterzüge eingesetzt. Auch die Mitte 1994 bei ADtranz (heute Bombardier) für den Schnellzugdienst bestelltem 145 Lokomotiven der Baureihe 101 haben die Technik für die Rückspeisung der Bremsenergie ins Versorgungsnetz integriert. Die Energierückspeisungsfunktionalität ist bei Elektrotriebfahrzeugen heute gängige Praxis 232 und gilt seit etwa 1990 als Stand der Technik. 233 Dabei werden Motoren elektrischer und auch dieselelektrischer Traktionen während eines Bremsvorgangs als Generator verwendet, sodass sich die gewonnene elektrische Energie in den Fahrdraht oder in andere Energie verbrauchende Zugsysteme rückübertragen lässt. Bei diesem Vorgang werden verschiedene Netzrückspeisetechniken verwendet. In der Verwendung besonders geeignet sind Bahn-Wechselstromnetze, da Rückspeiseprozesse bei Gleichstrombahnen höhere Kosten und geringere Energieeinsparquoten verursachen. Fallen allerdings im Einzelfall zu hohe Rückspeiseströme an, muss die überschüssige Bremsenergie freigesetzt werden, oft in Form von ungenutzter Wärme. Um in Wechselstromnetzen Überschüsse aus der Rekuperation dennoch nutzbar zu machen, kann auch auf streckenseitige Speichersysteme zurückgegriffen werden. Energie, die durch bremsende Fahrzeuge in das Stromnetz eingespeist und nicht von anfahrenden oder sich in einer Steigung befindlichen Lokomotiven oder Triebwagen abgenommen wird, lässt sich somit stationär zwischenspeichern. Mögliche ortsfeste Energiespeicherlösungen sind dabei im Wesentlichen: ● Schwungräder und ● Doppelschichtkondensatoren, auf die weiter unten in Kap. 6.3 bzw. Kap. 6.7.1 noch einzugehen ist. Nach Angaben der Deutsche Bahn AG betragen die Einsparpotenziale im Schienenverkehr durch die Rückspeisung von Bremsenergie gegenwärtig bis zu 13 %. Das mag als nicht viel erscheinen, jedoch ist zu berücksichtigen, dass dies ein Mittelwert über alle Einsätze und eine Vielzahl von Betriebszuständen ist. Nur unter besonderen Bedingungen und auf einzelnen Strecken lässt sich eine Rückgewinnung von bis zu 40 % erzielen. Eine größere Energieersparnis als bei den Fernbahnen lässt sich im Schienenpersonennahverkehr erreichen. Die Bombardier Transportation GmbH gibt für ihr Doppelschichtkondensatoren-System, welches mittlerweile in knapp 20 Straßenbahnen im Rhein- Neckar-Raum im Einsatz ist, jahreszeitabhängige Reduktionseffekte von 27 bis 30 % der 232 -Dieser-und-folgende-Absätze-unter-Verwendung-von-Bundesministerium-für-Verkehr-und-digitale- Infrastruktur-(Hg): -FIS,-Forschungs‐-und-Innovationssystem-für-Verkehr-und-Mobilität,-Stand-2017.- 233 --Nach-Verband-Deutscher-Verkehrsunternehmen-(VDV).- <?page no="319"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 319 aufzuwendenden Traktionsenergie an. 234 Die Berliner Verkehrsgesellschaft war dagegen nicht ganz so erfolgreich und formulierte in ihrem Bericht zur nachhaltigen Verkehrsentwicklung 2010‒2011: „Straßenbahnen und U-Bahnen sind in der Lage, Strom beim Bremsen in das Fahrleitungsnetz zurück zu speisen. Ein Teil der gewonnenen Energie wird dabei auch für die Innenbeleuchtung und Heizung der Fahrzeuge genutzt. Im Berichtszeitraum konnte die effiziente Nutzung dieser rückgespeisten Energie durch infrastrukturelle Maßnahmen erhöht werden. Bis zu 18 % der für das Fahren benötigten Energie können so wieder zurückgespeist werden.“ - - ---Abb.-6.1‐5: -Ein-Tesla-Model-S-P85+-baut-seine- Geschwindigkeit-von-aktuell-209-km/ h-mit-über- 60-kW-durch-seine-Nutzbremse-ab,-angezeigt- auf-dem-Leistungsindikator-rechts-unten; - Quelle: -Lklundin,-eigenes-Photo-Sept.-2013- -- - Kraftfahrzeuge sind das andere große Anwendungsfeld der Rekuperation, insbesondere in der Auslegung als Elektroauto. Als erstes Beispiel gilt hier der Toyota Prius, das seit 1997 in Serie produzierte Auto mit Hybridantrieb, dessen zwei elektrische Antriebsmotoren auch als Generator arbeiteten. BMW führte im Jahr 2007 unter dem Schlagwort Efficient Dynamics eine Rückgewinnung der Bremsenergie für viele seiner Benzin- und Dieselfahrzeuge ein, die sich allerdings, da es sich nicht um Elektrofahrzeuge oder Hybride handelte, auf das Nachladen der Bordbatterie beschränkte. Ein Beispiel für die Nachladung der Antriebsbatterie wiederum ist der Tesla, dessen bekanntestes Model S im Jahr 2012 auf den Markt kam, s. Abb. 6.1 5. Die Nutzung von Bremsenergie ist nicht auf Fahrzeuge gleich welcher Art beschränkt. Auch bei Lastaufzügen, Krananwendungen und industriellen Hubanwendungen kann sie verwendet werden, indem ein Energieaustausch zwischen bremsenden und beschleunigenden Antrieben über einen Zwischenkreis organisiert wird. Diese Methode führt bei Anwendungen mit hohem Bewegungsanteil wie Bediengeräten in Hochregallagern oder auch Förderanlagen zu spürbaren Effizienz-Verbesserungen. Ein Anlagenbeispiel für einen solchen Energieaustausch zeigt Abb. 6.1-6. 234 -Bombardier-Transportation-(Hg): -Steiner,-M.: -MITRAC-Energy-Saver,-2006.- <?page no="320"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 320 Abb.-6.1‐6: -Eine-Übersicht-der-unterschiedlichen-- Arten-an-gespeisten-Antrieben-(Ausleger,-Hebe‐ werk,-Fahrantriebe)-sowie--ihre-Verbindung-- untereinander,-geeignet-für-einen-Energieaus‐ tausch; -Quelle: -M.-Cerny,-ETZ-12/ 2013- Um die Bremsenergie von Maschinen effizient zurückzugewinnen, wäre ein Hybridspeicher hilfreich, der die sich ergänzenden Eigenschaften von Batterien und Kondensatoren vereint. Die Entwicklung solcher Powercaps genannten Hybride treiben das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und seine Partner im Projekt FastStorage BW II seit 2016 voran, s. auch Kap. 6.7.1. Powercaps können etwa doppelt so viel Energie wie klassische Kondensatoren speichern und gleichzeitig mehr elektrische Leistung bereitstellen als eine konventionelle Batterie. 235 -- Potenzielle Energie Als Speicher für potenzielle Energie sind zunächst einmal die Wasserspeicher zu nennen, die uns in der Form von der Energieversorgung dienenden Talsperren, Oberwasser von Pumpspeicherwerken, Wassertürmen etc. begegnen. Als Quellen des Energietransports wurde sie bereits in Kap. 4.2.5 berührt. Talsperren und Pumpspeicher Künstliche Wasserspeicher sind schon in der Antike gebaut worden. Sie dienten allerdings der Wasserversorgung, nicht der Energiegewinnung, s. Abb. 6.2-1. 235 -SPS‐MAGAZIN-HMIS,-07.04.2016.- <?page no="321"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 321 - --Abb.-6.2‐1: -Die-Proserpina‐Talsperre- bei-Mérida-in-Spanien,-2.-Jh.-nach- Chr.,-heute-noch-in-Funktion; -Quelle: - Z.-Kultur-und-Technik,-3/ 2005,-S.-12- Erste Talsperren zur Energiegewinnung sind in Deutschland ab dem Ende des 8. Jahrhunderts belegt. Der Aufstau von Bächen und kleinen Flüssen erfolgte in Fisch- und Mühlenteichen mit kleinem Stauinhalt und geringer Höhe des Absperrbauwerks. Eine größere Bedeutung bekam der Talsperrenbau in Deutschland Mitte des 16. Jahrhunderts mit dem Beginn des Bergbaus im Harz und im Erzgebirge. Die dort bis Ende des 19. Jahrhunderts errichteten Anlagen hatten nach Kap. 4.2.1 und Kap. 4.2.2 die Aufgabe, Energie für die Förderung bereit zu stellen und auch dafür zu sorgen, dass mit Hilfe von Wasserrädern das Grubenwasser aus den Bergwerken gehoben und das Erz bearbeitet werden konnte. Viele der mit Hilfe von Dämmen aufgestauten ersten Talsperren sind noch als Kulturdenkmal erhalten. 236 Die Dämme bestanden meist aus im Stauraum gewonnenen Steinbruchmaterial. Für die Dichtung wurden sogenannte Rasensoden eingesetzt. Der Rasen wurde in Rechteckform ausgeschnitten und dann wie Mauerwerk aufeinandergesetzt. Die Anordnung der Dichtung erfolgte bei den älteren Dämmen als Schürzendichtung an der wasserseitigen Böschung, später als Kerndichtung in Dammmitte. Der moderne Talsperrenbau beginnt in Deutschland mit der von 1889 bis 1891 gebauten Eschbachtalsperre bei Remscheid (heute noch aktiv, nach Umbauten 29 kW Leistung und ca. 100.000 kWh elektrische Energie pro Jahr). Seit dem 17. Jahrhundert hatte sich auch in den westfälischen Mittelgebirgen eine Kleinindustrie entwickelt. An der unteren Ruhr (dem heutigen Ruhrgebiet) entstand zum Beginn des 19. Jahrhunderts eine neue Industrie, die ihre Energie jedoch aus der Steinkohle gewann. Die Industrie in den Mittelgebirgen konnte dagegen nur konkurrenzfähig bleiben, wenn sie es schaffte, die preiswertere Energie des Wassers ständig zur Verfügung zu haben. Unter diesen Zwängen entstanden Talsperrengenossenschaften, die Talsperren planten, bauten und später auch in Betrieb hielten. Ein Beispiel dieser Art ist die Gründung des Ruhrtalsperrenvereins. Im Ruhrgebiet wuchs Ende des 19. Jahrhunderts durch die Zunahme der Industrialisierung der Bedarf an Trink- und Brauchwasser. Vom Ruhrwasser machten inzwischen nicht nur deren Anrainer Gebrauch, vielmehr bedienten sich auch die Städte und Gewerbegebiete an Wupper, Lippe 236 -Dieser-und-folgende-Abschnitte-nach-Bettzieche,-V.,-Ruhruniversität-Bochum-(RUB).- - <?page no="322"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 322 und vor allem an der Emscher aus dieser Quelle. So fehlte es an der unteren Ruhr, die in regenarmen Zeiten sogar trocken zu fallen drohte. Nicht nur den Trinkwasserentnehmern und dem Kleingewerbe drohte Wassermangel. Das Wasser fehlte auch den kleinen Kraftwerken, die ihren Betrieb immer häufiger wegen Wassermangels einstellen mussten. Dies führte zu unangenehmen und langwierigen gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen Wasserentnehmern und Kraftwerksbesitzern. In dieser Situation beauftragte 1893 der Regierungspräsident von Düsseldorf den Aachener Professor O. INTZE, ein Gutachten über die Wasserverhältnisse an der Ruhr anzufertigen. 237 INTZE riet, zum Ausgleich der Wasserführung der Ruhr Talsperren mit einem Gesamtstauraum von 30 Mio. m³ zu bauen, finanziert durch einen Zusammenschluss der Wasserwerke in einer Interessengemeinschaft - der Grundgedanke des Ruhrtalsperrenvereins war geboren. Da in den direkt folgenden Jahren die wasserwirtschaftlichen Verhältnisse vom Wetter her hinsichtlich des Abflusses zufällig günstig waren, blieb das Gutachten INTZES erst einmal liegen. Es war wie so oft: Wenn der äußere Druck entfällt, unterbleibt die eigentlich notwendige Handlung. Von Seiten der Regierung engagierte sich dann jedoch der Regierungspräsident von Düsseldorf in der Zeit von 1896 bis 1899 vehement und erfolgreich für den freiwilligen Zusammenschluss von Wasser- und Triebwerksbesitzern zum Ruhrtalsperrenverein. Unter seinem Vorsitz trafen sich am 10. Januar 1898 Vertreter der betroffenen Firmen und Städte, um über die „Anlegung von Thalsperren in den Provinzen Rheinland und Westfalen" zu beraten. Als Sachverständiger stellte INTZE nochmals die Kernpunkte seines Gutachtens vor. Die Konferenz beauftragte eine Kommission unter Vorsitz des Freiherrn VON RHEIN- BABEN, die Gründung des Ruhrtalsperrenvereins vorzubereiten, was dann am 15. April 1899 geschah. - Abb.-6.2‐2: -Die-Mauer-der-- Fürwiggestalsperre; -Quelle: -- Originalzeichnung-Intze,-- Ausschnitt- 237 -Dieser-und-folgende-Abschnitte-nach-Ruhrtalsperrenverein-(Hg): -100-Jahre-Talsperrenbau-an-der- Ruhr,-http: / / www.talsperren.info/ 100_jahre_talsperren_an_der_ruhr,-Abruf-12.5.2019.- - <?page no="323"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 323 1902 bis 1904 wurde nach den Plänen von INTZE die kleine Fürwiggestalsperre gebaut, deren besonderes Charakteristikum die nach seinem Prinzip errichtete, aus Bruchsteinen bestehende Gewichtsstaumauer war, s. Abb. 6.2-2. Zwischen 1900 und 1925 entstanden so in Deutschland 32 Talsperren, die durch Staumauern aus Bruchsteinen eingestaut wurden, darunter auch die von 1909 bis 1913 errichtete Möhnestaumauer. Mit einem Stauvolumen des Möhnesees von 134 Mio. m³, 7225 MWh gespeicherter Energie und einer Kraftwerksleistung von 7 MW stellte sie alle bisher in Deutschland erbauten Talsperren in den Schatten. Die Zerstörung der Staumauer im 2. Weltkrieg durch die Royal Airforce 1943 erlangte wegen der großen Flutschäden traurige Berühmtheit. Es muss allerdings ergänzt werden, dass der Größenrekord der Möhnetalsperre ein Jahr später durch die Einweihung der Edertalsperre mit einem Stauraum von 202 Mio. m³ wieder gebrochen wurde. Die Entwicklung der Baumaschinentechnik stellte Mitte der 20er Jahre Geräte zur Verfügung, die zwei weitere Bauarten ermöglichten. Die eine bestand im Bau von Betonstaumauern, wie etwa der Schluchsee-Staumauer bei Freiburg, die 1929 bis 1932 erbaut wurde. Zur Herstellung von Beton standen jedoch vielerorts die notwendigen Zuschlagstoffe nicht in ausreichender Menge bzw. ausreichender Nähe zur Verfügung. Dies führte ab etwa 1930 alternativ zum Bau von Dämmen, die durch den Einsatz von Großgeräten kostengünstig zu bauen waren, auch weil gegenüber einer Bruchsteinmauer minderwertigeres Steinmaterial verwendet werden konnte. Zur Vermeidung hoher Transportkosten konnte es in der Regel in der näheren Umgebung zum Beispiel in Steinbrüchen oder Kiesgruben gewonnen werden. Aus solchen Schüttungen entstand und entsteht heute noch der Stützkörper als Hauptteil eines Staudamms. Wegen der besseren Standfestigkeit wurde für den Stützkörper möglichst nicht bindiges Material verwendet. Allerdings vertraute man der Erdbautechnik trotz langer positiver Erfahrung an kleinen Talsperren nicht in der Verwendung an mehr als 50 m hohen Staudämmen. So entschloss man sich, bei den ersten großen Dämmen einen Betonkern als Dichtung einzubauen. Auch der in den 30er Jahren geplante und wegen des zweiten Weltkriegs erst 1951 fertiggestellte Steinschüttdamm der Versetalsperre des Ruhrverbands erhielt in der Mitte eine an der Gründung 4 m dicke Betondichtung, die sich bis zur Krone auf 2 m verjüngt. Kein Staudamm ist vollständig dicht. Aus dieser Einsicht heraus entstand der Gedanke der Oberlächendichtung von Staudämmen. In den 1950er Jahren hatte im Straßenbau die Asphalttechnologie Fuß gefasst und so war man inzwischen soweit, diese Technik zur flächenhaften Aufbringung von Asphalt auch an Staudämmen anzuwenden. Bei der Anwendung von Asphaltbeton sind Stärken von 20-100 cm üblich. Solche Außendichtungen werden nach Fertigstellung des Dammes sandwichartig in mehreren Lagen aufgebracht, wobei über eine dazwischen liegende Drainschicht (Kontrollschicht) etwaig eingedrungenes Sickerwasser gesammelt und abgeleitet wird. Ein Beispiel ist der von 1961 bis 1963 mit einer Höhe von 52 m errichtete Damm der Biggetalsperre, dessen Oberflächendichtung mit 46.000 m² noch heute die größte ihrer Art in Deutschland ist. Abb. 6.2-3 zeigt eine Skizze des Damms aus der Planungsphase. <?page no="324"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 324 Abb.-6.2‐3: -Aus-der-Planung-des-Bigge‐Damms; -- Quelle: -Ruhrtalsperrenverein,-100-Jahre-Talsperrenbau-an-der-Ruhr,-Bild-8- Neben den genannten Haupt-Typen kamen in Deutschland auch weitere Bauarten in Anwendung. Im alpinen Raum war die Bogenstaumauer häufig und erfolgreich. In Deutschland konnte sie jedoch nur in zwei Beispielen, der Oker-Talsperre (1956, Höhe 75 m) und der Ofenwaldsperre (1962, Höhe 26 m), realisiert werden. Ausschlaggebend hierfür ist insbesondere, dass die hohe Tragfähigkeit der möglichst steilen und felsigen Hänge, wie sie für Bogenstaumauern zu fordern ist, in den Mittelgebirgen Deutschlands im Allgemeinen nicht gegeben ist. Abb.-6.2‐4: -Talsperrenbau-in-Deutschland; -Quelle: -V.-Bettzieche,-RUB-Talsperren‐Info- Insgesamt stellt sich der Talsperrenbau in Deutschland einschl. der verschiedenen Bauweisen wie in Abb. 6.2-4 dar. Die Abbildung zeigt zwei Maxima der Talsperren-Neubauten, eines im Zeitraum 1920-1940, und ein zweites für die Jahre 1960-1990. <?page no="325"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 325 Nicht alle Talsperren, jedoch die meisten, dienten und dienen (auch) der Gewinnung elektrischer Energie. Einen Überblick über die größeren Talsperren mit mehr als 2 MW Leistung gibt nachfolgende Abb. 6.2-5. Abb.-6.2‐5: -Speicher‐ kraftwerke-in- Deutschland,-Stand- 2003; -Quelle: -Was‐ serkraftwerk,-in: - Brockhaus-Naturwis‐ senschaft-und-Tech‐ nik,-Mannheim-2003- Pumpspeicherkraftwerke wurden bereits unter dem Aspekt des Transports potenzieller Energie in ihren Druckrohren in Kap. 4.2.5 angesprochen. Sie haben bauartbedingt grundsätzlich in ihrem Oberwasser deutlich kleinere Speicherkapazitäten. Sie kamen auch später als die Speicherkraftwerke zur Verwendung und sind geringer an der Zahl. Eine Liste der frühen Pumpspeicher-Anlagen sieht so aus: 238 ● 1908 Heidenheim an der Brenz: Das erste Pumpspeicherwerk Deutschlands wurde von Fa. Voith im Jahr 1908 in Betrieb genommen. Es handelte sich um eine Versuchsanlage zum Testen von Wasserturbinen. F. VOITH hat 1909 in einem Buch ausführlich über das Vorhaben berichtet. Der Hochbehälter lag auf dem Heidenheimer Schlossberg und das Testgelände befand sich knapp 100 m tiefer auf dem Gebiet der Brunnenmühle. Die gesamte Anlage (Hochbecken, Turbinen, Generatoren, Pumpen) steht heute unter Denkmalschutz. ● 1914 Neckartenzlingen: Die Anlage der Firma GMINDER war die erste Pumpspeicheranlage Deutschlands, die zum alleinigen Zweck der Stromerzeugung errichtet wurde. ● 1921 Fridingen an der Donau: Das Speicherbecken befand sich auf der Bergnase Gansnest, rund 170 Höhenmeter oberhalb des Fridinger Kraftwerks. Die Anlage wurde mangels Rentabilität im Jahr 1960 zurückgebaut. 238 -Aufstellung-Bründer,-F.,-Tübingen,-in: -http: / / www.bruender.de/ gminder,-Abruf-5.5.-2019.- <?page no="326"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 326 ● 1923 Tübingen: Das Speicherbecken befand sich auf dem Österberg und die Turbinen waren im 125 m tiefergelegenen Turbinenhaus des Neckarwerks untergebracht. 1945 wurde das Speicherbecken bei einem Bombenangriff schwer beschädigt und danach nicht wiedererrichtet. Besonders bekannt geworden ist das Koepchenwerk bei Herdecke, benannt nach seinem Planer A. KOEPCHEN, Vorstandsmitglied des Rheinischen Elektrizitätswerkes (heute RWE AG), der die Technik großdimensionierter Pumpspeicherwerke entscheidend geprägt hat. KOEPCHEN verblüffte seinerzeit mit seinen Ideen die gesamte Fachwelt und führte die Energiewirtschaft in eine neue Zeit. Damals, in den 1920er Jahren, bestand ein großes Problem der Elektrizitätswirtschaft darin, die Wirtschaftlichkeit und Auslastung von Kohlekraftwerken zu verbessern und auch in Zeiten von Spitzenbedarf genügend elektrische Leistung bereitzustellen. Mit dem sächsischen Pumpspeicherwerk Niederwartha lieferten sich zur Bauzeit die Ingenieure beider Werke einen Wettlauf um die erste Inbetriebnahme des neuen Kraftwerktyps. Schließlich ging das Pumpspeicherwerk Niederwartha bereits am 27. November 1929 mit einer Maschine ans Netz, seine endgültige Fertigstellung und die Inbetriebnahme des letzten Maschinensatzes erfolgte jedoch erst im März 1930. Das Koepchenwerk dagegen wurde am 28. Januar 1930 mit der vollen geplanten Leistung von 132 MW in Betrieb genommen. Entsprechend wurden damals - je nach Unternehmenssicht - beide Kraftwerke in der technischen Öffentlichkeit als „erste ihrer Art“ und „technische Neuerung“ vorgestellt. 239 Abb. 6.2 6 zeigt „altes“ und „neues“ Koepchenwerk in seinem Stand nach 1989. In diesem Jahr war der Neubau bereits in Betrieb genommen und das Ursprungswerk auf dem Weg zum Technischen Denkmal. -Abb.-6.2‐6: -Rechts-das-“alte”-Koepchenwerk- (bis-1994),-links-das-neue---die-Fallrohre-sind- hier-unterirdisch-verlegt-und-damit-nicht- mehr-sichtbar; -Quelle: -Regionalverband-Ruhr- (RVR)- Die dann folgende Abb. 6.2-7 gibt eine Übersicht zur Verbreitung von Pumpspeicherwerken in Mitteleuropa, enthält jedoch nur die größeren Anlagen mit mehr als 300 MW elektrischer Leistung. 239 -http: / / www.wikipedia.org/ wiki/ Koepchenwerk,-Abruf-12.12.2018.- <?page no="327"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 327 - Abb.-6.2‐7: -Pumpspeicherwerke-in-Deutschland,-Österreich,--Schweiz-und-Luxemburg-mit-Leistungen- >300-MW; -Quelle: -BDEW,-Schluchseewerk-AG-- Pumpspeicherwerke (PSW) sind heute weltweit verbreitet, mit einer installierten Gesamtleistung von ca. 130 GW. Als größtes PSW gilt das Werk in Fengning, VR China, mit 3,6 GW elektrischer Leistung. Pumpspeicherwerke spielen auch im Rahmen der Energiewende beim Ausbau und der Integration erneuerbarer Energien eine wichtige Rolle. Sie sind derzeit die einzig verfügbare großtechnische und praxiserprobte Technik für die Speicherung von elektrischer Energie, die dann bei gefülltem Oberwasser und mit Nennleistung für 6 Stunden zur Verfügung steht. Darüber hinaus leisten sie nach den Bekundungen der Deutschen Energieagentur (dena) einen wesentlichen Beitrag für den sicheren und stabilen Betrieb der Stromnetze. Allerdings verschiebt sich unter den neuen Bedingungen ihre Betriebsweise, und auch die Wirtschaftlichkeit sinkt, z. B. aufgrund steigender Netzentgelte. Den Bestand an PSW zeigt die nachstehende Abb. 6.2-8. Auffällig ist das beträchtliche Durchschnittsalter der Anlagen. Der Wirkungsgrad liegt zwischen 68 und 75 %. Zu- und Neubauten sind möglich, die geografischen und geologischen Bedingungen lassen in Deutschland mindestens 23 weitere PSW zu. Mangelnde Aussicht auf Wirtschaftlichkeit, fehlende Investitionspartner und Probleme im Genehmigungsverfahren haben jedoch dazu geführt, das derzeit nur 5 Neubauprojekte ernsthaft verfolgt werden, während 16 (! ) Vorhaben in den letzten Jahren gestoppt oder aufgegeben wurden. 240 240 -Stenzel,-P.-et-al.: -Energiespeicher,-in: -Z.-BWK-Bd.-70,-2018,-S.-41.- <?page no="328"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 328 Abb.-6.2‐8: -Kenndaten-des-deutschen-Pumpspeicher‐Kraftwerksparks-2018; -Quelle: -FZ-Jülich- Seit einigen Jahren wird die Nutzung von Anlagen des Steinkohlebergbaus als unterirdische Pumpspeicherkraftwerke diskutiert. Für eine Machbarkeitsstudie hat sich ein Konsortium mit elf Partnern zusammengefunden. Beteiligt sind die Universität Duisburg-Essen, die Ruhr-Universität Bochum, der Bergbaubetreiber RAG AG und die DMT GmbH & Co. KG. Die Ergebnisse sind vielversprechend, eine Umsetzung bleibt abzuwarten. 241 Einigermaßen originell ist das Projekt des Meerespumpspeichers. Das öffentlich geförderte Projekt StEnSEA, das seit 2011 läuft und dessen erste Phase 2017 endete, umfasst Entwicklung und Erprobung eines neuartigen Pumpspeicherkonzeptes zur offshore-Speicherung großer Mengen elektrischer Energie. Das Konzept nutzt das Meer selbst als oberes Speicherreservoir. Das untere „Speicherbecken“ ist ein künstlich hergestellter Leerraum auf dem Meeresgrund, etwa ein Hohlkörper, der zunächst geflutet ist. Im Pumpbetrieb wird er leer gepumpt, wodurch die gesamte Einrichtung zum Energiespeicher wird. Im Entladebetrieb füllt sich der Leerraum wieder mit Wasser, die gespeicherte Energie wird über eine im Zulauf angeordnete Turbine abgeführt. In der Projektphase wurde vom Fraunhofer Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) ein vierwöchiger Modellversuch im Maßstab 1: 10 im Bodensee durchgeführt. Dabei wurden Detailfragestellungen zu Konstruktion und Bau, Installation und Logistik sowie Betriebsweise und Wartungskonzepten für das Speichersystem untersucht. Abb. 6.2-9 zeigt das hierbei verwendete Testgerät. Auch hier bleibt abzuwarten, ob das Vorhaben eine Chance zur Realisierung in großem Maßstab erhält. Gedacht ist es für vergleichsweise große Wassertiefen von 600‒800 m im offenen Meer, da erst hier die zwischengespeicherte Energie eine sinnvolle Größe erreicht. 241 -U-Duisburg‐Essen-et-al.: -Entwicklung-eines-Realisierungskonzeptes-für-die-Nutzung-von-Anlagen-des- Steinkohlebergbaus-als-unterirdische-Pumpspeicherkraftwerke,-Abschlussbericht-2015.- <?page no="329"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 329 - - - Abb.-6.2‐9: -Das-Projekt-Meerespumpwerk-vor-- dem-Beginn-des-Modellversuchs-im-Bodensee; - Quelle: -Fraunhofer‐Institut-für-Energiewirtschaft- und-Energiesystemtechnik-(IEE)- - - Abb.-6.2‐10: -Projekt-Lageenergiespeicher; - Quelle: -Prof.-Dr.-Eduard-Heindl,-Hochschule-- Furtwangen- - Ähnlich exotisch ist das Projekt eines Lageenergiespeichers, dessen Funktionsweise die Beschriftung der Abbildung beschreibt, s. Abb. 6.2-10. Bemühungen dieser Art verdeutlichen, wie wichtig das Problem der Speicherung elektrischer Energie geworden ist. Hinsichtlich der Speicherung potenzieller Energie sind Speicherkraftwerke und Pumpspeicheranlagen die auffälligsten und für die Energieversorgung auch wichtigsten Anwendungen. Daneben gibt es jedoch Nutzungen, die eher dem technischen Fachmann bekannt sind und die ähnlich einem Pumpspeicherwerk temporär potenzielle Energie speichern. Hierzu gehören z. B. die Fallhämmer, deren Geschichte weit zurück reicht. So zeigt Abb. 6.2-11 einen nockenbetriebenen Hammer in dem seit 1607 bestehenden Freibergsdorfer Hammerwerk in Freiberg, mit Gesenk für das Schmieden von Kanonenkugeln. Abb.-6.2‐11: -Freibergsdorfer-Hammer-in-Freiberg,-seit-1607,-vermutlich-mit- Gesenk-für-geschmiedete-(! )-Kanonenkugeln; -Quelle: -Photo-Lord-van-Tasm- <?page no="330"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 330 Die Bauformen von Fallhämmern sind vielfältig, s. auch den Stand von 1893 in Abb. 6.2-12. Ihnen gemeinsam ist der zunächst gehobene und dann aus der Höhe fallende „Bär“ von 100 kg - 2 t Gewicht, dessen Fallenergie beim Aufprall auf das Gesenk bis auf den Rückschlag in Verformungsenergie übergeht. Das Zurückziehen des Hammers kann durch verschiedene Mechanismen erfolgen. Der Bär kann durch Muskelkraft, Transmission mit Reibrad oder über einen mit Dampf oder Druckflüssigkeit beaufschlagten Kolben gehoben werden. Beim Herunterfallen des Bären muss im letzteren Fall das Druckmedium, welches sich im Kolben befindet, schnellstmöglich entweichen („realer Fallhammer“). Abb.-6.2‐12: -Übersicht-über-gebräuchliche- Typen-von-Fallhämmern-gegen-Ende-des-19.- Jahrhunderts; -Quelle: -Polyt.-Journal-1893,- Band-290-(S.-275-277)- -- Gasometer Ein zunächst nicht vermutetes Beispiel der Speicherung potenzieller Energie findet sich in der Gasindustrie, die Vorratsbehälter für das produzierte Stadt- und später Erdgas schaffen musste. Die sogenannten Gasometer nutzten sämtlich die potentielle Enegiespeicherung, gleich nach welcher Bauart, zur flexiblen Gasspeicherung und Sicherstellung der Druckverhätnisse. Sie gehören im Wesentlichen der Vergangenheit an, nachdem kugelförmige Druckgasspeicher in den 1920er Jahren in die technische Diskussion kamen und nach 1930 die ersten als Druckspeicher ausgelegten Kugelgas-Behälter auch gebaut <?page no="331"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 331 wurden 242 , und schließlich nach dem 2. Weltkrieg mit der Untergrundspeicherung eine ganz neue Technik zur Verfügung stand . 243 Der Hauptzweck der Gasometer bestand in der Speicherung der Gase und damit ihrer chemischen Energie. Sie werden deshalb im einzelnen dort, in Kap. 6.6.4, behandelt. Hier intessiert nur die technische Ausführung, die grundsätzlich darauf hinauslief, dass potenzielle Energie, bedingt durch das zu hebende Gewicht, zusätzlich gespeichert werden musste, um den Druck und die weiteren Betriebsbedingungen im Netz aufrecht zu erhalten. Vor diesem Hintergrund wird auch die technische Entwicklung verständlich: ● Hubglocke: Ein z. B. 10.000 m³ fassender Gasbehälter wog nach heutiger Rückrechnung etwa 415 t, bezogen auf die Volumeneinheit damit ca. 41 kg/ m 3 . 244 ● Teleskop am Beispiel: Das neue Wiener Gaswerk wurde 1900 mit vier zweistufigen Kuppeln erbaut. Jede der vier 90.000 m 3 fassenden Kuppeln bestand aus 6 m hohen Teilen, die durch den Gasdruck wie ein Teleskop auseinandergeschoben wurden. Jede dieser vier Glocken wog 578 t, bezogen auf die Volumeneinheit 8,4 kg/ m 3 . ● Scheibenbehälter am Beispiel: Der 1929 erbaute Gasometer Oberhausen fasste 347.000 m 3 . Weil das Eigengewicht der Scheibe von 607 t nicht genügte, das Gas ausreichend zu verdichten und den erforderlichen Gasdruck von 300 mm Wassersäule zu erreichen, waren auf der Scheibe Gewichte installiert. Das Gesamtgewicht der Scheibe wuchs so auf 1207 t, bezogen auf die Volumeneinheit 3,47 kg/ m 3 . Der absinkende Materialaufwand und damit die absinkende zwischenzuspeichernde Energie erklärt die historische Entwicklung der Bauweisen von der einfachen Glocke im 19. Jahrhundert über das Teleskop hin zum Scheibengasbehälter im 20. Jahrhundert. Gasometer arbeiteten im Niederdruckbereich von 10 bis 50 mbar Überdruck. Das entsprach dann auch dem Druck im Netz, bis hin zum Verbraucher. Der Scheibengasbehälter Oberhausen z. B. war für einen Druck von 300 mm Wassersäule konzipiert, das entsprach 30 mbar. 245 242 -1931/ 1932-in-Bielefeld,-1934-in-Siegen.- 242 -Gaswerksfreunde-Augsburg: -1928-in-den-USA; -1930-in-Deutschland,-nach-Körting,-Gasindustrie,-S.- 528.- 243 -Erster-Untertagespeicher-in-Deutschland-1954-durch-Ruhrgas-AG-in-Betrieb-genommen,-s.-Körting,- Gasindustrie,-S.-591.- 244 -Gaswerksfreunde-Augsburg-e.-V.,-Oliver-Frühschütz: -http: / / www.gaswerk‐augsburg.de,-Abruf- 22.04.2019. 245 Ein-Beispiel: -Auch-bei-Neuanlagen-beträgt-heute-der-dem-Verbraucher-im-Netzgebiet-der-WSW-zur- Verfügung-stehende-Gasdruck-immer-noch-23-mbar-(Technische-Mindestanforderungen-für-den-Netz‐ anschluss-der-Wuppertaler-Stadtwerke).- <?page no="332"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 332 Wassertürme Auch Wassertürme speichern nicht nur Wasser, sondern auch Energie. Sie wird benötigt, um durch Umwandlung in hydraulische Energie den Wasserfluss zum Verbraucher zu ermöglichen, hierin vergleichbar den im vorigen Kapitel behandelten Gasometern. Wassertürme in der Trinkwasserversorgung gehen in Deutschland bis in das 15. Jahrhundert zurück. Der Große Wasserturm in Augsburg wurde 1416 erbaut, um die Bürger der Stadt mit Wasser zu versorgen. Damit ist er der älteste Wasserturm Deutschlands. Ob direkt danach der benachbarte Kleine Wasserturm oder der Untere Brunnenturm am Mauerberg folgte, ist nicht mehr zu klären und eher unerheblich: in jedem Fall gehen Platz zwei und drei in dieser Historie nach Augsburg. Die Gesamtanlage des Wasserwerks am Roten Tor, s. auch Abb. 6.2-13, ist das älteste bestehende Wasserwerk nicht nur Deutschlands, sondern wohl sogar ganz Mitteleuropas. Die Trinkwasserversorgung wurde im 19. Jahrhundert mit dem Anwachsen der städtischen Bevölkerung und der Entwicklung industrieller Zentren wie dem Ruhrgebiet zu einem Problem - als Antwort wurden zentrale Wasserwerke auf kommunaler Basis in wachsender Zahl errichtet. Die Hansestadt Hamburg erhielt 1848 ihre erste zentrale Wasserversorgung, Berlin 1855, Magdeburg 1859. Und viele weitere Städte folgten in den 1860er und 1870er Jahren. Im nahezu gleichen Maßstab vermehrte sich auch die Zahl der Wassertürme. - - - ---Abb.-6.2‐13: -Wassertürme-am-Roten-Tor-in-Augsburg; - Augsburgs-historische-Wasserwirtschaft-soll-UNESCO‐- Welterbe-werden.-Quelle: -S-.Kerpf/ Stadt-Augsburg.- Wissenschaft und Technik nahmen sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts der hierfür benötigten Konstruktionen an, darunter auch der Aachener Professor INTZE (s. auch Kap. 6.2.1), und brachten neue Bauformen hervor, s. Abb. 6.2-14. Wassertürme haben im 20. Jahrhundert allmählich ihre Bedeutung verloren, insbesondere dank verbesserter Pumpentechnik. Viele von ihnen wurden anderen Zwecken zugeführt oder werden als Sehenswürdigkeiten erhalten, so auch der Turm auf dem Bruderholz bei Basel, s. Abb. 6.2-15. Die Zahl der nicht umgenutzten Wassertürme dürfte in Deutschland be etwa 60 liegen. <?page no="333"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 333 Abb.-6.2‐14: -Bauformen-der- Turmbehälter-um-die-Wende-zum- 20.-Jh.; -Quelle: -http: / / www.wik‐ ipedia.org/ wiki/ Wasserturm,- Abruf-4.11.2018,-geändert-und- ergänzt- Der Wunsch der Architekten und der Auftraggeber nach Anpassung an die Umgebung oder nach eigenständiger Gestaltung ging manchmal so weit, dass Türme wie in Abb. 6.2-16 entstanden, hier das Beispiel aus Essen-Frillendorf. Der Turm wurde 1925 nach den Plänen der Firma Hochtief errichtet, fasste 2000 m 3 und gilt heute als Meisterwerk der Architektur der 1920er Jahre. 246 -- - - - - - - - - - Abb.-6.2‐15: -Der-Wasserturm-auf-dem-Bruderholz-bei-Basel,-erbaut-1925/ 26; -Quelle: -Wasserturm-- Bruderholz,-4059-Basel,-Schweiz-- Eine besondere Kategorie der Wassertürme stellen die Wassertürme der Bahnen dar, die hauptsächlich der Versorgung der Dampflokomotiven mit Brauchwasser dienten. Hier waren weniger die Gestaltung als vielmehr der Zweck und die Technik im Vordergrund. Die 246 -So-Slotta,-R.,-in: -Technische-Denkmäler-in-der-Bundesrepublik-Deutschland,-Bochum-1977,-S.-414.- <?page no="334"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 334 Abb. 6.2 17 lässt deutlich erkennen, dass es sich bei diesem 1913 eingeweihten Beispiel aus Weil am Rhein um einen Kugelbehälter der Bauart Klönne handelt, wie sie bei den Bahntürmen häufig zum Einsatz kam. - - - Abb.-6.2‐16: -Der-Wasserturm-in-Essen‐Frillendorf; - Quelle: --Slotta,-Denkmäler-2,-S.-412-/ -Fragments-of- Metropolis- Abb.-6.2‐17: -Eisenbahn‐Wasserturm-in-Weil-- am-Rhein; -Quelle: -Slotta,-Denkmäler-2,-S.-530- <?page no="335"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 335 Rotationsenergie: Schwungräder Die Speicherung von Rotationsenergie ist gleichbedeutend mit der Aufrechterhaltung drehender Bewegung. Die nachgewiesene Nutzung rotierender Massen geht weit zurück, auf das 6. Jahrtausend v. Chr. In China wurden kleine Spindeln für die Herstellung von Fäden verwendet. Sie bestanden aus einem hölzernen Stock als Achse und einer kleinen Scheibe mit zentraler Bohrung aus Stein, Holz, Metall, Ton, Glas oder Knochen, die als Schwungmasse diente und in der Mitte mit einer Bohrung versehen war (Abb. 6.3-1). Die Spindel verlängerte die zu spinnenden Fäden und wurde von Hand in Rotation gebracht - eine Spinntechnik also. Sie verbreitete sich bis zum 3. Jahrtausend v. Chr. bis nach Europa. - Abb.-6.3‐1: -Die-ältesten-Schwungräder; - a: -6000-Jahre-alte-Spindel-aus-Stein-mit-wenigen-Zentimetern-Durchmesser,-China,-- b: -Töpferscheibe-aus-Mesopotamien,-Alter-4000-Jahre,-Durchmesser-900-mm,-Dicke-80-mm; -- Quelle: -Strößenreuther,-F.: Dipl.‐Arbeit-RWTH-Aachen-1996,-Bild-1- Eine weitere frühe Anwendung von Schwungrädern ist die Töpferscheibe. Sie kam um 4000 v. Chr. in Gebrauch, den Funden nach in Vorderasien. Erst 400 v.Chr. fanden sie den Weg nach Mitteleuropa. Die ersten Töpferscheiben bestanden aus Holz, und ihre Existenz lässt sich heute direkt nur noch anhand der steinernen Lager nachweisen. Einfacher ist der indirekte Nachweis anhand der Töpfererzeugnisse, denen man leicht ansieht, ob sie auf einer schnell rotierenden Scheibe hergestellt wurden. Fast kann man angesichts der Funde vermuten, dass das Schwungrad früher als das Rad erfunden wurde und damit das Schwungrad die älteste „Maschine" der Technikgeschichte ist. Das Material für Töpferscheiben aus späteren Jahrhunderten variierte von Stein über Holz, Lehm und Ton bis hin zu Verbundmaterialien; auch die maschinelle Technik erfuhr eine Entwicklung. Aus in Indien gefundenen Überresten wurde ein Töpferrad mit ringförmiger Schwungmasse rekonstruiert, dessen Scheibe mit den Füßen oder von Hand angetrieben wurde und die Rotation über mehrere Minuten aufrechterhalten konnte, bei Drehzahlen bis zu 100/ min. Mit der Einführung von Kurbeltrieben im Mittelalter wurden die Schwungmassen unentbehrlich zur Glättung der ungleichförmigen Antriebsbewegung. Die sich immer weiter verbreitenden Wind- und Wassermühlen machten sich auch die in ihren drehenden Teilen gespeicherte Energie zunutze, um die unstetigen Antriebskräfte oder Lasten zu glätten und eine gleichmäßigere Rotation zu erreichen. Wenn das nicht reichte, wurden zusätzliche rotierende Massen auch bei von Menschenkraft oder von Tieren angetriebenen Geräten angebracht. <?page no="336"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 336 Es geschah dies allein aus Erfahrung, ohne theoretische Grundlage. Drehmoment, Drehimpuls, Rotationsenergie waren bis G. GALILEI und I. NEWTON unbekannte Begriffe. Wieweit die Zeichnung von LEONARDO DA VINCI, die in Abb. 6.3-2 Kurbeltrieb und Schwungmasse bei einer Drehbank zeigt, ein Beispiel für reale Technik am Ausgang des Mittelalters sein kann, muss hier offen bleiben. Bei G. AGRICOLA findet sich jedenfalls eine Anwendung in der bergbaulichen Förderung, s. Abb. 6.3-3. Abb.-6.3‐2: -Kurbeltrieb-und-Schwungmasse-bei-einer-- Drehbank-nach-Leonardo-da-Vinci; -Quelle: -Leonardo,- Codex-Atlanticus-F-170- - - - - - - - Abb.-6.3‐3: -Handbetriebenes- Schwungrad-in-der-Förderung-bei- Agricola; -Quelle: -Agricola,-De-Re- Metallica,-Buch-VI- -- Transmissionen waren im Mühlenwesen und später in der gesamten Industrie eine unverzichtbare Installation für den Energietransport, s. Kap. 4.1.3 und Kap. 4.3.2. Schwungräder dienten hier in den meisten Anwendungsfällen als zusätzlicher Bestandteil zur Verstetigung des Betriebs, s. Abb. 6.3-4. <?page no="337"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 337 Abb.-6.3‐4: -Schwungrad-als-Bestandteil- einer-Mühlentransmission; -Quelle: - Schäfermeier-Mühle-Verne,-Förderverein- für-historische-Bauten-und-Bauwerke- Salzkotten-e.-V.- - Mit der Entwicklung der Dampfmaschinen im 18. Jahrhundert gewannen die Schwungräder weiter an Bedeutung. Auch die Materialien änderten sich: viele Schwungräder wurden gegossen, andere wiederum geschmiedet. Und sie wurden im 19. Jahrhundert riesengroß, entsprechend der abzurufenden Leistung. Abb. 6.3-5 zeigt ein eindrucksvolles Beispiel aus der Maschinenstation der Tower Bridge, London (eröffnet 1894). -Abb.-6.3‐5: -Schwungrad-- im-Dampfmaschinen‐-An‐ triebssystem-für-die-Hydraulik- der-Hubteile-der-Tower-Bridge,- London-(1894); -Quelle: -N.- Goodman,-Privatphoto- Es ist zusammenfassend zu wiederholen, dass sich die Aufgaben der Schwungräder im Laufe der Zeit gewandelt haben. Waren sie in Form der Töpferscheibe und der Spindel als Energiespeicher zur Aufrechterhaltung der Bewegung benutzt worden, so wurden sie seit dem Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert als träge Drehmasse zur Vergleichmäßigung von Drehbewegungen eingesetzt. Oft übernahmen die Schwungräder auch gleichzeitig die Aufgabe von Riemenscheiben. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Form der Räder wider. Zunehmend wurde die Masse auf dem größten Durchmesser konzentriert und die Verbindung zur Achse mit Hilfe von Speichen hergestellt. Die Auslegung der Schwungräder zielte damit auf ein möglichst hohes Trägheitsmoment und niedrige Drehzahlen ab. Die Abmessungen der Dampfmaschinenschwungräder nahmen mit der Zeit beträchtliche Ausmaße an - s. auch Abb. <?page no="338"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 338 6.3-5 - und die Fliehkraftbelastungen überstiegen manches Mal die Festigkeit der meist aus Gusseisen bestehenden Räder. So wird von einem Schwungrad der Firma Corliss Steam Engine Co. berichtet, das 1891 in Manchester, New Hampshire, U.S.A., auseinanderbrach und dabei drei Arbeiter tötete. Das gusseiserne Schwungrad hatte einen Durchmesser von über 9 m, eine Breite von 2,80 m, eine Masse von 52 t und wurde von 10 Speichen getragen. Der Unfall geschah, als die Antriebsriemen durchrutschten und somit die Last abgeworfen wurde. Das Schwungrad beschleunigte auf eine Überdrehzahl von 61 min -1 und barst. 247 Auch in der Gegenwart haben sich Schwungräder ihre Bedeutung zur Verstetigung von Bewegung in Nischen bewahrt, z. B. in der Kraftfahrzeugtechnik oder auch in der Feinmechanik. Ein Beispiel für das letztere Segment ist die Verwendung massiver Drehmassen (Drehteller) für die anspruchsvolle analoge Audiotechnik, wie sie heute wieder gepflegt wird. Auch als reiner Energiespeicher war das Schwungrad gefragt, dies allerdings erst seit dem 19. Jahrhundert. Ein frühes Beispiel ist das Stahlschwungrad von J. A. HOWELL von 1884, das Torpedos über eine Strecke von 1,5 km mit Antriebsenergie versorgte. 1911 wurde ein 44 t schweres Schwungrad mit einem Speicherinhalt von 34 kWh an einer elektrifizierten Bergeisenbahnstrecke in Italien installiert. In den 1920 er Jahren war das Problem zu lösen, die Lastspitzen bei großen, Walzwerke und Fördermaschinen antreibenden Gleichstrommaschinen abzufangen, insbesondere deren Rückwirkungen auf das versorgende Netz zu unterdrücken. Die Lösung war der ILGNER-Umformer, ein um ein großes Schwungrad ergänzter LEONHARD-Satz. 1924 lieferte die AEG einen solchen, dessen Schwungrad einen Durchmesser von 4 m und eine Breite von 1 m hatte und der 166 kWh speicherte. In den ersten Jahrzenten des 20 Jahrhunderts gab es vielfache Versuche, das Schwungrad auch für mobile Zwecke als Antriebs-Speicher oder zur Speicherung von Bremsenergie zu verwenden. Nach den Quellen sind hier umfangreiche Investitionen, auch der öffentlichen Hand bis hin zur EU getätigt worden. Geblieben ist hiervon letztlich nicht viel. Als Beispiel sei der Gyrobus genannt, den 1950 die Maschinenfabrik Oerlikon vorstellte. Es war dies ein mit einem Schwungradspeicher ausgerüsteter Elektrobus. An Haltestellen wurde der Speicher elektromotorisch aufgeladen. Das nach Abb. 6.3-6 unter Flur in Chassismitte angeordnete Schwungrad aus Stahl hatte einen Durchmesser von 1.6 m und eine Masse von 1700 kg. Rund zwanzig Busse sowie einige Grubenlokomotiven wurden nach diesem Prinzip gebaut. Danach wurde diese Technik wieder aufgegeben. Nur einige Nischenanwendungen hatten Erfolg. A. A. ROBINSON bei der ESA baute 1986 ein magnetisch gelagertes Schwungrad in den französischen SPOT Satelliten ein. Hintergrund war, dass bei Satelliten die Solarversorgung ausfällt, wenn sie in den Erdschatten eintauchen, sodass ein Speicher benötigt wird. 247 -Dieser-Abschnitt-nach-Strößenreuther,-F.: -Machbarkeitsstudie-und-Konzept-einer-stationären- Schwungradanlage-zur-dezentralen,-verbraucherorientierten-Energiespeicherung,-Dipl.‐Arbeit-Aachen- 1996.- <?page no="339"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 339 - - - - - - - Abb.-6.3‐6: -Chassis-des-ersten-MFO-Gyrobus-- mit-Schwungradspeicher; -Quelle: -ABB‐Archiv,- http: / / www.fbw.ch/ galerie/ Gyrobus/ Chassis‐02- - In den letzten Jahrzehnten hat sich die Situation jedoch grundlegend geändert. Hochfeste Verbundwerkstoffe, wie mit Kevlar- oder Kohlefasern armierte Kunstharze, versprechen leichtere und wegen ihrer Festigkeit viel rascher drehende Schwungräder. An einer hohen Rotationsgeschwindigkeit sind die Ingenieure besonders interessiert - die gespeicherte Energie hängt quadratisch von der Winkelgeschwindigkeit ab. Darauf beruhende Speicher sind seit 2011 im weltweit ersten Schwungrad-Kraftwerk Stephentown, New York, im kommerziellen Einsatz. Die Anlage besteht aus 200 „flywheels“ mit insgesamt 20 MW abrufbarer Leistung und dient der Frequenz- und Leistungsregulierung des Regionalversorgers. Der Zweck der Anlage wurde voll erreicht, sodass der Betreiber Beacon Power inzwischen zwei weitere Anlagen errichtet hat. Abb. 6.3-7 zeigt die dort verwendeten Rotoren, die in ihrem Aufbau nicht mehr viel mit der herkömmlichen Vorstellung von einem Schwungrad zu tun haben. Abb.-6.3‐7: -Die-Flywheels-im- Schwungradkraftwerk-Ste‐ phentown; -Quelle: -Beacon- Power,-LLC,-Energy-Storage- Systems- <?page no="340"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 340 Von ähnlicher Funktion ist das virtuelle Kraftwerk, das die Stadtwerke München seit 2015 einsetzen. Es dient unter anderem zur Bereitstellung von Regelenergie und zum Ausgleich von Prognoseabweichungen aus erneuerbarer Energieerzeugung. Der eingesetzte kinetische Energiespeicher erbringt eine Leistung von bis zu 600 kW und besteht aus 28 Schwungrädern, die auf eine Geschwindigkeit von bis zu 45.000 U/ min beschleunigt werden können. Damit ist die Münchener Anlage zwar deutlich kleiner als jene von Stephentown, dient jedoch auch etwas anderem Zweck. Abb. 6.3-8 gibt einen Einblick in den kompakten Aufbau der in einem Container installierten Anlage. -- --Abb.-6.3‐8: -Dynamischer- Strom‐speicher-in-München; -- die-einzelnen-Module-im-Con‐ tainer-speichern-Strom-mittels- Rotationsenergie; -Quelle: - Werkphoto-Stornetic-GmbH- Die letztgenannten neueren Entwicklungen stehen in Zusammenhang mit dem großen Problem der Speicherung elektrischer Energie, die in größerem Maßstab nur auf indirektem Wege möglich ist - hier in der Form von Rotationsenergie. Volumenenergie Der naheliegende Gedanke, Luft oder allgemein Gase zu komprimieren und das komprimierte Gas als Energiespeicher zu verwenden, ist schon älter und hängt mit der Waffentechnik zusammen. Waffentechnik Als früheste Entwürfe von Druckluftwaffen gelten die des griechischen Ingenieurs KTESI- BIOS von Alexandria (ca. 285 bis 222 v. Chr.). Die älteste bekannte mechanische Luftpistole, ein Balg-Luftpistole aus der Zeit um 1580, wird im Livrustkammaren Museum in Stockholm aufbewahrt. Im 17. Jahrhundert wurden Luftgewehre verwendet, um Großwild (Hirsche und Wildschweine) zu jagen. Diese Luftgewehre wurden mit Hilfe einer Pumpe, die einen Luftbehälter befüllte, aufgeladen und ergaben Geschwindigkeiten von 650 bis 1.000 m/ s. Beispiele aus der Zeit um 1700 zeigt Abb. 6.4-1. Das österreichische Modell von 1770 hieß Windbüchse. Die Waffe wurde im Jahre 1768 oder 1769 vom Tiroler Uhrmacher, Mechaniker und Büchsenmacher B. GIRANDONI entwickelt und wird manchmal in der Literatur als das Girandoni-Luftgewehr oder die Girandoni-Luftpistole benannt. <?page no="341"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 341 - Abb.-6.4‐1: -Kollektion-von-Windbüchsen; -Quelle: -Larry-B.-Schuknecht (Hg),-Unterricht-von-Windbüchsen, ca. 1700,-- Die Windbüchse hatte etwa die gleiche Größe und Masse wie eine herkömmliche Muskete. Ihr Luftbehälter war ein abnehmbares, keulenförmiges Gefäß. Sie war munitioniert mit zwanzig in einem Röhrenmagazin gespeicherten Bleikugeln. Ein geübter Schütze konnte das Magazin in etwa dreißig Sekunden leer feuern. Der österreichische Kaiser JOSEPH II (1769 - 1790) förderte diese eigentlich sehr rationelle pulverlose Schusswaffe und führte sie 1799 bei einigen Einheiten seiner Armee ein. Sie wurde allerdings nur in 1.400 Exemplaren gefertigt. Verwendet wurde sie beispielsweise von Scharfschützen im Türkenkrieg 1788-1791 und in den Kriegen gegen Frankreich bis 1806. 248 Heute sind Luftgewehre und Luftpistole nur noch als Sport-, gelegentlich auch als Jagdwaffe für die Jagd auf Kleintiere in Gebrauch. Die Geschosse bestehen in der Regel aus Blei. CO 2 -Waffen werden i. A. zu den Luftgewehren oder -pistolen gezählt. Gespeichert ist hier jedoch nicht Volumen-, sondern chemische Energie: das CO 2 wird als Treibgas nach Art eines Gasgenerators mit einer Patrone erzeugt. Druckluftspeicher Druckluftspeicher für die Zwischenspeicherung und Rückgewinnung von Energie sind seit dem 19. Jh. vielfach in Gebrauch, sei es für die Versorgung von Pressluftwerkzeugen, als Starthilfe für Verbrennungsmotoren oder andere, z. T. sehr spezielle Zwecke. Abb. 6.4-2 zeigt die Druckkessel, die in Kinnaird Head, Schottland, seit 1903 das Nebelhorn versorgten. 248 -Angaben-aus-Wehrgeschichtliches-Museum-Rastatt,-Katalog.- <?page no="342"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 342 Abb.-6.4‐2: -Druckkessel-zur-Versorgung-eines-Nebelhorns-an-der-schottischen-Küste,-historisch; -Quelle: - privates-Foto-Mathias,-2007- Druckluft wie auch andere Gase werden für den Kleingebrauch in unter hohem Druck stehenden Gasflaschen gespeichert und transportiert. Von 1890 an wurden die anfänglich gusseisernen Flaschen durch die leichteren Stahlflaschen, die sog. Mannesmannflaschen, ersetzt. Mit fortschreitender technischer Entwicklung fanden auch andere Werkstoffe für die Speicherung und den Transport von Druckgasen Verwendung. Für Gasflaschen gelten strenge Sicherheitsvorschriften, s. auch Abb. 6.4-3. ---Abb.-6.4‐3: -Kennzeichnungs‐ pflicht-für-Druckluftflaschen- seit-2015; -Quelle: -Bundesan‐ stalt-für-Arbeitsschutz-und- Arbeitsmedizin-(baua)- - Seit einigen Jahrzehnten dient Druckluft auch zur Speicherung großer Energiemengen und findet Anwendung im Rahmen der öffentlichen Energieversorgung. Vor 30 Jahren ging in Huntorf, Niedersachsen ein 290-MW-Kraftwerk ans Netz, um Grundlaststrom des Kernkraftwerks Unterweser zu Spitzenlaststrom zu veredeln. <?page no="343"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 343 Das CAES-Kraftwerk 249 arbeitet als Minutenreserve bis heute mit hoher Verfügbarkeit, allerdings bei einem relativ geringen Gesamtwirkungsgrad. Etwa 1,6 kWh Gas und 0,8 kWh Grundlaststrom werden benötigt, um 1 kWh Spitzenlaststrom zu erzeugen. Wesentliche Ursache ist, dass die bei der Kompression erhitzte Luft vor Einlagerung in die Kaverne heruntergekühlt werden muss. Umgekehrt muss die bei der Expansion in der Turbine auftretende Abkühlung durch Erdgaseinsatz kompensiert werden, s. Prinzipschaltbild der Anlage in Abb. 6.4-4. Der Gesamtwirkungsgrad beläuft sich aufgrund der aufwendigen Kühlung und der nachfolgenden Erwärmung auf etwa 40 %. Abb.-6.4‐4: -Das-CAES‐Kraftwerk-in-Huntorf,-Entladungsphase; -- Quelle: -KKB,-Underground-Technologies-GmbH,-Hannover- Ein ähnliches Kraftwerk in McIntosh, USA, nutzt Wärme der Turbinenabgase über einen Wärmetauscher für die Vorwärmung der Druckluft. Dadurch erzielt das Kraftwerk, das 1991 in Betrieb ging, mit 54 % etwas höhere Wirkungsgrade. Bei der Koppelung mit Windkraftsystemen können CAES Leistungsschwankungen von mehreren Stunden kompensieren, was die die Stromeinspeisung aus Windenergieerzeugung somit besser planbar macht. Zusätzlich können CAES-Anlagen zur Frequenz- und Spannungsregelung in Stromversorgungssystemen beitragen. Die Energiedichte ist verglichen mit den Pumpspeicherkraftwerken geringer, was entsprechend große Speichervolumen notwendig macht. Aktuell liegt der mögliche Leistungsbereich von Druckluftspeichern bei einigen 100 MW. In der Planung sind jedoch schon Anlagen im GW-Bereich. Die RWE AG entwickelte seit 2013 mit weiteren Partnern ein sog. adiabates CAES (ADELE) als Prototypanlage in Staßfurt. Als Zukunftsprojekt sollte durch ADELE eine Leistung von 300 MW mit Speichervolumen von MWh verfügbar sein. Anders als in Huntorf sollte bei ADELE in der Gasturbine kein Brennstoff zugefeuert werden; die Gasturbine war vielmehr als eine reine Expansionsturbine ausgelegt. Die entscheidende Verbesserung im Vergleich zu Huntorf bestand darin, dass die Wärme aus der Kompression der Luft zwi- 249 -CAES-=-C Compressed-AAir-E Energy-S Storage.- <?page no="344"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 344 schengespeichert und später bei der Entspannung wieder zurückgespeist wurde. Hierdurch sollte der Wirkungsgrad auf bis zu 70 % gesteigert werden. Die Anlage sollte zum einen für den Lastausgleich und zum anderen als Regelenergieanlage verwendet werden. Für den großtechnischen Einsatz dieser Technologie sollte laut Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) das Jahr 2020 vorgesehen sein. Im Frühjahr 2015 gab der Energiekonzern RWE, einer der Haupt-Träger des ADELE-Projektes und der designierte Betreiber der Pilotanlage, jedoch bekannt, die Planungen für die Pilotanlage in Staßfurt seien mangels konkreter Marktperspektive eingestellt worden. Nachfolgende Abb. 6.4-5 gibt einen Vergleich beider Anlagentypen. Abb.-6.4‐5: -CAES-und-ADELE-im-Vergleich; -Quelle: -Chr.-Klupak,-Dipl.‐Arbeit-Kaiserslautern-2014-nach-E.- Mahnke,-J.-Mühlenhoff,-(2012)- Zukünftige „Adiabaten Speicherkraftwerke” (AA-CAES) sollten gänzlich ohne fossile Brennstoffe auskommen und für die Erzeugung von einer kWh Spitzenlaststrom etwa 1,4 kWh Schwachlaststrom benötigen. Die Investitionskosten für ein konventionelles CAES-Kraftwerk werden voraussichtlich in der gleichen Größenordnung wie bei vergleichbaren Spitzenlast-Kraftwerken liegen. Das Gleiche gilt für die Betriebskosten. Für die großen Stromkonzerne könnte es sich womöglich bei steigenden Brennstoffpreisen schon sehr bald und entgegen der Einschätzung von RWE lohnen, mit Pressluftspeichern billigen Überschussstrom in wertvolle Reserveenergie zu verwandeln. Volumenenergie, speziell Druckluft, hat eine ganze Reihe technischer und auch mobiler Anwendungen. Entsprechend der grundsätzlich getroffenen Einordnung wurden sie bereits unter dem Rubrum Transport in Kap. 4.4.1 und Kap. 4.4.2 behandelt. Die Versorgung geschieht in diesen Fällen üblicherweise über Verdichter (Kompressoren). Immer dann, wenn der Bedarf an Pressluft periodisch schwankt, reicht oft die Leistung der <?page no="345"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 345 Hochdruckkompressoren nicht aus. Um zeitnah diesen gestiegenen Bedarf schnell zu decken, hat Druckluft aus dem Speicher Bedeutung gewonnen. So reduzieren sich die Anzahl der Starts und Stopps der Kompressoren erheblich, was zur Verlängerung der Nutzungsjahre des Kompressors beiträgt. Wärme Schon in der Steinzeit kamen Menschen auf die Idee, Steine ins Lagerfeuer zu geben, um die Wärme des Feuers eine Zeit lang zu speichern. In Japan entwickelte sich daraus im 14. Jahrhundert der „Kotatsu“. Dabei handelte es sich um ein mit Glut und Steinen gefülltes Erdloch, über dem ein Tisch stand, der mit einer großen Decke abgedeckt war. Noch heute sind (jetzt elektrisch betriebene) Kotatsus in japanischen Alltag zu finden Feste Körper Durch die Erfindung des Eisengusses wurde im 15. Jahrhundert die Entwicklung geschlossener Eisenöfen möglich. Sie waren aus mehreren gusseisernen Platten zusammengesetzt und hatten oft einen steinernen Aufsatz, da das Metall die Wärme schlecht speichern konnte. Deutlich effizienter in ihrer Wärmespeicherfähigkeit waren die ebenfalls im 15. Jahrhundert aufkommenden Kachelöfen mit ihren aus einer speziellen Tonmischung gefertigten Ofenkacheln. Im 18. Jahrhundert wurde die Heiztechnik bei Kachelöfen deutlich verbessert, indem der Ofen direkt an den Schornstein angeschlossen wurde. Dies ermöglichte den Einbau von Rauchgaszügen in die Kachelöfen. Kachelöfen haben sich bis heute gehalten, wenn auch die Zentralheizung längst Standard des Wohn- und Arbeitsklimas geworden ist. Heutige Ausführungen von Kaminöfen haben stark verbesserte Speichereigenschaften, wie es Abb. 6.5-1 zeigt. Abb.-6.5‐1: Der-Kaminofen-als- Entwicklungsobjekt; -Quelle: -- Haas-&-Sohn-Ofentechnik-GmbH- In den 1950er- und 1960er-Jahren wurden Speicherheizungen als Alternative zu Öfen für Kohle oder Heizöl propagiert. Ihr Prinzip war und ist noch heute die Nutzung des preiswerten Nachtstroms zur Aufheizung eines Wärmespeichers, dessen Wärme dann tagsüber sukzessive abgegeben wird. Als Speichermedium diente Schamott (feuerfestes Gestein mit hohem Aluminiumoxid-Anteil) oder Wasser. Die Abb. 6.5-2 zeigt das Funktionsprinzip. <?page no="346"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 346 Mit den durch die Energiewende veränderten Tarifen und der Liberalisierung des Strommarktes mit dem Unbundling der vormals integrierten Unternehmen wird der Nachtstromspeicherheizung heute weitgehend ihre wirtschaftliche Grundlage entzogen. Man begegnet ihr noch in Altbauten, wo eine Umrüstung zu teuer wäre. Abb.-6.5‐2: -Funktionsprinzip-einer-Speicherheizung; -Quelle: Joachim-Herz-Stiftung,-LEIFI-Physik,-Art.-Speicherung-v.-ther‐ mischer-Energie- - Neben festen Körpern werden schon lange flüssige oder auch gasförmige Medien zur Speicherung von Wärme genutzt, insbesondere Wasser. Zugehörige Geräte heißen Heißwasserspeicher mit den Unterscheidungen  sog. echte Warmwasserspeicher (zur Speicherung von Brauchwasser)  und Wärmespeicher, die Wasser oder Wasserdampf lediglich als Medium nutzen, um darin Wärmeenergie zu speichern. Hier stehen nur letztere im Fokus. Sie werden in den nachfolgenden Kapiteln behandelt. Ruthsspeicher Heißwasserbzw. Dampfspeicher haben sich in den 1920er Jahren in der industriellen Anwendung in der Form von Pufferspeichern etabliert, insbesondere bekannt geworden unter der Bezeichnung Ruthsspeicher. Der 1908 an der TH Hannover promovierte Schwede J. RUTHS hatte 1913 seine Erfindung zum Deutschen Reichspatent angemeldet, nach der in Kraftwerken Siedewasserspeicher die Funktion von gesonderten Spitzenlastkesseln übernehmen können, um Spitzenlasten im Verbrauch abzudecken. 250 Das Prinzip der Anwendung zeigt Abb. 6.5-3. 250 -Sie-hierzu-die-ausführliche-Abhandlung-von-Gilson,-N.: -Speicher-für-die-Elektrizitätsversorgung,-in.- Braun,-H.‐J-(Hg.): -Technische-Netzwerke-und-Energiespeicher,-Georg‐Agricola‐Gesellschaft,-Freiberg- 2014.- <?page no="347"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 347 Abb.-6.5‐3: -Dampfkraftwerksprozess,-links-ohne,-rechts-mit-Ruthsspeicher; -Quelle: -Gilson,-Speicher,-S.- 91- Die in Spitzenlastzeiten zur Anwendung kommenden Wärmespeicher arbeiteten oft auf gesonderte Turbinen (Ruthsspeicher-Turbinen, vor allem AEG). Erste Anwendungen fanden Ruthsspeicher 1922 in zwei schwedischen Elektrizitätswerken, danach wurden in Deutschland Bahnkraftwerke hiermit ausgerüstet. Als erstes ging die Anlage im Bahnkraftwerk Altona 1925 in Betrieb. Im Ergebnis konnte ein Kessel vollständig eingespart werden, und bei den übrigen Kesseln wurden der Betrieb deutlich vereinfacht. Die Technik war so erfolgreich, dass bereits 1927 weltweit 340 Ruthsanlagen in Betrieb waren, darunter 78 in Deutschland. 251 Sie waren insbesondere für Einzelanlagen gedacht und geeignet; deshalb verlor sich ihre Bedeutung mit dem Ausbau der integrierten Versorgungsnetze. Die weltgrößte Ruthsanlage entstand 1929 in Berlin im Charlottenburger Kraftwerk. Der aus 19 stehenden Einzelgefäßen bestehende Speicher konnte 60 MWh abgeben, was einen 1 1 / 2 stündigen Betrieb der beiden Stromerzeuger ermöglichte. In Berlin mit seiner lange isolierten Lage war das besonders wertvoll, sodass die Speicher bis 1995 in Betrieb blieben - eine ungewöhnlich lange Zeit für eine technische Anlage. Abb. 6.5-4 zeigt sie heute als Technisches Denkmal. Abb.-6.5‐4: -Die-Ruthssspeicher‐Batterie-im- Berliner-Kraftwerk-Charlottenburg,-heute- Technisches-Denkmal; -Quelle: -Gilson,- Speicher,-S.-104- 251 -Gilson,-Speicher,-S.-94.- <?page no="348"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 348 Warm- und Heißwasser Wärmespeicher auf Wasserbasis wurden in spezieller Form auch für zentrale Heizungsanlagen entwickelt und liegen damit parallel zu deren Ausbreitung im 20. Jahrhundert. Mit dem Vordringen von Solaranlagen in den 1990er Jahren bekamen Pufferspeicher eine neue Anwendung als temporäre Zwischenspeicher in haustechnischen Anlagen. Die Abb. 6.5-5 vereint summarisch die elektrische und die thermische Nutzung von Photovoltaik, jedoch konzentriert sich der dargestellte Einsatz von Wasserspeichern heute weitgehend auf die Solarthermie. Abb.-6.5‐5: -Nutzung-von-- Wasserspeichern-zur- Zwischenspeicherung-von-- solartechnisch-erzeugter- Wärme; -Quelle: TST-Photovoltaik- - Warmwasserspeicher gibt es in verschiedenen Bauformen und Größen, Sie sind durchweg wärmeisoliert, um zu möglichst langen Standzeiten zu kommen. Niedertemperaturspeicher arbeiten bis knapp unter 100 0 C, Druckspeicher darüber mit bis zu 135 0 C. Nach den relativ kleinen Hausanlagen sind inzwischen sehr große Wärmespeicher entstanden, so z. B. der Speicher der Stadtwerke Dresden, der 1987 und damit noch vor der Wende in Betrieb ging. Er besteht aus 40 Behältern mit jeweils 165 Kubikmeter Speichervolumen. Die Wassertemperatur im Speicher wie auch im Fernwärmenetz beträgt bis zu 130 0 C. Diese hohen Temperaturen sind nur in einem Druckspeicher möglich, da das Wasser bei Normaldruck bereits bei 100 0 C verdampfen würde. Abb. 6.5-6 zeigt die Druckbehälter der Speicherbatterie. Abb.-6.5‐6: -Der-Wärmespeicher-der-Dresdener- Stadtwerke; -Quelle: -ENSO-Energie-Sachsen-Ost- AG- Der Heißwasserspeicher in Friedrichshafen, der mit seinen 12.000 m 3 seit 1996 in die zentrale, solar gestützte Wärmeversorgung eines Neubaugebiets eingebunden ist, kam, <?page no="349"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 349 da drucklos, mit einer einfacheren Bauweise zurecht. Geladen wird er über solarthermische Flachkollektoren von 4.050 m 2 Fläche. Die Abb. 6.5-7 zeigt die Übersicht über das Gesamtkonzept. Abb.-6.5‐7: -Friedrichshafen,- Einbindung-des-Speichers-in- das-Gesamtkonzept; -Quelle: - Steinbeis-Transferzentrum- Unter mehreren weiteren Beispielen ragt das FHW Neukölln AG heraus, das im März 2015 Berlins größten Wärmespeicher und eine Power-to-Heat-Anlage (PtH) in Betrieb genommen hat (Abb. 6.5-8). Der Wärmespeicher ist hier ein umgebauter ehemaliger Heizöltank. Er hat ein Speichervolumen von 10.000 Kubikmeter Heißwasser, was ausreicht, um 3.250 Haushalte einen frostigen Tag lang mit Fernwärme zu versorgen. Die Anlage wandelt wie ein riesiger Tauchsieder Strom in Fernwärme um. Die Technologie ist nutzbar, um die Stromnetze zu stabilisieren und um regenerativ erzeugten Strom über die Anlage in die Fernwärmesysteme zu integrieren, s. Power-to-Heat in Kap. 7.3.2. . Abb.-6.5‐8: -“Wärmewende”-In-Neukölln---der-zum-Speicher- umgebaute-Heizöltank; -Quelle: -Fernheizwerk-Neukölln-AG- - -- Seit 2015 bereitet die Stadt Hamburg in einem anderen Projekt eine unterirdische Speicherlösung vor. In erreichbarer Tiefe gibt es - umgeben von Salzstöcken und wasserundurchlässigen Tonschichten - wasserführende Schichten, die als Trinkwasserquelle unbrauchbar sind. Für die Wärmespeicherung im Rahmen der Fernwärmeversorgung sind <?page no="350"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 350 sie jedoch ideal. Hierfür werden zwei Brunnen gebohrt. Aus dem einen wird kaltes Wasser entnommen, an der Oberfläche durch Industrie-Abwärme erhitzt und andernorts zurück unter die Erde gepumpt. Bei Bedarf wird das warme Wasser wieder an die Oberfläche befördert. „Erfreulich sind die geringen Wärmeverluste. Diese liegen im Mittel bei 12 %“, so das Ergebnis eines Vorversuchs. Die Entnahmetemperatur liegt bei 65 0 C. Das Wasser muss noch weiter erhitzt werden, da das Fernwärmenetz bis zu 130 0 C erfordert. Aber: Kaltes Wasser würde dafür deutlich mehr Energie benötigen. Mit sechs Doppelbrunnen könnten 8000 Haushalte mit Fernwärme beliefert werden. Abb. 6.5-9 zeigt das Arbeitsschema. Abb.-6.5‐9: -So-funktioniert- das-neue-unterirdische- Wärmekonzept; -Quelle: - Hamburger-Wasserwerke- GmbH- Andere Medien Effiziente und kostengünstige thermische Speicher stellen eine interessante Option dar, um den Bedarf an elektrischen Speichern zu minimieren. Während Niedertemperaturspeicher (ca. 60 bis 100 °C) sehr gut mit den beschriebenen Wasserspeichern abgedeckt werden können, gibt es für thermische Hochtemperaturspeicher (> 200 °C), wie sie insbesondere für die Stromerzeugung interessant sind, einige, jedoch bisher noch wenige Anwendungsfälle. Die solarthermischen Andasol-Kraftwerke in Südspanien beispielsweise, die seit 2008 bzw. 2009 in Betrieb sind, verfügen über thermische Speicher auf der Basis einer Salzlösung, mit denen die Kraftwerke planbar wurden, also auch bei Bewölkung oder nach Sonnenuntergang betrieben werden können. Die dazu benötigte Wärme wird in einem Flüssigsalzgemisch aus 60 % Natriumnitrat {NaN0 3 ) und 40 % Kaliumnitrat (KN0 3 ) gespeichert. Beide Stoffe kommen unter anderem als Dünger sowie zur Konservierung bei der Lebensmittelproduktion zum Einsatz. Die Flüssigsalzspeicher arbeiten bei Atmosphärendruck und bestehen aus zwei Tanks von 14 m Höhe und 36 m Durchmesser. Beim Umpumpen vom „kalten" (Ausgangstemperatur von ca. 290 0 C) in den „heißen" Tank nimmt das Flüssigsalzgemisch über einen Wärmetausche aus dem Betriebsöl zusätzliche Wärme auf, so <?page no="351"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 351 dass es auf ca. 390 0 C erhitzt wird. 252 Ein voller Speicher kann über den gleichen Wärmetauscher die Turbine ca. 8 Stunden betreiben, s. Prinzipschaltbild der Abb. 6.5-10. - -Abb.-6.5‐10: -Prinzipschaltbild- der-Anlage-Andasol-1; -Quelle: -- Solar-Millenium-AG- Salzschmelzen werden seit 60 Jahren in verschiedenen Industriezweigen, z. B. bei der Galvanisierung, eingesetzt. Über 3000 (? ) Anlagen, die mit Salzschmelzen arbeiten, wurden seitdem nach Angaben der Betreiberfirma in Betrieb genommen. Als Referenzprojekt für das Design der Wärmespeicher in den Andasol-Kraftwerken diente das Demonstrationskraftwerk Solar Two in Barstow, Kalifornien, das mit einem kleineren Speicher des gleichen Salzgemischs ausgestattet war. Beim Rückbau der Kraftwerke am Ende der Laufzeit können die Salze wieder auskristallisiert und in ihrer Rohform für andere Zwecke weiterverwendet werden, beispielsweise in der Landwirtschaft. Dass verschiedene Salzschmelzen oder Materialien mit einem Phasenwechsel im interessanten Temperaturbereich (typischerweise Übergang vom festen in den flüssigen Aggregatzustand) interessante Optionen darstellen, hat D. SAUER schon früh betont. 253 Inzwischen gibt es sog. Latentspeicher, die meist spezielle Salze oder Paraffine als Speichermedium verwenden. Beim Aufladen des Inhalts solcher Latentwärmespeicher wird das Medium, z. B. Dikaliumhydrogenphosphat, geschmolzen und nimmt dabei sehr viel Wärmeenergie als Schmelzwärme auf. Das Entladen erfolgt umgekehrt durch Erstarren, wobei die gespeicherte Wärme im Vorgang des Erstarrens wieder frei wird. Ein Beispiel dieser Art ist auch der sog. Eisspeicher, der den Gefriervorgang des Wassers im beschriebenen Sinne ausnutzt, im Allgemeinen im Zusammenwirken mit einer Wärmepumpe, die aus dem Wasserspeicher bei 0 0 C solange Energie ziehen kann, bis er völlig vereist ist und durch Wärmezufuhr aus der Umgebung wieder aufgeladen werden muss. Solche Eisspeicher werden inzwischen kommerziell angeboten (Stand 2018). 254 252 -Die-2‐Tank‐Lösung-ist-dem-Umstand-geschuldet,-dass-die-Salzlösung-immer-bei-Temperaturen->-240- Grad-gehalten-werden-muss,-um-ein-Auskristallisieren-zu-vermeiden.- 253 -Sauer,-D.: -Optionen-zur-Speicherung-elektrischer-Energie-in-Energieversorgungssystemen-mit-rege‐ nerativer-Stromerzeugung,-ISEA-RWTH-Aachen-2005.- 254 -z.-B.-vom-Hause-Viessmann,-Allendorf.- <?page no="352"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 352 Chemische Energie Die Speicherung von Energie in chemischer Form ist historisch und aktuell von zentraler Bedeutung und wird hier entsprechend umfangreich behandelt. Nachhaltige Speicher: Wald und Holz Holz und seine Bedeutung als Energieträger war schon Thema in Kap. 4.6.1 und wurde dort insbesondere unter dem Gesichtswinkel Transport behandelt. Hier steht seine Funktion als Energiespeicher im Vordergrund. Holz ist der älteste Energiespeicher der Menschheit. Es wurde spätestens im Mittelalter zum Handelsgut. Am Holzhandel verdienten Umschlagsorte wie Wien, Bern, Zürich, Köln, Magdeburg, Danzig, Hamburg, Bremen, Maastricht oder Brügge; auch für die Hanse zählte Holz zu den wichtigsten Massengütern. Die an den Handelsplätzen angelegten Holzlager mussten meist abgetrennt und mit Sicherheitsabständen versehen werden - die Brandgefahr war zu groß. Die vor Ort, also bei Bürgern und Handwerkern gelagerten Vorräte waren meist auf einen Jahresbedarf abgestimmt; auf dem Land konnte ein Bauer auch schon einmal mehrjährige Vorsorge treffen. Der wesentliche Speicherort für Holz war und blieb der Wald, der lange unter Übernutzung leiden musste. Das reicht weit zurück. Der Wald im römisch besetzten Germanien (Provinzen Germania Superior und Inferior) wurde weit intensiver genutzt als im unbesetzten Teil. Für den Städtebau, für den Hausbrand und den Betrieb der Bäder mit ihren Hypokaustenheizungen und Warmwasserbecken mussten stetig große Holzmengen bereitgestellt werden. Nachdem die Eroberung Germaniens fehlgeschlagen war, wandten sich die Römer dem Bau des über 500 km langen Limes zu, der mehr ein Holzdenn ein Steinwall war, und schlugen so eine breite Schneise in die Wälder. Auf einigen Standorten entstanden Heideflächen, die sich bis heute erhalten haben. Die römische Kolonisierung war ein einschneidender Eingriff in die ehemaligen Waldgesellschaften Mitteleuropas. Es verblieben waldfreie Zonen, die sich von der Beweidung nicht mehr erholten; das Artengefüge in vielen Waldgesellschaften war durch die selektive Nutzung gestört und eingeführte Arten wurden Bestandteil der Vegetation. In der Zeit der Völkerwanderung kam nach dem Rückzug der Römer der Ackerbau in weiten Teilen zum Erliegen. Aufgegebene römisches Siedlungen wurden wieder Waldland. Dauerhafte Siedlungen entstanden nicht neu, die Eroberer bevorzugten halbsesshafte Besiedlungsformen. War der Wald und Boden um eine Siedlung erschöpft, zogen die Bewohner weiter. Das gab dem Wald neue Chancen: Auf den Kulturflächen der römischen Kolonisation konnte er oft wieder Fuß fassen. Mit der abnehmenden Siedlungsdichte begann auf vielen Flächen wieder eine Zeit von Waldgesellschaften, in der sich auch die fast ausgerottete Buche wieder stark ausbreitete. Das frühe und hohe Mittelalter brachte großflächige Rodungen - sowohl für neue Siedlungsflächen wie auch zur Gewinnung von Bau- und Brennholz. Diese Phase hat die Landschaften großer Teile Mitteleuropas bis heute geprägt. Eine erste Rodungsperiode dauerte von etwa 500 bis etwa 800, danach stockte die Besiedlung und Rodung der Wälder in Mitteleuropa, auch wegen stagnierender Bevölkerungsdichte. Ab 1100 begann eine zweite Rodungsperiode ein. Menschliche Besiedlungen drangen nun auch in entlegenere <?page no="353"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 353 Täler der Mittelgebirge vor. Waldflächen wurden bis zum Ende des 12. Jahrhunderts gerodet bzw. landwirtschaftlich so intensiv genutzt, dass sie ihren Waldcharakter verloren. Am Ende des 14. Jahrhunderts war der Wald dann schon weit zurückgedrängt. Mit dem Bergbau auf Erz, den Salinen zur Salzgewinnung und der Holzköhlerei für die Aufbereitung des Erzes traten in dieser Zeit neue Holzverbraucher hinzu. Holzgroßverbraucher wie etwa Salinen und Hüttenwerke bekamen ganze Waldungen „gewidmet". Sie hatten Anrecht auf riesige Holzmengen zu geringen Preisen, was große Entwaldungen und immer längere Transportwege nach sich zog. Dies führte zu ersten Eingriffen der Obrigkeit. So ist aus Dortmund ist ein früher Bericht über Holzanbau erhalten. Im Jahre 1343 wurde dort im Dortmunder Reichswald eine Laubholzpflanzung angelegt. Bekannt sind auch erste Aufforstungen im Nürnberger Reichswald, wo 1368 erstmals in Europa planmäßig und im großen Maßstab Kiefern ausgesät wurden. Abb. 6.6-1 zeigt das Gebiet des Nürnberger Reichswaldes im Stand von 1853. - - - Abb.-6.6‐1: -Der-Nürnberger-Reichswald-im- 19.-Jh.; -Quelle: -Beschreibung-des- Reichswaldes-bei-Nürnberg-in-geschicht‐ licher-und-wirthschaftlicher-Beziehung.- München,-Palm,-1853- - Ab 1500 beginnt dann eine lange Reihe der Forstordnungen. Die Gefahren des Kahlschlages wurden erkannt und führten zumindest regional zur Vorsicht in der Waldnutzung. In Reichenhall wurde so bereits im 16. Jh. eine nachhaltige Holzwirtschaft betrieben. Das kommt in einem späteren Zitat von 1661 deutlich zum Ausdruck: „Gott hat die Wälder für den Salzquell erschaffen, auf daß sie ewig wie er kontinuieren mögen; also solle der Mensch es halten: ehe der alte ausgehet, der junge bereits wieder zum Verhacken herangewachsen ist." 255 Prominente Zeitgenossen nahmen sich des Problems an. So prophezeite PH. MELANCH- TON, es werde „der Welt an drei Dingen mangeln: an guter Münze, an Holz und an guten Freunden." J.-B. COLBERT, der Finanzminister LUDWIGS XIV, meinte pessimistisch: „Frankreich wird aus Mangel an Holz zugrunde gehen." Er erließ 1669 eine Forstschutz- 255 -Deutsches-Museum,-Art.-Holz-als-Brennstoff-im-"hölzernen-Zeitalter".- <?page no="354"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 354 verordnung. Auch der Physiker R.-A. F. DE RÉAUMUR warnte 1721 eindringlich vor Holzmangel. Der französische Marineinspekteur DUHAMEL DU MONCEAU verfasste zwischen 1755 und 1767 eine Reihe grundlegender Schriften zum Forstwesen und begründete damit schließlich die Forstwissenschaft. Parallel mit dem Wandel vom reichlich vorhandenen Naturprodukt zum knappen Wirtschaftsgut mit festen Preisen lief eine gesellschaftliche Veränderung. Indem die Bauern den Gemeindewald als Privatbesitz unter sich aufteilten, entzogen sie der unterbäuerlichen Schicht, die den Wald für ihr Vieh zur Mast und Weide nutzte, die Existenz. Auch die Waldgewerbe wie Köhler, Pechbrenner, Pottaschesieder wurden verdrängt. Im Bayerischen Wald galten Pechbrenner zum Teil als vogelfrei und durften von den Förstern niedergeschossen werden. Holzdiebe wurden gnadenlos verfolgt. Holzmangel und Holzteuerung waren speziell im Übergang zum 19. Jahrhundert wichtige allgemeine Themen. Rückblickend wurde für diesen Zeitraum oft von Holznot gesprochen - ein Begriff, den J. RADKAU so nicht stehen lassen wollte und damit eine lebhafte Diskussion unter den Historikern auslöste. 256, 257 1780 musste eine durchschnittliche Berliner Familie erstmals mehr Geld für Brennholz als für Brot ausgeben. 1821 wurde in Preußen ein Allgemeines Holzdiebstahlgesetz erlassen. 1850 kamen dort auf 35.000 gemeine Diebstähle 265.000 Holzdiebstähle, die so konsequent verfolgt wurden, dass sich K. MARX als junger Anwalt 1842 empörte, dass dem modernen Staat das Holz wichtiger sei als der Mensch. Das Problem war allerdings auch ein großes: Der Waldbestand in Kontinentaleuropa war schon von 400 bis 1600 n. Chr. von 90 auf 20 % der Gesamtfläche zurückgegangen. Und der Energieverbrauch einer vorindustriellen Stadt wird je nach Klima und vorhandenen Handwerkszweigen auf etwa 10 bis 30 Watt pro Quadratmeter bebaute Fläche geschätzt; um diesen Energiebedarf nachhaltig mit Holz zu decken, war demnach an Wald mindestens die 50bis 150-fache Fläche der Stadt erforderlich. Übermäßiger Holzverbrauch und die damit einhergehende drohende Holzverknappung und Degradierung der Wälder führte dazu, dass Anfang des 18. Jahrhunderts systematische Ansätze einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung entwickelt wurden. Im Jahr 1713 formulierte der sächsische Oberberghauptmann H. C. VON CARLOWITZ in seinem Werk Sylvicultura oeconomica erstmals deutlich, dass immer nur so viel Holz eingeschlagen werden sollte, wie durch planmäßige Aufforstung nachwachsen kann. Er benutzte sogar den Begriff der Nachhaltigkeit, ohne ihn allerdings näher zu erläutern (was dann 1795 der Forstwissenschaftler G. L. HARTIG nachholte). VON CARLOWITZ gilt heute als Begründer der modernen Forstwirtschaft. Mit dem Übergang zur Nutzung der Kohle als Brenn- und Treibstoff im 19. Jahrhundert verlor der Wald als Energiespeicher dann seine Bedeutung. Es verblieb die Verwendung als Kaminholz, was sich neben der Hauptnutzung des europäischen Waldes zur Gewinnung von Bauholz und von Rohstoff für die Zelluloseverarbeitung jedoch nur als eine kleine Nische darstellte. 256 Radkau,-J.: -Technik-in-Deutschland.-Vom-18.-Jahrhundert-bis-heute.-Frankfurt-/ -New-York-2008.- 257 Radkau,-J.: -Holzverknappung-und-Krisenbewußtsein-im-18.-Jahrhundert,-in: -Geschichte-und-Gesell‐ schaft-9-(1983).- <?page no="355"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 355 Mit der Energiewende am Ende des 20. Jahrhunderts kam es jedoch zu einer Renaissance: die Verwendung von Holzschnitzeln oder weiterverarbeiteten Pellets als umweltfreundliche Alternative zur Öl- und Gasheizung eröffnete eine neue Perspektive. Beide Heizungstypen erfordern zwar erhebliche Investitionen, sind jedoch in den Brennstoffkosten deutlich günstiger als Heizöl oder Erdgas, siehe Abb. 6.6-2. Abb.-6.6‐2: -Vergleich- der-Brennstoffkosten- bei-verschiedenen- Heizungstypen; - Quelle: -Energieheld- GmbH-©-2018- - - - Abb.-6.6‐3: -Zur-- Renaissance-der-ener‐ getischen-Nutzung- des-Holzes; -Quelle: - Mantau,-Holzroh‐ stoffbilanz-Deutsch‐ land,-S.-15- Hinzu kommt die Holznutzung in Biomasseanlagen (BMA) und, in kleinen Umfang, die Aufbereitung zu flüssigen Treibstoffen (BTL). Insgesamt ergibt sich ein deutlicher Anstieg, sogar eine Vervielfachung der energetischen Nutzung des Holzes seit Ende der 1980er Jahre, s. Abb. 6.6 3. Der Anstieg in der energetischen Nutzung geht vor allem auf die gestiegene Energieholznutzung in privaten Haushalten (+11,9 Mio. m³) und der Biomasseanlagen (+8,3 Mio. m³) zurück. Hierbei ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass die Jahre 2009 und 2010 lange kalte Winter aufwiesen. Unabhängig davon setzt sich der Trend zur energetischen Holznutzung mit verminderten Zuwachsraten fort (U. MANTAU). 258 258 -Mantau,-U.: -Holzrohstoffbilanz-Deutschland,-Entwicklungen-und-Szenarien-des-Holzaufkommens- und-der-Holzverwendung-1987-bis-2015,-Hamburg,-2012,-S.-15.- <?page no="356"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 356 Dass seit dem Jahr 2010 ebenso viel Holz zur Energiegewinnung wie stofflich genutzt wird, hat die Forstökologen alarmiert. Sie beklagen die im Zeichen der Energiewende wieder zunehmende ökonomische Ausrichtung der Waldnutzung, da sie sowohl die Plantagenkultur wie den Verlust ökologisch bedeutsamer Laubholzarten befördere. 259 Steinkohle und Braunkohle, Reichweiten Kohle ist wie Holz eine natürliche Ressource, allerdings keine erneuerbare. Steinkohle ist so wie Braunkohle und Torf aus abgestorbenen Pflanzen entstanden. Sie bildeten meterdicke Humusschichten, die sich in Sumpfböden anhäuften. Die Schichten wurden durch Sedimente wie Ton und Sand abgedeckt und konnten so nicht durch Fäulnis und Bakterien zersetzt werden. Die abgestorbenen Pflanzen wurden in der ersten Stufe zu Torf. Im Laufe mehrerer Millionen Jahre sackten die Schichten der Pflanzenreste in tiefere Erdschichten, was hohen Druck bedeutete, der das Wasser aus den Pflanzenresten herausgepresste. Im Zusammenspiel mit hohen Temperaturen begann ein Prozess der Abspaltung von Sauerstoff und Wasserstoff und des Anstiegs des Kohlenstoffgehaltes. So entstand aus dem Torf erst Braunkohle, die immer tiefer sackte, dann durch den sich weiter erhöhenden Druck Steinkohle und schließlich Graphit. Dieser Prozess wird insgesamt als Inkohlung bezeichnet. Das Prinzip der Schichtenbildung zeigt Abb. 6.6-4. Abb.-6.6‐4: -Zur-Entstehung-von-Braun‐-und-Steinkohle: - Quelle: ©-2004‐2019-Medienwerkstatt-Mühlacker-Ver‐ lagsges.-mbH- - Braunkohle ist ein relativ junges Produkt dieser Inkohlung. Ihre Entstehung fand in der Kreidezeit und im Tertiär vor 20 bis 40 Mio. Jahren statt. Wegen höher gelegenen Lagerstätten kann sie im so genannten Tagebau gewonnen werden. Sie hat immer noch eine deutlich zu erkennende holzig faserige Struktur. Steinkohle hingegen liegt aufgrund Ihres Alters (ca. 280-345 Millionen Jahre) weit tiefer. Durch die lange Inkohlung und den hohen Drücken, denen sie ausgesetzt war, ist ihr pflanzliches Ursprungsmaterial kaum noch zu erkennen. Sie muss meist unter Tage abgebaut werden. Dies ist aufwändiger, da hierbei Bergbau betrieben werde muss und große Mengen Wasser abzupumpen sind. Kohle ist nach Abb. 6.6-5 praktisch weltweit zu finden, wenn auch unter unterschiedlichen, zum Teil schlechten Lagerbedingungen wie im Ruhrgebiet. 259 -So-P.-L.-Ibisch-in-seinem-Beitrag-„Unter-allen-Wipfeln-ist-keine-Ruh“,-FAZ-Nr.-204,-2018.- <?page no="357"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 357 Abb.-6.6‐5: --Verteilung-der-Kohlellagerstätten; -Quelle: -Lizenz-Bartz/ ‐Stockmar,-CC-BY‐SA-3.0- Historisch gesehen ist der Rohstoff Kohle ein entscheidender Faktor für die von Europa ausgehende Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Die Förderung und die Verwendung von Kohle standen im Mittelpunkt der Strukturveränderungen, sowohl der Technik wie auch des wirtschaftlichen und sozialen Lebens. Kohle lieferte im Vergleich zum seit der Antike vorherrschenden Holz preiswerte und zuverlässige Energie. Kohle wurde im Verlauf des 19. Jahrhunderts die Basis für die Leitsektoren Eisengewinnung und -verarbeitung und Verkehrs- und Transportwesen. Der Bergbau auf Kohle nahm in der öffentlichen Wahrnehmung einen hohen Stellenwert ein und prägte ganze Regionen wirtschaftlich und kulturhistorisch. In Deutschland sind hier insbesondere das Ruhrgebiet und das Saarland zu nennen. In England war die geografische Verteilung breiter - die Mineralschätze lagen fast sämtlich im Westen einer von der Insel Portland über Rugby nach Hartlepool gezogenen Linie. 260 Englands Vorreiterrolle im Aufbau einer neuzeitlichen Industrie ist bekannt. Die Kohle hatte hierfür eine Schlüsselfunktion. Für die Anfangszeit liegen die Volumina vor, die im Newcastler und Londoner Kohlenmarkt bewegt wurden. Nach T. J. TAYLORS Archaeology of the Coal Trade wurden von Newcastle und den benachbarten Häfen verschifft: 261 260 -Meyers-Konversationslexikon,-Vierte- Auflage,- 1885‐1892,- Kap.- England-(Bergbau-und-Hüttenwe‐ sen).- 261 -Diese-und-folgende-Tabelle-zitiert-aus-Polyt.-Journal,-1867,-Band-183/ Miszelle-2-(S.-69-74). <?page no="358"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 358 Auch wenn es sich hier nur um Teilmengen handelt, wird doch der frühe Beginn der Kohleära in England mehr als deutlich. Zum Teil hiermit überlappend zeigt Abb. 6.6-6 die weitere Entwicklung. Sie kulminierte unmittelbar vor Beginn dem Ersten Weltkriegs, als mehr als eine Mio. Menschen in den englischen Kohlebergwerken arbeiteten und die Jahresproduktion bei fast 300 Mio. Tonnen lag. -Abb.-6.6‐6: -Kohleförderung-Großbritan‐ nien; -Quelle: -M.-Schramm,-TU-Chemnitz- Interessant ist, dass bereits um 1860, also mitten im steilen und noch lange andauernden Anstieg der Produktion, in England Überlegungen zur Reichweite des Kohlebooms angestellt und Warnungen ausgesprochen wurden: „Nach der oben ausgeführten Berechnung, nach welcher 100,000 Millionen Tonnen nur noch für 110 Jahre ausreichen, werden dagegen die Kohlenfelder Englands in weniger als 100 Jahren bis zu einer Tiefe von 4000 Fuß bereits vollständig abgebauet seyn, wenn die Zunahme der Consumtion jährlich 3 1/ 2 Proc. beträgt.“ Auch wurde mehrfach die wachsende Macht der amerikanischen Konkurrenz beschworen, die über größere Vorräte und günstigere Förderbedingungen verfügte. Die Befürchtungen, der Konkurrenz nicht standhalten zu können, bewahrheiteten sich mit 100 Jahren Verspätung. Zwar wuchs die Kohleindustrie weiter, doch sinkende Arbeitsproduktivität und höhere Kosten schmälerten den Wettbewerbsvorteil gegenüber den jüngeren Kohleindustrien anderer Länder. Die Konkurrenz auf dem Kontinent, aber auch in Übersee holte auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die britische Kohleindustrie verstaatlicht. Ihren Bedeutungsverlust in den folgenden Jahrzehnten konnte das allerdings nicht stoppen. Seit den 1950er Jahren ging es stetig bergab: Der teuren Produktion stand billige Importkohle gegenüber. Die Zechen waren nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben. Selbst der legendäre Miners‘ Strike Mitte der 1980er-Jahre änderte den Niedergang nicht. Die wohl heftigsten Auseinandersetzungen tobten in der Grafschaft von Big K 262 . Die Bergarbeiter wehrten sich gegen die Pläne der damaligen Premierministerin M. THATCHER. Die „Eiserne Lady“ hatte beschlossen, unrentable Minen zu schließen. Staatliche Betriebe sollten saniert und, wenn möglich, in den privaten Sektor überführt werden. Doch die Pläne provozierten den größten Bergarbeiteraufstand in der Geschichte der britischen Arbeiterbewegung. Dramatischer Höhepunkt war der Ausstand 1984 mit bürgerkriegsartigen Szenen, Massenschlägereien, mehreren Toten und Verletzten. Er dauerte ein Jahr lang. Zeitweilig waren rund 180.000 Kumpel im Ausstand. Am Ende unterlagen sie und THATCHER 262 -Zechenanlage-in-der-Kleinstadt-Kellingley-in-der-englischen-Grafschaft-West-Yorkshire.- <?page no="359"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 359 hatte freie Bahn für ihren Kurs. Während es 1920 noch 3000 Zechen im Land gab, waren es 1984 gerade mal 180. Dem Zechensterben folgte der soziale Abstieg ihrer Beschäftigten. Bergarbeiterfamilien, die zum Teil seit Generationen ihren Unterhalt mit der Kohle bestritten hatten, verloren ihre Lebensgrundlage. In Deutschland lief die Entwicklung zeitlich deutlich nach, verschoben um fast eine ganze Generation: Ihr Maximum erreichte hier die Produktion an Steinkohle erst 1940, und dann wieder in den 1960er Jahren mit dem Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg, als 600.000 Beschäftigte rd. 180 Mio. t Steinkohle förderten. Allerdings gab, und gibt es noch, eine deutsche Besonderheit: Neben der Steinkohle verfügt Deutschland über ergiebige Braunkohlenvorräte im Kölner Becken und in der Lausitz und macht hiervon intensiven Gebrauch, vorwiegend in der Stromproduktion, s. Abb. 6.6-7. In der DDR war während der deutschen Teilung die dortige Braunkohle praktisch der einzige inländisch verfügbare Energieträger, vom zu exportierenden Uran einmal abgesehen. Der Niedergang der Steinkohle folgte in Deutschland einem ähnlichen Muster wie in England: Sie lag schließlich in den Preisen um den Faktor 4 über den Weltmarktpreisen und ließ sich nur noch mit Subventionen über eine begrenzte Zeit halten. Für die Braunkohle, die in ihrer Gewinnung früh stark mechanisiert wurde, galt das nicht, sodass sie bis zur Gegenwart als Kraftwerkskohle in Deutschland verwendet wird, s. Abb. 6.6-8. Der Ausblick ist allerdings auch hier negativ. Die Stilllegung des Braunkohletagebaus ist als Konsequenz der Energiewende in politischer Entscheidungsphase. Abb.-6.6‐7: -Ausbau-und-Niedergang- der-deutschen-Kohleproduktion,-in- Millionen-Tonnen; -Quelle: -Kohleatlas- 2015/ / Bundesanstalt-für-Geowissen‐ schaften-und-Rohstoffe- -- -Abb.-6.6‐8: -Abraumbagger-im-Tagebau- Garzweiler-b.-Aachen; -Quelle: -Photo-G.-- Genz, Westf.-Nachrichten-April-2012- - <?page no="360"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 360 Vier Entwicklungen im Hintergrund haben die Förderung und Verwendung der Kohle weltweit in den letzten hundert Jahren nachhaltig beeinflusst: ● Die Elektrifizierung der Wirtschaft und von Teilen des Verkehrs in der ersten Hälfte des 20 Jahrhunderts, ● Die zunehmende Verfügbarkeit von praktischem und (relativ) preiswertem Erdöl und Erdgas. ● Die Innovation Kernenergie zur Stromproduktion in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, ● Die Furcht vor einer „Klimakatastrophe“ durch das Verbrennungsprodukt CO 2 und die „Entdeckung“ der regenerativen Energiequellen. Für Deutschland muss man noch ergänzen: ● Die Kernkraftphobie nach den Reaktorunfällen von Tschernobyl 1986 und Fukushima 2011 mit dem Ergebnis des Kernenergieausstiegs. Im Ergebnis ist die Kohlewelt heute gespalten. Während einige Länder die Förderung von Steinkohle bereits eingestellt haben oder die Einstellung vorantreiben (England, Belgien, Frankreich, Deutschland), betreiben andere die Förderung weiter und weiten sie zum Teil noch aus (China, USA, Australien). Die drei letzterwähnten waren mit Stand von 2012 auch die wichtigsten Kohleförderländer, s. Abb. 6.6-9. . Abb.-6.6‐9: -Die-wichtigsten-Länder-der-Kohleförderung-im-Jahr-2012; -Quelle: -statista,-BP-p.l.c.- Die wichtigsten Länder im weltweiten Kohlemarkt, der stark durch Ex- und Importe geprägt ist, zeigt Abb. 6.6-10. Die größten Förderländer China und USA verbrauchen ihre Fördermenge vollständig selbst und importieren noch hinzu. Der größte Exporteur, Australien, zählt nicht einmal zu den vier größten Reservehaltern. <?page no="361"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 361 ----- -- Abb.-6.6‐10: -Weltkohlemarkt-2005,-toe-=-Tonnen-Öleinheiten; -Quelle: -BP-p.l.c.- Wichtiger Diskussionspunkt bei den Erörterungen zur Zukunft der Energiewirtschaft ist schon lange die Frage der Reichweite der Vorräte, siehe Zitat aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, Die Statistiken über die globalen Kohlevorräte sind oft veraltet und vermutlich überhöht. Viele Daten wurden seit Jahren nicht mehr aktualisiert. Und wenn, mussten die Angaben meist nach unten korrigiert werden. Wichtiger als die Reichweite der Vorräte ist allerdings die tatsächliche Verfügbarkeit, was auf die Frage hinausläuft, welche Mengen mit bekannten Mitteln jeweils aus den Lagerstätten gewonnen werden können. Im kritischen Ergebnis lässt sich formulieren: Der weltweite Kohleabbau lässt sich zwar noch um fast ein Drittel steigern, wird aber schon zwischen 2020 und 2030 seinen Höhepunkt erreichen. Bis dahin prognostiziert jedoch die Internationale Energieagentur einen viel schneller steigenden Bedarf, s. das Beispiel China in Abb. 6.6-11. Eine Lösung dieses Dilemma steht dahin - Optionen sind die Kernenergie und die forcierte Nutzung regenerativer Quellen. Das Dilemma wird noch verstärkt durch neue Rolle der Kohle als „Klimakiller“, die ihr in den letzten Jahrzehnten im Zusammenhang mit dem Anstieg der atmosphärischen CO 2 -Konzentration und dem hieraus prognostizierten Klimawandel zugewachsen ist. - - - - - - - - Abb.-6.6‐11: -Chinas-Energiemix-in-der-Stromerzeugung-nach-der-Vorhersage-der-Internationalen-Ener‐ gieagentur-von-2011; -Quelle: -IEA-World-Energy-Outlook-2011- <?page no="362"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 362 Kohle bedurfte und bedarf nach der Förderung der Vorratshaltung, nicht nur aus Gründen möglicher Energiekrisen. Wollte man z. B. als Kraftwerksbetreiber größere Quantitäten von Kohle zu annehmbaren Bedingungen von den Zechen oder als Import beziehen, so war man genötigt, während des ganzen Jahres gleichbleibende Qualitäten wie auch Quantitäten von den Zulieferern anzunehmen. Da der Bedarf im Winter wesentlich größer ist als im Sommer, mussten und müssen immer noch bei Kohlekraftwerken die im Sommer verbleibenden Überschüsse für den Winter gespeichert werden. Dies würde einen Lagerbestand von 18 bis 20 % des Jahresbedarfs ergeben. Es muss jedoch wegen drohender Streiks in den Kohlengruben und bei den Bahnen sowie etwaiger sonstiger Störungen in der Zufuhr noch ein sogenannter eiserner Bestand aufgespeichert werden. Das gibt zusammen ein Lager von 30 bis 35 % des Jahresbedarfs, das unmittelbar am Kraftwerksort gehalten werden muss. Da Steinkohle gut lagerfähig ist und als Schüttgut ein leichtes Handling erlaubt, war und ist es im Wesentlichen die Fläche, die benötigt wird. Auch bei den Zechen selbst wird Kohle gelagert, in der Form der bekannten Halden, s. Abb. 6.6-12. Das ergab und ergibt sich meist aus Absatzschwankungen, wie z. B. im Ruhrgebiet des Jahres 1965, als schon Ende Juli auf den Halden fast acht Mio. Tonnen unverkaufter Kohle lagerten. Bis zum Jahresende sollten noch weitere zwei Mio. Tonnen hinzukommen, sodass schließlich Aussicht bestand, dass die Bestände dem Haldenrekord von 17 Mio. Tonnen aus dem Jahre 1959 nahekommen würden. 263 Kohlehalden sind im Ruhrgebiet mit der Stilllegung des Steinkohlebergbaus heute verschwunden - was an Halden gegenwärtig noch landschaftsprägend sichtbar ist, ist der meist schon begrünte Abraum. Abb.-6.6‐12: -Kohlehalde- im-Ruhrgebiet,-1960er- Jahre; -Quelle: -dpa,-Foto- Roland-Weihrauch/ Archiv-- - - 263 -Der-Spiegel,-Ausgabe-26.08.1964.- <?page no="363"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 363 Erdöl, Raffinerieprodukte, Reichweiten Chemisch besteht Erdöl vorwiegend aus einer Verbindung von Kohlenstoff und Wasserstoff. Es bildet sich dabei über teils neunstellige Jahreszeiträume aus organischen Stoffen und ist vor allem auf das Meer beschränkt. Beim Erdöl handelte es sich einst um organisches Material, das auf dem Meeresboden nicht vollständig zersetzt wurde. Dies wurde durch den geringen Anteil an Sauerstoff in den tiefen Bereichen des Meeres sowie den konservierend auf die organischen Stoffe wirkenden Salzgehalt möglich, wodurch sich im Verlauf des genannten Zeitraums erst eine schlammige Schicht organischen Materials und schließlich Sedimente bildeten. Durch weitere nachsinkende Biomasse, die ihrerseits zu Schlamm und Sedimenten wurde, erhöhten sich Druck und Temperatur für die jeweils unteren Schichten immer weiter. Hierbei kam es zur Aufspaltung und Zersetzung der einst langen Kohlenwasserstoffketten in kleinere Ketten, die sich in Gesteinen, z. B. Sand- oder Kalksteinen, sammelten und ablagerten. Im folgenden Verlauf und bedingt durch die chemischen Eigenschaften wanderte das Erdöl zur Erdoberfläche. In diesem Prozess wurde es entweder von unpassierbaren Schichten aufgehalten (und bildete so innerhalb des Erdmantels Lagerstätten) oder es trat bzw. tritt zutage. Die Weltölvorkommen führt Saudi-Arabien an, mit 16 % der bekannten Reserven. Abb. 6.6-13 zeigt das Ranking der wichtigsten Vorratsländer. -Abb.-6.6‐13: -Die-Verteilung- der-Ölreserven,--Stand- 2013; -Quelle: -Bundesan‐ stalt-für-Geowissen‐- schaften-und-Rohstoffe,-- Energiestudie-2013- - Öl ist wie die Kohle ein nicht regenerativer Rohstoff, deshalb wird schon lange die Reichweite der Vorräte diskutiert. Der Ölkonzern BP veröffentlicht in regelmäßigen Abständen ein statistisches Jahrbuch mit Kennzahlen zu den weltweiten Ölreserven, den „Statistical Review of World Energy“. Die „statische Reichweite“ heißt bei BP „Reserve-to-Production-Ratio“. Der Wert entspricht dem Verhältnis der weltweit bekannten Ölvorkommen zur Ölproduktion des jeweils abgelaufenen Jahres. Bereits seit dem Ende der 1980er-Jahre kommt BP zu dem immer selben Ergebnis: Die Ölvorkommen betragen in etwa das Vierzigfache der Jahresproduktion. Das Erdölzeitalter dauert demnach noch 40 Jahre. Die statische Reichweite liefert allerdings lediglich eine Momentaufnahme. Künftige Nachfrageschwankungen fließen in ihre Berechnung nicht ein. Der „World Energy Outlook“ der <?page no="364"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 364 Internationalen Energieagentur IEA von 2008 ist das berücksichtigt. Er brachte eine Prognose zur Erdölnachfrage bis 2020 und die Reichweitenprognose für die Vorräte zusammen. Nach diesem Bericht steigt die Nachfrage bis 2020 weiter linear an. Dennoch hieß es zu den Vorräten immer noch wie schon in früheren Prognosen, sie reichten noch für 40 Jahre. 264 Spötter haben gelegentlich diesen Wert als „Erdölkonstante“ bezeichnet, da sich die Prognosen in den letzten Jahrzehnten nicht substanziell verändert haben. Eine der Begründungen liegt in der fortschreitenden Technik der Förderung, die einerseits eine bessere Ausbeutung der Quellen und andererseits auch die Nutzung unkonventioneller Funde möglich macht, z. B. in den USA in der Form des Schiefer-Öls. Dass bis zum Jahr 2010 die Onshore-Neufunde die maritimen Funde deutlich überwogen haben, zeigt einen Teil der Gesamtsituation und macht die Prognosen nicht leichter; Einzelheiten hierzu gibt Abb. 6.6-14. . - - - Abb.-6.6‐14: -Historische- Ölfunde-und-Ölproduk‐ tion; -Quelle: -PEPS,-IHS- Genf-und-London-2006- Auf dem Weg zum Verbraucher durchläuft das Öl Stationen, in denen eine Zwischenspeicherung notwendig wird oder erwünscht ist. Zu diesem Zweck existieren zahlreiche Tankanlagen, die im Allgemeinen oberirdisch ausgeführt sind und aus zylindrischen Großbehältern bestehen. Abb. 6.6-15 zeigt eine typische Tankanlage am Beispiel des Hamburger Hafens. Derartige Läger finden sich in ähnlicher Form bei allen Raffinerien und an verkehrsgünstigen Logistik-Standorten, oft auch in unabhängiger Trägerschaft wie in Abb. 6.6-16. Schon seit 1966 gibt es die sog. strategische Erdölreserve. 1975 haben sich die Internationale Energieagentur, die Europäische Union und alle ihre Mitgliedsstaaten nach den 264 -Vgl.-Müller,-W.: -Mythos: -Das-Öl-reicht-noch-40-Jahre,-in: -https: / / www.focus.de/ wissen/ klima/ tid‐ 14230/ energie‐mythen‐mythos‐das‐oel‐reicht‐noch‐40‐jahre_aid_398164.html,-Abruf: -22.01.2020.-- <?page no="365"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 365 Erfahrungen der Ölkrise darauf geeinigt, eine Notreserve für 90 Tage anzulegen. 1978 hat der Bundestag mit dieser Aufgabe den Erdölbevorratungsverband (EVM) beauftragt. In anderen Ländern erledigen das die Mineralölkonzerne gegen entsprechende Bezahlung. Abb.-6.6‐15: -Tankanlage-im- Hamburger-Hafen; -Quelle: - Oiltanking-Deutschland-GmbH- &-Co.-KG- - - - - - Abb.-6.6‐16: -Standorte-un‐ abhängiger-Tanklager-in- Deutschland; -Quelle: -Institut- für-Wärme-und-Oeltechnik-- e.-V.-(IWO)- Dabei lagert der EVM vier verschiedene Produkte: Benzin, Dieselkraftstoff und Kerosin sowie Rohöl. Die bereits verarbeiteten Produkte werden in ganz Deutschland in oberirdischen Öltanks nach dem oben beschriebenen Verfahren gelagert, das Rohöl dagegen <?page no="366"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 366 liegt in Kavernen überwiegend in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und dem Münsterland, also überall da, wo es große Salzstöcke gibt. Das Speicherverfahren hierzu wird im nachfolgenden Kapitel 6.6.4 im Zusammenhang mit der Erdgasspeicherung dargestellt. Neben ortsfesten Öllagern hat auch der Transportsektor eine Lagerfunktion. Unterstellt man, dass von den 2583 weltweit verfügbaren Öltankern rd. 500 vollbeladen auf den Weltmeeren unterwegs sind, so entspricht dies bei im Mittel 200.000 tdw pro Schiffseinheit rd. 100 Mio. t Rohöl, was in etwa dem Jahresverbrauch Deutschlands entspricht. Öfter wird berichtet, dass große Öltanker voll beladen bewusst „geparkt“ werden, um auf bessere Preise zu warten - dann wird der Transportraum zum echten Lagerraum und ersetzt bzw. ergänzt die Lagerkapazitäten an Land. 265 Treibstoffe und Heizöl Auch in Verbrauchernähe besteht Speicherbedarf, im automobilen Sektor in der Form von Tankstellen, im Heizölsektor in der Form von verbrauchereigenen Tanks. Tankstellen im eigentlichen, schon lange vertrauten Bild gab es für die ersten Automobile anfangs eigentlich gar keine. Frau BENZ musste nach vielfach kolportiertem Bericht für die weltweit erste Ausfahrt mit einem Automobil Benzin an der Apotheke kaufen, um weiterfahren zu können - die Tanks der frühen Automobile fassten nur 5 Liter Treibstoff. Abb.-6.6‐17: -Um-das-Jahr-1904-verkauften-ambulante-Händler-auf-den-Straßen-in-Paris- Sprit-aus-Kanistern; -Quelle: -AUTO-BILD,-Historische-Tankstellen,-Bild-20,-Photo-Buch-privat- - Das Versorgungsproblem wurde zunächst meist von Drogerien und Kolonialwarenhändlern gelöst, die das Leichtbenzin aus Fässern in Kannen pumpten und an den Kraftfahrer verkauften. Da vor der Auto-Ära Lampen- und Schmieröle die wichtigsten Mineralöl-Erzeugnisse waren, hatten die lokalen Händler häufig bereits Kontakt zu den Herstellern und nahmen Automobil-Kraftstoffe nun in ihr Verkaufsprogramm auf. 226655 --z.-B.-Meldung-„Händler-bunkern-Öl-in-Supertankern“,-FAZ-Ausgabe-9.1.2015.- - - <?page no="367"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 367 ---- ----Abb.-6.6‐18: -Bordstein‐Zapfsäule-nach-Bowser,-Modell-1925; - Quelle: -M.-Grube,-Tankstellengeschichte-in-Deutschland- Um 1910 zählte man etwa 2.500 Verkaufsstellen, die Benzin anboten. Eine besondere Art der Versorgung hatten sich die Pariser Straßenhändler ausgedacht - sie verkauften den Sprit ambulant in handlichen Kanistern, s. Abb. 6.6-17. Die Idee, Benzin mittels einer Handpumpe aus einem Vorratstank direkt in den Tank des Fahrzeugs zu fördern, wird dem Amerikaner S. F. BOWSER zugeschrieben, der bereits 1898 mit der Vermarktung solcher Zapfpumpen begann und in den Folgejahren zahllose Ideen patentierte und verwirklichte, s. Abb. 6.6-18. Ob die erste amerikanische Tankstelle 1905 in Pennsylvania oder 1907 in Seattle entstand, ist umstritten. Jedenfalls stellte die Standard Oil of Indiana 1917 einen Einheitstyp vor, der mit Abwandlungen noch immer besteht, damals „Großtankstelle“ genannt . In Deutschland mussten sich die Automobilisten, von denen es allerdings deutlich weniger als in den USA gab, noch mehrere Jahre bis zu ersten eigenen Tankstellen gedulden. Sie wurden 1922 von der OLEX, einem Vorläufer der BP, in Hannover und Köln unter der neuen Bezeichnung „Tankstelle“ in Betrieb genommen, s. Abb. 6.6-19. a -- Abb.-6.6‐19: -Die-erste-deutsche- Tankstelle-am-Raschplatz-in-Han‐ nover,-1923-in-Betrieb-gegangen; - Quelle: -Echo-CONTINENTAL,- 1923 .- <?page no="368"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 368 Die kleinen, etwa 3,2 m hohen Bauten beherbergten zwischen Fundament und Fußboden einen Unterflurtank, einen Kompressor, eine Druckgasanlage und ein 20l-Messgefäß zur Kraftstoff-Förderung. Im Verkaufsraum war zusätzlich ein Vorrat an Schmierstoffen untergebracht. Mit Übernahme der OLEX durch BP im Jahr 1926 verschwanden diese eher exotischen Tankkioske wieder. -Abb.-6.6‐20: -Lieferung-von-Benzin- und-Gasöl-mit-dem-Pferdefuhr‐ werk,-o.-Jahr; -Quelle: -D.-Tankstel‐ lenmuseum,-http: / / www.tank‐ stellenmuseum.de- - Im Jahr 1926 Jahr begann auch der B.V. (Benzol-Verband, ab 1952 BV Aral AG) mit dem Aufbau eines Tankstellennetzes und dem Angebot ihres neuen Kraftstoffs „Aral”, eines Benzol-Benzin-Gemisches. Die Zulieferung des Treibstoffs an die Tankstellen und des Brennstoffs an die Häuser erfolgte und erfolgt noch heute über speziell ausgestattete Tankwagen. Dass sie in der Anfangszeit noch von Pferden gezogen wurden, blieb allerdings eher die Ausnahme. Eine solche zeigt Abb. 6.6-20. Die typische Versorgung einer frühen Straßentankstelle zeigt Abb. 6.6-21 an einem Beispiel. Abgebildet ist ein sogenannter Zisternenwagen, bei dem je 2 zisternenartige Tanks nebeneinandergestellt sind. Ganzmetallkessel kamen erst später auf. Abb.-6.6‐21: -Zisternenwagen-der- “DOBI”-bei-der-Füllung-einer- Straßentankstelle; -Quelle: -D.-Tankstel‐ lenmuseum,-http: / / www.tankstel‐ lenmuseum.de- - Im Jahr 1925 gab es in Deutschland etwa 950 Tank- und Zapfstellen. Sehr verbreitet waren noch bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs Tankstellen, die an mehreren Zapfstellen Benzin unterschiedlicher Marken anboten. Die erste markengebundene Großtankstelle entstand 1927 in Hamburg (Hudtwalckerstrasse), gebaut und betrieben von der DAPG. Sie verfügte über die wichtigsten Merkmale, die auch heute noch gelten: Trennung vom Verkehr durch Zubzw. Abfahrt, ein Gebäude für Tankwart und Kundschaft, eine Tankinsel mit Zapfsäulen, ein auf Stützpfeilern montiertes Dach zum Wetterschutz und eine auffällige Werbung. <?page no="369"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 369 Das Wachstum des Tankstellenmarktes war eindrucksvoll: 1939 gab es im damaligen deutschen Reich schließlich insgesamt um die sechzigtausend (! ) Zapf- und Tankstellen unterschiedlichster Größe eine Zahl, die nie wieder erreicht wurde. Nach dem 2. Weltkrieg und mit dem Wirtschaftswunder der 1950er Jahre stieg die Zahl der Tankstellen mit der wachsenden Automobilisierung der Gesellschaft wieder schnell an, bis auf 41.000 Betriebe im Jahre 1965. Anfang der 1970er Jahre kamen erstmals in größerem Umfang Selbstbedienungs-Tankstellen auf - der Fahrer betankte sein Kfz nun immer häufiger selbst. Der Beruf des Tankwarts verschwand so langsam von der Bildfläche. Mit dem Trend zur Selbstbedienung und zur Großtankstelle fand zwischen 1970 und 1980 ein regelrechtes Tankstellensterben statt: rd. 20.000 Tankstellen mussten aufgeben, das Netz wurde praktisch halbiert. 1980 war der Anteil der Selbstbedienungs-Tankstellen auf 44 % gestiegen. Im Zuge dieser Umstellung veränderte sich mit der Einrichtung der „Shops" auch die Angebotsstruktur. Der Umsatzanteil der hier verkauften Nebenprodukte wurde für die Gesellschaften wie für die Betreiber immer interessanter. Parallel zu dieser Entwicklung veränderten sich zwangsläufig auch die Tankstellen-Gebäude. Die „kleinen Supermärkte" oder Convenience Shops benötigten Verkaufsfläche für Waren aller Art und wurden damit immer größer.1995 gab es in Deutschland nur noch etwa 18.300 Tankstellen, davon stammten noch rund 1.200 aus DDR-Zeiten. Und der Trend zu Abbau und Ausdünnung geht nach Abb. 6.6-22 noch weiter. -Abb.-6.6‐22: -Die-Tankstellen-werden-auch-in-der-jüngeren-Zeit-im‐ mer-weniger; -Quelle: -Statista/ MWV,-Energieinformationsdienst,- Tank-&-Rast- -- Mitgewirkt hieran hat auch, dass ein Großteil des Verkehrs sich auf die Autobahnen mit ihren relativ wenigen, dafür umso größeren Tankbetrieben verlagert hat. Leider wurden Tankstellen als Bauwerk gerade in den letzten Jahrzehnten einförmiger, wozu die Markenbindung mit beigetragen hat. Einen eigenen architektonischen Charakter haben heute nur noch die wenigsten Stationen. Auch die örtliche Versorgung mit Heizöl sieht sich seit Mitte der 1990er Jahre einem schrumpfenden Markt gegenüber, was sowohl mit konkurrierenden Energieträgern als auch mit verbesserter Haus- und Heizungstechnik zu tun hat, s. Abb. 6.6-23 für die jüngere Zeit. <?page no="370"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 370 Abb.-6.6‐23: -Heizölabsatz-in-Deutschland- seit-2005; -Quelle: -s.-Abbildung- Den vielfachen Änderungen steht bei der Vor-Ort-Speicherung eine praktisch unveränderte Technik gegenüber. Tanks zur Lagerung von Heizöl sind in unterschiedlichen Ausführungen auf dem Markt. Unterschieden werden: ● Standortgefertigte Tanks - Diese Heizöltanks bestehen meist aus Stahl und sind dann innen beschichtet. Sie werden erst am Einbauort zusammengefügt. ● Batterietanks - Bei Batterietanks sind mehrere Einzelmodule zu größeren Einheiten zusammengefügt, s. Abb. 6.6-24. Sie bestehen meist aus doppelwandigem Kunststoff, der eine Auffangwanne überflüssig macht. ● Erdtanks - Heizöltanks benötigen Platz im Keller. Ist dieser Platz aber nicht vorhanden, dann bieten sich Erdtanks als Alternative an. Sie bestehen entweder aus doppelwandigem Edelstahl oder doppelwandigem Kunststoff und können im Außenbereich eingegraben werden. Die Anforderungen an Überwachungseinrichtungen sind hier höher. Dem geringeren Platzbedarf steht ein höherer Preis gegenüber. Abb.-6.6‐24: -Batterietanks-sind-vorgefertigt; -- Quelle: Institut-für-Wärme-und-Oeltechnik-- e.-V.-(IWO)- - <?page no="371"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 371 Autogas, CNG LPG, auch Autogas genannt, ist nach Kap. 4.6.5.1 die Abkürzung für Liquefied Petroleum Gas. Es ist ein klopffester Ottokraftstoff aus verflüssigten Gasen. Gewonnen wird LPG bei der Förderung von Erdöl und Erdgas und ist somit ein fossiler Brennstoff. Hauptsächliche Bestandteile des LPG sind dabei Propan und Butan, die sich bei einem Druck von 8 bar verflüssigen lassen und somit gut tankgeeignet sind. Autogas hat eine durchaus längere Geschichte - schließlich waren die frühen Verbrennungsmotoren Gasmotoren. 1860 ließ E. LENOIR seinen Gasmotor und ein von ihm angetriebenes Fahrzeug patentieren. Weitere Fahrzeuge mit Gasantrieb, unter anderem vom Österreicher S. MARKUS von G. und B. SELDEN, kamen auf den Markt. Aber erst das Viertakt-Prinzip von N. A. OTTO brachte 1876 einen entscheidenden Durchbruch. OTTO verwendete auch kein Gas mehr, sondern „Spiritus“ 266 in den Prototypen seines Verbrennungsmotors. H. FORD plante später zunächst, für den Antrieb seines von 1908 bis 1927 gebautes Ford Modell T Alkohol zu verwenden. Er war der Ansicht, Alkohol sei der Treibstoff der Zukunft, dessen Produktion zugleich die Landwirtschaft fördern würde: „The fuel of the future is going to come from fruit like that sumach out by the road, or from apples, weeds, sawdust - almost anything“. 267 Intensive Lobbyarbeit der Ölindustrie erreichte es jedoch, dass die Steuern auf Alkohol sehr hoch blieben - der Weg für das Gasolin (Benzin) war damit aufgrund der Verfügbarkeit und des niedrigen Preises frei. Parallel hierzu wurde der Motor der „Blechliesel“ der FORD COMPANY umgestellt. Gas und speziell Autogas wurde in den USA zu einem Nischenprodukt. In Italien wurde Autogas um 1930 an Tankstellen angeboten, während es in Deutschland etwas länger dauerte. 1935 wurde die erste Gastankstelle für Flüssiggas in Hannover in Betrieb genommen worden. Die mit dem Weltkrieg in Deutschland einsetzende Zwangsbewirtschaftung bescherte dem Autogas eine Sonderkonjunktur. Ab dem 16. September 1939 wurde per Verfügung vor allem der deutsche Stadt-Omnibusbetrieb ganz auf Flüssiggas umgestellt. Das Gas wurde im Anhänger, auf dem Dach oder bei Doppeldecker-Bussen im oberen Stock untergebracht. Da zu wenig Reichweite mit den Füllungen erzielt wurde und es ab 1948 wieder genügend Ottokraftstoffe gab, konnten die Omnibusse bald nach dem Krieg wieder auf ihre vorherigen Betriebsarten umgestellt werden. In den 1970er Jahren fand das Prinzip LPG-betriebener Fahrzeuge in den gasreichen Niederlanden weite Verbreitung. Flüssiggas war auch lange Jahre der Treibstoff bei Taxis in Bangkok und Istanbul, ebenso in den 1970er und 1980er Jahren bei den staatlichen Taxis (der Marke Wolga-Gas 23) und den Fahrschulfahrzeugen der DDR. In Österreich 266 -=-Kartoffelsprit,-Agraralkohol,-heute-als-Bio‐Ethanol-bezeichnet,-klopffester-Kraftstoff-(Oktanzahl- mind.-104-ROZ).- 267 -Henry-Ford-1925-gegenüber-einem-Reporter-der-New-York-Times.- <?page no="372"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 372 war der Gasantrieb für private Fahrzeuge zunächst ebenfalls weit verbreitet. Das Verbraucherinteresse ließ dort jedoch wegen der später eingeführten, hohen Besteuerung wieder nach. Durch eine günstige Umweltbilanz im Vergleich zu Benzin- oder Dieselmotoren gewannen gasbetriebene Ottomotoren Ende der 1990er Jahre zunehmend an Bedeutung, nicht zuletzt aufgrund einer revidierten Besteuerung des Autogases und steigender Preise für Benzin- und Diesel-Treibstoffe. Fahrzeuge mit Autogasbetrieb waren schnell in fast allen europäischen Ländern zu finden. Die Zahl der Tankstellen mit Autogas-Angebot nahm daraufhin in Deutschland schnell zu. Bis 2009 wurden jeden Monat noch um hundert neue Tankstellen für Autogas errichtet, ab 2011 sank der Zuwachs dann auf ein Zehntel. Im Herbst 2015 zählt man in Deutschland um 6.750 Autogastankstellen, oder besser Tankstellen mit Autogasangebot. Die Versorgung mit den Tankstellen, also die Dichte des Netzes, erscheint damit inzwischen genügend hoch. Auch außerhalb Deutschlands besteht ein gutes flächendeckendes Autogastankstellennetz: Niederlande ca. 2.100, Belgien ca. 650, Italien ca. 2.000, Polen ca. 5.000, Tschechien ca. 700, Slowakei ca. 100, Rumänien ca. 100, Frankreich ca. 1.700, Großbritannien ca. 1.400 sowie Türkei mit ca. 10.000 Autogastankstellen. Österreich hat 13, die Schweiz über 22, Portugal über 96 und Spanien über 32 Gastankstellen. Spitzenreiter weltweit beim Verkauf von Autogas ist Südkorea mit 22 %, gefolgt von Japan mit 9 %, Türkei 8 %, Mexico 8 % und Australien mit 7 %. Aber auch in Kroatien, Russland, Armenien, China, USA und Kanada ist Autogas grundsätzlich verfügbar, wenn auch nicht verbreitet. Auch komprimiertes Erdgas wird als CNG 268 im Kraftverkehr verwendet, s. Kap. 4.6.5.1. Die hierfür benötigten Tankanlagen erfordern eine Technik, die mit hohen Drucken arbeitet. Abb. 6.6-25 zeigt die Einrichtung eines solchen Tanklagers. Die Vorratsbehälter sind wie in der Abbildung meist in Röhrenform angelegt, die überdimensionierten Gasflaschen ähneln. Deutschlandweit gibt es mittlerweile ein ausgebautes Erdgas-Tankstellennetz mit aktuell ca. 920 öffentlich zugänglichen Tankstellen. CNG ist jedoch fast ein deutscher Alleingang. Mit Ausnahme von Italien, der Schweiz, Österreich und Polen ist Erdgas im Ausland praktisch kaum verfügbar. Die Speicherung von Erdgas ist wesentlich aufwendiger als die von Benzin und auch von Autogas. Bei Normaldruck ist die Energiedichte weitaus zu gering; Erdgas muss also in stark komprimierter Form bei hohem Druck transportiert und gespeichert werden. Hierfür kommen im Fahrzeug selbst Druckgasflaschen zum Einsatz, die beim Tanken meist mit 200‒300 bar befüllt werden. Der stabile Druckbehälter hat ein erhebliches Gewicht (weit höher als das eines Benzintanks), trotz eines moderaten Fassungsvermögens von z. B. 20 oder 30 kg. Auch der Platzbedarf ist wesentlich höher als für einen Benzin- oder Autogastank. Da ein Erdgastank mit Rücksicht auf das Ladevolumen nicht allzu groß gewählt werden kann, ist die damit mögliche Reichweite des Fahrzeugs deutlich geringer als mit 268 -CNG-=-C Compressed-NNatural-GGas.- <?page no="373"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 373 Benzin oder Autogas - häufig zwischen 300 km und 500 km. Das erklärt die relative geringe Verbreitung, die schon in Kap. 4.6.5.1 anhand der Zulassungszahlen deutlich gemacht wurde. Abb.-6.6‐25: -CNG‐Tankstelle; -Quelle: -Sichuan-South-Gas-Compressor-Co.,-Ltd- Speicherung von Stadtgas und Erdgas Brennbare Gase wie Stadtgas und Erdgas lassen sich vergleichsweise leicht speichern. Historisch älter in seiner Verwendung ist das Stadtgas, das hier zunächst im Mittelpunk steht. Die Speicherung von Gas mithilfe einer Tauchglocke geht - je nach Autor - auf A. L. LAVOISIER oder sogar schon CHR. HUYGHENS zurück, im Labormaßstab wenigstens. Die Bezeichnung Gazomètre brauchte LAVOISIER erstmals 1789. Die Übertragung ins Große, eine ingenieurmäßige Leistung, gelang W. CLEGG, der 1812 den ersten „richtigen“ Gasometer in der Buchhandlung Ackermann in London einbaute, s. Abb. 6.6-26. - - - Abb.-6.6‐26: -Cleggs-erster-Gasometer-mit-noch- rechteckiger-Tauchglocke-und-Gewichtsausgleich; - Quelle: -Körting,-Gasindustrie,-S.-72- - <?page no="374"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 374 Gasometer wurden danach in runder Ausführung errichtet, mit einer einfachen Tauchglocke aus Stahl. Geometrie und technische Ausführung wurden dabei von der zweiten Aufgabe der Gasometer mitbestimmt, die Druckverhältnisse im anschließenden Leitungsnetz sicherzustellen, s. auch Kap. 6.2.2. Der Gedanke, Gasometer mehrstufig auszuführen, sie zu „teleskopieren“, entstand schon früher (TAIT 1824), die Umsetzung in der Breite ließ jedoch auf sich warten. 1834 griff die City of London Gas Co. diese Bauweise auf, danach die Gas Light und Coke Company im Jahre 1836. In Deutschland ist der erste Gasbehälter mit Teleskop 1846 von E. BLOCH- MANN in Berlin errichtet worden. Das Arbeitsprinzip eines solchen Teleskops zeigt Abb. 6.6-27. Beim Befüllen wird zunächst die voll eingetauchte Kuppel angehoben, bei weiterer Fortsetzung der Füllung folgen die am unteren Rand jeweils einhakenden weiteren Segmente sukzessive nach. Die Abdichtung zwischen den Segmenten kommt durch einen umlaufenden, mit Wasser gefüllten Ringspalt zustande. Lange Zeit war umstritten, ob die Gasbehälter unbedingt umbaut werden müssten. Technisch notwendig war ein äußeres Mauerwerk nicht. Es war dies eher eine stadtpolitische Entscheidung, um die doch großen Anlagen in die Umgebung einzufügen. Nebenbei war es auch eine Frage der Kosten - die Stadt Bremen verzichtete mit dem Auftrag an LE-- PRINCE auf die Umbauung und kam so deutlich billiger davon als mit dem konkurrierenden Angebot von BLOCHMANN, das eine solche vorgesehen hatte. Abb.-6.6‐27: -Das-Teleskopprinzp-beim-Gasometer; -Quelle: Verein-Gaswerksfreunde-Augsburg-e.-V.,-Oliver-Frühschütz- - Abb.-6.6‐28: -Zwei-der-vier- Wiener-Gaso‐meter-vor-der- Fertigstellung; -Quelle: -- F.-Kapaun,-Die-Erbauung-des- Wiener-städtischen- Gaswerkes,-Wien-1901,-- Abb.-24- - - <?page no="375"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 375 In Wien setzten sich dagegen beim Neubau des städtischen Gaswerks 1896-1899 wieder die Ästheten durch - die vier zweistufigen Großbehälter erhielten eine repräsentative Ummantelung, s. Abb. 6.6-28. Beim späteren Zubau eines fünften Behälters war man sparsamer - er wurde ohne Mauerwerk gebaut. 1913 wurde von der Firma MAN Gustavsburg das neue Prinzip des Scheibengasbehälters entwickelt und zum Patent angemeldet, das fortan überwiegend verwendet wurde. Der Scheiben-Gasbehälter ist vergleichbar mit einem hohlen, oben und unten geschlossenen Metallzylinder, der mit einem beweglichen „Deckel“ im Inneren versehen ist. Dieser Deckel wird Scheibe oder Abdichtscheibe genannt, s. Abb. 6.6-29. Der Innere Überdruck unter der Scheibe wird durch das Gewicht der Scheibe erreicht und liegt meist bei etwa 230 mm WS (Wassersäule) also etwa 23 mbar, s. auch Kap. 6.2.2. Die Abdichtscheibe trennt den unteren mit Gas gefüllten Bereich des Behälters von dem oberen mit Umgebungsluft gefüllten Raum über der Scheibe. Die Scheibe bewegt sich je nach Gasinhalt an den Führungsschienen im Inneren des Zylinders nach oben oder unten. Zur Stabilisierung der Scheibe ist ein rollengelagertes Führungsgerüst montiert, das etwa 1/ 10 des Scheibendurchmessers hoch ist und somit ein Kippen der Scheibe verhindert. - Abb.-6.6‐29: -Zum-Prinzip-eines-Scheibengasbehälters; -Quelle: - Verein-Gaswerksfreunde-Augsburg-e.-V.,-Oliver-Frühschütz- Die Vorteile gegenüber einem Teleskop-Gasbehälter stellen sich so dar: ● Kein Wasserbassin, das im Winter zu heizen und sehr schwer war. ● Es musste lediglich das Abdichtöl angewärmt werden. ● Das Gas hatte stets nahezu konstanten Druck bei verschiedenen Inhalten. ● Der Behälter ist aufstockbar, man konnte den Behälter einfach vergrößern. ● Speichermengen von über 100.000 m³ waren kein großes Problem. ● Unterkellerung z. B. als Lagerraum war möglich. <?page no="376"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 376 Abb.-6.6‐30: -Die-Abdichtung-zwischen-Scheibe-und- äußerer-Hülle; -Quelle: -Historisches-Archiv-MAN- AG/ manroland-AG-- Die gasdichte Abdichtung der Scheibe war nicht ganz einfach. Die ölbasierte Lösung war letztlich der Kern des Patentes; ihr Schema zeigt Abb. 6.6 30. Solche Gasbehälter wurden 153-mal in Deutschland und 478-mal weltweit von MAN gebaut, einige auch von A. KLÖNNE in Dortmund. Der größte MAN-Scheibengasbehälter weltweit hatte ein Speichervolumen von 566.000 m³ (Chicago), der größte in Deutschland 350.000 m³ (Mainz). Der größte heute vermutlich weltweit noch existierende ist der nur unwesentlich kleinere in Oberhausen, s. Abb. 6.6-31, der heute als technisches Denkmal für kulturelle Zwecke genutzt wird. Abb.-6.6‐31: -Der-Gasometer-in-Oberhausen- im-Urzustand-1929,-Scheibe-in-95-Metern- Höhe,-Fassungsvermögen-347.000-cbm-Gas; - Quelle: --Gutehoffnungshütte,-Aktienverein- für-Bergbau-und-Hüttenbetrieb-(GHH)- - Erdgas wurde seit den 1950er Jahren zum großen Konkurrenten für das Stadtgas und löste es bis zur Gegenwart vollständig ab. Es kommt auf der Erde als natürliche Ressource vor, seine Lagerstätten bilden die primären Erdgasspeicher. <?page no="377"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 377 Erdgas ist ein Naturgas, das bis zu 95 % aus Methan besteht. Erdgas unterliegt einem ähnlichen Entstehungsprozess wie Erdöl und wird aus diesem Grund auch häufig mit diesem zusammen gefunden. Beide Stoffe haben sich vor mehreren Mio. Jahren aus organischer Substanz gebildet. Die Forschung geht davon aus, dass ein großer Teil des heute geförderten Gases vor ungefähr 600 Mio. Jahren entstanden ist. Es gibt aber auch „jüngeres“ Erdgas - es soll vor circa 20 Mio. Jahren entstanden sein. Das Ausgangsmaterial für die Erdgasentstehung lieferten küstennahe Regionen, in denen es ein überdurchschnittlich hohes Angebot an organischen Substanzen gab. Vor allem Plankton, Algen und marine Mikroorganismen bildeten die Grundlage zur Gas- und Ölentwicklung. Diese Organismen der Urmeere sanken nach ihrem Tod auf den sauerstoffarmen Meeresboden und wurden mit der Zeit von Gesteins- und Erdschichten überdeckt. Dabei wurde das organische Material komplett vom Sauerstoff abgeschlossen. Zum Luftmangel kamen zusätzlich eine Temperaturerhöhung sowie eine Steigerung des Drucks hinzu. Durch das Fehlen von Sauerstoff wurde der vollständige Verwesungsprozess verhindert, was die Entstehung von Faulschlamm begünstigte. Diese Prozesse führten zur Bildung einer biogenen Masse, die dann mit weiteren Ablagerungen (Sedimenten) aus Gesteins- und Erdschichten bedeckt wurde. Im Laufe der Jahrtausende kam es dadurch zu steigendem Druckaufbau und zu Temperatursteigerungen. Beide äußeren Bedingungen leiteten einen langwierigen chemischen Prozess ein, der die organischen Substanzen anders als beim Erdöl in gasförmige Kohlenwasserstoffe umwandelte. Ein wichtiger Teil bei der Erdgasentwicklung war die sog. Migration, was die Wanderung der Kohlenwasserstoffe von ihrem Entstehungsort im Muttergestein in ein Speichergestein meint. Das sind dann die Lagerstätten, aus denen heute der fossile Energieträger gewonnen werden kann. Beim „jüngeren“ Erdgas handelt es sich um Erdgasmengen, die ebenfalls infolge einer Zersetzung organischer Stoffe entstanden sind. Der mikrobielle Verfall fand hierbei aber ohne wesentliche Migration, also an Ort und Stelle, statt. Solche jüngeren Gasvorkommen sind zum Beispiel im Voralpenland zu finden. Wie bei der Kohle und dem Erdöl gibt es Erdgasvorkommen auf der ganzen Welt, s. Abb. 6.6-32, die zugleich auch die gewinnbaren Reserven mit ausweist. -- - - - - - - -Abb.-6.6‐32: -Erdgas-weltweit,-in-Ressourcen-und-kumulierter-Förderung; -Quelle: -Bundesanstalt-für-Ge‐ owissenscschaften-und-Rohstoffe,-Energiestudie-2013- <?page no="378"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 378 Bestimmte Regionen der Erde sind im Vorteil bei der Verteilung der Ressourcen. Dazu gehören Russland, der Nahe Osten, der arabische Golf, Nordamerika mit den USA, der Ferne Osten, besonders China, Afrika mit Algerien und Nigeria und in Europa auch Deutschland, Frankreich, Italien, vor allem die Niederlande, Norwegen sowie Österreich, oft auch der maritime Festlandsockel. Fachleute schätzen, dass sich das größte Einzelvorkommen an fossiler Energie in etwa 2.000 bis 3.000 Meter Tiefe vor der nordamerikanischen Ostküste befindet. Es handelt sich um so genanntes Gashydrat, eine physikalische Verbindung aus Gas und Wasser. Dieses Gashydrat liegt als fester schneeartiger Teppich unter dem Boden des Atlantiks. Unter erschwerten Bedingungen konnten bereits Proben entnommen werden. Jedoch ist noch unklar, wie man das Gashydrat fördern kann, ohne das empfindliche ökologische System des Meeresbodens zu stören. Da es eine Vielzahl von neu entdeckten Erdgasvorkommen gibt, die leichter zu fördern sind, besteht noch keine Dringlichkeit, diese nordamerikanischen Vorkommen anzugehen. Bei der Bestimmung der Erdgas-Vorräte und ihrer Reichdauer muss man Unterschiede machen: Unter Erdgas-Ressource versteht man den Bestand, der durch Probebohrungen nachgewiesen ist. Unter Reserve sind die Erdgasvorkommen zu verstehen, die nach Fachmeinung sicher gefördert werden können. Die Definitionen folgen den bei Kohle und Erdöl erprobten Prognoseansätzen. Wie lange Erdgas verfügbar ist, hängt von mehreren Faktoren ab: Erstens gibt es auch hier noch unentdeckte Vorkommen. Zweitens hängt die Schätzung vom Welt-Verbrauch ab. Drittens sind Fortschritt und andere Energien einzubeziehen, die den Verbrauch beeinflussen. Nach Schätzung der beteiligten Wissenschaftler reichen die Vorkommen länger als das Erdöl, nämlich ca. 160 Jahre ‒ inklusive aller bis dato bekannten Reserven und Ressourcen. Auch das ist kein sehr langer Zeitraum, zumal sich erste Nutzungen des Erdgases - anders als bei Kohle und auch bei Öl - erst Ende des 19. Jahrhunderts finden, s. auch Kap. 4.6.5. Unsicherheiten kommen hinzu, da sich im Verlauf der Förderung oft nicht vorhergesehene Probleme ergeben. Die Förderung konventionellen Erdgases kann z. B. zu leichten Erdbeben führen, wenn sich durch die Druckentlastung der Untergrund senkt. Das hat sich in der Provinz Groningen in den Niederlanden gezeigt. Dort erstreckt sich 3000 Meter unter dem fruchtbaren Ackerland das Groninger Gasfeld, die bislang zehntgrößte Gaslagerstätte der Welt -- und eine der profitabelsten. Das Gas wird dort seit 1963 gefördert. Trotz mehr als einem halben Jahrhundert Produktion vermutete die niederländische Regierung noch 2015, dass in Groningen immer noch der Löwenanteil der nationalen Reserven lagert: 1200 Milliarden Kubikmeter von 1600 Milliarden Kubikmeter. Die Lagerstätte liegt jedoch in einer Zone geologischer Instabilität. Das führte im August 2012 zu einem Erdbeben der Magnitude 3,6 auf der Richterskala und weiteren Beben. Die dadurch entstandenen Schäden (u. a. durch Risse in Gebäuden) belaufen sich inzwischen auf über eine Milliarde €. Die niederländische Regierung hat deshalb die Förderung 2016 auf 24 Milliarden m³/ Jahr in etwa halbiert und ab 2017 um weitere 10 % auf 21,4 Milliarden m³/ Jahr kürzen müssen, s. auch Kap. 4.6.5, Erdgas. <?page no="379"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 379 - - - Abb.-6.6‐33: -Gasimporte-weltweit-2011,-die-Abkürzung-bcm-steht-für-- 1-Milliarde-Kubikmeter; -Quelle: -Internationale-Energieagentur-IEA- - Der Erdgasmarkt ist durch Ungleichgewichte geprägt: Mit Ausnahme Russlands sind die großen Verbraucher, auch die USA, auf Importe angewiesen, s. Abb. 6.6-33. Das führt zu starken, z. T. extremen Abhängigkeiten, speziell von Russland, wie Abb. 6.6-34 zeigt. . -- - -- -- -Abb.-6.6‐34: -Abnehmer-von-russischem-Gas,-Anteil-an-den-Pipeline‐Exporten-2012; -Quellen: -BP,-Inter‐ state-Statistical-Committee-of-the-Commonwealth-of-Independent-States-(CISStat)- Mit der Ablösung des Stadtgases durch das Erdgas seit den 1960er Jahren änderte sich auch die Speichersituation in der Versorgungskette. Auch Erdgas braucht (sekundäre) Speicher, aber anders als beim in Kap. 4.6.4 erörterten Inselbetrieb der Gaswerke handelt es sich bei der Erdgasversorgung inzwischen um ein großes, zusammenhängendes Versorgungsnetz, wie im gleichen Kapitel beschrieben. Speicherung kann also hier zentraler erfolgen und kostensparender durch Großspeicherung ersetzt werden Die Erdgasversorgung in Deutschland wird durch große Importe, Reste heimischer Produktion und durch Untertage-Erdgasspeicher gewährleistet. Die Speicher erfüllen eine klassische Rückgrat-Funktion zwischen Erdgasversorger und Erdgasverbraucher. Sie haben einmal den Zweck, den oft stark schwankenden Verbrauch und den stetigen Zufluss auszugleichen und andererseits die Aufgabe, mögliche Lieferausfälle in Krisenzeiten abzusichern (was wegen der Herkunft eines großen Teils der Lieferungen aus dem politischen Osten nicht ausgeschlossen werden kann). <?page no="380"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 380 Sie haben damit einen maßgeblichen Anteil an der Versorgungssicherheit, der in der deutschen Energiepolitik von Anfang an hohes Gewicht beigemessen wurde und nach wie vor wird. Für eine sichere Einlagerung großer Erdgasmengen eignen sich zwei Lagertypen: Porenspeicher und Kavernenspeicher, s. Abb. 6.6-35. Porenspeicher sind natürliche Lagerstätten, die sich durch ihre geologische Form zur Speicherung von Erdgas eignen. Sie befinden sich in porösem Gestein, in dem das Erdgas ähnlich einem stabilen Schwamm aufgenommen und eingelagert wird. Bei der Speicherung wird das Erdgas mit großem Druck in die winzigen, mit bloßem Auge kaum sichtbaren Poren der Gesteinsschicht geleitet. Dabei handelt es sich meist um ausgeförderte Erdgas- oder Erdöl-Reservoire. Durch horizontale und vertikale Abdichtung der ehemaligen Lagerstätten hat die Natur wichtige Voraussetzungen für deren heutige Nutzung als Speicher geschaffen - schließlich waren hier Erdöl und Erdgas über Jahrmillionen unbehelligt eingeschlossen. Nach oben sind Porenspeicher durch mächtige Deckschichten aus vorwiegend Ton und Salz abgedichtet. Unterhalb der gasdurchlässigen Gesteinsschichten begrenzt ein wasserführender Bereich das Reservoir. Im Vergleich zu Kavernenspeichern ist der wesentliche Vorteil von Porenspeichen deren größeres Speichervolumen. Abb.-6.6‐35: -Zum-Arbeitsprinzip-der- Erdgasspeicher; -Quelle: --BVEG-‐-- Bundesverband-Erdgas,-Erdöl-und-- Geoenergie,-bearbeitet <?page no="381"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 381 Kavernenspeicher sind große, künstlich angelegte Hohlräume in unterirdischen Salzstöcken. Die physikalischen Eigenschaften der Salzschicht garantieren eine natürliche Dichtheit der Kavernen, denn der umgebende Salzstock ist eine gasundurchlässige Barriere. Kavernenspeicher werden durch einen Solprozess bergmännisch angelegt. Die Aussolung erfolgt über Tiefbohrungen durch kontrollierte Wasserzufuhr. So entstehen Hohlräume von bis zu 500 m Höhe, in denen Erdgas ge- und entspeichert werden kann. . - - - - - - - - Abb.-6.6‐36: -Entwicklung-des-Speichervermögens-im-deutschen-Erdgasnetz; -Quelle: -- Z.-ERDÖL; -ERDGAS; -KOHLE-133,-Jg.-2017- Die Tiefbohrung wird nach entsprechender Ausrüstung später zur Ein- und Auslagerung des Gases genutzt. Die Ein- und Ausspeicherleistung von Kavernenspeichern ist vergleichsweise höher als die von Porenspeichern. Der Grund dafür ist einfach: Bei Porenspeichern muss das Erdgas zunächst durch das poröse Gestein zur Bohrung strömen, während die Kavernen über eine Tiefbohrung direkt mit den obertägigen Speicheranlagern verbunden sind. Der erste deutsche Gasspeicher ging im Jahr 1955 mit dem Aquiferspeicher Engelbostel (bei Hannover) in Betrieb. Er wurde Ende der 1990er Jahre aus wirtschaftlichen Gründen aufgegeben. Die Abb. 6.6-36 zeigt den sukzessiven Aufbau des Speichernetzes bis zur Gegenwart.- Die Mitgliedsunternehmen des deutschen Wirtschaftsverbandes Erdöl- und Erdgasgewinnung (WEG) haben im Jahr 2014 Erdgasspeicher mit einem Arbeitsgasvolumen von 24,6 Milliarden Kubikmetern betrieben. Das Speichervolumen in Deutschland entsprach damit rund 30 % der jährlich verbrauchten Erdgasmenge und war das größte in der Europäischen Union, gefolgt von Italien, den Niederlanden und Frankreich. Weltweit gibt es nur in den USA, in Russland und in der Ukraine mehr Speichervolumen. Die WEG-Mitglieder betreiben in Deutschland 250 Kavernen in 28 Speicheranlagen. Das Speichervolumen dieser Kavernen beträgt 14,3 Milliarden Kubikmeter. Damit verfügen die Kavernen inzwischen über einen Anteil von 58 % an dem gesamten installierten Speichervolumen in Deutschland. Die 19 Porenspeicher der WEG-Mitglieder halten ein Arbeitsgasvolumen von 10,3 Milliarden Kubikmetern. <?page no="382"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 382 Abb.-6.6‐37: -Standorte-von-Untertageespeichern-in-Deutschland; -Quelle: -BDEW-Bundesverband-der-- Energie‐-und-Wasserwirtschaft-(BDEW)- Die Standorte der Untertagespeicher folgen den gegebenen geologischen Bedingungen, sind aber dennoch über Deutschland gut verteilt, mit einem relativen Übergewicht des Nordens, s. Abb. 6.6-37. Auch Übertagebehälter haben noch ihre Bedeutung. Sie werden jedoch heute als Hochdruckbehälter und meist in Kugelform verwendet. Die ersten Kugelspeicher für Erd- und Flüssiggas wurden in den 1960er und 1970er Jahren errichtet und hatten Betriebsdrücke von 2 bis 15 bar. Heute haben sie Durchmesser bis zu 50 Meter und Drucke von 5-10 bar, bei sehr starker Wandung bis 20 bar. Sie finden häufig bei Raffinerien Verwendung oder dienen dem kommunalen Bedarf, s. z. B. in Karlsruhe, s. Abb. 6.6-38. Hochdruckbehälter werden auch als Röhrenspeicher ausgeführt und können dann noch höhere Drucke aufnehmen, zwischen 50 und 100 bar. Die Röhren haben Durchmesser bis zu 1,6 m und werden im Erdreich verlegt. Gelegentlich ersetzen sie Untertagespeicher, wenn keine geeigneten geologischen Strukturen gefunden werden (so z. B. in der Schweiz). <?page no="383"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 383 Prozessstufen:  Trocknung  CO2 Entfernung  Vorkühlung  Entfernung schwerer Kohlenwasserstoffe  Verflüssigung Abb.-6.6‐38: -Kugel‐Gasbehälter-in-der-Erdölraffinerie-MIRO,-Karlsruhe; -Quelle: -ikar‐us,-Karlsruhe: - Gastanks- Ggf. wird Erdgas auch in tiefgekühlter Form als LNG gespeichert, z. B. bei LNG-Terminals. Die Anlagen des LNG-Terminals Sachalin erstrecken sich über eine Fläche von 490 Hektar. Die dort verwendeten Flüssigerdgastanks sind 37 Meter hoch, haben einen Durchmesser von 67 Meter und ein Fassungsvermögen von 100.000 Kubikmeter. Das erste große LNG-Terminal in Deutschland, in dem verflüssigtes Erdgas gespeichert werden kann, soll im schleswig-holsteinischen Hafen Brunsbüttel entstehen. Die zur Verflüssigung notwendigen Anlagen sind umfangreich und teuer. Abb. 6.6-39 zeigt als Beispiel eine kleine Verflüssigungs- und Speicheranlage in Snurrevarden, Norwegen mit der Spezifikation: 1 Prozesszug Jährliche Produktion: ca. 21.000 Tonnen Prozess Investition (abgeschätzt): 370 USD / Tonne LNG Verflüssigungsverfahren: Stickstoff, Brayton-Kreislauf Effizienz: 0,80 kWh / kg LNG Speicherkapazität: 250 m³ Export durch: LKW - - Abb.-6.6‐39: -Kleine- LNG‐Anlage-in- Snurrevarden,-Nor‐ wegen; -Quelle: - Hamworthy-Gas- Systems,-Werk‐ photo- <?page no="384"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 384 Batterien, Akkumulatoren, Redox-Flow Batterien, genauer: Primärbatterien und Akkumulatoren sind chemische Energiespeicher, die bei ihrer Entladung elektrische Energie abgeben und im Fall des Akkumulators auch wieder in dieser Form aufnehmen, also wieder aufladbar sind. Wiewohl Bauelemente der Elektrotechnik, gehören sie doch zu den chemischen Energiespeichern. Auf Batterien nahm schon Kap. 4.6-6 unter dem Transportaspekt Bezug. Hier ist jedoch der Ort, ihre Technik und deren Entwicklung näher zu beleuchten. Primärbatterien Primärbatterien erzeugen ihre Energie aus dem Verbrauch chemischer Stoffe. Sie können einmalig entladen werden. Die Entladung ist irreversibel: Primärbatterien sind nicht wieder aufladbar. Die Geschichte der elektrochemischen Energiespeicher begann mit der naturwissenschaftlichen Untersuchung der Elektrizität. Namen wie L. GALVANI (1737-1798) und A. CONT DI VOLTA (1745-1827) sind mit diesen Arbeiten verbunden und leben noch heute in Bezeichnungen wie „galvanische Zelle" und der Einheit „Volt" fort. GALVANI fiel bei Experimenten 1789 auf, dass Froschbeine zu zucken beginnen, wenn sie mit zwei verschiedenen Metallen in Berührung kommen. Er schloss daraus auf einen Zusammenhang zwischen Elektrizität und Muskeltätigkeit. Zehn Jahre später baute VOLTA die erste einfache Batterie: Er schichtete Kupfer- und Zinkscheiben abwechselnd übereinander und legte zwischen die Scheiben jeweils ein in Salzlösung getränktes Stück Pappe. Diese „Voltasche Säule" lieferte elektrische Energie, wenn die Scheiben durch Draht verbunden wurden. Die Spannung ließ sich mit mehreren in Serie geschalteten Säulen noch erhöhen. J. W. RITTER, der in Jena mit Herder, Schiller und Goethe verkehrte, entwickelte 1802 eine ähnliche Batterie, die 1803 durch G. ZAMBONI bekanntgemacht und von ihm als RTITERsche Säule benannt wurde. Im selben Jahr entdeckte RITTER die galvanische Polarisation und konstruierte nach diesem Fund eine Ladungssäule, die aus übereinander geschichteten und mit Kochsalz getränkten Kupfer- und Kartonscheiben bestand. RIT- TERS Ladungssäule konnte jedoch anders als die Voltasche Säule mit einem elektrischen Strom geladen werden und gab bei der Entladung auch wieder Strom ab. Sie gilt deshalb als Urform des heutigen Akkumulators, s. auch Kap. 4.6.6. Die Pioniere von GALVANI bis RITTER schufen mit ihren Zellen die Grundlage für die spätere Entwicklung von Primärzellen in der Form von Trockenbatterien, bei denen dann die als Elektrolyt dienenden Flüssigkeiten der bis dahin eingesetzten Nasszellen durch Pasten ersetzt wurden. Der erste Schritt zur Serienreife kommt dem Deutschen C. GASS- NER zu, der 1887 Gips als Bindemittel für den Elektrolyten verwendete. Seine Zellen kamen u. a. bei Klingelanlagen zum Einsatz. Neben ihm ist P. SCHMIDT zu nennen, der mit seinen Patenten von 1896 (für ein galvanisches Kohle-Zink-Trockenelement) und 1906 (für die batterieabhängige und damit <?page no="385"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 385 marktwichtige elektrische Taschenlampe, für die sch SCHMIDT 1937 das Warenzeichen "Daimon Handy" (! ) eintragen ließ) den Weg zur Massenproduktion ebnete. 1901 entstand bei ihm auch eine Flachbatterie, die aus drei nebeneinander angeordneten 1,5 V-Zellen bestand. SCHMIDT gilt häufig als der eigentliche Erfinder der Trockenbatterie. 269 SCHMIDT nahm 1903 in seiner Fabrik in Berlin die Produktion von Trockenbatterien auf und begann zehn Jahre später die Massenfertigung von Batterien und Taschenlampen für den Weltmarkt, die unter der Marke DAIMON bekannt wurden. Die Marke existiert bis heute, wenn auch in anderen Besitzverhältnissen. Abb. 6.6-40 erläutert den grundsätzlichen Aufbau einer Zink-Kohle-Trockenbatterie. Abb.-6.6‐40: -Zum-Aufbau-und-zur-Funktion-der-frühen-Trockenbatterien; -Quelle: -Thomas-Sellnacht,- Bern- Um das Jahr 1960 entwickelte die Union Carbide Corporation in den USA die leistungsfähigere und haltbarere Alkali-Mangan-Batterie. Sie stellte eine Weiterentwicklung der Zink- Kohle-Trockenbatterie dar. Der wesentliche Unterschied zu frühen Trockenzellen bestand in der Verwendung eines alkalischen Elektrolyten, eines Zink-Gels statt eines Zinkbechers und von Braunstein (Mangan(IV)-oxid) für die Kathode, s. Abb. 6.6-41 mit weiteren Erläuterungen. Die bis zur Gegenwart verwendete Batterie liefert eine Spannung von etwa 1,5 Volt. Bei einer 9-Volt- Blockbatterie sind sechs Zellen in Reihe geschaltet. 269 -So-z.-B.-Nilson-H.,-in: -Geschichte-Batterien-und-Akkus: -Eine-kleine-Zeitreise,-Heidelberg-2014.- - <?page no="386"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 386 Abb.-6.6‐41: -Aufbau-einer-modernen-Trockenzelle-und-zusätzliche-Informationen-zur-- neueren-Geschichte; -Quelle: -Werkinfo-der-Grillo-Metal-Division- Zahlreiche Geräte der Elektronik benötigen heute Batterien in kleinen Dimensionen, sogenannte Knopfzellen. Ihre Entwicklung begann in den 1960er Jahre für die Anwendung in Hörgeräten und Belichtungsmessern von Kameras (Zink-Quecksilberoxid-Knopfzelle). Die Entsorgung des giftigen Quecksilbers wurde ein großes Problem. Herstellung und Verwendung solcher Batterien sind daher heute eingestellt. Für elektronische Geräte wurde als Alternative die Zink-Silberoxid-Knopfzelle entwickelt. Bei dieser Batterie ersetzt das teurere Silber(I)-oxid das Quecksilber (II)-oxid. Sie liefert eine Spannung von 1,5 Volt. Die verfügbare Stromstärke liegt auch bei kleinen Abmessungen im hohen Leistungsbereich. Als Reaktionsprodukt erhält man Silber, das wiederverwertet werden kann. Für Hörgeräte kommt heute die Zink-Luft-Knopfzelle mit einer Spannung von 1,4 Volt zum Einsatz, sie liefert eine äußerst konstante Spannung über einen langen Zeitraum. Größere Zink-Luft-Batterien werden für den Langzeiteinsatz in Baustellenbeleuchtungen im Straßenbau eingesetzt. Die ebenfalls leistungsfähige Lithium-Batterie oder genauer Lithium-Mangandioxid-Batterie liefert aufgrund des sehr niedrigen Normalpotenzials des Lithiums eine relativ hohe Spannung von etwa 3 Volt. Die Kathode enthält gepulvertes Mangan (IV)-oxid, Bindemittel sowie Ruß zur Verbesserung der Leitfähigkeit. Die Anode besteht aus Lithium, der Elektrolyt aus Lithiumperchlorat, das in einem wasserfreien, organischen Lösungsmittel gelöst ist. Dieser Typ ist inzwischen weit verbreitet und wird z. B. für Kameras, Uhren und als Backup-Batterie für Hauptplatinen (sog. Mainboards) in Personalcomputern eingesetzt. Sie ist als Primärzelle nicht zu verwechseln mit dem wiederaufladbaren Lithium-Ionen- Akkumulator. <?page no="387"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 387 Akkumulatoren Die Geschichte der Sekundärbatterien oder Akkumulatoren verlief anders, sowohl im eigentlichen Gegenstand wie auch in der Verwendung. In den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts arbeiteten SINSTEDEN und PLANTÉ mit den ersten Blei-Batterien (System Blei- Schwefelsäure-Bleidioxid, das etwa 2 V Spannung pro Zelle liefert) und nutzten sie zur Stromspeicherung für telegraphische Experimente. Beide setzten als Elektroden Bleiplatten ein, die durch mehrfaches Laden und Entladen aktiviert wurden und schließlich eine gewisse Energiemenge speichern konnten. Für eine industrielle Fertigung waren diese „Batterien“ noch nicht geeignet. Der Bedarf, elektrische Energie zu speichern, wuchs jedoch rasch. Für die Anwendung wurde der Bleiakkumulator interessant, als E. A. FAURE um 1880 ein Verfahren entwickelte, bei dem die Zelle bereits nach wenigen Ladezyklen (dem Formieren), eine hohe Kapazität erreichte. Seine Batterien erwiesen sich allerdings als wenig haltbar und versagten schon nach kurzer Betriebszeit. Den ersten technisch einsetzbaren Bleiakkumulator entwickelte der Luxemburger Ingenieur H. TUDOR. Die von ihm seit 1882 erbauten Blei-Akkumulatoren liefen 16 Jahre ohne Pause (wie sich später herausstellte), waren also anwendungsfähig. 1886 ließ TUDOR seine Erfindung in Luxemburg und 1887 in Frankreich patentieren. JUNGNER und EDISON folgten 1899 und 1901 mit der Nickel-Cadmium-Batterie, die bald auch gefertigt werden konnte. Höhere Spannung erreichte man bei beiden Systemen durch die serielle Schaltung einzelner Zellen. Die Verbesserungen von H. TUDOR bezogen sich auf die Elektroden. Er ersetzte die spiralförmigen Blei-Elektroden durch flache, deren Oberfläche gerillt war. Sie hatten dadurch eine deutlich vergrößerte aktive Fläche. Sie waren auch dicker, wodurch die Leitfähigkeit erhöht wurde, und verformten sich nicht mehr. So war der TUDOR-Akkumulator im Vergleich zu den Vorgängern wesentlich effizienter und zuverlässiger geworden; seine Ladezeit war stark reduziert und die Lebensdauer lang. Sie konnte bis zu 25 Jahre erreichen. Um die negativen Elektroden zu verbessern, einigten sich die Brüder TUDOR mit den Inhabern kollidierender Patente und fanden so auch eine Lösung, den Leistungsverlust deutlich zu reduzieren. 270 TUDORS erster großer Auftrag im Jahr 1886 war die Umsetzung einer elektrischen Beleuchtung für die Stadt Echternach, als erste Stadt Luxemburgs und als eine der ersten Städte Europas. Bleiakkumulatoren werden bis in die Gegenwart produziert und genutzt. Ihren Aufbau und die ablaufenden elektrochemischen Prozesse stellt Abb. 6.6-42 dar. Die Verfügbarkeit brauchbarer und industriell lieferbarer Akkumulatoren ab der Mitte der 1880er Jahre führte rasch zur breiten Anwendung, vor allem in der entstehenden elektrischen Versorgung. Als eine der ersten Herstellerfirmen in Deutschland entstand 1887 das Unternehmen BÜ- SCHE & MÜLLER in Hagen. Als AEG und SIEMENS 1890 das Feld der Akkumulatoren mit Blick auf die elektrischen Zentralen für entwicklungsfähig hielten, investierten sie unter Mitwirkung der Deutschen Bank in die neue Firma, woraus die Accumulatorenfabrik AG 270 -Weiteres-anschaulich-in-Musée-Tudor,-Rosport,-Luxemburg. <?page no="388"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 388 (AFA) entstand. 1904 kreierte AFA die Marke VARTA, deren ursprünglicher Zweck die Vermarktung kleiner tragbarer Akkumulatoren war, die dann als „Starterbatterien“ bei automobilen Verbrennungsmotoren zum Einsatz kommen sollten und auch kamen. 271 Im Jahre 1910 erfolgte in Berlin die Gründung der Akkumulatorenfabrik SONNENSCHEIN durch TH. SONNENSCHEIN, einen Schüler M. PLANCKS. Grundlage für die Firmengründung war ein großer Auftrag der Allgemeinen Berliner Omnibus AG. Damit ist als zweite Anwendungslinie der Akkumulatoren die Mobilität angesprochen, auf die weiter unten noch einzugehen sein wird. -Abb.-6.6‐42: -Prinzipieller-Aufbau- eines-Bleiakkumulators; -Quelle: - Akkumulator,-in: -Großes-- Welt‐Lexikon,-Brockhaus-2007,- S.-163- - Erstes deutsches Elektrizitätswerk mit Akkumulatorenbetrieb war eine kleine Anlage in Dessau, erbaut von der Deutschen Continental-Gas-Gesellschaft im Jahr 1886. Das erste größere städtische Elektrizitätswerk mit ergänzendem Akkumulatorenbetrieb in Deutschland war die elektrische Zentralanlage der Stadt Barmen, die im Jahr 1888 in Betrieb ging. 272 Abb. 6.6-43 zeigt das Schaltschema der Anlage, das die beiden Akkumulatorenblöcke erkennen lässt, wie sie für das in Barmen ausgeführte Drei-Leiter-System benötigt wurden. Sie waren in TUDORscher Ausführung von BÜSCHE & MÜLLER geliefert worden. Aus der Planung der Anlage geht am Beispiel hervor, was die wesentlichen Argumente für die Verwendung zusätzlicher Akkumulatoren waren. Im Vordergrund stand die Kompensation der ungleichmäßigen Auslastung, die durch die abendliche Beleuchtungsspitze gegeben war. Hier wurden die Akkumulatoren zugeschaltet und ersparten so die Auslegung der Dampfmaschinen und Generatoren auf die Spitzenlast. Sie waren weiter auch während des Tages verfügbar und erlaubten so die zeitweise Abschaltung der Maschinensätze. Im Fall Barmen kam hinzu, dass man mit der Einrichtung von Akkumulator-Unterstationen die Reichweite des Netzes zu verlängern hoffte. 273 271 -Der-Name-VARTA-erklärt-sich-aus-V Vertrieb,-A Aufladung-und-R Reparatur-TTransportabler-AAkkumulatoren.- 272 -Erbslöh,-Zentralanlagen,-S.-223.- 273 -Erbslöh,-Zentralanlagen,-S.-224.- <?page no="389"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 389 Abb.-6.6‐43: -Verteilungsschema-der-Barmer-Zen‐ trale,-1888; -Quelle: -Erbslöh,-Zentralanlagen,-Abb.- 74- Wegen dieser Vorteile wurden in den Folgejahren die meisten Zentralen mit Akkumulatorenbatterien geplant und realisiert. Die Statistik nach dem Stande vom 1. März 1899 ergab eine Anzahl von 488 Zentralen in Deutschland mit einer Maschinenleistung von 145,5 MW. Von diesen Werken wurde die große Mehrzahl mit Gleichstrom in Verbindung mit Akkumulatoren betrieben, in Zahlen: 361 Werke von der Gesamtzahl oder rund dreiviertel. Die Zahl der Wechsel- und Drehstrombetriebe war noch gering. 274 Zwar wurde häufiger Kritik an der Betriebssicherheit oder mangelnder Qualität der Akkumulatoren und deren Zuschaltung geübt 275 , jedoch änderte das nichts an ihrer weiteren Verbreitung. Dies änderte sich mit zunehmender Verwendung des Drehstroms. Selbst BERDELLE, ein Verfechter der Akkumulatoren-Zuschaltung, musste 1927 einräumen, dass ein solcher Betrieb nur in Gleichstromnetzen optimal funktioniere. 276 Technischer Hintergrund war, dass der Einsatz von Akkumulatoren bei Wechsel- und Drehstrom zusätzliche Umformersätze erforderte und damit neben erhöhtem Kapitaleinsatz auch erhöhte Wirkungsgradverluste in Kauf zu nehmen waren. Das (vorläufige) Ende des Akkumulatorenbetriebs wurde dadurch beschleunigt, dass inzwischen andere Techniken zur Verfügung standen, die Momentanreserve zu gewährleisten. Hierzu gehörten auch die in Kap. 6.5.2 behandelten Ruthsspeicher. Die drei der beim Bleiakkumulator noch heute üblichen Plattentypen waren Anfang des 20. Jahrhunderts bekannt und wurden bereits gefertigt. Die Entwicklung ging in den nächsten hundert Jahren weiter. Eine genauere Kenntnis der Einflussgrößen hat verbesserte Produktionsprozesse und den Einsatz neuer synthetischer Materialien ermöglicht, die zur Herstellung von Separatoren und Gefäßen verwendet werden. 274 -Polyt.-Journal-1900,-Band-315,-Anonymus,-S.-732-737.- 275 -Siehe-z.-B.-Dittmann,-F.: -Akkumulatoren---ein-unverzichtbares-Element-der-frühen-Elektrizitätsver‐ sorgung,-in: --Braun,-H.‐J.-(Hg.)-Technische-Netzwerke-und-Energiespeicher,-Georg‐Agricola‐Gesellschaft,- Freiberg-2014,-S.-74f.- 276 -Berdelle,-N: -Spitzendeckung-und-Belastungsausgleich-durch-elektrische-Speicherbatterin,-ETZ-Jg.-48,- 1927,-Nr.-26,-S.-929f.- <?page no="390"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 390 Ein besonderes Problem war die Gasentwicklung, insbesondere bei Überladung. So werden heute Anlagen zur unterbrechungsfreien Stromversorgung überwiegend mit ventilregulierten Blei-Säure-Batterien ausgerüstet. Das geschieht nicht nur wegen des geringeren Wartungsaufwands und der niedrigen Wasserstoffgas-Entwicklung, sondern auch wegen der Möglichkeit, diese Batterien unmittelbar neben den elektronischen Bauelementen aufzustellen, da keine Gefahr mehr besteht, dass korrosive Dämpfe aus der Batterie austreten. Die mobile Verwendung der Akkumulatoren wurde schon unter dem Aspekt des Transports in Kap. 4.6.6 angesprochen. Dort wurde auch darauf verwiesen, dass elektrisches Fahren schon in der Anfangszeit des Automobils eine in Technik und Öffentlichkeit viel beachtete Rolle spielte, die erst mit der Weiterentwicklung der Verbrennungsmotoren wieder verloren ging. Wenn man die Bilder von Elektrofahrzeugen aus dieser Epoche wie in Abb. 6.6-44 sieht, wird anschaulich, warum dies so ist: Batterien gleich welcher Bauart waren groß, schwer und erlaubten nur geringe Reichweiten. ---Abb.-6.6‐44: -Das-erste-Elektrofahrzeug- wurde-von-Gustave-Trouvé-in-Paris-im-Jahr- 1881-gebaut; -Quelle: -Stefan-Weißenborn,-PS- Welt,-Mai-2016-- Dass die frühen Elektromobile schnell die Konkurrenz gegen die benzin- und später dieselbetrieben Fahrzeuge verloren, hat einen einleuchtenden Grund: die Energiedichte von Flüssigtreibstoffen lag um fast den Faktor 400 über der des Bleiakkus, s. Abb. 6.6-45 - ein riesiger Abstand, der sich bis zur Gegenwart mit anderen Speichertypen, z. B. dem Lithium-Ionen-Akku, zwar verringert hat, aber immer noch den Faktor 120 ausmacht. -- Abb.-6.6‐45: -Energiedichten- verschiedener-Stoffe; : -Quelle: -- Energiedichte,-in: -Chemie‐- Lexikon,-LUMITOS-GmbH,-1998‐ 2018,-bearbeitet- - <?page no="391"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 391 Seit den 1920er Jahren dominierten eindeutig die flüssigen Kraftstoffe. Die Elektromobilität führte im Bereich der Personenkraftwagen wie dem Lkw ein Nischendasein. Prototypen und Versuche gab es allerdings immer wieder, s. Kap. 4.6.6. Die heute bekannten alkalischen Batterien sind erst in den 1950er Jahren vorgestellt worden. Das von L. URRY entwickelte System der Alkali-Mangan-Batterie eignet sich besonders für Niedrigstromanwendungen und bietet dabei eine höhere Kapazität und eine bessere Belastbarkeit als Zink-Kohle-Batterien. Mit ihrer Massentauglichkeit löste die Alkali- Mangan-Batterie die Zink-Kohle-Batterie ab. Als nächstes wurde von ST. OVSHINSKY und M. OSHITANI in den Jahren 1962 bis 1982 die Nickel-Metallhydrid-Batterie entwickelt, welche im Gegensatz zur NiCd-Batterie ohne giftige Schwermetalle auskommt. Letztere ist inzwischen EU-weit bis auf wenige Ausnahmen verboten. - - - - - - -Abb.-6.6‐46: -Aufbau-und-Funktion-einer-Li‐Ionen‐Zelle; -Quelle: -Bosch-AG- Eine neue und auch vielversprechende Batterietechnik ist die Lithium-Ionen-Batterie. Abb. 6.6-46 zeigt Aufbau und Arbeitsweise einer Li-Ionen-Zelle, dem primären Element, aus dem die Akkumulatoren in Serienund/ oder Parallelschaltung aufgebaut werden. Als erstes Unternehmen brachte SONY 1991 einen Speicher in Lithiumform auf den Markt. Verbaut sind sie mittlerweile in den meisten unserer technischen Geräte. Das Smartphone besitzt einen Lithium-Ionen-Akku und auch der Laptop lässt sich dank Lithium-Ionen-Akku überall nutzen. 277 277 -Dieser-Abschnitt-nach-Büttner,-Tanja: -Die-Geschichte-der-Batterie,-in: - https: / / www.shine.eco/ 2017/ 03/ 29/ die‐entwicklung‐der‐batterie/ ,-Abruf-13.12.2019. <?page no="392"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 392 Dieser Wirtschaftszweig der Kommunikationstechnik muss als der eigentliche Treiber der Batterieentwicklung in den letzten Jahrzehnten angesehen werden. Neben dem Lithium- Ionen-Akku gibt es weitere Entwicklungen, die in Abb. 6.6-47 unter dem Aspekt der Energiedichte zusammengestellt sind. - - - - - -- -Abb.-6.6‐47: -Energiedichten-moderner-Batterien,-auch-im-Vergleich-zur-Bleibatterie-zu-lesen; - -Quelle: -Original-Author-Barrie-Lawson,--Electropaedia Die Batterietechnik ist seit der Jahrtausendwende zu einer Schüsseltechnik geworden und befindet sich gegenwärtig weltweit in intensiver Entwicklung. Die Optimierungsziele für die Batterietechnik der Zukunft lassen sich allgemein so zusammenfassen und gelten dabei für stationäre wie mobile Anwendungen: ● geringere Kosten, ● niedrigeres Gewicht, ● höhere Ladekapazität, ● kürzere Ladezeiten, ● geringere Umweltbelastung, ● genügend Recycling-Kapazitäten. Speziell Li-Ionen-Batterien (inklusive LFP und Li-Titanat) decken ein weites Spektrum im Bereich der Energiedichten ab. So können (je nach Zellchemie) ca. 90-250 Wh/ kg bzw. 160-670 Wh/ l erreicht werden (Stand 2015). 278 Was absehbar möglich scheint, ist in Abb. 6.6-48 dargestellt. Auffällig ist hier, dass der Li-Ionen-Batterie nur noch ein begrenztes Entwicklungspotential zugeschrieben wird. Vor diesem Hintergrund sind Großinvestitionen in eine Li-Ionen-Fabrikation, die zur Wirtschaftlichkeit einen langen Nutzungszeitraum umfassen müssen, durchaus problematisch, was die zuückhaltende Investitionsbereitschaft in Europa mit erklärt. 278 -VDE-Verband-Elektrotechnik,-Elektronik-Informationstechnik-e.-V.-(Hg): -Kompendium-Li‐Ionen‐Batte‐ rien,-2015,-S.-9.- <?page no="393"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 393 Abb.-6.6‐48: -Entwicklung-und-Entwicklungpsperspektiven-von-Li‐Zellen; -Quelle: -Van-Noorden,-R.,-A-Bet‐ ter-Battery,-in: --Nature-507-,-S.-26‐28,-2014,-nach: --Zu,-C.X.-&--Li,-H.: -Thermodynamic--Analysis-on-En‐ ergy-Densities-of-Batteries,-in: -Energy-Environ.-Sci.-4,-S.-2614‐2624,-2011-(Ausschnitt )- Für die mobile Anwendung solcher Batterien braucht man mobile bzw. dezentrale Einspeisung, also entsprechend ausgelegte „Stromtankstellen“. Tankstellen waren bis zur Jahrtausendwende technisch und wirtschaftlich auf die Speicherung von flüssigen oder gasförmigen Treibstoffen gestützt. Abb.6.6‐49: -Verteilung-der-Ladepunkte-in-Deutschland-2017; -Quelle: -BDEW‐Erhebung,-30.-Juni-2017 <?page no="394"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 394 Ihre Zukunft hängt naturgemäß an der Entwicklung der automobilen Technik. An der Durchsetzung des elektrischen Antriebs kann man nicht zweifeln, sei er nun batterie- oder brennstoffzellengestützt. Das gilt auch dann, wenn synthetische Kraftstoffe den Verbrennungsmotor CO 2 -neutral werden lassen sollten. Für die Tankstelle von morgen bedeutet das, dass sie Strom über Schnellladestationen und / oder Wasserstoff in speziellen Tanks bevorraten und abgeben muss. Ladepunkte für Strom sind inzwischen in größerer Zahl vorhanden - rd. 11.000 für das gesamte Deutschland (Stand 2017), die wenigsten allerdings als Zubau in öffentlichen Tankstellen. Ihre ungleiche Verteilung zeigt Abb.6.6-49. Akkumulatoren sind vor ihrer mobilen Verwendung in tragbaren Geräten und Fahrzeugen schon lange auch stationär verwendet worden. Über die breite Anwendung als Pufferbatterie in Kraftwerken wurde schon oben berichtet. Aber auch nach dem Auslaufen dieser Technik in den 1920er Jahren haben stationäre Akkumulatoren in Spezialgebieten ihre Bedeutung behalten. Sie wurden und werden z. B. eingesetzt für eine Unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) in der Notstromversorgung, bei Alarmanlagen und in zentralen Versorgungssystemen für Notbeleuchtung. In vielen Fällen werden Bleiakkumulatoren heute noch verwendet, aber zunehmend durch Lithium-Ionen-Akkumulatortechnik ersetzt. Der 2012 noch höhere Anschaffungspreis wird oft durch die höhere Leistungsfähigkeit und auch durch die größere Lebensdauer ausgeglichen. Ein neueres Anwendungsgebiet eröffnete sich stationären Batterien mit dem Aufkommen der Photovoltaik in den 199er Jahren. Waren sie zunächst nur als „Solarbatterien“ in sogenannten Inselanlagen ohne Netzanbindung gefragt, so hat sich seit etwa dem Jahr 2010 der Einsatz in privaten PV-Anlagen deutlich vermehrt und wird gegenwärtig als Standardlösung angeboten, die den Anteil des Eigenverbrauchs am erzeugten Stroms deutlich vermehrt und damit bei einerseits sinkender Einspeisevergütung und andererseits steigendem öffentlichen Strompreis wirtschaftliche Vorteile bringt. Das Arbeitsprinzip zeigt Abb. 6.6-50. . -- Abb.-6.6‐50: -Die-Wirkung-von- Speichern-bei-PV‐Anlagen; - Quelle: -Beko-Käuferportal, be-Around-GmbH- - Wie sich die Tageslastkurven in der Praxis differenzierter darstellen, ist in Abb. 6.6-51 abzulesen . <?page no="395"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 395 Abb.-6.6‐51: -Tagesverlauf-an-einer-realen- PV‐Speicheranlage; -Quelle: -SMA-Solar-- Technology-AG Der Solarstrom aus der Solaranlage kann entweder direkt im Haushalt verbraucht, gespeichert oder ins Stromnetz eingespeist werden. Wenn mehr Strom produziert wird als im Haus benötigt, fließt diese Energie in den Solarspeicher. Ist dieser aufgefüllt, wird der Überschussstrom ins Netz eingespeist. Die Speicherkapazität von Batteriespeichern ist so konzipiert, dass der Haushalt über Nacht durch Solarstrom aus der Batterie versorgt werden kann. Erst wenn die Batterie leer ist, wird wieder auf Netzstrom zurückgegriffen. Entwickelt wurden zwei verschiedene Schaltungstechniken:  AC-System: Die Batterie ist über einen eigenen Batterie-Wechselrichter mit dem Stromnetz verbunden, s. Abb. 6.6-52. Das AC-System ist gut für Nachrüstungen geeignet. Abb.-6.6‐52: -Schaltung-AC‐System; -Quelle: -Memodo-Blog-©2019-  DC-Systeme: Das DC-System enthält nur einem Wechselrichter, s. Abb. 6.6-53, ist platzsparend, in der Installation weniger aufwändig und erreicht eine um 5 % bessere Ausbeute, ist aber für einfache Nachrüstungen kaum geeignet. Abb.-6.6‐53: -Schaltung-DC‐System; -Quelle: -Memodo-Blog-©2019- <?page no="396"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 396 Dass Strom aus PV-Anlagen auch in größerem Maßstab gespeichert werden kann, hat jüngst A. MUSK bewiesen. In Australien ist von seiner Firma Tesla im Jahr 2017 eine als „weltgrößtes Akkusystem“ annoncierte Anlage in Betrieb genommen worden, die dort Engpässe bei der Stromversorgung abfedern soll. Der dort verbaute Lithium-Ionen-Speicher mit seiner Kapazität von 129 MWh ist an einen Windpark angeschlossen und wird bei Flauten mehr als 30.000 Haushalte mit 100 MW Strom versorgen können. Abb. 6.6-54 zeigt einen Blick in die Anlage. - Abb.-6.6‐54: -Die-Tesla‐Speicheranlage- bei-Jamestown-nördlich-von-Adelaide; - Quelle: -Spiegel-online,-12/ 2017- - Abb.-6.6‐55: -Die-Mitsubishi‐ Speicheranlage-in-Buzen,-Japan,-- hier-noch-im-Modell; -Quelle: - Mitsubishi-Electric-Corporation- Dies ist nach Stand vom Jahr 2018 jedoch nicht die aktuell weltgrößte Speicheranlage. Mitsubishi Electric Corporation gab im Jahr 2018 die Installation eines NaS-Speichers mit 50 MW Leistung und 300 MWh Speichervermögen in der Buzen Unterstation, Fukuoka Präfäktur in Japan bekannt. Sie ist in 252 Containern untergebracht, wie Abb. 6.6-55 illustriert. 279 279 -Mitsubishi-Electric-Corporation: -Pressemitteilung,-März-2016.- <?page no="397"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 397 Redox-Flow Redox-Flow-Batterien sind bisher noch ein Gegenstand von Forschung und Entwicklung. Die Arbeiten an der Redox-Flow-Batterie gehen auf die Mitte des 20. Jahrhunderts zurück. Das Speichern von Strom mittels Redox-Paaren wurde zunächst in Deutschland und den USA erforscht. In den 1970er Jahren beschäftigte sich die NASA mit der Entwicklung der Technik. Die Vanadium-Redox-Flow-Batterie, die bis heute das am weitesten verbreitete Modell einer Redox-Flow-Batterie darstellt, wurde In den 1980er Jahren an der University of New South Wales in Australien entwickelt. Wie bei anderen elektrochemischen Stromspeichern handelt es sich bei der Redox-Flow- Batterie um den Austausch von Elektronen an Membranen. Jedoch findet dieser nicht zwischen zwei Feststoffen, sondern zwischen zwei verschiedenen Flüssigkeiten (Elektrolyten) statt, die außerhalb der Zelle in separaten Tanks gelagert werden. Nur zum Zeitpunkt der Entladung oder Ladung der Redox-Flow-Batterie fließen diese Elektrolyte dann durch die eigentliche Zelle, s. Abb. 6.6-56. Als Elektrolyte werden meist zwei Vanadium-Verbindungen gewählt, die in verschiedenen Oxidationsstufen vorliegen. Abb.-6.6‐56: -Zum-Arbeitsprin‐ zip-einer-Redox‐Flow‐Batterie; - Quelle: -Stadler,-M.,-Sterer,-I.- (Hg): -Energiespeicher,-Abb.- 7.70- Die externe Lagerung hat Vorteile: Durch sie und die variable Menge der Elektrolyte kann die Speicherkapazität der Redox-Flow-Batterie individuell variiert werden. Vorteile der Redox-Flow-Batterie sind: ● Die herausragende Eigenschaft der Redox-Flow-Batterie ist die räumliche Trennung von Tanks und Stacks, die die Anpassung an den individuellen Bedarf erlaubt. ● Eine hohe Anzahl an Ladezyklen, die bis zu 10.000 betragen kann, bedeutet hohe Lebensdauer. ● Der Leistungsbereich liegt bisher bei 10 Kilowatt bis zu 10 Megawatt. ● Aufgrund des Aufbaus findet eine geringe Selbstentladung statt. ● Ein Memory-Effekt tritt bei der Redox-Flow-Batterie nicht auf. ● Die Redox-Flow-Batterie enthält keine brennbaren Substanzen. ● Der Wirkungsgrad der Redox-Flow-Batterie liegt bereits bei über 80 % und <?page no="398"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 398 ● ist duch weitere Forschung noch zu verbessern. Naturgemäß gibt es auch Nachteile: ● Die Energiedichte der Redox-Flow-Batterie ist relativ gering, vergleichbar dem Bleiakkumulator, was sich entsprechend auf das Speichervolumen auswirkt. ● Entsprechend haben Redox-Flow-Batterien bisher noch ein sehr hohes Gewicht. ● Die Redox-Flow-Batterie ist in großen Leistungsklassen bisher sehr teuer. Als großer, flexibler und leistungsstarker Stromspeicher kann die Redox-Flow-Batterie als neue Möglichkeit betrachtet werden, Lastspitzen abzufangen oder den Input aus Windkraft- und Photovoltaikanlagen auszugleichen. Allerdings ist die Redox-Flow-Batterie nicht für alle Anwendungen als Stromspeicher geeignet. Da sie größeren Platzbedarf für die Lagerung der Elektrolyte erfordert, s. Abb. 6.6-57, wird sie vor allem für stationäre Einsatzbereiche verwendet werden. --Abb.-6.6‐57: -Konzeptstudie-für-eine-Redox‐ Flow‐Batterie-im-großtechnischen-Maßstab-für- den-Einsatz-in-Stromnetzen; -Quelle: -Sauer,-D.: - Optionen-zur-Speicherung-elektrischer-Energie- in-Energieversorgungssystemen-mit-regenera‐ tiver-Stromerzeugung,-RWTH-Aachen,-Abb.-12- - Kleinere Anlagen existieren bereits, so wird eine Redox-Flow-Batterie in Japan als Stromspeicher einer Windkraftanlage eingesetzt, die eine Leistung von 6 MW erzielt. Diese Leistung kann 10 Stunden lang gehalten werden, wodurch vergleichsweise lange Flauten überbrückt werden können. Seit 2014 setzt die Pacific Corporation in Utah, USA, die Vanadiumtechnologie ein, um durch Lastspitzenausgleich die eigene Versorgung zu stabilisieren. Die hier verwendete Vanadium-Redox-Flow-Batterie weist eine Leistung von 250 kW und eine Energiemenge von 2 MWh auf. Die ZBB Energy Corporation und die California Energy Commission betreiben je einen Energiespeicher mit 2 MWh, um Lastspitzen mit bis zu 1,5 MW zu kompensieren. In der irischen Grafschaft Donegal wird die erzeugte Strommenge eines Windparks teilweise in einer 2 MW/ 12 MWh Vanadium Redox-Flow- Zelle zwischengespeichert und zeitversetzt ins Netz eingespeist. Der japanische Energieversorger Kansai Electric Power Corporation setzt zum Lastspitzenausgleich schon seit etwa 2 Jahrzehnten auf Redox-Flow-Batterien. Die Verwendung in Elektrofahrzeugen ist in Diskussion, verbunden mit der Idee, die verbrauchten Elektrolyte an Tankstellen auszutauschen; sie gilt jedoch als problematisch. Der QUANT e der bisher unbekannten nanoflowcell AG, mit 30 kW angetrieben über eine nicht näher beschriebene Redox-Flow-Batterie, soll seit dem Juli 2014 auch über eine Straßenzulassung verfügen. 280 Die Berichte gelten allerdings als zweifelhaft. 280 -H2Blog-vom-21.-Okt.-2014.- <?page no="399"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 399 Die EWE Gasspeicher GmbH - hundertprozentige Tochter des Oldenburger Energieunternehmens EWE - plant nach Mitteilung aus dem Jahr 2017, eine Redox-Flow-Batterie mit neuen, umweltverträglichen Komponenten einzusetzen und die Elektrolyte in unterirdischen Salzkavernen zu speichern, die bisher der Erdgasspeicherung dienten. Das System soll eine Leistung von 120 Megawatt erreichen und bis zu 700 Megawattstunden speichern können. 281 Das wäre dann der Vorstoß in neue, bisher nicht realisierte Leistungsklassen. Die Abb. 6.6-58 vermittelt einen Eindruck, welche Tankgrößen solche großen Systeme in der Praxis benötigen würden. - - Abb.-6.6‐58: -Application-- Center-Redox-Flow-für- Tests-an-ganzen-RFB- Modulen-im-Leis‐ tungsbereich-bis-zu- mehreren-hundert-Kilo‐ watt; -Quelle: -Fraunhofer‐ Institut-für-Chemische-- Technologie-(ICT)- Wasserstoff als Energiespeicher Entdeckt wurde Wasserstoff 1766 vom Engländer H. CAVENDISH und dann noch einmal, unabhängig von CAVENDISH, 1787 durch A. LAVOISIER, der die ersten systematischen Experimente durchführte. Ihm gelang so u. a. die Zerlegung von Wasser über heißem Eisen in Eisenoxid und Wasserstoff - ein Weg, um die Natur des Wassers aufzuklären, von dem man lange annahm, es sei ein elementarer Stoff. Dass Wasserstoff mit Luft (heute genauer: dem Sauerstoff der Luft) zu Wasser verbrannte, führte ihn zur Namensbildung „hydro-gène“ 282 , die bis heute mit „Hydrogen“ im englischen Sprachgebrauch überlebt hat. Um 1800 gelingt dem deutschen Chemiker J. W. RITTER als einem der ersten die Elektrolyse von Wasser in einem U-Rohr. Wasserstoff, leichter als Luft, war und ist auch ein Traggas. In Ballons und Luftschiffen fand Wasserstoff eine seiner ersten Verwendungen. Am 1. Dezember 1783, kurz mach dem Start der Brüder MONTGOLIER mit einem Heißluftballon, startete J. CHARLES in Paris mit einem mit Wasserstoff gefüllten gummierten Seidenballon und erreichte 914 m Höhe sowie eine durchaus größere Flugweite. Sein Ballon war mit Wasserstoff gefüllt und wurde von ihm „Charlière" genannt. Den Ballon ummantelte ein Netz, an dem eine kleine bootsähnliche Gondel hing, s. Abb. 6.6-59. 281 -Vgl.-Engel,-K.-M.: -Eine-gigantische-Batterie-im-Untergrund,-in: https: / / www.spektrum.de/ news/ eine‐ gigantische‐batterie‐im‐untergrund/ 1575718,-Abruf-20.01.2020.- 282 -hydro‐gène-=-Wasserbildner,-von-hydro-=-Wasser,-genes-=-erzeugend.- <?page no="400"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 400 - --- -Abb.-6.6‐59: -Die-"Charlière“-mit-Charles-und-Helfer,-künst‐- lerische-Darstellung; -Quelle: -Planet‐Wissen-akg,-bearbeitet- - Auch Luftschiffe, durch F. GRAF VON ZEPPELIN ab 1900 populär gemacht, wurden zunächst mit Wasserstoff befüllt. Unfälle blieben nicht aus. Am 1.12.1909, absolvierte das Luftschiff Erbslöh seine offizielle Jungfernfahrt. Leider nahmen die Fahrten dieses Luftschiffes nur wenig später ein jähes Ende. Schon im Sommer 1910 verunglückte die Erbslöh, und mit ihr ihr Namensgeber, der Luftfahrtpionier O. ERBSLÖH, mitsamt vier Begleitern. Eine folgende Untersuchung stellte fest, dass eine Verkettung von Umständen dazu führte, dass der für die Füllung des Luftschiffs verwendete Wasserstoff von Motorfunken entzündet wurde und daraufhin explodierte. Wegen der leichten Entzündlichkeit von H 2 -Luft-Gemischen waren Unfälle nicht selten. Die größte Katastrophe in diesem Zusammenhang ist wohl das Unglück der Dixmude 1923, am bekanntesten wurde sicherlich die „Hindenburg-Katastrophe“ im Jahr 1937. Wasserstoff als Traggas wurde zwar mittlerweile durch Helium ersetzt, jedoch hatte es die amerikanische Marine abgelehnt, Helium an Deutschland zu liefern. Die Mannschaft hatte also keine Wahl und musste die Hindenburg, wie alle anderen deutschen Luftschiffe, mit Wasserstoffgas füllen. Heute wird Wasserstoff als Traggas nur noch in sehr speziellen Anwendungen verwendet. Hierzu gehören z. B. die täglichen Wetterballone, für die entsprechend hohe Sicherheitsvorgaben gelten. Wasserstoff hat in der chemischen Industrie wichtige Innovationen ermöglicht. Im Jahre 1910 wurde durch die BASF das Haber-Bosch-Verfahren zur Herstellung von Ammoniak zum Patent angemeldet. Die Weiterentwicklung bis zur großindustriellen Produktion fand 1914 auf Druck des deutschen Generalstabschefs statt. Das Deutsche Reich war zu diesem Zeitpunkt durch die britische Seeblockade von den Salpeterlieferungen aus Chile abgeschnitten. Mit Hilfe des Haber-Bosch-Verfahrens und dem von ihm gelieferten Grundstoff Ammoniak gelang es, eine Düngemittelproduktion aufrechtzuerhalten und vor allem den schon Ende 1914 drohenden Zusammenbruch der deutschen Munitionsproduktion aufzuhalten. 1931 erhielt F. BERGIUS den Nobelpreis für seine Kohlehydrierung, die schnell großtechnische Bedeutung bekam. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Hydriertechnik rasch bedeutsam und später kriegsbedingt sehr wichtig, da die Erdölreserven in Rumä- <?page no="401"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 401 Produktionsmengen-für-Wasser‐ stoff-Ende-1990er-Jahre-nach- DWV,-in-Mia.-Nm3- nien nur bedingt zur Verfügung standen. Es wurden sehr große Hydrierwerke zur Herstellung von synthetischem Treibstoff gebaut, so in Leuna-Merseburg (nach dem Bergius- Pier-Verfahren) und in Ruhland-Schwarzheide (nach dem Fischer-Tropsch-Verfahren). Sie waren im Krieg bevorzugte Ziele der alliierten Luftangriffe. Nach dem Krieg verlor die Kohlehydrierung im Westen angesichts der niedrigen Ölpreise an Bedeutung. Eine Ausnahme ist hier Südafrika, wo das Verfahren in den 1970er Jahren weiterentwickelt wurde. Grund hierfür war die Ölknappheit infolge des wegen der Apartheidpolitik gegen das Land verhängten Embargos. Da Südafrika aber über große und leicht zugängliche Kohlevorräte verfügt, bot sich hier das Kohleverflüssigungsverfahren als Ausweg an. Es wird heute mit dem Kürzel CtL (Coal-to-Liquid) bezeichnet. Nach einer CtL-Pilotanlage wurden 2 große Hydrierwerke errichtet; die Anlagen decken in Südafrika auch heute noch gemeinsam den Großteil des Bedarfs. In den 1960er Jahren wurde flüssiger Wasserstoff als Raketentreibstoff entdeckt, insbesondere für die Oberstufen der Trägerraketen. Im Jahr 1980 z. B. wurden in den USA ca. 50 000 t für diese Zwecke hergestellt. Wasserstoff wird heute großtechnisch erzeugt, zu 90 % durch petrochemische Prozesse einschließlich Kohlevergasung. Die übrigen 10 % entfallen hauptsächlich auf die Elektrolyse von Wasser. Sonstige Verfahren spielen (noch) keine Rolle. Wasserstoff fällt oft auch als Nebenprodukt bei Verarbeitungsprozessen in Raffinerien, petrochemischen Werken, Kokereien und anderen Chemiebetrieben an. Die Weltproduktion von Wasserstoff im Jahre 1974 betrug 270 Mrd. m³ (25 Mio. t). Ende der 1970er Jahre stieg sie auf über 300 Mrd. m³ an: In der Bundesrepublik Deutschland wurden Mitte der 70er Jahre 6-8 Mrd. m³ Wasserstoff verbraucht. Schätzungen zufolge stieg der Verbrauch bis 1985 auf 22 Mrd. m³. Der größte Teil des erzeugten Wasserstoffs wurde und wird direkt im erzeugenden Betrieb verwendet, nur ein geringer Teil gelangt in den Handel. Voraussetzung zur Verwendung ist die Verfügbarkeit. Da der Regelfall nicht die Verwendung am Erzeugungsort ist, ist Speicherung notwendig, ja sogar essenziell. Die gilt für die Elektromobilität wie für die Umwege der Speicherung elektrischer Energie, wie sie mit Verfahren wie Power-to-Gas (PtG) seit einigen Jahre als unverzichtbare Zukunftstechnik gilt und in der Erprobung ist, s. auch Kap. 7.3, Power-to-Anythíng. Die heute grundsätzlich verfügbaren Techniken zur Speicherung von Wasserstoff lassen sich im Überblick der Abb. 6.6-60 darstellen. <?page no="402"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 402 Abb.-6.6‐60: -Speichertech‐ niken-für-Wasserstoff; - Quelle: -Fröba.-M.,-Universi‐ tät-Hamburg,-in: -Wasser‐ stoff-als-Energiespeicher,- Vortrag-2016- Bei der Kryospeicherung ist zwischen stationären und mobilen Anwendungen zu unterscheiden. Stationäre Flüssiggasspeicher werden als wärmeisolierte, doppelwandige Behälter ausgeführt, nach dem schon lange bekannten Prinzip der Thermoskanne. Als Erfinder und Namensgeber solcher „Dewarts“ gilt der Schotte SIR J. DEWAR, der 1893 ein Gefäß mit zwei Wänden entwickelte, zwischen denen sich Vakuum befand und das aus verspiegeltem Glas hergestellt war. Gleich ob man heiße oder kalte Flüssigkeiten einfüllte, die Gefäße hielten die Temperatur des Inhalts für einige Stunden konstant, unabhängig von der Umgebungstemperatur. DEWAR war jedoch weder der erste noch der letzte Erfinder der Thermoskanne. Vor ihm hatte der Chemnitzer Physikprofessor A. F. WEINHOLD bereits in den 1870er Jahren ein derartiges Isoliergefäß erdacht. Und da offensichtlich weder WEINHOLDS noch DEWARS Gerät allgemein bekannt wurde, beauftragte C. VON LINDE den Glastechniker R. BUR- GER aus Brandenburg, der inzwischen mit der R. Burger & Co. die erste Glasinstrumentenfabrik in Berlin führte, mit der Entwicklung eines Behälters, mit dem sich flüssige Luft bei -195 0 C transportieren ließ. BURGER war dann auch der erste, der wirtschaftlichen Gewinn aus der Idee ziehen konnte. Er ließ sich die Thermosflasche 1903 patentieren und verkaufte das Patent 1909 sowohl an ein eigens gegründetes deutsches als auch an ein amerikanisches Unternehmen. Von Amerika aus startete die Thermosflasche dann ihren Siegeszug um die Welt. Bei heutigen Behältern wird zwischen Innen- und Außenwand im evakuierten Raum eine Wärmeisolierung eingebracht. Sie besteht bei Großbehältern meist aus Perlit, kleinere Speicher verwenden meist eine Superisolation aus 30 aufeinander liegenden aluminisierten Kunststofffolien. Die Superisolation stellt hohe Ansprüche an das Vakuum und ist kostspieliger als Perlit. Flüssigwasserstoffspeicher großer Volumina wurden bisher hauptsächlich als Treibstofflager für die Raumfahrt eingesetzt. Der größte Flüssigwasserstoffspeicher befindet sich bei der NASA in Cape Canaveral. Der Kugelspeicher hat einen Durchmesser von 20 m und ein Speichervolumen von 3.800 m 3 , was ca. 270 t flüssigem Wasserstoff entspricht. <?page no="403"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 403 Durch eine Perlit-Vakuumisolierung und die Größe des Speichers lassen sich die Speicherverluste verringern. Abdampfraten von 0,03 % pro Tag sind durchaus erreichbar. Kleinere Speicher als Stand- oder Transportbehälter erreichen je nach Isolierungsart und Geometrie Abdampfraten von 0,4 bis 2 % pro Tag. Flüssigspeicher sind in allen Größenordnungen ab 100 Litern bei den Herstellern technischer Gase erhältlich. Übliche Standtanks in den Größenordnungen von 1.500 l bis 75.000 l erreichen Durchmesser von 1,4 bis 3,8 m und Höhen von 3 bis 14 Metern. 283 Mobile Flüssiggasspeicher befinden sich in der Entwicklung. Tanks aus 200-300 Lagen dünner Isolierfolien erreichen spezifischen Speichergewichte und -volumina von 4,5 kWh/ kg und 2,13 kWh/ l. Bei der Alternative Druckgasspeicherung sind Groß- und Kleinspeicher zu unterscheiden. In stationären Großspeichern kann Wasserstoff ähnlich wie Erdgas in großen Mengen unterirdisch gelagert werden. Als Speicherräume werden Porenspeicher, Aquifere, Salz- und Felskavernen genutzt. In England und Frankreich besitzt man mit diesem Verfahren schon Langzeiterfahrungen. Der britische Chemiekonzern ICI betreibt in Teeside drei Salzkavernen mit einer Tiefe von bis zu 366 m und einem Druck von bis zu 50 bar. Von 1957 bis 1974 speicherte die Gaz de France ca. 330 Mio. m 3 Stadtgas mit einem Wasserstoffanteil von 50 % in einem Aquiferspeicher. In Deutschland unterhalten die Stadtwerke Kiel seit 1971 eine Gaskaverne zur Speicherung von Stadtgas mit einem Wasserstoffanteil von 60 bis 65 %. Der Speicher besitzt ein geometrisches Volumen von 32.000 m 3 und eine Tiefe von 1.330 m. Das Gas wird dort unter einem Druck von 80-160 bar eingelagert. Die unterirdische Speicherung ist wesentlich kostengünstiger als andere Speichermethoden, hängt aber von den örtlichen geologischen Voraussetzungen ab und ist nur für sehr große Speicherkapazitäten realisierbar. Stationäre Kleinspeicher in Verteilungsnetzen können analog zur Erdgaswirtschaft als Scheiben- oder Glockengasspeicher oder Niederdruckkugelbehälter mit Volumina größer 15.000 m 3 betrieben werden. Erfahrungen mit der Speicherung von Wasserstoff in dieser Form in Bezug auf die Dichtheit der Behälter liegen nicht vor, da bislang kein entsprechend großes Verteilungsnetz für Wasserstoff mit der Notwendigkeit von Zwischen- und Ausgleichsspeichern realisiert wurde. Dies könnte sich im Zuge des Aufbaus einer Wasserstoffwirtschaft ändern. In der Industrie sind standardisierte Druckgasspeicher im Einsatz. Die zylindrischen Speicher mit einem Durchmesser von 2,8 m werden in Längen zu 7,3 m, 10,8 m und 19 m angeboten. Bei einem Speicherdruck von 45 bar können 1.300 bis 4.500 m 3 Wasserstoff gespeichert werden. Die Tankspeicherung erreicht spezifische Speichergewichte von 0,24 - 0,31 kWh/ kg und Speichervolumina von 0,135 kWh/ l inklusive Speichergewicht. 283 -Hier-und-folgende-Absätze-unter-Verwendung-von-Dammann,-M.: -Visualisierung-eines-Teilsystems- der-Energieversorgung-auf-Wasserstoffbasis,-Diplomarbeit-Bielefeld,-August-2000.--- <?page no="404"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 404 -Abb.-6.6‐61: -Druckspeicherung- von-Wasserstoff-für-Fahrzeug‐- anwendungen,-Beispiel-Mirai; - Quelle: -Toyota-Werkphoto- Für den mobilen Einsatz ist die Druckspeicherung von Wasserstoff heute anwendungsreif entwickelt und getestet. Im Vergleich mit den herkömmlichen Treibstoffen auf Mineralölbasis, also Autogas, verdichtetem Erdgas und Flüssigerdgas, weist Wasserstoff trotz der hohen Drücke von bis zu 700 bar ein eher geringeres Gefahrenpotenzial auf. Abb. 6.6-61 zeigt ein Tankbeispiel. Abb.-6.6‐62: -Kryodruck‐Speicherung- von-Wasserstoff-für-Fahrzeuganwen‐ dungen; -Quelle: -BMW-AG,-Werk‐ photo- -- Die Kryodruck-Speicherung von Wasserstoff ist eine Kombination der Flüssigwasserstoff- und der Druckwasserstoff-Speicherung. Im Forschungsvorhaben CryoComp arbeitet der Automobilhersteller BMW zusammen mit Technologiepartnern an der Technik, sodass mittelfristig eine technische Reife und marktfähige Lösung auch für den mobilen Einsatz zu erwarten ist, s. Abb. 6.6-62. Die Kryodruck-Tanktechnik speichert, verglichen mit der 700-bar-Technik, bis zu 50% mehr Wasserstoff im Fahrzeugtank. Metallhydridspeicher sind Speicherbehälter, Tanks oder Flaschen, die mit porösen Metalllegierungen gefüllt sind. Der Wasserstoff wird in das Material eingebunden (gewissermaßen gelöst) und kann ihm wieder entzogen werden. Vorteilhaft sind die geringen Beladungsdrücke, je nach Material bei 0 bis 10 bar, und die Arbeitsweise im Bereich der Umgebungstemperatur. Je nach Material kann auch eine Reinigungsfunktion integriert werden. Die Anwendung dieser Speicher-Technologie erstreckt sich so auch auf Gasreinigungsanlagen. Durch das zusätzliche Einbringen von Material verschlechtern sich allerdings die spezifischen Speichergewichte auf 0,21 bis 0,39 kWh/ kg. Im Gegenzug kann aber das spezifische Speichervolumen deutlich erhöht werden. Es sind Werte von 1‒1,5 kWh/ l realisierbar. <?page no="405"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 405 Viele elementare Metalle, intermetalllische Verbindungen und ein- oder mehrphasige Legierungen sind in der Lage, Wasserstoff zu binden. Die Auswahl der Materialien in Metallhydridspeichern wird unter Berücksichtigung der folgenden Kriterien vollzogen: ● Temperatur und Druck, bei denen der Speicher betrieben werden muss, ● Reaktionswärme und Bindungsenthalpie der Metallhydridbildung, ● Wasserstoffmenge, die pro Gewicht und Volumen reversibel gespeichert werden kann, ● Kinetik der Absorption und Desorption, ● zyklische Lebensdauer, ● Preis. Die Preise richten sich nach der Zusammenstellung der Materialen des Speichers, die sich aus dem speziellen Anwendungsfall ergibt. Pro Kubikmeter Wasserstoff-Speicherkapazität können Preise in folgenden Größenordnungen angegeben werden: 1-m 3 - Speicher 400 bis 1500 Euro, 10-m 3 - Speicher 200 bis 750 Euro, 100-m 3 - Speicher 150 bis 550 Euro. Je nach Anwendungsfall kann man durch verschiedene Legierungen das jeweils beste Druck- oder Temperaturniveau schaffen. Für eine Anwendung im Kraftfahrzeug kommt es z. B. auf eine niedrige Desorptionstemperatur und eine schnelle Bebzw. Entladung an. Problematisch ist beim Kfz jedoch die geringe massenspezifische Speicherdichte, wodurch die Speicher verhältnismäßig schwer sind. Die Speicherung von Wasserstoff in Hydridspeichern bietet im Grunde eine sichere Alternative, Wasserstoff mit sich zu führen und Brennstoffzellen zu betreiben. Jedoch sind die hohe Masse und die niedrige Speicherkapazität zu unwirtschaftlich, um Hydridspeicher heute schon in Fahrzeugen zu verwenden. 284 Anders sieht es bei ortsfesten Speichern aus, da hier das Gewicht nicht entscheidend ist. Abb. 6.6-63 zeigt einen der Metallhydrid-Wasserstoffspeicher der 1999 eröffneten Wasserstofftankstelle am Münchener Flughafen. In der Betankungsphase des Speichers wird die Temperatur des eingeleiteten Wasserstoffs geringgehalten (max. 5 °C), jedoch für den Betankungsvorgang auf dem Weg zum Kompressor wieder erhöht. -Abb.-6.6‐63: -Metallhydridspeicher-der-H 2 ‐ Tankstelle-am-Flughafen-München; -Quelle: - http: / / www.diebrennstoffzelle.de- - An der Northeastern Universtiy of Boston in den USA ist ein Verfahren in der Entwicklung, welches alle bisherigen Wasserstoffspeicherverfahren übertreffen soll. Wasserstoff lagert 284 -Chr.-Ullrich,-Didaktik-der-Chemie-/ -Universität-Bayreuth,-Stand: -18.01.2016.- - <?page no="406"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 406 Abb.-6.6‐64: -Die-Verteilung-von-Wasserstoff‐Tankstellen-weltweit,-2018; -Quelle: -Ludwig‐Bölkow‐Sys‐ temtecnik-GmbH,-http: / / www.lbst.de- sich dabei in mehreren Lagen auf Graphitfasern mit Querschnitten von 5-100 Nanometern und Längen von 5-100 Mikrometern an. Bei dieser Speichertechnologie sollen Werte bis von 7,5 % bis 75 % des Carbongewichtes in Form von Wasserstoff eingelagert werden können. Die Zahlen konnten allerdings im großen Maßstab noch nicht bestätigt werden. Man geht hier von theoretisch möglichen Werten um die 14 % aus. Technisch realisierbar erscheinen Werte von 10 %. Damit wäre ein Wasserstofftank für Automobile mit einer Reichweite von 500 km nur 10 % größer als ein herkömmlicher Benzintank. Die weitere mittlerweile internationale Entwicklung wird zeigen, ob die von den amerikanischen Forschern erwarteten Fortschritte in der Realität eingelöst werden können. Fahrzeuge mit H 2 -Brennstoffzellen stehen am Markt nur in Testflotten und Miniserien zur Verfügung. Unter anderem deshalb beschränkt sich die Verfügbarkeit der Tankmöglichkeiten gegenwärtig und weltweit noch auf spezielle Beispiele, s. Abb. 6.6-64. Für den Fall, dass sich die Energiepolitik zur weiteren Förderung der Wasserstofftechnik entscheiden sollte, werden großvolumige Wasserstoffspeicher unabdingbar. Diese sind grundsätzlich möglich, bedingen jedoch erhebliche Investitionen. Bisher übliche Großgasspeicher können hierfür nicht verwendet werden. Wasserstoff kann in größeren Mengen als sogenannter grüner Wasserstoff im Rahmen von PtG-Prozessen zur Verfügung gestellt werden und damit den Übergang zu einer Wasserstoffwirtschaft einleiten, s. hierzu Kap. 7.3, Power-to-Anything. Der Umbau der Energiewirtschaft zu einer Wasserstoffwirtschaft hat im Rahmen der Bemühungen um eine Energiewende inzwischen viele Fürsprecher gewonnen. <?page no="407"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 407 - Abb.-6.6‐65: -Wasser‐ stofftankstellen-in-Deutsch‐ land,-Stand-2018; -Quelle: Ludwig‐Bölkow‐System‐ technik-GmbH,- http: / / www.lbst.de-- In Deutschland gingen im Jahr 2017 weitere 24 öffentliche Wasserstoff-Tankstellen in Betrieb. 285 Mit insgesamt 50 Tankstellen besaß die Bundesrepublik im Jahr 2015 das derzeit weltweit zweitgrößte Netz noch vor den USA (40 Tankstellen), s. Abb. 6.6-65. Auf Platz eins liegt mit 91 öffentlichen Wasserstoff-Tankstellen Japan. Mit hinein spielt die Ungewissheit über die Speicherart im Kraftfahrzeug. Die von TOTAL im Jahre 2015 in München eröffnete Tankstelle hat deshalb neben der standardisierten und von Daimler-Benz favorisierten CGH2-Tank-Technologie mit 700 bar auch eine Zapfsäule mit der von BMW entwickelten Kryodruckwasserstoff-Tanktechnik (CCH2). Dabei wird der Wasserstoff gasförmig bei tiefkalter Temperatur und einem Druck von bis zu 350 bar im Fahrzeug gespeichert. Diese Technologie ist allerdings erst noch im Stadium der Vorentwicklung. 285 -Portal-http: / / www.ecomento.de.- <?page no="408"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 408 Uran Uran ist sehr energiedicht. Ein 1000-Megawatt-Kernkraftwerk verbraucht pro Jahr nur rund 20 Tonnen (1 Kubikmeter) angereichertes Uran, um rund 8,5 Milliarden kWh elektrische Energie produzieren. Um diese 20 Tonnen angereichertes Uran zu erzeugen, werden etwa 200 Tonnen Natururan (10 Kubikmeter) benötigt. 286 Die extreme Energiedichte fällt besonders auf, wenn man sie im Vergleich zu fossilen Energiequellen sieht, was in Abb. 6.6-66 am Beispiel der Schweiz dargestellt ist. - - - -- - Abb.-6.6‐66: -Uran-im-Vergleich-zu-fossilen-Energieressourcen; -Quelle: -swissnuclear,-- http: / / www.kernergie.ch Uran kommt jedoch nicht natürlich vor, sondern muss als Uranerz aus dem Gestein herausgelöst werden. Eine Tonne Gestein enthält im globalen Durchschnitt 2-4 Gramm Uran. Damit ist Uran gleich häufig wie Zinn oder Wolfram und viel häufiger als Gold. Geeignete Fundstellen machen sich meist schon oberflächlich durch erhöhte Strahlenmesswerte bemerkbar, wie z. B. im Schwarzwald, wo die oberirdische natürliche Strahlung mit 18 mSievert im Jahr gemessen wird, gegenüber einem mittleren Wert für ganz Deutschland von 2,1 mSievert/ a. Abbauwürdiges Uran kommt in zahlreichen Ländern vor. Gegenwärtig sind die grössten Förderländer Kasachstan, Kanada und Australien, die im Jahr 2016 zusammen drei Viertel der weltweiten Produktion. In Deutschland war es über lange Jahre die Erzgebirgische Wismut, die ab 1947 zunächst als sowjetisches Unternehmen, dann ab 1954 als Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft (SDAG) großtechnisch Uranerz förderte. Bis zur Einstellung des Uranerzbergbaus am 31.12.1990 wurden in den Bergbaubetrieben der Wismut insgesamt etwa 231.000 Tonnen Uran gewonnen; damit war seinerzeit die DDR hinter der UdSSR, USA und Kanada der viertgrößte Uranproduzent der Welt. 287 Gefördertes Uran stand im Jahr 2017 für mehr als 90 % des Weltbedarfs von rund 60.000 t/ a. Weitere Anteile kamen aus Depots und im Gehalt an 235 U reduziertem Material 286 -http: / / www.kernenergie.ch,-swissnuclear-2018,-Abruf-12.11.2019.- 287 -BMWI-(Hg): -Uranerzbergbausanierung/ Wismut,-Monatsbericht-07‐2016.- <?page no="409"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 409 aus der Abrüstung. Niedrig angereichertes, als Kernbrennstoff geeignetes Uran wird kommerziell gehandelt. Anders als bei Kohle, Öl und Gas gibt es keine hinlänglich gesicherten Angaben über das Gesamtvorkommen an abbauwürdigem Uranerz und damit auch keine seriöse Reichweitenprognose. Schätzungen gehen auf 60 Jahre bei einem Preis von 130 $/ kg und auf 135 Jahre bei 260 $/ kg. Angesichts der vermuteteten, noch unentdeckten Reserven kann eine Verdopplung dieser Werte unterstellt werden. 288 Dabei sind die Ressourcen, die über Wiederaufbereitung und Schnelle Brüter zur Verfügung stehen, noch nicht berücksichtigt. Da auch noch die Urangewinnung aus dem Meerwasser eine wenn auch teure technische Option darstellt, kommt man insgesamt zum Ergebnis quasi unbeschränkter Verfügbarkeit. bb. 6.6-67 zeigt eine Verteilung der nachgewiesenen Vorkommen. - - - -bb.-6.6‐67: -Top-10‐Länder-der-Uranre‐ serven-2017; -Quelle: -Welt-der-Physik-/ -CC- by‐nc‐nd-- Die ergiebigsten Uranminen der Welt liegen aktuell in Kanada, in Namibia, in Australien und in Niger; Abb. 6.6-68 gibt Einzelheiten. Bei dem schon weitverbreiteten in-situ-Verfahren für uranarme Vorkommen wird nicht mehr bergmännisch gearbeitet, vielmehr werden hier die Uranverbindungen vor Ort ausgelaugt. Alle Minen stehen unter der behördlichern Aufsicht des jeweils zuständigen Staates, werden also national kontrolliert. - - - - Abb.-6.6‐68: -Die-weltgrößten-Uran‐ minen-2018; -Quelle: -statista-2018 - 288 -Nach-eigenen-Berechnungen.- <?page no="410"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 410 Elektrische Energie Eine direkte Speicherung elektrischer Energie war und ist wünschenswert, aber nur auf zwei technische Möglichkeiten beschränkt: Kondensatoren und Supraleitfähige Magnetische Energiespeicher (SMES). Kondensatoren und Supercaps Die Geschichte der Kondensatoren reicht in die Anfänge der „Elektrizität“ zurück. 1745 entdeckten der Deutsche E. G. VON KLEIST und der Niederländer P. VAN MUSSCHEN- BROEK gleichzeitig, dass „Leidener Flaschen“ - das sind Glasgefäße, die innen und außen mit einer Metallfolie belegt sind - elektrische Ladungen speichern können. Dies waren die ersten Kondensatoren. Die Leidener Flasche und ähnliche Laborgeräte wurden in der Anfangszeit häufig benutzt, um dem staunenden Publikum die Wirkungen der Elektrizität vorzuführen, insbesondere in der Form von Blitzschlägen, also Kurzzeitentladungen. Eine solche Anordnung aus etwas späterer Zeit zeigt Abb. 6.7-1. Bekannt sind auch die Experimente von B. FRANLIN, der ab 1749 mit Leidener Flaschen und Luftdielektrika Versuche anstellte und eine erste Theorie entwarf. Auf ihn geht auch der Begriff Kondensator (engl. condenser) zurück. Der Begriff Kapazität wurde dagegen von G. BECCARIA in die Elektrizitätslehre eingeführt. Das Dielektrikum, die Füllung zwischen den Elektroden, wurde von A. VOLTA als entscheidend für die Speicherfähigkeit erkannt. Sein Metallplattenkondensator verfügte 1775/ 1882 über ein Dielektrikum aus schwefelhaltigem Hartgummi (Ebonit). Später wurden Paraffinöl, Glimmer, Papier und Polymerfolien als Dielektrika eingesetzt. Abb.-6.7‐1: -Zusammenschaltung-von- Leidener-Flaschen-zur-Gewinnung-von- Hochspannung; -Quelle: -Annalen-der-Physik,- Band-1,-1795-(1799),-S.-30- - Der Kondensator wurde in der Folgezeit Teil elektrischer Schaltkreise. W. THOMSON entwickelte in England die mathematische Formel für kapazitiv-induktive Schwingkreise und formulierte die mathematische Gleichung für lange RLC-Kabelleitungen. 289 G. R. KIRCHHOFF gelang 1864 eine „Theorie der Entladung der Leydener Flasche“. An ihn schloss J. R. MAXWELL an, als er 1873 in „A Treatise on Electricity and Magnetism“ 289 -Lange-Leitungen-haben-sowohl-einen-Ohmschen-Widerstand-(R R)-als-auch-Induktivität-(L L)-und-Kapazi‐ tät-( (C) )..- <?page no="411"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 411 eine Theorie des Kondensators und des kapazitiv-induktiven Schwingkreises veröffentlichte. Auf dem Internationalen Kongress in Paris 1881 wurde schließlich das „Farad“ als Maßeinheit der Kapazität festgelegt. Damit war die theoretische Basis gelegt - die weitere Entwicklung war im Wesentlichen auf technische Verbesserungen konzentriert, was bis heute anhält. Gegenstand der Forschung war vor allem die Regelung und Vergrößerung der Kapazität. Einer der ersten Drehkondensatoren von 1901, gebaut von A. KOEPSEL bei der Braun-Siemens-Gesellschaft (später TELEFUNKEN) befindet sich heute im Deutschen Museum. Parallel zu diesen Entwicklungen lief die kommerzielle Verwendung, zunächst insbesondere als Bauelemente in der Anfang des 20 Jahrhunderts entstehenden Funktechnik. Mit dem Aufkommen des Radios wurden Kondensatoren an die neuen, vergleichsweise kleinen Geräte angepasst — sie schrumpften und wurden teilweise aus flexiblen Komponenten gefertigt. M. EGUCHI publizierte 1925 in Japan seinen „Elektret“ als einen Kleinenergiespeicher. Eine Anwendung brachten die Blitzlicht-Birnen, die ab den 1960er Jahren für jeden erschwinglich wurden. Das Prinzip der Blitzlichtbirne blieb im Grunde bis heute erhalten. Geändert haben sich lediglich technische Details und Zuverlässigkeit. Musste sich ein altes Blitzlicht nach dem Gebrauch noch aufladen, so sind heutige Modelle sofort wieder einsatzbereit. 1957 erschien H. I. BECKERs Doppelschichtkondensator in einem Patent von General Electric (US 2800616), das den „Elektrolytkondensator mit porösen Kohlenstoff- Elektroden“ zum Gegenstand hatte. Für diesen Kondensator mit einem außergewöhnlich hohen Kapazitätswert wurde angenommen, dass die Energie in den Poren der großflächigen Aktivkohle gespeichert wird, ähnlich wie in einem Elektrolytkondensator. In dem Patent wurde daher sinngemäß zum Speicherprinzip geschrieben: „Es ist nicht genau bekannt, was im Bauelement stattfindet, wenn es als Energiespeicher benutzt wird, aber es führt zu einer außerordentlich hohen Kapazität. Erst mit der heute allgemein akzeptierten Beschreibung der Vorgänge in einer Doppelschicht 1963 durch J. O. BOCKRIS, K. MULLER und M. A. V. DEVANATHAN (BMD-Modell) wurde das Speicherprinzip in elektrischen Doppelschichten genauer formuliert. Aufbau und Funktionsprinzip sind nach heutigem Stand in Abb. 6.7-2 erkennbar. --Abb.-6.7‐2: -Prinzip-eines-idealen-Doppelschichtkon‐ densators,-1.-Stromquelle,-2.-Kollektor,-3.-Polarisierte- Elektrode,-4.-Helmholtz-Doppelschicht,-5.-Elektrolyt- mit-positiven-und-negativen-Ionen,-6.-Separator.- Beim-Anlegen-einer-Spannung-bildet-sich-an-den-El‐ ektroden-jeweils-eine-Helmholtz‐Doppelschicht-mit- spiegelbildlicher-Ladungsverteilung-aus; -Quelle: -Dop‐ pelschichtkondensator,-in: -Academic,-2000‐2019-- Die effektiven Doppelschichtkondensatoren wurden in der Folge weiter verbessert, s. Abb. 6.7-3. <?page no="412"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 412 Abb.-6.7‐3: -Historische-Doppelschichtkondensatoren; -Quellen: -links-H.I.-Beckers-Prototyp-von1957-in- US-2800616,-Mitte-R.A.-Rightmire,-US-3288641,-1966,-rechts-Matsushita,-EP-0449145,-1992- Eine erste Anwendung von Kondensatoren in der Energietechnik gelang in Russland 1955. Dort wurden bei der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung Moskau-Kaschira (200 kV) für die Serienschaltung der Quecksilberventile RC-Dämpfungsglieder verwendet. In den 1960er Jahren machte sich die Plasmaforschung großformatige Kondensatoren als Energiespeicher zunutze. Mit sogenannten Stoßentladungen wurden in linearen und torusförmigen Pinchanlagen durch magnetische Kompression kurzzeitig bis zu einer Million 0 C erreicht - eine Vorstufe zur Kernfusion. Abb. 6.7-4 zeigt eine derartige Versuchsanlage im Institut für Plasmaphysik der TH Hannover, an deren Aufbau der Verfasser persönlich beteiligt war. Abb.-6.7‐4: -Versuchsanlage-zur-Erzeugung- heißer-Plasmen,-Hannover-1965---zwei-der- ringförmig-aufgestellten-Kondensatoren- sind-im-Vordergrund-sichtbar; -Quelle: -TH- Hannover,-Inst.-für-Plasmaphysik- D. BUTHERUS und K.R. NEWBY (Bell Telephone Lab, US 3700975) setzten 1972 Kohlenstoffelektroden in Propylencarbonat mit Lithiumtetrauoroborat und anderen Leitsalzen ein. Und NEC produzierte in Lizenz von SOHIO den ersten kommerziell erfolgreichen Doppelschichtkondensator unter dem Namen Supercapacitor. Die Kapazitätswerte erreichten jetzt den Farad-Bereich. Nach 1989 wurden erstaunliche Anwendungen aus der früheren Sowjetunion publik: Doppelschichtkondensatoren starteten Panzermotoren und Lokomotiven in der Kälte Sibiriens. Bis Mitte der1990erJahre erzielten Doppelschichtkondensatoren auf Basis von Aktivkohle in organischen Elektrolyten spezische Energien von 2 Wh/ kg. <?page no="413"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 413 Im Jahr 2001 nutzte Honda einen Doppelschichtkondensator im Brennstoffzellenfahrzeug „FCX-V3“. Im Folgejahr erprobte Toyota die Bremsenergierückspeisung mithilfe von Supercaps. Hierbei spielten Doppelschichtkondensatoren ihre Vorteile aus: hohe Leistungsdichte bei einer vergleichsweise geringen Größe und die Möglichkeit eines schnellen Aufbzw. Entladens bei hohen Strömen. Im Jahr 2003 prüfte das deutsche Unternehmen Enercon die Verwendung von Doppelschichtkondensatoren in Windkraftanlagen, wo sie sich in der Folge dauerhaft etablierten. Windkraftanlagen brauchen für die rasche Verstellung der Anstellwinkel kurzfristig eine hohe elektrische Leistung - ein ideales Anwendungsfeld für Kondensatoren. Superkondensatoren werden deshalb bereits in mehr als 20.000 Windkraftanlagen eingesetzt, auch wegen ihrer weitgehenden Wartungsfreiheit. Die Dimensionierung erfolgt hierbei auf eine Lebensdauer von etwa 15 Jahren bzw. 500.000‒1.000.000 Lade-/ Entladezyklen. 290 Anfang des 21. Jahrhunderts wurden Doppelschichtkondensatoren mit Kapazitäten von bis zu 5000 F und Energiedichten zwischen 3,5 und 4,9Wh/ kg weltweit produziert. Der Markt ist durch die Nachfrage aus dem Transport- und Energiebereich bis in die Gegenwart stetig gewachsen und wird von mehreren größeren und in der Zahl wachsenden Herstellern bedient. Die bis zum Jahr 2012 erreichten Anwendungsbereiche der Supercaps zeigt Abb. 6.7-5. Abb.-6.7‐5: -Einsatzgebiete-von-Super‐ caps-im-Jahr-2012,-gewichtet; -Quelle: - Sterner-/ -Stadler,-Energiespeicher,-Abb.- 6.31,-bearbeitet- SMES Aus dem bekannten Umstand, dass Strom in einem supraleitenden Stromkreis unendlich lange fließen kann, ohne dass man von außen weitere Energie zuführt, wurde seit den 1960er Jahren der supraleitende magnetische Energiespeicher (englisch: „Superconducting Magnetic Energy Storage“, kurz: SMES) entwickelt. Dabei durchfließt ein Gleichstrom aus einem Gleichrichter eine Spule, die aus supraleitendem Material besteht, wobei ein zeitstabiles Magnetfeld erzeugt wird, in dem die Energie gespeichert bleibt. Zum Entladen der gespeicherten Energie wird der Stromkreis erneut auf den Wechselrichter geschaltet, so dass aus dem Gleichstrom der Spule wieder Wechselstrom erzeugt wird. Nach den ersten theoretischen Studien wurden in den 1980er Jahren experimentelle Systeme in Japan gebaut. In den USA gab es zur selben Zeit Entwicklungen von der Firma 290 - M.-Sterner,-M.,-Stadler,-I.-(Hg): -Energiespeicher---Bedarf,-Technologien,-Integration,-S.-236.- <?page no="414"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 414 BECHTEL. In Japan hat sich vor allem die Kyushu Elecfric Power engagiert. Im Jahre 1999 präsentierte sie eine vollständige Demonstrationsanlage mit 1 kWh Speichervermögen und 1 MW Leistung, die kurzzeitig verfügbar war. 291 Abb. 6.7-6 zeigt den Aufbau der Anlage. -- Abb.-6.7‐6: -SMES‐-Anlage-von-Kyushu- Electric-Power; -Quelle: -Schwarz,-TU- Berlin - - Der erste europäische SMES, der am Forschungszentrum Karlsruhe entwickelt und Ende der Neunzigerjahre in einem nahegelegenen Sägewerk installiert wurde, hatte eine Kapazität von 55,6 Wattstunden (200 Kilojoule). Das Forschungsvorhaben „Schneller Kompensator mit Supraleitendem Magnetischem Energiespeicher (SMES) am Niederspannungsnetz“, an dem auch das Institut für Elektrische Anlagen und Energiewirtschaft der RWTH Aachen mit Simulationsrechnungen beteiligt war, wurde von der Stiftung Energieforschung Baden-Württemberg gefördert. Abb. 6.7-7 zeigt eine Abbildung der Experimentalanlage. Ein vom US-Energieministerium finanziertes Projekt stellte Anfang März 2011 ein SMES- Konzept vor, mit dem bis zu 2 Megawattstunden Energie gespeichert werden sollen, doppelt so viel wie in den seinerzeit besten Anlagen. Am Projekt wurden der Elektrotechnik-Konzern ABB, der Supraleiter-Hersteller SuperPower, das Brookhaven National Laboratory und die University of Houston beteiligt. Die US-Forschungsagentur ARPA-E förderte es mit 4,2 Millionen Dollar. 292 -Abb.-6.7‐7: -SMES-in-Fischbach; -Quelle: -Supraleitende-- Magnetspeicher,-in: -Achmed-A.-W.-Khammas,-Buch-der-- Synergien- 291 -Originalveröffentlichung-bei-Springer,-Tokyo,-1999.- 292 -Technology-Review-online-Ausgabe,-2011.- <?page no="415"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 415 Der Wirkungsgrad von solchen Energiespeichern liegt für das Erzeugen von Gleichstrom bei 97 %, wobei ein erheblicher Kühlungsaufwand hinzuzurechnen ist. Vorteilhaft an den SMES ist, dass mit ihnen eine teilweise Entladung möglich ist. Die mit ihnen erreichbaren Energiedichten liegen bei etwa 300 bis 3.000 Wh/ kg. Vorteilhaft ist auch, dass eine Entladung innerhalb von nur wenigen Millisekunden stattfinden kann. - Abb.-6.7‐8: -Stand-der-SMS‐Technik-2002; -Quelle: -Sterner-/ -Stadler,-Energiespeicher,-Tab.-6.3- Derzeit dienen SMES vor allem dem kurzfristigen Netzausgleich, zur Netzstabilisierung und zum Erhalt der Spannungsqualität. Des Weiteren kommen sie bei der Leistungsmodulation und der Lastkompensation zur Anwendung. Insbesondere die Reaktionszeiten im Bereich von Millisekunden sowie hohe Leistungsdichten sind hierfür ausschlaggebend. Einen Überblick über den Anwendungsstand im Jahr 2002 gibt Abb. 6.7-8. SMES-Technik ist teuer und, abgesehen von Sonderfällen, auch in der Gegenwart nicht oder noch nicht konkurrenzfähig. Sollte es gelingen, die Kosten auf das Niveau von Bleiakkumulatoren zu senken, wären SMES immerhin billiger als Schwungräder. Mit Druckluft- oder Pumpspeichern könnten sie jedoch auch dann nicht mithalten. Abb.-6.7‐9: -Sprung‐Temperaturen- verschiedener-Supraleiter; -Quelle: - Sterner-/ -Stadler,-Energiespeicher,-- Abb.-6.45- <?page no="416"?> 6 Geschichte der Energiespeicherung 416 Strahlungsenergie Dies ist das kürzeste aller Kapitel unter den Formen der Energiespeicherung. Denn Strahlung ist nicht speicherbar: Sie entsteht aus Vorgängen in der Elektronenhülle fester oder gasförmiger Stoffe und vergeht bei der Absorption - im menschlichen Körper, in der Pflanze oder anderen Gegenständen und Stoffen, generell: in Materie. Man kann also zwar vom Energietransport durch Strahlung sprechen, nicht aber von „gespeicherter Strahlung“. Erst recht ist der Begriff „verstrahlt“ unsinnig. Es gibt einige wenige Ausnahmen, wie den sogenannten Schwarzen Strahler, in dem die Strahlung von den Wänden hin- und her reflektiert wird, oder das uns umgebende Weltall, in dem wir ständig eine konstante, praktisch ursachenlose Strahlungsdichte messen können. Ähnlich könnte man den menschengemachten Elektrosmog einordnen, der uns umgibt. Aber dies sind physikalische Phänomene, keine technischen Konstrukte zur Energiespeicherung. <?page no="417"?> 417 7. Wege zu Energiesystemen Unsere Energieversorgung ist ein komplexes Geschehen, das häufig (nicht immer) durch das Zusammenwirken von unterschiedlichen Energieströmen und verschiedenen Speichervorgängen bestimmt ist. Betrachtet man ein einzelnes Auto, so ist hier der Vorgang klar: Es transportiert gespeicherte chemische Energie. Nimmt man jedoch das gesamte Verkehrsgeschehen einschließlich der zuliefernden Raffinerien, Tankstellen, der Verkehrsinfrastruktur etc. in den Blick, so muss man zum Begriff des Systems greifen, um eine Beschreibung zu ermöglichen. Erst seine Untersysteme lassen dann wieder einfache Identifizierungen in den Kategorien Transport und Speicherung zu. Die Energieversorgung ist in ihrer Entwicklung zu einer Reihe von Systembildungen gelangt, die ihre eigene Geschichte haben und in diesem Kapitel beschrieben werden. Die öffentlichen Netze Eine klare Entwicklungslinie von den Städtischen Zentralen zur heutigen integrierten Stromwirtschaft zu ziehen, erweist sich als ein nicht einfaches Unterfangen. Es ist wesentlich eine Geschichte der Netze und damit des Stromtransports. Am Beginn standen, wie schon in Kap. 4.7.2 beschrieben, die „Centralanlagen“ der größeren Städte mit ihrer z.T. sehr begrenzen Reichweite, die nach 1891 zur Ausdehnung der Versorgungsgebiete zunehmend auf Wechselbzw. Drehstrom setzten. Mit dem Jahre 1900 etwa suchte man nach neuen Absatzgebieten und es begann die Errichtung von Überlandzentralen, insbesondere zur Versorgung der Landgebiete. Meistgenutzte Primärspannung waren 3, 6, 10, 15 und 30 kV. Jede Gemeinde erhielt ihre lokale Ortsnetzstation, wo auf die Abnehmerspannung von überwiegend 3 x 380 V abgespannt wurde. Die ersten eigentlichen Hochspannungsleitungen in Europa waren die 50-kV-Drehstromübertragung Moosburg-München über 52 km im Jahre 1905 und die 100-kV-Drehstromübertragung Lauchhammer-Riesa über 56 km im Jahre 1911. Um 1913 kam es zu ersten Ansätzen einer länderübergreifenden Verbundwirtschaft. So lieferten die Schweizer Wasserkraftwerke Brezau-Löntch über Laufenburg in die Gebiete Villingen-Schwenningen-Schramberg und in den Raum Singen bzw. schließlich in die Stadt Freiburg im Breisgau. Die dafür notwendige Parallelschaltung von Generatoren und Netzen erforderte einheitliche Nennspannungen und Frequenzen. Von den bis dahin verwendeten Betriebsfrequenzen von 10 bis 140 Hz war schon in einer Untersuchung des Jahres 1894 ein Frequenzbereich von 50 bis 60 Hz für die Elektroenergieversorgung als optimal ermittelt worden. Auf dem europäischen Kontinent setzten sich dann 50 Hz und in Nordamerika 60 Hz als Standard durch. Einige Eisenbahnen, darunter auch die Deutsche Bahn, nutzen heute für ihre Bahnstromversorgung eine deutlich abweichende Frequenz von 16,7 Hz. Früher betrug die Bahnnetzfrequenz 1623 Hz, was einem Drittel der im Verbundnetz verwendeten 50 Hz entsprach. Man kann die Zeit der Gründung von isolierten Überlandzentralen, die der Versorgung eines oder mehrerer Landkreise dienten, etwa um 1910 als abgeschlossen ansehen. Da- <?page no="418"?> 7 Wege zu Energiesystemen 418 nach kam die Zeit der Zusammenschlüsse kleinerer Überlandzentralen und der Energieversorgung Das zeichnet Abb. 7.1-1 in Beispielen nach. 293 Die benutzten Spannungsniveaus für größere Gebiete aus günstig gelegenen Kraftwerken mit hoher Übertragungsspannung der Freileitungen blieben lange Zeit unterschiedlich. Abb. 7.1-2 zeigt die Situation im Jahre 1929, die von echter Vernetzung noch recht entfernt war. -Abb.-7.1‐1: -Gründungsjahre-von-EVU-,-die-sich-die-Versorgung-von-Gebieten-zur-Aufgabe-machten; - Quelle: -Callies,-Zeitalter,-S.-17- Ende der 1920er Jahre bildete sich oberhalb der Stadt- und Überlandwerke eine dritte Ebene heraus, die die Überlandnetze in einem landesweiten bzw. regionalen 110-kV- Hochspannungsverbund verknüpfte. Viele Länder gründeten daraufhin eigene Verbundgesellschaften. In Deutschland waren dies beispielsweise die reichseigenen Elektrowerke, deren Arbeitsgebiet von Magdeburg bis Oberschlesien reichte und die 1929 eine Leistung von 700 MW bündelten. Ähnlich entstanden das Bayernwerk im Freistaat Bayern, die Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen in der Provinz Westfalen, die Preußische Elektrizitäts AG im Freistaat Preußen, die Badische Landes-Elektrizitäts-Versorgung AG im Land Baden und das Thüringenwerk. In Nordwestdeutschland baute das Rheinisch- Westfälische Elektrizitätswerk (RWE) ein Versorgungsgebiet auf, das sich vom Ruhrgebiet entlang des Mittelrheins bis zum Niederrhein erstreckte. Die mächtigen Verbundunternehmen errichteten einerseits Großkraftwerke und übernahmen andererseits regionale Versorger, deren Kraftwerkskapazität sie in ihren Verbund eingliederten. Am Ende kam den Regionalversorgern nur noch die Rolle eines Zwischenverteilers zu; die Erzeugung lag weitgehend bei den Verbundunternehmen. Jetzt, Anfang der 1930er Jahre, existierten zumindest „Landesnetze“. Zwischen den Landesgesellschaften herrschte Wettbewerb, der unter dem Aspekt der notwendigen engen Kooperation als hinderlich empfunden wurde. So kam es zwischen 1928 293 -Nach-Callies,-H.,-in: -VDEW-(Hg),-Das-Zeitalter-der-Elektrizität,-Festschrift-125-Jahre-VDEW,-1967.- <?page no="419"?> 7 Wege zu Energiesystemen 419 und 1930 zu „freundschaftlichen Abkommen“, die auf eine Abgrenzung der Versorgungsgebiete hinausliefen. Das folgte dem Muster, das zwischen der Preußenelektra (in Gründung), dem RWE und den Reichselektrowerken schon umgesetzt war und damit den Bau einer West-Ost-Hochspannungsleitung ermöglicht hatte, um die Braunkohlekraftwerke des rheinischen Reviers mit denen in Mitteldeutschland zu verbinden. Beide Abkommen gemeinsam wurden in der Presse als „Elektrofrieden“ gefeiert. -Abb.-7.1‐2: -40-‐-60-kV‐Lei‐ tungen-im-Deutschen-Reich- 1929; -Quelle: -Callies,-Zeit‐ alter,-S.-18 Die 110-kV-Leitungen boten technische Schwierigkeiten. Um die vielen Probleme wie Überspannung, Gewittereinwirkung, Erdschluss, Kurzschluss, Isolation, Eislast etc. zu lösen, war 1921 die „Studiengesellschaft für Höchstspannungsanlagen“ gegründet worden, an der sich schon zu Beginn 20 EVU und 10 Herstellerfirmen beteiligten, die in der Folge gemeinsam die technischen Voraussetzungen für die Umsetzung schufen. Maßgeblich für die weitere Entwicklung waren drei Gutachten: der „Generalplan“ von KLINGENBERG (schon 1916), die „Reichselektrizitätsversorgung“ von VON MILLER (1930) und das Gutachten der AG für Deutsche Elektrizitätswirtschaft (1933). Alle Gutachten betonten die zentrale Bedeutung der Großkraftwerke, die bei VON MILLER durch ein Höchstspannungs-220-kV-Netz verbunden waren, wie es dann ja auch entstand. Mit teils 110 kV, teils 220 kV war der Zusammenschluss des deutschen Netzes bei Kriegsende noch nicht vollständig erreicht. Auf staatlicher Ebene wurde die so unter starker Mitwirkung der Öffentlichen Hand entstandene Monopolstruktur 1935 durch das Energiewirtschaftsgesetz (EWG) abgesichert. Das Gesetz sollte ursprünglich die nicht unerheblichen Investitionen schützen, die Elektrifizierung vorantreiben und den Strom durch Vereinheitlichung und Ressourcenbündelung verbilligen, führte aber auch zu einer starken Abhängigkeit der Kunden von ihrem jeweiligen EVU. Die Drei-Ebenen-Struktur mit den regionalen Monopolen blieb in Westdeutschland über das Kriegsende hinaus bestehen. Auch das EWG und die Demarkationsverträge behielten <?page no="420"?> 7 Wege zu Energiesystemen 420 ihre Gültigkeit; im 1957 erlassenen Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen wurden die Gebietsschutzverträge ausdrücklich vom Kartellverbot freigestellt. Eine Abschätzung der 1960 zu erwartenden Transportleistungen ergab Werte von 600 bis 900 MW in Süddeutschland und von 1700 MW zwischen Rhein-Ruhr-Gebiet und dem Raum Rhein-Main. Das war keine Utopie - die prognostizierten Leistungen wurden schon 1963 z. T. erheblich überschritten. Solchen Aufgaben gegenüber wurde die Einführung einer weiteren Spannungsebene von 400 kV zur Notwendigkeit. Um sie kümmerte sich die schon 1948 gegründete Deutsche Verbundgesellschaft und die von ihr 1950 gemeinsam mit 10 Großfirmen ins Leben gerufene 400-kV-Forschungsgemeinschaft. Der 400kV-Drehstrom für die neue Ebene musste sich allerdings gegen die konkurrierende Idee durchsetzen, ein kabelgeführtes Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungs-Netz (HGÜ) einzurichten, für das inzwischen die nötige Stromrichter-Technik entwickelt war. Das HGÜ- Netz hätte nach diesen Vorstellungen gleich ganz Europa umfassen sollen. Die noch zu leistende Entwicklungsarbeit schien jedoch zu groß, sodass es beim Drehstrom blieb. 294 In der Bundesrepublik wurden 1966 rd. 1100 km Trassen mit rd. 380 kV betrieben; der Ausbau war auf 8700 km geplant. Wie das Netz 2012 aussah, zeigt Abb. 7.1-3. - - - --Abb.-7.1‐3: -Das-Höchstspan‐ nungsnetz-der-Bundesrepublik- Deutschland-2012; Quelle: - FNN/ VDE-Verband-der-Elektrotech‐ nik-Elektronik-Informationstechnik- e.V.- Die ersten länderübergreifenden Netzverbindungen nach Österreich und in die Schweiz 294 -HGÜ-setzte-sich-in-den-1960er-Jahren-zunächst-für-die-Querung-von-Meeresarmen-durch.- - <?page no="421"?> 7 Wege zu Energiesystemen 421 gehen auf die frühen 40er Jahre des letzten Jahrhunderts zurück. 1951 erfolgte dann die Gründung der UCPTE (Union für die Koordinierung der Erzeugung und des Transports elektrischer Energie). Sie hatte zunächst acht Mitgliedsländer; weitere Länder traten später bei, wie aus den Momentaufnahmen der Energieflüsse in Abb. 7.1 4 zu erkennen ist. Technische Voraussetzungen waren die Phasengleichheit in allen Teilnetzen und ein geeignetes System der automatischen Frequenz-Leistungs-Regelung zur Beherrschung von Frequenz und Austausch an den Kuppelstellen. Die UTPTE schuf damit die Basis für den Aufbau des heutigen kontinentaleuropäischen Verbundsystems, das die Höchstspannungsnetze in 24 europäischen Ländern mit 28 Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) umfasst und von Portugal bis Bulgarien reicht. Abb.-7.1‐4: -Energieströme-im-UTPTE‐Verbund,-links-15.-Sept.-1965,-11-h,-rechts-17.-Nov.-1965,-- 3-h; -Quelle: -Boll,-G.-in: -VDEW-(Hg),-Das-Zeitalter-der-Elektrizität,-125-Jahre-VDEW,-1967,-S.-88- - 1999 wurde aus der UTPTE im Zuge der Liberalisierung der Energiemärkte und der damit verbundenen Trennung zwischen Erzeugung und Netzbetrieb die UCTE. Im gleichen Jahr gründete die UCTE zusammen mit den Verbänden der anderen europäischen Verbundnetzbetreiber ATSOI (Irland), UKTOSA (Großbritannien) NORDEL (Skandinavien) und BALTSO (Baltische Staaten) die ETSO (European Transmission System Operators) als gemeinsamen Dachverband. Damit sollte den Anforderungen des europäischen Binnenmarktes besser Rechnung getragen werden. Zum 1. Juli 2009 hat dann die ENTSO-E (European Network of Transmission System Operators for Electricity) entsprechend den Vorgaben einer EU-Rechtsverordnung zum grenzüberschreitenden Stromhandel die Funktion von ETSO übernommen. Die vorstehend genannten Verbände wurden als Regional Groups (RG) in die ENTSO-E integriert. <?page no="422"?> 7 Wege zu Energiesystemen 422 Wesentliche Aufgaben des bis in die Gegenwart bestehenden neuen Verbands der europäischen ÜNB sind die Definition von Sicherheitsstandards, die Festlegung technischer und kommerzieller Regeln für den Betrieb des Übertragungsnetzes und die Koordinierung des länderübergreifenden Netzausbaus. Abb. 7.1-5 zeigt die fünf Verbundsysteme der EU unter dem Dach der ENTSO-E. Im ENTSO-E Gebiet sind heute 41 ÜNB tätig. Die fünf eigenständigen Verbundgebiete umfassen 34 europäische Länder. Der Stromverbrauch im Gebiet der ENTSO-E lag im Jahr 2014 bei 3.210 Terrawattstunden (TWh), die Jahreshöchstleistung betrug 522 Gigawatt (GW). Die installierte Leistung ist in den letzten Jahren im Zuge des Ausbaus der Erneuerbaren Energien kontinuierlich gestiegen und erreichte 2014 1.024 GW, davon entfielen 42 % auf Erneuerbare Energien. Beim gegenseitigen Stromaustausch war mit 460 TWh im Jahr 2014 der bislang höchste Wert zu verzeichnen. Die Verbundnetze (ENTSO-E) in Europa sind rd. 307.000 km lang und zumeist in Drehstrom-Freileitungstechnik ausgeführt. - - --- Abb.-7.1‐5: -Die-fünf--Verbundsysteme-unter-- einem-gemeinsamen-Dach; -Quelle: -ENTSO‐E- Was bisher dargestellt ist, bezieht sich auf das Bahnnetz und das Öffentliche Netz und die darin wirkenden Stromlieferanten. Hierin ist jedoch nur ein Teil der gesamten Stromversorgung abgebildet, wenn auch der nach Leistung überwiegende. Daneben existiert bis heute in Deutschland eine Industrielle Kraftwirtschaft. Sie hat ihren Ursprung in den Blockstationen der beiden letzten Dekaden des 19. Jahrhunderts, die nicht nur für private oder halböffentliche Zwecke eingerichtet wurden, sondern auch für industriellen Bedarf. Die Unternehmen blieben bei dieser Eigenversorgung, auch als sich die Versorgung über Zentralen immer stärker ausweitete. Dies hatte auch mit dem Aufkommen stromintensiver Verfahren und der Ausbildung der Kopplung von Strom und Prozesswärme zu tun, wie sie sich z. B. in der chemischen und der Eisen- und Stahlindustrie seit Anfang des 20. Jahrhunderts zunehmend etablierte. 295 295 -So-Schäff,-K.,-in: -VDEW-(Hg),-Das-Zeitalter-der-Elektrizität,-Festschrift-125-Jahre-VDEW,-1967.- <?page no="423"?> 7 Wege zu Energiesystemen 423 Beispiele sind die Unternehmen, die sich 1926 zur I. G. Farbenindustrie AG vereinigt hatten und die zunehmend ihre petrochemischen Produktionsstätten mit Blick auf die Braunkohle nach Mitteldeutschland verlegten. Die Strombedarf und die mitwachsende Stromerzeugung in den Werken Bitterfeld, Wolfen-Film-Fabrik und Wolfen-Farbenfabrik sowie in Leuna bzw. im Ammoniakwerk Merseburg wurde so bedeutend, dass zur Verbindung der Werke ein eigenes 110 kV- Netz entstand, das dann noch nach Norden und Süden erweitert wurde. Das ist in der Rückschau durchaus verständlich - der industrielle Strombedarf belief sich vor dem 2. Weltkrieg auf das Vierfache der Kapazität der ESAG in Halle, der zuständigen öffentlichen Gesellschaft. Nur so ließen sich die notwendigen niedrigen Strompreise erreichen. Abb. 7.1-6 zeigt das I.G. Farben-Verbundnetz. Abb.-7.1‐6: -Das-Verbundnetz-der-I.G.-Farben- in-Mitteldeutschland; -Quelle: -VDEW-(Hg): -Das- Zeitalter-der-Elektrizität,-Festschrift-125-Jahre- VDEW,-1967,-S.-93- - Eine ähnliche Entwicklung ergab sich im westdeutschen Industriegebiet, wo insbesondere die kombinierte Versorgung mit Strom und Wärme gefragt und Netzausbau nötig war. Im Beispiel des Verbundnetzes der Hibernia ergab sich, dass der Stromverbund in seiner Linienführung durch ein Verbundnetz für Druckluft, Ferndampf, Kondensat- und Gasleitungen ergänzt werden konnte. Abb. 7.1-7 zeigt schließlich das Verbundnetz der Stahlwerke im Ruhrgebiet, in dem in den Planungsjahren vor dem Krieg auf der unternehmerischen Seite die seit 1926 bestehenden Vereinigten Stahlwerke AG (VST) mit zugehörigem Bergbau durch eigene Erzeugung vertreten waren (Zechenkraftwerke). Die Umsetzung erfolgte schließlich Anfang der 1950er Jahre in mehreren Vertragswerken mit dem RWE und den VEW zur Durchführung eines gegenseitigen Verbundbetriebs. RWE und VEW stellten ihre existierenden Leitungen zur Vermeidung einer doppelten Linienführung zur <?page no="424"?> 7 Wege zu Energiesystemen 424 Verfügung, erhielten ihrerseits wiederum Überschussmengen für das allgemeine Versorgungsnetz. Abb.-7.1‐7: -Verbundnetz-der-Stahlwerke-im-Übergriff-über-die-Demarkationslinien-der-öffentlichen-Ver‐ sorger-im-Jahre-1967; -Quelle: -VDEW,-Zeitalter,-S.-95-- Auch andere Industrieunternehmen mit großem Strombedarf richteten ihre eigene Stromversorgung ein, so z. B. die BASF, die VAW, die Portland-Zementwerke Heidelberg, im Allgemeinen durch Verträge mit den regionalen EVU der öffentlichen Versorgung verbunden. Der dadurch entstehende Ausgleichsbetrieb brachte und bringt beiden Seiten Vorteile. Im Jahr 2014 hat die industrielle Kraftwirtschaft 45 Terawattstunden Strom erzeugt. Wie das Statistische Bundesamt hierzu mitteilte, entsprach dies einem Anteil von rund 9 % an der amtlich erfassten Bruttostromerzeugung in Deutschland. Der Anteil des Industriestroms an der gesamten Bruttostromerzeugung in Deutschland ist, der Statistik zufolge, seit dem Jahr 2005 nahezu konstant. Jedoch änderten sich im Laufe der Jahre die Schwerpunkte im Hinblick auf die eingesetzten Energieträger deutlich: Hatte die Industrie 2005 noch 28 % der Energie durch Stein- und Braunkohle gewonnen, lag der Anteil 2014 bei nur noch 10 %. Demgegenüber stieg der Erdgas-Anteil von 33 % im Jahr 2005 auf 49 % im Jahre 2014. Damit ist Erdgas heute der zentrale Energieträger der Industrie. Die industriellen Stromerzeuger sind organisiert und haben 1947 den Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) gegründet. Der VIK repräsentiert nach eigener Aussage rund 300 Unternehmen aus Industrie und Gewerbe, die ein Thema verbindet: Energie. Seine Mitgliedsunternehmen stehen für ca. 80 Prozent des industriellen Energieverbrauchs und ca. 90 Prozent der industriellen Eigenerzeugung in Deutschland. <?page no="425"?> 7 Wege zu Energiesystemen 425 Deutschland wird also aktuell über mehrere „Stromkreise“ versorgt, die miteinander vernetzt sind. Eine Übersicht geben die sog. Sankey-Diagramme, von denen eines hier als Beispiel die Stromflüsse im Jahr 1965 wiedergibt. Das Flussbild Abb. 7.1-8 bezieht sich auf eine Situation, die durch zentrale Erzeugung in großen (und auch kleinen) Kraftwerken gekennzeichnet war. Nicht enthalten sind die Eigenanlagen einzelner Betriebe, die nicht in ein Netz eingebunden sind. Abb.-7.1‐8: -Stromflussbild-zum-Jahr-1965-in-Mia.-kWh; -Quelle: -Schäff,-K.: --Die-Entwicklung-zum-heuti‐ gen-Wärmekraftwerk,-VGB-177,-Anhang-1- <?page no="426"?> 7 Wege zu Energiesystemen 426 Kraft-Wärme-Kopplung, BHKW Kraft-Wärme-Kopplung besteht in der meist dezentralen Nutzung von (gleichzeitig) bereitgestellter elektrischer Energie und Wärme. Abb. 7.2-1 dient der Veranschaulichung des Prinzips. Eine Kraft-Wärme-Kopplung kann in vielen Anwendungsformen und Leistungsklassen realisiert werden, s. auch Kap. 4.5.2, Fernwärme, und Kap. 4.7.3, Kraftwerke. Strom wird häufig ins regionale Netz eingespeist, während die nutzbare Wärme für Heizzwecke (Fernwärme oder Nahwärme) oder für Produktionsprozesse (Prozesswärme) verwendet wird. Größere Anlagen heißen z. B. Heizkraftwerke, kleinere, die der Versorgung eines „Blocks” dienen, eben Blockheizkraftwerke (BHKW). Im Allgemeinen hat eine der Energieformen Priorität in der Verwendung - die Anlage ist damit entweder strom- oder wärmegeführt. Abb.-7.2‐1: -Prinzip-der-Kraft‐Wärme‐- Kopplung; -Quelle: -BHKW‐Kontor,- BHKW‐Info‐1- Kraft-Wärme-Kopplung, unter dem Druck von Klimaschutz und Energiewende von besonderer Aktualität, hat schon eine längere Geschichte in Deutschland. -Abb.-7.2‐2: -Energie‐Einsparung- durch-KWK-in-Verbindung-mit- Wärmenetzen; -Quelle: - Ratgeber-KWK,-BFW-Bun‐ desverband-Fernwärmelei‐ tungen- So ist Fernheizung historisch eng mit den thermischen Kraftwerken zur Stromerzeugung verbunden, denn schon früh wurden die Vorteile der „Kraftwärme-Kopplung“ erkannt, die sich in Abb. 7.2-2 ablesen lassen. Schon 1886 wurde erstmals ein Elektrizitätswerk mit einer Heizzentrale (Heizung mit direktem Dampf) verbunden. Im Jahre 1893 startete das Hamburger Elektrizitätswerk den (erfolgreichen) Versuch zur Dampfversorgung des 300 Meter entfernten Rathauses - Strom und Wärme wurden gleichzeitig erzeugt. Um 1900 folgte Dresden mit der Wärmeversorgung von elf Gebäuden nach gleichem Prinzip. <?page no="427"?> 7 Wege zu Energiesystemen 427 Parallel zur Konjunktur der örtlichen Zentralanlagen wurde 1902 das erste echte Heizkraftwerk Deutschlands mit Kraft-Wärme-Kopplung in den „Beelitz-Heilstätten" bei Berlin in Betrieb genommen. Abb.-7.2‐3: -Einer-der-Verbundmaschinensätze-in- Beelitz-1902,-heute-Denkmal; -Quelle: -J.-Hartbaum,- Förderverein-HKW- Die Gesamtanlage wurde 1898 bis 1902 errichtet und galt als medizinische, soziale und architektonische Mustereinrichtung, deren Mittelpunkt das Heizkraftwerk war. Es wurde zu einem der wirtschaftlichsten Kraftwerke Deutschlands und arbeitete noch bis 1994. Die Erzeugung von Strom und Wärme in 2 Blöcken lief in der ersten Ausbaustufe über jeweils eine stehende Kolbendampfmaschine der Firma Borsig und nachgeschaltete AEG- Gleichstromgeneratoren. Sie sind die einzigen noch erhaltenen Anlagen dieser Art in Deutschland, s. Abb. 7.2-3. Andere Städte folgten. So begann 1921 die Stadt Barmen mit einer Fernheizung, deren Rohre längs der Wupper geführt wurden; 1925 wurde das Barmer Kraftwerk in ein Heizkraftwerk umgewandelt. Die Nachbarstadt Elberfeld schloss sich 1927 mit einer Wärmeversorgung aus ihrem Kraftwerk an. - -Abb.-7.2‐4: -Dank-Abwärmenutzung-gab-es-beim- Kraftwerk-Klingenberg-Tomaten-und-Gurken; - Foto: -Vattenfall-Archiv,-Klingenberg- - Das Kraftwerk Klingenberg in Berlin, das 1927 in Betrieb kam, gilt als wichtigste Kraftwerksinnovation seiner Zeit in Deutschland. Für seine Auslegung war G. KLINGENBERG verantwortlich, der häufig als Pionier des modernen Kraftwerksbaus gewürdigt wird. Es wurde zum Vorbild einer neuen Generation von Großkraftwerken. Das damals größte und modernste Elektrizitätswerk Europas war gezielt auf die Abwärmenutzung ausgerichtet, versorgte das neue 26.000 Quadratmeter große städtische Freibad mit Warmwasser von 33 0 C und erwärmte eine Gewächshausanlage mit fast 10.000 Quadratmetern, <?page no="428"?> 7 Wege zu Energiesystemen 428 s. Abb. 7.2-4. 1970 begann ein umfassender Umbau des Kraftwerks. Im Rahmen dieser Rekonstruktion kam die Fernwärmeversorgung für die östlichen Bezirke Berlins hinzu. 1986 begann der Automobilzulieferer Fichtel & Sachs mit der Entwicklung von Prototypen motorisch angetriebenen Mikro-BHKW und startete 10-jährige Feldversuche. Die Firma Senertec produzierte ab 1996 in Serie den „Dachs", das erste Mikro-BHKW. Die Volkswagen AG stieg 2009 in den BHKW-Markt ein und begann zusammen mit der Firma Lichtblick mit der Installation von 100.000 sogenannten „Zu-Hause-Kraftwerken“, für die Volkswagen dann die Motoren lieferte. Eine Fußnote zur Geschichte sind die sogenannten Stromrebellen der Stadt Schönau. Bürger der Stadt kauften 1997 mit den von ihnen gegründeten „Elektrizitätswerken Schönau" das Stromnetz vom bisher zuständigen Atomkraftwerksbetreiber frei. Sie versorgen seitdem bundesweit zehntausende Haushalte und hunderte Unternehmen mit Ökostrom und nutzen dabei auch die Kraft-Wärme-Kopplung. Im Jahre 2002 gab es erstmals in Deutschland eine staatliche Vorgabe: Das „Gesetz für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (Kraft- Wärme-Kopplungsgesetz)“ trat in Kraft. Sein Zweck war, durch die Nutzung der Kraft- Wärme-Kopplung eine Reduzierung der Kohlendioxid-Emissionen in Deutschland zu erreichen. Angestrebt wurde eine Einsparung von 10 Mio. t, bis zum Jahr 2010 dann bis zu 23 Mio. t. Das Gesetz sollte vor diesem Hintergrund durch den befristeten Schutz und die Modernisierung von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK-Anlagen) einen Beitrag leisten und sollte speziell den Ausbau der Stromerzeugung in kleinen KWK-Anlagen und die Markteinführung der Brennstoffzelle im Interesse der Energieeinsparung, des Umweltschutzes und der Erreichung der Klimaschutzziele der Bundesregierung fördern. 296 Am 6. Juni 2008 und erneut im Mai 2012 wurde eine Novellierung des KWKG vom Bundestag beschlossen. Essentiell waren hier die Verbesserung der Förderung von Blockheizkraftwerken und Heizkraftwerken durch höhere Zuschläge, neue mit Entbürokratisierung einhergehende Laufzeitmodelle und Modernisierungsoptionen sowie eine neue Anlagenkategorie für Anlagen mittlerer Leistung. Erstmals wurde auch die Kraft-Wärme- Kälte-Kopplung (KWKK) in die Förderung aufgenommen. Die Einbeziehung der Kältekopplung, technisch durch ein zusätzliches Absorptionskälteaggregat realisiert, war nur konsequent. Blockheizkraftwerke sind strukturbedingt nur in Winterhalbjahr ausgelastet. 297 Die KWKK fördert jetzt den Einsatz von KWK auch im Sommerhalbjahr. Das KWKK-Prinzip hat bisher noch nicht die KWK-Anlagen kleinerer Leistungen erreicht - Klimatisierung ist im kleinen Gewerbe und erst recht im Privathaus eher die seltene Ausnahme. Supermärkte, Ämter oder andere Gebäude, die ganzjährig eine stetige Klimatisierung benötigen und über größere Anlagen versorgt werden, sind eher Anwendungsfälle der KWKK. Gelegentlich werden hier sogar Kältespeicher verwendet, um Bedarfsspitzen an heißen Tagen abzufangen. Trotz mancher Einschränkungen gilt KWKK als Technik mit Zukunftspotential. 296 -Zitiert-nach-§1-des-KWK‐Gesetzes.- 297 -Anlagen-wie-das-Kraftwerk-Klingenberg,-das-u.-a.-ein-Freibad-versorgt,-sind-eher-die-Ausnahme.- <?page no="429"?> 7 Wege zu Energiesystemen 429 Wie so oft bei Regulierungen wurde im Jahr 2017 eine weitere Novellierung notwendig, um neuere energiepolitische Weichenstellungen zu berücksichtigen. Jetzt sind kohlebefeuerte KWK-Anlagen von der Förderung ausgeschlossen; auch Bestandsanlagen werden gefördert und die Bedingungen für Wärme- und Kältenetze und Wärme- und Kältespeicher sind weiter verbessert. Breitere Förderung bedeutet größere Inanspruchnahme: jährlich stehen jetzt statt 750 Mio. € neu 1,5 Milliarden € zur Verfügung. Die Finanzierung dieser Summen erfolgt nicht aus dem Bundeshaushalt, sondern ähnlich wie beim Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) über eine von den Verbrauchern zu zahlende Umlage auf den Strompreis. Strom, der in KWK-Anlagen erzeugt wird, hat nach dem EEG 2014 den gleichen Einspeisevorrang wie Strom aus Anlagen, die nach dem EEG gefördert werden. 298 ------- - - - Abb.-7.2‐5: -Veränderungen-in-der-KWK‐Nettostromerzeugung-von-2003-bis-2016; -Quelle: -- Statistisches-Bundesamt,-Umweltbundesamt-u.-a.- Es geht also um staatliche Eingriffe durch finanzielle Zuwendungen. Dennoch ist die Stromproduktion aus KWK seit 2003 nur schwach gestiegen, s. Abb. 7.2-5. Deutschland liegt im Hinblick auf den KWK-Anteil an der Stromproduktion im Mittelfeld. In Dänemark dagegen wurde schon 2005 über die Hälfte des gesamten Energieverbrauchs des Landes aus Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen gedeckt. 299 In Einzelbereichen hat KWK auch in Deutschland hohe Verbreitung gefunden. Ein Beispiel ist hier die Fernwärmeversorgung, die sich zu mehr als 80 % aus KWK-Anlagen speist. Dass Wärme und elektrische Energie innerhalb des gleichen Betriebes erzeugt werden, steigert die Effizienz und erlaubt auch günstigere Preise für die Wärmekunden. Für die Bereitstellung der Wärme und des Stroms werden verschiedene Kraftwerkstypen genutzt: motorisch betriebene Blockheizkraftwerke (s. Abb. 7.2-6) , Entnahme-Kondensationsmaschinen, Gasturbinen mit Abhitzekessel, kombinierte Gas- und Dampfturbinenanlagen. 298 -Nach-§-8,-Abs.-1-des-EEG.- 299 -Unter-Verwendung-von-Branchenangaben,-z.-B.--AGFW-|-Der-Energieeffizienzverband-für-Wärme,- Kälte-und-KWK-e.-V.- <?page no="430"?> 7 Wege zu Energiesystemen 430 Abb.-7.2‐6: -Auskopplungen-von- Fernwärme-und-Strom-aus-einem- Blockheizkraftwerk; -Quelle: -MF- Service-BHKW-GmbH,-Döbriach- - Der Wirkungsgrad der elektrischen Energiegewinnung sinkt durch KWK zwar, dafür ist der Gesamtnutzungsgrad mit 60 bis 90 % jedoch deutlich höher als bei rein stromerzeugenden Anlagen, die es auf einen Wirkungsgrad von 30 bis 60 % bringen. Power-to-Anything Power-to-Anything ist ein Spektrum junger Techniken, die erst mit dem Jahr 2005 bekannt wurden. Wegen ihrer Zukunftsbedeutung werden sie ausführlicher als sonst in diesem Werk üblich behandelt. Das Grundproblem der elektrischen Energie: Speicherung Die Stromerzeugung aus Wind- und Solartechnik ist sehr volatil. Ein zeitlich und örtlich erzeugungsnaher Verbrauch ist im Allgemeinen nicht möglich; zudem ist die Netzstabilität nicht gewährleistet. Notwendige Ausgleichsmaßnahmen, die für eine gesicherte Stromversorgung aus regenerativen Quellen zu ergreifen wären, sind: ● Flexible, i. e. gasgestützte Kraftwerkskapazität einschl. virtueller Kraftwerke ● Ausbau der Stromnetze ● Lastmanagement über Smart Grids ● Aufbau von Speicherkapazitäten ● Neue Nutzungspfade für negative Regelenergie Eine vollständige Integration fluktuierender Einspeisung in das Elektrizitätsnetz macht die Entkopplung von Erzeugung und Verbrauch erforderlich, insbesondere durch langfristige und hochvolumige Speicherung. Neue Nutzungspfade sind ein weiterer Weg, den Verbrauch an die Erzeugung anzupassen und z. B. eine überschießende Erzeugung durch zusätzlichen Verbrauch zu verringern. Eine Langfrist-Speicherung kann den Netzausbau zur Integration von erneuerbaren Energien sehr sinnvoll ergänzen - sie kann ihn allerdings nicht ersetzen. <?page no="431"?> 7 Wege zu Energiesystemen 431 Elektrische Energie kann direkt und wirtschaftlich nur in Kondensatoren und Supercaps gespeichert werden, s. Kap. 6.7.1. Es bleiben damit indirekte Möglichkeiten, i. A. über eine Zwischenspeicherung in anderen Energieformen. Das Spektrum der bisher bekannten bzw. genutzten indirekten Speichermöglichkeiten für elektrische Energie ist überschaubar. Grundsätzlich können nach dem in Kap. 6 beschriebenen Spektrum unterschieden werden: ● Zentrale Speicherkraftwerke (Pumpspeicherkraftwerke, Wasserstoff-Speicherkraftwerke, Druckluftspeicherkraftwerke) ● Dezentrale Großbatteriespeicher (großdimensionierte Blei-Säure-Akkumulatoren, Li-Ionenbatterien, Natrium-Schwefel-Batterien, ggf. Redox-Flow-Batterien) ● Lokale Kleinspeicher (Blei-Säure-Akkumulatoren, Li-Ionenbatterien, NiMh-Batterien, NiCd-Batterien, Kondensatoren, Schwungräder) Die bisher verfügbaren Techniken eignen sich unterschiedlich für die oben beschriebenen Anforderungen, vergl. Abb. 7.3-1. Die Tabelle kann man ‒ mit einigen zusätzlichen Fakten ‒ wie folgt kommentieren: -Abb.-7.3‐1: -Eignungsmerk‐ male-verschiedener-Speicher‐ techniken; -Quelle: -Bundes‐ netzagentur- Legende: -- +++-gut-geeignet,-- ++--grundsätzlich-- -------geeignet,-- +--bedingt-geeignet.- --  Pumpspeicherkraftwerke dominieren bisher. Ihr Wirkungsgrad liegt bei 70 bis 85 %. Die Pumpspeicherkapazität in Deutschland ist aber begrenzt. Sie beträgt heute 0,04 Terawattstunden - so viel verbraucht Deutschland in weniger als einer Stunde. Zudem sind sowohl der Einals auch der Ausspeicherung eines Speichersees zeitlich enge Grenzen gesetzt. Binnen weniger Stunden ist die Kapazität erschöpft. Ein weiterer Ausbau ist in Deutschland nur noch in geringem Maße möglich. Skandinavische Speicherseen bieten mehr Kapazität. Sie müssten jedoch zunächst zu Pumpspeichern umgerüstet werden. Zudem erfordert ihre Nutzung die Verlegung großer Stromleitungen im Meer.  Druckluftspeicher sind technisch noch in einer Phase der Weiterentwicklung - weltweit sind bislang zwei Anlagen in Betrieb. Sie bieten sich primär für die kurzfristige Speicherung im Stundenbereich an, sind aber gleichzeitig an bestimmte geologische Gegebenheiten gebunden. Die geeigneten Salzkavernen befinden sich nur in Deutschlands Norden. <?page no="432"?> 7 Wege zu Energiesystemen 432  Die Speicherung in Schwungradspeichern, Spulen oder Superkondensatoren ist für den Kurzzeitbereich (einige Minuten) und zur Stabilisierung der Stromversorgung unverzichtbar, eine längere Speicherdauer können sie mangels Kapazität nicht bereitstellen.  Stationäre Akkumulatoren sind großvolumig und schwer. Sie sind vor allem für die kurzfristige Speicherung im Stundenbereich einsetzbar. Hochleistungsbatterien in Elektroautos können auch speichern: Es gibt aber absehbar noch zu wenige Fahrzeuge. Ebenso sind die zeitliche Verfügbarkeit und die Kapazität beschränkt.  Wasserstoff ist eine langfristige Speichermöglichkeit. Die Infrastruktur für reinen Wasserstoff fehlt aber noch. In das vorhandene Erdgasnetz kann Wasserstoff nur zu einem kleinen Anteil eingespeist und darin gespeichert werden. Zusammenfassend gilt: Den bisher bekannten Speichertechniken fehlt entweder eine lange Speicherdauer, eine ausreichende Speicherkapazität oder die Infrastruktur. Power-to-Gas als Lösungsansatz Der Begriff Power-to-Gas (oder PtG) steht - in Kurzfassung - für ein Konzept, bei dem mit regenerativ gewonnenem Strom elektrolytisch Wasserstoff erzeugt wird, der ggf. anschließend mit Kohlenstoffdioxid (CO 2 ) zu Methan synthetisiert wird, vergl. Abb. 7.3-2. . --- - Abb.-7.3‐2: -Prinzip-von-PtG; -Quelle: -Werkbild-Viessmann- Als Speicher für dieses Methan könnte die bestehende Erdgasinfrastruktur, also das Gasnetz mit den angeschlossenen Untertagespeichern, verwendet werden. Alternativ kann bis zu einem gewissen Volumenanteil auch der elementare Wasserstoff direkt im Erdgasnetz gespeichert werden, dann unter Verzicht auf die sogenannte Methanisierung. Die chemischen Reaktionen sind simpel: 4 H 2 O + elektrische Energie → 4 H 2 + 2O 2 und 4 H 2 + CO 2 → CH 4 + 2 H 2 O Als Quelle für das Kohlenstoffdioxid, das bei der anschließenden Methanisierung durch den Wasserstoff zu Methangas reduziert wird, können beispielsweise Industrieabgase verwendet werden, aus denen das Kohlenstoffdioxid abgetrennt wird. Besonders interessant ist die Kombination mit Biogasanlagen: Die Einspeisepunkte für das Methan können mitgenutzt werden, außerdem stehen Biogasanlagen auch als CO 2 -Quelle zur Verfügung. Rohbiogas enthält neben Methan erhebliche Mengen CO 2 , das vor der Einspeisung ab- <?page no="433"?> 7 Wege zu Energiesystemen 433 getrennt werden muss. Dieser Schritt kann durch eine Methanisierung über die dann ohnehin vorhandenen Anlagen vorgenommen werden. Was verbleibt, ist die Abtrennung von Resten an Schwefelwasserstoff, etwa durch Aktivkohle. Insgesamt ergeben sich so in dieser Kooperation erhebliche Synergieeffekte. Abb. 7.3-3 stellt die beschriebenen Vorgänge im Schema dar. Es enthält zugleich die Rückwandlung der zwischengespeicherten Energie in Strom, wobei dessen Einspeisung ins Netz an frei gewählten Orten mit vorhandenen Einspeisepunkten erfolgen kann. Neben der Rückwandlung besteht natürlich auch die Möglichkeit der gasbasierten Verwendung der gespeicherten Energie. Power-to-Gas hat eine eigene, wenn auch begrenzte Entwicklungsgeschichte. Das Thema regenerativer Wasserstoffwirtschaft ist nicht vollkommen neu. Die Gewinnung von Gas als Energieträger geht auf den Belgier F. NOLLET aus dem Jahr 1849 zurück, dessen erster Alliance-Generator ursprünglich dazu dienen sollte, über die Zerlegung von Wasser Leuchtgas für die Beleuchtung zu gewinnen. Dass die Alliance-Maschinen dann ganz anderen Zwecken dienten, wurde bereits in Kap. 4.7, Elektrische Energie, angesprochen. Die Grundidee, über Windenergie und nachfolgende Elektrolyse Wasserstoff als Energieträger zu erzeugen, wurde wohl bereits vor NOLLET diskutiert. 300 Realisiert wurde sie aber erstmals im Jahr 1891, als der dänische Windkraftpionier P. LA COUR eine Windkraftanlage mit einem „Elektrolyseur“ ausstattete. Das produzierte Gas diente einige Jahre (1895 -1902) der Beleuchtung einer Schule. 301 Abb.-7.3‐3: --Funktionsschema-von-Power‐to‐Gas-mit-Varianten; -Quelle: -Sterner,-Specht-et-alii,-dena,- 2009/ -2010--- Das Konzept ruhte für Jahrzehnte, bis es im 20. Jahrhundert als Baustein im Rahmen der Vision, die Energiewirtschaft als Wasserstoffwirtschaft neu zu denken, reüssierte. Zur 300 -So-berichtet-bei-Heymann,-M.,-Die-Geschichte-der-Windenergienutzung-1890-1990.-Frankfurt-/ -New- York-1995,-S.-54.- 301 -…-deren-Scheiben-allerdings-gelegentlich-zu-Bruch-gingen; -Quelle-Th.-Leitlein,-2007.- <?page no="434"?> 7 Wege zu Energiesystemen 434 Speicherung von regenerativ erzeugtem Strom im Rahmen der Energiewende war es dann nur ein kleiner Schritt. Konkrete Beiträge in der Fachwelt und der Literatur gehen jedoch nur bis zum Jahr 2005 zurück. Die Initiative zur praktischen Umsetzung ging von einem Unternehmen aus, das die Überführung in Wasserstoff für die einzige Möglichkeit hielt und nach wie vor hält, elektrische Energie großtechnisch zu speichern. Von diesem Unternehmen Enertrag stammte dann auch die Planung für die Kombination mit einem vorhandenen Windpark; das Projekt wurde 2009 begonnen und ging schließlich 2011 in Betrieb. Die Anlage, die als Hybridkraftwerk bezeichnet wird und von der Teile in Abb. 7.3-4 wiedergegeben sind, liefert Wasserstoff und speist ihn in das Gasnetz ein. Optional wird der Wasserstoff zwischengelagert und in Trailer abgefüllt oder unter Beimischung von Biogas in einem BHKW in Wärme und Strom überführt. Aus Vorarbeiten am Zentrum für Solarenergie- und Wasserstoffforschung in Stuttgart (ZSW) und am Institut für Solare Energieversorgungstechnik in Kassel (heute Fraunhofer- Institut für Windenergiesysteme, IWES) entwickelten M. SPECHT und M. STERNER ab 2009 die Idee der Methanisierung. Sie wurde anschließend zum Power-to-Gas-Konzept ausgearbeitet und mündete 2009 in einer Patent-Anmeldung 302 und einer ersten Dissertation zu Power-to-Gas, welche die alte Idee der chemischen Speicherung von Wind- und Solarenergie in den Kontext der Energiewende stellte und bekannt machte. STERNER verwendete dort noch den Begriff „Renewable Power Methane“. 303 Erst ein Jahr später ist das griffige „Power-to-Gas“ in Konferenzbeiträgen und Veröffentlichungen nachweisbar. - - - -Abb.-7.3‐4: -Hybridkraft‐ werk-von-Enercon-bei- Prenzlau; -Quelle: -- Strategieplattform-- Power-to-Gas,-dena- -- Im ZSW wurde eine erste, auf 25 kW ausgelegte Pilotanlage zur Methanproduktion nach dem PtG-Verfahren errichtet und 2009 angefahren. Zur Erprobung unter realtätsnahen Bedingungen wurde die Anlage 2011 von Unternehmen der Energiebranche im Hunsrück installiert und dort in Kombination mit einem Windpark und einer Biogasanlage getestet. 302 -Specht,-M.,-Sterner,-M.,-Stuermer,-B.,-Frick,-V.,-Hahn,-B.,-Renewable-Power-Methane---Stromspei‐ cherung-durch-Kopplung-von-Strom-und-Gasnetz---Wind/ PV‐to‐SNG-(DP-DE-2009-018-126.1).- 303 -Sterner,-M.,-Bioengy-and-renewable-power-methane-in-integrated-100%-renewable-energy-systems,- Diss.-Kassel-2009.- <?page no="435"?> 7 Wege zu Energiesystemen 435 Am ZSW wurde darauf im Oktober 2012 eine mit 250 kW Leistung zehnfach größere Versuchsanlage in Betrieb genommen, die vom Umweltministerium (BMU) gefördert war und mehrere Methanisierungsvarianten durchspielen sollte. 304 Nach den ersten Erfolgen gewann PtG rasch an Publizität und politischer Resonanz. PtG gilt heute schon als Schlüsseltechnik der deutschen Energiewende. Inzwischen gibt es in Deutschland eine Vielzahl von Pilotprojekten zu ihrer weiteren Entwicklung. Grenzen und Verwendungsperspektiven So überzeugend der Grundgedanke ist, so wenig befriedigen - zurzeit noch - die Wirkungsgrade. Abb. 7.3-5 weist für den Stand von 2009 aus, dass bei einer Rückwandlung in Strom etwa 65 % der zugeführten „grünen“ Energie verloren gehen - entsprechend einem Wirkungsgrad von 35 %. Derzeit liegen die maximalen Gesamtwirkungsgrade der PtG-Prozesse und anschließender Rückverstromung knapp unter 50 %. Das ist trotz deutlicher Verbesserung nach wie vor unbefriedigend. Man kann das allerdings auch anders sehen und bewerten: Aus Überschusssituationen heraus abgeschaltete Windparks haben einen Wirkungsgrad von 0 %. Abb.-7.3‐5: - Wirkungsgrade- bei-PtG; -Qelle: -Specht,-M.,- urspr.-IWES-2009- PtG hat eine Mehrzahl von Nutzungspfaden, wie das in Abb. 7.3-6 angedeutet ist. Die Verwendungsmöglichkeiten konzentrieren sich auf: ● Energietransport über Gas als Energieträger ● Stromspeicherung im Gasnetz ● Verwendung als Kraftstoff im Verkehrssektor (H 2 oder Methan) ● Energieträger für die Wärmeversorgung (Methan) ● stoffliche Nutzung in der Industrie (H 2 , ggf. auch Methan) ● Umweltschonung, da Kohlendioxid-Senke 304 -Nach-wikipedia.org/ wiki/ Power‐to‐Gas,-Abruf-4.05.2019.- <?page no="436"?> 7 Wege zu Energiesystemen 436 Abb.-7.3‐6: -Nutzungspfade-von-PtG; -Quelle: -Strategieplattform-PtG,-dena- Am Interessantesten ist dabei die Verwendung des ohnehin vorhandenen Erdgasnetzes und der zugehörigen Erdgasspeicher im Sinne von ● Transportleistung, ● Speicherleistung. - - - - - - Abb.-7.3‐7: -Wasser‐ stofftransport-von-der- Küste-zum-Süden; - Quelle: -- Netzentwicklungsplan- der-Ferngasleitungbe‐ treiber-2012- - <?page no="437"?> 7 Wege zu Energiesystemen 437 Wenn man in die Zukunft schaut, könnte sich z. B. der Transport von Erneuerbaren Energien über das Gasleitungsnetz wie in Abb. 7.3-7 darstellen - wobei hier allein die direkte Beimengung von Wasserstoff unterstellt ist (die mit 10 % tolerabel ist). Auch im Süden Deutschland sind nach einer Simulation noch um die 30 % des beigemengten Wasserstoffs nachweisbar. Der hier angesprochene Transportaspekt hat Gewicht ‒ ob es sich nun um Wasserstoff als Beimengung oder um eingespeistes Methan handelt. Eine 900-mm-Ferngasleitung hat (auf Methan bezogen) den gleichen Energiedurchsatz wie fünf oder sechs 380-kV-Hochspannungstrassen. Wenn man in Rechnung stellt, dass mittlerweile der Neubau einer einzigen solchen Stromtrasse auf große Akzeptanzprobleme stößt und nur sehr schwer in der Bevölkerung durchsetzbar ist, ist Ferntransport von Energie mit Gas als Energieträger über existierende Leitungen damit eine attraktive Alternative. Die nachstehende Abb. 7.3-8 demonstriert, dass sich in den bereits bestehenden Netzen die Transportkapazität um eine Größenordnung unterscheidet - zugunsten der Ferngasleitungen. - Abb.-7.3‐8: -Transport‐-und-Speicherkapazitäten-der-konkurrierenden-Netze; -- Quelle: -Fraunhofer‐Institut-für-Windenergiesysteme-(IWES),-2011- Der andere Aspekt, die Speicherung elektrischer Energie, wird über den Energieträger Gas gleich mit bedient. Nach IWES benötigt Deutschland im Jahr 2050, wenn nach den Planungen der Energiewende 80 % des elektrischen Stroms aus erneuerbaren Quellen stammen sollen, zum Ausgleich saisonaler Schwankungen bei Wind und Sonne, Speicherkapazitäten von 30 TWh. Diese Menge lässt sich im Erdgasnetz unproblematisch unterbringen - seine Speicherkapazität auf der Basis von Methan liegt bei mindestens 120 TWh el , (nach anderen Angaben sogar bei 200 TWh el und darüber). <?page no="438"?> 7 Wege zu Energiesystemen 438 Die deutschen Pumpspeicherkraftwerke als einzige bisher großtechnisch verfügbare Stromspeicher haben dagegen eine Kapazität von nur 0,04 TWh, s. Abb. 7.3-8. Sie sind außerdem keine Langzeitspeicher, sondern für eine Nutzungsdauer im Stundenbereich ausgelegt. Zwar haben Pumpspeicherwerke einen deutlich höheren Wirkungsgrad (zwischen 70 % und 85 %), ihre Wirtschaftlichkeit hängt jedoch an den sehr erheblichen Investitionen und den rar und teuer gewordenen Flächen. Die installierte Leistung wird ausgebaut, wenn auch nur langsam. Sie wird in Deutschland auch langfristig aus wirtschaftlichen wie politischen Gründen nie die Speicherfähigkeit des Erdgasnetzes erreichen können, wie schon in Kap. 6.2.1 näher erläutert. PtG, insbesondere im Technologiepfad Methanisierung, wäre damit eine zukunftsweisende Lösung sowohl für das Transportwie das Speicherproblem. So sieht es auch die unabhängige PROGNOS: „Grundsätzlich bildet Power-to-Gas eine vielversprechende und schnell verfügbare Option, die beabsichtigte Integration der erneuerbaren Energieträger in das Energiesystem zu ermöglichen“. 305 Die bisher vorliegenden Kostenabschätzungen sind nicht einheitlich und divergieren je nach Interessenlage der Gutachter. Zudem gehen die Betriebsstunden der Anlagen empfindlich ein, wie Abb. 7.3-9 deutlich macht. Man entnimmt der Grafik Stromgestehungskosten zwischen 10 und 35 ct/ kWh - das ist auch die Größenordnung anderer Berechnungen, wenn man einen Strombezugspreis von 0 ansetzt. Abb.-7.3‐9: -Speicherkosten-in-Abhängigkeit-von-der-Auslastung; -Quelle: -Netzbetreiber-TENNET- Der hohe Preis scheint zunächst ein Hindernis für die Umsetzung zu sein. Jedoch gibt es erhebliche Reserve, deren Hebung zu Kostensenkungen führen würde. Hinzu kommt, dass die richtigen Größen miteinander verglichen werden müssen. Dies sind nicht die normalen Stromgestehungspreisen aus Kraftwerken, sondern die Bezugspreise aus Pumpspeicheranlagen. Der Vergleichswert hierfür wäre 3-11 ct/ kWh - wiederum bei einem 305 Prognos-2012-und-Metaanalyse: -Flexibilität-durch-Sektorkopplung,-2016.- <?page no="439"?> 7 Wege zu Energiesystemen 439 Strombezugspreis von 0 ct/ kWh, den Tennet für den ganzjährigen PtG-Betrieb schon fast erreicht sieht. - -Abb.-7.3‐10: -Gas‐Gestehungs‐ kosten-mit-(oben)-und-ohne- Strombezugskosten-(unten); - Quelle: -Ch.-Brunner,-J.-Mich‐ aelis,-D.-Möst,-2015- Bricht man sie Umwandlungskette nach der Methanisierung ab und verbleibt so beim Gas, so ergibt sich ein etwas anderes Bild, vergleiche Abb. 7.3-10. Wie die Darstellung zeigt, erreicht man schon heute das Marktniveau, wenn man ganzjährigen Betrieb und Strombezugskosten von 0 €/ kWh unterstellt. Laufende Aktivitäten / Ausblick auf PtL und PtH Die dena hat die Strategieplattform Power-to-Gas ins Leben gerufen, die branchenübergreifend Erkenntnisse im Themenfeld bündelt. Zusammen mit den Partnern aus Wirtschaft, Verbänden und Wissenschaft untersucht sie im Rahmen dieser Plattform, welchen Beitrag die Speicherung von Strom über den Wasserstoff zur Integration erneuerbarer Energien in das Energiesystem leisten kann, welche Rahmenbedingungen dafür nötig sind und welche Perspektiven sich abzeichnen. 306 Abb.-7.3‐11: -Mittelfristige-Perspek‐ tiven-von-PtG; -Quelle: -dena- Zurzeit sind in Deutschland etwa 25 PtG-Anlagen mit jeweils im Einzelnen unterschiedlicher Technik und Zielsetzung im Probetrieb bzw. in der Errichtung. Sie haben durchweg den Charakter von Demonstrationsanlagen. 306 -Die-dena‐Strategieplattform-Power‐to‐Gas-ist-ein-Zusammenschluss-von-19-Unternehmen,-Verbän‐ den- und-Forschungseinrichtungen,-dena-2012.- <?page no="440"?> 7 Wege zu Energiesystemen 440 Man kann hinsichtlich der Perspektiven für die absehbare Zukunft etwa so formulieren: PtG-Anwendungen im Strom-, Gas-, Wärme- und Verkehrsmarkt sind möglich. Die Teilnahme am Regelenergiemarkt, der Einsatz als Stromspeicher und die Erzeugung und der Vertrieb von regenerativen Sekundärenergieträgern (H 2, SNG, synthetische Kraftstoffe) bieten sich als Geschäftsmodelle an. Die Entwicklung deutet die Abb. 7.3-11 nur an. Abb.-7.3‐12: - Gas-und-Treibstoffe-aus-grünen-Quellen; -Quelle: -Sterner,-M.,-IWES-2010,-dena- Statt der Erzeugung von Wasserstoff oder Methan können auch flüssige Kohlenwasserstoffe am Ende der Umwandlungskette stehen. Auch sie lösen das Transport- und Speicherproblem und haben zusätzlich den Vorzug, direkt und ökologisch sauber als Kraftstoff einsetzbar zu sein - auf der Basis Methanol auch für die Brennstoffzelle. Es sind verschiedene Erzeugungswege in Diskussion und Demonstration. A l s Zwischenbasis kann z. B. das Methan aus dem Power-to-Gas-Prozess genutzt werden. Das führt dann zu dem integrierten Versorgungssystem der Abb. 7.3-12. . Der speziell unter dem Logo „Sunfire“ favorisierte Prozess läuft über vier Stufen: ● Stromeintrag: Der im Prozess verwendete Strom muss über die öffentlichen Netze aus regenerativen Energiequellen bezogen werden. Auch die direkte Verbindung einer Sunfire-Anlage mit einem Stromerzeuger ist denkbar, jedoch in eher zivilisationsfernen Regionen zu bevorzugen. ● Elektrolyse: Wasser wird in Dampfform elektrolysiert. Anders als bei bekannten Verfahren wird die Abwärme der nachfolgenden Prozessschritte zur Erzeugung des Dampfes genutzt. Die Elektrolyse erreicht dann einen Wirkungsgrad deutlich über 90 %. ● Konvertierung: Kohlendioxid wird mit Wasserstoff aus der Dampfelektrolyse zu Kohlenmonoxid reduziert. Kohlendioxid kann durch Rückführung aus der Atmosphäre, aus Biogasanlagen oder anderen Prozessen gewonnen werden. ● Fischer-Tropsch-Synthese: Synthesegas (CO und H 2 ) wird zu Treibstoffen und anderen Rohprodukten für die Chemieindustrie umgewandelt. In der Synthese entsteht Wärme, die in die Dampfelektrolyse rückgeführt wird (s. oben). Damit wird für den gesamten Prozess ein Wirkungsgrad von ca. 70 % möglich. <?page no="441"?> 7 Wege zu Energiesystemen 441 Die Anwendungsbereiche der Synthese-Produkte sind vielfältig. So gewonnene Kraftstoffe sind hoch rein, da sie im Gegensatz zu fossilen Energieträgern keine Verunreinigungen enthalten (z. B. Schwefel). Ihre Molekülstruktur lässt sich dem jeweiligen Bedarf entsprechend anpassen. Somit können sie im Verkehrsbereich, aber auch der chemischen Industrie eingesetzt werden. Die verwendeten Techniken sind im Labormaßstab, z. T. auch in Demonstrationsanlagen erprobt. Die großtechnische Umsetzung und die Wirtschaftlichkeit stehen dahin. Seit wenigen Jahren gibt es noch eine weitere Verwendung für den Überschussstrom: Power-to-Heat (PtH). Auch hier ist der Grundgedanke einfach: Grünstrom dient zur Erwärmung von Wasser, entweder nach dem schon lange bewährten System eines Tauchsieders, naturgemäß in größeren, industriellen Dimensionen, oder über elektrisch betriebene Wärmepumpen. Die auf diese Weise gespeicherte Wärme kann vielfältig verwendet werden, zum Beispiel in Heizungsanlagen im Übergangsbetrieb oder zur Spitzenlastabdeckung, zur Warmwasserbereitung oder auch für Schwimmbäder, die dann auf Fremdheizung verzichten können. Die Speicher ersetzen dort konventionelle Energieträger. Die Anwendung PtG findet ihren Einsatz auch in Fernwärmenetzen für die Versorgung von Heizungs- und Warmwasseranlagen oder als Speisung von Fernwärmespeichern. Abb.7.3‐13: -PtA‐Projekte-ab-Inbetriebnahme-2016; -Quelle: -Stenzel,-P.,-Linssen,-J.,-Stolten,-D.-(FZJ),-- Gottke,-V.,Teschner,-H.-(BVES): -Energiespeicher,-in: -BWK-Bd.-70,-2018,-Tab.-6- <?page no="442"?> 7 Wege zu Energiesystemen 442 Energiewirtschaftlich sinnvoll ist der Einsatz von Power-to-Heat-Anlagen ● in der Bereitstellung negativer Regelleistung, ● bei negativen Börsenpreisen, ● zur Nutzung sonst abgeregelten Grünstroms, ● zur Optimierung des eigenen Energieportfolios, ● bei geforderten kurzen Reaktionszeiten, ● als Ersatz, konventioneller Wärmebereitstellung. Die einfache Technik hat inzwischen zu marktgängigen Anwendungen geführt, z. B. bei den TW Ludwigshafen, die 2014 eine Anlage für 10 MW el errichtet haben. Wie weit die PtA-Techniken insgesamt inzwischen fortgeschritten sind, ist aus vorstehender Übersicht der Abb.7.3-13 abzulesen. Energiewirtschaft Die universelle Anwendbarkeit der Elektrizität war für ihre Entwicklung prägend. Mit ihrer immer weiteren Verbreitung seit den 1890er Jahren wurde die Elektrizitätsversorgung zunehmend als öffentliche Aufgabe wahrgenommen, die für das Individuum wie auch für die Gesellschaft lebensnotwendig schien. Zugleich wurden zur Minderung des Investitionsrisikos im kartellfreundlichen Klima der Zeit unter den Energieversorgungsunternehmen (EVU), deren sich regional ausdehnende Versorgungsgebiete nun berührten, Gebietsabsprachen getroffen, die sog. Demarkationsverträge, um Konkurrenz in einem Versorgungsgebiet endgültig auszuschließen. Es zeigte sich ein Auseinanderfallen des rentablen städtischen und des spärlich besiedelten unrentablen ländlichen Raums. In der Folge begannen die Länder, um ihre wirtschaftsbzw. strukturpolitischen Interessen zu wahren, aber auch um an den Gewinnen zu partizipieren, sich unternehmerisch zu betätigten. Das Reich ging 1917 ebenfalls unter die Großversorger. Der Kreis der befassten staatlichen Gliederungen wuchs parallel zum technischen Fortschritt und der Ausdehnung des Versorgungssystems. Die zumeist privatrechtlichen Gesellschaften emanzipierten sich jedoch in ihrer unternehmerischen Tätigkeit und agierten nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Infolge dieser Entwicklung bildeten sich zwei Wirtschaftslager: Großunternehmen, die zumeist staatliche oder gemischt-wirtschaftliche waren, und kleine Versorger, die zu einem großen Teil von Kommunen betrieben wurden. Neben dem Widerstand der EVU - dieser ganz unabhängig vom Eigentümer - verhinderten die Rivalität der staatlichen Ebenen und mangelnde Gesetzgebungskompetenzen bis zum Anfang der 1930er Jahre jede gesetzliche Regelung des Energiesektors auf Reichsebene. Damit richtete sich die Energieversorgung - neben diversen Landesrechten - nach Zivilrecht und der Reichsgewerbeordnung, beschränkt durch das allgemeine Polizeirecht. Neben der Wahrnehmung des öffentlichen Interesses durch Konzessionsverträge erfolgte <?page no="443"?> 7 Wege zu Energiesystemen 443 der Schutz der Verbraucher vor einem Monopolmissbrauch durch das Reichsgericht mittels der Statuierung eines Kontrahierungszwangs. So blieb die Frage der legislativen Erfassung durch das Reich zur strukturellen, wirtschaftlichen und sozialen Einflussnahme aktuell. Energiewirtschaftsgesetz Im frühen 19. Jahrhundert hielt mit den preußischen Reformen die Idee des Liberalismus Einzug in die Gesetzgebung zunächst Preußens, später auch der anderen deutschen Länder und schließlich auch des deutschen Staates, die insgesamt bis dahin nach dem Vorbild anderer kontinentaleuropäischer Staaten merkantilistisch ausgerichtet waren. Nun agierte der Staat im Spannungsfeld zwischen der neuen Idee des freien Wettbewerbs und der tradierten Idee einer staatlich geführten Wirtschaft. Dazwischen entstand der Raum für Regulierung, von der in der Mitte 1930er Jahren dann mit dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) Gebrauch gemacht wurde. Es erscheint aus heutiger Sicht als dirigistische Frühform von Regulierung, die einem indirekten staatlichen Versorgungsmonopol nahekam, so dass das EnWG 1935 zwischen Tradition und Neuanfang stand. 307 Es hatte seine eigene Vorgeschichte. Um das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts wurden im deutschen Reich die gesellschaftlich umwälzenden Folgen des Industrialisierungsprozesses, wie Massenurbanisierung, sich auflösende soziale Sicherungs- und Versorgungsstrukturen, deutlich. Die soziale Not, die in den wachsenden Städten auftrat, führte zu der Frage, wie dieser zu begegnen sei. Der Fokus richtete sich aus den durchlebten Krisenerfahrungen heraus auf die Rolle des Staates, denn einerseits hatte die Gründerkrise nach 1873 das Vertrauen in die Kräfte des Marktes erstmalig erschüttert und andererseits war der Staat nach dieser Krise immer wieder durch seine fiskalischen Unternehmungen als sozialer Gestalter aufgetreten. Dieses faktische Einschreiten des Staates war erneut gefragt, als es um die Bewältigung der sozialen wie auch wirtschaftlichen Folgen des ersten Weltkriegs und um das Überleben in den anschließenden Inflationsjahren ging und dort nochmals eine Steigerung erfuhr. Interventionen solcher Art konnten auf Dauer nicht in ad-hoc-Maßnahmen bestehen. Eingriffe des Staates bedurften vielmehr der Eingliederung in das Feld des Rechts. Das wirtschaftliche Handeln staatlicher Träger auf dem Gebiet der Aufgaben von öffentlichem Interesse war dabei zu dieser Zeit schon selbstverständlich, so dass Gemeinwohlaufgaben ihrer Natur nach als Staatsaufgaben verstanden wurden. Von E. FORSTHOFF stammt der Begriff der Daseinsvorsorge. Die Wahrnehmung der Daseinsverantwortung konnte dabei auch durch lenkende und beaufsichtigende Verwaltung erfolgen. 307 -Dieser-und-folgende-Absätze-unter-Verwendung-von-Kehrberg,-Jan-O.-C.: -Die-Entwicklung-des-Elek‐ trizitätsrechts-in-Deutschland-‐-Der-Weg-zum-Energiewirtschaftsgesetz-von-1935,-Peter-Lang-1996-und- Rezension-Leuschner.- <?page no="444"?> 7 Wege zu Energiesystemen 444 Somit ist festzuhalten, dass im Rechtsverständnis schon vor Erlass des EnWG eine Abwendung vom reinen Wettbewerb stattgefunden hatte und wirtschaftliche Intervention sogar als den Staat legitimierender Wesenszug verstanden wurde. Hinzu kam die nationalsozialistische Wirtschaftsideologie, die für die allgemeine Misere das Versagen des als liberal bezeichneten Systems der Weimarer Republik ansah. Die Idee der des Eigennutzes zur Förderung des Gemeinwohls, wie sie von A. SMITH formuliert worden war, wurde zum gescheiterten Experiment erklärt. Dem sollte ein quasireligiöser Dienst an der Volksgemeinschaft entgegengesetzt werden. Der Wert des Individuums wurde negiert. Ziel der neuen Wirtschaftsgesinnung war die Errichtung eines nationalen Sozialismus. (National)Sozialistisch war Handeln, das sich am postulierten Primat der Volksgemeinschaft orientierte. Dabei war man stets darum bemüht, das eigene Verständnis des Begriffs Sozialismus als Geisteshaltung vom marxistischen Wirtschaftsmodell abzugrenzen. Der Staat sollte führen, jedoch die Wirtschaft sich selbst verwalten. Dem entsprach die organisatorische Neuordnung der Wirtschaft im Sinne des Führerprinzips in den sog. nationalsozialistischen Selbstverwaltungskörperschaften, die aus der Umwandlung der Wirtschaftsverbände durch das „Gesetz zur Vorbereitung des organischen Aufbaus der deutschen Wirtschaft“ hervorgegangen waren. Sie waren Untergliederungen in der Befehlskette und dienten gerade der Ausführung des potenziellen Durchgriffs von oben. Die leitenden Organe wurden von der übergeordneten Behörde besetzt; den Mitgliedern war nur eine beratende Funktion zugedacht. Weiterhin musste das Recht von liberalem Gedankengut befreit werden. Das betraf auch die Neudefinition der Grundbegriffe der bisherigen Wirtschaftsordnung, der subjektiven Rechte im Allgemeinen und des Eigentums im Besonderen. Von nun an war es „gemeinschaftsgebundene Befugnis“. Somit bestimmte die Gemeinschaft, deren Wille im Führer ihren Ausdruck fand, also letztlich der Führer oder die von ihm durch Delegation Ermächtigten, willkürlich den Rechtsinhalt. Zugleich wurden an die leitenden Organe der Selbstverwaltung Führungsbefugnisse delegiert. So sollte das freie Spiel der Kräfte in das Führerprinzip integriert werden, indem es zwar grundsätzlich erhalten, aber unter den Vorbehalt der Führerwillkür gestellt wurde. Das bedeutete, dass eine nationalsozialistische Gestaltung des Rechts der Wirtschaft sich auf die Durchsetzung des Führerprinzips und dessen Einsatz nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten im Rahmen der nationalsozialistischen Gesetzgebungstechnik durch Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe beschränkte. Das heißt zugleich, dass es zwar ein allgemeines Konzept der Führung der Wirtschaft gab, aber kein wirtschaftliches Konzept und insbesondere auch kein energiewirtschaftliches Konzept. Dieses war somit ausschließlich davon abhängig, welchen Plan die zuständigen Persönlichkeiten vertraten. Jedoch war das Selbstbild des alles durchdringenden und die Volksgemeinschaft hütenden totalitären Staates mit vorher und gleichzeitig aufkommenden Ideen, die einen leistenden Staat erstrebten, kompatibel und diente diesen als Katalysator. <?page no="445"?> 7 Wege zu Energiesystemen 445 Zum Zeitpunkt der Machtergreifung fehlte dem Reich die Kompetenz zum Erlass eines EnWG. Durch das Ermächtigungsgesetz („Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ von 1933) hob die Reichsregierung die Gewaltenteilung auf und sicherte sich umfassende Machtvollkommenheit. Infolge mehrerer Gesetze 308 büßten die Länder ihre Selbständigkeit ein. Das Landeseigentum an Energieversorgern fiel an das Reich. Damit war es zum Eigentümer oder Anteilseigner eines großen Teils der Großkraftwerkswirtschaft geworden. Durch die neue Deutsche Gemeindeordnung vom Januar 1935 wurden die Kommunen der Reichsaufsicht unterstellt und ihre Freiheit zu wirtschaftlicher Betätigung eingeschränkt. Schließlich wurden durch Gesetz die Selbstverwaltungskörperschaften der Wirtschaft geschaffen, die der Exekutive den Zugriff auf jedes Unternehmen ermöglichten. Somit hatte die Reichsregierung grundsätzlich die Kontrolle über alle Akteure des Energiesektors. Das EnWG setzte hauptsächlich ein vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebenes Gutachten der AG für deutsche Elektrizitätswirtschaft - einer 1928 gegründeten Lobbyorganisation der Großkraftwirtschaft - um. Das Gutachten trat für den Ausbau der Großkraftwerks- und Verbundwirtschaft ein. Es dürfte günstig gewesen sein, dass mit dem Reichsbankpräsidenten H. SCHACHT ein wirtschaftsnaher Gegner der kommunalen Wirtschaft an der Spitze des Reichswirtschaftsministeriums stand, der fast dreißig Jahre zuvor ein ähnliches Konzept entworfen hatte. Das Gesetz vom 13. Dezember 1935 umfasste schließlich zwanzig Paragrafen. Die Präambel brachte „den Gehalt des Gesetzes zum Ausdruck“. Schon in den ersten Worten wurde die Bedeutung der Energiewirtschaft für das Gemeinwesen anerkannt und die gemeinsame Wahrnehmung dieser öffentlichen Aufgabe durch Wirtschaft und Gebietskörperschaften bestätigt. Ziel des Energiewirtschaftsgesetzes war, „die Energieversorgung so sicher und billig wie möglich zu gestalten“. Dazu bedurfte es danach der einheitlichen Führung und der Sicherung des „notwendigen öffentlichen Einflusses, des wirtschaftlichen Einsatzes der Energiearten, der Förderung der Verbundwirtschaft und schließlich der Verhinderung von volkswirtschaftlich schädlichen Auswirkungen des Wettbewerbs“. In § 4 EnWG, der eine staatliche Investitionsaufsicht verfügte. sah man eine der Kernvorschriften des EnWG, durch die das Reichswirtschaftsministerium ein starkes Mittel struktureller Steuerung zur Erreichung der Gesetzesziele erhielte. Die Einführung der Investitionsaufsicht sollte dem als unzureichend bezeichneten Ausbau des Verbundnetzes und der Missachtung von verteidigungspolitischen Interessen durch die Instrumente von Untersagung und Auflage begegnen. Fehlinvestitionen sollte somit vorgebeugt werden. Diese Erwägungen galten auch für die Kontrolle über Eigenanlagen (§ 5). Zugleich wurde vertreten, dass es damit keine Konzessionierung der energiewirtschaftlichen Tätigkeit „im eigentlichen Sinne“ gäbe. Andernorts wurde § 4 EnWG jedoch die praktische Wirkung 308 -Vorläufiges-Gesetz-zur-Gleichschaltung-der-Länder-mit-dem-Reich,-vom-31.-März-1933; -Zweites-Ge‐ setz-zur-Gleichschaltung-der-Länder-mit-dem-Reich,-vom-7.-April1933; -Gesetz-über-den-Neuaufbau-des- Reiches,-vom-30.-Januar-1934; -Gesetz-über-die-Aufhebung-des-Reichsrates,-vom-14.-Februar-1934; - „Reichstatthaltergesetz“,-vom-30.-Januar-1935.- <?page no="446"?> 7 Wege zu Energiesystemen 446 eines Genehmigungsvorbehalts zugemessen. § 5 EnWG sollte der Umgehung entgegenwirken. Damit durchbrach der Gesetzgeber die Gewerbefreiheit, um schädlichen Wettbewerb zu verhindern. Die wirtschaftliche Gestaltung der Konditionen durch den Reichswirtschaftsminister (§§ 6, 7) wurde als unmittelbarer Eingriff gesehen, dem seitens der Versorger ein Schutzanspruch bei der Tarifgestaltung zugunsten ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gegenüberstehen sollte. Hätte ein Energieversorger die Versorgungspflicht nicht erfüllen können, sollte der Betrieb untersagt werden und ein anderer Energieversorger mit der Wahrnehmung der Versorgung verpflichtend beauftragt werden (§ 8). Dies konnte bis zur Übernahme der Verfügungsgewalt über das Eigentum des zu ersetzenden Versorgers gehen. Entsprechend der nationalsozialistischen Interpretation des Eigentums stellte dies allerdings nur dessen Konkretisierung und keinen Eingriff dar. Schließlich konnte nach § 9 EnWG auf Anordnung des Reichswirtschaftsministers enteignet werden. Als Anwendungsfall für die Befugnisse nach §§ 8, 9 EnWG wurde insbesondere der Zwangsanschluss von Gemeindebetrieben an größere Versorger angesehen. Es wurde unterstellt, dass Untersagung und Enteignung nur als Ultima Ratio eingesetzt werden würden. Nach J. DARGE, Referent bei der Abfassung des Gesetzes, ging es im EnWG um die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe Energieversorgung, die durch das Gesetz zur Hoheitsaufgabe geworden wäre. Die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe sollte durch staatliche Ordnungsmittel gesichert werden. Daher würde das Reich auch nicht als Unternehmer, sondern nur als „oberstes Aufsichtsorgan der Wirtschaft“ (§ 1) agieren. Die Tätigkeit der Unternehmen würde zur Wahrnehmung einer „öffentlichen Pflicht“, der sog. Versorgungsaufgabe. Dies geschehe „in Einordnung unter die Gesamtaufgabe des Staates“. Mitunter wurde energiewirtschaftliche Tätigkeit als ‚öffentliche Verwaltung‘ bezeichnet, die privatrechtlichen Unternehmen zur selbständigen Ausführung unter Lenkung des Staates auferlegt würde. Damit konnte danach „übergeordneten Gesichtspunkten Rechnung getragen werden.“ Hinsichtlich des Verhältnisses des EnWG zum Wettbewerb äußerten sich die Zeitgenossen ambivalent. Aus der Präambel wäre nicht zu schließen, dass der Wettbewerb ausgeschlossen werden sollte. Explizite Erwähnung fand ein moderater Wettbewerb zwischen den Energieträgern Gas und Elektrizität. Es wurde angemerkt, dass weiterhin Wettbewerb zwischen öffentlichen Energieversorgern und Eigenversorgern bestünde, und auf die Bedeutung des Wettbewerbs als Fortschrittsmotor hingewiesen. Hingegen verwies Y. SCHACHT als Motiv für die Einrichtung der Reichsaufsicht darauf, dass die zuvor freie wettbewerbliche Entwicklung trotz ihrer Leistungen auch zu wirtschaftlichen Schäden geführt und strukturbzw. wehrpolitischen Zielen im Wege gestanden hätte. Im Wettbewerb im selben Versorgungsgebiet wurde eine Gefahr für die öffentliche Versorgung gesehen. Defizite bezüglich der Regelungsziele wurden auch in der amtlichen Begründung als Beweggründe für die Einführung einer einheitlichen Führung genannt. Jedoch wurde betont, dass die „elastische Ordnung“ des EnWG die Vertragsfreiheit aufrechterhielte und niemand daran gehindert wäre, in den Markt einzutreten oder in ihm zu agieren. Die freie Unternehmerinitiative war danach weiterhin gefragt. Tendenziell würden den Unternehmen möglichst große Spielräume gelassen, sofern das öffentliche Interesse <?page no="447"?> 7 Wege zu Energiesystemen 447 keinen Eingriff der Aufsichtsbehörde erforderte. Allerdings gab es auch Äußerungen, wonach durch die Einrichtung der Reichsaufsicht der energiewirtschaftliche „Wirtschaftsraum […] aus politischen Gründen nicht länger dem freien Spiel der Kräfte überlassen [wäre]“. DARGE beschrieb das Energiewirtschaftsgesetz als einen Mittelweg zwischen Planwirtschaft und liberalem „laissez faire“. Das EnWG 1935 umfasste Normen, die den Markteintritt (§§ 4,5) oder -austritt (§§ 8, 9) regelten. Weiterhin bestand ein Kontrahierungszwang, und es waren die allgemeinen Versorgungskonditionen genehmigungsbedürftig (§§ 6, 7). Marktzutritt, Preisbildung und Ausübung der Energieversorgung wurden aufgrund eines Marktversagens nicht mehr dem Markt überlassen. Damit war das EnWG nach der vorausgesetzten Definition ein Regulierungsgesetz. Die bisher im Rahmen der Konzessionsverträge entwickelten Steuerungsinstrumente wurden in Gesetzesform überführt. Dies kam einer Abkehr von liberalen Lehren in Gesellschaft und Rechtswissenschaft gleich. Mit der Einwirkung auf die wesentlichen Wettbewerbsparameter knüpfte man an vorliberales Gedankengut an. Jedoch fand - auch das ist zu betonen - keine vollumfängliche Verstaatlichung der Energiewirtschaft statt. Im Spektrum der möglichen Regulierungsformen richtete sich das EnWG nicht auf die Wiederherstellung eines funktionierenden Wettbewerbs, sondern auf dessen Substitution. Daher erscheint es aus heutiger Sicht als dirigistische Frühform von Regulierung, die einem indirekten staatlichen Versorgungsmonopol nahekam, so dass das Energiewirtschaftsgesetz 1935 zwischen Tradition und Neuanfang stand. Das EnWG überdauerte Drittes Reich und Krieg und blieb In der Bundesrepublik mit einigen Novellierungen bis 1998 in Kraft. Die aus ihm stammende kommunale Daseinsvorsorge hat Eingang in das Grundgesetz der Bundesrepublik gefunden. Energiewende Durch die politische Entscheidung einer „Energiewende“ mit den Basiselementen „Verzicht auf Kernenergie“ und „CO 2 -Vermeidung“ sehen sich die Energiewirtschaft, die gesamte Wirtschaft und schließlich auch jedes Individuum in Deutschland grundlegenden Veränderungen gegenüber. Im Einzelnen gehören dazu die Bedingungen:  Ausstieg aus der Kernenergie bis Ende 2022  Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch bis zum Jahr 2020 auf 18 %, bis 2030 auf 30 %, bis 2040 auf 45 % und bis 2050 auf 60 %.  Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch auf 35 % bis 2020, auf 50 % bis 2030, auf 65 % bis 2040 und auf 80 % bis 2050.  Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 %, bis 2030 um 55 %, bis 2040 um 70 % und bis 2050 um 80 bis 95 %. <?page no="448"?> 7 Wege zu Energiesystemen 448  Reduktion des Primärenergieverbrauchs bis 2020 um 20 % und bis 2050 um 50 %.  Steigerung der Energieproduktivität auf 2,1 % pro Jahr in Bezug auf den Endenergieverbrauch.  Reduktion des Stromverbrauchs bis 2020 um 10 % und bis 2050 um 25 % (gegenüber 2008).  Gebäude: Reduktion des Wärmebedarfs bis 2020 um 20 % und Reduktion des Primärenergiebedarfs um 80 % bis 2050 (gegenüber dem Basisjahr 1990). Die Sanierungsrate für Gebäude soll auf 2 % verdoppelt werden. Schon gegenwärtig wandelt sich die Strukturen der Energieversorgung, zumal die „Wende“ mit einem Ausstieg aus der Steinkohlegewinnung (2018) und längerfristig der Kohle- und der Erdölverwendung verbunden ist. Speziell die Stromversorgung hat sich bereits jetzt in Abkehr vom bisherigem Grundverständnis hin zu einer Mischung aus zentraler und dezentraler Einspeisung entwickelt, s. Abb. 7.4-1. Reduziert man die Ziele, die ja Übergänge beschreiben, auf den Zustand im Jahr 2050, so bedeutet das:  2050 muss Deutschland ohne Steinkohle, Braunkohle, Benzin, Diesel und Heizöl auskommen.  Die konventionellen Kraftwerke sind 2050 verschwunden, bis auf einige Gaskraftwerke.  Der Verkehr ist vollständig auf Elektroantriebe umgestellt.  Die Gebäude sind auf minimalen Energieverbrauch umgerüstet. Für die häusliche Versorgung stehen nur Strom und Erdgas zur Verfügung. Wie tiefgreifend die Einschnitte durch die Energiewende sind, kommt am ehesten in der Zuspitzung zum Ausdruck: Die Energieversorgung ist künftig mehrheitlich auf Strom umgestellt, und der kommt (überwiegend) aus Meereswindparks und Photovoltaik (oder dem Import). Es verbleibt ein Rest Gas für die Gebäudeheizung, wobei Erdgas zunehmend durch "grünes Gas" substituiert wird. Der Weg zur Umsetzung der Energiewende war und ist begleitet von zahlreichen Gesetzen und Verordnungen. Ende der 1980er Jahre setzten die Fördermaßnahmen für erneuerbare Energien ein. Eine wichtige Wegmarke war dann 1990 der Beschluss des Stromeinspeisungsgesetzes. Während der rot-grünen Bundesregierung (1998-2005) wurde die Energiepolitik dynamisch. Die Einführung der Ökosteuer auf Energieverbräuche, das 100.000-Dächer-Programm, die Einführung des EEG sowie die Vereinbarung zum Atomausstieg markieren hier die Stationen auf dem Weg zur Wende und wurden bis zum Jahr 2001 gültiges Recht. <?page no="449"?> 7 Wege zu Energiesystemen 449 Abb.-7.4‐1: -Stromversorgung-der-Bundesrepublik-2017; -Quelle: -BMWi- Das zeigte Wirkungen, insbesondere sichtbar im Strommix. Der Anteil erneuerbarer Energien nahm drastisch zu, von 29 TWh im Jahr 1999 auf 161 TWh im Jahr 2014. Dagegen sank die Lieferung aus Kernkraftwerken von 170 TWh im Jahr 2000 auf 97 TWh. Weniger deutlich ging der Kohlestrom von 291 TWh auf 265 TWh zurück. <?page no="450"?> 7 Wege zu Energiesystemen 450 In Politik und Gesellschaft ergab sich eine Änderung in der Wahrnehmung regenerativer Quellen: Die erneuerbaren Energien wurden jetzt als Alternative zum Status Quo gesehen und sollten die die fossil-nukleare Energieerzeugung und -versorgung im Laufe des 21. Jahrhunderts ersetzen. Die zunächst von der bürgerlichen Regierung beschlossene Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke wurde durch die Nuklearkatastrophe von Fukushima revidiert und die Abschaltung der letzten Kernkraftwerke für 2022 vorgegeben. - - - - - - - -- Abb.-7.4‐2: --Netzentwicklungssplan- Strom-der-Bundesnetzagentur,- Stand-2016; -Quelle: -Bundesnet‐ zagentur- Das wichtigste Gesetzesvorhaben war wohl das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das die bevorzugte Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Quellen ins Stromnetz regelt und deren Erzeugern feste Einspeisevergütungen garantierte. Unter seinem Einfluss verändert sich die Stromversorgung auf die bereits in Abb. 7.4-1 dargestellte Weise. Die zuständige Bundesnetzagentur hat deshalb zur Sicherstellung der Versorgung den Zubau von Nord-Süd-Trassen für das Übertragungsnetzwerk beschlossen, wie sie im sog. Netzentwicklungsplan der Abb. 7.4-2 ausgewiesen sind. Als Technik wird hier, erstmals für innerdeutsche Strecken, In einigen Versorgungssträngen die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) zur Verwendung kommen. Lange Zeit war umstritten, ob und inwieweit eine unterirdisch verlegte Kabelführung gewählt wird. Inzwischen ist klar, dass Kabel, die pro km etwa viermal so teuer sind wie <?page no="451"?> 7 Wege zu Energiesystemen 451 Freileitungen, nur in siedlungsnahen Teilstrecken verwendet werden sollen. Die Trassenführung im Einzelnen und speziell der Standort der DC-AC-Konverter sind nach Stand von 1918 nach wie vor umstritten, da Bürgerbeteiligung in den Vorhaben gesetzlich vorgeschrieben ist und in der Bevölkerung erhebliche Akzeptanzprobleme bestehen, s. auch Kap. 8.3. Parallel zur zunehmenden Bedeutung der regenerativen Energien und den politischen Entscheidungen zu einer Energiewende vollzog sich eine fundamentale Änderung in den rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Strommarktes, die durch die beiden Pole Liberalisierung und Regulierung geprägt war und ist. Liberalisierung Entlang des Energiewirtschaftsgesetzes von 1935 entstand über 60 Jahre hinweg ein Netz von Versorgungsunternehmen, das vor allem eines gewährleisten sollte: eine sichere und störungsfreie Energieversorgung für Industrie und Haushalte. Das EnWG sah so genannte Demarkationsverträge vor: Jeweils ein Energieversorger sollte eine Region exklusiv versorgen. Am Ende waren es acht Verbundunternehmen, rund 80 Regionalversorger und insgesamt über 900 Stadtwerke, die die Versorgung von Unternehmen und Privaten sicherstellten. Der Aufbau konkurrierender Netze war durch die Demarkation bewusst ausgeschlossen und zeichnete den Weg in natürliche Monopole vor. Mitte der 90er-Jahre setzen zwei Entwicklungen ein, welche die rechtliche Struktur der Energielandschaft nachhaltig verändern sollten: Langsam, zuerst in lokalen und regionalen Nischen, keimte Wettbewerb durch kleine Anbieter auf. Gleichzeitig setzte in Berlin und Brüssel eine politische Debatte ein, die auf Regelungen drängte und mehr Wettbewerb in den europäischen Energiemärkten forderte. Das Ergebnis war das Ende der natürlichen Monopole und damit die Öffnung des Energiemarktes durch das neugefasste EnWG von 1998. Die Festlegung auf einen „diskriminierungsfreien Netzzugang“ stellte eine große Herausforderung für die Branche dar: Mit unmittelbarer Wirkung sollte der Energiemarkt vollständig liberalisiert werden. In den Folgejahren führte das zu einem - aus Sicht der neuen Marktteilnehmer - ruinösen Wettbewerb, dem zahlreiche junge Unternehmen nicht gewachsen waren. Ziel des neuen EnW-Gesetzes war das so genannte „Magische Dreieck“: Eine möglichst sichere, preisgünstige, umweltverträgliche Energieversorgung. Nachdem eine Vielzahl von neuen Unternehmen die gesetzliche Liberalisierung nach 1998 zum Markteintritt nutzte, kam es zu einem starken Preisverfall. Von dieser Entwicklung profitierten sowohl die Industrie als auch die privaten Haushalte. Der Strompreis verringerte sich beispielsweise bis zum Jahr 2000 um 27 %. Der daraus resultierende Kostendruck bei den Energieversorgern markierte parallel den Beginn einer Konsolidierungswelle, die das Erscheinungsbild der Branche nachhaltig veränderte. Viele der neuen Unternehmen sahen sich den Herausforderungen des Wettbewerbs nicht gewachsen und mussten den Betrieb wieder einstellen. <?page no="452"?> 7 Wege zu Energiesystemen 452 Grundlage für den Wettbewerb um Kunden war das Modell des „verhandelten Netzzugangs“. Dazu legten die Verbände der Netznutzer und der Netzbetreiber gemeinsam allgemein gültige Regeln für den Netzzugang und die Ermittlung der Netzentgelte fest. Gestartet wurde dieses Modell mit der so genannten ersten Verbändevereinbarung, die 1999 in Kraft trat. Mit einer dritten Fassung des EnWG endete das Modell der Verbändevereinbarungen. Die Verabschiedung einer weiteren EU-Richtlinie im Juni 2003 sollte die Öffnung des Strom- und Gasmarktes beschleunigen. Sie schreibt den Mitgliedstaaten verpflichtend die Regulierung des Netzzugangs und die Einrichtung einer Regulierungsbehörde vor, um letztendlich gleiche Rahmenbedingungen auf allen europäischen Energiemärkten zu ermöglichen. Im neu gefassten Gesetz wich damit der verhandelte Netzzugang einer detaillierten staatlichen Regulierung. Mit der Umbenennung der „Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post“ in „Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen“ (BNA) wurde eigens eine neue Institution geschaffen, die weit reichende Kompetenzen bei der Netzaufsicht erhielt. Im Jahr 2009 wurde der EU-Rechtsrahmen nochmals geändert. Infolgedessen sind auch im EnWG im Jahre 2010 weitere erhebliche Anpassungen vorgenommen worden. Es kam es zu weitgehenden Entflechtungsauflagen, die die Umwandlung von integrierten Netzbetreibern zu so genannten „eigentumsrechtlich entflochtenen Transportnetzbetreibern“ (Ownership Unbundled) oder „unabhängigen Transportnetzbetreibern“ (Independent Transmission Operator, ITO) mit diskriminierungsfreiem Netzzugang für alle Marktteilnehmer erforderten. Dazu gehörte auch die Anforderung, sich in Namen und Außenauftritt komplett von den Handelsaktivitäten der Konzernmütter abzugrenzen, das sog. Unbundling. Die Umsetzung brachte für die in der Energiewirtschaft tätigen Unternehmen, von denen gerade die großen bislang vertikal organisiert waren, einschneidende Veränderungen mit sich. <?page no="453"?> 453 8. Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Aspekte Die bisherige Darstellung bezog sich auf Technik und Organisationsformen des Energietransports und der Energiespeicherung. Hier geht es nun um die Frage, was beides bewirkt hat und gegenwärtig noch bewirkt. Energieverbrauch als Wohlstandsindikator Der Weltverbrauch an sogenannter Primärenergie wird oft als ein grober Indikator für die globale Entwicklungsgeschichte der Neuzeit herangezogen - von vorindustrieller Lebens- und Arbeitsweise über die industrielle Revolution hin zu modernen, neuerdings auch postmodernen Gesellschaftsformen. Die Veränderungen sind in der Tat bemerkenswert, wie Abb. 8.1-1 demonstriert. Die allein auf Deutschland bezogene Abb. 8.1-2 zeigt ein im Grunde ähnliches Bild. Die Folgen von Weltwirtschaftskrise und Weltkrieg bzw. Nachkriegszeit sind als kurzfristige Einbrüche in beiden Grafiken zu erkennen. Abb.-8.1‐1: -Entwicklung-des-Primärener‐ gieverbrauchs-Welt-in-Mio.-t-Öl; -Quelle: B. Murck,-Environmental-Science-und-BP Statistical-Review-of-World-Energy-June 2011/ -Internationale-Energieagentur,-Key Energy-Statistics-2010 Abb.-8.1‐2: -Energie‐ verbrauch-in- Deutschland,-in- Mio.-SKE; -Quelle: - histat,-Historische- Statistiken- <?page no="454"?> 8 Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Aspekte 454 Die den Abbildungen zugrunde liegenden Daten sind zunächst auf die Energiewirtschaft bezogene Produktions- und Verbrauchszahlen. Sie gewinnen erst an gesamtgesellschaftlicher Bedeutung, wenn man sie anderen Wirtschaftsdaten wie Bevölkerung, Sozialprodukt, Einkommen etc. gegenüberstellt und die Verteilung auf Nationen bzw. Wirtschaftsräume berücksichtigt. Die Bedeutung der regionalen Verteilung, um mit dieser zu beginnen, macht Abb. 8.1-3 deutlich, die u. a. die Folgen der deutschen Einigung nach 1990 deutlich erkennen lässt. Hauptsächlich verantwortlich für das starke Absinken des Energieverbrauchs in den Neuen Bundesländern war im Wesentlichen das Wegbrechen der industriellen Produktion nach der „Wende“. Erholungstendenzen zeigen sich dort erst im zweiten Zeitfenster (2000-2008). - - - - Abb.-8.1‐3: -Entwicklung-des-Energieverbrauchs-in- deutschen-Bundesländern-1990-bis-2008-bzw.-2000- bis-2008,-alle-auf-das-Jahr-1900-normiert; -Quelle: -AG- Umweltökonomische-Gesamtrechnungen-der-Länder- 2011- Eine weitere Verfeinerung der Aussagen erhält man durch den Übergang zum Individualverbrauch, also dem Energieverbrauch pro Kopf der Bevölkerung. Hier werden zunächst die großen Unterschiede zwischen den Staaten deutlich, s. Abb. 8.1-4. -Abb.-8.1‐4: -Energiever‐ brauch-pro-Kopf-der- Bevölkerung,-in-kg- Öläquivalenten; -Quelle: - ursprünglich-Earth‐ trends.wri.org- In absoluten Zahlen ausgedrückt: In Indien beträgt dieser Wert 12 kWh/ Tag, in China <?page no="455"?> 8 Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Aspekte 455 33,6 kWh/ Tag, für einen durchschnittlichen Europäer 127 kWh/ Tag, für einen Deutschen 132 kWh/ Tag und für einen US-Amerikaner über 250 kWh/ Tag. 309 Dass die bevölkerungsreichsten Länder der Erde bei so geringen Werten liegen, überrascht nicht; im Unterschied zu Indien zeigt sich für China jedoch die dort deutlich fortgeschrittene Industrialisierung in den urbanen Zentren. Als sog. Wohlstandsindikator dient häufig das auf den Kopf der Bevölkerung bezogene Bruttosozialprodukt, besser das Bruttoinlandsprodukt. 310 Es gibt „Auskunft über die Produktion von Waren und Dienstleistungen im Inland nach Abzug der Vorleistungen und Importe“. 311 Den Zusammenhang zwischen BIP/ Kopf und Energieverbrauch/ Kopf stellt Abb. 8.1-5 her. - --Abb.-8.1‐5: -Zusammen‐ hang-zwischen-Brut‐ tososozialprodukt-und- Primärenergiebedarf,- jeweils-pro-Kopf; -Quelle: - BHKS-Almanach-2011- - Die Interpretation ist (zunächst) einfach: Wohlstand ist mit dem spezifischen Energieverbrauch, korrekter: Primärenergiebedarf, näherungsweise linear korreliert. Es stellt sich die Frage, ob das grundsätzlich so sein oder bleiben muss. Ob also die Wirtschaft eines erfolgreichen und entwickelten Landes Wachstum ohne weitere Steigerung 309 -Paeger,-J.,-2014; -Mittelwerte-aus-verschiedenen-Quellen.- 310 -An-der-alleinigen-Konzetration-aufs-das-BSP-ist-vielfach-Kritik-geübt-worden,-zuletzt-durch-die-En‐ quete‐Kommission-des-Bundestages-„Wachstum,-Wohlstand,-Lebensqualität“-von-2013.-Künftig-sollen- die-aus-zehn-zentralen-Variablen-bestehenden-W‐-Indikatoren-darüber-Auskunft-geben,-wie-es-in- Deutschland-um-Wohlstand-und-Lebensqualität-steht.-Neben-der-Dimension-„Materieller-Wohlstand“- sollen-auch-die-Wohlstands‐Dimensionen-„Soziales/ Teilhabe“-und-„Ökologie“-in-den-Blick-genommen- werden.-Der-„Materielle-Wohlstand“-und-dessen-Nachhaltigkeit-wird-durch-das-BIP-pro-Kopf,-die-Ein‐ kommensverteilung-und-die-Staatsschulden-abgebildet.-Der-Bereich-„Soziales/ Teilhabe“-soll-durch-die- Indikatoren-Beschäftigung,-Bildung,-Gesundheit-und-Freiheit-gemessen-werden-und-der-Bereich-Ökolo‐ gie-durch-die-Variablen-Treibhausgase,-Stickstoff-und-Artenvielfalt.-Die-genannten-zehn-Leitindikatoren- sollen-zentrale-Bausteine-des-neuen-Wohlstandsmaßes-sein. 311 -Gabler-Wirtschaftslexikon,-Art.-BIP.- <?page no="456"?> 8 Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Aspekte 456 des Energieverbrauchs generieren kann. Richtet man den Blick auf Deutschland, so scheint dies möglich zu sein, wie Abb. 8.1-6 nahe legt. Hier ist der Bruttoinlandsenergieverbrauch sogar gesunken, im Vergleich der Jahre 1990 und 2012 um markante 10 %. Dagegen ist er in Italien, Frankreich und Spanien gewachsen, in England (Vereinigtes Königreich) blieb er etwa auf gleichem Niveau, wie die Grafik zeigt. Abb.-8.1‐6: -Bruttoinlandener‐ gieverbrauch-europäischer- Länder-im-Vergleich-1990-/ - 2012; -Quelle: -FAZ-/ -statista- 2014- - Die Erklärung liegt allerdings auf der Hand: gleiche Wirtschaftsleistungen lassen sich mit weniger Energie erreichen, wenn man für bessere Umsetzung (technisch: z. B. höhere Wirkungsgrade) sorgt. Und diese Steigerung der Effizienz ist sowohl in der Produktion als auch im Gebäudebestand und im Verkehr ein schon länger erklärtes und gefördertes Ziel der deutschen Energiepolitik. Natürlich sind solche Sparvolumina einmal ausgereizt, weshalb sich speziell für Deutschland die durchaus spannende Frage nach der dann anschließenden Entwicklung stellt. Vor diesem Hintergrund ist die Feststellung nicht falsch, dass steigender Wohlstand und steigende Energieverfügbarkeit sich gegenseitig bedingen. Für diese wechselseitige Abhängigkeit gibt es zahlreiche Einzelbelege. So hat z. B. H. J. TEUEBURG, ausgehend vom Beispiel der Hamburger Stromversorgung, allgemein formuliert: „Der Aufbau der Elektrizitätswirtschaft folgt in engster Anlehnung an das wirtschaftliche Wachstum und wirkt verstärkend auf dieses zurück.“ 312 Schlüsselfaktor Transportfähigkeit In der Frühphase der Industrialisierung war die Verfügbarkeit heimischer Energiequellen, insbesondere seinerzeit der Kohle, ein maßgebliches Kriterium der Entwicklung. „Die reichen Kohlenlager in England und Deutschland, verbunden mit entsprechenden Transportmöglichkeiten, waren daher zweifellos ein Faktor, der die industrielle Revolution entscheidendst prägte und die Übertragbarkeit der neuen Technologie auf andere Teile der Welt wesentlich beeinträchtigte“, so R. SANDGRUBER. 313 Eine geringe Distanz zwischen Erzeuger und Verbraucher war also hilfreich. 312 -Teuteberg,-H.‐J.: -Anfänge-kommunaler-Stromversorgung,-in: -Wissenschaft,-Wirtschaft-und-Technik,- Festschrift-Treue-1969,-S.-376.- 313 -In-Kellenbenz,-H.: -Wirtschaftswachstum,-Energie-und-Verkehr-vom-Mittelalter-bis-ins-19.-Jahrhun‐ dert,-1978,-Art.-Wirtschaftswachstum,-Energie-und-Verkehr-in-Österreich-1840‐1913,-S.-67.- <?page no="457"?> 8 Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Aspekte 457 Das erklärt die Entstehung vieler Industriereviere und - mittelbar - der zugehörigen Bevölkerungsräume. Beispiele sind in Deutschland das Ruhrgebiet, das Saarland, Oberschlesien. Sie alle bildeten sich im 19. Jahrhundert auf den Steinkohlelagern oder um sie herum. Beispiele sind auch die Elektrischen Zentralanlagen für die erzeugungsnahe Verteilung des Stroms - hier folgte umgekehrt die Energie den Bevölkerungsschwerpunkten. Ein Beispiel ist auch die Nutzung der Braunkohle, bei der Gewinnung und Verstromung der Kohle eine regional eng verzahnte Einheit bilden. Abb. 8.2-1 zeigt das Rheinische Braunkohlenrevier mit Tagebauen und rings verteilten Kraftwerken, die über kurze Transportwege (Bandanlagen und Werksbahnen) mit den Kraftwerken verbunden sind. Abb.-8.2‐1: -Energieregion-Rheinisches-Braunkohlerevier; -Quelle: -RWE-AG- - Dass sich die Energieverwendung auch überregional und auch über Grenzen hinaus ausbreiten konnte, hat mit der Transportfähigkeit von Energie zu tun, insbesondere in der Form chemischer Energie (Erdöl, Gas, Kohle) und elektrischer Energie. Energietransporte ermöglichen heute die Energieversorgung Deutschlands, die zu großen Teilen importabhängig ist, s. Abb. 8.2-2. Öl steht zeitlich am Beginn der Geschichte der Ferntransporte, insbesondere in der Form des Seetransports. Er gewann früh seine Bedeutung über die von J. D. ROCKEFELLER forcierte Versorgung der Europäer mit Petroleum, s. Kap. 4.6.3. Zunächst waren es nicht ausgelastete Segelschiffe, die den Transport besorgten, dann die auf frühe Modelle für die Flussschifffahrt zurückgehenden Tankschiffe, in der Kurzform Tanker, die schließlich in extreme Tragfähigkeiten wuchsen, wie ebenfalls in Kap. 4.6.3 beschrieben. <?page no="458"?> 8 Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Aspekte 458 Abb.-8.2‐2: -Importabhängigkeit-und-Selbstversorgungsgrad-Deutschlands-bei-einzelnen-Primärener‐ gierohstoffen-2006,-2016; -Quelle: -AGEB-2017,-BMU-2013- Transportkosten über See, die anfangs die Importe belasteten, spielen schon seit längerem nur noch bedingt eine Rolle. Seit 1930 sind die Kosten für See- und Luftfracht massiv gesunken, s. Abb. 8.2-3. Abb.-8.2‐3: -Sinkende-Transport‐-und-Telekommunikationskosten; -Quelle: -Busse,-Matthias: -HWWA-Dis‐ cussion-Paper-Nr.-116; -BDI: -Außenwirtschafts‐Report-04/ 2002- Heutige Frachtraten für Tanker liegen bei den in Abb. 8.2-4 dargestellten Werten, jedoch ergibt die Umrechnung wegen der extremen Tonnagen eher unerhebliche Aufschläge für den Transport. Die Frachtaufschläge liegen für Transporte vom Golf nach Europa bei nur etwa 4 % pro Barrel, mit großer Streuung je nach Tagesstand an der Frachtbörse, z. B. Baltic Wet Index, deren Werte oft abenteuerlich schwanken. <?page no="459"?> 8 Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Aspekte 459 - Abb.-8.2‐4: -Frachtra‐ ten-im-Ölgeschäft,- Tankermiete-ohne- Treibstoffverbrauch; - Quelle: -statista- - Hinzu kommen allerdings die inländischen Aufwendungen, u. a. ersichtlich aus Abb. 8.2-5 und zu ergänzen durch eine Verarbeitungsstufe (Raffinierung Rohöl zu Heizöl oder Treibstoffen, üblicherweise hafennah oder über inländische Pipeline). Da gesonderte Transportgrößen für diese Verarbeitungsstufe nicht zu ermitteln sind, soll hier der komplette Deckungsbeitrag Handel 314 den Transportkosten zugeschlagen werden, was rd. 6 % entspricht. Insgesamt ergibt sich daraus für Erdöl in verwendungsfähiger Form mit einigen Vernachlässigungen eine Abschätzung des Transportkostenanteils auf weniger als 10 %. -Abb.-8.2‐5: -Endpreis-Heizöl-beim-Kunden; - Quelle: -Mineralölwirtschaftsverband-2018- Die Situation beim Transport elektrischer Energie stellt sich deutlich anders dar, zumindest für Deutschland. Die Preise für elektrische Energie stiegen seit etwa 20 Jahren deutlich, s. Abb. 8.2-6. Den weitaus größten Anteil am Strompreis haben Steuern, Abgaben und Umlagen, die 2018 über 50 % ausmachen. Während die Erzeugerpreise gesunken sind, sind die Netzentgelte, die für den Transport stehen, im bundesweiten Schnitt in den letzten 10 Jahren um 27 % gestiegen. 314 -Der-Deckungsbeitrag-enthält-unter-anderem-die-Kosten-für-Transport,-Lagerhaltung,-gesetzliche- Bevorratung,-Personal,-Vertrieb-und-Verwaltung-sowie-den-Aufwand-für-Neu‐-und-Ersatzinvestitionen- und-schließlich-den-Gewinn.- <?page no="460"?> 8 Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Aspekte 460 ---Abb.-8.2‐6: -Strompreisentwick‐ lung--Privathaushalte-2000‐2018; - Quelle: -Bundesverband-der-Ener‐ gie‐-und-Wasserwirtschaft- (BDEW)- Im Endpreis für den Verbraucher stellen sie etwa 25 % den zweitgrößten Kostenblock auf der Stromrechnung für private Stromkunden. Die Netzentgelte sind in Deutschland regional unterschiedlich, abhängig vom Stadt-Land-Verhältnis, dem Netzausbau und dem Netzbetreiber. Auffällig ist dabei, dass Haushalte in den östlichen Bundesländern 2017 durchschnittlich um 54 % höhere Netzentgelte zahlten als Verbraucher im Westen. Die Ungleichverteilung ist betriebswirtschaftlich verständlich, wird jedoch als unsozial oder sogar diskriminierend empfunden, zumal sie auch für die Wirtschaft die Standortwahl mit beeinflusst. Die bundesweite Angleichung der Netzentgelte bis 2023 ist deshalb energiepolitisches Programm. Im Zuge der Energiewende werden die Netzbetreiber allerdings noch hohe Investitionen für den Ausbau der Infrastruktur aufbringen müssen und diese Kosten an die Verbraucher weitergeben, s. auch Kap. 7, Energiewirtschaft. Der heutige Preis von 13,54 Cent/ kWh liegt im 20-Jahre-Vergleich etwa auf dem gleichen Niveau. Vor der Liberalisierung des deutschen Strommarktes waren für Beschaffung, Netzentgelte und Vertrieb 13,04 Cent/ kWh zu zahlen. 315 Die Relationen haben sich verändert, nicht das Ergebnis. -- Abb.-8.2‐7: -Zusammensetzung-- des-Gaspreises-zum-1.4.2018-für- Haushaltskunden; -Quelle: -Bundes‐ netzagentur- 315 -Bundesverband-der-Energie‐-und-Wasserwirtschaft-e.-V.-2018,-Berechnungsgrundlage: -Haushalt-mit- 3.500-Kilowattstunden-Jahresverbrauch,-1998.- - <?page no="461"?> 8 Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Aspekte 461 Die Situation beim Gas ist ähnlich, wiewohl Gas als reines Importgut eine ganz andere, dem Öl vergleichbare volkswirtschaftliche Qualität und Bedeutung hat. Auch hier liegen die Transportkosten bei rd. einem Viertel des Endpreises, s. Abb. 8.2-7. Transport von Kohle war ursprünglich vor dem Hintergrund der regionalen Versorgung ein Privileg der Binnenschifffahrt, trug zu ihrem Ausbau sogar wesentlich bei, s. Kap. 4.6.2. Mit der zunehmenden Importabhängigkeit der Steinkohle hat auch hier der Seetransport die führende Rolle übernommen, wie aus den in Abb. 8.2-8 genannten Exportländern ersichtlich. - - Abb.-8.2‐8: -Steinkohleversorgung-Deutschlands-von-1990-bis-2016; -Quellen: -- AGEB-2017,-IAE-2017a,-SdK-2017,-VDKI-2017a- Abb.-8.2‐9: -Frachtraten- für-Binnenschiffe-auf-aus‐ gewählten-Routen-von- den-ARA‐Häfen-(Amster‐ dam,-Rotterdam,-Antwer‐ pen)-in-€/ t; -Quelle: -Poten‐ tiale-und-Zukunft-der- deutschen-Binnenschif‐ fahrt,-2002,-in: -Z.-Binnen‐ schiffahrt- - - Die Übersee-Transportkosten lassen sich mit einiger Näherung aus den CIF-Preisen für Europa und FOB-Preisen für USA ermitteln: Das Ergebnis: Der Tarnsportanteil für Kohlelieferungen aus den USA nach europäischen Häfen lag im Mittel der Jahre 1987-2002 bei etwa 18 %, bei einem Mittelwert der CIF-Preise von rd. 60 €/ t. Hinzu kommt der innereuropäische Transport mit der Bahn oder dem günstigeren Binnenschiff, s. auch Abb. 8.2-9. <?page no="462"?> 8 Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Aspekte 462 Für die Strecke ARA-Mannheim kommen damit weitere 5 € hinzu, was den Transportanteil auf 27 % vom Endpreis ansteigen lässt. Der Öltransport stellt sich nach diesen Abschätzungen mit weniger als 10 % Anteil am Endpreis als relativ günstig dar, während Strom-, Gas- und Kohletransport mit etwa einem Viertel des Endpreises etwa gleichauf liegen. Insgesamt gilt damit: Die Transportkosten, wiewohl nicht vernachlässigbar, dominieren nicht oder nicht mehr den Preis. Energie ist in allen sinnvollen Formen auch über große Entfernungen transportfähig geworden, sowohl in technischer wie auch in ökonomischer Hinsicht. Im- und Exporte haben sich in den vergangenen Jahrzehnten auf mehr als das Fünfzehnfache ausgeweitet und reflektieren damit die drastisch gestiegenen weltweiten Handelsaktivitäten. Damit einher ging ein entsprechender Aufbau von Transportkapazitäten und der Verkehrsinfrastruktur. Der nationale wie internationale Personen- und Frachtverkehr hat sich äußerst dynamisch entwickelt, sowohl auf der Straße als auch in der Luft und über See (und Flüsse). So stieg z. B. das Seefrachtvolumen innerhalb von drei Jahrzehnten um mehr als das Dreifache an. Eine große Rolle spielte hierbei die Auflösung der politischen Blöcke, der Entfall vieler Grenzen, der Aufstieg Chinas und die Liberalisierung des Welthandels. Eine Fortsetzung dieses Trends zur Globalisierung ist wahrscheinlich, auch wenn die jüngste amerikanische Präsidentschaft mit ihrer Politik des „America first“ hier Blockaden errichtet hat. Das hat die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Energietransporte verändert. Obwohl einzelne Energiemengen schon früh über große Entfernungen transportiert wurden, hat sich das energiewirtschaftliche Handeln zunächst wesentlich auf die regionale Ebene bezogen. Auch heute spielt die regionale Ebene in Einzelfällen wie etwa bei der Braunkohle noch eine wichtige Rolle. Aber seit etwa 100 Jahren und noch einmal verstärkt in den vergangenen 60 Jahren hat der grenzüberschreitende Energiehandel stetig an Bedeutung gewonnen. Neben expansiven Unternehmensstrategien ermöglichten vor allem sinkende Transportpreise diese Ausweitung. So kann heute die zunächst hypothetische Annahme, dass alle Regionen der Welt als potenzielle Orte der Produktion und des Absatzes von Energie in Betracht gezogen werden können, heute als reale Beschreibung der Gesamtsituation gelten. Dies gilt mit einer Ausnahme: Die Verteilung elektrischer Energie ist zwar hochintegriert, jedoch sind die Verbundsysteme noch auf die großen Wirtschaftsräume bzw. Kontinente beschränkt, wie z. B. Westeuropa, Nordamerika, Australien, China. Das Akzeptanzproblem Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Akzeptanz sind heute in der Öffentlichkeit zentral, wenn es in Politik und Wirtschaft darum geht, neue Wege einzuschlagen und auch durchzusetzen. 316 316 -Grundsätzlich-hierzu: -Bentele,-G.,-Bohse,-R.,-Hitschfeld,-U.,-Krebber,-F.-(Hg): -Akzeptanz-in-der-Me‐ dien‐-und-Protestgesellschaft,-Wiesbaden-2015.- - <?page no="463"?> 8 Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Aspekte 463 Dies gilt insbesondere für technische Großvorhaben und Infrastrukturprojekte, die regelmäßig zu Kontroversen führen. Ob man darin den Ausdruck einer lebendigen Demokratie, den Unwillen zur Veränderung, Technikfeindlichkeit oder den Versuch erkennt, Ideologien durchzusetzen, ist eine Frage der Bewertung. Öffentliche Kontroversen um Technikfolgen und Infrastruktur sind aus historischer Sicht im 20.Jahrhundert ein vergleichsweise junges Phänomen. Als etwa in den 1920er Jahren die ersten groß dimensionierten Freileitungsmaste errichtet wurden und das Landschaftsbild zu beherrschen begannen, regte sich kein Widerstand. Im Gegenteil: Die Aufstellung der ersten 110-kV-Masten ( Abb. 8.3-1) wurde als Großtat gefeiert. Ohnehin waren die 1920er Jahre durch Technikeuphorie geprägt: das Automobil wurde zum Wunschtraum der Bürger, die Luftschifffahrt brachte weltweit beachtete Erfolge, das Blaue Band für die Bremen (1929) und die Europa (1930) begeisterte usf. --- Abb.-8.3‐1: -1922----Aufstellen-eines- 110‐kV‐Freileitungsmastes-bei-- Dorsten; -Quelle: -IZE-(Informations‐ zentrale-der-Elektrizitätswirtschaft,- Einrichtung-der-deutschen-Elektri‐ zitätswirtschaft-mit-Sitz-in-Frankfurt,- ging-im-Verband-der-Elektrizitäts‐ wirtschaft-auf) Die Zeit des Nationalsozialismus brachte hier keine Änderung, auch wenn hier die Wehrtechnik unter dem Aspekt der Kriegsvorbereitung in den Vordergrund rückte. HITLERS persönliches Faible für Technik und technische Innovation ist bekannt und förderte diese Grundhaltung zweifellos. In der Nachkriegszeit stand für die Menschen in Deutschland die persönliche Existenzsicherung im Vordergrund. Mit der spürbaren Zunahme des Wohlstandes in den 1950er Jahren kehrte jedoch die alte Technikbegeisterung wieder zurück, zumal technische Errungenschaften wie das Fernsehen jetzt auch breitere Schichten erreichten. 1955 wurde nach der Genfer Atomkonferenz ein Bundesministerium für Atomfragen geschaffen, die Deutsche Atomkommission nahm 1956 ihre Arbeit auf, und 1961 ging der erste Versuchsreaktor bei Kahl in Betrieb - die Kerntechnik hatte ihren Durchbruch in Deutschland erreicht - ohne Widerspruch, ja sogar mit wohlwollender Begleitung durch Medien und Öffentlichkeit. Auch in den 1960er Jahren kam es nur selten zu Protesten, und wenn, dann begrenzt und mit lokalem Fokus. <?page no="464"?> 8 Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Aspekte 464 ---Abb.-8.3‐2: -Das-erste- deutsche-Versuchs‐Kern‐ kraftwerk-bei-Kahl-am- Main-ging-1961-in-Be‐ trieb; -Quelle: -IZE-(s.-Abb.- 8.3‐1)- - Die Situation änderte sich Mitte der 70er-Jahre, als sich beiderseits des Rheins badische und elsässische Bürgerinitiativen im Protest gegen das geplante KKW bei Wyhl vereinigten. Massive Demonstrationen und gerichtliche Klagen begannen, die vorher noch sachliche Auseinandersetzung abzulösen; Abb. 8.3-3 zeigt Plakate aus dieser Zeit. ---Abb.-8.3‐3: -Erste-massive-Proteste-gegen-- den-Bau-von-KKW,-1975; -Quelle: -bund.net- - Die Proteste wiederholten sich 1976 in Brokdorf, ebenfalls im Zusammenhang mit dem geplanten Neubau eines KKW. Anders als in Wyhl, wo der Protest friedlich blieb, kam es bei den Demonstrationen in Brokdorf zu schweren, fast bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen mit einem Großaufgebot der Polizei. Nicht wenige Verletzten waren das zweifelhafte Ergebnis, auf beide Seiten verteilt. Dabei waren es eher lokale Interessen, die am Anfang den Anlass gaben: „Im Südbaden waren die Winzer eine wichtige Oppositionsgruppe, da war es die Sorge um die Beeinträchtigung des Kleinklimas, man befürchtete Nebelbildung und damit weniger Sonneneinstrahlung und Verschlechterung des Weins. In Brokdorf waren es z. T. die Milchbauern, die befürchteten, durch das Negativ-Image, das die Region bekäme, würde dann auch die Milch schwer verkäuflich. Es waren aber auch sehr abstrakte Gefahrenpotenziale; man wusste schon, Radioaktivität ist nicht nur als schleichende Aktivität in niedrigen Dosen gefährlich, sondern es kann zu Unfällen, zu Explosionen kommen. Es gab auch schon <?page no="465"?> 8 Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Aspekte 465 Orte, die damit begrifflich verbunden waren, etwa Windscale in England 1957“, so D. RUCHT. 317 Die Proteste in Wyhl 1975 werden allgemein mit dem Beginn der deutschen Anti-Atomkraft-Bewegung gleichgesetzt, deren Slogan „ATOMKRAFT? NEIN DANKE“ vor dem Hintergrund einer lächelnden Sonne wurde. Ihr gehörten auch Ingenieure und Technik-Insider an, wie J. RADKAU mehrfach betont. 318 Die deutsche Anti-AKW-Bewegung war im internationalen Vergleich nicht die erste, sie holte jedoch rasch auf und fand zu europaweit beachteter Stärke. In Deutschland bereitete sie den Weg zu einer breiten ökologischen und systemkritischen Bewegung. Die Ausrichtung der verschiedenen, meist regionalen Gruppierungen war nicht einheitlich. Einige favorisierten gerichtliche Klagen, anderen war die Gründung von Organisationen und neuen Parteien wichtiger, und Dritten genügten Energiesparmaßnahmen und die Forcierung regenerativer Energien. Der 1972 entstandene Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) 319 wurde zu ihrem Sammelbecken. Die Gründung der Partei Die Grünen im Jahre 1980 gab dem Protest dann politisches Profil und Programm. Abb.-8.3‐4: -Proteste- gegen-die-Wiederauf‐ bereitung-in-Gorleben,- hier-1979-in-Hannover; - Quelle: -dpa- Zunächst flauten danach die Proteste und die Zahl der Veranstaltungen etwas ab. Erst die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 brachte der jetzt Anti-AKW genannten Bewegung neuen Zulauf und neuen Schwung, in Deutschland zumindest. In anderen Ländern, in Frankreich und Belgien z. B., blieb die Bewegung trotz Tschernobyl schwach. Deutschland war die große Ausnahme, mit immer wiederkehrenden Protesten und Mobilisierungen, insbesondere gegen die von Frankreich in den Gorleben-Raum laufenden Castor- Transporte, s. auch Abb. 8.3-5. 317 -D.-Rucht,-zitiert-nach-Leusch,-P.: -Geschichte-der-Anti‐AKW‐Bewegung,-Deutschlandfunk-2011.- 318 -Radkau,-J.: -Die-Ära-der-Ökologie,-C.-H.-Beck,-2011.- 319 -Ihr-Vereinszweck-ist-nach-§2-der-Satzung-„(…)-die-Erhaltung-und-Wiederherstellung-der-natürlichen- Lebensgrundlagen,-der-Schutz-der-Natur-und-der-durch-Umweltgefahren-bedrohten-öffentlichen-Ge‐ sundheit.-Die-Vereinigung-ist-ein-Zusammenschluss-von-im-Umweltschutz-tätigen-Bürgerinitiativen.“- <?page no="466"?> 8 Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Aspekte 466 --Abb.-8.3‐5: -Castor‐Transporte- gelangen-nur-bei-extremem- Polizeieinsatz; -Quelle: - https: / / www.planet‐wis‐ sen.de/ technik/ atomkraft/ - atommuell/ - Die Proteste erreichten in der Tat ihr Ziel: Im Juni 2000 beschloss die deutsche Bundesregierung den sogenannten Atomausstieg - ein Kompromiss zwischen der rot-grünen Bundesregierung und den Energieversorgern. Gegenstand des Beschlusses war die Abschaltung aller deutschen Atomkraftwerke nach jeweils nach 32 Jahren Laufzeit sowie ein Moratorium für die Lagerung im Salzstock Gorleben bis zur Klärung grundsätzlicher Fragen. Als im März 2011 ein Erdbeben und ein Tsunami in einem Atomkraftwerk im japanischen Fukushima eine Katastrophe auslöste, reagierte die Bundesregierung erneut, offensichtlich unter dem Eindruck der inzwischen durch die Proteste vorgeprägten öffentlichen Meinung. Der Bundestag beschloss am 14. März 2011 auf Antrag der Regierung mit den Stimmen von Union, FDP, SPD und Grünen im „13. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes“ das gestaffelte Auslaufen der Betriebsgenehmigungen für alle deutschen Kernkraftwerke bis 2022. Dennoch hörten die Aktionen nicht auf, erneut gerichtet gegen die Zwischenlagerung in Gorleben. Beim 13. und letzten Transport mit hoch radioaktivem Müll von La Hague nach Gorleben mussten mehr als 20.000 Polizisten die Behälter auf ihrer langen Fahrt begleiten, mit Kosten für das Land Niedersachsen von etwa 33,5 Mio. Euro. Die Katastrophe von Tschernobyl hat der Akzeptanz von Kernkraftwerken sehr geschadet und auch in manchen Staaten außerhalb Deutschlands wie Italien zum Ausstieg aus dieser Art der Energieerzeugung geführt. . -Abb.-8.3‐6: --Umfrage-zur-Atomenergie-in- Deutschland-2018; -Quelle: -statista- <?page no="467"?> 8 Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Aspekte 467 Andere Staaten wie Frankreich haben sich davon nicht beeinflussen lassen. Auch Schweden hielt nach dem Fukushima-Unglück am Einsatz der Kernenergie fest, wie viele andere Länder weltweit, darunter auch das am meisten betroffene energiearme Japan. In Deutschland hält die irrationale Ablehnung der Kernenergie in der Öffentlichkeit bis heute an, s. Abb. 8.3-6. Nachdem der Atomkonflikt durch das Zurückweichen der Regierung einigermaßen befriedet war, taten sich mit der Hinwendung zu den Zielen der Energiewende neue Problemfelder auf. Energiewende heißt in Deutschland nicht nur Atomausstieg, sondern entsprechend den Forderungen des Klimaschutzes auch die einseitige Stützung auf eine rein regenerative Energieversorgung. Schon lange von den Klimaforschern international propagiert, manifestierte sie sich in Deutschland nach mehreren, inzwischen jährlichen Klimakonferenzen 320 in der Folge des Atomausstiegs als energiepolitisches Programm, das grundsätzlich von allen bedeutenden deutschen Parteien befürwortet wurde und wird. Bei aller Einigung im Grundsatz bleiben jedoch wichtige Fragen der Umsetzung wie z. B. Techniken, Förderung, Finanzierung sowie die wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Umbaus weitgehend offen. Für die Öffentlichkeit greifbare Formen der Energiewende sind die Ausstiege aus den Primärenergieträgern Braunkohle, Steinkohle, Erdgas und Öl, wobei insbesondere die Kohle im Mittelpunkt steht. Umweltschutzorganisationen 321 fordern hierzu anders als Wirtschaft und Politik den konsequenten sofortigen Ausstieg speziell aus der Braunkohlenutzung und tun dies in massiven, z. T. gewalttätigen Demonstrationen kund. Die Demo mit 50.000 Teilnehmern zum sofortigen Braunkohleausstieg und für den Erhalt des Restes des Hambacher Forstes im Oktober 2018 fand bundesweite Resonanz. Umgekehrt stoßen auch die Folgen der Energiewende auf Widerstand, hier zumeist (noch) regional. Betroffen ist sowohl der lokale Windpark wie auch der Ärger über eine „Verspargelung" der Landschaft, was Abb. 8.3-7 anschaulich demonstriert. - - - - - Abb.-8.3‐7: : -Proteste-der-Betroffenen-gegen-den-Ausbau-der-Windkraft; --rechts-Gemeinde-Dahl-bei-Pa‐ derborn; -Quellen: -Initiative-GegenwindMKKNaturparkSpessart; -Roland-Mauro,-Photo- 320 -1992-fand-der-erste-internationale-Umweltgipfel-in-Rio-de-Janeiro-statt.-Der-Klimawandel-wurde- zum-ersten-Mal-offiziell-als-Problem-anerkannt.- 321 -Buir,-BUND,-Campact,-Greenpeace-und-NaturFreunde-Deutschlands.- <?page no="468"?> 8 Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Aspekte 468 Auch gegen den unumgänglichen Trassenausbau haben sich Bürger als Gegner gefunden. Abb. 8.3-8 zeigt eine Menschenkette in Thüringen (2017) im Protest gegen die Südlink- Trasse, eine fundamental wichtige Verbindung im Rahmen des Netz-Entwicklungsplan Strom, siehe Abb. 7.4-2 in Kap. 7.4.2, Energiewende. Von wieder mehr lokaler Bedeutung sind die zahlreichen örtlichen oder regionalen Initiativen, die keine Standorte für die Konverter am Ende einer HGÜ-Strecke freigeben wollen. Da inzwischen das Akzeptanzproblem zu einem ernsten Hindernis für Maßnahmen und Projekte in Deutschland geworden ist, wenn sie den öffentlichen Raum berühren, stellt sich die Frage grundsätzlich, wie mit gegensätzlichen Interessen umgegangen werden sollte. Abb.-8.3‐8: -Menschenkette-gegen- Südlink-,-aktualisiert-am-01.05.2017; - Quelle: -http: / / www.insuedthuer‐ ingen.de- Vieleicht hilft ein Beispiel, hier eine Lösung aufzuzeigen: Als Verbindung zur Ostseepipeline Nord Stream, die Erdgas aus den großen Feldern Sibiriens direkt nach Europa bringt, transportiert die OPAL das Gas innerhalb Deutschlands. Sie wurde von umfassenden, bis in die Details gehenden Bürgerdialogen begleitet, die in großer Offenheit und Transparenz geführt wurden. Imageschädigende und projektverzögernde „Medienkämpfe“ konnten so vermieden werden. Das Projekt wurde schließlich über die ganze Strecke von Lubmin im Nordosten Mecklenburg-Vorpommerns durch Brandenburg und Sachsen bis zur tschechischen Grenze erfolgreich mit der Zustimmung der Bevölkerung vor Ort und innerhalb der Zeitplanung realisiert. 322 Dass die Aktivierung der Öffentlichkeit für eigene Positionen nicht nur eine Angelegenheit der Energiewirtschaft und der Energiepolitik ist, zeigen andere Beispiele wie die Demonstrationen gegen die Globalisierung, die sich an der ATTAC-Initiative mit ihrem Wahlspruch „Mensch und Natur vor Profit” festmachen. Es handelt sich offensichtlich um ein gesamtgesellschaftliches Problem, oder - wenn man es positiv sehen will - um Erscheinungsformen einer lebendigen Demokratie, die mehr als nur gelegentlich zur Mediendemokratie wird. 322 -Das-Beispiel-stammt-von-Sasse,-M.: -Machbar-ist-nur,-was-vermittelbar-ist,-Kap.-in: -Bentele,-Akzep‐ tanz.- <?page no="469"?> 469 9. Zusammenfassung Die Untersuchung der Entwicklung von Energietransport und Energiespeicherung nach den korrekt eingeführten Energieformen bestätigt in ihrem Ergebnis zunächst die eingangs formulierte Hypothese, dass mit diesem Zugang eine große Breite der Technik und ihrer Geschichte abgedeckt wird - mit Ausnahme der Informationstechnik und der heute synonym gebrauchten Digitalisierung, für die die Entropie, nicht die Energie die technische Basis liefert. Auch hierauf war bereits in der Einleitung Bezug genommen worden. Würde man das Thema noch um das Stichwort Wandlung erweitern, das hier nur eingeschränkt im Zusammenhang mit der Schaffung der Voraussetzungen für Transport und Speicherung behandelt wurde, so hätte man nicht nur eine große Breite, sondern praktisch die Gesamtheit der klassischen Technik vor sich. 440 Der Überblick über die Energieströme hat gezeigt, dass sich die Gegenwart durch Nutzung einer großen Vielfalt von Energieströmen auszeichnet, aber auch, dass die elektrische Energie in der Form des elektrischen Stroms seit ihrer Verfügbarkeit einen immer größeren Stellenwert gewonnen hat. Die durch die Klimadiskussion eingebrachte Randbedingung der CO 2 -Minderung hat durch die Forcierung regenerativer Energiequellen dazu geführt, dass sich die Gewichte in der Nutzung der Energieformen noch weiter zur elektrischen Energie verschoben haben und weiter verschieben werden. Die Transportfähigkeit von Energie hat sich als Schlüsselfaktor für die Entwicklung und Ausbreitung einer Energiewirtschaft erwiesen, die heute ganze Volkswirtschaften und den Wohlstand des Einzelnen trägt und sich global versteht. Welche Bedeutung die Hinwendung zur regionalen Selbstversorgung aus regenerativen Quellen hinsichtlich dieser Ausrichtung noch gewinnen wird, steht dahin. In jedem Fall hat die neuere Entwicklung offengelegt, welche Bedeutung der anderen Eigenschaft von Energie zukommt: ihrer je nach Form unterschiedlichen Speicherfähigkeit. Dass hier für die zur Zukunft erklärte elektrische Energie tragfähige Lösungen noch offen sind, wurde sichtbar. Transportfähigkeit und Speicherbarkeit stellen sich damit insgesamt als Schlüsselfaktoren dar, die die historisch gewachsene wie die zukünftige Nutzung von Energie entscheidend bestimmt haben und bestimmen werden. <?page no="471"?> 10 Bildverzeichnis 471 10.Bildverzeichnis Abb. 2-1: Energieformen in Anlehnung an G. Falk; Quelle: eigene Darstellung ......13 Abb. 3-1: Energieflussbild für die Helsinki Metropolitan 1988; Quelle: www.idrc.ca/ openebooks/ 448-2penebooks/ 448-2 ......................................... 15 Abb. 3-2: Klasssisches Energieflussbild für Deutschland 2008; Quelle: Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen ………………......…………………………...…….. Abb. 4.1-1: Griechischer “Reflex”-Bogen; Quelle: Neuburger, A.: Technik des Altertums, Leipzig 1920, S. 223........................................................................19 Abb. 4.1-2: Eines der ersten Pulvergeschütze, 1405 nach K. Kyeyser; Quelle: Feldhaus, F. M.: Die Technik, Reprint 1970, S. 399........................................... 20 Abb. 4.1-3: Das sog. Radschloss in einem der Entwürfe von L. da Vinci, um 1500; Quelle: Heidenreich / Dibner / Reti, Leonardo, S. 111 .....................................21 Abb. 4.1-4: Die Kunst bei Diderot, Quelle: Enzyklopädie 1762-1777, Reprint Augsburg 1995, Bildtafel Mineralogie (Exzenter und Übergang zum Gestänge, mittlerer Bildteil) ................................................................................................22 Abb. 4.1-5: Holzschnitt von G. E von Löhneyß; Quelle: Bericht vom Bergwerck, 1650, Digitalisiertes Original, Abbildung 409 (Ausschnitt), Sächsische Landesbiliothek .................................................................................................22 Abb. 4.1-6: Kunstradgebäude und Feldgestänge des Döhlener Kunst-Schachtes, Steinkohlenrevier bei Freital, Quelle: unbekannt (I.C.A. Richter? ), um 1850.. Abb. 4.1-7: Die Wasserhebemaschine von Marly mit über Gestänge angetriebenen Pumpstationen, gesamte Hubhöhe 162 Meter; Kupferstich 1725; Quelle: Deutsches Museum, Wasserkunst bei Marly ...................................................24 Abb. 4.1-8: Ein Teilstück des Lüneburger Gestänges wurde in Originalgröße rekonstruiert; Quelle: Deutsches Salzmuseum, Pumpgestänge ......................24 Abb. 4.1-9: Stangenkunst in Oil Springs, Ontario, Kanada, rekonstruiert; Quelle: Lowtech Magazine 2013, Photo Markus Wandel .............................................25 Abb. 4.1-10: Kettendampfer auf der Elbe bei Dresden, der eine Vielzahl von Schleppkähnen flussaufwärts zieht, etwa 1880; Quelle: Z. Die Gartenlaube, 1882 ..................................................................................................................26 Abb. 4.1-11: Schleppzüge vor Bingen; Quelle: Buchholz, P. M.: Die Schönheiten unserer Heimat, o. Ort und J. ...........................................................................26 Abb. 4.1-12: Notschlepper Nordic vom Heck aus; Quelle: Rolls Royce Werkphoto, http: / / www.rrpowersystems.com, Abruf 22.01.2020 .........................................27 Abb. 4.1-13: Lastensegler DFS 230 im Schlepp; Quelle: Bundesarchiv Bild 1011- 567-1523-38......................................................................................................28 Abb. 4.1-14: Der Schnurtrieb als Urform der Transmission, Grafik aus der Handschrift des Anonymus der Husssitenkriege; Quelle: Feldhaus, Technik, S. 955 ....................................................................................................................29 Abb. 4.1-15: “Ein System zur Fortleitung der Bewegung mittelst Seilen und Spannrollen”; Quelle: Polyt. Journal 1841 Bd. 81, S. 168-191 .........................29 Abb. 4.1-16: Prinzip einer Riementransmission; Quelle: Sonnemann, R. (Hg): Geschichte der Technik, Leipzig 1978, S. 228 .................................................30 Abb. 4.1-17: Titelblatt von Z. Scientific American vom 20. März 1880; Quelle: Archiv Z. Scientific American, Ausgabe 20.3.1880......................................................31 16 23 <?page no="472"?> 10 Bildverzeichnis 472 Abb. 4.1-18: Prinzip der hydraulischen Presse: die zur Verformung benötigte Energie fließt von 2) über 4), 5) nach 3); Quelle: Hydraulic-press / Prinzipzeichnung einer Hydraulischen Presse / Eigene Zeichnung von Wela49. ..........................................................................................................................32 Abb. 4.1-19: Wassermotor nach dem Pelton-Prinzip; Quelle: Strandh, S.: Die Maschine, Herder 1980, S. 224 ........................................................................32 Abb. 4.1-20: Englischer Wassermotor, Anzeige von 1906 � vertrieben bis 1931; Quelle: Power from the Tap: Water Motors, in: De Decker, K. (Hg): Lowtech Magazine ..........................................................................................................33 Abb. 4.1-21: Das Netz der Londoner Hydraulic Power Company 1895; Quelle: Power Water Networks in: De Decker, K. (Hg.): Lowtec Magazine .................33 Abb. 4.1-22: Göbels Nähmaschine mit Wassermotor, Patent von 1877; Quelle: Polyt. Journal Bd. 230, 1878, S. 394 ...............................................................34 Abb. 4.1-23: Luftbahn mit endlosem Seil nach Johannn Hartlieb, Wien 1411; Quelle: Feldhaus, F. M.: Ruhmesblätter der Technik, Leipzig 1910, S. 515 ....35 Abb. 4.1-24: Seiltra�ekt für die Siglsche Lokomotivfabrik in Wien, 1869; Quelle: Dieterich, Drahtseilbahnen, Fig. 31 ..................................................................36 Abb. 4.1-25: Einige konstruktive Details der Londoner Kabelbahn, z. B. in Fig. 3 die unterirdische Kabelführung in Kurven; Quelle: Polyt. Journal, Jg. 1885, Bd. 256, S. 428 - 433 ..............................................................................................36 Abb. 4.2-1: Rekonstruktion eines Salzbergwerks aus der Bronzezeit, Hallstatt; Quelle: Kern, A., Kowarik, K., Rausch, A., Reschreiter, W. H.: Salz-Reich, 7000 Jahre Hallstatt, Wien 2008, S. 67 Abb. 1.................................................37 Abb. 4.2-2: Römisches Haspelwerk mit Seilführungen, Schacht in Vipasca (Portugal), um 100 nach Chr.; Quelle: Wilsdorf, Kulturgeschichte, Vorsatz.....38 Abb. 4.2-3: Wie Agricola den Handhaspel beschreibt; Quelle: Agricola, G.: De re metallica, Libri XII, 1556 ...................................................................................38 Abb. 4.2-4: Pferdegöpel, offenbar eine Prinzipskizze, aus Taccola, Liber tertius de ingeneis, vor 1441; Quelle: Ludwig, K.-H., in: Propyläen TG, Bd. Metalle und Macht, S. 73......................................................................................................39 Abb. 4.2-5: Bradley’s Bergwerk, Ende 18. Jh. mit Fördergerüst und Seilantrieb über eine Dampfmaschine; Quelle: Varchmin, J., Radkau, J.: Kraft, Energie und Arbeit, München 1979, S. 83 ............................................................................40 Abb. 4.2-6: Malakowturm im Ruhrgebiet, Bauskizze; Quelle: RUB, Betreiber d. Malakowturms Zeche Julius Philipp..................................................................41 Abb. 4.2-7: Die “Bobine” und damit die Verwendung des Flachseils; Quelle: http: / / www.wikipedia.org/ wiki/ Fördermaschine, Abruf 2.12.2018 .....................42 Abb. 4.2-8: Prinzip der Treibscheibe nach Koepe; Quelle: http: / / www.wikipedia.org/ wiki/ Treibscheibenförderung, Abruf 2.12.2018 .........43 Abb. 4.2-9: Elektrische Turmfördermaschine mit Koepescheibe von 1923 im obersten Stock des Förderturms des Kaiserin-Augusta-Schachtes in Oelsnitz/ Erzgebirge; Quelle: H. G. Graser, Photo, Eigenes Werk ..................43 Abb. 4.2-10: Verfahren mittelalterlicher Wasserhebung, a) Bulgenkunst, b) und rechts Heinzenkunst; Quelle: Dehler, M.: Wassermanagement im historischen Bergbau, Freiberg o. J. , S. 3............................................................................44 Abb. 4.2-11: Wassergetriebene Heinzenkunst bei Agricola, 1580; Quelle: Deutsche Fotothek, Original Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB), Signatur/ Inventar-Nr.: Metall.5 ..........44 Abb. 4.2-12: Gestängegetriebene Pumpen im Schacht; Quelle: Zeichnungen des J. C. Bucholz 1691, Original Herzog-August-Bibliothek, Wolfenbüttel .................45 <?page no="473"?> 10 Bildverzeichnis 473 Abb. 4.2-13: Gestängeantrieb im Schacht zur Wasserhaltung, linke Seite (rechts Förderschacht), Einzelheit vergrößert; Quelle: Atlas zu des Herrn von Villefosse Mineral-Reichthum, Tafel 3, U.-Bibl. Freiberg..................................45 Abb. 4.2-14: Arbeitsprinzip der Wassersäulenmaschine; Quelle: Döring, M.: Wasserräder, Wassersäulenmaschinen und Turbinen - Oberharzer Wasserwirtschaft wurde Weltkulturerbe, Beitrag 34. Dresdner Wasserbaukolloquium 2011 .............................................................................46 Abb. 4.2-15: Vergleich von Wasserrad und Wassersäulenmaschine; Quelle: Troitzsch, U.: Technischer Wandel, in: Propyläen TG, Bd. Mechanisierung und Maschinisierung, S. 79 .....................................................................................47 Abb. 4.2-16: Eine der ersten Dampfmaschinen auf dem Kontinent, eingesetzt ab 1788 in Tarnowitz (Schlesien) zur Wasserhebung im Silberbergwerk Friedrichsgrube; Quelle: Original Stadtarchiv Tarnowskie Góry ......................48 Abb. 4.2-17: Ein ”Pferdekopf” im Einsatz; bei Landau/ Pfalz fördert Wintershall noch heute Öl; Quelle: Wintershall Deutschland GmbH, Werkphoto........................49 Abb. 4.2-18: Synchron-Aufzüge für die Gladiatoren im antiken Rom, Kolosseum; Quelle: Simmen, J., Drepper, U.: Der Fahrstuhl, S. 206 ..................................49 Abb. 4.2-19: „Fliegende Stühle” aus dem frühen 18. Jh., Augsburg 1714, links der von Weigel; Quelle: Simmen, J., Drepper, U.: Der Fahrstuhl, München 1984, S. 197 ....................................................................................................................50 Abb. 4.2-20: Aus Otis’ Patentschrift 31128 von 1861; Quelle: Archiv Simmen, J. / Drepper, U., Berlin, urspr. National Archives....................................................50 Abb. 4.2-21: Otis führt 1853 seine automatische Fangvorrichtung vor; Quelle: Grafik, unbekannter Künstler, Otis Elevator Company, Berlin-Paris............................51 Abb. 4.2-22: Zur Genesis des Aufzugs in der Moderne: Dampfbetriebener Transmissionsaufzug von 1835 für die Arbeiter in einer englischen Fabrik; Quelle: Polyt. Journal 1835, Band 58, Nr. XII. (S. 118-124) ............................52 Abb. 4.2-23: Ein früher “elektrischer” Aufzug (Ausführung von Schmidt, Kranz u. Komp. in Nordhausen); Quelle: Aufzüge, in: Meyers Großes Konversations- Lexikon, 6. Auflage 1905-1909 ........................................................................53 Abb. 4.2-24: Der welterste elektrische Aufzug von W. Siemens, Aufnahme aus der Pfalzgauausstellung zu Mannheim im Jahre 1880; Quelle: Siemens Historical Institute, http: / / new.siemens.com/ global/ de/ unternehmen/ ueberuns/ geschichte/ news/ personenaufzug, Abruf 22.01.2020................................54 Abb. 4.2-25: Wirkprinzipien hydraulischer Aufzüge; Quelle: http: / / www.wikipedia.org/ wiki/ Aufzugsanlage, Abruf 22.01.2020 .....................55 Abb. 4.2-26: Eiffelturm, Aufzugsanlage zur zweiten Etage, links unten der Hydaulikzylinder; Quelle: United Technologies Corporation, USA...................55 Abb. 4.2-27: Zusammenhang von Gebäudehöhe, Technik und Liftgeschwindigkeit, Beispiele aus New York und Chicago aus den Jahren 1850-1975, Geschäftshäuser; Quelle: Archiv J. Simmen/ U. Drepper, Berlin ......................56 Abb. 4.2-28: Der Paternoster, Funktionsweise; Quelle: Simmen / Drepper, Fahrstuhl, S. 224................................................................................................................57 Abb. 4.2-29: Das alte Schiffshebewerk Niederfinow noch vor der Fertigstellung, Betriebsbeginn 1934, Treibscheibenanlage mit 36 m und 4500 t Hub; Quelle: Aufnahme um 1930, Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek .................58 Abb. 4.2-30: Druckleitungen eines Speicherkraftwerks; Quelle: http: / / www.bine.info/ fileadmin/ content/ Publikationen/ Basis_Energie Basis Energie18_2004_09, Abruf unbekannt .............................................................58 Abb. 4.2-31: Rohrsystem eines Pumpspeicherkraftwerks; Quelle: eon Grafik BR ...59 <?page no="474"?> 10 Bildverzeichnis 474 Abb. 4.2-32: Ein Beispiel zur jahreszeitlich schwankenden Energieerzeugung aus Wasserkraft�; Quelle: Schweizer Bundesamt für Energie Bern 2011 .. ......... 61 Abb. 4.2-33: Das Fallrohrsystem des Pumpspeicherwerks Hohenwarte mit rd. 300 m Fallhöhe; Quelle: Vattenfall GmbH, Werkphoto............................................61 Abb. 4.2-34: Die dreistufige Anlage des Schluchsee-Pumpspeicherwerks, errichet 1929-1951; Quelle: Universität Kassel, Vorlesung Hydromechanik .................62 Abb. 4.2-35: Jährliche Kosteneinsparungen in der Stromerzeugug durch den Einsatz des geplanten (noch nicht realisierten) Pumpspeicherwerks Atorf; Quelle: Lehrstuhl Energiewirtschaft und Anwendungstechnik, TU München ..62 Abb. 4.3-1: Schematische Darstellung des Rotary-Verfahrens; Quelle: Rotarry Verfahren, in: Lexikon der Geowissenschaften, Spektrum Akademischer Verlag, 2000......................................................................................................64 Abb. 4.3-2: Der Balkhauser Kotten an der Wupper, technische Einrichtung, Aufriss 1922; Quelle: LV Rheinland, Rhein. Industriemuseum, Kleine Reihe, Heft 7: Dampfschleifereien, Historische Handwerksstätten der Solinger Schneidwarenindustrie, Köln 1991 ...................................................................65 Abb. 4.3-3: Der Balkhauser Kotten an der Wupper, technische Einrichtung, Grundriss 1922; Quelle: LV Rheinland, Rhein. Industriemuseum, Kleine Reihe H. 7 ...................................................................................................................65 Abb. 4.3-4: Wellenführung über mehrere Geschosse; Quelle: Kennedy, R., The Book of Modern Engines and Power Generators, Vol. VI, London 1905 .........66 Abb. 4.3-5: Aufbau einer Schiffswellenanlage, Wärme-belastung der Lager; Quelle: International Journal of Mechanical Engineering and Applications, Volume 5, Issue 4-1, July 2017, Figure 4 ..........................................................................67 Abb. 4.3-6: Schiffsantrieb mit Booster; Quelle: Z. ABB Technik 3/ 1997 ..................68 Abb. 4.3-7: Energiefluss in die Propellerwelle; Quelle: Z. ABB Technik 3/ 1997 .......68 Abb. 4.4-1: Die Tempeltüren des Heron; Quelle: Netz, H., Vom Heronsball nach Calder Hall, Deutsches Museum 1965 ............................................................69 Abb. 4.4-2: Skizze zur Rohrpostblockade in Berlin 1949; Quelle: Prof. Dr. Nemo Klein eigener Entwurf (auch verwendet in http: / / www. wikipedia.org/ wiki/ Rohrpost in Berlin) ............................................................................................70 Abb. 4.4-3: Test einer mehrkanaligen Rohrpostanlage 2014; Quelle: Aerocom, Werkphoto.........................................................................................................71 Abb. 4.4-4: Bohren mit Pressluft unter Tage; Quelle: Atlas Copco, Werkphoto .......72 Abb. 4.4-5: Arbeitsprinzip des pneumatischen Lamellenmotors; Quelle: http: / / www.wikipedia.org/ wiki/ Lamellenmotor, Abruf 22.01.2020 .....................72 Abb. 4.4-6: "The Shone Hydro-Pneumatic System of Sewerage"; Quelle: W. H. Allen and Co, The Sanitary Record, London 1890, S. 151 ..............................73 Abb. 4.4-7: Musteranlage der Herstellerfirma MIDI; Quelle: Werksprospekt MIDI, Houston und Tampa, USA ................................................................................73 Abb. 4.4-8: Druckluftanwendungen; Quelle: Ziesling,K., Druckluftnetze, Mainz 1973, S. 151................................................................................................................74 Abb. 4.4-9: Das erste mit Druckluft betriebene Fahrzeug; Quelle: Druckluft, in: Achmed A. W. Khammas, Buch der Synergie ..................................................74 Abb. 4.4-10: Die erste Druckluftbahn in Nantes 1879, hier an einer Ladestation; Quelle: J. Prentice, 1994 & 2003 ......................................................................75 Abb. 4.4-11: Druckluftbahn System MĖKARSKI in Paris, 1900; Quelle: http: / / www.Wikipedia/ Straßenbahn_ Île-de-France, Abruf 22.01.2020 ............75 Abb. 4.4-12: HODGES’ Patent, weiterentwickelt; Quelle: Luftmotoren, in: Scott Robertson, Pneumatic Options Research Library ...........................................76 <?page no="475"?> 10 Bildverzeichnis 475 Abb. 4.5-1: Schema einer Hypokaustenheizung; Quelle: Brunner, H., Fessel, K., Hiller, F. (Hg.), Hypokaustenheizung, in: Lexikon Alte Kulturen 2, Mannheim 1993, S. 292......................................................................................................78 Abb. 4.5-2: Erste Schwerkkraftheizungen, historische Darstellung des Prinzips; Quelle: Bruno Bozy, Garding, urspr. Fa. Wilo ..................................................79 Abb. 4.5-3: Fernwärmesysteme in Europa für Städte mit mehr als 5.000 Einwohnern; Quelle: Halmstad University (Schweden), District Heating and Cooling ..............................................................................................................82 Abb. 4.5-4: Heizungsversorgung für Wohngebäude in der BRD, Stand 2010; Quelle: AGFW, Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK e. V. ................82 Abb. 4.5-5: Netzkategorien nach Bundeskartellamt; Quelle: Bundeskartellamt, Fernwärme, Abb. 3 ...........................................................................................83 Abb. 4.5-6: Leitungs-längen der Großwärmenetze; Quelle: Bundeskartellamt, Fernwärme, Abb. 4 ...........................................................................................84 Abb. 4.5-7: Teil des aufgeständerten Fernwärmenetzes in St. Pölten, 1950; Quelle: Fernwärme St. Pölten / Austria, Werkphoto .....................................................85 Abb. 4.5-8: Leitungsführung einer Fernheizung in Leipzig, um 2010; Quelle: Heute im Osten, Dokumentation MDR ........................................................................85 Abb. 4.5-9: Zur Funktionsweise einer Heat Pipe; Quelle: VGB Power Tec 2009 .....86 Abb. 4.5-10: Das Innere eines solarthermischen Kollektors mit Heat Pipes; Quelle: Modell Vitosol 200-T, SP2A der Viessmann Werke .........................................87 Abb. 4.5-11: Heat Pipes kühlen den Permafrost-Untergrund, hier die Wärmetauscher am jeweils oberen Ende; Quelle: Chase Delatush, University of Alaska Fairbanks, 2015 ................................................................................87 Abb. 4.5-12: "Bedeckte Lagoni", eine Technik, die den Dampf sammelt und dann Dampfmaschinen antreibt, um das Warmwasser zu pumpen; Quelle: Il Museo della Geotermia di Larderello............................................................................89 Abb. 4.5-13: Das Nesjavellir-Geothermie-Kraftwerk in Þingvellir, Island 2006; Quelle: Gretar Ívarsson, Geologe bei Nesjavellir ..........................................................89 Abb. 4.6-1: Alte Triftklause, im unteren Bereich des Hinteren Kraxenbachtals, Ruhpolding; Quelle: Privat-photo J. Köhler ......................................................92 Abb. 4.6-2: Holztransport in der Gegenwart; Quelle: Arbeitsgemeinschaft DREHSCHEIBE e. V., Köln .............................................................................93 Abb. 4.6-3: Stollenbergbau, Kohleverladung und Treidel an der Ruhr; Quelle: Arbeitskreis Mülheim an der Ruhr, Bergbau in Mülheim an der Ruhr, 2018, http: / / bergbau-muelheim.de/ wp-content/ uploads/ 2014/ 05/ Stollenbergbau ......95 Abb. 4.6-4: Die Kohlenwagen des Rauendahler Kohlenwegs, Replik; Quelle: Privatphoto Stahlkocher....................................................................................96 Abb. 4.6-5: Entwicklung der Kohleförderung im Rheinisch-Westfälischen Kohlenbecken während des 19. Jahrhunderts; Quelle: Grafik Hogenberg, Daten in: Kohleförderung, Brockhaus Konversationslexikon, 14. Auflage, 1894- 1896 ..................................................................................................................97 Abb. 4.6-6: Entwicklung des englischen Kohleverbrauchs und Entwicklung der Dampfmaschine; Quelle: W. St. Evans, ergänzt nach http: / / www.wikipedia.org/ wiki/ Jevons, The Coal Questioning...................................................................98 Abb. 4.6-7: Kanäle und Wasserstraßen zur Erschließung des Ruhrgebietes; Quelle: 2009-2019 by water-ways.net, Europas grösste Plattform für Binnenskipper100 Abb. 4.6-8: Wasserstraßennetz Deutschland; Quelle: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, 2014 .......................................................................102 Abb..4.6-9: Verkehrsaufkommen Binnenschifffahrt 1995; Quelle: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Febr. 2018...........................................103 <?page no="476"?> 10 Bildverzeichnis 476 Abb. 4.6-10: Verkehrsaufkommen Binnenschifffahrt 2015; Quelle: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Febr. 2018 ...........103 Abb. 4.6-11: Entwicklung der Steinkohleimporte nach Deutschland; Quelle: Bundesamt für Statistik, Statistik der Kohlenwirtschaft e. V. ..........................104 Abb. 4.6-12: Herkunftsländer der deutschen Steinkohleimporte 2011; Quelle: ZDF- Grafik 2013 .....................................................................................................104 Abb. 4.6-13: Kohleumschlag im Hamburger Hafen, Greiferanlage; Quelle: Hafen Hamburg Marketing e.V., Photo Michael Lindner...........................................104 Abb. 4.6-14: Veränderungen im Primärenergieverbrauch in der Bundesrepublik 1990-2016; Quelle: AG Energiebilanzen e. V.................................................105 Abb. 4.6-15: “Locomotion 1” als Nachbau im Museum; Quelle: Museum of Applied Arts and Sciences, Sidney ..............................................................................106 Abb. 4.6-16: Gleise und Wagen der Prinz Wilhelm Eisenbahn und Schlebusch- Harkorter Eisenbahn, Abmessungen in rhein. Fuß; Quelle: F. Harkort, gezeichnet und lithographiert von Tangermann .............................................108 Abb. 4.6-17: Lists Entwurf zu einem Deutschen Eisenbahnsystem aus dem Jahre 1833; Quelle: Krause, R., in: Friedrich List und die erste große Eisenbahn, 1887 ................................................................................................................110 Abb. 4.6-18: Das dichte Streckennetz im Ruhrgebiet, Stand 1877; Quelle: Katalog zur Dauerausstellung des DB Museums, Nürnberg 2009 ..............................111 Abb. 4.6-19: Hans Baluschek, Anfahrender Schnellzug, Gemälde 1909; Quelle: Artnet Worldwide Corporation 2018: H. Baluscheck ......................................112 Abb. 4.6-20: Länge des deutschen Eisenbahnnetzes 1900-1998; Quelle: Institut für Länderkunde, Leipzig 2000 ............................................................................113 Abb. 4.6-21: Gewinn- und Verlustrechnung der Deutschen Bahn, Halbjahre 2015- 2017; Quelle: Bilanzpresse- Konferenz DB, 2017..........................................115 Abb. 4.6-22: Das erste Dampfschiff in Deutschland, die Lady of the Lake, 1816; Quelle: Stadtarchiv Cuxhaven / Repro. E. Hein, Cuxh., Vorl. Siersdorfer, Essen ........................................................................................................................117 Abb. 4.6-23: Die Great Eastern, urspr. 1858 (oben), umgebaut zum Kabelleger 1865 mit dann nur 4 Schornsteinen (unten); Quelle: Schellen, H.: Das atlantische Kabel, Braunschweig 1986, S. 69...................................................................118 Abb. 4.6-24: HMS Rattler (links) vs. HMS Alecto (rechts), 03 April 1845; Quelle: Unbekannter Künstler, Originalgemälde In The National Maritime Museum, Greenwich.......................................................................................................120 Abb. 4.6-25: Halbbalancier der Ersten Deutschen Eisenbahnschienen-Compagnie, 1847; Quelle: Deutsches Museum, Sammlungen ..........................................121 Abb. 4.6-26: Doppelarmige Seitenbalanciermaschine von Cockerill, Searing, England, 1841; Quelle: Deutsches Museum, Sammlungen ...........................121 Abb. 4.6-27: Schräg liegende Schiffsmaschine für einen Flussraddampfer; Quelle: Dampfmaschine, in: Meyers Großes Konversations-Lexikon 1905 ...............122 Abb. 4.6-28: Waagerechte Tandem-Verbundmaschine von Hick, Hargreaves und Co. in Bolton 1889; Quelle: Polyt. Journal 1890, Band 276, S. 342-343.......122 Abb. 4.6-29: Die oszllierende Dampfmaschine der Great Eastern; Quelle: XIX. century artist, Science Museum, London .......................................................123 Abb. 4.6-30: Dreifach-Expansionsmaschine; Quelle: Dampfmaschine, in: Meyers Großes Konversations-Lexikon 1905 .............................................................123 Abb. 4.6-31: Laufrad und Düsen einer Lavalschen Dampfturbine, eine der Düsen aufgeschnitten, um die Lavaldüse sichtbar zu machen; Quelle: Dampfmaschine, in: Meyers Großes Konversations-Lexikon 1905 ...............124 <?page no="477"?> 10 Bildverzeichnis 477 Abb. 4.6-32: Einzelheiten zur Abfolge der Schaufeln und deren Befestigung bei einer Parsonstubine von 1906; Quelle: Polyt. Journal 1911, Band 326, S. 385f ........................................................................................................................125 Abb. 4.6-33: Entwicklung der Wirkungsgrade bei thermischen Kraftmaschinen; Quelle: Dampfturbine, in: LEIFI, Joachim Herz Stiftung .................................125 Abb. 4.6-34: Die Turbinia, Experimentierträger 1897; Quelle: Picture © Discovery Museum ..........................................................................................................126 Abb. 4.6-35: Kohlentrimmer bei der Kohlenaufnahme in Port Said 1938; Quelle: Gotthard Schuh, Fotostiftung Schweiz, Winterthur.........................................127 Abb. 4.6-36: Aus dem Kapitel Petroleum in einem der Mainzer Kräuterbücher; Quelle: Hortes sanitatis, Buch V, 1491, Kapitel 101.......................................128 Abb. 4.6-37: Bohr- und Fördertürme bei Titusville, Pennsylvania, USA, 1865; Quelle: Drake Well Museum Collection, Titusville, PA. ..................................130 Abb. 4.6-38: Ölpreis, Weltwirtschaft und Politik; Quelle: Infografik Dow Jones ......132 Abb. 4.6-39: Weltölproduktion im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, in 1000 Fass (7 Fass = 1 t); Quelle: Zischka, Weltmacht Erdöl, Anhang.............................133 Abb. 4.6-40: Welt-Ölproduktion der jüngeren Zeit; Quelle: Daten 1930-1959 Bureau of Mining Bulletins, Daten 1960-2012 nach OPEC-Website ..........................136 Abb. 4.6-41: Marktanteile der 5 großen Erdöl-Konzerne; Quelle: Greenpeace, Die weltweite Spur des Öls, 3/ 2004 (nach Angaben der Konzerne).....................137 Abb. 4.6-42: Frühe maritime Bohrung, etwa 1 km vom Land entfernt, Nähe Los Angeles, 1932; Quelle: Zischka, Weltmacht Erdöl, Anhang ...........................137 Abb. 4.6-43: Förderplattformen, wie hier die seit 2003 betriebene norwegische Grane von Statoil, prägen den Erdöl- und Erdgasabbau in der Nordsee; Quelle: Aker Solutions Engineering, Werkphoto ............................................137 Abb. 4.6-44: Typen maritimer Bohr- und Produktionsplattformen; Quelle: Technology, in: wissenmedia..........................................................................138 Abb. 4.6-45: Öl-Indikation nach dem MPOG®-Verfahren, markierte Punkte = Probenentnahmen; Quelle: © 2011 hummelt und kusserow | Werbeagentur, Magdeburg......................................................................................................140 Abb. 4.6-46: Der erste Tanker Zorastr, ein zeitgemäß modernes Schiff; Quelle: http: / / creativecommons.org/ licenses/ by-sa/ 3 .................................................141 Abb. 4.6-47: Die noch etwas altmodische Andromeda 1886; Quelle: German ESSO Tankers Album................................................................................................142 Abb. 4.6-48: Der Supertanker Nanny, erbaut 1978; Quelle: Photo Collection Varvshistoriska Föreningen I Göteborg ..........................................................143 Abb. 4.6-49: Demonstration gegen Öltanker im Peace Arch Park, der grenzübergreifend USA und Canada an der Westküste verbindet; Quelle: Photo by George Garrigues, Nov. 1970 .........................................................143 Abb. 4.6-50: Ölunfälle in der Seefahrt nach J., senkrecht die freigesetzte Menge in t Öl, waagerecht das Jahr; In red: the largest spill that year by one tanker; In lightblue: all spills smaller than 30000 m 3 combined; other colours: single spills larger than 30000 m 3 ; Quelle: CTX Casualty Database, Sept. 2008 ............144 Abb. 4.6-51; Die Trans-Alaska überquert den Tanana-Fluss, 2005; der bedeckte Himmel hat die gleichzeitig in Alaska wütenden Brände zur Ursache; Quelle: Photo by and (©) 2005 Derek Ramsey...........................................................146 Abb. 4.6-52: Die ausgebende Gesellschaft wurde 1910 in London gegründet, um zwei Pipelines von den Maikop Ölfeldern im Süden Russlands ans Schwarze Meer zu bauen. Eine Pipeline ging nach Enem in der Nähe von Novorossiisk und eine nach Tuapse. Ausgabedatum 25.9.1920; Quelle: HWPH Historisches Wertpapierhaus AG ........................................................................................147 <?page no="478"?> 10 Bildverzeichnis 478 Abb. 4.6-53: Standard Oil Refinery No. 1 in Cleveland, Ohio im Jahr 1889; Quelle: Photograph unbekannt, in: Encyclopedia of Cleveland History, Western Reserve Historical Society ..............................................................................148 Abb. 4.6-54: Olraffinerien in Deutschland, Stand 2016; Quelle: Mineralölwirtschaftsverband (MWV) ...............................................................149 Abb. 4.6-55: Tankstellenversorgung bei der Gesellschaft AVIA 2016; Quelle: Werkphoto AVIA Mineralölgesellschaft...........................................................150 Abb. 4.6-56: Die London Steam Carriage von Trevithick 1803; Quelle: Patentzeichnung Trevithick, Skizze Simon Goodrich 1803, The Steam Car Club of Great Britain .......................................................................................152 Abb. 4.6-57: Die Inschrift der Briefmarke trifft den Kern, Benz’ Patent-Motorwagen Nr. 1 steht am Anfang einer die Welt erobernden Technik; Quelle: Deutsche Post AG...........................................................................................................153 Abb. 4.6-58: Die Trassenführung der ersten deutschen “Nur-Auto-Straße”; Quelle: - Noßke, Th.: Der Bau der Autobahnen, 2007-2008, o. Seite ..........................157 Abb. 4.6-59: Das Schkeuditzer Kreuz; Quelle: Noßke, Autobahnen, o. Seite ........157 Abb. 4.6-60: Hitler und die Autobahnen - ein Beispiel wirkmächtiger Propaganda; Quelle: Noßke, Autobahnen, o. Seite .............................................................158 Abb. 4.6-61: Nicht nur Propaganda; Quelle: Vollbehr, E.: Die Straßen Adolf Hitlers, Koehler & Amelang, Leipzig, 1935 .................................................................159 Abb. 4.6-62: Kontinuierliche Deckenfertigung; Quelle: Noßke, Autobahnen, o. Seite ........................................................................................................................160 Abb. 4.6-63: Ausbaustand der Reichsautobahnen 1938; Quelle: Volk und Reich Karte ...............................................................................................................161 Abb. 4.6-64: Der Planungsentwurf für den Hollywood Freeway, der in der Innenstadt den Verkehr in 4 Stockwerken übereinander abwickelt; Quelle: Caltransdistrict, California Department of Transportation ........................................................166 Abb. 4.6-65: Inlandsabsatz von Ottokraftstoff und Dieselkraftstoff in Mio.Tonnen; Quelle: BAFA Mineralölinfo.............................................................................167 Abb. 4.6-66: Bestände im LKW-Sektor; Quelle: Shell-Studie LKW / Kraftfahrt- Bundesamt......................................................................................................168 Abb. 4.6-67: PKW in Deutschland nach Treibstoffart; Quelle: Tkarcher 2018, Creative Commons CC0 1.0 Universal Public Domain Dedication ................168 Abb. 4.6-68: Dieselhydraulische Lok der Baureihe 216, 1400 kW, 120 km Höchstgeschwindigkeit; Quelle: http: / / www.u-bahn-berlin.de....................................169 Abb. 4.6-69: Sonderbriefmarke der Deutschen Bundespost 1976, mit der F13 als Motiv; Quelle: Deutsche Post AG ...................................................................171 Abb. 4.6-70: Ausbau der Luft Hansa Verbindungen schon im ersten Betriebsjahr; Quelle: Juergen v. Schmeling 2009...............................................................172 Abb. 4.6-71: Erster Luftpost-Briefkasten in Berlin, Jan. 1923; Quelle: Bundesarchiv, Bild 102-00115, erstellt: 1. Januar 1923 .........................................................172 Abb. 4.6-72: Die JU 52/ 3m von 1931; Quelle: Flugzeugdatenbank in http: / / www.junkers.de .....................................................................................173 Abb. 4.6-73: 1936 entstandenes Vielfarb-Plakat für die Deutsche Lufthansa; Quelle: Max Ullmann 1936, Werbung 20d/ I. 37 BTL ..................................................174 Abb. 4.6-74: Luftpost-Faltblatt 1930; Quelle: https: / / web.hs-merseburg.de/ nosske, Lufthansa Archiv .............................................................................................174 Abb. 4.6-75: Auslieferungen und Bestellungen von Boeing und Airbus 2016; Quelle: Flug Revue 03/ 2017f2 201 .............................................................................177 <?page no="479"?> 10 Bildverzeichnis 479 Abb. 4.6-76: Die Entwicklung der Passa-gierluftfahrt in Deutschland bis 2016: Flugpassagiere auf deutschen Flughäfen, Ein- und Aussteiger, in Mio.; Quelle: Destatis 2017 ..................................................................................................177 Abb. 4.6-77; Zur Entwicklung des Luftverkehrs in Deutschland; Quelle: DLR, Prognosemodell ..............................................................................................178 Abb. 4.6-78: Gewerblicher Luftverkehr in Deutschland im Jahre 2017; Quelle: Stat. Bundesamt, Fachserie 8 Reihe 6.1 ................................................................178 Abb. 4.6-79: Eine C54 der US Air Force bei der Landung in Tempelhof 1948; Quelle: United States Air Force Historical Research Agency .....................................179 Abb.4.6-80: Vergleich von Maschinenanlagen mit 6.000 PS. Brennstoffverbräuche, Gewichte und Maschinenpersonal; Quelle: Berg, F., Hochhaus, K.-H., Kannowski, W.-R., in: Schiffbautechnische Gesellschaft (HG), Schiffsmaschinen, 1999..................................................................................180 Abb. 4.6-81: Einer der Dieselmotoren der Vandal an Bord; Quelle: Z. Ship & Offshore, Nr. 2, 2012, S. 7 ..............................................................................182 Abb. 4.6-82: Technische Zeichnung der Vandal; der Maschinenraum mit den Dieselgeneratoren befindet sich mittschiffs, die elektrischen Fahrmotoren zum Propellerantrieb sind im hinteren kleinen Maschinenraum angeordnet; Quelle: Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Bd. 49, Nr. 21, 27. Mai 1905, S. 892 ..................................................................................................................182 Abb. 4.6-83: Churchill an Bord der Selandia; Quelle: Z. Ship & Offshore, Nr. 2, 2012, S. 19................................................................................................................184 Abb. 4.6-84: Der Motor der Selandia vor dem Einbau; Quelle: MAN Diesel & Turbo, Archiv ..............................................................................................................185 Abb. 4.6-85: 1912/ 13, Einlegen der Kurbelwelle beim doppelt wirkenden 12.000 PS Zweitakt-Dieselmotor mit 6 Zylindern auf dem Versuchsstand von MAN Nürnberg; Quelle: Historisches Archiv MAN AG Augsburg ............................186 Abb. 4.6-86: Die doppeltwirkende Zweitaktmaschine der Fritz mit den zwei Brennräumen; Quelle: Z. Ship & Offshore, Nr. 2, 2012, S. 21 .......................186 Abb. 4.6-87: Schweröl bedarf der Aufbereitung; Quelle: Z. Ship & Offshore, Nr. 2, 2012, S. 26......................................................................................................188 Abb. 4.6-88: Titelblatt der ersten deutschen Abhandlung über Gaserzeugung, Gaswärme und Gaslicht; Quelle: Aus Original der US Southern Regional Library .............................................................................................................190 Abb. 4.6-89: Die Gasanstalt in der Kgl. Münze in London, Entwurf Clegg; Quelle: Körting, Gasindustrie, S. 74............................................................................191 Abb. 4.6-90: Hängelichter wiesen einen nach unten zeigenden Gühkörper auf, entsprechend auch einen nach unten weisenden und schwerer zu beherrschenden Gasfluss; Quelle: Körting, Gasindustrie, S. 394 ..................194 Abb. 4.6-91: Stadtgas als Treibstoff, 1935 - 1937; Quelle: Journal für Gaswirtschaft 81, 1937; S. 252..............................................................................................197 Abb. 4.6-92: Entwicklung der Beheizung der Öfen im Krefelder Stahlwerk; Quelle: Z. Das Gas- und Wasserfach 81, 1938, S. 625 ..................................................197 Abb. 4.6-93: Entwicklung der Gaserzeugung in den 1950er Jahren; Quelle: Körting, Gasindustrie, S. 568 .......................................................................................198 Abb. 4.6-94: Öl- und Flüssiggaseinssatz bei Gaswerken und Kokereien in 1000 t/ a; Quelle: Körting, Gasindustrie, S. 579 .............................................................199 Abb. 4.6-95: Einsatz von Raffinerie- und Erdgas für die Gaserzeugung der Gaswerke 1957-1959; Quelle: Das Gas- und Wasserfach 1011, 1960, S. 829 ........................................................................................................................199 <?page no="480"?> 10 Bildverzeichnis 480 Abb. 4.6-96: Zum Unterschied von H- und L-Gas; Quelle: Wingas GmbH, https: / / www.wingas.com/ rohstoff-erdgas ........................................................201 Abb. 4.6-97: Ein Blowout-Preventer; Quelle: Exxon Mobil Corporation ..................201 Abb. 4.6-98: Erdgas in Deutschland - der Ausbruch bei Neuengamme 1910; Quelle: Hamburger Abendblatt, 4.11.1960..................................................................202 Abb. 4.6-99: Vorhandene und geplante Transportleitungen für Erdgas in West- Deutschland 1968; Quelle: Leuschner, Gasversorgung, S. 24 ......................203 Abb. 4.6-100: Erdgasförderung in Deutschland im Auf und Ab; Quelle: Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung (WEG), Jahresbericht 2012 ........................................................................................................................204 Abb. 4.6-101: Werbung der Stadtwerke Mannheim für die Umstellung auf Erdgas 1968; Quelle: Stadtwerke Mannheim..............................................................205 Abb. 4.6-102: Erdgasverbrauch in Deutschland 1960-201; Quelle: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Energiestudie 2017 ....................205 Abb. 4.6-103: Ferngasnetz Deutschland 2017, dessen Anbindung und Auslastung; Quelle: Gasversorgung, in: LEIFI Physik, Joachim Herz Stiftung ..................206 Abb. 4.6-104: Überblick über das Wachstum des Netzes 1970-1990; Quelle: Leuschner, Gasversorgung, S. 28 .................................................................207 Abb. 4.6-105: Herkunft und Transportstufen des Erdgases in der BRD 2007; Quelle: Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW) ..............207 Abb. 4.6-106: Die Kompressorstation Nowourengojski; Quelle: PAO Gazprom.....208 Abb. 4.6-107: Verlegung einer Ferngasleitung im Erzgebirge; Quelle: Ontras Transport GmbH .............................................................................................208 Abb. 4.6-108: Schweißroboter bei Gazprom; Quelle: PAO Gazprom .....................208 Abb. 4.6-109: Verlegeschiff Solitaire bei der Arbeit an der North Stream in der Ostsee; Quelle: PAO Gazprom.......................................................................209 Abb. 4.6-110: Arbeitstechnik bei Offshore-Pipelines; Quelle: FAZ, Technik & Motor, 28.6.2012 ........................................................................................................209 Abb. 4.6-111: LNG-Tanker für den Seetransport; Quelle: PAO Gazprom .............211 Abb. 4.6-112: Erdgasförderung im Groninger Gasfeld in Mrd. cbm; Quelle: Winningsplan Groningen Gasveld 2016, definitief, EP 201604259068..........212 Abb. 4.6-113: NEP Gas 2018, Auszug; Quelle: Bundesnetzagentur ......................213 Abb. 4.6-114: Naturgas-Produktion der USA; Quelle: US Energy Information Administration .................................................................................................214 Abb. 4.6-115: Erdgasverwendung in der OECD nach Verbrauchergruppen; Quelle: U.S. Energy Information Administration .........................................................214 Abb. 4.6-116: Die Stellung von Autogas im Markt alternativer Antriebe; Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt 2016 ..............................................................................215 Abb. 4.6-117: Entwicklung der Zahl der Erdgasfahrzeuge in Deutschland; Quelle: Kraftfahrtbundesamt 2018.................................................................................216 Abb. 4.6-118: Kutsche mit Stromantrieb nach dem Vorbild eines „dog cart“, Volk/ Immisch, 1887/ 1888; ..............................................................................217 Abb. 4.6-119: Am 29. April 1899 stellte Camille Jenatzy mit seinem Elektroautomobil La Jamais Contente mit 105,9 km/ h einen Geschwindigkeitsrekord auf; Quelle: Collection Jules Beau. Photographie sportive, Année 1899 ..........................218 Abb. 4.6-120: Der Lohner-Porsche mit elektrischen Nabenmotoren in den Vorderrädern; 1902 folgte eine Version mit Verradantrieb (im Bild mit Ferdinand Porsche, links); Quelle: unbekannt, 1902, Archiv „Jacob Lohner & Co" ..................................................................................................................218 <?page no="481"?> 10 Bildverzeichnis 481 Abb. 4.6-121: Der Baker Electric von 1903, hier mit Thomas Edison und seiner zweiten Ehefrau; Quelle: https: / / www.welt.de/ motor, © picture alliance/ United Archiv ..............................................................................................................219 Abb. 4.6-122: Edison-Akkumulator zeitgenösssich; Quelle: Verein Zukunftwerkstatt Verkehr ...........................................................................................................219 Abb. 4.6-123: 1993 ging der Citroën AX electrique in Serienfertigung; Quelle: Lebubu93/ Creative Commons BY-SA 3.0 ......................................................220 Abb. 4.6-124: Der bis 1999 produzierte EV1 von GM. Fast alle Exemplare wurden zurückgerufen und von GM mit der Begründung verschrottet, ein sicherer Betrieb der Fahrzeuge könne auf Dauer nicht gewährleistet werden; Quelle: General Motors Company, Werksprospekt ...................................................221 Abb. 4.6-125: Jeweils am 1. Jan. jeden Jahres zugelassene Elektrofahrzeuge (BEV); Quelle: e-Station. de, nach Kraftfahrtbundesamt................................222 Abb. 4.6-126: Tesla Roadster, das erste Serienfahrzeug von Tesla Motors wurde zusammen mit Lotus entwickelt; Quelle: James Lipman/ Tesla Motors..........223 Abb. 4.6-127: Marktprognose für F-Cell-Fahrzeuge; Quelle: Frost und Sullivan, In AUTOMOBIL INDUSTRIE 4 | 2018 ................................................................225 Abb. 4.6-128: Darstellung der jeweils günstigsten Transporttechnik für unterschiedliche Wasserstoffmengen und Transportdistanzen; Quelle: FZJ und Friedrich-Alexander-Universität, Erlangen......................................................226 Abb. 4.6-129: Ein neuer Druckgastransporter für Wasserstoff 2018; Quelle: Z. KRAFTHAND, 16/ 2018...............................................................................227 Abb. 4.6-130: Die Uran-Radium-Zerfallsreihe mit Radon als Zwischenprodukt; Quelle: Uranova rada.svg, Wikimedia Commons...........................................228 Abb. 4.6-131: Die Massendefizite über der Ordnungszahl erklären den Energiegewinn; Quelle: 100 x Energie, Meyers Lexikonverlag, 1977, S.145 228 Abb. 4.6-132: Der Fermi-Reaktor in Chicago 1942 (Chicago Pile1); Quelle: 100 x Energie, Meyers Lexikonverlag, 1977, S. 153..............................................229 Abb. 4.6-133: Brennelementelager in der Lingener Brennelementefabrik; Quelle: Neue Osnabrücker Z., 10.4.2017 ...................................................................230 Abb. 4.6-134: Kennzeichnung für Transporte radioaktiven Materials, Dosisleistung ≤ 0,5 mSv/ h bzw. ≤ 2 mSv/ h an der Außenfläche; Quelle: Chr. Ziehr, https: / / wiki.einsatzleiterwiki.de, Abruf 22.01.2020 ..........................................230 Abb. 4.6-135: CASTOR-Behälter, Schematischer Aufbau. 1: Behälterkörper; 2: Moderatorstäbe; 3: Tragzapfen; 4: Primärdeckel; 5: Sekundärdeckel; 6: Schutzplatte; 7: Druckmessgerät; 8: Metalldichtung; 9: Elastomerdichtung; Quelle: Castor-Behälter, Lexikon der Physik..................................................231 Abb. 4.6-136: AKW , Ver- und Entsorgung; Quelle: Deutsches Atomforum, Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle in D., Jan. 2019 Legende: ................232 Abb. 4.7-1: Dieser Generator der Alliance mit Baujahr 1870 stammt aus der Frühzeit der Elektrotechnik. Die Rotorspulen drehen sich in einem Feld von Hufeisenmagneten. Die Magnete sind in sechs Kränzen angeordnet und geben der Maschine ihr charakteristisches Aussehen; Quelle: Technisches Museum Wien, Photo .....................................................................................234 Abb. 4.7-2: Erste elektrische Straßenbeleuchtung in Berlin, Potsdamer Platz, 1882; Quelle: Carl Saltzmann (1847-1923), Gemälde, 1884 ...................................236 Abb. 4.7-3: Die erste Blockstation der DEG 1984; Quelle: Zeitgenössische Zeichnung, in: Flaig, Gerd: AEG Firmengeschichte .......................................238 Abb. 4.7-4: Gedenktafel in der Berliner Markgrafenstraße; Quelle: Anonymus OTFW Berlin ...................................................................................................238 <?page no="482"?> 10 Bildverzeichnis 482 Abb. 4.7-5: Die technische Ausstattung der Zentrale Markgrafenstraße; Quelle: Die kleine Chronik, AEG Industrial Engineering GmbH ........................................239 Abb. 4.7-6: Das erste Berliner „Netz“ mit der Zentrale Markgrafenstraße 1885; Quelle: Matschoß, C. et al.: 50 Jahre Berliner Elektrizitätswerke, Berlin 1934, S. 13................................................................................................................239 Abb. 4.7-7: Elektrische Beleuchtung in Berlin, ohne die für die öffentliche Beleuchtung in der Leipziger Straße installierten 36 Bogenlampen; Quelle: Polyt. Journal 1888, Bd. 268, S. 573 ..............................................................240 Abb. 4.7-8: Tageslastkurven der Zentrale Barmen 1890, im Vergleich Winter / Sommer; Quelle: ETZ 1891, H. 27, S. 359 ....................................................241 Abb. 4.7-9: Zum Prinzip des Dreileitersystems; die von der Zentrale erzeugte Spannung ist verdoppelt, die Versorgung der Glühlampen x auf 2 Kreise aufgeteilt, U/ 2= 100-110 V, Mp üblicherweise geerdet; Quelle: Dreileitersysten, in: Lexikon der Physik, Spektrum Akademischer Verlag .....242 Abb. 4.7-10: Schaltschema der Anlage Lauffen-Frankfurt; die Sekundärseite muss noch um den Drehstrommotor ergänzt gedacht werden; Quelle: M. O. Doliwo- Dobrowolski 1891, http: / / www.teslasociety.ch/ TES_DOKU ...........................244 Abb. 4.7-11: Drehstromzentrale in Erding 1892, S&H; Quelle: https: / / assets.new.siemens.com/ siemens/ asets/ ... / 1892-erding. ..................245 Abb. 4.7-12: Eine neuartige Bahn ohne Dampf und ohne Pferde - Konstruktionszeichnung, 1879; Quelle: https: / / assets.new.siemens.com/ siemens/ assets/ ......germany-berlin-electric locomotive-1879-eb-iv-3807-300.jpg, Original in: Organ für Fortschritte des Eisenbahnwesens ..........................................................................................246 Abb. 4.7-13: Gedenkmarke zur Internationalen Verkehrsausstellung 1979 in Hamburg: Quelle Deutsche Post AG ..............................................................246 Abb. 4.7-14: Fahrplan der weltersten Straßenbahn (Eisenbahn); Quelle: http: / / www.feldbahn-riedlhuette.de/ ...Lichterfelde, Original Siemens & Halske ........................................................................................................................247 Abb. 4.7-15: Zweipolige Oberleitung der Bahn Frankfurt-Offenbach; Quelle: Frankfurter Rundschau, Bahn-Jubiläum 125 Jahre........................................248 Abb. 4.7-16: Die Straßenbahnen im D. Reich 2013; Quelle: K. H. Kaufhold, Art. Straßenbahnen im D. Reich vor 1914, in Petzina, D., Reulecke, J. (Hg): Bevölkerung, Wirtschaft, Gesellschaft seit der Industrialisierung, Festschrift Köllmann, S. 237...........................................................................249 Abb. 4.7-17: Baureihe ET 165 „Wannseebahn“ der Berliner S-Bahn, Versuchstriebwagen; Quelle: Christian Liebscher, eigenes Werk 2007.........250 Abb. 4.7-18: Bahnhof Werther Brücke der ”Schwebebahn” Barmen-Elberfeld, Entwurfsskizze von 1900; Quelle: Buschman, W: Die Wuppertaler Schwebebahn, in: Denkmalpflege im Rheinland 15, 1998, S. 20-29.............250 Abb. 4.7-19: Der von AEG für die StES gebaute Triebwagen nach der Rekordfahrt 1903; der Betrieb mit Drehstrom machte eine seitliche Führung der Oberleitungen notwendig; Quelle: AEG ST-ES, Grafik unbekannt, 1903 ......251 Abb. 4.7-20: Anteile Elektrifizierung bei nationalen Bahnen in Europa, 2010; Quelle: Allianz pro Schiene e. V..................................................................................253 Abb. 4.7-21: Aufbau des Bahnstromnetzes der Deutschen Bahn; Quelle: https: / / inside.bahn.de/ wordpress/ uploads/ 2017/ 01/ WE11_08_WiefuNetzDB_01 . .......................................................................................................................253 Abb. 4.7-22: Überdruck-Dampfturbine, ähnlich der Parsons-Turbine, Dampfeintrittsdruck 9 bar, Dampfeintritts-Temperatur 175 0 C, : Hersteller BBC, <?page no="483"?> 10 Bildverzeichnis 483 1902, Drehzahl 3000 RPM, Leistung 450 kW; Quelle: Deutsches Museum, ständige Ausstellung.......................................................................................254 Abb. 4.7-23: Die jeweils größten Tutbinenleistungen konentioneller deutscher Kraftwerksblöcke bis 1973; Quelle: Schäff, K.: Die Entwicklung zum heutigen Wärmekraftwerk, VGB 1977, S. 165...............................................................255 Abb. 4.7-24: Die Tutbinenleistungen in deutschen Kernkraftwerken bis Inbetriebnahmen 1974; Quelle: Schäff, Wärmekraftwerk, VGB 1977, S. 167256 Abb. 4.7-25: Strom-Erzeugung in Deutschland nach Energiequellen; Quelle: Gesamtverband Steinkohle e. V., Jahresbericht 2012, Anhang ....................256 Abb. 4.7-26: Prinzipschaltblld eines GuD-Kraftwerks; Quelle: Tim Sommerwerk, energiestrom.com ...........................................................................................257 Abb. 4.7-27: „Electricitätswerk von K. Fischer in Bad Reichenhall 1890”; Quelle: Schmidberger, Wechselstromkraftwerk, Anhang ...........................................259 Abb. 4.7-28: Das für die Internationale Elektrotechnische Ausstellung 1891 in Frankfurt am Main genutzte Wasserkraftwerk in Lauffen am Neckar, 1891, Sonderbriefmarke zum Jubiläum; Quelle: Deutsche Post AG........................259 Abb. 4.7-29: Laufwasserkraftwerke in Deutschland, Stand 2003; Quelle: Wasserkraftwerk, in: Brockhaus Naturwissenschaft und Technik, Mannheim 2003 ................................................................................................................260 Abb. 4.7-30: Verteilung der Wasserkraftwerke in Deutschland; Quelle: Regenerative Energieversorgung, in: LEIFI Physik, Joachim Herz Stiftung Legende: Laufwasserkraftwerk Speicherkraftwerk Pumpspeicherkraftwerk ....261 Abb. 4.7-31: Anteil erneuerbarer Energien an der öffentlichen Nettostromerzeugung; Quelle: B. Burger, Fraunhofer ISE, 2017.......................................................261 Abb. 4.7-32: Entwicklung der Wirkungsgrade von Solarzellen, prozentuale Steigerung in der Serienproduktion; Quelle: Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie, 2010 .....................................................................................264 Abb. 4.7-33: Aufbau einer privaten Photovoltaik-Anlage; Quelle: Alsol AG, https: / / www.alsol.ch/ html/ img/ schema............................................................265 Abb. 4.7-34: Entwicklung des Anteils Erneuerbarer Energien am Netto- Stromverbrauch inkl. Netzverlusten (Endenergie) in Deutschland, Quelle: BMWi, AG Energiebilanzen ............................................................................265 Abb. 4.7-35: Zum Preisverfall auf dem Photovoltaik-Markt; Quelle: https: / / www.photovoltaik.org/ news/ marktentwicklung-studien .......................266 Abb. 4.7-36: Solarfarm mit 128 MW p bei Templin, 2013; Quelle: Hersteller BELECTRIC....................................................................................................266 Abb. 4.7-37: Verteilung von Photovoltaikanlagen in Deutschland, 2016; Quelle: Pinterest Europe LtD, Stromreport, Infografik ...............................................267 Abb. 4.7-38: Der Zusammenhang von Investition und Förderung bei Photovoltaikanlagen; Quelle: https: / / strom-report.de/ Infografik ..................267 Abb. 4.7-39: Die erste große WEA, die Smith Putnam 1941 in den USA; Quelle: United States Department of Energy ..............................................................268 Abb. 4.7-40: Windenergie, Photovoltaik und Biomasse im Vergleich, 2016; Quelle: https: / / strom-report.de, Infografik....................................................................269 Abb. 4.7-41: Größen- und Leistungsverbesserung der onshore WEA; Quelle: BWE, Factsheet 2016 ...............................................................................................270 Abb. 4.7-42: Schema der Ur-Brennstoffzelle von Grove; Quelle: http: / / www.diebrennstoffzelle.de/ zelltypen/ geschichte ...................................271 Abb. 4.7-43: Bauweisen und Anwendungsbereiche heutiger Brennstoffzellen; Quelle: Brennstoffzelle, in: Fossile Energieversorgung, LEIFI Physik, Joachim Herz Stiftung. ..................................................................................................273 <?page no="484"?> 10 Bildverzeichnis 484 Abb. 4.7-44: Apolloprogramm, alkalische Brennstoffzellen von Pratt & Whitney; Quelle: Brennstoffzelle, in: Achmed A. W. Khammas, Buch der Synergien...273 Abb. 4.7-45: Brenn-stoffzelllenmodul an Bord einer Yacht; Quelle: Brennstoffzelle, in: Welt Lexikon, Berlin 2007, ©Weltgrafik .....................................................274 Abb. 4.8-1: Attische Vasenmalerei 5. Jh. v. Christus; Quelle: Antikensammlung München .........................................................................................................275 Abb. 4.8-2: Keramische Öllampe um 100 v. Chr, vermutlich Pergamon; Quelle: British Museum London ..................................................................................275 Abb. 4.8-3: Hängelampe aus weißem Netzglas mit erhaltenen Aufhängungen; Quelle: https: / / www.antike-tischkultur.de, Abruf 22.01.2020 ..........................276 Abb. 4.8-4: Mittelalterliche Laternenformen: Quelle: v. Benesch, Beleuchtungswesen, Gruppe VIII, Laternen und Lampions ...........................276 Abb. 4.8-5: Öllampe mit Argand-Brenner; Quelle: Lothar Spaniol, Antik-Öllampen, http: / / www.antik-oellampen.de........................................................................277 Abb. 4.8-6: Gaslampe in der Mississippi State Capitol Senate Gallery; die Glasglocken sind entfernt; Quelle: https: / / commons.wikmedia.org/ w/ File: MS_State_Capitol_Senate_Gallery_ gas_lamp ........................................................................................................278 Abb. 4.8-7: Gaslampe für den Gebrauch in Laboratorien, London 1852; Quelle: Hofmann, A. W., in: Polyt. Journal 1852, Band 123, Nr. LXI. (S. 359-360) ...278 Abb. 4.8-8: Der Laternenanzünder im 19. Jh.; Quelle: Rehbein, A.: Energiegeschichte, Juli 2014, enso blog ........................................................280 Abb. 4.8-9: Schematische Darstellung einer Differentialbogenlampe nach von Hefner-Alteneck, veröffentlicht 1897; Quelle: Das Buch der Erfindungen, Gewerbe und Industrien von Otto Spamer, 1897, Dritter Band, Verlag und Druck Otto Spamer .........................................................................................281 Abb. 4.8-10: Auswertung der Berichtshäufigkeit im Polytechnischen Journal, die Bogenlampe betreffend; Quelle: Polyt. Journal, digitale Bearbeitung Institut für Kulturwissenschaft, Humboldt-Universität, Stichwort Bogenlampe...............283 Abb. 4.8-11: Petroleumlampe, hängende Ausführung; Quelle: Rabensteiner, November 2007 (UTC) - Eigenes Werk .........................................................284 Abb. 4.8-12: Zum Aufbau einer Halogenlampe; Quelle: eLIFE powered by Vattenfall, https: / / elife.vattenfall.de/ halogenlampe-funktion-vorteile-nachteile ........................................................................................................................285 Abb. 4.8-13: Parabolrinnenanlage in Ägypten, 1913; Quelle: The Electrical Experimenter, Volume 3, May 1915 - April 1916............................................289 Abb. 4.8-14: Werbung in den USA für das Solarhaus, 1940; Quelle: Geschichte der Solarenergie 1901 - 1974, in: A. W. Khammas, Buch der Synergie; ursprünglich Popular Science, USA................................................................289 Abb. 4.8-15: Der Sonnenofen von Odeillo. Als Einrichtung des CNRS arbeitet das System an Materialuntersuchungen für Weltraumeinsätze, die Umweltproblematik und die Energiegewinnung; Quelle: Photo Gerlinde und Reinhard Schielicke, Jena ..............................................................................291 Abb. 4.8-16: Luftbild der solarthermischen Parabolrinnen-Kraftwerke bei Kramer Junction in der Mojave-Wüste in Kalifornien, USA; Quelle: NextEra Energy Resources, Betreiber ......................................................................................291 Abb. 4.8-17: Die Solarturm-Versuchs-Anlage in Jülich; Quelle: DLR, Institut für Solarforschung................................................................................................292 Abb. 4.8-18. Produzierende Solarwärmekraftwerke, Stand 2017; Quelle: http: / / www.wikipedia.org/ wiki/ Art. Solarthermie, Abruf 12.12.2018, ergänzt ..293 <?page no="485"?> 10 Bildverzeichnis 485 Abb. 4.8-19: Arbeitsweisen solarthermischer Kraftwerke; Quelle: solarthermisches Kraftwerk, in: Michael Bockhorst, Energielexikon auf http: / / www.energieinfo.de ........................................................................................................................294 Abb. 4.8-20: Solarthermie für den privaten Gebrauch; Quelle: be Around GmbH, http: / / d2h1t9243qzgjg.cloudfront.net/ uploads/ attachment/ image/ 2212/ solarther mie-heizen-warmwasser-funktionsweise ........................................................295 Abb. 4.8-21: W. Herschel vor dem Sternbild der Zwillinge, in dem er 1781 den Planeten Uranus entdeckte; Quelle: Fr. Rehberg, Stich 1814 ......................295 Abb. 4.8-22: Trocknung und Härtung lackierter Stahlfedern mit IR-Strahlern; Quelle: Werkphoto Heraeus Noblelight.......................................................................296 Abb. 4.8-23: Aufbau des Infrarotpaneels; Quelle: Werkbild Infrapower Group GmbH ........................................................................................................................297 Abb. 4.8-24: Schematische Skizze eines einfachen Lasers, bestehend aus einer Pumpquelle, einem Verstärkungsmedium und einem Resonator zur Lichtrückkopplung; Quelle: Institut für Hochfrequenz-technik der TU Braunschweig .................................................................................................298 Abb. 4.8-25: Th. Maiman und sein Rubinlaser; Quelle: National Museum of American History.............................................................................................299 Abb. 4.8-26: Auswahl einiger wichtiger Lasertypen und Lasertechnologien. YAG = Yttrium-Aluminium-Granat; Quelle: Institut für Hochfrequenztechnik der TU Braunschweig, bearbeitet ...............................................................................299 Abb. 4.8-27: Entwicklung medizinischer Laseranwendungen; Quelle: Poprawe, Laseranwendung, o. Seite ..............................................................................300 Abb. 4.8-28. Laserschneiden; Quelle: Werkinfo eurolaser GmbH ..........................301 Abb. 4.8-29: Einsatzbereiche in der Lasermaterialbearbeitung; Quelle: Fraunhofer I- LT, Cro & Hee ................................................................................................302 Abb. 4.8-30: Laser-Waffen-Technologie-Demonstrator; Quelle: Rheinmetall, Werkphoto.......................................................................................................303 Abb. 4.8-31: Skizzenteil aus Spencers Patentanmeldung: Magnetronröhre zum Erwärmen von Lebensmitteln; Quelle: Spencer Familien Archiv, ©1989-2001 by J. Carlton Gallawa......................................................................................305 Abb. 4.8-32: Eines der ersten Mikrowellengeräte, hier auf einer Haushaltsausstellung in London im März 1947; Quelle: Spiegel online, 23.01.2015, http: / / cdn1.spiegel.de/ images/ image-799124-860_poster .........305 Abb. 4.8-33: Mikrowellenbestrahlung der Schulter bei kalzifizierender Tendinitis; Quelle: Werkphoto Physiomed .......................................................................306 Abb. 4.8-34: Bestrahlung im Radiumhemmet, Schweden 1917; Quelle: Radiumhemmets arkiv ....................................................................................308 Abb. 4.8-35: Ein medizinischer Linearbeschleuniger sowjetischer Bauart in der Radiologischen Klinik der Friedrich-Schiller-Universität Jena, DDR Februar 1985; Quelle: Bundesarchiv Bild 183-1985-0211-001...................................310 Abb. 6.1-1: Erstürmung einer mittelalterlichen Stadt, Original entstanden in Bern 1478-1483; Quelle: Bern, Burgerbibliothek, Mss.h.h.I.1, p. 97 - Diebold Schilling, Amtliche Berner Chronik, Vol. 1 ......................................................315 Abb. 6.1-2: Eingemauerte Kanonenkugeln in den Außenwänden der Heilggeistkirche in Stralsund; Quelle: Ostseezeitung v. 13.02.2017.............316 Abb. 6.1-3: Rückgewinnung von Bremsenergie oder Nutzbremse; Quelle: Mazda 3 Betiebsanleitung .............................................................................................317 Abb. 6.1-4: Das Krokodil im Einsatz; Quelle: Schweizerische Bundesbahnen SBB ........................................................................................................................317 <?page no="486"?> 10 Bildverzeichnis 486 Abb. 6.1-5: Ein Tesla Model S P85+ baut seine Geschwindigkeit von aktuell 209 km/ h mit über 60 kW durch seine Nutzbremse ab, angezeigt auf dem Leistungsindikator rechts unten; Quelle: Lklundin, eigenes Photo Sept. 2013 ........................................................................................................................319 Abb. 6.1-6: Eine Übersicht der unterschiedlichen Arten an gespeisten Antrieben (Ausleger, Hebewerk, Fahrantriebe) sowie ihre Verbindung untereinander, geeignet für einen Energieaustausch; Quelle: M. Cerny, ETZ 12/ 2013 .........320 Abb. 6.2-1: Die Proserpina-Talsperre bei Mérida in Spanien, 2. Jh. nach Chr., heute noch in Funktion; Quelle: Z. Kultur und Technik, 3/ 2005, S. 12 .....................321 Abb. 6.2-2: Die Mauer der Fürwiggestalsperre; Quelle: Originalzeichnung Intze, Ausschnitt .......................................................................................................323 Abb. 6.2-3: Aus der Planung des Bigge-Damms; Quelle: Ruhrtalsperrenverein, 100 Jahre Talsperrenbau an der Ruhr, Bild 8 .......................................................324 Abb. 6.2-4: Talsperrenbau in Deutschland; Quelle: V. Bettzieche, RUB Talsperren- Info ..................................................................................................................324 Abb. 6.2-5: Speicherkraftwerke in Deutschland, Stand 2003; Quelle: Wasser- - ikraftwerk, in: Brockhaus Naturwissenschaft und Technik, Mannheim 2003 .325 Abb. 6.2-6: Rechts das “alte” Koepchenwerk (bis 1994), links das neue - die Fallrohre sind hier unterirdisch verlegt und damit nicht mehr sichtbar; Quelle: Regionalverband Ruhr (RVR).........................................................................326 Abb. 6.2-7: Pumpspeicherwerke in Deutschland, Österreich, Schweiz und Luxemburg mit Leistungen >300 MW; Quelle: BDEW, Schluchseewerk AG.327 Abb. 6.2-8: Kenndaten des deutschen Pumpspeicher-Kraftwerksparks 2018; Quelle: FZ Jülich .........................................................................................................328 Abb. 6.2-9: Das Projekt Meerespumpwerk vor dem Beginn des Modellversuchs im Bodensee; Quelle: Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) ...........................................................................329 Abb. 6.2-10: Projekt Lageenergiespeicher; Quelle: Prof. Dr. Eduard Heindl, Hochschule Furtwangen ................................................................................329 Abb. 6.2-11: Freibergsdorfer Hammer in Freiberg, seit 1607, vermutlich mit Gesenk für geschmiedete (! ) Kanonenkugeln; Quelle: Photo Lord van Tasm.............329 Abb. 6.2-12: Übersicht über gebräuchliche Typen von Fallhämmern gegen Ende des 19. Jahrhunderts; Quelle: Polyt. Journal 1893, Band 290 (S. 275-277) ........330 Abb. 6.2-13: Wassertürme am Roten Tor in Augsburg; Augsburgs historische Wasserwirtschaft soll UNESCO- Welterbe werden; Quelle: S .Kerpf/ Stadt Augsburg.........................................................................................................332 Abb. 6.2-14: Bauformen der Turmbehälter um die Wende zum 20. Jh.; Quelle: http: / / www.wikipedia.org/ wiki/ Wasserturm, Abruf 4.11.2018, geändert und ergänzt ............................................................................................................333 Abb. 6.2-15: Der Wasserturm auf dem Bruderholz bei Basel, erbaut 1925/ 26; Quelle: Wasserturm Bruderholz, 4059 Basel, Schweiz .............................................333 Abb. 6.2-16: Der Wasserturm in Essen-Frillendorf; Quelle: Slotta, Denkmäler 2, S. 412 / Fragments of Metropolis ........................................................................334 Abb. 6.2-17: Eisenbahn-Wasserturm in Weil am Rhein; Quelle: Slotta, Denkmäler 2, S. 530..............................................................................................................334 Abb. 6.3-1: Die ältesten Schwungräder; a: 6000 Jahre alte Spindel aus Stein mit wenigen Zentimetern Durchmesser, China, b: Töpferscheibe aus Mesopotamien, Alter 4000 Jahre, Durchmesser 900 mm, Dicke 80 mm; Quelle: Strößenreuther, F.: Dipl.-Arbeit RWTH Aachen 1996, Bild 1..............335 Abb. 6.3-2: Kurbeltrieb und Schwungmasse bei einer Drehbank nach Leonardo da Vinci; Quelle: Leonardo, Codex Atlanticus F 170 ...........................................336 <?page no="487"?> 10 Bildverzeichnis 487 Abb. 6.3-3: Handbetriebenes Schwungrad in der Förderung bei Agricola; Quelle: Agricola, De Re Metallica, Buch VI.................................................................336 Abb. 6.3-4: Schwungrad als Bestandteil einer Mühlentransmission; Quelle: Schäfermeier Mühle Verne, Förderverein für historische Bauten und Bauwerke Salzkotten e. V................................................................................................337 Abb. 6.3-5: Schwungrad im Dampfmaschinen- Antriebssystem für die Hydraulik der Hubteile der Tower Bridge, London (1894); Quelle: N. Goodman, Privatphoto ........................................................................................................................337 Abb. 6.3-6: Chassis des ersten MFO Gyrobus mit Schwungradspeicher; Grafik: ABB-Archiv, http: / / www.fbw.ch/ galerie/ Gyrobus/ Chassis-02 .........................339 Abb. 6.3-7: Die Flywheels im Schwungradkraftwerk Stephentown; Quelle: Beacon Power, LLC, Energy Storage Systems ...........................................................339 Abb. 6.3-8: Dynamischer Stromspeicher in München; die einzelnen Module im Container speichern Strom mittels Rotationsenergie; Quelle: Werkphoto Stornetic GmbH ..............................................................................................340 Abb. 6.4-1: Kollektion von Windbüchsen; Quelle: Larry B. Schuknecht (Hg), Unterricht von Windbüchsen, ca. 1700,..........................................................341 Abb. 6.4-2: Druckkessel zur Versorgung eines Nebelhorns an der schottischen Küste, historisch; Quelle: privates Foto Mathias, 2007 ..................................342 Abb. 6.4-3: Kennzeichnungspflicht für Druckluftflaschen seit 2015; Quelle: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (baua) ..........................342 Abb. 6.4-4: Das CAES-Kraftwerk in Huntorf, Entladungsphase; Quelle: KKB, Underground Technologies GmbH, Hannover ...............................................343 Abb. 6.4-5: CAES und ADELE im Vergleich: Quelle: Chr. Klupak, Dipl.-Arbeit Kaiserslautern 2014 nach E. Mahnke, J. Mühlenhoff, (2012) ........................344 Abb. 6.5-1: Der Kaminofen als Entwicklungsobjekt; Quelle: Haas & Sohn Ofentechnik GmbH .........................................................................................345 Abb. 6.5-2: Funktionsprinzip einer Speicherheizung; Quelle: Joachim Herz Stiftung, LEIFI Physik, Art. Speicherung v. thermischer Energie..................................346 Abb. 6.5-3: Dampfkraftwerksprozess, links ohne, rechts mit Ruthsspeicher; Quelle: Gilson, Speicher, S. 91 ...................................................................................347 Abb. 6.5-4: Die Ruthssspeicher-Batterie im Berliner Kraftwerk Charlottenburg, heute Technisches Denkmal; Quelle: Gilson, Speicher, S. 104 ...............................347 Abb. 6.5-5: Nutzung von Wasserspeichern zur Zwischenspeicherung von solartechnisch erzeugter Wärme; Quelle: TST Photovoltaik ..........................348 Abb. 6.5-6: Der Wärmespeicher der Dresdener Stadtwerke; Quelle: ENSO Energie Sachsen Ost AG .............................................................................................348 Abb. 6.5-7: Friedrichshafen, Einbindung des Speichers in das Gesamtkonzept; Quelle: Steinbeis Transferzentrum .................................................................349 Abb. 6.5-8: “Wärmewende” In Neukölln - der zum Speicher umgebaute Heizöltank; Quelle: Fernheizwerk Neukölln AG.................................................................349 Abb. 6.5-9: So funktioniert das neue unterirdische Wärmekonzept; Quelle: Hamburger Wasserwerke GmbH....................................................................350 Abb. 6.5-10: Prinzipschaltbild der Anlage Andasol 1; Quelle: Solar Millenium AG351 Abb. 6.6-1: Der Nürnberger Reichswald im 19. Jh.; Quelle: Beschreibung des Reichswaldes bei Nürnberg in geschichtlicher und wirthschaftlicher Beziehung. München, Palm, 1853 .....................................................................................353 Abb. 6.6-2: Vergleich der Brennstoffkosten bei verschiedenen Heizungstypen; Quelle: Energieheld GmbH © 2018 ................................................................355 Abb. 6.6-3: Zur Renaissance der energetischen Nutzung des Holzes; Quelle: Mantau, Holzrohstoffbilanz Deutschland, S. 15..............................................355 <?page no="488"?> 10 Bildverzeichnis 488 Abb. 6.6-4: Zur Entstehung von Braun- und Steinkohle: Quelle: © 2004-2019 Medienwerkstatt Mühlacker Verlagsges. mbH ...............................................356 Abb. 6.6-5: Verteilung der Kohlellagerstätten; Quelle: Lizenz Bartz/ -Stockmar, CC BY-SA 3.0 .......................................................................................................357 Abb. 6.6-6: Kohleförderung Großbritannien; Quelle: M. Schramm, TU Chemnitz ..358 Abb. 6.6-7: Ausbau und Niedergang der deutschen Kohleproduktion, in Millionen Tonnen; Quelle: Kohleatlas 2015/ / Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe.........................................................................................................359 Abb. 6.6-8: Abraumbagger im Tagebau Garzweiler b. Aachen; Quelle: Photo G. Genz, Westf. Nachrichten April 2012..............................................................359 Abb. 6.6-9: Die wichtigsten Länder der Kohleförderung im Jahr 2012; Quelle: statista, BP p.l.c. .............................................................................................360 Abb. 6.6-10: Weltkohlemarkt 2005, toe = Tonnen Öleinheiten; Quelle: BP p.l.c. ...361 Abb. 6.6-11: Chinas Energiemix in der Stromerzeugung nach der Vorhersage der Internationalen Energieagentur von 2011; Quelle: IEA World Energy Outlook 2011 ................................................................................................................361 Abb. 6.6-12: Kohlehalde im Ruhrgebiet, 1960er Jahre; Quelle: dpa, Foto Roland Weihrauch/ Archiv............................................................................................362 Abb. 6.6-13: Die Verteilung der Ölreserven, Stand 2013; Quelle: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Energiestudie 2013 .............................363 Abb. 6.6-14: Historische Ölfunde und Ölproduktion; Quelle: PEPS, IHS Genf und London 2006 ...................................................................................................364 Abb. 6.6-15: Tankanlage im Hamburger Hafen; Quelle: Oiltanking Deutschland GmbH & Co. KG .............................................................................................365 Abb. 6.6-16: Standorte unabhängiger Tanklager in Deutschland; Quelle: Institut für Wärme und Oeltechnik e. V. (IWO) ................................................................365 Abb. 6.6-17: Um das Jahr 1904 verkauften ambulante Händler auf den Straßen von Paris den Sprit aus Kanistern; Quelle: AUTO BILD, Historische Tankstellen, Bild 20, Photo Buch privat ..............................................................................366 Abb. 6.6-18: Bordstein-Zapfsäule nach Bowser, Modell 1925; Quelle: M. Grube, Tankstellengeschichte in Deutschland ...........................................................367 Abb. 6.6-19: Die erste deutsche Tankstelle am Raschplatz in Hannover, 1923 in Betrieb gegangen; Quelle: Echo CONTINENTAL, 1923. ...............................367 Abb. 6.6-20: Lieferung von Benzin und Gasöl mit dem Pferdefuhrwerk, o. Jahr; Quelle: D. Tankstellenmuseum, http: / / www.tankstellenmuseum.de ..............368 Abb. 6.6-21: Zisternenwagen der “DOBI” bei der Füllung einer Straßentankstelle; Quelle: D. Tankstellenmuseum, http: / / www.tankstellenmuseum.de ..............368 Abb. 6.6-22: Die Tankstellen werden auch in der jüngeren Zeit immer weniger; Quelle: Statista/ MWV, Energieinformationsdienst, Tank & Rast....................369 Abb. 6.6-23: Heizölabsatz in Deutschland seit 2005; Quelle: s. Abbildung ............370 Abb. 6.6-24: Batterietanks sind vorgefertigt; Quelle: Institut für Wärme und Oeltechnik e. V. (IWO) ...................................................................................370 Abb. 6.6-25: CNG-Tankstelle; Quelle: Sichuan South Gas Compressor Co., Ltd ..373 Abb. 6.6-26: Cleggs erster Gasometer mit noch rechteckiger Tauchglocke und Gewichtsausgleich; Quelle: Körting, Gasindustrie, S. 72 ...............................373 Abb. 6.6-27: Das Teleskopprinzp beim Gasometer; Quelle: Verein Gaswerksfreunde Augsburg e. V., Oliver Frühschütz ....................................374 Abb. 6.6-28: Zwei der vier Wiener Gasometer vor der Fertigstellung; Quelle: F. Kapaun, Die Erbauung des Wiener städtischen Gaswerkes, Wien 1901, Abb. 24 ....................................................................................................................375 <?page no="489"?> 10 Bildverzeichnis 489 Abb. 6.6-29: Zum Prinzip eines Scheibengasbehälters; Quelle: Verein Gaswerksfreunde Augsburg e. V., Oliver Frühschütz ....................................375 Abb. 6.6-30: Die Abdichtung zwischen Scheibe und äußerer Hülle; Quelle: Historisches Archiv MAN AG/ manroland AG..................................................376 Abb. 6.6-31: Der Gasometer in Oberhausen im Urzustand 1929, Scheibe in 95 Metern Höhe, Fassungsvermögen 347.000 cbm Gas; Quelle: Gutehoffnungshütte, Aktienverein für Bergbau und Hüttenbetrieb (GHH) .....376 Abb. 6.6-32: Erdgas weltweit, in Ressourcen und kumulierter Förderung; Quelle: Bundesanstalt für Geowissenscschaften und Rohstoffe, Energiestudie 2013 ........................................................................................................................377 Abb. 6.6-33: Gasimporte weltweit 201, die Abkürzung bcm steht für 1 Milliarde Kubikmeter; Quelle: Internationale Energieagentur IEA.................................379 Abb. 6.6-34: Abnehmer von russischem Gas, Anteil an den Pipeline-Exporten 2012; Quellen: BP, Interstate Statistical Committee of the Commonwealth of Independent States (CISStat).........................................................................379 Abb. 6.6-35: Zum Arbeitsprinzip der Erdgasspeicher; Quelle: BVEG - Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie, bearbeitet...........................380 Abb. 6.6-36: Entwicklung des Speichervermögens im deutschen Erdgasnetz; Quelle: Z. ERDÖL; ERDGAS; KOHLE 133, Jg. 2017 .................................................381 Abb. 6.6-37: Standorte von Untertageespeichern in Deutschland; Quelle: BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ........................382 Abb. 6.6-38: Kugel-Gasbehälter in der Erdölraffinerie MIRO, Karlsruhe; Quelle: ikarus, Karlsruhe: Gastanks ................................................................................383 Abb. 6.6-39: Kleine LNG-Anlage in Snurrevarden, Norwegen; Quelle: Hamworthy r Gas Systems, Werkphoto ...............................................................................384 Abb. 6.6-40: Zum Aufbau und zur Funktion der frühen Trockenbatterien; Quelle: Thomas Sellnacht, Bern .................................................................................385 Abb. 6.6-41: Aufbau einer modernen Trockenzelle und zusätzliche Informationen zur neueren Geschichte; Quelle: Werkinfo der Grillo Metal Division....................386 Abb. 6.6-42: Prinzipieller Aufbau eines Bleiakkumulators; Quelle: Akkumulator, in: Großes Welt-Lexikon, Brockhaus 2007, S. 163 ............................................388 Abb. 6.6-43: Verteilungsschema der Barmer Zentrale, 1888; Quelle: Erbslöh, Zentralanlagen, Abb. 74 .................................................................................389 Abb. 6.6-44: Das erste Elektrofahrzeug wurde von Gustave Trouvé in Paris im Jahr 1881 gebaut; Quelle: Stefan Weißenborn, PS Welt, Mai 2016 ......................390 Abb. 6.6-45: Energiedichten verschiedener Stoffe; : Quelle: Energiedichte, in: Chemie- Lexikon, LUMITOS GmbH, 1998-2018, bearbeitet ..........................390 Abb. 6.6-46: Aufbau und Funktion einer Li-Ionen-Zelle; Quelle: Bosch AG............391 Abb. 6.6-47: Energiedichten moderner Batterien, auch im Vergleich zur Bleibatterie zu lesen; Quelle: Original Author Barrie Lawson, Electropaedia...................392 Abb. 6.6-48: Entwicklung und Entwicklungpsperspektiven von Li-Zellen; Quelle: Van Noorden, R., A Better Battery, in: Nature 507, S. 26-28, 2014, nach: Zu, C.X. & Li, H.: Thermodynamic Analysis on Energy Densities of Batteries, in: Energy Environ. Sci. 4, S. 2614-2624, 2011 (Ausschnitt ) ...............................393 Abb.6.6-49: Verteilung der Ladepunkte in Deutschland 2017; Quelle: BDEW- Erhebung, 30. Juni 2017.................................................................................393 Abb. 6.6-50: Die Wirkung von Speichern bei PV-Anlagen; Quelle: Beko Käuferportal, be Around GmbH ............................................................................................394 Abb. 6.6-51: Tagesverlauf an einer realen PV-Speicheranlage; Quelle: SMA Solar Technology AG ...............................................................................................395 Abb. 6.6-52: Schaltung AC-System; Quelle: Memodo Blog ©2019 ........................395 <?page no="490"?> 10 Bildverzeichnis 490 Abb. 6.6-53: Schaltung DC-System; Quelle: Memodo Blog ©2019 ........................395 Abb. 6.6-54: Die Tesla-Speicheranlage bei Jamestown nördlich von Adelaide; Quelle: Spiegel online, 12/ 2017......................................................................396 Abb. 6.6-55: Die Mitsubishi-Speicheranlage in Buzen, Japan, hier noch im Modell; Quelle: Mitsubishi Electric Corporation...........................................................396 Abb. 6.6-56: Zum Arbeitsprinzip einer Redox-Flow-Batterie; Quelle: Stadler, M., Sterer, I. (Hg): Energiespeicher, Abb. 7.70 ....................................................397 Abb. 6.6-57: Konzeptstudie für eine Redox-Flow-Batterie im großtechnischen Maßstab für den Einsatz in Stromnetzen; Quelle: Sauer, D.: Optionen zur Speicherung elektrischer Energie in Energieversorgungssystemen mit regenerativer Stromerzeugung, RWTH Aachen, Abb. 12 ..............................398 Abb. 6.6-58: Application Center Redox Flow für Tests an ganzen RFB Modulen im Leistungsbereich bis zu mehreren hundert Kilowatt; Quelle: Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT)..................................................................399 Abb. 6.6-59: Die "Charlière“ mit Charles und Helfer, künstlerische Darstellung; Quelle: Planet-Wissen akg, bearbeitet ...........................................................400 Abb. 6.6-60: Speichertechniken für Wasserstoff; Quelle: Fröba. M., Universität Hamburg, in: Wasserstoff als Energiespeicher, Vortrag 2016 .......................402 Abb. 6.6-61: Druckspeicherung von Wasserstoff für Fahrzeuganwendungen, Beispiel Mirai; Quelle: Toyota Werkphoto ......................................................404 Abb. 6.6-62: Kryodruck-Speicherung von Wasserstoff für Fahrzeuganwendungen; Quelle: BMW AG, Werkphoto .........................................................................404 Abb. 6.6-63: Metallhydridspeicher der H 2 -Tankstelle am Flughafen München; Quelle: http: / / www.diebrennstoffzelle.de.....................................................................405 Abb. 6.6-64: Die Verteilung von Wasserstoff-Tankstellen weltweit, 2018; Quelle: Ludwig-Bölkow-Systemtecnik GmbH, http: / / www.lbst.de ...............................406 Abb. 6.6-65: Wasserstofftankstellen in Deutschland, Stand 2018; Quelle: Ludwig- Bölkow-Systemtecnik GmbH, http: / / www.lbst.de............................................407 Abb. 6.6-66: Uran im Vergleich zu fossilen Energieressourcen; Quelle: swissnuclear, http: / / www.kernergie.ch ..................................................................................408 bb. 6.6-67: Top 10-Länder der Uranreserven 2017; Quelle: Welt der Physik / CC bync-nd ...............................................................................................................409 Abb. 6.6-68: Die weltgrößten Uranminen 2018; Quelle: statista 2018 ....................409 Abb. 6.7-1: Zusammenschaltung von Leidener Flaschen zur Gewinnung von Hochspannung; Quelle: Annalen der Physik, Band 1, 1795 (1799), S. 30 ....410 Abb. 6.7-2: Prinzip eines idealen Doppelschichtkondensators, 1. Stromquelle, 2. Kollektor, 3. Polarisierte Elektrode, 4. Helmholtz Doppelschicht, 5. Elektrolyt mit positiven und negativen Ionen, 6. Separator. Beim Anlegen einer Spannung bildet sich an den Elektroden jeweils eine Helmholtz-Doppelschicht mit spiegelbildlicher Ladungsverteilung aus; Quelle: Doppelschichtkondensator, in: Academic, 2000-2019 ...................................411 Abb. 6.7-3: Historische Doppelschichtkondensatoren; Quellen: links H.I. Beckers Prototyp von1957 in US 2800616, Mitte R.A. Rightmire, US 3288641, 1966, rechts Matsushita, EP 0449145, 1992............................................................412 Abb. 6.7-4: Versuchsanlage zur Erzeugung heißer Plasmen, Hannover 1965 - zwei der ringförmig aufgestellten Kondensatoren sind im Vordergrund sichtbar; Quelle: TH Hannover, Inst. für Plasmaphysik.................................................412 Abb. 6.7-5: Einsatzgebiete von Supercaps im Jahr 2012, gewichtet; Quelle: Sterner / Stadler, Energiespeicher, Abb. 6.31, bearbeitet.............................................413 Abb. 6.7-6: SMES- Anlage von Kyushu Electric Power, Quelle: Schwarz, TU Berlin ........................................................................................................................414 <?page no="491"?> 10 Bildverzeichnis 491 Abb. 6.7-7: SMES in Fischbach; Quelle: Supraleitende Magnetspeicher, in: Achmed A. W. Khammas, Buch der Synergien ............................................................414 Abb. 6.7-8: Stand der SMS-Technik 2002; Quelle: Sterner / Stadler, Energiespeicher, Tab. 6.3...............................................................................415 Abb. 6.7-9: Sprung-Temperaturen verschiedener Supraleiter; Quelle: Sterner / Stadler, Energiespeicher, Abb. 6.45 ...............................................................416 Abb. 7.1-1: Gründungsjahre von EVU, die sich die Versorgung von Gebieten zur Aufgabe machten; Quelle: Callies, Zeitalter, S. 17.........................................418 Abb. 7.1-2: 40 - 60 kV-Leitungen im Deutschen Reich 1929; Quelle: Callies, Zeitalter, S. 18.................................................................................................419 Abb. 7.1-3: Das Höchstspannungsnetz der Bundesrepublik Deutschland 2012; Quelle: FNN/ VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V...................................................................................................................420 Abb. 7.1-4: Energieströme im UTPTE-Verbund, links 15. Sept. 1965, 11 h, rechts 17. Nov. 1965, 3 h; Quelle: Boll, G. in: VDEW (Hg), Das Zeitalter der Elektrizität, 125 Jahre VDEW, 1967, S. 88 .....................................................421 Abb. 7.1-5: Die fünf Verbundsysteme unter einem gemeinsamen Dach; Quelle: ENTSO-E ........................................................................................................422 Abb. 7.1-6: Das Verbundnetz der I.G. Farben in Mitteldeutschland; Quelle: VDEW (Hg): Das Zeitalter der Elektrizität, Festschrift 125 Jahre VDEW,1967, S. 93 ........................................................................................................................423 Abb. 7.1-7: Verbundnetz der Stahlwerke im Übergriff über die Demarkationslinien der öffentlichen Versorger im Jahre 1967; Quelle: VDEW, Zeitalter, S. 95....424 Abb. 7.1-8: Stromflussbild zum Jahr 1965 in Mrd, kWh; Quelle: Schäff, K.: Die Entwicklung zum heutigen Wärmekraftwerk, VGB 177, Anhang 1 ................425 Abb. 7.2-1: Prinzip der Kraft-Wärme- Kopplung; Quelle: BHKW-Kontor, BHKW-Info- 1 ......................................................................................................................426 Abb. 7.2-2: Energie-Einsparung durch KWK in Verbindung mit Wärmenetzen; Quelle: Ratgeber KWK, BFW Bundesverband Fernwärmeleitungen .............426 Abb. 7.2-3: Einer der Verbundmaschinensätze in Beelitz 1902, heute Denkmal; Quelle: J. Hartbaum, Förderverein HKW ........................................................427 Abb. 7.2-4: Dank Abwärmenutzung gab es beim Kraftwerk Klingenberg Tomaten und Gurken; Foto: Vattenfall Archiv, Klingenberg ..........................................427 Abb. 7.2-5: Veränderungen in der KWK-Nettostromerzeugung von 2003 bis 2016; Quelle: Statistisches Bundesamt, Umweltbundesamt u. a. ...........................429 Abb. 7.2-6: Auskopplungen von Fernwärme und Strom aus einem Blockheizkraftwerk; Quelle: MF Service BHKW GmbH, Döbriach .................430 Abb. 7.3-1: Eignungsmerkmale verschiedener Speichertechniken; Quelle: Bundesnetzagentur Legende: +++ gut geeignet, ++ grundsätzlich geeignet, + bedingt geeignet. .......................................................................431 Abb. 7.3-2: Prinzip von PtG; Quelle: Werkbild Viessmann......................................432 Abb. 7.3-3: Funktionsschema von Power-to-Gas mit Varianten; Quelle; Sterner, Specht et alii, dena, 2009/ 2010 .....................................................................433 Abb. 7.3-4: Hybridkraftwerk von Enercon bei Prenzlau; Quelle: Strategieplattform Power to Gas, dena ........................................................................................434 Abb. 7.3-5: Wirkungsgrade bei PtG; Qelle: Specht, M., urspr. IWES 2009..............435 Abb. 7.3-6: Nutzungspfade von PtG; Quelle: Strategieplattform PtG, dena ...........436 Abb. 7.3-7: Wasserstofftransport von der Küste zum Süden; Quelle: Netzentwicklungsplan der Ferngasleitungbetreiber 2012...............................437 Abb. 7.3-8: Transport- und Speicherkapazitäten der konkurrierenden Netze; Quelle: Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme (IWES), 2011.............................437 <?page no="492"?> 10 Bildverzeichnis 492 Abb. 7.3-9: Speicherkosten in Abhängigkeit von der Auslastung; Quelle: Netzbetreiber TENNET ...................................................................................438 Abb. 7.3-10: Gas-Gestehungskosten mit (oben) und ohne Strombezugskosten (unten); Quelle: Ch. Brunner, J. Michaelis, D. Möst, 2015 .............................439 Abb. 7.3-11: Mittelfristige Perspektiven von PtG, Quelle: dena ..............................439 Abb. 7.3-12: Gas und Treibstoffe aus grünen Quellen; Quelle: Sterner, M., IWES 2010, dena ................................................................................................................440 Abb.7.3-13: PtA-Projekte ab Inbetriebnahme 2016; Quelle: Stenzel, P., Linssen, J., Stolten, D. (FZJ), Gottke, V.,Teschner, H. (BVES): Energiespeicher, in: BWK Bd. 70, 2018, Tab. 6 .......................................................................................442 Abb. 7.4-1: Stromversorgung der Bundesrepublik 2017; Quelle: BMWi .................449 Abb. 7.4-2: Netzentwicklungssplan Strom der Bundesnetzagentur, Stand 2016; Quelle: Bundesnetzagentur ............................................................................450 Abb. 8.1-1: Entwicklung des Primärenergieverbrauchs Welt in Mio. t Öl; Quelle: B. Murck, Environmental Science und BP Statistical Review of World Energy June 2011/ Internationale Energieagentur, Key Energy Statistics 2010 ........453 Abb. 8.1-2: Energieverbrauch in Deutschland, in Mio. SKE; Quelle: histat, Historische Statistiken ....................................................................................453 Abb. 8.1-3: Entwicklung des Energieverbrauchs in deutschen Bundesländern 1990 bis 2008 bzw. 2000 bis 2008, alle auf das Jahr 1900 normiert; Quelle: AG Umweltökonomische Gesamtrechnungen der Länder 2011 ..........................454 Abb. 8.1-4: Energieverbrauch pro Kopf der Bevölkerung, in kg Öläquivalenten; Quelle: ursprünglich Earthtrends.wri.org ........................................................454 Abb. 8.1-5: Zusammenhang zwischen Bruttososozalprodukt und Primärenergiebedarf, jeweils pro Kopf; Quelle: BHKS Almanach 2011 .........455 Abb. 8.1-6: Bruttoinlandenergieverbrauch europäischer Länder im Vergleich 1990 / 2012; Quelle: FAZ / statista 2014 ...................................................................456 Abb. 8.2-1: Energieregion Rheinisches Braunkohlerevier; Quelle RWE AG ..........457 Abb. 8.2-2: Importabhängigkeit und Selbstversorgungsgrad Deutschlands bei einzelnen Primärenergierohstoffen 2006, 2016; Quelle: AGEB 2017, BMU 2013 ................................................................................................................458 Abb. 8.2-3: Sinkende Transport- und Telekommunikationskosten; Quelle: Busse, Matthias: HWWA Discussion Paper Nr. 116; BDI: Außenwirtschafts-Report 04/ 2002 ...........................................................................................................458 Abb. 8.2-4: Frachtraten im Ölgeschäft, Tankermiete ohne Treibstoffverbrauch; Quelle: statista ................................................................................................459 Abb. 8.2-5: Endpreis Heizöl beim Kunden; Quelle: Mineralölwirtschaftsverband 2018 ........................................................................................................................459 Abb. 8.2-6: Strompreisentwicklung Privathaushalte 2000-2018; Quelle: Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ........................460 Abb. 8.2-7: Zusammensetzung des Gaspreises zum 1.4.2018 für Haushaltskunden; Quelle: Bundes-netzagentur ...........................................................................460 Abb. 8.2-8: Steinkohleversorgung Deutschlands von 1990 bis 2016; Quellen: AGEB 2017, IAE 2017a, SdK 2017, VDKI 2017a......................................................461 Abb. 8.2-9: Frachtraten für Binnenschiffe auf ausgewählten Routen von den ARA-- (Häfen Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen) in €/ t; Quelle: Potentiale und Zukunft derdeutschen Binnenschiffahrt, 2002, in: Z. Binnenschiffahrt ..........461 Abb. 8.3-1: 1922 - Aufstellen eines 110 kV Freileitungsmastes bei Dorsten; Quelle: IZE (Informationszentrale der Elektrizitätswirtschaft, Einrichtung der deutschen Elektrizitätswirtschaft mit Sitz in Frankfurt, ging im Verband der Elektrizitätswirtschaft auf) ...............................................................................463 <?page no="493"?> 10 Bildverzeichnis 493 Abb. 8.3-2: Das erste deutsche Versuchs-Kernkraftwerk bei Kahl am Main ging 1961 in Betrieb: Quelle: IZE (s. Abb. 8.3-1).............................................................464 Abb. 8.3-3: Erste massive Proteste gegen den Bau von KKW, 1975; Quelle: bund.net ..........................................................................................................464 Abb. 8.3-4: Proteste gegen die Wiederaufbereitung in Gorleben, hier 1979 in Hannover; Quelle: dpa ....................................................................................465 Abb. 8.3-5: Castor-Transporte gelangen nur bei extremem Polizeieinsatz; Quelle: https: / / www.planet-wissen.de/ technik/ atomkraft/ atommuell/ .........................466 Abb. 8.3-6: Umfrage zur Atomenergie in Deutschland 2018; Quelle: statista........466 Abb. 8.3-7: Proteste der Betroffenen gegen den Ausbau der Windkraft; rechts Gemeinde Dahl bei Paderborn; Quellen: Initiative GegenwindMKKNaturparkSpessart; Roland Mauro, Photo ...........................467 Abb. 8.3-8: Menschenkette gegen Südlink, aktualisiert am 01.05.2017; Quelle: http: / / www.insuedthueringen.de .....................................................................468 <?page no="495"?> 495 11. 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Der Inhalt Energieformen - Darstellungsformen strömender Energie - Geschichte des Energietransportes - Energieströme in Deutschland im Überblick - Geschichte der Energiespeicherung - Wege zu Energiesystemen - Wirtschafts- und sozialgeschichtliche Aspekte Die Zielgruppe Wissenschaftler, Studierende und Interessierte in den Bereichen Technik- und Wirtschaftsgeschichte sowie Energietechnik Der Autor Dr. rer. nat. Dr. phil. Fritz Dieter Erbslöh arbeitete 10 Jahre im Bereich Luft und Raumfahrttechnik (ERNO, Bremen und Dornier System, Friedrichshafen), war Technischer Leiter bei Hofmann Elektrotechnik (Erlangen, Röntgentechnik), Wissenschaftlicher Leiter bei Enercon und 25 Jahre Bereichsleiter im Haus der Technik (Essen).