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Zeitmanagement für den Öffentlichen Dienst

Die 7 Prinzipien des Zeit-, Ziel- und Ressourcenmanagements. Mit Anleitung zum Selbstcoaching und zur optimalen Zeitgestaltung

0210
2020
978-3-8169-8495-5
978-3-8169-3495-0
expert verlag 
Dieter Brendt
Christoph Sollmann

Immer wieder klagen Mitarbeiter/innen und Führungskräfte im Öffentlichen Dienst, wegen Arbeitsüberlastung und Zeitnot ihre Möglichkeiten nicht voll ausschöpfen zu können. Ihre zentrale Frage lautet: »Wie können wir gegensteuern, wie unsere Zeit optimal gestalten, wie lenken, statt gelenkt zu werden?« Im Buch wird auf der Grundlage bewährter Erkenntnisse aus der angewandten Psychologie aufgezeigt, welche Faktoren im betrieblichen Alltag von Mitarbeiter/ innen und Führungskräften im öffentlichen Dienst sich wie und warum negativ auf ihr Zeit- und Selbstmanagement auswirken. Es bietet den Leser/innen neben bewährten Prinzipien und Methoden des persönlichen Zeitmanagements auch wohlgeprüfte Techniken zum Selbst-Coaching. Den Leser/innen erschließt sich eine breite Palette an unmittelbar umsetzbaren, praxisnahen Möglichkeiten, um planvoll und erfolgreich ihren Arbeitsalltag zu gestalten.

<?page no="1"?> Zeitmanagement für den Öffentlichen Dienst <?page no="3"?> Dieter Brendt Christoph Sollmann Zeitmanagement für den Öffentlichen Dienst Die 7 Prinzipien des Zeit-, Ziel- und Ressourcenmanagements. Mit Anleitung zum Selbstcoaching und zur optimalen Zeitgestaltung <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 · expert verlag GmbH Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autoren oder Herausgeber übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Internet: www.expertverlag.de eMail: info@verlag.expert Printed in Germany ISBN 978-3-8169-3495-0 (Print) ISBN 978-3-8169-8495-5 (ePDF) <?page no="5"?> Inhaltsverzeichnis Wegweiser durch das Buch 1 1 Das Zeit-, Ziel- und Ressourcenmanagement 3 1.1 Einführung 3 1.1.1 Organisationstalent entwickeln 4 1.1.2 Ziele durch Personalentwicklung verwirklichen 6 1.1.3 Change-Prozesse brauchen Zeit! 10 1.1.4 Das System des ZZR-Managements 11 1.1.5 Effizientes ZZR-Management - Eine Frage der Persönlichkeit 16 1.1.6 Den bewussten Umgang mit Zeit, Ziel und Ressourcen fördern 23 1.2 Analyse und Controlling des eigenen Arbeitsverhaltens - Die 7 Prinzipien des ZZR-Managements 25 1.2.1 Die 7 Prinzipien im Überblick 27 1.2.2 Prinzip 1: Ziele setzen und verfolgen 28 1.2.3 Prinzip 2: Sinnvoll planen und Prioritäten setzen 37 1.2.3.1 Prinzip 2a: Sinnvoll planen 37 1.2.3.2 Sinnvolle Planung in Gruppen 41 1.2.3.3 Planung schafft Sicherheit 42 1.2.3.4 Ein praktisches Beispiel 44 1.2.3.5 Prinzip 2b: Prioritäten setzen 46 1.2.4 Prinzip 3: Gleichartige Handlungen und Abläufe zusammenfassen („Serien bilden“) 57 1.2.5 Prinzip 4: Das Schriftlichkeits-Prinzip 64 1.2.6 Prinzip 5: Störungen erkennen und abbauen 67 1.2.6.1 Fragebogen zur Analyse des ZZR-Managements 70 1.2.6.2 Erst die Störungen beseitigen 80 1.2.6.3 Anwendung der Pareto-Analyse als Gruppen-Controlling 83 1.2.7 Prinzip 6: Terminieren - Erledigungstermine setzen und einhalten 84 1.2.8 Prinzip 7: Die Regeln der Delegation 88 1.2.8.1 Delegation von Aufgaben und Verantwortung: Eine Herausforderung für Chef und Mitarbeiter 91 1.2.8.2 Die 10 Kardinalfehler beim Delegieren 93 2 Besprechungstechnik 95 2.1 Einführung 95 2.2 Was verstehen Sie unter „Besprechungen“? 97 2.3 Was Besprechungen kosten und wie Sie sie effizienter machen 99 2.3.1 Sechs Schritte für wirksame Besprechungen 102 <?page no="6"?> 2.4 Instrumentenkoffer für wirksame Besprechungen 111 2.4.1 Abfrage des Stimmungsbildes zu Anfang einer Besprechung 114 2.4.2 Brainstorming-Regeln 115 2.4.3 Regeln für das aktive Zuhören 116 2.4.4 Die Anwendung der Brainwriting-Methode 117 2.4.5 Schema für einen Aktionsplan 118 2.4.6 Ablaufplan einer Moderationssitzung 120 2.4.7 Zwölf effektive Besprechungsregeln 121 2.4.8 Feedback-Regeln für Besprechungen 122 2.4.9 Optische Erinnerungshilfe: „Handyverbot“ 124 3 Empfehlungen zum Informationsmanagement 125 4 Stressmanagement 133 4.1 Grundsätzliche Überlegungen zum Phänomen „Stress“ 133 4.2 Unser Körper im Stress 136 4.3 Negative Auswirkungen von Dauerstress 140 4.4 Auswirkungen von negativem Stress rechtzeitig begegnen 143 4.4.1 Nehmen Sie nicht jede Angelegenheit zu schwer! 143 4.4.2 Erzielen Sie bessere Ergebnisse durch ruhiges Überlegen! 145 4.4.3 Haben Sie Mut zum „Nein“! 147 4.4.4 Delegieren Sie bereitwillig! 150 4.4.5 Achten Sie auf Entspannung im Privatleben! 153 4.5 Stressbewältigung durch dauerhaften Ausgleich 155 4.6 Entspannungsmethoden 157 4.7 Progressive Muskelentspannung 158 4.7.1 Empfehlungen zur Vorbereitung und Durchführung 160 4.7.2 Instruktionen zur muskulären Entspannung 162 4.7.3 Die Übungen 163 4.7.4 Vorschlag für das Üben zu Hause 169 4.7.5 Progressive Muskelentspannung bei Stress am Schreibtisch 170 5 Literaturverzeichnis 172 6 Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 174 7 Autorenprofile 177 <?page no="7"?> 1 Wegweiser durch das Buch Das vorliegende Buch ist ein Ratgeber für Mitarbeitende und Führungskräfte im Öffentlichen Dienst und für alle diejenigen gedacht, die einen Ausweg aus der täglichen Zeitfalle suchen. Wer diesen Ausweg sucht, dabei aber mit allgemeinen Tipps und Lebensweisheiten wenig anfangen kann, wird in diesem Band hilfreiche Konzepte, nicht nur für die tägliche Arbeit, vorfinden. Alle Schilderungen in diesem Band stammen aus den Erfahrungen, die die beiden Autoren in ihrer Seminartätigkeit und als Prozessbegleiter in Change-Prozessen mit Kunden aus dem Bereich des Öffentlichen Dienstes im Verlauf der letzten Jahre gesammelt haben. Dabei wurde strengstens darauf geachtet, dass betriebliche Interna geschützt bleiben und die Schweigeverpflichtung eingehalten wird. Im ersten Hauptteil des vorliegenden Bandes wird der Ansatz der 7 Prinzipien des Zeit-, Ziel und Ressourcenmanagements, kurz: ZZR-Management, vorgestellt. Der Ansatz beschreibt, dass alle drei Komponenten, also die Zeit, die aufgewendet wird, das Ziel, das anvisiert wird und die aufgewendeten Ressourcen, in Relation zueinander gesehen werden müssen. So ist z. B. die Bewertung einer Arbeitsleistung im Hinblick auf ihre Effektivität nur dann möglich, wenn die für die Erledigung der Aufgaben aufgewandte Zeit, die erreichten Ziele und die dabei genutzten oder verbrauchten Ressourcen in Beziehung gesetzt werden. Das Konzept der 7 Prinzipien wird Ihnen anhand von zahlreichen Beispielen aus der Praxis des Öffentlichen Dienstes und unter Einsatz von Checklisten, Schaubildern, Tabellen, Formularen zum Selbstausfüllen, Fragebögen und der Beschreibung der Analysemethoden erläutert, sodass der Bezug zur eigenen Praxis erleichtert wird. Ein Kochbuch für Zeitmanager/ innen ist der vorliegende Band dennoch nicht, aber eine Anleitung zu einem systematischen, bewussten Umgang mit der täglichen Arbeit. Durch die Fülle der Fakten und Beispiele ist der vorliegenden Band jedoch keine psychologische Lesefibel, sondern eine Erfahrungsdokumentation, die auch betriebswirtschaftliche Kosten-Nutzen- Betrachtungen in die Überlegungen einbezieht. In Teil 2 wird die Besprechungstechnik im Öffentlichen Dienst betrachtet. Wiederum wird auf zahlreiche Beispiele und Erfahrungen aus der Praxis des Öffentlichen Dienstes Bezug genommen. Auf der Grundlage einer Befragung von Mitarbeitenden und einer Kosten-Nutzen-Betrachtung werden sechs Schritte für wirksame Besprechungen aus den Prinzipien des ZZR-Managements abgeleitet, durch die die alltägliche Besprechungspraxis überprüft und verbessert wird. Wie anhand von Zahlenbeispielen gezeigt wird, ist das Potenzial für Einsparungen, besonders aber für Effizienzsteigerungen, allein schon in diesem Bereich überaus hoch. Eine Checkliste zur Vorbereitung von Besprechungen erleichtert den Praxistransfer. Ebenso wie ein „Instrumentenkoffer“ mit verschiedenen Modera- <?page no="8"?> 2 tionselementen, die nicht nur bei schwierigen Besprechungen erfolgreich eingesetzt werden, sondern auch für die alltägliche Besprechungen von Nutzen sind. Aufgrund häufiger Rückmeldungen und Anfragen unserer Leser/ innen und zahlreichen Teilnehmenden an unseren Workshops haben wir die Ihnen hier vorliegende Neuauflage um das Thema „Informationsmanagement“ erweitert. In diesen neuen dritten Teil werden Ihnen Möglichkeiten aufgezeigt, wie Sie die alltägliche Informationsflut beherrschen, statt in ihr unterzugehen. Anregungen zum Umgang mit E-Mail (oder SMS) aus Sender und Empfängerperspektive werden ebenso thematisiert wie Hinweise zur Kanalisation von Informationen jeglicher Art und Tipps zum rationellen Lesen. Teil 4 unseres Buches behandelt wesentliche Aspekte zum Stressmanagement. Auf einführende Erörterungen zum Wesen von Stress, seinen Gründen und Erscheinungsformen folgen Anregungen zur wirksamen Stressbewältigung. Hierzu werden Ihnen mit Fragebögen Möglichkeiten zur Selbstreflexion stressverstärkender Einstellungen eröffnet, Checklisten liefern Tipps zum Umgang mit gesundheitsschädlichem Dauerstress. Mit der ausführlichen Darstellung einer Modifikation der Progressiven Muskelentspannung nach Jacobsen wird ein in der Praxis bewährtes Entspannungsverfahren vermittelt, das sich auch am Arbeitsplatz realisieren lässt. Der vorliegende Band, wie auch schon der vorherige, ist in Dialogform aufgebaut, d. h., virtuelle Teilnehmende stehen im Dialog mit einem der beiden Pro- Fit-Coachs und stellen diese durch ihre Fragen vor immer wieder neue Herausforderungen. Leserinnen und Leser sollen damit einen Einblick in die zahlreichen Gespräche erhalten, die die beiden Autoren mit Mitarbeitenden und Vorgesetzten zum Thema führten, und sie gewinnen beim Lesen den Eindruck, dabei zu sein, an der Diskussion teilzunehmen. Ein weiteres Element, das hier eingesetzt wird, ist die Transkriptform, d. h., es werden Ausschnitte aus Seminarsituationen als Zitate wiedergegeben. Durch dieses aktivierende Element wird Ihnen der Einstieg in die jeweilige Thematik besonders leicht gemacht, und der abstrakt-theoretische Hintergrund der Thematik wird durch dieses Element beinahe spielerisch vermittelt. Wir hoffen, dass sich unsere Leser/ innen von unserem Buch angesprochen fühlen und wünschen Ihnen viel Erfolg dabei, ihren Umgang mit Zeit, Ziel und Ressourcen bewusster und effizienter sowie stressfreier zu gestalten. Aachen und Krefeld, im Januar 2020 Dieter Brendt Christoph Sollmann Zusatzmaterial zu diesem Buch finden Sie zum Download unter: http: / / files.verlag.expert/ 9783816984955 <?page no="9"?> 3 1 Das Zeit-, Ziel- und Ressourcenmanagement 1.1 Einführung Oft eröffnen wir unsere Seminare mit einer Frage: „Guten Morgen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zu unserem Seminar ‚Zeitmanagement für den Öffentlichen Dienst‘. Bevor wir mit der Vorstellung der Seminarinhalte beginnen, gestatten Sie mir eine Frage: Was stellen Sie sich unter der Zahlenkombination ‚80 - 70 - 130‘ vor? Was könnten diese Werte zum Ausdruck bringen? “ Natürlich können die Teilnehmenden nur raten und manchmal entstehen dabei kreative Ideen: „Marilyn Monroe für Mollige“, „Steuerprogressionsmodell der Zukunft“ usw. und eine kurze Diskussion darüber, was vor dem Hintergrund des Seminarthemas mit der Zahlenkombination zum Ausdruck gebracht werden könnte. Die Auflösung ist für viele denn auch überraschend: Bis zu 80% der Beschäftigten identifizieren sich nicht mit Ihrer Arbeit (sogar bis zu 88% verspüren keine oder nur eine geringe emotionale Bindung zu ihrem Unternehmen), bis zu 70% haben innerlich gekündigt 1 . Der daraus resultierende Schwund (egal in welcher Form) durch ineffizientes Arbeitsverhalten beläuft sich für den Öffentlichen Dienst auf 3,75 Milliarden Euro (2002), was bei einer Einrichtung mit 100 Angestellten Kosten in Höhe von 215.520 Euro 2 entspricht. Für die gesamte Eurozone belaufen sich die geschätzten Kosten sogar auf 130 Milliarden Euro resultierend aus der geringeren Produktivität, Absentismus, Arbeitsausfall, negative Wirkungen auf die Motivation und das Betriebsklima sowie Krankheits- und Behandlungskosten. „Na und“ werden Skeptiker sagen, „dass ist doch ein Führungsproblem“. Richtig! Und eines mit Folgen. Mitarbeitende, die sich mit ihrer Arbeit nicht (mehr) identifizieren, denken auch nicht über Wege und Methoden nach, wie sie sinnvoll mit (eigener und fremder) Zeit umgehen und wie sie Ressourcen (Sachmittel und Manpower) ökonomisch sinnvoll einsetzen und nutzen. Sie denken nicht (mehr) mit, sie planen nicht voraus, sie suchen nicht nach Wegen, wie sie ihr Tätigkeitsumfeld und ihre Arbeit effektiver gestalten können. Hinzu kommen folgende Sachverhalte, die im Öffentlichen Dienst besonders häufig vorzufinden sind: Wer den Mangel verwaltet und wer sich der Einsparwut hilflos gegenübersieht, der hat über kurz oder lang nicht nur mit seiner Ar- 1 In Anlehnung an verschiede Untersuchungen und Studien, u. a. der Unternehmensberatung Gallup. 2 Quelle: Statistisches Bundesamt, zitiert nach Fehlzeiten-Report 2003. <?page no="10"?> 4 beit abgeschlossen, der verschleudert auch finanzielle und andere Ressourcen, wenn sie kurzfristig zur Verfügung stehen, getreu dem Motto: „Wer weiß, wann wir das nächste Mal wieder etwas abbekommen und wenn wir jetzt nicht alles ausgeben, dann bekommen wir nächstes Jahr noch weniger“. Ein Problem, das uns besonders häufig von Mitarbeitenden im Öffentlichen Dienst vorgetragen wird, wenn wir in die Thematik des Zeit-, Ziel- und Ressourcenmanagements (ZZR-Management) einführen. Ein besseres Zeitmanagement allein vermag die Welt noch nicht zum Besseren zu wenden. Jedoch sollten die Statistiken und mehr noch die Realität, die sie abbilden, Anlass geben, der Frage nachzugehen, wie viel Einsparreformen tatsächlich kosten und ob dieses Instrument nicht eines Tages durch intelligentere Methoden abgelöst werden muss. Intelligente Ressourcennutzung statt staatlich verordneter Einsparpolitik? Dazu können jetzt schon viele Mitarbeitende des Öffentlichen Dienstes ihren Beitrag leisten. Eine aktive Mitgestaltung des Arbeitsumfeldes und Ansätze, um die eigene Arbeit effektiver zu organisieren, das sind nicht nur wichtige Ansatzpunkte für eine bessere Sparpolitik, sondern sie führen auch zu mehr Zufriedenheit und Selbststeuerung im Beruf. Das bedeutet: Ein Gewinn für alle! Nicht der Ruf nach Management und Politik allein ist ausreichend, um die gegenwärtigen Aufgaben zu lösen, sondern an jeden einzelnen Mitarbeitenden im Öffentlichen Dienst ist die Frage zu stellen: „Was können Sie dazu beitragen, um Arbeitseffizienz und Zeitmanagement an Ihrem Arbeitsplatz zu verbessern“. Wir wissen aus Erfahrung: Die Antworten, die hier von „Insidern“ (den Mitarbeitenden vor Ort) gegeben werden, schlagen oft genug jede unternehmensberaterische Prognose. Und ihre Lösungen sind einfacher, nachhaltiger und kosten kein Honorar. 1.1.1 Organisationstalent entwickeln Um die Arbeitseffizienz und das Zeitmanagement am eigenen Arbeitsplatz zu verbessern, ist es sicher notwendig über ein gewisses Maß an Organisationstalent zu verfügen. Man sagt, dass die Deutschen die Ordnung lieben, ob sie aber auch das Talent zur Organisation besitzen? Einer Zeitungsmitteilung zufolge ist genau das nicht der Fall. Die Deutschen, nicht nur die Mitarbeitenden im Öffentlichen Dienst, seien Schreibtischchaoten, heißt es darin. Das verwundert, gelten doch die Deutschen in der Welt als die Vorbilder für Pünktlichkeit, Gründlichkeit und Disziplin. Auch wenn die Deutschen für diese Tugenden an vielen Orten der Welt Ansehen genießen, so reichen diese offenbar nicht aus, um der Komplexität und Fülle heutiger beruflicher Anforderungen gerecht zu werden. <?page no="11"?> 5 Die Verbesserung des Organisationstalents stellt hierbei nur einen programmatischen Weg dar, es geht aber im Kern darum, Aktivität und Eigeninitiative zu entwickeln. Die eigene Situation in die Hand zu nehmen und zu gestalten. Warum ist das so wichtig? Der Öffentliche Dienst leidet nicht nur unter der Wut der Reformen und Reförmchen, sondern auch unter der Flut der Regelungen, Verordnungen, Bestimmungen und Normen. Zyniker meinen, dass Beschäftigte im Öffentlichen Dienst mehr mit der Vermeidung von Regelverstößen als mit der eigentlichen Arbeit zu tun haben. Gut, uns gefiel dieser Wortwitz, auch wenn er sicher übertrieben ist. Eine Auffassung, die wir aber uneingeschränkt teilen ist die, dass es für die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst ganz entscheidend darauf ankommt, der Passivität und Lethargie zu widerstehen und von sich aus aktiv zu werden. Aktiv zu werden bedeutet zielgerichtet zu kommunizieren, Informationen auszutauschen, Arbeitsbedingungen, zu verbessern, zu vereinfachen, zu entflechten. Die sieben Prinzipien des ZZR-Managements, die wir in diesem Band vorstellen, bieten hierzu die Grundlage. Sie helfen dabei, die Komplexität des Alltags zu entflechten. Sie stellen das Instrumentarium bereit, das wirklich jeden Mitarbeitenden in die Lage versetzt, sein persönliches Arbeitsumfeld mitzugestalten. Keine noch so wohlgemeinte Veränderung, wie z. B. die Einführung von Leistungsentgelt und Zielvereinbarungssystemen wird funktionieren, wenn das Engagement und das Verantwortungsgefühl der Mitarbeitenden nicht tatsächlich gefördert und entwickelt werden. Nicht ein „System“ oder „Instrument“ allein schafft die Veränderung, sondern die Mitarbeitenden aller Hierarchieebenen sind es, die die Veränderungen herbeiführen. Sie sind die „Agenten und Agentinnen der Veränderung“, indem sie kommunizieren, Austauschmöglichkeiten schaffen, Feedbackkultur leben. Sie schaffen neue Arbeitsformen und werden zu Mitgestaltenden ihrer Arbeitssituation. Und genau das ist das Kernprinzip der 7 Prinzipien: Veränderungsagent in eigener Sache zu werden. Der Lohn: Die Verbesserung der Arbeitsqualität, die Steigerung der persönlichen Zufriedenheit, die Klimaverbesserung, durch mehr und gezielten Austausch. Ein weiterer Vorteil ist mit diesem Ansatz verbunden. Untersuchungen lassen keinen Zweifel darüber zu: Engagierte und sich verantwortlich fühlende Mitarbeitende leiden weniger unter der Arbeitsbelastung und leiden weniger unter den Folgen von Stress als passive Mitarbeitende, die sich gegängelt und regiert fühlen und deshalb unzufrieden mit sich und der Situation sind Der Ansatz der 7 Prinzipien des ZZR-Managements ist daher im Kern auch eine Art Selbstmanagementansatz. Er unterstützt die Entdeckung, die (Re-)Vitalisierung der eigenen Ressourcen und er ermutigt seine Anwendenden dazu, die Gestaltung des Arbeitslebens wieder in die eigene Hand zu nehmen. <?page no="12"?> 6 1.1.2 Ziele durch Personalentwicklung verwirklichen Die Prinzipien des Zeit-, Ziel- und Ressourcenmanagements (in Verbindung mit der Methodik und Didaktik unseres Trainings) bilden die Grundlage für den von uns vermittelten Handlungsansatz. Er stellt die Grundlage zur Veränderung dar, ein Baustein, der den Personalentwicklungskanon um einen weiteren Mosaikstein, die Effizienz-Perspektive, ergänzt. Bei der Vermittlung der Prinzipien des Zeit-, Ziel- und Ressourcenmanagements (ZZR-Management) wird von Anfang an Wert darauf gelegt, dass die Teilnehmenden die sieben Prinzipien auf ihren eigenen Verantwortungsbereich übertragen, Praxisbeispiele und -erfahrungen untereinander austauschen und mithin ihr ZZR-Management entsprechend ihren Bedürfnissen gestalten. Der Erfahrungsaustausch untereinander hilft den Teilnehmenden dabei, ihre bisherige Arbeitsweise zu überdenken und die Vorteile des ZZR-Managements auf den eigenen Arbeitsbereich zu übertragen. Diesen Transfergedanken fördern wir stets zu Beginn unserer Seminare. Der Austausch unter den Teilnehmenden bringt zudem den Vorteil, dass die Teilnehmenden sich untereinander über Arbeitsweisen, (Abteilungs-)Ziele, persönliche Prioritäten und anderes mehr austauschen. Nicht selten hören wir bei diesem Austausch dann wie Kolleg/ innen erstaunt, „das habe ich nicht gewusst“ ausrufen, obwohl die Kollegin oder der Kollege nur eine Etage entfernt in einer anderen Abteilung tätig ist. Gerade bei Inhouse- Seminaren wird die Kommunikation innerhalb von und zwischen Abteilungen gefördert und es geschieht tatsächlich gar nicht selten, dass Teilnehmende ganz überrascht sind, wenn sie erfahren, wie nebenan so gearbeitet wird. Woran liegt das? Im Öffentlichen Dienst gibt es immer noch jede Menge Schnittstellenprobleme zu überwinden. Unser Seminar ZZR-Management trägt, im Kanon der gesamten Personalentwicklung, ganz erheblich zur Überwindung dieser Problematik und ihrer Ursachen bei. Einige Anmerkungen zu diesem Seminar (und den Ausführungen in diesem Buch) möchten wir zum besseren Verständnis in diesem Abschnitt vorausschicken: Der Untertitel des Seminars „Die 7 Prinzipien des Zeit- Ziel und Ressourcenmanagements“ deutet bereits an, worauf es bei der Behandlung dieser Thematik ganz entscheidend ankommt, nämlich auf den Praxisbezug! Damit liegt der Schwerpunkt des von uns vermittelten Konzepts des ZZR-Managements auf der Anwendbarkeit und Übertragbarkeit der Prinzipien in die Praxis der am Seminar Teilnehmenden. Dabei gehen wir wie folgt vor: Statt „1000 Tipps und Zeitspartricks“ anzubieten, begrenzen wir uns auf die Vermittlung einiger weniger - aus unserer Sicht - grundlegender Prinzipien des Zeit-, Ziel- und Ressourcenmanagements und erarbeiten im Seminar mit den Teilnehmenden Ideen und Leitlinien, wie diese Prinzipien sinnvoll in der Praxis eingesetzt und angewendet werden können. Das <?page no="13"?> 7 ist auch die Leitlinie für die Behandlung der Thematik in diesem Buch: Nur einige, wenige Prinzipien, die Teilnehmende in ihre Praxis übertragen können, bilden die Grundlage der Vermittlung „unseres“ ZZR-Managements. Wer sich heute mit ZZR-Management befasst, sucht die Reflexion darüber, wie er sowohl Zeit- und Arbeitsabläufe als auch das eigene Arbeitsverhalten effizienter gestalten kann. Menschen, die sich mit den Prinzipien des ZZR-Managements befassen, wollen überdies häufig auch das eigene Selbstmanagement verbessern. Das bedeutet, dass sie, über die Optimierung von Zeit- und Arbeitsabläufen hinaus, ein besonderes Interesse an der Abstimmung zwischen beruflichen Anforderungen und persönlichen Lebenszielen haben. Es geht diesen Teilnehmenden also auch darum, die persönliche Schnittstellenproblematik zwischen Arbeit, Leben und Gesundheit zu überwinden. Wir haben in diesem Zusammenhang den Begriff Work-Life-Health-Balance 3 geprägt, womit das Gleichgewicht zwischen Arbeits-, Lebenszielen und die Erhaltung der Gesundheit im geistigen, körperlichen und psychischen Sinn gemeint sind. Work-Life-Health-Balance ist damit ein Ansatz von einiger Bedeutung für jedes persönliche Zeit- und Selbstmanagement, denn angesichts der raschen Veränderung unserer Arbeitswelt und im Zuge zunehmender Belastungen für die Mitarbeitenden, gewinnen Ansätze zur Reduktion von Stressbelastungen und -folgen immer mehr an Bedeutung. Die eklatante Zunahme von Suchtproblemen stellt nur eine der kostspieligen Folgen von Stressbelastungen dar, die aus Arbeitsbelastungen resultieren können, und die Integration eines wirksamen WLHB-Konzepts (meist wird sie immer noch als Work-Life-Balance bezeichnet) ist heute ein Grundgerüst jeder ernsthaften und ernstzunehmenden Personalentwicklungspolitik. Leider bietet gerade die allgemeine, ungerichtete Sparwut den Mitarbeitenden im Öffentlichen Dienst derzeit zu wenige Möglichkeiten, das persönliche Handlungspotenzial zur Stressprophylaxe am Arbeitsplatz systematisch zu verbessern. Daher bleibt für viele Mitarbeitende als „Alternative“ zu den krankmachenden Bedingungen am Arbeitsplatz zu oft nur die „Flucht“ in die Krankheit. Das ist nicht nur negativ zu werten, sondern auch kostspielig für den Staat und seine Angehörigen und damit ein Beispiel dafür, wozu ungerichtete Sparwut führt. Gerade die hohe Zunahme stressbedingter Erkrankungen ist Ausdruck des hohen Anpassungsdrucks, den Mitarbeitende heute bewältigen müssen. Dieser Anpassungsdruck resultiert keineswegs aus zu hohen Arbeitsanforderungen allein, sondern aus den Folgen, die der politische, gesellschaftliche und kulturelle Wandel mit sich bringt und der sich mit so hoher Geschwindigkeit vollzieht, wie wir es gegenwärtig erleben. Im Abschnitt 4 werden wir auf die Thematik Stress noch genau eingehen. Daher streifen wir das Thema Stress hier nur. ZZR-Management in Kombination mit arbeitsplatzbezogenen Maßnahmen gegen Stressbelastung stellt gerade für die geschilderte Situation eine effektive <?page no="14"?> 8 Hilfe dar und führt mittelfristig zu mehr Arbeitsfreude und Engagement der Mitarbeitenden und fördert deren Selbstverantwortung. Vor dem Hintergrund dieser Zusammenhänge passen zu einem effektiven ZZR- Management keine komplizierten Zeitplanungssysteme und -regelwerke, weil sie zusätzlichen hohen Arbeitsaufwand voraussetzen, vor allem beim Erlernen derselben, und damit zusätzlich Energie- und Zeitaufwand bedeuten. Wer will das schon? ! Das Wesentliche eines auf wenigen Prinzipien beruhenden Ansatzes liegt zusätzlich darin begründet, dass die Anwendenden sich nicht zu „Zeitsparenden“ entwickeln, sondern lernen, zu „Ressourcenmanager/ innen in eigener Sache“ zu werden. Worin liegt der Unterschied? Zeitsparende erfassen den Zeitaufwand für einzelne Tätigkeiten akribisch, um Ansatzpunkte für die Verkürzung von Tätigkeiten und Aufgaben zu finden. Ressourcenmanager/ innen in eigener Sache hingegen analysieren Situation und Zeitbudget, um die Qualität der Arbeit zu verbessern. Demzufolge messen sie nicht allein den Zeitverbrauch, sondern analysieren den Weg (das Wie), um Ansatzpunkte für qualitative Verbesserungen zu gewinnen. Während zeitsparende Vorgesetzte ihre Mitarbeitenden anhalten, die Arbeit in immer kürzerer Zeit zu verrichten, suchen sie selbst nach immer neuen Einsparpotenzialen. Ressourcenmanager/ innen in eigener Sache hingegen suchen nach Wegen, wie die Arbeitsbedingungen und das Umfeld so zu verbessern sind, dass eine höhere Effizienz (nicht nur eine verbesserte Zeiteinsparung) die Folge ist. Sie planen und wägen ab, bevor sie handeln, und gehen der Frage nach, wie ein Ziel mit welchen Mitarbeitenden bei welchem Aufwand (i. e. Personalkapazitäten, Ressourcen, Material und Methoden) effizient erreicht und umgesetzt werden kann. Ressourcenmanager/ innen vermögen dabei weitaus häufiger das Gleichgewicht zwischen Zeitbudget, Ziel und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten und Ressourcen herzustellen. Schließlich sind sie dadurch flexibler und besser in der Lage auf Veränderungen äußerer Anforderungen (z. B. veränderte Beratungsbedarfe von Bürgern und Bürgerinnen) als auch auf Veränderungen innerer Gegebenheiten (z. B. Verringerung des Personals) zu reagieren. Veränderungen, denen Zeitsparende, mit ihrem eindimensionalen Lösungsansatz, letztlich hilflos gegenüberstehen. Gerade in diesem Punkt ist das Thema ZZR-Management von besonderer Wichtigkeit und ganz besonders für die Mitarbeitenden des Öffentlichen Dienstes, für Beschäftigte von Bund und Kommunen. Warum? Weil gerade hier viele Veränderungen geschehen. Regelungen und Verordnungen verändern sich im Zuge der Vergrößerung des EU-Wirtschaftsraumes und durch die Folgen der Globalisierung. Zusätzlich verstärken der staatlich auferlegt Kostendruck und personelle Engpässe den Arbeitsdruck für die Mitarbeitenden im Öffentlichen Dienst erheblich. <?page no="15"?> 9 Zweifelsohne befindet sich der Öffentliche Dienst im Wandel. Das allein stellt kein Problem dar, aber trotz vieler Versprechen den Bürokratieabbau voranzutreiben, gibt es so viele Regelungen, Verordnungen, Normen, Kontrollen und Vorschriften wie nie zuvor. Auch die Mitarbeitenden im Öffentlichen Dienst sind hiervon betroffen, schließlich muss die Einhaltung all dieser Regelwerke und Vorschriften überwacht werden. Kaum ein anderer beruflicher Bereich ist der deutschen Regelungswut so unmittelbar ausgesetzt wie der Öffentliche Dienst. Ein Teilnehmer stellte auf die Frage, wie er mit den vielen Vorschriften klarkäme, lakonisch fest: „Verwaltet wird immer und immer aufwändiger. Das gibt einem zumindest eine gewisse Sicherheit für den eigenen Arbeitsplatz.“ Für die meisten Mitarbeitenden steht aber die Frage im Raum: Mehr Regeln und Bürokratie bedeuten mehr Arbeit, gleichzeitig werden auch im Öffentlichen Dienst immer mehr Stellen abgebaut. Wie passt das zusammen? Sicher sind die Reformbemühungen im Öffentlichen Dienst gut gedacht und gut gemeint. Die Einführung leistungsbezogener Vergütung mag für solch einen guten Gedanken stehen. Wie aber wird er umgesetzt, welche Konsequenzen resultieren daraus für die Beschäftigten? Resultiert daraus allein schon ein ökonomischeres, effizienteres Verhalten der Mitarbeitenden? Sicherlich nicht! Es gibt hier und dort aber auch Beispiele dafür, wie Öffentliche Arbeitgeber eine substanziell verbesserte Personalpolitik betreiben, die darauf ausgerichtet ist, Mitarbeitende auf die Anforderungen des Wechsels vorzubereiten, mehr noch sie zu Agenten und Agentinnen der Veränderung (change agents) zu entwickeln. Diese Vorbereitung ist nötig, denn sie erlaubt den Mitarbeitenden flexibler, professioneller und umfassender auf den Wandel zu reagieren. Doch diese Personalpolitik hat immer noch Exotenstatus. Progressive Personalmitarbeitende betrachten jedoch systematische Personalentwicklung als Investition in die Mitarbeitenden. Denn diese sind der Garant für den Erfolg, für das Erreichen ehrgeiziger Ziele und Projekte, wie sie z. B. im Bereich der Wasserwirtschaft des Ruhrgebiets existieren. Denn die Zukunft wird, das gilt ganz besonders für die Tätigkeit im Öffentlichen Dienst, nicht mehr von Mitarbeitenden gestaltet, die ausschließlich Regeln beachten und Weisungen entgegennehmen und diese stur umsetzen. Die Mitarbeitenden der Zukunft haben Zeit, Ziele und Ressourcen gleichermaßen im Blick, denken und handeln im Rahmen ihres Auftrags selbstverantwortlich und setzen ihr Organisationstalent ein, um die tagtäglichen Anforderungen zu bewältigen. Moderne Mitarbeitende im Öffentlichen Dienst unterscheiden sich künftig in ihrem Anforderungsprofil immer weniger von Mitarbeitenden großer Handels- oder Industrieunternehmen: Mitarbeitende, die Verantwortung nicht als Belastung, sondern als Herausforderung erkennen, die ihre Talente und Fähigkeiten zum Wohle der Einrichtung einsetzen und nutzen. Dieser Wandel hat gerade erst begonnen und beides existiert, die alten Strukturen und der Wandel, nebeneinander. Und genau in diesem Prozess befinden sich <?page no="16"?> 10 große Teile des Öffentlichen Dienstes und seiner Mitarbeitenden. Ein Seminarteilnehmer, selbst im öffentlichen Dienst tätig, äußerte dazu: „Na ja, wenn ich mir das Verhalten einiger Mitarbeitender in unserer Abteilung vor Augen führe, dann hat bei denen der Umdenkprozess noch nicht so recht eingesetzt“. Diese Äußerung deckt sich mit unseren Erfahrungen bei Change-Prozessen: Altes und neues Verhalten existiert nebeneinander. Auch dadurch kommt es im Alltag zu Reibungsverlusten und damit stehen die Leitungskräfte hier vor der besonderen Herausforderung, die Angehörigen alter und neuer Kulturen zu integrieren, Widerstände der Mitarbeitenden zu erkennen und zu überwinden. Die Prinzipien des ZZR-Managements stellen für diese Herausforderung, vor der viele Bereiche des Öffentlichen Dienstes stehen, ein geeignetes Instrumentarium bereit und bilden damit die Plattform für Veränderung, für ein verbessertes Selbstmanagement, mit dem Ziel Ressourcenmanager/ innen in eigener Sache zu fördern und zu entwickeln. 1.1.3 Change-Prozesse brauchen Zeit! In noch einer weiteren Facette unterscheiden sich Ressourcenmanager/ innen von Zeitsparfüchsen. Ressourcenmanager/ innen werden der Tatsache gerecht, dass sich der Anforderungskanon, das Anforderungsprofil der Mitarbeitenden im Öffentlichen Dienst unter den gegebenen Vorzeichen verändert. Ressourcenmanager/ innen werden diesem Umstand gerecht, indem sie flexibel mit neuen Situationen und Herausforderungen umgehen. Die wenigen Prinzipien, die es bei diesem Ansatz zu beachten gilt, wandeln sie in Abhängigkeit von den besonderen Anforderungen der Situation flexibel um, reagieren damit schneller auf neue Situationen. Zeitsparende besitzen diese Flexibilität nicht. Mühsam haben sie dem bereits existierenden Zeitkorsett etwas abknapsen können, eine Änderung bringt jetzt nur Verdruss, weil die Veränderung als solche die erneute Suche nach Einsparmöglichkeiten erfordert. Zeitsparende sind Buchhalter der Zeit, Ressourcenmanager/ innen aber sind wahre Könner auf diesem Gebiet. Sie werden den neuen Anforderungen gerecht, weil sie Richtung, Ziel und Gewichtung der Prinzipien jederzeit neu ausrichten können, mit den Parametern jonglieren und damit flexibler und beweglicher reagieren. Zeitsparende orientieren sich hingegen am Althergebrachten. Ihr Vorgehen scheitert an der geringsten Veränderung. In unseren Seminaren und Beratungsgesprächen fördern wir den Austausch und die Diskussion z. B. über das Anforderungsprofil moderner Zeitmanager/ innen und die Übertragung der Prinzipien in die Praxis mit dem Ziel, den Transfer der Prinzipien in den Alltag zu erleichtern. In vielen Seminaren und im Verlauf zahlreicher PE-Maßnahmen haben wir diesen Prozess initiiert und begleitet und sind froh darüber, dass wir gerade während der letzten 15-20 Jahre an den Ver- <?page no="17"?> 11 änderungsprozessen im Öffentlichen Dienst als Moderatoren und Coaches teilhaben konnten. Heute wird auch im Öffentlichen Dienst, ähnlich wie in der freien Wirtschaft, häufig über Effizienz und Effektivität gesprochen. Unser Konzept des ZZR- Managements berücksichtigt diese Perspektive ausdrücklich. Ein an wenigen Leitlinien orientiertes ZZR-Management eröffnet Mitarbeitenden und Teilnehmenden die Möglichkeit, sich selbst und ihr Arbeitsverhalten zu überprüfen und zu verbessern und damit ist ZZR-Management ein aktuelles Thema für den überwiegenden Teil der Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes. Der Weg von passiven, sich an Normen und Verfahrensregeln orientierenden Mitarbeitenden, hin zu Mitarbeitenden, die ihre Tätigkeit reflektieren und überblicken, entspricht den modernen Anforderungsprofilen der Mitarbeitenden im Öffentlichen Dienst von heute. ZZR-Management erfordert aktive Führung und Selbststeuerung. Das bedeutet: Die Verwirklichung der sieben Prinzipien ist auch ein Schritt hin zu mehr Selbstverantwortung und mehr Selbstkritik im Umgang mit der Zeit, mit den relevanten Zielen und den zur Verfügung stehenden Ressourcen. 1.1.4 Das System des ZZR-Managements Zeitmanagement ist heute ein Modewort. Es gibt unzählige Literatur, die den richtigen Umgang mit der Zeit vermitteln möchte. Die Leser/ innen bekommen Anleitung darin, wie sie Zeit, sukzessive ihre Arbeit und das Leben in den Griff bekommen können. Ein anderer Gedanke dazu ist: Zeit als solche lässt sich nicht managen, sie kann gemessen werden, aber sie kann nicht vermehrt werden, sie wirft keine Rendite ab. Die Zeit als solche ist nicht beeinflussbar. Der Tag hat 24 Stunden, die Stunde hat 60 Minuten, die Minute 60 Sekunden, daran ist nichts zu rütteln. Der Begriff Zeit-Management ist daher im engeren Wortsinn falsch oder es ist etwas anderes gemeint, wenn jemand sagt, dass er sein Zeitmanagement verbessern wolle. Die Bewertung des Umgangs mit der zur Verfügung stehenden Zeit ist im beruflichen Kontext nur dann sinnvoll, wenn andere Größen hinzugezogen werden, wie z. B. wenn wir die Wechselwirkung zwischen Leistung und Zeit betrachten und demzufolge Arbeit als Leistung(seinheit) pro Zeit(einheit) definieren. In gleicher Weise ist unser Modell des ZZR-Managements zu verstehen. Zeit, Ziel und Ressourcen stehen in Wechselwirkung miteinander und können daher nur als Ganzes hinsichtlich Ergebnis, Wirkung und Ertrag bewertet werden. <?page no="18"?> 12 Frage: „Was verstehen Sie denn unter ZZR-Management genau? “ PRO-FIT-COACH: „Wir haben ja bereits oben erwähnt, dass das Einsparen von Zeit allein noch keinen ausreichenden Ansatzpunkt bietet. Um einen Maßstab oder Kriterien für nachhaltige Verbesserungsmaßnahmen ableiten zu können, müssen drei Aspekte, nämlich Zeit, Ziel und Ressourcen (s. Abbildung 1.1) in Beziehung zueinander gestellt werden: 1. Der Zielaspekt steht an der Spitze des Modells. Durch die Definition einer Zielsetzung für einen Arbeits- oder Aufgabenbereich ist eine Bewertung der anderen Komponenten, i. e. Zeitverbrauch und Ressourcennutzung, möglich. Die Zieldimension gibt der Zeit einen Sinn. Wenn Mitarbeitende in einer gegebenen Zeit t ein Ziel z erreichen, kann ein Wert, eine Einheit, eine Stückzahl ermittelt werden. Dieser erreichte Wert (Stückzahl, Einheit) kann als Leistung definiert werden und ist (mit früher erreichten) Leistungen der gleichen Person oder den Leistungen anderer Personen vergleichbar und kann bewertet werden. 2. Der Zeitaspekt steht für das Zeitbudget, welches zur Verfügung steht, z. B. ein Arbeitstag, der acht Zeitstunden umfasst. Der Zeitaspekt sagt zunächst noch nichts darüber aus, was wir tatsächlich mit diesem gegebenen Zeitbudget anfangen, sondern ist lediglich ein Maß für das zeitliche Nacheinander von Ereignissen. Besonderheit der Zeit: Sie steht nur einmal zur Verfügung. Für verbrauchte Zeit gibt es kein Rückgewinnungsprogramm! Und auch keine Rendite! Insofern ist der Begriff Zeit sparen ein Widerspruch in sich. 3. Wenn wir nun noch den Ressourcenaspekt zum Zeit- und Zielaspekt hinzufügen, dann können endlich auch die eingesetzten und verbrauchten Mittel zu der erzielten Leistung in Relation gesetzt werden, bzw. die Bewertung komplettieren. Wir können also bei der Betrachtung aller drei Aspekte Aussagen darüber treffen, was in welcher Menge und unter Einsatz von wie viel Zeit verbraucht wurde, um ein gegebenes Ziel zu erreichen. Der Ressourcenverbrauch kann hoch sein, moderat oder gering? Woran bemisst sich, ob er angemessen ist? Der Nicht-Verbrauch von Ressourcen stellt, entgegen landläufiger Auffassung der Einsparfüchse, nicht immer einen Vorteil dar. Ein Eimer Farbe, der nicht (wie ursprünglich vorgesehen) zum Streichen einer Hauswand verwendet wird, obwohl er bereitsteht, ist eine ungenutzte Ressource. Wenn das Ziel darin besteht, eine Fassade zu sanieren, dann stellt die Nicht- Nutzung der Ressource einen zweifachen Nachteil dar: 1. Ist die Fassade weiterhin den Witterungseinflüssen ungeschützt ausgesetzt, der Schaden vergrößert sich und 2. vertrocknet die Farbe irgendwann und kann nicht mehr genutzt werden. Die Kosten potenzieren sich durch die vermeintliche Einsparung also. <?page no="19"?> 13 Wichtig ist daher die (vorhandenen) Ressourcen mit den avisierten Zielen (und den notwendigen Schritten dorthin) in der Gesamtheit zu betrachten.“ FRAGE: „Also ist es demnach so: Zeit und Ziel allein gestatten Aussagen über die Effektivität einer Leistung zu treffen. Die Berücksichtigung aller drei Komponenten, also der Einsatz und die Verwendung von Zeit, Ziel und Ressourcen gestattet erst eine Aussage darüber, wie effizient gearbeitet wird? “ PRO-FIT-COACH: „Ja, erst wenn alle drei Dimensionen in Relation zueinander betrachtet werden, kann letztlich die Effizienz der Zielerreichung bewertet werden, weil die zur Erlangung des Zieles verbrauchten Ressourcen mit in die Bilanz einbezogen werden.“ FRAGE: „Ja, aber dann stehen Sie doch wieder mit der Stoppuhr neben den Mitarbeitenden aus der Verwaltung oder sind den gewerblichen Mitarbeitenden auf der Spur, um zu messen, wie schnell er einen Vorgang bearbeitet. Wie unterscheiden Sie sich dann noch von den traditionellen Zeitsparerenden, den Sie gerade angeprangert haben? “ PRO-FIT-COACH: „Wir können nicht verhindern, dass jemand Management mit Erbsenzählen verwechselt, aber für unseren Ansatz möchten wir deutlich darauf hinweisen: ZZR-Management ist nicht Management by Stoppuhr. Unternehmerisches Können ist auch im Öffentlichen Dienst genauso eine Manager/ innen-Qualifikation wie in der Wirtschaft. Dieses Können ist durch „Controlling“ allein weder zu ersetzen noch zu kompensieren. Und schließlich entspricht dieser Ansatz auch nicht dem, was wir unter Effizienz verstehen. Mitarbeitende können im Vergleich mit anderen Mitarbeitenden durchaus mehr Zeit für einen Vorgang aufwenden und trotzdem „effizienter“ sein? “ FRAGE: „Wieso? “ PRO-FIT-COACH: „Weil Mitarbeitende, die mehr Zeit auf die Erledigung einer Aufgabe verwenden, deutlich weniger Fehler bei der Bearbeitung machen könnten, als schnellere Kollegen oder Kolleginnen, die weniger Zeit verbrauchen, dann aber noch nachträglich größere Korrekturen vornehmen müssen. Es kann aber auch sein, dass Mitarbeitende mit dem größeren Zeitverbrauch selbstständiger arbeiten als ihre Kollegen und Kolleginnen, die den Vorgang zwar in kürzerer Zeit erledigen, jedoch andere mehrmals außerplanmäßig fragen oder um Hilfe bitten müssen, sodass diese ihre eigene Arbeit unterbrechen müssen. Vielleicht aber entwickeln Mitarbeitende mit dem größeren Zeitbedarf bei ihrer Arbeit Vereinfachungshilfen oder Checklisten, sodass die Bearbeitung zukünftig weniger zeitaufwändig ist und einfacher bewerkstelligt werden kann. Das hätte zur Folge, dass auch andere Kollegen und Kolleginnen von dem ‚Mehraufwand‘ profitieren und somit würde der zeitliche Mehraufwand durch andere Vorteile <?page no="20"?> 14 mehr als kompensiert. Schnelligkeit allein ist nicht das Kriterium für Effizienz. Wir wollen hier aber nicht generell die Mitarbeitenden kritisieren, die zügig und zeitökonomisch arbeiten. Mitarbeitende, die meistens die Vorgänge schneller bearbeiten als ihre Kollegen und Kolleginnen, können selbstverständlich auch fehlerfrei arbeiten. Das ist jedoch nur eine mögliche Erklärung für die Schnelligkeit und wir wissen meistens nicht sofort, ob jemand schnell und sorgfältig bzw. fehlerfrei arbeitet. Erst wenn bekannt ist, dass neben dem geringeren Zeitverbrauch, die Qualität der Zielereichung gegeben und der Verbrauch der Ressourcen vergleichsweise moderat ist, sprechen wir von effizientem ZZR- Management. Gutes ZZR-Management bedeutet somit Ausgewogenheit der drei Komponenten Zeitaufwand, Zielerreichung und Ressourcenverbrauch. Für unser Verständnis führt dieser Ansatz zum langfristigen und damit nachhaltigen Erfolg. Im Unterschied dazu konnten wir folgendes beobachten: Mitarbeitende, die sich wie Zeitsparende-in-Reinform verhalten, wirken oft gehetzt und verbissen. Als Vorgesetzte sind diese Zeitsparenden besonders schwierige Zeitgenossen. Und zwar deshalb: Weil sie alleine den Zeitverbrauch im Blick haben, stellen sie formale Fragen in den Vordergrund, auch dann, wenn z. B. Mitarbeitende ein persönliches Anliegen haben, dass sie mit ihren Vorgesetzten dringend klären müssen. Die Antwort der Zeitsparenden lautet nicht selten: ‚Mitarbeitendengespräche sind Zeitverschwendung, ich muss schließlich meine Arbeit erledigen.‘ Diese ‚Zeitsparexperten und -expertinnen‘ (wenn sie Vorgesetzte sind), täten gut daran darüber nachzudenken, worin der Erfolg in ihrem Job begründet ist. Ich höre bisweilen Zeitsparexperten und -expertinnen gequält aufstöhnen, wenn ich sie an ihre Führungsverantwortung erinnere. Ich frage sie dann gerne, wer denn der Garant ihres Erfolges sei. Etwa die Hälfte sagen, dass sie selbst es seien (was ich bei einigen auch nicht bezweifele), die andere Hälfte reagiert nachdenklich: ‚Sie finden, also auch, dass meine Mitarbeitenden auch einmal etwas anderes von mir hören sollten, als ‚das muss schneller gehen und das dauert alles zu lange.“ Die Antwort lautet in diesem Fall eindeutig: ‚Ja.‘ Eine Variante der Zeitsparenden offenbart sich im folgenden Beispiel. Eine gehobene Sachbearbeiterin im Öffentlichen Dienst äußerte über ihren Chef: ‚Mein Chef ist bemüht den Eindruck von Zeitnot zu erwecken, dabei weiß hier (in der Abteilung) doch jeder, dass er nichts Großartiges zu tun hat…‘ Auch das Schicksal dieses Typus ist grausam: Die Mitarbeitenden durchschauen dieses Verhalten und stören sich daran, dass die Vorgesetzten ihnen etwas vorgaukeln. Die Mitarbeitenden tuscheln hinter dem Rücken der Vorgesetzten und verständigen sich darauf, auch nicht mehr zu arbeiten, als unbedingt notwendig ist. Der altbekannte Satz gilt auch hier: Jeder Chef und jede Chefin bekommt die Mitarbeitenden, die er verdient! <?page no="21"?> 15 Zeitsparende als Vorgesetzte laufen ständig Gefahr, Zeithektiker zu werden, jemand für den das Getriebensein und die Hektik zum Selbstzweck und zur Messlatte der Existenzberechtigung werden: Operative Hektik ersetzt geistige Windstille, pflegte einmal ein Teilnehmer zu sagen, was soviel bedeuten soll wie: Hektik und Erfolg passen nicht so recht zusammen. Abb. 1.1: Das System des Zeit-, Ziel- und Ressourcen-Managements Erfolg! Sie steht nur einmal zur Verfügung! <?page no="22"?> 16 1.1.5 Effizientes ZZR-Management eine Frage der Persönlichkeit? Beschäftigten von Bund, Ländern und Gemeinden sagt man nur zu gerne nach, dass sie Struktur, Klarheit und Überblick überaus schätzen. Doch wie ist es tatsächlich um deren Organisationstalent bestellt? Untersuchungen zeigen, dass auch unter den angeblich so Ordnungsliebenden das gesamte Spektrum vom Schreibtischchaoten bis hin zu durchorganisierten Leertischlerinnen vertreten ist. Wir hören und lesen zum Thema Zeitmanagement, Ordnung und Systematik bisweilen auch, dass diese Eigenschaften eine Frage der Persönlichkeit seien. Ganz von der Hand zu weisen ist das nicht. So ist bekannt, dass bestimmte kognitive Fähigkeiten (also Fähigkeiten, die das Denken betreffen) angeboren sind und durch Lernen und Erfahrung geformt werden. Zu diesen kognitiven Fähigkeiten gehört z. B. das analytische Denken. Menschen, die analytische Fähigkeiten besitzen, planen Abläufe gerne genau und legen bis ins Detail fest, was, wie, in welcher Häufigkeit zu tun ist. Sie stehen in dem Ruf, dass sie systematisch, sorgfältig und umsichtig sind. Die Persönlichkeitsforschung und mit ihr die meisten Persönlichkeitsmodelle kennen und definieren Eigenschaften wie Strukturierungs- oder Analysefähigkeit, Gewissenhaftigkeit, Planungsfähigkeit oder Sorgfalt. Diese Eigenschaften sind von Geburt in der Persönlichkeit angelegt. Diese Auffassung vertritt zum Beispiel die Typentheorie von Bents und Blank (1995). Sie bildet die Grundlage für den MBTI (Myers-Briggs-Typenindikator), ein Persönlichkeitstest, den wir auch in der Eignungs-, Team- und Managementdiagnostik in Einrichtungen des Öffentlichen Dienstes einsetzen. Die Anwendung und praktische Relevanz der „Typentheorie“ wurde bereits an anderer Stelle von einem der Autoren anhand des Profils von Technikern eines Elektronikunternehmens dargestellt (vgl. Brendt, 2008, S. 6ff). Wie diese Untersuchung zeigt, waren Techniker/ innen diejenigen, die eine Tendenz zum ISTJ-Profil besitzen. Nach Tabelle 1.1 handelt es sich hierbei um Menschen, die sich tendenziell auf „die Sache fokussieren, Fakten sichten, kritisch analysieren, planen und terminieren.“ <?page no="23"?> 17 Extrovertierte (E) VS (I) Introvertierte sorgen für Kommunikation im Team fokussieren die Sache Sinnlich Wahrnehmende (S) VS (N) Intuitiv Wahrnehmende sichten die Fakten prüfen die Möglichkeiten Analytisch Beurteilende (T) VS (F) Gefühlsmäßig Beurteilende analysieren kritisch vermitteln Akzeptanz Beurteilend Eingestellte (J) VS (P) Wahrnehmend Eingestellte planen und terminieren sind offen und sichern Flexibilität MBTI-Charakterzüge Tab. 1.1: Kurzdarstellung der MBTI-Charakterzüge Auch für Mitarbeitende im Öffentlichen Dienst fanden wir entsprechende Profilkurven, und zwar dort, wo es Tätigkeitsbereiche gibt, in denen Mitarbeitende in technischen Berufen arbeiten. So z. B. in der Wasserwirtschaft, im Öffentlichen Bauwesen oder bei Stadtwerken. Aber sind diese Profileigenschaften schon hinreichend, um das Spektrum des Organisationstalents im Öffentlichen Dienst abzubilden? Werden durch das ISTJ-Profil schon die Fähigkeiten abgebildet, die von zukunftsgerichteten Personalentwicklern als Kernkompetenz für diese Zielgruppe angesehen und immer häufiger gefordert werden? Die Anforderungen an Zeit-, Ziel- und Ressourcenmanager/ innen im Öffentlichen Dienst sind sicherlich nicht homogen, aber sie sind häufig anspruchsvoll und fordern ein hohes Maß an Flexibilität von den Mitarbeitenden, die Verantwortung und Leitung übernehmen. Unter diesen Voraussetzungen bildet das ISTJ-Profil ZZR-Manager/ innen nicht vollständig und hinreichend ab. Die Betonung des „I-Faktors“ allein, also die Fokussierung auf die Sache, bringt in der beschriebenen Situation nicht den entscheidenden Schritt nach vorne. Es ist vielmehr der „E-Faktor“, also die Eigenschaft, die als Extraversion bezeichnet wird. Sie repräsentiert den Erfolgsfaktor für erfolgreiche ZZR-Manager/ innen. Denn damit sind die Mitarbeitenden gemeint, die für zielführende Kommunikation im Team sorgen. Als Führungskräf- <?page no="24"?> 18 te schaffen sie die Rahmenbedingungen, die zielorientierte Teamkommunikation anstoßen oder helfen sie zu verbessern. Insbesondere der ESTJ-Typus verkörpert diesen Typus von Mitarbeitenden, die dazu in der Lage sind, die skizzierten Veränderungen zu initiieren und mitzugestalten. Woran liegt das? Extraversion wird beschrieben als die Fähigkeit, Ideen und Impulse stärker nach Außen zu tragen. Während der Introvertierte stärker auf die Sache konzentriert ist, konzentriert sich der Extravertierte auf soziale Kontakte, kommuniziert (mehr), sucht und nutzt das Team für den Erfolg. Außerdem verkörpert der ESTJ-Typus, wie er im Myers-Briggs-Typenindikator beschrieben ist, zusätzliche Eigenschaften, über die es in der Kurzform heißt: Er ist „praktisch, realistisch, sachlich, [hat ein] natürliches Talent fürs Geschäft oder für Technik. Nicht interessiert [ist er] an Dingen ohne unmittelbare Nutzanwendung, könne sich aber hineinfinden, wenn nötig. Mitarbeiter vom ESTJ- Typus finden Gefallen an Organisation und managen gerne [z. B. Projekte]. Sie sorgen für einen guten Ablauf, besonders dann, wenn sie nicht vergessen, auf die persönlichen Ansichten der anderen Rücksicht zu nehmen, wenn sie ihre Entscheidung treffen“. Damit ist der E-Typus, komplettiert um die Charakterzüge STJ (s. Tab. 1.2) - die Erfolgskombination für die Realisierung anstehender Veränderungsziele im Öffentlichen Dienst. Denn Schlagworte wie Liberalisierung, Privatisierung, „Verschlankung“ stehen für kommunikationsintensive Prozesse. Der E-Typus stößt sie entschlossener an, Misserfolge schrecken ihn weniger davon ab, sein Ziel weiter zu verfolgen als den introvertierten Typus. Aber neben der Kommunikationsstärke muss der ESTJ-Typus auch die Ausdauer bei der Verfolgung der Ziele besitzen, er muss nicht nur den Anstoß zur Veränderung geben, sondern braucht zusätzlich auch die Ausdauer, um Widerständen, rückläufigen Tendenzen und „Aussitzversuchen“, mit Freundlichkeit und Bestimmtheit entgegenzutreten. Mitarbeitende mit diesen Persönlichkeitsmerkmalen bringen in der Tat entscheidende Vorteile für Veränderungsmanagement und mithin auch für effizientes ZZR-Management mit. Als Vorgesetzte vermögen sie wichtige Anstöße so zu geben, sodass sie auch von anders „gestrickten“ Mitarbeitenden nicht als Bevormundung, sondern als entscheidende Impulse, als Anreize in die richtige Richtung verstanden werden. Sie beherrschen die Kunst, zielgruppengerecht zu kommunizieren und verfügen damit über Fähigkeiten, die für Change-Prozesse wichtig sind. Angesichts der Veränderungen, denen sich große Teile des Öffentlichen Dienstes gegenwärtig und auch in den kommenden Jahren gegenüber sehen, sind Mitarbeitende gefragt, die es verstehen, ihre Vorstellungen in die maßgeblichen Arbeitsgruppen und Gremien einzubringen, die Widerstände (Konflikte) aushalten können, die zu kommunizieren verstehen, ohne andere zu verletzen. Sie vermögen Feedback zu geben, können Kritik aushalten. Durch ihr analytisches Denk- <?page no="25"?> 19 vermögen (was den ESTJ-Typus wiederum speziell auszeichnet) können sie sich in technische Sachverhalte hineindenken und gehen dabei auf die kurze und knapp sachverhaltsorientierte Sprache von technischen Mitarbeitenden ein, vermögen sich dabei aber auch auf die breitere Sprache der Angehörigen nichttechnischer Berufe einzustellen. So können sie eine Arbeitsgruppe leiten und steuern, in dem sie jeweils bei dem überwiegenden Teil der Mitarbeitenden den richtigen „Ton“ finden. Sie brauchen neben diesen Fähigkeiten speziell im Öffentlichen Dienst die Fähigkeit zur Integration, d. h., sie müssen dazu in der Lage sein, auch die Mitarbeitenden mit höherem „Introversions-Faktor“ in Arbeit und Prozess einzubeziehen, sodass auch sie sich verstanden und nicht übervorteilt oder übergangen fühlen. Mit diesen Fähigkeiten schafft der ESTJ-Typus grundlegende Rahmenbedingungen im Blick auf Leistung und Ziel durch Schaffung einer anreizbetonten Arbeitsatmosphäre. Bezogen auf das Organisationstalent gilt außerdem noch eine Besonderheit, nämlich, dass solche Mitarbeitende die angestrebten Veränderungsziele mit Ausdauer verfolgen und dabei auch Rückschläge oder Verzögerungen zu überwinden vermögen, zum anderen gilt es Verantwortungsbereitschaft zu zeigen, und zwar auch dann, wenn keine formale oder disziplinarische Führungsrolle gegeben ist. Dass diese Fähigkeiten überaus nützlich und notwendig sind, davon konnten wir uns bei Auftraggebern des Öffentlichen Dienstes immer wieder überzeugen. Warum? Einerseits sind es die Auswirkungen des an allen Ecken und Enden aufflackernden Reformstaus, der Veränderungen nur schleppend passieren lässt. Andererseits sind diese Fähigkeiten von Nöten, weil wieder Widerstände von Einzelnen oder Gruppen von Mitarbeitenden überwunden werden müssen, da in vielen Bereichen das Beförderungs- und Aufstiegswesen zeitweilig außer Kraft gesetzt ist. Mitarbeitende werden nicht mehr so häufig wie früher auf einen Posten gesetzt, bis das Schicksal des Peter-Prinzips sie ereilt, sondern erfahren ihre Bewährung in Interimspositionen als „Mitarbeitende in verantwortlichen Positionen“ (aus denen sie bei Nichtbewährung auch wieder abgezogen werden) bzw. über eine zeitlich befristete Tätigkeit als Projektleitende. Nun möge nicht der falsche Eindruck entstehen, dass der ESTJ-Typus die einzige Konstellation sei, die Aufgaben und Herausforderungen im Öffentlichen Dienst zu bewältigen vermag. Teams und Arbeitsgruppen leben von der Vielfalt. So ist der eher introvertierte Mitarbeitertypus derjenige, der technische Probleme untersucht, Fehlerquellen findet und ausschaltet. Mitarbeitende mit dieser Persönlichkeitsstruktur, fokussieren stärker die Aufgabe, die Sache, das Objekt. Als Techniker/ in ist dieser Typus wertvoll und sicher unersetzlich, denn er plant detailliert und sicher den nächsten Schritt und tüftelt technische Details aus. Viele Probleme im Öffentlichen Dienst sind aber nicht technischen Begebenheiten zuzuschreiben, sondern bestehen in der Notwendigkeit der Überwindung von Kommunikationsbarrieren und Schnittstellenproblemen. Dabei entstehen <?page no="26"?> 20 Schwierigkeiten, die aus unterschiedlichen Problemlagen resultieren. Auch das hierzu erforderliche Konfliktmanagement ist Ressourcenmanagement. ZZR- Manager/ innen sind hier mehr gefragt denn je. Mitarbeitende entfalten hier ihr Organisationstalent am besten, wenn sie Fakten hinreichend analysieren und damit auch die Sprache der technischen Kollegen und Kolleginnen beherrschen. Gleichzeitig müssen sie aber auch die Sachbearbeiter/ innen erreichen, genau wie die Mitarbeitenden in den Beratungsstellen, im sozialen Dienst. Der ESTJ- Typus verfügt neben sprachlichen Fähigkeiten, auch über die erforderliche Entschlossenheit, um Probleme anzugehen, wägt Risiko und Verantwortung gegeneinander ab, geht aus sich heraus, kann bestimmt sein, kommuniziert seine Entscheidungen aber mit allen Betroffenen. Gerade die Kombination der Fähigkeiten, die der ESTJ-Typus verkörpert bevorzugen ihn gegenüber den anderen „Typen“ der Myers-Briggs-Methode und er ist daher für die beschriebenen Veränderungsmaßnahmen ein wertvoller Impulsgeber und somit für die Einführung und Umsetzung von ZZR-Management geeignet. Tab. 1.2: Anforderungsprofil „Organisationstalent“ • Extraversion (insbesondere in der Kombination des ESTJ-Profils nach dem MBTI) • Kommunikationsfähigkeit und -bereitschaft (im Sinne zielorientierter und zielgruppengerechter Ansprache von Personen zur Bewältigung gemeinsamer Aufgaben) • Veränderungsbereitschaft (Anstöße für Veränderungen geben) • Ausdauer (Zielverfolgung, Überwindung von Widerständen) • Analytisches Denkvermögen (Ursache-Wirkungsbezüge erkennen) • Integrationsfähigkeit (unterschiedliche Auffassungen und Ansätze miteinander verbinden können) • Fähigkeit zum Überblick (das Große und Ganze sehen, sich nicht im Detail verlieren) • Konfliktfähigkeit und -bereitschaft (insbesondere in Kombination mit Ausdauer bei der Überwindung von Widerständen gegen notwendige Veränderungen) • Kritikfähigkeit (aktiv: Kritik, Feedback geben können; passiv: Kritik am eigenen Verhalten annehmen können) • Führungsfähigkeit (im Sinne von Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen, auch dann, wenn keine formale oder disziplinarische Führungsrolle vorliegt) <?page no="27"?> 21 Diejenigen ZZR-Manager/ innen, die den E-Faktor besitzen, kommen leichter zum Ziel, weil sie nicht nur Probleme analysieren, sondern sie anpacken und im direkten Kontakt mit Mitarbeitenden, Kollegen und Kolleginnen zu verändern suchen. Sie wissen um die Bedeutung weicher Faktoren (Soft Skills), gerade dann, wenn es darum geht, (Kommunikations-)Missverständnisse bei der Realisierung von (technischen) Projekten zu überwinden. Auch wenn unser Anforderungsprofil zum Organisationstalent über die meisten Persönlichkeitsskalen hinausgeht, so gehen wir dennoch davon aus, keine unerreichbar hohen und damit unrealistischen Anforderungen an ZZR- Manager/ innen zu stellen. Wir sehen das Profil des Organisationstalents denn auch mehr als Zielgröße, als Ergebnis gezielter Potenzialentwicklung und nicht als Grundlagenanforderungen für Angestellte und Mitarbeitende im Öffentlichen Dienst. Wenn aber die Veränderungsziele anspruchsvoll sind, dann verändern sich auch die Anforderungen an die Mitarbeitenden, zumindest an die, die sich in der Führungsverantwortung sehen oder dorthin streben. Für diese Zielgruppe sind die Entwicklungsziele entsprechend hoch anzusetzen. Zurück zu der Frage, ob Organisationstalent und mithin ein effektives ZZR- Management eine Frage der Persönlichkeit ist oder nicht. Die Antwort lautet: „Ja, aber…“ Unter dem Begriff Persönlichkeit werden relativ zeitstabile Verhaltensweisen eines Menschen verstanden. Organisationstalent oder die Fähigkeit ein/ e effektiver ZZR-Manager/ in zu sein, stellen relativ komplexe Fähigkeiten dar, die aus der Wechselwirkung zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und Situationen/ Anforderungen entwickelt werden. Heißt: Jedes Organisationstalent bringt ein bisschen etwas von dieser Fähigkeit von Hause aus mit, ein ebenso hoher Anteil beruht auf Erfahrung und Lernen. Mit anderen Worten: Viele Fähigkeiten, die das Organisationstalent auszeichnen sind lernbar. Was dem Erwerb des Organisationstalents oft genug entgegensteht sind einige Gewohnheiten, welche die Formung des Talents verhindern. Dazu gehört zum Beispiel die Tendenz, alles selbst machen zu wollen. Ein Verhalten, dass wir bei Vorgesetzten im Öffentlichen Dienst immer wieder antreffen. Auch der Anspruch besser zu sein als seine Mitarbeitenden (und das möglichst auf allen Gebieten) stehen der Entwicklung des Organisationstalents entgegen. Dieses Verhalten wird durch persönliche Einstellungen gesteuert. Werden diese Einstellungen nicht verändert (oder zumindest reflektiert), dann führen sie zur Überforderung der so gestrickten Mitarbeitenden. Eine ähnliche Überforderungsleistung resultiert aus der mehrere „Baustellen“ gleichzeitig zu beginnen. Sie alle verhindern effektives ZZR-Management und führen nur allzu häufig in die Sackgasse. Daher ist das Vorhaben, sein Zeit-, Ziel- und Ressourcenmanagement zu verbessern, weniger von großen Plänen und Entwürfen geprägt, als von kleinen Schrit- <?page no="28"?> 22 ten, die darin bestehen, eigenes Verhalten unter die Lupe zu nehmen und negative Gewohnheiten zu erkennen und nach und nach in die gewünschte Richtung zu lenken. Der Austausch über diese kleinteiligen Veränderungen des eigenen Verhaltens ist ein wichtiger Beitrag, nicht nur zum ZZR-Management, sondern auch zur Entwicklung der Persönlichkeit. Die gelegentliche Frage von Teilnehmenden hingegen, ob das Chaos auf dem Schreibtisch, erblich bedingt ist, ist der Versuch eine Ausrede, eine Rechtfertigung für mangelhafte Terminplanung, einen überhäuften Schreibtisch oder andere ungünstige Gewohnheiten.“ FRAGE: „Stimmt es, dass das Genie das Chaos braucht, die Ordnung dem Mittelmäßigen anhängt? “ PRO-FIT-COACH: „Da Genies relativ selten sind, Chaos aber relativ häufig, haben wir hier schon wegen der Statistik gewisse Bedenken, was die Allgemeingültigkeit der Aussage betrifft. Das Thema Organisationstalent ist ein Thema der Selbststeuerung und wie die meisten Erfolge, es fällt uns nicht in den Schoß. Die Anwendung der sieben Prinzipien des ZZR-Managements hingegen hilft dabei, jeden Tag ein bisschen besser zu werden. Besser als die Diskussion, ob schlechte Gewohnheiten nun angeboren sind oder nicht, ist es, das eigene Verhalten auf den Prüfstand zu stellen, evtl. gemeinsam mit anderen, im Coaching oder in speziellen ZZR-Workshops zu reflektieren. Ziel dabei ist Chancen zu erkennen, eigene schädliche Gewohnheiten aufzuspüren und nach Wegen zu suchen wie der Arbeitstag besser und erfolgreicher gestaltet werden kann.“ FRAGE: „Welche negativen Gewohnheiten sind das zum Beispiel? “ PRO-FIT-COACH: „Das beginnt mit Kleinigkeiten, wie, während des Tages ständig die elektronische Mailbox aufzurufen, um nachzusehen, ob neue Nachrichten eingetroffen sind. Oder alle Aufgaben immer selbst zu erledigen, statt einige Aufgaben an einen oder mehrere Mitarbeitende zu delegieren.“ FRAGE: „Im Öffentlichen Dienst ist das ja nicht immer so einfach mit der Delegation. Es gilt viele Regeln und Vorschriften zu beachten.“ PRO-FIT-COACH: „Ja und gerade dann, wenn höherwertige Aufgaben auf Dauer delegiert werden. Hier ist hinsichtlich des Gestaltungsspielraumes und der Flexibilität noch vieles im Argen, da kann ich Ihnen nur zustimmen. Aber soll es deswegen besser sein, die Hände in den Schoß zu legen, abzuwarten und zu sagen: ‚Da kann man halt nichts machen? ‘“ <?page no="29"?> 23 1.1.6 Den bewussten Umgang mit Zeit, Ziel und Ressourcen fördern Ein praktischer Ansatz, den wir mit Teilnehmenden des Öffentlichen Dienstes häufig schon zu Beginn einer Maßnahme erproben, besteht zunächst darin, die Teilnehmenden zu einem bewussten Umgang mit der eigenen Zeit anzuleiten. Das erreichen wir häufig durch den Einsatz eines Selbstbeobachtungsprotokolls, das Teilnehmende über einige Tage hinweg führen und dabei registrieren, welche Tätigkeiten (z. B. „Berichterstellung“, „Projektleitersitzung“) sie im Tagesverlauf ausüben. Ihre Aufgabe ist es dann, während der Ausführung zu erfassen, wie viel Zeit für die Einzeltätigkeiten aufgewandt wird. Schon die Auswertung dieser einfachen Maßnahme bringt sehr häufig erstaunliche Resultate zu Tage. Wir werden später noch das Vorgehen anhand eines Beispiels beschreiben. Im Kern geht es bei dieser ersten Analyse darum, mit den Teilnehmenden zu reflektieren, was im Tagesverlauf tatsächlich passiert und wofür die Arbeitszeit verwendet wird. Wenn wir dies wissen, dann erfahren wir auch, ob der Zeitaufwand für die einzelnen Tätigkeiten gerechtfertigt ist, d. h., ob er in Einklang mit Prioritäten und Zielen steht. Sind mehrere Teilnehmende anwesend, ist der Austausch hierüber meistens sehr engagiert und jede/ r kann für sich schnell, neben einem persönlichen Abgleich, eine Standortbestimmung vornehmen, um danach gezielt Änderungen anzugehen. Besonders wichtig erscheint vielen der Abgleich zwischen dem beobachteten Tagesablauf und den definierten Prioritäten und Zielen. Sehr schnell stellen wir dann fest, dass die Mitarbeitenden des Öffentlichen Dienstes die „eigentlichen Ziele“, also die Aufgaben mit der höchsten Priorität, sehr weit im Tagesverlauf nach hinten schieben. Im Extremfällen hören wir Äußerungen wie: „Ich komme erst nach dem offiziellen Dienstschluss zu meinen eigenen Aufgaben, weil den ganzen Tag über das Telefon klingelt oder Mitarbeitende mit Fragen zu mir kommen. Während der normalen Arbeitszeit finde ich kaum einmal eine Stunde, um ungestört und konzentriert zu arbeiten.“ Wie aber ist es dann um die Qualität und den Erfolg einer Tätigkeit oder Aufgabe bestellt, wenn die wichtigen Dinge erst nach Dienstschluss erledigt werden? Fraglos kann darunter die Qualität der Arbeit leiden. Ein weiterer Aspekt erscheint jedoch noch weitaus zwingender. Weil der Arbeitstag so komplett fremdbestimmt ist, entwickeln Mitarbeitende in dieser Lage nicht selten das Gefühl des Gehetztseins und der Unzufriedenheit, weil sie ständig die unerledigte(n) Aufgabe(n) im Hinterkopf haben. Es liegt auf der Hand, dass diese Arbeitsweise motivational negative Konsequenzen haben kann, weil es ja tatsächlich nie einen zufrieden stellenden Tagesabschluss gibt, da ständig noch irgendetwas in der „Pipeline“ ist, das bislang noch nicht erledigt wurde. Auf Dauer sind bei dieser Konstellation negative Folgen für die Gesundheit der Mitarbeitenden durchaus möglich und werden mit zunehmender Länge dieses Zustands wahrscheinlich: Solche Arbeitsbedingungen sind der Nährboden für Burnout- Syndrom und psychosomatischen Erkrankungen. Wenn wir die exorbitanten statistischen Zuwächse der letzten Jahre für diese Erkrankungsarten heranziehen, <?page no="30"?> 24 so gibt es offenbar viele Beschäftigte im Öffentlichen Dienst, für die die beschriebene Arbeitsbedingung Normalität bedeutet. Die Erfahrung einer zunehmenden Zahl unserer Teilnehmenden deckt sich mit den hier beschriebenen Bedingungen. Wir haben in den letzten Jahren immer wieder mit Angehörigen des Öffentlichen Dienstes gesprochen, die ihren Arbeitsalltag ähnlich wie den hier geschilderten beschrieben. Hier ist dringend Handlungsbedarf gegeben und somit ist das ZZR-Management auch ein Instrumentarium, das den Dialog über den Bedarf anstiftet und die Ansätze für gezielte Verbesserungen ausdrücklich fördert. In vielen Fällen führt schon der erste Analyseschritt bei vielen Teilnehmenden zu Überlegungen, wie die Tageseinteilung und wie die Aktivitäten effizienter als bisher gestaltet werden können. Die Teilnehmenden beginnen sehr schnell, ihre Tagungsplanung effizienter an den Prioritäten und Zielen (‚first things first‘ - ‚die wichtigsten Dinge zuerst erledigen‘) auszurichten. Unserer Erfahrung nach richten sie schon bei diesem ersten Schritt die Formulierung ihrer Veränderungsziele nicht nur an der zeitlichen Perspektive aus, sondern beziehen auch Überlegungen zum Einsatz von Ressourcen und Zielen mit in die Überlegungen ein („Wann erledige ich Aufgaben, die besondere Konzentration erfordern im Tagesablauf am besten? “, „Wann ist meine Leistungskurve am höchsten, die Störungen am geringsten? “, „Welche Meilensteinkontrollen und Überprüfungszeitpunkte sind sinnvoll und sollten mit wem erörtert werden? “ usw.). Wenn sich der Blickwinkel bei den Teilnehmenden zu verändern beginnt, beginnen die Mitarbeitenden häufig auch ihr Arbeitsverhalten in ersten Ansätzen hin zu mehr planvollem und strukturiertem Verhalten, hin zum Besseren zu entwickeln. Wo vorher die Frage „Was ist denn von gestern noch an Arbeit liegen geblieben“ war, tritt nach der Phase der Selbstbeobachtung zunehmend die Frage, wie der Arbeitstag sinnvoll vorstrukturiert werden kann, wie einzelne Aufgaben sinnvoll zusammengefasst werden können, welche Aufgaben(-teile) an wen delegiert werden müssen usw. Wir haben bei der Analyse von Arbeitsabläufen dieser Art schon des Öfteren von Mitarbeitenden des Öffentlichen Dienstes das Argument gehört, dass man als Mitarbeitender doch sehr in fest gefügte Strukturen und Abläufe eingebunden und gewissen Zwängen unterworfen sei und das darunter die individuelle Arbeitsplanung und Tageseinteilung leide. Das stimmt! Und genau hier setzt der Veränderungsbedarf an: Es gilt verkrustete Strukturen aufzubrechen und ein möglichst flächendeckendes Bewusstsein für ein besseres ZZR-Management zu wecken. Alle Reformstrebungen und Bemühungen im Öffentlichen Dienst, wie die Einführung flexibler, leistungsbezogener Vergütungsbestandteile oder Zielvereinbarungs- und Beurteilungssysteme, welche die individuelle Förderung und Entwicklung der Mitarbeitenden zum Ziel haben, können nicht effizient umgesetzt werden, wenn Verbesserungsansätze für das individuelle ZZR- Management außer Acht gelassen werden. Und das deckt sich mit dem, was wir <?page no="31"?> 25 eingangs mit unserem Zahlenspiel zum Ausdruck gebracht haben: Wenn viele Beschäftigte im Öffentlichen Dienst (die Rede war von bis zu 80%) sich nicht in ausreichendem Maße mit ihrer Arbeit identifizieren, dann muss dies alarmieren. Die Veränderung der Arbeitsbedingungen ist dringend erforderlich. Die Parole: ‚Es muss gekürzt werden‘ ist auf Dauer schädlich, wenn sie die einzige Stellschraube für Veränderung bleibt. Eigeninitiative und Engagement der Mitarbeitenden im Öffentlichen Dienst gilt es ausdrücklich zu fördern. Handlungsspielräume für Ideen und mehr Flexibilität gilt es zu schaffen, statt durch noch mehr Verordnungen und Kürzungen immer stärke Belastungen auf immer weniger Schultern zu verteilen und dadurch den Druck weiter zu erhöhen. • TIPPS für Leser mit „Appetit auf Mehr“ • Spork, P.: Das Uhrwerk der Natur: Chronobiologie - Leben mit der Zeit. Rowohlt, 2004 • als Digitalbuch erhältlich (Kindle) • Bücher, die das Thema Leistungsbzw. Biorhythmik für den beruflichen Sektor kompetent behandeln, sind schwer zu finden. Für Leser/ innen, die sich für den Einfluss der Zeit auf den Organismus, das Uhrwerk der Natur interessieren, stellt die Chronobiologie eine geeignete Alternative dar. Die Forschung der letzten Jahre auf diesem Gebiet hat interessante Erkenntnisse zum Vorschein gebracht, die in diesem Buch in praktischen Empfehlungen für den Alltag, in einen kompakten „Ratgeber“ (neben einer Reihe von biologischen Fakten zu Mensch und Tier) zusammengefasst sind. Die Ratschläge sind praktisch umsetzbar (Beispiel: Der Umgang mit dem Jetlag) und die Erklärungen und Hinweise lassen den Leser/ innen viele Alltagsphänomene besser verstehen. Nach der Lektüre des Buches weiß der Leser mehr darüber, „wie der Mensch tickt“. 1.2 Analyse und Controlling des eigenen Arbeitsverhaltens - Die 7 Prinzipien des ZZR-Managements Wie bereits im vorangehenden Abschnitt festgestellt, kann Zeit nicht tatsächlich eingespart werden. Vielmehr sind es einige wenige Prinzipien, die es zu kennen und zu beachten gilt, wenn das eigene Arbeitsverhalten optimiert werden soll. Für Praktiker/ innen und Anwender/ innen im Öffentlichen Dienst ist es wichtig zu akzeptieren, dass auch bereits kleine Veränderungsschritte, wichtige Schritte hin zu einer Verbesserung des persönlichen ZZR-Managements sein können. <?page no="32"?> 26 Daher achten wir bei der Vermittlung unserer Prinzipien des ZZR-Managements darauf, diese Veränderungen zu initiieren und legen den Focus auf die praktische Umsetzung der Prinzipien in die Praxis. Die Analyse und das Controlling des eigenen Arbeitsverhaltens anhand einiger weniger Prinzipien gestatten schon in kürzester Zeit, kleine Verbesserungen im eigenen Arbeitsverhalten vorzunehmen, sodass die Veränderungen auch realistisch und vor allem zielführend sind. Nach unserer langjährigen Erfahrung in der Anwendung und praktischen Umsetzung von Zeitmanagementregeln und systemen haben wir die Fülle der Empfehlungen auf einige, wenige praktische Regeln und Prinzipien reduziert. Selbstverständlich dürfen „unsere“ Prinzipien jederzeit von den Anwendenden erweitert und ergänzt werden, jedoch begrenzen wir uns zunächst ganz bewusst auf eine kleine Auswahl, damit der Arbeitsalltag trotz oder gerade wegen der Verbesserungsmaßnahmen überschaubar bleibt. Analyse und Controlling des eigenen Arbeitsverhaltens soll einfach sein und die Teilnehmenden sollen möglichst einfache Verbesserungsmaßnahmen in ihrem Arbeitsalltag selbst initiieren können. In diesem Zusammenhang äußerte ein Teilnehmer, er habe schon früher einmal ein Zeitmanagement-Seminar besucht, sei von den Empfehlungen dort angetan gewesen und danach habe er tatsächlich versucht, seinen Arbeitsplatz umzukrempeln. Von diesem Versuch nahm er jedoch nach einigen Wochen wieder Abstand, weil er feststellte, dass das Zeitmanagementsystem durch Formalitäten überfrachtet gewesen sei und ihn schlicht und einfach überforderte. Von den „Neuerungen“ seien auch die Kollegen und Kolleginnen in der Abteilung negativ betroffen gewesen. Seitdem seufzen sie gequält, wenn der Teilnehmer von einem Zeitmanagement-Seminar zurückkehrt und einige von ihnen sollen hinter vorgehaltener Hand geäußert haben, dass man nur zwei Wochen bis nach dem Seminar warten müsse, der Kollege reagiere nach diesem zeitlichen Abstand vom Seminar wieder völlig normal und kehre zu seinen alten Gewohnheiten zurück. Solche Nebenwirkungen und Effekte streben wir bei der Vermittlung des ZZR-Managements nicht an. Die Schilderung solcher Episoden nehmen wir denn auch als indirekte Bestätigung für unsere Auffassung, dass es für ein effektives ZZR-Management ausreicht, wenn wir uns auf die Vermittlung einiger, weniger Prinzipien begrenzen. Hinzu kommt: Nicht wir sind die Experten für das Zeitmanagement der Teilnehmenden, sondern die Teilnehmenden werden zu Zeit-, Ziel- und Ressourcenmanager/ innen in eigener Sache! Wir konzentrieren uns bei der jetzt folgenden Darstellung auf die 7 Prinzipien des ZZR-Managements und schildern die Methoden, die wir zur Analyse und zum Controlling anwenden und berichten anhand von Praxisbeispielen unserer Seminarteilnehmer/ innen von unseren Erfahrungen damit. <?page no="33"?> 27 1.2.1 Die 7 Prinzipien im Überblick Bevor die ausführliche Darstellung der sieben Prinzipien des ZZR-Managements erfolgt, hier zunächst der Überblick: Prinzip 1: Ziele setzen und verfolgen Prinzip 2: Sinnvoll planen und Prioritäten setzen Prinzip 3: Gleichartige Handlungen und Abläufe zusammenfassen („Serien bilden“) Prinzip 4: Das Schriftlichkeitsprinzip Prinzip 5: Störungen erkennen und abbauen Prinzip 6: Terminieren - Erledigungstermine setzen und beachten Prinzip 7: Die Regeln der Delegation Die nachfolgende Abbildung zeigt die sieben Prinzipien im Überblick. Ziele Serien bilden Schriftlichkeit Störungen abbauen Terminieren Delegation Planen/ Prioritäten setzen Abb. 1.2: Die 7 Prinzipien des ZZR-Managements <?page no="34"?> 28 1.2.2 Prinzip 1: Ziele setzen und verfolgen Das Setzen von Zielen, wie auch die daraus resultierende Zielverfolgung, bilden den Ausgangspunkt unserer sieben Prinzipien. Nicht erst seit der (Wieder-) Entdeckung der Zielvereinbarung im Öffentlichen Dienst gilt: Die Ausrichtung des eigenen Handelns an Zielen gibt dem eigenen Handeln eine Richtung, die nicht nur die tagtägliche Planung vereinfacht. Es klingt wie schwerer Tobak, aber die Physiologie unseres Gehirns braucht das Ziel als Orientierungsmarke um gerichtete Aktivität zu entfalten. Das Setzen von Zielen setzt einen Orientierungs- und Energiebereitstellungsprozess im gesamten Organismus in Gang, der, wenn er allein noch kein Garant für den Erfolg darstellt, doch dem eigenen Handeln eine Richtung gibt. Es ist vielfach wissenschaftlich untersucht: Seine Ziele zu kennen, den Weg dorthin gedanklich zu visualisieren, veranlasst den Körper zur Freisetzung von Energien, die zur Erreichung des Zieles notwendig sind. Während Mitarbeitende ihre Wahrnehmung auf die relevanten Aspekte des Zieles fokussiert, macht sich der Organismus bereits auf den Weg dieses Ziel anzugehen. Im Sport leuchtet uns das ein, warum soll es nicht auch bei der täglichen Arbeit von Nutzen sein? Jeder, der einmal ein Motorrad zu fahren gelernt hat, weiß: Solange, die Augen das Ziel verfolgen steuert der Körper den Boliden sicher durch die Kurven. Sobald aber das Ziel aus den Augen verloren geht, der Blick sogar in die Leitplanken oder den Gegenverkehr abgelenkt wird, wird das Ziel aus den Augen verloren. Dies kann auch für Motorradfahrer/ innen fatale Folgen haben. FRAGE: „Aber wir kennen doch unsere Ziele, die bekommen wir doch vorgegeben. Warum sollen wir das Prinzip ‚Ziele setzen und verfolgen‘ bei unserer täglichen Arbeit besonders beachten? “ PRO-FIT-COACH: „Das Instrumentarium der Zielvereinbarung wird in der Praxis oftmals zu stark formalisiert. Eine Zielvereinbarung zu treffen ist dem Grundgedanken nach ein aktiver Vorgang, der durch das Gespräch zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten laufend aktualisiert wird. Stichworte wie Zielkaskadierung und Meilensteinkontrolle beinhalten aktives Verhalten und den fortlaufenden Dialog über den Zielfortschritt und den Weg, der zum Ziel führt. Das Zielvorgabegespräch, was vielerorts statt der Zielvereinbarung praktiziert wird, hat eine andere Qualität. Letztlich sind die Mitarbeitenden in der passiven Rolle des Empfängers von Zielen, der die Vorgaben entgegennimmt. Echte Zielvereinbarungen hingegen, haben die Funktion, die Eigeninitiative und das Engagement der Mitarbeitenden zu fördern.“ <?page no="35"?> 29 FRAGE: „Ich kenne meine Ziele, die stehen doch in meiner Zielvereinbarung und hierüber spreche ich mit meinem Chef 1-2 Mal im Jahr.“ PRO-FIT-COACH: „Formale Zielvereinbarungen sind eine Sache. Eine andere ist es, das eigene Handeln täglich neu zu überdenken, selbst gesteuert zu sein, sein Verhalten an einem oder einigen wenigen Ziel(en) auszurichten und den Weg zum Ziel laufend zu überprüfen. Es geht hier in erster Linie nicht um die formalen Zielvereinbarungen, sondern um die Optimierung des eigenen ZZR- Managements und somit darum, eine Voraussetzung für effektives Selbstmanagement zu schaffen. Das Denken in Zielen fördert die Bewusstheit für das eigene Handeln und das Prinzip Ziele setzen und verfolgen ist damit ein wichtiger Baustein dazu.“ FRAGE: „Wie unterscheide ich denn zwischen Zielen und Aufgaben? Ich tue mich schwer damit beides voneinander zu unterscheiden? “ PRO-FIT-COACH: „Aufgaben und Tätigkeiten sind noch nicht automatisch mit Zielen gleich zu setzen. Gerade bei einer Vielzahl von Tätigkeiten und Aufgaben wie wir sie zum Beispiel in Verwaltungsberufen vorfinden, verlieren wir leicht den Zusammenhang zwischen der einzelnen Aufgabe und dem übergeordneten Ziel.“ FRAGE: „Ich habe einen Aktenstapel auf dem Schreibtisch liegen, den ich abarbeiten muss, was nutzt mir da das Prinzip ‚Ziele setzen und verfolgen‘? “ PRO-FIT-COACH: „Das Bearbeiten der Akten im Hinblick auf bestimmte Kriterien oder Beurteilungsmerkmale zur Entscheidungsvorbreitung gehört zum Aufgabengebiet von Sachbearbeiter/ innen. Eine Zielsetzung in diesem Zusammenhang könnte in der Erstellung einer bestimmten Bearbeitungssystematik für einzelne Fallgruppen bestehen. Durch das Erstellen von Checklisten für die einzelnen Bearbeitungsschritte erleichtern sie sich so die Arbeit für die Zukunft. Das nutzt nicht nur Ihnen, sondern auch den Kollegen und Kolleginnen, z. B. bei einer Einarbeitung oder im Vertretungsfall wegen Krankheit oder Urlaub. Die Verbesserung der Bearbeitungssystematik (als Zielsetzung) erlaubt zudem auch den zielgerichteten Austausch mit Vorgesetzten oder Teamkollegen und Teamkolleginnen. Es heißt dann nicht mehr: ‚Ich habe die Aufgabe erledigt, sondern, ich gehe bei der Bearbeitung der Fallgruppe B folgendermaßen vor, wie machen Sie das…? ‘ Wenn die Ziele stärker im Mittelpunkt stehen, dann rücken auch die Wege zum Ziel stärker in den Vordergrund der Diskussion. Der vermehrte Dialog über Ziele unter den Kollegen des Teams statt über Aufgaben verändert daher die Qualität des Austausches. Während der aufgabenbezogene Dialog stärker auf das was erledigt wurde konzentriert ist, wird der Fokus im zielbezogenen Dialog stärker auf Fragen die das wie betreffen gelenkt: Wie ge- <?page no="36"?> 30 lange ich zum Ziel, wie kann ich den Weg dorthin effektiver und ökonomischer gestalten. Der Austausch über Ziele bereichert daher den Informationsaustausch, den die Kollegen und Kolleginnen im Team führen. Somit ist das ‚Ziele setzen und verfolgen‘ ein dynamischer Vorgang, ein Prozess. Was für Arbeitsziele gilt, kann grundsätzlich auch auf andere Zielbereiche, etwa Entwicklungs-, Karriere oder persönliche Ziele übertragen werden. Sie können z. B. die einzelnen Schritte für einen (verkürzten) Bewährungsaufstieg als Bestandteile ihres Zieles formulieren und Fakten zusammentragen, die Ihnen als Argumentationshilfe beim nächsten Personalentwicklungsgespräch hilfreich sein können. Zu beachten ist, dass das Prinzip ‚Ziele setzen und verfolgen‘ aktives Handeln erfordert und allseitige Kommunikation mit denen, die zur Zielerreichung direkt oder indirekt beitragen. Chef und Teamkollegen und Teamkolleginnen müssen über die angestrebten Ziele Bescheid wissen. Sie müssen zur Unterstützung gewonnen und durch geeignete Argumente überzeugt werden. Eine Differenzierung von Zielen, die für den beruflichen Bereich relevant sind, haben wir in Tabelle 1.3 zusammengefasst. Zielarten Qualität Quantität Arbeitsziele Inhaltlich entsprechen diese den Zielen der Stellen- oder Tätigkeitsbeschreibung Anzahl und Dauer der Arbeitszeit, Umfang der Aufgaben Leistungsziele Selbständige Durchführung der Aufgabe x nach der Einarbeitung am 30.06.19 Definition der zu erbringenden Fallzahlen, der dafür zur Verfügung stehende zeitliche Rahmen, der prozentuale Anteil des Leistungsziels in Relation zu weiteren Zielen od. gemessen an der Gesamtdauer der Arbeitszeit Entwicklungsziele Ziele, die in Zusammenhang mit der beruflichen Leistung stehen, jedoch keine eindeutigen Leistungsziele darstellen; Erwerb von sog. Soft- Skills Selbstvs. Fremdbild- Abgleich: Verbesserte Teamfähigkeit um x% Tab. 1.3: Zielarten <?page no="37"?> 31 Die wirksame Anwendung des ersten Prinzips unseres ZZR-Managements setzt zudem voraus, dass Ziele stets einen individuellen Bezug haben, d. h., die Zielerreichung muss mit einem persönlichen Vorteil, z. B. der Verbesserung einer Arbeitsbedingung verbunden sein. Ziele nur um der Ziele Willen zu formulieren bringt wenig. Im Gegenteil: Bei Zielen, die keinen persönlichen Bezugsrahmen aufweisen, schwindet die Motivation zur Zielverfolgung leicht. Gerade für das Tagesgeschäft ist es aber wichtig, dass sich durch das Ziel etwas zum Positiven verändert. Ein Ziel muss für denjenigen, der die Ziele umsetzt, praktische Konsequenzen haben und Vorteile bringen. Zumindest sollten keine Nachteile mit der Zielverfolgung verbunden sein. Das ist schon bei der Zielformulierung zu berücksichtigen.“ FRAGE: „Worin könnte beispielsweise der Vorteil (oder die Abwendung eines Nachteils) bestehen? “ PRO-FIT-COACH: „Zum Beispiel möchte ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin erreichen, dass er/ sie weniger häufig bei seiner Arbeit unterbrochen wird.“ FRAGE: „… und der schaltet dann das Telefon ab? ! “ PRO-FIT-COACH: „Na ja, das ist eine Möglichkeit, die aber entscheidende Nachteile haben kann. Wenn Anrufe von Rat suchenden Bürger/ innen eingehen, die dann keinen Ansprechpartner erreichen, ist diese Maßnahme von zweifelhaftem Nutzen und bestenfalls in Ausnahmen zu akzeptieren. Ziele müssen realistisch sein und dazu gehört u. a. auch, dass sie wiederum mit anderen Zielen, wie z. B. mit dem Ziel der Erreichbarkeit für Rat suchende Bürger/ innen, vereinbar sind. Das Ziel ‚ungestört arbeiten zu wollen‘ steht in diesem Fall mit dem Ziel ‚Erreichbarkeit für Bürger/ innen“ in Konflikt. Wenn beide Ziele so bestehen bleiben, dann wird das in der Praxis zu Schwierigkeiten führen. Ziele, die nicht miteinander vereinbar sind, führen zu Zielkonflikten. Daher sind die Kommunikation der Ziele und die Prüfung auf Vereinbarkeit mit anderen bestehenden Zielen für die Praxis von besonderer Relevanz. Im obigen Beispiel kommt es darauf an, neben der Erreichbarkeit für Bürger/ innen, auch störungsfreie Zeiten für Sachbearbeitende zu schaffen, in denen sie die Vorgänge auf dem Schreibtisch zumindest für einen bestimmten Zeitraum störungsfrei bearbeiten können. Begrenzte Zeiten einzurichten, in denen Sachbearbeitende ohne Störung von Außen konzentriert an der Bearbeitung bleiben können sind von Vorteil, gleichzeitig wird die Erreichbarkeit durch Rat suchende Bürger/ innen dadurch kaum eingeschränkt, dass heißt das neue Ziel (Störungsfreie Zeitzonen zu schaffen) ist mit den bestehenden Zielen kompatibel. Sind diese Voraussetzungen geschaffen, beginnt der Realitätstest. In einem begrenzten Zeitraum kann die Passung des neuen Zieles überprüft werden. Ein realistisches Ziel sollte sich während dieser Testphase bewähren. Das wiederum ist motivational und <?page no="38"?> 32 organisatorisch bedeutsam. Wenn Ziele häufig abgeändert werden müssen, weil sie einerseits nicht kompatibel mit anderen Zielen sind, und/ oder andererseits nicht in bestehende Abläufe eingefügt werden können und daher auch nicht zu substanziellen Verbesserungen führen, dann sind Ziele eine Last, schließlich nur Makulatur. Daher ist die genaue Analyse der Gegebenheiten und Umstände der Situation für die Zielformulierung von Bedeutung. Die Zielformulierung muss direkt auf die Umstände der Situation abgestimmt sein. Andernfalls sind die Ziele für die Praxis nicht relevant. Ziele ohne Relevanz und Bezug zur Tätigkeit des/ der Mitarbeitenden werden in der Praxis kaum beachtet werden, sie werden unter den Tisch fallen. Im vorliegenden Praxisfall, wo es sich um eine vermeintliche Störung handelt, gilt es zunächst zu untersuchen, worin die Ursache der Störung liegt. Ist die Ursache ermittelt, können ein oder mehrere Ziele formuliert werden, die die Störung aufheben. Dieser Fall kommt in der Praxis häufig vor: Wir haben ein Problem, dann gilt es zunächst die Ursachen oder Gründe für eine gegebene Ausgangslage zu ermitteln, dann kann ein Ziel formuliert werden. Wir werden über die Methoden zur Analyse von Ursachen im Abschnitt 1.2.6, in dem das Prinzip 5 ‚Störungen erkennen und abbauen‘ behandelt wird, noch genauer eingehen. Von der Problem- oder Störungsanalyse zur Zielformulierung zu gelangen ist nicht immer ganz einfach, weil mehrere Schritte abzuarbeiten sind, um dorthin zu gelangen. Beispielsweise ist zu untersuchen, ob die Störung darin besteht, dass häufig externe Besucher/ innen unangemeldet ins Büro kommen oder handelt es sich um Kollegen und Kolleginnen, die zwischendurch nur mal so eben auf einen Schwatz vorbeischauen möchten. Oder sind es andere temporäre Faktoren (Baulärm), die zur Störung des Betriebsablaufes führen. Neben externen Faktoren spielen interne Faktoren eine Rolle. Hierzu zählen persönliche Haltungen, die zur Ausbildung bestimmter Gewohnheiten führen; wie zum Beispiel dazu, dass wichtige Aufgaben immer wieder aufgeschoben werden oder Störungen als willkommene Ablenkung ‚billigend‘ in Kauf genommen werden.“ FRAGE: „Um also von der Störung zur Zielsetzung zu gelangen, muss mit der Analyse der Ursachen bzw. der Untersuchung der Ausgangslage begonnen werden. Und der erste Schritt besteht darin zu untersuchen, was in der Situation tatsächlich passiert? “ PRO-FIT-COACH: „Das ist oft hilfreich. Die Analyse der Ausgangslage (Ist- Situation) steht häufig am Anfang. Wenn Jemand nicht weiß wo er steht, bringt es ihm wenig, wenn er sich Ziele setzt.“ <?page no="39"?> 33 FRAGE: „Mir ist der Zusammenhang zwischen Ziel und Motivation noch nicht ganz klar.“ PRO-FIT-COACH: „Wenn ein Ziel es erfordert, dass jemand sein Verhalten ändert, z. B. statt morgens die Zeitung zu lesen lieber 30 Minuten joggen zu gehen, dann kommt es darauf an, die Motivation, die mit der beabsichtigten Verhaltensänderung verbunden ist, zu überprüfen. Ein Motivations-Check ist also durchzuführen. Die Frage ist zu stellen: ‚Was wird sich für mich positiv verändern, wenn ich dieses Ziel, die Verhaltensänderung, erreiche und was verspreche ich mir persönlich davon? ‘ Lautet die Antwort: ‚Nichts‘, dann wird das Ziel auf Dauer keinen Bestand haben, das Ziel hat keine Chance dauerhaft realisiert zu werden. Es sollte gute Gründe für eine Verhaltensänderung geben: Ein besserer Start in den Tag durch körperliche Bewegung, Spaß an der körperlichen Bewegung als Ausgleich zum häufigen Sitzen während des Tages, eine gesündere Körperhaltung, Verbesserung der Fitness. Das Bewusstmachen der Vorzüge, die aus dem Ziel resultieren, tragen entscheidend zur Selbststeuerung entscheidend bei. Einfache Vorsätze (‚man könnte ja mal dieses oder jenes ändern‘) scheitern, weil nicht klar ist, warum eine bestimmte Handlung ausgeführt werden soll, warum sie zweckmäßig ist und welche Vorteile sie bringt. Wenn die Motivation unklar ist, dann wird im Zweifel die alte Gewohnheit stärker sein und das beabsichtigte neue Verhalten hat keine Chance in den Tagesablauf eingewoben zu werden. Das Vorhaben wird aufgegeben, auch wenn damit noch so gute Absichten verbunden waren. Letztlich hat ja auch das ‚alte‘ Verhalten Vorteile, die im Falle des Zeitunglesens am Morgen darin bestehen, dass der Start in den Tag langsam und gemäßigt erfolgt, dass es bequemer ist im Sessel zu sitzen, statt durch den Wald zu joggen, dass man informiert ist und beim Gespräch mit den Kollegen über das aktuelle Tagesgeschehen mitreden kann usw. Auf unser Beispiel aus dem Arbeitsalltag übertragen bedeutet das: Wenn jemand durch kurze Anrufe von Kolleginnen oder Kollegen in seiner Arbeit unterbrochen wird, dann ist der Vorteil der kurzen Unterbrechung die darin enthaltene Erholungspause. Sie kann ja sogar die Konzentration kurzfristig wieder erhöhen. Nehmen die Unterbrechungen durch die Anrufe aber zu, dann wird es immer schwieriger, die Konzentration für die zu erledigende Aufgabe wieder aufzunehmen. Die häufigen Unterbrechungen führen dann zum Gegenteil, nämlich dazu, dass die Konzentration abnimmt und die Fehlergefahr ansteigt. Nach einer Weile merken die Mitarbeitenden schließlich, dass sie durch die Anrufe ihrer Kollegen und Kolleginnen immer häufiger von ihrer ‚eigentlichen‘ Tätigkeit abgehalten werden. Inzwischen haben sich aber die Kollegen und Kolleginnen ihrerseits an den kleinen Schwatz zwischendurch gewöhnt. Es braucht daher sicher mehrere Anläufe, wenn das alte Muster verändert werden soll. Zentral ist hierbei die Frage: Was will ich für mich, den Schwatz zwischendurch oder sechzig Minuten für eine konzentrierte Arbeitseinheit? Der springende Punkt ist also die die Frage <?page no="40"?> 34 nach der persönlichen Relevanz: Was will ich erreichen? Was bringt mich heute meinem Ziel einen Schritt näher? Mit der Beantwortung der Frage nach dem Ziel wird eine Entscheidung abverlangt, die Klarheit bezüglich der Richtung, die jetzt angesteuert wird, verlangt. Der Kurs wird bestimmt. Seinem eigenen Handeln eine Richtung zu geben, sich selbst eine Marschroute zu geben, das erhöht die Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung signifikant. Daher ist das Prinzip ‚Ziele setzen und verfolgen‘ in seiner ganzen Dynamik ein wichtiger Schritt in Richtung aktiver Selbststeuerung und eine Grundlage für erfolgreiches Selbstmanagement. Wir haben oft erlebt, dass Teilnehmer Ziele vom Problem her formulieren. Sie treffen dann Aussagen wie: ‚Ich will versuchen nicht mehr soviel Zeit für unwichtige Dinge zu verplempern‘, oder: ‚Ich will nicht mehr so unkonzentriert arbeiten‘. Ziele in dieser Weise zu formulieren, bringt erfahrungsgemäß selten den gewünschten Erfolg. Etwas nicht mehr tun zu wollen, bedeutet nicht automatisch, dass man schon ein Ziel hat. Ein gut formuliertes Ziel muss bestimmten Anforderungen genügen, damit die Zielerreichung klar und das Erreichen des Zieles wahrscheinlich wird. Als Merkhilfe für das richtige Formulieren von Zielen hat sich die S.M.A.R.T.- Formel bewährt. Die S.M.A.R.T.-Formel S.M.A.R.T steht für: • Spezifisch: Ziele sollen klar und eindeutig formuliert werden. Beispiel: Die Verbesserung der Zusammenarbeit durch die Anwendung unser Kommunikationsregeln, die wir im letzten Jahr gemeinsam verabschiedet haben. • Messbar: Ziele sollen nicht nur qualitativ formuliert werden, sondern die Qualität soll auch numerisch erfassbar, quantifizierbar definiert sein. Beispiel: Die neuen Vorgaben werden bis zum 01.08.20 zu 90% erreicht. • Attraktiv: „A“ steht für: Ziele sollen attraktiv, aktionsorientiert, anreizbetont und darüber hinaus so formuliert werden, dass die möglichen Auswirkungen und Konsequenzen einer Zielformulierung auf andere (Lebens-)bereiche beachtet werden. Das Ziel „beruflicher Erfolg“ wird entsprechenden Einsatz und Anstrengung erfordern. Die Auswirkungen auf andere Lebensbereiche, wie Familie, Partnerschaft, Gesundheit und Freizeitgestaltung müssen daher bei der Zielplanung gegeneinander abgewogen werden. • Realistisch: Ziele sollen realistisch formuliert sein. Damit ist folgendes gemeint: Ein Ziel ist keine Sozialutopie, sondern eine Vorwegnahme eines zeitnahen Ereignisses, dass die Person, die das Ziel setzt, aus eigener Kraft und Anstrengung erreichen kann. Ein Ziel, dessen Umsetzung fast aus- <?page no="41"?> 35 schließlich von anderen Personen oder äußeren Umständen abhängig ist, ist nur durch Glück/ Zufall erreichbar (Beispiel für ein unrealistisches Ziel: Lottohauptgewinn; Beispiel für ein realistisches Ziel: Gespräch mit dem direkten Vorgesetzten über eine Verkürzung des Bewährungsaufstiegs am 3. Januar 2020 führen). • Terminiert: Ziele müssen auch hinsichtlich der zeitlichen Befristung (Terminierung) klar formuliert sein. Irgendwann etwas tun zu wollen ist eine ungenaue Terminierung. Hingegen, heute die letzten 10 Minuten vor Dienstschluss darauf zu verwenden den Schreibtisch aufzuräumen, passt schon besser ins Bild. Die Erfahrung zeigt, dass Zielformulierungen, die nach diesen smarten Kriterien ausgerichtet sind, greifbarer, klarer und nachvollziehbar sind und schon allein deshalb besser umgesetzt werden können. Ein Teilnehmer formulierte das Ziel: ‚Die Renaturierung des Flussabschnitts soll nach ökologischen Prinzipien möglichst ökonomisch durchgeführt werden‘. In der Tat kann gesagt werden, dass es sich hier um die Formulierung eines Grob- oder Leitziels handelt, daher also um eine eher allgemeine Zielformulierung. Mithilfe der S.M.A.R.T.-Formel ist es möglich, dass die Zielsetzung Schritt für Schritt präzisiert wird. Die folgenden Fragestellungen muss der Teilnehmer daher Schritt für Schritt beantworten, um sein Ziel zu präzisieren: Um welchen Bachabschnitt handelt es sich hierbei? Welche ökologischen Prinzipien sollen bei der Bachsanierung erstrangig berücksichtigt werden? Welche Prinzipien sind hingegen eher nachrangig, worin besteht der Vorteil der zu bevorzugenden Prinzipien? Und was genau ist unter ‚ökonomischen‘ Gesichtspunkten zu verstehen ist? Sind damit z. B. die reinen Herstellungskosten gemeint, oder sollen auch die Kosten der mittel- oder langfristigen Instandhaltung, die ‚Betriebskosten‘, berücksichtigt werden. Wie ist darüber hinaus der Aspekt der Nachhaltigkeit zu behandeln? Steht hierbei die Ökonomie oder die Ökologie im Vordergrund oder soll eine Kombination beider Parameter hergestellt werden, wobei ein Break-Even (Gewinnschwellenwert) als eine Kompromissformel aus dem Algorithmus beider Messgrößen ermittelt wird? “ FRAGE: „Also ist schon das Formulieren von Zielen gar nicht so leicht, wie schwierig ist dann erst die Umsetzung des Prinzips ‚Ziele setzen und verfolgen‘ in der Praxis? “ PRO-FIT-COACH: „Nur Ziele zu formulieren ist jedenfalls einfacher als kontinuierlich auf ein Ziel hinzuarbeiten. Es ist daher vorteilhaft von vorneherein zu akzeptieren, dass das Prinzip ‚Ziele setzen und verfolgen‘ ein kontinuierlicher Prozess ist und kein einmaliger Vorgang. Daher ist auch die Planung auf die Zielformulierung abzustimmen. Auf diesen Aspekt werden wir im nächsten Abschnitt, bei der Erörterung des Prinzips ‚Sinnvoll Planen und Prioritäten setzen‘ noch näher eingehen. Für die Planung und das Controlling persönlicher und be- <?page no="42"?> 36 ruflicher Ziele bieten wir hier eine Übersicht an, die einerseits als Leitfaden für Gespräche (wenn es sich um das Erarbeiten gemeinsamer Ziele im Gespräch handelt), als auch als persönliche Checkliste für die Entwicklung und Überprüfung eigener Ziele, also als Meilensteinkontrolle, benutzt werden kann.“ Z.I.E.L.E.: Die Checkliste für Zielvereinbarungsgespräche und als persönliche Meilensteinkontrolle 1. Zielvereinbarung: Was wollen Sie erreichen - Welche Fern-Ziele, Nah-Ziele, Jetzt- Ziele streben Sie an? • Was ist das Ziel unseres Gesprächs? • Was wollen Sie als Fern-Ziel erreichen? • Was soll als Nah-Ziel, was als Jetzt-Ziel erreicht werden? • Wie steht das Nah-Ziel zum Fern-Ziel (funktional)? • Wann wollen Sie es erreicht haben? • Ist es positiv, attraktiv, anreizbetont, erreichbar, messbar? 2. Information: Wo stehen Sie jetzt - Was ist Ihre Situation? • Was passiert jetzt (was, wann, wo, wie viel …)? • Wer ist davon betroffen? Wer ist einzubeziehen? • Was haben Sie bisher dafür getan? • Was ist dabei herausgekommen? • Was hindert Sie daran, vorwärts zu kommen? 3. Einfälle für Maßnahmen: Was könnten Sie alles tun - jede Idee zählt! • Welche Möglichkeiten haben Sie? • Was könnten Sie sonst noch tun? • Was wäre, wenn …? • Wünschen Sie sich noch einen anderen Vorschlag? • Was sind die Kosten und was ist der Nutzen jeder einzelnen Möglichkeit? 4. Loslegen nach Plan: Was werden Sie tun - jetzt legen Sie sich bitte fest! • Was werden Sie konkret tun? • Wann werden Sie es tun? • Werden Sie damit Ihr Ziel erreichen? • Welche Hindernisse könnten auftreten? • Wie sind sie zu überwinden? • Wer muss informiert werden? • Welche Hilfen benötigen Sie? <?page no="43"?> 37 • Wie werden Sie diese Hilfen bekommen? • Bewerten Sie auf einer Skala von 1 bis 10, wie wahrscheinlich es ist, dass Sie diese Handlung auch ausführen werden. 5. Ergebnisse festhalten: Was soll verbindlich festgelegt werden - wie verbleiben wir? • Welche Schritte der Zielerreichung können Sie selbst kontrollieren? • Wie sehen die Maßnahmen dafür aus? • Zu welchen Abschnitten brauchen Sie Feedback zur Kontrolle? Von wem? • Wann sollen die Kontrollen stattfinden? • In welcher Form soll es erfolgen? • Wann soll es durchgeführt werden? 1.2.3 Prinzip 2: Sinnvoll planen und Prioritäten setzen Sinnvoll planen und Prioritäten setzen, was hat das mit ZZR-Management zu tun? Ein australisches Sprichwort besagt: „Wer im Rachen des Alligators steckt, braucht nicht mehr darüber nachzudenken, dass er den Sumpf trockenlegen wollte.“ Planung ist demnach ein Vorgang der zeitlich vor einem relevanten Ereignis stattfindet und darauf abzielt, mehrere Varianten von potenziellen Ereignissen oder Ausgängen (z. B. Reaktionen von Gesprächspartner/ innen in Verhandlungen, Entwicklung von Wirtschafts- oder Sozialdaten oder andere künftige Ereignisse) vorwegzunehmen. Das Setzen von Prioritäten wiederum ist die direkte Folge der Planung, weil der Plan ja eine Voraussage über den Ausgang eines bestimmten Ereignisses trifft. Die Prioritätensetzung legt demzufolge fest, dass eine Handlung oder Tätigkeit bedeutsamer für die Erreichung eines Zieles ist als eine andere Handlung oder Tätigkeit. Soweit die Theorie. Was macht dieses zweite Prinzip so bedeutungsvoll für die Praxis, sodass auch die Mitarbeitenden im Öffentlichen Dienst davon profitieren? 1.2.3.1 Prinzip 2a: Sinnvoll planen Planen bedeutet für viele Menschen den Zufall durch den Irrtum zu ersetzen. Jenseits von Spruchweisheit ist Planung eine außerordentlich wichtige Komponente jedes ZZR-Managements, da viele Abläufe auch im Öffentlichen Dienst vom „Timing“ und der Abstimmung zwischen den Bereichen abhängen. Für die persönliche Tagesstrukturierung ist Planung darüber hinaus von Bedeutung, weil durch eine effiziente Planung die Prioritäten und Ziele deutlich werden. <?page no="44"?> 38 Eine Auswahl von Fragen, die bei der Planung sinnvoll sein können: • „Welche Informationen brauche ich im Vorfeld, was muss abklärt werden bevor mit der Arbeit begonnen wird? “ • „Welche Schritte folgen aufeinander, wie lange dauern die einzelnen Schritte, was ist vom Übergang von einem auf den nächsten Schritt zu beachten? “ • „Was wird an Material oder Manpower benötigt und welche Kapazitäten stehen aktuell tatsächlich zur Verfügung? “ • „Welche Aufgabe, welche Tätigkeit bringt mich meinem Ziel näher? “ • „Welche Aufgaben beinhalten den größten Gewinn? “ • „In welcher Abfolge sind die Aufgaben zeitlich am besten zu lösen? “ • „Wie viel Zeit steht für die Gesamtaufgabe zur Verfügung? “ • „Welche Fristen, Meilensteine sind zu beachten, bis zu welchen (Zwischen-)Terminen müssen welche (Zwischen-)Ergebnisse abgeliefert werden? “ • „Welche Normen, Regelungen, Gesetzesvorschriften sind zu beachten? “ Bei jeder sinnvollen Planung sind individuelle Kriterien und dementsprechend individuelle Fragestellungen zu entwickeln und zu überprüfen. Daher ist jede (Projekt-)Gruppe, jedes Team gut beraten, entsprechende Fragen im Vorfeld der Planung zu entwickeln und Fakten zu sammeln, die helfen, die Lage einzuschätzen. Im Unterschied dazu ist die Haltung „im Zweifel zu galoppieren“ eine denkbar schlechte Alternative, denn die zwangsläufig erforderlichen Korrekturen bei dieser Form des spontanen Verhaltens sind zeitaufwändig und die nachträglichen Korrekturen kosten unnötig Geld und (andere) Ressourcen. Zu einer guten Planung gehört ebenso ein realistischer Zeitplan. Sind verschiedene Abläufe über mehrere Personen hinweg zu organisieren, ist die Verwendung von Instrumenten zu empfehlen, die neben der Planung zusätzlich die Darstellung, Kontrolle und Steuerung erleichtern. Aus dem Projektmanagement und dem Controlling sind entsprechende Instrumente (PERT-Diagramm, Netzplan- oder Ganttechnik) bekannt. Diese Instrumente visualisieren das zeitliche Nacheinander der Abläufe und die einzelnen Projektschritte lassen sich schon rein optisch besser gliedern. Das sorgt für Übersichtlichkeit und erleichtert die Verständigung, sorgt für Transparenz und die Kontrolle. <?page no="45"?> 39 Weil diese Planungshilfen immer auch Nachweisfunktion besitzen und die Kommunikation zwischen den beteiligten Mitarbeitenden durch sie erleichtert wird, ist ihre Verwendung grundsätzlich zu empfehlen. Die relativ aufwändigen Methoden wie Netzplan- oder Ganttechnik erfüllen wichtige Voraussetzungen, die auch für die sinnvolle Planung von Bedeutung sind, nämlich Übersichtlichkeit, Transparenz, Nachweis-/ Controlling-Funktion und Kommunikationshilfe. Um diese Kriterien für die Analyse und das Controlling des individuellen Arbeitsverhaltens zu erfüllen, reicht in vielen Fällen bereits die Verwendung normaler Excelfunktionen völlig aus. Mit Hilfe dieser auf nahezu jedem Standardrechner vorhandenen Funktionen, können in vielen Fällen Planungsdaten, Übersichten und Ablaufdarstellungen abgebildet werden, die zur Prozesskontrolle, zur Ist-Soll-Analyse von allen Beteiligten eingesehen und laufend überprüft werden können. In der nachfolgenden Exceltabelle wurden die Einzeltätigkeiten eines Teilzeitarbeitsplatzes (Bürokommunikation) gelistet und zusammengefasst. Einfache Exceltabellen können für verschiedenste Zwecke aus dem Spektrum der Planungs- und Kontrollaufgaben verwendet werden: Als Tätigkeitsnachweis, als Vergleichsgrundlage für ähnliche Büroarbeitsplätze oder -tätigkeiten, zur Ermittlung des zeitlichen Aufwands von Einzeltätigkeiten im Abgleich mit Arbeitsplatzbeschreibungen, Prioritäten, Nutzen, als Grundlage für Mitarbeitergespräche, Gehaltsfindung usw. in Prozent Stunden im Quartal täglich wöchent lich monatl ich Quartal Dateneingabe, -Sicherung 15,03 15,6 0,4 Telefonate, Listen und Kalender (Termine) 15,03 15,6 0,4 Briefe/ Korrespondenz 15,03 15,6 0,4 Aktenpflege + Akten für den nächsten Tag 15,03 15,6 0,4 Anträge vorbereiten und stellen 12,52 13 1 Post bearbeiten 9,39 9,75 0,25 Formularverwaltung 5,01 5,2 0,4 Pflege Bürokommunikation (Bestellungen, Tonerwechsel etc.) 5,01 5,2 0,4 Abrechnung 4,09 4,25 4,25 Vorbereitung Abrechnung (Ziffern nachtragen, Unterlagen anfordern) 3,85 4 4 Qualitätsmanagement 0,00 0 Einarbeitung Gutachten 0,00 0 Mailings 0,00 0 Sonstiges 0,00 0 100,00 103,8 Tab. 1.4: Planungshilfen unter Anwendung von Excel (Arbeitsplatzanalyse) <?page no="46"?> 40 FRAGE: „Wird durch solche Instrumente der Alltag der Mitarbeitenden im Öffentlichen Dienst nicht zusätzlich belastet und der Alltag überorganisiert? “ PRO-FIT-COACH: „Es ist gut, diese Darstellungsmittel zu kennen und sie systematisch zur Analyse und für das Controlling des eigenen Arbeitsverhaltens einzusetzen. Überall dort, wo Planung und Koordination erforderlich ist, lohnt sich der Einsatz, weil Kontrolle und Steuerung erleichtert wird, Prozesse und Abläufe transparenter werden und Projektbeteiligte einen Abgleich zeitlicher oder anderer relevanter Eckdaten vornehmen können. Aber natürlich muss darauf hingewiesen werden: Worauf es dabei wirklich ankommt ist dafür zu sorgen, dass alle Beteiligten mit den notwendigen Informationen ausgestattet sind, die benötigt werden, um die Zielerreichung voranzubringen. Nur wenn die Mitarbeitenden die relevanten Informationen zur Verfügung haben, sind diese in der Lage, Verantwortung für das Ziel übernehmen. Informationen sind essenzieller Bestandteil des zweiten Prinzips. Wenn sich einzelne, beteiligte Mitarbeitende nicht verantwortlich fühlen, dann sind auch die besten Instrumente nur Makulatur und der Zeitaufwand, den diese Instrumente zusätzlich erfordern, ist fragwürdig.“ FRAGE: „Also die Instrumente allein sind nicht der Garant für den Planungserfolg? “ PRO-FIT-COACH: „Ganz und gar nicht. Es reicht nicht, Instrumente für die Planung oder Analyse von Problemen zu kennen, sie müssen auch sachgerecht eingesetzt und verwendet werden. Daher ist es von Vorteil, wenn jede/ r einzelne Mitarbeitende, der ihr/ sein ZZR-Management verbessern möchte, ihr/ sein Arbeitsverhalten systematisch überprüft und analysiert. Die sogenannten Planungsinstrumente fungieren hierbei als Unterstützungshilfen. Wichtig für die Praxis ist, ob es gelingt, bei der Planung das Wissen und die Erfahrung der Mitarbeitenden für den zuständigen Bereich einzubeziehen. Als bedeutsamer Faktor für die Planung in Gruppen ist daher die Moderationsleistung zu nennen, d. h., dass ein Mitglied der Planungsgruppe die Aufgabe übernimmt, die Erfahrungen und das Wissen der einzelnen Mitglieder zum Thema zu sammeln, die Diskussionspunkte und Vorschläge auszuwerten und für das gesamte Projektteam nutzbar zu machen. Durch eine geeignete Moderation wird das Wissen und die Erfahrung Einzelner für die Gruppe nutzbar und daraus resultieren bessere Entscheidungen und Problemlösungen für alle Beteiligten. Eine gute Moderationsleistung macht es möglich, dass das Wissen der Beteiligten zum Planungsgegenstand abgerufen werden kann. Ein Vorgang, der für die Planung überaus bedeutsam sein kann. Es passiert gar nicht selten, dass einzelne Mitarbeitende über Detailwissen und Erfahrungen verfügen, die für alle Beteiligten zugänglich sein sollten. Wird dieser Erfahrungsschatz nicht abgerufen, <?page no="47"?> 41 treten später Fehler oder Störungen auf, die vermeidbar gewesen wären. Auch ist es bekanntermaßen so, dass sich Mitarbeitende stärker mit einer Aufgabe identifizieren, wenn sie über die Rahmenbedingungen und Umstände von Anfang an Bescheid wissen und sie merken, dass ihre Fachkompetenz und ihr Urteil gefragt sind. Nicht wenige Projekte scheitern, weil sich Mitarbeitende zu wenig mit den Projektzielen identifizieren. Sinnvolle Planung zeichnet sich daher entscheidend dadurch aus, dass alle zur Verfügung stehenden Mittel und Instrumente sachgerecht eingesetzt und professionell genutzt werden. Für Projektgruppen ab fünf Mitarbeitenden ist der Einsatz der Moderationsmethode und ihrer Hilfsmittel durchaus angemessen, ohne dass der Eindruck des ‚zu dick Auftragens‘ entsteht. Praktische Beispiele und Beispiele für den Einsatz der Moderationsmethode befinden sich in Teil 2, der die Besprechungstechnik behandelt.“ FRAGE: „Sie meinen erfolgreiche Planer/ innen verstehen es, den Mitgliedern Wissen und Erfahrung zum Planungsgegenstand gezielt zu entlocken…“ PRO-FIT-COACH: „… indem sie gezielt das Wissen und die Erfahrung der Projektmitglieder/ innen einbeziehen, sofern die Situation es zulässt. Schriftliche Abfragetechniken, sie werden in der Moderation auch als Brainwriting bezeichnet, tragen erheblich dazu bei, dass die Meinungen und der Erfahrungsschatz der Mitglieder/ innen gezielt abgerufen werden. Die schriftliche Abfrage bietet hier Vorteile, auf die wir im Abschnitt über das Prinzip Schriftlichkeit noch genauer eingehen (s. Abs. 1.2.5).“ 1.2.3.2 Sinnvolle Planung in Gruppen Mitarbeitende im Öffentlichen Dienst berichten bisweilen: „Dauernd gibt es Änderungen in Abläufen, Bestimmungen, Vorgehensweisen. Wir stellen dann alles um und richten uns darauf ein. Dann dauert es nicht lange, und schon wieder wird „eine andere Sau durchs Dorf gejagt.“ Die große Zahl der Neuerungen und Richtungsänderungen lässt bei Mitarbeitenden, Verantwortlichen und Beteiligten bisweilen Zweifel an der Haltbarkeit und Beständigkeit der Änderungen entstehen. In vielen Bereichen glauben die Mitarbeitenden inzwischen, dass schon mit der nächsten Veränderung wieder das Kommando in die andere Richtung erfolgt. Warum also, fragt sich so manche/ r, soll ich Energie in dieses Projekt investieren, es ändert sich ja ohnehin in kürzester Zeit wieder. Die Mitarbeitenden müssen sich schlicht und einfach selbst davon überzeugen können, dass es sich lohnt, Energie in ein neues Projektvorhaben zu investieren. Die allseitige Information und der Austausch mit den Betroffenen unterstützt die Glaubwürdigkeit der Maßnahme und schafft Verbindlichkeit. Daher sind unter den sinnvollen Planungsmethoden vor allem diejeni- <?page no="48"?> 42 gen Methoden zu nennen, die dabei unterstützten, die Akzeptanz derjenigen zu sichern, die die Aufgabe umsetzen müssen. Für die Planung von Teamzielen wird dieser bedeutsame Zusammenhang in der Formel E(rfolg) = Q(ualität) mal A(kzeptanz) kurz und treffend zum Ausdruck gebracht. Die Formel sagt aus, dass bei der Planung die Faktoren Leistung (Qualität) und Akzeptanz gleichermaßen zu berücksichtigen sind. Eine Idee kann noch so brillant sein, sie wird nur dann zum Erfolg, wenn sie von den ausführenden Mitarbeitenden akzeptiert wird. Dort wo es eine Führungskraft nicht versteht, die Flamme für das Projekt zum Brennen zu bringen, ist der Erfolg in Gefahr. Auch das ist bei der Planung zu berücksichtigen. Der Faktor Mensch ist auch bei der Planung im Öffentlichen Dienst stärker zu berücksichtigen: Informationen anbieten, wo sie notwendig sind bzw. abgefragt werden, Aufklärung und Hilfestellung leisten, wenn sie angemessen ist, kurz: Betroffene zu Beteiligten zu machen, auch das bedeutet Planung sinnvoll zu gestalten. FRAGE: „Und wenn es dann trotz aller Sorgfalt, die bei der Planung an den Tag gelegt wurde, trotzdem schief geht? “ PRO-FIT-COACH: „Dann liegt es an Bedingungen, die vorher nicht richtig eingeschätzt werden konnten, vielleicht wurden auch Details falsch gewichtet oder bestimmte Voraussetzungen wurden unzutreffend eingeschätzt. Christoph Kolumbus, der Entdecker Amerikas, hatte sich mit dem Seeweg nach Indien geirrt. Aber die damals zur Verfügung stehenden Informationen ließen den Schluss, dass der Seeweg nach Indien im Westen zu suchen sei, offenbar zu und darauf wurde die Planung ausgerichtet. Na ja, Planung heißt eben doch manchmal den Irrtum durch den Zufall zu ersetzen. Aber für den Alltag gilt: Planung schafft Sicherheit.“ 1.2.3.3 Planung schafft Sicherheit Eine gründliche Problemanalyse gibt in jedem Fall eine gewisse Sicherheit, die erforderlich ist, um den Aufwand von finanziellen und anderen Ressourcen zu rechtfertigen. Aufs Geratewohl zu beginnen und im Zweifel zu galoppieren sind zwar weit verbreitete „Techniken“ um mangelndes Planungswissen zu kaschieren, deshalb sind sie aber keineswegs nützlich und daher auch nicht zu empfehlen. Erst recht dann nicht, wenn es geboten ist, schonend mit Ressourcen, Zeit und Geld umzugehen. <?page no="49"?> 43 Mangelnde Sorgfalt bei der Planung zieht unweigerlich hohe Kosten nach sich. Umso wichtiger ist es, die Planung sorgfältig vorzunehmen und subjektive Eindrücke und Meinungen durch objektive Analyse zu untermauern. Eine Methode, die zur Planung herangezogen werden kann, ist die Pareto-Analyse. Die Pareto-Analyse basiert auf der 80/ 20-Regel des florentinischen Volkswirtes Vilfredo Pareto und sagt aus, dass in einem gegebenen Ursache-Wirkungsgefüge ein großer Teil der Wirkung (meist um die 80 Prozent) auf einige, wenige Wirkfaktoren (meist um die 20 Prozent) zurückzuführen ist. Dieser Zusammenhang stellt eine wichtige Informationsquelle dar, die mit in die Überlegungen zur Planung eingehen kann. Die Pareto-Analyse schafft Planungssicherheit, gibt sie doch eine Richtung für die Analyse von Ursache- Wirkungsbeziehungen vor, aus der dann die Planung von Maßnahmen abgeleitet werden kann. Die Pareto-Analyse trägt dazu bei, dass subjektive Eindrücke durch objektive Informationen untermauert (oder auch verworfen) werden. Durch die Analyse der Haupteinflussfaktoren können Maßnahmen gezielter geplant und damit (auch begrenzt zur Verfügung stehende) Ressourcen besser genutzt werden. Die 80/ 20-Regel ist allgemeingültig. Das heißt, sie hat Bedeutung für viele unterschiedliche Fragestellungen und Bereiche. Als Faustregel gilt: 80% aller Verkehrsunfälle passieren auf 20% der Straßen, 80% aller betrieblicher Fehlzeiten werden durch 20% der Mitarbeitenden verursacht, 80% der Krankheitskosten sind durch 20% der versicherten Patienten und Patientinnen bedingt, 80% der Beschwerden sind auf 20% der Mängel zurückzuführen usw. Mithilfe der Pareto-Analyse können komplexe Ursache-Wirkungs-Probleme analysiert und zu einer konstanten Ursachenlogik verdichtet werden. Somit ist die Pareto-Analyse ein nützliches Planungsinstrument, dass auf vielfältigste Fragestellungen angewendet werden kann: Analyse von Unfallgeschehen, Fehlzeitenanalyse, (fast) alle Arten von Fehleranalysen, Kundenbeschwerden, Reklamationsverhalten, Nutzung von Beratungsangeboten usw. Im Seminar setzen wir die Pareto-Analyse häufig in Verbindung mit dem Ishikawa-Modell ein. Letzteres erlaubt die Fehleranalyse nach Haupt- oder Schwerpunktbereichen. <?page no="50"?> 44 Menschen Maschinen Problem Wirkung Material Methoden Abb. 1.3: Ishikawa-Modell Wir werden an späterer Stelle unten, bei der Erörterung des Prinzips „Störungen“ auf die praktische Anwendung von Pareto-Analyse und Ishikawa-Modell zu sprechen kommen. Wichtig für das Prinzip Planung ist darauf hinzuweisen, dass die Analyse stets so detailliert erfolgen muss, dass sie zu praktischen Konsequenzen führt, z. B. zu einer Maßnahmenplanung, die direkt aus dieser Analysemethode erfolgt. 1.2.3.4 Ein praktisches Beispiel Eine betriebsinterne Fehleranalyse bei einer gesetzlichen Unfallversicherung ergab vier Hauptfehlerquellen, die wir der Einfachheit halber mit Faktor A-D bezeichnen. Um die Pareto-Analyse/ Ihikawa-Methode zu demonstrieren, ist die Häufigkeitsverteilung der Zahlen allein schon aussagekräftig: Fehlerquelle C 11% Fehlerquelle A 11% Fehlerquelle B 45% Fehlerquelle D 33% Abb. 1.4: Hauptfehlergruppen <?page no="51"?> 45 Im vorliegenden Diagramm wird dargelegt, dass bereits 45 % der Fehlerursachen im Beispiel oben überwunden werden können, wenn die Fehlerquelle „B“ ausgeschaltet wird. Wird auch noch Problem „D“ gelöst, sind knapp 80% der Fehlerursachen unter Kontrolle. Das allein resultiert aus der Behebung von zwei Fehlerquellen. Diese Ergebnisse können direkt in die weitere Maßnahmenplanung überführt werden, die natürlich auf die Beseitigung der „Big Points“ abgestellt werden muss. Ein intuitives Vorgehen, dass die Analysedaten der Paretoanalyse nicht nutzt, hätte womöglich alle vier Fehlerquellen als gleichrangig angesehen und dementsprechend auch die Bemühungen zur Beseitigung der Fehlerquellen gleich oder nach dem Zufall verteilt, was eine geringere Effizienz (durch höheren Aufwand bei der Fehlerbeseitigung oder geringere Ausbeute bei der Fehlerbeseitigung) zur Folge gehabt hätte. Aus den Analysedaten kann daher eine effiziente Maßnahmenplanung abgeleitet werden, die auf die Beseitigung der Hauptfehlerquellen abgestellt ist. In dem vorliegenden Beispiel erarbeitete eine Projektgruppe einen Maßnahmenplan, der hier schematisch dargestellt ist: Maßnahmenplanung Wer? Macht was? mit wem? Bis wann? Beteiligte durchzuführende Aufgaben weitere Zeitfenster m. Personen Person(en) Deadline Alle Sach- Vorsortieren neuer Bearbeiter Fälle u. Einordnung nach Schweregrad/ Besonderheiten Vorordnen bis 31.7.09 Hr. Werner Informationen aus Schulung referieren f. alle Mitglieder (Teamsitzung) MO 03.08.09 Regelmäßiger Fallaustausch Leitung und Team ab sofort Bei den wöchentlichen Team- Sitzungen Abb. 1.5: Maßnahmenplanung als Konsequenz aus der Pareto-Analyse <?page no="52"?> 46 1.2.3.5 Prinzip 2b: Prioritäten setzen Wie wir ja bereits in der Einleitung zu diesem Abschnitt feststellten, ist mit dem sinnvollen Planen auch das Setzen von Prioritäten eng verbunden. Was beinhaltet das Setzen von Prioritäten? Im Alltagsgeschäft der Mitarbeitenden im Öffentlichen Dienst gibt es eine Vielzahl von Aufgaben, Abläufen, Berichts- und Informationspflichten zu erfüllen. In der Kantine eines Krankenhauses werden in der Frühschicht Tische eingedeckt, die Anlieferung von Lebensmitteln überwacht, kleinere Speisen angerichtet, Kühltemperaturen für leicht verderbliche Lebensmittel gemessen und im Protokollbogen festgehalten. Alle aufgeführten Aufgaben sind wichtig, was wir daran merken, wenn eine Aufgabe nicht rechtzeitig erledigt werden konnte. Dennoch gilt es zwischen den einzelnen Aufgaben Unterschiede hinsichtlich der Priorisierung zu beachten: So hat die regelmäßige Messung der Kühltemperatur für eingelagerte Lebensmittel für den Kantinenbereich A-Priorität, weil hiervon die Gesundheit der Besucher der Kantine abhängt. Temperaturschwankungen (z. B. durch eine Störung des Kühlaggregats) in Fleisch- und Fischwaren können die Gesundheit der Kantinenbesucher gefährden, daher ist die regelmäßige Temperaturmessung als hohe Priorität einzustufen. Durch die Ausrichtung des Handelns auf die vorrangigen Ziele, wird das Denken in Prioritäten realisiert. Gemeinsam mit der Planung von Vorgängen, von Zeit(zielen) und Abläufen wird das eigene Handeln schließlich effizient. Es gibt in allen Unternehmen, Behörden und Institutionen Mitarbeitende, die viel arbeiten, aber niemals erfolgreich sind. Allgemein wird dieses Phänomen das „Eimer-voll-Schweiß-Syndrom“ genannt. Mitarbeitende die darunter leiden, fallen dem Irrtum zum Opfer, dass allein schon die Geschäftigkeit wertvoll sei. Der fleißige, aufopferungsvolle Mitarbeiter, der auch nach Dienstschluss noch wichtige Dinge zu erledigen hat. Die Mitarbeiterin, die immer „bemüht“ ist, es allen und jedem recht zu machen. Sie alle wären, auch in der Zusammenarbeit mit anderen Kolleg/ innen erfolgreicher, wenn sie ihr Verhalten stärker an dem Prinzip „Prioritäten setzen“ ausrichteten. Das Hauptproblem für Mitarbeitende im Öffentlichen Dienst von heute besteht mehr und mehr darin, die Fülle der tagtäglichen Aufgaben, zu bewältigen und die damit verbundene Informationsflut zu sichten, zu registrieren, in der Ablage zu speichern und anderweitig zu verwalten. Der Anspruch, alle Aufgaben zu erledigen ist in vielen Bereichen kaum mehr erfüllbar und heute auch kaum noch anzustreben. Umso wichtiger ist es, die einzelnen Aufgaben nach ihrer Bedeutung, ihrer Wichtigkeit und Dringlichkeit zu gewichten. <?page no="53"?> 47 Als nützliche Hilfe hat sich in diesem Zusammenhang die ABC-Analyse erwiesen. Sie besagt, dass Aufgaben hinsichtlich ihrer Wertigkeit und ihres Zeitaufwandes, den sie erfordern, zu unterscheiden sind. So gibt es Aufgaben, deren Anteil am Ertrag oder Wert überaus hoch ist. Gleichzeitig ist der Zeitaufwand, der zur Erledigung dieser Aufgaben notwendig ist, vergleichsweise gering. Die Aufgaben mit dem höchsten Wert/ geringsten Zeitaufwand werden A-Aufgaben genannt. Ihr Anteil am Gesamtertrag liegt bei 65%, der Zeitaufwand lediglich bei 15%. Daneben gibt es die B-Aufgaben. Wertanteil und Zeitaufwand halten sich hier die Waage; der Anteil am Gesamtertrag liegt bei 20%. Ebenso liegt der Zeitaufwand bei 20%. Die C-Aufgaben erhalten sich umgekehrt proportional zu den A-Aufgaben. Sie zeichnen sich durch den größten Zeitaufwand (65%) und den geringsten Nutzen aus. Der Wert- oder Ertragsanteil liegt bei nur 15% (s. Abb. 1.6). Die ABC-Analyse Wert/ Ertrag Zeitaufwand 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% A-Aufgaben B-Aufgaben C-Aufgaben Anteil am Wert/ Ertrag Zeitaufwand in Relation zum Anteil am Wert/ Ertrag von Aufgaben (in %) Abb. 1.6: ABC-Analyseschema Was kann mittels der ABC-Analyse festgestellt werden? Was leistet sie? Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Einteilung der täglichen Aufgaben nach Prioritäten? Welchen Nutzen bringt das für die tagtägliche Arbeit? <?page no="54"?> 48 Mit Hilfe der ABC-Analyse finden Sie heraus, welche Aufgaben die wichtigsten und ertragreichsten sind. Mit der konsequenten Konzentration auf Ihre Prioritäten erzielen Sie mit der Erledigung dieser Aufgaben den größten Teil des Ertrags, tragen damit erheblich zur Zielerreichung bei (das sind die A-Aufgaben). welche die nach geordneten, die nächst wichtigen Aufgaben sind. Diese sind von mittlerer Wertigkeit (B-Aufgaben) welche die relativ weniger wichtigen Aufgaben sind. Mit ihnen kann nur wenig direkt zur Zielerreichung beigetragen werden (sog. C-Aufgaben). C-Aufgaben sind deshalb aber nicht überflüssig, sondern sie können entscheidend zur Erledigung der A-Aufgaben beitragen und daher nützlich und hilfreich sein. Denken Sie z. B. an die Verbesserung und Pflege des Ablagesystems. Eine gute Ablage erspart viel Energie, Zeit und Geld und schont damit Ressourcen. C-Aufgaben sind keineswegs vernachlässigbar! Wie sinnvoll ist es für Mitarbeitende im Öffentlichen Dienst, das Spektrum der täglichen Arbeitsaufgaben nach Prioritäten zu ordnen? Das Vorgehen ist grundsätzlich als sinnvoll anzusehen, gerade weil die ABC-Analyse eine Sichtung der Aufgabenfülle und eine Differenzierung in wichtig/ weniger wichtig unterscheidet. Wirklich wichtig ist dabei aber auch zu erkennen, dass die C-Aufgaben keine nutzlosen Aufgaben sind, sondern durchaus eine wichtige Funktion innerhalb eines funktionierenden Gesamtgefüges einnehmen. Wir dürfen das nicht vergessen. Zu oft haben wir Aussagen gehört, wie: „Ich bin Abteilungsleiter, ich mache nur A-Aufgaben.“ Auch wenn es nicht beabsichtigt ist, aber diese Haltung muss, zumindest in den Ohren der Mitarbeiter, reichlich überheblich wirken. In einer guten Seglermannschaft kommt es auf den Beitrag und die Leistung jedes Teammitglieds an. Auch das geschrubbte, von Öl und Schmutz befreite Deck, auf dem bei eiligen Manövern keiner ausrutscht, trägt zur erfolgreichen Regattateilnahme bei. Wir sprachen in einem Seminar für ein Energieversorgungsunternehmen über die Eigenschaften von Führungskräften. Nicht wenige Teilnehmenden nutzten die Gelegenheit dazu, ihre Vorgesetzten in deren Abwesenheit zu kritisieren. Ein Kollege fiel dadurch auf, dass er nichts auf seinen Chef kommen ließ. Ich fragte diesen Mitarbeiter, was er an seinem Chef so überaus schätze. Die Antwort lautete: „Unser Chef steht immer hinter uns. Einmal, als es bei uns ein schweres Unwetter gab, war eine Leitung geborsten und wir mussten die Straße aufreißen, um die beschädigte Versorgungsleitung freizulegen. Die ganze Gegend war ohne Gasversorgung und alle verfügbaren Kollegen arbeiteten die ganze Nacht daran, die Leitung zu reparieren. Unser Chef war auch dabei und war so pitschnass wie wir alle.“ Hätte dieser Vorgesetzte in dieser Situation nur auf die A-Prioritäten achten sollen? Ja, denn die Schadensbeseitigung hatte oberste Priorität und darüber hinaus hielt der Vorgesetzte offenbar viel von Zusammenhalt und gegenseitiger Unterstützung, was er durch sein Verhalten vorzüglich de- <?page no="55"?> 49 monstrierte. Wir glauben nicht, dass der Vorgesetzte die gleiche Wirkung bei seinen Mitarbeitenden mit einer Powerpoint-Präsentation über die neuen Führungsgrundsätze in der Abteilung auch nur annähernd erreicht hätte! Letzteres wird in einigen Ratgebern als wichtige A-Aufgabe angepriesen. Prioritätengeleitetes Vorgehen im Sinne der ABC-Analyse hat nichts mit Standesdünkel zu tun. Jede Tätigkeit, die zu Ziel und Erfolg führt, ist wichtig. Die ABC-Analyse trifft lediglich eine Aussage über die Wertigkeit in Relation zum Zeitaufwand von Aufgaben. Das ist nicht gleichbedeutend mit dem Nutzen und der Funktion, die eine Aufgabe im Gesamtsystem oder -ablauf erfüllt. Daher können grundsätzlich auch Mitarbeitende gleich welcher Hierarchiestufe A-Aufgaben erfolgreich erfüllen. A-Aufgaben sind durchaus delegationsfähig. Im Einzelfall ist jedoch zu prüfen, welche Form der Aufgabenteilung sinnvoll erscheint und natürlich ist auch eine Spezialisierung von Mitarbeitenden bei der Delegation in Betracht zu ziehen. So ist es bei der Vielzahl und Komplexität der Tätigkeiten, die z. B. in der Verwaltung des Öffentlichen Dienstes anfallen, kaum sinnvoll, dass Mitarbeitende auf Dauer das gesamte Spektrum der ABC- Tätigkeiten erfüllen. Und es ist auch nicht wahrscheinlich, dass ein solches Vorgehen auf Dauer erfolgreich wäre. Der Vorteil der ABC-Analyse liegt in der Möglichkeit begründet, das eigene Handeln strategisch auszurichten. Indem Mitarbeitende fragen, was sie sinnvoller Weise zuerst erledigen müssen, um ihrem Ziel ein Stück näher zu kommen, verschaffen sie sich einen Vorteil gegenüber den Mitarbeitenden, die nach dem Motto verfahren: „Erst einmal anfangen und dann sehen wir weiter.“ Prioritätengeleitetes Vorgehen bedeutet, die wichtigen und zielführenden Aufgaben dann zu bearbeiten, wenn die Konzentration am höchsten (und daher die Entdeckung von Fehlern am wahrscheinlichsten) ist. Eine weitere Konsequenz besteht darin, A-Aufgaben nach dem Vier-Augen-Prinzip zu bearbeiten, d. h., Zwischenergebnisse von einer weiteren kundigen Person überprüfen zu lassen. Eine Konsequenz kann auch sein, dass der Zeitpunkt für die Ausführung der A- Tätigkeit so gewählt wird, dass nur geringe Störungen von Außen zu erwarten sind. Optimiert wird das ganze natürlich dann, wenn Mitarbeitende ihre Tagesstruktur so organisieren, dass störungsfreie Zeiten oder Zonen geschaffen werden, um die A-Aufgaben mit besonderer Konzentration erledigen zu können. Einige Teilnehmende gestalten die ABC-Analyse so, indem sie zunächst alle zu erledigenden Einzelaufgaben auflisten. Dazu kann man eine „Generalliste“ definieren. Mithilfe solch einer „Generalliste“ (s. Abb. 1.7) lässt sich rasch ein Überblick über alle anstehenden Aufgaben herstellen und es kann dann entschieden werden, welche Zielsetzung mit der Aufgabenstellung verbunden ist, bzw. wann die Aufgabe als erfüllt gilt. <?page no="56"?> 50 1. Aufgabe Beschreibung/ Inhalt: Zielsetzung: Zeitbedarf (geschätzt): Priorität: Delegiert an: Meilensteinkontrolle am: Erledigt am: Bemerkung: 4. Aufgabe Beschreibung/ Inhalt: Zielsetzung: Zeitbedarf (geschätzt): Priorität: Delegiert an: Meilensteinkontrolle am: Erledigt am: Bemerkung: 2. Aufgabe Beschreibung/ Inhalt: Zielsetzung: Zeitbedarf (geschätzt): Priorität: Delegiert an: Meilensteinkontrolle am: Erledigt am: Bemerkung: 5. Aufgabe Beschreibung/ Inhalt: Zielsetzung: Zeitbedarf (geschätzt): Priorität: Delegiert an: Meilensteinkontrolle am: Erledigt am: Bemerkung: 3. Aufgabe Beschreibung/ Inhalt: Zielsetzung: Zeitbedarf (geschätzt): Priorität: Delegiert an: Meilensteinkontrolle am: Erledigt am: Bemerkung: 6. Aufgabe Beschreibung/ Inhalt: Zielsetzung: Zeitbedarf (geschätzt): Priorität: Delegiert an: Meilensteinkontrolle am: Erledigt am: Bemerkung: Abb. 1.7: Schema für eine Generalliste („Temporäre Aufgaben und Projekte“) <?page no="57"?> 51 Daneben ist der ungefähre Zeitbedarf für die Erledigung der einzelnen Aufgaben der Generalliste einzuschätzen. Zusätzlich wird die Priorität festgelegt und entschieden, ob und an wen die Aufgabe delegiert wird. Im Falle der Delegation sind ein oder mehrere Termine zur Meilensteinkontrolle einzuplanen. Wenn die Aufgabe erledigt ist, wird dies mit Datum vermerkt und kann als späterer Nachweis dienen. Diese oder ähnliche Listen können über vorhandene Verwaltungs- und Terminprogramme, über MS Outlook (für Windows) oder Entourage (für Mac OS) geführt werden. Selbst mit einfachsten Funktionen und Tools, wie dem Editor (unter Microsoft Windows), können bereits einfache Listen- und Protokollfunktion ausgeführt werden. Alle diese Funktionen können auch über moderne Handhelds und PDAs (Personal Digital Assistant) übersichtlich und komfortabel ausgeführt werden. Damit ist auch eine „ambulante“ Verwaltung und Kontrolle der relevanten Planungsdaten jederzeit möglich. Neben der traditionellen ABC-Analyse sind einige Überlegungen, die in dem Modell von S.R. Covey enthalten sind, weiterführend. Wir nennen das Modell der Einfachheit halber das Quadrant-II-Modell. Covey’s Quadrant-II-Modell lehnt sich eng an das Eisenhower-Prinzip an, welches eine Unterscheidung zwischen wichtigen und dringenden Aufgaben festlegt. Bei der Kombination von dringenden und wichtigen sowie nicht-dringenden und nicht-wichtigen Aufgaben entsteht ein Profil aus insgesamt vier Kombinationen (s. Abb. 1.8), mit denen die Wertigkeit von Aufgaben und Tätigkeiten ermittelt werden kann. Wir setzten dieses Schema bei unseren Teilnehmenden auch ein, um das Tätigkeitsspektrum verschiedener Zielgruppen, von Sachbearbeitenden bis zu Führungskräften, zu analysieren. Dabei gehen wir wie folgt vor: Zunächst bitten wir die Teilnehmenden ihren Tagesablauf und die einzelnen Tätigkeiten zu protokollieren, wie dies in Tab. 1.5 (s. u.) der Fall ist. Anschließend fordern wir sie auf, jede gelistete Tätigkeit einem der vier Quadranten (s. u.) zuzuordnen, je nachdem wie sie selbst die Relationen der Dringlichkeit und Wichtigkeit der einzelnen Tätigkeiten einschätzen. Bei einer Stichprobe von 79 Mitarbeitenden einer Verwaltung fanden wir eine für diese Zielgruppe typische Häufigkeitsverteilung vor. Dieser Verteilung entsprechend führten die Teilnehmenden am häufigsten die Tätigkeiten aus, die ihnen zugleich wichtig und dringend (Quadrant I) erschienen. Der „Quadrant I“ wurde mit durchschnittlich 51 % der Angaben am häufigsten gewählt. Soweit entsprach das Ergebnis in etwa den Erwartungen. <?page no="58"?> 52 Überraschend war die Verteilung für die übrigen Quadranten. Nicht Quadrant II folgte in der Nennung an nächster Stelle, wie vielleicht zu erwarten wäre, sondern Quadrant III (27 %)! Warum verbringen so viele Mitarbeiter ihre Zeit damit, der „Tyrannei des Dringenden“ nachzugeben? Die Antworten, die wir erhielten, waren verblüffend ehrlich: „Bei so viel Hektik, die hier bei der Arbeit herrscht, muss ich einfach mal abschalten und etwas an sich Überflüssiges tun.“ „Ich weiß, dass ich lieber etwas anderes tun sollte, aber ich lass mich auch gerne mal ablenken und höre mir den neuesten Schwank von der Sekretärin an“. Wer könnte diese Reaktionen nicht gut verstehen, befanden sich doch die meisten schon selbst einmal in dieser Situation. Die Erklärungen der Teilnehmenden konnten wir denn auch selbst nachvollziehen, erstaunlich fanden wir es jedoch, dass der Quadrant-II vollkommen aus dem Blickfeld der Befragten verschwindet und auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr aufgegriffen und weiterverfolgt wird. Übrigens fanden wir in diesem Punkt keinen signifikanten Unterschied zwischen Wirtschaft und Öffentlichem Dienst. Die Vernachlässigung des Quadranten-II korreliert offenbar mit dem Grad der Hektik und Anspannung im Tagesgeschäft. Wie wichtig es sein kann, regelmäßig die Aufmerksamkeit auf die Aufgaben in diesem Quadranten zu richten, mag die Bankenkrise im Herbst des Jahres 2008 zum Ausdruck bringen. Denn wenn sich die Verantwortlichen die Mühe gemacht hätten, in die Feinanalyse einiger Aktienportfolios aus dem amerikanischen Immobilienbereich einzusteigen, wären sie frühzeitig auf die Risiken gestoßen, deren Auswirkungen im Verlauf des Jahres 2008 nach und nach zum Vorschein kamen. Weil diese Analyse aber unterblieb, wechselte das Szenario so dramatisch innerhalb weniger Wochen vom Quadranten II zum Quadranten I: Die Kurse stürzten ins Bodenlose und eine Bank nach der anderen wurde in den titanischen Untergang gezogen. Ein Führungs- und Analysefehler mit billiardenschweren Folgen. Noch kurz vor dem Beginn des ersten Banken-Crashs rühmten sich Vorstände, auch von öffentlichen Banken, für den Weltmarkt „gut aufgestellt“ zu sein und durch Rationalisierungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen (gemeint ist Personalabbau) als Global Player für den internationalen Wettbewerb gerüstet zu sein. Etwa zu gleicher Zeit (vor dem Crash des Jahres 2008) äußerte ein Aufsichtsratsmitglied in einem öffentlichen Interview, dass er die Struktur einzelner Fonds nicht mehr durchschaue, sie aber per Unterschrift absegne und legitimiere, im Vertrauen darauf, dass die Fondsexperten schon wüssten was sie tun! Ein sicherlich drastisches Beispiel. <?page no="59"?> 53 Prioritäten-Modell „Quadrant-II-Modell“ Dringend Wichtig Wichtig Quadrant I: „Feuerwehrtätigkeiten“, Krisen, Dringlichkeiten, Aufgaben mit nahem Abgabetermin 51% Quadrant II: „Ziel & Strategie“: Langfristige Zielsetzungen, Strategieentwicklung, Analysen, Zukunftsmärkte, Trends, (Verbesserung der) Kommunikation und Zusammenarbeit 16% Nicht wichtig Quadrant III: Unterbrechungen, Störungen, einige Anrufe, manche Besprechungen, dringliche Angelegenheiten, Lieblingsbeschäftigungen 27% Quadrant IV: Das, was in den Papierkorb (Rundablage) gehört, nutzlose Tätigkeiten 6% Abb. 1.8: Quadrant-II-Modell nach S. R. Covey. Die Zahlenwerte (gerundet) geben die Häufigkeitsverteilung (in Prozent) für die einzelnen Quadranten wieder (N=79 Verwaltungsmitarbeiter/ innen). FRAGE: „Welche Tätigkeiten umfasst denn der Quadrant II? Alles was wichtig ist, aber nicht dringend, was ist denn das in der Praxis? “ PRO-FIT-COACH: „Ganz praktisch und weg von den dramatischen Ereignissen: Wir führten kürzlich eine Reihe von mehrtägigen Schulungsmaßnahmen in Süddeutschland durch. Es handelte sich hierbei um eine dreitägige Teamentwicklungsmaßnahme, an der die Vorgesetzten und Mitarbeitenden ausgewählter Bereiche teilnahmen. Bei dieser Maßnahme tauschten sich die Führungskräfte und Mitarbeitenden darüber aus, wie die Zusammenarbeit verbessert werden könne. Tenor der Teilnehmenden am Ende der drei Tage war: ‚Warum haben wir die Gelegenheit zu ausführlichen Feedbackgesprächen nur so lange vernachlässigt? ‘ oder: ‚Der Austausch über unsere Ziele und die Verbesserung unserer Zusammenarbeit war so wichtig, warum haben wir es solange hinausgeschoben? ‘ und: ‚Es war höchste Zeit, dass wir uns über die Ziele und die Wege dorthin verständigen.‘ <?page no="60"?> 54 Der Alltag mit all seinen Verpflichtungen ist für viele einfach zu vordergründig und zu präsent, da bleibt auch für die Mitarbeitenden des Öffentlichen Dienstes wenig Zeit und Energie, um darüber nachzudenken, wie sie ihre Zusammenarbeit, ihre Kommunikation, ihre (Feedback-)Kultur, ihr Projektmanagement, ihr Zielvereinbarungssystem oder ihr Zeit-, Ziel- und Ressourcenmanagement verbessern können oder zukünftig anders gestalten wollen.“ • TIPPS für Leser mit „Appetit auf Mehr“ • Covey, Stephen R.: Die 7 Wege zur Effektivität. Prinzipien für persönlichen und beruflichen Erfolg. Gabal Management, 2005 • ISBN-10: 3-89749-573-2 • Das Buch befasst sich im Kern mit der Frage in welchem Verhältnis beruflicher Erfolg und privates Leben stehen. Treffend lautete denn auch der Untertitel einer früheren Ausgabe: „Ein Konzept zur Meisterung Ihres beruflichen und privaten Lebens“ (Campus Verlag). • Der Autor zeigt auf, dass der berufliche Erfolg nicht losgelöst von persönlichen Zielen gesehen werden kann. Gesundheit, Partnerschaft, Lebensziele stellen sich eben nicht „automatisch“ mit dem beruflichen Erfolg ein. Der Inhalt des Buches ist lesenswert und für die persönliche Standortbestimmung geeignet. Das der Untertitel der neueren Ausgabe „Prinzipien für persönlichen und beruflichen Erfolg lautet“ eine Ähnlichkeit zu dem Untertitel unseres Bandes aufweist, ist Zufall. • Es ist deutlich erkennbar, dass das Buch dem amerikanischen Kulturkreis entstammt. Einige Abstriche sind daher hinsichtlich der Übertragbarkeit der Beispiele zu machen. Zudem ist die deutsche Leserschaft weitaus kritischer in ihrer Grundhaltung. In den USA füllen Covey’s Vorträge große Säle, wovon wir uns anlässlich eines Besuches in Phoenix/ USA überzeugen konnten. <?page no="61"?> 55 FRAGE: „Gibt es darüber hinaus noch mehr Aspekte, die Quadrant-II zuzuordnen sind oder bleibt es bei Feedback und Austausch über die Zusammenarbeit? “ PRO-FIT-COACH: „Gewiss nicht! Natürlich gehört die langfristige, nachhaltige Verbesserung der Zusammenarbeit der Abteilung, der Einrichtung dazu, aber genauso gehören Themen wie - Ziel- und Strategieentwicklung - Personalpolitik und -rekrutierung - Personal- und Organisationsentwicklung - Die Optimierung von Abläufen und Prozessen - Marktentwicklung - Kundenkommunikation, Kundenmarketing - Schnittstellenprobleme und ihre Überwindung hierhin. Im Kern geht es darum die Fachleute der Abteilungen zu einem „Brainpool“ zusammen zu ziehen, um an potenziell wichtigen Fragestellungen der Zukunft zu arbeiten, wie zum Beispiel: ‚Wie sichern wir unseren Arbeitsplatz in der Zukunft und welcher Weg führt dorthin? ‘ oder ‚Welche Dienstleistungen werden im Jahre 2020 von den Bürgern und Bürgerinnen unserer Stadt gefragt sein? ‘ usw.“ FRAGE: „Gibt es auch zeitnahere Themenstellungen, die dem Quadrant-II speziell für die Verwaltung und den Öffentlichen Dienst zuzuordnen sind? “ PRO-FIT-COACH: „Dazu gehören z. B. Themen wie Schnittstellen- Kommunikation, Verbesserung der Zusammenarbeit, Kommunikation nach außen (z. B. mit Bürgern), Einführung und Umsetzung von Zielvereinbarungssystemen, Beurteilungswesen, Abwicklung von Großprojekten, z. B. in Renaturierungsprogrammen und Biosystemen, Umsetzung von nachhaltigen Reformen, Neuerungen, Änderungen oder auch übergeordnete Aufgaben wie die Einführung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements oder Arbeitsschutzmaßnahmen. Diese Themen sind irgendwann alle zeitnah zu behandeln und haben unmittelbare Auswirkung auf die tägliche Praxis. Die Chance liegt darin, diese Fragestellungen frühzeitig zu behandeln, also dann, wenn sie (noch) nicht dringend sind. Dadurch besteht die Chance, die langfristige strategische Ausrichtung an sich verändernde Rahmenbedingungen und Begebenheiten fortwährend anzupassen.“ <?page no="62"?> 56 FRAGE: „Also umfasst der Quadrant-II praktisch alles, was nicht unmittelbar Tagesgeschäft ist? ! “ PRO-FIT-COACH: „… aber strategische Bedeutung für die Zukunft der Institution, deren Erhalt oder den Erfolg der Abteilung hat und damit schon das Tagesgeschäft in naher Zukunft stark beeinflussen kann.“ FRAGE: „Und Quadrant-I, das ist das Tagesgeschäft? “ PRO-FIT-COACH: „Ja, alles was zugleich dringend und wichtig ist. Dringend zum Teil auch deshalb, weil es zuvor zu lange liegen geblieben ist. Interessant war für uns, dass die Teilnehmenden 51% ihrer Tätigkeiten diesem Quadranten (s. Abb. 1.8) zuordneten. Wir hatten eigentlich geglaubt, dass es noch mehr von diesen ‚Feuerwehraktivitäten‘ geben müsse. Tatsächlich aber ordneten die Befragten einen relativ hohen Anteil ihres Tagesgeschäftes dem Quadranten-III (dringende/ nicht wichtige Aufgaben) zu. Insgesamt waren es 27% der Angaben, die diesem Quadranten zugeordnet wurden. Auf Nachfragen stellten wir dann fest, woran es lag, dass die Verwaltungsmitarbeiter einen hohen Anteil ihrer Tätigkeit so negativ bewerteten. Sie kritisierten, dass es intern oft Reibungsverluste gäbe, deshalb würden oft einfache Dinge nicht funktionieren, wie z. B. die pünktliche Weitergabe von Informationen, obwohl diese vereinbart war. Sie kritisierten die doppelte oder fehlerhafte Bearbeitung von Vorgängen, sodass diese wieder nachgearbeitet werden mussten. Auch wurde kritisiert, dass Akten zulange in Umlauf seien und dadurch viel ‚unnötige Sucherei‘ den Tagesablauf bestimmen würde. Erst kürzlich lasen wir einen, bereits im Juli 2008 veröffentlichten Artikel von Michael O.R. Kröher im Internet-Portal des Manager-Magazins. Dort wurde berichtet, dass aus der Verwaltung deutscher Unternehmen ähnlich gelagerte Defizite bekannt sind. Der Autor spricht sogar von einer Verschwendung von Arbeitskraft ‚in skandalösem Ausmaß‘ (den Artikel fanden wir im Internet unter www.manager-magazin.de). Demnach ist das beschriebene Phänomen keine Krankheit, die den Öffentlichen Dienst allein betrifft. Das soll kein Trost für die Angehörigen des Öffentlichen Dienstes sein. Die Tatsache ist einmal Beleg mehr für die Beobachtung, dass die Verbesserung des ZZR-Managements ein Thema von offenbar großer Aktualität ist, weil hier Ressourcen in erheblichem Ausmaß und Umfang verschleudert werden. Das gilt für den Öffentlichen Dienst, aber genauso für die Verwaltungsabteilungen in Unternehmen der freien Wirtschaft. Es gibt offenbar viel zu tun in dem Land, das die Tugenden wie Pünktlichkeit, Gründlichkeit und Disziplin für sich gepachtet zu haben glaubt.“ <?page no="63"?> 57 1.2.4 Prinzip 3: Gleichartige Handlungen und Abläufe zusammenfassen („Serien bilden“) Eine leitende Mitarbeiterin einer Behörde der öffentlichen Verwaltung einer mittelgroßen Stadt am Rande des Ruhrgebiets beklagte sich darüber, dass ihr Tag immer so „zerrissen“ sei, sodass sie in letzter Zeit immer häufiger das Gefühl habe, den ganzen Tag gehetzt zu sein. Sie fühle sich jedoch insgesamt sehr wohl auf der Stelle, weil sie mit ihren vier Mitarbeitern (ein männlicher Sachbearbeiter, drei weibliche Angestellte) gut auskomme. Es gehöre als Abteilungsleiterin unter anderem zu ihren Aufgaben „Präzedenzfälle“ zu prüfen, die ihre Mitarbeitenden ihr zur Entscheidung vorlegen. Man setze sich regelmäßig, einmal pro Monat mit der ganzen Abteilung zusammen, im Ganzen liefe es recht gut, Vorgaben und Absprachen würden gemeinsam umgesetzt. Dennoch habe sie das Gefühl, dass die Arbeitsvorgänge länger dauerten als unbedingt nötig und dem wolle sie doch einmal nachgehen. „Nur so aus Eigeninteresse“, wie sie lakonisch meinte. Wir stellten im Vorgespräch außerdem noch folgendes fest: Nach Dienstschluss sei sie bisweilen unzufrieden mit sich, sie habe das Gefühl nicht „richtig effektiv“ zu sein. Sie fühle sich gelegentlich auch erschöpft, wenn sie von der Arbeit nach Hause komme. Wir baten die Teilnehmerin zunächst darum, bis zum nächsten Termin zwei bis drei Arbeitstage zu protokollieren. Dazu händigten wir ein Protokollschema aus. Sie bekam für diese erste Phase, die Selbstbeobachtung, den Auftrag, lediglich vier der insgesamt fünf Spalten zeitnah zu ihrer Tätigkeit zu protokollieren. Die Teilnehmerin brachte das ausgefüllte Protokoll zum nächsten Treffen mit (s. Tab. 1.5). Die Teilnehmerin äußerte, als wir gemeinsam beim nächsten Treffen über das Tagesprotokoll schauten, dass ihr Tagesablauf eigentlich noch weitaus zerklüfteter, als der hier präsentierte Protokollausschnitt sei, sie habe sich während der beiden Tage, an denen sie das Protokoll ausfüllte, schon „extrem am Riemen gerissen“, um nicht das Bild eines Tagesablaufs, der einer „Kraterlandschaft“ vollständig gleicht, zu bieten. Daher habe sie schon einige Unebenheiten „ausgemerzt“. Als wir sie danach fragten, warum sie so häufige Unterbrechungen habe, meinte sie, dass sie für ihre Mitarbeitenden immer ansprechbar sein wolle, schließlich könne sie ja auch jederzeit zu ihren Mitarbeitenden ins Büro gehen, wenn sie eine Frage haben würde. <?page no="64"?> 58 Lfd. Nr. Uhrzeit von…bis Art der Tätigkeit Zeitaufwand/ Priorität Resultat E = erledigt U = unterbrochen 1. 08: 30-08: 40 Aufgaben f. den Tag sichten E 2. 08: 40-08: 46 Telefonat (a) E 3. 08: 46-0849 Info an Sekretariat (Nachfrage beantwortet) E 4. 08: 49-08: 59 Telefonat wg. Nachfrage (Anm.: Querinfo) (a) 5. 08: 59-09: 15 Fall A geprüft U 6. 09: 15-09: 25 tel. Nachfrage bei MA wg. Fall B (a) E 7. 09: 25-09: 33 Tel. Nachfrage bei Frau M. wg. Sitzung (a) am … E 8. 09: 33-09: 48 Forts. Fall A U 9. 09: 48-09: 55 Tel. Kollege R. wg. Sommerfest E 10. 09: 55-10: 30 Forts. Fall A U 11. 10: 30-10: 50 Tel. Bericht an Vorgesetzte (a) E 12 10: 50-12: 00 Sitzung E Tab. 1.5: Tagesprotokollschema. Anm.: „(a)“ = ausgehendes Telefonat, ohne „(a)“ gekennzeichnete Telefonate sind eingehende Anrufe. Wir setzten uns dann mit der noch nicht ausgefüllten vierten Spalte des Beobachtungsbogens auseinander: Mit der Bestimmung des Zeitaufwands und der Priorität der einzelnen Aufgaben. Mit der gemeinsamen Auswertung ist beabsichtigt, dass die Teilnehmerin sich im Gespräch mit ihrem Coach klar darüber wird, wie hoch der Zeitaufwand für die einzelnen Tätigkeiten im Abgleich mit der jeweiligen Aufgabenpriorität ist. Durch die gemeinsame Auswertung soll verhindert werden, dass die Teilnehmerin jede ihrer Tätigkeiten pauschal als „A-Aufgabe“ („Ich habe nur A-Aufgaben“) deklariert. Stattdessen macht sie sich bewusst, welches Verhalten und welche Bedingungen dazu führen, dass sie ihren Arbeitstag als „zerklüftet <?page no="65"?> 59 wie eine Kraterlandschaft“ erlebt. Das Ergebnis ist in Tabelle 1.6 wiedergegeben. Lfd. Nr. Uhrzeit von…bis Art der Tätigkeit Zeitaufwand/ Priorität Resultat E = erledigt U = unterbrochen 1. 08: 30-08: 40 Aufgaben für den Tag sichten 10’/ B E 2. 08: 40-08: 46 Telefonat (a) 6’/ C E 3. 08: 46-08: 49 Info an Sekretariat (Nachfrage beantwortet) 3’/ C E 4. 08: 49-08: 59 Telefonat wg. Nachfrage (Anm.: Querinfo) (a) 10’/ C 5. 08: 59-09: 15 Fall A geprüft 16’/ A U 6. 09: 15-09: 25 tel. Nachfrage bei MA wg. Fall B (a) 10’/ B E 7. 09: 25-09: 33 Tel. Nachfrage bei Frau M. wg. Sitzung (a) am … 8’/ C E 8. 09: 33-09: 48 Forts. Fall A 15’/ A U 9. 09: 48-09: 55 Tel. Kollege R. wg. Sommerfest 7’/ C E 10. 09: 55-10: 30 Forts. Fall A 35’/ A U 11. 10: 30-10: 50 Tel. Bericht an Vorgesetzte (a) 20’/ A/ B E 12 10: 50-12: 00 Sitzung 70’/ B E Tab. 1.6: Tagesprotokollschema mit Zeitaufwand-/ Prioritäten-Einschätzung (Spalte 4) Anschließend, nach dem die Teilnehmerin die vierte Spalte ausgefüllt hatte, sprachen wir darüber, wie sie selbst ihren Arbeitstag vor dem Hintergrund dieser Analyse bewertet und wir erörterten ebenso, was sie künftig zu ändern gedenkt, also über ihre neuen Ziele im Blick auf die Gestaltung ihres Arbeitstages. Sie störte sich daran, wie sie betonte, dass sie sich bei den A-Aufgaben so häufig unterbrechen lasse, zum Teil lenke sie sich sogar selbst durch kurze telefonische Nachfragen bei Kollegen ab, die mit der Fallbearbeitung gar nichts zu tun haben. <?page no="66"?> 60 Ganz besonders ärgerte sich die Teilnehmerin darüber, dass sie bei der mehrmaligen Wiederaufnahme ihrer A-Tätigkeit immer eine Weile brauche, um wieder in die Arbeit hinein zu finden. Das weitere Gespräch mit ihr ergab außerdem, dass sie ebenso für die einzelnen Telefonate mehr Zeit benötige, weil sie zuvor etwas nachsehen oder sich ganz generell „kurz“ in den Sachverhalt hineindenken müsse. Auch habe sie schon früher den Eindruck gehabt, dass ihr bestimmte Tätigkeiten wie das Führen von Telefonaten leichter von der Hand gingen, wenn sie mehrere Gespräche hintereinanderschalten würde. Damit lag sie richtig! Denn darauf beruht die Wirkungsweise des Prinzips „Gleichartige Handlungen und Abläufe zusammen zu fassen“ (Serien bilden). Zusätzlich machten wir die Teilnehmerin durch unser Nachfragen darauf aufmerksam, dass sie sich wegen des telefonischen Berichts an ihren Vorgesetzten (s. Tab. 1.5, 11. Zeile) bisher nicht klar hinsichtlich der Priorität äußere, sie konnte sich nicht entscheiden, ob die Priorität A oder B sein sollte. Wir baten sie daher darum zu untersuchen, worauf diese Unklarheit zurückzuführen sei. Als Zielsetzung legte die Teilnehmerin fest, dass sie endlich die Fallprüfung in Ruhe und Konzentration durchführen wolle, am liebsten wolle sie schon am Vormittag einen Fall abgeschlossen habe, bevor sie sich in der Sitzung mit den anderen Abteilungsleiterkolleginnen und -kollegen in der turnusmäßig stattfindenden Besprechung (s. Tab. 1.5, 12. Zeile; „Sitzung“) austausche. Die Teilnehmerin beharrte aber auch darauf, dass sie sich auch weiterhin um die Fragen ihrer Mitarbeitenden direkt kümmern wolle und dass sie auch weiterhin bestimmte Telefonate während des Tages führen werde, „weil man dadurch mit den Kollegen ständig in Kontakt ist.“ Gleichzeitig legte die Teilnehmerin fest, dass der telefonische Bericht an den Vorgesetzen für sie künftig den Status einer A-Priorität besitze, da ihr Chef in einem anderen Gebäude residiert, der sich zudem in einem andern Stadtteil befindet, sodass der telefonische Kontakt für sie am einfachsten zu bewerkstelligen sei und deshalb überaus zeitökonomisch und Ressourcen sparend. Nachdem die Teilnehmerin einen Entwurf ihres künftigen Tagesablaufs schriftlich skizziert und mit uns erörtert hatte (Tab. 1.7), äußerte sie sich nach einiger Zeit äußerst zufrieden darüber, dass es ihr gelungen sei, ihren Tagesablauf ökonomischer zu gestalten. Das Prinzip des Serienbildens habe ihr dabei geholfen, sie gehe aber auch mit anderem Bewusstsein an die einzelnen Aufgaben, weil sie sich der Prioritäten ihrer einzelnen Aufgaben nun klarer sei. Sie sei nun nicht mehr uneingeschränkt davon überzeugt, dass ihre „Politik der offenen Tür“, von der ihre Mitarbeitenden während des Tages praktisch jederzeit Gebrauch machen durften, in dieser Form weiter zu praktizieren sei. „Es ist wichtiger für mich, dass ich bestimmte Aufgaben in einem Ruck abarbeiten kann“, meinte sie dazu und führte dazu weiter aus, dass sie mit dieser Arbeitsweise praktisch die <?page no="67"?> 61 Zerklüftung ihres Tagesverlaufs überwinden könne, was schließlich auch ihren Mitarbeitenden zugutekäme, weil sie sich mit deren Anliegen und Fragen konzentrierter befassen könne. Das sei bei ihr vorher nicht der Fall gewesen. Die Teilnehmerin äußerte sich eine Weile nach diesem Gespräch schließlich auch zufriedener mit ihrem Tagesverlauf, da sie ihren Entwurf weitgehend umsetzen konnte. Sie berichtete bei einem später anberaumten Termin dann noch einmal, dass sie ihren Mitarbeitenden erklärt habe, warum sie einige Veränderungen in ihrem Tagesablauf vorgenommen habe. Sie habe dafür reichlich Zustimmung und Unterstützung bekommen, weil die Mitarbeitenden die Änderungen begrüßten. Das positive Feedback und ihre verbesserte Tagesökonomie bedeuteten der Teilnehmerin viel, weil sie sich kompetent in ihrem Selbstmanagement fühlte und daraus auch Selbstbewusstsein für ihre Leitungstätigkeit schöpfte. Sie betonte im Nachgespräch auch, dass sie das Prinzip des Serienbildens zwar systematisch anwende, dass der Erfolg ihres Bemühens aber durch die Kombination der im Seminar und dem anschließenden Coaching vermittelten Prinzipien zustande gekommen sei. Wir konnten der inzwischen sehr erfolgreichen Führungskraft in diesem Punkt nur beipflichten. Lfd. Nr. Uhrzeit von…bis Art der Tätigkeit Zeitaufwand/ Priorität Resultat E = erledigt U = unterbrochen 1. 08: 30-08: 40 Aufgaben f. den Tag sichten, Sekretariat- Info: Keine Störung durch Telefonate bis 10.00h 10’/ B E 2. 08: 40-09: 30 Fall A bearbeiten 50’/ A E 3. 09: 45-10: 05 Vorbereitung auf Chef- Telefonat, mit Vorgesetztem telefoniert 20’/ A E 4. 10: 05-10: 30 Telefonblock 25’/ C E 5. 10: 30-11: 00 Fall B Überblick, Vorbereitung d. Entscheidung, Fertigstellung von Fall B durch Sachbearbeiter 30’/ A E 6. 10: 50-12: 00 Sitzung usw. 70’/ B E Tab. 1.7: Entwurf des künftigen Tagesablaufs <?page no="68"?> 62 Tatsächlich ist das Prinzip 3 von Bedeutung, weil durch seine Anwendung Energie und Konzentration eingespart werden können. Das deckt sich auch mit den subjektiven Eindrücken vieler Teilnehmer, die berichten, dass sie jetzt bei ihren Aufgaben konzentrierter seien. Objektiv wird auch, wie auch das schematische Beispiel in Tab. 1.7 zeigt, das Zeitbudget in viel geringerem Maße strapaziert. FRAGE: „Warum ist das so? “ PRO-FIT-COACH: „Wenn wir eine Tätigkeit ausüben, so verbrauchen wir für die Tätigkeit als solche nur einen Teil der benötigten Gesamtzeit. Für ein Telefonat muss zuvor eine bestimmte Akte gezogen oder im PC aufgerufen werden, die wichtigsten Eckpunkte müssen kurz gelesen werden, damit sie wieder präsent sind. Vielleicht notiert man sich noch ein oder zwei Stichworte, bevor das Telefonat dann geführt wird. Nach dem Telefonat wird noch eine Notiz über die getroffenen Vereinbarungen erstellt. Das alles geht wesentlich „flüssiger“ und „ökonomischer“ von der Hand, wenn es zwei, dreimal hintereinander ausgeführt wird. Statt eines Vorganges werden gleich drei Akten gezogen, das Einlesen geht schon beim zweiten Vorgang zügiger, die Vorbereitung für das erste Gespräch kann für das zweite Gespräch mit leichten Veränderungen übernommen werden. Die Notizen danach gehen selbstverständlich auch flüssiger von der Hand, weil man ja schon von der Notiz zuvor eine gewisse Übung hat. Es geht einfach routinierter von der Hand, wenn gleichartige Handlungen und Abläufe zusammengefasst werden. Diese Routinebildung kommt eben dadurch zum Tragen, dass mehrere gleichartige Handlungen oder Abläufe hinter einander geschaltet werden. Mit jedem erneuten Durchgang sitzt jeder Handgriff besser und der/ die ‚Serientäter/ in‘ profitiert nach wenigen Wiederholungen vollends von der Routine. Jede Tätigkeit erfordert einen bis zu drei Mal höheren Zeitaufwand, wenn sie als Einzeltätigkeit durchgeführt wird. Das gilt insbesondere für gleichförmige Tätigkeiten, wie z. B. das Führen von Telefonaten, Korrespondenz erstellen bzw. Briefe schreiben, Excel-Tabellen erstellen, Zeitpläne skizzieren usw. Alle Tätigkeiten, die ähnliche Handgriffe und Abläufe aufweisen, sind für das Serien bilden geeignet und profitieren damit von diesem Prinzip. Das Zusammenfassen gleichartiger Handlungen und Abläufe erspart bei diesen und vielen anderen Tätigkeiten überflüssige Arbeiten, die mit dem (Wieder-) Hineinfinden in die verschiedenen Abläufe und Tätigkeiten zu tun haben. Wir fanden in dieser Hinsicht übrigens keine signifikanten Unterschiede zwischen Anfänger/ innen und erfahrenen Mitarbeitenden. An einem simplen Beispiel, <?page no="69"?> 63 dem Führen von Telefonaten, soll das schematisch noch einmal veranschaulicht werden (s. Tab. 1.8). Tätigkeit Zeitdauer Zeitersparnis bei Serien bilden ab 2 gleichen Vorgängen Telefonat 3 Minuten Aufrufen der entspr. Daten/ Dateien im PC 1 Minute 1 Minute (100%) Durchlesen des Formulars „Telefonnotiz“ 1 Minute 1 Minute (100%) Anfertigen der Telefonnotiz 2 Minuten Zeit verkürzt sich um bis zu 50% Tab. 1.8: Dauer von Einzeltätigkeiten am Beispiel Telefonate führen Schon das schematisch vereinfachte Beispiel macht deutlich, dass ein kurzes Telefonat von 3 Minuten Dauer als Einzeltätigkeit 7 Minuten Gesamtzeit erfordert, obwohl der Einzelvorgang des Telefonats nur 3 Minuten erfordert. Das hat einen wichtigen Grund: Beinahe jede Tätigkeit zieht einen Dokumentations- oder Verwaltungsvorgang nach sich. Wenn Mitarbeitende jeden Vorgang einzeln ausführen, dann müssen sie sich jedes Mal in diesen Vorgang hineinfinden: ‚Wo finde ich den Ordner, indem ich das Telefonat niederschreibe? ‘ ‚Welche Informationen muss ich im Formular ‚Telefonnotiz‘ eigentlich genau aufschreiben? ‘ ‚In welcher Spalte muss ich die Ausgaben für die Kosten eintragen? ‘ usw. Wenn Vorgänge zusammengefasst werden, dann fallen viele dieser Orientierungsreaktionen weg: Der elektronische oder physikalische Ordner indem die Telefonnotizen abgelegt werden, ist dann bereits aufgerufen. Das Formular Tele- <?page no="70"?> 64 fonnotiz ebenso, die Dokumentation des Telefonats geht deswegen leichter von der Hand. Das Prinzip Serien bilden ist daher ein weiteres bedeutendes Prinzip, dass in jedem effektiven Zeit- Ziel und Ressourcenmanagement berücksichtigt wird. Indem das Prinzip in der täglichen Arbeit konsequent Anwendung findet, werden Zeitreserven und Ressourcen geschont und Ziele effizient angesteuert. Oder wie es die Teilnehmerin aus dem eingangs zitierten Beispiel nach dem Seminar treffend auf den Punkt brachte: ‚Seit ich das Prinzip der Serienbildung beherzige, fühlt sich mein Arbeitstag weniger zerrissen an, ich habe mehr Zeit für die wichtigen Dinge und komme meinem Ziel jeden Tag ein Stück näher.‘“ 1.2.5 Prinzip 4: Das Schriftlichkeits-Prinzip Betrachten wir die bisher erörterten Prinzipien des ZZR-Management, so können wir feststellen, dass viele Prinzipien die Empfehlung beinhalten, man möge etwas schriftlich niederschreiben, sei es z. B. dass ein Ziel schriftlich zu fixieren sei, oder sei es, dass ein Selbstbeobachtungsbogen mit schriftlichen Aufzeichnungen zu führen ist. Ist es dann nicht überflüssig die Schriftlichkeit als Prinzip des ZZR-Managements ausdrücklich zu benennen? Ist es nicht womöglich redundant? Stimmt es nicht sogar, dass besonders die Mitarbeitenden im Öffentlichen Dienst gerade unter der Protokollierungs- und Berichtspflicht zu leiden haben; dass dieses nur Mehrarbeit bedeutet, dessen Sinn sich nicht jedem Betrachter sogleich erschließt? Auch die Vielfalt der Hilfsmittel und elektronischen Speichermedien vereinfachen nicht, bedeuteten sie doch oft die Qual der (richtigen) Wahl, um Ziele, Aufgaben, Protokolle, individuelle Darstellungen und Anwendungen professionell aufzuzeichnen und schriftlich niederlegen zu können, wie zum Beispiel: - Zeit-Plan-Systeme - Check-Listen - To-do-Listen - Vorgefertigte Berichtsformulare - Aufgaben- und Prioritätenlisten - Generallisten - Formulare für Zielvereinbarungen - Vordrucke für Gesprächsprotokolle - Besprechungsnotizen usw. Die Flut der Systeme und Instrumente ist auch ohne die ad hoc entworfenen Formulare ziemlich schwer zu überschauen. „Von der Wiege bis zur Bahre, <?page no="71"?> 65 Formulare, Formulare“ heißt es denn auch treffend und tatsächlich beklagen selbst Angehörige des Öffentlichen Dienstes bisweilen, dass bei ihnen ohne ein Schriftstück nicht einmal ein Bleistift ausgegeben wird. In dieser kleinen Übertreibung wird auch ein bisschen Wahrheit sein. Zutreffend ist aber die folgende Erfahrung: Ziele werden als verbindlicher angesehen, wenn sie von denjenigen, die die Ziele entwickeln vorher schriftlich fixiert werden. Jemand nimmt eher Anstrengungen auf sich ein Ziel zu erreichen, wenn dieses Ziel vorher schriftlich fixiert wurde. Eine Aufgabenliste oder ein Tagesplan, der schriftlich von Mitarbeitenden niedergeschrieben wird, wird verbindlicher behandelt als der lediglich gedanklich formulierte Plan. Warum ist das so? Das Formulieren eines schriftlichen Zieles fordert gerade dazu heraus, dass Wesentliche auf den Punkt zu bringen. „Man sollte versuchen x oder y tun“ ist normalerweise eine mündliche Absichtserklärung, denn eine verbindliche Willensäußerung. Schriftlichkeit zwingt zur Präzision und Wesentlichkeit der Aufgaben- oder Zielformulierung. Machen wir unseren Gesprächspartner auf den Unterschied zwischen allgemeiner Absichtserklärung und schriftlicher Ziel- oder Aufgabenformulierung aufmerksam, beginnt dieser seine Ziele etwas zu präzisieren: „Ich werde x versuchen“. Wenn wir dann anregen, lieber das Ziel noch einmal schriftlich zu präzisieren, erhalten wir zeitlich und inhaltlich genaue Zielformulierungen, oft mit exakter Nennung der Termine für Zwischenkontrollen, Delegationsmöglichkeiten usw. Schon an dieser alltäglichen Beobachtung ist der Vorteil des Aufschreibens von Zielen zu erkennen. Eine Erklärung für diese Beobachtung liefert die Theorie der kognitiven Dissonanz. Die Theorie geht davon aus, dass eine Person, die eine gewisse Anstrengung unternimmt, um seine Ziele aufzuschreiben, in einen inneren Konflikt gerät, wenn sie anschließend keine weiteren Anstrengungen unternimmt, um ihr Ziel zu erreichen. Der Gedankengang, der diesem inneren Konflikt zugrunde liegt, kann etwa so zusammengefasst werden: „Wenn ich so einen hohen Aufwand betreibe, um meine Ziele zu formulieren, dann muss mir das Ziel ja schließlich auch wichtig genug sein, dass ich fortan an der Umsetzung der Zielerreichung arbeiten werde.“ Man kann es auch so formulieren: Durch die schriftliche Niederlegung der Ziele steigt der subjektive Wert des Zieles an, verbunden mit den ersten Schritten in Richtung der Umsetzung wird dann die Erwartung, dass das Ziel erreichbar ist, gesteigert. Zumindest behaupten das die sog. „Erwartung-mal-Wert-Theorien, die z. B. in der Werbe- und Sozialpsychologie sehr anerkannt sind. Es gibt darüber hinaus noch weitere stichhaltige Erklärungen für die Tatsache, dass schriftlich niedergelegte Ziele besser erinnert und nachhaltiger umgesetzt werden. Diese Erklärung hat mit den Speichermechanismen des Gehirns zu tun. <?page no="72"?> 66 Im Unterschied zu Zielen, die nur im „Gedankenstrom“ und nicht auf dem Papier bzw. in einer Datei niedergeschrieben sind, gelangen schriftlich formulierte Ziele offenbar leichter in den relevanten Langzeitspeicher im Gehirn. Was nicht dorthin gelangt, wird schlicht „vergessen“. Schriftliche Informationen überwinden offenbar verschiedene Filter, die auf dem Weg zum Langzeitspeicher aufgebaut sind, nur mündlich formulierte Vorsätze tun sich hier erheblich schwerer. Von Bedeutung ist hierbei offenbar auch die Tatsache, ob jemand selbst seine Ziele niederschreibt. Das wurde bei einem Gespräch mit einer jungen Führungskraft des Öffentlichen Dienstes noch einmal sehr deutlich. Und zwar wurde eine Teilnehmerin gefragt, ob denn bestimmte Ziele schriftlich hinterlegt worden seien. Die Teilnehmerin meinte, dass dies sehr wohl der Fall sei, der Projektleiter habe alles im Projekthandbuch hinterlegt, aber sie habe schlicht vergessen regelmäßig dort nachzusehen und einen Abgleich oder eine Kontrolle vorzunehmen. Ähnlich war es auch ihren Kollegen ergangen. Wir neigen nicht zuletzt wegen solcher Beobachtungen dazu, die Teilnehmenden ihre Ziele selbst niederschreiben zu lassen. So stellen wir sicher, dass wir es nicht nur mit vagen Vorsätzen, sondern mit realistischen Zielen zu tun haben. Bekanntermaßen ist ja der Weg zur Hölle mit gerade diesen guten Vorsätzen gepflastert. Mitarbeitende, die ihr Zeit- Ziel und Ressourcenmanagement ernsthaft und professionell betreiben, halten ihre wichtigsten Ziele schriftlich fest. Das niedergeschriebene Ziel oder die schriftlich fixierten Aufgaben unterscheiden sich schon deshalb von allgemeinen Vorsätzen, weil das Aufschreiben von Zielen und Aufgaben meistens zu präziseren Formulierungen führt. Die S.M.A.R.T.-Formel, die wir in Zusammenhang mit dem Prinzip „Ziele setzen und verfolgen“ vorstellten (s. o.), stellt eine Leitlinie für gut formulierte Ziele dar. Die Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung steigt bei „smarten“ Zielen schon deshalb an, weil die Ziele besser mit anderen Personen, die in die Zielerreichung involviert sind, kommuniziert werden können. Auch dieser Umstand steigert die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs und ist damit ein zusätzliches Argument für das Schriftlichkeitsprinzip. Für das persönliche ZZR-Management stellt das schriftliche Formulieren von Zielen, sowie das Notieren von Meilenstein/ Realisierungsfortschritten sicherlich das wichtigste Anwendungsgebiet dar. <?page no="73"?> 67 1.2.6 Prinzip 5: Störungen erkennen und abbauen Die meisten kennen das Problem: Die Planung verlief vorzüglich, doch dann kam es anders. Heute haben Sie sich fest vorgenommen, Ihr neues Marketingkonzept zu erstellen. In drei Tagen wollen Sie Ihre Ideen der Geschäftsleitung präsentieren. Doch daraus wird nichts: Telefonate, dringende Anfragen, Faxe. Die Meldung „Sie haben elektronische Post“ lenkt Sie immer wieder von den eigentlich wichtigen Aufgaben ab. Schnell wird das eine oder andere noch mal so eben zwischendurch erledigt, eine Auskunft erteilt, ein Schreiben korrigiert. „Geben Sie das mal mir, das mache ich selbst.“ In Windeseile ist der Vormittag vorüber. Dabei hatten Sie sich das so schön vorgestellt. Ihrem ursprünglichen Plan zufolge wollten Sie zwei, maximal drei Stunden intensiv an Ihrer nächsten Präsentation arbeiten. Aber die Realität sieht in diesem Fall anders aus: Fünfmal haben Sie begonnen und jedes Mal kam etwas dazwischen. Sie sind gerade das Opfer des Sägezahneffekts geworden. Der Sägezahneffekt macht die kühnsten Pläne mit schöner Regelmäßigkeit zunichte. Wahrscheinlich kann es im Alltagsgeschäft nie vollständig verhindert werden, dass es hier und da zu Störungen kommt. Der entscheidende Unterschied ist aber, dass dieser Effekt nicht zum vollständigen Beherrscher des Tagesgeschäfts wird. Wer dem Sägezahneffekt auf Dauer anheim fällt, wird sich über kurz oder lang am Ende seiner Kräfte sehen - wenn nicht gar am Ende seiner Karriereträume. Generell kann gesagt werden, dass Tagesabläufe, die derart zerrissen sind, nicht konsequent genug an den sieben Prinzipien des ZZR-Managements ausgerichtet werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Ursachen für die Störungen in der Person selbst liegen (leichte Ablenkbarkeit, geringe Konzentration, Unlust, geringes Interesse an der Aufgabe, unklare Ziele etc.) oder durch äußere Einflüsse (Chaos auf dem Schreibtisch, „unerwartete“ Anrufe, Probleme mit der Ablage, zuwenig Personal, dauernde Anfragen, Lärmpegel, zu hohe/ niedrige Raumtemperatur etc.) gegeben sind. Patentlösungen zur Überwindung des Sägezahneffekts gibt es nicht. Für diejenigen, die aber nach einem Ansatzpunkt zur positiven Veränderung Ausschau halten, besteht der erste Schritt darin, den eigenen Tagesablauf genau unter die Lupe zu nehmen. Wir verwenden dazu ein Protokollschema wie wir es auch schon weiter oben beispielhaft verwendet haben und fügen es hier als Selbstbeobachtungsbogen zum Ausfüllen für unsere Leser/ innen ein (s. Tab. 1.9). <?page no="74"?> 68 Sie können dieses Protokollschema für die eigene Beobachtung und Protokollierung seines Tagesablaufes einsetzen. Dabei ist wie folgt vorzugehen: Füllen Sie den Protokollbogen möglichst zeitnah aus. Am besten ist es, den Bogen während des normalen, typischen Arbeitstages gleich bei der Aufnahme der ersten Tätigkeit auszufüllen. Begonnen wird die Protokollierung mit dem Ausfüllen von Spalte 1 (Eintragen der laufenden Nummer der Tätigkeit und der Beginnzeit, z. B. 01/ 7.30h). Die Art der Tätigkeit (z. B. Schreiben an Fa. XY verfassen) und auch das Ziel der Aufgabe (z. B. persönlichen Kontakt aufbauen) sollen in die zweite Spalte eingetragen werden. Schon dieser Vorgang des Protokollierens führt zu einer Reflexion und zu einer größeren Aufmerksamkeit im Blick auf den Stellenwert und den Zeitbedarf, den die einzelnen Tätigkeiten erfordern und somit auch zu der wichtigen Frage, ob die Tätigkeit wirklich notwendig ist bzw. ob es wirklich notwendig ist, dass diese bestimmte Tätigkeit von der Führungskraft selbst ausgeführt werden muss, obwohl es dafür auch rührige Sachbearbeitende gibt, die diese Tätigkeit erledigen könnte. lfd. No./ Uhrzeit (von - bis) Art der Tätigkeit/ ZIEL Zeitaufwand/ Priorität Ergebnis Tab. 1.9: Beobachtungsbogen (Blankoformular) <?page no="75"?> 69 Nachdem eine Tätigkeit ausgeführt wurde, ist die Endzeit (Spalte 1) zu notieren. Auch das Ergebnis (Spalte 4) soll notiert werden, also z. B. ob eine Aufgabe beendet wurde, oder ob die Tätigkeit vor der Beendigung unterbrochen worden ist. Anschließend, am besten in einem Feedbackgespräch mit einer neutralen Person, sollen der Zeitaufwand und die Priorität (s. Spalte 3) der verrichteten Tätigkeiten reflektiert werden. Die Auswertung des Tagesprotokolls kann dann als Grundlage für die nächste (zu verbessernde! ) Tagesplanung dienen. Die sieben Prinzipien des Zeit-, Ziel- und Ressourcenmanagements liefern hierbei gute Unterstützung, weil sie Anhaltspunkte für praktische Verbesserungen bieten: z. B. kann das Prinzip „Serien bilden“ eingesetzt werden, wenn die Auswertung des Tagesprotokolls zeigt, dass der Tag zu sehr von Einzeltätigkeiten „zerklüftet“ ist, die einander überlagern. In diesem Fall sollten auch die Prioritäten und Ziele überprüft werden. Um bei der Einteilung des Arbeitstages künftig stärker prioritätengeleitet vorzugehen, kann es z. B. günstig sein, die A- Aufgaben in die störungsfreien Zeiten zu legen, nämlich dann, wenn die Konzentration durch möglichst wenig Einflüsse von außen abgelenkt wird. Ein Ansatz zur Verbesserung kann auch darin zu finden sein, die eigenen Ziele zu überprüfen. Hierauf wird beim Ausfüllen des Protokollbogens ja bereits in Spalte 2 hingewiesen. Falls zu viele Aufgaben an einem Tag ausgeführt werden, evtl. auch noch solche Aufgaben, die nicht unmittelbar mit den wichtigen Zielen in Verbindung stehen, sollen (zusätzliche) Delegationsmöglichkeiten geprüft werden. Wenn jemand zu viele „Nebenbeschäftigungen“ im laufenden Tagesgeschäft erledigt, statt die wirklich wichtigen und Ziel führende Aufgaben zu erledigen, schafft die konsequente (schriftliche! ) Tagesplanung am Ende des Arbeitstages zusätzliche Abhilfe. Auch kann es in diesem Fall günstig sein, große, längerfristige Ziele, auf kleinere, kurzfristige Ziele herunter zu brechen und während des Tages in kurzen Abständen für sich selbst Meilensteinkontrollen vorzunehmen. Auch das ist ein kleiner, nicht unwesentlicher Beitrag zur Selbststeuerung. Für einen ersten Überblick darüber, worin die Ursachen für eigene Defizite im Zeit-, Ziel- und Ressourcenmanagement liegen können, bieten wir Teilnehmenden und Lesern/ innen einen Fragebogen, den wir speziell für unsere Zwecke entwickelt haben. Die Fragen sind auf die 7 Prinzipien des ZZR-Managements ausgerichtet. <?page no="76"?> 70 Der Fragebogen ist als erster Überblick über mögliche Störquellen und Zeitverluste gedacht. Wir sehen auch dieses Hilfsmittel nicht als das Analyseinstrument schlechthin an, sondern als Grundlage, um Ansatzpunkte zur Verbesserung des eigenen ZZR-Managements zu finden und über individuelle Verbesserungsansätze ins Gespräch kommen. 1.2.6.1 Fragebogen zur Analyse des ZZR-Managements Der folgende Fragebogen ist zur Analyse Ihres ZZR-Managements gedacht. Er soll Ihnen dabei helfen, mögliche Schwachpunkte und Störquellen im eigenen Vorgehen und in Ihrem Arbeitsumfeld zu analysieren. Die Auswertung soll für Sie schließlich Anlass sein, erste Ziele oder Maßnahmen zu formulieren, die Sie dabei unterstützen, Ihr ZZR-Management zu verbessern. Das Ziel der Fragebogenanalyse ist das Formulieren erster Schritte und Maßnahmen zur Verbesserung Ihres ZZR-Managements. Und so gehen Sie vor: 1. Kreuzen Sie für jede Feststellung die Antwortalternative an, die für Sie zutreffend ist: nie, manchmal, häufig oder immer. 2. Übertragen Sie die angekreuzten Ziffern in den Auswertungsbogen, bilden Sie die Teilsummen und addieren diese zur Gesamtsumme. 3. In der Ergebnisliste erfahren Sie, wie Sie abgeschnitten haben. 4. Formulieren Sie anschließend drei Ziele oder Maßnahmen, die Ihr ZZR- Management verbessern werden. Die Analyse der Fragebogenauswertung kann Ihnen hierbei eine Hilfe sein. <?page no="77"?> 71 Prinzip 1: Ziele setzen und verfolgen immer häufig manchmal nie 1. Ich kenne die Ziele meiner Arbeit genau. 2. Ziele formuliere ich klar und deutlich. 3. Der Verlauf meines Arbeitstages ist maßgeblich von meinen Zielen beeinflusst. 4. Ich setze mir auch im privaten Bereich Ziele und verfolge sie. 5. Ich bekomme meine Ziele überwiegend von Außen vorgegeben. 6. Ich tausche mich regelmäßig mit meinen Kollegen über relevante Ziele aus. 7. Ich bin wegen meiner Zwischenziele regelmäßig mit meinem Vorgesetzen in Kontakt (z. B. Meilensteingespräche). 8. Ich richte mein Handeln nach (meinen) Zielen aus. 9. Wenn ich eine Aufgabe erledige, ist mir das dahinterstehende Ziel meistens bewusst. Prinzip 2a: Planung immer häufig manchmal nie 10. Ich stimme mich mit meinen Kollegen hinsichtlich wichtiger Eckpunkte gemeinsamer Aufgaben ab. 11. Ich lege eine Abfolge von Schritten fest, bevor ich mit einer aufwändigen Arbeit beginne. 12. Ich muss bei meiner täglichen Arbeit nachsteuern. 13. Ich prüfe bei einer zu erledigenden Aufgabe auch die personellen Kapazitäten, die zur Verfügung stehen. <?page no="78"?> 72 14. Ich gleiche Planung und Ziele ab. 15. Ich berücksichtige bei der Planung Fristen und Abgabetermine, um Nachteile abzuwenden. 16. Ich entwickle Kriterien für die Erfolgsmessung der von mir durchgeführten Aufgaben. 17. Ich beginne Aufgaben häufig spontan. 18. Ich plane Puffer- und Reservezeiten ein. 19. Ich verwende bei größeren Projekten schriftliche Planungshilfen (z. B. Excel, Netzplan), um die Projektfortschritte laufend kontrollieren zu können. Prinzip 2b: Prioritäten immer häufig manchmal nie 20. Ich erledige häufig Routineaufgaben und lasse Wichtiges liegen. 21. Ich setze die zur Verfügung stehende Software zur Prioritätenkontrolle ein (z. B. durch die Verwendung von Outlook). 22. Meine tägliche Arbeit ist häufig hektisch, weil dringende Aufgaben zu erledigen sind. 23. Ich arbeite mit meinen Kollegen regelmäßig an Zielsetzungen und Fragestellungen, die langfristig bedeutsam, aber kurzfristig nicht dringend sind. 24. Ich unterteile meine Aufgaben nach wichtig und dringend. <?page no="79"?> 73 25. Ich richte mich bei der Bearbeitung von Aufgaben nach den Prioritäten. 26. Ich habe die wichtigsten Aufgaben meistens im Blick. 27. Ich erledige Aufgaben häufig so, wie sie auf den Schreibtisch gelangen, also spontan. 28. Mein Tagesablauf ist selten vorhersagbar, weil immer etwas Neues passiert. 29. Die Prioritäten meiner Arbeit sind klar und eindeutig. Prinzip 3: Serien bilden immer häufig manchmal nie 30. Ich protokolliere von Zeit zu Zeit meinen Arbeitsalltag, um ihn auf Schwachstellen zu prüfen. 31. Ich verbessere ständig meine Arbeitsabläufe (z. B. durch das Erstellen von Checklisten). 32. Ich lasse mich leicht von einer Aufgabe ablenken, wenn diese hohe Konzentration erfordert. 33. Ich verwende viel Zeit darauf, eine unterbrochene Tätigkeit wieder aufzunehmen, um wieder in die Arbeit hineinzufinden. 34. Ich organisiere meine Routinetätigkeiten so, dass ich mehrere Aufgaben ähnlichen Typs en bloc abarbeiten kann. 35. Mein Arbeitstag ist häufig von zahlreichen Einzelaufgaben bestimmt. 36. Bei wichtigen Aufgaben werde ich häufig durch Telefonate o. ä. unterbrochen. <?page no="80"?> 74 Prinzip 4: Schriftlichkeit immer häufig manchmal nie 37. Ich formuliere wichtige Aufgaben und Ziele schriftlich. 38. Ich setze für das Festhalten und Kontrollieren von Aufgaben und Zielen bestimmte Hilfsmittel systematisch (Zeit-Plan-System, To-Do-Listen, Outlook usw.) ein. 39. Meine Ziele und Aufgaben habe ich ausnahmslos im Kopf. 40. Ich trage Termine, Aufgaben, Aktivitäten im Zeitplanbuch (Papier/ Software) ein. 41. Ich halte bei wichtigen Aufgabenstellungen Ziele zeitlich und inhaltlich fest. 42. Ich halte Termine für Zwischenkontrollen und Verantwortlichkeiten schriftlich fest. Prinzip 5: Störungen erkennen und abbauen immer häufig manchmal nie 43. Ich lasse mich oft zu leicht von einer wichtigen Aufgabe ablenken. 44. Ich gehe systematisch vor, um der Ursache einer Störung auf den Grund zu gehen. 45. Ich beginne häufig Tätigkeiten, ohne sie zu beenden. 46. Die Ergebnisse meiner Arbeit stellen mich zufrieden. 47. Ich erledige während des Tages häufig andere Aufgaben als die, die ich mir vorgenommen hatte. 48. Ich fühle mich durch externe Besucher oder Anrufe häufig in meiner Konzentration gestört. <?page no="81"?> 75 49. In meiner Arbeitsumgebung ist es häufig sehr laut. 50. Ich tausche mich von Zeit zu Zeit mit meinen Kollegen über die Überwindung von Problemen aus. 51. Ich arbeite nach dem Grundsatz: „Aus Fehlern lernen.“ Prinzip 6: Erledigungstermine setzen und beachten immer häufig manchmal nie 52. Ich habe häufig mehrere „Baustellen“, die ich gleichzeitig zu bearbeiten habe. 53. Es gelingt mir selten, Endtermine für gesetzte Aufgaben einzuhalten. 54. Ich arbeite selten mit verbindlichen Anfangs- und Endterminen. 55. Ich nehme eine Zeitschätzung für zu erledigende Aufgaben vor. 56. Ich plane Zeitpuffer für Unvorhergesehenes ein. 57. Ich schätze den Zeitbedarf für eine zu erledigende Aufgabe, bevor ich beginne. 58. Bei allen Aufgaben, die wir im Team erledigen, stimmen wir uns verbindlich hinsichtlich der Zeitfenster für die zu erledigenden Aufgaben ab. 59. Ich versuche, auch wichtige Gespräche zeitlich zu limitieren. <?page no="82"?> 76 Prinzip 7: Aufgaben und Verantwortung delegieren immer häufig manchmal nie 60. Wichtige Aufgaben erledige ich lieber selbst. 61. Ich delegiere meistens an dieselben Mitarbeiter, auch wenn ich grundsätzlich an andere Personen delegieren könnte. 62. Ich delegiere auch deshalb, weil ich schwächeren Mitarbeitern eine Chance geben möchte. 63. Bevor ich eine komplizierte Aufgabe erledige, mache ich sie lieber selbst, da spare ich mir aufwändige Erklärungen. 64. Wenn ich eine Aufgabe delegiere, dann lege ich Wert darauf, dass Mitarbeitende den bewährten Lösungsweg beschreiten (schließlich muss das Rad ja nicht bei jeder Aufgabe neu erfunden werden). 65. Ich delegiere ausschließlich C-Aufgaben bzw. Aufgaben von geringer Priorität, allenfalls in Ausnahmefällen delegiere ich B- Aufgaben. 66. Wenn ich eine Aufgabe delegiere, lege ich Wert darauf, dass der von mir skizzierte Lösungsweg genau eingehalten wird. 67. Routineaufgaben erledige ich häufig lieber selbst. 68. Ich nutze das Delegieren, um die Arbeitsweise oder Ideen meiner Mitarbeitenden kennen zu lernen. <?page no="83"?> 77 Frage Nr. immer häufig manchnie Frage Nr. immer häufig manchnie mal mal 1 3 2 1 0 35 0 1 2 3 2 3 2 1 0 36 0 1 2 3 3 3 2 1 0 37 3 2 1 0 4 3 2 1 0 38 3 2 1 0 5 0 1 2 3 39 0 1 2 3 6 3 2 1 0 40 3 2 1 0 7 3 2 1 0 41 3 2 1 0 8 3 2 1 0 42 3 2 1 0 9 3 2 1 0 43 0 1 2 3 10 3 2 1 0 44 3 2 1 0 11 3 2 1 0 45 0 1 2 3 12 0 1 2 3 46 3 2 1 0 13 3 2 1 0 47 0 1 2 3 14 3 2 1 0 48 0 1 2 3 15 3 2 1 0 49 0 1 2 3 16 3 2 1 0 50 3 2 1 0 17 0 1 2 3 51 0 1 2 3 18 3 2 1 0 52 0 1 2 3 19 3 2 1 0 53 0 1 2 3 20 0 1 2 3 54 0 1 2 3 21 3 2 1 0 55 3 2 1 0 22 0 1 2 3 56 3 2 1 0 23 3 2 1 0 57 3 2 1 0 24 3 2 1 0 58 3 2 1 0 25 3 2 1 0 59 3 2 1 0 26 3 2 1 0 60 0 1 2 3 27 0 1 2 3 61 0 1 2 3 28 0 1 2 3 62 3 2 1 0 29 3 2 1 0 63 0 1 2 3 30 3 2 1 0 64 0 1 2 3 31 3 2 1 0 65 0 1 2 3 32 0 1 2 3 66 0 1 2 3 33 0 1 2 3 67 0 1 2 3 34 3 2 1 0 68 3 2 1 0 Summe: Summe: Punktzahl: Addieren Sie die Teilsummen 1, 2, 3 + 4 <?page no="84"?> 78 Auflösung Erreichte Punktzahl: ...................... Punkte: Ergebnis: 197 - 204 Exzellent. Sie sind ein/ e ausgezeichnete/ r Ressourcenmanager/ in in eigener Sache. In welchen Bereichen werden Sie sich wohl noch verbessern können? Vielleicht darin, dass Sie nicht versuchen, Ihre Aufgaben noch perfekter zu erledigen? 182 - 196 Ihr ZZR-Management ist sehr gut. Sie haben im Großen und Ganzen den Überblick über Ihre Ziele. Für Sie besteht die Kunst im Weglassen von Überflüssigem. Ihr Verbesserungspotenzial besteht in der Feinregulation. Prüfen Sie z. B. die Verbesserungsmöglichkeiten, die aus der Delegation von Aufgaben und Verantwortung entwickelt werden können. 158 - 181 Sie verfügen über ein Gespür für das, was effizientes ZZR-Management ausmacht. Darüber hinaus gehen Sie an Ihre Arbeit systematisch heran. So erledigen Sie Ihre Aufgaben zumeist ökonomisch und effizient. Wie Sie sich verbessern können? Machen Sie andere Mitarbeitende oder Kolleg/ innen, die sie bei Ihren Zielen unterstützen können, zu Ihren Verbündeten. Hand in Hand geht vieles (noch) leichter. 122 - 157 Sie sind dem richtigen ZZR-Management auf der Spur. Versuchen Sie es durch noch mehr Konsequenz zu festigen. Bei welchem der sieben Prinzipien sehen Sie persönlich den größten Verbesserungsbedarf? Gehen Sie die Antworten noch einmal durch. Hier finden Sie sicher Anhaltspunkte für Verbesserungen. Welches Prinzip bringt Ihnen persönlich am meisten, wenn Sie es konsequent beachten? 80 - 121 Sie betreiben Ihr ZZR-Management momentan sehr gelassen. Oder sind Sie manchmal einfach nur ein bisschen bequem? Gehen Sie Ihre Antworten noch einmal durch und stellen Sie fest, wo der Verbesserungsbedarf am größten ist. 44 - 79 Es ist noch kein/ e ZZR-Manager/ in vom Himmel gefallen. Evtl. ist Ihre Aufmerksamkeit auf zu viele Aufgaben verteilt. Die Gefahr ist groß, dass Sie Ihre wichtigsten Ziele zeitweilig aus den Augen verlieren? Analysieren Sie doch einmal Ihren Tagesverlauf. Sind Sie wirklich mit ihrem Arbeitstag zufrieden? <?page no="85"?> 79 20 - 43 ZZR-Management ist nicht alles, aber eine gesunde Portion davon, trägt zum nachhaltigen Erfolg bei. Zielgerichtetes Vorgehen bei der täglichen Arbeit kommt schließlich auch der Freizeit zugute. Beziehen Sie auch das Feedback von Kollegen und Kolleginnen ein, wenn Sie Ziele und Maßnahmen zur Verbesserung skizzieren. 0 - 19 Die Kernfrage für Sie lautet: In welchen Bereichen bringt mir ZZR- Management tatsächlich Vorteile? Wenn Sie diese Frage für sich beantworten, werden Sie feststellen, dass neben Karriere und Erfolg auch Privatleben und Freizeit von einer Verbesserung Ihres ZZR- Managements profitieren. Unmittelbar im Anschluss an die Auswertung des Fragebogens haben Sie die Gelegenheit, Ziele und Maßnahmen zu formulieren. Das Niederschreiben regt die Ideenfindung an. Sie können Ihren Entwurf fortlaufend ergänzen und erweitern. Ziele oder Maßnahmen, die ich in der Folge für mich realisieren möchte: 1. Ziel/ Maßnahme …………………………………………………………………………………… …………………………………………………………………………………… …………………………………………………………………………………… 2. Ziel/ Maßnahme …………………………………………………………………………………… …………………………………………………………………………………… …………………………………………………………………………………… 3. Ziel/ Maßnahme …………………………………………………………………………………… …………………………………………………………………………………… …………………………………………………………………………………… <?page no="86"?> 80 1.2.6.2 Erst die Störungen beseitigen Was genau jemand unter einer „Störung“ versteht, ist im gewissen Maße vom Standpunkt des Betrachtenden und der ausgeübten Tätigkeit abhängig. Für Mitarbeitende in der Leitwarte eines Elektrizitätswerks hat der Begriff „Störung“ eine ganz andere Bedeutung als für Mitarbeitende im Einwohnermeldeamt. Wir sprachen oben schon über den „Sägezahneffekt“ und stellten fest, dass Störungen, egal welche Ursache sie haben, unsere guten Vorsätze und unsere Ziele zunichte machen können. Was als Störung erlebt wird, ist offenbar häufig persönlichen Maßstäben und Ansprüchen unterworfen. Für den einen liegt dann eine Störung vor, wenn Kollegen und Kolleginnen ständig ins Büro gelaufen kommen, um irgendetwas zu fragen oder mitzuteilen. Die einen fühlen sich durch die dauernden Anrufe gestört, die anderen hingegen betrachten die telefonischen Nachfragen als „Dienst an internen Kunden“. Das Telefonat erspart ihnen zudem Wegezeiten und der „Laden läuft“ mit den kurzen telefonischen Abstimmungen viel besser. Was eine Störung ausmacht, ist zudem auch von den jeweiligen Zielen abhängig. Es kann daher wichtig sein, zu analysieren, worin die Ursachen der wahrgenommenen Störungen liegen. Wir führen bei Seminaren und in Beratungsgesprächen regelmäßig Störungsanalysen durch. Oft tun wir dies mit der gesamten Teilnehmenden- oder Projektgruppe gemeinsam, und zwar mit dem Ziel, 1. dass die Teilnehmenden für sich individuelle Störquellen ausfindig machen und daraus Ansatzpunkte für individuell/ gruppenbezogene Verbesserungsmaßnahmen ableiten können. 2. daran anschließend in der gesamten Gruppe zu diskutieren, wie Abläufe verändert werden müssen, um das Zusammenspiel aller zu optimieren. 3. die Teilnehmenden für zwischenmenschliche Unterschiede zu sensibilisieren, will heißen: Was für den einen ein z. B. normaler, durchaus erträglicher Lärmpegel ist, kann für den nächsten extrem belastend sein. Mitarbeiter müssen sich regelmäßig mit Störungen befassen, weil ihnen so bewusst wird, welche Hindernisse auf dem Weg zum Ziel auftreten und wie diese Hindernisse zu beseitigen sind. Mit Hilfe des nachfolgenden Arbeitsblattes (Tab. 1.10) haben Sie zusätzlich zum Fragebogen (s. o.) die Möglichkeit, den Tagesablauf nach möglichen Schwachstellen zu durchforsten. Das gilt insbesondere dann, wenn gleichzeitig auch diejenigen Kolleg/ innen, Mitarbeitende und nahestehende Personen (Ehe- oder Le- <?page no="87"?> 81 benspartner können meistens auch etwas zur Verbesserung beitragen! ) als Feedback-Geber in die Analyse einbezogen werden. Der Selbstbild-Fremdbild- Vergleich bringt manchmal Erstaunliches zu Tage! Es lohnt sich diese zusätzlichen Informationsquellen in die Überlegungen zur Verbesserung des persönlichen ZZR-Managements einzubeziehen. Meine Zielaufgaben Störungen Ursachen Lösungs- Ideen Tab. 1.10: Schema zur Erfassung von Störungen im Arbeitsablauf Indem sich die Mitarbeitenden darüber austauschen, was genau als störend empfunden wird und welche direkten und indirekten Wirkungen damit verbunden sind, gelangen die Teilnehmenden zu Vorschlägen und Ideen, wie diese Störungen beseitigt werden können. Auf diese Weise merken die Kollegen und Kolleginnen auch, dass es unterschiedliche Perspektiven und Lösungsansätze geben kann, die zum Ziel oder zu einer guten Lösung führen. Solche Gruppenaussprachen bieten grundsätzlich viele Ansatzpunkte zu positiven Veränderungen, und zwar deshalb, weil klar wird, wo die Reibungsverluste auftreten, welche Auswirkungen dies auf den Gesamtprozess und schließlich auch auf die Zielerreichung hat. Wenn die Störungsanalyse in der Gruppe durchgeführt wird, dann besteht die Aufgabe der Moderation darin, dass die Mitglieder/ innen der (Workshop-) Gruppe sich den Ärger und Verdruss von der Leber sprechen können. Das ist nicht selbstverständlich, denn in vielen Einrichtungen des Öffentlichen Dienstes, aber auch in vielen Unternehmen herrscht immer noch der Grundsatz der Fehlervermeidung vor. Nicht, dass keine Fehler gemacht werden, nein, sie dürfen <?page no="88"?> 82 nur nicht zugegeben werden. Diese Fehlervermeidungskultur hat zur Folge, dass die Mitarbeitenden versuchen, ihre Fehler zu vertuschen. In diesem Klima herrscht generell häufig ein geringeres Maß an Offenheit unter Kolleg/ innen. Man kann ja schließlich überall in Fettnäpfchen treten, deshalb ist es besser, möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. Vielleicht ein Modell, um Zeit zu sparen, sicherlich aber nicht günstig für ein effizientes ZZR-Management. Wenn es passiert, dass eine Gruppe schweigt, oder die Schuld bei anderen sucht oder andere Widerstände und Ausweichmanöver in der Gruppe auftreten, dann handeln wir nach den Empfehlungen der Themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth Cohn. Die TZI ist ein Modell für die Kommunikation in/ mit Gruppen. Einer der wichtigsten Grundsätze der TZI für die beschriebene Situation lautet: Störungen haben Vorrang. Will sagen: Was auch immer von den Teilnehmenden als Störung oder Problem gezeigt oder geäußert wird, muss angesprochen und in irgendeiner Form „behandelt“ werden. „Mich stört, dass Sie immer so hektisch ins Zimmer hineinkommen, ich fühle mich durch ihre Hektik und Anspannung unter Druck gesetzt.“ Störungen sind sehr oft sehr individuelle Wahrnehmungen, wenn wir sie ernst nehmen und versuchen sie zu verstehen, trägt das oft schon dazu bei, dass eine Störung überwunden werden kann. Für Moderator/ innen ist es in diesem Fall hilfreich, wenn sie neutral reagieren, d. h., beide Seiten zunächst anhören und durch Fragen zusätzliche Informationen über den Störfall einholen. Ist diese Phase abgeschlossen, ist es häufig hilfreich, von der Rolle des Moderators in die Rolle des Coaches zu wechseln, um die Konfliktparteien in die Verantwortung zu nehmen, in dem Fall für Ziele, für Leistung, für den Erfolg des gesamten Teams. Manchmal geschieht es, dass nach dieser ersten Bestandsaufnahme beide Konfliktparteien Signale zeigen, die zu einer Vereinbarung führen, sodass künftig ein störungsfreieres Miteinander möglich ist. Vielleicht aber auch nicht. Gegensätze zwischen Konfliktparteien sind zu würdigen, sie dürfen nicht „wegdiskutiert“ werden. Beide Parteien müssen das Gespräch erst sacken lassen und die Möglichkeit haben, über die Argumente der Gegenseite nachzudenken. Bei einem Folgetermin kann das Klima nach einer ersten Aussprache schon deutlich entspannter sein. Oft sind es schon kleine Verhaltensänderungen, die zu einem ersten Erfolg führen, manchmal wird ein gegenseitiger erster Austausch der Konfliktparteien auch zum Anlass genommen, intensiver über die wichtigen Themen, die zu Reibungsverlusten führen, zu sprechen. Erst wenn diese ersten Schritte zur Vereinbarung von Regeln und Absprachen tragfähig sind, können die Inhalte, die auf der Agenda stehen, weiterverhandelt werden. Störungen ist damit immer eine Art Vorfahrtsrecht einzuräumen. Erst <?page no="89"?> 83 müssen Regeln für die Beseitigung oder Klärung der Störung gefunden werden, dann können die inhaltlichen Themen abgearbeitet werden. Neben dem Fragebogen zur Störquellenanalyse, können auch andere Analyseinstrumente zum Einsatz gelangen. Maßgeblich ist hierbei das Thema der Gruppe bzw. des Auftraggebers, also was soll untersucht werden oder worin sehen die Betroffenen die Ursachen für die Störungen. Wir erleben es nicht selten, dass nach einer ersten Aussprache der Abteilung oder Arbeitsgruppe über die „Knackpunkte“ im Umgang mit Zielen und Ressourcen der Gruppe, dann auch die Überzeugung entsteht, dass man auch einmal über andere Schwierigkeiten, die in der Abteilung bestehen, reden kann. Meist wird dieser Vorschlag zögerlich geäußert, findet dann jedoch nicht selten reichlich Zustimmung durch die Kollegen und Kolleginnen. Wenn wir dann Zeuge werden, wie in einer Abteilung gerade neue Umgangs- und Kommunikationsregeln entwickelt werden, dann wissen wir, dass auch dieses ein wichtiger Schritt hin zu einem verbesserten ZZR-Management sein wird. Das ist ein wichtiger Moment für die Teammitglieder/ innen, denn es gibt kaum einen besseren Weg als den offenen Austausch (Feedback) untereinander, um künftig besser miteinander zusammen arbeiten zu können. Also fördern wir diese Aussprache nach Kräften. Eine Verbesserung der Kommunikation ist wohl die beste Entwicklung hin zu einem effizienten ZZR-Management. Daher sind die gemeinsamen Analysen und die Diskussion über Verbesserungen auch so wertvoll. Das ZZR-Management dient gewissermaßen als Vehikel, um Feedback auszutauschen und zu neuen Regeln und Vereinbarungen zu gelangen. Eine weitere wichtige „Nebenwirkung“ unseres Seminars, die wir gerne in Kauf nehmen, weil sie zu nachhaltigen Verbesserungen der Zusammenarbeit führen kann. Natürlich kann auch die schon weiter oben bereits erwähnte Pareto-Methode als Störquellenanalyse herangezogen werden. Sie wird oft verwendet, um die Häufigkeitsverteilung verschiedener Fehlerarten und Störungen zu ermitteln. Oder um die Verteilung von Kundenreklamationen und -beschwerden zu untersuchen. In solchen Fällen hat sich diese Vorgehensweise bewährt: 1.2.6.3 Anwendung der Pareto-Analyse als Gruppen-Controlling 1. Identifizieren, der zu analysierenden Fragestellung („Was verursacht bei uns Störungen? “). <?page no="90"?> 84 2. Daten sammeln: Was, in welcher Anzahl oder Häufigkeit. Alle zugänglichen Informationsquellen sollen genutzt werden. Die Pareto-Analyse muss mit Zahlen gefüttert werden. Zu beachten ist auch, dass der Betrachtungszeitraum genau festgelegt wird. 3. Alle Elemente, die eine Wirkung haben können, sollen erfasst werden. Wird die Befragung in Gruppen durchgeführt, ist die schriftliche Abfrage der Ursachenvermutungen jedes einzelnen Teilnehmenden unbedingt zu empfehlen. Der Einsatz der Brainwriting-Methode (s. u.) stellt sicher, dass auch tatsächlich die Meinung der einzelnen Teilnehmenden abgerufen wird und der „ichschließe-mich-den-Worten-meines-Vorredners-an“-Effekt vermieden wird. 4. Ermitteln, welche Faktoren im Wirkungsgefüge, die größte Wirkung haben. Die Pareto-Analyse geht ja bekanntlich von einer 80/ 20-Verteilung aus („20% der Störungen führen zu 80% der Reklamationen“). Im Falle einer unerwarteten Gleichverteilung der Ursachenfaktoren wird empfohlen, die Kategorien und Elemente zu überprüfen. Wahrscheinlich ist, dass es doch einzelne Elemente gibt, die die größte Wirkung entfalten. In der Praxis ist nicht immer genau eine 80/ 20-Verteilung zu ermitteln. Auch eine 70/ 30 bietet schon hinreichend Ansatzpunkte für gezielte Maßnahmen. 5. Aktionsplan entwickeln, um die wichtigsten Störgrößen zu eliminieren. Wir führen in der Praxis häufig noch einen Zwischenschritt durch, indem wir nach der Diskussion die Teilnehmenden noch einmal bitten, alle jetzt (unmittelbar nach der Diskussion) relevanten Themen aufzulisten und zu bewerten. Dieses Moderationselement, das als Themenspeicher bezeichnet wird, dient dazu, die wirklich wichtigen Aktionen und Veränderungen nochmals zu formulieren und zu fokussieren, bevor sie dann im Maßnahmenplan verbindlich festgehalten werden. 1.2.7 Prinzip 6: Terminieren - Erledigungstermine setzen und einhalten Schon zu Beginn einer Tätigkeit festzulegen wie lange diese Tätigkeit in Anspruch nehmen soll, klingt nicht besonders revolutionär. Im Zusammenhang mit der Analyse und dem Controlling des persönlichen Arbeitsverhaltens ist es dennoch von Bedeutung, weil Zeit ein limitierender Faktor ist. Wenn alle Zeit der Welt zur Verfügung steht, dann können auch die meisten Aufgaben früher oder später gelöst werden. Nur ist die Praxis häufig anders angelegt, Zeit ist ein rares Gut. Sie steht nur in begrenztem Maße zur Verfügung und es ist sehr verführerisch Aufgaben zu beginnen, die dann aber länger dauern als man „eigentlich gedacht hatte“. Mit der Zeit entstehen bei diesem freizügigen Umgang mit der Zeit mehr und mehr unvollendete Baustellen, die alle ein Opfer einer halbherzigen Zeitschätzung, einer Unterschätzung der eigenen Konzentrationsfähigkeit <?page no="91"?> 85 oder anderer „überraschender“ Faktoren geworden sind. Dieses Verhalten entspricht mehr dem Stil des sich treiben Lassens und kann für den Urlaub oder ein paar freie Tage eine schöne Sache sein. Mit Steuerung des Arbeitsverhaltens hat das jedoch nicht viel gemeinsam. Es ist in diesen Fällen deshalb sehr wichtig, das eigene Arbeitsverhalten und die für die einzelnen Aufgaben benötigte Zeit über ein paar Tage hinweg zu beobachten. Wir haben in diesem Buch einige Hilfsmittel bereitgestellt (s. Tab. 1.5, Tab. 1.9 und den Fragebogen), die bei der Analyse unterstützen sollen. Diese sind hilfreich, wenn die Erkenntnisse aus der Auswertung, wie auch die Ansatzpunkte aus Gesprächen und Rückmeldungen tatsächlich in Taten umgesetzt werden, sprich also: Wenn mit der Veränderung ernst gemacht wird. FRAGE: „Was bedeutet das dann für den Einzelnen? “ PRO-FIT-COACH: „Wenn bereits klar ist, dass eine Aufgabe einen ungefähren Zeitbedarf von 90 Minuten in Anspruch nimmt, dann sind diese 90 Minuten der Anhaltspunkt, die zeitliche Leitlinie, wenn eine ähnliche Aufgabe das nächste Mal zu lösen ist.“ FRAGE: „Führt das nicht früher oder später dazu, dass wir nur noch nach der Stechuhr leben? “ PRO-FIT-COACH: „Jeder gute Ansatz kann übertrieben werden und sich dadurch zum Schlechten wenden. Wir haben schon oft den Satz gehört: ‚Ich kann erst richtig arbeiten, wenn ich weiß, dass der Termin für die Abgabe oder Erledigung der Aufgabe nahe rückt.‘ Pädagogen nennen diesen Typus den ‚Saisonarbeiter‘. Saisonarbeiter haben das Problem sich selbst zur Stetigkeit anzuhalten. Sie brauchen den Termindruck von Außen. Das Gros der Kollegen und Kolleginnen muss aber einfach nur wissen, was wird bis wann benötigt. Das Terminieren, also das Setzen und Einhalten von Erledigungsterminen bietet eine generelle Orientierung. Wenn die Kollegen und Kolleginnen dann noch beginnen, sich darüber auszutauschen, wer welche Aufgabenlösung braucht, um selbst an einer Folgeaufgabe weiter arbeiten zu können, dann wird der richtige Weg beschritten.“ FRAGE: „Sollen denn generell alle Aufgaben zeitlich begrenzt, also terminiert werden? “ PRO-FIT-COACH: „Generell ist wichtig, jedes Prinzip dort anzuwenden wo es nützt. Bei einfachen Routineaufgaben kann es schon motivational bedeutsam <?page no="92"?> 86 sein einen Zeitpunkt festzulegen, bis zu dem eine Aufgabe erledigt sein soll. Richtig interessant wird die Anwendung des Prinzips aber dann, wenn mehrere zusammenarbeiten und sie in der Aufgabenbearbeitung voneinander abhängig sind. Der Kollege oder die Kollegin wartet auf meine Rückantwort, damit er oder sie selbst an seiner Aufgabenstellung weiterarbeiten kann. Hier geht es bei der Terminierung um die zeitliche Abstimmung an der Schnittstelle, die Übergabe des Staffelstabes. In solchen und ähnlich gelagerten ist die Abstimmung hinsichtlich der Erledigungstermine ein überaus nützliches und wichtiges Prinzip, dass über das Erreichen oder Verfehlen eines Projektzieles erheblich Einfluss nehmen kann.“ FRAGE: „Hier geht es um Gruppenleistung, was ist aber wenn Vorgesetzte z. B. Gespräche zeitlich limitieren, indem sie Anfangs- und Endzeitpunkt zu Beginn des Gesprächs festlegen. Was, wenn Mitarbeitende dann mit einem wichtigen Anliegen zu ihren Vorgesetzten kommen? Bekommen diese dann nicht den Spitznamen Zeit-Terminator, wenn sie das Gespräch von vorneherein zeitlich einschränken? “ PRO-FIT-COACH: „Terminieren bedeutet ja nicht, dauernd hektisch auf die Uhr zu sehen. Wenn Vorgesetzte darum bitten ein Gespräch zeitlich zu begrenzen, dann kann das deshalb geschehen, weil sie sich voll und ganz auf das Anliegen des Mitarbeitenden konzentrieren wollen. Da Vorgesetzte aber mit Sicherheit auch noch andere, ebenso wichtige Termine einhalten müssen, die ebenfalls ihre vollständige Aufmerksamkeit erfordern, hilft die zeitliche Limitierung dabei, nicht in Zeitnot zu geraten. So weiß dann das Gegenüber auch, dass für sein Anliegen jetzt Zeit vorhanden ist und die Mitarbeitenden brauchen deshalb keine Bedenken zu haben, die Zeit ihrer Vorgesetzten über Gebühr in Anspruch zu nehmen.“ FRAGE: „Und wenn das Anliegen denn doch länger dauert? “ PRO-FIT-COACH: „Ein wirklich wichtiges Anliegen verdient es doch, dass es an mehreren Terminen besprochen wird. Die Aufteilung auf mehrere Gesprächstermine kann dann auch besser vom Gesprächsziel her kontrolliert werden, z. B. wenn beim ersten Gesprächstermin eine Bestandsaufnahme erfolgt, beim zweiten Termin dann Lösungsansätze zusammen getragen werden usw.“ FRAGE: „Das leuchtet mir ein, wenn durch dieses Vorgehen keine Zeithektik entsteht.“ PRO-FIT-COACH: „Keine Zeit zu haben bedeutet doch nur, dass man glaubt, Wichtigeres zu tun zu haben. Wenn Vorgesetzte für Mitarbeitende keine Zeit <?page no="93"?> 87 haben, dann haben sie wohl in diesem Augenblick wirklich etwas Wichtigeres zu tun. Ein Gespräch, eine Handlung oder eine Aufgabe im Hinblick auf Anfangs- und Endzeit zu terminieren ist eine ganz andere Sache. Sie zeugt davon, dass jemand seine Ziele verfolgt und seine Aufgabe im Griff hat, Wichtiges von Unwichtigem unterscheidet. Vor allem aber lässt sich daraus ablesen, dass derjenige seine Zeit und sein Leben strukturiert und gestaltet. Das ist doch ganz und gar nicht negativ. Ein Teilnehmer aus der Energiewirtschaft meinte einmal: ‚Zeit hat gasförmige Eigenschaften. Wenn es sich zu sehr ausdehnen kann, dann verflüchtigt sie sich und dehnt sich gegen unendlich aus‘. Und in der Tat ist dieser Vergleich ganz treffend: Wenn für anstehende Aufgaben keine Erledigungstermine gesetzt werden, steigt der Zeitverbrauch stark an, eine wertvolle Ressource wird dadurch verschwendet, weil sich die Tätigkeiten gegen unendlich ausdehnen. Dadurch entstehen potenzielle Risiken und Probleme: Waren können nicht rechtzeitig ausgeliefert werden, Dienstleistungen werden nicht rechtzeitig erbracht. Es hat potenziell viele negative Folgen, wenn Aufgaben und Tätigkeiten nicht begrenzt werden. Das Setzen von verbindlichen Endterminen ist für jede Art von Absprachen relevant und unterstreicht die Bedeutung der Aufgabe. Wenn der Zeitpunkt für die Fertigstellung beliebig ist, kann dann die Aufgabe wirklich wichtig sein? Daher ist das Prinzip des Terminierens auch ein wichtiges Steuerungselement für Absprachen zwischen Kolleg/ innen. Aber dieses Prinzip hat auch Bedeutung für die Selbststeuerung und die Motivation. Was ist an einer ausufernden Routinetätigkeit, deren zeitliches Ende nicht absehbar ist, attraktiv? Das ist nun wirklich schwer zu sagen! Oft sind mit dem Überschreiten von Terminen meist empfindliche Vertragsstrafen (Pönale) verbunden. Mitarbeitende sollten daher ernsthaft und verbindlich versuchen, das vorgegebene oder vereinbarte Zeitfenster einzuhalten. Allzu leichtfertige Versprechen über die Fertigstellung einer Teilaufgabe können wirklich teuer werden und unangenehme Konsequenzen zur Folge haben. Das Arbeiten mit Erledigungsterminen beinhaltet auch, dass immer auch Meilensteine gesetzt werden, d. h., der Fortschritt der Aufgabenerledigung regelmäßig kontrolliert wird, damit eine entsprechende Steuerung des Gesamtablaufs erfolgen kann. Die Tätigkeiten der Mitarbeitenden im Öffentlichen Dienst sind in den seltensten Fällen wirklich unabhängig voneinander. Es ist daher nicht unbedeutend, dass Erledigungstermine eingehalten werden, da andernfalls Störungen im Gesamtablauf die Folge sind. <?page no="94"?> 88 Die Realisierung des sechsten Prinzips ist daher in hohem Maße von dem Funktionieren der innerbetrieblichen Kommunikation abhängig. Sie ist aber auch eng mit dem zweiten Prinzip, i.e. der sinnvollen Planung von Abläufen, verbunden. Betriebspraktiker sprechen bei der Informationsweitergabe oft von Holschuld bzw. von einer Bringschuld. Tatsächlich ist dieses Denken überholt. Sollen betriebliche Abläufe durch die Absprache von Erledigungsterminen reibungslos funktionieren, muss jeder Beteiligte die Verantwortung dafür übernehmen, dass der Informationsfluss funktioniert. Entsprechend sollte die Reaktion ‚Chef, Sie hätten mich ja mal fragen können‘ dazu führen, dass die Kommunikationsregeln mit den Kollegen und Kolleginnen, sowie den Mitarbeitenden schnellstens miteinander besprochen werden. Oder um im Vokabular von S. R. Covey zu sprechen: ‚Der Quadrant-II wurde zum Quadranten-I und ist damit dringend genug, dass wir mit unserer operativen Hektik dafür sorgen, dass uns das Problem vollends über den Kopf wächst‘ (persönliche Mitteilung).“ 1.2.8 Prinzip 7: Die Regeln der Delegation Delegation wurde einst als Führungskunst beschrieben. Sicherlich kann gesagt werden, dass Delegation ein Fundament der Führungsarbeit ist. Was aber hat Delegation mit Zeit-, Ziel- und Ressourcenmanagement zu tun? Wenn wir die Gesamtheit der zu erledigenden Aufgaben nach Prioritäten und bestimmten Kriterien einteilen, dann ist es von Vorteil, wenn man auch tatsächlich bestimmte Aufgaben mit der entsprechenden Verantwortung an einen oder mehrere Mitarbeitenden delegieren kann. Die Delegation stellt hierbei eine wahrhaft effiziente Konsequenz dar, die aus einer ABC-Analyse konsequent abgeleitet werden kann. Des Öfteren schon konnten wir in Diskussionen von fachkundiger Seite hören, dass man nur die sog. C-Aufgaben delegieren könne. Wir haben unsere Meinung zu dieser Auffassung schon weiter oben ausgeführt. Wir sagen dazu: Welche Aufgaben tatsächlich am besten delegiert werden, das ist von den Zielen, der Aufgabenart und -fülle, der Personaldecke, der Hierarchie bzw. der Struktur der Organisation abhängig. Grundsätzlich können sehr wohl höherwertige B-Aufgaben und auch Bestandteile von A-Aufgaben delegiert werden. Auch A-Aufgaben sind delegierbar, sonst wäre ein Unternehmen nicht steuerbar und auch eine Behörde oder eine Einrichtung des Öffentlichen Dienstes könnte nur schwer funktionieren, wenn die A-Aufgaben nur von einer einzigen Person bearbeitet werden könnten. Nur wenige Aufgaben sind überhaupt nicht delegierbar, allenfalls rechtliche Vorschriften, können die Delegationsmöglichkeit einschränken. Das betrifft z. B. bestimmte ärztliche und psychotherapeutische Tätigkeiten, die zwar grundsätzlich delegierbar sind, praktisch sind aber so viele Beschränkungen und Auflagen mit der Delegation verbunden, <?page no="95"?> 89 dass die Delegationsmöglichkeit stark eingeschränkt ist. Hier gilt der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung. Man könnte hier folglich von solchen A-Aufgaben sprechen, die tatsächlich nur von dem zur Dienstleistung verpflichteten persönlich zu erbringen sind. Weiterhin gilt es im Öffentlichen Dienst hinsichtlich der Delegation von Aufgaben einige arbeitsbzw. tarifrechtliche Regelungen zu beachten, sodass Vorgesetzte, die eine Aufgabe an Mitarbeitende delegieren möchten, vorab die entsprechenden Regelungen, zum Beispiel bei der Übertragung „höherwertiger Aufgaben“ prüfen sollte. Davon abgesehen aber bietet die Delegation prinzipiell die Möglichkeit, den Tagesablauf vom Diktat des Dringlichen zu entzerren. Das wiederum verschafft der Führungskraft Freiräume, die notwendig sind, um gezielt wichtige und nicht dringende Aufgaben zu erledigen, denen, wie wir weiter oben ausgeführt haben, im Tagesgeschäft viel zu wenig Zeit gewidmet wird. Die gezielte Anwendung des Prinzips Delegation ist damit nicht nur sinnvoll, sondern auch für jedes ZZR-Management eine notwendige Maßnahme, deren Verbesserungsmöglichkeiten unbedingt geprüft werden sollten. Die in zahlreichen Fachratgebern geführte Diskussion über die Frage, welche Aufgaben nun delegiert werden sollen, ist weitgehend überflüssig. Wenn die Verbesserung des ZZR-Managements das Ziel ist, müssen alle Möglichkeiten zur Steigerung der Effektivität von Innen heraus erwogen werden. Dazu gehört es auch, die gegebenen Delegationsmöglichkeiten radikal auszuschöpfen. Wie gesagt: Im Öffentlichen Dienst ist der Begriff „radikal“ derzeit allerdings noch mit Einschränkungen zu sehen! Dabei ist ebenso zu beachten, dass Aufgaben sehr wohl, die Verantwortung aber nur zum Teil delegiert werden kann. Die Hauptverantwortung liegt beim Delegierenden. Somit behält der Vorgesetzte die Führungsverantwortung, der Mitarbeiter bekommt die Aufgabe übertragen, erhält entsprechende Kompetenzen (z. B. für ein bestimmtes Budget) und damit auch die Handlungsverantwortung übertragen. Delegation ist der Faktor schlechthin, durch den ein gegebenes Zeitfenster optimiert wird. Wenn acht Leute eine Stunde lang intensiv an einer Problemlösung arbeiten, dann entspricht dies der Leistung eines kompletten Arbeitstages, vorausgesetzt, die Delegation funktioniert nach gewissen Regeln. Wenn die Regeln der Delegation beachtet werden, wird nicht nur der Zeitfaktor optimiert, sondern auch die Ressourcennutzung, was im Sinne unseres Verständnisses von ZZR- Management darüber entscheidet, ob Synergieeffekte tatsächlich stattfinden. <?page no="96"?> 90 FRAGE: „Gut, aber wenn ich in meiner Abteilung eine Aufgabe delegieren möchte, dann stöhnen die angesprochenen Mitarbeitenden, dass sie selbst schon so viel zu tun hätten …“ PRO-FIT-COACH: „… und Sie kommen sich wieder einmal als Bittsteller vor. Das mag mit einem Phänomen zu tun haben, das wir im Öffentlichen Dienst schon des Öfteren angetroffen haben, nämlich dass überwiegend die Leistungsträger mit Zusatzaufgaben bedacht werden. Andere Mitarbeitende werden gar nicht erst angesprochen, weil die Führungskräfte Widerstände befürchten und dem Konflikt lieber aus dem Weg gehen möchten. Wenn Vorgesetzte nach diesem impliziten Führungskonzept (Leistungsträger belasten, übrige Mitarbeitende schonen) handeln, dann müssen sie damit rechnen, dass einige ihr Delegationsanliegen von vorneherein blocken. Am Anfang erscheint diese Führungsmethode als guter Weg, was aber passiert, wenn die Leistungsträger keine weiteren Zusatzaufgaben mehr bewältigen können? Diese Situation ist für eine Nutzung des Prinzips der Delegation bei weitem nicht optimal.“ FRAGE: „Ja, aber bevor ich nun einem dieser eher ablehnend eingestellten oder unerfahrenen Mitarbeitenden erklärt habe, was ich tun soll, habe ich die Aufgabe schon dreimal selbst gemacht! “ PRO-FIT-COACH: „Ja, sehen Sie und deshalb ist ZZR-Management ja nichts mit der Vermittlung von Zeitspartechniken gemeinsam. Natürlich muss ich einen Mitarbeitenden erst dazu befähigen, dass er eine Aufgabe in inhaltlichfachlich und zeitlich angemessener Weise bewältigen kann. Diese Investition erfordert, je nach Vorkenntnissen und Reifegrad des Mitarbeitenden, natürlich Zeit. Aber ohne diese Investition erhalten Sie keine Rendite. Das ist in der Personalentwicklung nicht anders als am Kapitalmarkt: Von nichts kommt nichts. Ohne Kapitaleinsatz kein Zins. Wenn Sie daraus den Schluss ziehen, dann doch lieber alles selbst zu machen, leidet früher oder später erst die Qualität der Ergebnisse und dann Ihre Lebensqualität. Dazu kommt: Mitarbeitende, die nicht durch anspruchsvolle Aufgaben gefördert werden, schrauben ihr Engagement für die Sache zurück. Diese Rahmenbedingungen sind langfristig kaum dazu geeignet, die Zielerreichung zu fördern und den Erfolg zu sichern. Effektives Zeit-, Ziel- und Ressourcenmanagement zeigt sich daher nirgendwo so deutlich, wie bei der Anwendung des siebten Prinzips, der Delegation.“ FRAGE: „Weiß ich jetzt denn, wie es sich mit der Delegierbarkeit von A-Aufgaben verhält? “ PRO-FIT-COACH: „In einem etwas erweiterten Verständnis von A-Aufgaben könnte man folgendes sagen: Wenn jeder seine Ziele kennt und jeder seinen Job <?page no="97"?> 91 so gut macht wie er kann, dann ist jede Tätigkeit eine potenzielle A-Aufgabe. Jede Aufgabe, die einen Beitrag zur Zielerreichung leistet, ist eine A-Aufgabe, unabhängig davon, ob sie strategischen oder operativen Charakter hat. Leider stehen diesem Denken im Öffentlichen Dienst eine Reihe von Einschränkungen gegenüber. Hier sind wirkliche Veränderungen gefragt, denn das Denken im Öffentlichen Dienst entspricht oftmals noch dem Hierarchiedenken aus kaiserlicher Zeit. Ein zeitlicher Anachronismus, von dem sich Leistungstragende ausgebremst fühlen. Man trifft an allen Ecken und Enden auf diese Bremswirkung, darauf jetzt aber hier näher einzugehen, würde den Rahmen unserer Thematik deutlich sprengen. Dass es im Öffentlichen Dienst jede Menge dieser Hindernisse aus grauer Vorzeit gibt, zeigt letztlich, dass hier ein Paradigmenwechsel stattfinden muss. Allein durch die Aktivierung von immer neuen Einsparpotenzialen, lassen sich diese alten Strukturen nicht verändern. Es gibt also eine Reihe von Hinderungsgründen, die den optimalen Einsatz des Prinzips Delegation im Öffentlichen Dienst einschränken. Wir müssen uns aber mit diesen Wirkungen auseinandersetzen, denn das ist Praxis des ZZR-Managements. Wenden wir uns aber nun auch den mehr handwerklichen Aspekten bei der Anwendung des Prinzips Delegation zu. Was gilt es zu beachten? Darauf werden wir jetzt noch genauer eingehen.“ 1.2.8.1 Delegation von Aufgaben und Verantwortung: Eine Herausforderung für Vorgesetzte und Mitarbeitende Was ist bei der Anwendung des Prinzips Delegation zu beachten? Wir wollen die wichtigsten Punkte auflisten: 1. Beschreiben Sie die Aufgabe: Was ist zu tun, (bis) wann ist es zu tun, welche Ergebnisse erwarten Sie. 2. Erklären Sie, warum die Aufgabe gemacht werden soll, erklären Sie den übergeordneten Zusammenhang und die Bedeutung der Aufgabe. Sprechen Sie über mögliche Komplikationen, die während der Ausführung passieren können. 3. Legen Sie Standards fest, an denen der Erfolg der Aufgabenerfüllung bewertet wird. Die Kriterien sollen realistisch und erreichbar sein. 4. Statten Sie die Mitarbeitenden mit den Kompetenzen aus, die sie brauchen, um die Aufgabe termingerecht und sachlich richtig zu erfüllen. <?page no="98"?> 92 5. Gewähren Sie die Unterstützung, die die Mitarbeitenden brauchen (z. B. finanzielle Mittel, Rat und Unterstützung). 6. Stellen Sie sicher, dass die Mitarbeitenden die Aufgabe verstanden und akzeptiert hat. Unterstreichen Sie Ihre Erwartungen und holen Sie sich das Einverständnis der Mitarbeitenden ab. (nach Bob Nelson & Peter Economy, 2003) Um die Delegation optimal zu gestalten, bedarf es genauer Erläuterungen der Delegierenden. Um das Verständnis bei Mitarbeitenden abzusichern, sind Fragen und Dialog unerlässlich. Der Redeanteil von Seite der Delegierenden sollte daher im Verlauf des Gesprächs deutlich abnehmen, gleichzeitig sollte Mitarbeitende die Gelegenheit erhalten, die Eckpunkte der delegierten Aufgabe zusammen zu fassen und ggf. präzise Fragen zu stellen. Folgende Eckpunkte sollten sowohl Delegierenden als auch denjenigen, denen die Aufgabe delegiert wurde zweifelsfrei klar sein: Was genau ist zu tun, in welcher Qualität und Güte und welche Quantität gleichzeitig zu erbringen ist (Stückzahl, Anzahl von Gesprächen, Umfang des auszuarbeitenden Konzepts usw.). Außerdem sollte deutlich sein, bis zu welchem Zeitpunkt (Meilenstein oder Endtermin) welche Leistung zu erbringen ist (End-, Abgabetermin oder Zwischenbericht. Am Ende des Delegationsgesprächs muss als verbindlich gelten, was zum verabredeten Zeitpunkt „geliefert“ wird: Konzeptentwurf, Prototyp, Betaversion oder die vollständige Umsetzung des Zieles). Viele Missverständnisse und daraus resultierende Enttäuschungen auf beiden Seiten lassen sich durch Zuhören und Nachfragen seitens der Führungskräfte am besten ausräumen. Wenn Führungskräfte die Überlegungen zur Vorgehensweise schildern lassen, können sie relativ leicht überprüfen, ob die Aufgabe bei den Mitarbeitenden in guten Händen ist, sprich, ob die geschilderte Vorgehensweise Erfolg versprechend ist. Am besten kann dieses durch W-Fragen (wer, wie, was, wo, wann) erreicht werden, wobei unsere Auflistung (s. o.) als Orientierungshilfe zur Gesprächsführung dienen kann. Trotz aller Sorgfalt gibt es bei Delegationsgesprächen eine Reihe von Fehlermöglichkeiten, Fallstricken, die schwerwiegende Folgen haben können und auf die wir Sie daher aufmerksam machen möchten. Getreu dem Motto: Aus Schaden wird man klug, aber deswegen muss man nicht jeden Fehler selbst machen. Auch hinter diesem Spruch steckt ein bisschen vom Delegationsprinzip! Auf der Folgeseite finden Sie eine Zusammenstellung von Fehlern, die eine Workshopgruppe vor einiger Zeit ausgearbeitet hat. <?page no="99"?> 93 1.2.8.2 Die 10 Kardinalfehler beim Delegieren • Mitarbeitende werden nur unzureichend über Aufgaben, Ziele und Konsequenzen informiert. Die Mitarbeitenden wissen nicht um die Bedeutung und den Stellenwert, den die zu delegierende Aufgabe im Gesamtzusammenhang hat. • Die Delegation wird wie ein Befehl ausgesprochen. Befehlsverhalten und die Erwartung von Eigenverantwortung und Selbständigkeit bei Mitarbeitenden passen nur bedingt zusammen. Eine Delegation ist nur so gut wie der Dialog, der den Mitarbeitenden die Bedeutung der Aufgabe vermittelt. • Den Mitarbeitenden wird im Detail die Ausführung vorgeschrieben. Dann handelt es sich nicht um eine Delegation, sondern um eine Arbeitsvorschrift. Delegieren bedeutet den Mitarbeitenden den Weg zum Ziel zu überlassen. Wenn Sie nicht überzeugt sind, dass die Mitarbeitenden die Aufgabe selbstständig zum Erfolg führen kann, dann sollten Sie ihm die Aufgabe nicht delegieren. • Die zeitlichen Rahmenbedingungen sind unklar. Zeitangaben, auch für die Meilensteinkontrolle, gehören immer dazu. • Es werden nur die Aufgaben, nicht aber Kompetenzen, Werkzeuge und Verantwortung delegiert. Daran scheitern viele Delegationen, denn ohne erforderliche Kompetenzen oder Hilfsmittel ist das Erreichen des Zieles unwahrscheinlich. Die Mitarbeitenden müssen von sich aus auf die zur Erfüllung der Aufgabe relevanten Hilfsmittel zurückgreifen können. • Aufgaben werden nur zur Hälfte an Mitarbeitende delegiert. Die Führungskraft behält sich die andere Hälfte vor oder übergibt sie heimlich einem Konkurrenten. Das taktische Delegieren, um Mitarbeitende zu testen sollte lieber unterbleiben. Der langfristige Vertrauensverlust überwiegt dem vermeintlichen Vorteil etwas über die Qualitäten der Mitarbeitenden in Erfahrung zu bringen. Die Mitarbeitenden beginnen Misstrauen und Zweifel gegen die Anliegen der Vorgesetzten zu entwickeln. Doppelbödige Botschaften stellen einen schweren handwerklichen Mangel beim Delegieren dar. • Eventuelle Risiken und Gefahren, die mit der Aufgabe verbunden sind, werden verschwiegen. Vor allem bei diesem kapitalen Delegationsfehler ist das Risiko der Demotivation hoch, wenn Mitarbeitende den Eindruck gewinnen, dass ihre Vorgesetzten sie gegen die Wand fahren lassen. Natürlich kann es sein, dass im Verlauf einer Aufgabe Risiken und Gefahren entstehen, die zum Zeitpunkt der Delegation nicht erkennbar waren. Eine gewisse Sicherheit bilden hier regelmäßige und rechtzeitige Meilensteingespräche und Zwischenkontrollen, aber auch die Vereinbarung, dass bei Unregelmäßigkeiten <?page no="100"?> 94 eine kurzfristige Abstimmung sofort und jederzeit möglich ist. Das kann eine wichtige Absicherung für Vorgesetzte und Mitarbeitende sein. Gerade bei gefahrgeneigten Tätigkeiten bietet es sich an, eine „Hotline“ herzustellen, sodass plötzlich auftretende Abweichungen zeitnah mitgeteilt werden können. • Führungskräfte nehmen Lob für sich persönlich in Anspruch, obwohl die Mitarbeitenden die Arbeit erledigt haben. Auch das kommt bisweilen noch vor, auch wenn man es kaum glauben kann. Leider wird von denjenigen Vorgesetzten, die das Lob der anderen gerne für sich verbuchen bei Fehlern, die Schuld dann aber lieber an Mitarbeitende weitergegeben. Eine zweifelhafte Form der Gerechtigkeit. • Führungskräfte regieren in die Ausführung der Aufgabe zu frühzeitig bzw. ohne Grund hinein. Ein Gegensteuern ist tatsächlich nur bei groben Abweichungen von den Weg-Ziel-Koordinaten zulässig. In den meisten Fällen, in denen ein Gegensteuern notwendig wird, wurde unzureichend delegiert, z. B. weil die hier aufgeführten Empfehlungen nicht vollständig beherzigt wurden. • Wenn schließlich eine Aufgabe sachgerecht delegiert wurde, dann sollte die Selbständigkeit der Mitarbeitenden eingefordert werden. Versuche des Mitarbeitenden, die Aufgabenlösung dann doch den Vorgesetzten zu überlassen („Chef Sie kennen sich doch am besten mit der Materie aus“) werden als Redelegation bezeichnet und sind einem effektiven ZZR-Management höchst abträglich. In diesem Zusammenhang hörten wir folgenden Satz, den wir für sehr zutreffend und wichtig im Zusammenhang mit der Realisierung des Prinzips Delegation erachten: „Wer an alle Mitarbeiter gleich delegiert -delegiert an die meisten Mitarbeiter falsch.“ <?page no="101"?> 95 2 Besprechungstechnik 2.1 Einführung Im zweiten Teil befassen wir uns mit dem Thema Besprechungstechnik. Wir werden uns, wie könnte es beim ZZR-Management anders sein, mit der Frage der Verbesserung der Effektivität, rund um das Thema Besprechungen befassen. Sie können hier lernen, wie Sie Besprechungen künftig besser und effektiver gestalten und daraus bessere Ergebnisse und mehr Zufriedenheit für sich und Ihre Kollegen und Kolleginnen, bzw. Mitarbeitende ziehen. Wir haben dazu einige Auswertungen aus der Besprechungspraxis unserer Kunden aus dem Öffentlichen Dienst vorgenommen, die wir gerne mit Ihren Erfahrungen vergleichen wollen. Außerdem gehen wir hier der Frage nach, welche Kosten mit Besprechungen verbunden sind. Wir wollen Sie dafür sensibilisieren, dass Sie verantwortungsvoll mit der Zeit bei Besprechungen umgehen. Weiterhin haben wir, um die Relevanz des Themas zu beleuchten, die Chancen und Risiken beleuchtet, die z. B. mit der Gruppengröße, der Gestaltung und Durchführung von Besprechungen zusammenhängen. Beide Faktoren, Chancen und Risiken, lassen sich günstig steuern und beeinflussen, wenn Leitungskräfte und Teilnehmende das Instrumentarium einsetzen, dass wir aus unseren Erfahrungen mit der täglichen Besprechungspraxis, aus Workshops und Seminaren, hier in diesem Abschnitt zusammengetragen haben. Wir bieten, neben einigen Daten und Fakten, vor allem Praxisbeispiele, Checklisten, Formulare, praxiserprobte Empfehlungen und unsere Instrumentenkoffer für wirksame Besprechungen an. In diesem fassen wir die wichtigsten Regeln für wirksame Besprechungen zusammen. Zuvor aber wenden wir unser Konzept der 7 Prinzipien des ZZR-Managements auf das Besprechungsmanagement an. Es ist somit eine Art Bewährungsprobe für das ZZR-Management. Wie auch schon in früheren Publikationen, haben wir die „Theorie“ mit unseren Erfahrungen aus Seminaren, Workshops und Beratungsgesprächen „gewürzt“ (ohne natürlich unsere Schweigeverpflichtung zu verletzen) und hoffen, dass Sie aus dem einen oder anderen Beispiel Anregungen für Ihre eigene Praxis entnehmen können und dass unsere Beispiele Sie dazu verleiten, Ihre Besprechungen künftig noch professioneller zu gestalten. <?page no="102"?> 96 Und was haben Sie davon? Neben mehr Zufriedenheit durch die bessere Umsetzung von Ergebnissen und einer günstigeren Besprechungsökonomie wird sich der Eindruck einer professionellen Besprechungsleitung mit Ihrer Person verbinden. Zunächst aber unsere Auftaktfrage, die diesmal darin besteht, dass ich Sie um eine persönliche Einschätzung bitte: Für wie effektiv halten Sie die Besprechungen in Ihrer Abteilung? Bitte geben Sie eine Schätzung zwischen 0 Prozent und 100 Prozent an. Die Ergebnisse aus insgesamt 7 Befragungen mit insgesamt 34 Teilnehmern (nicht repräsentativ) aus dem Bereich des öffentlichen Dienstes ergab folgende Verteilung: völlig unzufrieden etwas zufrieden im Wesentlichen zufrieden sehr zufrieden % 11 57 10 8 0 10 20 30 40 50 60 Effektivität von Besprechungen in Abteilungen Abb. 2.1: Ergebnisse einer Befragung <?page no="103"?> 97 Die Begebnisse der Untersuchung zeigen: 11% der Befragten bewerten die Effektivität ihrer Besprechungen als sehr gering (25% oder weniger), 57% bewerten sie zwischen 26% und 50%, was der Bewertung „etwas zufrieden“ entspricht. 10% der Befragten bewerteten die Effektivität als vergleichsweise hoch (die Einschätzung der Effektivität lag zwischen 51% und 75%) und immerhin 8% der Befragten sagten, dass sie sehr zufrieden mit der Effektivität ihrer Besprechungen seien. Sie sind demzufolge der Meinung, dass die Effektivität ihrer Besprechungen bei mindestens 76 Prozent oder mehr liegt. Die Ergebnisse unserer Teilnehmerbefragung unter Befragten aus dem Öffentlichen Dienst sind nicht repräsentativ. Die Werte sind aus Vereinfachungsgründen gerundet. Eine Reihe der von uns gesichteten umfangreicheren Untersuchungen liefern jedoch ein durchaus ähnliches Bild: Die tägliche Besprechungspraxis wird von den meisten Befragten als verbesserbar und zu wenig professionell in Gestaltung und Durchführung geschildert. Der Output der Besprechungen wird als zu gering im Vergleich zum Aufwand angesehen. Besprechungen sind demzufolge eine potenzielle Quelle von Unzufriedenheit und Demotivation. Somit sind Besprechungen ein dankbares Betätigungsfeld für unser ZZR-Management. 2.2 Was verstehen Sie unter „Besprechungen? “ Die Teilnehmer unserer Stichprobe aus dem Öffentlichen Dienst wurden zudem gefragt, was sie unter Besprechungen verstehen und worin diese von anderen Zusammenkünften zu unterscheiden seien. Als Besprechungen wurden demnach die folgenden Zusammenkünfte definiert: • Abteilungs- und Teambesprechungen • Kurzfristig anberaumte Zusammenkünfte mit einem oder mehreren Mitarbeitern aus dienstlichen Gründen • Besprechungen im Führungskreis • Projektbesprechungen • Diskussionsrunden • Interne Informationsveranstaltungen Per definitionem sind Besprechungen geleitete Zusammenkünfte zur Lösung anstehender Probleme mit dem Ziel Beschlüsse zur erwirken, die meist schriftlich protokolliert werden und verbindlichen Charakter für alle Beteiligten besitzen. Besprechungen unterscheiden wir im Wesentlichen von Verhandlungen, Präsentationen und Workshops. <?page no="104"?> 98 Verhandlungen sind im Unterschied dazu Gespräche, in denen wechselseitige, aufeinander bezogene Interessen (Verhandlungsgegenstand) zwischen den Verhandlungsparteien bestehen, wobei im Regelfall mindestens eine Partei danach trachtet, einen persönlichen Vorteil (Verhandlungsziel) zu erwirken. „Verhandlungsgespräche“ werden in der Praxis nicht immer als solche deklariert, man spricht umso mehr von Verkaufs-, Gehalts-, Preis-, Tarifrunden oder -gesprächen. Unserer Definition von Verhandlung entsprechend, handelt es sich auch bei einigen Gesprächen in der Familie um „Verhandlungen“, etwa wenn es um die Wahl des Urlaubsortes geht oder wenn die heranwachsende Tochter oder der Sohn mit den Eltern über die Ausgehzeiten verhandeln. Auch Besprechungen können Verhandlungscharakter haben, etwa dann, wenn das Ziel der Besprechung in der Vorbereitung von (rechtsverbindlichen) Beschlüssen besteht, die die Rechte und Pflichten der beteiligten Gesprächsparteien regeln. • TIPP für Leser mit „Appetit auf Mehr“ • Fisher, R., Ury, W. Patton, B.: Das Harvard-Konzept. Campus-Verlag, 2003 • ISBN-10: 3-593-34804-7 • Das Buch ist der Klassiker der Verhandlungstechnik. Die Sprache und die Beispiele stammen aus der amerikanischen Kultur. Jedoch ist das Grundkonzept auch auf heimische Anforderungen übertragbar. So wird zum Beispiel erläutert, warum es in Verhandlungsgesprächen darauf ankommt, die Interessen der Verhandlungsparteien herauszuarbeiten, statt auf Positionen zu beharren. Das Grundgerüst der Methode wird von unseren Kunden im Öffentlichen Dienst als geeignet erachtet Unter einer Präsentation wiederum wird die Darstellung eines Konzepts oder einer Idee verstanden. Die Präsentation kann mit dem Ziel verbunden sein, die Zuhörenden zu informieren („Die Folgen der gesetzlichen Änderungen für unseren Bereich ab 1.1.2020“) oder sie von einem Sachverhalt, einer Meinung oder einem Produkt zu überzeugen („Welche Chancen die neue Situation ab 1.1.2020 für uns bedeutet“). Unter dem Begriff Workshop werden Veranstaltungen subsumiert, bei denen die Beteiligten Strategien zur Lösung von Problemen entwickeln oder zu bestimmten Thematiken gemeinsam Konzepte oder (gemeinsame) Vorgehensweisen erarbeiten. Idealerweise sind Workshops mit einer umgrenzten, von den Teilnehmenden allgemein akzeptierten Zielsetzung verbunden. Die im Workshop erar- <?page no="105"?> 99 beiteten Leitlinien („Die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden in unserem Bereich“) werden meist in einem schriftlichen Aktionsplan (= Skizze oder Vereinbarung einer künftigen Entscheidungs- oder Handlungsstrategie) festgehalten (s. Abs. 2.4.5, Tab. 2.2). 2.3 Was Besprechungen kosten und wie Sie sie effizienter machen Beispielrechnung Die durchschnittlichen Lohnkosten haben 2002 in der öffentlichen Verwaltung lt. Statistik des Bundesamtes 36.422 Euro per anno betragen, was Kosten in Höhe von etwa 3035.17 Euro pro Monat entspricht. Frage 1: Wie hoch sind Kosten pro Besprechungsstunde? Wir setzen zur Beantwortung der Frage eine Modellrechnung an, die von 8 gesetzlichen Feiertagen und 30 Urlaubstagen bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden ausgeht. Anzahl Tage im Kalenderjahr: 365 Tage ./ . 104 Tage (Samstage, Sonntage) ./ . 8 gesetzliche Feiertage ./ . 30 Urlaubstage ----------------------------------------- = 223 Arbeitstage oder rd. 18,6 Arbeitstage/ Monat ----------------------------------------- Durchzuführende Rechenoperation: • Durchschnittliche Lohnkosten pro Mitarbeiter/ Monat • dividiert durch 18,6 Arbeitstage • dividiert durch 8 Arbeitsstunden tgl. • = durchschnittliche Lohnkosten pro Stunde ----------------------------------------- Ergebnis: € 3035,17: 18,6 Arbeitstage: 8 Std. = € 20,40 pro Stunde/ Person <?page no="106"?> 100 Frage 2: Wie hoch sind die Kosten pro Besprechungsstunde? Die Personalkosten pro Person betragen = € 20,40 bei durchschnittlich 5 Besprechungsteilnehmern entspricht dies € 102,00 pro/ Stunde Die Kosten pro Besprechungsstunde belaufen sich damit auf: = € 20.40 Dauer der Sitzung (h) 5 x Anzahl der Mitarbeiter = € 102,00 Lohnkosten/ h Jede Statistik weist Schwächen auf. So auch diese. In den von uns gesichteten Statistiken sind oft genug nicht die Lohnnebenkosten enthalten. Wir wissen jedoch, dass diese für einen Aufschlag von 60 Prozent verantwortlich sein können. Ein anderer Kostengesichtspunkt ist der: Wer an einer Besprechung teilnimmt, arbeitet an anderer Stelle nicht produktiv, d. h., eine andere Arbeit bleibt liegen. Natürlich kann nicht ganz auf Besprechungen verzichtet werden. Wir haben ja an anderer Stelle auf die Notwendigkeit zielgerichteter Kommunikation und konsequenter Führungsarbeit im Öffentlichen Dienst hingewiesen. Jetzt in der Schlussfolgerung den Verzicht auf Kommunikation zu propagieren, wäre sicher falsch. Gute Besprechungen helfen dabei die Problematik der Schnittstellenkommunikation zu überwinden. Zahlreiche Beispiele aus dem Öffentlichen Dienst zeigen, dass Besprechungen sinnvoll sind, beispielsweise regelmäßige Besprechungen im Führungskreis, aber auch auf Teambzw. Projektebene zeigen sie deutlichen Nutzen. Problematisch sind deshalb nicht die Besprechungen an sich, sondern ineffektive, unprofessionell geführte, vom Zufall und persönlichen Attitüden der Sitzungsleitung geprägte Besprechungen. Unsere Kostenstatistik will darauf aufmerksam machen: Es lohnt sich, Besprechungen effektiver zu gestalten. Frage 3: Welches Einsparpotenzial ergibt sich damit für die Besprechungspraxis im Öffentlichen Dienst? In einer fiktiven Verwaltungsbehörde mit 500 Mitarbeitern (Voll- / Teilzeitkräfte) finden täglich 50 Besprechungen mit je durchschnittlich 5 Mitarbeitern, die mindestens 1 Stunde oder länger (Durchschnitt 1,5 Stunden) in Anspruch nehmen, statt. • Damit werden 375 Arbeitsstunden täglich in unserer Beispielbehörde durch Besprechungsrunden gebunden. <?page no="107"?> 101 • Das entspricht 83.625 Mannstunden (375 Stunden x 223 Arbeitstage) und die Kosten belaufen sich damit auf 1.705.950 Euro (83625 Stunden x € 20,40 je Mannstunde) pro Jahr. • Maßnahmen zur Verbesserung der Besprechungspraxis (s. u.) beinhalten, die Beispielrechnung macht es deutlich, ein gewisses Einsparpotenzial. Eine zeitliche Reduktion der Besprechungen um knapp 12 Prozent eröffnet Einsparmöglichkeiten von jährlich 200.000 Euro. Weil das eine rein rechnerische Größe im Öffentlichen Dienst ist, ist die gesteigerte Wertschöpfung, die allein aus der Verbesserung der Besprechungspraxis resultiert, hier tatsächlich die interessantere und realistischere Alternative. Schon der Faktor 2,5, der als Steigerungsfaktor für vergleichbare Projekte realistisch prognostiziert werden kann, ergibt eine Verbesserung der Leistungsbilanz, die sich auf einen Umfang von fast 4.300.000 Euro jährlich beläuft. In der Verwaltungsbehörde unseres Beispiels könnte diese verbesserte Leistungsbilanz in mehr Kundenähe und verbessertem Dienstleistungsverhalten, verbesserter Arbeitseffizienz, gesteigerter Mitarbeitermotivation durch ein verbessertes Gesundheitsmanagement oder effizientere Arbeitsweisen operativ umgesetzt werden. Frage 4: Wie machen wir unsere Besprechungen effizienter? Zur Beantwortung dieser Frage blicken wir auf die im vorherigen Abschnitt vorgestellten 7 Prinzipien des ZZR-Managements. Wie wir schon an anderer Stelle ausführten, können die 7 Prinzipien auf unterschiedlichste Bereiche angewendet und den Bedürfnissen der Benutzer und Erfordernissen der Situation angepasst werden. Die 7 Prinzipien liefern das Grundgerüst, die Praxis liefert die Anlässe und Situationen. Die Teilnehmenden sind Veränderungsagenten, ZZR-Manager/ innen in eigener Sache. Auch bei der Thematik der Besprechungstechnik achten wir wiederum darauf, dass die Teilnehmenden von Anfang an die sieben Prinzipien auf ihren eigenen Verantwortungsbereich übertragen, Praxisbeispiele und -erfahrungen austauschen und mithin ihr ZZR- MANAGEMENT entsprechend den Anforderungen und Bedürfnissen der Praxis gestalten. Es ist dabei nicht zwingend erforderlich, dass alle Prinzipien zur Anwendung gelangen, sondern dass ein Bewusstsein für Veränderungs- und Verbesserungsprozesse entsteht und die bisherige, die gängige Besprechungspraxis am besten von den Praktizierenden selbst auf den Prüfstand gestellt wird. Die Empfehlungen, die wir hier zusammengetragen haben, entsprechen den Beispielen, die wir mit den Teilnehmerzielgruppen in den jeweiligen Praxisrunden ausgetauscht haben. <?page no="108"?> 102 Dieser Erfahrungsaustausch untereinander unterstützt die Teilnehmenden wiederum dabei, die bisherige Arbeitsweise zu überdenken und die Vorteile des ZZR- MANAGEMENT auf die eigene Besprechungspraxis zu übertragen. Eine Auswahl von Empfehlungen, die wir im Laufe der Zeit mit Teilnehmergruppen aus dem Öffentlichen Dienst erarbeiteten, haben wir in den folgenden sechs Schritten zusammengefasst. 2.3.1. Sechs Schritte für wirksame Besprechungen 1. Schritt: Zu Beginn jeder Besprechung Ziele setzen Teilnehmenden an einer Besprechung sollte klar sein, welche Ziele mit der Zusammenkunft verbunden sind. Die Zeit, welche die Besprechung in Anspruch nimmt, ist die Arbeitszeit jedes Einzelnen multipliziert mit der Anzahl der Teilnehmenden. Das macht Besprechungen, wie wir ja auch schon weiter oben rechnerisch dargestellt haben, sehr aufwändig. Wenn den Beteiligten nicht klar ist, welche Zielsetzung mit der Besprechung verbunden ist, dann kann auf die Besprechung verzichtet werden. Zumindest über die Grobziele sollte zu Beginn der Besprechung Klarheit bestehen: „Wir wollen Sie in dieser Besprechung über den aktuellen Stand der Dinge informieren und die verschiedenen Positionen/ Meinungen der hier Anwesenden sammeln, damit wir in der nächsten Sitzung eine Entscheidung über das weitere Vorgehen treffen können.“ So etwa könnte eine Zielformulierung lauten. Mehr Verbindlichkeit und mehr „Drive“ kommt dann in die Besprechung, wenn jede/ r einzelne Besprechungsteilnehmende mit der Teilnahme an der Besprechung ein Ziel verbindet: „Mein Ziel ist in dieser Sitzung die Ergebnisse der gesamten Einrichtung mit den Daten unseres Bereichs abzuklären.“ So etwa könnte die Zielsetzung von Teilnehmenden lauten. Individuelle Ziele können zu Beginn jeder Sitzung von den Sitzungsleiter/ innen schriftlich oder mündlich abgefragt werden. Wenn Sitzungsteilnehmende kein Ziel mit der Teilnahme verbinden, sollte sie sich fragen, ob sie in der Zeit, welche die Sitzung dauert, nicht doch lieber eine andere Aufgabe erledigen. 2. Schritt: Besprechungen zeitlich und inhaltlich limitieren Das Prinzip 6, das Terminieren, also Erledigungstermine zu setzen und zu beachten bzw. einzuhalten, ist für Besprechungen ebenfalls relevant. Ein berühmtes Zitat in diesem Zusammenhang lautet: „Man darf über alles reden, außer über fünf Minuten“ und es sagt schon viel darüber aus, warum Zeitlimits für Besprechungen so wichtig sind. Aber auch inhaltlich sollten Besprechungen limitiert sein. Umfangreiche, mehrseitige Sitzungsagenden gehören der Vergangenheit an. Effektive Besprechungen sind geplant, kurz und umfassen nur wenige <?page no="109"?> 103 Besprechungspunkte, die in einem Aktionsplan mit klaren Aufträgen für jede/ n Einzelne/ n münden. Über das Zeitfenster für die Besprechung wird schon im Vorfeld der Sitzung, in der schriftlichen Einladung aufmerksam gemacht, sodass alle Teilnehmenden ihre persönliche Zeitkalkulation auf die Anfangs- und Endzeit der Besprechung abstimmen können. Zu Beginn der Sitzung kann in konsequenter Fortführung dieses Prinzips der Aufwand für die einzelnen Tagesordnungspunkte (TOPs) entsprechend ihrem Stellenwert eingeschätzt und festgelegt werden. Bei diesem Vorgehen ist es von Vorteil, wenn jemand die Einhaltung der Zeiten „überwacht“, die sog. Zeitwächter. Der pünktliche Sitzungsbeginn und das pünktliche Ende jeder Besprechung mag auf den ersten Blick als Empfehlung etwas antiquiert wirken und wird deshalb hier und dort schon einmal belächelt. Tatsächlich ist die Einhaltung von Zeitvereinbarungen Ausdruck der Kultur in der Institution. Die Besprechung pünktlich zu beginnen und pünktlich zu enden ist Ausdruck der Wertschätzung gegenüber den Besprechungsteilnehmenden, die ihre Zeit und ihr Know-how für die Zusammenkunft zur Verfügung stellen. Aus der Formel-1-Branche, die nicht gerade der Öffentliche Dienst ist, aber sich mit Verfahren und Vorschriften offenbar gut auskennt, wird berichtet: „Strenge Sitten bei Honda. Der neue Teamchef Ross Brawn bestraft Unpünktlichkeit. Jede Minute, die einer zu spät zu einem Meeting kommt, kostet zehn Euro.“ (Zitat aus: Auto Motor und Sport, Heft 14, 19. Juni 2008, S. 163) Ein weiterer Zeitbegrenzungsfaktor hat sich als günstig für die Durchführung von effektiven Besprechungen erwiesen. Und zwar die Zahl der Teilnehmenden. Wenn wir Besprechungen zeitlich und inhaltlich limitieren, dann ist auch die Anzahl der Besprechungsteilnehmenden zu begrenzen. Nehmen zehn Teilnehmende an einer Besprechung teil und spricht jeder insgesamt fünf Minuten zu einem Thema, sind das bereits fünfzig Minuten, also rund 55 Prozent der von uns gemessenen durchschnittlichen Besprechungszeit (s. o.). Aus diesen Überlegungen sind Besprechungen daher nicht nur zeitlich und inhaltlich, sondern auch personell zu limitieren. Aus verschiedenen Erwägungen halten wir eine Teilnehmendenzahl von fünf Personen für die ideale Anzahl. Die Gründe sind wie folgt: 1. Je größer die Gruppe, desto mehr steigt die Risikobereitschaft an. Das Phänomen ist auch als Verantwortungsdiffusion bekannt. Das kann bei wichtigen Entscheidungen, z. B. über Haushaltsetat oder Investitionen ein Nachteil sein. 2. Mit zunehmender Gruppengröße nimmt die Leistungsbereitschaft der einzelnen Mitglieder/ innen ab. Ein Grund mehr also, noch sorgfältiger auf die <?page no="110"?> 104 Auswahl der Teilnehmenden zu achten! Dieser Effekt ist als Ringelmanneffekt bekannt. 3. Rein praktische Erwägungen: Je mehr Leute, desto mehr Redezeit wird benötigt, gleichzeitig lässt die Konzentration und Aufnahmebereitschaft der anderen Teilnehmenden nach. Daraus können ebenfalls Nachteile für anstehende Entscheidungen resultieren. 4. Je größer die Gruppe, desto wahrscheinlicher die Subgruppenbildung. Das kann von Vor- oder Nachteil sein. Entscheidend ist hier, ob es dem/ der Sitzungsleiter/ in gelingt, die Subgruppen zusammenzuführen und die Gesamtgruppengesamtleistung gegenüber der Einzelleistung der Teilnehmenden zu steigern bzw. diese zu übertreffen. Um diesen sog. Synergieeffekt zu erzielen, sind Moderations- und didaktische Fähigkeiten der Gruppenleiter/ innen von Nöten. 3. Schritt: Besprechungspunkte, Ergebnis und Umsetzung schriftlich skizzieren Hierbei kommt das Schriftlichkeitsprinzip (Prinzip 4) zur Anwendung. Neben der rechtzeitigen, schriftlichen Versendung der Tagesordnungspunkte an die Besprechungsteilnehmer gehört auch das Erstellen eines Ergebnisprotokolls (s. Abb. 2.2) zu einer Besprechung dazu. Auch dieses sollte wiederum zeitnah den Teilnehmenden zur Einsichtnahme vorliegen, sodass die Umsetzung der Vereinbarungen und Maßnahmen zügig erfolgen kann. Oft mangelt es hier schon an der notwendigen Konsequenz. Die Ergebnisprotokolle „tauchen“ Wochen später auf, sodass sich kaum einer noch an die Sitzung erinnern kann. Oder das Erstellen eines Protokolls wird vergessen oder es ist nicht jedem Besprechungsteilnehmenden klar, dass das Protokoll an einem bestimmten Ort zur Einsicht ausliegt oder wo es im Intranet abgelegt ist. Daher ist neben dem schriftlichen Fixieren von Beschlüssen und vereinbarten Maßnahmen die zeitnahe Veröffentlichung ein besonders wichtiger Schritt, der die Effizienz der Besprechung erheblich beeinflusst. Besprechungen, die diesen Anforderungen nicht genügen, können den Status „sozialer Eventveranstaltungen“ erlangen, können aber nicht als effiziente Besprechungen angesehen werden. Es ist daher förderlich, das Besprechungsunwesen in seinem Bereich zu durchforsten und nicht notwendige Besprechungen zu streichen. Hier ist Einsparpolitik sogar sinnvoll! Vom „Wertschöpfungsgedanken“ (wenn wir diesen hier zur Anwendung bringen) her betrachtet ist es besser, die für nicht notwendige Besprechungen aufgewendeten personellen und zeitlichen Kapazitäten anders zu nutzen. Wenn außerdem die Umsetzung von schriftlich fixierten Beschlüssen und Maßnahmen nicht konsequent controlled (heißt: Die Umsetzung der Ergebnisse wird eingefordert) wird, gilt auch hier wiederum der Grundsatz: Der zeitliche und personelle Aufwand ist vergebliche Liebesmüh. <?page no="111"?> 105 4. Schritt: Besprechungen gründlich planen und vorbereiten Wenn Mitarbeitende des Öffentlichen Dienstes die gängige Besprechungspraxis in ihrem Bereich kritisieren, dann passiert das im Wesentlichen aus Gründen, die die mangelnde Planung und Vorbereitung der Besprechungen im Kern betreffen. Dabei sind es meistens nur wenige Punkte, die bei der Vorbereitung von Besprechungen zu beachten sind. Die nachfolgende Checkliste soll daher als Erinnerungs- und Unterstützungshilfe für Besprechungsleitende und -teilnehmende fungieren. Checkliste zur Vorbereitung der Besprechung 1 Muss die Besprechung überhaupt durchja, wenn: geführt werden? eine Abstimmung zwischen Teilnehmenden einen Vorteil bringt und mindestens zwei, aber maximal acht Personen nur gemeinsam ein Problem lösen, eine Entscheidung herbeiführen oder Prozesse/ Aktivitäten zu koordinieren vermögen nein, wenn: den Beteiligten alles Wesentliche bekannt ist und die Aktivitäten abgestimmt sind. Wenn nur geringe Informationslücken existieren, können diese durch andere Quellen (Aktenstudium, Intranet, Unterweisung) ökonomischer gefüllt werden Steht die Agenda schon? wenn ja: Die wichtigsten Punkte sollten zu Beginn abgearbeitet werden. Die Agenda sollte nicht mehr als 5-6 Punkte umfassen. Besprechungen mit nur wenigen Punkten sind effizienter wenn nein: Die Agenda zu Beginn der Besprechung festlegen Steht das Besprechungsziel schon fest? Falls noch nicht: Was soll erreicht werden? Wie viel Zeit soll dafür verwendet werden? Wird ein Aktionsplan erstellt? Kann eine Erfolgskontrolle durchgeführt werden? Wann? Ist eine Meilensteinkontrolle sinnvoll? Legen Sie den Termin für die nächste Besprechung gleich am Ende der laufenden Sitzung fest Existiert eine Zeitplanung? Wenn nicht: Zeitbedarf für die einzelnen Punkte festlegen. Ggf. Straffung des Ablaufs durch Begrenzung von Redezeit („Man kann über alles reden, außer über fünf Minuten“). Anzahl der Besprechungsteilnehmer Idealfall: richtig? 5 Teilnehmer. Größere Anzahl problematisch. Risiko bei wichtigen Entscheidungen. <?page no="112"?> 106 Auswahl der Teilnehmer? Idealfall: Alle Personen mit der notwendigen Fach- und Ent Scheidungskompetenz sitzen an einem Tisch Sind den Teilnehmenden alle wichtigen Wenn nicht: Informationen rechtzeitig vor der Agenda, Themen, Teilnehmende, Ziel, Zeitpunkt, Besprechung bekannt? Besprechungsdauer und Ort bekannt geben Kennen die Teilnehmenden die Regeln? Wenn nicht: Wissen sie, was erwartet wird? Verbindliche Regeln mit allen Teilnehmenden gemeinsam entwickeln Zum Beispiel: Beginn pünktlich statt: cum tempore! Kennt jeder seine Rolle und weiß, wenn nein: was er zu tun hat? Rollen und Aufgaben festlegen: Sitzungsleiter/ in, Zeitwächter/ in, Protokollant/ in usw. Besprechungszimmer? 2 Stunden vorher prüfen: Stühle/ Tische in ausreichender Zahl und Anordnung (runder Tisch oder O-Form), Beleuchtung, Belüftung, funktionsfähiger Sonnenschutz. Ist der Raum zum Zeitpunkt der Besprechung frei? Haben Sie den Schlüssel zum Besprechungszimmer? (Hausmeister rechtzeitig verständigen) Technisches Equipment? Funktions-Check: (Nicht alles ist unbedingt notwendig, aber Beamer, Leinwand/ freie Wandfläche, Overheadeiniges ist doch sehr nützlich, um die Inprojektor (Ersatzbirne! ), Flipchart, Whiteboard, formationsflut zu binden) Pinwände, Papierrollen, Moderationskoffer (gefüllt! ), Verlängerungskabel, Laptop, Netzteil/ Akku, Presenter inkl. USB-Anschluss, passende Ersatzbatterien, Aufladegerät, digitales Diktiergerät bzw. „Notetaker“ (für die Protokollerstellung) Software? Charts, Grafiken, Abbildungen, Tabellen, Zahlen und Daten auf Datenträger (Speicherstick) Neben inhaltlichen und zeitlichen Merkmalen der Besprechungsvorbereitung ist unter dem Gesichtspunkt des Prinzips Planung die aktive Rolle der Besprechungsteilnehmenden hervorzuheben. Es sollte daher auch vereinbart werden, wer welche Funktionen und Aufgaben während der Besprechung wahrnimmt oder überwacht. Diese aktive Funktionsverteilung wird durch die Leitung gesteuert (delegiert) und fördert die Aktivität der Besprechungsteilnehmenden. Es ist sinnvoll, die Funktionen rotieren zu lassen. Folgende Rollen können bei Besprechungen von Nutzen sein: 1. Die Sitzungsleitung: Leitet die Besprechung ein, stellt, meist bei größeren Besprechungsrunden die Anwesenheit der Teilnehmenden fest bzw. begrüßt diese, strukturiert die Besprechung, ggf. moderiert die Beiträge einzelner Sitzungsteilnehmenden, fasst Beiträge der Sitzungsteilnehmenden zusammen, beendet die Sitzung, nachdem die notwendigen Vereinbarungen oder Maßnahmen getroffen wurden. <?page no="113"?> 107 2. Der/ die Zeitwächter/ in: Achtet auf die Einhaltung von Beginn- und Endzeit der Besprechung, überwacht die Einhaltung von Zeitlimits, z. B. bei Wortbeiträgen der Teilnehmenden, Zeiten für Diskussionen, Abstimmungszeitpunkte usw. Zeitwächter unterstützen die Sitzungsleitung bei deren Aufgaben durch die Überwachung der Zeitlimits. Sitzungsleitende können sich so intensiver auf die inhaltlichen Beiträge der Teilnehmer konzentrieren. 3. Der/ die Protokollführer/ in: Er/ sie fasst die wichtigsten Ergebnisse der Besprechung schriftlich zusammen und sorgt dafür, dass die Teilnehmenden das Protokoll zeitnah erhalten bzw. die Ergebnisse oder Maßnahmen schnellstens einsehen können. Damit tragen Protokollführende auch die Mitverantwortung für den Transfer der Maßnahmen, wozu eine zeitnahe und exakte Protokollveröffentlichung erheblich beiträgt. Dazu können Protokollführende während der Besprechung die einzelnen Ergebnispunkte oder Beiträge der Teilnehmenden sogleich visualisieren (via Flipchart oder Powerpoint), sodass jederzeit der Stand der Diskussion abgerufen oder ergänzt werden kann. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass gerade bei einer größeren Anzahl von Besprechungsteilnehmenden (ab etwa sechs Personen) der Abbau von Redundanzen durch einzelne Beiträge vermindert wird (Begrenzung der Teilnehmerzahl bei Besprechungen beachten, s. o.). Andererseits: Die eingesetzte Technik sollte nicht so dominant sein, dass sie vom Inhalt der Besprechung ablenkt. Für die Protokollierung der Besprechungsergebnisse haben sich für die Praxis einfache, übersichtliche Formen in Excel bewährt, wie das Beispiel in der nächsten Abbildung (s. Abb. 2.2). 4. Auch kann es bei größeren Besprechungsrunden sinnvoll sein, Protokollführende dadurch zu entlasten, dass zusätzlich ein/ e Moderator/ in bestimmt wird. Diese/ r moderiert die Teilnehmendenbeiträge und trägt die Einzelbeiträge der Besprechungsteilnehmenden zusammen. Dabei kann er/ sie auf das Handwerkszeug der professionellen Moderationsarbeit zurückgreifen und sollte dieses natürlich auch in seinen Grundzügen kennen und beherrschen. Zu diesem handwerklichen Rüstzeug gehört z. B. das Durchführen schriftlicher Abfragen mit Moderationskarten, die Zusammenfassung der Einzelbeiträge zu übergreifenden Themenbereichen (das sog. „Clustern“) und die Gewichtung dieser Beiträge (vgl. Abs. 2.4.6, Abb. 2.5). Bislang werden die erwähnten Methoden hauptsächlich für die Durchführung von Workshops (s. o.) eingesetzt. Die Grenzen sind hier jedoch immer häufiger fließend. Erfahrene Besprechungsleitende setzen die Instrumente sehr flexibel ein und greifen gerne auf Moderationsmethoden zurück, wenn es dem Ziel der Besprechung dient. Natürlich gehört auch das allgemeine Besprechungsmanagement zu einer effektiven Besprechung dazu. Damit ist die rechtzeitige Aussendung der Einladungen an die Besprechungsteilnehmenden, die Vorbereitung der Räumlichkeiten, die Bestuhlung, sowie die Bereitstel- <?page no="114"?> 108 lung von Schreibutensilien, Pinwänden, Flipcharts, großformatigem Papier und den notwendigen elektrischen Geräten (z. B. Laptops, Beamer oder Overheadprojektor) einschließlich des technischen Check-up (vgl. Checkliste zur Vorbereitung der Besprechung). Ergebnisprotokoll Projektname/ Thema: Behörde/ Institution: Teilnehmer: Email Adresse: Lf d. Nr . Datum der Besprechung Thema/ Ziel Aktion Zuständig Email Endtermin Datum Status erledigt bis Priorität Anmerkung 1 2 3 4 5 Abb. 2.2: Ergebnisprotokoll für Besprechungen (Muster) <?page no="115"?> 109 Schritt: Prioritäten setzen Auch wenn bei Verhandlungen gerne einmal die kritisch-wichtigen Punkte an das Ende der Sitzung verlegt werden, so gilt für die Mehrzahl der Besprechungen die Regel, die wichtigsten Besprechungspunkte an den Anfang der Sitzung zu stellen, nämlich dann, wenn die Konzentration der Beteiligten hoch ist und die wichtigen Tagesordnungspunkte mit größter Wahrscheinlichkeit zur Aussprache kommen und sinnvolle Entscheidungen zur Vorbereitung gelangen. Wenn trotz Mühen nicht klar ist, welche Tagesordnungspunkte nun wirklich Priorität haben, können die Teilnehmenden um eine Einschätzung der Bedeutung der einzelnen Punkte gebeten werden. Dazu wird eine Gewichtung der Themen vorgenommen. Am einfachsten ist die Vorgehensweise dann, wenn jeder Sitzungsteilnehmende sechs Punkte im Hinblick auf die Gewichtung der Beiträge verteilen darf, 3 Punkte für den Wichtigsten, 2 Punkte für den Zweitwichtigsten Beitrag und 1 Punkt für das Thema mit der geringsten Wichtigkeit. Natürlich muss das Verfahren von dem/ der Sitzungsleiter/ in mit Bedacht angewendet werden. Teilnehmende werden immer einen gewissen Eigennutz mit der Bevorzugung eines Themas verwenden, gerne werden dabei unangenehme, konfliktträchtige Themen unter den Tisch fallen gelassen. Andererseits steigert solch ein Gewichtungsverfahren das Engagement der Teilnehmenden und deren Bereitschaft, die Konsequenzen/ Maßnahmen, die aus der Besprechung folgen als verbindlich anzusehen. 5. Schritt: Störungen erkennen und abstellen Wenn eine Besprechung wirklich wichtig ist (und nur dann sollte sie auch tatsächlich stattfinden) sollten Störungen und Ablenkungen weitgehend reduziert werden. Ein „Handyverbot“ lässt sich sicher auch charmant aussprechen, wichtig aber ist, die Teilnehmenden davon zu überzeugen, warum es so wichtig ist, dass z. B. die (elektronischen) Störquellen ausgeschlossen werden, sodass die anstehenden Besprechungspunkte durch die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Sitzungsteilnehmenden effektiv abgearbeitet werden können. Bei Besprechungen gilt dieser Kernsatz: Die zeitliche Dauer einer Störung, die durch eine Person oder eine Sache ausgelöst werden, multipliziert sich um die Anzahl der anwesenden Personen. Wenn also z. B. das Mobiltelefon eines/ r Teilnehmenden klingelt, dann werden sogleich alle Besprechungsteilnehmenden durch das Klingeln abgelenkt und lauschen ungewollt dem Telefonat oder sehen den ungelenken Versuchen des/ r Angerufenen zu, während diese/ r versucht, sein/ ihr Telefon abzuschalten. Eine Störung, die auf diese Weise fünf Minuten Zeit in Anspruch nimmt, kostet bei 12 Teilnehmern eine komplette Zeitstunde, oder, wie wir festgestellt haben, gut und gerne über 100 Euro. <?page no="116"?> 110 FRAGE: „Was sind denn die wichtigsten Störungsquellen bei Besprechungen aus Ihrer Sicht? “ PRO-FIT-COACH: „Was wir im Öffentlichen Dienst immer wieder als Störquellen in Besprechungen und Sitzungen feststellen konnten: 1. Die schon oben erwähnte mangelnde Planung und Vorbereitung von Besprechungen. 2. Zu geringe Besprechungsdisziplin, z. B. bei der Einhaltung von Zeiten. 3. Mangelnde Konsequenz, z. B. in der Umsetzung von Maßnahmen, die in der Besprechung beschlossen wurden. 4. Darüber hinaus gab es auch Beschwerden, die sich auf eine mangelnde professionelle Sitzungsleitung bezogen, also z. B. wenn ein/ e Leiter/ in dauernd selbst spricht und die anderen Besprechungsteilnehmenden nicht zu Wort kommen lässt oder wenn soviel diskutiert wird, dass nach anderthalb Stunden keinem der Besprechungsteilnehmenden mehr klar ist, was tatsächlich bislang diskutiert wurde und mit welchem Ergebnis die Sitzung beschlossen werden soll. Wir konnten beobachten, dass schon zu Beginn von Besprechungen so einiges schieflief. Einige Male kam es vor, dass die Besprechungsleitung bereits in ein Gespräch mit einem/ r Besprechungsteilnehmer/ in vertieft war, während andere Besprechungsteilnehmende einfach nur herumsaßen oder Neuigkeiten untereinander austauschten. Das alles geschah, obwohl die Besprechung offiziell schon ca. 10 Minuten zuvor begonnen hatte. Natürlich ist es wichtig, dass die Sitzungsleitung eine Sitzung offiziell eröffnet und die Aufmerksamkeit der Teilnehmenden auf die aktuelle Agenda, die Ziele und das Zeitfenster lenkt. Nicht selten traten Störungen dadurch auf, dass einzelne Gesprächsbeiträge (trotz Zeitlimit! ) zum Teil bis zu 100% überzogen wurden, z. B. weil jemand das Bedürfnis verspürte, die Leistungen seines obersten Vorgesetzten zu loben, statt zum Kern des ‚eigentlichen‘ Themas vorzustoßen. Natürlich ist in diesen Fällen die professionelle Steuerung durch die Besprechungsleitung gefragt. Leiten und steuern bedeutet auch, weitschweifige Gesprächsteilnehmende und Teilnehmende, die eher eine breite Darstellungsweise besitzen, auf den Punkt zu bringen.“ FRAGE: „Das ist leicht gesagt und insbesondere dann schwierig, wenn der Vielredner der Chef der Abteilung ist und seinen Adlatus zum Sitzungsleiter gemacht hat, der ihn natürlich gewähren lässt, weil er es nicht wagt, die Redezeit seines Chefs zu begrenzen.“ <?page no="117"?> 111 PRO-FIT-COACH: „Wenn das passiert, dann ist geboten auf das ursprüngliche Besprechungsziel hinzuweisen. Entfernt sich die Besprechungsgruppe von diesem Ziel, können die Teilnehmenden um Vorschläge gebeten werden, wie die Besprechung im Sinne der Zielerreichung zu verbessern ist oder künftig effektiver gestaltet werden kann. Wenn die Besprechungsrunde sich regelmäßig trifft, können Regeln aufgestellt werden, beispielsweise für den Umgang mit der Zeit. Bei der Überwachung der Regeln muss nicht sogleich mit dem erhobenen Zeigefinger argumentiert werden. Besprechungsteilnehmende, die als ‚Zeitwächter/ in‘ ihren Vorgesetzten die meiste Zeit für deren Beiträge einräumen, merken schon dadurch, dass die anderen Teilnehmenden das Thema anschneiden, dass das Einhalten der Redezeit wichtig ist. Schon allein das führt häufig dazu, dass ein Fehlverhalten eingestellt wird. Es ist für jede Besprechungsgruppe, gerade wenn sie regelmäßig tagt, wichtig, darüber zu reden, wie der Ablauf der Besprechung verbessert werden kann. Gutes Besprechungsmanagement ist Ausdruck der Kultur der Institution. Und: Gutes Besprechungsmanagement schont Ressourcen! Das ist ein Ziel, dass jeder, gerade eine Leitungskraft durch ihre Vorbildfunktion anstreben muss. Es ist daher im Interesse aller die Sitzung professionell zu leiten und auf die Qualität zu achten. Besprechungen sind ein geeignetes Betätigungsfeld für praktische Führungsarbeit und Qualitätsorientierung und der Erfolg einer guten Besprechung ist natürlich auch messbar. Und der Kunde, der Bürger, der Dienstleistungsnehmer profitiert schließlich auch davon, wenn es in der Behörde, in der Verwaltung ‚rund‘ läuft. Das schafft Akzeptanz und Rückhalt. Wir sagen dazu: Jeder kleine Schritt hilft dabei richtig gut zu werden. Jeder kleine Schritt in die richtige Richtung trägt zum nachhaltigen Erfolg bei." 2.4 Instrumentenkoffer für wirksame Besprechungen Immer wieder stellen wir fest, dass Sitzungsleitende das Grundhandwerkszeug für gute Besprechungen nicht richtig beherrschen. Sie kennen zwar einiges vom Hörensagen, aber in der Umsetzung hakt es. In den Instrumentenkoffer, den wir Ihnen für wirksame Besprechungen mitgeben wollen, gehören: 1. Abfrage des Stimmungsbildes zu Anfang einer Besprechung 2. Brainstorming-Regeln 3. Regeln für das aktive Zuhören 4. Die Anwendung der Brainwriting-Methode 5. Schema für einen Aktionsplan 6. Ablaufplan für eine Moderationssitzung 7. Effektive Besprechungsregeln 8. Feedback-Regeln 9. Optische Erinnerung: Handyverbot <?page no="118"?> 112 Viele Besprechungen scheitern daran, dass Regeln und Methoden für wirksame Besprechungen nicht konsequent und durchgängig angewendet werden. Die Ursache ist manchmal Unkenntnis, mangelnde Erfahrung oder Überforderung. Bisweilen liegt auch eine Kombination der Ursachen vor. Viele Leiter/ innen überfordern sich allein schon damit, dass sie versuchen alles selbst und möglichst gleichzeitig zu machen. Abteilungsleiter/ innen, die Sitzungen leiten und moderieren, zwischendurch ans Telefon gerufen werden, gleichzeitig das Protokoll führen und erstellen usw. Dieses Verhalten schadet der Professionalität von Besprechungen und die Effizienz leidet eklatant darunter. Dabei sind es oft nur Kleinigkeiten, die von der Leitung geäußert werden, die großen Einfluss haben. Wir haben einige Beispiele herausgesucht, die diese ungünstige Einflussnahme demonstrieren. Es handelt sich hierbei um Zitate und Äußerungen, von denen wir heute wissen, dass sie die Zukunft eines Unternehmens negativ beeinflusst haben. Zu diesen Beispielen gehört das inzwischen wohl legendäre Zitat, dass dem damaligen Chef von Digital Equipment Corporation (DEC), Ken Olson, zugeschrieben wird. Von ihm stammt das Zitat aus dem Jahre 1977: „There ist no reason for any individuell to have a computer in their home“ („Es gibt keinen Grund dafür, dass jemand einen Computer zu Hause hat“). Es ist nicht überliefert, ob und in welchem Rahmen dieses Zitat geäußert wurde, die Äußerung hat aber die Aktivitäten der Mitarbeitenden weg vom Microcomputer geführt, der schon kurze Zeit später seinen Siegeszug in die Haushalte startete. Hätte Herr Olson diese Äußerung zum Auftakt einer hochrangigen Besprechung über „die Entwicklung unseres Unternehmens in den nächsten 10 Jahren“ getan, wäre das mit Sicherheit einer der teuersten Besprechung des vergangenen Jahrhunderts gewesen. Auf der Internetseite des Managermagazins (www.managermagazin.de) fanden wir eine Auswahl ähnlicher Zitate, jedoch ohne Quellenangabe 3 . Durch die Beispiele wird deutlich, wie überaus bedeutsam die professionelle Moderation und Leitung von Besprechungen ist. Wir ziehen für die Besprechungspraxis daraus den vorläufigen Schluss: Als Sitzungsleiter/ in gilt es zuzuhören, Meinungen aufzunehmen, das Wissen und die Kompetenz der Mitarbeitenden durch Brainstorming-Sitzungen abzufragen, um die Meinungsbildung oder die Ideen der anderen Teilnehmenden nicht durch eigene Vor-Urteile zu beeinflussen. 3 Ursprünglich zitiert in: Barker, Joel. Future Edge, zit. nach Finzel, H. (2000). <?page no="119"?> 113 Professionelle Sitzungsleitung bedeutet immer auch, sich seiner Rolle als Leiter/ in, Zeitwächter/ in und (potenzielle/ r) Meinungsbildner/ in bewusst zu sein. Hätte Ken Olson geschwiegen und zunächst die Erfahrungen, Ideen und Meinungen seiner Mitarbeitenden schriftlich abgefragt (z. B. mittels der Methode des Brainwriting; s. u. Punkt 4), hätte er möglicherweise andere Auffassungen seiner Mitarbeitenden erfahren und mithin auch interessante Visionen zum Thema „Die Zukunft des Mikrocomputers“ erhalten. Leider machen Vorgesetzte bei Besprechungen immer wieder den Fehler, dass sie zu viel von sich erzählen und darum zu wenig von der Meinung ihrer Mitarbeitenden erfahren. Natürlich werden so Pflöcke in den Boden eingeschlagen, wenn der oberste Chef zum Thema Stellung bezieht. Jede/ r Leiter/ in sollte sich damit seiner Rolle sehr bewusst sein, gerade bei Besprechungen, Workshops und ähnlichen Zusammenkünften. Wer traut sich schon seiner obersten „Heeresleitung“ (ob Öffentlicher Dienst oder nicht spielt hier wohl eine untergeordnete Rolle) zu widersprechen, wenn diese sich so eindrucksvoll präsentiert und von der eigenen Meinung überzeugt zeigt? Besprechungsleitende sollen in diesem Fall lieber Abstinenz üben und die eigene Meinung eher moderat, also zurückhaltend, äußern. Das gehört zum professionellen Handwerkszeug jeder Besprechungs- und Sitzungsleitung dazu. Eine Auswahl von Handwerkszeugen für Besprechungen, die sich in der Praxis unserer Seminarteilnehmenden immer wieder als nützlich und wichtig erwiesen haben, haben wir im nächsten Abschnitt, im Instrumentenkasten für Besprechungen, zusammengestellt. Die dort dargestellten Regeln und Vorgehensweisen spiegeln nicht unbedingt die derzeitige Besprechungspraxis wider, sind aber um so mehr wirksame Hilfsmittel, die dabei helfen sollen, die Effizienz und Wirksamkeit von Besprechungen zu verbessern. Wir haben bei der Auswahl der Regeln und Vorgehensweisen für unseren Instrumentenkasten vorwiegend auf die Empfehlungen und Ansätze zurückgegriffen, die unser Gesprächspartner/ innen bei Seminaren und Workshops für wichtig erachteten. Von Teilnehmenden haben wir auch gerne den Vorschlag aufgenommen, dass wir doch die Vorgehensweisen und Methoden in unserem Instrumentenkasten beschreiben mögen, die nicht unbedingt die Alltagspraxis widerspiegeln, sondern den „grauen Rahmen des Besprechungsalltags“ sprengen. Diesem Wunsch wollen wir gerne entsprechen. So kam dann auch von einem Teilnehmer die Anregung, dass die Workshop- und Moderationsmethoden stärker in die Praxis der Besprechungen Eingang finden sollten, weil sie dabei unterstützen, mehr <?page no="120"?> 114 Ideen und Output aus den Zusammenkünften zu gewinnen. Auch diese Anregung haben wir gerne aufgenommen. 2.4.1 Abfrage des Stimmungsbildes zu Anfang einer Besprechung Mit der Abfrage des Stimmungsbildes zu Anfang einer Besprechung, wird z. B. erreicht, dass die Besprechungsteilnehmenden sich darüber austauschen, was sie gedanklich mit in die Sitzung hineingebracht haben. Indem alle Besprechungsteilnehmende ihre „Stimmung“ durch einen Klebepunkt einer Skala zuordnen und kommentieren, wird allen Teilnehmenden klar, wer mit Spannung oder Ärger zur Sitzung erschienen ist und worauf das zurückzuführen ist. Missstimmungen die ausgesprochen sind, können meist leichter behoben werden als eine diffus negative Stimmung, die über der Sitzung schwebt. Die Abfrage des Stimmungsbildes ist daher eine einfach herzustellende Maßnahme, mit der „Störungen“ im Vorfeld der Besprechung oft genug ausgeräumt werden können. Im Blick auf unser Meeting fühle ich mich… ++ + +/ - - - locker angespannt weil... Abb. 2.3: Stimmungsbild <?page no="121"?> 115 2.4.2 Brainstorming-Regeln Das Brainstorming als Methode wird zur Problemlösung und zur kreativen Ideenfindung eingesetzt. Es kann daher auch bei Besprechungen eingesetzt werden, z. B., um Ansätze für eine Entscheidung oder Problemlösung mit den Anwesenden zu entwickeln. Gerade bei Besprechungen beobachten wir des Öfteren, dass die Brainstormingregeln nicht eingehalten werden. Die Teilnehmenden diskutieren, sobald ein Vorschlag geäußert wurde, einfach weiter. Das Resultat ist, dass vor allem die ungewöhnlichen Beiträge schon weichgespült wurden, bevor sie überhaupt in die Vorschlagsliste aufgenommen werden. Der Nutzen und Sinn der Brainstorming-Methode wird damit gründlich verfehlt. Der „Gehirn-Sturm“ soll nicht im lauen Lüftchen der Einwände und Bedenken untergehen. Daher darf während der ersten Phase des Brainstormings nicht diskutiert werden. In der nachfolgenden Abbildung sind die wichtigsten Regeln zusammengefasst: 1. Keine Zensur, keine Kritik • jede Idee niederschreiben • Ideen nicht sofort bewerten („jetzt nicht diskutieren“) 2. Ideen freien Lauf lassen • keine Äußerungen, wie: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass…“ • sondern: Je ungewöhnlicher, desto besser 3. Hier zählt die Menge • Quantität vor Qualität • Je mehr Ideen desto mehr Auswahl • Bewertung der Lösungen bringt nichts 4. Ideen-Stretching • Ideen und Vorschläge ausbauen • Neue Kombinationen finden • Ideen- und Assoziations-Potenzial der Teilnehmer nutzen Abb. 2.4: Brainstorming-Regeln <?page no="122"?> 116 2.4.3 Regeln für das aktive Zuhören Zuhören klingt einfach und findet dennoch in der Praxis zuwenig Beachtung, wird oft genug in seiner Bedeutung für Besprechungen unterschätzt. Wir haben ja bereits weiter oben festgestellt, wie wichtig es ist, die Ideen der anderen Besprechungsteilnehmenden nicht durch vorgefasste Meinungen ungünstig zu beeinflussen. Besser ist es hingegen, zuzuhören, noch besser, wenn die Besprechungsteilnehmenden das aktive Zuhören praktizieren. Im Unterschied zum passiven Zuhören (stumm sein während die andere Person spricht) bedeutet aktiv Zuhören, dass die Kerngedanken der geäußerten Argumente zusammengefasst (paraphrasiert) werden. In der Praxis kann diese Aufgabe von Moderator/ innen oder Besprechungsleiter/ innen übernommen werden und erfolgen, bevor dass Wort an den/ die nächsten Teilnehmer/ in weitergeleitet wird. Es kann aber auch von jedem anderen Teilnehmenden der Besprechung praktiziert werden. Die wichtigsten Regeln für das aktive Zuhören bei Besprechungen: 1. Aktives Zuhören geschieht nonverbal (körpersprachlich) und verbal, z. B. durch Zustimmungslaute („mhm“, „aha“), hauptsächlich aber durch das Zusammenfassen der wesentlichen Gesprächsaussagen (Paraphrasieren). 2. Man sollte sich der Tatsache bewusst sein, dass die nonverbale und verbale Zuwendung als sog. Verstärker wirkt, d. h., das aktive Zuhören ermuntert das Gegenüber dazu, (noch) mehr zu sprechen. 3. Deshalb muss den Besprechungsteilnehmenden klar sein, dass Zuhören nicht automatisch Zustimmung bedeutet. 4. Mit der eigenen Meinung zurückhaltend umgehen solange der andere spricht, ist nicht nur ein Gebot der Höflichkeit, sondern verhindert auch, dass das aktive Zuhören zur allgemeinen Diskussion ausartet. 5. Das aktive Zuhören kann auch als „Methode der Meinungs- und Erfahrungsabfrage“ („Welche Erfahrungen haben Sie in Ihrer Abteilung bislang mit der neuen Verordnung gemacht? “) zeitökonomisch eingesetzt werden. Dabei ist wiederum darauf zu achten, dass die Diskussion der einzelnen Beiträge erst dann erfolgt, wenn die Beiträge aller Teilnehmenden vorliegen (vgl. Brainstorming-Regeln). Das setzt das Einhalten von Regeln und die Begrenzung von Redezeiten voraus, worauf der/ die Besprechungsleiter/ in, Moderator/ in oder Zeitwächter/ in achten sollte. <?page no="123"?> 117 2.4.4 Die Anwendung der Brainwriting-Methode Das Brainwriting setzt an der aus der Praxis gewonnen Erfahrung an, dass die Gesamtleistung einer Gruppe immer dann zunimmt, wenn Teilnehmende auf den Ideen von anderen aufbauen können, indem sie deren Ideen aufgreifen und weiterentwickeln oder als Grundlage für Gegenvorschläge nutzen. Durch den Einsatz der Methode werden die Ideen der Gruppenmitglieder zur Lösungsfindung weiterentwickelt, und zwar dadurch, dass das Assoziationspotenzial der gesamten Gruppe genutzt wird (vgl. Abs. 2.4.2: Die Brainstorming-Regeln). Bis zu sechs Personen (z. B. Teilnehmende an einer Besprechung) haben für jeweils drei Lösungsansätze zur anstehenden Problematik durchschnittlich fünf Minuten Zeit. Die Vorschläge werden schriftlich fixiert, nachdem durch den/ die Moderator/ in die Fragestellung in der Kleingruppe abgestimmt wurde. Zur Abstimmung der Fragestellung sollten jedoch höchstens zehn bis fünfzehn Minuten verwendet werden. Danach trägt jede/ r Teilnehmer/ in die genaue Fragestellung handschriftlich in den Kopf des Formulars ein, welches zur Durchführung benötigt wird. Als Muster für die Anwendung der Methode des Brainwriting kann folgende Vorlage dienen: Thema: Lösung A Lösung B Lösung C Tab. 2.1: Brainwriting (Vorlage) Nach der Fixierung des Themas bittet der/ die Moderator/ in jede/ n Teilnehmer/ in zum anstehenden Problem seine ersten drei Lösungsvorschläge in das Blatt einzutragen. Hierfür stehen maximal drei Minuten zur Verfügung. Am Ende der ersten Phase schiebt jede/ r Teilnehmer/ in sein vor ihm liegendes Blatt im Uhrzeigersinn seinem Nachbarn zur Linken hin. Er selbst erhält das Blatt seines Vordermannes, respektive seiner Vorderfrau. <?page no="124"?> 118 Nunmehr nimmt jeder auf, was sein/ e Vorgänger/ in notiert hat und entwickelt darauf aufbauend drei weitere Lösungsvorschläge. Er/ sie muss dabei keineswegs und unbedingt logisch weiterentwickeln, im Gegenteil, er soll seinen Gedanken freien Lauf lassen und zwanglos niederschreiben, was ihm einfällt. Für die zweite Phase stehen vier Minuten zur Verfügung. Zu Beginn jeder Folgephase wird das Blatt im Uhrzeigersinn weitergereicht und vom Vordermann entgegengenommen. Erneut beginnt jeder damit, aufzunehmen, in freier Assoziation weiterzuentwickeln, Gegensätzliches zu formulieren oder ganz neue Ideen einzutragen. Ab Phase 3 stehen fünf bis sechs Minuten zur Verfügung. Während des Brainwritings besteht Schweigepflicht. Dies und der Zeitdruck versetzen die Teilnehmenden in eine „panikartige“ Stimmung, in der zunehmend der Verstand „ausgeschaltet“ und mehr und mehr „aus dem Bauch heraus“ entschieden wird: Kreativität wird so frei. Die Auswertung der Bögen nimmt die Kleingruppe gemeinsam vor. Bei sechs Teilnehmern können 6 x 3 x 6 also 108 Lösungsgesichtspunkte herauskommen. Hieraus lassen sich in einer Gesamtschau der Bögen vielfältige Anregungen ableiten, wie die vorgegebene Problemstellung gelöst werden kann. Das Brainwriting hat gegenüber dem Brainstorming den Vorteil, dass alle Besprechungsteilnehmenden sich an der Lösungssuche beteiligen. Gleich welche Methode (Brainstorming oder Brainwriting) gewählt wird, das Ergebnis - die Lösungsvorschläge werden nun kritisch gewürdigt. Erst jetzt werden mögliche Schwierigkeiten und Hindernisse benannt. Selbstverständlich sind neue Ideen hoch willkommen. 2.4.5 Schema für einen Aktionsplan Auf die Notwendigkeit des Aktionsplans, die schriftliche Beschlussfassung, als Bestandteil effizienter Besprechungen haben wir bereits hingewiesen. Die folgenden Punkte sollten unbedingt in einem Aktionsplan aufgeführt sein und sind als Kernbestandteile für seine Erstellung anzusehen: 1. Welche Aktion wurde beschlossen/ welcher Beschluss erfolgte 2. die Maßnahmenschritte, die daraus abzuleiten sind 3. die Zuordnung der Verantwortung für die Realisierung der Beschlüsse/ Aktionen 4. der Zeitplan für die Umsetzung <?page no="125"?> 119 Jeder Aktionsplan muss an den Inhalt der geplanten Aktionen, den Umfang der Maßnahmen, die Größe der Gruppe und an die Regeln der vereinbarten Dokumentationspflicht und -art angepasst werden. Ein Beispiel für einen Aktionsplan befindet sich in Tabelle 2.2. Lfd. Nr. Aktion/ Beschluss Maßnahmenschritte Wer bis wann Bemerkung 1 1 2 3 4 2 1 2 3 4 3 1 2 3 4 4 1 2 3 4 5 1 2 3 4 Tab. 2.2: Aktionsplan (Muster) <?page no="126"?> 120 2.4.6 Ablaufplan einer Moderationssitzung Moderierte Sitzungen sind dann von Vorteil, wenn Informationen oder Meinungen, über die die einzelnen Teilnehmenden einer Besprechung verfügen, abgerufen und für alle Teilnehmenden sichtbar visualisiert werden sollen. Der Ablauf einer Moderationssitzung erfolgt in sechs Schritten (s. Abb. 2.5): 1. Kartenabfrage: Jede/ r Teilnehmer/ in an der Besprechung schreibt seine Vorschläge zum Thema auf Metaplankarten. Zum Beispiel könnte folgende zweiteilige Fragestellung zur Vorbereitung einer Problemlösung anstehen: „Welche Bedingungen (Verhalten, Rituale, Regeln, Normen) verhindern effektive Besprechungen bei uns? Welche Verhaltensweisen fördern wirksame Besprechungen? “ 2. Jede/ r Besprechungsteilnehmer/ in präsentiert seine Karten (z. B. an der Pinwand) und es werden Überschriften für die einzelnen Themenbereiche gebildet, zu denen die Beiträge thematisch zuzuordnen sind. Dieser Vorgang wird als Clustern bezeichnet. 3. Bedeutung der Vorschläge gewichten. Beispielfrage: „Welche Themen oder Bereiche haben den größten Einfluss (positiv/ negativ) auf die Effizienz der Besprechungen bei uns? “ Jede/ r Teilnehmer/ in vergibt 3 Punkte für das Wichtigste, 2 Punkte für das seiner Ansicht nach Zweitwichtigste Thema usw. 4. Themenspeicher erstellen („Was sollten wir wirklich tun …“). In diesem Schritt werden die Vorschläge für die Umsetzung gesammelt. Der Themenspeicher bildet die Grundlage für die Erstellung des Aktionsplans. 5. Aktionsplan erstellen (s. vorherige Seite). Hier werden die Maßnahmen und Beschlüsse konkret gefasst. 6. Umsetzung kontrollieren. Am besten den Zeitpunkt für die Überprüfung gleich im Aktionsplan festschreiben. Die Abfolge für die Durchführung einer Moderationssitzung ist auf der nächsten Seite, in Abb. 2.5., dargestellt. <?page no="127"?> 121 Abb. 2.5: Ablaufschema für eine Moderationssitzung 2.4.7 Zwölf effektive Besprechungsregeln In der Auswertung der wichtigsten Besprechungsregeln für die Praxis unserer Seminarteilnehmenden haben wir hier die wichtigsten Regeln zusammengestellt. Sie stellen die Essenz aus vielen Empfehlungen und Beratungen dar. Damit bieten sie eine schnelle Orientierung darüber, worauf bei Besprechungen geachtet werden sollte. Schritt 2: Clustern Schritt 3: Gewichten Schritt 1: Kartenabfrage Schritt 4: Themenspeicher erstellen Schritt 5: Aktionsplan erstellen Schritt 6: Umsetzung kontrollieren <?page no="128"?> 122 1. Niemand soll unvorbereitet in die Besprechung gehen. 2. Sprechen Sie für sich selbst, nicht per „man“ oder für eine Gruppe (nicht: „Wir sind doch sicher alle auch der Meinung, dass…“). 3. Seien Sie sich Ihrer Rolle bewusst, als Leiter/ in, als Zeitwächter/ in, als Meinungsbildner/ in. 4. Besonders als Leiter/ in sollten Sie darauf achten, dass Sie Ihre Meinung solange zurückhalten, solange noch nicht alle relevanten Informationen bekannt sind. 5. Begrenzen Sie Zeit und Personenzahl, nicht aber Geist und Humor. 6. Beginnen Sie die Sitzung pünktlich und beenden Sie rechtzeitig. 7. Nur einer kann auf einmal sprechen. 8. Seien Sie Wesentlich! Wortbeiträge in Zeit und Inhalt begrenzen. 9. Sprechen Sie Kritik oder Störungen offen an, beachten Sie Feedback-Regeln. 10.Äußern Sie Kritik sachlich, starten Sie keine persönlichen Angriffe. 11.Vermeiden Sie Killersätze, wie „das haben wir doch früher auch nie so gemacht“. 12.Hören Sie aktiv zu! 2.4.8 Feedback-Regeln für Besprechungen Feedback in Besprechungen? Wir haben den Eindruck, dass es ehrliches und faires Feedback generell, auch bei Besprechungen, viel zu selten gibt. Das gilt vor allem für das direkte, unmittelbare Feedback. Mangelndes Feedback ist gerade in und für Besprechungen von Nachteil, denn nur durch eine Feedbackkultur bei Besprechungen kann der Einzelne lernen, wie er sich verbessern kann. Auf Feedback kann daher auch bei Besprechungen nicht verzichtet werden kann. Natürlich ist die Frage „Wie fanden Sie mich als Sitzungsleiter? “ zu unspezifisch und kann etwas zu dick aufgetragen wirken. Mit der Bitte um Feedback ist generell der Wunsch verbunden, zu überprüfen, wie die eigene Leistung und/ oder das eigene Verhalten bei den Teamkolleginnen und -kollegen ankommt. Ein Feedback ist dann effektiv, wenn eine Verhaltensänderung beim Empfänger resultiert, die dazu angetan ist, die Besprechung effektiver zu gestalten. Feedback kann von entscheidender Bedeutung sein, wenn das Besprechungsmanagement verbessert werden soll. Dabei spielt es eine untergeordnete Rolle, ob sich ein Besprechungsteam seit langem, regelmäßig trifft oder erst dabei ist, eine Besprechungskultur (Regeln für den Umgang miteinander) zu entwickeln. <?page no="129"?> 123 Eine Anregung für den Austausch von Feedback möchten wir Ihnen daher empfehlen: Widmen Sie die letzten fünf Minuten dem gemeinsamen Austausch über die gerade geführte Besprechung und versuchen Sie herauszufinden, was die Teilnehmenden meinen, wenn sie die Besprechung als „gut“ oder „so lala“ werten. Durch Nachfragen finden Sie heraus, was verbessert werden kann, was Sie persönlich besser machen können. Feedback kann zum einen auf den Ablauf einer Besprechung (Prozess) gerichtet werden („wie effektiv haben Sie den Ablauf der Besprechung empfunden“), zum anderen kann das Feedback auch auf das Team und die Zusammenarbeit fokussiert werden („wie effektiv, zielbezogen, ergebnisorientiert haben Sie unsere Zusammenarbeit während der letzten 30 Minuten erlebt“). Natürlich können die Besprechungsteilnehmenden auch untereinander („jeder für jeden“) Feedback austauschen. Dabei ist zu beachten: Wer Feedback erhalten soll, hat immer als erster das Wort. Auch sollte klar abgesprochen sein, ob Feedback jetzt und hier überhaupt erwünscht ist. Die generelle Bereitschaft muss also bei Besprechungsteilnehmern abgeklärt worden sein. Wenn Feedback erwünscht ist, sind dabei folgende Regeln zu beachten. Als Feedback-Geber/ in sollten Sie darauf achten, dass Ihr Feedback folgende Kriterien aufweist: • Verhaltensbezogenes Feedback (keine Vermutungen) • Ausgewogenes Feedback (Kritik und „Lob“ halten sich die Waage) • Zeitnahes Feedback (zum beobachteten Verhalten) Feedback unterscheidet sich substantiell von einer Beurteilung. Im Unterschied zur Beurteilung zeichnet Feedback sich durch folgende Kennzeichen aus: • Feedback ist situativ und streuend (ein und dasselbe Verhalten kann von den Teilnehmenden ganz unterschiedlich erlebt werden, je nach Standpunkt des Betrachters / der Betrachterin) und Feedback ist immer subjektiv, d. h., auf den Standort des Feedback-Gebers/ Geberin bezogen. • Eine Beurteilung auszusprechen bedeutet dagegen: überdauernde Eigenschaften oder Merkmale einer Person zu bewerten, z. B. Intelligenz, Leistungsorientierung, Extraversion. Die Beurteilung trifft damit Aussagen über Persönlichkeitsmerkmale, ein Feedback sagt im Unterschied dazu etwas darüber aus, wie ein Verhalten in einer bestimmten Situation gewirkt hat. • Im Feedback sind Beobachtungen von Vermutungen zu trennen. <?page no="130"?> 124 Als Feedback-Nehmer/ in sollten Sie das beachten: • Hören Sie einfach zu! Das ist vollkommen ausreichend • Bitte rechtfertigen Sie sich nicht! Ein Feedback ist ein Geschenk, keine Verurteilung Sie können sich später immer noch überlegen, ob Sie Ihr Verhalten ändern, in jedem Fall bleiben Sie der Souverän Ihres eigenen Verhaltens. Sie bestimmen, was Sie verändern. 2.4.9 Optische Erinnerung: „Handyverbot“ Aus: Microsoft Word 2003 „ClipArt“ Bitte Handy während der Besprechung ausschalten! Danke. Abb. 2.6: Handyverbot <?page no="131"?> 125 3 Empfehlungen zum Informationsmanagement Wer sich mit dem Thema „Informationsmanagement“ auseinandersetzt, kommt wohl kaum an dem Thema „Emails“ vorbei. Emails bieten insofern Vorteile, als sie jedem beliebigen Teilnehmerkreis schnelles, weltweites Versenden von Dokumenten, inklusive Anhängen, orts- und zeitunabhängiges Arbeiten ermöglichen, sowie hierarchieübergreifend einfach zu kommunizieren. Kein Wunder, dass sich das Email Aufkommen seit der ersten versendeten Mail 1984 allein in Deutschland heute auf jährlich mehr denn 500 Milliarden gesteigert hat. Mit dem Siegeszug sind allerdings auch Nachteile des Email-Verkehrs zu verzeichnen. Viele unerwünschte Emails erreichen den Empfänger, der ohnehin schon an einem Email-Overload leidet, welcher allzu häufig daraus resultiert, dass insbesondere in streng hierarchischen Einrichtungen des Öffentlichen Dienstes eine gewisse Tendenz besteht, sich nach allen möglichen Seiten über breite Verteiler abzusichern. Da viele Emails zudem „mal so eben schnell“ geschrieben werden, sind sie häufig qualitativ schlecht formuliert. Die mündliche Kommunikation verkümmert und das fortwährende Monitoring eingehender Emails wirkt sich als erheblicher Störfaktor aus. Zusammenfassend lässt sich von daher konstatieren, dass Emails nicht nur bei der Arbeit helfen, sondern durchaus auch Stress verursachen können. Mit Regeln zum Email-Verkehr kann diesem effektiv begegnet werden. Im Hinblick auf den Versand von Emails sollten Sie beachten, diese nur dann zu schreiben, wenn etwas mitgeteilt oder beauftragt werden soll. Emails sind kaum geeignet, wenn etwas zur Diskussion steht oder Konflikte geklärt werden sollen. Nutzen Sie die Betreffzeile, indem Sie kurz Thema und Aufforderung formulieren, z. B.: „Organisation unseres Workshops, Bitte um Antwort bis Do, 19.10., 18 Uhr“. So geben Sie dem Empfänger eine Orientierungshilfe, um Ihre E-Mail nach Wichtigkeit und Dringlichkeit einzuordnen. Beschränken Sie sich darauf, nur ein Thema pro E-Mail kurz, eindeutig und präzise zu behandeln. Da E-Mails häufig per Smartphone gelesen werden, besteht bei zu langen Texten die Gefahr, dass Inhalte vergessen werden, weil nur Teile der Email gelesen werden können. Halten Sie den Empfängerkreis klein. Unter „An“ sollten diejenigen genannt werden, die etwas unternehmen sollen. Da unter „Cc“ nur diejenigen stehen, die lediglich informiert werden sollen, empfiehlt es sich „Cc“ nur äußerst sparsam einzusetzen, da der eine oder andere verunsichert werden könnte, weil es keine direkte Handlungsaufforderung gibt und er dennoch informiert wird. Das „Bcc“ ist weitgehend zu vermeiden, es sei denn, der Adressat hat ein Interesse daran, <?page no="132"?> 126 im Hinblick auf die Email geschützt zu werden. Anhänge sollten nur dann versandt werden, wenn sie in einem gängigen Format gut lesbar und für den Empfänger von Nutzen sind, wobei sowohl Umfang als auch Anzahl möglichst klein gehalten werden sollten. Im Hinblick auf den Empfang von Emails sollten Sie Ihre elektronischen Einstellungen dahingehend einrichten, dass Emails ausschließlich aktiv abgerufen werden können, sodass Sie selbst entscheiden können, wann Sie sich mit Ihrer elektronischen Post beschäftigen möchten. Zweimal täglich dürfte völlig ausreichend sein. Günstig wäre sich gleich nach dem Abrufen ein Zeitfenster für die Bearbeitung einzurichten. Zudem sollten Sie Regeln für die Email-Verwaltung definieren, welche Emails automatisch in den Spam-Ordner und welche in einen eigens eingerichteten Postordner wandern, wie z. B. Emails von Personen, die an einem gemeinsamen Projekt beteiligt sind. Des Weiteren sollten Sie noch nicht bearbeitete Emails in einen entsprechend definierten Ordner ablegen. Widerstehen Sie dem Druck, Emails unmittelbar nach Erhalt zu bearbeiten. Üblich sind Antwortzeiten von ein bis zwei Tagen. Teilen Sie dem Sender mit, wenn Sie für eine Bearbeitung längere Zeit in Anspruch nehmen. Setzen Sie Ihre Antwort über den erhaltenen Text. So lässt sich der Email-Verlauf besser nachvollziehen. Prüfen Sie zudem die Aktualität der Betreffzeile und wen Sie ggf. noch ins „Cc“ setzen und denken Sie auch daran, diesen entsprechend anzureden. Bei Abwesenheit sollten Sie sicherstellen, dass wichtige Nachrichten dennoch bearbeitet werden können, indem Sie in einer automatischen Antwort darauf hinweisen, wer Sie in dringenden Fällen vertritt. Emails tragen insofern zu einer Entgrenzung der Arbeit bei, als sie eine schnelle und ortsunabhängige Informationsverarbeitung ermöglichen und somit dafür verantwortlich sind, dass wir heute zeit- und raumunabhängig arbeiten können - Arbeit wartet überall und jederzeit. Von daher sollten gerade in Einrichtungen des Öffentlichen Dienstes, wo die Mitarbeitenden ohnehin schon unter hohem Zeitdruck und Stress stehen, verbindliche Regeln vereinbart werden, um einerseits den Nutzen des Email-Verkehrs zu optimieren und andererseits Schaden von den Mitarbeitenden abzuwenden. So sollten zur Spam-Vermeidung deren Email-Adressen weder auf Webseiten noch in öffentlich zugänglichen Newslettern oder Mailinglisten angezeigt werden und Mails an große Verteilergruppen sollten nur über „Bcc“ verschickt werden. Der Email-Verkehr innerhalb einer Einrichtung sollte standardmäßig verschlüsselt sein und es sollte Regeln für die Weiterleitung an andere Empfänger geben. Für die Arbeiten im Home-Office sollten Sicherheitsrisiken ausgeschlossen werden. Kurzum: Es gilt, die Vertraulichkeit von Emails zu sichern. Zeigt sich, dass Mitarbeitende sehr viel Zeit mit dem Handling von Emails verbringen, sollte eine Schulung über empfängerori- <?page no="133"?> 127 entiertes Emailing angeboten werden, in der neben Hinweisen zum Aufbau einer Email auch die Nutzung von Email-Verteilern thematisiert werden sollten. Neben der ständig wachsenden Informationsmenge, auf die wir über elektronische Medien zugreifen, erreichen uns tagtäglich mündliche und schriftliche Informationen, die wir zu bearbeiten haben. Weit entfernt vom „papierlosen Büro“ werden wir von Informationen nahezu überflutet, oft genug werden „wichtige“ Emails ausgedruckt. Unser aller Problem: 50 % der umlaufenden betrieblichen Informationen sind überflüssig! Um in der Informationsflut nicht unterzugehen benötigen wir ein System zur Kanalisierung der einströmenden Informationen, Methoden zur schnellen Informationsverarbeitung, also Lesetechniken und die richtige Einstellung: Wir müssen nicht alles im Detail wissen. Vielleicht ist es Ihnen auch schon einmal so gegangen, dass Sie ein Schriftstück zur Hand nehmen, es lesen, wieder zurücklegen und dann so oft von einem Stapel zum anderen schieben, bis Sie völlig vergessen haben, um was es ging. Manchmal haben Sie ja Glück und das Ganze hat sich zwischenzeitlich von selbst erledigt. Andernfalls nehmen Sie das Schriftstück erneut auf und müssen sich wieder einlesen. Währenddessen wachsen die Stapel auf Ihrem Schreibtisch mehr und mehr. Wenn es Ihnen so geht, sollten Sie sich umgehend damit auseinandersetzen, wie Sie auf Ihrem Schreibtisch den Überblick behalten und wie Sie Ihre Informationsflut effektiv kanalisieren. Mit den Tipps zur Schreibtisch- Organisation behalten Sie den Überblick: Fach / Korb für Eingang Eingehende Post und Informationen Ausgang Informationen / Aufgaben für Mitarbeitende Rot Sofort tun Grün Lesen <?page no="134"?> 128 In Pultordner / Hängemappen mit Termin - „Reitern“ - gehören Texte zur Wiedervorlage, Projekte, Sonderaufgaben. Ideen werden separat sortiert. Die „End- Ablage“ findet im Papierkorb statt. Übrigens: Nach einer IBM-Untersuchung werden nur 4% der abgelegten Dokumente jemals wiederverwendet! Mehr als 11 Milliarden Blatt Papier lagern bei IBM in den Archiven. Das unten dargestellte Flussdiagramm zeigt, wie Sie Ihre Informationen richtig kanalisieren, wenn Ihr Postfach mit Post von allem und jedem und im Outlook der Posteingang mit Emails von überallher überquillt. Fragen Sie: Eingehende Informationen Wen betrifft es? mich andere Wie wichtig ist es? sehr kaum nützlich wertlos Wie hoch ist der Zeitbedarf? hoch niedrig niedrig hoch Wie dringlich ist es? hat Zeit eilt Was ist zu tun? Sofort Termin zur Delegation Mitarbeiter einbeziehen Sofort weiterleiten Sofort handeln <?page no="135"?> 129 Informationen zu kanalisieren ist das eine, sie schnell zu verarbeiten das andere. Prüfen Sie mit der Aufgabe im Folgetext, wie effektiv Sie Texte in Papierform oder auch auf dem Bildschirm lesen. Aufgabe: Finden Sie das Lösungswort aus dem nachfolgenden Text! I. Lesen mit der Drei-Schritt-Methode Ungeübte Leser/ innen lesen die unterschiedlichsten Texte Seite für Seite, Wort für Wort durch. Für Kriminalromane ist das sicher sinnvoll, für Fachliteratur weniger. Hier empfehlen wir die Drei-Schritt-Methode 1. Schritt: Grob überfliegen Nutzen Sie zuerst die Orientierungshinweise des Buches / Textes, besonders das Inhaltsverzeichnis, die Kapitelüberschriften usw. Prüfen Sie, ob das Buch oder der Text das enthält, wonach Sie suchen. Mit Diagonallesen geht das rasch und problemlos. Dabei überfliegen Sie interessante Textstellen so schnell Sie können und kontrollieren, ob diese lesenswert sind. 2. Schritt: Gezieltes Lesen Lesen Sie jetzt die herausgefilterten Stellen mit angemessenem Tempo; neue Inhalte gründlich und langsam, vertrautere Texte mehr überfliegend. Markieren Sie wichtige Passagen. 3. Schritt: Zusammenfassen Halten Sie das Wichtigste fest und fassen Sie den Inhalt zusammen. Zunächst scheint diese Methode zeitaufwendig - tatsächlich spart sie aber Zeit, denn die Informationssuche erfolgt zielgerichtet und wesentlich effektiver. II. Auf der Suche nach dem Lösungswort Haben Sie tatsächlich den ganzen Abschnitt I gelesen? Wenn ja - dann sollten Sie sich die Drei-Schritt-Methode zukünftig gut merken. Wer den ersten Schritt „Grob überfliegen“ anwendet, hat sich schnell Überblick verschafft. Ein geübter Leser findet anhand der Überschriften schnell heraus, dass die eigentliche Suchanweisung für das Lösungswort erst später auftaucht. Nun gut, nun wissen Sie, was Sie optimieren können - wieso halten Sie sich eigentlich noch hier auf? <?page no="136"?> 130 III. Suchanweisung Vorarbeiten: 1. Schreiben Sie den Anfangsbuchstaben Ihres Firmennamens in die mit einem „*“ gekennzeichnete Spalte in Testkasten 2. 2. Notieren Sie den Endbuchstaben Ihres Familiennamens in die mit einer „#“ gekennzeichnete Spalte in Testkasten 1. 3. Bilden Sie ein Wort mit mindestens acht Buchstaben zwischen denen von Ihnen aufgeschriebenen Buchstaben. Ermittlung des Lösungswortes: 4. Das Wort in der Spalte unter Testkasten 3 ist das Lösungswort. Testkasten 1 Testkasten 2 Testkasten 3 # * 3-Schritt-Methode #___............................................................___* ist für die Aufgabestellung unerheblich Selbst mit effektiver Informationsbearbeitung und als gut geübter Anwender der 3-Schritt-Methode - Sie werden nicht alles lesen können! Mit „Mut zur Lücke“ dämmen Sie die Informationsflut ökonomisch ein, in dem Sie sich fragen:  Was muss ich alles lesen?  Was soll ich alles lesen?  Was will ich alles lesen?  Was will ich damit anfangen?  Was kann ich später lesen?  Was brauche ich überhaupt nicht zu lesen? Das Flussdiagramm zur Textauswahl auf der Folgeseite verdeutlicht, wie Sie unter den Ihnen vorliegenden Schriftstücken zielbewusst und wirtschaftlich auswählen. Ihre Lesezeit ist zu kostbar, um sie planlos zu vertun! <?page no="137"?> 131 nein ja nein ja nein ja Start Gehört dieser Text unmittelbar in Ihren Aufgabenbereich? Ist dieser Text von aktuellem oder persönlichem Interesse? Sind Sie verpflichtet diesen Text zu lesen? Lesen - aber mit der 3-Schritt-Methode Nicht lesen - weiterleiten, oder <?page no="138"?> 132 Mit den folgenden „Empfehlungen vor dem Lesen“ setzen Sie die Systematik des Flussdiagramms konsequent um:  Lesen Sie nur, was wichtig ist!  Sprechen Sie ggf. mit Mitarbeitenden ab, nach welchen Kriterien Ihre Post „gesiebt“ werden soll. So verhindern Sie, dass unwichtige Post zweimal gelesen wird.  Entscheiden Sie, ob  gelesen werden muss,  Sie es selbst lesen müssen,  wenn ja, ob Sie es jetzt lesen müssen.  Delegieren Sie Lesearbeit. Versäumen Sie jedoch nicht, Zusammenfassungen schreiben zu lassen und auch anzufordern.  Setzen Sie sich vor dem Lesen Ziele!  Lesen Sie gründlich das Inhaltsverzeichnis.  Beachten Sie auch Sach- / Stichwortverzeichnisse. Sie helfen Ihnen, schneller die gewünschten Informationen zu finden.  Überfliegen Sie jeden Text, um sich einen Überblick zu verschaffen. Ergibt sich beim ersten flüchtigen Lesen nichts Wichtiges für Ihre Leseabsicht - Text nicht mehr lesen!  Markieren Sie wichtige Textstellen.  Schreiben Sie Zusammenfassungen! Je effektiver Sie Informationen kanalisieren und je rationaler Sie mit Texten umgehen, umso mehr Zeit gewinnen Sie. Gesuchte Informationen sind schneller zugänglich, Wesentliches wird sofort erkannt. Sie bearbeiten die Daten nach klar erkennbaren Prioritäten und helfen anderen, zügiger voranzukommen: Die Informationen landen dort, wo sie gebraucht werden. <?page no="139"?> 133 4 Stressmanagement Wer seinen alltäglichen Stress in den Griff bekommen möchte, sollte sich zunächst einmal grundsätzlich mit dem Wesen von Stress, seinen Gründen und Erscheinungsformen auseinandersetzen, bevor er Gegenmaßnahmen in Betracht zieht und Entspannungsverfahren auswählt. Diesem Gedankengang folgend beschreiben wir was während einer Stressreaktion in unserem Körper geschieht. Daran anknüpfend erörtern wir, wie wir uns vorbeugend gegen den gesundheitsschädlichen Dauer-Stress wappnen können, indem wir nicht jede Angelegenheit schwerer nehmen als sie tatsächlich ist, durch ruhiges Überlegen bessere Ergebnisse erzielen und über die damit verbundenen Erfolgserlebnisse Di-Stress abbauen, - Mut zum „Nein“ entwickeln und somit Stressfaktoren allmählich abbauen, im Privatleben Raum für Entspannung schaffen und durch gesteigerte Fitness unsere Belastbarkeit stärken. Schließlich gehen wir kurz auf das Autogene Training nach Schultz ein und präsentieren ausführlich eine Modifikation der Progressiven Muskelentspannung nach Jacobsen, ein praxisbewährtes Entspannungsverfahren, das sich auch am Arbeitsplatz durchführen lässt. 4.1 Grundsätzliche Überlegungen zum Phänomen „Stress“ FRAGE: „Situationen, in denen man sich überfordert, nervös, gereizt oder hilflos fühlt, kennt wohl jeder zur Genüge. ‚Mensch, hatte ich heute wieder Stress! ‘ ist zu einem fast alltäglichen Ausspruch geworden. Was steckt eigentlich hinter dem Allerweltsbegriff ‚Stress‘? “ PRO-FIT-COACH: „Der Begriff ‚Stress‘ wurde 1950 in der Medizin und Psychologie von Hans Selye eingeführt. Nach Selye definiert sich Stress über „die Belastungen, Anstrengungen und Ärgernisse, denen ein Lebewesen täglich durch viele Umwelteinflüsse ausgesetzt ist. Es handelt sich um Anspannungen und Anpassungszwänge, die einen aus dem persönlichen Gleichgewicht bringen können und bei denen man seelisch und körperlich unter Druck steht. <?page no="140"?> 134 Statt nur von ‚Umwelteinflüssen‘ sprechen wir heute umfassender von inneren und äußeren belastenden Bedingungen und Situationen, so genannten Stressoren, wie z. B. die im Öffentlichen Dienst häufig beklagten starken Leistungsanforderungen, die stetig wachsende Arbeitsmenge und -vielfalt bei immer weniger Personal, damit allzu oft verbundene Konflikte in Beruf und Familie, zunehmender Zeitdruck und häufige Störungen aller Art. Die gleichen Stressoren können bei unterschiedlichen Personen aufgrund individueller Motive, Einstellungen und Bewertungen verschieden wirken oder als Stressverstärker in Erscheinung treten, wie beispielsweise exzessive Planungs- und Kontrollambitionen, übermäßiges Arbeitsengagement, Ungeduld, Dominanzstreben, Selbstüberforderung und Erholungsunfähigkeit. Ob ein Stressor zum gesundheitsschädlichen Di-Stress oder zum harmlosen oder sogar gesundheitsfördernden Eu-Stress führt, hängt davon ab, wie der/ die Einzelne mit der Anforderung umgeht, kurz: Stress entsteht im Kopf! Nehmen wir beispielsweise an, eine Sachbearbeiterin erhält von ihrer Dezernentin den Auftrag, sie bei einer kulturellen Veranstaltung zu vertreten und dort eine kurze Ansprache zu halten. Allein schon die Vorstellung, sich vor Publikum präsentieren zu müssen und die damit einhergehende Angst, sich zu blamieren, setzt die Sachbearbeiterin seelisch und körperlich unter Druck. Sie fühlt sich durch die Aufgabe maßlos überfordert und kommt buchstäblich ins Schwitzen. Je länger sie über ihrem Redemanuskript brütet, umso weniger fällt ihr ein. Sie reagiert disharmonisch - Di-Stress hat sich entwickelt. Etwa zur gleichen Zeit wird in einer anderen Stadt exakt der gleiche Auftrag erteilt. Die Sachbearbeiterin dort fühlt sich jedoch durch den Auftrag gleichermaßen gefordert und geehrt. Freudig erregt ruft sie zu Hause an und erzählt ihrem Gatten, dass ihre Chefin ihr diese wichtige Aufgabe anvertraut habe. Gleich darauf setzt sie sich an ihren Schreibtisch und bereitet konzentriert und kreativ ihre Rede vor. Sie sieht in dem Arbeitsauftrag keine Belastung, sondern eine Herausforderung, der sie sich euphorisch stellt - Eu-Stress ist entstanden. Unser Beispiel unterstreicht, dass Stress aufgrund von unterschiedlichen Bewertungen des gleichen Stressors auf zwei Arten auftreten kann. Die Gegenüberstellung in Tabelle 4.1. benennt die wesentlichen Merkmale.“ <?page no="141"?> 135 Tab. 4.1: Gegenüberstellung von Eu- und Di-Stress Eu-Stress = Positiver Stress Di-Stress = Negativer Stress  harmlos oder sogar gesundheitsfördernd  fördert die Weiterentwicklung  spornt zur Leistung an  kann zur Höchstleistung führen  Arbeit und Freizeit machen Spaß  man zeigt gute Arbeitsergebnisse  es treten nur wenig Stressreaktionen auf  gesundheitsschädlich  Leistungsdruck  man fühlt sich überfordert  man wird planlos und / oder resigniert  Die Leistung wird immer schlechter  Freizeit wird zum Stress  Fehler häufen sich  die Krankheitsanfälligkeit steigt FRAGE: „Motive, Einstellung und Bewertungen fungieren also als Bindeglieder zwischen Stressoren und körperlichen und psychischen Reaktionen, die sich bei Di-Stress gesundheitsschädlich auswirken. Welche Wirkungen genau werden durch Di-Stress hervorgerufen? “ PRO-FIT-COACH: „Stressreaktionen wirken sich auf vier Ebenen aus: 1. Auf der kognitiven Ebene beeinflussen Stressreaktionen unsere Denk- und Wahrnehmungsprozesse. Di-Stress führt hier zur Einengung der Wahrnehmung und Informationsaufnahme, Lern- und Gedächtnisleistungen nehmen messbar ab. Konzentrationsstörungen, Tagträume, Gedächtnis- und Leistungsstörungen und / oder Alpträume sind mögliche Folgen. 2. Bei Dauerstress wird vor allem die emotionale Ebene betroffen. Es entstehen unterschiedliche Zustände mit Gefühlen, die Angriffs- oder Fluchttendenzen auslösen oder aber Hilflosigkeit hervorrufen. Es resultieren Aggressionsbereitschaft, Angst, Unsicherheit, Unausgeglichenheit, Nervosität, Depressionen, Gereiztheit oder Hypochondrie (eingebildete Krankheiten). 3. Die Erhöhung der Reaktionsbereitschaft in Richtung Erregung wirkt sich auf der vegetativ-hormonellen Ebene auf das vegetative Nervensystem und alle angeschlossenen Organe und auf die Hormone aus. Mögliche Folgen sind Herz-Kreislauf-Beschwerden, labiler Blutdruck, Infarktrisiko, Gastritis, Darm- und Magengeschwüre, Schlafstörungen, Verdauungsbeschwerden, Müdigkeit, Verschiebung des Hormonhaushalts, Migräne, Schwitzen und bei Frauen Zyklusbeschwerden. <?page no="142"?> 136 4. Auf der muskulären Ebene verbraucht ständige Anspannung viel Energie. Wir ermüden vorzeitig. Chronische Verspannungen ganzer Körperpartien sind die Folge. Allgemeine Verspanntheit, leichte Ermüdbarkeit, Krampfneigung, Muskelzittern, Rücken-, Nacken- und Kopfschmerzen sind mögliche Vorzeichen.“ FRAGE: „Damit wäre klar, welche Wirkungen Stressreaktionen auf lange Sicht hervorrufen (können), offenbleibt - was geschieht in unserem Körper, wenn eine Stressreaktion abläuft? “ 4.2 Unser Körper im Stress PRO-FIT-COACH: „Hinweise zur Beantwortung dieser Frage erhalten wir, wenn wir Stress wie Biologen als einen psychophysischen Zustand betrachten, bei dem unser Körper durch einen Stressor so sehr aus dem Gleichgewicht gebracht wird, dass zusätzliche Energien erforderlich werden, um auf die neu entstandene außergewöhnlich belastende Situation oder Bedingung zu reagieren. Als wichtigste kurzfristige Auswirkungen der Stressreaktion auf den Körper werden in Sekundenbruchteilen:  Gehirn aktiviert und durchblutet,  Speichelfluss reduziert, Mund trockener,  Bronchien erweitert, Atem beschleunigt,  Blutdruck erhöht, Herzschlag schneller,  Schwitzen erzeugt,  Energie in Form von Blutzucker und Fetten bereitgestellt,  Verdauungstätigkeit und Energiespeicherung gehemmt,  Hände und Füße kalt,  Gerinnungsfähigkeit des Blutes erhöht,  Libido gehemmt,  Schmerztoleranz und Immunkompetenz kurzfristig erhöht, langfristig vermindert.“ FRAGE: „Das Ganze sieht mir danach aus, als ob unser Körper blitzschnell hochgefahren wird, um einer Gefahr zu begegnen oder auszuweichen. Denn einerseits werden in der Liste alle Funktionen benannt, die notwendig sind, um eine außerordentliche motorische Aktion einzuleiten; das Gehirn wird in Alarmbereitschaft gesetzt, Atmung, Herz-Kreislauf angeregt, Energie bereitgestellt. Andererseits werden Verdauung und Energiespeicherung, sowie das sexuelle Verlangen heruntergefahren, allesamt Funktionen, die in einer akuten Gefahrensituation weniger wichtig sind.“ <?page no="143"?> 137 PRO-FIT-COACH: „Alles in allem handelt es sich um ein automatisiertes Reaktionsrepertoire, welches maßgeblich dazu beigetragen hat der Menschheit ihr Überleben zu sichern. Stress ist insofern etwas vollkommen Normales, um Gefahrensituationen zu meistern, wie sie z. B. jeder Fahrzeugführer im öffentlichen Personennahverkehr zur Genüge kennt. Läuft ein Kind plötzlich und ohne zu schauen zwischen parkenden Autos auf den Fahrweg sichern eben diese automatisierten Reaktionen, dass er blitzartig und gerade noch rechtzeitig abbremst oder ausweicht.“ FRAGE: „Eine ähnliche Situation ist mir noch gut in Erinnerung. Was sich da in meinem Körper alles abgespielt hat, wurde mit allerdings erst klar als ich mein Fahrzeug nach einem halsbrecherischen Ausweichmanöver endlich sicher zum Stehen gebracht hatte. Erst da habe ich gespürt, wie anstrengend die Reaktion war: Mein Herz schlug heftig, mein Atem ging schnell, meine Hände waren schweißnass, an Aufstehen war vorerst überhaupt nicht zu denken, so weich waren meine Knie. Ich spürte deutlich, dass ich dringend eine Erholungspause brauchte, in der sich dann erst ganz allmählich mein Blutdruck normalisierte, das Herz wieder langsamer schlug. Dass ich vor Antritt der Fahrt ein deutliches Hungergefühl verspürt hatte, merkte ich erst wieder, als ich die Fahrt wieder aufgenommen hatte.“ PRO-FIT-COACH: „Ihr Erleben in dieser Gefahrensituation ist - physiologisch betrachtet - das Ergebnis eines komplexen Regelkreises, an dem vor allem unser Gehirn und unser Hormonsystem beteiligt sind. Nehmen wir eine Gefahr wahr, alarmiert unser Zwischenhirn unseren Körper über das autonome Nervensystem, welches über seine beiden Nervenstränge Sympathikus und Parasympathikus mit allen wichtigen Organen verbunden ist. Über die so genannte Sympathikus-Nebennierenmark-Achse wird die Nebennierenrinde stimuliert, die die Neurotransmitter Noradrenalin und Adrenalin in den Blutkreis ausschüttet. Diese Botenstoffe sind dafür verantwortlich, dass unser Körper blitzschnell hochgefahren wird. Damit alle Energie in die überlebenswichtige Alarmreaktion fließen kann, bremst gleichzeitig der hemmende Parasympathikus Verdauungsvorgänge und Sexualfunktionen. Aufgrund der mit Gefahrensituationen verbundenen Angstreaktionen werden parallel zu den beschriebenen Vorgängen in einer kleinen Schaltzentrale des Zwischenhirns, dem Hypothalamus, die Botenstoffe Vasopressin und CRH (Corticotropin Releasing Hormone) freigesetzt. Letztgenannter erreicht über die Blutbahn das Hormonzentrum unseres Gehirns, die Hypophyse, und veranlasst dort, dass das Hormon ACTH (Adrenocorticotropes Hormon) blitzschnell über den Blutkreislauf zum Nebennierenmark geschickt wird, wo das Hormon Cortisol freigesetzt wird, welches - anlog zum aktivierenden Sympathikus - Gluko- <?page no="144"?> 138 se- und Fettreserven mobilisiert und die Gehirnfunktionen verbessert. Der mit dem CRH zeitgleich entsandte Botenstoff Vasopressin stellt sicher, dass die Niere nur langsam Flüssigkeit ausscheidet, damit Angriffs- oder Fluchtraktionen nicht durch eine volle Blase beeinträchtigt werden.“ Frage: „Damit wäre klar was geschieht, wie wir ‚auf 180‘ kommen. Stellt sich nun die Frage - wie kommen wir da wieder runter? “ PRO-FIT-COACH: „Auf der physiologischen Ebene sorgt das Hormon Oxytozin in Kooperation mit dem hemmenden Parasympathikus dafür, dass unser Körper nach bestandener Gefahr in der Ruhepause wieder auf das normale Niveau heruntergefahren wird. Unterstützt wird dieser Vorgang durch das schon angesprochene Hormon Cortisol, welches über eine negative Rückkopplung Vasopressin, CRH und ACTH hemmt und somit seine eigene Ausschüttung vermindert. Der grundlegende Mechanismus der körperlichen Stressreaktion ist von dem eingangs bereits erwähnten Stressforscher Hans Selye im ‚Allgemeinen Adaptionssyndrom‘ beschrieben worden. Demnach läuft die Stressreaktion in drei Stadien ab: 1. Durch einen Stressor wird eine Alarmreaktion ausgelöst, die den Widerstand des Körpers zunächst absinken lässt - die ‚Schrecksekunde‘. Ist der Stressor zu stark kann dies in der Alarmphase sogar tödliche Folgen haben. 2. In der Phase des Widerstandes verändert der Körper in der beschriebenen Weise wichtige Körperfunktionen, um sich den Stressbedingungen anzupassen. Der durch die Anpassung erhöhte Widerstand kann jedoch nicht unbegrenzt aufrechterhalten werden. 3. Wird der Körper weiter Stressoren ausgesetzt führt das zur dritten Phase - zur Erschöpfung, schlimmstenfalls bis zum Tod. Abbildung 4.1 zeigt den schematischen Ablauf des Adaptionssyndroms (vgl. auch F. Vester, 1976).“ <?page no="145"?> 139 Abb. 4.1: Schematischer Ablauf des Allgemeinen Adaptionssyndroms Alarmphase Phase des Widerstandes Phase der Erschöpfung Hoher Widerstand Geringer Widerstand FRAGE: „Was geschieht, wenn weitere Stressoren ausbleiben? “ PRO-FIT-COACH: „Unser Körper erholt sich und beginnt sich zu regenerieren. Stresshormone werden unter der Regie des parasympathischen Nervensystems abgebaut. Wir entspannen uns allmählich so weit, dass wir das Niveau des normalen Widerstandes erreichen.“ FRAGE: „Heißt das, das wir unserem Körper nur genügend Zeit einräumen müssen, damit er sich ganz von alleine wieder einpendeln kann? “ PRO-FIT-COACH: „Die hohe Beteiligung der entwicklungsgeschichtlich älteren Gehirnregionen an der automatisierten Stressreaktion lässt durchaus darauf schließen, dass die Natur es für uns ursprünglich wohl genauso eingerichtet hat. Immer darauf bedacht, Energie und Ressourcen möglichst effektiv einzusetzen, hat Mutter Natur einen Mechanismus entwickelt, der es uns in grauer Vorzeit bei Gefahr ermöglichte in Sekundenbruchteilen bereit zu sein, um dann nach getaner Tat in Muße auszuruhen und neue Kräfte zu sammeln. War der Kampf - + 0 Normaler Widerstand Unterste Toleranzgrenze Erhöhter Widerstand durch Anpassung (Tod) Tod <?page no="146"?> 140 oder die Jagd beendet, machte man es sich am Feuer bequem und ruhte sich von der Anstrengung aus; auf Anspannung folgte eine ausreichend lange Phase der Entspannung.“ 4.3 Negative Auswirkungen von Dauerstress FRAGE: „Wenn ich mir meinen alltäglichen beruflichen Stress anschaue, würde es mir bestimmt auch guttun, mich nach einer Anstrengung an ein Lagerfeuer zu setzen. Da das wohl illusorisch sein dürfte, besitze ich also mit dem Stressregelkreis einen hocheffizienten Mechanismus für den Dschungel, der mir bei akuten, vereinzelt auftretenden Gefahren das Überleben sichert, sich aber wohl kaum eignet, meinen alltäglichen Dauerstress am Arbeitsplatz zu bewältigen. Schließlich folgt dort Stressor auf Stressor. Entspannung ist da kaum angesagt.“ PRO-FIT-COACH: „Die Leidensgeschichte eines Dezernenten einer kommunalen Verwaltung, der nach einem Tinnitus (Hörsturz) an einem PRO-FIT- COACHING teilnahm, bestätigt nicht nur diese Sichtweise sondern verdeutlicht darüber hinaus, dass manch einer selbst eine Menge dazu beiträgt, seine energieaufwändige Stressautomatik immer wieder in Gang zu setzen, ohne sich ausreichend Zeit zur Erholung nehmen. Der Dezernent schildert zunächst ausführlich, wie er alltäglich betriebsam von Termin zu Termin hetzt. Ohne ihn ginge es einfach nicht. Er habe „jede Menge um die Ohren“. Zeit für Pausen oder zum Planen gebe es da nicht. Planen sei ohnehin sinnlos, da ständig etwas dazwischenkomme. Das Wort „Pause“ sei für ihn ohnehin ein Fremdwort. Immer häufiger stelle sich allerdings heraus, dass die ganze Hektik völlig unnötig sei und er durch seine beinahe ungesteuerte Motorik sinnlos wertvolle Energie vergeudet habe. Nach wie vor führe er seine Betriebsamkeit jedoch in erster Linie auf einen hohen Arbeitsanfall zurück, räume aber auch ein, dass er schon bestrebt gewesen sei, sich jeder Aufgabe bedingungslos zu stellen, um bei seinem Chef einen guten Eindruck zu hinterlassen. Voll im Stress sei es ihm verständlicherweise kaum möglich erst nachzudenken, bevor er handle. Vielmehr reagiere er meist spontan und intuitiv, ‚aus dem Bauch heraus‘. Fehlentscheidungen und Fehlhandlungen hätten deshalb beträchtlich zugenommen. Das wiederum habe den Druck verstärkt, weil er die Fehler wieder habe ausbügeln müssen. So sei ein Teufelskreis entstanden. Selbstverständlich arbeite er bedeutend länger, als er es nach seinem Arbeitsvertrag tun müsste. Das sei er allein schon seiner Position schuldig, wobei ihm schon klar sei, dass bloße Anwesenheit nicht mit Leistung gleichzusetzen sei. <?page no="147"?> 141 Nicht nur andere, leider auch er selbst spüre, dass er nach einer gewissen Anzahl von Arbeitsstunden an Leistungsfähigkeit deutlich abnehme. Deshalb habe er auch oft das Gefühl, dass sein Arbeitsergebnis immer weniger in einem sinnvollen Verhältnis zum dafür notwendigen Zeitaufwand stehe. Nicht selten beschäftige er sich mit dienstlichen Angelegenheiten zu Hause, behellige mit beruflichen Themen seine Frau, andere Verwandte und Bekannte. Am negativsten wirke sich sein Druck dadurch aus, dass er sich nachts von einer Seite auf die andere wälze und den für seine Erholung so wichtigen Schlaf nicht mehr ausreichend finde. Nun sei zu allem Überfluss auch noch der Tinnitus hinzugekommen. Je stärker der Druck, umso mehr Zigaretten konsumiere er und umso stärkeren Kaffee brauche er. Außerdem habe er begonnen, Tabletten in größerer Stückzahl einzunehmen. Tagsüber nehme er Aufputschmittel, was seine Einschlafstörungen verstärke. Deshalb bräuchte er abends stärkere Schlafmittel. Am Morgen sei er dann wie gerädert, saft- und kraftlos. Folglich seien Aufputschmittel an der Reihe. Er frage sich inzwischen ernsthaft, wie lange sein Körper das noch mitmache. Die Sache mit dem Tinnitus sei ja wohl auch kaum von ungefähr gekommen, wie ihm inzwischen klar geworden sei. In seiner Freizeit nehme er sich immer wieder vor, etwas zur Entspannung zu tun, schaffe es aber nicht. So habe er begonnen, sich ein Gläschen Wein oder zwei zu gönnen - das entspanne nicht nur, es muntere sogar ein wenig auf. Manchmal finde er es jedoch schon bedenklich, wie sehr er sich daran gewöhnt habe. Immer seltener komme er am Abend ohne seine Gläschen Wein aus. Bedenklich finde er auch, dass es ihm zunehmend schwerer falle, sich zu beherrschen, seine negativen Emotionen zu steuern. Schon ein kleiner Anlass könne ihn ‚auf die Palme bringen‘. Seine Mitarbeitenden stünden seinen Ausbrüchen hilflos gegenüber - wie sollte einer auch nur ahnen können, dass solche Kleinigkeiten ihn ‚auf 180‘ bringen? Von seiner Familie und seinen Bekannten erwarte er eigentlich, dass diese Rücksicht auf seine Überarbeitung nehme, werde aber in letzter Zeit zunehmend enttäuscht, was ihn wieder verstärkt in die Arbeit treibe. Seine Frau meine, dass er den Stress aus dem Amt nicht nur nach Hause mitbringe, er beginne zunehmend seine nächsten Mitmenschen mit seinen Launen förmlich zu terrorisieren. Seine Stimmungsschwankungen rechtfertige er ihr gegenüber mit seiner starken Erschöpfung.“ <?page no="148"?> 142 FRAGE: „Auch wenn ich nicht in einem derartigen chaotischem Stressszenario lebe, das eine oder andere kommt mir schon bekannt vor. Insofern drängt sich mir die Frage auf, ob, bzw. inwieweit negative Auswirkungen von Dauerstress wie der dort berichtete Tinnitus bei einem vergleichbaren Lebensstil umso wahrscheinlicher werden, je mehr Stressoren aufeinander folgen und je intensiver sie erlebt werden, sodass sich eine echte Entspannung einfach nicht mehr einstellen kann? “ PRO-FIT-COACH: „Der Stressregelkreis unterscheidet sich in einem wesentlichen Aspekt von anderen körperlichen Regelkreisen. Nehmen wir zum Beispiel den Regler, mit dessen Hilfe wir unsere Körpertemperatur einstellen, welche normalerweise bei 36,5 Grad Celsius liegt. Mit dem Ansteigen der Temperatur bei einer fiebrigen Erkrankung werden physiologische Prozesse eingeleitet, die der Abwehr von Krankheitserregern dienen. Mit dem Ende der Infektion wird unsere Körpertemperatur wieder auf den Sollwert von 36,5 Grad Celsius heruntergefahren, weil bei weiterhin zu hohen Temperaturen unser Körper geschädigt würde (Prinzip der Homöostase). Demgegenüber stellt der Stressregelkreis unseren Körper bei Dauerstress nach und nach auf einen höheren Sollwert ein (Prinzip der Allostase). Die damit verbundene hohe Aktivierung kann von unserem Organismus allerdings nicht auf Dauer verkraftet werden. Durch den ständig erhöhten Cortisolwert im Blut wird das Immunsystem geschwächt, woraus eine höhere Anfälligkeit für Infekte resultiert. Dauerhaft erhöhte Blutdruck- und Blutfettwerte erhöhen die Gefahr von Herzinfarkt und Schlaganfall. Zwar verbessert eine kurzfristige Stressreaktion die Aufmerksamkeit, Dauerstress wirkt sich jedoch negativ auf Gedächtnisleistung und Konzentrationsvermögen aus. Muskel- und Rückenleiden resultieren aus der Dauerspannung. Magen- und Darmgeschwüre, erhöhte Krebsanfälligkeit, Tinnitus, Depressionen, Impotenz, kurzum eine ganze Palette körperlicher und seelischer Erkrankungen stehen in mehr oder weniger direktem Zusammenhang mit der Überlastung der Körperfunktionen durch Dauerstress (allostatic overload).“ FRAGE: „Bei den Aussichten wäre es wohl am besten, erst gar nicht Gefahr zu laufen, in ein solches Stressszenario hineinzugeraten.“ PRO-FIT-COACH: „Sinnvollerweise sollten Sie Stressbewältigung nicht erst dann lernen, wenn Sie seelisch und körperlich unter Druck stehen. Nehmen Sie sich diese Erkenntnis zu Herzen und lassen Sie sich von dem berichteten Stressszenario anregen, frühzeitig vorzubeugen. Wenn es um Stress geht, gilt uneingeschränkt: Vorbeugen ist besser als heilen! <?page no="149"?> 143 Die Überlegungen im Folgekapitel unterstützen Sie dabei, es erst gar nicht so weit kommen zu lassen, dass es durch unbewältigten Dauerstress zu gesundheitsschädlichen Folgen kommt.“ 4.4 Auswirkungen von negativem Stress rechtzeitig begegnen Sie haben es selbst in Ihrer Hand, in Stressszenarien wie im berichteten Beispiel erst gar nicht einzusteigen, bzw. jederzeit auszusteigen. Fünf Tipps helfen Ihnen, rechtzeitzeitig Gegenmaßnahmen einzuleiten: 1. Nehmen Sie nicht jede Angelegenheit zu schwer! 2. Erzielen Sie bessere Ergebnisse durch ruhiges Überlegen! 3. Haben Sie Mut zum „Nein“! 4. Delegieren Sie bereitwillig! 5. Achten Sie auf Entspannung im Privatleben! 4.4.1 Nehmen Sie nicht jede Angelegenheit zu schwer! Oft ist man oder wird man entweder von seinem Chef oder auch aus eigenem Antrieb auf eine bestimmte Problematik hin so stark fixiert, dass man sich nicht von ihr lösen kann. Sie gewinnt dann einen Stellenwert im beruflichen, nicht selten auch im privaten Lebensbereich, der ihr nicht zukommen darf. Wenn Ihnen so etwas geschieht, haben Sie zu wenig über die Bedeutung der Angelegenheit nachgedacht, sind vielleicht sogar vom noch stärker gestressten Chef zur falschen Einschätzung verleitet worden. Erwägen Sie daher, wenn Sie sich durch die eine oder andere Angelegenheit stark unter Druck gesetzt fühlen, ob Sie dieser Angelegenheit nicht mehr Gewicht beimessen als sie verdient. Sollte dies der Fall sein, liegen zwei mögliche Ursachen nahe: Ihre Prioritätensetzung ist fehlerhaft oder aber Sie setzen sich (immer) unnötig stark unter Druck, zeigen möglicherweise sogar Tendenzen zum „Workaholic“. Prüfen Sie mit dem Fragebogen auf der Folgeseite, ob Sie dazu neigen, (immer) selbstüberfordernd zu handeln (vgl. Tabelle 4.2). Bewerten Sie die Aussagen so, wie Sie sich gegenwärtig in Ihrer beruflichen Situation erleben! <?page no="150"?> 144 Tab. 4.2: „Neige ich dazu, (immer) selbstüberfordernd zu handeln? Aussage trifft ... zu voll meist teils selten nicht Abschalten und Ausspannen fällt mir schwer. 5 4 3 2 1 Ich habe Muskelverspannung oder Magen- Darm-Beschwerden. 5 4 3 2 1 „Nur nicht aufgeben“ ist meine Devise. 5 4 3 2 1 „Vorwärts kommen“ bedeutet mir viel. 5 4 3 2 1 Für meine Erfolge muss ich hart arbeiten. 5 4 3 2 1 Einmal begonnene Arbeit führe ich auch zu Ende. 5 4 3 2 1 Ich glaube, dass die meisten Dinge nicht so einfach sind, wie sie dargestellt werden. 5 4 3 2 1 Für die Verwirklichung meiner Ziele wende ich viel Mühe auf. 5 4 3 2 1 Vorgänge während der Arbeit beschäftigen mich nach Feierabend. 5 4 3 2 1 Trotz erheblicher Anstrengungen bin ich mit dem Erreichten nicht zufrieden. 5 4 3 2 1 Jeder Einschätzung ist eine Punktzahl zugeordnet. Addieren Sie die Werte zu Ihrer Gesamtpunktzahl. <?page no="151"?> 145 Auflösung Weniger als 17 Punkte: Sie laufen keine Gefahr, sich unnötig stark selbst zu überfordern. Bei weiterhin konsequenter Beachtung der Prinzipien des Zeit-, Ziel- und Ressourcenmanagements sollte es Ihnen gelingen, erst gar nicht in gesundheitsschädliche Stressszenarien einzusteigen. 18 - 27 Punkte: Sie sind hin und wieder versucht, sich selbst übermäßig stark in Zugzwang zu setzen.* Über 28 Punkte: Sie sollten dringend an sich arbeiten. Ihre Neigung, sich selbst übermäßig stark zu überfordern, ist sehr deutlich ausgeprägt.* * Lassen Sie sich von den folgenden Überlegungen zum Stressmanagement anregen, an Ihrer Situation zu arbeiten. 4.4.2 Erzielen Sie bessere Ergebnisse durch ruhiges Überlegen! Sie müssen zwar unter Zeitdruck arbeiten, aber das sollte Sie nicht davon abhalten, stets zu prüfen, ob die Ihnen erteilte Aufgabe tatsächlich diese hohe Priorität hat. Ist die Aufgabe wirklich so wichtig? Muss sie tatsächlich so schnell erledigt werden? Ein großer Fehler besteht darin, übereilt zu handeln, aus Angst, nicht rechtzeitig mit der Arbeit fertig zu werden. Stattdessen ist angebracht, zunächst kurz innezuhalten, die Priorität zu bestimmen und sich dann erst zu entscheiden, die Aufgabe geplant und systematisch auszuführen. Methodisch Vorgehen in diesem Sinn heißt nicht, nach Schema „F“ handeln, sondern schafft Voraussetzungen für überlegtes Handeln für benennbare, fest umrissene, meist häufig wiederkehrende Arbeiten im betrieblichen Alltag. Das Flussdiagramm auf der Folgeseite (Abbildung 4.2) verdeutlicht die Vorgehensweise. <?page no="152"?> 146 Abb. 4.2: Flussdiagramm: Denken vor der Arbeit nein ja nein ja nein ja nein ja Fragen Sie vor dem Handeln! 1. Ist diese Tätigkeit nötig? 2. Muss ich selbst sie tun? 3. Muss ich sie jetzt sofort tun? 4. Tue ich sie optimal? Sofort einstellen! Prüffrage: Was könnte mir als Schlimmstes passieren, wenn ich es nicht tue? Was „nötig“ ist, bestimmt meistens der Kunde / Vorgesetzte  hinterfragen! Daueraufgaben delegieren, bei Einzelfällen Aufträge an Mitarbeitende erteilen, für komplexe, einmalige Aufgaben Projektteams Es gilt: Wichtiges vor Dringendem! Wichtig ist, was der Zielerreichung dient Arbeit vereinfachen, Techniken und Hilfsmittel optimal nutzen: Checklisten einsetzen <?page no="153"?> 147 Damit Sie auch unter starkem Zeitdruck überlegt handeln und sich nicht nur ausschließlich auf Ihre Intuition verlassen, sollten Sie sich stets Zeit für Kurzüberlegungen nehmen. Die Leitfragen der „Schnellplanung in systematischen Schritten“ schützen Sie vor blindem Aktionismus: 1. Was will ich erreichen? 2. Werden besondere Materialien / Werkzeuge / Maschinen benötigt? 3. Was gibt es Besonderes in dieser Situation? 4. Wie kann ich vorgehen? 5. Was will ich vermeiden? 6. Wann ist der beste Zeitpunkt? 7. Was muss ich jetzt tun? 4.4.3 Haben Sie Mut zum „Nein“! Seien Sie bereit, zu einer Aufgabe „Nein“ zu sagen, auch wenn Ihr Chef Ihnen diesen besonderen Auftrag geben will und das Problem Sie reizt, Sie aber klar erkennen, dass Sie jetzt schon, oder auf Dauer überfordert sind, bzw. sein werden. Fragen Sie sich, ob Sie Ihren Ehrgeiz noch steuern können oder ob, bzw. inwieweit er Sie bereits beherrscht. Sie tun weder sich selbst noch Ihrem Chef etwas Gutes, wenn Sie die eigenen Fähigkeiten überschätzen. Klar - man sollte ehrgeizig sein und nach Karriere streben, aber auch wissen und wahrhaben wollen, wo die eigenen Grenzen liegen. Weder Ihr Chef noch Ihre Kollegen werden Ihnen später helfen können, vielleicht auch nicht helfen wollen, wenn Sie - bedingt durch zahlreiche Überforderungen - in Ihrer Leistung absinken und / oder krank werden. Die Gefahr negativer Folgen von Dauerstress besteht besonders dort, wo ein „Haus der offenen Tür“ betrieben wird, in dem jedes Telefonat entgegengenommen wird, jeder Besucher jederzeit Zugang hat. Zwei Gegenmaßnahmen liegen hier auf der Hand: 2. Konsequente Einhaltung von Sprechzeiten, Ausnahmen nur nach vorheriger Terminvereinbarung 3. „Stille Zeiten“ für kreative Arbeiten schaffen <?page no="154"?> 148 Wie sieht es bei ihnen aus? 1. Werden Sie vor ungeplanten externen Besuchen oder Telefonaten gut abgeschirmt? 2. Sprechen Sie mit externen Besuchern nur nach Vorabstimmung? 3. Haben Sie „stille Zeiten“? 4. Ist für Ihre Mitarbeitenden, Kollegen und Kolleginnen und Vorgesetzten klar erkennbar, wann Sie ungestört arbeiten möchten? 5. Werden Ihre „stille Zeiten“ von allen respektiert? Wenn Sie eine der fünf Fragen verneinen - fragen Sie sich bitte selbstkritisch, woran es liegen kann, dass in diesem Punkt (noch) Handlungsbedarf besteht. Kann es vielleicht sein, dass Sie sich gerne stören lassen? Betrachten wir das Ganze doch einmal anders herum! Störungen haben nämlich auch Vorteile: Sie sind immer mitten im Geschehen, wenn Sie durch Ihre offene Tür verfolgen können, was sich alles im Haus abspielt. Interne Zeitdiebe halten Sie über firmenspezifisches, externe über den Stand der Technik, die Wettbewerber etc., etc. ständig auf dem Laufenden - sie sind immer auf Ballhöhe. Außerdem - Mitarbeitende, Kollegen und Kolleginnen und nicht zuletzt auch Vorgesetzte schätzen es, wenn Sie jederzeit ansprechbar sind. Sie erhalten nicht nur positives Feedback, Ihnen wird auch das Gefühl vermittelt, gebraucht zu werden - ein hoher sekundärer psychologischer Nutzen. Man stelle sich nur einmal vor, niemand würde Sie stören - nicht auszudenken! Oder? Vielleicht gehen Sie stresserzeugenden Zeitdieben aber auch deswegen auf den Leim, weil Sie zu denen gehören, die es jedem und allen im Unternehmen recht machen wollen. Prüfen Sie diese Möglichkeit mit dem Fragebogen auf der Folgeseite (vgl. Tabelle 4.3). Bewerten Sie die Aussagen so, wie Sie sich gegenwärtig in Ihrem beruflichen Umfeld erleben! Entscheiden Sie spontan. Der erste Impuls ist richtig! <?page no="155"?> 149 Tab. 4.3: Fragebogen: Will ich es anderen bei uns (immer) recht machen? Aussage trifft ... zu voll meist teils selten nicht Konfrontationen gehe ich aus dem Weg. 5 4 3 2 1 Meine Interessen und Wünsche behalte ich für mich. 5 4 3 2 1 Von anderen akzeptiert zu werden, ist für mich wichtig. 5 4 3 2 1 Ich versuche möglichst rasch herauszufinden, was andere von mir erwarten. 5 4 3 2 1 Ich möchte gerne wissen, ob ich meine Arbeit auch gut gemacht habe. 5 4 3 2 1 Meine Interessen stelle ich öfter zugunsten anderer zurück. 5 4 3 2 1 Auf die Zustimmung der anderen lege ich Wert. 5 4 3 2 1 Ich kritisiere ungern. 5 4 3 2 1 Ich versuche, niemanden zu verletzen. 5 4 3 2 1 „Nein sagen“ fällt mir schwer 5 4 3 2 1 Jeder Einschätzung ist eine Punktzahl zugeordnet. Addieren Sie die Werte zu Ihrer Gesamtpunktzahl <?page no="156"?> 150 Auflösung Weniger als 17 Punkte: Sie laufen keine Gefahr, es anderen übermäßig recht machen zu wollen. Gegenmaßnahmen vor ungeplanten Störungen sollten Ihnen nicht allzu schwerfallen. 18 - 27 Punkte: Sie sind hin und wieder versucht, es anderen recht machen zu wollen. Optimierungen dürften Ihnen zwar nicht schwerfallen, sie sollten jedoch bei der Verwirklichung Ihrer Gegenmaßnahmen konsequenter vorgehen. Über 28 Punkte: Sie sollten dringend an sich arbeiten. Ihre Neigung sich für andere zu opfern, ist sehr stark ausgeprägt. Beginnen Sie mit „kleinen“ Schritten. Überlegen Sie, was Sie am ehestens umsetzen können. Damit sollten Sie beginnen. So schaffen Sie sich Erfolgserlebnisse. Sie erfahren nicht nur, dass es auch anders gehen kann, Sie werden nach und nach Stressoren los, die sich auf Ihr Wohlbefinden negativ auswirken können. 4.4.4 Delegieren Sie bereitwillig! Selbstverständlich müssen Sie sorgsam prüfen, ob ein/ e Mitarbeiter/ in übertragene Aufgaben bewältigen kann. Sollten sie dennoch zu sehr fürchten, dass ihr/ e Mitarbeiter/ in versagt, führen Sie sich vor Augen, was für eine Delegation spricht:  Auf Dauer können Sie die Ihnen übertragenen Aufgaben alle nicht mehr allein schaffen. Es bleibt nicht aus, dass Arbeiten liegen bleiben und möglicherweise erst nach Feierabend von Ihnen erledigt werden. Sie sind überfordert und liefern nicht die Qualität, die Sie erreichen wollen.  Ihre Mitarbeitenden müssen Chancen zur Bewährung erhalten. Wie wollen sie sich weiterqualifizieren, wenn Sie ihnen nur Routineaufgaben übergeben? Was soll sie motivieren?  Sie zeigen Mut zum kalkulierten Risiko. Seien Sie bereit, Aufgaben auch dann zu delegieren, wenn eine gewisse Gefahr besteht, dass Ihre Mitarbeitenden scheitern. Sie haben es in der Hand und können abschätzen, ob Sie die Übertragung der Arbeit schon wagen können. Fördern Sie durch Fordern!  Sie überwinden Ihre eigene Bequemlichkeit. Schließlich ist es nicht leicht, Aufgaben echt zu delegieren. Sie müssen nämlich Geduld beim Einarbeiten <?page no="157"?> 151 der/ s Mitarbeitenden zeigen, Fingerspitzengefühl entwickeln und sie/ ihn immer wieder durch angemessenes Lob ermutigen.  Kaum zu glauben - aber wahr: nicht wenige Fach- und Führungskräfte im Öffentlichen Dienst überfrachten ihren Arbeitstag mit Aktivitäten, die sie genauso gut sein lassen könnten. Nichts würde passieren. Für viele Tätigkeiten gibt es keinerlei sachliche Notwendigkeit, auch wenn immer wieder sachliche Scheinargumente angeführt werden. Hier einige Beispiele aus der Praxis:  „Als Führungskraft muss ich unbedingt über jedes Detail Bescheid wissen; schließlich brauche ich einen Wissensvorsprung.“  „Ich kann doch keine halben Sachen hinnehmen. Wo kämen wir denn da hin? In der Technik gibt es nur Hundertprozent-Lösungen, und zwar immer und überall! “  „Wenn ich nicht immer alle Einzelheiten festhalte, komme ich später in Teufels Küche. Wie soll ich mich dann verteidigen? “  „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser! Wenn ich nicht immer alles kontrolliere, läuft es garantiert schief! “  „Was mir meine Leute vorlegen, kann ich so nie weitergeben. Ich muss immer allem noch den letzten Schliff geben! “  „In diesem Ausschuss muss ich doch unbedingt vertreten sein! “ Sicher mag das eine oder andere für bestimmte Fälle gelten, doch was an den Äußerungen bedenklich stimmt, sind die kursiv zitierten Wörtchen „unbedingt“, „nie“, „immer“, „alles“ und „überall“. Wer so denkt, argumentiert nicht rational. Er setzt sich unnötig unter Druck. Selbstüberforderung und unangemessen hohe Anforderung an die Arbeitserfüllung sind die Folge. Der erste Schritt zur Besserung ist die selbstkritische Reflexion. Gegenmaßnahmen liegen in zielgerichteten, ökonomischeren Handlungen. Das Zauberwort zum Stressabbau lautet: „Funktionsgerechtigkeit“. Prüfen Sie daher mit dem Fragebogen „Wie perfekt will ich (immer) sein“ (vgl. Tabelle 4.4), ob Sie zu selbstüberforderndem Perfektionismus neigen. <?page no="158"?> 152 Tab. 4.4: Fragebogen: „Wie perfekt will ich (immer) sein? “ Aussage trifft ... zu voll meist teils selten nicht Meine Arbeiten führe ich stets perfekt aus. 5 4 3 2 1 Ich rege mich (wenigstens innerlich) über Leute auf, die nicht präzise reden oder arbeiten. 5 4 3 2 1 Wenn ich meine Meinung äußere, begründe ich sie auch. 5 4 3 2 1 Schriftliche Ausarbeitungen überprüfe ich vor Abgabe mehrmals. 5 4 3 2 1 Ich sollte meine Arbeit noch besser erledigen. 5 4 3 2 1 Es ist mir wichtig, dass Arbeiten vor der Zeit fertig sind. 5 4 3 2 1 Ich gliedere meine Aussagen gerne, z. B.: erstens, zweitens ... 5 4 3 2 1 Ich setze gerne für mich die Messlatte höher, als es eigentlich vereinbart war. 5 4 3 2 1 Kompromisse gehe ich ungern ein. 5 4 3 2 1 Häufig sage ich: genau! , klar! , logisch! 5 4 3 2 1 Jeder Einschätzung ist eine Punktzahl zugeordnet. Addieren Sie die Werte zu Ihrer Gesamtpunktzahl <?page no="159"?> 153 Auflösung Weniger als 17 Punkte: Sie laufen keine Gefahr, unnötig stark perfekt sein zu wollen. Ökonomisches Handeln mit „Beschränkung auf Funktionsgerechtigkeit“ sollte Ihnen nicht allzu schwerfallen. Arbeiten Sie weiter konsequent mit den Prinzipien des Zeit-, Ziel- und Ressourcenmanagements. 18 - 27 Punkte: Sie zeigen Tendenzen zu pedantischem Perfektionismus. Formulieren Sie persönliche Ziele, um ökonomischer zu handeln. Denken Sie vor allem an das „Zauberwort“: Funktionsgerechtigkeit! Über 28 Punkte: Sie sollten dringend an sich arbeiten. Ihre Neigung übermäßig perfekt sein zu wollen, ist stark ausgeprägt. Überlegen Sie, welche Tätigkeiten auch „nur“ funktionsgerecht ausgeführt werden können. Erstellen Sie eine Rangreihe, in der Sie festlegen, welche Tätigkeiten Sie am ehesten funktionsgerecht ausführen könnten. Mit diesen fangen Sie an! Werden Sie perfekt darin, darauf zu achten, dass nicht alles immer pedantisch perfekt sein muss! 4.4.5 Achten Sie auf Entspannung im Privatleben! Für viele Fach- und Führungskräfte im Öffentlichen Dienst besteht die Gefahr, dass sie ganz in ihrer Arbeit aufgehen. Zählen Sie auch dazu? Oder haben Sie eine glückliche Zweiteilung vorgenommen zwischen hohem Engagement während der Arbeitszeit, sicher mehr als acht Stunden am Tag, und echter Entspannung in der Freizeit? Nach der geistigen Anstrengung im Betrieb sollte das körperliche Training in der Freizeit nicht zu kurz kommen. Entspannen fällt leichter, wenn nach Feierabend etwas gänzlich anderes getan wird als im Büro. Schließlich lässt sich die alltägliche Dauerbelastung mit gut ausgebildeter persönlicher Fitness wesentlich besser bewältigen. Der Begriff Fitness, ähnlich wie der Begriff „Stress“ ist ein Modegriff: Er wird häufig verwendet, ohne klar definiert zu sein. Im Englischen steht „to fit“ für passend, geeignet bzw. fähig, tauglich. Fitness bedeutet demnach Eignung, Fähigkeit oder Tauglichkeit. <?page no="160"?> 154 Man könnte Fitness demnach als Leistungsfähigkeit definieren, die Körper, Seele und Geist umfasst. Demnach wäre Fitness eine Fähigkeit, die es dem Organismus erlaubt, unterschiedliche (wechselnde oder gleichbleibende) Anforderungen zu bewältigen, verbunden mit der durch Lernen und Training erworbenen Fähigkeit der Regeneration bzw. der Steigerung der Belastungsfähigkeit. Fitness könnte damit auf das Resultat jedes erfolgreichen Lern- oder Trainingsensembles angewendet werden: Stressfitness, Ernährungsfitness, mentale Fitness, Konzentrations-, Lern- und Leistungsfitness. Im Allgemeinen wird zwischen körperlicher und geistiger Fitness unterschieden. Der Erwerb von Fitness, gleich welcher Art, ist demnach ein Anpassungs- oder Lernprozess, bei dem der Erwerb einer bestimmten Fähigkeit ausgebildet oder erworben wird. Der Erwerb (oder die Ausbildung) von Fitness ist daher das Ergebnis eines Lern- und Trainingsprozesses. Als Fitnesstraining werden meist Aktivitäten bezeichnet, die die körperliche Leistungsfähigkeit erhalten und verbessern. Hierbei kann es sich sowohl um freizeitsportliche Aktivitäten als auch um Aktivitäten im Bereich des Leistungssports handeln. In einem erweiterten Wortsinn kann Fitnesstraining auch im Rahmen von Rehabilitationsmaßnahmen als körperliches Aufbautraining praktiziert werden. Körperliche Fitness bezieht sich auf Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit und Koordination. Entsprechend lassen sich vier Trainingsarten unterscheiden, durch die der Aufbau körperlicher Fitness erreicht werden kann: Aerobes Ausdauertraining (z. B. Laufen, Walking, Nordic-Walking, Radfahren, Schwimmen, Triathlon, Rudern, Inlineskating, Eis(schnell)lauf, Skilanglauf, Aerobic, Aqua-Jogging, Aqua-Walking, Aquarobic) Krafttraining (z. B. Gerätetraining, Kieser Training, Kampfsport, Aqua- Workout bzw. Aquapower = Krafttraining gegen den Wasserwiderstand, auch mit Hanteln) Beweglichkeitstraining (z. B. Stretching, Joga, Tai Chi Chuan, Gymnastik, Rückenschule, Klettern, Kampfsport, Wassergymnastik, Tanzen) Koordinationstraining (z. B. Ballspiele („dribbeln“), Golf (Abschlag, Putten), Seilspringen, Hindernislauf, Slalomlauf usw.) Prüfen Sie, ob, bzw. inwieweit für Sie in dem einen oder anderen der aufgelisteten Felder Handlungsbedarf besteht und wählen Sie aus der breiten Palette privater und / oder öffentlicher Anbieter eine für Sie passende Kombination für ein <?page no="161"?> 155 Fitnesstraining. Wenn Sie regelmäßig trainieren, dient das nicht nur Ihrer Erholung, es steigert auch Ihre Leistungsfähigkeit und erhöht Ihre Belastbarkeit. Sie haben dem alltäglichen Stress einfach mehr entgegenzusetzen. 4.5 Stressbewältigung durch dauerhaften Ausgleich Sorgen Sie dafür, dass das Gleichgewicht zwischen Beanspruchung einerseits und Erholung andererseits auf Dauer stimmt. Jeder von uns kann zwar über einen begrenzten Zeitraum Höchstleistungen erbringen, wir sollten uns aber nicht einbilden, grenzenlos belastbar zu sein. Wir verfügen weder über die geistigen noch körperlichen Möglichkeiten, um ständig bis an unsere persönlichen Grenzen zu gehen. Wir sind uns selbst gegenüber in der Pflicht, für einen angemessenen Ausgleich zu sorgen. Nehmen Sie sich selbst und die eigene Gesundheit wichtig. Legen Sie Wert darauf, sich selbst etwas Gutes zu tun. Tragen Sie Ihre Ausgleichsaktivitäten mit einer hohen Priorität ebenso in Ihr Zeitplanbuch ein, wie berufliche Ziele und Termine. Gerade in Zeiten starker Arbeitsbelastung sinkt häufig die Bereitschaft, sich positiven Ausgleich zu verschaffen. Angenehme Hobbies und Freizeitaktivitäten werden weniger wahrgenommen und auch weniger genossen. Unerledigte Arbeiten, Zeitdruck und beruflicher Ärger bestimmen unser Denken und Handeln. Resultat: Wir stürzen geradezu in unsere Arbeit. So paradox es klingt - gerade im Dauerstress müssen wir die Zügel besonders fest in die Hand nehmen, uns also unter Druck setzen, um uns Zeit für einen angemessenen Ausgleich zu nehmen. Schaffen Sie sich Freiraum für Zufriedenheitserlebnisse. Genießen Sie entspannende, positive Erlebnisse im Alltag ohne schlechtes Gewissen. Sollten Sie sich zu rastlos und zu erschöpft fühlen, um aufwendigere Aktivitäten wie Theater- und Konzertbesuche wahrzunehmen, dann beginnen Sie eben mit „kleineren“ Vergnügungen. Am besten fangen Sie sofort damit an! Für den Fall, dass Sie nicht wissen, was genau Sie denn nun mit A-Priorität in Ihr Zeitplanbuch notieren - hier eine (sicher unvollständige) Liste möglicher Freizeitaktivitäten: <?page no="162"?> 156  Veranstaltungsbesuche: Theater, Konzert, Ausstellung, Museum, Kino, Sport  Spazieren gehen, Einkaufsbummel  Bücher, Zeitschriften lesen, Denksportaufgaben lösen  Tages- oder Wochenendausflug, Verreisen, Urlaub  Werken, Basteln, Musizieren, Fotografieren, Gärtnern, dem persönlichen Hobby nachgehen, Sport treiben  Faulenzen, auf der Terrasse liegen, Wolken beobachten, dem Sonnenuntergang zuschauen  Gäste einladen, Partys besuchen, Besuche machen, gepflegt Essen gehen  Etwas gemeinsam mit Freunden unternehmen, Gesellschaftsspiele machen  Mit den Kindern spielen  Sich mit Tieren beschäftigen  Ausgiebig baden, in die Sauna gehen, Wellness betreiben Und damit wir gleich „Nägel mit Köpfen machen“ - wählen Sie mindestens drei Aktivitäten aus, die Sie noch in dieser Woche verwirklichen! Angestellte im Öffentlichen Dienst verbringen etwa 85 % ihrer Arbeitszeit im Sitzen an Schreib- oder Besprechungstischen, im Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln. Wenn wir im Stuhl sitzen, verkümmern unsere 500 Muskeln. Unsere Muskulatur leistet gerade so viel, wie von ihr verlangt wird - je weniger, umso deutlicher büßt sie an Leistungsfähigkeit ein. Auch unser Herz-Kreislauf- System arbeitet immer weniger ökonomisch. Suchen Sie nach Möglichkeiten, sich auch während Ihrer Arbeitszeit ausreichend zu bewegen. Nutzen Sie die „kleinen“ Möglichkeiten zur körperlichen Bewegung während Ihres Arbeitstages:  Vertreten Sie sich vor und nach Ihrer Mittagsmahlzeit kurz die Beine: Drehen Sie eine Runde um den Block!  Plazieren Sie Ihren Papierkorb etwas weiter weg von Ihrem Schreibtisch, stellen Sie häufig benutzte Akten ganz oben ins Regal.  Gehen Sie zu Ihren Kollegen / Kolleginnen, statt mit Ihnen zu telefonieren.  Steigen Sie Treppen, statt mit dem Aufzug zu fahren. <?page no="163"?> 157  Lesen Sie Ihre Post, Akten im Stehen (am Stehpult).  Sitzen Sie dynamisch: wechseln Sie zwischen vorgeneigter, aufrechter und zurückgelehnter Sitzhaltung und schonen Sie so Rücken und Bandscheiben.  Praktizieren Sie Ausgleichübungen: Lassen Sie Schultern und Arme locker hängen. Drehen Sie den Kopf abwechselnd von rechts nach links, und von links nach rechts. Ihr Kopf ist bei den Drehbewegungen leicht nach vorne gebeugt. Ihr Blick richtet sich dabei nach unten. 4.6 Entspannungsmethoden Umfassende und hochwirksame Unterstützung bei der Stressbewältigung bieten darüber hinaus systematische Entspannungsmethoden wie das „Autogene Training“ nach Prof. J. H. Schultz oder die „Progressive Muskelentspannung“ nach Edmund Jacobson. Die systematischen Entspannungsübungen beider Methoden führen dazu, dass  sich das Erregungsniveau senkt,  sich die Belastbarkeit erhöht,  positive Veränderungen in der Selbsteinschätzung auftreten,  Angstbereitschaft abnimmt und  bereits bestehende psychosomatischen Beschwerden wie Spannungskopfschmerz oder Herz-Kreislaufstörungen abgebaut werden. Beide Methoden bewirken, dass unser Körper in einen Ruhezustand mit vermindertem Energieverbrauch versetzt wird:  Sauerstoffverbrauch nimmt ab  Herzfrequenz wird reduziert  Blutdruck wird gesenkt  Hautdurchblutung verbessert sich  Der Spiegel bestimmter Hormone im Blut wird abgesenkt. Beide Verfahren legen mit ihrer systematischen Methodik den Grundstein zur Erregungsreduktion, bauen funktionelle Beschwerden ab und bewirken auf der emotionalen Ebene Gelassenheit, Ruhe und Erholung. Die erreichte Entspannung bezieht sich nicht nur auf die physiologische Lockerung der Muskulatur, sondern sie erzeugt auch eine positive innere Haltung. <?page no="164"?> 158 Ziel des Autogenen Trainings nach Prof. J. H. Schultz ist es, durch Konzentration und Selbstbeeinflussung einen Zustand herbeizuführen, der auf der Grenze zwischen Wachen und Schlafen liegt. Bei richtiger Anwendung entsteht durch die „konzentrative Entspannung“ ein Gefühl der Schwere, durch die Erweiterung der Blutgefäße ein Gefühl der Wärme und schließlich ein Gefühl der tiefen inneren Ruhe. 4.7 Progressive Muskelentspannung Besonders leicht erlernbar ist die progressive Muskelentspannung nach Edmund Jacobson, die wir insofern modifiziert haben, als wir Muskeln, die sonst einzeln angespannt und wieder entspannt werden, zu Muskelgruppen zusammengefasst haben. Wir erzielen mit dieser Methode gute Resultate, sowohl bei Anfängern als auch bei Wiedereinsteigern, die bereits einmal eine Entspannungsmethode erlernt, diese aber dann nicht weitergeführt haben. Für den Anfänger ist grundsätzlich zu empfehlen, eine Langversion (ca. 40-45 Minuten Dauer) der Muskelentspannung einzuüben, um danach schrittweise kürzere Formen zu erlernen. Das entspricht auch den Anforderungen der praktischen Anwendung: Im Verlaufe einer Phase des regelmäßigen Übens führt eine fortschreitende Verkürzung zu immer besseren Entspannungsresultaten, die schließlich den Anwender zur Spontanentspannung (Langzeitziel) befähigt, was bedeutet, dass die Methode in praktisch jeder Alltagssituation vom Anwender nutzbringend eingesetzt werden kann. Die von uns hier vorgestellte Version entspricht einer mittleren Zeitdauer (ca. 20 - 30 Minuten Dauer). Die Entspannungsresultate sind mit dieser Methode nach einigen Anwendungen durchaus beachtlich, was Messungen mit der Hautwiderstandsanalyse bei inzwischen rd. 1200 Personen deutlich gezeigt haben. Wie funktioniert die Methode, zu der wie Sie einladen und die Sie im „Selbstversuch“ mit der nachfolgenden Anleitung hier durchführen können? Das Prinzip beruht auf der Anspannung und der Entspannung der willkürlichen Muskulatur. Worum geht es dabei? Viele Menschen beklagen, dass Sie sich nicht richtig entspannen können. Sie meinen damit, dass sie sich oft gestresst fühlen und glauben, nur schwer abschalten können. Das ist eine Beobachtung, die auch Dr. E. Jacobsen seinerzeit (im Jahre 1934) offenbar schon beobachten konnte. <?page no="165"?> 159 Während viele Menschen glauben, dass ihnen Entspannung eher schwerfällt, sind andererseits die meisten davon überzeugt, dass ihnen das Anspannen der Muskulatur weniger Probleme bereitet. Tatsächlich ist es aber so, dass viele Menschen sich mit der Wahrnehmung des Unterschiedes zwischen Anspannung und Entspannung schwertun. Der zentrale Fokus beim Üben liegt daher genau darauf, den Unterschied zwischen diesen beiden Zuständen besser wahrnehmen zu lernen. Die Muskelentspannungsmethode ist somit im Grunde ein Diskriminationstraining, meint: Das Ziel des Übens ist die Wahrnehmung dieser Unterschiede zu verbessern. Die sich zunehmend verbessernde Entspannung ist daher die Folge genau dieses Lerneffekts. Aus diesem Grund muss auch der Vorstellung, dass man während des Übens „vollkommen weg“ ist, entgegengetreten werden. Das weckt falsche Erwartungen und steht dem wirksamen Üben entgegen. Der Schwerpunkt liegt auf „Training“ und es handelt sich daher um eine aktive Methode. Vielen Menschen, die unsere Muskelentspannungsmethode kennen lernen, kommt es entgegen, dass sie für das Üben kein spezielles philosophisches Hintergrundwissens bedürfen und dass sie auch nicht Anhänger einer bestimmten religiösen Richtung sein müssen, um gute Resultate erzielen zu können. Die Methode beruht allein auf dem physiologischen Grundprinzip der Anspannung und Entspannung der Muskulatur. Und so gestaltet sich daher auch der Ablauf beim Üben: Der Übende spannt eine bestimmte Muskelpartie an, spürt der Anspannung für einen Moment nach, nimmt sie wahr und nimmt sie dann wieder zurück. Für die Teilnehmer stellen sich im Moment des Zurücknehmens der Anspannung folgende Fragen:  Welche Unterschiede nehme ich jetzt in diesem Moment wahr?  Was ist jetzt anders?  Welche „Entspannungssymptome“ nehme ich vielleicht jetzt schon wahr: Ein angenehmes, entspanntes Körpergefühl. Angenehme Wärme. Schwere. Ruhe. Sie haben in dem nachfolgenden Übungsteil selbst die Gelegenheit die Muskelentspannung auszuprobieren! <?page no="166"?> 160 Wenn Sie die Instruktionen lieber hören als lesen möchten, können Sie die kompletten Grundübungen zur Muskelentspannung auf einer CD bestellen. Auf dieser CD befinden sich neben der hier vorgestellten Methode auch eine Autogene Entspannungsübung, die ebenfalls gut zur Stressprävention geeignet ist, sowie eine Übung zur suggestiven Tiefenentspannung. Auch bei dieser Kombination verkürzen sich die Zeiträume von Übung zu Übung, sodass die Übungen auch als Lernabfolge zur fortschreitenden Verkürzung verwendet werden können. Wenn Sie die CD „Muskuläre und Autogene Entspannung“ bestellen möchten, richten Sie Ihre Bestellung an die Praxis von Dr. Christoph Sollmann (Kontaktdaten im Autorenprofil). Die CD wird Ihnen gegen Entgelt von dort zugesandt. Die Wirksamkeit muskulärer Entspannungsmethoden ist wissenschaftlich vielfach überprüft. Bei regelgerechter und regelmäßiger Anwendung ist die Methode ein effizientes Verfahren und stellt eine wirksame Unterstützung bei der Stressprävention dar. Die Methode der Progressiven Muskelentspannung ist ein regelmäßiger Bestanteil unserer Stressbewältigungstrainings und dient der Unterstützung bei persönlichen Veränderungen („Verhalten im Stress“). Gegenindikationen sind eher selten, jedoch sollte auch bei geringen Zweifeln ein kompetenter Ansprechpartner (Dipl. Psych./ Arzt/ Psychotherapeut/ in) um Rat gefragt werden. Das jeweilige Entspannungserleben wird vom Übenden subjektiv sehr unterschiedlich empfunden. Achten Sie daher beim Üben auf kleinste Anzeichen einer beginnenden Entspannung: Ein angenehmes, entspanntes Körpergefühl. Angenehme Wärme. Schwere. Ruhe. 4.7.1 Empfehlungen zur Vorbereitung und Durchführung 1) Lesen Sie die Instruktionen durch, auch mehrmals, damit Sie sich die Abfolge leichter merken können. 2) Gehen Sie die Reihenfolge der Muskelpartien zunächst im Geiste durch, merken Sie sich schon beim Lesen die Reihenfolge in der die Muskelpartien zunächst nacheinander angespannt und wieder entspannt werden: - Muskelbereich: Hände, Arme - Muskelbereich: Beine (Ober- und Unterschenkel), Füße - Muskelbereich: Stirn, Augen, Augenpartie <?page no="167"?> 161 - Muskelbereich: Mund, Lippen, Zunge, Kiefermuskeln - Muskelbereich: Hals, Schultern - Muskelbereich: Bauchmuskulatur - Zum Schluss noch einmal alle Muskelpartien zusammen an- und wieder entspannen! 3) Zur Vorbereitung auf die Übungen - sorgen Sie dafür, dass Sie ca. 25-30 Minuten ungestört sind, nehmen Sie in einem Sessel oder auf einem Stuhl Platz oder legen Sie sich auf eine Übungsmatte oder eine Liege (Couch). 4) Folgen Sie der Instruktion: Beginnen Sie mit der „Vorbereitung auf die Übungen“ und den „Atemübungen“ (s. u. „Instruktionen zur muskulären Entspannung“). 5) Die komplette Anspannungsphase kann etwa 15 - 20 Sekunden lang dauern, wenn Sie das Anspannen langsam und sorgfältig ausführen und die Intensität niedrig dosieren, brauchen Sie die Zeit zum „Nachspüren“ des Spannungsgefühls. Dann wird die angespannte Muskulatur in dem Zielbereich wieder entspannt, bevor eine erneute Anspannungsphase erfolgt. 6) Hinweis: Die Anspannung der Muskulatur soll gering dosiert sein. Eine „gefühlte“ Anspannung von 30-40 Prozent ist genug! Augen und Augenpartie: max. 30 Prozent Anspannung. Die Augäpfel vertragen keinen Druck! Bitte beachten Sie: Bleiben Sie stets deutlich unterhalb von Schmerzgrenzen. 7) Wenn Sie nach der Übung gleich weiter arbeiten, ein Fahrzeug lenken möchten oder eine andere Ihre Aufmerksamkeit erfordernde Tätigkeit ausüben wollen, dann beachten Sie bitte: Nehmen Sie die Entspannung am Ende der Übung soweit es die Aufmerksamkeit erfordert zurück: Atmen Sie tief ein, spannen Sie die Hände und Arme für einen Moment fest an und öffnen Sie die Augen. 8) Wenn Sie nach der Übung Zeit zur Verfügung haben, darf die Entspannung natürlich ausgiebig (und ohne Beachtung zeitlicher Begrenzung) genossen werden. 9) Zusätzlich kann die Methode der Muskelentspannung natürlich auch als Einschlafhilfe genutzt werden. Tipp: Die Intensität der Anspannung niedriger dosieren (< 30%). Natürlich können Sie die Instruktionen des nächsten Abschnitts zum persönlichen Gebrauch auch auf ein Diktiergerät sprechen, damit Sie die Instruktionen anhören und sich dabei ganz auf die Wahrnehmung der Muskelpartien konzentrieren können. Achten Sie dabei darauf, dass die Anspannungsphasen langsam und bewusst ausgeführt werden, die Entspannungsphasen dürfen etwas länger sein. <?page no="168"?> 162 Nochmals die Reihenfolge der Muskelpartien, die nacheinander angespannt und wieder entspannt werden: - Muskelbereich: Hände, Arme - Muskelbereich: Beine (Ober- und Unterschenkel), Füße - Muskelbereich: Stirn, Augen, Augenpartie - Muskelbereich: Mund, Lippen, Zunge, Kiefermuskeln - Muskelbereich: Hals, Schultern - Muskelbereich: Bauchmuskulatur - Zum Schluss noch einmal alle Muskelpartien zusammen anspannen! 4.7.2 Instruktionen zur muskulären Entspannung Nehmen Sie jetzt in einem Sessel, oder auf einem Stuhl Platz oder legen Sie sich bequem auf einer Unterlage zurecht. Sie sorgen dafür, dass Sie für eine Weile ungestört sind und sich ganz auf Ihren Körper und ihr Wohlbefinden konzentrieren können. Achten Sie jetzt auf Ihre Atmung. Die Atmung passiert - ganz von selbst - ohne Ihre bewusste Einflussnahme. Beobachten Sie, wie sich beim natürlichen Einatmen die Bauchdecke hebt und beim Ausatmen wieder senkt. Wenn Sie unter Spannung stehen, wirkt das bewusste Atmen wie ein persönlicher Drehzahlbegrenzer. Atmen Sie durch die Nase ein - und durch den Mund aus. Probieren Sie nun das bewusste Atmen: Zählen Sie, während Sie durch die Nase einatmen, langsam bis drei: „Eins - zwei - drei“. Legen Sie nun die linke Hand auf Ihren Bauch und beobachten Sie, wie sich beim Einatmen die Bauchdecke hebt und beim Ausatmen wieder senkt. Atmen Sie nun wieder durch die Nase ein und zählen Sie dabei innerlich mit „Eins - zwei - drei“ Beim Ausatmen senkt sich die Bauchdecke wieder. Während Ihre linke Hand auf der Bauchdecke dem Rhythmus des Atems folgt, zählen Sie beim Einatmen innerlich mit. Während Sie wieder bis „3“ zählen, atmen Sie langsam durch den Mund aus. Formen Sie die Lippen beim Ausatmen zu einem leichten „O“, sodass der Luftstrom einen leisen Ton erzeugt. <?page no="169"?> 163 Während Sie nun dem Rhythmus ihres Atems folgen - gehen Sie jetzt noch einmal die Körperpartien durch, die Sie während des Übens an- und wieder entspannen werden: durch die Hände, Unterarme, Oberarme, das Gesäß, die Oberschenkel, die Unterschenkel und Füße, dann wieder aufwärts, über Rumpf und Hals zum Kopf, dort zur Stirn, zu den Augen und der Augenpartie, zu Nase, Mund, Kiefermuskeln, zur Zunge im Mundraum, dann zu den Schultern, zur Rückenmuskulatur und schließlich zu den Bauchmuskeln... Gut so! Vielleicht schweift Ihre Aufmerksamkeit gelegentlich ab, Gedanken kommen und gehen. Wehren Sie sich nicht dagegen, sondern begrüßen Sie die Gedanken und lassen sie dann vorbeiziehen, so wie Wolken am Horizont vorbeiziehen, wenn am Ende eines warmen Sommertages eine angenehme Brise die Wolken langsam und stetig davonträgt. Geben Sie sich dem angenehmen Gefühl der Entspannung hin, während Sie noch tiefer in die Unterlage einsinken. Schließen Sie jetzt die Augenlider leicht. Gut so! Nehmen Sie sich ein wenig Zeit für sich und Ihr Wohlbefinden, indem Sie nun der Instruktionen folgen und die positiven Anzeichen von Entspannung im Körper beobachten und genießen: Achten Sie auch auf die beginnende Wärme, Schwere, egal in welcher Körperpartie Sie sie bemerken, ob punktuell oder flächig..., tief im Köper oder auf der Oberfläche der Haut. Achten Sie auf feine Entspannungs-Zeichen, denken Sie daran, dass Sie zunehmend entspannter werden. 4.7.3 Die Übungen Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit jetzt auf die Hände, die Unterarme und die Oberarme. Spannen Sie zuerst die Hände an, indem Sie die Fäuste ballen, spannen Sie die Unterarme und Oberarme an, winkeln Sie sie vor dem Brustkorb an. Steigern Sie die Spannung in den Händen und Armen allmählich - nicht zu fest - halten Sie die Spannung einige Sekunden - atmen Sie ruhig ein - und aus - lassen Sie die übrige Muskulatur des Körpers locker - und entspannen Sie dann, mit einem Mal oder allmählich, den zuvor angespannten Bereich - die Hände (lösen Sie die Fäuste wieder), die Unterarme und die Oberarme. Nehmen Sie nun den Unterschied zwischen der Anspannung zuvor und der jetzt beginnenden Entspannung wahr. Beobachten Sie Ihren Körper ganz bewusst - alle angenehmen Gefühle sind Zeichen für eine beginnende Entspannung. <?page no="170"?> 164 Nehmen Sie bereits kleine Veränderungen wahr, achten Sie darauf, ob die Wärme an bestimmten Punkten besonders spürbar wird, oder ob ein ganzer Bereich angenehm warm und schwer wird. Achten Sie auf den Unterschied zwischen dem Spannungszustand zuvor und der jetzt beginnenden Entspannung. Wiederholen Sie die Anspannung in den Händen, den Unterarmen und den Oberarmen. Ballen Sie wieder die Fäuste, steigern Sie die Spannung in den angewinkelten Armen allmählich, atmen Sie ruhig - ein und aus - halten Sie die Spannung - die übrige Muskulatur bleibt locker - spüren Sie die Spannung - und entspannen Sie dann, mit einem Mal oder allmählich, die zuvor angespannte Muskulatur. Während Sie ruhig atmen, haben Sie das Gefühl, allmählich tiefer in die Unterlage einzusinken und Sie spüren den Unterschied zwischen dem Spannungszustand zuvor und der jetzt beginnenden Entspannung. Mit jedem Atemzug nehmen Sie mehr Entspannung in ihrem Körper auf, lassen mit dem Ausatmen Restspannung aus Ihrem Körper hinaus fließen. Gehen Sie mit Ihrer Wahrnehmung nun von den Armen zu den Beinen und Füßen. Nehmen Sie den natürlichen Spannungs- oder Entspannungszustand in den Oberschenkeln, Unterschenkeln und Füßen wahr, achten Sie dabei auch auf Wärme, die Berührung der Kleidung auf Ihrer Haut - mit jedem Atemzug entwickeln Sie eine intensivere Wahrnehmung für diese Körperpartie. Spannen Sie nun die Oberschenkel, Unterschenkel und Füße an, die Oberschenkel fühlen sich nun ganz hart an, die Wadenmuskulatur ist auch ganz fest, die Füße sind angespannt und die Zehen krallen sich nach innen, so als wollten Sie mit dem nackten Fuß ein Blatt Papier vom Boden aufnehmen. Steigern Sie die Spannung allmählich - nicht zu fest - halten Sie die Spannung - atmen Sie ruhig - ein und aus - lassen Sie die übrige Muskulatur locker - und entspannen Sie dann mit einem Mal oder allmählich. Nehmen Sie die nun den Unterschied zwischen der Anspannung zuvor und der jetzt beginnenden Entspannung wahr. Beobachten Sie Ihren Körper ganz bewusst - alle angenehmen Gefühle sind Zeichen für eine beginnende Entspannung. Nehmen Sie die kleinen Veränderungen zwischen dem Spannungszustand zuvor und der jetzt beginnenden Entspannung wahr. Lassen Sie die Muskeln noch lockerer, noch entspannter werden. <?page no="171"?> 165 Wiederholen Sie die Spannung der Oberschenkel, Unterschenkel und Füße. Spannen Sie die Oberschenkel an - Sie heben leicht von der Unterlage ab - die Unterschenkel - sie werden ganz hart - und schließlich die Füße; halten Sie die Spannung, steigern Sie die Spannung leicht - nicht zu fest - spüren Sie sie, atmen Sie ruhig - ein und aus - halten Sie die Spannung, die übrige Muskulatur bleibt locker, und entspannen Sie dann, mit einem Mal oder allmählich die zuvor angespannte Muskulatur. Während Sie ruhig atmen, sinken Sie allmählich noch tiefer in die Unterlage ein. Spüren Sie den Unterschied zwischen dem Spannungszustand zuvor und der jetzt beginnenden Entspannung. Mit jedem Atemzug nehmen Sie mehr Entspannung in Ihrem Körper auf und lassen mit dem Ausatmen Restspannung aus Ihrem Körper hinaus fließen. Lassen Sie nun Ihre Wahrnehmung von den Beinen zum Kopf gleiten. Gehen Sie zunächst zur Stirn und nehmen Sie die dort natürlicherweise vorhandene Spannung oder Entspannung wahr. Verändern Sie im Augenblick nichts, nehmen Sie einfach nur wahr, wie Sie es empfinden. Spannen Sie nun die Stirn an, bilden Sie Querfalten, so als ob Sie intensiv über etwas nachdenken würden. Spannen Sie die Stirn an, halten Sie die Spannung und nehmen Sie die Spannung wahr. Steigern Sie die Spannung allmählich - nicht zu fest - halten Sie die Spannung - atmen Sie ruhig ein - und aus - lassen Sie die übrige Muskulatur locker - und entspannen Sie dann mit einem Mal oder allmählich. Nehmen Sie die nun den Unterschied zwischen der Anspannung zuvor und der jetzt beginnenden Entspannung wahr. Die Stirn fühlt sich glatt und leer an - und angenehme Kühle breitet sich allmählich über die ganze Stirn aus. Achten Sie auf den Unterschied zwischen dem Spannungszustand zuvor und der jetzt beginnenden Entspannung. Wiederholen Sie die Anspannung der Stirn. Stirn leicht anspannen, Spannung allmählich steigern, ruhig atmen, Spannung halten, Spannung spüren, übrige Körperpartien und Muskeln lockerlassen, um dann mit einem Mal oder allmählich die Stirn wieder vollständig zu entspannen. Beobachten Sie den Unterschied zwischen dem Spannungszustand zuvor und der jetzt beginnenden Entspannung - während Sie ruhig ein und ausatmen beobachten Sie, wie, sich die Muskulatur der Stirn allmählich immer weiter entspannt. Spüren Sie mit jedem Atemzug Restspannung in der Stirn auf und lassen <?page no="172"?> 166 sie mit dem Ausatmen aus dem Körper hinaus fließen. Beobachten Sie, wie sich die Entspannung auf der Stirn mehr und mehr ausbreitet und auch die Kopfhaut sich immer weiter entspannt. Gehen Sie nun zu den Augen und zur Augenpartie. Nehmen Sie wahr, wie die Augen in den Augenhöhlen liegen. Die Augenlider sind jetzt leicht geschlossen. Nehmen Sie die natürliche Spannung oder Entspannung um die Augen herum wahr. Spannen Sie die Augen nun an, indem Sie die Augenlider vollständig schließen, nicht zu fest, auch die Augenpartie ist jetzt angespannt. Während Sie ruhig atmen, nehmen Sie die Anspannung wahr. Lassen Sie die übrigen Muskelpartien locker, beobachten Sie die Spannung noch einen Moment, und entspannen dann mit einem Mal oder allmählich. Nehmen Sie nun wieder den Unterschied zwischen der Anspannung zuvor und der jetzt beginnenden Entspannung wahr. Die Augen liegen zunehmend locker in den Augenhöhlen, die Augenpartie entspannt sich allmählich mehr und mehr. Mit jedem Ausatmen werden die Augen und die Augenpartie lockerer und lockerer. Wiederholen Sie die Anspannung der Augen und Augenpartie. Spannen Sie an, nicht zu fest, versuchen Sie die übrige Gesichtsmuskulatur locker zu lassen, Spannung spüren, Spannung halten und dann mit einem Mal oder allmählich entspannen. Beobachten Sie den Unterschied zwischen dem Spannungszustand zuvor und der jetzt beginnenden Entspannung - während Sie ruhig ein und ausatmen beobachten Sie, wie, sich die vielen kleinen Muskeln, der Augen allmählich immer weiter entspannen. Sie liegen nun zunehmend lockerer in den Augenhöhlen. Gehen Sie nun zum Mund, den Lippen, der Zunge und der Kieferpartie. Nehmen Sie auch hier den natürlichen Spannungs- oder Entspannungszustand wahr. Spannen Sie nun Mund und Lippen an, indem Sie die Lippen zusammenpressen, drücken Sie gleichzeitig die Zunge gegen den Gaumen, Spannen Sie jetzt auch die Kiefermuskulatur an, indem Sie die Zähne leicht zusammenbeißen. Nehmen Sie die Spannung wahr, atmen Sie ruhig, steigern Sie die Anspannung in den Lippen, der Zunge und der Kiefermuskulatur noch etwas, halten Sie die Spannung - und entspannen Sie mit einem Mal oder allmählich. <?page no="173"?> 167 Nehmen Sie nun wieder den Unterschied zwischen der Anspannung zuvor und der jetzt beginnenden Entspannung wahr. Die Lippen fühlen sich voller an, die Zunge liegt locker im Mundraum, die Kiefermuskulatur entspannt sich allmählich mehr und mehr. Wiederholen Sie die Anspannung. Spannen Sie Lippen, Zunge und Kiefermuskulatur an, atmen Sie ruhig ein und aus, steigern Sie die Anspannung, spüren Sie die Spannung, halten Sie die Spannung, lassen Sie die übrige Muskulatur locker, um dann mit einem Mal oder allmählich zu entspannen. Beobachten Sie den Unterschied zwischen dem Spannungszustand zuvor und der jetzt beginnenden Entspannung - während Sie ruhig ein und ausatmen beobachten Sie, wie, sich die vielen kleinen Muskeln, der Augen allmählich immer weiter entspannen. Sie liegen nun wirklich locker in den Augenhöhlen. Gehen Sie nun zu den Schultern. Nehmen Sie auch hier den vorhandenen Zustand wahr. Atmen Sie ruhig, während Ihre innere Wahrnehmung auf der Schulterpartie ruht. „Tasten“ Sie mit Ihrer Wahrnehmung den Bereich der Schultern, der Schulterpartie, der Halsmuskulatur ab. Beziehen Sie auch die Rückenmuskulatur entlang der Wirbelsäule mit ein. Während Sie ruhig atmen, spannen Sie die Schultern an, indem Sie die Schultern in die Richtung des Kopfes hochziehen. Halten Sie die Spannung, nicht zu fest, atmen Sie ruhig ein und aus, steigern Sie die Spannung noch ein klein wenig und entspannen Sie dann mit einem Mal oder allmählich. Nehmen Sie vorsichtig ausgleichende Bewegungen mit dem Kopf vor, bewegen Sie den Kopf vorsichtig nach links, nach rechts, nach vorne und wieder zurück. Spüren Sie den Unterschied zwischen dem Anspannungszustand zuvor und der jetzt beginnenden Entspannung. Nehmen Sie auch die kleinen Unterschiede wahr. Während Sie ruhig atmen spüren Sie, wie die Schultern tiefer und tiefer sinken, fast so als wären kleine Gewichte an den Ellbogen, die die Arme immer tiefer sinken lassen. Wiederholen Sie auch das noch einmal. Schultern zum Kopf hochziehen, Spannung halten, Spannung spüren, ruhig atmen, Anspannung noch etwas steigern, übrige Muskeln lockerlassen, um dann mit einem Mal oder allmählich zu entspannen. <?page no="174"?> 168 Beobachten Sie, wie sich die Schultern jetzt wirklich tief entspannen. Lassen Sie es jetzt zu und bemerken Sie wie sich die Entspannung über den ganzen Rücken ausbreitet; lassen Sie mit jedem Ausatmen die Schultern noch tiefer sinken. Gehen Sie nun zur Bauchmuskulatur. Spüren Sie wie sich die Bauchdecke mit dem Einatmen hebt (die Bauchmuskulatur spannt sich dabei an) und beim Ausatmen wieder senkt (die Bauchmuskulatur entspannt sich wieder). Spannen Sie die Bauchmuskulatur an, indem Sie die Bauchmuskulatur leicht gegen den Hosenbund drücken, atmen Sie ruhig weiter, halten Sie die Spannung für einen Moment, spüren Sie sie und entspannen Sie dann mit einem Mal oder allmählich. Nehmen Sie wiederum den wohltuenden Unterschied zwischen dem Spannungs- und Entspannungszustand wahr. Noch einmal wiederholen: Bauchmuskulatur anspannen, ruhig atmen, Spannung halten, Spannung spüren, Anspannung leicht steigern, übrige Muskulatur lockerlassen, um dann mit einem Mal oder allmählich zu entspannen. Nehmen Sie nun auch die Unterschiede zwischen dem ersten und dem zweiten Entspannungszustand wahr. Spüren Sie Restspannung auf und lassen Sie sie mit dem Ausatmen aus dem Körper hinaus fließen. Spannen Sie nun alle Muskelgruppen, die sie zuvor getrennt angespannt haben, noch einmal an: Die Hände zu Fäusten ballen, die Unterarme und die Oberarme anspannen, die Oberschenkel, die Unterschenkel und die Füße, die Stirn, die Augen, die Augenpartie, Lippen, Zunge, Kiefermuskulatur, die Schultern, die Bauchmuskulatur - atmen Sie ruhig ein- und wieder aus - halten Sie die Spannung, spüren Sie sie, nochmals leicht steigern und - entspannen Sie, mit einem Mal oder allmählich. Gut. Lassen Sie jetzt alle Muskeln ganz locker werden. Während Sie ruhig atmen, spüren Sie auch die Restspannung auf und sinken mit jedem Atemzug tiefer in eine angenehme, erholsame Entspannung. Wenn Sie die Entspannung zurücknehmen möchten, atmen Sie zunächst tief ein, mit dem Einatmen aktivieren Sie den Körper, recken Sie die Arme und strecken die Muskulatur und öffnen Sie die Augen und nehmen Ihre Umgebung wahr. Schätzen Sie nun bitte den Grad Ihrer Entspannung auf der „Skala zur Einschätzung der Entspannungstiefe“ ein (vgl. Abbildung 4.3). <?page no="175"?> 169 Abb. 4.3: Skala zur Einschätzung der Entspannungstiefe 0—1—2—3—4—5—6—7—8—9—10 gar gut sehr nicht tief Erwarten Sie gerade zu Beginn der Übungen nicht zuviel! Manchmal sagen Teilnehmende nach dem ersten Übungsdurchgang: „Ich konnte keine Entspannung in den Beinen spüren“ oder „Ich habe nichts gemerkt“ oder „Ich konnte mich noch nie richtig entspannen“. Für diese Teilnehmer ist es gut, wenn Sie sich auf kleine, positive Veränderungen konzentrieren: „In den Handflächen hatte ich ein lockeres Gefühl, dort spürte ich ein bisschen Entspannung. Beim nächsten Mal werde ich darauf besonders achten.“ Jeder Organismus ist entspannungsfähig. Die Übungen der Muskelentspannung dienen dazu, den Unterschied zwischen dem Anspannungszustand und dem Entspannungszustand wahrzunehmen. Wenn Sie daher bei den ersten Durchgängen eine „2“ oder „3“ auf der obigen Skala ankreuzen, dann ist das Übungsziel erreicht. Zu hohe Erwartungen an sich selbst lösen Stress aus! Hier sollen Sie lernen, Ihre Erwartungen niedriger anzusetzen und dadurch entspannter, wirksamer und effektiver werden. 4.7.4 Vorschlag für das Üben zu Hause Um einen nachhaltigen Effekt aus den Übungen zu erzielen, ist es notwendig, die Übungen regelmäßig durchzuführen. Wir empfehlen die Durchführung von 1-2 Übungsdurchgängen täglich für die ersten vier Wochen. Das Minimum für das Erlernen der Muskelentspannungsmethode liegt bei drei Durchgängen pro Woche. Wenn Sie nach den ersten vier Wochen dann beginnen die Übungen in Ihrem Alltag gezielt zu integrieren und nach Bedarf anzuwenden, z. B. beim Autofahren die angespannten Schultern sinken lassen, oder bei der Bildschirmarbeit die Stirn entspannen, dann haben Sie erfolgreich damit begonnen, die Entspannungsreaktion in Ihr Verhaltensrepertoire aufzunehmen. <?page no="176"?> 170 Beobachten Sie für weitere zwei Wochen, in welchen Alltagssituationen die „spontane“ Entspannungsreaktion auftritt: Bei der Arbeit am Bildschirm, bei Gesprächen, bei Vorträgen oder Präsentationen. Welche Muskelpartien entspannen Sie immer häufiger „spontan“, d. h. also außerhalb der täglichen Übungseinheiten? Je häufiger Sie diese Reaktion bei sich beobachten, desto besser. Nach etwa 3 Monaten üben die meisten ca. dreimal wöchentlich. Beobachten Sie auf jeden Fall weiter, ob die Entspannungsreaktion im Alltag erhalten bleibt. Wenn nicht: Legen Sie wieder eine Intensivphase von zwei bis drei Wochen ein, in der Sie ein bis zwei Übungsdurchgänge täglich durchführen. 4.7.5 Progressive Muskelentspannung bei Stress am Schreibtisch Kurzformen der progressiven Muskelentspannung lassen sich auch am Arbeitsplatz realisieren. Bei Stress am Schreibtisch empfiehlt sich eine Übungsfolge, deren Wirksamkeit mir von vielen Teilnehmer/ innen an Seminaren zur Stressbewältigung bestätigt wurde. Die Spannung in den nachfolgend benannten Muskelgruppen sollten Sie jeweils für fünf Sekunden halten. Gehen Sie die Abfolge zweimal durch. Danach sollten Sie sich eine knappe Minute auf die tiefe Entspannung konzentrieren, die auf die Anspannungsphase folgt. 1. Ziehen Sie Ihre Zehen im Sitzen kopfwärts und drücken Sie Ihre Fersen kräftig zum Boden. Spannen Sie dabei Waden und Oberschenkelmuskulatur an! 2. Spannen Sie Ihre Gesäßmuskulatur an! 3. Ballen Sie beide Hände zu Fäusten, strecken Sie sie neben der Sitzfläche nach unten und drehen Sie sie maximal einwärts. Ihre Schultern sollten dabei nach hinten gezogen sein. Spannen Sie die Muskulatur der Schultern, Hände und Arme an. 4. Spreizen Sie maximal Ihre Finger seitlich vom Körper weg. Drehen Sie die Handflächen nach oben, wobei die Daumen nach hinten zeigen. Schneiden Sie zusätzlich Grimassen. 5. Führen Sie Ihren linken Arm hinter dem Kopf zur rechten Schulter. Drücken Sie mit dem Hinterkopf nach außen und halten sie mit dem Unterarm dagegen. 6. Führen Sie die gleiche Anspannung mit dem rechten Arm aus. <?page no="177"?> 171 Schließen Sie nach der zweimaligen Ausführung der Abfolge Ihre Augen und konzentrieren Sie sich auf die angenehm entspannenden Effekte der progressiven Muskelentspannung. Neben den beiden skizzierten Entspannungsverfahren helfen - „last but not least“ - die Prinzipien des Zeit-, Ziel- und Ressourcenmanagements berufliche Belastungen zu bewältigen und somit gesundheitsschädlichen Di-Stress zu reduzieren. <?page no="178"?> 172 5 Literaturverzeichnis Badura, B., Schellschmidt H., Vetter, C. (Hrsg.) (2004). Fehlzeiten-Report 2003. Zahlen, Daten, Analysen aus allen Branchen der Wirtschaft. Wettbewerbsfaktor Work-Life-Balance. Betriebliche Strategien für die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben. Springer Verlag Badura, B., Schröder H., Vetter, C. (Hrsg.) (2008). Fehlzeiten-Report 2007. Zahlen, Daten, Analysen aus allen Branchen der Wirtschaft. Arbeit, Gesundheit und Geschlecht. Geschlechteraspekte im betrieblichen Gesundheitsmanagement, Berlin/ Heidelberg: Springer Verlag Bamberg, E. (Hrsg.), Ducki, A., Metz, A.-M. (1998). Handbuch betriebliche Gesundheitsförderung, Göttingen: Verlag für angewandte Psychologie Bents, R., Blank, R., (1995). 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(2015). Stressbewältigung und Burnoutprävention, Stuttgart: Hauk Stroebe, R.W. (1995). Arbeitsmethodik 1 (7. Aufl.), Heidelberg: Sauer Stroebe, R.W. (1993). Arbeitsmethodik 2 (5. Aufl.), Heidelberg: Sauer Unger, H.P., Kleinschmidt, C. (2007). Bevor der Job krank macht (3. Aufl.), München: Kösel Wenninger, E. (2015). Stresskontrolle und Burnout-Prävention, Ansanger Verlag Zeit. Das ewige Rätsel (2005). Aus der Reihe: GEO WISSEN Nr. 36, Die Zeit, Hamburg: Gruner + Jahr Zulley, J., Knab, B. (2000). Unsere Innere Uhr. Natürliche Rhythmen nutzen. und der Non-Stop-Belastung entgehen, Freiburg: Herder <?page no="181"?> 175 6 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis Abb. Tab. S. 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 1.9 1.10 Das Zeit-, Ziel- und Ressourcenmanagement Das System des Zeit-, Ziel- und Ressourcenmanagements Kurzdarstellung der MBTI-Charakterzüge Anforderungsprofil „Organisationstalent“ Die 7 Prinzipien des ZZR-Managements Zielarten Planungshilfen unter Anwendung von Excel (Arbeitsplatzanalyse) Ishikawa-Modell Hauptfehlergruppen Maßnahmenplanung als Konsequenz aus der Pareto-Analyse ABC-Analyseschema Schema für eine Generalliste („Temporäre Aufgaben und Projekte) Quadrant-II-Modell Tagesprotokollschema Tagesprotokollschema mit Zeitaufwand-/ Prioritäten-Einschätzung Entwurf des künftigen Tagesablaufs Dauer von Einzeltätigkeiten am Beispiel Telefonate führen Beobachtungsbogen (Blankoformular) Schema zur Erfassung von Störungen im Arbeitsablauf 15 17 20 27 30 39 44 44 45 47 50 53 58 59 61 63 68 81 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.1 2.2 Besprechungstechnik Ergebnisse einer Befragung Ergebnisprotokoll für Besprechungen (Muster) Stimmungsbild Brainstorming-Regeln Brainwriting (Vorlage) Aktionsplan (Muster) Ablaufschema einer Moderationssitzung Handyverbot 96 108 114 115 117 119 121 124 <?page no="182"?> 176 Abb. Tab. S. 4.1 4.2 4.3 4.1 4.2 4.3 4.4 Stressmanagement Gegenüberstellung von Eu- und Di-Stress Schematischer Ablauf des Allgemeinen Adaptionssyndroms Fragebogen: „Neige ich dazu, (immer) selbstüberfordernd zu handeln? “ Flussdiagramm: Denken vor der Arbeit Fragebogen: Will ich es anderen bei uns (immer) recht machen? Fragebogen: „Wie perfekt will ich (immer) sein? “ Skala zur Einschätzung der Entspannungstiefe 135 139 144 146 149 152 169 <?page no="183"?> 177 7 Autorenprofile Dieter Brendt, geb. 1954, Diplompsychologe, ABO-Psychologie, RWTH Aachen, Supervisor, BDP Bis 1989 langjährige Berufserfahrungen als Techniker (zuletzt in leitenden Positionen: Dienstellenleiter beim Deutschen Wetterdienst, geschäftsführender Bereichsleiter in einer Werkstatt für Behinderte). Studium über den 2. Bildungsweg, finanziert über unternehmerische Tätigkeiten im Baugewerbe. Von 1989 bis 1995 (nach einer Trainee-Ausbildung) Trainer und Personalberater im Pädagogischen Institut für die Wirtschaft (PIW). Seit 1995 freiberuflich in unterschiedlichen Branchen tätig. Tätigkeitsfelder:  Zeit- und Selbstmanagement  Führung  Kommunikation und Kooperation  Coaching  Train the Trainer Kontakt: BRENDT-TRAINING@t-online.de Dr. Christoph Sollmann, geb. 1962 Dipl. Psych. (Universität Freiburg), Promotion (Universität GH Duisburg/ Essen) Langjährige Erfahrung als Trainer und Coach in Unternehmen der freien Wirtschaft und im Öffentlichen Dienst. Studium und Promotion in Arbeitspsychologie und Assessment-Center-Technik. Staatl. Zulassung in Verhaltenstherapie. Kontakt: praxis.sollmann@gmx.de Dr. Christoph Sollmann An der Pappel 28 47804 Krefeld <?page no="184"?> Fitte Mitarbeitende & Fitte Unternehmen Unser Coaching ist keine Beratung „von der Stange“, sondern richtet sich nach den individuellen Bedürfnissen der Teilnehmenden im Rahmen der Zielsetzung des Beratungsauftrages, zielt immer auf die Förderung von Selbstreflexion und -wahrnehmung, Bewusstsein und Verantwortung, dient zur Erweiterung und/ oder Flexibilisierung ihrer Möglichkeiten Unsere Themen: Sich selbst und Mitarbeitende gesundheitsgerecht führen Stressbewältigung Burnout-Vermeidung Management des Arbeits- und Gesundheitsschutzes Implementierung gesundheitsgerechter Arbeitsbedingungen Förderung von Arbeitsmotivation und Gesundheit Betriebliche Suchtprävention Problembezogene Maßnahmen bei kontraproduktiven Verhaltensweisen Teilnehmende und Coach arbeiten auf gleicher „Augenhöhe“ auf der Basis einer tragfähigen und durch gegenseitige Akzeptanz und Vertrauen gekennzeichneten Beratungsbeziehung. Die Teilnehmenden erhalten „Hilfe zur Selbsthilfe“ in Form von Prozessberatung. Optimieren Sie Ihre Personalentwicklung durch die Kompetenz unserer Profit-Coachs Dipl.-Psych. D. Brendt Brendt Training, Aachen Nach langjährigen vielseitigen Berufserfahrungen in leitenden Positionen auf dem zweiten Bildungsweg Studium der Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie. Fort- und Weiterbildungen in Transaktionsanalyse, NLP, Rational-Emotives Training, Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung. Supervisor BDP. Seit 1989 freiberuflicher Trainer, Berater und Coach. Kontakt: BRENDT-TRAINING@t-online.de