Tribometrie
Anwendungsnahe tribologische Prüftechnik als Mittel zur erfolgreichen Produktentwicklung
0830
2021
978-3-8169-8521-1
978-3-8169-3521-6
expert verlag
Markus Grebe
Dieses Buch soll den interessierten Lesern aufzeigen, welche Potenziale in der anwendungsnahen tribologischen Prüftechnik (Tribometrie) stecken. Basierend auf der tribologischen Systemanalyse und der darauf aufbauenden Prüfstrategie können durch den Einsatz sinnvoller Laborprüfungen die Potenziale verschiedener Optimierungsansätze in einem sowohl zeit- als auch kostentechnisch akzeptablen Rahmen gefunden werden. Im Buch wird der Unterschied zwischen einfacher Modellprüftechnik (z. B. Stift-/Scheibe-Tests) und speziell geplanten Simulationsprüfungen auf Tribometern erläutert. Es wird aufgezeigt, wie ein anwendungsnaher Tribometerversuch und eine sinnvolle tribologische Prüfkette aufbauend auf der Systemanalyse entwickelt werden können und was dabei zu beachten ist.
Tribometrie Anwendungsnahe tribologische Prüftechnik als Mittel zur erfolgreichen Produktentwicklung MARKUS GREBE TRIBOLOGIE SCHMIERUNG, REIBUNG, VERSCHLEI ß SRV ® 5: Unschlagbar vielseitig und präzise Anwendungsnahe Reibungs- und Verschleißprüfungen für sicheren Produkterfolg Optimol Instruments Prüftechnik GmbH Flößergasse 3, 81369 München Telefon: +49 (0) 89 4509 120, Telefax: +49 (0) 89 4509 1289 info@optimol-instruments.de, optimol-instruments.de WIR FREUEN UNS AUF IHREN ANRUF! Optimol SRV® ist ein eingetragenes Warenzeichen der Optimol Instruments Prüftechnik GmbH Komplette Prüfszenarien für Komponenten liefern Ihnen relevante Ergebnisse und sorgen für hohes Entwicklungstempo. Hier einige Beispiele: > Kolbenring-Zylinderwand > Kolbenbolzen > Hochtemperaturtests > Gleitlager > Synchronring > Radlager > und vieles mehr... Sprechen Sie uns an, wenn Sie spezielle Fragen zum tribologischen Verhalten Ihres Produkts haben. Wir entwickeln mit Ihnen die Lösung - basierend auf 50 Jahren Industrieerfahrung SRV ® 5: Unschlagbar vielseitig und präzise Anwendungsnahe Reibungs- und Verschleißprüfungen für sicheren Produkterfolg Optimol Instruments Prüftechnik GmbH Flößergasse 3, 81369 München Telefon: +49 (0) 89 4509 120, Telefax: +49 (0) 89 4509 1289 info@optimol-instruments.de, optimol-instruments.de WIR FREUEN UNS AUF IHREN ANRUF! Optimol SRV® ist ein eingetragenes Warenzeichen der Optimol Instruments Prüftechnik GmbH Komplette Prüfszenarien für Komponenten liefern Ihnen relevante Ergebnisse und sorgen für hohes Entwicklungstempo. Hier einige Beispiele: > Kolbenring-Zylinderwand > Kolbenbolzen > Hochtemperaturtests > Gleitlager > Synchronring > Radlager > und vieles mehr... Sprechen Sie uns an, wenn Sie spezielle Fragen zum tribologischen Verhalten Ihres Produkts haben. Wir entwickeln mit Ihnen die Lösung - basierend auf 50 Jahren Industrieerfahrung SRV ® 5: Unschlagbar vielseitig und präzise Anwendungsnahe Reibungs- und Verschleißprüfungen für sicheren Produkterfolg Optimol Instruments Prüftechnik GmbH Flößergasse 3, 81369 München Telefon: +49 (0) 89 4509 120, Telefax: +49 (0) 89 4509 1289 info@optimol-instruments.de, optimol-instruments.de WIR FREUEN UNS AUF IHREN ANRUF! Optimol SRV® ist ein eingetragenes Warenzeichen der Optimol Instruments Prüftechnik GmbH Komplette Prüfszenarien für Komponenten liefern Ihnen relevante Ergebnisse und sorgen für hohes Entwicklungstempo. Hier einige Beispiele: > Kolbenring-Zylinderwand > Kolbenbolzen > Hochtemperaturtests > Gleitlager > Synchronring > Radlager > und vieles mehr... Sprechen Sie uns an, wenn Sie spezielle Fragen zum tribologischen Verhalten Ihres Produkts haben. 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Wir entwickeln mit Ihnen die Lösung - basierend auf 50 Jahren Industrieerfahrung T r i b o l o g y i n s i g h t N M I — A m a t e r i a l a n a l y t i c a l a p p r o a c h f o r u n d e r s t a n d i n g t r i b o l o g y N a t u r a l a n d M e d i c a l S c i e n c e s I n s t i t u t e ( N M I ) a t t h e U n i v e r s i t y o f T ü b i n g e n M a r k w i e s e n s t r a ß e 5 5 7 2 7 7 0 R e u t l i n g e n , G e r m a n y P h o n e + 4 9 7 1 2 1 5 1 5 3 0 - 0 w w w . n m i . d e | n a n o a n a l y t i k @ n m i . d e T h e N M I o w n s a w i d e r a n g e o f a n a l y t i c a l e q u i p m e n t , w h i c h c o v e r s l e n g t h s c a l e s f r o m c m t i l l a t o m i c d i s t a n c e s , w i t h d e t e c t i o n l i m i t s d o w n t o f e w p p m . T h e N M I s u c c e s s f u l l y c o n t r i b u t e d a n d i s h a p p y t o c o n t r i b u t e i t s s c i e n t i fi c a n d a n a l y t i c a l k n o w l e d g e a n d k n o w h o w i n P u b l i c f u n d e d r e s e a r c h p r o j e c t s B i l a t e r a l r e s e a r c h a n d d e v e l o p m e n t p r o j e c t s w i t h i n d u s t r i a l p a r t n e r s S e r v i c e a n a l y t i c s E l e m e n t a l a n a l y s i s E D X , X P S , S N M S , S I M S C h e m i c a l a n a n l y s i s R a m a n , F T I R S u r f a c e a n a l y s i s R E M , F I B I n t e r f a c e a n a l y s i s T E M , E E L S , E D X Tribometrie TRIBOLOGIE SCHMIERUNG, REIBUNG, VERSCHLEI ß Herausgegeben von Dr. Manfred Jungk Die Tribologie ist ein interdisziplinäres Fachgebiet, mit Schwerpunkten aus den Bereichen Maschinenbau, Chemie, Physik und Werkstoffwissenschaften. Entsprechend vielfältig sind die Forschungsthemen und Anwendungen. Die Reihe Tribologie - Schmierung, Reibung, Verschleiß behandelt sowohl Grundlagen des Themengebietes für Anwender: innen, Wissenschaftler: innen und Studierende als auch moderne Trends wie Nachhaltigkeit, tribologische Aspekte der Industrie 4.0 und Herausforderungen durch die Elektromobilität. Markus Grebe Tribometrie Anwendungsnahe tribologische Prüftechnik als Mittel zur erfolgreichen Produktentwicklung Umschlagabbildung: © iStock.com/ cturtletrax Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 · expert verlag GmbH Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autoren oder Herausgeber übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Internet: www.expertverlag.de eMail: info@verlag.expert CPI books GmbH, Leck ISBN 978-3-8169-3521-6 (Print) ISBN 978-3-8169-8521-1 (ePDF) ISBN 978-3-8169-0020-7 (ePub) www.fsc.org MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC ® C083411 ® Vorwort Die tribologische Prüftechnik ist und bleibt das wichtigste Hilfsmittel bei der Optimierung tribologischer Systeme. Modell- und Simulationsprüfungen sind in der tribologischen Forschung und Entwicklung unersetzlich. Sie sind notwendig, um unter Berücksichtigung von Kosten und Nutzen verbesserte tribologische Systeme zu entwickeln. Es ist daher wichtig, sich Gedanken zu den Möglichkeiten und Grenzen der einzelnen Prüfverfahren und deren Aussagefähigkeit zu machen. Hierzu sind aber sowohl Tribologie-Kenntnisse als auch ein guter Überblick über die möglichen Tests, ihrer Vor- und Nachteile sowie ihrer Anwendungsgebiete notwendig. Leider müssen wir in letzter Zeit feststellen, dass der Gedanken des tribologischen Systems und der Systemanalyse im Umfeld der Tribometrie teilweise verloren geht. Tribologische Versuche werden ohne das nötige Knowhow von unerfahrenen Personen geplant, durchgeführt und ausgewertet. Unter Kosten- und Zeitdruck werden unsinnige Tests mit Alibi-Charakter durchgeführt. Ein Problem, das diesen Trend unterstützt, sind moderne teil- oder vollautomatische Tribometer, bei denen die Nutzer relativ blind den ausgegeben Werten vertrauen, ohne sich die Proben oder Messdaten detailliert anzuschauen und diese ggf. zu hinterfragen. Letztendlich schädigt das den Ruf der Tribometrie, da die Ergebnisse solcher Prüfungen in aller Regel nicht auf die Praxis übertragbar sind. Fehler in der tribologischen Erprobung im Prüffeld, können schnell kostspielige Folgen haben, wenn z. B. eine Produktentwicklung in der Vorserie abgebrochen werden muss oder sogar Rückrufaktionen notwendig werden. Dieses Buch soll den interessierten Leser aufzeigen, welche Potentiale in der anwendungsnahen tribologischen Prüftechnik stecken. Um diese allerdings wirkungsvoll nutzen zu können, müssen neben den Vorteilen auch die Grenzen der Laborprüfung bekannt und bewusst sein, da es sonst vorkommen kann, dass man Schlussfolgerungen aus einer Prüfung zieht, die über die geprüfte Einzeleigenschaft hinausgehen. Häufig ist auch eine Vielzahl an Prüfungen auf verschiedenen Prüfgeräten notwendig, um unterschiedliche Eigenschaften unter unterschiedlichen Randbedingungen (Beanspruchungskollektive) zu testen, da tribologische Systeme in der Praxis extrem komplex sind und die Funktionalität nahezu nie von einer Einzeleigenschaft abhängt. Eine einzelne Modellprüfung hat somit noch keine Aussagekraft für das reale Bauteil. Auch hierfür sind ein hohes tribologisches Verständnis und breitgefächerte Wissen notwendig. Dieses Buch soll dazu dienen, den Wert und den wissenschaftlichen Anspruch der modernen Tribometrie darzustellen. Basierend auf der tribologischen Systemanalyse und der darauf aufbauenden Prüfstrategie können durch den Einsatz sinnvoller Laborprüfungen, verschiedene Optimierungsansätze in einem sowohl zeitals kostentechnisch akzeptablem Rahmen evaluiert werden. Es wird aufgezeigt, wie ein anwendungsnaher Tribometerversuch aufbauend auf der Systemanalyse entwickelt werden kann und was dabei zu beachten ist. Die wichtigsten Modell- und Labortribometer werden ebenso erläutert, wie die in den Prüffeldern eingesetzten Bauteilprüfstände. Ein weiterer häufig unterschätzter Aspekt ist die wissenschaftliche Planung, Auswertung und Bewertung der durchgeführten Versuche. Hier werden sowohl die eingesetzten Messverfahren und Sensoren beschrieben wie auch Hinweise zur Statistik und Darstellung der Messdaten gegeben. Zusätzlich werden in diesem Buch auch wichtige Randaspekte wie Oberflächenkennwerte und Oberflächenanalytik beleuchtet sowie die Bedeutung die Computersimulation mit ihren Anwendungsgebieten und Grenzen erläutert. Ein großer Dank geht an dieser Stelle an zahlreiche Kollegen in den Prüffeldern von Firmen und in Forschungsinstituten auf deren Ergebnisse, Bilder und Erkenntnisse ich im Rahmen dieses Buches zurückgreifen konnte. Insbesondere möchte ich hier meinen Co-Referenten beim jährlichen TAE-Tribometrieseminar danken: Dr. Martin Jech - Austrian Competence Center for Tribology (AC²T) Dr. Tarek Lutz - Naturwissenschaftliches Institut Reutlingen (NMI) Dipl.-Ing. Wilhelm Rehbein - Lanxess AG Dr. Jürgen Rigo - Kompetenzzentrum Tribologie Mannheim (KTM) Dr. Christian Seyfert - Fuchs Schmierstoffe GmbH Dipl.-Ing. Mario Witt - KS-Gleitlager GmbH Obwohl in einem solchen Buch aufgrund des begrenzten Umfangs sicher nicht alle Aspekte eines jeden Themas hinreichend detailliert beschrieben werden können, so hoffe ich doch, dass es ein wichtiges Hilfsmittel und Nachschlagewerk für Personen wird, die sich für die moderne anwendungsnahe Tribometrie interessieren. Mannheim, 14. Februar 2021 Markus Grebe 2 Vorwort Abkürzungen AE engl. Accoustic Emission - akustische Emission (Geräusch) ANSI American National Standards Institute ASTM American Society for Testing Materials AW engl.: Anti wear (additives) - Verschleißschutz(additive) BOTP engl.: ball on three plates; typische Prüfkonfiguration BoR engl.: block on ring; typische Prüfkonfiguration CEC Coordinating European Council DLC engl. Diamond Like Carbon - diamantähnlicher Kohlenstoff EBSD engl. Electron backscatter diffraction EDX Energiedispersive Röntgenanalyse EHD Elasto-Hydro-Dynamik EP engl.: Extreme pressure (additives) - Hochdruck (-Additive) DIN Deutsche Industrie Norm DMS Dehnungsmessstreifen DOE engl.: Design of experiments f Reibwert (von engl.: fricition); auch μ FIB engl.: Focused ion beam = fokusierter Ionenstrahl FTIR Fourier-Transformations-Infrarotspektrometer; engl.: Fourier transformed infrared spectrometer GfT Gesellschaft für Tribologie ISO International Standardization Organisation OF Oberfläche OFAT engl.: One factor at a time; Versuchsmethode PT Temperaturfühler mit positivem Temperaturkoefizient MEMS Micro-Electro-Mechanical System MPR Micropitting-Rig; Rollenprüfstand der Fa. PCS Instruments MTM Micro-Traction-Machine; Wälzprüfstand der Fa. PCS Instruments NN Normalnull NTC Temperaturfühler mit negativem Temperaturkoefizient ppb engl.: parts per billion, Teile pro Billionen REM Rasterelektronenmikroskop SEM engl.: Scanning electron microscope (engl. für REM) SIMS Sekundär-Ionen-Massenspektrometrie SNMS Sekundär-Neutralteilchen-Massenspektrometrie SRV Schwingungs-Reibverschleiß-Prüfstand (Fa. Optimol Instruments) TAE Technische Akademie Esslingen TC engl.: Thermo couple; Thermoelement TEM Transmissions-Elektronen-Mikroskopie TOF engl.: Time of flight; Messmethode z. B. in einem Flugzeitmassenspektrometer (engl.: Time-of-flight mass spectrometer) UMT Universal Material Tester (Fa. Bruker) VKA Vierkugel-Apparat WLI Weißlicht-Interferometrie XPS Röntgen-Photonen-Spektrometrie ZnDTP Zinkdialkyldithiophosphat (auch ZDDP) μ Reibwert (Quotient aus Reibkraft / Normalkraft); auch f 4 Abkürzungen Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 10 1.1 Tribometrie 10 1.2 Background: Das Kompetenzzentrum Tribologie Mannheim (KTM) an der Hochschule Mannheim 10 1.3 Bedeutung und Aufgaben der Tribologie 12 1.4 Die tribologische Beanspruchung 13 2 Erläuterung der Systemanalyse 14 2.1 Definitionen 15 2.2 Das Beanspruchungskollektiv 16 2.2.1 Elemente eines tribologischen Systems 17 2.2.2 Aufbau metallischer Oberflächen 19 2.2.3 Geometrische und wahre Kontaktfläche 21 2.2.4 Kontaktzustand 23 2.2.5 Schmierungszustand 26 2.2.6 Wechselwirkungen zwischen den Elementen 27 2.3 Verschleißmechanismen und deren Verschleißerscheinungsformen 28 2.4 Systemanalyse 31 3 Tribologische Prüftechnik 32 3.1 Messtechnik (Theorie) 32 3.2 Tribologische Messgrößen 36 3.2.1 Reibung 36 3.2.1.1 Reibungsmessgrößen 38 3.2.1.2 Reibungsmesstechnik 39 3.2.1.2.1 Kraft- und Drehmomentensensoren auf DMS-Basis 39 3.2.1.2.2 Piezosensoren 43 3.2.1.2.3 Oberflächen-Dehnungssensoren 44 3.2.2 Verschleiß 45 3.2.2.1 Verschleißmessung und Verschleißmessgrößen 46 3.2.2.2 Verschleißmesstechnik 49 3.2.3 Temperatur 57 3.2.3.1 Temperaturmesstechnik 57 3.2.3.1.1 PT100 / PT1000 (PTC-Sensoren) und NTC-Sensoren 57 3.2.3.1.2 Thermoelemente 58 3.2.3.1.3 Infrarot-Thermometer / Thermografie 59 3.2.3.1.4 Aufgedampfte Temperaturaufnehmer 61 3.2.3.1.5 Mehrpunkt-Messungen mit Faser-Bragg-Gitter-Sensor 61 3.2.3.1.6 Allgemein 62 3.2.4 Schwingungsmesstechnik 62 3.2.5 Sonstige Sensoren / Kombisensoren 64 3.3 Tribologische Prüfkategorien 66 3.3.1 Übersicht Modellprüfsysteme 68 3.3.1.1 Modellprüfsysteme für Abrasivverschleiß-Untersuchungen 68 3.4 Modellprüfgeräte / Labortribometer 70 3.4.1 Vierkugel-Apparat (VKA) 72 3.4.2 Schwing-Reib-Verschleiß-Prüfgerät (SRV) 75 3.4.3 Brugger- / Reichert-Prüfung 78 3.4.4 Bruker Universal Material Tester (UMT) 80 3.4.5 Timken-Prüfmaschine 82 3.4.6 Oszillierender Gleitreibungsprüfstand nach „Tannert“ / Tannert-Gleitindikator 83 3.4.7 Rotationstribometer 85 3.4.8 Mini-Traction-Machine (MTM) 87 3.4.9 Zwei-Scheiben-Prüfstände 89 3.4.10 Rollenprüfstände / Micro-Pitting-Rig (MPR) 92 4 Modell- und Simulationsprüfung 93 4.1 Modellprüfung (Kategorie VI) 93 4.1.1 Vorgehen bei der Modellprüfung 94 4.1.2 Modellprüfung in der Praxis 96 4.1.3 Aussagefähigkeit der Modellprüfung 96 4.2 Simulationsprüfung (beanspruchungsähnlicher Versuch mit Probekörpern, Kategorie V) 97 4.2.1 Vorgehen bei der Simulationsprüfung 98 4.3 Wie kann die Aussagekraft einer Laborprüfung verbessert werden? 100 4.3.1 Optimale Messtechnik 100 4.3.2 Festlegung der Prüfparameter 101 4.3.3 Berücksichtigung der Energiedissipation (Tribomutation) 101 4.3.3.1 Dynamische Einflüsse 105 4.3.3.2 Festlegung der geeigneten Prüfdauer 106 4.3.3.3 Statistische Absicherung der Ergebnisse 107 4.3.3.4 Unvermeidliche Toleranzen 108 4.3.3.5 Sonstige Einflussquellen 108 4.3.3.6 Abbruchkriterien 109 4.3.3.7 Dokumentation 109 4.3.3.8 Sonstiges 110 4.4 Auswertung und Interpretation tribologischer Messgrößen 110 4.5 Beispiele für anwendungsorientierte Bauteilprüfungen in Labortribometern 116 4.5.1 Kolben eines Klimakompressors im SRV 116 4.5.2 Kolbenring / Liner-Prüfung im SRV Prüfstand 117 6 Inhaltsverzeichnis 4.5.3 Ventilschaftprüfung im SRV-Prüfstand 118 4.5.4 Frettingversuche an Stangenführungen 120 4.5.5 Prüfung von Kolbenstangendichtungen im SRV-Prüfstand 121 5 Bauteilprüfung 122 5.1 Wälzlagerprüfung 122 5.1.1 FE8 Prüfung (DIN 51819-2) 122 5.1.2 FE9-Prüfung (DIN 51821) 125 5.1.3 Komponentenerprobung 127 5.2 Zahnradprüfung / Getriebeölprüfung im FZG-Prüfstand 129 5.2.1 FZG-Fresstest (Laststeigerungslauf) 130 5.2.2 FZG-Langsamlauf-Verschleißtest 132 5.2.3 FZG-Pitting-Test und Graufleckigkeitstests 132 5.2.4 FZG-Wirkungsgrad-Test (Energieeffizienz-Test) 135 5.2.5 Übersicht Norm- und Standard-Prüfungen im FZG-Prüfstand 136 5.3 Hydrauliköl-Tests 137 5.3.1 Flügelzellenpumpentests Vickers V104C und Eaton 35VQ25 137 5.3.2 Denison-Pumpe 140 5.3.3 Bosch-Rexroth-Hydraulikfluid-Test 141 5.4 Gleitlager-Prüfung 143 5.4.1 Fresslasttest 144 5.4.2 Dauerlauf-Ermüdungstest 146 5.4.3 Partikelverträglichkeitstest / Test der Einbettfähigkeit 146 5.4.4 Dauerlauf-Verschleißtest / Start/ Stopp-Test 148 5.4.5 Notlauftest 151 5.4.6 Sonstige nicht-motorische Gleitlagerprüfung 153 5.4.6.1 Versuche zur Ermittlung des maximalen pv-Wertes 153 5.4.6.2 Schwenklagerprüfung 154 5.4.6.3 Stoßdämpferlagerprüfung 155 5.5 Kupplungen, Bremsen, Synchronisierungen und Reibbeläge 157 6 Kunststoffprüfung 160 6.1 Besonderheiten bei Kunststoffen als Reibpartner 160 6.1.1 Randzone / Spritzhaut / Orientierung 160 6.1.2 Elastisch/ plastisches Verhalten (Fließen) 162 6.1.3 Einfluss der Gegenkörperrauigkeit 164 6.1.4 Thermische Effekte 165 6.2 Reibungsuntersuchung / Kennlinienfelder 169 6.3 Verschleißuntersuchung 172 6.3.1 Versuchsdauer 173 6.4 Typische Modellprüfsysteme für die Kunststoffprüfung (DIN/ ISO 7148) 173 Inhaltsverzeichnis 7 6.4.1 Stift/ Scheibe (Pin-on-Disc, PoD) 174 6.4.2 Ring/ Platte oder Ring/ Scheibe 175 6.4.3 Kugel/ Prisma oder Ball-on-three-plates (BOTP) 176 6.4.4 Block auf Ring (Block-on-Ring, BoR) 177 6.4.5 Radialgleitlager 178 6.4.6 Linear-oszillierender Flächenkontakt 178 6.5 Stick-Slip-Untersuchungen 180 7 Design of Experiments (DOE) / Statistik 185 7.1 Grundprinzipien der Statistischen Versuchsplanung 186 7.2 Verschiedene Experimentier-Methoden 187 7.2.1 One-factor-at-a-time (OFAT) 189 7.2.2 DoE: Vollfaktorieller Versuch (auf mind. 2 Stufen) 190 7.2.3 DoE: Teilfaktorieller Versuch 190 7.2.3.1 Beispiel Basketball-Experiment 192 7.3 Statistik 194 7.3.1 Gauß-Verteilung 195 7.3.2 Definition von Ausreißern 195 7.4 Auswertung / Darstellungsarten 196 7.4.1 Boxplots 196 7.4.2 Haupteffektdiagramm (Main Effect Plot) und Wechselwirkungen 197 7.4.3 Kontur-Plot 199 7.4.4 Pareto-Diagramm 199 7.4.5 Histogramm 200 7.4.6 Weibull-Verteilung 200 7.4.7 Weitere Verteilungsfunktionen 200 7.5 Zusammenfassung DOE und Statistik 202 8 Oberflächenmesstechnik 203 8.1 Grundlagen und Begriffe 203 8.2 Messverfahren 204 8.2.1 Autofokussensor 205 8.2.2 Weißlicht-interferometrie (WLI) 205 8.2.3 Konfokalmikroskopie 205 8.2.4 Laserscanning-Mikroskop 206 8.3 2D-Oberflächenparameter 206 8.3.1 Amplitudenkennwerte 206 8.3.2 Traganteilskurve (Abbott-Firestone-Kurve) 207 8 Inhaltsverzeichnis 8.4 3D-Oberflächenparameter 208 8.4.1 Vorteile der 3D-Messtechnik und Einteilung der Kennwerte 208 8.4.2 Amplitudenparameter 210 8.4.3 Hybridparameter / Mischparameter 214 8.4.4 Fazit 3D-Kennwerte in der ISO 25178 217 8.5 Filter und Fehlstellenkorrektur 218 8.6 Praxisbeispiel mikrostrukturierte Kunststoffgleitfläche 221 9 Oberflächenanalytik und chemische Analysen 223 9.1 Rasterelektronenmikroskopie (REM) mit energiedispersiver Röntgenanalyse (EDX) und Focus-Ion-beam-Technologie (FIB) 225 9.2 Fourier-Transformations-Infrarotspektrometer (FTIR) und Ramanspektroskopie 228 9.3 Röntgen-Photonen-Spektroskopie (XPS) 230 9.4 Sekundär-Neutralteilchen-Massenspektrometrie (SNMS) und Sekundär-Ionen-Massenspektrometrie (SIMS) 231 10 Computersimulation 234 11 Was zeichnet ein gutes Labor-Tribometer aus? 239 12 Zusammenfassung 241 13 Literaturhinweise und Quellenangaben 243 13.1 Veröffentlichungen und Bücher 243 13.2 Internet 245 13.3 Normen 247 14 Stichwortverzeichnis 249 Inhaltsverzeichnis 9 1 Einleitung 1.1 Tribometrie Die Tribometrie beschäftigt sich mit dem Messwesen auf dem Gebiet der Tribologie. Dies sind insbesondere die eingesetzten Prüfmaschinen (sog. Tribometer) und die aufgenommenen Messgrößen. Die tribologische Prüftechnik ist und bleibt das wichtigste Hilfsmittel bei der Optimierung tribologischer Systeme. Obwohl in vielen Bereichen des täglichen Lebens und der Wissenschaft Computer die Arbeit übernommen haben, sind und bleiben mechanisch-dynamische Prüfungen auf Prüfständen in der tribologischen Forschung und Entwicklung unersetzlich. Sie sind notwendig, um unter Berücksichtigung von Kosten und Nutzen tribologische Systeme zu entwickeln und zu optimieren. Prinzipiell erstreckt sich das Gebiet der Tribometrie von der Erprobung im Feld bis hin zum einfachen Laborversuch. Somit kann man jede Maschine auf der tribologische Fragestellungen untersucht werden, als Tribometer bezeichnen. In der Praxis versteht man unter Tribometer-Versuchen aber meist die relativ einfachen Laborprüfungen der Kategorie VI und V (Modell- und Probekörperversuche). Sowohl auf die unterschiedlichen Prüfmaschinen als auch die Prüfkategorien wird im Rahmen des Kapitels „3.4 - Modellprüfgeräte / Labortribometer“ noch detailliert eingegangen. Neben der Beschreibung der wichtigsten Modell- und Bauteiltribometer werden auch wichtige Randthemen wie die eingesetzte Messtechnik, Oberflächenkennwerte und -analyse sowie auch Hinweise zur Statistik behandelt, um ein ausreichend breites Basiswissen zu schaffen, das es dem Leser letztendlich erlaubt, das volle Potential der Tribometrie auszuschöpfen. Ein wichtiges Ziel dieses Buches ist es zu verdeutlichen, dass es in der modernen Tribometrie nicht mehr darum geht, blind Kennwerte zu erzeugen, sondern dass sie das Mittel ist, ein tiefgreifendes Verständnis für tribologische Vorgänge zu generieren. 1.2 Background: Das Kompetenzzentrum Tribologie Mannheim (KTM) an der Hochschule Mannheim Das Kompetenzzentrum Tribologie verfügt zurzeit über mehr als 50 verschiedene Tribometer für Modell- und Freigabetests und zur Simulation unterschiedlichster tribologischer Systeme. Ergänzt wird der umfangreiche Prüfmaschinenpark durch Geräte und Apparaturen zur hochgenauen Analyse und Dokumentation von Oberflächen sowie für die Viskosimetrie, die Untersuchung des Alterungsverhaltens und die Ermittlung chemisch/ physikalischer Kennwerte. Schwerpunkt der Forschungs- und Entwicklungsprojekte sind Untersuchungen unter Grenz- und Mischreibungsbedingungen. Das Kompetenzzentrum Tribologie arbeitet bei der Optimierung von tribologischen Systemen nach einem ganzheitlichen, systemanalytischen Ansatz (Abbildung 1). Das heißt, dass prinzipiell erst einmal alle möglichen Optimierungsansätzen wie Werkstoffe (Metalle, Keramiken, Kunststoffe), Beschichtungen und Schmierstoffe (Öle, Fette, Feststoffe) in Betracht gezogen werden. Ganz wichtig ist aber auch, nach maschinenbaulichen Lösungen zu suchen. Häufig liegt das Problem bereits in einer ungünstigen Konstruktion, ungeeigneter Endbearbeitung oder anderer systematischer Mängel. Mögliche Lösungsansätze werden dann in speziell und individuell geplanten Tribometerversuchen evaluiert. Erst am Ende erfolgt die Bewertung, in die dann auch wirtschaftliche Gesichtspunkte eingehen. Neben den öffentlich geförderten Projekten stellen auch bilaterale Kleinprojekte für KMU sowie der Technologietransfer einen Schwerpunkt der Arbeit dar. Abbildung 1: Design-Thinking-Ansatz des KTM zur Problemlösung bzw. Optimierung tribologischer Systeme In Rahmen der täglichen Arbeit stellt sich immer wieder die Frage über den Nutzen von Modell- und Laborprüfungen. Insbesondere die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Praxis wird hierbei häufig von skeptischen Kunden angezweifelt. Leider basieren viele dieser Zweifel tatsächlich auf schlechten Erfahrungen. Viele Kunden berichten von vollkommen gegensätzlichen Ergebnissen in den Modelltests und später in der Anwendung. Bei genauerer Betrachtung solcher Fälle muss man häufig feststellen, dass die Laborversuche für die praktische Fragestellung falsch ausgewählt, mit falschen Parametern durchgeführt oder einfach falsch interpretiert wurden. In den letzten Jahren mussten wir mehrfach feststellen, dass es häufig an einem wissenschaftlichen Ansatz und ausreichend tribologischem Background fehlt. Teilweise kaufen sich Institute oder Firmen, die sich jahrelang mit anderen Themen beschäftigt haben, ein modernes Tribometer und wollen nun „auch noch den tribologischen Kennwert ermitteln“ (Originalzitat einer Firma, die sich zuvor auf chemische Materialanalysen konzentriert hatte). Das gleiche Problem sehen wir bei Instituten oder Abteilungen, die bisher auf die Computersimulation spezialisiert waren und denen nur noch der „tribologische Kennwert“ fehlt, um ein tribologisches System hochgenau im Computer abbilden zu können. Unterstützt wird diese Entwicklung von den Prüfstandsherstellern, die natürlich ein großes Interesse haben, ihre Geräte so zu bewerben, als ob jeder, ohne große Vorkenntnisse, problemlos tribologische Versuche durchführen könne. Das mag für einfache Modellprüfungen nach Norm vielleicht noch gelten. Werden die Versuche aber etwas anspruchsvoller, sind Bediener ohne Tribologie- und Maschinenbaukenntnisse häufig überfordert. 1 Einleitung 11 Dieses Buch soll dabei helfen, eine wissenschaftliche Vorgehensweise bei der Auswahl und dem Design geeigneter Laborprüfungen aufzeigen sowie Hinweise zur Auswertung der Versuche geben. Daneben werden zahlreiche Randaspekte betrachtet, die für die Interpretation der durchgeführten Versuche und für das Verständnis der tribologischen Vorgänge hilfreich sind. 1.3 Bedeutung und Aufgaben der Tribologie Auf der Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für Tribologie (GfT) 2014 gab es eine Podiumsdiskussion zur Zukunft der Tribologie. Damals war gerade die aktuelle „GfT-Tribologie-Studie 2014“ vorgestellt worden. Der so genannte Tribo-Talk stand daher unter dem Titel „Aufbruch oder Ernüchterung“. Alle Redner bestätigten dort die große Bedeutung der Tribologie für die Volkswirtschaft und Wissenschaft. Trotzdem klang bei allen etwas Wehmut heraus, da diese Bedeutung zwar in Fachkreisen unbestritten ist, sich der Allgemeinheit aber eher nicht erschließt. In Erinnerung geblieben ist mir der etwas resignierende Ausspruch eines Redners: „Tribologie ist halt nicht sexy“. Junge Menschen aber auch Politiker tendieren dazu in Schlagworten zu denken. Worte wie Klimaschutz, CO 2 -Neutralität, E-Mobility, Digitalisierung, Industrie 4.0, Additive Fertigung usw. hören wir tagtäglich in den Nachrichten. Das Wort Tribologie hört man dort nie. Selbst Fachleute können mit dem Begriff häufig nicht viel anfangen. Schaut man sich aber einmal die Aufgaben der Tribologie an (Abbildung 2), dann sind gerade wir Tribologen es, die die Lösungen zu den zuvor genannten Fragestellungen liefern können und müssen. Abbildung 2: Aufgaben der Tribologie in Hinblick auf Nachhaltigkeit Durch Reibung und Verschleiß entstehen den jeweiligen Volkswirtschaften der Industrieländer jährliche Verluste in Höhe von etwa 1,4% [HOLM2017] bis 7% [GFT2021] des Bruttosozialproduktes; das bedeutet für Deutschland mindestens 47 Milliarden EUR/ Jahr. Durch konsequentes Umsetzen des bereits vorhandenen tribologischen Wissens könnten davon bereits große Teile eingespart werden. Durch weitere tribologische Forschung kann dieses Sparpotential noch gesteigert werden. 12 1 Einleitung Die verstärkte Berücksichtigung tribologischer Kenntnisse bewirkt beträchtliche Einsparungen bei Energie- und Materialeinsatz, Produktion und Instandhaltung. Energie- und Rohstoffressourcen werden geschont, Umweltschäden vermieden und der Arbeitsschutz verbessert. Ich bin fest davon überzeugt, dass die weltweiten Klimaschutzziele nur erreicht werden können, wenn es gelingt, neue umweltfreundliche Technologien so attraktiv zu machen, dass sie sich auf dem Markt durchsetzen. Betrachtet man einmal den Anteil Deutschlands an den weltweiten Energieverbräuchen oder dem CO 2 -Ausstoß erkennt man schnell, dass eine auf Deutschland begrenzte Verbotspolitik nur einen symbolischen Charakter und global nahezu keine Wirkung hat. Stattdessen brauchen wir mehr Forschung und Innovationen, um eine globale Vorreiterrolle einzunehmen. Wir Wissenschaftler und Ingenieure sind also die Gestalter der Zukunft. So „unsexy“ ist die Tribologie also eigentlich gar nicht. Wir müssen sie nur noch effektiver nutzen und vielleicht auch den Bekanntheitsgrad dieser Nischen-Disziplin erhöhen. 1.4 Die tribologische Beanspruchung Der wesentliche Unterschied zwischen einer tribologischen und einer mechanischen Beanspruchung liegt in folgenden Punkten: I.) Eine tribologische Beanspruchung ist primär in den Oberflächenbereichen von Werkstoffen wirksam. II.) Bei tribologischen Beanspruchungen sind außer den kräftemäßigen auch stoffliche Wechselwirkungen zwischen den Partnern zu beachten. Tribologische Kennwerte sind daher keine Werkstoffeigenschaft, sondern immer vom tribologischen Gesamtsystem abhängig! Für tribologische Phänomene spielen daher vorwiegend die obersten Nanometer einer Oberfläche die entscheidende Rolle. Was dabei zu beachten ist, wird im Kapitel „2.2.2 - Aufbau metallischer Oberflächen“ verdeutlicht. Wie komplex das Wechselspiel zwischen den Elementen des Tribosystems ist, wird dann im Kapitel „2.2.6 - Wechselwirkungen zwischen den Elementen“ detailliert beleuchtet. Der Systemgedanke in der Tribologie wird sich wie ein roter Leitfaden durch das ganze Buch ziehen. Ohne ein hinreichendes Verständnis für diesen Aspekt sind sinnvolle tribologische Prüfungen, wissenschaftliches Arbeiten und allgemein tribologische Optimierungen nicht möglich. 1 Einleitung 13 2 Erläuterung der Systemanalyse Basis aller tribologischen Begutachtungen ist die Methodik der Systemanalyse zur Beschreibung von Reibungs- und Verschleißvorgängen, die von CZICHOS Anfang der 1970er Jahre eingeführt wurde [CZIC1974]. Sie erlaubt die Erfassung und Ordnung aller wichtigen Größen in der Tribologie. Der erste Schritt besteht darin, die Bauteile einer Maschine oder Anlage, deren tribologisches Verhalten untersucht werden soll, räumlich von den anderen Bauteilen abzugrenzen („Freischneiden“). Dazu legt man in geeigneter Weise eine sogenannte Systemeinhüllende um die tribologisch beanspruchten Bauteile und um die anderen daran beteiligten stofflichen Partner (Abbildung 4). Die Bauteile und die stofflichen Partner bezeichnet man als die Elemente des Tribosystems. Bei einem Gleitlager bestehen sie z.B. aus der Welle, der Lagerschale, dem Schmierstoff und der Umgebungsatmosphäre. Die Elemente machen zusammen mit ihren Eigenschaften und Wechselwirkungen, zu denen wesentlich die Verschleißmechanismen gehören, die Struktur des Tribosystems aus, wobei man als Tribosysteme alle technischen Systeme bezeichnet, in denen Reibungs- und Verschleißprozesse ablaufen. Abbildung 3: Bausteine der Systemanalyse Abbildung 4: Funktion des Tribosystems nach CZICHOS/ HABIG [CZIC2015] 2.1 Definitionen In der Wissenschaft ist es wichtig, exakte Begriffsdefinitionen zu haben. Ursprünglich waren die wichtigsten Begriffe in der Tribologie in zahlreichen DIN-Normen zusammengestellt (DIN 50281, DIN 50320, DIN 50322, DIN 50323, DIN 50324). Diese wurden allerdings allesamt zurückgezogen, da das Firmeninteresse an der Mitarbeit in solchen Grundlagenarbeitskreisen gesunken ist. Die Definitionen sind aber weiterhin gültig und wichtig, weswegen sie in dem Arbeitsblatt 7 „Tribologie“ der deutschen Gesellschaft für Tribologie (GfT) zusammengefasst wurden [GFT7]. Aufgrund seiner Bedeutung kann dieses Arbeitsblatt kostenlos auf den Seiten der GfT heruntergeladen werden. Kostenloser Download des Arbeitsblattes Nr. 7 unter https: / / www.gft-ev.de/ arbeitsblaetter.htm 2 Erläuterung der Systemanalyse 15 2.2 Das Beanspruchungskollektiv Die wichtigsten Größen des Beanspruchungskollektivs sind: Bewegungsform Bewegungsablauf Belastung F N Geschwindigkeit v Temperatur T Zeit t B oder Weg s Jede dieser Einzelbegriffe kann weiter unterteilt werden. So kann die Bewegungsform in Gleiten, Wälzen, Rollen, Stoßen oder Prallen, Strahlen und Strömen unterteilt werden. Der Bewegungsablauf kann hierbei kontinuierlich, intermittierend (unterbrochen), repetierend (in einer Richtung wiederholend) oder oszillierend (hin und her) sein. Bei allen Größen ist der zeitliche Verlauf entscheidend. So hat ein zyklisches Be- und Entlasten eine vollkommen andere Wirkung auf das Tribosystem als eine konstante Kraft. Auch bei der Temperatur ist beispielsweise ein stetiger Temperaturwechsel deutlich kritischer einzustufen als eine konstante Temperatur, da es dabei zu Kondensationseffekten und damit zum Wassereintrag kommen kann. Bei dem Faktor Zeit sind auch Stillstandszeiten zu berücksichtigen, weil es bei diesen zu einem Anstieg der Haftreibung, zum Wegfließen von Schmierstoff oder zu Korrosionseffekten kommen kann. Bereits kurze Stillstandszeiten helfen einem Tribosystem aber auch, sich thermisch zu erholen. 16 2 Erläuterung der Systemanalyse 2.2.1 Elemente eines tribologischen Systems Innerhalb der Struktur von Tribosystemen können vier Elemente unterschieden werden: Grundkörper Gegenkörper Zwischenstoff Umgebungsmedium Jedes dieser Elemente kann durch verschiedene Eigenschaften beschrieben werden. Beim Grund- und Gegenkörper sind dies die Volumen- und Oberflächeneigenschaften. Auch diese können noch einmal unterteilt werden (siehe Tabelle 1). Beim Zwischenstoff erfolgt die Hauptunterteilung nach dem jeweiligen Aggregatzustand, d. h. ob der Zwischenstoff fest, flüssig oder gasförmig vorliegt. Detailliert wird diese Information durch die jeweiligen Stoffeigenschaften; im Fall des festen Körpers zusätzlich durch dessen Formeigenschaften. Auch beim Umgebungsmedium unterteilt man zuerst nach dem Aggregatzustand und im nächsten Schritt nach den jeweiligen Stoffeigenschaften. Tabelle 1: Eigenschaften der Elemente Grund-/ Gegenkörper Zwischenstoff Umgebungsmedium 1. Volumeneigenschaften Aggregatzustand Aggregatzustand 1. fest 1. flüssig 1.1. Stoffeigenschaften 1.1. Stoffeigenschaften 1.1. Stoffeigenschaften chem. Zusammensetzung chem. Zusammensetzung - Volumen - Struktur - Struktur - Dichte - Festigkeit - Viskosität 1.2. Formeigenschaften 1.2. Formeigenschaften - Gestalt - Gestalt - Abmessungen - Abmessungen 2. Oberflächeneigenschaften 2. flüssig 2. gasförmig 2.1. Stoffeigenschaften 2.1. Stoffeigenschaften 2.1. Stoffeigenschaften chem. Zusammensetzung der - Volumen - Druck Oberflächenschicht - Dichte - Feuchte - Härte der Oberflächenschicht - Viskosität - Temperatur 2.2. Formeigenschaften - Dicke der Oberflächenschicht - Rauheit 3. gasförmig 3.1. Stoffeigenschaften - Druck - Feuchte - Temperatur Abbildung 5: Elemente des Tribosystems 2 Erläuterung der Systemanalyse 17 Auf den ersten Blick sieht dies recht einfach aus, da man davon ausgeht, dass man diese Informationen in den entsprechenden Datenblättern oder Konstruktionszeichnungen finden kann. In der Praxis stößt man aber schnell auf Probleme. Bei den Zwischenstoffen enthalten die Datenblätter der Schmierstoffe aus Geheimhaltungsgründen häufig nicht die Informationen, die man für eine wissenschaftliche Bewertung benötigt. Auch die Stoffeigenschaften von Grund- und Gegenkörper sind nicht einfach zu finden. Aus den Konstruktionsunterlagen erhält man sicherlich Informationen, was für ein Material eingesetzt werden soll und wie der Vergütungszustand sowie die Form- und Rauheitseigenschaften der Oberfläche sind. Hierbei handelt es sich allerdings um theoretische Daten und Werte. Schaut man sich einmal eine reale metallische Oberfläche an was heute dank moderner oberflächenanalytischer Verfahren möglich ist (siehe Kapitel 9) so erkennt man, dass die für die tribologische Beanspruchung wichtige Oberfläche in ihrer Zusammensetzung und ihren Eigenschaften nicht dem Grundmaterial entspricht (Abbildung 6). 18 2 Erläuterung der Systemanalyse 2.2.2 Aufbau metallischer Oberflächen Jede reale Oberfläche ist in der Praxis von einer Adsorptionsschicht bedeckt, die nur wenige Nanometer dick ist, aber bereits einen signifikanten Einfluss auf das tribologische Verhalten hat. Abbildung 6: Aufbau metallischer Oberflächen. Ein bekannter Tribologe, der GfT-Vogelpohl-Ehrenpreisträger Werner Stehr, bezeichnet diese Schicht gerne als „Schlonz“. Dieser schwäbische Begriff verdeutlicht sehr schön, wie wenig man in der Praxis über die Zusammensetzung dieser oberflächennahen Schichten weiß. Untersuchungen an Pressverbänden von Turboladern am Kompetenzzentrum Tribologie haben gezeigt, dass bereits das Berühren von zuvor gereinigten metallischen Bauteilen Haftreibwerte um den Faktor zwei reduzieren können. Für die praktische Anwendung bedeutet dies, dass der Reinigungszustand sehr genau beschrieben werden muss. Für anwendungsnahe tribologische Versuche muss man sich Gedanken machen, wie der Oberflächenzustand in der Praxis ist. Eine chemisch optimal gereinigte Oberfläche ist für die Wiederholbarkeit eines Laborversuchs vielleicht vorteilhaft, kann aber vollkommen andere Ergebnisse liefern als real kontaminierte Bauteile. Unterhalb dieser Adsorptionsschicht findet man bei Metallen eine Oxid- oder Reaktionsschicht, die man heute beispielsweise im TEM oder im FIB/ XB gut nachweisen kann (Abbildung 7 und Abbildung 8). 2 Erläuterung der Systemanalyse 19 Abbildung 7 TEM-Darstellung einer Reaktionsschicht [Quelle: NMI Reutlingen] Abbildung 8 FIB/ XB-Darstellung des OF-nahen Gefüges [Quelle: NMI Reutlingen] 20 2 Erläuterung der Systemanalyse 2.2.3 Geometrische und wahre Kontaktfläche Die Oberfläche ist aber nicht nur chemisch schwer zu beschreiben, auch die Bestimmung der wahren Kontaktfläche ist kompliziert. Die wahre Kontaktfläche ist immer um Größenordnungen kleiner als die geometrische Kontaktfläche, die sich beim ebenen Kontakt aus Länge mal Breite berechnet. Die wahre Kontaktfläche hingegen ist die Summe aller Mikrokontakte, die sich aus der elastisch/ plastischen Deformation in Abhängigkeit der Normalkraft ergibt. Betrachtet man einmal, wie sich die wahre Kontaktfläche in Abhängigkeit der Normalkraft ändert, so erkennt man, dass die tatsächliche Berührungsfläche annähernd im selben Maß wächst, wie die Normalkraft. Das bedeutet, dass die reale Flächenpressung quasi immer gleichbleibt (Abbildung 10). Diese Aussage basiert zwar auf einer sehr idealisierten Annahme, sie verdeutlicht allerdings das grundsätzliche Phänomen. Abbildung 10: Tatsächliche und scheinbare Berührfläche (nach [GÄNS1960]) Abbildung 9: Wahre Kontaktfläche 2 Erläuterung der Systemanalyse 21 Wie die wahre Kontaktfläche mit der Normalkraft steigt, lässt sich schön mit einem transparentem Silikonstempel auf einer rauen Oberfläche zeigen (Abbildung 11). Abbildung 11: Ausbildung der wahren Kontaktfläche zwischen einem Silikonstempel und einer rauen Oberfläche [PERS2009] Um die wahre Kontaktfläche berechnen oder zumindest abschätzen zu können, ist eine genaue Beschreibung der Oberflächen notwendig. Die entsprechenden 2D- und 3D-Rauheits- und Topografiekennwerten werden im Kapitel 8 behandelt. 22 2 Erläuterung der Systemanalyse 2.2.4 Kontaktzustand Wie Grund- und Gegenkörper miteinander in Kontakt kommen, wird vom Kontaktzustand beschrieben. Hier unterscheidet man die geometrische Konformität, die Form der Tribokontaktfläche und das Eingriffsverhältnis (Abbildung 12). Abbildung 12: Beschreibung des Kontaktzustandes Die geometrische Konformität (Schmiegung) beeinflusst vorwiegend die Pressung und im Falle eines geschmierten Systems das hydrodynamische Verhalten. Hier unterscheidet man konforme und kontraforme Kontakte. Ebenfalls für die Pressung und das Schmierungsverhalten relevant ist, ob ein Flächen-, Linien- oder Punktkontakt vorliegt. Die Schmierung und die Kontaktart beeinflussen die Pressung im Bereich von mehreren Zehnerpotenzen. So liegen typische Pressungen für technische Systeme im Flächenkontakte im Bereich unter 150 N/ mm²; für Linienkontakte unter 1500 N/ mm² wohingegen Punktkontakte häufig Pressungen deutlich über einem Gigapascal aufweisen. Die Pressung in einem Punkt- oder Linienkontakt lässt sich relativ einfach mit den Formeln nach Hertz berechnen [HERT1881]. Obwohl diese nun über 140 Jahre alt sind, ergeben sich mit diesen Formeln bereits sehr gute Näherungswerte, die für Abschätzungen in aller Regel vollkommen ausreichen. 2 Erläuterung der Systemanalyse 23 Abbildung 13: Pressungsberechnung mit den Formeln nach Hertz (in Anlehnung an [WITT1991]) 24 2 Erläuterung der Systemanalyse Die Hertzschen Formeln wurden erst im Jahre 1971 von JOHNSON, KENDAL und ROBERTS um die Adhäsionskräfte erweitert (JKR-Theorie [JOHN1971]). Weitere Forscher entwickelten ähnliche Theorien, die sich aber nur gering in den Ergebnissen unterscheiden, sodass sich die JKR-Theorie durchgesetzt hat. Der wesentliche Unterschied zum nicht-adhäsiven Kontakt besteht darin, dass an den Rändern des Kontaktgebietes die Spannung nicht null ist, sondern einen unendlich großen negativen Wert annimmt. Die Berücksichtigung der endlichen Reichweite der Adhäsionskräfte beseitigt in der Realität diese Singularität. Dennoch erreichen die Spannungen laut POPOV an den Rändern eines adhäsiven Kontaktgebietes relativ große Werte in der Größenordnung der theoretischen Festigkeit der Van-der-Waals-Bindungen [POPO2009]. Neben den absoluten Pressungen ist auch die Spannungsverteilung für die Beanspruchung entscheidend. So tritt bei einem statisch belasteten Walzenpaar die Maximalspannung in einer Tiefe von 0,78-mal der halben Kontaktbreite auf (Abbildung 14). Das bedeutet, dass der Ort der Rissentstehung voraussichtlich unter der Oberfläche liegen wird (zum Beispiel bei Zahnrädern bei ausreichender Schmierung). Abbildung 14: Spannungsverteilung bei einem Walzenpaar und passend skaliertes Schliffbild mit einem Riss in der Tiefe (in Anlehnung an [BROS1982]) Die Formeln nach Hertz basieren allerdings auf einigen idealisierten Annahmen. So gelten sie nur für isotope und rein elastische Körper mit ideal glatten Oberflächen. Daneben gelten sie ausschließlich für den statischen Fall. Betrachtet man nun eine dynamische Beanspruchung, so verschieben sich die Spannungsmaxima in Richtung der Oberfläche. Die nachfolgende Abbildung zeigt, wie mit steigendem Reibwert das Spannungsmaxima an die Oberfläche wandert (Abbildung 15). 2 Erläuterung der Systemanalyse 25 Abbildung 15: Spannungsmaxima mit steigendem Reibwert (in Anlehnung an [BROS1982]) 2.2.5 Schmierungszustand In geschmierten Systemen ist die tribologische Beanspruchung stark von den hydrodynamischen Bedingungen abhängig. Eine vereinfachte, idealisierte aber sehr bekannte Darstellung ist die sogenannte Stribeckkurve. Sie zeigt, wie sich der Reibungskoeffizient eines geschmierten Gleitlagers mit steigender Drehzahl verändert. Dabei wird davon ausgegangen, dass sich die dynamische Viskosität und die Normalkraft während des Versuchs nicht ändern. Dies ist eine idealisierte Annahme, die in der Praxis häufig so nicht gilt. Abbildung 16: Idealisierte Stribeckkurve eines geschmierten Radialgleitlagers 26 2 Erläuterung der Systemanalyse Der Begriff Stribeckkurve wird teilweise auch als Synonym für die Veränderung des Reibwertes in Abhängigkeit der Gleitgeschwindigkeit verwendet. Man findet diesen Begriff daher teilweise auch bei trockenen Tribosystemen. 2.2.6 Wechselwirkungen zwischen den Elementen Neben der exakten Beschreibung der Oberflächen stellen auch die Wechselwirkungen zwischen den Elementen des Tribosystems ein großes Problem dar. Jedes der vier Elemente agiert mit einem anderen Element. So beeinflussen sich beispielsweise Grund- und Gegenkörper durch die später noch detailliert beschriebenen Verschleißmechanismen. Zwischen Grund- und Gegenkörper und dem Umgebungsmedium kommt es zu Absorptionsprozessen, chemischen Reaktionen und Sublimation. Besonders kompliziert ist das Zusammenspiel mit dem Zwischenstoff (Abbildung 17). Neben der gewünschten Wirkung der Additive des Schmierstoffs gibt es hier auch vielfältige und teilweise negative Wechselwirkungen. Abbildung 17: Übersicht über die möglichen Wechselwirkungen zwischen den Elementen (nach [CZIC10]) 2 Erläuterung der Systemanalyse 27 2.3 Verschleißmechanismen und deren Verschleißerscheinungsformen Wie zuvor bei den Wechselwirkungen schon angedeutet, beeinflussen sich Grund- und Gegenkörper über die Verschleißmechanismen. In der Tribologie hat man vier Hauptverschleißmechanismen definiert. Adhäsion, Abrasion, Oberflächenzerrüttung und tribochemische Reaktion (Tribooxidation) (Abbildung 18). Abbildung 18: Übersicht über die vier Hauptverschleißmechanismen Jeder dieser Verschleißmechanismen zeigt typische Verschleißerscheinungsformen. Diese sind in Abbildung 19 dargestellt. Die Verschleißerscheinungsformen sind ein wichtiges Puzzleteil bei der Schadensanalyse. Anhand der richtigen Deutung der Verschleißerscheinungsformen sowie weiterer Informationen zum Tribosystem kann eine Hypothese über mögliche Ursachen aufgestellt werden. Dies ist von entscheidender Bedeutung, um geeignete Abhilfemaßnahmen zu finden und diese im Labor zu testen. Eine vereinfachte Übersicht über Möglichkeiten die jeweiligen Hauptverschleißmechanismen einzuschränken, findet sich in Abbildung 20. In der Praxis ist die Bewertung der Verschleißerscheinungsformen allerdings nicht so einfach. Häufig sind ursprüngliche Schäden bereits durch Folgeschäden verdeckt. So führt ein einzelner Partikel, der beispielsweise infolge von Oberflächenzerrüttung entstanden ist, sehr schnell zu einer deutlichen Riefung (Abrasion) und gegebenenfalls auch zu Adhäsionserscheinungen. Es ist daher wichtig, Bauteile zu analysieren, bei denen der Schaden gerade eben erst aufgetreten ist. Diese sind allerdings in der Praxis schwer zu finden, da es nur selten gelingt, eine Maschine zum richtigen Zeitpunkt und schnell genug abzuschalten. 28 2 Erläuterung der Systemanalyse Abbildung 19: Typische Verschleißerscheinungsformen der vier Hauptverschleißmechanismen 2 Erläuterung der Systemanalyse 29 Abbildung 20: Mögliche Lösungsansätze zur Reduzierung von Schäden in Abhängigkeit der wirkenden Hauptverschleißmechanismen 30 2 Erläuterung der Systemanalyse 2.4 Systemanalyse Bei der Systemanalyse versucht man, das vorliegende reale tribologische System möglichst genau zu beschreiben. Erst wenn man diese Informationen zusammen hat, kann man einen geeigneten tribologischen Versuch im Labor planen. Am Beispiel eines stirnradverzahnten Getriebes sind die zu bestimmenden Größen in Abbildung 21 dargestellt. Abbildung 21: Systemanalyse an einem Getriebe 2 Erläuterung der Systemanalyse 31 3 Tribologische Prüftechnik Die Aufgaben tribologischen Prüftechnik sind vielfältig: Bestimmung verschleißbedingter Einflüsse auf die Gesamtfunktion von Maschinen. Überwachung der verschleißabhängigen Einsatzfähigkeit von Maschinen. Diagnose von Betriebszuständen. Optimieren von Bauteilen bzw. tribotechnischen Systemen zum Erreichen einer vorgegebenen verschleißbedingten Gebrauchsdauer. Schaffung von Daten für die Instandhaltung. Vorauswahl von Werkstoffen und Schmierstoffen für praktische Anwendungsfälle. Qualitätskontrolle von Werkstoffen und Schmierstoffen. Verschleißforschung, mechanismen-orientierte Verschleißprüfung. Um diese Aufgaben erfüllen zu können, müssen belastbare Kenngrößen aufgenommen werden. In diesem Kapitel soll daher auf die wichtigsten Messgrößen und die entsprechenden Messtechniken eingegangen werden. 3.1 Messtechnik (Theorie) Bevor in den nächsten Kapiteln auf die Messung der wichtigsten tribologischen Kenngrößen eingegangen wird, sollen in diesem Kapitel die notwendigen theoretischen Grundlagen vermitteln werden. Eine Messung liefert die quantitative Information über den aktuellen Zustand einer physikalischen Größe, die ansonsten nur abgeschätzt werden könnte. Messungen sind daher in allen Bereichen der Wissenschaft unerlässlich. Eine Messkette besteht aus drei Elementen: dem Sensor, der Signalkonditionierung und der Auswertung und Aufzeichnung. Der Sensor hat die Aufgabe, die Messgröße in eine detektierbare analoge Form zu überführen. In der Signalverarbeitung wird das Signal so aufbereitet, dass es über größere Strecken sicher transportiert werden kann. Am Ende der Messkette steht die Datenaufzeichnung und Auswertung (Abbildung 22). Abbildung 22: Aufbau der Messkette Keine Messung ist zu 100 % perfekt und korrekt. In der Realität muss man daher immer mit einer Messunsicherheit rechnen. Das bedeutet, dass eine endliche Anzahl von Messwerten um das eigentliche Ergebnis einer Messgröße verteilt ist. In der Praxis ist es wichtig, diese Messunsicherheit zu kennen. Im üblichen Sprachgebrauch ist das Wort Unsicherheit nicht gerade vertrauensbildend. Im technisch-wissenschaftlichen Bereich sieht das aber anders aus: Hier ist es ein Qualitätsmerkmal und zeigt, dass ein angegebener Kennwert durch mehrere Messungen statistisch abgesichert ist. Das Internationale Wörterbuch der Metrologie [VIM1993] definiert Messunsicherheit als einen Kennwert, der den Bereich der Werte charakterisiert, die der Messgröße durch die durchgeführte Messung vernünftigerweise zugeschrieben werden können. Die nach einem einheitlichen Verfahren berechnete und in einer bestimmten Weise mitgeteilte Messunsicherheit drückt so die Stärke des Vertrauens aus, mit der angenommen werden darf, dass der Wert der gemessenen Größe, unter den Bedingungen der Messung, innerhalb eines bestimmten Werteintervalls liegt [KESS1998]. Auch hier ist es zum Verständnis notwendig, bestimmte Fachbegriffe zu definieren: Dies ist zum einen die äußere Genauigkeit (engl. accuracy). Sie gibt die Abweichung zwischen dem gemessenen Wert und dem unbekannten wahren Wert an. Bei einer schlechten äußeren Genauigkeit liegen die Messwerte zwar nah beieinander; ihr Mittelwert weicht aber stark von dem wahren Wert ab (siehe Abbildung 23, 2. Bild v. links). Die Präzision (engl. precision) wird auch Wiederholgenauigkeit oder innere Genauigkeit genannt und gibt die Verteilung der Werte bei wiederholter Messung an. Hierbei unterscheidet man zwischen der Wiederholbarkeit (engl. repeatability) und der Vergleichbarkeit (engl. reproducability). Die Wiederholbarkeit gibt an, wie gut sich ein Versuch von derselben Person, am selben Ort, mit demselben Gerät wiederholt lässt. Die Vergleichbarkeit gibt an, wie gut sich Messungen von unterschiedlichen Personen an verschiedenen Orten vergleichen lassen. Diese beiden Größen werden in Prüfnormen durch Ringversuche bestimmt und müssen regelmäßig überprüft und aktualisiert werden. 3 Tribologische Prüftechnik 33 Es ist sehr wichtig, sich diese Werte in den entsprechenden Normen genau anzuschauen, da ansonsten Unterschiede in den Messergebnissen überinterpretiert werden. Gerade bei älteren Prüfungen sind die Werte für diese beiden Kenngrößen häufig sehr schlecht (siehe zum Beispiel VKA Schweißkraft - DIN 51350 T2 und T4). Abbildung 23: Äußere und innere Genauigkeit Weitere wichtige Begriffe in der Messtechnik sind die Auflösung (engl. resolution) und die Empfindlichkeit (engl. sensitivity). Die Auflösung ist definiert als der kleinste messbare Unterschied am Anzeigegerät. Dies ist also die letzte Stelle, welche am Anzeigegerät dargestellt wird. Nach DIN 1319 [DIN1319] versteht man unter Empfindlichkeit die „Änderung des Wertes der Ausgangsgröße eines Messgerätes bezogen auf die sie verursachende Änderung des Wertes der Eingangsgröße“. Das Ergebnis einer Messung stellt eine Annäherung oder Schätzung aufgrund der gemessenen Werte der Messgröße (Stichproben) an den „wahren“ und unbekannten Wert der Grundgesamtheit (unendliche Population) dar. Ein Messergebnis ist nur dann vollständig, wenn eine Angabe der Messunsicherheit erfolgt. Die Angabe einer Messunsicherheit verdeutlicht, dass der „wahre“ Wert einer Messgröße nicht bekannt sein kann. Messungen sind Unzulänglichkeiten und Unvollkommenheiten unterworfen, die nicht exakt quantifiziert werden können. Einige von ihnen haben ihre Ursache in zufälligen Effekten (Typ A), wie kurzzeitigen Schwankungen der Temperatur oder der Luftfeuchtigkeit der Umgebung. Auch die nicht gleichmäßige Leistungsfähigkeit des Beobachters, der die Messung ausführt, kann Ursache zufälliger Effekte sein. Ein gutes Beispiel sind Ablese- oder Einstellfehler bei analogen Messgeräten. Messungen, die unter den gleichen Bedingungen wiederholt werden, zeigen auf Grund dieser zufälligen Einflüsse unterschiedliche Ergebnisse. Andere Unzulänglichkeiten und Unvollkommenheiten haben ihre Ursache darin, dass gewisse systematische Effekte nicht exakt korrigiert werden können (sog. Bias- Fehler, Typ B) oder auch nur näherungsweise bekannt sind. Systematische Fehler liefern einen konstanten Unterschied zwischen dem gemessenen Wert und den wahren Wert und können daher nicht mit statistischen Mitteln behandelt werden. Hierzu gehören u. a. die Nullpunktsabweichung eines Messinstrumentes (Tara-Fehler), die 34 3 Tribologische Prüftechnik Veränderung der charakteristischen Werte eines Normals zwischen zwei Kalibrierungen (Drift), die Voreingenommenheit des Beobachters (Erwartungshaltung) einen zuvor erhaltenen Wert bei der Ablesung wiederzufinden, oder auch die Unsicherheit, mit der der Wert eines Referenznormales oder Referenzmaterials angegeben wird. Systematische Fehler lassen sich nur durch den Einsatz unterschiedlicher Messinstrumente und unterschiedlicher Personen analysieren. Zufällige Fehler lassen sich dahingegen statistisch in den Griff bekommen. Ihre Ursache ist zum Beispiel das Rauschen eines Messsignals, die ungenügende Genauigkeit der Messinstrumente und Fluktuationen. Abbildung 24: Summe aller Fehler Rechnet man mit Messwerten, so muss man beachten, dass sich dabei auch die Unsicherheiten der Messungen verändern (Fehlerfortpflanzungsgesetz). Bei Addition und Subtraktion addieren sich die absoluten Fehler; bei Multiplikation und Division addieren sich die relativen Fehler; bei Potenzen vervielfachen sich die relativen Fehler um den Exponenten. Zur Abschätzung der Fehlerfortpflanzung gibt es verschiedene mathematische Modelle, die hier aber nicht näher betrachtet werden sollen (Gauß‘sches Fehlerfortpflanzungsgesetz, Taylor Polynom, …). Weitere Informationen insbesondere zur Auswertung mittels statistischer Methoden werden im Kapitel „7.3 - Statistik“ behandelt. 3 Tribologische Prüftechnik 35 3.2 Tribologische Messgrößen Die beiden wichtigsten Messgrößen in der Tribologie sind die Reibung und der Verschleiß. In der modernen Tribometrie versucht man aber, möglichst viele Messgrößen aufzunehmen. Zum einen helfen einige von ihnen, andere Größen zu bestätigen oder besser interpretieren zu können; zum anderen liefern zusätzliche Größen wie Beschleunigung (Schwingungen, Geräusch), Kontaktstrom oder Übergangswiderstand sowie Schmierfilmhöhe und -druck weitere wichtige Informationen über den Zustand des Tribosystems. Ein gutes Beispiel wie eine weitere Messgröße zur Interpretation herangezogen werden kann, ist die Temperaturmessung zur Analyse eines Reibungssignals. Beispiele, wie dies praktisch genutzt werden kann, finden sich im Kapitel 4.4. Ebenso wird dort gezeigt, wie beispielsweise das Kontaktstromsignal hilft, Schmierfilmversagen festzustellen. 3.2.1 Reibung Reibung äußert sich als Widerstandskraft sich berührender Körper gegen die Einleitung einer Relativbewegung (Ruhereibung, statische Reibung) oder deren Aufrechterhaltung (Bewegungsreibung, dynamische Reibung) [CZIC2015]. Neben dieser „äußeren Reibung“ gibt es die „innere Reibung“ von Stoffen (Viskosität), welche in das Fachgebiet der Rheologie gehört und daher hier nicht weiter vertieft werden soll. Die Einteilung der Reibung in Festkörper-, Grenz- und Mischreibung sowie Hydrodynamik wurde bereits beim Thema Stribeckkurve erwähnt (Kapitel 2.2.5). Darüber hinaus ist zwischen Haft- und Gleitreibung zu unterscheiden. Diese Begriffe werden im Kapitel Kunststoffprüfung und beim Thema Stick-Slip noch einmal näher beleuchtet (Kapitel 6.2 und 6.5). Die Einzelprozesse der Reibung lassen sich aus physikalischer Sicht nach CZI- CHOS in einer Energiebilanz wie folgt zusammenstellen: I. Energieeinleitung Berührung technischer Oberflächen Bildung der wahren Kontaktfläche Mikrokontaktflächenvergrößerung („junction growth“) Delamination von Oberflächen-Deckschichten Grenzflächenbindung und Grenzflächenenergie II. Energieumsetzung Deformationsprozesse (mikroskopisch/ atomar und makroskopisch) Adhäsionsprozesse (Energieumsetzung beim Trennen adhäsiver Bindungen) Furchungsprozesse (Deformation) 36 3 Tribologische Prüftechnik III. Energiedissipation Thermische Prozesse (makroskopisch) Erzeugung von Wärme (mechanisches Wärmeäquivalent) Energieabsorption Phononen-/ Elektronenanregungen Elastische Hysterese Gitterdeformationen Erzeugung und Wanderung von Punktfehlern und Versetzungen Ausbildung von Eigenspannungen Mikro-Bruchvorgänge Phasentransformationen Tribochemische Reaktionen Energieemission Wärmeleitung Wärmestrahlung Schwingungsausbreitung / Phononenemission Schallemission Photonenemission (Tribolumineszenz) Elektronen- und Ionenemission. Die Reibungsmechanismen lassen sich grob in folgende Einzeleffekte aufteilen: Adhäsion und Scheren Plastische Deformation Furchung Elastische Hysterese und Dämpfung. In praktischen tribotechnischen Systemen überlagern sich im Allgemeinen diese elementaren Reibungsmechanismen mit nicht erfassbaren, zeitlich und örtlich im Kontaktbereich wechselnden Anteilen, so dass das praktische Reibungsverhalten nicht theoretisch, sondern nur experimentell charakterisiert werden kann, womit wir wieder bei der Bedeutung der tribologischen Prüftechnik angekommen wären. Um den Umfang dieses Buches nicht zu sprengen, soll das umfangreiche und hochwissenschaftliche Thema Reibungstheorien hier nicht weiter ausgeführt werden. Hier wird auf typische Grundlagenbücher wie das Tribologie-Handbuch von CZICHOS/ HA- BIG oder das Buch „Kontaktmechanik und Reibung“ von POPOV verwiesen [POPO2009]. 3 Tribologische Prüftechnik 37 3.2.1.1 Reibungsmessgrößen Es gibt vielfältige direkte und indirekte Reibungsmessgrößen. Die nachfolgende Übersicht zeigt die wichtigsten Größen: Abbildung 25: Übersicht Reibungsmessgrößen Unterschiedliche Reibungsmessgrößen haben dabei unterschiedliche Aussagen. Es ist daher wichtig, sich Gedanken zu machen, welche Größen welchen Einfluss auf das Realsystem haben. Häufig ist beispielsweise die (spezifische) Reibungsleistung wichtiger als einfache Kennwerte (Reibkraft, Reibungszahl). Dieser energetische Ansatz wird später im Kapitel 6.2 (Kunststoffprüfung) noch detailliert erläutert. Ein schönes Experiment von Herrn Stehr ist in Abbildung 26 dargestellt. Es zeigt eine „einfache“ Möglichkeit, die Reibung eines Tribosystems auf ein Zehntel zu reduzieren. Der aufmerksame Leser wird aber sicher gleich bemerken, dass man sich diese Reibungsoptimierung mit einer deutlich höheren Kontaktpressung erkauft. Durch den um den Faktor 10 kleineren Lagerdurchmesser erzeugt die an der Kontaktfläche zwischen Welle und Lager wirkende Reibkraft ein 10-mal geringeres Reibmoment als das größere Lager - unter der idealisierten Annahme, dass der Reibwert gleich ist. Die „sture“ Betrachtung des Reibwertes kann also in die Irre führen. Abbildung 26: Experiment zum Einfluss des Lagerdurchmessers [Quelle: W. Stehr] 38 3 Tribologische Prüftechnik 3.2.1.2 Reibungsmesstechnik In der Kraftmesstechnik und damit auch in der Reibkraftmessung kommen verschiedene Messprinzipien zum Einsatz. In der Praxis durchgesetzt haben sich vorwiegend zwei Prinzipien: piezoelektrische Sensoren und Kraftsensoren basierend auf Dehnungsmessstreifen (DMS). 3.2.1.2.1 Kraft- und Drehmomentensensoren auf DMS-Basis Zur Messung von Verformungen an Bauteilen werden vorwiegend Dehnungsmessstreifen (DMS; englisch: strain gauge) eingesetzt. Sie ändern bei Verformungen ihren elektrischen Widerstand und werden als Dehnungssensoren eingesetzt. Man klebt sie mit Spezialkleber auf Bauteile, die sich unter Belastung minimal verformen. Diese Verformung (Dehnung/ Stauchung) führt dann zur Veränderung des Widerstands des DMS. Über die Verformung kann auf die wirkenden Spannungen und Kräfte zurückgeschlossen werden, wenn Geometrie und E-Modul bekannt sind (Experimentelle Beanspruchungsanalyse, Spannungsanalyse). DMS sind das Kernstück vieler Aufnehmertypen zur Kraft- und Drehmomentenmessung, weswegen sie hier etwas detaillierter behandelt werden. Sie sind vergleichsweise günstig und können vom statischen Fall bis in den Kiloherzbereich eingesetzt werden. Abbildung 27: Kraft -> Dehnung -> Widerstandsänderung -> Spannung [Quelle: Baumer GmbH] Ein DMS besteht aus einem Trägermaterial (z. B. dehnbare Kunststofffolie) mit aufgebrachter Metallfolie, aus welchem - je nach Anforderung in sehr verschiedenen geometrischen Formen ein Gitter aus elektrisch leitfähigem Widerstandsmaterial herausgearbeitet wird. Dabei wird das Verhalten ausgenutzt, dass bei Dehnung eines metallischen Leiters seine Länge zu- und der Durchmesser abnimmt, wodurch schließlich sein elektrischer Widerstand proportional steigt: * Dabei entspricht ng bezogen auf den Ausgangswiderstand; ; die Dehnungsempfindlichkeit wird als k-Faktor bezeichnet. Daraus resultiert auch die charakteristische Bahnführung innerhalb des DMS: die Widerstandsbahn ist mäanderförmig, d.h. "in Schlangenlinien", ausgeformt, um eine möglichst lange Strecke der Dehnung auszusetzen. Die Widerstandsänderung eines einzelnen DMS kann grundsätzlich durch eine einfache Widerstandsmessung ermittelt werden. In der Praxis werden aber üblicherweise ein, zwei oder vier DMS in einer wheatstoneschen Brücke angeordnet (-> Viertel-/ Halb- 3 Tribologische Prüftechnik 39 / Vollbrücke), dabei ist der Nennwiderstand (Impedanz) R 0 aller DMS (und der ggf. verwendeten Ergänzungswiderstände) üblicherweise gleich (R 1 =R 2 =R 3 =R 4 =R 0 ). Im unbelasteten Zustand sind typische R 0- Da alle Widerstände gleich sind, ist die Diagonalspannung U D 0 V (Abbildung 28). Die Vollbrücke ist die optimale Konfiguration, da sie die besten Eigenschaften aufweist in Hinblick auf Linearität bei Strom-/ Spannungsspeisung, 4-fache Empfindlichkeit gegenüber der Viertelbrücke, sowie systematische Kompensation von Störeinflüssen wie Temperaturdrift und Kriechen. Um die hohe Empfindlichkeit zu erreichen, werden dabei die vier einzelnen DMS auf dem Träger so angeordnet, dass je zwei gedehnt und zwei gestaucht werden. Abbildung 28: Viertel-, Halb- und Vollbrückenschaltung Um die geringen Brückenspannungen prozesssicher übertragen und auswerten zu können, werden DMS-Messverstärker eingesetzt, die aus der geringen Diagonalspannung im Bereich von wenigen Millivolt Ausgangsspannungen im Bereich mehrerer Volt erzeugen. Ein eher seltener Spezialfall von DMS sind optischen DMS (z. B. mit Faser-Bragg- Gitter (FBG)), bei denen die Krafteinwirkung auf eine als Sensor genutzte Faser eine proportionale Veränderung von deren optischen Eigenschaften bewirkt. Dieser Typ gewinnt aber im Bereich der experimentelle Spannungsanalyse immer mehr an Bedeutung, da diese Sensoren bestens für neue Materialien wie glas- und kohlefaserverstärkte Verbundwerkstoffe geeignet sind, die häufig in modernen Konstruktionen eingesetzt werden, die hohen Beanspruchungen unterliegen wie beispielsweise Flugzeuge und Windkraftanlagen. Bei diesem Sensortyp wird Licht mit einer bestimmten Wellenlänge in eine Glasfaser geleitet. Je nach Verformung des in den Sensor eingelaserten Gitters durch die mechanische Beanspruchung wird ein Teil des Lichts reflektiert und mit einem geeigneten Messwertaufnehmer (Interrogator) ausgewertet. Die genaue Beschreibung dieser Technik findet sich im Kapitel 3.2.3.1.5, da mit dieser Methode auch lokale Temperaturen in einer langen Glasfaser gemessen werden können (Mehrpunktmessung). Solche optischen Sensoren sind immer dann eine gute Wahl, wenn die erforderliche Anzahl an Einzelmessstellen relativ groß ist und/ oder wenn die Abstände zu und zwischen den Messstellen relativ groß sind. Laut des deutschen Messtechnikspezialisten HBM sind Sensoren mit einer Länge von bis zu 40 3 Tribologische Prüftechnik mehreren Dutzend Kilometern möglich. Solche Sensoren kommen beispielsweise in Fahrbahnen zum Einsatz. Klassische Kraftsensoren gibt es in den unterschiedlichsten Bauformen. Am einfachsten und günstigsten sind sogenannte S-Beams. Für Waagen werden häufig Biegebalken eingesetzt. Bei beschränktem Bauraum ist der Einsatz von (Miniatur)Kraftmessdosen angezeigt (Abbildung 29). Abbildung 29: Bauformen von Kraftsensoren Abbildung 30: Verschiedene Bauformen und -größen von DMS-Kraftsensoren [Quelle: HBK - Hottinger Brüel & Kjaer GmbH] Wichtige Kennwerte von Kraftsensoren sind die Nennlast, der Nennkennwert und die Genauigkeitsklasse. Die Nennlast gibt die maximal zulässige Belastung für normalen Betrieb an. Üblicherweise sind die Sensoren in gewissen Grenzen überlastbar (oft um bis zu 100%), ohne dass Sie zerstört werden. Das Signal ist in diesem Bereich 3 Tribologische Prüftechnik 41 aber nicht mehr linear. Außerdem legt man die Messkette so aus, dass die maximale Spannung bei Nennlast erreicht wird. Höhere Werte sind dann nicht mehr darstellbar. Der Nennkennwert gibt das Ausgangssignal in Abhängigkeit der Versorgungsspannung an. Ein Nennkennwert von 2mV/ V bedeutet beispielsweise, dass bei einer Sensor-Versorgung mit 10 V (U V ) und bei Nennlast die maximale Ausgangsspannung U D = 10 V * 2mV/ V = 20 mV beträgt. Der Nennkennwert ist immer ein nomineller Wert bei guten und kalibrierten Sensoren ist ein Herstellerprüfprotokoll beigegeben, das den exakt ermittelten Kennwert auf mehrere Nachkommastellen mitteilt. Unter Einwirkung der zu messenden Kraft verformt sich der Kraftaufnehmer entsprechend. Der Nennmessweg gibt an, wie groß diese Verformung bei Nennkraft ist. Er ist eine wichtige Kenngröße, weil er zusammen mit der Nennkraft die Steifigkeit eines Aufnehmers bestimmt, die wiederum entscheidend für die Resonanzfrequenz des Kraftaufnehmers ist. Die maximale Verformung üblicher DMS-Aufnehmer in S- Form liegt im Bereich von 70 μm bis 150 μm bei Nennkraft [ME2020]. Die Genauigkeitsklasse gibt den höchstzulässigen relativen Fehler in Prozent vom Messbereichsendwert (Nennlast) an, und zwar unter Nennbedingungen (Temperatur, Nennlage, Nennfrequenz u.a.) (siehe auch VDI Richtlinie 2638: "Kenngrößen für Kraftaufnehmer"). Typische Werte sind hier 0,05% für sehr hochwertige Aufnehmer, 0,1% für gute Sensoren und 0,2% für günstige Standardsensoren. Da man in der Tribologie mit relativ großen Streuungen rechnen muss, reicht häufig die Genauigkeitsklasse 0,2% vollkommen aus. Hauptvorteil der DMS-Technologie ist, dass sie praktisch driftfrei ist und daher für Langzeitmessungen bestens geeignet ist. Trotzdem gibt es einige mögliche Fehlerquellen beim Einsatz von DMS-Kraftsensoren: 42 3 Tribologische Prüftechnik Abbildung 31: Mögliche Fehlerquellen bei der DMS-Messung 3.2.1.2.2 Piezosensoren Kann oder möchte man diese großen Sensorverformungen nicht akzeptieren, oder müssen sehr hochfrequente Schwingungen gemessen werden, empfiehlt sich der Einsatz von piezoelektrischen Sensoren Bei den piezoelektrischen Kraftsensoren basiert das Messelement auf einem Kristall, der unter Belastung eine zur Kraft proportionale elektrische Ladung abgibt. Der piezoelektrische Effekt äußert sich, indem piezoelektrische Materialien (z.B. Quarz) bei mechanischer Belastung auf den Außenflächen positive bzw. negative elektrische Ladungen erzeugen. Die Ladung wird dadurch generiert, dass sich die positiven und negativen Kristallgitterbausteine gegeneinander verschieben, wodurch ein elektrischer Dipol entsteht. Die Ladung, welche dabei generiert wird, ist proportional zur Kraft, die auf den Kristall einwirkt [KIST2020]. Um Sensoren mit einer höheren Empfindlichkeit herzustellen, können mehrere Kristallscheiben aufeinandergestapelt und elektrisch parallelgeschaltet werden. Alternativ kann ein piezoelektrisches Material mit höherer Empfindlichkeit eingesetzt werden. Verkleinert oder vergrößert man die Fläche der Kristalle, so ändert sich die Empfindlichkeit nicht, was einen wesentlichen Unterschied zu Sensoren auf DMS-Basis darstellt, bei denen die Empfindlichkeit von der Nennkraft abhängig ist. Man kann folglich mit einem beliebigen Sensor auch kleinste Kräfte messen. Dadurch ist ein großer Messbereich und ein hoher Überlastschutz sichergestellt [HBM2020]. Abbildung 32: Ladungserzeugung durch Verformung des Piezo- Kristalls 3 Tribologische Prüftechnik 43 Eine piezoelektrische Messkette besteht aus dem Piezosensor, einem abgeschirmten und hochisolierendem (> 10 13 Ohm) Verbindungskabel zum Transport der kleinen Ladungen und einem Ladungsverstärker zur Wandlung des Ladungsin ein Spannungssignal. Der Ladungsverstärker wandelt die negative Ladung, die der piezoelektrische Sensor unter Belastung einer Kraft abgibt, in eine positive Spannung proportional zur Ladung bzw. wirkenden Kraft, die dann an die Datenerfassung weitergeleitet wird. Piezoelektrische Kraftsensoren weisen bei statischer Belastung prinzipbedingt eine gewisse Drift auf. Da der Driftwert bei statischer Belastung unabhängig von der gemessenen Kraft gleichbleibt, ist der relative Messfehler, der durch die Drift verursacht wird, immer dann besonders hoch, wenn kleine Kräfte über einen langen Zeitraum gemessen werden sollen. DMS-basierte Sensoren hingegen arbeiten weitestgehend driftfrei und sind somit für solche Anwendungen zu bevorzugen. Obwohl Ladungen kurzgeschlossen werden können und damit ein Reset des Sensorausgangs des Piezosensors vor Messbeginn möglich ist, sind für langfristige Monitoring-Aufgaben DMS- Sensoren die bessere Wahl. Die Hauptstärke von Piezosensoren liegt dahingegen bei hoch dynamischen Messungen, da sie unter Belastung wegen ihrer hohen Steifheit eine sehr geringe Verformung aufweisen. Hieraus ergibt sich eine hohe Resonanzfrequenz, die grundsätzlich sehr günstig ist für dynamische Anwendungen. Zusätzlich beeinflussen die geringen Verformungen den Versuchsaufbau und die Ausrichtung der Proben zueinander weniger als die weichen DMS-Sensoren. Im Vergleich zu herkömmlichen DMS-Sensoren bauen Piezosensoren auch deutlich kleiner. Piezosensoren sind wie auch DMS-Sensoren als 1-Komponentensensor (Kraft oder Drehmoment), 2-Komponenten-Sensoren (2x Kraft oder 1x Kraft und 1x Drehmoment) und 3-Komponentensensoren (3x Kraft oder 2x Kraft + Drehmoment) verfügbar und eignen sich somit auch für komplexere kombinierte Messaufgaben im Tribometer (Reibkraft oder Reibmoment in Abhängigkeit der Normalkraft). 3.2.1.2.3 Oberflächen-Dehnungssensoren Ein recht junges Sensorelement zur Spannungsmessung sind sogenannte Oberflächen-Dehnungssensoren (auch „Dehntrafos“). Sie kombinieren die Eigenschaften von klassischen geklebten Folien- DMS mit Piezomesstechnik. Es handelt es sich hierbei um ein indirekt messendes System, d.h. es ist nicht direkt in den Kraftfluss integriert, sondern misst die Längenänderung eines verbauten Elements oder Bauteils. Neben dem geringen Montageaufwand ist damit auch eine einfache Nachrüstung an der bestehenden Applikation möglich. Da die Bauteilstruktur die gesamte Kraft aufnimmt, können sehr große Kräfte überlastsicher gemessen werden. Daraus ergeben sich aber zwangsläufig Nachteile in der Auflösung und der Möglichkeit zur Kalibrierung. Abbildung 33: Oberflächen- Dehnungssensor [Quelle: Kistler Instrumente GmbH] 44 3 Tribologische Prüftechnik 3.2.2 Verschleiß Verschleiß ist der in aller Regel unerwünschte Materialverlust der Kontaktflächen eines Tribosystem infolge mechanischer, chemischer oder sonstiger Ursachen. Verschleiß begrenzt die Lebensdauer von Maschinen. Reibung ist nicht gleich Verschleiß! Über die Reibung wird Energie in die Oberflächen von Grund- und Gegenkörper eingeleitet. Wie hoch der Verschleiß ist hängt davon ab, wie die eingesetzten Werkstoffe mit dieser Energie umgehen können und ob sie schnell genug abgeführt werden kann. Die Verschleißbeständigkeit ist daher keine Werkstoffeigenschaft, sondern immer die Eigenschaft eines Tribosystems. Abbildung 34: Typischer Verschleißverlauf über der Zeit Tribosysteme zeigen in aller Regel zu Beginn eine etwas erhöhte Verschleißrate, den sogenannten Einlaufverschleiß, bei dem sich Grund- und Gegenkörper aneinander anpassen. Danach stabilisiert sich das System und es kommt bei stationären Bedingungen häufig zu einer linearen Entwicklung des Verschleißes. Gegen Ende der Lebensdauer tritt dann häufig ein progressiver Verschleißverlauf auf, der dann schnell zum Ausfall führt. Abbildung 34 zeigt, wie Einlaufverschleiß und Verschleißrate die Lebensdauer beeinflussen. Um die Verschleißraten eines Tribosystem sowohl im Labor als auch in der Praxis beurteilen zu können ist es notwendig, hochgenaue Online- Messtechnik einzusetzen. Welche Möglichkeiten es dazu gibt, zeigt das Kapitel Verschleißmesstechnik (3.2.2.2). 3 Tribologische Prüftechnik 45 3.2.2.1 Verschleißmessung und Verschleißmessgrößen Die Methoden der Verschleißmessung können grundsätzlich in drei Hauptgruppen eingeteilt werden: I.) Erfassung der verschleißbedingten Maßänderungen der tribologischen Bauteile II.) Sammlung und Analyse der Verschleißpartikel III.) Indirekte Verschleißmessmethoden Die Verschleißmessgrößen unterteilt man dann in direkte, indirekte und bezogene Verschleißmessgrößen. Die direkten Verschleißmessgrößen geben die Gestalt- oder Masseänderungen eines Verschleißkörpers an. Eine Übersicht der Messgrößen zeigt Tabelle 2. Tabelle 2: Übersicht über die wichtigsten direkten Verschleißmessgrößen mit Formelzeichen und Einheiten Online kann man meistens nur den linearen Verschleißbetrag von Grund- und Gegenkörper bestimmen. Den planimetrischer Verschleißbetrag oder volumetrischen Verschleißbetrag (Abbildung 35) ermittelt man üblicherweise nach dem Versuch mittels taktiler oder optischer Messsysteme (siehe auch Kapitel 8 - Oberflächenmesstechnik). 46 3 Tribologische Prüftechnik Abbildung 35: Linearer, planimetrischer und volumetrischen Verschleißbetrag im Vergleich Indirekte Verschleißmessgrößen geben die Dauer an, in der ein verschleißendes Bauteil seine Funktionsfähigkeit verliert. Anstatt der Dauer kann auch eine Durchsatzmenge angegeben werden. Diese Angabe ist zum Beispiel bei Rohrleitungen oder Förderanlagen sinnvoll. Tabelle 3: Übersicht indirekte Verschleißmessgrößen 3 Tribologische Prüftechnik 47 Bezogene Verschleißmessgrößen werden aus den direkten Verschleißmessgrößen abgeleitet, indem diese auf die Beanspruchungsdauer, den Beanspruchungsweg, den Durchsatz oder gegebenenfalls auch auf eine andere geeignete Größe bezogen werden. Tabelle 4: Übersicht bezogene Verschleißmessgrößen Weltweit wird heute als Verschleißreferenzgröße der sogenannte „Verschleißkoeffizient“ nach ASTM (engl.: specific wear rate; wear rate oder wear factor) verwendet. Er gibt eine auf die Belastung normierte Verschleißrate an, d. h. das Verschleißvolumen W v in [mm 3 ] pro Gleitweg s in [m], dividiert durch die Normalkraft F N in [N]. Diese Gesetzmäßigkeit wurde von ARCHARD gefunden [ARCH1953], wobei dort k noch mit der Härte des weicheren Reibpartners multipliziert wird, so dass eine dimensionslose Größe K (engl.: wear coefficient) entsteht. Die Kenngröße k gibt den bei einer konstanten Last nach einem bestimmten Gleitweg eingetretenen Volumenverlust pro Lasteinheit eines Tribosystems an. Er gilt nur bei Gleitreibung und setzt eine proportionale Abhängigkeit des Verschleißvolumens von diesen Größen voraus. Er hat eine recht breite Verwendung gefunden, weil er in einer ersten Näherung Verschleißergebnisse untereinander vergleichbar macht, die mit unterschiedlichen Geometrien, Dichten, Versuchszeiten und Lasten gewonnen wurden. Man muss aber beachten, dass es sich dabei um ein einfaches, mechanisches Modell handelt. Das Modell funktioniert für trockene Tribosystem unter reiner abrasiver Beanspruchung recht gut. Geschmierte Systeme mit anderen dominierenden Verschleißmechanismen können weniger gut damit abgebildet werden. Allgemein birgt ein solcher scheinbar allgemeingültiger Koeffizient die große Gefahr, dass der Systemgedanke der Tribologie vergessen wird. Formel 1: Verschleißmodell nach Archard (mechanisches Modell) Heute spielen energetische Ansätze, wie beispielsweise der von FLEISCHER [FLEI1990] eine größere Rolle, da sie nicht nur den abrasiven Verschleiß berücksichtigen. 48 3 Tribologische Prüftechnik Formel 2: Vergleich der Ansätze nach Archard und Fleischer Die k-Werte finden sich auch in zahlreichen Webebroschüren von Kunststoff- und Gleitlagerherstellern wieder. Ohne genaue Angabe des zugrundeliegenden Beanspruchungskollektivs sind die Werte allerdings nicht belastbar. 3.2.2.2 Verschleißmesstechnik Um eine gute Übertragbarkeit von Tribometertests auf die praktische Anwendung zu erreichen ist es wichtig, mit moderaten Energieeinträgen zu arbeiten (siehe auch Kapitel 4.3.3). Gut funktionierende geschmierten Systeme haben allerdings in der Praxis sehr kleine Verschleißraten. So beträgt beispielsweise die lineare Verschleißrate eines Kolbenrings etwa 3 bis 4 Nanometer pro Stunde (das sind grob 30 bis 40 Atomlagen! ). Für die Laborprüfung bedeutet dies, dass solch kleine Beträge sauber ermittelt werden müssen. Ansonsten ist keine Onlinemessung möglich und die Versuche müssten so lange laufen, bis ein sicher bestimmbarer Wert für den Verschleiß ermittelt werden kann. Übliche digitalen Längenmesssysteme haben eine Auflösung von etwa 0,1 μm. Das bedeutet, dass am Beispiel des eben genannten Kolbenrings erst nach etwa einem Tag eine Änderung um ein Digit erfolgen würde. In der Vergangenheit hat man daher häufig die Lasten so erhöht, dass in akzeptabler Prüfzeit, ausreichend messbarer Verschleiß entsteht. Dies führt aber zu einer extremen Überbelastung des Tribosystems und zu vollkommen unrealistischen Ergebnissen. Je nachdem welche Verschleißraten ein reales System aufweist, müssen daher geeignete Sensoren und Messtechniken an den Tribometern eingesetzt werden. In diesem Kapitel sollen die gängigsten Messmethoden vorgestellt werden. Darunter ist auch eine Methode, die die zuvor genannten 3 bis 4 nm/ h sicher auflösen kann. Eine der einfachsten Methoden, um Verschleiß zu bestimmen, ist die Wägung der Proben vor und nach dem Versuch. Mit guten Wagen können hier Auflösungen von 1 μg bei Probenmassen bis 30 g und 10 μg bei Probenmassen bis 250 g erreicht werden. Für schwerere Bauteile, wie zum Beispiel die Zahnräder des FZG-Prüfstandes, werden Komparatorwaagen eingesetzt, die eine Auflösung von besser als 1 mg erreichen. Ein Nachteil ist, dass die Gewichtsmessung von zahlreichen Randbedingungen ungünstig beeinflusst werden kann: 3 Tribologische Prüftechnik 49 Fremdstoffe/ Verschmutzung (Ölreste, Staub, Partikel) Feuchtigkeitsaufnahme (wichtig und problematisch bei Polymeren) adsorbierter Wasserfilm (3 nm bei 300 mm² Oberfläche ~1 μg) Elektrostatische und magnetische Kräfte (z.B. bei geschliffenen und nicht entmagnetisierten Proben) Korrosion (Oxide sind schwerer als das Grundmaterial) Beschädigung bei der Handhabung und Montage Für die online-Verschleißmessung kommen üblicherweise verschiedenste Arten der Abstandsbzw. Wegmessung infrage. Die einfachsten Messysteme sind ohmsche Längenmesssysteme, bei denen ein Schleifer auf einem Widerstand läuft und je nach Position, einen entsprechenden Widerstand liefert. Diese Systeme haben eine geringe Auflösung aber sehr große Messbereiche. Sie kommen daher eher zur Bestimmung der Position als des Verschleißes zum Einsatz. Deutlich bessere Auflösungen haben Wirbelstromsensoren. Hier enthält der Sensor eine Sende- und eine Messspule (Abbildung 36). Das elektromagnetische Spulenfeld induziert Wirbelströme im Messobjekt. Dies funktioniert nur bei leitenden Materialien und nur wenn der minimale Durchmesser des zu vermessenen Objektes mindestens 1,5-mal größer ist als der Sensordurchmesser. Moderne induktive Sensoren auf Wirbelstrombasis werden heute für vielfältige Messaufgaben in der industriellen Anwendung eingesetzt. Ein großer Vorteil dieser Sensoren ist, dass sie sehr robust sind. So können spezielle Typen bei Drücke bis 4000 bar und in einem weiteren Temperaturbereich vom -40°C bis 200°C (Sondersysteme sogar bis 700°C) eingesetzt werden. Aufgrund ihrer hohen Grenzfrequenz bis 100 kHz sind sie auch für hochdynamische Prozesse geeignet. Die Auflösung geht in den Submikrometerbereich. Induktive Wirbelstromsensoren können sowohl bei ferromagnetischen Objekten wie zum Beispiel Stahl, als auch nicht ferromagnetisch Objekten wie Aluminium eingesetzt werden. Aufgrund ihrer Robustheit eignen sie sich beispielsweise zur online-Vermessung von Rund- und Planlauffehlern an Maschinen, zur Schmierspaltbestimmung an Lagern oder zur Vermessung der Exzentrizität von Wellen in Kraftwerken [MIKR2020]. Abbildung 36: Prinzip Wirbelstromsensor 50 3 Tribologische Prüftechnik Induktive Sensorsysteme besitzen in der Regel eine Primärspule, welche mit konstanter Wechselspannung gespeist wird und ein Signal in die Sekundärspule induziert (Abbildung 37). Je nachdem wie tief der Kern in die Spulen hineinragt, ändert sich die Induktion und damit das Ausgangssignal. Die theoretische Auflösung eines solchen induktiven Sensors liegt bei ~150 nm. Das dritte hochauflösende Messprinzip basiert auf der kapazitiven Messung. Der Sensor und das Messobjekt bilden mit dem dazwischen liegenden Spalt einen Kondensator. Unter der idealisierten Annahme, dass sich der Zwischenstoff (Dielektrikum) nicht ändert, ist das Signal nur vom Abstand des Sensors vom Objekt abhängig. Das zu vermessende Objekt muss mindestens zweimal größer sein als der Sensordurchmesser, der in aller Regel mehrere Millimeter beträgt. Mit kapazitiven Sensoren sind im statischen Fall theoretische Auflösung von ~1 nm und im dynamischen Fall von ~ 20 nm (bei 8,5 kHz) möglich bei einem Messbereich von 0,8 mm [JECH2019]. Nach den elektrischen Messsystemen sollen nun noch einige optischer Messsysteme beschrieben werden, die zur Verschleißmessung eingesetzt werden können. Das erste ist der konfokale Abstandssensor (Abbildung 39). Bei diesem projiziert der Sensor einen ca. 10 mm großen Messfleck auf das Messobjekt. Hierzu wird üblicherweise Weißlicht verwendet. Die theoretische Auflösung dieses Sensors liegt bei ~10 nm bei einem recht kleinen Messbereich von 0,3 mm [JECH2019]. Abbildung 38: Prinzip kapazitiver Sensor [Quelle: Micro-Epsilon Messtechnik GmbH & Co. KG] Abbildung 37: Prinzip induktiver Sensor 3 Tribologische Prüftechnik 51 Abbildung 39: Prinzip Konfokalsensor [Quelle: Micro-Epsilon Messtechnik GmbH & Co. KG] Die höchste Auflösung aller Sensoren zur Abstandsmessung haben Sensoren auf Basis messender Weißlicht-Interferometrie. Das Weißlicht-interferometer nutzt einen Lichtstrahl, der von einer Hochleistungslichtquelle ausgesendet wird. Ein Teil des Lichts wird auf ein Referenzspiegel abgeleitet, während der andere Teil des Lichts direkt auf die Messoberfläche trifft. Das reflektierte Licht beider Strahlen wird zusammengeführt und auf dem Detektor in die Auswerteinheit geleitet. Aufgrund der verschiedenen Laufwege der beiden Strahlen resultiert eine Phasendifferenz, welche zur Verstärkung und zur Auslöschung der Lichtwelle führt. Dieses Interferenzmuster wird vom Spektrometer erfasst und vom Controller anhand verschiedener Auswerteverfahren in ein Abstandsignal umgerechnet. Die Auflösung dieses Verfahrens liegt unter 1 nm, die maximale Messrate beträgt bis zu 6 kHz. Der Lichtfleck hat einen Durchmesser von nur 10 μm; der Messbereich beträgt bis zu 10 mm [MIKR2020]. Der Hauptnachteil ist, dass der Sensor nur in absolut sauberer Umgebung arbeiten kann. Dadurch ist er für den Einsatz am Tribometer üblicherweise eher nicht geeignet. Ein weiterer optischer Sensortyp sind konfokale chromatische Sensoren. Diese haben sehr hohe Messraten bis zu 70 kHz und einen sehr kleinen Lichtpunkt (< 3 μm). Die Auflösung in Messrichtung liegt bei > 3 nm. Typische Messbereiche liegen zwischen 0,3 und 1 mm bei einem Grundabstand von über 25 mm [MIKR2020]. Neben der reinen Höheninformation können durch eine Intensitätsauswertung auch optische Unterschiede auf dem Messobjekt „sichtbar“ gemacht werden. Auch diese Sensoren reagieren empfindlich auf Verschmutzung, was den Einsatzbereich am Tribometer einschränkt. 52 3 Tribologische Prüftechnik Mittlerweile sind Lasermesssysteme deutlich günstiger geworden und stellen damit eine gute Alternative zu den bisher vorgestellten Abstandsmesssystemen dar. Ein Vorteil von Laser-Messsystemen ist, dass sie in Regel eine sehr gute Auflösung bei einem großen Messbereich aufweisen. Abbildung 40 zeigt die prinzipielle Funktionsweise dieses Sensors. Das Laserlicht wird an der Oberfläche des Messobjektes reflektiert. Der Strahlengang wird durch eine Objektivlinse auf den CCD-Sensor gelenkt. Über die trigonometrischen Zusammenhänge kann der Abstand ermittelt werden. Lasersensoren stellen eine gute Kombination aus Geschwindigkeit (bis ca. 10 kHz) und Genauigkeit (bis zu 0,003% des Messbereichs) dar und sind ideal für dynamische und hochauflösende Messungen [MIKR2020]. Bei der Auswahl ist darauf zu achten, dass der Sensor eine ausreichend hohe Fremdlichtbeständigkeit hat, da es sonst im Laborumfeld zu Fehlmessungen kommen kann. Abbildung 40: links: Funktionsweise Lasertriangulationssensor; rechts: Laserdistanzsensor der Fa. Baumer [Quelle: Baumer GmbH] Bei all diesen vorgestellten Messsystemen muss man jeweils die vertikale und laterale Auflösung berücksichtigen. Während die vertikale Auflösung häufig in den Nanometerbereich hineinreicht, beträgt die laterale Auflösung häufig nur einige Quadratmillimeter. Das bedeutet, dass das Messignal nicht von einem einzelnen Punkt zurückgegeben wird, sondern von einem Flächenintegral. Je nach Rauigkeit und Topografie der Probe kann dies zu signifikanten Verfälschungen führen. So ignoriert ein Wirbelstromsensor die Oberflächenrauheiten, da sein Signal vorwiegend aus dem Grundmaterial kommt, wohingegen die Information eines kapazitiven Sensors vorwiegend genau aus diesen Spitzen stammt (Abbildung 41), da sich dort die Ladungen ansammeln. 3 Tribologische Prüftechnik 53 Abbildung 41: Quelle des Signals bei Wirbelstrom- und kapazitivem Sensor Gerade bei Onlinemessungen im Tribometer oder am Prüfstand werden die Ergebnisse zusätzlich von der thermischen Ausdehnung, plastischen und elastischen Verformungen, Vibrationen sowie dem Schmierstoff und möglichst Verschleißpartikel beeinflusst. In der Realität lassen sich daher deutlich schlechtere Genauigkeiten erzielen als es die theoretischen Kennwerte der Sensoren vorgaukeln. Für hochgenaue Messungen muss man daher auf andere Verschleißmessverfahren zurückgreifen, die nicht auf einer Wegmessung basieren. Eines ist die optische Emissionsspektroskopie (ICP-OES). Mittels dieses Verfahrens werden Ölanalysen beispielsweise an Gebrauchtölen durchgeführt. Das Gerät kann aber auch in einen Bypass einer Ölumlaufschmierung integriert werden und so eine kontinuierliche Bestimmung der Elementkonzentration im Öl liefern. So kann über die Art und Konzentration der Elemente das Verschleißverhalten unterschiedlicher Komponenten in einem Aggregat online beurteilt werden. Die Auflösung des Verfahrens in Öl liegt bei etwa 100 ppb. Eine andere speziell im Motorentest häufig eingesetzte Messmethode basiert auf der Messung mit radioaktiven Isotopen (Radionuklidtechnik - RNT). Dieses Verfahren wird schon seit einigen Jahrzehnten erfolgreich bei Motorentests eingesetzt. Die zu beobachtenden Bauteile, wie zum Beispiel die Kolbenringe, werden hierbei radioaktiv markiert. Hierzu werden beispielsweise Eisenatome im Zyklotron in das Cobalt-Isotop 56 Co umgewandelt. Ein Sensor misst die zunehmende Radioaktivität im Öl bei zunehmendem Verschleiß des aktivierten Bauteils. Da das Handling mit radioaktiven Proben anspruchsvoll ist und relativ hohen Sicherheitsauflagen unterliegt kommt diese Methode üblicherweise nur bei Vollmotorentest zum Einsatz. Seit einigen Jahren gibt es nun eine Methode, die auf einem ähnlichen Prinzip basiert aber mit deutlich geringeren Aktivierungsraten auskommt. Die Messmethode wurde am Austrian Competence Center for Tribology (AC²T) in Wiener Neustadt (Österreich) entwickelt. Sie wurde kommerziell erstmals am SRV 4 unter dem Namen nVCT angeboten. Heute ist die gleiche 54 3 Tribologische Prüftechnik Technik auch unter dem Namen Radio Isotope Concentration Methode (RIC) bekannt. Der Trick dieses Verfahrens ist, dass die Aktivierung der Reibpartner unter der gesetzlichen Freigrenze geschieht. Die Proben gelten also vor dem Gesetzgeber als nicht radioaktiv. Dadurch ist der Sicherheitsaufwand deutlich geringer und auch für den allgemeinen Laborbetrieb praktikabel. Das Standardverfahren ist zur Messung metallischer Werkstoffe geeignet und benötigt den Schmierstoffkreislauf zum Transport der Partikel. Das Verschleißvolumen oder die lineare Verschleißhöhe werden durch spezielle Algorithmen basierend auf dem Aktivierungstiefenprofil berechnet. Dieses muss für jeden Werkstoff einmal als Basis ermittelt werden. Die Aktivierung der Teile erfolgt durch Bestrahlung im Teilchenbeschleuniger (Zyklotron). Um die Probenaktivität unter der Freigrenze zu halten, kann nur ein sehr kleiner Bereich und eine sehr geringe Tiefe von wenigen Mikrometern aktiviert werden. Für Tribometertests reicht dies aber in der Regel für eine aussagefähige Messung aus. Mit diesem Verfahren sind Auflösungen unter einem Nanometer möglich (abhängig von Aktivität und Probenmaterial). Da die Aktivierung nicht günstig ist, macht das Verfahren vorwiegend für Bauteiluntersuchungen Sinn, durch die deutlich teurere Aggregate- und Komponententests eingespart werden können. Es ist mittlerweile für die Untersuchung von Kolbenring/ Liner-Verschleiß etabliert und wird teilweise auch am Vollmotor eingesetzt [JECH2019]. Abbildung 42: Schema RIC-Messung im SRV-Prüfstand [CORN2009] 3 Tribologische Prüftechnik 55 Abbildung 43: Exemplarisches Messergebnis für eine Kolben/ Liner-Paarung im SRV-Prüfstand [Quelle: AC²T research GmbH] 56 3 Tribologische Prüftechnik 3.2.3 Temperatur Gerade bei der Temperaturmessung gilt leider der verzweifelte Spruch eines Messtechnikers: „Was mich interessiert, kann ich nicht messen und was ich messen kann, interessiert mich nicht“ [Quelle leider unbekannt]. Eigentlich würde man als Wissenschaftler gerne die Temperaturen im Reibkontakt und ggf. sogar an einzelnen Rauheitsspitzen messen aber genau da kommt man nicht hin. Deswegen muss man sich damit zufrieden geben, in der Nähe der Reibstelle zu messen. Zudem läuft man Gefahr, durch die Temperatursensoren ggf. auch das tribologische System zu verändern, indem man Wärme zu- oder abführt. Wichtig ist demnach zu wissen, wie und wo eine angegebene Temperatur aufgenommen wurde. Nur so kann man diese richtig bewerten. Im einfachsten Fall ist das die Schmierstofftemperatur im Bad oder den Leitungen oder die Temperatur des Körpers (engl. bulk). Die Blitztemperaturen an den sich kontaktierenden Rauheitsspitzen (siehe auch Bloksche Theorie [BLOK1957]) bleiben leider unbekannt und können nur nach dem Versuch z.B. durch werkstoffkundliche Gefügeumwandlungen nachgewiesen werden. 3.2.3.1 Temperaturmesstechnik In der industriellen elektrischen Temperaturmesstechnik werden hauptsächlich zwei Gruppen von Sensoren verwendet: Widerstandsthermometer (RTD) wie z.B. PT100 oder PT1000 Thermoelemente (TC) unterschiedlicher Typen Wie immer haben beide Sensorarten ihre Vor- und Nachteile. So liegen die Stärken der PT100-Messwiderstände im unteren bis mittleren Temperaturbereich (-200 … +60 °C). Thermoelemente hingegen haben (von wenigen Ausnahmen abgesehen) ihre Vorzüge bei höheren Temperaturen (bis 1700 °C, Sondermaterialien sogar höher). Ein weiteres Kriterium, das ggf. für den Einsatz eines Thermoelements spricht, ist der kleinstmögliche Durchmesser, der bei Mantel-Thermoelementen bis auf 0,25 mm heruntergeht. In Europa werden für den moderaten Temperaturbereich häufig PT100-Sensoren eingesetzt wohingegen in Nordamerika ein deutliches Übergewicht in Richtung Thermoelement festzustellen ist [WIKA2016]. 3.2.3.1.1 PT100 / PT1000 (PTC-Sensoren) und NTC-Sensoren Widerstandstemperaturfühler mit PT100-Sensoren sind Temperaturfühler, die auf der Widerstandsänderung von Platin unter Temperatureinfluss basieren. Diese werden auch als Kaltleiter (PTC) bezeichnet und bei Temperaturmessung im Bereich -200 °C bis 850 °C eingesetzt. Jeder Sensor hat eine eindeutige Widerstandskennlinie. Der PT100bzw. PT1000-Sensor wird durch seine Charakteristik bei einer Temperatur von 0 °C bezeichnet, bei der dieser einen Nennwiderstand von 100 bzw. 1000 Ohm besitzt. Die Widerstandsänderung ist in der DIN IEC 60751 festgelegt. Ein umgekehrtes Temperaturverhalten zeigen Heißleiter (NTC-Thermistor), die ihren Widerstand bei steigender Temperatur verringern. Sie bestehen aus einer Mischung von Halbleiterwerkstoffen, Eisenoxid (Fe 2 O 3 ), ZnTiO 4 und Magnesiumdi- 3 Tribologische Prüftechnik 57 chromat (MgCr 2 O 4 ). Temperatursensoren aus NTC-Widerständen werden im Temperaturbereich von -80°C bis +250°C eingesetzt und in der Gebäudeautomatisierung, Medizintechnik, Biotechnologie, Lebensmittelindustrie etc. verwendet. 3.2.3.1.2 Thermoelemente Thermoelemente dienen der Temperaturmessung in industriellen Prozessen, um auch bei hohen Temperaturen sowie rauen Umgebungsbedingungen einen genauen Messwert zu erhalten. Ein Thermoelement besteht aus zwei unterschiedlichen Metalldrähten (z.B. Eisen und Konstantan), die an beiden Enden miteinander verbunden sind. Durch den sogenannten Seebeck-Effekt wird bei einer Temperaturdifferenz zwischen dem einen Ende des Leiters (Sensorspitze) und dem Referenzende (üblicherweise im Messgerät) eine Thermospannung erzeugt, welche als Messgröße dient. Es gibt zahlreiche Materialkombinationen für unterschiedliche Temperaturbereiche und Anforderungen. Jede dieser Materialkombinationen ist ein spezieller Typ und wird mit einem Buchstaben bezeichnet. Am bekanntesten und weit verbreitetsten sind Thermoelemente des Typs K. Diese findet man auch bei üblichen Handmessgeräten. Die anderen Typen werden eher im industriellen Umfeld eingesetzt. Es besteht prinzipiell auch die Möglichkeit, Grund- und Gegenkörper aus Materialien zu wählen, die direkt im Reibkontakt eine Thermospannung erzeugen (sog. dynamisches Thermoelement). Allerdings ist eine exakte Kalibrierung der Thermospannung aufgrund verschiedener verfälschender Einflüsse, wie Oxidfilme, Verunreinigungen oder Reaktionsschichten, sehr schwierig. Außerdem muss man dazu Werkstoffe verwenden, die in der Praxis nicht für Reibpaarungen eingesetzt würden, was wieder dem Systemgedanken der Tribologie widerspricht. Die Thermospannungen sind sehr klein, weswegen sie relativ früh in der Messkette verstärkt werden müssen. Außerdem dürfen die Leitungen nur mit den zum Typ passenden Kabeln verlängert werden. Abbildung 44: PT100 und Thermolemente [Quelle: W. Stehr] 58 3 Tribologische Prüftechnik 3.2.3.1.3 Infrarot-Thermometer / Thermografie Infrarot-Thermometer (Pyrometer) nutzen den physikalischen Effekt, dass jedes Objekt, dessen Temperatur über dem absoluten Nullpunkt von -273,15°C (0 Kelvin) liegt, eine Infrarotstrahlung (auch Wärmestrahlung) aussendet. Infrarot-Messgeräte können diese Strahlung, auch von vermeintlich kalten Körpern, aufnehmen und verarbeiten. Der Hauptvorteil ist die schnelle, berührungslose Messung der Oberflächentemperatur selbst bei dynamischen Prozessen oder an schwer erreichbaren Stellen. Infrarotkameras zeigen zudem auch die Temperaturverteilung und bieten somit einen deutlichen Informationsgewinn. Hauptnachteil ist, dass IR-Messungen relativ ungenau sind und von vielen Effekten negativ beeinflusst werden. Abbildung 46: Thermographiebild eines Pin-on-disc-Versuchs Abbildung 45: IR-Messung an einer mit dem Finger gezogenen Reibspur auf einer Tür [Quelle: W. Stehr] 3 Tribologische Prüftechnik 59 Vorteile Gefahrlos Es spielt keine Rolle, wie heiß oder gefährlich das Messobjekt ist mit Hilfe eines Infrarot-Thermometers kann ausreichend Sicherheitsabstand eingehalten werden. Typische Beispiele sind heiße und/ oder rotierende Maschinenteile, Gegenstände, die unter Strom stehen, oder auch aggressive Chemikalien. Schnell Bei professionellen Geräten dauert die Temperaturmessung nur wenige Mikrosekunden, bei einfachen Infrarot-Thermometern maximal eine Sekunde. Sehr große Messbereiche Zwar kommt es hierbei sehr stark auf das jeweilige Gerät an, jedoch kann man mit einem Infrarot-Thermometer grundsätzlich Temperaturen von -50 bis hin zu +4.000 Grad Celsius messen. Verschleißfrei Beim Einsatz von Infrarot-Thermometern kommt es aufgrund des mangelnden physischen Kontakts zu keinerlei Verschleißerscheinungen - weder beim Messgerät selbst noch beim Gegenstand, dessen Temperatur gemessen werden soll. Bestimmte Messfehler sind ausgeschlossen Es gibt keinerlei Messfehler aufgrund von mangelndem Kontakt zwischen Sensor und Objekt. Dafür entstehen allerdings an anderen Stellen zum Teil relativ große Messfehler (siehe Nachteile). Messung bewegter Objekte möglich Eine Temperaturmessung kann aufgrund der berührungslosen und sehr schnellen Messung auch bei bewegten Objekten problemlos durchgeführt werden. Nachteile Bestimmte Parameter des Messobjekts müssen bekannt sein Wenn eine wirklich präzise Temperaturmessung benötigt wird, müssen der Emissionsgrad des Materials, die Temperatur und die Wellenlänge bekannt sein. Variation des Emissionsgrades Die Temperaturmessung wird ungenau, wenn der Emissionsgrad variiert. Das ist insbesondere bei Metallen ein Problem, die sich beispielsweise im unbehandelten und im polierten Zustand extrem voneinander unterscheiden, obwohl es sich um ein und dasselbe Material handelt und lediglich anders bearbeitet wurde. Hochglänzende Oberflächen Wenn die Oberfläche eines Gegenstandes hochglänzend ist, ist eine präzise Temperaturmessung nicht möglich. Für solche Fälle gibt es allerdings spezielle Infrarot-Aufkleber, die man an den Gegenstand anbringen kann, um eine präzisere Temperaturmessung durchführen zu können. Alternativ empfiehlt sich das Auftragen von Farbe - sofern es das Objekt erlaubt. 60 3 Tribologische Prüftechnik 3.2.3.1.4 Aufgedampfte Temperaturaufnehmer Eine weitere Möglichkeit, die Temperatur direkt im Reibkontakt zu messen, sind lokal aufgedampfte Dünnschicht-Temperatursensoren. Diese ändern ihren elektrischen Widerstand in Abhängigkeit der Temperatur. Hauptnachteil dieses Sensortyps ist, dass sie unter Mischreibungsbedingungen schnell verschleißen und auf jedem einzelnen Probekörper appliziert werden müssen. Weitere Details zu diesem modernen Sensortyp finden sich im Kapitel 3.2.5 - Sonstige Sensoren / Kombisensoren. 3.2.3.1.5 Mehrpunkt-Messungen mit Faser-Bragg-Gitter-Sensor Die optimale Platzierung des Temperatursensors ist für die Temperaturmessung von entscheidender Bedeutung. Einzelpunkt-Messungen liefern dabei keine Information über die Temperaturverteilung des Bauteils. Eine interessante Lösung ist daher die Mehrpunkt-Messungen mit faseroptischen Sensoren, welche auf dem Prinzip des Faser-Bragg-Gitter-Sensors basieren. Das Messverfahren beruht auf einem Glasfaser-Sensor in dem an definierten Stellen sogenannte Faser-Bragg-Gitter (FBG) eingebracht sind. Wird ein Laserlichtstrahl mit einem breiten Spektrum durch ein Faser- Bragg-Gitter geschickt (Wellenlänge zwischen 1.500 und 1.600 nm), wirken sich die Reflexionen jedes Abschnitts des sich ändernden Brechungsindexes nur auf eine spezielle Wellenlänge des Lichts aus. Diese wird Bragg-Wellenlänge genannt. Längenänderungen der Faser durch Kraft- oder Temperatureinwirkung verändern das Gitter und führen zu einer Verschiebung der reflektierten Wellenlänge, da sich der Brechungsindex des Quarzglases ändert. Der reflektierte Lichtanteil wird in der Auswerteinheit des Sensors (Transmitter) ausgewertet (Abbildung 47). Abbildung 47: Glasfasersensor mit Fiber-Bragg-Gitter [Quelle: HBK - Hottinger Brüel & Kjaer GmbH] Die Sensoren haben einen Durchmesser von kleiner 2 mm, können Längen bis mehrere Kilometer haben und sind flexibel, sodass sie sich gut in Adapter und / oder Proben einbringen lassen. Die Sensoren messen in einem Bereich von -40 bis 800°C mit einer Auflösung von 0,5 K und einer entsprechenden Genauigkeit [CHEM2017]. 3 Tribologische Prüftechnik 61 Da dieser Effekt nicht nur bei Temperaturänderung, sondern auch bei Einwirkung von Kräften auftritt, können solche Glasfasersensoren auch zur Kraftmessung eingesetzt werden. 3.2.3.1.6 Allgemein Wie gezeigt stehen für die Messung von Temperaturen verschiedene physikalische Möglichkeiten zur Verfügung. Es gibt dabei auch nicht den „besten“ Sensor, sondern nur den für die Anwendung und Fragestellung geeignetsten Sensor. Die Genauigkeit einer Temperaturmessung hängt aber vielfach nicht von der Leistung des eigentlichen Messgerätes ab, sondern wird durch dessen Einbau bedingt. Jedes Temperaturmessgerät, das Wärme zur Messstelle heranführt oder ableitet, stört damit die Temperaturverteilung und misst nicht die ursprünglich vorhandene, also die gewünschte „wahre Temperatur“, sondern die „gestörte Temperatur“. Selbst sehr kleine Fühler können bereits deutlich Wärme abführen und das Messergebnis so verfälschen. Umgekehrt ist es wichtig, dass der Thermofühler thermisch gut an das zu messende Objekt angebunden ist (z.B. durch Federanpressung oder den Einsatz von Wärmeleitpaste). 3.2.4 Schwingungsmesstechnik Zum Ende dieses Messtechnik-Kapitels noch ein paar Anmerkungen zur Schwingungsmesstechnik, deren Bedeutung in der tribologischen Prüftechnik in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Anhand von Schwingungen oder Geräuschen lassen sich interessante Aussagen zur Funktion eines Tribosystems ableiten. Viele kennen vielleicht noch einen alten, erfahrenen Werkstattmeister, der beim Gang durch den Maschinenpark direkt den bevorstehenden Ausfall einer Maschine an einer Veränderung des Geräusches erkennen konnte. Um eine objektive Bewertung von Schwingungen oder Geräuschen zu ermöglichen, werden Schwingungssensoren eingesetzt. Diese können entweder direkt am Prüfstand oder dem Bauteil montiert werden oder die Schwingungen werden mittels Mikrofone in der Nähe aufgenommen. Erstaunlich ist, dass man mittlerweile bereits mittels kostenloser Handy-Apps relativ gute akustische Schwingungsanalysen durchführen kann, anhand derer man beispielsweise charakteristische Frequenzen der Drehzahl eines Bauteils erkennen kann. Die professionellere Lösung ist die Montage von Schwingungssensoren in der Nähe der Kontaktzonen sowie die Computeranalyse der Signale. Solche sogenannten Condition-Monitoring-Systeme (CMS) werden zur Überwachung von Maschinen (z.B. Windrädern) eingesetzt. Dieses verarbeitet die Sensorsignale, analysiert den Betriebszustand der Maschine, überwacht die zulässigen Grenzwerte und löst Alarme aus. In den letzten Jahren werden ähnliche Systeme aber auch optional für viele moderne Tribometer angeboten (z.B. unter dem Namen Accoustic-Emission-Sensor, AE-Sensor). Man kann aber auch kostengünstige Schwingungssensoren mit einfacher Auswertung selbst applizieren. Gerade bei Dauerläufern macht es Sinn, Schwingungssensoren mit automatischer Grenzwertabschaltung zu montieren. So kann man verhindern, dass ein stark geschädigter oder gebrochener Prüfkörper zu Schäden an der Maschine führt. 62 3 Tribologische Prüftechnik Ein Beschleunigungssensor (auch als Beschleunigungsmesser, Beschleunigungsaufnehmer, Vibrationsaufnehmer, Schwingungsaufnehmer, Accelerometer oder G- Sensor bezeichnet) ist ein Sensor, der die auf ihn wirkende Beschleunigung misst. Dies erfolgt meistens, indem die auf eine interne Testmasse wirkende Trägheitskraft bestimmt wird. Die Beschleunigung wird in der SI-Einheit m/ s 2 (Meter pro Sekunde zum Quadrat) gemessen. Der Messbereich wird oft als Vielfaches der Erdbeschleunigung angegeben. Die mittlere Erdbeschleunigung wird dabei mit g bezeichnet und beträgt gerundet etwa 9,81 m/ s 2 . Erste Messsysteme bestanden noch aus relativ großen, gefederten, seismischen Massen deren Bewegung mittels eines Schleifkontaktes und eines Schiebewiderstandes detektiert wurde. Heute werden weitestgehend biegsame Quarzstäbe oder magnetisch stabilisierte Massen eingesetzt. Miniaturisierte Sensoren (z.B. in Smartphones) sind meistens mit piezoelektrischen Sensoren bestückt oder als MEMS (Micro Electro- Mechanical System) aufgebaut. Die Funktionsweisen werden nachfolgend kurz erläutert: Piezoelektrische Beschleunigungssensoren Ein piezokeramisches Sensorplättchen wandelt dynamische Druckschwankungen in elektrische Signale um, die entsprechend weiterverarbeitet werden können. Die Druckschwankung wird durch eine an der Piezokeramik befestigte seismische Masse erzeugt und wirkt bei einer Beschleunigung des Gesamtsystems auf die Piezokeramik. Der messbare Frequenzbereich solcher Sensoren liegt zwischen 0,2 und 20000 Hz. Man unterscheidet einachsige und mehrachsige Systeme. Mikrosysteme / MEMS-Beschleunigungs- und Gyrosensoren In den letzten Jahren haben miniaturisierte Beschleunigungssensoren zunehmend Bedeutung erlangt. Diese mikro-elektro-mechanischen Sensoren sind Feder-Masse- Systeme, bei denen die „Federn“ nur wenige Mikrometer breite Silizium-Stege sind. Durch die Auslenkung bei Beschleunigung kann zwischen dem gefedert aufgehängten Teil und einer festen Bezugselektrode eine Änderung der elektrischen Kapazität gemessen werden. Der gesamte Messbereich entspricht einer Kapazitätsänderung von ca. 1 pF. Die Elektronik zur Auswertung dieser kleinen Kapazitätsänderung wird auf demselben integrierten Schaltkreis (IC) untergebracht. Es gibt auch Varianten, bei denen auf dem Biegebalken piezoresistive Widerstände durch Ionenimplantation angebracht sind, die entsprechend der Biegung ihren Widerstand ändern und so auf die Beschleunigung zurückschließen lassen. Für die Herstellung dieser miniaturisierten Sensoren werden die Masse und die kleinen Silizium-Federn mittels Fotolithografie aus dem Silizium herausgeätzt. Diese Art von Beschleunigungssensoren hat den Vorteil relativ geringer Stückkosten (Massenfertigung) und hoher Zuverlässigkeit (manche solcher Sensoren können noch Beschleunigungen bis zum Tausendfachen des Messbereichs ohne Schaden überstehen). Wegen der geringen Größe zeichnen sie sich auch durch eine hohe Messgeschwindigkeit aus. Sie werden daher z. B. zur Auslösung von Airbags in Fahrzeugen eingesetzt. 3 Tribologische Prüftechnik 63 3.2.5 Sonstige Sensoren / Kombisensoren Die Entwicklung von Sensoren schreitet stetig voran. Zunehmend wird miniaturisierte Sensortechnik direkt in das Bauteil integriert. So gibt es heute Wälzlager, in die verschiedenste Sensoren direkt integriert sind (Abbildung 48). Radsatzlager für Hochgeschwindigkeitszügen werden heute teilweise mit Wälzlagern ausgestattet, die direkt Drehzahlen, Drehrichtung, Temperaturen und Radial- und Axialbeschleunigungen ausgeben können [FAG2020]. Abbildung 48: Integrierte Sensoren [Quelle: Schaeffler Technologie AG] Eine interessante Möglichkeit mehr über die tribologische Kontaktstelle zu erfahren sind Dünnschichtsensoren, die mittels üblicher PVD-Verfahren direkt auf dem Bauteil abgeschieden werden können. Nachfolgend wird exemplarisch ein spezieller Schichtsensor für Druck und Temperatur des Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik (IST) in Braunschweig vorgestellt. Das Dünnschichtsystem besteht dabei aus mehreren Funktionsschichten, die auf einem Grundkörper abgeschieden werden (vgl. Abbildung 49). Die zu behandelnden Oberflächen werden in einer plasmaunterstützten chemischen Gasphasenabscheidung (PACVD) mit einer piezoresistiven und tribologisch beständigen Kohlenwasserstoffschicht in einer Dicke von 6 μm beschichtet. Um lokale Belastungen messen zu können, werden einzelne kreisförmige Elektrodenfelder aus Chrom auf der Sensorschicht mittels physikalischer Gasphasenabscheidung (PVD) in Kombination mit Fotolithografie und nasschemischer Ätzung gefertigt. Weiter wird eine 1 μm dicke elektrische lsolationsschicht aus einer mit Silizium und Sauerstoff modifizierten Kohlenwasserstoffschicht abgeschieden. Auf diese lsolationsschicht wird in einem zweiten PVD-Prozess eine weitere, nur 0,2 μm dicke Chromschicht aufgetragen, die im Anschluss so strukturiert wird, dass sie zum einen Mäanderstrukturen aufweist, 64 3 Tribologische Prüftechnik die zur Temperaturmessung verwendet werden. Zum anderen sind Leiterbahnen enthalten, die zur Kraftmessung geeignet sind. Die Sensorstrukturen müssen vor Verschleiß geschützt werden, weshalb zusätzlich eine abschließende 3 μm dicke Deckschicht abgeschieden wird [FRAU2020]. Mit solchen Sensoren gelingt es, Informationen direkt aus der Reibstelle zu erhalten, was bisher mit herkömmlichen Sensoren kaum möglich war. Sie sind somit ein wichtiges Hilfsmittel, reale Tribosysteme besser zu verstehen. Abbildung 49: Schematische Darstellung des multifunktionalen Schichtsystems zur Druck- und Temperaturmessung [Quelle: Fraunhofer-lnstitut für Schicht- und Oberflächentechnik lST] 3 Tribologische Prüftechnik 65 3.3 Tribologische Prüfkategorien Bereits in der Einleitung wurde von sogenannten tribologischen Prüfkategorie besprochen. In der Tribologie hat man die möglichen Prüfszenarien in insgesamt sechs Kategorien eingeteilt. Diese und weitere Begriffsdefinitionen in der Tribologie enthält das GfT-Arbeitsblatt 7 [GfT7], welches die Inhalte verschiedener ausgelaufener DIN- Normen enthält. In der Kategorie I findet sich der Betriebsversuch oder Feldversuch. Hier erfolgt die Prüfung und Untersuchung originaler kompletter tribotechnischer Systeme unter originalen Betriebs- und Beanspruchungsbedingungen. Am Beispiel eines LKW-Getriebes würden hier beispielsweise Fahrzeuge einer Speditionsflotte untersucht. In der Kategorie II dem Prüfstandsversuch findet die Untersuchung originaler kompletter technischer Systeme unter praxisnahen Betriebsbedingungen auf einem Prüfstand statt; in diesem Fall also auf einem LKW-Rollenprüfstand. Beim Aggregateversuch der Kategorie III wird nur noch das originale Einzelaggregat unter praxisnahen Betriebsbedingungen untersucht; in diesem Beispiel also das im Fokus stehende Getriebe. Die nächste Stufe der Abstrahierung ist der Bauteilversuch (Kategorie IV). Hier werden nur noch Bauteile entweder Original oder vereinfachte Bauteile unter praxisnahen Betriebsbedingungen auf einem Prüfstand untersucht z.B. einzelne Stufen der Originalverzahnung. Im nächsten Schritt, also der Kategorie V, findet der Versuch nur noch mit Probekörpern statt. Es handelt sich dabei um einen beanspruchungsähnlichen Versuch mit bauteilähnlichen Probekörpern. In unserem Beispiel wäre das eine einzelne Zahnradpaarung zum Beispiel im FZG-Test, der im Rahmen der Standardprüfverfahren noch näher erläutert wird (Kapitel 5.2 - Zahnradprüfung / Getriebeölprüfung im FZG-Prüfstand). Den höchsten Abstrahierungsgrad hat der Modellversuch der Kategorie VI. Hierbei handelt es sich typischerweise um grundlagenorientierte Untersuchungen von Reibungs- und Verschleißprozessen mit speziellen Probekörpern und nahezu beliebiger, aber definierter Beanspruchung. In diesem Beispiel könnte das die Schweißkraft-Prüfung auf dem Vier-Kugel-Apparat (VKA) sein. Auch diese wird später noch detailliert beschrieben (3.4.1 - Vierkugel-Apparat (VKA)). 66 3 Tribologische Prüftechnik Abbildung 50: Tribologische Prüfkategorien Unter dem Begriff Tribometrie versteht man allgemein die mechanisch-dynamische Prüftechnik in der Tribologie. Obwohl diese aus sechs Kategorien besteht, wird der Begriff aber meistens nur für Prüfungen der Kategorie VI und V verwendet. Auch dieses Buch konzentriert sich auf die Laborprüftechnik. Sind die zu untersuchenden Bauteile allerdings ausreichend klein oder können die interessanten Bereiche herauspräpariert werden, ist es durchaus möglich, auch Bauteilversuche auf einem Labortribometer durchzuführen. Gerade auf diese sehr anwendungsnahen Prüfungen wird später noch detailliert eingegangen (Kapitel 4.5 - Beispiele für anwendungsorientierte Bauteilprüfungen in Labortribometern). 3 Tribologische Prüftechnik 67 3.3.1 Übersicht Modellprüfsysteme Die nachfolgende Grafik zeigt einige bekannte Modellprüfsysteme. Allen gemein ist, dass diese kaum Ähnlichkeit mit realen tribologischen Systemen haben. Abbildung 51: Typische Modellprüfgeometrien Auf die meisten dieser Prüfsysteme wird später bei der Beschreibung der einzelnen Prüfgeräte sowie im Kapitel Kunststoffprüfung noch einmal näher eingegangen. 3.3.1.1 Modellprüfsysteme für Abrasivverschleiß-Untersuchungen Der Schwerpunkt dieses Buches liegt auf der Prüfung von Schmierstoffen, Werkstoffen und Beschichtungen für Konstruktionselemente im allgemeinen Maschinenbau daher steht das Thema reiner Abrasionsverschleiß nicht im Fokus. Dennoch sollen hier die wichtigsten Prüfsysteme zur Vollständigkeit kurz aufgeführt werden. Diese kommen vorwiegend für Werkstoffuntersuchungen bei rein-abrasiv beanspruchten Tribosystemen zum Einsatz. Dies sind zum Beispiel Abbaugeräte und Förderbänder in Minen und im Tagebau oder Werkzeuge von Baumaschinen oder andere Geräte, die einer hohen Verschmutzung ausgesetzt sind. Um Abrasionsverschleiß zu provozieren, haben sich mittlerweile weltweit zahlreiche verschiedene Prüfsysteme etabliert. Am bekanntesten sind die Geräte, die in ASTM-Normen beschrieben sind. Es gibt aber auch viele Abwandlungen der genormten Verfahren, um spezielle Gegebenheiten in einer bestimmten Anwendung nachzustellen. 68 3 Tribologische Prüftechnik Schleifteller-Verfahren Das Schleifteller Verfahren ist eine Pin-on-Disk-Prüfung, bei der die Scheibe mit einem klassischen Schleifpapier beklebt wird (z.B. Abrasivverschleißprüfung in Anlehnung an ASTM G 132: Standard Test Method for Pin Abrasion Testing oder ASTM G 99-05: Standard Test Method for Wear Testing with a Pin-on-Disk Apparatus) (Abbildung 52, links oben). Taber-Abraser Mit dem Taber-Abraser lässt sich der Abriebwiderstand verschiedenster Materialien ermitteln. Der Taber-Abraser-Test ist ein international anerkanntes Prüfverfahren und wird in mehreren nationalen und internationalen Normen genannt (ISO 9352, ASTM D 1044, DIN EN-Norm 438-6). Die Abriebbeanspruchung wird von zwei wälzenden Reibrollen erzeugt, die mit einer festgelegten Kraft auf den rotierenden Prüfling gedrückt werden. Die Auswertung erfolgt in der Regel über eine Differenzwägung, aus der der Masseverlust der Probe ermittelt wird. Alternativ zur Gewichtsverlustmethode kann auch die Verschleißtiefe bestimmt werden (Abbildung 52, oben Mitte). Schleifrad-Test / Reibradverfahren Bei dem Test nach ASTM G65 (Standard Test Method for Measuring Abrasion Using the Dry Sand/ Rubber Wheel Apparatus) wird eine feststehende Probe gegen ein rotierendes Gummirad gedrückt. In den Spalt wird kontinuierlich Abrasivgut, zum Beispiel Sand, eingebracht. Dieser bettet sich in das weiche Gummirad ein und führt so zu einer starken Abrasivbeanspruchung des Gegenkörpers (Abbildung 52, rechts oben). Schleiftopf Bei der Abrasivverschleißprüfung im Schleiftopf wird die Probe und ggf. eine Referenzprobe in dem Abrasivmedium rotatorisch bewegt. Hierzu können handelsübliche Tellermischer aus der Bauindustrie oder Kneter aus der chemischen Industrie verwendet werden. Günstig ist, wenn die Proben zusätzlich um ihre eigene Achse drehen, da dadurch ein gleichmäßiger Abtrag erreicht wird. In dem Topf befindet sich das Abrasivgut (zum Beispiel Sand oder Kies) (Abbildung 52, links unten). Strahlverschleiß-Prüfung Bei der Strahlverschleißprüfung wird üblicherweise eine normale Sandstrahlkabine verwendet. Das Abrasivgut (zum Beispiel Sand, Gussschrot oder auch Walnuss- oder Kirschkern-Partikel) wird unter einem definierten Winkel auf die Oberfläche des zu prüfenden Werkstücks geblasen. Der Strahlwinkel ist hierbei ganz entscheidend, da er darüber entscheidet, ob die Probe eher durch den Impact in Hinblick auf Ermüdungsfestigkeit geschädigt wird oder durch ein Überströmen eher abrasiv beansprucht wird. Je nach Winkel unterscheidet man zwischen Gleitstrahl-, Schrägstrahl- und Prallverschleiß (Abbildung 52, rechts unten). 3 Tribologische Prüftechnik 69 Abbildung 52: Übersicht typische Abrasivverschleißprüfstände 3.4 Modellprüfgeräte / Labortribometer Neue Anwendungen, geänderte Maschinentechnologie, höhere Anforderungen und neue Materialien erfordern optimierte Schmierstoffe, neue Werkstoffe, Beschichtungen oder andere tribologische Optimierungen. Meistens ist es aus Zeit- und Kostengründen nicht möglich, diese Optimierungsvarianten und ihre Wirkungsweise unter realen Bedingungen zu testen, daher sind vereinfachte Prüfsysteme zwingend notwendig. In diesem Kapitel werden die wichtigsten Modellprüfsysteme zur Untersuchung von Schmierstoffen und Additiven vorgestellt. Die Prüfstände können natürlich auch zur Untersuchung von Werkstoff- oder Beschichtungsmodifikationen eingesetzt werden. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit werden diese aber nachfolgend nicht immer genannt. Neben den mechanisch-dynamischen Tests kommen in der Praxis weitere chemisch-physikalische Untersuchungen hinzu, auf die hier aber nicht näher eingegangen werden soll (Abbildung 53). Dies sind zum Beispiel im Bereich der Schmierstoffe Korrosionstests, Prüfung des Alterungsverhaltens oder auch Schaumtests. Die exemplarischen Prüfergebnisse und teilweise auch Bilder wurden hierfür dankenswerterweise von der Firma Lanxess AG zur Verfügung gestellt und freigegeben. 70 3 Tribologische Prüftechnik Abbildung 53: Laboruntersuchungen zur Prüfung der Wirksamkeit von Schmierstoffen [Quelle: Lanxess AG] Die in Abbildung 53 dargestellten Laboruntersuchungen zur Prüfung der Wirksamkeit von Schmierstoffen sind weit verbreitet. Für die grundlegende Entwicklung kommen aus ökonomischen Gründen vereinfachte Testgeräte und Prüfkonfigurationen zum Einsatz (z.B. VKA, SRV, Brugger). Diese Apparate umfassen nicht die kompletten und komplizierten Aspekte eines realen Prozesses und zeigen daher (meist) nur eine begrenzte Übereinstimmung mit der Leistung in Feldversuchen. Ein Vergleich verschiedener Schmierstoffe ist mit diesen Prüfgeräten aber kostengünstig und relativ schnell möglich. Die Prüfmethoden FZG und FE-8 / FE-9 sowie die Hydraulikpumpentests liegen hinsichtlich Prüfequipment und Parameter sehr nah am Original. Dies hat zum einen zur Folge, dass die Prüfungen eine gute Übertragung in die Anwendung erlauben - auf der anderen Seite aber lange Laufzeiten (mehrere Wochen) und einen erhöhten Materialbedarf (Originallager, Originalpumpen) aufweisen und somit relativ teuer sind. Auf diese anwendungsnäheren Tests wird später im Kapitel 5 - Bauteilprüfung näher eingegangen. In diesem Kapitel sollen nun die am weitesten verbreiteten Laborprüfstände vorgestellt werden. Neben der Funktionsbeschreibung sind Beispielergebnisse dargestellt sowie die wichtigsten Normprüfungen aufgeführt. 3 Tribologische Prüftechnik 71 3.4.1 Vierkugel-Apparat (VKA) Die Prüfungen im Vier-Kugel-Apparat sind in der Schmierstoffindustrie vermutlich die bekanntesten und weit verbreitetsten Labortests zur Untersuchung von Hochdruckeigenschaften und zur Qualitätssicherung. Abbildung 54: VKA-Prüfstand und Prüfanordnung Der Test wurde bereits in den 1930-er Jahren von Royal Dutch Shell entwickelt und wird überall auf der Welt für vergleichende Analysen, zur Qualitätssicherung und zur Untersuchung von Additiven und Schmierstoffen angewendet. Verglichen mit anderen Prüfmethoden ist der Vier-Kugel-Test kostengünstig und liefert in kurzer Zeit Ergebnisse mit einer akzeptablen Reproduzierbarkeit. Die Prüfung im Shell-Vierkugel-Apparat (VKA) nach DIN 51 350 dient zur Ermittlung von Kennwerten für Schmierstoffe mit Wirkstoffen, die eine hohe Flächenpressung im Mischreibungsgebiet zwischen relativ zueinander bewegten Oberflächen zulassen sollen (EP-Additive). Zudem kann bei niedrigeren Pressungen das Verschleißschutzverhalten (AW-Verhalten) der Schmierstoffe geprüft werden. Der Schmierstoff wird in einem Vierkugelsystem geprüft, das aus einer rotierenden Kugel (Laufkugel) besteht, die auf drei ihr gleichen Kugeln (Standkugeln) gleitet. Bei der Prüfung nach Teil 2 (Öle) und 4 (Fette) wird die Prüflast bis zum Verschweißen der Kugeln gesteigert, wobei bei jedem Versuch neue Proben zum Einsatz kommen. Das Verfahren nach Teil 3 und 5 wird bei niedrigeren Lasten (150 bzw. 300 N, bei Fetten auch 1000 N) durchgeführt und dient der Ermittlung der VKA-Verschleißkennwerte. Bei Bedarf kann das Reibungsmoment zusätzlich aufgezeichnet werden, sodass man neben dem Verschleißkennwert auch Informationen zum Reibungsverhalten erhält. Abbildung 55: Vierkugel-System im Standard-Prüftopf 72 3 Tribologische Prüftechnik Die Methoden sind sowohl für die Grundlagenforschung geeignet, um die Wirkung unterschiedlicher Additive zu untersuchen als auch um Vergleichsanalysen durchzuführen. Bedauerlicherweise ist die Übertragbarkeit der Ergebnisse dieser sehr modellhaften Versuche auf die komplexen realen Anwendungen limitiert, worauf sogar direkt in den entsprechenden Normen hingewiesene wird (ASTM D-2596, Punkt 5.1: “Die Ergebnisse korrelieren jedoch nicht notwendigerweise mit den Ergebnissen vom “Service”; DIN 51350-1: „Eine unmittelbare Beurteilung im Hinblick auf das Verhalten dieser Schmierstoffe in Maschinenelementen gestattet das Verfahren nicht.“). Weltweit gibt es eine Vielzahl an VKA-Standards, bei denen sich die Prüfbedingungen und die Prüfkugeln unterscheiden. Diese Tests sind daher nicht direkt miteinander vergleichbar. Aufgrund der harschen Bedingungen im Schweißkraft-Test spricht hier besonders „aggressive“ Chemie an (zum Beispiel aktiver Schwefel, früher auch Chlor). Im moderateren Verschleißtest wirken eher Phosphorverbindungen. Additive, die die Schweißkraft erhöhen, führen in aller Regel auch zu erhöhtem Verschleiß (Abbildung 56). Für die Praxis ist es daher wichtig, einen für die Anwendung optimalen und ausgewogenen Kompromiss zu finden. Abbildung 56: Wirkung von schwefel- und phosphorhaltigen Additiven auf die VKA- Kennwerte [Quelle: J. Rigo] In DIN 51350-6 wird ein Schertest für polymerhaltige Schmierstoffe beschrieben, der weit verbreitet ist und bei dem ein Kegelrollenlager als Prüfelement verwendet wird. Eine relativ kleine Ölmenge wird bei hohen Pressungen und erhöhten Temperaturen für längere Zeit in einem Kegelrollenlager beansprucht. Insbesondere langkettige Moleküle werden durch die hohe Beanspruchung im Schmierspalt mechanisch getrennt, 3 Tribologische Prüftechnik 73 was zur Folge hat, dass die Viskosität des Fluids abnimmt. Die Viskosität wird vor und nach dem Versuch ermittelt. Die Änderung ist ein Maß für die Scherstabilität. In den 1990-er Jahren wurde insbesondere von der Firma VW mehrere Adapter für spezielle Fragestellungen entwickelt, wie zum Beispiel ein Adapter zur Untersuchung der Energieeffizienz in einem Behaarungstemperaturtests mit einem adiabaten Prüftopf (VW PV 1454) oder ein einfacher Pittingtest (VW PV 1444). Diese kommen heute aber nur noch in Einzelfällen zum Einsatz. Norm- und Standard-Prüfungen DIN Bestimmung der Schweißkraft von flüssigen Schmierstoffen; DIN 51350/ 2 Bestimmung von Verschleißkennwerten flüssiger Schmierstoffe; DIN 51350/ 3 Bestimmung der Schweißkraft von konsistenten Schmierstoffen; DIN 51350/ 4 Bestimmung von Verschleißkennwerten für konsistente Schmierstoffe; DIN 51350/ 5 Bestimmung der Scherstabilität von polymerhaltigen Schmierölen; DIN 51350/ 6 Prüfungen nach internationalen Normen Measurement of EP-Properties of Lubricating Fluids; ASTM D 2783-82 Measurement of EP-Properties of Lubricating Grease; ASTM D 2783-82 Wear Preventive Characteristics of Lubricating Fluids; ASTM D 4172-82 Wear Preventive Characteristics of Lubricating Grease; ASTM D 2266-86 EP-Properties: Friction and Wear Tests for Lubrications; IP 239 / 85 Viscosity Shear Stability of Transmission Lubricants; CEC L-45-T-93 ISO WD 12924-2020: Lubricants, industrial oils and related products (Class L) - Family X(greases) - Specifications: ASTM D2596 (US conditions) or ISO 20623 (European conditions) Sonstige Prüfungen Bestimmung der Beharrungstemperatur und des Reibmoments von Kegelrollen- und Axialkugellagern in Abhängigkeit von Last, Temperatur, Gleitgeschwindigkeit und Schmierstoff (VW PV 1454) Pittingtest (VW PV 1444) Ball-on-three-plates-Test (BOTP) 74 3 Tribologische Prüftechnik 3.4.2 Schwing-Reib-Verschleiß-Prüfgerät (SRV) Ursprünglich wurde das Gerät hauptsächlich zur Untersuchung des Reibverschleißes verwendet, der infolge von Schwingungen mit sehr kleiner Amplitude und hoher Frequenz auftritt. Heute wird das in der DIN 51 834 genormte Gerät häufig auch zur Simulation von längeren oszillierenden Gleitbewegungen, wie z. B. bei der Paarung Kolben/ Zylinder, eingesetzt. Abbildung 57: SRV-Prüfstand, Probenkammer und Standard-Probekörpergeometrien für Modellprüfungen Gegen eine feststehende Stahlplatte wird auf der Stirnseite eine quer liegende Stahlzylinderrolle, ein senkrecht darauf stehender Stahlring oder eine Stahlkugel oszillierend bewegt. Schmieröle, Fette, Pasten, Dispersionen und Trockenschmierfilme können bei verschiedenen Belastungen bis zum Zusammenbruch des Schmierfilms gefahren werden. Zweck ist die Ermittlung der Wirkung, Belastbarkeit und Lebensdauer von Schmierstoffen und deren Additiven bei oszillierenden Bewegungen. Ein weiteres Einsatzgebiet ist die Untersuchung von Werkstoffen und Oberflächenschichten. Diese kann trocken oder geschmiert erfolgen. Vorteilhaft ist, dass für die Versuche auf dem SRV-Tribometer nur sehr kleine Schmierstoffmengen benötigt werden und die Belastungen vielfältig und voll automatisch einstellbar sind. Das Gerät wird ständig weiterentwickelt. So gibt es heute auch eine Rotationseinheit, um den Einsatzbereich des Gerätes auf kontinuierliche Gleitbewegungen zu erweitern. Positiv zu bewerten ist auch, dass der Hersteller aktiv Ringversuche unterstützt und vorantreibt, um die statistischen Kenngrößen Wiederholbarkeit und Vergleichbarkeit zu ermitteln und durch Hinweise an die Anwender zu verbessern. Optional können vielfältige Mess- und Auswertemöglichkeiten ergänzt werden, wie zum Beispiel die Übergangswiderstandsmessung oder Schwingungsmessung sowie ein Modul zur hochfrequenten Datenaufnahme und Analyse (HFA-Modul). 3 Tribologische Prüftechnik 75 Abbildung 58: Beispielergebnis eines SRV-Laststeigerungslaufes (pass / fail) Norm- und Standard-Prüfungen DIN-Prüfungen Bestimmung von Reibungs- und Verschleißmessgrößen für Schmieröle; DIN 51834-2: 2017-05; ASTM D6425-05 Bestimmung des tribologischen Verhaltens von Werkstoffen im Zusammenwirken mit Schmierstoffen; DIN 51834-3: 2008-12 Bestimmung von Reibungs- und Verschleißmessgrößen für Schmieröle mit der Zylinderrolle-Ebene-Geometrie, DIN 51834-4: 2020-01 Textilmaschinen und Zubehör - Nadel- und Platinenschmieröle für Strickmaschinen - Teil 1: Mindestanforderungen an Öle auf Mineralölbasis; DIN 62136- 1: 2014-03 Dieselkraftstoff-Methode zur Bestimmung der Schmierfähigkeit unter Verwendung eines Schwingungsverschleiß-Prüfgerätes; DIN ISO 12156-1 76 3 Tribologische Prüftechnik Sonstige Norm-Prüfungen und Normungsvorhaben ASTM D 5706-05 und E DIN 51834-5: Standard Test Method for Measuring Friction and Wear Properties of Lubricating Greases Using A High-Frequency, Linear-Oscillation (SRV) Test Machine (EP-Eigenschaften von Fetten) ASTM D 5707-05 und E DIN 51834-6: Standard Test Method for Determing Extreme Pressure Properties of Lubricating Greases Using A High-Frequency, Linear-Oscillation (SRV) Test Machine (Reibungs- und Verschleißeigenschaften von Fetten) ASTM D7217-05: Standard Test Method for Determing Extreme Pressure Properties of Solid Bonded Films Using a High-Frequency, Linear-Oscillation (SRV) Test Machine Wear Preventive Characteristics of Lubricating Grease; ASTM D 2266-86 ASTM D7421-08: Standard Test Method for Determing Extreme Pressure Properties of Lubricating Oils Using a High-Frequency, Linear-Oscillation (SRV) Test Machine ASTM Working Group 15940: Standard Test Method for Determing Tribomechanical Properties of Grease Lubricated Plastic Socket Suspension Joints Using a High-Frequency, Linear-Oscillation (SRV) Test Machine Schwingungsreibverschleißprüfung für Schmierstoffe (SRV) nach TRW Hausnorm für Gelenkwellenfette (Kunststoffgelenke) (TRW 62051301) EN 1071: Reciprocating Wear Test for Ceramic Coatings (CEN/ TC 184/ WG5 Document N148) ASTM-Working Group: Standard Test Method for Tribological Characterisation of Piston Ring and Cylinder Liner Materials and Lubricants using SRV Test Machine ASTM D7594: Measuring Fretting Wear and Resistance of Lubricating Grease under High Hertzian Contact Pressures Using a SRV Test Machine ASTM D5706 (EP) und D7594 (Fretting) sind Bestandteile der in 2020 erschienenen NLGI-Spezifikation für Hochleistungs- und Mehrzweckfette (HPM) für hohe Belastung (HL) 3 Tribologische Prüftechnik 77 3.4.3 Brugger- / Reichert-Prüfung Kernstück des Prüfgerätes sind zwei rotationssymmetrische Prüfkörper, deren Achsen um 90° zueinander versetzt sind. Als unterer angetriebener Prüfkörper kommt bei der Brugger-Prüfung ein Ring mit einem Außendurchmesser von 25 mm zum Einsatz. Bei der Reichert-Prüfung wird ein einfacher Nadellager-Innenring verwendet (D a = 35 mm). Der Antrieb erfolgt über einen Drehstrommotor, der im Leerlauf bei der Brugger- Prüfung mit 960 min -1 und bei der Reichert-Prüfung mit 950 min -1 . dreht. Der obere Prüfkörper ist ein Zylinder mit 18 mm (Brugger) oder 12 mm (Reichert) Durchmesser. Er ist in einem drehbaren Halter fest eingespannt und wird von diesem durch ein Gewicht und ein Hebelsystem gegen den sich drehenden Prüfring gedrückt. Die Gleitgeschwindigkeit beträgt bei der Brugger-Prüfung 1,2 m/ s bei der Reichert-Prüfung 1,67 m/ s. Bei der Brugger-Prüfung wird der frisch geschliffene Prüfring mit dem zu untersuchenden Schmierstoff übergossen. Der Prüfzylinder wird mit 400 N gegen den Prüfring gedrückt. Der Antrieb des Prüfrings läuft unter Last an. Die Prüfdauer beträgt hier 30 Sekunden. Bei der Reichert-Prüfung arbeitet man mit eingefahrenen Laufringen. Diese Prüfung erfolgt im Schmierstoffbad und dauert eine Minute (100 m Laufstrecke). Je nach Schmierstoffeigenschaft erzeugt der rotierende Prüfring eine unterschiedlich große elliptische Verschleißfläche auf dem feststehenden Prüfzylinder. Mit einer Messlupe oder einem Mikroskop werden die Hauptachsen der Ellipse ausgemessen. Daraus wird die Projektionsfläche der Verschleißfläche berechnet. Der Quotient aus Anpresskraft und projizierter Verschleißfläche wird als Belastbarkeit des Schmierstoffs nach Brugger (in N/ mm 2 ) angegeben. Der Brugger-Wert wird häufig zur Freigabe von Hydraulik- und Getriebeölen gefordert. Ein weiteres Einsatzgebiet sowohl der Reichertals auch der Brugger-Prüfung sind Kühlschmierstoffe (KSS). Insbesondere für wasserhaltige KSS gibt es nahezu kein anderes Laborprüfverfahren. Der am Kompetenzzentrum Tribologie in Kooperation mit der Firma Fuchs Petrolub AG entwickelte Cross-Cylinder-Tester (XCT) kombiniert die Reichert-Reibverschleißwaage (RVW) und den Brugger-Tester und dient der Untersuchung und Simulation von Reibungs- und Verschleißvorgängen unter kontinuierlicher Gleitbeanspruchung bei Festkörper-, Grenz- und Mischreibung. Abbildung 59: Kombigerät zur Brugger- und Reichert-Prüfung; Piktogramme: links: Reichert-Konfiguration; rechts Block-on-Ring-Anordnung (BOR) 78 3 Tribologische Prüftechnik Unter Zuhilfenahme geeigneter Adapter können auf diesem Modelltribometer sowohl Versuche nach Brugger (DIN 51347) wie auch nach der Prüfmethode nach Reichert durchgeführt werden. Das auf LabView ® basierende Prüfprogramm lässt Variationen der Drehzahlen und Laufzeiten zu, sodass je nach Anwendung, die Prüfmethodik angepasst werden kann. Zur Untersuchung von Block-on-Ring-Prüfungen oder Untersuchungen von Gleitlagern kann der Prüfstand durch entsprechende Adapter erweitert werden. Die Normalkraft wird wie bei den althergebrachten Geräten mit Gewichten über ein Hebelsystem aufgebracht. Der Antrieb erfolgt allerdings über einen hoch-dynamischen, frequenzgeregelten Drehstrom-Asynchron-Motor. Die Gleitgeschwindigkeit kann somit im Lauf dynamisch verändert werden, sodass beispielsweise auch Stribeckkurven aufgenommen werden können. Die für das tribologische Verhalten entscheidenden Faktoren wie Reibpartner, Oberflächenrauheit, Normalkraft, Gleitgeschwindigkeit, Gleitweg, Flächenpressung und Zwischenstoff können an diesem Prüfstand in weiten Grenzen variiert und kontrolliert werden. Optionale Module erlauben oszillierende Bewegungen, die hochgenaue Online-Verschleißmessung oder Infrarottemperaturmessungen an den Prüfkörpern. Abbildung 60: Beispielergebnis Reichert-Prüfung (Vergleich reines Grundöl mit vollformuliertem Öl) 3 Tribologische Prüftechnik 79 Norm- und Standard-Prüfungen Brugger-Test (DIN 51347-2: 2000-01: Prüfung von Schmierstoffen - Prüfung im Mischreibungsgebiet mit dem Schmierstoffprüfgerät nach Brugger - Teil 2: Verfahren für Schmieröle) Laborprüfmethode nach Reichert (weltweiter einheitlicher Laborstandard ohne Norm) 3.4.4 Bruker Universal Material Tester (UMT) Das UMT-Tribometer von Bruker (früher CETR Universal Mikro Tribometer) ist ein relativ neues Prüfgerät, das durch eine Vielzahl verfügbarer Messmodule an nahezu alle tribologischen Testaufgaben angepasst werden kann. Neben einfachen Modelltests sind Bauteilprüfungen mit komplexen Beanspruchungskollektiven möglich. Der Prüfkopf kann ähnlich wie an einer Werkzeugmaschine in allen Achsen verfahren werden. Unter dem Prüfkopf können verschiedene Bewegungseinheiten für lineare oder Rotationsbewegungen eingesetzt werden. Unterschiedliche Kraft- und Drehmomentensensoren ermöglichen hochgenaue Messungen über mehrere Größenordnungen hinweg. Zusätzlich gibt es vielfältige optionale Messmöglichkeiten, wie zum Beispiel die Onlineverschleißmessung, die Übergangswiderstandsmessung oder Schwingungsmessung (Accoustic Emission - AE). Abbildung 61: UMT-Prüfgerät (Bruker „Tribolab“) und mögliche Prüfgeometrien Daneben können mit dem Gerät auch verschiedenartige Scratchtests (Ritztests) an Beschichtungen durchgeführt werden (z.B. in Anlehnung an DIN EN 1071-3). Mittels eines Atomic-Force-Messkopfes oder verschiedene Messmikroskope können zudem Analysemethoden direkt in das Gerät integriert werden. 80 3 Tribologische Prüftechnik Das Gerät ist somit sicherlich eines der am vielfältigsten einsetzbaren Tribometer auf dem Markt. Abbildung 62: Beispiel für eine Schichtcharakterisierung mittels Reibungstest (oben) und Scratch-Test (unten) 3 Tribologische Prüftechnik 81 3.4.5 Timken-Prüfmaschine Im Timken-Test werden ähnlich wie bei den Prüfungen im Vier-Kugel-Apparat oder im Brugger-Test die Hochdruckeigenschaften und das Verschleißverhalten von Schmierstoffen untersucht. Das Gerät ist vorwiegend in Nord-Amerika im Einsatz; in Deutschland gibt es nur sehr wenige Geräte. In der Standard-Prüfkonfiguration wird ein Prüfblock (12,32 mm x 12,32 mm x 19,1 mm) auf einen rotierenden Prüfring (Außendurchmesser 49,22 mm) gepresst (Prüfanordnung: Block-on-Ring). Die Last wird über Gewichte und ein Hebelsystem aufgebracht. Die DIN-Norm wurde mittlerweile zurückgezogen, da die notwendige regelmäßige Aktualisierung der Normen basierend auf Ringversuchen nicht mehr durchgeführt wird. Die ASTM-Normen wurden aber gerade überarbeitet und neu herausgegeben. Bei international tätigen Schmierstofffirmen finden sich Timken-Werte wie auch VKA- und FZG-Werte üblicherweise in den Schmierstoffdatenblättern. Abbildung 63: Timken-Prüfmaschine [Quelle: Falex Tribology] Norm- und Standard-Prüfungen DIN 51434-1: 1996-10 (zurückgezogen): Prüfung von Schmierstoffen - Prüfung im Mischreibungsgebiet mit der Timken-Maschine; Teil 1 bis 3 ASTM D2509 - 20: - Standard Test Method for Measurement of Load-Carrying Capacity of Lubricating Grease (Timken Method) ASTM D2782 - 20 - Standard Test Method for Measurement of Extreme-Pressure Properties of Lubricating Fluids (Timken Method) 82 3 Tribologische Prüftechnik 3.4.6 Oszillierender Gleitreibungsprüfstand nach „Tannert“ / Tannert-Gleitindikator Der Gleitreibungs-Verschleiß-Indikator (auch „Tannert-Prüfstand“) ist ein vorwiegend in Deutschland verbreitetes Standardprüfgerät zur Untersuchung des Reibungsverhaltens bei langsamen oszillierenden Gleitbewegungen. Der Prüfstand wurde speziell für die Untersuchung von Bettbahnschmierstoffen in Kombination mit den eingesetzten Gleitwerkstoffen entwickelt, da es dabei häufig Unverträglichkeiten gab, die sich in starkem Stick-Slip (Ruckgleiten) widerspiegelten. Abbildung 64: Tannert-Prüfstand und mögliche Probengeometrien Die Versuche können trocken oder geschmiert gefahren werden. Eine Gleitzunge wird zwischen zwei Gleitklötzen oszillierend mit niedriger Geschwindigkeit hin- und herbewegt. Anstatt der Gleitklötze (Flächenkontakt) können auch Adapter mit Zylinderrollen als Probekörper eingesetzt werden (Linienkontakt). Beim Laststeigerungslauf wird die Normalkraft nach jedem Bewegungszyklus gesteigert bis Stick-Slip (Ruckgleiten) auftritt oder die Maximalbelastung erreicht ist (Abbildung 65). Daneben können Gleitgeschwindigkeit und Stillstandszeiten im Versuch variiert werden. Die Reibkraft wird bei modernen Geräten kontinuierlich auf einem PC aufgezeichnet. Beim ursprünglichen Originalgerät erfolgte die Aufzeichnung über eine komplizierte Mechanik auf einem großen DIN A2-Papierblatt. 3 Tribologische Prüftechnik 83 Abbildung 65: Laststeigerungslauf zur Bestimmung der Stick-Slip-Neigung für zwei unterschiedliche Schmierstoffe; in der Mitte Last- und Bewegungsprofil Auf das Thema Stick-Slip wird im Kapitel Kunststoffprüfung noch einmal näher eingegangen. 84 3 Tribologische Prüftechnik 3.4.7 Rotationstribometer Rotationstribometer dienen der Untersuchung und Simulation von Reibungs- und Verschleißvorgängen unter kontinuierlicher oder oszillierender Gleitbeanspruchung bei Festkörper-, Grenz- und Mischreibung sowie in der (Elasto-)Hydrodynamik. Unter Zuhilfenahme geeigneter Adapter können auf diesen Universaltribometern nahezu alle Prüfkörpergeometrien eingesetzt werden, die sich axial belasten lassen. Somit sind auch Versuche mit Originalbauteilen, wie z.B. Axialgleitlagern, Wälzlagern oder Ventilen u. ä. möglich. Die für das tribologische Verhalten entscheidenden Faktoren, wie Reibpartner, Oberflächenrauheit, Normalkraft, Gleitgeschwindigkeit, Temperatur, Gleitweg, Flächenpressung, Zwischenstoff sowie Umgebungsmedium können an diesen Prüfständen in sehr weiten Grenzen variiert und kontrolliert werden. Sämtliche Messdaten werden auf einem PC gespeichert und stehen anschließend für die Weiterverarbeitung zur Verfügung. Bei älteren und einfacheren Geräten wird die Normalkraft üblicherweise über Hebelsysteme und Massen aufgebracht. Bei modernen Prüfständen kann die Kraft im Lauf automatisch verändert werden. Hierzu kommen vorwiegend pneumatische oder elektro-mechanische Kraftaufbringungssysteme zum Einsatz. Abbildung 66: Pin-on-Disc-Test zur Charakterisierung des Reibungs- und Verschleißverhaltens bleifreier Bronzelegierungen Obwohl die Geräte sehr weit verbreitet sind gibt es relativ wenig Normen. Dies liegt daran, dass viele Anwender spezielle und individuelle Prüfbedingungen darauf umsetzen. 3 Tribologische Prüftechnik 85 Normprüfungen Versuche nach ISO/ WD 7148: Plain bearings - Testing of the tribological behavior of bearing materials - Part 1: Test of bearing materials; Part 2: Polymerbased bearing materials ASTM D 3702: Standard Test Method for Wear Rate and Coefficient of Friction of Materials in Self Lubricated Rubbing Contact Using a Thrust Washer Testing Machine ASTM G 99-05: Standard Test Method for Wear Testing with a Pin-on-Disk Apparatus Abrasivverschleißprüfung in Anlehnung an ASTM G 132: Standard Test Method for Pin Abrasion Testing 86 3 Tribologische Prüftechnik 3.4.8 Mini-Traction-Machine (MTM) Bisher wurden vorwiegend Prüfstände vorgestellt, mit denen Gleitreibungsuntersuchungen durchgeführt werden können. Die nächsten drei Unterkapitel stellen nun Tribometer vor, mit denen die Bewegungsformen Rollen und Wälzen detailliert betrachtet werden können. Mit diesen lassen sich z. B. die Bewegungsvorgänge an Zahnflanken oder Wälzkörpern modellhaft nachbilden. Der MTM-Prüfstand der Firma PCS Instruments in England ist ein moderner Modellprüfstand für Wälzuntersuchungen. In der Standardkonfiguration rollt bzw. wälzt eine ¾“-Kugel auf einer Scheibe (Abbildung 67). Die Prüfkörperanordnung befindet sich ein einem temperierbaren Topf (Füllmenge 35 ml), sodass auch Fluide untersucht werden können. Die Drehzahlen von Kugel und Scheibe lassen sich unabhängig voneinander regeln, sodass beliebige Schlupfwerte (engl.: SRR slip to roll ratio) eingestellt werden können. Wie bei einem modernen Prüfstand üblich, können die Normalkraft (bis 75 N), die Drehzahlen (Umfangsgeschwindigkeit bis 4 m/ s) und die Temperatur (bis 150°C) im Lauf computergesteuert verändert werden. Als Messgrößen stehen das Drehmoment, linearer Summenverschleiß und optional der elektrische Kontaktwiderstand zur Verfügung. Auf dem Prüfstand werden vorwiegend zwei Arten von Prüfprofilen gefahren: zum einen sogenannte Stribeck-Läufe, bei denen die Drehzahl im Lauf stufenweise variiert wird, zum anderen Traktionskurven, bei denen der Schlupf im Lauf langsam erhöht wird (Abbildung 68). Häufig führt man diese beiden Profile auch noch auf mehreren unterschiedlichen Temperaturniveaus durch, um die Fluide so breitgefächert zu charakterisieren. Abbildung 68: Traktionskurven (links) und Stribeckkurven bei 5 Temperaturen [Quelle: PCS-Instruments] Abbildung 67: Prüfkonfiguration in der MTM [Quelle: PCS-Instruments] 3 Tribologische Prüftechnik 87 Filmdickenmessung Ein spezielles Messverfahren, das nicht nur auf der MTM zum Einsatz kommt, ist die Filmdickenmessung mittels optischer Interferometrie. Hierzu gibt es auch an zahlreichen Instituten, die sich mit Wälzlagern beschäftigen, Eigenbauten (sog. EHD-Tribometer). Bei diesem Messverfahren befindet sich die Kugel unter einer lichtdurchlässigen Glasscheibe, sodass der Kontakt von oben optisch betrachtet und analysiert werden kann (Abbildung 69). Mittels dieses Verfahrens lässt sich die Filmdicke im Submikronbereich bestimmen. Die Glasscheibe ist hierzu mit einer Chrom- und Siliciumdioxidschicht beschichtet. Der Kontakt wird durch eine weiße Lichtquelle beleuchtet, die durch ein Mikroskop und durch die Glasscheibe gerichtet ist. Ein Teil des Lichts wird von der Chromschicht auf der Scheibe reflektiert; der andere Teil wandert durch die Siliciumdioxidschicht und den Schmierfilm und wird von der polierten Stahlkugeloberfläche zurückreflektiert. Die rekombinierenden Lichtwege bilden ein Interferenzbild, das digital analysiert wird, um eine Filmdickenkarte des Kontakts zu erstellen. In der MTM nennt sich diese Option 3D-Spacer-Layer-Imaging. Im Gegensatz zu den zuvor genannten Eigenbauten, bei denen die Filmhöhenmessung während des Prüflaufs bei rotierender Scheibe und Kugel stattfindet, erfolgt in der MTM die Messung periodisch im Stillstand gegen eine Referenzglasscheibe an der Mikroskopoptik. Abbildung 69: Film-Dickenmessung in der Mini-Traction-Machine (MTM) [Quelle: PCS-Instruments] 88 3 Tribologische Prüftechnik 3.4.9 Zwei-Scheiben-Prüfstände Der Zwei-Scheiben-Prüfstand "A135" wurde bereits 1922 vorgestellt und bis in die Neunzigerjahre von der Firma Roell- Amsler produziert und kann zur Untersuchung der Bewegungsarten Rollen, Gleiten und Wälzen eingesetzt werden. Standardmäßig werden hier zwei 10 mm breite Scheiben mit 40 mm Durchmesser aneinandergepresst. Üblich ist der Einsatz von zylindrischen Scheiben (Linienkontakt) oder die Paarung einer zylindrischen Probe mit einer balligen Probe zur Erhöhung der Kontaktpressung (Punktkontakt). Die Mantelflächen der Scheibe können aber theoretisch jede denkbare Geometrie aufweisen. So wurde am Kompetenzzentrum Tribologie zum Beispiel eine spezielle Prüfanordnung zur Simulation des Anlaufverhaltens des Spurkranzes an die Schiene entwickelt, bei der geometrische und kinematischen Bedingungen von Rad und Schiene nachgebildet wurden (Abbildung 70). Das Reibmoment wird bei allen Versuchen kontinuierlich aufgezeichnet. Der Verschleiß kann nach dem Versuch durch Wiegen oder Messen bestimmt werden. Mit dem einschaltbaren Exzenter kann der Rotationsbewegung eine pulsierende radiale Belastung (schlagartiges Abheben und Aufsetzen) überlagert werden. Ein zweiter Exzenter ermöglicht ein periodisches axiales Hin- und Herschieben des oberen Probekörpers und damit ein gleichmäßigeren Verschleißabtrag. Bei stillstehender oberer Welle kann anstatt des zylindrischen Probekörpers auch eine Lagerhalbschale oder ein Block eingesetzt werden, um so z. B. Gleitlagerwerkstoffe und Beschichtungen zu testen. Aufgrund der zahlreichen offenen Getriebe und der Messmethodik sind keine hochgenauen Reibungsmessungen möglich. Außerdem ist der Drehzahlbereich stark limitiert (max. 450 min -1 ), sodass heute auf diesem Prüfstand vorwiegend Verschleißversuche und Untersuchungen zum Rad/ Schiene-Verschleiß durchgeführt werden (z.B. EN 16028: Bahnanwendungen - Spurkranzschmierung - Prüfung der Schmierstoffe; Anhang L: Prüfung von Schmierstiften auf dem Zweischeibenprüfstand). Abbildung 71: Amsler A135-Prüfstand Abbildung 70: Rad/ Schiene-Simulation 3 Tribologische Prüftechnik 89 Ein Vertreter modernerer Zwei-Scheiben-Tribometer ist der sogenannte "2disk“- Prüfstand der Firma Optimol-Instruments, München, von der auch der deutlich weiter verbreitete SRV-Prüfstand stammt. Im Gegensatz zu den alten Zwei-Scheiben-Prüfständen der Firma Roell-Amsler weist dieses hochmoderne Tribometer erheblich bessere Leistungsdaten und eine deutlich höhere Präzision auf. Die maximale Normalkraft beträgt bei dieser Maschine 5000 N; die maximalen Drehzahlen 3000 1/ min. Standardmäßig werden auch hier zwei 10 mm breite Scheiben mit 45 mm bis 60 mm Durchmesser aneinandergepresst. Die Mantelflächen der Scheiben können dabei zylindrisch oder ballig ausgeführt werden, um den Schmierungszustand oder die Kontaktpressung zu variieren. Abbildung 72: Moderner Zwei-Scheiben-Prüfstand „2disk“ der Firma Optimol Instruments [Quelle: Optimol Instruments] sowie Piktogramme der Prüfgeometrien Das Reibungsmoment wird kontinuierlich aufgezeichnet. Der lineare Summenverschleiß kann während des Laufs über die Annäherung der beiden Prüfwellen mittels kapazitiver Messung ermittelt werden. Optional kann der Übergangswiderstand zwischen den Proben sowie Schwingungen aufgenommen werden. Nach dem Versuch wird üblicherweise der massenmäßige Verschleiß durch Wiegen bestimmt. Versetzt man die Ober- und Unterprobe leicht zueinander, so kann der Verschleiß auch anhand der entstehenden Stufenhöhe ermittelt werden (Abbildung 73). Zudem hat man so einen direkten Vergleich zwischen ungelaufener und tribologisch beanspruchter Oberflächenstruktur. 90 3 Tribologische Prüftechnik Abbildung 73: Beispielergebnis - Prüfung eines Getriebeöls mit Profilschrieb zur Bestimmung des Materialverlustes und der Oberflächenveränderung 3 Tribologische Prüftechnik 91 3.4.10 Rollenprüfstände / Micro-Pitting-Rig (MPR) Neben den bereits vorgestellten Zwei- Scheiben-Prüfständen finden sich auch Tribometer, die mehr als zwei Scheiben gegeneinanderpressen. Teilweise dienen diese weiteren Scheiben lediglich dem Abstützen der eigentlichen Prüfscheiben, sodass ein offenes Wellenende vermieden wird. Dadurch sind in der Regel deutlich höhere Normalkräfte realisierbar. Bei Rollenprüfständen zur Untersuchung der Ermüdungsfestigkeit (Pitting, Graufleckigkeit) dient dieser Aufbau aber dazu, möglichst viele Lastwechsel innerhalb kurzer Zeit auf der Prüfrolle zu generieren (Abbildung 74). Durch die Größenunterschiede und die drei Anpressrollen erfährt die zentrale kleinere Prüfrolle sehr schnell sehr viele Lastwechsel, sodass die üblicherweise zeitaufwändigen Ermüdungsfestigkeitstests deutlich schneller durchgeführt werden können als auf einem Zwei-Scheiben-Prüfstand. Bei einer typischen Umfangsgeschwindigkeit von 3,5 m/ s erfährt die zentrale Testwalze in dieser Anordnung ungefähr eine Million Kontaktzyklen pro Stunde. Solche Prüfstände finden sich vorwiegend bei Firmen, die Zahnräder bzw. Getriebe herstellen (wie z.B. die ZF Friedrichshafen AG), da dort regelmäßig die Ermüdungsfestigkeit in Abhängigkeit der Werkstoffe, Oberflächenrauheiten, Vergütungszustände und der eingesetzten Schmierstoffe untersucht werden muss. Grundsätzlich finden sich in Asien deutlich mehr dieser Prüfstände als in Europa. Seit einigen Jahren hat die Firma PCS-Instruments nun eine kompaktere und moderne Laborvariante eines solchen Rollenprüfstands auf den Markt gebracht. Bei dem sogenannten Micro-Pitting-Rig (MPR) werden die Anpressrollen und die Prüfrolle separate angetrieben, wodurch der Schlupf frei einstellbar ist. Dank der Computersteuerung sind die wichtigsten Größen des Beanspruchungskollektiv wie Normalkraft (bis 1250 N), Umfangsgeschwindigkeit (bis 4 m/ s), Schlupf (bis 200%) und Temperatur (bis 135°C) im Lauf variabel. Der Versuch wird beim Auftreten eines Pittingschadens automatisch abgeschaltet, wenn das Signal des Beschleunigungssensors einen Grenzwert überschreitet (Abbildung 75). Abbildung 75: Pittingschaden an der Prüfrolle [Quelle: PCS-Instruments] Abbildung 74: Prüfkonfiguration im MPR-Prüfstand mit 3 Anpressrollen und zentralem Prüfling [Quelle PCS-Instruments] 92 3 Tribologische Prüftechnik 4 Modell- und Simulationsprüfung 4.1 Modellprüfung (Kategorie VI) Die bisher vorgestellten Prüfstände sind speziell für Modellprüfungen, d.h. Prüfungen mit einfachen Prüfgeometrien, entwickelt worden. Die Vorteile der Modellprüfungen liegen in: geringen Kosten kurzen Prüfzeiten einfachen messtechnischen Erfassung einer großen Anzahl von Einflussgrößen Die Nachteile sind: betriebsferne Prüfung veränderte Formeigenschaften nicht-Berücksichtigung externer Einflüsse bestimmte Prüfmaschinen sprechen nur auf eine bestimmte Additivchemie sehr gut an (Brugger = aktiver Schwefel) Ziel der reinen Modellprüfung ist das Abtesten einer Einzeleigenschaft relativ unabhängig von der tribologischen Beanspruchung des realen Systems. Zu dieser Gruppe zählen zum Beispiel Tests unter sehr hohen örtlichen Pressungen zur Ermittlung der Hochdrucktragfähigkeit (engl.: extreme pressure properties). Der bekannteste Test dürfte hier die Ermittlung der Schweißkraft im Vierkugel-Apparat (VKA) sein (DIN 51350 T2 und 4). Weitere bekannte Vertreter sind die Norm-SRV-Prüfungen nach DIN 51834 oder klassische Pin-on-disc-Tests. Abbildung 76: Typische Prüfkonfigurationen der Modellprüfung; VKA, SRV und Pinon-Disc Reine Modellprüfungen sind relativ einfach und schnell durchzuführen, da es hierfür in der Regel Normen oder Laborvorschriften gibt. Nichtsdestotrotz müssen die Versuche ordentlich geplant, durchgeführt und ausgewertet werden. Gerade für die Auswertung ist auch ein gewisses tribologisches Verständnis notwendig, da man ansonsten systematische Fehler nicht erkennt. So werden in Ringversuchen regelmäßig Verschleißkalotten-Durchmesser angegeben, die kleiner als die Kontaktfläche der Hertzschen Pressung sind. Auch die beliebige Wahl des Reinigungsmediums unabhängig von den Vorgaben der verwendeten Norm hat schon so manche(n) Arbeitskreis-Obmann bzw. Obfrau zur Verzweiflung gebracht. 4.1.1 Vorgehen bei der Modellprüfung Ein Tribometertest ist kein universeller Test, der eine allgemeingültige Aussage zulässt, ob ein Schmierstoff oder Werkstoff gut oder schlecht ist. Zuallererst muss die Prüferin oder der Prüfer daher entscheiden, welche Eigenschaft eines Schmierstoffs oder Werkstoffs untersucht werden soll. Anschließend erfolgt die Auswahl einer hierfür geeigneten Prüfmaschine und die Festlegung der geeigneten Prüfparameter. Hierbei kann man sich häufig an Normvorgaben halten, wobei eine gute und aktuelle Norm auch gleich eine Arbeitsanleitung und praktische Hinweise zur Durchführung und Auswertung liefern sollte. Die ermittelten Werte können relativ leicht mit Literaturwerten verglichen werden, da die Variationsmöglichkeiten hinsichtlich Beanspruchungskollektiv und Elementen tendenziell gering sind. Problematisch ist, dass die Werte verschiedenartiger Prüfmaschinen nur schlecht oder gar nicht miteinander verglichen werden können, auch wenn scheinbar ähnliche Eigenschaften abgeprüft werden. So zeigen aktuelle Untersuchungen von RIGO deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen EP-Tests wie VKA-Schweißkraft (DIN 51350-T2), SRV-Laststeigerungslauf (ASTM 7421-11) oder der Reichert- und Brugger- Prüfung (DIN 51347) [RIGO2016, RIGO2019] (Tabelle 5). Tabelle 5: Ranking verschiedener Musterformulierungen in EP und AW-Prüfungen auf unterschiedlichen Prüfgeräten [RIGO2019] 94 4 Modell- und Simulationsprüfung Der Grund hierfür ist, dass sich die Beanspruchungskollektive trotz gleicher Zielsetzung der Prüfung (hier z.B. Überprüfung der Hochdruckeigenschaft - EP-Test) deutlich unterscheiden. Selbst bei ähnlichen Hauptprüfbedingungen haben zahlreiche nicht so offensichtliche Randbedingungen einer Prüfung einen großen Einfluss auf das tribologische System und somit auf das Messergebnis. Zu nennen sind hier beispielsweise: Pressungsverteilung im Kontakt, Eingriffsverhältnis, Schmierstoffversorgung der Reibstelle und Schmiermenge, thermische Bedingungen, Schwingungen, Rund-/ Planlauf usw. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt der Additivhersteller Lanxess. Die nachfolgende Tabelle zeigt welche Fluide auf welche Prüfung ansprechen (Tabelle 6). Auch technisch untypische Schmierstoffe wie Bier oder Milch zeigen teilweise in einzelnen Modellprüfungen recht gute Ergebnisse. Tabelle 6: Ranking unterschiedlicher Öle auf verschiedenen Prüfständen [Quelle: Lanxess AG] 4 Modell- und Simulationsprüfung 95 4.1.2 Modellprüfung in der Praxis 4.1.3 Aussagefähigkeit der Modellprüfung Da das tribologische System in der Modellprüfung stark von dem des realen Systems abweicht, ist auch die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf ein reales Bauteil äußerst problematisch. Der Anwender darf nicht vergessen, dass er lediglich eine Einzeleigenschaft abprüft und diese auch noch unter ganz speziellen Modellbedingungen. Vergleichende Untersuchungen, beispielsweise zum Ansprechverhalten von Additiven unter vorgegebenen Bedingungen, sind somit möglich - Aussagen zum Verhalten im realen Bauteil dagegen nur sehr eingeschränkt! Werte für Normalkraft, Drehzahl oder Temperatur in den Modellprüfungen sowie die zu verwendenden Werkstoffe sind häufig historisch und gerätetechnisch bedingt und stellen nicht wirklich sinnvolle und anwendungsnahe Parameterkombinationen dar. Schaut man sich z.B. die Drehzahlen oder Frequenzen von Normprüfungen an, so sind dies häufig „zufällig“ die Werte ungeregelter Asynchronmotoren und basieren nicht auf wissenschaftlichen Überlegungen oder Praxisanforderungen. Die Vielzahl der Modellprüfungen mit Punktkontakten basiert auf der Tatsache, dass die teilweise hohen Pressungen in der Praxis auf relativ kleinen Laborprüfmaschinen nur im Punktkontakt erreicht werden. Außerdem ist die Ausrichtung eines Punktkontaktes unproblematisch, sodass Fehler bei der Durchführung reduziert werden, was dann eine gute Reproduzierbarkeit und Vergleichbarkeit in der Norm ergibt. Da man sich bei Normprüfungen in aller Regel auf wenige fixe Testparameter fokussiert, werden spezielle Eigenheiten bestimmter Schmierstoffgruppen nicht hinreichend berücksichtigt. So führt die Forderung nach hohen Bruggerwerten in verschiedenen Hydraulikspezifikationen dazu, dass den Formulierungen unnötig viel aktiver Schwefel hinzugegeben werden muss, um die Grenzwerte zu erfüllen, obwohl das für die eigentliche Anwendung nicht notwendig wäre und dort sogar Probleme verursacht (z.B. Korrosion und/ oder Schlammbildung). Dies führt dann zu dem paradoxen Effekt, dass die Schmierstoffe eher für die Norm und die Freigabegrenze als für die eigentliche Praxisanwendung entwickelt werden. Wichtig für die Aussagefähigkeit von Modellversuchen ist auch die Teilnahme an Ringversuchen, um die Wiederholbarkeit und Vergleichbarkeit des Verfahrens zu überprüfen und mit anderen Gerätenutzern abzugleichen. Häufig ist dies die einzige Möglichkeit, systematische Fehler am Gerät und/ oder auch bei der Bedienung durch das Personal aufzudecken. Wenn neben der bereits beschriebenen Problematik der Modellprüfung auch noch unzulässige Schwankungen und Messfehler hinzukommen, ist die Prüfung wirklich reine Zeit- und Geldverschwendung. Grundsätzlich ist es unserer Erfahrung nach leichter, mit gezielten Modellprüfungen, schlechte Formulierungen / Varianten herauszufiltern als gute zu erkennen. Fällt ein Muster in der Modellprüfung bereits negativ auf, ist dies in vielen Fällen ein KO-Kriterium. Fällt es positiv auf, ist dies in der Regel noch lange kein Freigabekriterium. 96 4 Modell- und Simulationsprüfung Trotz all dieser Negativpunkte hat auch die reine Modellprüfung ihre Berechtigung und Bedeutung. Aus Zeit- und Kostengründen sind Modellprüfungen für das Screening vieler Varianten unerlässlich. Typische Anwendungsgebiete sind vergleichende Untersuchungen beispielsweise zum Ansprechverhalten von Additiven unter vorgegebenen Randbedingungen sowie die Qualitätsprüfung und die reine Grundlagenforschung ohne einen klaren Anwendungsbezug. Eine Modellprüfung erinnert dabei immer ein bisschen an ein Orakel: man stellt eine Frage und bekommt häufig eine etwas nebulöse Antwort, die viel Interpretationsspielraum lässt (siehe untenstehende Definition des Begriffs). „Orakel (von lateinisch oraculum „Götterspruch, Sprechstätte“; zu orare „sprechen, beten“) bezeichnet eine mit Hilfe eines Rituals oder eines Mediums gewonnene transzendente Offenbarung, die der Beantwortung von Zukunfts- oder Entscheidungsfragen dient. Die mittels des Orakels gewonnenen Hinweise und Zeichen können dem Fragenden als Rechtfertigungsgrund eigener Entscheidungen und Handlungen dienen. Im Unterschied zum Hellsehen (außersinnliche Wahrnehmung), das als individuelle Fähigkeit einer leibhaftigen Person angesehen wird, befragt das Orakel stets eine höhere Instanz. Durch die Erwartung der Beantwortung einer Frage ähnelt das Orakel entfernt der Prophetie, welche meist, aber nicht immer, ungebeten zuteilwird.“ (Wikipedia) 4.2 Simulationsprüfung (beanspruchungsähnlicher Versuch mit Probekörpern, Kategorie V) Der Begriff der Simulationsprüfung ist im GfT-Arbeitsblatt Nr. 7 nicht aufgeführt. Am KTM verstehen wir darunter einen beanspruchungsähnlichen Versuch mit Probekörpern ähnlich der Kategorie V. Allerdings versuchen wir, durch eine geschickte Wahl der Prüfbedingungen und der Prüfkörper, möglichst nah an die höhere Kategorie IV heranzukommen. Im Vergleich zur reinen Modellprüfung (Kat. VI) benötigt man für die Simulationsprüfung deutlich mehr Erfahrung und tribologisches Verständnis. Häufig gibt es hierzu keine Standards oder Laborvorschriften, sodass jede Prüfung individuell neu geplant werden muss. Ziel einer jeden Simulation ist es, möglichst nah an der Praxis zu bleiben und dennoch Vorteile gegenüber einer Prüfung einer höheren Kategorie (z.B. Prüfstandversuch oder Feldprüfung) zu erzielen. Diese Vorteile sind üblicherweise kürzere Prüfzeiten, die bessere messtechnische Zugänglichkeit und eine höhere Messgenauigkeit unter fest definierten und nachvollziehbaren Randbedingungen. 4 Modell- und Simulationsprüfung 97 4.2.1 Vorgehen bei der Simulationsprüfung Der wichtigste Punkt bei der Simulationsprüfung ist die umfangreiche tribologische Systemanalyse [CZIC2015] (Abbildung 77). Fehler bei der Einschätzung der realen tribologischen Beanspruchung oder den Stoff- und Formeigenschaften der Elemente führen zwangsläufig zu einer fehlerhaften Modellbildung und einem ungeeigneten und damit nicht übertragbaren Laborversuch. Abbildung 77: Übersicht Systemanalyse Tabelle 7 zeigt, welche Größen nach aktuellem Wissensstand bei der Simulationsprüfung verändert werden dürfen und welche nicht. Schon ein kurzer Blick auf diese Übersicht zeigt, dass nur wenige Punkte im Vergleich zur Realbeanspruchung verändert werden dürfen. Daher ist es zwingend notwendig, das reale System genauestens zu kennen und zu beschreiben. Dieser Punkt gestaltet sich in der Praxis häufig schwieriger als gedacht. Nur selten erhält man ausreichend Informationen über das reale System und die dort vorherrschenden realen Beanspruchungsbedingungen. Häufig gibt es nur theoretische Annahmen basierend auf idealen Geometrien und Verhältnissen, die die Realität nicht widerspiegeln. Daraus resultieren dann massive Probleme bei der Systemanalyse und der darauf aufbauenden Versuchsplanung. 98 4 Modell- und Simulationsprüfung Tabelle 7: Parameter, die in der Laborprüfung verändert werden dürfen [nach CZIC2015] Eine beliebte Fehlerquelle stellt beispielsweise das Nichtberücksichtigen der wahren Kontaktfläche dar, die sich aufgrund von realen Form- und Lagefehlern sowie der Rauigkeiten einstellt. Die wahre Kontaktfläche ist immer deutlich kleiner als die geometrische Kontaktfläche (siehe auch Abbildung 11). Unwissentlich können hier leicht Differenzen um mehrere Größenordnungen zwischen realem System und Laborversuch entstehen. Ein schönes Beispiel ist die kardanische Lagerung von Proben im Laborversuch, um einen idealen Linien- oder Flächenkontakt zu erzeugen. Durch diese Lagerung entfällt ein aufwändiges und fehleranfälliges Ausrichten der Prüflinge. Der Versuch lässt sich schnell einrichten und zeigt eine gute Wiederholbarkeit. Dies sind alles positive Merkmale, die eindeutig für die kardanische Lagerung sprechen. Probleme mit der Übertragbarkeit ergeben sich, wenn die zu simulierenden Realsysteme in der Praxis z.B. aufgrund von Formfehlern oder Verformungen nicht so gut ausgerichtet sind. In der Praxis muss das System dann zumindest in der Einlaufphase ggf. lokal sehr hohe Pressungen aushalten. Hier sind eine gute Anpassungsfähigkeit und ausreichender EP-Schutz notwendig. Dieses Problem findet man beispielsweise bei Pumpenlaufflächen. Zur Optimierung werden hier gerne dünne und sehr harte Beschichtungen (z.B. DLC) vorgeschlagen, die in idealen Tribometertests sehr gute Ergebnisse liefern. In der Realität sind dann aber häufig Form- und Lagetoleranzen bzw. Verformungen so groß, dass es bei Neuteilen fast zwangsläufig zu Kanteneffekten kommt. Hinzu kommen oft deutlich höhere Rauheiten im Realsystem als bei den im Labor eingesetzten Prüflingen. Die im Labor gut getesteten Hartstoffschichten versagen dann plötzlich im Realsystem, da sie nahezu kein Einlaufverhalten zeigen und dann für solche lokalen Pressungsüberhöhungen sowie die dann lokal vorherrschenden Energiedichten ungeeignet sind. 4 Modell- und Simulationsprüfung 99 Eine weitere häufig anzutreffender Fehlerquelle sind unzulässige Kompromisse bei der Prüfmaschinen- und Parameterwahl. Häufig geschieht dies sogar relativ bewusst aus äußeren Zwängen (z.B. Belegungssituation eines geeigneteren Prüfstandes). 4.3 Wie kann die Aussagekraft einer Laborprüfung verbessert werden? In diesem Kapitel sollen ein paar praktische Hinweise gegeben werden, wie bestehende Prüfstände optimal eingesetzt werden können, sodass die Ergebnisse möglichst gut auf die reale Anwendung übertragen werden können. 4.3.1 Optimale Messtechnik Gegebenenfalls muss die an den Tribometern vorhandene Messtechnik für ein optimales Prüfresultat ergänzt und aktualisiert werden: Aufwändigere Messtechnik für Übergangswiderstand, Schmierfilmhöhe, lokale Temperaturen, Akustikemission, Schwingungen oder lokalen Druck bieten eine bessere Interpretationsmöglichkeit der Ergebnisse und erleichtern somit das Verständnis für die im tribologischen Kontakt ablaufenden Prozesse. Bei Verschleißprüfungen ist die Auflösung der Sensoren so zu wählen, dass eine sichere Interpretation der Ergebnisse auch bei moderaten und praxisnahen Verschleißbeträgen möglich ist. So können mittels hochauflösender Verfahren (z.B. kapazitive Sensoren, Radionuklidtechnik) bereits winzigste Verschleißbeträge gemessen werden ohne dass extrem lange Prüfzeiten anfallen oder das System unrealistisch überlastet werden muss. Abbildung 78: Zusätzliche Messtechnik zur Erhöhung der Aussagekraft Es empfiehlt sich grundsätzlich immer, möglichst viele Messgrößen aufzunehmen. Häufig stellt sich erst bei der Interpretation der Ergebnisse heraus, dass ein Zusammenhang mit einer im Vorfeld für unbedeutend eingeschätzten Messbzw. Einflussgröße besteht (z.B. Rundlauffehler, Beharrungstemperatur, Luftfeuchte, Stillstandszeit vor Versuchsbeginn usw.). Wurde diese dann nicht ordentlich aufgenommen und 100 4 Modell- und Simulationsprüfung dokumentiert, sind die Versuche nutzlos bzw. die Aussagefähigkeit stark eingeschränkt. Ein Problem bei der Erfassung vieler Messgrößen mit hoher Abtastrate stellt die dabei entstehende Datenmenge dar. Insbesondere bei Dauerläufen werden riesige Datenmengen erzeugt, die selbst mit speziellen Auswertungsprogrammen nur noch sehr zeitaufwendig bearbeitbar sind. Dennoch muss die Abtastrate hoch genug gewählt werden, um auch spontane Ereignisse aufzeichnen zu können. Es empfiehlt sich, in der Versuchsplanung zu überlegen, welche Abtastraten für welche Messgrößen und zu welchen Versuchszeitpunkten notwendig sind und die Daten dann entsprechend aufzunehmen. Voraussetzung ist natürlich, dass die eingesetzte Mess- oder Prüfstandsoftware hierzu die Möglichkeit bietet. Ggf. ist auch in diesem Punkt ein Nachrüsten bzw. Umstellen der Messdatenerfassung sinnvoll. Die Sensorik ist immer so zu wählen, dass eine sichere Interpretation der Werte auch bei moderaten und praxisnahen Bedingungen in akzeptabler Zeit möglich ist. Hierzu ist es hilfreich, wenn die Sensoren über eine sehr hohe Auflösung und Genauigkeit verfügen (zum Beispiel Piezosensoren für eine Kraftmessung) oder für den entsprechenden Messbereich leicht ausgetauscht werden können. 4.3.2 Festlegung der Prüfparameter Die Auswahl geeigneter Prüfparameter muss unter Berücksichtigung der in Tabelle 7 aufgeführten Variationsgrenzen und auf Basis einer umfangreichen Systemanalyse erfolgen. Um für verschiedenste Anforderungen die geeignete Prüfung auswählen zu können, sind häufig eine Vielzahl an Tribometern notwendig, insbesondere wenn unterschiedliche Fragestellungen zu untersuchen sind. Fehlt im Labor die geeignete Prüfmaschine, werden häufig nicht zulässige Kompromisse geschlossen. Wurde beispielsweise in einer Firma nach langem Ringen endlich ein Tribometer angeschafft, das sich dann im Folgejahr für eine neue Fragestellung als ungeeignet darstellt, weil beispielsweise die Bewegungsform nicht passt, so fällt es den entsprechenden Verantwortlichen häufig schwer, dies gegenüber dem Vorgesetztem zuzugeben und die Tests ggf. extern zu beauftragen. Stattdessen werden zweifelhafte Versuche durchgeführt nur um irgendein Ergebnis abliefern zu können und nicht in Erklärungsnot zu geraten. 4.3.3 Berücksichtigung der Energiedissipation (Tribomutation) Einer der wichtigsten Punkte bei der Auswahl geeigneter Parameter ist die Energiedissipation in der Reibstelle. Versuche, Prüfzeiten zu verkürzen, indem mit übermäßigen Energieeinträgen aufgrund zu hoher Pressungen oder Gleitgeschwindigkeiten gearbeitet wird, sind von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Für eine moderate tribologische Belastung empfiehlt es sich, mit einer Einlaufbeanspruchung zu beginnen und erst dann die Leistungsgrenzen auszutesten. Wenn es die Prüfmaschine hergibt, sind dynamische Beanspruchungsprofile empfehlenswert, da sie auch Ruhephasen enthalten können und so näher an einer realen Beanspruchung liegen als Prüfungen unter kontinuierlicher Höchstbeanspruchung. Die wenigsten Realsysteme arbeiten unter konstanten Bedingungen, daher ist eine gewisse Dynamik in den Prüfzyklen deutlich realitätsnäher. Würde man auch heute noch alle tribologischen Versuche auf altmodischen Prüfgeräten wie beispielsweise einer Timken-Maschine durchführen, so gäbe es vermutlich keinerlei Kunststoffgleitlager, da alle Versuche darauf hindeuten würden, dass diese gegenüber Metallgleitlagern unterlegen sind und thermisch versagen. 4 Modell- und Simulationsprüfung 101 Zahlreiche sehr erfolgreiche Kunststoffgleitlager-Anwendungen in der Praxis zeigen aber, dass diese unter realistischen Bedingungen durchaus leistungsfähig sind und häufig die beste Alternative darstellen. Professor Dr. Gervé hat zur Beschreibung der Materialveränderungen durch den reibbedingten Energieeintrag in den 1990er-Jahren den Begriff der Tribomutation eingeführt [GERV1996]. Man versteht darunter die Veränderung der Oberflächenbereiche der Reibpartner durch eine tribologische Beanspruchung. Bereits die Herstellung mittels formgebender Verfahren, seien sie nun spanend oder spanlos, stellen eine tribologische Beanspruchung dar und verändern somit die Eigenschaften der Werkstoffoberflächen [MACH2000]. Während der tribologischen Beanspruchung verändern sich die Oberflächen ständig weiter. Reaktionsschichten reiben sich ab und werden wieder nachgebildet. Die Reibenergie verändert die Werkstoffkennwerte in den für die Tribologie so wichtigen Oberflächenbereichen [NMI2001]. Dies hat wiederum Einfluss auf die Funktion des tribologischen Systems und seiner Verlustgrößen. Sind die Vorgänge in der Praxis und im Tribometer nicht ausreichend ähnlich, ergeben sich bei der Laborprüfung zwangsläufig nicht übertragbare Ergebnisse. Moderne Oberflächenanalysesysteme, wie beispielsweise SIMS oder SNMS, helfen, diese Umwandlungsvorgänge nachzuweisen und besser zu verstehen. Einen kurzen Überblick über die typischen Analysemethoden findet sich in Kapitel 9. Dennoch ist es sehr schwer abzuschätzen, wie sich ein Tribosystem während der tribologischen Beanspruchung verändert und welchen Einfluss dies auf die Messergebnisse hat. Um einmal ein Gefühl für die wichtige Größe „Energiedichte“ zu bekommen, sind nachfolgend einige Werte von Haushaltsgeräten den Werten in tribologischen Versuchen gegenübergestellt (Abbildung 79). Abbildung 79: Energiedichten-Vergleich 102 4 Modell- und Simulationsprüfung In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch einmal eine Grafik der Firma Lanxess zeigen, die das Problem übertriebener Energieeinträge sehr schön veranschaulicht. Etwas überspitzt kann man also sagen, dass wir bei fehlerhaften Tribometerversuchen aus dem Rührei Rückschlüsse auf das Leben eines Huhns ziehen wollen. Abbildung 80: Beschleunigte Prüfung mit zu hohem Energieeintrag [Quelle: Lanxess Deutschland GmbH] 4 Modell- und Simulationsprüfung 103 Selbst wenn die Energieeinträge makroskopisch moderat sind, so kann es lokal an den Rauheitsspitzen dennoch zu einer deutlichen Temperaturerhöhung kommen. Die theoretische Untersuchung von Blitztemperaturen in Reibkontakten ist vor allem mit dem Namen von BLOK verbunden [BLOK1937]. Den Einfluss dieser sogenannten „thermoelastischen oder thermomechanischen Instabilität“ auf die wahre Kontaktfläche wurde 1969 von BARBER theoretisch hergeleitet und 1980 von BURTON in Experimenten bestätigt. Durch die lokale Temperaturerhöhung erhitzen die Mikrokontakte und dehnen sich aus. Die Anzahl der tragenden Kontakte nimmt so ab, was zu einer weiteren lokalen Pressungs- und Temperaturkonzentration führt. Im Betrieb verschleißen diese lokalen Kontaktpunkte, die Pressung wird von anderen Punkten übernommen, die sich dann erhitzen, während die ursprünglichen Kontakte abkühlen und sich „erholen“ können. Die mittlere Temperaturerhöhung an einem Mikrokontakt berechnet sich: Formel 3: 0,2 μ -Modul in N/ mm²; l: Kontaktlänge in μm und v: Gleitgeschwindigkeit in m/ s Die entstehenden Temperaturen im Reibkontakt haben auch noch einen negativen Effekt auf die Messtechnik. Kraft- und Drehmomentmesstechnik sowie die notwendigen Verstärker sollten immer ausreichend weit von der Kontaktstelle entfernt angebracht sein, um einen Temperatureinfluss gering zu halten. Die Wärmedehnung der Prüfkörper und der Prüfmaschine haben aber häufig einen signifikanten Einfluss auf das online-Verschleißsignal. Am Beispiel eines üblichen Rotationstribometers kann gezeigt werden, dass Temperaturdifferenzen im Bereich von beispielsweise 50 K bei der hier vorliegenden Stahlkonstruktion, dem aufgezeigten Kraftfluss und der Anordnung der Messtechnik zu Wärmedehnung im Bereich von nahezu 200 μm führen (Abbildung 81). Das Online-Verschleißsignal ist also nur auswertbar, wenn eine stationäre Temperaturverteilung gegeben ist. Hierzu muss die Reibkraft im Versuch für längere Zeit konstant sein und sich ein Gleichgewichtszustand eingestellt haben. Diese Wärmedehnung kann auch nicht einfach aus den Ergebnissen herausgerechnet werden, da die exakte Temperaturverteilung im Kraftfluss üblicherweise unbekannt ist. 104 4 Modell- und Simulationsprüfung Abbildung 81: Einfluss der Wärmedehnung auf das online-Verschleißsignal am Beispiel des Rotationstribometers TRM1000 4.3.3.1 Dynamische Einflüsse Ein weiterer häufig unterschätzter Einflussfaktor auf einen tribologischen Versuch sind dynamische Zusatzbelastungen. In der Prüfmaschine kommt es ebenso wie in der Praxis zur Überlagerung der statischen Soll-Kräfte durch dynamische (häufig nicht bekannte) Zusatzkräfte (Schwingungen). Am Beispiel eines sehr einfachen Tribometers, der Reichert-Reibverschleißwaage (RVV), sollen diese dynamischen Kräfte einmal aufgezeigt werden: Im Standardversuch beträgt hier die Normalkraft 300 N und die Drehzahl 1490 U/ min. Geht man von einem Summenrundlauffehler von etwa 20 μm aus was für diese Maschine schon recht gut ist so beträgt die dynamische Last berechnet nach der Formel Kraft gleich Masse mal Beschleunigung immerhin schon +/ - 26 N und damit knapp +/ - 9%! Das erstaunliche daran ist, dass die Verschleißkalotten bei Versuchen mit unrund laufenden Probekörpern häufig tendenziell kleiner sind der Rundlauffehler wirkt sich also positiv aus. Aufgrund der zyklischen Pulsaktionen scheint sich der Schmierfilm besser ausbilden zu können; Verschleißpartikel können leichter aus dem Kontakt austreten. Daran erkennt man, dass die Bewertung von Lauffehlern und die Festlegung von Grenzwerten schwierig ist. Theoretisch müsste man den Einfluss und die zulässigen Abbildung 82: Reichert-Reibverschleiß-Waage (RVW) 4 Modell- und Simulationsprüfung 105 Grenzwerte für jeden Versuch bestimmen, was aber aus Zeit- und Kostengründen unrealistisch ist. 4.3.3.2 Festlegung der geeigneten Prüfdauer Eine weitere leider typische Fehlerquelle sind zu kurze Prüfzeiten. Unter Zeitund/ oder Kostendruck werden vom Kunden (oder Projektleiter*in) häufig Kurzzeitprüfungen gefordert. Da aber Reibungs- und Verschleißverläufe über die Zeit nur selten konstant sind, kommt es häufig zu Fehlinterpretationen, die bei ausreichender Prüfdauer leicht zu vermeiden gewesen wären (Abbildung 83). Abbildung 83: Degressiver, konstanter und progressiver Verlauf über der Prüfdauer; Auswirkung auf die Verschleißbewertung Ein vernünftiger Kompromiss zwischen Prüfzeit - und damit auch Kosten - und Aussagesicherheit ist hier nötig. Man muss immer berücksichtigen, dass es sich immer noch um eine Laborprüfung handelt. Das Abprüfen der realen Lebensdauer eines Bauteils macht somit selten Sinn, da der Versuch immer noch zu stark vom Realsystem abweicht. Trotzdem sind gewisse Mindestprüfdauern notwendig, um sinnvolle Ergebnisse zu erzielen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, den Verlauf von Reibung und Verschleiß über der Zeit genau zu betrachten. Haben sich noch kein stationäres Reibungsniveau und eine konstante Verschleißrate eingestellt, sind Vorhersagen zum Langzeitverhalten nicht möglich. Um die Verschleißrate beurteilen zu können, ist eine kontinuierliche Verschleißmessung notwendig. Nur so ist es möglich zu beurteilen, ob man sich noch im Bereich des Einlaufverschleißes oder schon im Behaarungszustand befindet. Im Kapitel 3.2.2.2 - Verschleißmesstechnik wurden Messsysteme dargestellt, mit denen entsprechende hochgenauen Onlinemessungen möglich sind. Merke: Eine kurze und günstige, aber dafür wertlose Prüfung ist immer zu lang und zu teuer! 106 4 Modell- und Simulationsprüfung 4.3.3.3 Statistische Absicherung der Ergebnisse In den meisten Wissenschaften ist es üblich, zur statistischen Absicherung und Auswertung der Ergebnisse zahlreiche Wiederholprüfungen durchzuführen. In der Tribologie begnügt man sich jedoch häufig mit einer Doppelbestimmung, d. h. einem einzigen Wiederhollauf! Bei aufwändigen und teuren Bauteilprüfungen wie dem FE8- oder FZG-Test gibt’s man sich sogar üblicherweise mit einem Einzellauf zufrieden. Auch eine noch so gut geplante Prüfung kann von Zufälligkeiten beeinflusst werden. Daher führt kein Weg an einer statistischen Absicherung der Ergebnisse durch Wiederholläufe vorbei. Nur bei sehr guten Kenntnissen des Kontextes und einer Vielzahl ähnlicher Prüfungen, kann es in Ausnahmefällen ausreichend sein, lediglich eine Plausibilitätsprüfung der Einzelergebnisse durchzuführen. Tribologische Versuche sind immer mit unvermeidlichen, zum Teil recht erheblichen Streuungen verbunden. Die Verteilung der Ergebnisse (Verteilungsfunktion) entspricht häufig nicht der bekannten Standardverteilung einer Gauß-Glockenkurve. Um trotz dieser Streuungen auf brauchbare und auswertbare Ergebnisse zu kommen, bzw. um die Ursache dieser Streuungen zu erkennen und sie bei der Versuchsauswertung zu berücksichtigen, wird üblicherweise auf Verfahren der mathematischen Statistik zurückgegriffen (z.B. Weibull-Verteilung bei Schäden infolge Ermüdung). Dies bedingt allerdings eine entsprechende Anzahl an Wiederholungsläufen (siehe auch Kapitel 7.3 - Statistik). Streut ein tribologischer Versuch stark, sollte man immer erst einmal prüfen, ob die Durchführung einwandfrei ist. Findet man hierbei keinen Fehler, kann es gut sein, dass sich das System an einer Belastungsgrenze befindet und in Abhängigkeit eines quasi zufälligen minimalen Ereignisses, das eine oder das andere Ergebnis zeigt (Chaostheorie). Solche Varianten sind grundsätzlich als kritisch anzusehen und sollten daher vermieden werden. Wir empfehlen, hier immer eine stabilere Variante vorzuziehen, auch wenn einzelne Ergebnis der anderen Variante scheinbar besser sind. Die Angabe eines Mittelwertes bei solchen bistabilen Systemen macht wissenschaftlich keinerlei Sinn, da das Ergebnis des Mittelwertes nie im Versuch erreicht wird. Zu berücksichtigen ist auch die relativ geringe Präzision der meisten, vorwiegend älteren Normprüfverfahren. Diese muss bei der Interpretation der Ergebnisse immer beachtet werden. Die Vergleichbarkeit der VKA-Schweißkraft nach DIN 51350 Teil 2 beträgt drei Laststufen und liegt damit im Bereich von bis zu 30 %. Wenn beispielsweise die durchschnittlichen Verbesserungen durch die Zugabe eines Additivs im Bereich einer Laststufe liegen, stellt sich die Frage, wie relevant das Ergebnis tatsächlich ist. Auch dies kann nur durch eine deutliche Erhöhung der Stichprobenanzahl geklärt werden. 4 Modell- und Simulationsprüfung 107 Abbildung 84: Wiederhol- und Vergleichbarkeit der VKA-Schweißkraft (lt. DIN 51350 T2) 4.3.3.4 Unvermeidliche Toleranzen Toleranzen zwischen Soll- und Ist-Wert lassen sich in der Realität nicht verhindern, allerdings wird deren Einfluss häufig unterschätzt. Der Prüfer bzw. die Prüferin muss entscheiden, welche Abweichungen von einer Soll-Last und Soll-Temperatur, aber auch Abweichungen im Rund- oder Planlauf, noch tolerierbar sind und welche bereits signifikanten Einfluss auf das Messergebnis haben. Häufig ist der Einfluss von Abweichungen allerdings nicht bekannt und müsste in eigenen Versuchsreihen ermittelt werden. Hierzu fehlen aber in aller Regel die Zeit und das Geld. Eine pauschale Aussage hierzu ist leider nicht möglich. Auch hier hilft nur ausreichende Erfahrung, um ein Gefühl für bestimmte Einflussfaktoren zu bekommen. Grundsätzlich sollte man versuchen, die Abweichungen so gering wie möglich zu halten. Trotzdem ist ein vernünftiger Kompromiss zwischen Präzision und Aufwand notwendig. Dieser kann beispielsweise reduziert werden, indem man geeignete Hilfsmittel und moderne Prüf- und Messtechnik einsetzt. Eine geeignete Probenaufnahme, die die schnelle Feineinstellung von Plan- und Rundlauf ermöglicht, rentiert sich nach wenigen Versuchen und führt insgesamt zu besseren Ergebnissen. Wichtig ist auch, dass Abweichungen vom Sollwert sauber dokumentiert werden. Nur so ist es später möglich nachzuvollziehen, ob eine bestimmte Abweichung nicht doch einen signifikanten Einfluss hat (siehe auch Kapitel 7 - Design of Experiments (DOE) / Statistik). 4.3.3.5 Sonstige Einflussquellen Wie bereits angemerkt, spielen häufig auch noch zahlreiche Randbedingungen eine Rolle, die auf den ersten Blick nicht offensichtlich sind. Hierzu gehören Größen wie Luftfeuchte, Form- und Lagefehler, Rauigkeiten, Inhomogenitäten, Wärmeabfuhr usw. Es ist wichtig, den Einfluss dieser Größen richtig einzuschätzen und gegebenenfalls Maßnahmen einzuleiten, um die Streuung und den negativen Einfluss auf das Prüfergebnis zu minimieren. 108 4 Modell- und Simulationsprüfung Auch eine Prüfmaschine ist den Gesetzen der Physik und der Tribologie unterworfen. Dies sind zum Beispiel: Resonanzen (Eigenfrequenzen) Steifigkeit des Maschinenrahmens und der Messeinheit Dämpfung Reibung in Lagerungen Eine Selbstverständlichkeit sollte die regelmäßige Wartung, Pflege und Kalibrierung der eingesetzten Maschinen sein. Hier ist es hilfreich, ein jährliches internes Audit durchzuführen, bei dem genau diese Punkte geprüft werden. Ein weiterer wichtiger Punkt für einen guten Laborversuch ist die Qualität der Probekörper bzw. der Probenpräparation. Wir müssen leider immer wieder feststellen, dass hier nicht mit ausreichender Sorgfalt gearbeitet wird. Gerne wird die Prüfkörperfertigung aus Zeit- und Kostengründen in Lehrwerkstätten gegeben. Aber auch aus professionellen Fertigungsbetrieben kommen immer wieder Proben, bei denen die Kanten nicht ordnungsgemäß gebrochen sind, Toleranzen nicht eingehalten werden oder die massive Beschädigungen aufweisen. Aufgrund von Zeitdruck werden solche Proben dann oft trotzdem verwendet. Unter solch ungünstigen Startvoraussetzungen ist ein wissenschaftliches Arbeiten nicht möglich. 4.3.3.6 Abbruchkriterien Ein gewisses Problem stellt häufig auch die Definition eines geeigneten Abbruchkriteriums dar. Ein rechtzeitiger Abbruch einer Prüfung ist notwendig, um die Reibstellen nach dem Versuch noch analysieren zu können, da es ansonsten gegebenenfalls zu einer Zerstörung der Kontaktflächen kommt und eine spätere Beurteilung nicht mehr möglich ist. Andererseits laufen tribologische Systeme teilweise auch nach einem Reibwertpeak wieder ein und erreichen dann ohne weitere Auffälligkeiten das geplante Prüflaufende. Hier ist es wichtig, die Folge eines solchen Ereignisses auf das reale Bauteil abzuschätzen. So laufen viele Tribometertests selbst mit Fressern weiter, da es nicht zu einem Verklemmen oder einer progressiven Wärmeentwicklung kommen kann, wohingegen diese Schädigungen in der Praxis zu einem Spontanausfall eines Bauteils, z. B. eines Lagers, führen würden. Daneben können in der Realanwendung durch ein Ereignis an einem Bauteil auch andere Bauteile in Mitleidenschaft gezogen werden. Partikel, die in einem Lager generiert werden, können zum Beispiel in weniger toleranten Bauteilen mit engeren Passungen zum Klemmen und einer massiven Schädigung führen. Wir empfehlen daher, auffällige Ereignisse in Tribometertests eher kritisch zu betrachten und diese nicht, z. B. durch eine Mittelwertbildung, zu ignorieren. 4.3.3.7 Dokumentation Bei tribologischen Versuchen ist eine lückenlose Dokumentation aller Größen und Parameter notwendig. Auch die bereits beschriebenen, scheinbar zweitrangigen Randbedingungen oder Ereignisse müssen dokumentiert werden, da sie ansonsten bereits nach wenigen Tagen nicht mehr nachvollziehbar sind. Das gute alte Laborbuch neben dem Tribometer ist und bleibt hier eine optimale Hilfe. 4 Modell- und Simulationsprüfung 109 Ebenso sollte eine optische (mikroskopische) Analyse der Reibstellen Standard einer vernünftigen Modell- und Simulationsprüfung sein. Aufwändigere Verfahren wie Rasterelektronenmikroskopie, 3D-Mikroskopie, laseroptische Messgeräte oder Oberflächenanalysen mit modernsten Analysegeräten können im Bedarfsfall weitere Erkenntnisse liefern (siehe Kapitel 9 - Oberflächenanalytik und chemische Analysen). 4.3.3.8 Sonstiges Zu guter Letzt noch ein vielleicht ungewöhnlicher Tipp: Man sollte nie Versuche durchführen, die man nicht vollständig kontrollieren kann bzw. bei denen in der Kontaktstelle Dinge ablaufen, die man nicht einschätzen kann. Ein Beispiel sind z. B. Tests unter Bohrreibung. In einem solchen Kontakt tritt im Zentrum keine Relativgeschwindigkeit zwischen Grund- und Gegenkörper auf. Dadurch kommt es dort erst einmal auch nicht zum Verschleiß. Nach außen hin nimmt die Gleitgeschwindigkeit mit dem Radius linear zu; demzufolge tritt hier vermutlich zuerst Verschleiß an den Mikrokontakten auf. Nun beginnt die Spitze in der Mitte, die komplette Normalkraft aufzunehmen. Ggf. bricht dieser Bereich dann unter mechanischer Überlast ein. In der Kontaktfläche herrschen somit lokal vollkommen unterschiedliche und zudem auch noch unbekannte Bedingungen. Am Ende betrachtet man den Verschleiß und die Reibung aber wieder global. 4.4 Auswertung und Interpretation tribologischer Messgrößen Ein recht neues Problem bei der Auswertung von tribologischen Versuchen kann das blinde Vertrauen in die moderne Prüftechnik sein. Viele computergestützte Prüfstände führen Prüfungen semiautomatisch durch, schalten bei Grenzwerten ab und generieren Standardauswertungen, sodass der Anwender / die Anwenderin sich die Messdaten und Probekörper gar nicht mehr genau ansieht. Bei Normausschusstreffen und in Ringversuchen werden regelmäßig Durchläufer in Laststeigerungsläufen präsentiert. Schaut man sich die Reibwertverläufe dieser Versuche genauer an, erkennt man häufig schon bei deutlich niedrigeren Lasten deutliche Reibwertspitzen, die auf Fresser hindeuten. Da diese aber nicht das automatische Abschaltkriterium der Maschine erfüllt haben, werden viel zu hohe Endwerte angegeben, die bei einer sorgfältigen Überprüfung des Messschriebs leicht aufgefallen wären. In der amerikanischen ASTM Norm D5706 sind beispielsweise unterschiedliche Reibungszahlverläufe in einem Laststeigerungslauf im SRV-Prüfstand aufgeführt und Hinweise zur Interpretation gegeben (Abbildung 85). Nur im Beispiel oben links ist die Interpretation einfach: Hier erkennt man den typischen sinkenden Reibungszahlverlauf mit steigender Normalkraft und dann einen deutlichen, spontanen Ausfall. Das Diagramm unten rechts ist ebenfalls noch recht einfach interpretierbar: auch hier erkennt man den sinkenden Reibungszahlverlauf und dann einen massiven Reibwertpeak. Diese Last sollte als Fresslast angegeben werden auch wenn die Maschine nicht automatisch abgeschaltet hat und noch bis zur Höchstlast weitergelaufen ist. Man erkennt aber nach dem Peak ein deutlich erhöhtes Reibungszahlniveau, sodass von einer nachhaltigen Schädigung des Tribosystems auszugehen ist. Mit einer ähnlichen Argumentation würde ich bereits den ersten Peak im Diagramm unten links als Ausfall bewerten. Das Reibwertniveau ist anschließend 110 4 Modell- und Simulationsprüfung erhöht und das Signal unruhig. Schwierig zu bewerten ist das Diagramm oben rechts: hier erkennt man bereits nach etwa 5 Minuten einen Anstieg der Reibungszahl um 50 % allerdings ohne signifikante Peaks. Anschließend nimmt das mittlere Reibungszahlniveau ab, es treten aber immer wieder einzelne, aber kurze Peaks auf, bevor der Versuch offenbar bei 1200 N abgeschaltet wurde. Ohne Kenntnis weiterer Randbedingungen würde ich tatsächlich den ersten deutlichen Reibwertanstieg als Ausfall bewerten auch wenn ein Niveau von ca. 0,16 noch nicht unbedingt kritisch ist. Hier müssten aber zwingend die Oberflächen von Grund- und Gegenkörper mikroskopisch untersucht werden, um gegebenenfalls zu einer anderen Interpretation des Reibwertverlaufs zu kommen. Abbildung 85: Interpretation des Reibkraftsignals im SRV-Laststeigerungslauf Abbildung 86 zeigt die Messgrößen eines Pin-on-Disk-Versuchs mit steigender Normalkraft. Auch hier ist die Interpretation der Messignale nicht ganz trivial. Man bemerkt schnell, dass die Angabe eines Grenzwertes und die Reduktion des Versuchs auf einen einzelnen Kennwert nicht leichtfällt und vermutlich auch falsch wäre. In dem unteren der drei Diagramme erkennt man, wie das Online-Verschleißsignal (dunkelgrüne Kurve) anfangs wie erwartet stufenweise steigt dann aber wieder deutlich absinkt. Die Stufenform entsteht durch die elastisch/ plastische Verformung der Prüfkörper und des Gesamtaufbaus bei jeder Laststeigerungen. Der Abfall ist mit der Wärmedehnung zu erklären, die mit der steigenden Temperatur im mittleren Diagramm (blaue Kurve) korreliert. Im oberen Diagramm erkennt man nach etwa 7 Minuten einen Anstieg des Reibwertes, der aber nicht dramatisch zu sein scheint. Ab diesem Zeitpunkt schwankt der Reibwert zyklisch um ein mittleres Niveau, bevor der Versuch nach ca. 18 Minuten 4 Modell- und Simulationsprüfung 111 automatisch abgeschaltet wurde. Hier erkennt man auch ein typisches Problem einiger älterer Prüfstände mit Datenlogger: das Signal, das zur Abschaltung geführt hat, war so kurz, dass es in der Messkurve aufgrund eingebauter Filter nicht dargestellt wird. In diesem Fall war ein Grenzdrehmoment von 1,5 Nm angegeben (alle Daten nach der Abschaltung sind irrelevant). Um das Verhalten des untersuchten Werkstoffs etwas genauer zu charakterisieren und vielleicht doch noch auf einzelne Kennwerte zu reduzieren, wurde in diesem Fall der Temperaturgradient interpretiert (schwarze Kurve im mittleren Diagramm). Dieser gibt die Steigung der Temperaturkurve (blau) an. Man erkennt, wie zu Beginn des Versuches ein fallender Temperaturgradient ermittelt wird (Einlauf), wie sich dieser dann für eine gewisse Zeit stabilisiert, bevor er wieder ansteigt. Hier kann man nun Grenzwerte definieren, an denen der Temperaturgradient zum Beispiel den Wert 4 oder 6 überschreitet. Die Kombination dieser Grenzwerte ergibt zusammen mit den anderen Werten für Reibungsniveau und Verschleiß eine vollständigere Beschreibung der tribologischen Performance. In diesem Fall kann beispielsweise die Notlaufeigenschaft der untersuchten Bleibronze dargestellt werden. Durch die ansteigende Reibung wird Blei aus der Legierung aufgeschmolzen und führt zu den besagten Notlaufeigenschaften (Selbstheilungseffekt). Abbildung 86: Laststeigerungslauf mit einer Bleibronze Abbildung 87 zeigt, wie weitere Messgrößen helfen können, ein undefiniertes Reibungssignal zu interpretieren: Man erkennt hier am Beispiel eines SRV-Laststeigerungslaufs schön, wie sich das Hub-Signal (Stroke) mit plötzlich ansteigendem Reibwert verändert. Kurz vor Ende des Laufs kommt es durch die steigende Reibung und adhäsivem Versagen zu einem Stillstand der oberen Prüfkugel und zu einem erneuten Losreißen. Da der Leistungsverstärker des Prüfstandes schnell nachgeregelt hat und 112 4 Modell- und Simulationsprüfung die Antriebsleistung der Schwingspulen erhöht hat, ist dieser Stillstand und Reibwertpeak so kurz, dass er nicht automatisch erkannt wird und der Versuch fortgeführt wird. Trotzdem zeigen die Messdaten eindeutig, zu welchem Zeitpunkt es zum „Fressen“ gekommen ist. Auch in diesem Versuch würde ich bereits den ersten deutlichen Anstieg des Reibwertes bei 600 N als Ausfall bewerten. Alle Ereignisse danach können bestenfalls Aussagen zum Notlaufverhalten geben. Abbildung 87: Bewertung mehrerer Messgrößen im SRV-Laststeigerungslauf zur Interpretation der Vorgänge im Kontakt [Quelle: J. Rigo] Bei jeder Versuchsserie sollte eine Plausibilitätsprüfung aller ermittelten Ergebnisse erfolgen. Hierzu zählt die Mikroskopie von Grund- und Gegenkörper nach dem Versuch sowie die Überprüfung aller Messdaten. Bei oszillierenden Versuchen sollten auch hochfrequente Messdaten analysiert werden. Teilweise erkennt man dann, dass z. B. der reale Gleitweg aufgrund von Elastizitäten im Antriebsstrang deutlich geringer war als der Sollwert oder dass das Reibsignal über dem Hub nicht plausibel ist. In Abbildung 88 sieht man deutlich, dass der Reibwert über einem Schwingzyklus im SRV-Prüfstand alles andere als konstant ist. Dies ist plausibel, da immer wieder der Geschwindigkeitsnullpunkt durchfahren wird und das System somit immer wieder aus der Haftin die Gleitreibung wechselt. In dem dargestellten Beispiel erkennt man einen deutlichen Haftreibungspeak, der zu hochfrequenten abklingenden Schwingungen über dem Gleitzyklus führt. In reibungskritischen Tribosystemen, wie zum Beispiel einem Synchronring, würde ein solches Reibungsverhalten relativ sicher zu Problemen in der Praxis führen. Die Betrachtung des elektronisch oder digital gefilterten Reibsignals in der Standardauswertung würde einen konstanten Reibwert von etwa 0,12 ergeben und keinen Hinweis auf mögliche Probleme liefern. 4 Modell- und Simulationsprüfung 113 Abbildung 88: Hochfrequente Darstellung des Reibwertmesssignals über den Schwingungszyklen am SRV [Quelle: J. Rigo] Nachfolgende Abbildung 89 zeigt die Hochfrequenzmessdaten eines SRV-Laufs mit kleinem Hub (Soll: +/ - 100 μm). Man erkennt, dass der wahre Gleitweg deutlich unter dem Vorgabewert liegt (hier ca. 45 μm), was mit der Elastizität des Antriebsstrangs und der Probenaufnahme erklärt werden kann. Dies ist bei der Interpretation der Ergebnisse zu berücksichtigen. Gegebenenfalls muss der Versuch noch einmal mit größeren Soll-Werten wiederholt werden, um Bedingungen der Praxis nachzustellen. Abbildung 89: HRA-Daten eines SRV-Laufs mit kleinem Hub 114 4 Modell- und Simulationsprüfung Wenn möglich, sollte immer der zeitliche Verlauf aller Messgrößen dokumentiert werden. Leider möchten zahlreiche Kunden (vorwiegend aus dem Management) viel lieber Balkendiagramme, da diese für den Laien leichter zu interpretieren sind. Der erfahrene Tribologe muss abschätzen, inwiefern er durch die Reduzierung auf eine solche vereinfachte Darstellung das Ergebnis verfälscht und ob er dies verantworten kann. Dasselbe gilt für die Angabe von Mittelwerten. Ein Versuch, der entweder relativ wenig oder aber sehr viel Verschleiß zeigt, ist durch die Angabe eines Mittelwertes sicher nicht korrekt beschrieben. Viele tribologische Versuche zeigen keine klassische Gauß-Verteilung, so dass die Angabe eines Mittelwertes auch aus statistischen Gründen falsch ist. Häufig muss man gerade auch Laien darauf hinweisen, dass einzelne gute Ergebnisse zum Beispiel bei der Betrachtung der Reibung nicht auf ein insgesamt gutes Tribosystem hindeuten, wenn beispielsweise parallel der Verschleiß hoch ist oder das Reibungsverhalten nicht konstant ist. Gleiches gilt für Schweißkräfte oder Grenzlasten bei Laststeigerungsläufen. Auch hier muss der Verschleiß berücksichtigt werden, da dieser letztendlich Aussagen zur realen maximalen Pressung zulässt, die viel wichtiger als der Absolutwert der maximal erreichten Normalkraft ist. Bei der Auswertung von tribologischen Versuchen empfiehlt es sich immer, die tatsächlich gemessenen Größen anzugeben, anstatt diese umzurechnen, da sich die Fehler hierbei potenzieren können. So wächst ein Messfehler von 10% bei der Vermessung eines Verschleißkalottendurchmessers (2D) einer Kugel bei der Umrechnung auf einen volumetrischen Verschleißbetrag (3D) auf einen Fehler von über 46% an! Prinzipiell ist die Angabe eines Verschleißvolumens besser als die Angabe des Kalottendurchmessers allerdings sollte dann auch das Messverfahren geeignet sein, ein Volumen zu bestimmen. Auch bei der Angabe einer Verschleißmessgröße können große Fehler auftreten. Nach Norm reicht es in den meisten Prüfungen aus, den Kalottendurchmesser an der Prüfkugel zu bestimmen. Aus diesem Durchmesser wird dann das Volumen rechnerisch bestimmt. Dabei geht man davon aus, dass der Verschleiß mathematisch-geometrisch ideal erfolgt. In der Realität ist dies aber in den seltensten Fällen tatsächlich so. Gerade bei sehr kleinen Verschleißvolumina ist der Fehler sehr groß, da bereits die optische Veränderung des Kontaktbereiches als Verschleiß interpretiert wird. Abbildung 90: Reale Topografie einer SRV-Verschleißkalotte auf dem Grundkörper (Ronde) 4 Modell- und Simulationsprüfung 115 4.5 Beispiele für anwendungsorientierte Bauteilprüfungen in Labortribometern Nachfolgend sollen einige Beispiele für anwendungsorientierte Bauteilprüfungen in Labortribometern vorgestellt werden, die in den letzten Jahren am KTM durchgeführt wurden und bei denen die Kunden die Freigabe zur Veröffentlichung gegeben haben. Vielleicht ergeben sich daraus einige Anregungen für eigene Fragestellungen. 4.5.1 Kolben eines Klimakompressors im SRV In diesem Projekt sollte untersucht werden, wie sich verschiedene Oberflächenbeschichtungen auf den Kolben eines Klimakompressors in Abhängigkeit der Gegenkörperrauigkeit verhalten. Aus den Originalbauteilen wurden Proben herauspräpariert und mittels geeigneter Adapter im SRV-Prüfstand untersucht. Die Parameter Schwingweite, Frequenz, Pressung und Temperatur konnten hier praxisnah vorgegeben werden, sodass letztendlich aussagefähige Ergebnisse zur Bewertung der Varianten ermittelt werden konnten. Abbildung 91: Originalsystem [Quelle: J. Rigo] 116 4 Modell- und Simulationsprüfung Abbildung 92: Adaption von Originalbauteil-Segmenten im SRV-Prüfstand [Quelle: J. Rigo] 4.5.2 Kolbenring / Liner-Prüfung im SRV Prüfstand Ein mittlerweile etabliertes Verfahren ist die Prüfung der Paarung Kolbenring/ Liner im SRV-Prüfstand. Hier werden Segmente der Gleitbuchse und ein Teil eines Originalkolbenrings unter realistischen Beanspruchungsbedingungen im SRV-Prüfstand geprüft. Aufgrund der begrenzten Schwingweite dieses Prüfstandes bildet das Verfahren nur den oberen und unteren Totpunkt ab nicht aber die Hubbewegung dazwischen. An diesen beiden Endpunkten kommt es aber in der Praxis häufig zu Verschleißproblemen, da aufgrund der Bewegungsumkehr der Schmierfilm zusammenbricht und es zu Mischreibungs- oder gar zu Grenzreibungsbedingungen kommt. Hier werden also die Additivchemie und die Werkstoffeigenschaften besonders gefordert. Aussagen zum hydrodynamischen Verhalten während des Langhubs sind in solch einer vereinfachten Prüfung eher nicht möglich. Durch die Kippung des Prüfstandes und die Ölzufuhr über eine computergesteuerte Mikroliter-Pumpe können die Einbau- und Schmierungssituation gut nachgebildet werden. 4 Modell- und Simulationsprüfung 117 Abbildung 93: Adaption von Kolbenring und Zylinderliner im SRV Prüfstand [Quelle: J. Rigo] Abbildung 94: Beispiel Ergebnis zweier Kolbenringvarianten [Quelle: J. Rigo] 4.5.3 Ventilschaftprüfung im SRV-Prüfstand Das tribologische System Ventilschaft/ Ventilführung ist ebenfalls prädestiniert für die Untersuchung im SRV-Prüfstand, da die Frequenzen typischerweise relativ hoch und die Hübe recht klein sind. Auch hier mussten Teile des Originalsystems herauspräpariert werden, um diese im begrenzten Bauraum des Prüfstandes unterbringen zu können. Wichtig ist dabei, dass man sich keine Kantenprobleme einhandelt und die Führungsqualität noch gegeben ist. Da die Schmierung dieses Bauteils in der Praxis 118 4 Modell- und Simulationsprüfung häufig kritisch ist sollte untersucht werden, inwiefern Beschichtungen Verschleiß bei Mangelschmierung verhindern können. Auch diese Fragestellung konnte durch die systemanalytische Herangehensweise erfolgreich gelöst werden und zeigt eine gute Übertragbarkeit der Prüfergebnisse in die Praxis. Abbildung 95: Adaption von Segmenten der Originalbauteilen im SRV-Prüfstand [Quelle: J. Rigo] Abbildung 96: Beispielergebnis zweier Oberflächenbehandlungsvarianten [Quelle: J. Rigo] 4 Modell- und Simulationsprüfung 119 4.5.4 Frettingversuche an Stangenführungen Bei dieser Untersuchungsserie sollte untersucht werden, wie ein Gleitsystem bestehend aus Kolbenstange und Buchse bei ungewollten minimalen und hochfrequenten Schwingungen vor Passungsrost geschützt werden kann. Im Normalbetrieb bewegt sich diese Stange mit relativ großem Hub, sodass die Reibstellen immer wieder aufgedeckt werden und Schmierstoff nachfließen kann. Es gibt aber Betriebszustände, bei denen sich die Stange kaum bewegt und nur Vibrationen ausgesetzt ist. Hierbei kam es in der Praxis zu massivem Abrasionsverschleiß (Fretting). In der Testserie wurden unterschiedliche Schmierstoffe und Oberflächenbeschichtungen analysiert und bewertet. Es konnte ein Schmierstoff gefunden werden, der den Schadeneintrittszeitpunkt deutlich nach hinten verschiebt (Abbildung 98, unten). Abbildung 97: Adaption der Originalbauteilen im SRV-Prüfstand [Quelle: J. Rigo] Abbildung 98: Einfluss von zwei Schmierstoffen auf das Prüfergebnis [Quelle: J. Rigo] 120 4 Modell- und Simulationsprüfung 4.5.5 Prüfung von Kolbenstangendichtungen im SRV-Prüfstand Zur Untersuchung von Dichtungsmaterialien werden häufig einfache Tests in der Konfiguration Kugel/ Platte oder Zylinder/ Platte durchgeführt (Abbildung 99, links). Um praxisnähere Untersuchungen an Originalbauteilen durchführen zu können, wurde ein Adapter entwickelt, mit dem zwei Dichtungen und die Originalkolbenstange unter hydraulischem Druck im SRV-Prüfstand geprüft werden können. Trotz des beengten Bauraums (Abbildung 99, rechts), konnte die Adaption umgesetzt und die Prüfungen erfolgreich durchgeführt werden. Abbildung 99: Modell- und Bauteilprüfung im Vergleich Dies waren nur einige Beispiele, wie Originalsysteme mit einem gewissen Präparations- und Adaptierungsaufwand in modernen Tribometern unter sehr anwendungsnahen Bedingungen geprüft werden können. Alle Beispiele zeigten eine sehr gute Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die späteren Feldversuche, die mit einfachen Modellprüfungen sicher nicht gegeben wären. Optimal ist es bei solchen Versuchen, wenn Low- und High-Referenzen zur Verfügung stehen, da man an diesen gut überprüfen kann, ob sich die aus der Praxis bekannten Verschleißerscheinungsformen und Effekte im Labor nachstellen lassen. Falls nicht, müssen Parameter und Randbedingungen noch einmal überdacht und angepasst werden. 4 Modell- und Simulationsprüfung 121 5 Bauteilprüfung Nachdem im vorherigen Kapitel die wichtigsten Modellprüfstände vorgestellt wurden, konzentriert sich dieses Kapitel auf die bekanntesten Bauteilprüfstände. Es ist gegliedert in Prüfstände für die einzelnen Konstruktionselemente Wälzlager, Zahnrad und Gleitlager sowie das spezielle Anwendungsgebiet Hydraulik. 5.1 Wälzlagerprüfung 5.1.1 FE8 Prüfung (DIN 51819-2) Die FE8-Prüfung wurde in den 70-er Jahren von der Firma FAG - einem der Weltmarktführer auf dem Gebiet der Wälzlagerhersteller, heute in der Schaeffler Gruppe integriert zur Beurteilung von Schmierstoffen in Lagern bei hohen Lasten entwickelt. Die meisten dieser Prüfgeräte stehen bei Schmierstoffherstellern und Forschungsinstituten - einige aber auch beim Endanwender der Schmierstoffe wie beispielsweise der Deutschen Bahn oder der Bundeswehr. Der Wälzlagerprüfstand FE8 wird zur Untersuchung von lager- und schmierstoffspezifischen Einflüssen auf das Verschleiß- und Reibungsverhalten von Wälzlagern eingesetzt. Während der Versuche werden Lagerreibmoment und Lagertemperatur kontinuierlich aufgezeichnet. Die Auswertung der Versuche erfolgt durch Gewichtsbestimmung der Lagerkomponenten, Bewertung des Reibmomentenverlaufs und optional Erstellen von Oberflächentastschrieben, Schmierstoffanalysen sowie Reaktionsschichtanalysen. Mit zwei unterschiedlichen Prüfköpfen können sowohl Fette (Schrägkugellager) als auch Öle (Axialrollenlager) geprüft werden. Abbildung 100: FE8-Prüfstand am KTM Abbildung 101: Schnittbild des FE8-Kopfes mit eingezeichneten Kraftflüssen [Quelle: KTM] beim Aufbringen der Normalkraft (rot) und während der Prüfung (grün) Die Testbedingungen werden in Abhängigkeit der Anwendung, für die der Schmierstoff entwickelt wird, festgelegt. Die Prüfungen werden entweder bei hohen Lasten (80 kN) und geringen Geschwindigkeiten (7,5 1/ min.) oder umgekehrt bei eher geringen Lasten und hohen Geschwindigkeiten durchgeführt. Standarddrehzahlen sind 7,5; 75; 750; 1.500 oder 3.000 1/ min.; die Axiallasten, welche über Tellerfedern aufgebracht werden (Abbildung 101), reichen bis 100 kN. Als Prüflager werden Schrägkugellager 7312B, Kegelrollenlager 31312A, Rillenkugellager 6312 oder Axialzylinderrollenlager der Typen 81206 und 81212 eingesetzt. Axialzylinderrollenlager eignen sich aufgrund ihrer speziellen kinematischen Bedingungen (hoher positiver und negativer Schlupf am Rand der Rollen) speziell zu Additivuntersuchungen in Ölen. Nachfolgendes Diagramm zeigt beispielsweise, wie die Wirkung von Zinkdialkyldithiophosphaten (ZnDTP) mit unterschiedlicher Kettenlänge in einem solchen FE8-Lauf mit Axialrollenlagern nachgewiesen werden kann (Abbildung 102). 5 Bauteilprüfung 123 Abbildung 102: Wirkung von ZnDTP mit verschiedenen Kettenlängen [Quelle: Lanxess AG] Abbildung 103 zeigt die Wälzkörper nach einem solchen Ölversuch mit einem gut geeigneten Schmieröl und einem weniger gut geeignetem. Ohne eine geeignete Additivierung kommt es zu starkem adhäsivem Verschleiß an den Wälzkörpern und auch den Laufbahnen und infolgedessen zu einem massiven Materialverlust. Abbildung 103: Verschleißschutzeigenschaften unterschiedlicher Grundöle mit 1,5% Additivzugabe im FE8-Lauf nach DIN 51819 [Quelle: Lanxess AG] 124 5 Bauteilprüfung Norm- und Standard-Prüfungen DIN 51819: 2016-12: Mechanisch-dynamische Prüfung auf dem Wälzlagerschmierstoff-Prüfgerät FE8 - Teil 2: Verfahren für Schmierfette, einzusetzende Prüflager, Schrägkugellager oder Kegelrollenlager DIN 51819: 2016-12: Mechanisch-dynamische Prüfung auf dem Wälzlagerschmierstoff-Prüfgerät FE8 - Teil 3: Verfahren für Schmieröl, einzusetzende Prüflager, Axialzylinderrollenlager Schmierstoffprüfstand FE8 zur Vorauswahl und Prüfung von Fetten und Ölen; Bestandteil der EN 12081: 2017-11: Bahnanwendungen - Radsatzlager - Schmierfette ISO WD 12924-2020: Lubricants, industrial oils and related products (Class L) - Family X(greases) - Specifications DIN 51819-2, FE8 - Part 2: Test method for lubricating greases - applied test bearing: oblique ball bearing or tapered roller bearing (Rolling elements wear criterium; test 31312A.536078-7.5/ 80-80 or 7312B.536050-7.5/ 80-80) 5.1.2 FE9-Prüfung (DIN 51821) Der FE9-Prüfstand wurde ebenfalls von der Firma FAG zur Untersuchung der Schmierfettgebrauchsdauer bei hohen Temperaturen entwickelt. Da hierbei der Lagerausfall als einziges Bewertungskriterium verwendet wird, ist eine statistische Auswertung notwendig, mit der dann die Ausfallwahrscheinlichkeit als Prüfergebnis angegeben werden kann. Daher haben die üblichen FE9-Prüfstände immer fünf unabhängige Prüfköpfe auf denen parallel Versuche gefahren werden können. Am Kompetenzzentrum Tribologie in Mannheim wurde ein neuartiger Mehrplatzwälzlagerprüfstand (MPWP) entwickelt, mit dem unter anderen auch FE9-Prüfungen möglich sind, bei dem es sich aber um einen multifunktionalen Prüfstand zur Prüfung von Wälzlagerschmierstoffen, Wälzlagerwerkstoffen sowie Beschichtungen handelt. Auf dem Prüfstand können verschiedene Prüfkopftypen installiert werden, um unterschiedliche Lastkollektive und Fragestellungen abzubilden (Abbildung 104). In allen Varianten werden die Prüflager mittels axial vorgespannter Tellerfedern im Bereich 1.500 N bis 4.500 N) belastet (siehe Abbildung 105) und durch einen frequenzgeregelten Drehstromasynchronmotor angetrieben (Standard 3.000 min -1 oder 6.000 min -1 ). Zusätzlich können die Prüfköpfe über Heizelemente auf Temperaturen bis 200 °C erwärmt werden. Jeder Prüfkopf wird einzeln auf Temperatur- und Reibmomententwicklung überwacht und kann separat angesteuert werden. 5 Bauteilprüfung 125 Abbildung 104: FE9-Prüfstand am KTM Abbildung 105: Schnittbild des FE9-Kopfes mit axialer Lastaufbringung durch Tellerfedern (gelb) und Prüflager im Temperiermantel (rechts, rot) [Quelle: KTM] 126 5 Bauteilprüfung Norm- und Standard-Prüfungen DIN 51821-2: 2016-07: Prüfung von Schmierstoffen - Prüfung von Schmierfetten auf dem FAG-Wälzlagerfett-Prüfgerät FE9 - Teil 2: Prüfverfahren ISO WD 12924-2020: Lubricants, industrial oils and related products (Class L) - Family X(greases) - Specifications DIN 51821-2, Testing of lubricants; test using the FAG roller bearing grease testing apparatus FE9, test method A/ 1500/ 6000 5.1.3 Komponentenerprobung Neben den einfachen Wälzlagerprüfständen finden sich bei den Automobilzulieferern und den Schmierstofffirmen häufig aufwändige Bauteil- und Komponentenprüfstände. Ein typisches Beispiel sind Gelenkwellenprüfstände bei denen mehrere Gelenkwellen unter zumeist hochdynamischen, polyzyklischen Prüfprogrammen getestet werden können (Abbildung 106). Hierbei werden Drehzahl, Moment und Auslenkwinkel dynamisch im Lauf verändert. Mittels spezieller Temperiereinrichtungen und Gebläsen kann sogar der Fahrtwind am Fahrzeug simuliert werden. Neben dem Wirkungsgrad stehen hier vorwiegend Verschleiß- und Lebensdaueruntersuchungen im Vordergrund. Wie schon zuvor erläutert, sind für Lebensdaueruntersuchungen an Wälzlagern in aller Regel mindestens fünf Einzelversuche notwendig, um die Ergebnisse mittels einer Weibull-Verteilung (siehe 7.4.6) wissenschaftlich und statistisch sicher auswerten zu können. Betrachtet man die Komplexität des Prüfstandes und die Anzahl der notwendigen Versuche, so wird klar, dass die Kosten für die Entwicklung eines geeigneten Schmierfettes für solch eine Anwendung schnell in den sechsstelligen Bereich klettern können. Da es sich bei diesem Test in aller Regel nicht um genormte Prüfungen handelt kommt hinzu, dass verschiedene Fahrzeughersteller unterschiedliche Prüfanforderungen haben, was die Kosten noch einmal in die Höhe treibt. 5 Bauteilprüfung 127 Abbildung 106: Moderner Gelenkwellenprüfstand beim Schmierstoffhersteller Fuchs [Quelle: C. Seyfert, Fuchs Schmierstoffe GmbH] 128 5 Bauteilprüfung 5.2 Zahnradprüfung / Getriebeölprüfung im FZG-Prüfstand Das Lasttragevermögen eines Getriebes ist neben den eingesetzten Werkstoffen und der Wärmebehandlung vorwiegend von dem zwischen den Zahnflanken aufgebauten Schmierfilm und den im Öl enthaltenden Additiven abhängig. Anhand von Tribometerkennwerten lassen sich die Fress-Grenzlast sowie die Fress-Verschweiß-Sicherheit einer Zahnpaarung ermitteln und berechnen. Grundlage für derartige Berechnungen ist die Prüfung der Öle unter definierten Bedingungen. Am weitesten verbreitet ist hier der sogenannte FZG-Zahnrad-Verspannungs-Prüfstand. Der Prüfstand wurde von der Forschungsstelle Zahnräder und Getriebe an der TU München entwickelt und hat heute eine weltweite Verbreitung. Abbildung 107: Prüfgetriebe mit A-Verzahnung am FZG-Prüfstand Kernstück des FZG-Prüfstandes ist der Verspannkreislauf an dessen einer Seite das Prüfgetriebe und auf der anderen Seite das Übertragungsgetriebe mit gleicher Übersetzung platziert sind. Diese beiden Getriebe sind durch zwei Torsionswellen kraftschlüssig miteinander verbunden. Das Moment wird durch eine Verspannkupplung auf einer der Wellen aufgebracht, indem die beiden Kupplungshälften durch das Anhängen von Gewichten gegeneinander verdreht werden. Moderne Maschinen verfügen mittlerweile über automatische Verspanneinheiten. Der Antriebsmotor muss bei diesem Konzept nach dem Anfahren nur die Verluste kompensieren, was einen energieeffizienten Einsatz des Prüfstandes ohne Bremse ermöglicht. Eine optionale Drehmomentmesswelle erlaubt die Überprüfung des eingeleiteten Momentes, das aufgrund des geschlossenen Verspannkreislaufes proportional zur Verlustleistung der Verzahnung ist. Die Temperatur des Schmierstoffs wird permanent überwacht und ggf. durch geregelte Heizelemente bzw. Kühlung konstant gehalten. 5 Bauteilprüfung 129 Über die Jahre wurden verschiedene Prüfszenarien für unterschiedliche Fragestellungen entwickelt, was den FZG-Prüfstand zu einem universellen und unverzichtbaren Tool in der Schmierstoffentwicklung gemacht hat. Die bekanntesten Standardprüfungen werden nachfolgend näher beschrieben. 5.2.1 FZG-Fresstest (Laststeigerungslauf) Der FZG-Fresstest dient der Ermittlung der Fresstragfähigkeit von Schmierölen nach DIN 51354 Teil 2. Die Schmierung erfolgt durch Tauchschmierung mit fester Anfangs-Öltemperatur (üblicherweise 90°C). Die Belastung der Zahnflanken wird stufenweise gesteigert. Die Laufzeit pro Kraftstufe beträgt 21700 Lastwechsel am Rad bei einer Umfangsgeschwindigkeit am Wälzkreis von 8,3 m/ s (entspricht einer Motordrehzahl von 1440 1/ min). Dabei wächst die Hertzsche Pressung am Wälzkreis von 146 N/ mm 2 auf 1841 N/ mm 2 an. Nach jeder Laststufe wird die Zahnflanke inspiziert und, sobald Fressen auftritt, die Breite der Riefen und Fressstriche ermittelt. Um dieses einigermaßen objektiv bewerten zu können, gibt es in den Normen Beispielbilder (siehe Abbildung 108). Die Kraftstufe, in der die Summe der Riefen und Fressstriche am Ritzel 20 mm überschreitet, wird als Schadenskraftstufe bezeichnet und charakterisiert die Fresstragfähigkeit eines Öles. Diesen Kennwert sollte man bei Hydraulik- und Getriebeölen in jedem Datenblatt finden. Vor Beginn der folgenden Kraftstufe muss die Öltemperatur wieder auf den Anfangswert abkühlen. Der komplette Test dauert ca. einen Tag. Für den Test wird eine spezielle Verzahnung aus dem Einsatzstahl 20MnCr5, die sog. FZG-A-Verzahnung, eingesetzt, die aufgrund der Profilverschiebungsfaktoren von 0,85 und 0,50 hohe Gleitanteile am Zahnkopf des Ritzels erzeugt. Um die Pressung weiter zu steigern wird seit ein paar Jahren die A10-Verzahnung eingesetzt, bei der die Zahnbreite des Ritzels halbiert wurde (10 mm anstatt 20 mm). Zu beachten ist, dass die Wiederholbarkeit nach Norm bei einer Laststufe und die Vergleichbarkeit bei 2 Laststufen liegt. Man muss also auch hier aufpassen, Unterschiede nicht überzuinterpretieren. Auch hier hilft im Zweifelsfall nur die deutliche Erhöhung der Stichprobenanzahl (=Versuchsanzahl), um die Ergebnisse statistisch zu bewerten. 130 5 Bauteilprüfung Abbildung 108: Schädigungen im Fresslasttest [ISO 14635] Abbildung 109: Beispielergebnisse für verschiedene Ölgruppen [Quelle: C. Seyfert, Fuchs Schmierstoffe GmbH] 5 Bauteilprüfung 131 Ein besonders scharfer Test ist der sogenannte FZG-Schocklasttest, bei dem die schmale A10-Verzahnung verwendet wird. Bei diesem Test erfolgt aber keine stufenweise Laststeigerung, sondern eine sofortige Belastung mit der Prüflast (aktuell meist Stufe 10). Zur zusätzlichen Verschärfung und Erhöhung der Fressneigung laufen die Zahnräder in die umgekehrte Richtung und mit hoher Umfangsgeschwindigkeit (16,6 m/ s). 5.2.2 FZG-Langsamlauf-Verschleißtest Anders als beim FZG-Fresslasttest steht beim FZG-Langsamlauf-Verschleißtest der abrasive Materialantrag bedingt durch Gleitanteile in der Mischreibung im Vordergrund der Untersuchung. Um den elasto-hydrodynamischen Druckaufbau gering zu halten, wird der Test mit sehr niedrigen Geschwindigkeiten gefahren (0,05 m/ s oder 0,57 m/ s). Für den Versuch kommt die C-Verzahnung zum Einsatz, die eine realistischere Zahnform mit moderaten Gleitanteilen aufweist. Der Verschleiß auf der Zahnflanke wird mittels profilgeometrischer Messungen und/ oder durch Wägung ermittelt. Abbildung 110 zeigt eine deutlich verschlissene Zahnflanke. Charakteristisch ist, dass es im Bereich des Wälzkreises aufgrund der reinen Rollbewegung zu (nahezu) keinem Verschleiß kommt. 5.2.3 FZG-Pitting-Test und Graufleckigkeitstests Ein weiteres Untersuchungsgebiet am FZG- Prüfstand ist die Oberflächenzerrüttung infolge von Ermüdung. Hier unterscheidet man zwischen dem Pittingtest und dem Graufleckigkeitstest. Ein Pittingschaden ist ein deutlich sichtbarer muschelförmiger Ausbruch aus der Oberfläche, der vor allem im Bereich des negativen Schlupfes auftritt. Der Rissbeginn startet an der Oberfläche und verläuft entgegen der Gleitrichtung. Von dort wächst der Riss ins Material hinein. Es kommt sehr schnell zur Zunahme von Geräuschen und Vibrationen. Üblicherweise kommt es zu einem progressiven Schadensverlauf bis zum Zahnbruch. Da es sich beim Pittingschaden um einen Ermüdungsschaden und damit um einen stochastischen Prozess handelt, ist eine statistische Auswertung mittels Weibull-Verteilung notwendig (Abbildung 112). Abbildung 110: Deutlicher Verschleiß am Zahnkopf und -fuß [Quelle: FZG TU München] Abbildung 111: Typischer muschelförmiger Pittingschaden [Quelle: FZG TU München] 132 5 Bauteilprüfung Für den Pitting- und Micropittingtest sind die Räder aus dem Einsatzstahl 16MnCr5 gefertigt, die Profilverschiebungsfaktoren betragen 0,18 und 0,17 und die Zahnbreite 14 mm (FZG-C-PT-Verzahnung). Der Pittingtest ist ein Verfahren zur Ermittlung der Grübchentragfähigkeit. Die Versuchsradsätze werden mit einem konstanten Drehmoment belastet. Die Laufzeit beträgt 40 Mio. Lastwechsel, dies entspricht einer Versuchsdauer von etwa 3 Wochen. Alle 1,8 Mio. Lastwechsel erfolgt eine Kontrolle der Zahnflanken. Als Ausfallkriterium gilt eine Grübchenfläche von 4% auf der am meisten geschädigten Zahnflanke. Zusätzlich wird der Verlauf der Auskolkung durch Graufleckigkeit überwacht. Üblicherweise wird der Versuch mit einer Ritzeldrehzahl von 2250 1/ min, einer Hertzschen Pressung im Wälzpunkt von 1651 N/ mm 2 oder 1834 N/ mm 2 und Tauchschmierung bei 90°C Öltemperatur durchgeführt. Eine Versuchsreihe sollte aus mindestens drei Prüfläufen bestehen, da die Pittingbildung in einem großen Bereich streuen kann. Ergebnis einer Versuchsreihe ist eine Grenzlastspielzahl, bis zu der die aufgebrachte Belastung bei einer Ausfallwahrscheinlichkeit von 50% ertragen werden kann. Durch Versuche auf unterschiedlichen Lastniveaus kann auch die Grübchendauerfestigkeit bestimmt werden. Aufgrund der langen Versuchsdauer und der notwendigen Statistik ist die Ermittlung dieses Kennwertes sehr zeit- und kostenintensiv. Bei der Graufleckigkeit kommt es ebenfalls zur Ermüdung der Zahnradoberflächen auch hier vorwiegend im Bereich des negativen Schlupfes. Anders als beim Pittingschaden bilden sich hier matte Bereiche, die erst bei mikroskopischer Vergrößerung als kleine Ausbrüche erkannt werden. Daher im englischen der Name Micropitting. Auch hier nimmt das Laufgeräusch zu allerdings aufgrund der kleineren Dimensionen der Ausbrüche und Risse bei weitem nicht so stark wie bei einem Pittingschaden. Problematischer ist, dass es zu einer deutlichen Profilformänderung (Auskokung) kommt, die die Verzahnungskinematik zunehmend stört. Abbildung 114 zeigt typische Versuchsergebnisse dreier Referenzfluide mit niedriger, mittlerer und hoher Graufleckentragfähigkeit. Bei diesem Test nach FVA 54 erfolgt erst ein Laststufentest, der mit Stufe 5 beginnt (795 MPa) und bis Stufe 10 geht (1547 MPa), wenn nicht vorher schon die Profilformabweichung über dem Grenzwert von Abbildung 112: 5 Versuchsergebnisse mit Weibull-Auswertung 5 Bauteilprüfung 133 7,5 μm liegt. Jede Stufe wird dabei 16 Stunden gehalten. Nach dem ersten Stufentest wird die gleiche Prozedur auf der Rückflanke mit frischem Öl wiederholt, so dass zwei unabhängige Testläufe vorliegen und eine Überprüfung der Reproduzierbarkeit möglich ist. Im nachfolgenden Dauertest erfolgt noch einmal ein 80-stündiger Einlauf auf Stufe 8, ehe dann fünf 80-stündige Prüfzyklen auf Stufe 10 gefahren werden, bis die Grenze für die Profilformabweichung (20 μm) erreicht ist oder massive Grübchen aufgetreten sind. Aufgrund des Zeitbedarfs erfolgt der Dauertest nur auf einer Zahnradseite (Einfachbestimmung). Nach jedem Lauf wird das Ritzel ausgebaut, gewogen und die Profilform und die Graufleckenfläche vermessen. Die Entwicklung der Graufleckigkeit und des Verschleißes lässt eine Einordnung in Schadenskraftstufen und Graufleckentragfähigkeitsklassen zu. Der Zeitbedarf für einen kompletten Test beträgt ca. zweieinhalb Monate, weswegen der Test sehr teuer ist. Abbildung 113: Verschleiß infolge Graufleckigkeit [Quelle: FZG TU München] 134 5 Bauteilprüfung Abbildung 114: Beispielergebnisse Graufleckigkeitstest [STEI2006] 5.2.4 FZG-Wirkungsgrad-Test (Energieeffizienz-Test) Um den Wirkungsgrad bzw. die Effizienz einer Verzahnung im FZG-Prüfstand zu bestimmen, gibt es zwei Ansätze: Die einfachste ist, die Beharrungstemperatur im Prüfgetriebekasten zu messen. Genauer, aber auch etwas aufwändiger ist die Verlustleistungsmessung nach FVA345 bei der eine Drehmomenten-Messwelle zwischen Motor und Prüfstandgetriebe eingebaut werden muss. Das Drehmoment ist dann ein Maß für die Verlustleistung der Prüfverzahnung. Um den Einfluss des Übertragungsgetriebes auszuschließen, wird auch dort eine Prüfverzahnung eingebaut und mit dem zu untersuchenden Schmierstoff geschmiert. Übliche Testparameter für den Wirkungsgradtest sind eine Öltemperatur von 60°C und eine Belastung auf Laststufe 7 (~ 1350 N/ mm²). Um den Einfluss der Drehzahl zu bestimmen, werde die Umfangsgeschwindigkeiten von 0,5 über 2,0 und 8,3 bis 20 m/ s gesteigert (Testbezeichnung: FZG-E-C/ 0.5: 20/ 5: 9/ 40: 120). Nutzt man die Beharrungstemperatur als Indikator für den Wirkungsgrad, steht man immer vor einem Interpretationsproblem: verursacht ein Schmierstoff eine geringere Reibung, so steigt die Temperatur des Tribosystems nicht so stark an. Das Problem ist, dass dadurch auch die Viskosität weniger stark abfällt, was dazu führt, dass die innere Reibung im Schmierstoff höher ist und den positiven Effekt der Reibungsreduzierung verschleiert. Daher zeigen die Messungen meistens nur gewisse Tendenzen auf. Für exakte Messungen ist die Verlustleistungsmessung mittels Drehmomenten- Messwelle bei definierter Temperatur notwendig. Dasselbe Problem tritt übrigens auch bei der Bestimmung der Beharrungstemperatur als Indikator für die Energieeffizienz im VKA-Test mit adiabatem Topf auf (siehe 3.4.1 - Vierkugel-Apparat (VKA)). 5 Bauteilprüfung 135 5.2.5 Übersicht Norm- und Standard-Prüfungen im FZG-Prüfstand Nachfolgend noch einmal eine Übersicht über die wichtigsten FZG-Prüfmethoden gegliedert nach der Fragestellung: ISO 14635-1 : 2006-05: Fresstragfähigkeit von Schmierölen A/ 8,3/ 90 ISO 14635-2: 2010-01: Fresstragfähigkeit von EP-legierten Schmierölen A10/ 16,6R/ 120 ISO 14635-3: 2011-08: Fresstragfähigkeit von Getriebefließfetten A/ 2,8/ 50 ASTM D5182-19, IP 334, CEC L-07-A-95: Standard Test Method for Evaluating the Scuffing Load Capacity of Oils (FZG Visual Method) ASTM D4998-13: Standard Test Method for Evaluating Wear Characteristics of Tractor Hydraulic Fluids FVA 54 I-IV: FZG-Graufleckentest DGMK 575: Kurztestverfahren zur Untersuchung des Schmierstoffeinflusses auf die Graufleckenbildung bei Zahnrädern (Micropitting) FVA 371: Grübchentragfähigkeit von Schmierölen (Pitting) CEC L-37-T-85 FZG-Scherstabilitätstest für polymerhaltige Schmieröle Fresstragfähigkeitstest als Bestandteil der DIN 51524-06, Teil 1 bis 3 - Druckflüssigkeiten, Hydrauliköle Abbildung 115: Übersicht aktuelle FZG-Methoden Verzahnung Geschwindigkeit Versuchsart A 8.3 Stufen DIN ISO 14635-1; CEC L-07; ASTM D 5182 A 2.8 Stufen DIN ISO 14635-3 (für Fett) A 16.6 Stufen in Anlehnung an DIN ISO 14635-3 A10 16.6R Stufen DIN ISO 14635-2; CEC L-84 S-A10 16.6R 1 Last (kein Einlauf) FVA 243 "Sprungtest" C-PT 8.3 1 Last (mit Einlauf) FVA 2/ IV; CEC TDG-108 (Entwurf) C-PTX 8.3 1 Last (mit Einlauf) FVA 371 "Kurztest" C-GF 8.3 Stufen + Dauer FVA54; DIN Entwurf (2016) C-GF 8.3 Stufen DGMK 575 "Kurztest" C-PT 0.05 1 Last (kein Einlauf) DIN Entwurf (2008) C-PT 0.05 / 0.57 1 Last (kein Einlauf) DGMK 377 A 0.57 1 Last (kein Einlauf) ASTM D 4998 Wirkunsgrad C-PT diverse diverse FVA 345 Ölalterung C-PT 8.3 1 Last FVA 357 Pitting Grauflecken Verschleiß Bedingungen Untersuchungsziel Methode Fressen 136 5 Bauteilprüfung 5.3 Hydrauliköl-Tests 5.3.1 Flügelzellenpumpentests Vickers V104C und Eaton 35VQ25 Der Test in der sogenannten Vickers-Pumpe V104C (nach dem 1828 gegründeten britischen Pumpenhersteller Vickers Limited) ist noch immer einer der wichtigsten Hydraulikflüssigkeitstests. Er ist im Vergleich zu den anderen später vorgestellten Tests noch relativ schnell und kostengünstig durchzuführen. Das Normverfahren dient der Ermittlung des Verschleißschutzverhaltens von Hydraulikflüssigkeiten in einer Original-Flügelzellenpumpe (Typ V-104-C10). Die zu prüfende Hydraulikflüssigkeit (70 Liter) wird bei dem Test nach DIN ISO in dem Prüfstand durch eine Flügelzellenpumpe (Abbildung 116) bei definierter Temperatur, Volumenstrom (25 l/ min) und Druck (140 bar) umgewälzt und beansprucht. Gemessen wird nach dem 250-stündigen Prüflauf der Verschleiß von Laufring und Flügel der Pumpe. Die Prüftemperatur wird immer so gewählt, dass die kinematische Ölviskosität 13 mm²/ s beträgt. Bei höherviskosen Ölen wird also die Temperatur im Vergleich zu niedrigviskoseren Ölen erhöht. Die 12 Flügel gleiten dadurch hauptsächlich im Gebiet der Mischreibung auf dem Laufring. Die Kontaktkraft resultiert zum größten Teil aus dem Druck der Hydraulikflüssigkeit. Die Grenzwerte, welche erreicht werden müssen, um den Normtest zu bestehen, sind in den entsprechenden Anforderungsnormen für Hydrauliköle (DIN 51524) angegeben. Um die HLP-Öl-Freigabe nach DIN 51524-Teil 2 („Hydrauliköle HLP; Mindestanforderungen“) zu erreichen, muss der Verschleiß an allen Flügeln kleiner 30 mg und der am Laufring kleiner 120 mg sein. Als weitere Beurteilungsgröße wird gelegentlich auch noch das Gebrauchtöl analysiert, um Aussagen zur Veränderung der Additivkonzentration und zu Alterungsprodukten zu erhalten. Das Kompetenzzentrum Tribologie hat 2010 einen neu entwickelten Hydraulikpumpenprüfstand in Betrieb genommen, der speziell auf die neuen Standard-Prüfpumpen der Firma Conestoga (USA) angepasst ist (Abbildung 116). Vorher mussten diese Pumpenteile mit Adaptern in den alten Vickers-Prüfkopf montiert werden. Zusätzlich wurden die Gesamtkonstruktion und die Messtechnik optimiert. Dadurch ist es nun möglich, mehr Informationen zu dem zeitlichen Verlauf der Prüfung zu erhalten, was eine deutlich bessere Interpretation der Wirkungsweise des Fluids ermöglicht. So kann man beispielsweise aus einer Zunahme des Leckagevolumenstroms Rückschlüsse auf den Seitenscheibenverschleiß ziehen, was bei Bronzescheiben häufig auf eine Buntmetallunverträglichkeit zurückzuführen ist. 5 Bauteilprüfung 137 Abbildung 116: Moderner Vickerspumpen-Prüfstand am KTM; unten rechts: Funktionsskizze einer doppelhübigen Flügelzellenpumpe, wie sie in der Vickerspumpe zum Einsatz kommt [Quelle: KTM] Norm- und Standard-Prüfungen DIN EN ISO 20 763: 2004-10: Mineralölerzeugnisse und verwandte Produkte - Bestimmung des Verschleißschutzvermögens von Druckflüssigkeiten - Prüfung in der Flügelzellenpumpe ASTM D 2882 - 00: Test Method for Indicating the Wear Characteristics of Petroleum and Non-Petroleum Hydraulic Fluids in a Constant Volume Vane Pump ASTM D 7043 - 04: Standard Test Method for Indicating Wear Characteristics of Petroleum and Non-Petroleum Hydraulic Fluids in a Constant Volume Vane Pump DIN 51 389 (zurückgezogen): Mechanische Prüfung von Hydraulikflüssigkeiten in der Flügelzellenpumpe Teil 2: Verfahren A für wasserfreie Hydraulikflüssigkeiten Teil 3: Verfahren B für wasserhaltige schwer entflammbare Hydraulikflüssigkeiten Bestandteil der DIN 51 524-06, Teil 1 bis 3 - Druckflüssigkeiten, Hydrauliköle 138 5 Bauteilprüfung Ein ganz ähnlicher Test ist die Prüfung mittels der Eaton-Flügelzellenpumpe 35VQ25, der in der ASTM D 6973 genormt ist und in Nordamerika, Indien und Asien häufig gefordert wird. Auch hierbei wird eine kommerzielle Hydraulikpumpe als Prüfeinheit eingesetzt (Abbildung 117). Im Vergleich zu dem in Deutschland gebräuchlicheren Test mit der V104C sind die Drücke und Volumenströme aber deutlich höher. Zum Spülen und für den Versuch werden insgesamt 380 Liter Öl der Viskositätsklasse ISO VG 32 oder SAE10W benötigt. Neben der ASTM-Prüfung gibt es spezielle Freigabeprüfungen von Caterpillar (Caterpillar TO-4) und Eaton (Eaton ATS-373) für deren Hydraulikaggregate und -bauteile. Diese Firmenspezifikationen enthalten im Gegensatz zur ASTM D 6973, die eher die ordnungsgemäße Versuchsdurchführung beschreibt, auch Grenzwerte. Der Standardtest arbeitet bei einem Ausgangsdruck von 207 bar, einer Drehzahl von 2400 U/ min und einer Pumpeneintrittstemperatur von 95°C. In einem Prüflauf werden 3 separate Prüfeinsätze jeweils 50 Stunden gefahren. Zum Bestehen der Prüfung darf der Volumenstrom nicht unter 132,5 l/ min abfallen und keine Patrone mehr als 90 mg Gewichtsverlust an den 10 Flügeln und dem äußeren Laufring aufweisen. Durch den Wechsel der Prüfeinsätze muss jedes Mal wieder ein neuer Einlauf stattfinden, was das Prüffluid schärfer beansprucht als ein kontinuierlicher Lauf mit einem Pumpeneinsatz, was ein weiterer Grund dafür ist, dass der Test deutlich anspruchsvoller ist als der in der V104C. Abbildung 117: Einzelteile des Eaton 35VQ25-Pumpeneinsatzes 5 Bauteilprüfung 139 5.3.2 Denison-Pumpe Auch bei Hydrauliksystemen ist ein stetiger Trend zu höheren Leistungsdichten erkennbar. Das Streben nach mehr Energieeffizienz und immer härtere Betriebsbedingungen mit höheren Temperaturen und Drücken sowie immer kleineren Rücklaufbehältern führen dazu, dass die Flüssigkeit immer stärker durch Hitze sowie Luft-, Wasser- und Schmutzeintrag beansprucht wird und das bei gleichzeitig tendenziell eher verlängerten Wartungsintervallen. Damit die eingesetzten Fluide dies leisten können, müssen auch immer leistungsfähigere Grundöle und Additive eingesetzt werden, die die thermo-oxidative Stabilität der Flüssigkeit verbessern, eine Schlammbildung bei höheren Temperaturen verhindern und verstärkte Verschleißschutzeigenschaften für eine lange Betriebsdauer bieten. Aus diesem Grund müssen sich auch die Laborprüfverfahren stetig weiterentwickeln. Der sogenannte Denison-Pumpenprüfstand ist hier ein gutes Beispiel. Im Gegensatz zu dem zuvor vorgestellten, älteren Vickers-Flügelzellenpumpenprüfstand wird hier eine T6H- Hybridpumpe von Parker Denison (heute Parker Hannifin) als „Prüfkörper“ eingesetzt. Die Hybridpumpe ist eine Kombination aus einer konstanten Flügelzellenpumpe mit einer regelbaren Axialkolbenpumpe. Die Triebwerke beider Pumpen werden von einer gemeinsamen, durchgehenden Welle angetrieben und verfügen über einen gemeinsamen, großdimensionierten Sauganschluss sowie zwei unabhängige Druckanschlüsse: Einen für die Kolbenpumpe und einen für die Flügelzellenpumpe. Diese Pumpen sind in Bezug auf ihr Fördervolumen sehr kompakt und bauen somit kleiner als ähnliche Pumpen. Dadurch ist die Beanspruchung des Hydraulikfluids sehr hoch. Die Prüfung gilt daher als die zurzeit härteste weltweit anerkannte OEM-Spezifikation für Hydrauliköle [LANX2013] und dauert etwa fünf Wochen. Die Flügelzellenpumpe wird mit 250 bar, die Kolbenpumpe mit 280 bar betrieben. Die Wellendrehzahl beträgt 1700 U/ min. Für eine Prüfung werden 190 Liter Öl benötigt. Eine Prüfung besteht aus mehreren unterschiedlichen Prüfzyklen; teilweise unter Zugabe von einem Prozent Wasser. Erfüllt nur die Kolbenpumpe das Prüfkriterien wird die Freigabe HF-1 vergeben; besteht nur die Flügelzellenpumpe HF-2. Die höchste Freigabe HF-0 wird erreicht, wenn sowohl Flügelzellenpumpe als auch Kolbenpumpe das Prüfkriterium erfüllen [PARK1999]. Abbildung 118: Hydraulikpumpenprüfstand mit T6H-Hybridpumpe von Parker Denison [Quelle: Lanxess AG] 140 5 Bauteilprüfung 5.3.3 Bosch-Rexroth-Hydraulikfluid-Test Wie bereits erläutert ist die Leistungsdichte bei Hydrauliken in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Dies bedeutet, dass sich das Leistungsgewicht für Axialkolbenpumpen und -motoren in den letzten Jahrzehnten mehr als verdoppelt hat, was direkte Auswirkungen auf die Anforderungen an die dort eingesetzten Fluide hat. Die Standardanforderungen für Hydraulikflüssigkeiten im europäischen Raum sind in verschiedenen DIN- und ISO-Normen beschrieben (DIN 51524 oder ISO 11158 für Mineralöle; ISO 15380 für umweltverträgliche Hydraulikflüssigkeiten und ISO 12922 für Fluide mit speziellen Anforderungen hinsichtlich Brennbarkeit). Sie beschreiben allerdings nur die Mindestanforderungen an neue und gebrauchte Flüssigkeiten. Diese Standardanforderungen berücksichtigen laut des Hydraulikspezialisten Bosch-Rexroth die in den Fluiden eingesetzte Chemie und die damit verbundenen Wechselwirkungen mit den eingesetzten Materialien nicht ausreichend, obwohl diese in Abhängigkeit der Anwendung und der Betriebsbedingungen von hoher Relevanz sind. Daher sind über die Standardtests hinausgehende Komponententest notwendig, bei denen die Eignung der Hydraulikflüssigkeit unter realen Bedingungen produktspezifisch bewertet wird. Um das Risiko von Schäden durch ungeeignete Fluide zu verringern und die Betriebssicherheit für Maschinenhersteller und -bediener zu erhöhen, hat die Firma Bosch Rexroth daher ein neutrales Bewertungsverfahren entwickelt, das auf den bestehenden Mindestanforderungen nach DIN oder ISO aufbaut [BLUM2019]. Bosch Rexroth bietet derzeit jeweils einen Flüssigkeitstest für geschlossene und offene Kreisläufe an. Der sogenannte „Fluid Test Axial Piston Unit Closed Loop“ (RFT- APU-CL) repräsentiert die aktuellen Anforderungen eines hydrostatischen Antriebs im Feld. Es wird eine kombinierte Einheit verwendet, die aus einer Taumelscheiben-Hydraulikpumpe (A4VG) und einem Taumelscheiben-Hydraulikmotor (A6VM) besteht. Unter realen Bedingungen durchläuft die Hydraulikflüssigkeit einen Einlaufzyklus, eine zyklische Belastungsphase sowie eine Hochlastphase mit voller Geschwindigkeit und maximalem Druck. Bei hohen Belastungen läuft der Prüfstand während des Tests mehrere hundert Betriebsstunden bei 4000 U/ min und einem Betriebsdruck von bis zu 500 bar. 5 Bauteilprüfung 141 Abbildung 119: Bosch-Rexroth-Prüfstand RFT-APU-CL für den Closed-Loop-Test [Quelle: Bosch-Rexroth AG] Nach dem Test wird die Testeinheit zerlegt und die Wechselwirkungen zwischen Hydraulikflüssigkeit und Bauteilen untersucht. Gewichtsverlust und Maßänderungen werden vermessen und eine Sichtprüfung der Oberflächen des Bauteils durchgeführt. Darauf aufbauend bewerten die Spezialisten von Bosch-Rexroth die Materialverträglichkeit und das Verschleißschutzvermögen des eingesetzten Fluids. Der zweite Test, der sogenannte „Fluid Test Axial Piston Unit Open Loop-HFC“ (RFT-APU-OL-HFC) kommt für Hydraulikflüssigkeiten zum Einsatz, die in offenen Regelkreisen Verwendung finden und ist insbesondere für die Prüfung von nichtbrennbaren wässrigen Hydraulikflüssigkeiten der Kategorie HFC geeignet. Der Flüssigkeitstest besteht aus einer Prüfphase mit konstanten Bedingungen und einem Schwenkzyklustest. Der Teststand besteht aus einer kombinierten Hochdruck-A4VSO-Taumelscheibeneinheit und einer Mitteldruck-EA-10VSO-Taumelscheibeneinheit. Darüber hinaus bietet Bosch Rexroth einen Flüssigkeitsalterungsprüfstand (RFT- OA) an, der die reale Ölalterung durch kontrollierte Zugabe von Luft, Wasser, Metall und nichtmetallischen Partikeln darstellen kann, um die Alterung des Öls zu beschleunigen. 142 5 Bauteilprüfung 5.4 Gleitlager-Prüfung An Gleitlager in modernen Aggregaten werden heute hohe Anforderungen hinsichtlich Reibung und Verschleiß gestellt. Daneben müssen Sie spezielle Beständigkeit und Fähigkeiten unter den spezifischen Einsatzbedingungen haben. Bei Pumpenanwendungen sind beispielsweise die Erosionsbeständigkeit und Kavitationsbeständigkeit von großer Bedeutung. In hochdynamischen Anwendungen, wie beispielsweise im Verbrennungsmotor, ist eine hohe Ermüdungsfestigkeit und eine gute Anpassungsfähigkeit notwendig. Fresssicherheit und Einbettfähigkeit sind weitere Eigenschaften, die bei Gleitlagern vorab im Labor geprüft werden müssen. In der reinen Werkstoffentwicklung werden häufig einfache Modelltest wie Pin-on Disc-Tests eingesetzt, um Legierungsvariationen unter speziellen und definierten Prüfbedingungen zu testen und zu bewerten. Aufgrund des komplexen Zusammenspiels zwischen Schmierung, Schmierfilmaufbau und Druckbelastung im Gleitkontakt werden aber schnell Versuche an Originalgleitlagern notwendig, da diese Punkte in einem Modellversuch kaum abbildbar sind. Nachfolgend sollen einige Standardprüfstände und Prüfprozeduren für motorische und nicht-motorische Gleitlager vorgestellt werden. An dieser Stelle auch noch einmal ein herzlicher Dank an den Prüffeldleiter Herrn Mario Witt und die Firma KS Gleitlager GmbH die zahlreiche der in diesem Kapitel dargestellten Bilder und Informationen beigesteuert und die entsprechende Freigabe erteilt haben. Bei der Gleitlagerprüfung muss man zuerst abwägen, ob eine (quasi-)statische Kraftaufbringung ausreichend ist oder ob eine hochdynamische Belastung notwendig ist. Möchte man beispielsweise das Ermüdungsverhalten untersuchen, kommt man um eine hochdynamische Lastaufbringung nicht herum. Möchte man nur den Ausklinkpunkt in der Stribeckkurve in Abhängigkeit des Lagerspiels oder eines Schmierstoffs untersuchen, reicht vermutlich eine statische Last. Abbildung 120 zeigt einen modularen dynamischen Gleitlagerprüfstand der Firma KS Gleitlager mit dem verschiedene Fragestellungen praxisnah untersucht werden können. Abbildung 120: Modularer Lagerprüfstand mit Hochfrequenzpulsator zur Lastaufbringung [Quelle: KS-Gleitlager, M. Witt] 5 Bauteilprüfung 143 Wichtig an solch einem Bauteilprüfstand ist, dass die Beanspruchungen des Lagers möglichst praxisnah abgebildet werden können. Das bedeutet, dass neben den bekannten Soll-Größen des Beanspruchungskollektivs wie Normalkraft, Gleitgeschwindigkeit und Temperatur auch die Randbedingungen hinreichend genau berücksichtigt werden. So müssen beispielsweise neben den Originalgleitlagern auch Prüfwellen mit praxisnaher Oberflächentopografie eingesetzt werden. Wichtig ist auch, dass die Schmierstoffversorgung des Lagers inklusive der Kühlwirkung der Realität entspricht, da ansonsten vollkommen falsche Schmierungsbedingungen und thermische Bedingungen vorherrschen. Bei einem Pleuellager ist beispielsweise darauf zu achten, dass das Öl über das geringer beanspruchte Gegenlager zugeführt werden sollte und der Öldruck und Volumenstrom praxisnah eingeregelt werden. Um die Kraftverteilung über die Breite des Gleitlagers realistisch zu gestalten, muss das deutlich steifere Modellpleuel im Prüfstand an den Rändern so weich ausgestaltet werden, dass es dem Realbauteil ähnlich ist. Nur so kann eine realistische Lagerbeanspruchung simuliert werden. Nachfolgend werden einige typische Versuchsprogramme zur Gleitlagerprüfung vorgestellt. 5.4.1 Fresslasttest Bei sogenannten Fresslasttest arbeitet man üblicherweise mit stufenförmigen Laststeigerungen bis zum Erreichen der Versagenslast. Der Ausfall zeigt sich durch einen deutlichen Anstieg des Drehmomentes und etwas zeitverzögert der Temperatur. Häufig prüft man bei unterschiedlichen Gleitgeschwindigkeiten (z.B. 5 oder 15 m/ s), um unterschiedliche pv-Kombinationen abzuprüfen. Um adhäsives Versagen zu provozieren, sind tendenziell höhere Gleitgeschwindigkeiten notwendig, weswegen man z.B. nicht bei 1 m/ s prüft, da es hierbei eher zu gleichmäßigem Verschleiß (ggf. mit lokalen Fressriefen) kommt und somit keine klare Ausfallgrenze ermittelt werden kann. Die Öltemperatur wird üblicherweise recht hoch gewählt (z.B. 120 °C), um die Schmierfilmhöhe klein zu halten und damit den adhäsiven Ausfall zu provozieren. Ein Nachteil eines solchen stufenförmigen Laststeigerungslaufes ist die stetig steigende Energiezufuhr, sodass das Lager auch thermisch versagen kann, wenn nicht sichergestellt wird, dass die Reibenergie abgeführt werden kann. Besser ist es daher, zyklische Beanspruchungsprofile zu wählen, bei denen sich das Tribosystem immer wieder erholen kann. Eine solche moderate Zwischenstufe gibt auch die Möglichkeit, nachhaltige Veränderungen im Reibungsverhalten des Lagers zu erkennen. Manchmal können solche Veränderungen auftreten ohne dass dies zuvor deutlich im Reibkraftsignal erkenntlich war. Gerade Werkstoffe mit guten Notlaufeigenschaften können sich in gewissem Maße selbst heilen (siehe auch Kapitel 4.4 - Auswertung und Interpretation tribologischer Messgrößen). 144 5 Bauteilprüfung Abbildung 121: Einfluss der Ölviskosität und der Wellenrauigkeit auf die Fresslast [Quelle: KS-Gleitlager, M. Witt] Das in Abbildung 121 dargestellte Beispiel zeigt, dass mit dem niedrigviskose SAE 0W20-Motorenöl die Fresslasten um ca. 25 % abnehmen und die Versuchsstreuung zunimmt. Um diesen negativen Effekt auszugleichen, muss die Wellenrauigkeit reduziert werden. Mit dieser Maßnahme kann wieder eine ähnliche Fresslast erreicht werden, wie bei dem höherviskosen 5W-30-Öl. 5 Bauteilprüfung 145 5.4.2 Dauerlauf-Ermüdungstest In einem Dauerlauftest versucht man Frühausfälle zu vermeiden. Das bedeutet, dass man keine statischen maximalen Lasten anfährt, sondern bewusst in verschleißkritischen Bereichen zum Beispiel bei niedrigen Drehzahlen bleibt oder dynamische Lastprofile vorgibt, um beispielsweise die Ermüdungsfestigkeit zu untersuchen. Um zu wissen, wo dieser gewünschte Zielbereich liegt, muss man in aller Regel zuvor die Fresslastgrenzen und Geschwindigkeitsabhängigkeiten (Stichwort Stribeck-Kurve) herausfahren. Für Ermüdungsfestigkeitsversuche wird nach einem gewissen Einlauf üblicherweise mit dynamischer Last gefahren. Die Lastprofile werden beispielsweise in Vollmotorentests ermittelt und dann mittels eine Servohydraulik oder eines Hochfrequenzpulsators im Prüfstand nachgefahren. Ein Gleitlager gilt üblicherweise als dauerfest, wenn mehr als 10 7 Lastwechsel erreicht werden. Abbildung 122 zeigt exemplarisch die Ergebnisse eines solchen Ermüdungstests bei unterschiedlichen Lagerwerkstoffen. Unterschiedliche Werkstoffsysteme zeigen hier sehr charakteristische Ausfallbilder. Abbildung 122: Beispielergebnis zweier unterschiedlicher Lagerwerkstoffe [Quelle: KS-Gleitlager, M. Witt] 5.4.3 Partikelverträglichkeitstest / Test der Einbettfähigkeit Ein wichtiger praxisnaher Test, der nur mit Originallagern möglich ist, ist der Partikelverträglichkeitstest bzw. die Prüfung der Einbettfähigkeit. Voraussetzung für einen sinnvollen Test ist eine genaue Kenntnis der in der Anwendung vorkommenden Partikel. Zudem sollte man wissen, welche davon als kritisch einzustufen sind. In Abhängigkeit von der Größenverteilung und Menge der Partikel können diese zu Spontanversagen (Fressen) oder erhöhtem Verschleiß führen. Eine Herausforderung stellt die zuverlässige Zuführung der Prüfpartikel in das Prüflager dar. Außerdem muss 146 5 Bauteilprüfung sichergestellt werden, dass Material, Abmessung und Form der verwendeten Prüfpartikel reproduzierbar sind. Trotzdem lässt sich kaum verhindern, dass eine relativ hohe Streuung der Ergebnisse auftritt, was immer eine hohe Anzahl an Wiederholungen und eine statistische Auswertung der Versuche notwendig macht. Für die Zuführung der Partikel bzw. Späne gibt es zwei Ansätze: eine ist, den Span über einen Bypass in die Ölzuführung zum Prüflager einzubringen. Die zweite Möglichkeit ist das Einkleben eines Partikels oder eines Spans in die unbelastete Hälfte des Prüflagers mit einem Kleber, der sich bei einer bestimmten Temperatur löst. Abbildung 123 zeigt exemplarische Ergebnisse von Partikelverträglichkeitstests mit diesen beiden Arten der Partikeleinbringung. Der Vorteil bei der Einbringung durch den Bypass ist, dass nacheinander unterschiedlich große Partikel in das Lager eingebracht werden können, wohingegen beim Einkleben nur ein einzelner Partikel möglich ist. In dem linken Diagramm erkennt man, dass die Zugabe der Späne bis 600 μm Länge von dem Lager gut ertragen wird. Erst bei dem 700 μm langen Span kommt es zum Ausfall durch Fressen. Im rechten Diagramm sieht man, wie das „rote“ Material den Eintritt des losgelösten Einzelspans in die Kontaktzone problemlos übersteht, wohingegen das „blaue“ Material durch Fressen spontan ausfällt. Abbildung 123: Beispielhafte Ergebnisse von Partikelverträglichkeitstests mit unterschiedlicher Partikelbereitstellung [Quelle: KS-Gleitlager, M. Witt] 5 Bauteilprüfung 147 Nachfolgende Abbildung 124 zeigt die Wirkung solcher Partikel (metallische Späne) bei einem Zweistoff- und Dreistofflager. Abbildung 124: Wirkung von Partikeln bei einem Zweistoff- und Dreistofflager [Quelle: KS-Gleitlager, M. Witt] 5.4.4 Dauerlauf-Verschleißtest / Start/ Stopp-Test In einem Verschleißtest versucht man bewusst, permanent verschleißkritische Bedingungen für das Gleitlager zu schaffen. Da Radialgleitlager üblicherweise ein sehr gutes Einlaufverhalten haben, ist dies in der Praxis gar nicht so einfach. Steigert man die Belastung am Anfang zu schnell, tritt adhäsives Versagen („Fressen“) auf. Steigert man die Belastung nicht oder zu moderat, verlängert sich die Prüfzeit extrem, ohne dass es zu differenzierbaren Verschleißergebnissen kommt (Abbildung 125), da das Lager hydrodynamisch läuft. Um ein Lager bewusst in der Mischreibung zu halten, werden daher häufig niedrige Drehzahlen und niedrigviskose Öle und/ oder hohe Öltemperaturen eingesetzt. Niedrige Drehzahlen bedeutet allerdings auch geringe Gleitwege pro Zeit, was in Hinblick auf die notwendige Prüfdauer negativ ist. 148 5 Bauteilprüfung Abbildung 125: Verschleißtest mit konstanter Drehzahl (150 1/ min) und unterschiedlichen Normalkräften [Quelle: KS-Gleitlager, M. Witt] Eine andere Variante, ein Gleitlager verschleißkritisch zu betreiben, ist stetiger Start/ Stopp-Betrieb. Da dieser bei modernen Motorenkonzepten auch in der Praxis vorkommt, ist dies mittlerweile ein Standardtest in der Gleitlagerindustrie. Abbildung 126 zeigt, wie sich eine geänderte Wellenrauigkeit auf den Ausklinkpunkt in der Stribeckkurve auswirkt. Durch die Verschiebung des Ausklinkpunktes bei größerer Rauigkeit zu höheren Drehzahlen läuft dieses Lager beim Start-Stopp-Betrieb länger unter Mischreibungsbedingungen. Der Verschleiß nach einer bestimmten Anzahl von Start/ Stopp-Zyklen wird also vermutlich höher sein. Möchte man keine Aussagen zum hydrodynamischen Verhalten, könnte man diesen Test deutlich raffen, indem man die Drehzahl nur im Bereich 0 bis etwa 500 1/ min. variiert. 5 Bauteilprüfung 149 Abbildung 126: Einfluss der Wellen-Rauigkeit auf den Ausklinkpunkt [Quelle: KS- Gleitlager, M. Witt] Abbildung 127 zeigt, wie das durch die höhere Wellenrauigkeit entstehende Verschleißproblem durch einen höherwertigen Gleitlagerwerkstoff ausgeglichen werden kann. Die fein verteilten Siliziumpartikel in dem verschleißfesteren Werkstoff führen dazu, dass die Rauheitsspitzen der Welle geglättet werden und damit die Abrasionswirkung abnimmt. Zudem bedeutet eine geringere Rauigkeit, dass wieder eine kleinere Schmierfilmhöhe ausreicht, um in die Hydrodynamik zu gelangen. Zum Nachweis des Effekts empfehlen sich 3D-Oberflächentopografiemessungen vor und nach dem Versuch (siehe Kapitel 8 - Oberflächenmesstechnik). 150 5 Bauteilprüfung Abbildung 127: Verschleiß zweier unterschiedlicher Lagerwerkstoffe nach 30.000 Start/ Stopp-Zyklen [Quelle: KS-Gleitlager, M. Witt] 5.4.5 Notlauftest Für bestimmte Anwendungen ist es wichtig zu wissen, wie sich ein Gleitlager verhält, falls es nicht ausreichend geschmiert wird. In sogenannten Notlauftest wird daher bewusst Minimalmengen- oder Mangelschmierung provoziert. Üblicherweise fährt man das Lager normal ein, d. h. mit ausreichend Schmierstoff, und reduziert oder stoppt dann die Ölversorgung. Lager für solche Anwendungen verfügen meistens über gleitaktive Beschichtungen mit Festschmierstoffen und können damit Mangelschmierung deutlich besser ertragen als übliche Metalllegierungen (Abbildung 128 und Abbildung 129). 5 Bauteilprüfung 151 Abbildung 128: Einfluss unterschiedlicher Schmierungszustände auf das Drehmoment eines Axialgleitlagers [Quelle: KS-Gleitlager, M. Witt] Abbildung 129: Verschleißerscheinungsformen nach dem Versuch mit unterschiedlichen Schmierungszuständen [Quelle: KS-Gleitlager, M. Witt] 152 5 Bauteilprüfung 5.4.6 Sonstige nicht-motorische Gleitlagerprüfung Auch in der nichtmotorischen Gleitlagerprüfung müssen zahlreiche spezielle Fragestellungen abgeprüft werden. Dies sind vor allem: Reibungsverhalten, Verschleißverhalten, Dauerfestigkeit, Fresslasttest und Anpassungsvermögen Wie so häufig in der Prüftechnik liefert ein Versuch meist auch nur eine klare Aussage, d. h. man kann nicht aus einem Fresslasttest Aussagen zum Verschleißverhalten unter moderaten Bedingungen erwarten. Zahlreiche nichtmotorische Gleitlager laufen trocken oder mit Fettschmierung. Daraus ergeben sich bereits andere Anforderungen an die Prüfstände und die Prüftechnik. Allgemein kann man sagen, dass Trockenversuche größere Streuungen zeigen und daher häufig mehr Wiederholversuche und eine statistische Auswertung notwendig sind. Dafür ist die Prüflaufdauer meistens kürzer. 5.4.6.1 Versuche zur Ermittlung des maximalen pv-Wertes Gerade bei Kunststofflagern und trockenlaufenden Gleitlagern werden häufig Untersuchungen zum sogenannten maximalen pv-Wert durchgeführt. Der Wert ergibt sich aus dem Produkt aus Gleitgeschwindigkeit v in m/ s mal der spezifischen Belastung p in N/ mm² bzw. MPa. In Werbebroschüren sieht man häufig, dass dieses Produkt als Materialkennwert angegeben wird. Dies ist leider nicht korrekt, da es durchaus einen Unterschied macht, ob der Wert durch eine hohe Gleitgeschwindigkeit und eine niedrige Pressung oder umgekehrt entstanden ist. Bei PTFE-basierten Gleitlagern ändert sich beispielsweise die Gewichtung der Einflussfaktoren Belastung und Geschwindigkeit bei gleichem pv-Wert in Abhängigkeit der eingesetzten Füllstoffe [WITT2019]. Außerdem sind natürlich auch noch andere Parameter wie eingesetzter Schmierstoff und Schmierstoffversorgung, Rauigkeiten, Wärmeabfuhr, Gegenkörpermaterial und -härte usw. entscheidend für das Versuchsergebnis (Abbildung 130). Ohne Angabe der Versuchsbedingungen sind pv-Werte daher nicht vergleichbar und nicht aussagefähig! 5 Bauteilprüfung 153 Abbildung 130: Einfluss der Gegenkörperhärte bei einem Trockenlaufversuch mit einem PTFE-Verbundgleitlager [Quelle: KS-Gleitlager, M. Witt] In wissenschaftlich durchgeführten Prüfstandversuchen versucht man daher häufig, eine Matrix aus verschiedenen Pressungen und Gleitgeschwindigkeit abzufahren und damit Informationen zum Einfluss der einzelnen Größen zu erhalten. Üblicherweise arbeitet man dabei mit einer quasi logarithmischen Aufteilung der Sollgrößen. Für ein trockenlaufendes Kunststoffgleitlagern wäre die nachfolgende Aufteilung zum Beispiel geeignet und würde den pv-Bereich von 0,05 bis 5 MPa*m/ s abdecken. Gleitgeschwindigkeit: 0,1 m/ s 0,2 m/ s 0,5 m/ s 1 m/ s Pressung: 0,5 N/ mm² 1 N/ mm² 2 N/ mm² 5 N/ mm² Berücksichtigt man, dass jeder Versuch mindestens dreimal durchgeführt werden sollte, erkennt man aber, dass für eine solche vollfaktorielle Versuchsmatrix sehr viele Einzelversuche notwendig sind (3 * 2 4 = 48). Im Kapitel 7 - Design of Experiments (DOE) werden daher statistische Methoden gezeigt, mit denen die Versuchsanzahl reduziert werden kann. 5.4.6.2 Schwenklagerprüfung Bei der Fettschmierung von Gleitlagern ist eine wichtige Fragestellung, wie gut es dem aus dem Fett abgegebenen Öl gelingt, in die tribologisch beanspruchte Kontaktzonen nachzufließen. Insbesondere bei oszillierenden Schwenkbewegungen kann es zu Trockenlauf kommen, wenn das Fett aus der Reibstelle herausgedrückt wird (Scheibenwischereffekt). Diese Fragestellung wird im Schwenkprüfstand untersucht. Nachfolgende Abbildung 131 zeigt beispielsweise, wie sich Schmiertaschen in der Lagerfläche positiv auf das Reibungsverhalten und die Lebensdauer auswirken. Da hier vor allem die Rheologie und Ölabgabe des Fettes eine Rolle spielen, ist es wichtig, den 154 5 Bauteilprüfung Test unter praxisnahen Temperaturbedingungen durchzuführen. Gerade Tieftemperaturen sind hier sehr kritisch, da dabei die Ölabgabe des Fettes sowie seine Fließfähigkeit stark sinken. Abbildung 131: Reibungsverhalten eines Gleitlagers mit und ohne Schmiertaschen bei Schwenkbewegungen [Quelle: KS-Gleitlager, M. Witt] Bei Versuchen mit Schmierfett ist die Art und Weise der Schmierung sowie die an der Reibstelle zur Verfügung stehende Menge für das Versuchsergebnis entscheidend. Auch hier muss man sich so gut wie möglich an die Realbedingungen anlehnen. Wird das Lager in der Originalanwendung beispielsweise mit einer minimalen Menge vollautomatisch gefettet und dann noch gefügt, muss man von einer sehr kleinen zur Verfügung stehenden Fettmenge um die Reibstelle ausgehen und sollte vermeiden, im Tribometerversuch deutlich größere Fettmengen bereitzustellen. 5.4.6.3 Stoßdämpferlagerprüfung Die Prüfung von Stoßdämpferlagern wird üblicherweise auf servohydraulischen Prüfständen durchgeführt, da sich auf diesen sowohl kleine Schwingbewegungen wie auch größere Oszillationsbewegungen abbilden lassen. Die Gleitbuchsen werden entweder radial belastet oder gegeneinander verkippt, um die Flächenpressung zu erhöhen und den Versuch zu verschärfen oder Kantentragen zu simulieren. Die Reibkraft wird hochfrequent aufgenommen, um den kompletten Schwingzyklus als Hysteresekurve darstellen zu können (Abbildung 132). Aus dieser können dann die Losbrechkräfte (Überwinden der Haftreibung), das Reibungsverhalten über den Gleitzyklen sowie die eingebrachte Energie (Fläche innerhalb der Kurve) ermittelt werden. 5 Bauteilprüfung 155 Abbildung 132: Reibkraftkurve eines Stoßdämpferlagers über einen kompletten Zyklus [Quelle: KS-Gleitlager, M. Witt] Mit einem solchen Test können unterschiedliche Werkstoffvarianten sehr gut differenziert werden (Abbildung 133). Abbildung 133: Vergleich verschiedener Werkstoffvarianten in der Stoßdämpferprüfung mit variabler Querkraft [Quelle: KS-Gleitlager, M. Witt] 156 5 Bauteilprüfung 5.5 Kupplungen, Bremsen, Synchronisierungen und Reibbeläge Eine wichtige technische Bauteilgruppe mit hohen Anforderungen an die Tribologie sind Kupplungen, Synchronisierungen und Bremsen. Im Gegensatz zu allen bisher betrachteten Systemen möchte man hier üblicherweise die Reibung nicht erniedrigen. Vielmehr ist ein relativ hohes Reibwertniveau sowie ein definiertes Reibungsverhalten über der Zeit und über dem auftretenden Beanspruchungskollektiv entscheidend. Technisch handelt es sich bei diesen Systemen meistens um Axialgleitlager. Zur Untersuchung sind also Prüfstände notwendig, bei denen Axialkraft und Drehzahl dynamisch im Lauf variiert werden können und dabei das Reibmoment hoch genau aufgenommen werden kann. Da die Kontaktflächen in aller Regel recht groß sind, benötigt man große, leistungsfähige Prüfstände, die hohe Axialkräfte aufbringen können. Typische Prüfstände sind der GK-, DKA- oder SAE2-Prüfstand. Abbildung 134: Großer Kupplungsprüfstand bei der Firma Fuchs Schmierstoffe [Quelle: C. Seyfert, Fuchs Schmierstoffe GmbH] Bei nassen Kupplungen oder Synchronisierungen möchte man einen mit der Drehzahl ansteigender Reibwert, da dieser eine dämpfende Wirkung auf das Gesamtsystem hat. Zur Evaluierung von Schmierstoffen und/ oder Reibbelägen führt man zyklische Kupplungstests durch. Zwischen den Messzyklen fährt man häufig Dauerschlupfversuche, um Verschleiß zu generieren und somit Aussagen zum Langzeitverhalten 5 Bauteilprüfung 157 über der Lebensdauer zu erhalten. In den Messzyklen betrachtet man, wie sich die Reibwertcharakteristik beim Abbremsen mit steigender Axiallast darstellt. Abbildung 135 zeigt das Reibungsverhalten zweier unterschiedlicher Schmierstoffe über der Versuchsdauer (Zyklenzahl). Man erkennt, dass sich im oberen Diagramm mit der Zyklenzahl ein ansteigender Reibwert am Ende des Einkupplungszyklusses ausbildet (sog. „rooster tail“ = Hummerschwanz). Dieses Verhalten führt in der Anwendung unweigerlich zu Regelungsproblemen und Vibrationen. Das High-Reference-Öl, dessen Kurve unten dargestellt ist, zeigt dieses Verhalten nicht und ist damit deutlich unkritischer in Bezug auf diesen Effekt. Abbildung 135: Veränderung des Reibungsverhaltens über die Zyklenzahl bei zwei Ölen (Low- und High-Reference) [Quelle: C. Seyfert, Fuchs Schmierstoffe GmbH] Auch bei Bremsen gibt es ein ähnliches Reibungsproblem, das bei der Entwicklung von Belägen und Ölen berücksichtigt werden muss. Ein gefürchtetes Phänomen ist hier das sogenannte Schuddern. Dabei kommt es beim Abbremsen kurz vor Stillstand zu unerwünschten Ruck-Gleit-Effekten (Stick-Slip). Bei nassen Bremsen, wie sie beispielsweise bei Traktoren eingesetzt werden, befindet sich die Bremse und damit der Bremsbelag direkt im Achstrichter und wird mit dem Universalöl (UTTO - Universal Tractor Transmission Oil) für Getriebe und Hydraulik geschmiert. Hier ist das Zusammenspiel zwischen Schmierstoff und Bremsbelag von entscheidender Bedeutung und muss im Vorfeld sorgfältig geprüft werden (Abbildung 136). 158 5 Bauteilprüfung Abbildung 136 Veränderung des Reibungsverhaltens in Abhängigkeit des Belags und Öls über dem Lastniveau [Quelle: C. Seyfert, Fuchs Schmierstoffe GmbH] In dem Beispiel kann man gut erkennen, dass das Öl B mit dem Belag X (Abbildung 136, links) bis zur höchsten Laststufe kein Stick-Slip („Schuddern“) zeigt. Das gleiche Öl verträgt sich aber nicht mit dem Belag Y (Abbildung 136, rechts). Hier kommt es bereits bei niedrigen Laststufen zu starken Ruck-Gleit-Effekten. Dahingegen weist hier das Öl A eine deutlich bessere Performance auf. Dies zeigt, wie wichtig es ist, die Kombination Schmierstoff / Reibbelag vor der Anwendung in der Maschine bzw. im Fahrzeug im Prüfstand zu testen. Erfahrungsgemäß lassen sich solche Tests mit dem geeigneten Prüfequipment reproduzierbar im Labor durchführen. Die Übertragbarkeit auf die Praxis ist im Allgemeinen sehr gut. Auch bei Synchronisationen spielen das Reibungsniveau und die Reibungscharakteristik eine entscheidende Rolle. Wenn die Reibung zwischen Synchronring und Konus des Gangrads zu klein ist, um das Verschieben der Muffe über die Sperrverzahnung bei nennenswerter Differenzdrehzahl zu verhindern, kommt es beim Gangwechsel zum so genannten „Clashing“ (engl. to clash = zusammenstoßen). In speziellen Synchronisationsprüfständen werden daher Dauerschaltversuche (z.B. nach CEC L- 66) durchgeführt, bei denen das Reibungsverhalten über der Schaltzyklenzahl beurteilt wird. Hierbei ist es wichtig, dass das Reibungsniveau im Bereich der konstruktiven Auslegung liegt (typischerweise im Mittel um 0,10 bis 0,15) und der Reibungskoeffizient über der Zyklenzahl konstant ist. Erkennt man bereits im Prüfstandsversuch einen Reibwertabfall über der Zyklenzahl, ist das Öl für den Einsatz in einer Synchronisation nicht geeignet. 5 Bauteilprüfung 159 6 Kunststoffprüfung Prinzipiell unterscheidet sich die Prüftechnik für die Kunststoffprüfung nicht von den bisher vorgestellten Modellprüfgeräten. Trotzdem sind bei der Prüfung einige Besonderheiten zu beachten. Außerdem stehen bei Kunststoffen oft spezielle Fragestellungen im Fokus. Grundsätzlich nimmt die Bedeutung der Kunststoffe in der Technik immer mehr zu. Kunststoffe werden dabei immer leistungsfähiger und können daher zunehmend auch in mechanisch hochbelasteten Bauteilen eingesetzt werden. Dadurch werden tribologische Fragestellungen auch bei dieser Werkstoffgruppe immer wichtiger. 6.1 Besonderheiten bei Kunststoffen als Reibpartner Bei Kunststoffen als Reibpartner sind einige Besonderheiten zu beachten. Dies sind insbesondere: Randzone / Spritzhaut als Einflussfaktor, elastisch/ plastisches Verhalten, geringe Wärmeleitfähigkeit, starker Einfluss der Gegenkörperrauheit auf Reibung und Verschleiß Auf diese Punkte soll in den nächsten Unterkapiteln etwas detaillierter eingegangen werden. 6.1.1 Randzone / Spritzhaut / Orientierung Der äußere Bereich von Kunststoffproben unterscheidet sich teilweise deutlich vom Grundmaterial (engl.: bulk material). Die Gründe hierfür können sein: Rückstände vom Trennmittel, andere Orientierung der Makromoleküle (in Fließrichtung), andere Kristallinität aufgrund schnellerer Abkühlung an der Wandung, andere Faserorientierung, andere Füllstoffkonzentrationen. Dadurch entsprechen die Eigenschaften der Randzone häufig nicht denen des Grundmaterials. Die Folge ist eine deutliche Veränderung der tribologischen Eigenschaften mit zunehmendem Verschleiß. Durch Zerspanung hergestellte Funktionsflächen können komplett andere tribologische Eigenschaften aufweisen als spritzgegossene oder extrudierte, weswegen Probenauswahl und -gewinnung auf die Originalanwendung angepasst werden müssen. Aufgrund der Anisotropie gefüllter Kunststoffe ist auch die Ausrichtung in der Anwendung und im Versuch zu beachten. Abbildung 137: Lage der Glasfasern in einer Polyamid-Matrix in einem Querschnitt Die makroskopischen Eigenschaften thermoplastischer Kunststoffe hängen zudem stark vom jeweiligen Herstellprozess ab. So zeigen beispielsweise spritzgegossene Bauteile aufgrund der verarbeitungstypischen höheren Schergeschwindigkeiten eine deutlich stärker ausgeprägte Orientierung der Makromoleküle und Füllstoffe in Fließrichtung als beispielsweise eher geringeren Schergeschwindigkeiten ausgesetzte Halbzeuge, die mittels Extrusion hergestellt werden. Besonders Füllstoffe mit hohem Aspektverhältnis wie Glas- oder Kohlenstofffasern neigen dazu, sich bei höheren Schergeschwindigkeiten vorwiegend in Fließrichtung auszurichten (Abbildung 138) [ENSI2020]. Die hierdurch entstehende Anisotropie bedingt beispielsweise bei spritzgegossenen Probekörpern höhere Festigkeiten im Zugversuch und veränderte Reibungs- und Verschleißeigenschaften je nach Orientierung der Probe. Abbildung 138: Orientierung von Fasern bzw. Makromolekülen in einem Zugstab [Quelle: Ensinger GmbH) Auch die Topografie der Kunststoffproben ist von größter Bedeutung für den tribologischen Versuch. Bei spitzgegossenen Prüflingen ist sie stark vom Endbearbeitungsprozess der Form abhängig, welche üblicherweise gefräst, erodiert, gestrahlt (Sand, Glas, Trockeneis), poliert oder sogar gezielt feinstrukturiert ist und somit eine große Bandbreite unterschiedlicher Rauheiten und Strukturen bietet. Gerade bei 6 Kunststoffprüfung 161 Kunststoff/ Kunststoff-Paarungen hat die Kombination der Rauheiten und Strukturen einen signifikanten Einfluss auf das Adhäsionsverhalten insbesondere während des Einlaufs der Reibpaarung [SCHU2017]. Das Adhäsionsverhalten von Kunststoffen wird vorwiegend von der Rauheit und der Oberflächenenergie bestimmt. Kunststoffe mit hoher Oberflächenenergie werden als polar, solche mit geringer Oberflächenenergie als unpolar klassifiziert. Die Adhäsionsarbeit W A , welche überwunden werden muss, um zwei in Kontakt befindliche Körper 1 und 2 zu trennen, wird durch die polaren und dispersen Oberflächenenergieanteile beider Körper nach folgender Gleichung bestimmt: Formel 4: = 2 + Der disperse Anteil liegt bei den meisten Polymerwerkstoffen in ähnlichen Größenordnungen von 30 bis 41 mN/ m (eine Ausnahme bildet hier das PTFE mit nur 19 mN/ m) [KOPC2003], sodass die Adhäsionsarbeit vorwiegend vom polaren Verhalten beeinflusst wird. Bei unpolaren Reibpartnern, z. B. PE oder PTFE, ist demnach die pro Flächeneinheit wirkende Adhäsionsarbeit W A nur von den dispersen Oberflächenenergieanteilen der Partner abhängig. Allgemein kann bei der Beteiligung von mindestens einem unpolaren Reibpartner von geringer Adhäsion und demzufolge von einem niedrigen Reibwert ausgegangen werden [SCHU2017]. 6.1.2 Elastisch/ plastisches Verhalten (Fließen) Kunststoffe zeigen ein ausgeprägtes elastisch-plastisches Verhalten und damit eine deutlich bessere Anpassungsfähigkeit als Metalle. Diese Eigenschaft kann erst einmal positiv oder negativ sein. Im belasteten Kontakt kann es zum Fließen und Reibkriechen kommen, wodurch lokale Spannungsspitzen abgebaut werden. Es steigt aber auch der adhäsive Anteil an der Reibung und es kommt zu einem mechanischen Verhaken mit den Rauheitsspitzen des Gegenkörpers. Beim Verformungsverhalten von Kunststoffen überlagern sich drei Verformungsarten: elastische Verformung (reversible Verformung), viskoelastische Verformung (zeitlich verzögerte, reversible Verformung) und plastische Verformung (irreversible Verformung) Bei Kunststoffen spielt die viskoelastische Verformung eine besondere Bedeutung. Hierbei verändern sich die Ordnungszustände der Makromoleküle unter mechanischer Belastung. Diese Änderung folgt der Belastung mit zeitlicher Verzögerung und ist stark temperaturabhängig. Je nach Belastungsverlauf sind für die viskoelastische Verformung folgende Vorgänge charakteristisch: 162 6 Kunststoffprüfung Kriechen (Retardation): Verformungszunahme über die Zeit bei konstanter Last Entspannung (Relaxation): Spannungsabnahme über die Zeit bei konstanter Verformung Rückverformung (Restitution): Verformungsabnahme über die Zeit nach Entlastung Durch das Fließen werden bei sehr niedrigen Gleitgeschwindigkeiten teilweise sehr niedrige Reibungskoeffizienten gemessen. In Abbildung 139 erkennt man gut, wie der Reibwert bei niedrigen Gleitgeschwindigkeiten stark abfällt. Legt man einen Kunststoffklotz auf eine schiefe Ebene, so kann es sein, dass dieser erst einmal haftet, am nächsten Tag aber infolge des Reibkriechen plötzlich ein bisschen tiefer gerutscht ist, ohne dabei makroskopisch abzugleiten. Abbildung 139: Geschwindigkeitsabhängigkeit der Reibung [Quelle: W. Stehr] 6 Kunststoffprüfung 163 6.1.3 Einfluss der Gegenkörperrauigkeit Da Kunststoffe weicher als Metalle sind, hat die Gegenkörperrauigkeit einen hohen Einfluss auf das tribologische Verhalten. Bei zu hohen Gegenkörperrauigkeiten kommt es häufig zum abrasiven Abtrag sowie zu einem mechanischen Verhaken des Kunststoffs in den Rauheitstälern mit der Gefahr des Abscherens und damit zu hohen Verschleißraten. Bei sehr niedriger Rauheit dominieren adhäsive Prozesse, insbesondere wenn große polare Kräfte wirken. Günstige Reibungs- und Verschleißkennwerte werden erreicht, wenn sich ein gleichmäßiger dünner Transferfilm ausbildet. Ist der Film eher dick und fleckig werden teilweise auch niedrige Reibwerte ermittelt allerdings auf Kosten hoher Verschleißraten [KELL2020]. Niedrige Reibung muss daher nicht mit niedrigem Verschleiß korrelieren (Abbildung 140). Abbildung 140: Einfluss der Gegenkörperrauigkeit auf Reibung und Verschleiß eines PTFE-Compoundwerkstoffs; Testbedingungen: Pin-on-Disc, Stahl-Scheibe, 11,3 MPa, 0,035 m/ s [Quelle: A. Keller] 164 6 Kunststoffprüfung 6.1.4 Thermische Effekte Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor in der Kunststofftribologie ist die Temperatur. Übliche Kunststoffe haben eine sehr niedrige Wärmeleitfähigkeit (Tabelle 8) und können daher die entstehende Reibungswärme nur extrem schlecht ableiten. Tabelle 8: Wärmeleitfähigkeit von Kunststoffen im Vergleich mit anderen Stoffen [Quelle: Kunststoffrohrverband) In der tribologischen Anwendung, wie hier bei einem kleinen Elektromotor (Abbildung 141), erkennt man einen sehr steilen Temperaturgradienten zwischen der Reibstelle an der Welle und dem Kunststoffgleitlager mit Gehäuse. Lokal kann es somit schnell zum thermischen Versagen der Reibpaarung kommen. Abbildung 142 zeigt einen Modellversuch in Kugel/ Prisma- Anordnung, bei dem die Gleitplättchen aus infrarotdurchlässigem Natriumchlorid bestehen. So ist es möglich, mit einer Wärmebildkamera die Reibstelle zwischen Kugel und Plättchen direkt zu betrachten. Auch hier erkennt man den hohen Temperaturgradienten an der Reibstelle, der zu massiven Aufschmelzungen an der Polymerkugel führt (rechtes Bild). Abbildung 141: IR-Wärmebildaufnahme zeigt den Temperaturgradienten an der Wellenlagerung eines kleinen E- Motors [Quelle: W. Stehr] 6 Kunststoffprüfung 165 Abbildung 142: Der „thermische Tod“: Links: IR-Bild des Tribomterversuchs; rechts: Aufschmelzungen an der Kugelprobe [Quelle: W. Stehr) Ist in der Anwendung aufgrund hoher Gleitgeschwindigkeiten und hoher Pressungen mit einer hohen Reibenergiedichte zu rechnen, müssen daher höherwertige Kunststoffe mit einer besseren Temperaturbeständigkeit und/ oder besserer Wärmeleitfähigkeit (zum Beispiel durch Fasern oder Füllstoffe) eingesetzt werden. Der Temperatureinsatzbereich für Standardkunststoffe endet etwa bei 100 °C. Es gibt aber eine ganze Reihe von Hochleistungskunststoffen, die je nach Betriebsbedingungen und Modifikation, dauerhaften Betriebstemperaturen von über 150 °C bis hin zu über 300 °C standhalten können (Abbildung 143). 166 6 Kunststoffprüfung Abbildung 143: Temperatureinsatzbereiche verschiedener Kunststoffe [Quelle: Ensinger GmbH] Die Zustandsbereiche von thermoplastischen Kunststoffen ändern sich über einen relativ großen Temperaturbereich. Die Erweichungstemperatur (ET), bei der der Kunststoff von hart/ kristallin in einen thermo-elastischen Zustand übergeht, liegt dabei deutlich tiefer als die Fließ- (FT) oder Kristallisationstemperatur (KT) (Abbildung 144). Ein amorphes Material kann oberhalb der Glasübergangstemperatur T g nicht mechanisch belastet werden, da die mechanische Festigkeit hier zu stark abbaut. Teilkristalline Werkstoffe hingegen weisen durch die kristallinen Bereiche oberhalb der Glasübergangstemperatur noch eine gewisse mechanische Festigkeit auf und sind deshalb besonders für mechanisch / tribologisch belastete Bauteile geeigneter. Gerade im Tribometerversuch, in dem relativ hohe Energiedichten auftreten, müssen die thermischen Eigenschaften berücksichtigt werden. Auch hier ist es wieder extrem wichtig, die reale Anwendung möglichst gut im Tribometer nachzubilden, d.h. Energieeintrag aber auch Wärmeabfuhr realistisch zu gestalten. 6 Kunststoffprüfung 167 Abbildung 144: Kritische Temperaturgrenzen einiger Polymere [Quelle: www.maschinenbau-wissen.de] 168 6 Kunststoffprüfung Abbildung 145 zeigt, wie dramatisch sich die mittlere Gleitflächentemperatur in einem Pin-on-Disc-Versuch auf die Verschleißrate verschiedener Polymere auswirken kann. Bis etwa 100°C ist der Einfluss der Temperatur auf die Verschleißrate gering. Ab dieser Grenze steigt aber die Verschleißrate selbst bei Hochleistungskunststoffen, wie amorphe Thermoplaste auf Basis von Polyethersulfon (PESU), stark an. Abbildung 145: Verschleißrate als Funktion der mittleren Gleitflächentemperatur bei unverstärkten Polymeren [Daten-Quelle: BASF SE] 6.2 Reibungsuntersuchung / Kennlinienfelder Da das tribologische Verhalten von Kunststoffen stark von der Gleitgeschwindigkeit, der Pressung und dem Einlaufverhalten abhängig ist, empfiehlt es sich im Tribometerversuch, mehrdimensionale Kennlinienfelder der Reibungszahl in Anhängigkeit von der Geschwindigkeit und der Pressung aufzunehmen. Nur so kann das Verhalten in der praktischen Anwendung realistisch eingeschätzt werden. Die nachfolgenden Diagramme, welche freundlicherweise von der Firma Dr. Tillwich - Werner Stehr GmbH zur Verfügung gestellt wurden, zeigen deutlich, wie sich der Reibwert in Abhängigkeit von den Versuchsbedingungen und den Gleitzyklen ändert. Anhand dieser Diagramme können auch unterschiedliche Interpretationsansätze 6 Kunststoffprüfung 169 erläutert werden. Je nach Fragestellung müssen hierzu nämlich unterschiedliche Größen betrachtet werden. In allen drei nachfolgenden Diagrammen ist der selbe Modellversuch dargestellt (Stahlwelle / POM-Gleitlager, geschmiert, 300 N, Start bei RT). Grundsätzlich muss man bei diesen Kennlinienfeldern die Achsenrichtungen und -beschriftungen genau beachten, da diese von Diagramm zu Diagramm wechseln können, um einen Einblick in die dreidimensional aufgespannte Fläche zu ermöglichen. Im ersten Diagramm (Abbildung 146) ist wie allgemein üblich der Reibwert über der Gleitgeschwindigkeit und der Zyklenzahl dargestellt. Man erkennt hier deutlich die Stribeckkurve mit einem stark abfallenden Reibwert von der Haftreibung über die Mischreibung bis hin zum Ausklinkpunkt. Im hydrodynamischen Ast erkennt man einen leichten Anstieg infolge der inneren Reibung. Für die praktische Anwendung ist üblicherweise nicht der Reibwert sondern die Reibkraft oder das Reibmoment von Bedeutung. Da sich in einem definierten mechanischen System aber die geometrischen Bedingungen nicht ändern, wird üblicherweise der Reibwert aufgetragen. In dieser Darstellung erkennt man gut, dass gegebenenfalls die hohen Haftreibwerte insbesondere im nicht eingelaufenen Zustand für eine praktische Anwendung kritisch sein könnten. Soll diese Reibpaarung beispielsweise für eine Außenspiegelverstellung an einem PKW verwendet werden, könnte die Gefahr bestehen, dass die Leistung des kleinen Stellmotors nicht ausreicht, den Spiegel zu bewegen. Gerade in solchen Anwendungen wäre auch noch der Stillstandszeit- Einfluss zu untersuchen, da die Haftreibung üblicherweise mit der Zeit zunimmt. Abbildung 146: Reibwert über Gleitgeschwindigkeit und Gleitzyklen [Quelle: W. Stehr] 170 6 Kunststoffprüfung In der nächsten Darstellung ist die Entwicklung der Reibleistung im selben Versuch dargestellt (Abbildung 147). Die hohen Haftreibwerte in der vorherigen Darstellung haben aufgrund der Gleitgeschwindigkeit null hier keine Bedeutung. Ein kritischer Bereich in dieser Betrachtung findet sich hinten rechts im Kennlinienfeld bei hohen Gleitgeschwindigkeiten und niedriger Zyklenzahl. Hier wird die höchste Energie in der Reibstelle umgesetzt, was zu lokalen thermischen Problemen führen könnte. Abbildung 147: Reibleistung über Gleitgeschwindigkeit und Gleitzyklenanzahl [Quelle: W. Stehr] In eine ähnliche Richtung der Interpretation geht die Darstellung der Temperatur über der Gleitgeschwindigkeit und der Zyklenzahl (Abbildung 148). Hier gehen allerdings auch die akkumulierte Reibleistung und die Wärmeabfuhr in die Betrachtung mit ein. In dieser Darstellung erkennt man ein Maximum nach etwa 15 Gleitzyklen. Für das Beispiel mit der Spiegelverstellung würde das bedeuten, dass es kritisch wäre, wenn ein Kunde die Spiegelverstellung längere Zeit ohne Unterbrechung betätigt, da dann gegebenenfalls eine kritische Temperaturgrenze für die Polymergleitpaarung überschritten wird. 6 Kunststoffprüfung 171 Abbildung 148: Temperatur über Gleitgeschwindigkeit und Gleitzyklen [Quelle W. Stehr] Diese Temperaturgrenze ist auch der Grund, warum nahezu alle Haushaltsgeräte mit kleinen E-Motoren nur für eine bestimmte Einschaltdauer betrieben werden dürfen. Diese ist üblicherweise auf dem Typenschild angegeben. Eine Kennzeichnung „20 % ED S3“ (nach VDE 0530-1) auf einem Gerät bedeutet beispielsweise, dass das Gerät nur 2 Minuten betrieben werden darf und dann erst einmal 8 Minuten abkühlen muss. 6.3 Verschleißuntersuchung Die unterschiedlichen Verschleißmessgrößen und die Möglichkeiten der Verschleißmessung wurden bereits im Kapitel 3.2.2.1 und 3.2.2.2 detailliert behandelt. Im Großen und Ganzen können die dort vorgestellten Methoden auch bei der Kunststoffprüfung eingesetzt werden. Gewisse Einschränkungen ergeben sich aus der Eigenschaft einiger Kunststoffe, Wasser aufzunehmen und/ oder bei Kontakt mit Fluiden zu quellen. Dadurch kann es zu signifikanten Fehlern bei der Gewichts- oder Dickenmessung kommen. Hier sollten sicherheitshalber Referenzmessungen mit vorkonditionierten Proben ohne tribologische Beanspruchung durchgeführt werden. Erkennt man in diesen einen signifikanten Einfluss der Konditionierung, muss auf eine andere Messgröße ausgewichen werden. Gegebenenfalls muss sogar ein anderes Prüfsystem verwendet werden, um eine eindeutige Verschleißaussage treffen zu können (z.B. Vermessung einer Spurtiefe bzw. Referenzmarke anstatt Längenänderung eines Pins). 172 6 Kunststoffprüfung Bei Versuchen mit Kunststoff/ Stahl-Gleitpaarungen tritt manchmal das Phänomen auf, dass der Kunststoffgleitpartner nahezu keinen Verschleiß zeigt, wohingegen der deutlich härtere Stahlgegenkörper verschleißt. In so einem Fall betten sich meistens harte Verschleißteilchen (meistens Oxide) in den weichen Kunststoff ein und schützen diesen vor Verschleiß. Die harten eingebetteten Partikel stehen dann ähnlich wie bei einem Schleifpapier aus der Oberfläche heraus und führen zu einer hohen Abrasivbeanspruchung des Stahlgegenkörpers. Eine ähnliche Wirkung können herausbrechende oder herausstehende Glasfasern aus einem polymeren Compoundwerkstoff zeigen. Erkennt man ein solches Verhalten im Tribometerversuch ist zu überprüfen, ob sich ein ähnliches Verhalten in der Praxis einstellen kann oder ob dort die Randbedingungen zum Beispiel durch eine Umlaufschmierung mit Filterung anders sind. 6.3.1 Versuchsdauer Der Reibwert von trockenlaufenden Kunststoffgleitpaarungen zeigt über der Versuchsdauer häufig ein für die Paarung und Beanspruchungsbedingungen typisches und deutliches Einlaufverhalten. In vielen Fällen ist der Reibwert zu Beginn des Versuches aufgrund der bereits erläuterten speziellen Randzone der Kunststoffprobe niedrig. Er steigt dann mit beginnendem Verschleiß und zunehmenden Energieeintrag innerhalb der nächsten Minuten oder Stunden an. Der weitere Reibwertverlauf ist stark systemabhängig und kann innerhalb weniger Stunden einen weitestgehend stationären Endwert erreichen, aber auch über mehrere Tage kontinuierlich ansteigen oder relativ starken Schwankungen unterworfen sein [SCHU2017]. Bei unbekannten Reibpaarungen wird daher zu Beginn einer Testserie eine Untersuchung über mehrere Tage empfohlen, insbesondere dann, wenn kein Online-Reibungs- und Verschleißsignal zur Verfügung steht, anhand dessen man ggf. erkennen kann, ob das System stabil ist. In den meisten Fällen stellt später eine Versuchsdauer von 24 Stunden ein guter Kompromiss zwischen dem Versuchsaufwand und einem zuverlässigen Testergebnis dar. 6.4 Typische Modellprüfsysteme für die Kunststoffprüfung (DIN/ ISO 7148) In diesem Kapitel sollen einige typische Modellprüfsysteme für die Kunststoffprüfung vorgestellt werden. In der DIN ISO 7148 [ISO7148] sind verschiedene Prüfsysteme für Gleitlagerwerkstoffe beschrieben. Teil eins behandelt hierbei die metallischen, Teil zwei die polymerbasierten Materialien. Im Großen und Ganzen unterscheiden sich die beiden Teile aber nur geringfügig. Die Norm enthält hilfreiche Hinweise auf Besonderheiten von Polymeren und den daraus resultierenden Problemen in der Anwendung und auch der Prüfung wie: Beispiele für mögliche Prüfanordnungen und deren Vor- und Nachteile Hinweise zu notwendigen Werkstoffdaten Anwendungsbeispiele inkl. Zeichnungen der Prüfkörper Hinweise zur Versuchsdurchführung und Auswertung 6 Kunststoffprüfung 173 Anders als in vielen anderen tribologischen Prüfnormen enthält die Norm aber keinerlei Standard-Parameterkombinationen. Die Angabe „Prüfung nach DIN ISO 7148“ sagt also erst einmal weder etwas zum eingesetzten Prüfsystem noch zu den verwendeten Parametern aus. Möchte man Versuche mit Standardparametern durchführen empfiehlt es sich, in die Broschüren der bekannten Kunststoffhersteller zu schauen und sich an den dort angegebenen Parametern zu orientieren. Die nachfolgende Auflistung der Vor- und Nachteile orientiert sich im Großen und Ganzen an der Norm. Nicht alle Punkte spiegeln exakt die Meinung des Autors wider. 6.4.1 Stift/ Scheibe (Pin-on-Disc, PoD) Die wohl bekannteste Modellprüfung ist der Stift/ Scheibe-Versuch. Hierzu werden verschiedene Arten von Rotationstribometern eingesetzt. Im einfachsten Fall können diese einen Aufbau eines Plattenspielers haben. Komplexere Prüfstände wie beispielsweise das UMT-Tribolab ® von Bruker sind hochmoderne, universelle Tribometer, mit denen quasi alle nachfolgend vorgestellten Prüfsysteme in einem Prüfstand realisiert werden können. Vorteile: Einfachen Prüfkörperherstellung Prüfung verschiedener tribologischer Eigenschaften Gut geeignet zum Ranking verschiedener Materialien Konstante Kontaktfläche (Pressung) während des Tests Recht realistische Simulation von Linearführungen Nachteile Kante des Stiftes streift ggf. das Öl ab Stift lässt sich schlecht mittels Spritzguss herstellen wenn faserverstärkte Materialien getestet werden sollen Aufgrund des Schwunds ist es schwierig, die Scheibe mit hoher Präzision spritzguss-technisch herzustellen Eine Variante des Stift/ Scheibe-Versuchs ist der Versuch mit einem balligen Stift oder einer Kugel. Kanteneffekte und das Problem, dass der Stift den Schmierstoff abstreift, hat man hierbei nicht, allerdings ist die Kontaktfläche über dem Versuch nicht konstant und die Startpressung aufgrund des Punktkontaktes sehr hoch. Abbildung 149: Prüfsystem Stift/ Scheibe 174 6 Kunststoffprüfung 6.4.2 Ring/ Platte oder Ring/ Scheibe Ein ähnliches Prüfsystem wie die Stift/ Scheibe- Anordnung ist das System Ring/ Scheibe oder Ring/ Platte. Auch dieses Prüfsystem wird im Rotationstribometer eingesetzt. Die Konfiguration ist auch in der ASTM D 3702 beschrieben. Bei dieser Konfiguration ist zu berücksichtigen, dass sowohl Grundals auch Gegenkörper das Eingriffsverhältnis = 1 haben. In einer geschmierten Anwendung kann so der Schmierstoff nahezu nicht in die Reibstelle gelangen (ähnlich einer Gleitringdichtung). Verschleißpartikel können die Reibstelle nur schwer verlassen. Das Prüfsystem macht daher nur Sinn, wenn es die Realanwendung widerspiegelt. Vorteile: Relativ einfachen Prüfkörperherstellung (auch Spritzguss) Prüfung verschiedener tribologischer Eigenschaften Gut geeignet zum Ranking verschiedener Materialien Konstante Kontaktfläche (Pressung) während des Tests Nachteile Eingriffsverhältnisse = 1 für beide Prüfkörper Welligkeit des Rings hat großen Einfluss auf das Versuchsergebnis Aufgrund des Schwunds ist es schwierig, die Probekörper mit ausreichend hoher Präzision spritzguss-technisch herzustellen Sind der Ring und die Scheibe (oder Ring) nicht koaxial ausgerichtet, spricht man von einer Siebel/ Kehl-Anordnung. Der Vorteil ist, dass dabei der Ring ein Eingriffsverhältnis deutlich unter 1 hat und die Reibstelle somit bei geschmierten Versuchen mit Öl versorgt wird. Außerdem können Verschleißpartikel aus dem Kontakt austreten. Alternativ kann der Ring auch segmentiert sein. Das hat den Vorteil, dass sich das Eingriffsverhältnis für die Scheibe reduziert und Schmierstoff in die ringförmige Kontaktfläche eindringen kann. Durch unterschiedliche Segmentlängen kann das Eingriffsverhältnis variabel eingestellt werden. Abbildung 150: Ring/ Scheibe-Prüfgeometrie Abbildung 151: Ringsegmente/ Scheibe-Konfiguration 6 Kunststoffprüfung 175 6.4.3 Kugel/ Prisma oder Ball-on-three-plates (BOTP) In der ISO 7148 ist bisher nur das Kugel/ Prisma- System aufgeführt, das nur in Prüfständen der Firma Dr Tillwich - Werner Stehr zu finden ist. Ähnliche Eigenschaften hat aber auch das System Kugel/ 3- Plättchen im englischen ball-on-three-plates (BOTP). Dieses System findet beispielsweise Einsatz im Static- Friction-Tribometer oder der Tribomesszelle von Anton Paar. Vorteile: Prüfung von Polymer/ Polymer- und Metall/ Polymer-Paarungen Trocken und geschmiert (mit Schmierstoffreservoir) Prüfung des Zusammenspiels Schmierstoff - Polymer Teile mittels Spritzguss herstellbar Selbstzentrierende Anordnung Nachteile Plastische Verformung der Teile kann Einfluss auf den Test haben Die Kontaktfläche vergrößert sich infolge von plastischer Deformation und Verschleiß Abbildung 152: Kugel/ Prisma-Prüfsystem [ISO7148] Abbildung 153: Prüfsystem Ball-on-three-plates (BOTP) 176 6 Kunststoffprüfung 6.4.4 Block auf Ring (Block-on-Ring, BoR) Der Block-auf-Ring-Versuch ist in der Kunststoffprüfung weit verbreitet, da man entsprechende Probekörper leicht aus Standardzugstäben präparieren kann, die bei allen Kunststoffherstellern und Compoundierern vorhanden sind. Außerdem bildet der Test eine Radialgleitlageranwendung relativ gut ab. Um den Linienkontakt zu Versuchsbeginn zu vermeiden und eine nahezu konstante Flächenpressung über der Versuchsdauer zu gewährleisten, kann man einen entsprechenden Radius an die Block-Probe anfräsen und so einen konformen Kontakt herstellen. Vorteile: Einfachen Prüfkörperherstellung Prüfung verschiedener tribologischer Eigenschaften und des Reibungszustandes (Stribeck-Kurve) Gut geeignet zum Ranking verschiedener Materialien Relativ konstante Kontaktfläche (Pressung) während des Tests (nach Einlauf, bzw. bei konvexem Block) Trocken und geschmiert möglich Realistische Simulation von Radialgleitlagern Nachteile Es ist schwierig, den Block und/ oder Ring mit hoher Präzision und gleichmäßiger Faserverteilung spritzgusstechnisch herzustellen Die Kante des Blocks streift ggf. das Öl ab Abbildung 154: Block-auf-Ring-Konfiguration mit ebenem und konkaven Probekörper 6 Kunststoffprüfung 177 6.4.5 Radialgleitlager Die einzige echte Bauteilprüfung in der DIN ISO 7148 ist der Versuch mit Radialgleitlagern. Da hier Originalbauteile verwendet und auch die Randbedingungen der Anwendung sehr genau nachgestellt werden können, ist die Übertragbarkeit dieser Laborprüfung auf die Praxis sehr gut. Vorteile: Sehr praxisnahe Prüfung Prüfung von Originallagern mit Originalmaßen und Lagerspiel Vorhersage zum Verhalten in der Praxis möglich Trocken und geschmiert möglich Nachteile Lange Prüfzeiten Verschärfte Prüfbedingungen verursachen hohen Energieeintrag Schwierige Ausrichtung der Achsen Die Kontaktfläche vergrößert sich infolge von Verschleiß bei Grenz- und Mischreibungsbedingungen 6.4.6 Linear-oszillierender Flächenkontakt Alle bisher vorgestellten Prüfkonfigurationen arbeiten mit einer rotatorische Gleitbewegung. Nun sollen auch noch Prüfsysteme für linear-oszillierende Flächenkontakte vorgestellt werden. Für diese Anordnung gibt es leider keinen gängigen Überbegriff und zahlreiche verschiedene Versuchsaufbauten. Eine ist die sogenannte Tannert-Anordnung, bei der eine Gleitzunge zwischen zwei Klötzchen hin und her bewegt wird. Dieser Versuch besteht also aus zwei gekoppelten Tribosystemen, was ein gewisser Nachteil ist. Abbildung 155: Prüfsystem Radialgleitlager 178 6 Kunststoffprüfung . Abbildung 156: Original-Tannert-Anordnung (links) und Prüfsystem mit zwei Stiften Typische Universal-Tribometer arbeiten heute meistens mit bewegten Tischen (Exzenter- oder Spindelantrieb) und einer aufgepressten flachen Oberprobe. Vorteile: Praxisnahe Prüfung Prüfung von Originalteilen möglich Vorhersage zum Verhalten in der Praxis möglich Trocken und geschmiert möglich Flächenpressung ist konstant Nachteile Lange Prüfzeiten Verschärfte Prüfbedingungen verursachen hohen Energieeintrag Schwierige planparallele Ausrichtung der Prüflinge 6 Kunststoffprüfung 179 6.5 Stick-Slip-Untersuchungen Stick-Slip oder Ruckgleiten ist ein unangenehmer Effekt, der in verschiedenen Tribosystemen auftreten kann. Der Effekt ist nicht nur auf Kunststoffe begrenzt. Die Anwendungsbereiche und Einsatzgebiete von Kunststoffen begünstigen aber das Auftreten. Immer wenn Tribsysteme unangenehme Quietsch- oder Knarzgeräusche von sich geben, handelt es sich um Stick-Slip. Bekannte Beispiele sind die knarzende Tür oder der quietschende Scheibenwischer. Beim Anlegen einer Kraft an einem ruhenden Körper verspannen sich die elastischen Teile des Antriebsstranges bis zur Überwindung der Haftreibung und dem Losreißen des Körpers (Abbildung 157). Fällt die Reibkraft mit der Gleitbewegung ab, wird der Antriebsstrang entspannt. Der Körper wird durch die gespeicherte Energie ruckartig verschoben, bis er durch Reibung gebremst wird. Durch die Elastizität im System kommt es zum Überschwingen und damit zum erneuten Stillstand; der Zyklus beginnt von neuem. Abbildung 157: Physikalische Beschreibung des Stick-Slip-Effektes mit wirkenden Kräften und Geschwindigkeiten (Vektoren) 180 6 Kunststoffprüfung Voraussetzungen zum Auftreten von Stick-Slip sind also: Haftreibung > Gleitreibung (Anregung) geringe Steifigkeit des Antriebssystems schwingfähiges System / Resonanzraum geringe Dämpfung geringe Geschwindigkeiten Um Stick-Slip im Labor untersuchen zu können, benötigt man daher ein eher „untypisches“ Tribometer: Üblicherweise stellt man an einen Prüfstand die Anforderung, dass er möglichst stabil und steif ist. Zur Untersuchung von Ruckgleiten muss der Antriebstrang dahingegen ausreichend weich sein. Typische Vertreter sind der Tannert-Prüfstand und das Static-Friction-Tribometer (Abbildung 158). Abbildung 158: Static-Friction-Tribometer (links) und Tannert-Gleitindikator (rechts) 6 Kunststoffprüfung 181 In der Automobil- und Zulieferindustrie ist der sogenante Ziegler-Prüfstand weit verbreitet (Abbildung 159). Bei diesem ist die Probe schwingfähig an einem Federblech montiert und wird gegen die bewegte Gegenprobe gedrückt. Aus der Auswertung des Reibkraftsignals generiert der Prüfstand automatisch eine lt. Hersteller objektive Kennzahl für das Knarzrisiko von Materialpaarungen. Ein ähnlicher Aufbau lässt sich auch im UMT-Prüfstand von Bruker realisieren. Verfügt man im Labor nicht über einen typischen Stick-Slip-Prüfstand, so kann man versuchen, die Steifigkeit des Antriebsstrangs oder der Probenaufnahme künstlich zu verringern, indem man beispielsweise bei einem Rotationstribometer eine Torsionsfeder in den Antriebsstrang einbaut oder die Probe federnd lagert. Abbildung 160 zeigt den typischen Ablauf bei einem Haftreibungsversuch mit 10 Minuten Stillstand vor Versuchsbeginn. Man erkennt, wie die Kraft beim Einschalten des Motors mit der Federrate des Antriebstrangs (hier: Torsiondraht) linear steigt. Nach Überwinden der Haftreibung (hier f = 0,05) reißt das System Kugel/ 3-Plättchen los. Anschließend kommt das System nicht mehr voll zum Haften sondern schwingt leicht über dem Gleitzyklus weiter. Abbildung 160: Beispiel Haftreibungsversuch am Static-Friction-Tribometer Abbildung 159: Ziegler-Stick-Slip- Prüfstand [Quelle: Ziegler-Instruments GmbH] 182 6 Kunststoffprüfung Da das Stick-Slip-Risiko mit steigender Normalkraft aufgrund der größeren Anregungskraft ansteigt (siehe Abbildung 161), werden auf dem Tannert- Gleitreibungsindikator häufig Laststeigerungsversuche durchgeführt, um das Verhalten einer Materialpaarung oder eines Schmierstoffs zu charakterisieren. Abbildung 162 und Abbildung 163 zeigen die typischen Hysteresedarstellungen der Reibkraft über dem Hubweg. Abbildung 161: Erhöhung des Stick-Slip-Risikos mit höherer Normalkraft Abbildung 162: Typische Hysteresedarstellung einer High-Referenz-Paarung. 1-2-1 stellt den Reibkraftverlauf des ersten Gleitzyklusses über dem Weg dar. Mit steigender Normalkraft und damit Reibkraft werden die Kurven spiralförmig nach außen aufgetragen 6 Kunststoffprüfung 183 Abbildung 163: Typische Hysteresedarstellung einer Low-Referenz-Paarung mit extremen Stick-Slip ab der 6. Laststufe 184 6 Kunststoffprüfung 7 Design of Experiments (DOE) / Statistik Design of Experiments (DoE) ist eine wissenschaftliche Methodik zur Planung und statistischen Auswertung von beliebigen Versuchen. Ursprünglich wurde es in der Landwirtschaft entwickelt, um Einflussfaktoren auf den Ernteertrag zu bestimmen. Ziel von DoE ist es, mit einem möglichst geringen Versuchsaufwand möglichst viel über die Zusammenhänge von Einflussparametern (unabhängige Variablen, INPUT) und Ergebnissen (abhängige Variablen, OUTPUT) zu erfahren. Die Vorgänge an sich werden als Black- Box behandelt. Auf diese Black-Box wirken zusätzlich bekannte oder unbekannte Störgrößen (NOISE) ein (Abbildung 164). Mit DoE gewonnene Informationen über die Zusammenhänge von Input und Output sind statistisch abgesichert und die Effekte der Inputvariablen und ihrer Wechselwirkungen auf den Output sind quantifizierbar (und nicht nur subjektiv). Einen großen Einfluss auf das Ergebnis von Versuchen haben Störungen, die sich nie ganz vermeiden lassen. Typische Störgrößen sind: Umwelteinflüsse (Temperatur, Luftfeuchtigkeit usw.) Zeiteinflüsse (Messungen zu verschiedenen Zeitpunkten) Veränderung der Versuchseinheit (Lern- und Alterungseffekte) Veränderung der Messinstrumente (Verschleiß, Alterung usw.) Versuchsleitereffekte (z. B. Steigung der Sensitivität) Auswahlverzerrung (engl.: selection bias) Um den Einfluss der Störgrößen auf das Untersuchungsergebnis zu reduzieren, gibt es verschiedene Ansätze: Eliminierung (z.B. Schwingungen) Konstanthaltung (z.B. Temperatur) Verblindung (Proben A, B, C) Umwandlung der Störfaktoren in Einflussfaktoren => zwei- oder mehrfaktorielle Pläne Blockbildung/ Parallelisierung, Zuordnung zu Blöcken mittels Rangfolgenbildung (engl.: blocking) Randomisierung/ zufällige Reihenfolge (engl.: randomization) Wiederholungsmessungen (engl.: repetition, repeated measurements) Abbildung 164: Flussschema In einem aussagefähigen Versuch müssen immer alle Einflussgrößen unter Kontrolle sein: Faktoren: Unter Versuchskontrolle => miterfassen Versuchsfehler: Unter statistischer Kontrolle => randomisieren, und somit zufällig im gesamten Versuch verteilen Hat man die Versuchsfehler nicht unter statistischer Kontrolle, dann ist der Versuch verzerrt und das Versuchsergebnis ist nicht reproduzierbar. Ein solcher Versuch ist dann in den meisten Fällen nicht wissenschaftlich interpretierbar. Deshalb versucht man bei der Versuchsplanung die Faktoren vor der Durchführung des ersten Versuchs derart zu definieren, anzuordnen, zu kombinieren oder zu erfassen, dass die Streuung des Versuchsfehlers möglichst klein wird. Die in den meisten Laboren übliche intuitiven Vorgehensweisen bei Versuchen, wie das Ändern eines Faktors nach dem anderen oder nach dem Prinzip Versuch und Irrtum (engl.: trial and error), bringen nur durch Zufall ein optimales Versuchsergebnis hervor. Die Einzel- und Wechselwirkungen von Einflussfaktoren werden dabei häufig nicht erkannt. Im Gegensatz dazu ist die statistische Versuchsplanung eine Methodik zur systematischen Planung und statistischen Auswertung von Versuchen. Für eine Testserie benötigte Ressourcen, wie zum Beispiel Personal, Zeit und Kosten, sind vor der Durchführung der Versuche bekannt und quantifizierbar; der Versuch wird nicht zur Suche der Stecknadel im Heuhaufen (Abbildung 165). 7.1 Grundprinzipien der Statistischen Versuchsplanung Wiederholen von Versuchspunkten - Mittelwerte sind sicherer - Wiederholungen ermöglichen eine Information über die Versuchsstreuung - Statistik wird erst durch ausreichend Versuche möglich Randomisierung - Störeffekte gehen in die Versuchsstreuung und nicht in den zu untersuchenden Effekt ein Blockbildung - Störeffekte werden als Blockfaktor erfasst und damit statistisch bewertbar Vermengen - Systematisches Überlagern von wesentlichen und unwesentlichen Effekten Sequenzielles Experimentieren - Stufenweises Planen, Experimentieren und Auswerten von Ergebnissen Abbildung 165: Die berühmte Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen 186 7 Design of Experiments (DOE) / Statistik Im Gegensatz zur „althergebrachten“ Vorgehensweise, bei der in einer Versuchsreihe von Versuch zu Versuch immer nur ein Faktor variiert wird (OFAT), werden bei der statistischen Versuchsplanung mehrere Faktoren gleichzeitig verändert. Es werden sogenannte Versuchspläne erstellt, die Folgendes berücksichtigen: Anzahl der zu untersuchenden Faktoren (mindestens 2) Art der zu untersuchenden Faktoren (nominal (= qualitativ) oder quantitativ) Bestehende Informationen Gewünschte Genauigkeit / Zuverlässigkeit der Aussagen (Statistik) Klassische Versuchspläne sind: vollständige Versuchspläne (voll-faktorierte Matrix), Teilfaktorpläne (sogenannte Screening-Pläne) und Response-Surface-Pläne. Mit Screening-Plänen kann mit relativ wenigen Versuchen der Einfluss vieler Faktoren gleichzeitig untersucht werden, um zu erkennen, welche Faktoren für die Ausgangsgrößen wirklich signifikant sind. Mit Response-Surface-Plänen kann anschließend der Zusammenhang zwischen den wenigen wichtigen Faktoren und den Zielgrößen im Detail untersucht werden, um optimale Einstellungen der Faktoren zu ermitteln. 7.2 Verschiedene Experimentier-Methoden Es gibt verschiedene, mehr oder minder wissenschaftliche Methoden der Versuchsplanung und -durchführung. Dies sind: Versuch und Irrtum (engl.: trial and error; auch: best-guess approach) Veränderung von mehreren Faktoren zur selben Zeit aus dem Bauchgefühl heraus. Ein Faktor nach dem anderen (engl.: one-factor-at-a-time, OFAT) Veränderung von einem Faktor nach dem anderen. 2k-vollfaktorielle Versuchspläne (engl.: full factorial designs) Durchführung eines Sets von Versuchen auf zuvor definierten Stufen, wobei alle Einstellkombinationen durchgeführt werden. 2k-teilfaktorielle Versuchspläne (engl.: fractional factorial designs) Durchführung eines Sets von Versuchen auf zuvor definierten Stufen, wobei nicht alle Einstellkombinationen durchgeführt werden. Mehrstufige, teilfaktorielle Versuchspläne Fortführung der Testserie nach einem vorherigen 2k-teilfaktoriellen Ansatz Response Surface Designs (Versuchspläne für nicht-lineare Zusammenhänge) 7 Design of Experiments (DOE) / Statistik 187 Wird ein Faktor auf nur zwei Stufen (Einstellungen) untersucht, so läuft man Gefahr, einen möglichen nicht-linearen Zusammenhang zwischen Input und Output zu übersehen. In der Tribologie finden sich zahlreiche Beispiel für nicht-lineare Zusammenhänge. Mit der Hinzunahme von sogenannten Center-Points (C.P.) lässt sich mit wenig zusätzlichem Aufwand überprüfen, ob alle Inputfaktoren einen linearen Einfluss auf das Ergebnis ausüben. Ist der Center-Point signifikant, dann hat mindestens ein Faktor einen nicht-linearen Einfluss. Versuche auf 2 Stufen sollten daher in der Tribologie, wenn immer möglich, mit zusätzlichen Center-Points durchgeführt werden (Abbildung 166). Abbildung 166: Grafische Darstellung verschiedener typischer Versuchspläne Nachfolgend sollen die unterschiedlichen Methoden etwas genauer betrachtet werden. Als anschauliches Beispiel soll die Suche nach dem höchsten Berg in einer Landschaft dienen. 188 7 Design of Experiments (DOE) / Statistik 7.2.1 One-factor-at-a-time (OFAT) Vorgehen: Ein Faktor wird variiert und das Ergebnis beobachtet. Die bessere Einstellung wird beibehalten und der nächste Faktor untersucht. Vorteile: einfache Vorgehensweise mit viel Glück ist man schnell am Ziel Nachteile: wenig systematisches Vorgehen (ineffizient) ein Optimum wird nur durch Zufall entdeckt die Einzelwirkungen bleiben unbekannt - Wechselwirkungen / Interaktionen werden nicht erkannt Beispiel: Man misst in x-Richtung (Faktor 1) in definierten Abständen (Stufen) die Ausgangsgröße „Höhe über NN“ (bei konstantem y). Am höchsten Punkt (blauer Punkt) variiert man dann den 2. Faktor (y-Richtung). Man findet das scheinbare Optimum (roter Punkt). Ggf. wiederholt man das Vorgehen dann noch einmal am neuen Optimum und würde damit den linken magentafarbenen Punkt als neues scheinbares Optimum finden. Abbildung 167: Beispiel: Versuch, den höchsten Punkt in der Landschaft zu finden, indem man die Faktoren x- oder y-Position mit definierten Abständen (Stufen) variiert. 7 Design of Experiments (DOE) / Statistik 189 7.2.2 DoE: Vollfaktorieller Versuch (auf mind. 2 Stufen) Vorgehen: Für die zu untersuchenden Parameter werden jeweils mindestens 2 Stufen festgelegt. Alle möglichen Einstellkombinationen werden durchgeführt. Vorteil: Einzel- und Wechselwirkungen der Parameter lassen sich berechnen. Nachteil: Sehr hoher Versuchsaufwand => sehr zeit- und kostenintensiv! Beispiel: Man steckt das komplette Gebiet in definierten x- und y-Abständen ab und misst an allen Punkten die Höhe. Abbildung 168: Vollfaktorieller Ansatz 7.2.3 DoE: Teilfaktorieller Versuch Vorgehen: Für die zu untersuchenden Parameter werden jeweils 2 Stufen festgelegt. Es werden jedoch nicht mehr alle Einstellkombinationen durchgeführt. Vorteil: Deutlich geringerer Versuchsaufwand gegenüber vollfaktoriellem Ansatz. Nachteil: Wegen Überlagerungen können nicht mehr alle Wechselwirkungen aufgelöst werden. Beispiel: Mit dem Aufspannen von Versuchsfeldern/ -räumen erhält man eine Richtung, in der das Optimum (hier: die Bergspitze) liegt. 190 7 Design of Experiments (DOE) / Statistik Abbildung 169: Teilfaktorieller Ansatz Nachfolgende Tabelle 9 zeigt die notwendigen Versuche bei vollbzw. teilfaktoriellem Ansatz bei einem Versuch auf 2 Stufen. Tabelle 9: Anzahl Versuche bei vollbzw. teilfaktoriellem Ansatz Bei teilfaktoriellen Versuchen werden Wechselwirkungsspalten mit einem oder mehreren zusätzlichen Hauptfaktoren belegt. Dadurch sind allerdings Wirkungen überlagert und es können nicht mehr alle Wechselwirkungen separat analysiert werden. Tabelle 10 zeigt, wie die Wechselwirkungen zwischen A*B, A*C und B*C in einem Faktor D (=A*B*C) zusammengefasst werden. -1 bzw. +1 symbolisieren die jeweilige Stufe (z.B. eine niedrige bzw. hohe Temperatur im Tribometerversuch). 7 Design of Experiments (DOE) / Statistik 191 Tabelle 10: Ansatz bei teilfaktorieller Versuchsplanung 7.2.3.1 Beispiel Basketball-Experiment Um die Mathematik hinter dem teilfaktoriellen Ansatz besser zu verstehen, soll hier ein weiteres Beispiel vorgestellt und durchgerechnet werden. Für kurze Zeit verlassen wir nun die Tribologie und betrachten einen Basketballspieler (angelehnt an ein Beispiel von M. Pauly [PAUL2015]): Wir möchten wissen, wie groß der Einfluss eines guten Balls und guter Schuhe auf das Wurfergebnis ist. Hierzu werfen wir je 100-mal und zählen die Punkte. Daneben wiederholen wir das Ganze noch je 4-mal (= 4 Beobachtungen). Das Untersuchungsziel lautet also: Welche Faktoren haben “wirklich” Einfluss auf das Wurfergebnis („score“)? Faktoren Stufen (A) Schuhe: Basketballschuhe (A+) vs. Straßenschuhe (A-) (B) Ball: Profiball (Naturleder) (B+) vs. Billigball aus dem Supermarkt (B-) Ohne Kenntnis von DoE-Ansätzen wählen wir die übliche OFAT-Strategie: Die sogenannte Baseline wäre: Straßenschuhe (A-) und Billigball (B-); Danach verändern wir je einen Faktor und werfen somit 4x 100 Würfe mit Basketballschuhen und dem billigen Ball (A+B-) und 4x 100 Würfe mit Straßenschuhen und dem Profiball (A- B+). Das Ergebnis sähe so aus: 192 7 Design of Experiments (DOE) / Statistik Wie wichtig die Schuhe (A) sind können wir nun folgendermaßen abschätzen: Wir berechnen den Effekt von A indem wir von den Ergebnissen für (A-B+) die Ergebnisse von (A+B+) abziehen und somit B+ mathematisch eliminieren; hier also: Gleiches machen wir für die Schätzung des Effekts von B (Ball) durch die Rechnung (A+B-) - (A+B+). Hier erhalten wir Null als Ergebnis. Somit ist bewiesen, dass die Schuhe einen größeren Einfluss haben als der Ball. Der Einfluss der Schuhe auf das Wurfergebnis ist mit 0,75 Punkten Unterschied bei 100 Würfen aber auch recht gering. Mittlerweile wissen wir aber von den Vorteilen eines DoE-Ansatzes und wählen für die zweite Untersuchung einen teilfaktoriellen Ansatz. Aus Zeitgründen reduzieren wir die Anzahl Beobachtungen (= Wurfserien) sogar auf 2. Trotzdem möchten wir etwas über die Wechselwirkungen erfahren. Das Ergebnis dieses Versuchs sähe nun folgendermaßen aus: Wir wollen jetzt wieder wissen, wie wichtig die Schuhe (A) sind. Hierzu rechnen wir: Effekt von A = (A-B±) - (A+B±); hier also: Gleiches machen wir für den Ball zur Schätzung des Effekts von B: (A±B-) - (A±B+); hier also: 2,5 Schätzung der Wechselwirkung von AB: (A+B+) - (A+B-) - (A-B+) + (A-B-); hier also: 2,5 Wir erkennen also auch in diesem Beispiel, dass die Schuhe wichtiger sind als der Ball, wobei sowohl der Ball als auch die Kombination Schuhe/ Ball einen Einfluss auf das Ergebnis haben. Im teilfaktoriellen Ansatz haben wir trotz weniger Beobachtungen Informationen zu den Wechselwirkungen erhalten, die wir mit dem OFAT-Ansatz nicht erhalten hatten. Die Effekte von A und B werden sowohl bei dem OFAT-Ansatz als auch beim faktoriellen Ansatz jeweils aufgrund von 8 Beobachtungen geschätzt. OFAT benötigt aber insgesamt 12 Beobachtungen anstelle von 8 bei obigen 2 2 -Design zur Schätzung beider Effekte. Der faktorieller Ansatz ist somit deutlich effizienter! Man sagt: Die relative Effizienz von OFAT im Vergleich zum faktoriellen Ansatz ist 12/ 8 = 1,5 7 Design of Experiments (DOE) / Statistik 193 Zusammenfassend kann man feststellen, dass nach einem DoE-Ansatz geplante Experimente … .... weniger Einzelversuche als "OFAT"-Experimente benötigen, .... die Untersuchung von Haupteffekten und Wechselwirkungen erlauben, .... eine Quantifizierung der Effekte der Hauptfaktoren sowie der Wechselwirkungen ermöglichen, .... eine statistische Auswertung erlauben und damit eine Aussage darüber, ob die untersuchten Faktoren einen signifikanten Einfluss auf das Ergebnis haben, …. die Beschreibung des funktionalen Zusammenhangs zwischen den Inputfaktoren und dem Ergebnis in einem mathematischen Modell ermöglichen und …. insgesamt zu einem deutlich größeren Wissens-Zuwachs führen. Es macht also durchaus Sinn, sich im Laboralltag mit diesen Methoden auseinanderzusetzen und sie ggf. in Zukunft häufiger einzusetzen. 7.3 Statistik In diesem Kapitel sollen kurz einige wichtige Grundlagen der Statistik erläutert werden, um dann verschiedene grafische Darstellungsarten vorzustellen, mit denen tribologische Messwerte sinnvoll dargestellt und bewertet werden können. Eine der wichtigsten Größen in der Statistik ist die Standardabweichung („Sigma“). Die Standardabweichung beschreibt die durchschnittliche Abweichung aller gemessenen Werte vom Mittelwert. Per Definition beschreibt sie ein Intervall um den Mittelwert und gibt die Streubreite an (Abbildung 170). Die Standardabweichung berechnet sich aus der Wurzel der Varianz, die wiederum auf der Summe aller quadrierter Abweichungen jedes einzelnen Messwertes vom Mittelwert und ggf. deren Gewichtung basiert (siehe Formel 5). Formel 5: Berechnung der Standardabweichung aus der Varianz 194 7 Design of Experiments (DOE) / Statistik 7.3.1 Gauß-Verteilung Viele physikalischen Messungen unterliegen einer Wahrscheinlichkeitsverteilung, die der bekannten Gaußverteilung entspricht (sog. „Glockenkurve“). 68 % der Messwerte liegen dabei im Bereich von einmal Sigma (Standardabweichung); 95,5 % im Bereich zwei Sigma und bereits 99,7 % im Bereich drei Sigma. Fordert man eine bestimmte Genauigkeit, so gibt man typischerweise diese Vielfachen von Sigma an (Abbildung 170). Abbildung 170: Gaußverteilung (Glockenkurve) mit unterschiedlichen Vielfachen der Standardabweichung 7.3.2 Definition von Ausreißern Eine spannende Frage in der Messtechnik ist, welche Daten als Ausreißer bewertet und damit verworfen werden können. Hier unterscheidet sich das Bauchgefühl deutlich von den Werten statistischer Betrachtungen. Das sogenannte Chauvenetsche Kriterium besagt, dass ein verdächtiger Messwert in einem Datensatz dann zu verwerfen ist, wenn die Wahrscheinlichkeit von Messwerten, die mindestens so schlecht sind wie der verdächtige Wert, kleiner 0,5 ist. Diese Definition ist schwer greifbar daher hier ein Beispiel: In dem nachfolgenden Beispiel scheint der durch ein Kreuz symbolisierte Messwert 1,8 in Abbildung 171 eindeutig ein Ausreißer zu sein, da sich alle anderen Werte im Bereich um 3,7 bewegen. In diesem Fall ermittelt man den Mittelwert und Standardabweichung aller Werte (inklusive des verdächtigen Wertes). Der Mittelwert x _quer in 7 Design of Experiments (DOE) / Statistik 195 diesem Beispiel wäre 3,4 die Standardabweichung s x beträgt hier 0,8. Nun berechnet man, wie viele Standardabweichungen der verdächtige Wert vom Mittelwert weg liegt (|1,8 - 3,4|/ 0,8). In dem Zahlenbeispiel wäre dieser Wert zwei Sigma. Die Wahrscheinlichkeit für einen Messwert außerhalb des 2-Sigmabereichs ist 4,5% oder 0,045. Multipliziert mit der Anzahl an Messwerten (hier 5) erhält man das Ausschlusskriterium (hier 0,225). Da dieser Wert kleiner als 0,5 ist, darf man den Wert 1,8 als Ausreißer ausschließen. Abschließend darf man die Werte ohne den verdächtigen Wert berechnen. In diesem Fall käme man auf einen Mittelwert von 3,7 und eine deutlich reduzierte Standardabweichung von +/ - 0,2. Abbildung 171: Beispiel-Messergebnisse zur Identifikation eines Ausreißers 7.4 Auswertung / Darstellungsarten 7.4.1 Boxplots Der Boxplot, auch Box-Whisker-Plot oder im Deutschen Kastengrafik genannt, ist ein Diagramm, welches die übersichtliche Darstellung der Versuchsstreuung ermöglicht. Zur Darstellung benötigt man mindestens 5 Messwerte und die folgenden Werte: Den Medianwert als den mittleren der aufsteigend geordneten Beobachtungswerte. Anmerkung: Hier ist wirklich der mittlere Wert und nicht der Mittelwert gemeint. Bei 5 aufsteigend sortierten Messwerten ist das der 3. Wert. Unterhalb und oberhalb dieses Wertes liegen dann je 50 % der Beobachtungen. Das untere Quartil als den Wert, unterhalb dem 25 % der Werte liegen. Das obere Quartil als den Wert, unterhalb dem 75 % der Werte liegen. Die Differenz zwischen oberem und unterem Quartil, also der Wertebereich, in dem die mittleren 50 % der Daten liegen (dargestellt als Box), bezeichnet man als Interquartilsabstand (IQR). Bei Whisker-Plots (engl.: whisker = Schnurhaare) gibt man zudem noch den kleinsten und größten Wert an. 196 7 Design of Experiments (DOE) / Statistik Als Ausreißer werden hier üblicherweise Werte außerhalb der 1,5-fachen Länge der Box (IQR) bezeichnet. Abbildung 172: Box-Whisker-Plot mit charakteristischen Werten Die Darstellung mittels Box-Plots ist für tribologische Daten sehr gut geeignet, da man hier auf den ersten Blick erkennt, ob Unterschiede in Messwerten wirklich signifikant sind oder in der Versuchsstreuung untergehen. 7.4.2 Haupteffektdiagramm (Main Effect Plot) und Wechselwirkungen In Haupteffekt- und Wechselwirkungsplots kann man leicht erkennen, welche Größen für ein Versuchsergebnis wichtig sind, und welche eher einen geringen Einfluss haben. Zudem sind die Auswirkungen einer unabhängigen Variablen auf eine abhängige Variable erkennbar. Die Darstellung wird üblicherweise im Zusammenhang mit faktoriellen Designs und Regressionsmodellen verwendet, um Haupteffekte von Interaktionseffekten zu unterscheiden. Je steiler die Linien sind, umso größer ist der Einfluss auf die Ausgangsgröße. 7 Design of Experiments (DOE) / Statistik 197 Abbildung 173: Beispiel für einen Main-Effects-Plot: Einfluss von Lagerspiel, Nutenanzahl und Nutengeometrie auf das Reibmoment eines Gleitlagers [Datenquelle: Saint Gobain] Abbildung 174: Beispiel für einen Wechselwirkungs-Plot: Einfluss verschiedener Eingangsgrößen auf die Ausgangsgröße Reibmoment eines Gleitlagers [Datenquelle: Saint Gobain] 198 7 Design of Experiments (DOE) / Statistik 7.4.3 Kontur-Plot Mittels eines Konturplots wird der Einfluss zweier Eingangsgrößen auf die Ausgangsgröße dargestellt. Die Darstellung ist nützlich, wenn man eine bestimmte Zielgröße abschätzen oder einstellen möchte. In Abbildung 175 z. B. ein definiertes Reibmoment von 4,5 Nm unter Vorgabe eines vorgegebenen Einbauraums von 2,2 mm. Als 3-dimensionale Darstellung wird die Darstellungsart dann als „Surface-Plot“ bezeichnet. Hier ist das grafische Auslesen der Zielgröße aber problematisch. Abbildung 175: Kontur-Plot [Datenquelle: Saint Gobain] 7.4.4 Pareto-Diagramm Ein Paretodiagramm ist ein Säulendiagramm, in dem die einzelnen Werte der Größe nach geordnet wiedergegeben werden. Dabei befindet sich der größte Wert ganz links, der kleinste Wert ganz rechts im Diagramm. In dieser Darstellung erkennt man auch sehr schnell, welche Einflüsse auf die Ausgangsgröße wichtig sind und welche eher nicht. Abbildung 176: Beispiel Pareto-Diagramm 7 Design of Experiments (DOE) / Statistik 199 7.4.5 Histogramm Ein Histogramm ist eine grafische Darstellung der Häufigkeitsverteilung. Es erfordert die Einteilung der Daten in Klassen (engl.: bins), die eine konstante oder variable Breite haben können. Histogramme machen Sinn, wenn man den Verlauf der Häufigkeitsverteilung sehen möchte und nicht nur zusammenfassende Daten, wie das arithmetische Mittel und die Standardabweichung. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn man nachweisen möchte, dass mehrere Faktoren einen Prozess beeinflussen und man sinnvolle Spezifikationsgrenzen für diesen Prozess definieren möchte. 7.4.6 Weibull-Verteilung Die Weibull-Verteilung wurde bereits bei der Auswertung von Wälzlager- und Zahnradtests kurz erwähnt (Abbildung 112). Sie kommt in der Tribologie immer dann zum Einsatz, wenn Ausfälle in Folge von Werkstoffermüdung betrachtet werden (Verschleißmechanismus Oberflächenzerrüttung). Aus dem Lebensdauerdiagramm lassen sich die "Charakteristische Lebensdauer", sowie eine bestimmte "Ausfallwahrscheinlichkeit“ von bestimmten Bauteilen oder Komponenten ablesen. Es empfiehlt sich, die Summenverteilung der Ausfälle als Basis anzunehmen. Stellt man die Ordinate doppellogarithmisch und die Abszisse logarithmisch dar, erhält man eine einfach abzulesenden linearisierten Ausgleichsgerade. 7.4.7 Weitere Verteilungsfunktionen Wie bereits erläutert, unterliegen Ausfälle in tribologischen Versuchen ebenso wie Schadensfälle infolge tribologischer Ursachen unterschiedlichen Verteilungsfunktionen. Aus den beobachteten Verteilungsfunktionen kann in indirekter Weise auf die wirkenden Schädigungsprozesse geschlossen werden [CZIC2015]. Je nach Schädigungsprozess stellen sich vereinfacht die drei nachfolgenden Verteilungen ein: Abbildung 177: Beispiel Histogramm Abbildung 178: Beispieldarstellung: Einfluss der Werkstoffe auf die Lebensdauer in einem Wälzlagertest 200 7 Design of Experiments (DOE) / Statistik Versagen bei impulsförmiger tribologischer Beanspruchung => Exponentialverteilung, Gamma-Verteilung Versagen bei Werkstoffermüdung => Weibull-Verteilung Versagen bei überlagerten Verschleißmechanismen => Normalverteilung, logarithmische Normalverteilung Nachdem bereits die Normalverteilung (Gauß-Verteilung) und die Weibull-Verteilung beschrieben wurden, soll hier noch kurz die Exponentialverteilung bzw. Gammafunktion beschrieben werden. Die Gammaverteilung stellt einerseits eine direkte Verallgemeinerung der Exponentialverteilung und andererseits eine Verallgemeinerung der sogenannten Erlang-Verteilung dar. Der Parameter b ist hierbei ein inverser Skalenparameter und der Parameter p ein Formparameter. Für p = 1 entspricht die Kurve der Exponentialfunktion; für den Grenzfall p entspricht die Kurve der Normalverteilung (Abbildung 179). Wenn die verschleißbedingte Ausfallrate als Funktion der Betriebsdauer t eines tribologischen Systems aufgetragen wird, so ergibt sich häufig eine Darstellung, die auch als „Badewannenkurve“ bezeichnet wird (Abbildung 180). In dieser Darstellung können drei Bereiche unterschieden werden: I. Degressive Ausfallrate zu Beginn II. Konstante Ausfallrate während des Normalbetriebs III. Progressive Ausfallrate gegen Lebensdauerende Abbildung 179: Gammaverteilungs- Funktion in Abhängigkeit der Parameter p und b [Wikipedia] Abbildung 180: Typische Ausfallraten-Verteilung über der Zeit 7 Design of Experiments (DOE) / Statistik 201 Keine der bisher vorgestellten Verteilungsfunktionen besitzt diese „Badewannen“- Charakteristik. Es müssen daher unterschiedliche Versagensdichtefunktionen für die Teilbereiche der drei Regime ausgewählt werden. Der Bereich I beschreibt das Gebiet der „Frühausfälle“. Dieses Gebiet mit abnehmender Versagensrate kann zum Beispiel bei tribologischen Systemen durch ein verbessertes Einlaufverhalten positiv beeinflusst werden. Der Bereich II mit konstanter Versagensrate ist der Bereich der üblichen Betriebsbedingungen. Ein Versagen tritt hier im Allgemeinen als eine Konsequenz statistisch voneinander unabhängiger Einzelfaktoren auf. Der Bereich III mit deutlich zunehmender Verschleißrate kann aus der Schadensakkumulation wirkender Verschleißmechanismen resultieren. Daher ist dieser Bereich besonders charakteristisch für das verschleißbedingte Versagen tribotechnischer Systeme. 7.5 Zusammenfassung DOE und Statistik Die in vielen Laboren und Prüffeldern übliche intuitive Vorgehensweisen bei der Versuchsplanung, wie das Ändern eines Faktors nach dem anderen (engl.: one factor at a time) oder nach dem Prinzip Versuch und Irrtum (engl.: trial and error), bringen bestenfalls zufällig ein optimales Versuchsergebnis hervor. Besser ist es, auf die Methoden der statistischen Versuchsplanung zurückzugreifen, mit der Versuche so definiert und durchgeführt werden können, dass mit einer bestimmten Anzahl an Versuchen das bestmögliche Ergebnis erzielt wird (d.h. die höchste Aussagekraft). Zahlreiche Computerprogramme erleichtern heute die Statistik und die Versuchsplanung (DoE) und unterstützen den Anwender bei der Planung und Interpretation, auch wenn dieser kein Mathematiker/ Statistiker ist. In der Tribologie werden allerdings leider meistens aus Zeit- und Kostengründen viel zu wenig Versuche gefahren, sodass eine statistische Auswertung quasi nicht möglich ist. Nur selten hat man die Chance, vernünftig aufgesetzte Versuchspläne in der praktischen täglichen Arbeit umzusetzen. 202 7 Design of Experiments (DOE) / Statistik 8 Oberflächenmesstechnik Da sich die tribologische Beanspruchung primär in den Oberflächenbereichen von Werkstoffen abspielt, ist die Oberflächencharakterisierung ein entscheidendes Thema. Neben der chemischen Charakterisierung spielt auch die Beschreibung der Topografie und der Rauheit eine große Rolle. Die Oberflächenstruktur hat in der Tribologie einen signifikanten Einfluss auf das tribologische Verhalten (z.B. im Tribosystem Welle/ Gleitlager). Kenngrößen, die durch die Oberflächenstruktur beeinflusst werden sind z.B. der Schmierungszustand (Schmierfilmhöhe), die wahre Kontaktfläche, lokale Kontaktdrücke, deformativer und adhäsiver Anteile der Reibung oder das Ölspeichervolumen. Je nach verwendeten Fertigungsverfahren bilden sich charakteristische Oberflächenstrukturen aus, die sich direkt auf das tribologische System auswirken (z.B. Honstrukturen in Zylinderbuchsen). 3D-Messgrößen und -Kennwerte bieten neue Möglichkeiten in der Beschreibung der Oberflächenstruktur und Morphologie. In diesem Kapitel soll daher auf die wichtigsten 2D- und 3D-Rauheitskennwerte etwas näher eingegangen werden. Anhand von Beispielen wird auch gezeigt, wie bestimmte Parameter genutzt werden können, Verschleiß zu detektieren und zu beschreiben. 8.1 Grundlagen und Begriffe Zu Beginn des Kapitels sollen noch einmal die wichtigsten Grundlagen aufgefrischt werden. So ist es wichtig, zwischen verschiedenen Oberflächenprofilen zu unterscheiden, da sie unterschiedliche Informationen enthalten: Abbildung 181: P-, W- und R-Profil im Vergleich Die Trennung zwischen diesen einzelnen Bereichen erfolgt mittels der Grenzwellenlängen Lambda . Man kann sich diese wie die Maschenweite eines Siebs vorstellen, durch die nur die gewünschten Steingrößen hindurch passen. Abbildung 182: Aufteilung der ertasteten 3D-Oberfläche in die Welligkeits- und Rauheitsanteile [Quelle: NanoFocus AG] 8.2 Messverfahren Für die Oberflächenvermessung gibt es eine Vielzahl von Messmethoden, welche sich in den physikalischen Grundlagen der Datenermittlung zum Teil deutlich unterscheiden. Grundsätzlich sind optische, d.h. berührungslose Verfahren von nicht-optischen, d.h. taktilen Verfahren abzugrenzen. Bereits hier soll darauf hingewiesen werden, dass sich die Messwerte, welche durch berührungslose Verfahren ermittelt wurden, nur bedingt mit den Messwerten von taktilen Geräten vergleichen lassen. In der Vergangenheit wurden vorwiegend taktile Systeme eingesetzt. Bei diesen wird eine Tastspitze langsam über die Oberfläche gefahren und die Auslenkung hochgenau registriert. Um dreidimensionale Messdaten zu erhalten, wurden mehrere Linien mit geringem Abstand zueinander nebeneinander aufgenommen. Taktile Geräte sind für übliche Rauheitsmessungen in der Qualitätssicherung und im Fertigungsbetrieb der absolute Standard. Gerade in der Wissenschaft nehmen aber heute optische Systeme zu, da diese zahlreiche Vorteile bieten und vollkommen neue Mess- und Auswertemöglichkeiten eröffnen. Im Bereich der optischen Messgeräte unterscheidet man zwischen: Geräten mit Fokusvariation (Autofokussensor) Weißlicht-Interferometrie Konfokalmikroskopie Laserscanning-Mikroskop Diese vier Systeme werden nachfolgend kurz beschrieben. 204 8 Oberflächenmesstechnik 8.2.1 Autofokussensor Bei einem Autofokussensor wird eine punktförmige Lichtquelle auf die Probe projiziert. Das reflektierte Licht wird vom Strahlteiler ausgekoppelt und über die Zylinderlinse auf den Detektor gelenkt. Ist die Oberfläche im Fokus, entsteht auf dem Detektor ein Kreis. Abweichungen von der Fokussierung ergeben eine Ellipse. Je nach Formabweichung wird über eine Vier-Quadranten-Fotodiode die unterschiedliche Stromverteilung ausgewertet und einem Regelkreis zugeführt. Der Regelkreis bewirkt mittels Verstellung der Objektivlinse die Nachführung des Fokus auf der Probenoberfläche. Die z-Bewegung wird aufgenommen und dient der Berechnung des Höhenprofils. Das Verfahren arbeitet wie taktile System linienförmig und ist entsprechend langsam. Oberflächen, die entweder stark oder sehr wenig reflektieren (d.h. dunkle Oberflächen) oder dessen Flankenwinkel der Spitzen / Riefen sehr steil sind, lassen sich mit dem Autofokussensor nur bedingt messen. 8.2.2 Weißlicht-interferometrie (WLI) Bei der Oberflächenvermessung mittels Weißlichtinterferometrie wird monochromatisches Licht auf die Oberfläche projiziert. Ein Teil des Lichts wird über einen Strahlenteiler geführt. Das von der Oberfläche reflektierte Licht wird mit dem abgezweigten Licht zusammengeführt und bildet dabei Interferenzlinien aus. Das Messobjekt wird ebenenweise flächig (im Sichtfeld des Objektivs) abgerastert. Anhand der Interferenzlinien jeder Ebene kann das Höhenprofil der Oberfläche berechnet werden. Oberflächen, die entweder stark oder sehr wenig reflektieren (d.h. dunkle Oberflächen) oder dessen Flankenwinkel der Spitzen / Riefen sehr steil sind, bereiten bei der Vermessung mittels Weißlichtinterferometrie Probleme. Ein großer Vorteil des Verfahrens ist, dass die Auflösung in Messrichtung (z) unabhängig vom Objektiv (Sichtfeld) ist, da die Geräte über eine hochgenaue messende z-Achse verfügen. Lediglich die Lateralauflösung in x- und y-Richtung wird vom Objektiv beeinflusst. Die höchste Auflösung erhält man mit der Messmethode „Phase-Shifting-Interferometry“ (PSI). Sie ist allerdings nur für sehr glatte Oberflächen, wie z.B. Spiegel oder Waver, geeignet (R a < 50 nm). Für technische Oberflächen ist die robustere sogenannte „Vertical-Scanning- Interferometry“ (VSI) besser geeignet. Auch mit dieser sind noch Auflösungen im Bereich von wenigen Nanometern möglich. 8.2.3 Konfokalmikroskopie Bei einem Konfokalmikroskop wird mithilfe einer Lochblende eine Punktlichtquelle erzeugt. Das vom Objekt reflektierte Licht durchtritt eine zweite Lochblende bzw. dieselbe Blende ein zweites Mal und trifft auf den Fotodetektor. Es entsteht eine Abbildung des beleuchteten Objektbereichs mit einer sehr geringen Tiefenschärfe, d. h. die Lichtintensität nimmt oberhalb und unterhalb der Fokusebene stark ab, sodass nur diese Ebene abgebildet wird. Um nicht nur einen Punkt, sondern die gesamte Fläche des Sichtbereichs zu erfassen, wird eine rotierende Blendenscheibe mit spiralförmig angeordneten Löchern (sog. Nipkow-Scheibe) verwendet. Moderne Instrumente nutzen anstelle von bzw. in Kombination mit Lochblenden eine Mikrolinsenscheibe. Auf diese Weise wird die Lichtausbeute erhöht, sodass auch wenig reflektierende oder sogar transparente Objekte abgebildet werden können. Für die dreidimensionale 8 Oberflächenmesstechnik 205 Abtastung wird der Abstand der Optik vom Objekt in winzigen Inkrementen verändert, sodass aus den Schichten der jeweils scharf abgebildeten Ebenen ein räumliches Bild zusammengesetzt werden kann. 8.2.4 Laserscanning-Mikroskop Laserscanning-Mikroskope sind die Weiterentwicklung eines Konfokalmikroskops. Bei ihnen kommen aber zwei Lichtquellen zum Einsatz: eine Laserquelle und eine weiße Lichtquelle. Diese beiden Arten von Lichtquellen ermöglichen die Erfassung von Laserintensität, Farb- und Höheninformation, sodass unterschiedliche kombinierte Darstellungen möglich sind, was den Informationsgehalt deutlich erhöht. Die Mikroskope arbeiten ansonsten nach dem bereits zuvor beschriebenen konfokalen Prinzip. 8.3 2D-Oberflächenparameter 8.3.1 Amplitudenkennwerte Um ein tiefergehendes Verständnis für die Struktur der betrachteten Oberfläche zu erhalten, reichen einfache Oberflächenkennwerte wie z.B. der arithmetische Mittenrauwert R a und die gemittelte Rautiefe R z nicht aus, da diese nur ein begrenztes Informationspotential besitzen. So können Oberflächen mit vollkommen unterschiedlicher Topografie die gleichen R a - und R z -Werte aufweisen (siehe Abbildung 183). Abbildung 183: Problem der mangelnden Beschreibung der Oberflächenform durch R a und R z Eine bessere Beschreibung der Oberflächenstruktur liefern sogenannten „zusammengesetzte Kenngrößen“, die auf Basis des Materialanteils (bzw. Mithilfe der Abbott- Firestone-Kurve / Traganteilskurve) berechnet werden. 206 8 Oberflächenmesstechnik 8.3.2 Traganteilskurve (Abbott-Firestone-Kurve) Die Ermittlung der Traganteilskurve kann man sich gedanklich so vorstellen, dass virtuell eine Linie von oben nach unten durch das Profil geschoben wird. Der jeweilige prozentuale Materialanteil wird bestimmt und ins Diagramm übertragen (Abbildung 184). Abbildung 184: Herleitung der Traganteilskurve (Abbott-Kurve) Aus dieser Kurve lassen sich dann weitere Kennwerte, insbesondere für die Randbereiche, ermitteln. Dies sind im Einzelnen: Kernrautiefe R k Höhe des mittleren Profilbereichs Reduzierte Spitzenhöhe R pk Höhe der Spitzen (peaks) ohne Extremwerte (die relativ schnell verschleißen) Reduzierte Riefentiefe R vk Höhe der Täler (valley) ohne Extremwerte Kleinster Materialanteil M r1 Prozentualer Anteil der Spitzen Größter Materialanteil M r2 Prozentualer Anteil der Täler Diese Kennwerte sind mathematisch nur berechenbar, wenn die Abbott-Kurve einen S-förmigen Verlauf hat. Bei mechanisch gefertigten Oberflächen (Schleifen, Fräsen, Drehen, Honen, Läppen) ist dies der Fall. Kritisch bzw. nicht auswertbar sind beispielsweise laserstrukturierte Oberflächen. Ein praktisches Beispiel zum Einsatz dieser Kennwerte stellt die Oberflächencharakterisierung von Wellen in Gleitlagern dar. Einfache Kenngrößen wie R a oder R z lassen keine konkreten Aussagen über die Materialverteilung der Bauteiloberfläche zu und sind somit für die Beschreibung der Funktion nicht ausreichend. Aus Erfahrung weiß man, dass glatte, plateauartige Oberflächen mit moderaten Riefen für das Ölrückhaltevermögen und zur Fremdpartikeleinbettung günstig sind. Gewünscht sind somit hohe R k -Werte im Vergleich zu kleinen R pk -Werten und mittleren bis hohen R vk -Werten. Zusätzlich muss man sicherstellen, dass es sich tatsächlich um eine plateauartige Oberfläche handelt. Hierzu kann das Verhältnis zwischen R z und R k herangezogen werden. Der R z -Wert sollte dabei deutlich höher als der R k -Wert sein. 8 Oberflächenmesstechnik 207 8.4 3D-Oberflächenparameter 8.4.1 Vorteile der 3D-Messtechnik und Einteilung der Kennwerte Die 3D-Oberflächenmesstechnik bietet zahlreiche Vorteile gegenüber der altbekannten 2D-Technik [VOLZ2013]. Dies sind: 2D-Parameter korrelieren oft nicht mit der technischen Funktion z. B. Effizienz von Photovoltaikzellen - Reib- und Verschleißverhalten auf der Mikro-Skala Fehlende statistische Sicherheit bei 2D-Linienscans - Linienscan muss senkrecht zur Bearbeitungsspur sein - Radius und Qualität der Messspitze beeinflussen Resultat - Begrenzte Anzahl von Messlinien - Betrachteter Anteil der Gesamtfläche ist gering Berührungsfreie Messung keine Beschädigung von Probe oder Messspitze Zur Beschreibung von gerichteten Strukturen reicht die übliche 2D-Linienmessung üblicherweise noch aus. Gerade in der Qualitätssicherung in der mechanischen Fertigung hat sie immer noch ihre Berechtigung, da sich hier die Bearbeitungsverfahren nicht grundlegend ändern und mit den einfachen Kennwerten z.B. die Qualität eines Flachschleifprozesses gut bewertbar ist. Taktile 2D-Systeme sind robust und für den Vor-Ort-Einsatz in einer Werkstatt geeignet. Bei regelmäßigen 3-dimensionalen Strukturen ist eine gewisse Qualitätssicherung auch noch mit Linienschrieben möglich. Die 3D-Kennwerte liefern hier aber schon entscheidende Vorteile und wichtige zusätzliche Informationen. Neuartige und teilweise stochastische Oberflächenstrukturen, wie sie bei Ätzprozessen oder der Laserstrukturierung entstehen, lassen sich ausschließlich mit 3D- Messungen charakterisieren. 2D-Messungen liefern hier rein zufällige Ergebnisse (Abbildung 185). Zahlreiche der nachfolgend präsentierten Bilder wurden dankenswerter Weise von Dr. Udo Volz von der Firma Bruker Nano GmbH speziell für dieses Buch erzeugt oder überarbeitet. 208 8 Oberflächenmesstechnik Abbildung 185: Eignung von 2D- und 3D-Kennwerten zur Oberflächencharakterisierung [Quelle: Bruker Nano GmbH, U. Volz] Die 3D-Messtechnik liefert eine Vielzahl an neuen Parametern. Bei den Amplitudenparametern handelt es sich dabei vorwiegend um aus dem 2-dimensionalen Raum überführte Parameter. Wirklich neu sind die räumlichen Parameter, die Hybridparameter und die funktionalen Parameter (Abbildung 186). Abbildung 186: Unterschiedliche Arten von 3D-Oberflächenparametern [Quelle: Bruker Nano GmbH, U. Volz] Die in der Tribologie wichtigsten Parameter werden nachfolgend kurz erläutert. 8 Oberflächenmesstechnik 209 8.4.2 Amplitudenparameter Wie bereits erwähnt handelt es sich bei den Amplitudenparametern um die 3-dimensionalen Pendants zu den alt-bekannten 2D-Parametern. Aus R q und R a wird im 3dimenisonalen Raum beispielsweise S q und S a . Abbildung 187 zeigt, dass die Einschränkungen bezgl. der mangelhaften Aussagefähigkeit von einfachen Amplitudenparametern auch für die 3D-Kenngrößen gelten außer, dass Sie durch die dritte Dimension statistisch belastbarer sind. Die wichtigsten 3D-Amplitudenparameter sind: S q - durchschnittliche quadratische Höhe der Oberfläche S a - arithmetische Durchschnittshöhe der Oberfläche Abbildung 187: Vollkommen unterschiedliche Oberflächenstrukturen mit gleichen S a und S q -Werten [Quelle: Bruker Nano GmbH, U. Volz] S p - Maximale Spitzenhöhe der Oberfläche Der Parameter S p gibt den größten Wert aller gemessener Spitzen auf der Oberfläche an. S v - Maximale Muldenhöhe der Oberfläche Der Wert S v gibt den größten Wert aller gemessener Mulden auf der Oberfläche an. S z - Maximale Höhe der Oberfläche S z ist die Summe aus dem größten Wert der Spitzenhöhe (S p ) und dem größten Wert der Muldenhöhe (S v ) S z = S p + S v Die Aussagefähigkeit dieser Maximalwerte ist sehr beschränkt, da es sich um einzelne Extremwerte handelt, die ggf. sogar auf einen Messfehler oder eine Verschmutzung zurückzuführen sind. 210 8 Oberflächenmesstechnik Etwas interessanter als die bisherigen einfachen Kennwerte sind die folgenden Werte, die schon etwas mehr über die Oberflächengestalt aussagen, obwohl sie auch zur Gruppe der Amplitudenparameter gehören. S sk - Schiefe der Oberfläche Der Wert der Schiefe gibt an, ob die Oberfläche ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Spitzen und Tälern zeigt oder ob Spitzen oder Täler dominieren. Abbildung 188: Beispiele für unterschiedliche Schiefe und Kurtosis der Oberfläche Die Schiefe der Oberfläche ist ein tribologisch wichtiger Kennwert, da er eine Interpretation hinsichtlich der Abrasionsneigung und des Einlaufverhaltens erlaubt. Eine Schiefe kleiner null ist für die tribologische Anwendung meistens günstig. S ku - Kurtosis der Oberfläche Der Parameter S ku beschreibt die „Spitzigkeit“ einer Oberfläche, d.h. ob die Oberfläche lokale, positive oder negative Peaks aufweist oder nicht. Auch dieser Kennwert erlaubt Aussagen zum Einlaufverhalten, da wenige Spitzen (Kurtosis >3) schneller verschleißen als eine Vielzahl. Für die Interpretation der Oberflächengestalt sollte man die Kurtosis und die Schiefe betrachten (Abbildung 189). 8 Oberflächenmesstechnik 211 Abbildung 189: Vergleich einer spitzigen und einer plateauartigen Oberfläche mit ähnlicher Kurtosis (S ku ) aber signifikant unterschiedlicher Schiefe (S k ) [Quelle: Bruker Nano GmbH, U. Volz] Auch die Werte für die Traganteilskurve wurden in den dreidimensionalen Raum übertragen (Abbildung 190). Abbildung 190: Materialanteilskurve mit den daraus abgeleiteten Kennwerten 212 8 Oberflächenmesstechnik Da es sich hier aber dann um Volumenkennwerte handelt, ist die Bedeutung für die Tribologie größer, was an den nachfolgenden Kennwerten verdeutlicht wird: V m - Materialvolumen der Oberfläche -- > Volumen des Materials pro Flächeneinheit bei einem gegebenen Materialanteil, berechnet aus der Materialanteilkurve. V v - Luft-/ Leervolumen der Oberfläche -- > Volumen der Leerräume pro Flächeneinheit bei einem gegebenen Materialanteil, berechnet aus der Materialanteilkurve. Abbildung 191: Volumenkennwerte, die sich aus der Materialanteilskurve ermitteln lassen Das Peak Material Volume (V mp ) beschreibt den Anteil der höchsten Berge. Über diese wird der erste Kontakt von Grund- und Gegenkörper ausgebildet. An den Spitzen herrschen hohe Kontaktspannungen, durch die es im ungünstigsten Fall zum Beispiel bei unzureichender Additivierung des Zwischenstoffs zu adhäsiven Versagen kommen kann. Sie glätten sich relativ schnell im Einlaufprozess ein. Anschließend übernimmt das Core Material Volume (V mc ). Dieses beschreibt das tragende Materialvolumen und ist damit wichtig für den Dauerbetrieb. Das Core Void Volume (V vc ) ist das Leervolumen, welches als Haupt-Schmierstoffreservoir wirkt. Die mit dem Valley Void Volume (V vv ) beschriebenen tiefsten Täler liefern einen kleineren Anteil für die Schmierstoffspeicherung. 8 Oberflächenmesstechnik 213 8.4.3 Hybridparameter / Mischparameter Die Hybrid- oder Mischparameter liefern Aussagen zur Oberflächenstruktur, die bisher mit den 2D-Kennwerten nicht beschrieben werden konnten. Mit Hilfe der Autokorrelation können isotrope (ungerichtete) von anisotropen (gerichtete) Oberflächen objektiv unterschieden werden. Außerdem sind Aussagen zur Form der Oberfläche möglich. Der Raumparameter S tr gibt Auskunft über die Isotropie einer Oberfläche (Abbildung 192): S tr -Wert gegen 1: Isotropie (Oberfläche ist ungerichtet) S tr -Wert gegen 0: Anisotropie (Oberfläche ist gerichtet) Abbildung 192: Geschliffene Stahloberfläche als Beispiel für eine stark anisotrope Oberfläche [Quelle: Bruker Nano GmbH, U. Volz] Der Kennwert ist eine objektive Größe für die Isotropie der Oberfläche. Diese Werte haben beispielsweise in Kombination mit der Bewegungsrichtung einen großen Einfluss auf die Mikrohydrodynamik und das abrasive Verhalten unter tribologischer Beanspruchung. S al - Autokorrelationslänge der Oberfläche Der S al -Wert beschreibt die Wellenlänge der Strukturen (Abbildung 193): -- > hohe Werte deuten auf eher langwellige Strukturen hin, -- > niedrige Werte dahingegen auf kurzwellige Strukturen. Abbildung 193: Beispiele für deutlich unterschiedliche Autokorrelationslängen 214 8 Oberflächenmesstechnik S dq - quadratischer Mittelrauwert der Steigung der Oberfläche Der S dq -Parameter gibt Auskunft über die auf der Oberfläche vorhandenen Steigungen. Große Steigungen bedeuten eine zerklüftetet Oberfläche, wohingegen geringe Steigungen auf eine glattere, verrundetet Struktur hindeuten (Abbildung 194). Flächen, die eine ähnliche arithmetische Durchschnittshöhe (S a -Wert) haben aber eine andere Topografie aufweisen, können dank des S dq -Wertes gut unterschieden werden. Nachteil ist die Verstärkung vorhandener Störsignale, wodurch der Messwert mit einer gewissen Unsicherheit behaftet ist. Der S dq -Parameter ist ein wichtiger Messwert zur Bewertung des optischen Verhaltens (Glanz, Reflexion). Abbildung 194: Beispiele für Oberflächen mit deutlich unterschiedlichen Steigungen innerhalb der Oberfläche [Quelle: Bruker Nano GmbH, U. Volz] S dr - gestrecktes Aussehensverhältnis der Oberfläche / Übergangsverhältnis der Oberfläche Der S dr -Oberflächenparameter gibt Auskunft über die räumliche Komplexität der Oberfläche. Er ist abhängig von der Amplitudenhöhe sowie der räumlichen Verteilung der Spitzen und Täler. Vollkommen ebene Oberfläche haben einen S dr -Wert nahe 0 %. Je komplexer die Oberfläche wird, umso größer wird der S dr -Wert (Abbildung 195). Der Kennwert berechnet sich aus dem Verhältnis der wahren Oberfläche zur geometrischen Messfläche. Der Kennwert ist in der Tribologie von Bedeutung, da er Aussagen zum Ölrückhaltevermögen und zum Einlaufverhalten liefert. 8 Oberflächenmesstechnik 215 Abbildung 195: Beispiele für Oberflächen mit deutlich unterschiedlichen Sdr-Werten [Quelle: Bruker Nano GmbH, U. Volz] S ds - Dichte der Spitzen Der S ds -Oberflächenparameter gibt Auskunft über die Anzahl der lokalen Maxima auf der Oberfläche. Eine Spitze ist dabei definiert als ein Punkt, der größer ist als die 8 nächsten Nachbarpunkte und der über einem Grenzwert von 5 % des S z -Parameters liegt. 216 8 Oberflächenmesstechnik S sc - mittlere arithmetische Krümmung der Spitzen/ Hochpunkte Der S sc -Oberflächenparameter gibt Auskunft über die Krümmungsradien der lokalen Maxima auf der Oberfläche. Abbildung 196: Beschreibung des Verschleißzustandes einer Welle anhand der Dichte der Spitzen und der mittleren arithmetischen Krümmung der Spitzen [Quelle: Bruker Nano GmbH, U. Volz] 8.4.4 Fazit 3D-Kennwerte in der ISO 25178 Leider handelt es sich bei der ISO 25 178 um eine sehr theoretisch-mathematisch aufgebaute Norm, deren Einsatz und Anwendung umfangreiches Basiswissen erfordert. Da die Norm sehr „akademisch“ aufgebaut ist, ist eine Umsetzung in die Praxis schwierig. Es ist zu hoffen, dass diese Norm in den nächsten Jahren anwenderfreundlicher ausgestaltet wird und mehr Beispiele und Hinweise erhält. 8 Oberflächenmesstechnik 217 8.5 Filter und Fehlstellenkorrektur In diesem Kapitel soll kurz auf die Filterung des Rohsignals und die Fehlstellenkompensation eingegangen werden. Diese haben einen signifikanten Einfluss auf das Messergebnis. Bei der taktilen Messung wirkt die Tastspitze als mechanischer Filter (Abbildung 197). In der optischen Messtechnik simulieren mathematische Filter die Tastspitze, um vergleichbare Kennwerte zu erzielen. Abbildung 197: Unterschiedliche Erfassung einer Oberfläche mit einem taktilen und einem optischen System Eine Filterung vor der Parameterberechnung ist zwingend notwendig, da nur so Artefakte sowie inneren und äußere Einflüsse (Rauschen, Fehlstellen, Verkippung) eliminiert und Reproduzier- und Vergleichbarkeit gewährleistet werden können. Neben der Filterung müssen bei optischen Messsystemen auch noch Fehlstellen korrigiert werden, die sich hier nahezu nicht vermeiden lassen. Ohne Fehlstellenkorrektur können bestimmte Parameter, wie z.B. Hybridparameter gar nicht berechnet werden. Typische Ursachen für Messfehler sind neben den gegebenen topografischen Eigenschaften der Oberfläche, zu geringe Lampenintensität, zu hohe Messraten und unpassender Mindestintensitätsfilter. Ein bekanntes Problem tritt beim Zusammenfügen von mehreren Bildern / Messflächen (sog.: Stitching) auf. Dieses Verfahren wird eingesetzt, um größere Messflächen aufnehmen zu können als es die Sichtoptik des Gerätes hergibt. Typisch ist hierbei ein schachbrettartiges Muster, das mehr oder minder schwach auf der Oberfläche des zusammengesetzten Bildes zu erkennen ist (Abbildung 198). Das Problem lässt sich mit einer ausreichenden Überdeckung der Einzelbilder meistens reduzieren. Trotzdem ist immer eine Kontrolle des Ergebnisses vor der weiteren Auswertung notwendig. 218 8 Oberflächenmesstechnik Abbildung 198: Schachbrettmuster als typisches Stitching-Artefakt Im nächsten Schritt der Auswertung sollen häufig überlagerte Formen wie z.B. eine Kugel- oder Zylinderform herausgefiltert werden (sog. F-Operationen). Hierzu werden Gauß- oder Spline-Filter eingesetzt: ISO 16610-61 - Gauß-Filter (FALG) ISO 16610-71 - Robuster Gauß-Filter (FARG) ISO 16610-62 - Spline-Filter (FALS) Wie der Einsatz eines (falschen) Filters das Darstellungsergebnis beeinflussen kann, zeigen die Abbildung 199 und Abbildung 200. Gefährlich ist, dass nicht nur Strukturen herausgefiltert werden, sondern die Oberflächenstruktur gar nicht mehr mit der ursprünglichen übereinstimmt und beispielsweise Täler oder Erhöhungen zeigt, die es in der Realität gar nicht gibt. 8 Oberflächenmesstechnik 219 Abbildung 199: Filterergebnis beim Einsatz eines robusten und eines nicht-robusten Gauß-Filters [Quelle: Bruker Nano GmbH, U. Volz] Abbildung 200: Filterergebnis beim Einsatz eines Filters 0. Ordnung und 2. Ordnung [Quelle: Bruker Nano GmbH, U. Volz] 220 8 Oberflächenmesstechnik 8.6 Praxisbeispiel mikrostrukturierte Kunststoffgleitfläche Zum Abschluss dieses Kapitels über Oberflächenmesstechnik soll noch ein Praxisbeispiel vorgestellt werden, das anschaulich zeigt, dass eine objektive Bewertung der Oberfläche trotz der zahlreichen neuen 3D-Kennwerte nicht trivial ist. Veränderungen, die man optisch relativ leicht erkennen kann, spiegeln sich in den Kennwerten nicht immer so wider, wie man das erwartet. Abbildung 201 zeigt Mikroskopaufnahmen einer definiert strukturierten Kunststoffoberfläche über die ein ringförmiger Gegenkörper geglitten ist. Mit bloßem Auge erkennt man hier eine Plateaubildung infolge des Einlaufverschleißes und eine minimale Riefung. Abbildung 201: Laufspur eines Gleitkörpers auf einer strukturierten Kunststoffoberfläche Möchte man diese nun mittels 3D-Parametern objektiv und quantitativ charakterisieren, so stellt man fest, dass nur wenige Kennwerte deutliche Veränderungen zeigen (Tabelle 11). Ein weiteres Problem ist die relativ starke Streuung der Kennwerte auf den Neuteilen. In diesem Fall wurde vergessen, exakt definierte Messflächen zu markieren, die vor und nach dem Versuch vermessen werden. So kann ein Vergleich nur mit Referenzflächen außerhalb der Gleitspur stattfinden. Betrachtet man die Streuung innerhalb dieser scheinbar gleichartigen Referenzflächen wird deutlich, dass nur signifikante Veränderungen statistisch sauber ermittelt werden können. Innerhalb der Gleitspur erkennt man hier eine deutliche Abnahme der reduzierten Spitzenhöhe und des prozentualen Anteils der Spitzen. Die Abnahme der Schiefe zeigt, dass es zu einer gewissen Riefenbildung gekommen ist. Alle anderen Kennwerte liegen allerdings im Bereich der Streuung und lassen keine sichere Aussage zu. Für 8 Oberflächenmesstechnik 221 einen schnellen Überblick empfiehlt sich hier die Funktion „Bedingte Formatierung“ in Excel, mit der Zahlenwerte leicht und schnell visualisiert werden können. So lassen sich auch Ausreißer oder Fehleingaben leicht erkennen und beheben. Tabelle 11: Verschiedene 3D Kennwerte innerhalb und außerhalb der Gleitspur außerhalb Spur innerhalb Spur Arithm. Durchschnittshöhe Sa 1.6858 1.5964 Max. Höhe der Oberfläche Sz 28.0282 26.4831 Max. Spitzenhöhe Sp 11.2813 11.5187 reduzierte Spitzenhöhe Spk 2.1798 1.0868 prozentualer Anteil Spitzen SMr1 9.5833 5.8990 prozentualer Anteil Täler SMr2 91.1713 91.1738 Kern-Rauheitstiefe Sk 5.5538 5.5966 reduzierte Muldenhöhe Svk 2.1097 1.9302 durchschnittliche quadr. Höhe Sq 2.1218 1.9492 Schiefe Ssk<0: Ri efen; Ssk<0: Spitz Ssk 0.0343 -0.2722 Kurtosis (Spitzigkeit) Sku<3 vi el e Spitzen, Sku>3 Sku 3.2233 2.7425 222 8 Oberflächenmesstechnik 9 Oberflächenanalytik und chemische Analysen Ziel der modernen Tribometrie ist es, nicht einfach nur Kennwerte zu erzeugen, sondern das tribologische System bestmöglich zu verstehen. Für dieses Verständnis sind oberflächenanalytische Methoden und chemische Analytik unverzichtbar. In den letzten Jahren wurden die Möglichkeiten in diesem Bereich deutlich verbessert. Gleichzeitig sind die Analysen günstiger und schneller geworden, sodass der Einsatz auch bei „normalen“ Fragestellungen sinnvoll ist und nicht nur auf die Grundlagenforschung beschränkt ist. Die nachfolgende Abbildung 202 gibt einen Überblick, welche Verfahren in der Tribologie eingesetzt werden, welche laterale Auflösung sie haben und über welche Nachweisempfindlichkeit die einzelnen Methoden verfügen. Abbildung 202: Übersicht über Analysemethoden und ihre laterale Auflösung sowie Nachweisempfindlichkeit [Quelle: NMI Reutlingen] Nachfolgende Tabellen liefern noch einmal eine tabellarische Übersicht der Methoden (Tabelle 12 und Tabelle 13). Im folgenden Kapitel werden einige dieser Verfahren und ihre Anwendung in der Tribologie näher erläutert. Tabelle 12: Übersicht Analysetechniken (1) [Quelle: NMI Reutlingen] Tabelle 13: Übersicht Analysetechniken (2) [Quelle: NMI Reutlingen] 224 9 Oberflächenanalytik und chemische Analysen 9.1 Rasterelektronenmikroskopie (REM) mit energiedispersiver Röntgenanalyse (EDX) und Focus-Ion-beam- Technologie (FIB) Die Mikroskopie ist die wichtigste Analysemethode bei tribologischen Versuchen. Ein normales Stereomikroskop sollte immer in der Nähe der Prüfstände stehen, um Proben vor und nach einem Versuch zu begutachten. So können zahlreiche Fehler und Probleme frühzeitig ausgeschlossen werden. Teilweise erkennt man schon bei der ersten Begutachtung, dass die Oberflächen beschädigt sind oder nicht der Spezifikation entsprechen. Nach dem Versuch kann man schnell prüfen, ob der Kontakt gut ausgerichtet war, welche Verschleißerscheinungsformen aufgetreten sind und ob es sonstige Auffälligkeiten gibt. So vermeidet man Fehlinterpretationen, die sich bei der alleinigen Bewertung der Messwerte ergeben könnten. Ob ein Peak im Reibkraftsignal beispielsweise auf ein adhäsives Versagen oder vielleicht nur auf einen einzelnen Partikel im Spalt zurückzuführen ist, lässt sich gegebenenfalls leicht durch eine mikroskopische Betrachtung der Kontaktstelle beurteilen. Die Auflösung und Tiefenschärfe von Lichtmikroskopen ist allerdings begrenzt, weswegen für höhere Vergrößerungen Elektronenmikroskope benötigt werden. Das Transmissionselektronenmikroskop (TEM) erlaubt bis zu subatomaren Auflösungen allerdings müssen die Proben hierzu aufwändig präpariert werden. Diese Geräte kommen daher üblicherweise fast nur in der Grundlagenforschung zum Einsatz. Klassische Rasterelektronenmikroskope (REM) hingegen gehören bereits zur Grundausstattung guter Labore und Forschungsabteilungen. Zum Bildaufbau können beim REM die Sekundärelektronen (SE) oder die Rückstreuelektronen (engl. back scattered electrons - BSE) verwendet werden. Die Sekundärelektronen liefern hierbei vorwiegend eine Topografie-Information wohingegen die BS-Elektronen auch den Materialkontrast zeigen (hell = hohe Dichte, dunkel = niedrige Dichte). Mittels dieser Darstellungsart können beispielsweise Bleieinschlüsse in einer Gleitlagerlegierung gut sichtbar gemacht werden. Moderne Geräte benötigen nicht immer ein Hochvakuum, sondern bieten einen sogenannten Variable-Pressure-Mode (VP-Mode), der speziell zur Untersuchung von nicht-leitfähigen Proben geeignet ist. Für die klassische Rasterelektronenmikroskopie mussten die Proben früher immer leitfähig sein oder mussten vor der Untersuchung durch Bedampfen mit leitfähigen Materialien leitfähig gemacht werden. Der Nachteil ist, dass solche Proben dann nicht mehr für tribologische Versuche eingesetzt werden können. Im VP-Mode befindet sich nur der obere Teil der Elektronenstrahls im Hochvakuum; die Prüfkammer benötigt nur Mittelvakuum. Über die Probe wird Stickstoff geleitet, was eine Aufladung der nicht leitfähigen Probe verhindert. In diesem Modus sind nicht ganz so große Vergrößerungen möglich und der Kontrast ist schlechter als im Hochvakuum, dafür können aber auch nicht leitfähigen Proben wie Kunststoffe und Beschichtungen ohne Bedampfung betrachtet werden. Diese Proben können anschließend weiterhin in tribologischen Versuchen eingesetzt werden. Eine interessante zusätzliche Option ist das Ionenstrahlätzen (engl.: focused ion beam). Mit einem Ionenstrahl kann die Probe direkt im Rasterelektronenmikroskop bearbeitet werden. So können beispielsweise feine Lamellen für die Transmissionselektronenmikroskopie herauspräpariert werden. Für die tribologische Analyse ist die 9 Oberflächenanalytik und chemische Analysen 225 sogenannte Crossbeam-Variante (XB) von Interesse. Hier wird mittels des Ionenstrahls ein keilförmiger Krater in der Probe erzeugt, dessen Wandung dann mit dem Elektronenstrahl des Rasterelektronenmikroskops direkt analysiert werden kann (Abbildung 211). Da der Ionenstrahl das Material sehr fein abträgt, ist anders als bei metallurgischen Schiffen keine aufwändige Nachbearbeitung notwendig. Eine Übersicht dieser unterschiedlichen Mikroskope und ihrer Arbeitsweise zeigt Abbildung 203. Abbildung 203: Übersicht der wichtigsten Mikroskoparten [Quelle: NMI Reutlingen] Für die Elementanalyse im Rasterelektronenmikroskop wird häufig die energiedispersive Röntgenanalyse verwendet (EDX). Seltener wird die wellenlängendispersive Röntgenanalyse (WDX) eingesetzt. Mittels EDX können atomare Elemente der Oberfläche bestimmt werden. Moderne Systeme können alle Elemente ab Helium detektieren. Chemische Verbindungen können bei diesem Verfahren allerdings nicht direkt erkannt werden. Mit dem Verfahren ist auch eine quantitative Analyse möglich. Mittels sogenannter Mappings kann die Elementverteilung auf der Oberfläche dargestellt werden. So können zum Beispiel Einschlüsse, Partikel oder Fasern leicht erkannt und bestimmt werden, was bei Gleitlacken oder Kunststoffen von Interesse ist. 226 9 Oberflächenanalytik und chemische Analysen Abbildung 204: Funktionsweise energiedispersiver Röntgenanalyse (EDX) [Quelle: NMI Reutlingen] Mittels der sogenannten EBSD-Technik (engl.: electron backscatter diffraction) kann die Kristallorientierung des Werkstoffs ermittelt werden. Hierzu werden die von den Kristallflächen des Objekts reflektierten Elektronen auf einen Detektorschirm projiziert und die so entstehenden Kikuchi-Linien mit Hilfe eines Computers analysiert und kristallographischen Richtungen (Millersche Indizes) zugeordnet. Dies ist insbesondere bei Hochtemperaturwerkstoffen von großer Bedeutung, da damit Umwandlungsvorgänge in Abhängigkeit der Temperatur nachgewiesen werden können. Abbildung 205: Kikuchi-Linien mit ermittelten Kristallrichtungen 9 Oberflächenanalytik und chemische Analysen 227 9.2 Fourier-Transformations-Infrarotspektrometer (FTIR) und Ramanspektroskopie Im Bereich der chemischen Analyse der Zwischenstoffe aber auch der Kunststoffe bieten sich die FTIR- und Ramanspektroskopie als Analysemethoden an. Anders als bei dispersiven Messgeräten wird bei der FTIR-Spektrometern das Spektrum nicht durch eine schrittweise Änderung der Wellenlänge aufgenommen, sondern mittels einer Fourier-Transformation aus einem zuvor gemessenen Interferogramm berechnet. Die beiden Messverfahren ergänzen sich und werden häufig in Kombination angewandt, da es infrarot- oder raman-aktive Substanzen gibt (Abbildung 207) Abbildung 207: Raman-Intensität und FTIR-Absorptionsspektrum eines Aldehyds (chemische Verbindung, die als funktionelle Gruppe eine endständige Carbonylgruppe CHO enthält) [Quelle: NMI Reutlingen] Die FTIR-Absorptionsspektroskopie ist die Standardmethode zur Schmierstoffanalyse. Sie wird zur Identifizierung von organischen Substanzen wie auch von funktionellen Gruppen verwendet. Mit dieser Methode können Flüssigkeiten, Filme, Feststoffe oder Pulver analysiert werden. Grenzen dieses Verfahrens sind: Abbildung 206: Skizze Funktion FTIR-Spektroskopie [Quelle: NMI Reutlingen] 228 9 Oberflächenanalytik und chemische Analysen Limitierte Oberflächensensitivität Typische Informationstiefe = Zentrum des analysierten Probenvolumens ~0.8 μm Minimaler Analysebereich ~ 15 μm Limitierungen in der anorganischen Information Typischerweise nicht quantitativ Abbildung 208: Skizze Raman-Spektroskopie Mittels der Raman-Spektroskopie ist die Identifizierung der molekularen Struktur von organischen und anorganischen Stoffen möglich. Es können damit zum Beispiel auch Kohlenstoffschichten oder nicht-kovalente Bindungen (Komplexe oder Metallverbindungen) analysiert werden. Zudem sind Stressmessungen und Messungen der Orientierung möglich. Der minimale Analysebereich liegt etwa bei 1 μm ansonsten gelten ähnliche Limitierungen wie bei der FTIR-Spektroskopie. Obwohl moderne Analysegeräte eingebaute Datenbanken haben und man mittlerweile charakteristische Schwingungsfrequenzen zahlreicher Verbindungen im Internet finden kann, ist für die Interpretation der Spektren und Banden und deren Veränderung viel Erfahrung notwendig. Es empfiehlt sich daher, solche Analysen an einem Institut durchführen zu lassen, das auf dem Gebiet der Schmierstoffanalytik Erfahrung hat. Dieser Tipp gilt auch für alle weiteren hier vorgestellten Analyseverfahren. Mittels Raman-Spektroskopie kann beispielsweise die tribologische Veränderung eines Kunststoffs (POM) durch die Reibenergie nachgewiesen werden [LUTZ2015]. Eine ähnliche Aussage ist auch mittels des nächsten vorzustellenden Verfahrens, der XPS-Analyse, möglich. 9 Oberflächenanalytik und chemische Analysen 229 9.3 Röntgen-Photonen-Spektroskopie (XPS) XPS eignet sich zur Oberflächenanalyse von organischen und anorganischen Materialien. Es sind alle Elemente außer Wasserstoff und Helium detektierbar. Das Analysenergebnis stammt aus den obersten 10 Nanometern des Festkörpers. Das Verfahren ist somit sehr oberflächensensitiv. Die Probe wird im Ultrahochvakuum mittels einer Photonenquelle beschossen (Abbildung 209). Der Energiezustand des emittierten Photoelektrons ist charakteristisch für das Material. Grenzen der Methode sind: Nachweisempfindlichkeit ~ 0.1 at% Laterale Auflösung ~10 μm Limitiert in der spezifischen organischen Information Materialien müssen UHV tauglich sein Abbildung 209: Skizze Röntgen-Photonen-Spektroskopie (XPS) [Quelle: Wikipedia Commons (Saith)] 230 9 Oberflächenanalytik und chemische Analysen 9.4 Sekundär-Neutralteilchen-Massenspektrometrie (SNMS) und Sekundär-Ionen-Massenspektrometrie (SIMS) Bei diesen beiden Verfahren wird die Oberfläche mit Primärionen beschossen (meistens Sauerstoff- oder Argonionen). Aufgrund der relativ hohen Energie dieser Ionen kommt es zu einer Reaktionskaskade in der Werkstoffoberflächen und zum Herausschleudern von Sekundärionen (SIMS) oder Neutralteilchen (SNMS), welche im angeschlossenen Flugzeit-Massenspektrometer (engl.: Time-of-flight (ToF) mass spectrometer) analysiert werden (daher der vollständige Name ToF-SIMS) (Abbildung 210). Abbildung 210: Funktionsweise SIMS [Quelle: NMI Reutlingen] Mittels dieses Verfahrens sind ultrahoch aufgelöste Tiefenprofile mit einer Tiefenauflösung von etwa 1 Nanometer möglich. Die laterale Auflösung liegt bei SIMS unter 10 μm. Der Vorteil von SNMS ist die Quantifizierbarkeit. Es können alle chemischen Elemente (einschließlich H, B, C, O, N) detektiert werden. Die Nachweisempfindlichkeit liegt bei SIMS im Bereich von ppm bis ppb und beim SNMS im Bereich einiger ppm. Um Tiefenprofile zu erzeugen, wird zwischen einem Abtragszyklus mit höherer Energie und einem Messzyklus hin und her gewechselt. So werden üblicherweise die obersten 100 nm abgetragen und analysiert. Nachteile dieser Verfahren sind, dass nur vakuumstabile Festkörper analysiert werden können und es sich um ein zerstörendes Verfahren handelt. Die analysierte Fläche kann also nicht weiter für tribologische Versuche verwendet werden. 9 Oberflächenanalytik und chemische Analysen 231 Die Verfahren sind zum Nachweis von tribologischen Reaktionsschichten äußerst gut geeignet. In zahlreichen Projekten konnte mithilfe dieser Methoden die Wirkung von Additiven auf Oberflächen nachgewiesen werden. Welche Additive bis zu welcher Tiefe wirken, ist für das Verständnis der Funktionsweise von entscheidender Bedeutung. Im FVA Vorhaben 289 wurden beispielsweise die Triboschutzschichten an Zahnradflanken analysiert [FVA289]. Mittels REM und Focused-Ion-Beam-Technologie (FIB) wurde die Morphologie sowie die Mikro- und Nanostruktur der oberflächennahen Bereiche betrachtet. Die Reaktionsschicht konnte trotz der geringen Dicke von weniger als 30 Nanometern mittels einer TEM-Querschnittsabbildung detailliert sichtbar gemacht werden (Abbildung 212). Die Reaktionschemie wurde mittels SNMS und XPS nachgewiesen (Abbildung 213). Abbildung 211: FIB-Schnitt im Bereich der Graufleckigkeit eines Zahnes zeigt die Gefügeveränderungen im oberflächennahen Bereich (bis ca. 1 μm Tiefe) [Quelle: NMI Reutlingen] 232 9 Oberflächenanalytik und chemische Analysen Abbildung 212: TEM-Querschnitt der tribologischen Reaktionsschicht (hellgrau) auf einer Zahnflanke [Quelle: NMI Reutlingen] Abbildung 213: SNMS-Tiefenprofil der Zahnflanke im Bereich des Wälzkreises [Quelle: NMI Reutlingen] 9 Oberflächenanalytik und chemische Analysen 233 10 Computersimulation Die Bedeutung der Computersimulation in der Entwicklung und Optimierung tribologischer Systeme nimmt immer weiter zu. Aus diesem Grund soll hier kurz ein kleiner Überblick gegeben werden. Für die Computersimulation eines realen tribologischen Systems ist ein mathematisches Modell der Realität notwendig. Ein solches Modell beschreibt das tribologische System und definiert die Regeln, die das Verhalten des Systems beschreiben. Ein solches Modell muss präzise und effizient sein. Das bedeutet, es muss zum einen das Realsystem möglichst gut beschreiben, zum anderen aber auch mit der vorhandenen Rechenleistung in der zur Verfügung stehenden Zeit berechenbar sein. In der Tribologie laufen Prozesse auf unterschiedlichen Größenskalen ab (Abbildung 214). Chemischer Prozesse spielen sich zumeist auf atomarer oder molekularer Ebene ab. Grund- und Gegenkörper kontaktieren über die Rauheitsspitzen. Aber auch das Verhalten der Einzelkomponente und auch des kompletten Aggregats spielen eine Rolle und müssen in der Simulation berücksichtigt werden. Die Größen variieren hier also im Bereich von bis zu zwölf Zehnerpotenzen (10 -11 m bis 10 0 m). Auch die Zeitskala der einzelnen Prozesse variiert in einem ähnlichen Bereich. Das macht die tribologische Simulation so schwierig und aufwändig. Häufig müssen auch komplett unterschiedliche Modellierungsansätze von der Quantenmechanik über die Molekulardynamik hin zur Kontinuumsmechanik und der Prozesssimulation sowie Maschinendynamik miteinander verknüpft werden. Abbildung 214: Skalen der Modellierung [Quelle: AC²T research GmbH] Der Bereich der Prozesssimulation und Maschinendynamik lässt sich heutzutage gut mit mathematischen Modellen und Mehrkörpersimulation (MKS) abbilden. So lässt sich zum Beispiel das Schwingungsverhalten einer Kupplung bei Kenntnis der mechanischen Randbedingungen gut in Abhängigkeit unterschiedlicher Reibwerte simulieren. Im wissenschaftlichen Umfeld kommt hier meistens das Programm MATLAB Simulink ® zum Einsatz, in dem die Bewegungsgleichungen in Abhängigkeit verschiedener Größen wie Dämpfung, Federrate und Masse berechnet werden können. Tribologische Kenngrößen wie hier der Reibwert sind allerdings Eingangsgrößen und müssen daher im Tribometer oder in der Realanwendung bestimmt werden. Mittels der Simulation kann man dann abschätzen, welche Maßnahmen notwendig sind, um Schwingungen in akzeptablen Grenzen zu halten (z.B. durch Erhöhung der Dämpfung). Im Bereich der Kontinuumsmechanik kommen meist Finite-Elemente-Methoden (FEM), zelluläre Automaten oder Grenzelementmethoden zum Einsatz. Mit diesen lassen sich Spannungs- und Dehnungsfelder in Abhängigkeit der mechanischen und der tribologischen Belastung berechnen. Eine Herausforderung stellt dabei die Definition des FEM-Netzes dar. Im Bereich des Kontakts ist eine enge Vernetzung mit kleinen Elementen notwendig, um eine hinreichend genaue Berechnung sicherzustellen. Mit steigendem Abstand vom Kontakt muss das Netz gröber werden, um die Modelle in akzeptabler Zeit berechnen zu können. Mit solchen Modellen lässt sich beispielsweise die Spannungsverteilung im tribologischen Kontakt in Abhängigkeit des Reibwertes berechnen und visualisieren. Zusammen mit einer Schadensbegutachtung können so Theorien für Schadenshergänge entwickelt werden. Tribosysteme, welche im Bereich der Hydrodynamik laufen, lassen sich heute relativ gut berechnen, da die Zusammenhänge auf recht gut verstandenen mechanischen und strömungstechnischen Bedingungen (Gleichungen) basieren. So werden die Bedingungen in Pleuel- und Hauptlagern in Verbrennungsmotoren heute sehr erfolgreich simuliert [KNOL2014]. Im Bereich der Misch- und Grenzreibung versagen diese Berechnungsansätze allerdings sehr schnell, da das hochkomplexe Zusammenspiel zwischen den Oberflächenmikrokontakten und der Schmierstoffchemie bisher nicht einmal ansatzweise berechenbar ist (häufig ist das Zusammenspiel nicht einmal verstanden). Im Fall der Tribometrie bedeutet dies, dass es zwar möglich ist, Werkstoffanstrengungen zu berechnen, nicht aber die komplexen tribologischen Vorgänge und Wechselwirkungen in der Kontaktzone. Möchte man in solchen Modellen die Oberflächenrauigkeit mit betrachten, sind hohe räumliche Auflösungen von unter einem Mikrometer notwendig. Standardmethoden wie FEM sind dann aufgrund der notwendigen Anzahl an Elementen nicht mehr praktikabel einsetzbar. Hier muss dann auf andere Methoden, wie zum Beispiel die Multiresolution Analysis (MRA) zurückgegriffen werden, die eine wavelet-basierte Zerlegung der Oberfläche erlauben. Ergänzt man die Kontaktsimulation durch ein Verschleißmodell (zum Beispiel nach Archard oder Fleischer, siehe Kapitel 3.2.2.1 - Verschleißmessung und Verschleißmessgrößen) ist es auch möglich, Materialabtrag zu simulieren. Nach jedem Rechenzyklus muss das verschlissene Material abgezogen werden und eine neue Oberflächentopographie berechnet werden. Auf Basis dieser neuen Topographie beginnt dann wieder die Kontaktdruckberechnung. Es sind somit sehr viele Rechenzyklen notwendig. Veröffentlichungen von BIANCHI et al. vom AC 2 T zeigen hier aber bereits eine gute Korrelation mit der Praxis. 10 Computersimulation 235 Im Bereich der Molekulardynamik und Quantenmechanik lassen sich beispielsweise Reibkräfte eines Gleitkontakts unter Misch- und Grenzreibung berechnen. Die realistische Schmierfilmdicke von wenigen Monolagen und das damit einhergehende veränderte Verhalten des Schmierstoffes können in solche Simulationen bereits berücksichtigt werden. EDER et al zeigen in einer Veröffentlichung eine quasi kontinuierliche Darstellung der Molekulardynamik mittels smooth particles [EDER2011]. Eine Übersicht, wie die verschiedenen Simulationsmethoden miteinander kombiniert werden, liefert Abbildung 215. Abbildung 215: Zusammenspiel der unterschiedlichen Simulationsmethoden Die Möglichkeiten und Grenzen der Computersimulation sollen am Beispiel eines speziellen Wälzlagerschadens, dem sogenannten „False-Brinelling“ aufgezeigt werden. Neben der Tribometrie ist dies das zweite große „Steckenpferd“ des Autors. Auch hier helfen mittlerweile Computersimulationen, die in der Kontaktstelle ablaufenden mechanischen und kinematischen Bedingungen besser zu verstehen. Eine Arbeit von MASSI et al. beschreibt, wie durch die Kopplung eines Programms zur Bewegungssimulation (Matlab Simulink ® ) und eines FEM-Tools (PLAST2D ® ) die dynamischen Kräfte und dann die Spannungen und Verformungen in einem Wälzlager eines Flugzeug-Abluftventils berechnet werden können [MASS2010]. Die Simulationsergebnisse werden mit False-Brinelling-Schäden an Realbauteilen verglichen und zeigen trotz zahlreicher Vereinfachungen und einem nur 2-dimensionalem Modell eine recht gute Korrelation. Die Forscher an der Universität Magdeburg und der Leibnitz Universität Hannover können mit Hilfe der FEM-Simulation auf Basis der Software ANSYS die wirksamen Druck- und Schubspannungen und damit auch die Haft- und Gleitbereiche beliebiger Lagergeometrien bei vorgegebenem Reibwert berechnen [HUN2015; SCHW2018]. Interessant ist, dass man so unterschiedliche Schlupfarten (Differential-, Kraftschluss-, Bohrschupf und Schlupf infolge dynamischer Kontaktnormalkräfte) separat betrachten kann. Stellt man den kumulierten Gleitweg als Falschfarbendarstellung dar, entstehen Grafiken, die den Schädigungsbildern der Praxis bei Stillstandsmarkierungen sehr gut entsprechen (Abbildung 216). Dies zeigt, dass der Mikroschlupf egal wodurch er eingebracht wird die Schädigung auslöst. 236 10 Computersimulation Abbildung 216: Vergleich Computersimulation mit Schadensbild (Schwenkwinkel +/ - 0,25°) [HUND2015] Limitierend ist allerdings anzumerken, dass man im Realsystem die örtlich wirkenden Reibungszahlen nicht kennt (insbesondere nicht bei geschmierten Systemen). Das Tool kann somit zwar sehr gut zur Visualisierung und zum Berechnen von Varianten eingesetzt werden. Es kann aber (noch) nicht die Wirkung eines Schmierstoffs oder eines Additivs vorhersagen. Ein wichtiger Punkt bei der Simulation ist die genaue Kenntnis der Randbedingungen. Alle Vergleiche mit der Praxis zeigen, dass sich dieser Punkt sehr schwierig gestaltet, da bisher immer noch nicht alle kontaktmechanischen Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen den Elementen des Tribosystems verstanden werden. Ein wichtiger Parameter für die Simulation ist der Reibwert. Eine interessante Arbeit von REINA et al. [REIN2010] zeigt hier experimentelle Ansätze, wie ein Haftreibwert in einem stillstehenden System anhand von Hystereseversuchen ermittelt werden kann. An der Universität von Oxford steht hierzu ein Prüfstand mit dem zyklische Normalkräfte aufgebracht werden können, die ein partielles Mikrogleiten im Kontakt auslösen. Zusätzlich wird eine Querkraft aufgebracht, die ein Kriechen des Kontaktes bewirkt. Aus den aufgebrachten Kräften und der resultierenden Kriechrate wird der Reibwert ermittelt. Da der maximale Gleitweg durch Kriechen weniger als 0,85 μm beträgt, kann von einem quasistatischen System ausgegangen werden, in dem weder Energieeintrag noch Verschleiß zu Oberflächenveränderungen führen. Für den trockenen Kontakt einer Stahl-Stahlpaarung ermitteln die Forscher Haftreibwerte im Bereich zwischen 0,70 und 0,87. Werte, die auf diese Weise ermittelt wurden, müssten exakter den Gegebenheiten in einem False-Brinelling-Kontakt entsprechen als Werte, die unter makroskopischem Gleiten (z.B. im SRV-Test) ermittelt wurden. 10 Computersimulation 237 KONRAD et al zeigen analytisch, dass die bei Großlagern in Windkraftanlagen beobachteten spröden Gewaltbruchanrisse mit einer typischen Länge von ca. 100 μm auf schwingungsbedingte Reibzugspannungen zurückzuführen sind [KONR2017]. Ursache sind maximale Von-Mises-Spannungen, welche bei tangentialem Gleiten und (lokalen) Reibwerten über 0,25 an der Oberfläche auftreten. Dies konnte durch Eigenspannungsmessungen mittels Röntgenbeugung (XRD) an den randnahen, mikroplastisch verformten Oberflächen nachgewiesen werden. Die reibungsinduzierten tangentialen Zugspannungen haben ihr Maximum am Auslauf des Wälzkontaktes. Die Simulation des schwingungsbelasteten Wälzkontaktes beruht auf einem tribologischen Modell, bei dem die Reibungskoeffizienten mikroskopisch innerhalb der Hertzschen Kontaktzone variieren. Unter dem Einfluss von Schwingungen werden mit diesem Modell örtlich lokale Reibwerte im Bereich zwischen 0,2 und 0,3 ermittelt. Dieses Modell der lokal variablen Reibwerte erklärt, warum makroskopisch bei solch hohen Reibwerten keine massive Adhäsion („Fressen“) auftritt. In den meisten Bereichen des Kontaktes liegen die Reibwerte demnach weit unter 0,1. Für die Simulation mittels ABAQUS ® wurden allerdings recht große Schwingbewegungen vorgegeben, die das 25-fache der halben Kontaktbreite b betragen. Quasi-Stillstandsbedingungen wurden also nicht untersucht. Außerdem wurde der Kontakt aus Vereinfachungsgründen als trocken angenommen. Sollte das Thema False-Brinelling oder Stillstandsmarkierungen Ihr Interesse geweckt haben, so sei der Hinweis auf das Buch „False-Brinelling und Stillstandsmarkierungen bei Wälzlagern - Schäden bei Vibrationsbelastung oder kleinen Schwenkwinkeln“ des Autors im gleichen Verlag erlaubt (ISBN 9783838551609). 238 10 Computersimulation 11 Was zeichnet ein gutes Labor-Tribometer aus? Nachdem sich nun mehrere Kapitel bereits mit verschiedenen tribologischen Prüfständen beschäftigt haben, stellt sich vielleicht für manchen Leser, der die Anschaffung eines solchen Prüfstandes plant, die Frage, was ein gutes Tribometer auszeichnet. Natürlich soll an dieser Stelle keine Werbung für ein einzelnes Tribometer oder einen einzelnen Hersteller gemacht werden. Dennoch kann man einige allgemeingültige Tipps zur Auswahl geben. An erster Stelle steht die Ermittlung des Anforderungsprofils. Hier sollte man sich zuerst fragen, was man mit dem Tribometer machen möchte. Müssen Sie spezielle Normprüfungen durchführen oder typische Modellprüfungen, wie ein Stift/ Scheibe- Versuch, oder geht es eher um die Simulationsprüfung mit Original-Bauteilen? Benötigen Sie spezielle Normprüfungen, zum Beispiel für die Qualitätssicherung oder für ihre Kunden, sind die Spielräume gering. Da die Anzahl der Tribometerhersteller sehr überschaubar ist, haben sie vermutlich kaum Wahlmöglichkeiten. Bei einem Modelltribometer stellt sich die Frage, ob Sie Punkt-, Linien- oder Flächenkontakt benötigen, um beispielsweise anwendungsnahe Kontaktpressungen zu realisieren. Hier macht vermutlich ein universelleres Gerät Sinn, um verschiedene Prüfkonfigurationen und breit gefächerte Belastungskollektive vorzugeben. Für die Simulationsprüfung mit Originalbauteilen ist ein Prüfstand mit ausreichendem Bauraum notwendig. Eine gute Zugänglichkeit zur Probenkammer aus allen Richtungen und ein variabler Aufbau sind wichtige Entscheidungskriterien. Auch hier ist ein Prüfstand mit modularem Aufbau von Vorteil. Allerdings muss einem klar sein, dass es die Eierlegende- Wollmilchsau auch bei Tribometern nicht gibt. Hier ist es wichtig zu überlegen, wo die Einschränkungen liegen, da einem die Verkäufer diese meistens nicht nennen. Es empfiehlt sich auch, Kontakt mit anderen Besitzern eines Wunsch-Tribometers aufzunehmen und so von deren Erfahrungen zu profitieren. Im nächsten Schritt sollte man die Hauptparameter des Beanspruchungskollektivs festlegen: Welche Bewegungsform und -art benötigen Sie? Wie ist die Belastungsrichtung (axial, radial)? In welchen Bereichen bewegen sich Normalkraft und Gleitgeschwindigkeit? In welchem Temperaturbereich sollen die Versuche ablaufen? Ist eine Heizung oder Kühlung notwendig? Können die Soll-Größen des Beanspruchungskollektivs im Lauf konstant sein oder müssen sie im Lauf variieren, um die Praxis hinreichend gut abzubilden? Benötigen Sie vielleicht variable und spezielle Umgebungsmedien oder eine Klimatisierung? Als nächstes ist zu klären, welche Messgrößen Sie unbedingt benötigen, welche ggf. nützlich wären und welche Auflösung jeweils notwendig ist. Wie bereits zuvor schon erläutert gehören heute Reibungs-, Verschleiß und Temperaturmessung zum Standard. Accoustic Emission, Kontaktwiderstand oder Schmierfilmhöhe können nützliche Features sein, um Vorgänge im Reibkontakt besser zu verstehen. Günstig ist, wenn freie Messkanäle zur Verfügung stehen, an denen später beliebige Standardsignale (0 ..10 V; 4 .. 20 mA) angeschlossen werden können. Ganz wichtig ist auch die Frage, ob sich die Anforderungen an das Tribometer in nächster Zukunft ändern können. Wenn ja, wird auf jeden Fall ein modularer Prüfstand benötigt, der leicht erweiterbar ist. Eine wichtige Frage ist auch, wer den Prüfstand später bedient und ob Sie einen technisch-wissenschaftlichen Support benötigen. Befinden sich in dem Nutzerkreis eher Ungelernte oder Laboranten, benötigen Sie ein Gerät, das relativ einfach zu bedienen ist und für das es eine gute Dokumentation und Support gibt. Sind Ingenieure oder Wissenschaftler die Hauptbenutzer, ist das vielleicht nicht so wichtig, da diese erfahrungsgemäß sowieso eigenständig an dem Prüfstand optimieren und modifizieren. Aber selbst für einen erfahrenen Personenkreis ist es wichtig, dass der Hersteller beispielsweise Schulungen, Workshops oder auch Ringversuchen organisiert. Leider gibt es viele Gerätehersteller, von denen man nach dem Kauf kaum noch etwas hört und denen es egal zu sein scheint, was man mit dem Gerät macht. 240 11 Was zeichnet ein gutes Labor-Tribometer aus? 12 Zusammenfassung Die tribologische Prüftechnik ist und bleibt das wichtigste Hilfsmittel bei der Optimierung tribologischer Systeme. Dies gilt nicht nur für die Entwicklung oder Weiterentwicklung von Bauteilen, Aggregaten oder komplette Maschinen, sondern auch für alle einzelnen Bausteine des Tribosystems, wie Werkstoffe, Schmierstoffe, Additive, Beschichtungen usw. Gerade weil die Tribometrie aus wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Sicht so wichtig ist, ist es zwingend notwendig, die Möglichkeiten aber auch Grenzen der Laborprüfung zu kennen. Einfache Labortests sind wichtig und unersetzlich für die Grundlagenentwicklung. Unter Berücksichtigung von Kosten und Nutzen sind gerade im Screening-Stadium einfache Modellprüfungen unerlässlich. Für genauere Aussagen müssen dann aber, mit immer weiter reduzierter Variantenzahl, immer praxisnähere Prüfungen bis hin zum Feldtest durchgeführt werden. Jede Kategorie der tribologischen Prüfkette hat ihre spezielle Berechtigung in der Forschung und Entwicklung. Bevor mit tribologischen Prüfungen begonnen wird, muss klar sein, welche Ziele erreicht und welche Fragestellungen beantwortet werden sollen. Nur so hilft das Prüfungsergebnis auch tatsächlich der zielgerichteten Weiterentwicklung. Die Basis aller tribologischen Optimierungen und damit auch der tribologischen Prüfungen ist die Systemanalyse, die in einem der ersten Kapitel dieses Buches detailliert erläutert wurde (Kapitel 2). Die Kenntnis möglicher Modell- und Bauteilprüfsysteme und ihrer Einsatzgebiete sowie der möglichen Normprüfungen ist wichtig, um aus der Vielzahl denkbarer Prüfungen, die für die eigene Fragestellungen geeignete herauszufinden. Aus diesem Grund wurden sowohl die weitest verbreiteten Modellprüfsysteme (Kapitel 3.4), wie auch wichtige Bauteiltests und Freigabeprüfungen (Kapitel 5) beschrieben. Bei der Entscheidung über die Leistung eines Schmiermittels, eines Werkstoffs, einer Beschichtung oder einer anderen Art der Optimierung darf nicht nur ein einziges Labortestergebnis berücksichtigt werden. Es sind immer mehrere Prüfungen auf verschiedenen Prüfgeräten notwendig, um unterschiedliche Eigenschaften zu testen, da tribologische Systeme in der Praxis extrem komplex sind und die Funktionalität nahezu nie von einer Einzeleigenschaft abhängt. Ganz wichtig ist es, sich Gedanken über die Aussagefähigkeit einer jeden Prüfung zu machen und keine Ergebnisse aus einer Prüfung ziehen zu wollen, die über die geprüfte Einzeleigenschaft hinausgehen. Die Interpretation eines in Labortests erzielten Ergebnisses ist manchmal schwierig, und häufig benötigt der Forscher viel Erfahrung, um das Testergebnis mit den Anforderungen der endgültigen Anwendung in Beziehung zu setzen. Bei der Interpretation von tribologischen Versuchen aber auch bei Schadensfällen helfen heutzutage verschiedenste Methoden der Oberflächenanalyse (Kapitel 9). Aufwändige Verfahren, die früher nur in der Grundlagenforschung eingesetzt werden konnten, sind heute erschwinglich und helfen, die in der Kontaktstelle ablaufenden Prozesse besser zu verstehen. In aller Regel ist es besser, etwas mehr Aufwand in die Analytik zu investieren, als einfach viele Prüfungen durchzuführen und blind Kennwerte zu erzeugen. Nichtsdestotrotz sind auch ausreichend Versuche notwendig, um eine saubere Statistik zu ermöglichen. Die Methode des Design-of Experiments (Kapitel 7) sowie die dazugehörigen statistischen Methoden und Darstellungsarten helfen, statistisch belastbare Ergebnisse mit hoher wissenschaftlicher Aussagekraft zu erzielen. Ergänzende Computersimulationen und FEM-Berechnungen unterstützen den Anwender, die in der Kontaktstelle zwischen Grund- und Gegenkörper ablaufenden Vorgänge besser zu verstehen. Nichtsdestotrotz sind weiterhin zahlreiche Prüfstandsversuch notwendig, da gerade die chemischen Wechselwirkungen im Misch- und Grenzreibungsgebiet noch nicht hinreichend genau beschrieben und simuliert werden können. Selbst in einem relativ umfangreichen Buch wie diesem ist es leider nicht möglich, alle wichtigen Themen mit der notwendigen Tiefe zu behandeln und für die aufgezeigten Probleme, universell geeignete Lösungsmöglichkeiten anzugeben. Entscheidend ist aber, dass alle Anwender von Modell- und Simulationsprüfungen um die Schwierigkeiten wissen und mit der nötigen Sorgfalt an diese Prüfungen herangehen. Hierfür ist ein umfangreiches Fachwissen notwendig. Wichtig ist es daher, dieses Wissen um Vor- und Nachteile sowie die richtige Vorgehensweise stärker als bisher an „Neulinge“ weiterzugeben (Ausbildung, Studium, Tagungen, Lehrgänge). Ein wichtiges Ziel dieses Buches ist es zu aufzuzeigen, dass es in der modernen Tribometrie nicht mehr darum geht, blind Kennwerte zu erzeugen, sondern dass sie das Mittel der Wahl ist, um ein tiefgreifendes Verständnis für tribologische Vorgänge aufzubauen. Dieses Buch soll dazu dienen, den Wert und den wissenschaftlichen Anspruch der Tribometrie herauszustellen. Es soll ein ausreichendes Basiswissen schaffen, um mit Hilfe geeigneter Labor- und Feldprüfungen tribologische Systeme zu optimieren und somit die nachhaltige Wertschöpfung zu unterstützen. 242 12 Zusammenfassung 13 Literaturhinweise und Quellenangaben 13.1 Veröffentlichungen und Bücher [HERT1881] H. 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Mechanische Prüfung von Hydraulikflüssigkeiten in der Flügelzellenpumpe; Verfahren B für wasserhaltige schwerentflammbare Hydraulikflüssigkeiten DIN 51524-1 Druckflüssigkeiten - Hydrauliköle - Teil 1: Hydrauliköle HL, Mindestanforderungen; Ausgabe 2017-06 DIN 51524-2 Druckflüssigkeiten - Hydrauliköle - Teil 2: Hydrauliköle HLP, Mindestanforderungen; Ausgabe 2017-06 DIN 51834 Prüfung von Schmierstoffen - Tribologische Prüfung im translatorischen Oszillations-Prüfgerät - DIN 51834-1: 2010-11 Teil 1: Allgemeine Arbeitsgrundlagen DIN 51834-2: 2017-05: Teil 2: Bestimmung von Reibungs- und Verschleißmessgrößen für Schmieröle DIN ISO 7148 DIN ISO 7148-1: 2014-07: Gleitlager - Prüfung des tribologischen Verhaltens von Gleitlagerwerkstoffen - Teil 1: Prüfung von Lagermetallen (ISO 7148-1: 2012) Teil 2: Prüfung von polymeren Gleitlagerwerkstoffen (ISO 7148-2: 2012) DIN ISO 20763 DIN EN ISO 20763: 2004-10: Mineralölerzeugnisse und verwandte Produkte - Bestimmung des Verschleißschutzvermögens von Druckflüssigkeiten - Prüfung in der Flügelzellenpumpe (ISO 20763: 2004); 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reapproved: 2019 248 13 Literaturhinweise und Quellenangaben 14 Stichwortverzeichnis 3 35VQ25.................................................................... 142 3D-Messgrößen ....................................................... 209 A Abbott-Kurve ........................................................... 213 Abrasion ............................................................ 29, 153 Abrasionsverschleiß........................................... 69, 217 Accoustic-Emission-Sensor ......................................... 63 Adhäsion ................................................................... 29 Adhäsionskräfte......................................................... 26 Adsorptionsschicht .................................................... 20 Amplitudenparameter ............................................. 216 Auflösung ............................................................ 35, 54 Ausreißer................................................................. 200 B Bauteilprüfstand ...............................................124, 147 Bauteilversuch ........................................................... 67 Beschleunigungssensor .............................................. 64 Bettbahnschmierstoffe .............................................. 84 Bewegungsablauf ...................................................... 17 Bewegungsform......................................................... 17 Blitztemperaturen ............................................. 58, 106 Block-auf-Ring ......................................................... 182 Boxplot .................................................................... 201 Box-Whisker-Plot..................................................... 201 Bremsen .................................................................. 160 Brugger-Prüfung ........................................................ 79 C Center-Point............................................................. 193 Clashing ................................................................... 162 Computersimulation ................................................ 241 Crossbeam ............................................................... 233 D Dehnungsmessstreifen............................................... 40 Denison-Pumpe ....................................................... 143 Design of Experiments ............................................. 190 Design-Thinking-Ansatz.............................................. 12 Dokumentation........................................................ 111 Dünnschichtsensoren................................................. 65 E EBSD-Technik........................................................... 234 Einbettfähigkeit ................................................149, 214 Eingriffsverhältnis ...................................................... 24 Einlauf ..............................................................114, 149 Einlaufbeanspruchung ............................................. 103 Einlaufverhalten ................................151, 173, 217, 219 Einlaufverschleiß ........................................ 46, 108, 228 Elemente ................................................................... 18 Emissionsspektroskopie ............................................. 55 energiedispersive Röntgenanalyse ........................... 233 Energiedissipation ................................................... 103 Energieeffizienz-Test................................................ 137 Erlang-Verteilung ..................................................... 206 Ermüdungsfestigkeit .......................................... 93, 149 F Faktoren .................................................................. 191 False-Brinelling ........................................................ 245 Faser-Bragg-Gitter-Sensor.......................................... 62 FE8-Prüfstand .......................................................... 124 FE9-Prüfstand .......................................................... 127 Fehlerfortpflanzungsgesetz ........................................ 36 Feldversuch ............................................................... 67 FEM-Simulation ....................................................... 243 Finite-Elemente-Methoden (FEM) ............................ 242 Focused ion beam .................................................... 232 Fressen .................................................. Siehe Adhäsion Fresslast............................................................147, 156 Fresstragfähigkeit .................................................... 132 FTIR-Spektrometer................................................... 235 Funktion des Tribosystems......................................... 16 FZG-Schocklasttest................................................... 134 FZG-Zahnrad-Verspannungs-Prüfstand..................... 131 G Gamma-Verteilung .................................................. 206 Gauß-Glockenkurve ................................................. 109 Gaußverteilung ........................................................ 200 Gelenkwellen........................................................... 129 Gelenkwellenprüfstände ......................................... 129 Genauigkeit ............................................................... 34 Genauigkeitsklasse .................................................... 43 geometrische Kontaktfläche ...............................22, 101 Gleitlager..........................................................146, 213 Gleitlagerprüfstand ................................................. 146 Gleitreibungs-Verschleiß-Indikator ............................ 84 Gleitweg .................................................................. 115 Graufleckigkeit .......................................................... 93 Graufleckigkeitstest................................................. 134 Größen des Beanspruchungskollektivs....................... 17 H Haftreibung .............................................. 158, 174, 185 Hertzschen Formeln................................................... 26 Hybridparameter ..................................................... 224 Hydraulikflüssigkeiten ............................................. 140 Hydrauliköle ............................................................ 140 I Induktive Sensorsysteme ........................................... 52 Infrarot-Thermometer ............................................... 60 Isotropie .................................................................. 220 J JKR-Theorie ............................................................... 26 K kapazitive Sensoren................................................... 52 Kastengrafik ............................................................ 201 Kavitationsbeständigkeit ......................................... 146 k-Faktor ..................................................................... 40 Kolbenring/ Liner...................................................... 119 Konfokalmikroskop.................................................. 211 Konfokalsensor.......................................................... 53 konforme und kontraforme Kontakte ........................ 24 Konformität............................................................... 24 Kontaktzustand ......................................................... 24 Kontinuumsmechanik .......................................241, 242 Konturplots ............................................................. 204 Kriechen .................................................................. 167 Kugel/ Pisma-System ................................................ 180 Kunststoffe .............................................................. 163 Kupplungen ............................................................. 160 Kurtosis ................................................................... 217 L Lasermesssysteme ..................................................... 54 Laserscanning-Mikroskope ...................................... 212 Lognormalverteilung ............................................... 206 M Mangelschmierung .................................................. 154 Maschinendynamik ................................................. 242 Medianwert............................................................. 201 Mehrkörpersimulation (MKS) .................................. 242 Messkette.................................................................. 33 Messunsicherheit ...................................................... 34 Micro-Pitting-Test Rig ................................................ 93 Mikrokontakt .......................................................... 106 Mikroskopie ............................................................ 232 Mini-Traction-Machine .............................................. 88 Mischreibung............................... 86, 134, 140, 151, 174 Mischreibungsbedingungen..................................... 152 Mittelwert ............................................................... 199 Modellprüfung.............................................. 69, 95, 177 Modellversuch........................................................... 67 Molekulardynamik .................................................. 241 Multiresolution Analysis (MRA) ............................... 242 N Notlaufeigenschaft .................................................. 114 Notlauftest .............................................................. 154 O Oberflächenkennwerte............................................ 212 Oberflächenstruktur ................................................ 209 Oberflächenzerrüttung .............................................. 29 P Paretodiagramm...................................................... 204 Partikelverträglichkeit ............................................. 149 piezoelektrischen Kraftsensoren................................ 44 Pin-on Disc-Tests ..................................................... 146 Pitting........................................................................ 93 Pittingtest................................................................ 134 Präzision .............................................................34, 109 Profilformabweichung ............................................. 136 Prozesssimulation.................................................... 242 Prüfzeit.................................................................... 108 pv-Wert ................................................................... 156 250 14 Stichwortverzeichnis Q Quantenmechanik ................................................... 241 Quartil ..................................................................... 201 R Rad/ Schiene-Verschleiß ............................................. 90 Radialgleitlager..................................... Siehe Gleitlager Radionuklidtechnik ............................................ 55, 102 Ramanspektroskopie ............................................... 235 Randzone................................................................. 163 Rasterelektronenmikroskop..................................... 232 Rauheit ..................................................... 106, 153, 163 Rauheitskennwerte.................................................. 209 Reaktionsschicht...................................................... 239 Reaktionsschichten .................................................. 104 Reibbelag................................................................. 160 Reibleistung............................................................. 175 Reibungsmessgrößen................................................. 39 Reibungszahl............................................................ 173 Reichert-Prüfung........................................................ 79 Reichert-Reibverschleißwaage ................................. 107 Reinigungszustand ..................................................... 20 relative Effizienz ...................................................... 198 Response-Surface-Plan ............................................ 192 Rollenprüfstände ................................................. 88, 93 Rotationstribometer .......................................... 86, 179 Ruck-Gleiten .....................................................161, 185 Rückstreuelektronen ............................................... 232 S Schiefe ..................................................................... 217 Schlupf..................................................................... 244 Schuddern................................................................ 162 Schwing-Reib-Verschleiß-Prüfgerät............................ 76 Schwingungssensoren................................................ 63 Scratchtest................................................................. 82 Sekundärelektronen (SE).......................................... 232 Sekundär-Ionen-Massenspektrometrie (TOF-SIMS).. 238 Sekundär-Neutralteilchen-Massenspektrometrie (SNMS) ............................................................... 238 Siebel/ Kehl-Anordnung............................................ 179 Simulationsprüfung ................................................... 99 Spannungsverteilung ................................................. 26 Spritzhaut ................................................................ 163 SRV-Prüfstand.................... 112, 118, 119, 120, 123, 245 Standardabweichung ............................................... 199 Start/ Stopp-Betrieb ................................................. 151 Statistik ................................................................... 199 Stick-Slip ..................................................... 84, 161, 185 Stift/ Scheibe-Versuch .............................................. 178 Stillstandszeiten......................................................... 17 Stitching .................................................................. 224 Störgrößen............................................................... 190 Stoßdämpfer............................................................ 158 Strahlverschleißprüfung............................................. 70 Streuung ....................... 43, 109, 110, 150, 156, 191, 228 Stribeck-Kurve .................................... 27, 149, 152, 174 Synchronisierungen ................................................. 160 Systemanalyse ..............................................15, 32, 100 Systemeinhüllende .................................................... 15 T Taber-Abraser............................................................ 70 Tannert-Prüfstand ..................................................... 84 Tannert-Anordnung................................................183 Tannert-Gleitreibungsindikator ..............................188 Teilfaktorieller Versuch............................................ 195 Thermoelemente ....................................................... 58 Timken-Test............................................................... 83 ToF-SIMS ................................................................. 238 Traganteilskurve ...................................................... 213 Transmissionselektronenmikroskop......................... 232 trial and error .......................................................... 191 tribochemische Reaktion ........................................... 29 Tribokontaktfläche .................................................... 24 tribologische Beanspruchung ..................................... 14 Tribomesszelle ......................................................... 180 Tribomutation ......................................................... 104 Tribooxidation ........................................................... 29 U Universal-Mikro-Tribometer ...................................... 81 V V104C ...................................................................... 140 Varianz .................................................................... 199 Vergleichbarkeit ........................................................ 34 Verschleiß.................................................................. 46 Verschleißbeständigkeit............................................. 46 Verschleißerscheinungsformen .................................. 29 Verschleißkoeffizient ................................................. 49 Verschleißmechanismen ............................................ 29 Verschleißmessgröße......................................... 47, 117 Verschleißrate ......................... 46, 49, 50, 108, 168, 173 14 Stichwortverzeichnis 251 Verschleißtest.......................................................... 151 Versuchspläne ......................................................... 192 Verteilungsfunktionen ............................................. 205 Vickers-Pumpe......................................................... 140 Vier-Kugel-Apparat .................................................... 73 Vollfaktorieller Versuch ........................................... 195 W Wägung ..................................................................... 50 wahre Kontaktfläche ..........................................22, 101 Wärmebild............................................................... 169 Wärmedehnung................................................106, 113 Wechselwirkungen .................................................... 28 Wechselwirkungsplot .............................................. 202 Weibull-Verteilung ...........................................109, 134 Weißlicht-Interferometrie ..................................53, 211 wheatstoneschen Brücke........................................... 41 Widerstandsthermometer ......................................... 58 Wiederholbarkeit ...................................................... 34 Wirbelstromsensoren ................................................ 51 Wirkungsgrad .......................................................... 137 Z Ziegler-Prüfstand ..................................................... 187 Zinkdialkyldithiophosphat (ZnDTP) .......................... 125 Zwei-Scheiben-Prüfstände ......................................... 88 2disk......................................................................... 91 A135......................................................................... 90 252 14 Stichwortverzeichnis Tribology insight NMI — A material analytical approach for understanding tribology Natural and Medical Sciences Institute (NMI) at the University of Tübingen Markwiesenstraße 55 72770 Reutlingen, Germany Phone +49 7121 51530-0 www.nmi.de | nanoanalytik@nmi.de The NMI owns a wide range of analytical equipment, which covers length scales from cm till atomic distances, with detection limits down to few ppm. The NMI successfully contributed and is happy to contribute its scientific and analytical knowledge and know how in Public funded research projects Bilateral research and development projects with industrial partners Service-analytics Elemental analysis EDX, XPS, SNMS, SIMS Chemical ananlysis Raman, FTIR Surface analysis REM, FIB Interface analysis TEM, EELS, EDX ® 5 : U n s c h l a g b a r v i e l s e i t i g u n d p r ä z i s e A n w e n d u n g s n a h e R e i b u n g s u n d V e r s c h l e i ß p r ü f u n g e n f ü r s i c h e r e n P r o d u k t e r f o l g O p t i m o l I n s t r u m e n t s P r ü f t e c h n i k G m b H F l ö ß e r g a s s e 3 , 8 1 3 6 9 M ü n c h e n T e l e f o n : + 4 9 ( 0 ) 8 9 4 5 0 9 1 2 0 , T e l e f a x : + 4 9 ( 0 ) 8 9 4 5 0 9 1 2 8 9 i n f o @ o p t i m o l i n s t r u m e n t s . d e , o p t i m o l i n s t r u m e n t s . d e W I R F R E U E N U N S A U F I H R E N A N R U F ! O p t i m o l S R V ® i s t e i n e i n g e t r a g e n e s W a r e n z e i c h e n d e r O p t i m o l I n s t r u m e n t s P r ü f t e c h n i k G m b H K o m p l e t t e P r ü f s z e n a r i e n f ü r K o m p o n e n t e n l i e f e r n I h n e n r e l e v a n t e E r g e b n i s s e u n d s o r g e n f ü r h o h e s E n t w i c k l u n g s t e m p o . H i e r e i n i g e B e i s p i e l e : > K o l b e n r i n g - Z y l i n d e r w a n d > K o l b e n b o l z e n > H o c h t e m p e r a t u r t e s t s > G l e i t l a g e r > S y n c h r o n r i n g > R a d l a g e r > u n d v i e l e s m e h r . . . S p r e c h e n S i e u n s a n , w e n n S i e s p e z i e l l e F r a g e n z u m t r i b o l o g i s c h e n V e r h a l t e n I h r e s P r o d u k t s h a b e n . W i r e n t w i c k e l n m i t I h n e n d i e L ö s u n g - b a s i e r e n d a u f 5 0 J a h r e n I n d u s t r i e e r f a h r u n g The Most Versatile Tribology Testing System Ever Designed Become the tribology genius in your lab! Visit www.bruker.com/ tribology, email productinfo@bruker.com or call +49 721 509 97 59 50 for more information today. Over the last two decades, Bruker’s UMT platform has been used to solve tribology issues in nearly a thousand labs and facilities across 50 countries. Now, the UMT TriboLab™ offers unmatched flexibility with higher speeds, more torque, and better force measurements, all on a single system. Within minutes it can be transformed from rotary to reciprocating motion, from sub-newton to kilonewton force measurement, or from sub-zero to extremely elevated temperatures for environmental testing. 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