Thermochemische Behandlung von Eisenwerkstoffen im Gas
Verfahren und Anlagen
0809
2021
978-3-8169-8522-8
978-3-8169-3522-3
expert verlag
AWT Arbeitsgemeinschaft Wärmebehandlung und Werkstofftechnik e. V.
In diesem Handbuch werden für die Wärmebehandlungsverfahren Einsatzhärten, Nitrieren und Nitrocarburieren sowohl die theoretischen Grundlagen als auch die industrielle Durchführung eingehend behandelt.
In der Abhandlung werden die Grundlagen und die Durchführung der Verfahren der thermochemischen Behandlung im Gas bei Normaldruck und bei Niederdruck sowohl ohne als auch mit Plasmaunterstützung dargestellt. Daran anschließend sind charakteristische physikalische Eigenschaften der zum Herstellen der verschiedenen Ofenatmosphären erforderlichen Gase angegeben.
Ein weiterer Teil befasst sich mit der Mess- und Regeltechnik. Die industriell gebräuchlichsten Arten von Öfen werden kurz beschrieben und charakterisiert. Betrachtungen zur Energiebilanz, dem Umweltschutz und der Entsorgung der verbrauchten Hilfsstoffe sowie dem sicheren Betreiben der Wärmebehandlungsanlagen runden den Inhalt des Handbuchs ab.
<?page no="0"?> ISBN 978-3-8169-3522-3 AWT Thermochemische Behandlung von Eisenwerkstoffen im Gas In diesem Handbuch werden für die Wärmebehandlungsverfahren Einsatzhärten, Nitrieren und Nitrocarburieren sowohl die theoretischen Grundlagen als auch die industrielle Durchführung eingehend behandelt. In der Abhandlung werden die Grundlagen und die Durchführung der Verfahren der thermochemischen Behandlung im Gas bei Normaldruck und bei Niederdruck sowohl ohne als auch mit Plasmaunterstützung dargestellt. Daran anschließend sind charakteristische physikalische Eigenschaften der zum Herstellen der verschiedenen Ofenatmosphären erforderlichen Gase angegeben. Ein weiterer Teil befasst sich mit der Mess- und Regeltechnik. Die industriell gebräuchlichsten Arten von Öfen werden kurz beschrieben und charakterisiert. Betrachtungen zur Energiebilanz, dem Umweltschutz und der Entsorgung der verbrauchten Hilfsstoffe sowie dem sicheren Betreiben der Wärmebehandlungsanlagen runden den Inhalt des Handbuchs ab. Der Inhalt Wärmebehandlungsverfahren - Einsatzhärten - Aufkohlen - Carbonitrieren - Nitrieren - Nitrocarburieren - Verfahrenstechnik - Anlagentechnik - Mess- und Regeltechnik - Energiebilanz - Umweltschutz und Entsorgung Die Zielgruppe Für Konstruktions-, Entwicklungs- und Fertigungsingenieur: innen, die sich mit Planung und Durchführung von Wärmebehandlungen befassen. Herausgeber AWT - Arbeitsgemeinschaft Wärmebehandlung und Werkstofftechnik e.V. - Fachausschuss 4 Thermochemische Behandlung von Eisenwerkstoffen im Gas Verfahren und Anlagen 2., durchgesehene Auflage AWT - ARBEITSGEMEINSCHAFT WÄRMEBEHANDLUNG UND WERKSTOFFTECHNIK E.V. - FACHAUSSCHUSS 4 (HRSG.) 63522_Umschlag.indd 1-3 63522_Umschlag.indd 1-3 21.06.2021 13: 38: 32 21.06.2021 13: 38: 32 <?page no="1"?> Wittmann Härterei GmbH | Plochinger Strasse 3 | 73066 Uhingen Tel. 0 71 61/ 98 68 87 - 0 | Fax - 10 | www.wittmann-haerterei.de | info@wittmann-haerterei.de Für Ihre hochwertigen Bauteile finden Sie bei uns Lösungen mit Anspruch. QUALITÄT, ZUVERLÄSSIGKEIT und BERATUNG werden bei uns ganz selbstverständlich großgeschrieben. 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Winfried Gräfen, Franz Hoffmann, Dieter Liedtke, Karl-Helmut Weissohn, Karl-Michael Winter Thermochemische Behandlung von Eisenwerkstoffen im Gas Verfahren und Anlagen 2., durchgesehene Auflage 63522_Liedtke_SL3a.indd 3 63522_Liedtke_SL3a.indd 3 16.06.2021 14: 35: 25 16.06.2021 14: 35: 25 <?page no="5"?> Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. 2., durchgesehene Auflage 2021 1. Auflage 2014 © 2021 · expert verlag GmbH Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autoren oder Herausgeber übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Internet: www.expertverlag.de eMail: info@verlag.expert CPI books GmbH, Leck ISBN 978-3-8169-3522-3 (Print) ISBN 978-3-8169-8522-8 (ePDF) 63522_Liedtke_SL3a.indd 4 63522_Liedtke_SL3a.indd 4 16.06.2021 14: 35: 25 16.06.2021 14: 35: 25 <?page no="6"?> i Vorwort zur 2. Auflage In diesem Handbuch werden für die thermochemischen Verfahren Aufkohlen, Carbonitrieren, Nitrieren und Nitrocarburieren die theoretischen Grundlagen und die industrielle Durchführung eingehend behandelt. Es entstand in langjähriger Gemeinschaftsarbeit des AWT-Fachausschusses 4 „Einsatzhärten“ aus den Beiträgen verschiedener Mitglieder des Ausschusses. Die Beiträge wurden von einem Redaktionsstab zusammengefasst, intensiv überarbeitet, ergänzt und Texte und Bilder einheitlich gestaltet. Bei den Grundlagen und der praktischen Durchführung werden die Verfahren bei Normaldruck, sowie bei Niederdruck mit und ohne Plasmaunterstützung, behandelt. Weiterhin werden charakteristische physikalische Eigenschaften der zum Herstellen der verschiedenen Ofenatmosphären erforderlichen Gase aufgeführt. Die industriell gebräuchlichsten Arten von Öfen und die zugehörige Mess- und Regeltechnik werden beschrieben und den Verfahren zugeordnet. Betrachtungen zur Energiebilanz, dem Umweltschutz und der Entsorgung der verbrauchten Hilfsstoffe, sowie dem sicheren Betreiben der Wärmebehandlungsanlagen, runden den Inhalt des Buchs ab. Der Themenband richtet sich an den mit dem Planen und Durchführen von Wärmebehandlungen befassten Personenkreis, an Konstruktions-, Entwicklungs- und Fertigungsingenieure aber auch an Studierende und an der Wärmebehandlungspraxis Interessierte. Bei der Überarbeitung der ersten Auflage aus dem Jahr 2014 wurden die inzwischen erkannten Druckfehler beseitigt, Inhalt und Darstellung des Buchs blieben gleich. Der Redaktionsstab: Winfried Gräfen Franz Hoffmann Dieter Liedtke Karl-Michael Winter Der an der ersten Auflage im Redaktionsstab mitwirkende Experte für die Regeltechnik von Wärmebehandlungsanlagen, Karl-Helmut Weissohn, ist inzwischen verstorben. Seinem Andenken ist diese zweite Auflage gewidmet. Im August 2020 AWT-Fachausschuss „Einsatzhärten“ 63522_Liedtke_SL3a.indd 5 63522_Liedtke_SL3a.indd 5 16.06.2021 14: 35: 25 16.06.2021 14: 35: 25 <?page no="7"?> vi Vorwort ii Vorwort zur 1. Auflage Im vorliegenden Handbuch werden für die Verfahren Einsatzhärten (Aufkohlen, Carbonitrieren), Nitrieren und Nitrocarburieren sowohl die theoretischen Grundlagen als auch die industrielle Durchführung eingehend behandelt. Das Werk ist aus einer Vielzahl einzelner Beiträge von Mitgliedern des AWT- Fachausschusses 5 „Anlagentechnik“ entstanden, der nach Abschluss der Arbeiten in den Fachausschuss 4 „Einsatzhärten“ integriert wurde. Die ersten Texte reichen bis in das Jahr 1988 zurück. Seit dieser Zeit haben sich sowohl die Verfahrenstechnik, die Anlagentechnik wie auch die Mess- und Regeltechnik deutlich weiterentwickelt. Durch Forschungsvorhaben auf dem Gebiet der Wärmebehandlungstechnik und die Erfahrungen aus der industriellen Praxis konnten das Wissen erweitert, vertieft und neue Erkenntnisse gewonnen werden. Dies floss in die Texte ein, die kontinuierlich diskutiert, bearbeitet und an den sich weiterentwickelnden Stand der Technik angepasst wurden. Die so entstandenen Vorlagen wurden schließlich durch einen Redaktionsstab unter angemessener Berücksichtigung des gegenwärtigen Kenntnisstands intensiv überarbeitet und, wo erforderlich, ergänzt. Dabei wurden die unterschiedlichen Texte und Bilder der verschiedenen Autoren zur besseren Lesbarkeit einheitlicher gestaltet. In der Abhandlung werden die Grundlagen und die Durchführung der Verfahren der thermochemischen Behandlung im Gas bei Normaldruck und bei Niederdruck sowie ohne als auch mit Plasmaunterstützung dargestellt. Anschließend daran sind charakteristische physikalische Eigenschaften der zum Herstellen der verschiedenen Ofenatmosphären erforderlichen Gase angegeben. Ein weiterer Teil befasst sich mit der Mess- und Regeltechnik. Die industriell gebräuchlichsten Arten von Öfen werden kurz beschrieben und charakterisiert. Betrachtungen zur Energiebilanz, dem Umweltschutz und der Entsorgung der verbrauchten Hilfsstoffe sowie dem sicheren Betreiben der Wärmebehandlungsanlagen runden den Inhalt des Handbuchs ab. Der Themenband richtet sich an den mit dem Planen und Durchführen von Wärmebehandlungen befassten Personenkreis, an Konstruktions-, Entwicklungs- und Fertigungsingenieure aber auch an Studierende und an der Wärmebehandlungspraxis Interessierte. Viele Mitautoren sind inzwischen aus dem aktiven Berufsleben und aus dem Fachausschuss ausgeschieden, neue sind hinzugekommen und haben ebenfalls aktiv mitgearbeitet. Ihnen allen sei an dieser Stelle für ihr Mitwirken gedankt: Herwig Altena Ralf Jennes Karl Ritzka † Hans Georg Bittner Alexander Jurmann † Dieter Roempler Gottfried Böhm Jürgen Klix Hans-Jürgen Rönnecke Michael Bonhagen Heinrich Klümper-Westkamp Richard Seemann Herbert Boßmann Ralf Kotz Hans-Peter Schmidt Stephan Dorn Christoph Laumen Werner Schwan 63522_Liedtke_SL3a.indd 6 63522_Liedtke_SL3a.indd 6 16.06.2021 14: 35: 25 16.06.2021 14: 35: 25 <?page no="8"?> Vorwort vii iii Hans-Erwin Esser Wolfgang Lerche Karl Schweyher † Jürgen Genz Dieter Liedtke Wolfgang Specht Winfried Gräfen Michael Lohrmann Hartmut Steck-Winter Dieter Grassl Helmut Mallener Matthias Steinbacher Peter Haase Albrecht Melber Frank Treptow Paul Heilmann Dzo Mikulovic Werner Trojahn Erwin Heumüller † Franz Neumann Werner Vogel Franz Hoffmann Manfred Oswald Karl-Helmut Weissohn Rüdiger Hoffmann Guido Plicht Karl-Michael Winter Uwe Huchel Karl Ritter Urs Wyss † Olaf Irretier Der Redaktionsstab: Winfried Gräfen Franz Hoffmann Dieter Liedtke Karl-Helmut Weissohn Karl-Michael Winter Im Dezember 2013 AWT-Fachausschuss 4 „Einsatzhärten“ 63522_Liedtke_SL3a.indd 7 63522_Liedtke_SL3a.indd 7 16.06.2021 14: 35: 26 16.06.2021 14: 35: 26 <?page no="9"?> iv Inhalt Seite Vorwort 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 1 1.1 Einsatzhärten 1 1.1.1 Aufkohlen 1 1.1.1.1 Verfahren 1 1.1.1.1.1 Die Aufkohlungsreaktionen, ihre Gleichgewichtsbeziehungen und die für das Prozessregeln spezifischen Indikatoren 2 1.1.1.1.2 Die Kohlenstoffaktivität / C-Aktivität a C 5 1.1.1.1.3 Der Kohlenstoffpegel / C-Pegel C p 6 1.1.1.1.4 Der Legierungsfaktor k L 6 1.1.1.1.5 Der Kohlenstoff-Übergangskoeffizient - die Kohlenstoff-Übergangszahl β 8 1.1.1.1.6 Die Kohlenstoffverfügbarkeit 9 1.1.1.1.7 Die Kohlenstoffdiffusion 12 1.1.1.1.8 Randoxidation 15 1.1.1.2 Niederdruckaufkohlen 19 1.1.1.2.1 Die Reaktionen beim Niederdruckaufkohlen 20 1.1.1.2.2 Prozesskontrolle 26 1.1.1.2.3 Prozesstypische Erscheinungen 27 1.1.1.3 Das Reaktionsmedium Plasma für Diffusionsbehandlungen 29 1.1.1.4 Plasmaaufkohlen 32 1.1.1.4.1 Verfahrenstechnik 32 1.1.1.4.2 Einfluss von Plasmastrombzw. Plasmaleistungsdichte auf die Aufkohlungsergebnisse 37 1.1.1.5 Gegenüberstellung der unterschiedlichen Aufkohlungsverfahren 40 1.1.2 Carbonitrieren 40 1.1.2.1 Carbonitrieren bei Normaldruck 41 1.1.2.1.1 Die Wechselwirkung zwischen Kohlenstoff- und Stickstoffaktivität 44 1.1.2.1.2 Anwendung des Carbonitrierens 46 1.1.2.1.3 Anlagen- und Chargeneinfluss beim Carbonitrieren 47 1.1.2.2 Niederdruckcarbonitrieren 49 1.1.3 Sonderverfahren 50 1.1.3.1 Aufkohlen austenitischer Stähle bei Niedrigtemperatur 50 1.1.3.2 Aufkohlen bei hoher Temperatur - Hochtemperaturaufkohlen 54 1.1.3.3 Aufkohlen in sauerstofffreien Atmosphären 55 1.1.3.4 Aufkohlen mit hohen Randkohlenstoffgehalten - Excess Carburizing 55 1.1.4 Härten, Anlassen, Tiefkühlen 55 1.1.4.1 Verfahren zum Härten 57 1.1.4.1.1 Direkthärten (Typ A) 58 1.1.4.1.2 Einfachhärten (Typ B) 59 1.1.4.1.3 Härten nach isothermischem Umwandeln (Typ C) 59 1.1.4.1.4 Doppelhärten (Typ D) 60 1.1.4.2 Warmbadhärten 60 63522_Liedtke_SL3a.indd 8 63522_Liedtke_SL3a.indd 8 16.06.2021 14: 35: 26 16.06.2021 14: 35: 26 <?page no="10"?> Inhalt ix v Seite 1.1.4.3 Tiefkühlen 61 1.1.4.4 Der einsatzgehärtete Zustand 62 1.1.4.5 Anlassen 63 1.2 Nitrieren und Nitrocarburieren 64 1.2.1 Begriffsbestimmung 64 1.2.2 Nitrieren 65 1.2.3 Nitrocarburieren 67 1.2.3.1 Die Reaktionen 67 1.2.3.2 Kenngrößen 69 1.2.3.3 Einfluss der Kenngrößen auf das Ergebnis des Nitrierens und Nitrocarburierens 72 1.2.3.4 Wechselwirkung von Stickstoff und Kohlenstoff in der Nitrierschicht 77 1.2.4 Plasmanitrieren 78 1.2.4.1 Das Reaktionsmedium Plasma 78 1.2.4.2 Prozessablauf 78 1.2.5 Sonderverfahren/ Kombinationsverfahren 83 1.2.5.1 Nitrieren/ Nitrocarburieren bei niedriger Temperatur 83 1.2.5.2 Nitrieren/ Nitrocarburieren oberhalb 590 °C bzw. oberhalb Ac 1(Fe-N-C) 84 1.2.5.3 Hochtemperaturnitrieren 87 1.2.5.4 Niederdrucknitrieren 89 1.2.5.5 Drucknitrieren 90 1.2.5.6 Nitrieren/ Nitrocarburieren und Beschichten 90 1.2.5.7 Nitrocarburieren und anschließendes Härten im Vakuumofen 90 1.2.5.8 Nitrocarburieren und anschließendes Randschichthärten 91 1.2.6 Vor- und Nachbehandlung 91 1.2.6.1 Reinigen 94 1.2.6.1.1 Waschen 94 1.2.6.1.2 Strahlen 95 1.2.6.1.3 Beizen 95 1.2.6.2 Vorbehandlung 96 1.2.6.2.1 Entgraten 96 1.2.6.2.2 Voroxidieren 96 1.2.6.2.3 Spannungsarmglühen 97 1.2.6.2.4 Normalglühen 98 1.2.6.2.5 Vergüten 98 1.2.6.2.6 Vorbereiten für eine örtlich begrenzte Diffusionsbehandlung 99 1.2.6.3 Nachbehandlung 99 1.2.6.3.1 Reinigen 99 1.2.6.3.2 Auslagern 100 1.2.6.3.3 Nachoxidieren 101 1.2.6.3.4 Diffusionsbehandeln 102 1.2.6.3.5 Spanendes Bearbeiten 102 1.2.6.3.6 Richten oder Kalibrieren 103 1.2.6.4.7 Korrosionsschützen 104 63522_Liedtke_SL3a.indd 9 63522_Liedtke_SL3a.indd 9 16.06.2021 14: 35: 26 16.06.2021 14: 35: 26 <?page no="11"?> x Inhalt vi Seite 2 Verfahrensdurchführung 105 2.1 Herstellung der Behandlungsatmosphären 105 2.1.1 Gase, allgemeine Bemerkungen 105 2.1.2 Propan 107 2.1.3 Methan/ Erdgas 108 2.1.4 Ammoniak 109 2.1.5 Ammoniak-Spaltgas 110 2.1.6 Kohlenstoffdioxid 111 2.1.7 Kohlenstoffmonooxid 112 2.1.8 Stickstoff 113 2.1.9 Acetylen 115 2.1.10 Wasserstoff 120 2.1.11 Argon 121 2.1.12 Helium 122 2.1.13 Endogas 122 2.1.14 Exogas 123 2.1.15 Methanol 124 2.2 Atmosphären zum Wärmebehandeln 126 2.2.1 Atmosphären zum Aufkohlen und Carbonitrieren 126 2.2.2 Atmosphären zum Nitrieren und Nitrocarburieren 128 2.2.3 Atmosphärenwechsel 130 2.3 Messen, Steuern und Regeln 131 2.3.1 Prozess-Zielgrößen 133 2.3.1.1 Aufkohlen, Carbonitrieren, Einsatzhärten 134 2.3.1.2 Nitrieren und Nitrocarburieren 135 2.3.2 Prozessparameter 135 2.3.2.1 Temperatur 135 2.3.2.1.1 Temperaturmessung 135 2.3.2.1.2 Temperaturregelung 141 2.3.2.2 Atmosphärenkenngrößen 142 2.3.2.2.1 Messen und Bestimmen der Kenngrößen 142 2.3.2.2.1.1 C-Pegel 142 2.3.2.2.1.2 Carbonitrierpegel C pCarb und N pCarb 148 2.3.2.2.1.3 Kohlenstoffübergangszahl β 149 2.3.2.2.1.4 Dissoziationsgrad beim Nitrieren/ Nitrocarburieren 150 2.3.2.2.1.5 Nitrierkennzahl 150 2.3.2.2.1.6 Oxidationskennzahl 152 2.3.2.2.1.7 Kohlungskennzahl 152 2.3.2.2.2 Regelung der Kenngrößen 153 2.3.2.2.2.1 C-Pegel 153 2.3.2.2.2.2 C-Pegel in Ungleichgewichtsatmosphären 155 2.3.2.2.2.3 Der Kohlenstoffübergangskoeffizient β in Gleichgewichtsatmosphären 156 2.3.2.2.2.4 Nitrierwirkung beim Carbonitrieren 158 2.3.2.2.2.5 Dissoziationsgrad und Nitrierkennzahl 158 2.3.2.2.2.6 Oxidationskennzahl 161 2.3.2.2.2.7 Kohlungskennzahl 161 63522_Liedtke_SL3a.indd 10 63522_Liedtke_SL3a.indd 10 16.06.2021 14: 35: 27 16.06.2021 14: 35: 27 <?page no="12"?> Inhalt xi vii Seite 2.3.2.3 Atmosphärenzusammensetzung 162 2.3.2.3.1 Messen der Atmosphärenzusammensetzung 162 2.3.2.3.1.1 Infrarot-Analysatoren 162 2.3.2.3.1.2 Sauerstoffsonden 165 2.3.2.3.1.3 Schüttelflasche 167 2.3.2.3.1.4 Wärmeleitfähigkeits-Messgeräte 169 2.3.2.3.1.5 Taupunktmessgeräte 170 2.3.2.3.1.6 Wasserstoff-Partialdruck-Messgerät 172 2.3.2.3.2 Regelung der Atmosphärenzusammensetzung 173 2.3.2.4 Gasmengen 173 2.3.2.4.1 Messen der Gasdurchflussmengen 174 2.3.2.4.2 Regelung der Gasdurchflussmengen 177 2.3.2.5 Druck 178 2.3.2.5.1 Druckmessung 178 2.3.2.5.2 Druckregelung 181 2.4 Prozessführung 182 2.4.1 Beschicken und Erwärmen 182 2.4.1.1 Einbringen in den kalten Ofen 183 2.4.1.2 Einbringen in den warmen Ofen 183 2.4.1.3 Voroxidieren vor dem Nitrieren und Nitrocarburieren 184 2.4.2 Halten 184 2.4.2.1 Nitrieren und Nitrocarburieren 184 2.4.2.2 Aufkohlen und Carbonitrieren 185 2.4.3 Abkühlen 186 2.4.3.1 Nitrieren und Nitrocarburieren 186 2.4.3.2 Aufkohlen und Carbonitrieren 186 3 Anlagentechnik 188 3.1 Einrichtungen zur Gasversorgung 188 3.1.1 Endogaserzeuger 188 3.1.2 Direktbegasungsverfahren 193 3.1.2.1 Direktbegasung mit Kohlenwasserstoff-Luft-Gemischen 193 3.1.2.2 Trägergas aus Methanol und Stickstoff 193 3.1.3 Ammoniak-Spaltgas-Erzeuger 194 3.2 Begasung der Öfen 196 3.2.1 Anlagen bei Normaldruck 196 3.2.2 Anlagen bei Niederdruck 198 3.3 Prozessablauf und Prozessüberwachung 198 3.3.1 Anlagen bei Normaldruck 199 3.3.2 Anlagen bei Niederdruck 199 3.3.3 Sicherheitseinrichtungen 199 3.4 Schacht- und Haubenöfen 200 3.4.1 Beschreibung der Anlagen 200 3.5 Mehrzweck-Kammeröfen 208 3.6 Durchstoß-Öfen/ Ringherdöfen 215 3.7 Drehherdöfen 219 3.8 Banddurchlauföfen 222 3.9 Rollenherdöfen 225 3.10 Anlagen zum Niederdruckaufkohlen 228 63522_Liedtke_SL3a.indd 11 63522_Liedtke_SL3a.indd 11 16.06.2021 14: 35: 27 16.06.2021 14: 35: 27 <?page no="13"?> xii Inhalt viii Seite 3.11 Anlagen für thermochemische Behandlungen mit Plasmaunterstützung 234 234 3.11.1 Anlagen zum Plasmanitrieren/ -nitrocarburieren 234 3.11.1.1 Beschreibung der Anlagen 234 3.11.1.2 Aufbau der Anlagen 237 3.11.1.3 Anlagenbetrieb 238 3.12 Allgemeine Hinweise zur Ofenauswahl 241 3.13 Abschreckanlagen 242 3.14 Hinweise zum Chargenpacken 245 3.15 Chargentransport 248 4 Energiebilanz 249 4.1 Der Energiebedarf für thermochemische Prozesse 249 4.2 Beispiele aus der Praxis 254 4.2.1 Beispiel 1: Doppelkammerofen 254 4.2.2 Beispiel 2: Durchstoßofen 257 4.2.3 Beispiel 3: Vakuum-Mehrzweck-Kammerofen zum Niederdruckaufkohlen 258 5 Umweltschutz und Entsorgung 261 5.1 Umweltschutz und Genehmigungsrecht 261 5.2 Gefahrstoffe 262 5.2.1 Lagern von Gefahrstoffen 262 5.2.2 Einsatz von Gefahrstoffen 263 5.3 Anlagen und Ausrüstungen 263 5.4 Abfallentsorgung 263 5.5 Nutzen aus Umweltschutz und Entsorgung 266 6 Hinweise zum sicheren Betrieb der Anlagen 267 6.1 Beispiele für die Notwendigkeit von Sicherheitsmaßnahmen 267 6.2 Allgemeines 268 6.3 Sicherheit für Leib und Leben 268 6.4 Sicherheit für die Anlage 273 6.5 Sicherung des Behandlungsgutes 274 6.6 Prüfung und Instandhaltung 275 Literatur 276 Stichwortverzeichnis 293 Zum Buch 301 63522_Liedtke_SL3a.indd 12 63522_Liedtke_SL3a.indd 12 16.06.2021 14: 35: 27 16.06.2021 14: 35: 27 <?page no="14"?> 1 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 1.1 Einsatzhärten Das Einsatzhärten besteht aus Aufkohlen oder Carbonitrieren und anschließendem Härten (DIN EN 10 052). Durch diese Wärmebehandlung erhalten Werkstücke einen Werkstoffzustand mit unterschiedlicher Gefügeausbildung über den Querschnitt: einer hohen Härte und Festigkeit am Rand und im Inneren, je nach Werkstoffzusammensetzung und Werkstückquerschnitt, ebenfalls eine gegenüber dem Ausgangszustand höhere Härte und Festigkeit. Außerdem liegt ein entsprechendes Eigenspannungsprofil über den Werkstückquerschnitt vor. 1.1.1 Aufkohlen Beim Aufkohlen wird die Werkstückrandschicht im austenitischen Zustand mit Kohlenstoff angereichert / Wys83/ , / Wys90/ , / AWT97/ , / Neu94-1/ , / Neu94-2/ , / Nue94-3/ , / Lie94/ . Zum Aufkohlen stehen feste Mittel wie Pulver oder Granulat, Gase oder Salzschmelzen zur Verfügung. Das Gasaufkohlen kann bei Normaldruck durchgeführt werden oder in einem Niederdruckbereich ohne oder mit Plasmaunterstützung. Das Aufkohlen erfolgt in mehreren Teilschritten: 1. Reaktionen im Aufkohlungsmittel 2. Diffusion im Aufkohlungsmittel 3. Phasengrenzflächenreaktionen zwischen Aufkohlungsmittel und Stahl 4. Diffusion im Stahl 5. Reaktionen im Stahl Voraussetzung für einen sicheren Erfolg des Aufkohlens ist die Kenntnis der thermodynamischen Gesetzmäßigkeiten der Reaktionen im Aufkohlungsmittel und in der Werkstückrandschicht sowie der Einsatz geeigneter Mess- und Regelverfahren. Ausführliche Beschreibungen hierzu sind in „Die Prozeßregelung beim Aufkohlen und Einsatzhärten“ zu finden / AWT97/ . Nachfolgend werden die wesentlichen Gesichtspunkte daraus wiedergegeben. 1.1.1.1 Verfahren Der Transport der Kohlenstoffspender in der Regel sind dies Kohlenwasserstoffe wie Methan, Propan u. a. oder deren Sauerstoffderivate erfolgt über das so bezeichnete Trägergas. Dieses bildet die Grundgaszusammensetzung der Ofenatmosphäre und ermöglicht, je nach Art der Herstellung der Atmosphäre, eine Einteilung in die verschiedenen industriell gebräuchlichen Gasaufkohlungs-Verfahren. Die heute industriell üblichen sind in Tabelle 1-1 aufgelistet, vgl. auch / Ede94/ , / Ede01/ . 63522_Liedtke_SL3a.indd 1 63522_Liedtke_SL3a.indd 1 16.06.2021 14: 35: 27 16.06.2021 14: 35: 27 <?page no="15"?> 2 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 2 Tabelle 1-1: Derzeit übliche Gas-Aufkohlungsverfahren Mit Endogas-Generator Ohne Gas-Generator Trägergas-Verfahren: - Unvollständiges Verbrennen von Propan, Erdgas oder Methan mit Luft und Zugabe von Propan, Methan oder Erdgas → Trägergasverfahren - Erdgas, Methan, Propan oder Butan und Kohlendioxid und Zugabe von Propan, Erdgas oder Methan Trägergas-Verfahren: Spalten von Methan → Spaltgas, Mischen mit Stickstoff (60 : 40) und Zugabe von Propan, Erdgas oder Methan Eintropf-Verfahren: - Eintropfen von flüssigem Methanol und Stickstoff und Zugabe von Propan, Erdgas oder Methan - Eintropfen von flüssigem Methanol und Aceton, Alkohole oder Ethylacetat Direktbegasung: - Methan, Erdgas, Propan oder Butan und Kohlendioxid und Zugabe von z. B. Propan - Propan, Erdgas oder Methan und Luft - Isopropanol oder andere Alkohole und Luft - Methanol und Stickstoff und Zugabe von Propan Maßgebende Kenngrößen für das Aufkohlen sind neben der Temperatur die Kohlenstoffaktivität a C , der Kohlenstoffpegel C P , die Kohlenstoffübergangszahl β und die Kohlenstoffverfügbarkeit. 1.1.1.1.1 Die Aufkohlungsreaktionen, ihre Gleichgewichtsbeziehungen und die für das Prozessregeln spezifischen Indikatoren Grundlage für das Regeln des Gasaufkohlens bei Normaldruck sind die in Tabelle 1- 2 aufgeführten vier Reaktionen und die dazu gehörenden Indikatoren und Regelgrößen. Die Indikatoren errechnen sich aus der Beziehung der Partialdrucke der Gaskomponenten gemäß der Gleichungen in Tabelle 1-2, die mit dem Kohlenstoffgehalt [C] an der Stahloberfläche ein Gleichgewicht anstreben. Der Partialdruck entspricht bei einem Normaldruck von 1 bar dem Volumenanteil in Prozent dividiert durch 100 (20 Vol-% CO z. B., entsprechen 0,2 bar). Die sich daraus ergebenden Messgrößen gelten für die Reaktionen (1-1) und (1-3) bei konstantem CO-Gehalt in der Aufkohlungsatmosphäre und für die Reaktion (1-2) 63522_Liedtke_SL3a.indd 2 63522_Liedtke_SL3a.indd 2 16.06.2021 14: 35: 28 16.06.2021 14: 35: 28 <?page no="16"?> 1.1 Einsatzhärten 3 3 bei konstantem Produkt (%CO)•(%H 2 ). Methan kommt infolge seiner relativ trägen Reaktionsgeschwindigkeit als Regelgröße nicht in Frage. Bei Verfahren mit variablem CO-Gehalt muss dieser kontinuierlich mit gemessen und im Prozessrechner berücksichtigt werden. Tabelle 1-2: Reaktionen, Indikatoren und Regelgrößen beim Gasaufkohlen Reaktion Indikator Regelgröße (1-1) 2 CO ⇔ CO 2 + [C] 2 CO 2 CO p p Vol-% CO 2 (1-2) CO + H 2 ⇔ H 2 O + [C] 2 2 CO H H O p p p ⋅ Vol-% H 2 O bzw. Taupunkttemperatur (1-3) CO ⇔ ½ O 2 + [C] 2 CO 0,5 O p p 2 O p bzw. Sondenspannung (1-4) CH 4 ⇔ 2 H 2 + [C] 4 2 CH 2 H p p -- Bild 1-1: Beziehung zwischen C-Pegel (%C), Ofentemperatur und CO 2 -Gehalt bei verschiedenen CO-Gehalten der Atmosphäre / AWT97/ , / Neu94-2/ 63522_Liedtke_SL3a.indd 3 63522_Liedtke_SL3a.indd 3 16.06.2021 14: 35: 28 16.06.2021 14: 35: 28 <?page no="17"?> 4 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 4 Die Bilder 1-1, 1-2 und 1-3 enthalten Nomogramme, aus denen zu vorgegebenen C- Pegeln, CO-Gehalten und Ofentemperaturen die entsprechenden Messgrößen entnommen werden können. Im rechten Teil der Bilder 1-1 und 1-2 ist für die verschiedenen C-Pegel der erforderliche Indikatorwert als Funktion der Ofentemperatur dargestellt. Im jeweils linken Teilbild ist die Verbindung der Regelgrößen CO 2 (Bild 1-1) bzw. Taupunkt (Bild 1-2) zur Gaszusammensetzung: CO-Gehalt, Produkt (%CO)•(%H 2 ), dargestellt, so dass ausgehend von Ofentemperatur und C-Pegel die betreffenden Regelgrößen abgelesen werden können. Bild 1-2: Beziehung zwischen C-Pegel (%C), Ofentemperatur und Taupunkt bei verschiedenen CO- und H 2 -Gehalten der Atmosphäre / AWT97/ , / Neu94-2/ In Bild 1-3 ist in gleicher Weise die Funktion des Indikators der Reaktion (3) berücksichtigt. In der Praxis wird der Sauerstoffpartialdruck mit Sauerstoffsonden als eine elektrische Spannung (EMK) gemessen. Diese ist über das angesetzte linke Teilbild unter Einbeziehung des CO-Gehalts der Atmosphäre zum temperaturbezogenen C- Pegel in Verbindung zu bringen. Der Zusammenhang zwischen dem Sauerstoffpartialdruck und der Sondenspannung ist in / AWT97/ und / Neu94-2/ beschrieben. 63522_Liedtke_SL3a.indd 4 63522_Liedtke_SL3a.indd 4 16.06.2021 14: 35: 28 16.06.2021 14: 35: 28 <?page no="18"?> 1.1 Einsatzhärten 5 5 Bild 1-3: Beziehung zwischen C-Pegel (%C), Ofentemperatur und O 2 -Sondenspannung (mV) bei verschiedenen CO-Gehalten der Atmosphäre / AWT97/ , / Neu94-2/ 1.1.1.1.2 Die Kohlenstoffaktivität/ C-Aktivität a C Die Wirksamkeit von Elementen in Gasreaktionen oder Legierungen kann durch einen Aktivitätskoeffizienten beschrieben werden. Dieser ist temperatur- und druckabhängig und dimensionslos. Triebkraft für die Kohlenstoffaufnahme im Eisen ist die Potentialdifferenz, die sich aus den unterschiedlichen Aktivitäten des Kohlenstoffs in der Gasphase und im Austenit ( γ -Mischkristall) ergibt und die einen Ausgleich der Aktivitätsunterschiede anstrebt. Was also die Reaktionen einer Werkstoffoberfläche mit einer Aufkohlungsatmosphäre angeht, tritt keine Reaktion auf, wenn der Kohlenstoff in der Atmosphäre und der im Werkstoff die gleiche Aktivität aufweisen. Ist die Kohlenstoffaktivität in der Atmosphäre höher als im Werkstoff, findet ein Aufkohlen statt, ist sie kleiner, wird der Werkstoff entkohlt. Die Aktivität a C kann aus der Konzentration des im Austenit gelösten Kohlenstoffs in Masse-% und der Temperatur in Kelvin wie folgt mit den Daten in / Koh63/ berechnet werden: 864 , 0 5 , 21 % 785 , 0 % log % 15 , 0 28 , 2296 log − + ⋅ + ⋅ + = C C C T a C (1-5) 63522_Liedtke_SL3a.indd 5 63522_Liedtke_SL3a.indd 5 16.06.2021 14: 35: 28 16.06.2021 14: 35: 28 <?page no="19"?> 6 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 6 Dieser Zusammenhang ist in Bild 1-4 für das Löslichkeitsgebiet des Kohlenstoffs im Austenit mit Linien gleicher Kohlenstoffaktivität dargestellt / Neu94-1/ . Die Linie S‘-E‘ entspricht der Aktivität a C = 1,0. Wird sie überschritten, werden Carbide gebildet. Bild 1-4: Eisen-Kohlenstoff-Zustands-Diagramm mit den Iso-Aktivitätslinien für Kohlenstoff / Hor85/ 1.1.1.1.3 Der Kohlenstoffpegel/ C-Pegel C P Als Maß für die Aufkohlungswirkung einer Atmosphäre wird der Kohlenstoffpegel C P verwendet. Er kennzeichnet das Aufkohlungspotential der Atmosphäre gegenüber Reineisen und ist definiert durch den sich einstellenden Massenanteil Kohlenstoff in %. Nach DIN EN 10 052 ist der C-Pegel der Kohlenstoffgehalt, angegeben in Massenanteilen Kohlenstoff in %, den eine Probe aus Reineisen innerhalb des Löslichkeitsgebiets des Austenits bei einer bestimmten Temperatur im Gleichgewicht mit einem umgebenden Mittel annimmt. 1.1.1.1.4 Der Legierungsfaktor k L Bei legierten Eisenwerkstoffen wird durch die Legierungselemente die Kohlenstoffaktivität gegenüber Reineisen verändert. So wird z. B. durch die Elemente Silizium, Nickel, Bor, Stickstoff und Cobalt die Aktivität erhöht und durch Chrom, Mangan, Molybdän, Wolfram, Titan und Vanadium erniedrigt. Eine Erhöhung der C-Aktivität durch die Legierungselemente führt bei gegebenem C-Pegel bei unveränderter C-Aktivität des Aufkohlungsmittels nach Erreichen des Gleichgewichtszustands zu einer geringeren Kohlenstoffkonzentration C L im legierten Eisenwerkstoff gegenüber reinem Eisen, siehe Bild 1-5. Wird dagegen die C-Aktivität durch Legierungselemente er- 63522_Liedtke_SL3a.indd 6 63522_Liedtke_SL3a.indd 6 16.06.2021 14: 35: 29 16.06.2021 14: 35: 29 <?page no="20"?> 1.1 Einsatzhärten 7 7 niedrigt, so ergibt sich bei gleicher C-Aktivität des Aufkohlungsmittels eine höhere Gleichgewichts-Kohlenstoffkonzentration C L als bei Reineisen. Soll dieselbe Gleichgewichts-Kohlenstoffkonzentration wie bei unlegiertem Eisen erreicht werden, muss daher der C-Pegel entsprechend angepasst werden. Die Korrektur ist mit Hilfe des reziproken Aktivitätskoeffizienten, bezogen auf a C = konstant, vorzunehmen. Bild 1-5: Darstellung der Kohlenstoffaktivität a C als Funktion der Kohlenstoffkonzentration einer reinen Fe-C-Legierung, einer Fe-C-Legierung mit 1,2 Masse-% Silizium und einer mit 2,0 Masse-% Chrom Der reziproke Aktivitätskoeffizient wird als Legierungsfaktor k L bezeichnet, wobei gilt: P L L C C k = (1-6) Der Legierungsfaktor k L errechnet sich aus den thermodynamischen Wirkungskoeffizienten und der Konzentration der jeweiligen Legierungselemente / Neu94-1/ , / Lie94/ : lg k L = - 0,055·(%Si) - 0,011·(% Ni) + 0,012·(%Mn) + 0,009·(%Mo) + 0,043·(%Cr)(1-7) In der Tabelle 1-3 sind die danach berechneten Werte für die in DIN EN 10 084 enthaltenen Einsatzstähle zusammengestellt. Die Mittelwerte in Spalte 3 der Tabelle können verwendet werden, wenn die genaue Analyse der betreffenden Stahlsorte nicht bekannt ist. Werden Werkstücke aus Stählen mit unterschiedlichen Legierungsfaktoren gemeinsam aufgekohlt, stellen sich unterschiedliche Rand-Kohlenstoffgehalte und Kohlenstoff-Konzentrationsprofile ein. 950 °C 63522_Liedtke_SL3a.indd 7 63522_Liedtke_SL3a.indd 7 16.06.2021 14: 35: 29 16.06.2021 14: 35: 29 <?page no="21"?> 8 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 8 Tabelle 1-3: Legierungsfaktor für die in DIN EN 10084 enthaltenen Stähle Stahl Bezeichnung Legierungsfaktor k L Grenzwerte Mittelwert C10/ C10E 0,95 bis 1,02 0,99 C15/ C15E C16E 17Cr3 0,99 bis 1,12 1,06 28Cr4 1,05 bis 1,16 1,10 16MnCr5/ 16MnCr5B 1,05 bis 1,16 1,11 20MnCr5 1,07 bis 1,19 1,13 18CrMo4 1,05 bis 1,17 1,11 20MoCr3 1,00 bis 1,12 1,06 20MoCr4 1,00 bis 1,11 1,05 22CrMoS3-5 1,04 bis 1,16 1,10 16NiCr4 0,99 bis 1,12 1,06 18NiCr5-4 1,04 bis 1,15 1,10 20NiCrMo2-2 0,98 bis 1,10 1,04 17NiCrMo6-4 1,00 bis 1,13 1,06 20NiCrMoS6-4 0,98 bis 1,10 1,04 17CrNi6-6 1,05 bis 1,18 1,12 15NiCr13 1,04 bis 1,15 1,10 17CrNiMo6-4 1,06 bis 1,19 1,13 18CrNiMo7-6 1,06 bis 1,14 1,10 14NiCrMo13-4 0,94 bis 1,01 0,98 1.1.1.1.5 Der Kohlenstoff-Übergangskoeffizient - die Kohlenstoff- Übergangszahl β Der Kohlenstoff-Übergangskoeffizient ß fasst die kinetischen Zusammenhänge des Kohlenstoffübergangs aus dem Aufkohlungsmittel in die Werkstück-Randschicht zusammen. Er ist ein Maß dafür, wie rasch ein vorgegebener Randkohlenstoffgehalt erreicht werden kann. Die Kohlenstoff-Übergangszahl β gibt an, wieviel Gramm Kohlenstoff durch eine Werkstückoberfläche von 1 cm² pro Sekunde eindiffundieren, bezogen auf die jeweilige Differenz zwischen dem C-Pegel im Aufkohlungsmittel und dem Randkohlenstoffgehalt. Sie hat die Dimension cm/ s und ist somit mitverantwortlich für die Geschwindigkeit, mit der sich der Randkohlenstoffgehalt C R eines Werkstücks beim Aufkohlen dem Gleichgewichtskohlenstoffgehalt nähert. Nachweislich läuft die Reaktion (1-1) mit CO und CO 2 , besonders aber die Reaktion (1-4) mit CH 4 äußerst lang- 63522_Liedtke_SL3a.indd 8 63522_Liedtke_SL3a.indd 8 16.06.2021 14: 35: 30 16.06.2021 14: 35: 30 <?page no="22"?> 1.1 Einsatzhärten 9 9 sam ab. Die Anwesenheit von Wasserstoff erhöht die Übergangsgeschwindigkeit. Nach Bild 1-6 ist der Kohlenstoff-Übergangskoeffizient weitgehend eine Funktion des Produktes der Partialdrücke p CO und p H2 und steigt demzufolge bis zu einem Höchstwert bei 50 % CO und 50 % H 2 an / Neu94-2/ , / Neu70/ . Aus der Darstellung ist zu entnehmen, dass β je nach Gaszusammensetzung Werte zwischen 1·10 -5 und 3·10 -5 cm/ s annehmen kann. Bild 1-6: Kohlenstoff-Übergangszahl β für das System (H 2 / H 2 O/ CH 4 ) - (CO/ CO 2 ) bei 900 °C 1.1.1.1.6 Die Kohlenstoff-Verfügbarkeit Die Kohlenstoffverfügbarkeit ist ein wichtiger Faktor für die Sicherstellung des durch die Kohlenstoffaufnahme benötigten Nachschubs an Kohlenstoff und damit auch maßgebend für die Gleichmäßigkeit der Aufkohlung über die gesamte Ofencharge / AWT97/ , / Neu94-2/ , / Neu70/ . Es wird zwischen primärer und sekundärer Kohlenstoff-Verfügbarkeit unterschieden. Die primäre Kohlenstoff-Verfügbarkeit ist definiert als die Kohlenstoffmenge in Gramm, die von 1 m 3 Aufkohlungsgas abgegeben werden kann, bis sein C-Pegel auf 1 Masse-% Kohlenstoff als Vergleichsbasis absinkt. Diese Menge ist bei Kohlenwasserstoffen am größten, da die Gleichgewichts-CH 4 -Gehalte sehr niedrig sind. Das bedeutet, dass Aufkohlungsmittel mit hoher primärer Kohlenstoff-Verfügbarkeit zur Aufrechterhaltung des Schichtwachstums eine geringere Zufuhrmenge benötigen als solche mit geringer primärer Kohlenstoff-Verfügbarkeit, siehe Bild 1-7a. Die sekundäre Kohlenstoff-Verfügbarkeit bezieht sich auf geregelte Ofenatmosphären und ist gekennzeichnet durch diejenige Kohlenstoffmenge in g, die von 1 m 3 Gas abgegeben werden kann, während der C-Pegel von 1 % auf 0,9 % absinkt. Aus den Aufkohlungsreaktionen (1-1) und (1-2) lassen sich die an die Stahloberfläche abgegebenen Kohlenstoffmengen berechnen. 63522_Liedtke_SL3a.indd 9 63522_Liedtke_SL3a.indd 9 16.06.2021 14: 35: 30 16.06.2021 14: 35: 30 <?page no="23"?> 10 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 10 Bild 1-7a: Primäre Kohlenstoff-Verfügbarkeit verschiedener Gase (nach Winter) Im Bild 1-7b sind für verschiedene Gasgemische die sekundären Kohlenstoff- Verfügbarkeiten dargestellt. Deutlich wird darin auch der positive Einfluss des Wasserstoffs auf die Kohlenstoffverfügbarkeit zum Ausdruck gebracht, vgl. CO-N 2 - und CO-H 2 -Gemische. Bild 1-7b: Sekundäre Kohlenstoff-Verfügbarkeit verschiedener Gase (nach Winter) Eine hohe sekundäre Kohlenstoffverfügbarkeit hat zur Folge, dass das Gas weniger rasch an verfügbarem Kohlenstoff verarmt und dadurch eine gewisse Pufferwirkung besitzt. Dies begünstigt ein gleichmäßiges Aufkohlen auch an den Stellen, die weniger gut von der Ofenatmosphäre umspült sind, wie in Sacklöchern oder Bohrungen. 63522_Liedtke_SL3a.indd 10 63522_Liedtke_SL3a.indd 10 16.06.2021 14: 35: 30 16.06.2021 14: 35: 30 <?page no="24"?> 1.1 Einsatzhärten 11 11 Beispiel für die Berechnung der Kohlenstoffverfügbarkeit: a) Kohlenstoffmonooxid (CO): Ein Nm³ Gas enthält 44,6 Mol. Mit dem CO-Molgewicht von 28,01 g/ mol (C = 12,011, O = 15,9994) ergibt sich für 1 Nm³ CO ein Gewicht von 1249,26 g. Davon sind 535,7 g Kohlenstoff. Bei 900 °C entspricht ein C-Pegel von 1,0 einer Kohlenstoffaktivität a C = 0,7879. Gemäß 2 2 1 1 1 CO CO B C C p p K K K a ⋅ = = (1-8) und 1 2 2 = + CO CO p p (1-9) und mit 071 , 9 8817 log 1 + + = T K (1-10) ergeben sich etwa 96,7 Vol-% CO und 3,3 Vol-% CO 2 im ausreagierten Gas. Aufgrund der Volumenänderung zerfallen CO Vol CO Vol CO Vol % 2 , 3 ) % 3 , 3 100 ( 100 % 3 , 3 ≅ + ⋅ von der ursprünglichen Gasmenge von 1,0 m³. Beim Zerfall sind damit 0,032·535,6 g = 17,14 g Kohlenstoff abgegeben worden. b) Endoträgergas: Besteht das Trägergas aus einem Gemisch von CO und H 2 , kommt es zur heterogenen Wassergasreaktion: CO + H 2 → C ad + H 2 O ´ (1-11) und zur Boudouard-Reaktion: 2 CO → C ad + CO 2 (1-12) sowie zur Einstellung des Wassergasgleichgewichtes: CO + H 2 O → CO 2 + H 2 (1-12). Damit finden parallel zwei Aufkohlungsreaktionen statt: 2 2 1 1 CO CO B C C p p K K K a ⋅ = ⋅ = (1-13) und O H H CO W C C p p p K K K a 2 2 2 2 ⋅ ⋅ = ⋅ = (1-14) mit 496 , 7 7100 log 2 + − = T K (1-15) Nachdem die heterogene Wassergasreaktion um ein Vielfaches schneller verläuft als die Boudouard-Reaktion, wurde diese zur Berechnung als Hauptreaktion herangezogen. 63522_Liedtke_SL3a.indd 11 63522_Liedtke_SL3a.indd 11 16.06.2021 14: 35: 30 16.06.2021 14: 35: 30 <?page no="25"?> 12 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 12 c) Kohlenwasserstoffe: Kohlenwasserstoffe besitzen eine extrem hohe Kohlenstoffaktivität. Aus diesem Grund muss sich der Kohlenwasserstoff bis zur Einstellung eines Gleichgewichts-C- Pegels bis auf geringe Spuren vollständig spalten. Damit ergibt sich keine messbare Abhängigkeit der primären Kohlenstoffverfügbarkeit von der Temperatur. Nachdem damit schon bis zur Absenkung auf einen C-Pegel von 1 % C der gesamte Kohlenwasserstoff in Kohlenstoff umgesetzt wurde, kann eine sekundäre Kohlenstoffverfügbarkeit nicht mehr angegeben werden. Sie ist rechnerisch gleich null. Ungespaltene Kohlenwasserstoffe in der Aufkohlungsatmosphäre erhöhen die Aufkohlungswirkung und führen zu einem höheren Randkohlenstoffgehalt als nach der heterogenen Wassergasreaktion zu erwarten ist. Nach Collin / Col70/ ergibt sich der Kohlenstoff-Massenstrom J in g Kohlenstoff/ cm 2 ·s: ( ) ( ) ( ) − + − + − ⋅ = s Wg s B g s s M g s a a k a a a k a a g a k J 3 2 1 ρ g/ cm 2 ·s (1-16) In dieser Gleichung werden neben der heterogenen Wassergasreaktion (1-2) auch die Boudouard-Reaktion (1-1) und die Methanzerfallsreaktion (1-4) berücksichtigt. Der Kohlenstoff-Massenstrom J ergibt sich aus den Kohlenstoff-Aktivitäten im Stahl a S , den Aktivitäten a gM , a gB und a gW aus den drei Reaktionen (1-4), (1-1) und (1-2) sowie den kinetischen Wirkfaktoren k 1 , k 2 und k 3 . Die Quotienten k 1 / a s , k 2 / a s und k 3 sind die Kohlenstoffübergangszahlen der einzelnen Kohlenstoff freisetzenden Reaktionen. Das k 3 entspricht dem üblichen β-Wert. Die Geschwindigkeit der Kohlenstoffübertragung der einzelnen Reaktionen (1-4), (1-1) und (1-2) stehen im Verhältnis 1 : 3 : 100; ρ ist die spezifische Dichte des Stahls. 1.1.1.1.7 Die Kohlenstoffdiffusion Nach Übergang des Kohlenstoffs in die Randschicht diffundiert dieser weiter ins Werkstoffinnere. Die Diffusionsgeschwindigkeit hängt vom Konzentrationsgefälle und den im Diffusionskoeffizienten zusammengefassten Größen Temperatur, lokaler Kohlenstoffgehalt sowie Werkstoffzusammensetzung, ab. In der Folge entsteht dabei ein Kohlenstoff-Konzentrationsprofil mit einem stetigen Abfall von außen nach innen, siehe Bild 1-8. / Wün68/ , / Col70/ , / Col75/ , / Wys90/ , / Hof95/ . Aus dem Kohlenstoffprofil, das auch Aufkohlungskurve genannt wird, lässt sich die Zielgröße des Aufkohlens, die Aufkohlungstiefe entnehmen. Dies ist üblicherweise der senkrechte Abstand von der Werkstückoberfläche bis zu dem Punkt, an dem noch eine Kohlenstoffkonzentration von 0,35 Masse-% vorliegt. Dieser Kohlenstoffgehalt ergibt nach der Gesetzmäßigkeit der Aufhärtbarkeit / Ger48/ nach dem Härten bei einem Martensitanteil von 100 % eine Härte von 550 HV. Diese Härte entspricht im Regelfall nach DIN EN ISO 2639 der Grenzhärte für die Bestimmung der Einsatzhärtungs-Härtetiefe aus dem Härteprofil. Der einsatzgehärtete Zustand hängt also maßgeblich vom aufgekohlten Zustand ab / Wys95/ , / Wei95/ . 63522_Liedtke_SL3a.indd 12 63522_Liedtke_SL3a.indd 12 16.06.2021 14: 35: 31 16.06.2021 14: 35: 31 <?page no="26"?> 1.1 Einsatzhärten 13 13 Bild 1-8: Das Kohlenstoff-Konzentrationsprofil: die Aufkohlungskurve Bei geringer Härtbarkeit bzw. großem Werkstückquerschnitt muss ein höherer Grenzkohlenstoffgehalt benutzt werden, um an dieser Stelle ein vollständig martensitisches Gefüge zu erhalten, vgl. Bild 1-9. Bild 1-9: Zusammenhang zwischen dem Grenzkohlenstoffgehalt und dem Durch- Messer von Rundproben aus legierten und unlegierten Einsatzstählen / Kel01/ , / Lie10/ Bild 1-10 zeigt das charakteristische Aussehen der Randschicht eines aufgekohlten und langsam abgekühlten Werkstücks im Lichtmikroskop. Ausgehend von der Werkstückoberfläche, links im Bild, nehmen mit zunehmendem Abstand von der Oberfläche der Anteil des Perlits im Gefüge ab und der Anteil des Ferrits zu. 63522_Liedtke_SL3a.indd 13 63522_Liedtke_SL3a.indd 13 16.06.2021 14: 35: 31 16.06.2021 14: 35: 31 <?page no="27"?> 14 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 14 Bild 1-10: Lichtmikroskopische Gefügeaufnahme der Randschicht eines aufgekohlten Werkstücks Der Diffusionsvorgang wird mit den Fick’schen Gesetzen beschrieben. Der Kohlenstoffverlauf kann mit Hilfe numerischer Methoden berechnet werden / HoF95/ , / Wün68/ , / Wei95/ , / Col70/ . So ergibt sich das Kohlenstoff-Konzentrationsprofil aus der Beziehung / Sla43/ : ( ) ( ) ⋅ ⋅ + − ⋅ − + = t D D x C C C t x C R K K 2 1 , β ψ (1-17) z. B. mit dem Diffusionskoeffizienten nach Wünning / Wün68/ : 𝐷𝐷𝐷𝐷 = (1 − 0,23) ⋅ 𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒 � 4300⋅𝐶𝐶𝐶𝐶 𝑃𝑃𝑃𝑃1,5 −18900 𝑇𝑇𝑇𝑇 − 2,63 ⋅ 𝐶𝐶𝐶𝐶 𝑃𝑃𝑃𝑃1,5 − 0,38� 𝑐𝑐𝑐𝑐𝑚𝑚𝑚𝑚 2 𝑠𝑠𝑠𝑠 (1-18) Entsprechend darauf aufgebaute Rechenprogramme gestatten, den Aufkohlungsvorgang zu simulieren und die zeitliche Änderung des Kohlenstoffprofils zu visualisieren / AWT97/ . Eine Näherungslösung der Beziehung / Wün68/ liefert für die Aufkohlungstiefe: β D t K At − ⋅ = mm (mit t in h, D in mm²/ s und β in mm/ s) (1-19) K ist ein Term, der die Temperatur, den C-Pegel, das Aufkohlungsmittel und die Stahlzusammensetzung berücksichtigt. Mit Hilfe des in Bild 1-11 wiedergegebenen Nomogramms lassen sich die Werte K 63522_Liedtke_SL3a.indd 14 63522_Liedtke_SL3a.indd 14 16.06.2021 14: 35: 31 16.06.2021 14: 35: 31 <?page no="28"?> 1.1 Einsatzhärten 15 15 und D/ β für eine Atmosphäre mit aus Propan hergestelltem Trägergas und Propanzugabe ermitteln / Wys78/ . Bild 1-11: Nomogramm zum Ermitteln des K-Wertes und der Relation D/ β für Endoträgergas aus Propan oder Erdgas / Wys78/ Wird die Löslichkeit des Kohlenstoffs lokal überschritten, bildet sich bei unlegiertem Stahl Eisencarbid oder Zementit, vgl. Bild 1-4. Legierungselemente verändern die Ausscheidungsgrenze S‘-E‘. Dabei können weitere Elemente von dem sich ausscheidenden Eisencarbid aufgenommen werden, so dass Mischcarbide (Fe,M) 3 C mit M = Cr, Mn, Mo usw., entstehen. In / AWT97/ , / Pac90/ , sind hierzu weitere Einzelheiten zu finden. Dem Aufkohlen schließt sich das Härten an. 1.1.1.2.8 Randoxidation Aufkohlungsatmosphären enthalten über ihren Anteil an Kohlenstoffmonooxid und durch Reaktion mit Wasserstoff Sauerstoff enthaltende Reaktionsprodukte. Über die Anteile an CO und CO 2 bzw. H 2 und H 2 O haben diese Atmosphären nicht nur eine aufkohlende sondern auch eine oxidierende Wirkung. Da sich das Oxidationspotential der Atmosphäre aus dem Verhältnis von CO 2 / CO bzw. H 2 O/ H 2 ergibt, kann jedem C-Pegel ein Oxidationspotential zugeordnet werden. Dies führt dazu, dass während des Aufkohlens gleichzeitig eine Oxidation der Randschicht erfolgt. Dieser Vorgang wird als Randoxidation - im Englischen als „Internal Oxidation“, d. h. innere Oxidation bezeichnet. An der Oberfläche adsorbierter Sauerstoff diffundiert in den Werkstoff ein. Nach Überschreiten der Löslichkeit von Sauerstoff im Eisen von einigen ppm oxidieren zunächst Legierungselemente mit einer höheren Sauerstoffaffinität als Eisen. In besonderem Maße werden in der äußeren Randschicht die Elemente Silizium, Mangan, Chrom, Vanadium und Aluminium zu Oxiden abgebunden, vgl. Bild 1-12. Dies führt in der Randschicht zu einer Verarmung der für die Härtbarkeit wirksamen Legie- 63522_Liedtke_SL3a.indd 15 63522_Liedtke_SL3a.indd 15 16.06.2021 14: 35: 32 16.06.2021 14: 35: 32 <?page no="29"?> 16 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 16 rungselemente, was den Gefügezustand und den Härte- und Eigenspannungs- Verlauf beeinträchtigt. Bild 1-12: Gleichgewichtslage der Oxidationsreaktionen von Legierungselementen nach Richardson und Jeffes / Ric48/ Der Diffusionskoeffizient von Kohlenstoff in Eisen ist etwa um den Faktor 100 größer als der von Sauerstoff. Daraus ergibt sich, dass die Tiefe des oxidierten Randbereichs etwa ein Hundertstel der Aufkohlungstiefe beträgt. Auch die Verteilung der Oxid bildenden Legierungselemente wird verändert, wie als Beispiel in Bild 1-13 zu sehen ist. Bild 1-13: Elementverteilung in der Randschicht nach Randoxidation 10 3 / T in 1/ K bar p p CO CO 205 , 0 2 = + 63522_Liedtke_SL3a.indd 16 63522_Liedtke_SL3a.indd 16 16.06.2021 14: 35: 32 16.06.2021 14: 35: 32 <?page no="30"?> 1.1 Einsatzhärten 17 17 Man erkennt, dass Legierungselemente mit einer höheren Sauerstoffaffinität als Eisen in der Randschicht angereichert und als Oxide abgebunden werden. Dies senkt die Aktivität des betreffenden Elementes im Randbereich ab, was durch Nachdiffusion aus dem Werkstückinneren kompensiert wird. Dies ist am relativen Minimum des Element-Konzentrationsprofils unterhalb der Oberfläche erkennbar. Der wirksame Anteil an Legierungselementen wird dementsprechend nicht durch den Gesamtgehalt repräsentiert, sondern nur durch den in der Matrix noch gelösten Anteil. Bild 1-14: Lichtmikroskopisches Aussehen der Randschicht eines einsatzgehärteten Werkstücks im ungeätzten Zustand Die Oxide liegen in der Randschicht zum Teil mehr oder weniger gleichmäßig verteilt vor, teilweise sind Oxidanreicherungen an den Korngrenzen zu finden, wo die oxidbildenden Legierungselemente meist in höherer Konzentration vorliegen, siehe Bild 1-14. Solche netzartigen Ausbildungen können im Belastungsfall als metallurgische, also innere, Kerben wirken. Das Ausmaß der Randoxidation wird sowohl von der Werkstoffzusammensetzung als auch von den Prozessparametern beeinflusst. Da die innere Oxidation Folge der Eindiffusion von Sauerstoff ist, muss mit zunehmender Aufkohlungsdauer, entsprechend dem Quadratwurzel-Zeit-Gesetz, auch mit einer größeren Oxidationstiefe gerechnet werden. Ein höherer C-Pegel bewirkt andererseits durch einen geringeren CO 2 -Gehalt der Aufkohlungsatmosphäre eine geringere Oxidation. Zunehmende Gehalte an Chrom, Mangan und insbesondere Silizium verstärken die Oxidation. Durch das Abbinden der Legierungselemente zu Oxiden wird die Härtbarkeit der Randschicht verringert. Das kann dazu führen, dass dort kein vollständig martensitisches Härtungsgefüge entsteht, sondern wie der im Bild 1-15 sichtbare Troostitsaum, ein Randschichtbereich, in dem das Gefüge aus sehr feinstreifigem Perlit besteht. Dies verringert gegenüber dem Martensit die Härte und anstatt der erwünschten Druckeigenspannungen, liegen in dieser „Weichhaut“ Zugeigenspannungen vor. 10 µm 63522_Liedtke_SL3a.indd 17 63522_Liedtke_SL3a.indd 17 16.06.2021 14: 35: 32 16.06.2021 14: 35: 32 <?page no="31"?> 18 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 18 Bild 1-15: Lichtmikroskopisches Aussehen einer Einsatzhärtungsschicht mit Troostitsaum infolge einer Randoxidation Im Zusammenhang mit der Qualitätsbeurteilung einsatzgehärteter Teile wird erforderlichenfalls die Randoxidationstiefe am ungeätzten Schliff gemessen bzw. die Intensität der Oxidation anhand von Richtreihenfotos beurteilt, vgl. Bild 1-16. Eine Norm hierzu ist in Vorbereitung. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, an Hand des mittels GDOES-Analyse ermittelten Konzentrationsprofils des Siliziums die Tiefe der Randoxidation zu bestimmen, vgl. Bild 1-13. Bild 1-16: Schematische Darstellung von Randoxidationserscheinungsformen 10 µm 63522_Liedtke_SL3a.indd 18 63522_Liedtke_SL3a.indd 18 16.06.2021 14: 35: 32 16.06.2021 14: 35: 32 <?page no="32"?> 1.1 Einsatzhärten 19 19 1.1.1.2 Niederdruckaufkohlen Das Niederdruckaufkohlen ist ein Gasaufkohlen, das in Vakuumöfen bei einem Druck unterhalb des Normaldrucks durchgeführt wird. Als Kohlenstoffspender kommen gasförmige Kohlenwasserstoffe wie Methan, Propan oder Ethin, gegebenenfalls mit Stickstoffzusatz, in Frage. Die zum Aufkohlen benutzten Öfen unterscheiden sich in ihrem Aufbau von den sonst zum Gasaufkohlen benutzten Öfen und ermöglichen ein Aufkohlen bei Temperaturen bis 1100 °C. Vorteilhaft erweist sich außerdem, dass die Ofenatmosphäre frei von Sauerstoff gehalten wird, so dass die innere Oxidation oder Randoxidation vermieden wird / Eys79/ , / Lui79/ , / Lim80/ , / Cha82/ , / Pou85/ , / HoF94/ , / Alt94/ , / Alt02/ , / Lös03/ . Die maßgebenden Prozessparameter sind: • die Art des Kohlenstoffspenders • der Druck im Behandlungsraum • die Art der Gaseinspeisung → konstante oder intermittierende Zuführung • die Verteilung des Gases innerhalb des Behandlungsgutes Im Unterschied zum Gasaufkohlen ist ein Kohlenstoffpegel nicht definierbar, so dass die Aufkohlungswirkung bei gegebenem Aufkohlungsmittel über den Druck und die Art der Gaszuführung geregelt werden muss. In der industriellen Praxis hat sich zum Niederdruckaufkohlen ein Druck von 5 mbar bis 10 mbar bewährt. Höhere Drucke können insbesondere bei Verwendung von Propan zu einem vermehrten Anfall von Ruß beim Propanzerfall führen. Die Gaszufuhr erfolgt zweckmäßigerweise intermittierend, wobei das Verhältnis der Dauer der Gaszugabe zur Pausendauer, in der die Zugabe unterbrochen wird, ein wesentliches Element zum Steuern des Aufkohlungsvorgangs ist. Dabei ist es zweckmäßig, das Verhältnis t Gas / t Pause so einzustellen, dass die Gaszufuhr dann unterbrochen wird, wenn in der Randschicht des aufzukohlenden Werkstücks die temperaturabhängige Sättigungsgrenze des Austenits erreicht ist. Die Pause dient anschließend dazu, eine Diffusion des Kohlenstoffs ohne Kohlenstoffzufuhr herbeizuführen und die Kohlenstoffkonzentration zu erniedrigen. Die Anzahl der durchgeführten Wechsel richtet sich nach der vorgegebenen Aufkohlungstiefe. Die als Kohlenstoffspender benutzten Kohlenwasserstoffe zerfallen thermisch ( → Pyrolyse) und setzen Kohlenstoff frei. Die Reaktionen, die z. B. beim Verwenden von Propan ablaufen, lassen sich nach / Des93/ wie folgt beschreiben: C 3 H 8 ⇔ CH 4 + C 2 H 4 CH 4 ⇔ C + 2·H 2 C 2 H 4 ⇔ 2·C + 2·H 2 In den letzten Jahren wird zunehmend Ethin als Kohlenstofflieferant benutzt / Sug98/ . Dies hängt damit zusammen, dass Ethin oder Acetylen mit der Formel C 2 H 2 , aufgrund seiner spezifischen Zerfallscharakteristik, das Aufkohlen bei höheren Temperaturen und Werkstücken mit komplizierter Geometrie erleichtert. 63522_Liedtke_SL3a.indd 19 63522_Liedtke_SL3a.indd 19 16.06.2021 14: 35: 32 16.06.2021 14: 35: 32 <?page no="33"?> 20 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 20 1.1.1.2.1 Die Reaktionen beim Niederdruckaufkohlen Die Kohlenstoffübertragung Die Kohlenstoffübertragung lässt sich vereinfacht am Beispiel des Acetylens wie in Bild 1-17 dargestellt, beschreiben: Bild 1-17: Ablauf des Niederdruckaufkohlens (schematisch) 1. Schritt: Antransport von Acetylen-Molekülen an die Werkstückoberfläche: C 2 H 2(gas) ⇔ C 2 H 2(ad) (1-20) 2. Schritt: Dissoziation von Acetylen an der Werkstückoberfläche und Chemisorption von Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen: C 2 H 2(ad) + 4s ⇒ 2(C-s) + 2(H-s) (1-21) Rekombination von chemisorbiertem Wasserstoff zu H 2(gas) : 2(H-s) ⇔⇔ H 2(gas) + 2s (1-22) 3. Schritt: Übergang von chemisorbiertem Kohlenstoff in den gelösten Zustand: (C-s) ⇔⇔ C (diss.) + s (1-23) 4. Schritt: Diffusion von Kohlenstoff in das Werkstoffinnere Die Reaktionen Unter dem Einfluss des niedrigen Drucks und der Temperatur findet eine thermochemische Spaltung - Pyrolyse genannt - oder auch eine Polymerisation der als Kohlenstoffspender benutzten Kohlenwasserstoffe statt: Methan CH 4 : Pyrolyse bei 4 mbar und oberhalb 1000 °C Ethan C 2 H 6 : Pyrolyse oberhalb 600 °C, hauptsächlich in CH 4 und H 63522_Liedtke_SL3a.indd 20 63522_Liedtke_SL3a.indd 20 16.06.2021 14: 35: 33 16.06.2021 14: 35: 33 <?page no="34"?> 1.1 Einsatzhärten 21 21 Propan C 3 H 8 : Pyrolyse oberhalb ca. 700 °C und unterhalb 10 mbar in C 2 H 4 und H 2 und weiter in C 2 H 4 + C + 2·H 2 bzw. überwiegend in C 2 H 4 + CH 4 Ethen C 2 H 4 : Pyrolyse unter 10 mbar und über 850 °C in 2·C + 2·H 2 bzw. C 2 H 2 + H 2 bzw. bis 950 °C hauptsächlich in CH 4 + C Acetylen C 2 H 2 : oberhalb 850 °C Dissoziation, unterhalb 800 °C Polymerisation in C 4 H 4 (Butenin/ Vinylacetylen) bzw. an der Stahloberfläche in 4·C+2·H mit steigender Temperatur nimmt die Stabilität zu, mit sinkender Temperatur steigt die C-Verfügbarkeit. Der Zerfall der Kohlenwasserstoffe ist temperaturabhängig. Ethan und Ethen zerfallen immer unter Bildung von Methan, das bei 4 mbar und Temperaturen unterhalb 1000 °C stabil ist. Unterhalb von 800 °C bildet Acetylen lange Kohlenwasserstoffketten und aromatische Verbindungen. Oberhalb 800 °C dissoziiert es in einer komplexen Reaktion; für den letzten Schritt benötigt es die Stahloberfläche als Katalysator. Auch die Dissoziation von Propan verläuft komplex, da sich während des Zerfallsprozesses eine Reihe unterschiedlicher Verbindungen bilden. Es liegt ein Netzwerk unterschiedlicher Zerfalls- und Rekombinationsreaktionen von Kohlenwasserstoffen und deren Radikale vor, siehe Bild 1-18, nach Graf et al. / Gra03/ . Bild 1-18: Netzwerk der homogenen Propanpyrolyse / Gra03/ In Bild 1-19 wird am Beispiel der Kohlenstoff-Konzentrationsprofile beim Niederdruckaufkohlen des Stahls 16MnCr5 die Aufkohlungswirkung von Propan und Methan verglichen. Daraus ist zu entnehmen, dass mit Propan ein deutlich höherer Kohlenstoff-Massenstrom erreicht wird als mit Methan / Hof94/ . Das beim thermischen Zerfall gebildete Methan trägt wegen seiner thermischen Stabilität unterhalb von 1000 °C nicht zur Aufkohlungsreaktion bei. Von den anderen genannten Gasen ist nur das Acetylen von Bedeutung. Die zum Aufkohlen benötigte Propanmenge ist daher abhängig davon, dass beim Zerfall hinreichend viel Acetylen C 3 H 8 CH 4 C 2 H 4 C 2 H 6 C 3 H 6 C 2 H 2 -CH 4 -H 2 -C 2 H 4 -H 2 -C 2 H 2 -CH 4 2x -H 2 -H 2 +C 2 H 4 / -C 3 H 6 x2 C 6 H 6 Ruß x3 -3 H 2 63522_Liedtke_SL3a.indd 21 63522_Liedtke_SL3a.indd 21 16.06.2021 14: 35: 33 16.06.2021 14: 35: 33 <?page no="35"?> 22 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 22 gebildet wird. Beim Aufkohlen mit Propan werden daher größere Volumenströme benötigt als beim Aufkohlen mit Acetylen. Bild 1-19: Thermischer Gaszerfall bei 1050 °C, Vergleich: Methan-Propan / Hof94/ Der Kohlenstoff-Massenstrom Der Kohlenstoff-Massenstrom bestimmt die Aufkohlungsgeschwindigkeit. Er ist definiert als die Masse Kohlenstoff, die pro Stunde und m 2 Werkstückoberfläche eindiffundiert. Er kann aus der Gewichtsdifferenz kleiner Proben vor und nach einem Aufkohlungsschritt oder durch Integration des Kohlenstoffverlaufs ermittelt werden / Hay97/ , / Hep65/ . Tabelle 1-4 zeigt einen Vergleich der Massenströme für Endogas- und unterschiedliche Niederdruck-Aufkohlungsatmosphären bei verschiedenen Temperaturen. Tabelle 1-4: Werte für unterschiedliche Kohlenstoff-Massenströme in g/ m 2 ·h in den ersten 15 min des Aufkohlens / Ede01/ . In Klammern die Werte bis zur Sättigung der Oberfläche mit Kohlenstoff / Cla07/ . Temperatur °C Endogas Plasmaaufkohlen Niederdruckaufkohlen Methan Propan Methan Propan Ethylen Acetylen 900 25 (25) 100 0 60 (60) 55 55 (50) 950 35 (70) 150 0 90 (90) 80 95 (110) 1000 80 (110) 190 0 130 (140) 120 145 (235) 1050 (155) 20 185 (195) 180 200 (335) Hohe Kohlenstoff-Massenströme sind nicht notwendigerweise von Vorteil. Die Randschicht des aufzukohlenden Werkstücks kann nur bis zu einer bestimmten Grenze Kohlenstoff in Lösung nehmen. Nach Überschreiten der Löslichkeitsgrenze werden Carbide ausgeschieden, was meist unerwünscht ist und daher vermieden werden 63522_Liedtke_SL3a.indd 22 63522_Liedtke_SL3a.indd 22 16.06.2021 14: 35: 33 16.06.2021 14: 35: 33 <?page no="36"?> 1.1 Einsatzhärten 23 23 sollte. Bei hohen Massenströmen erfolgt die Sättigung sehr schnell. Die einzige Möglichkeit Ausscheidung von Carbiden zu vermeiden, sind kurze Aufkohlungsabschnitte. Bei hinreichend langen Diffusionsabschnitten können sich zuvor entstandene Zementitausscheidungen wieder auflösen; Ausscheidungen von Sondercarbiden bleiben jedoch erhalten. Die maßgeblichen Prozessgrößen Dies sind die Gasart, der auf die Chargenoberfläche bezogene Gasmassenstrom und die Temperatur. Der durchschnittliche Kohlenstoff-Massenstrom hängt vom Gasdurchfluss ab, vgl. Bild 1-20. Dieser kann allerdings nicht direkt zur Prozesskontrolle, d. h. zum Einstellen des Randkohlenstoffgehaltes oder der Aufkohlungstiefe, herangezogen werden. Ein zu geringer Gasdurchfluss bedeutet eine zu geringe Versorgung der Aufkohlungscharge, was zu unterschiedlicher Aufkohlung innerhalb der Charge führt. Werkstücke, deren Oberfläche ausreichend mit dem Gas versorgt ist, werden korrekt aufgekohlt, für die restlichen Werkstücke steht dann nicht mehr ausreichend Kohlenstoff zur Verfügung. Hierdurch kommt es zu deutlichen Streuungen im Randkohlenstoffgehalt innerhalb der Charge. Andererseits muss die Gaszufuhr begrenzt werden, so dass keine Überversorgung vorliegt, die zur Rußbildung im Ofen führen kann. D. h. der Gasdurchfluss muss an die Oberfläche der Charge angepasst werden. Bild 1-20: Kohlenstoffmassenstrom in Abhängigkeit vom Gasdurchfluss / Grä02/ Nach Gräfen / Grä02/ unterscheiden sich die verschiedenen Gase hinsichtlich ihres Einflusses auf den Kohlenstoff-Massenstrom nicht signifikant, abgesehen vom Methan, das unterhalb einer Temperatur von 1000 °C nicht dissoziiert. Steinbacher / Ste06-2/ stellte einen Unterschied zwischen Propan und Acetylen fest, siehe Bild 1-21. 63522_Liedtke_SL3a.indd 23 63522_Liedtke_SL3a.indd 23 16.06.2021 14: 35: 34 16.06.2021 14: 35: 34 <?page no="37"?> 24 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 24 Bild 1-21: Spezifische Massenzunahme einer Probe aus dem Stahl 20MnCr5 beim Aufkohlen in Propan bzw. Acetylen bei gleicher Temperatur, gleichem Druck und Prozessgas-Durchfluss / Ste06-2/ Während das Propan zusätzliche Zerfallsschritte benötigt, erfolgt das Aufkohlen mit Acetylen direkt, wodurch die Randschicht rascher mit Kohlenstoff gesättigt wird. Auch dies beeinflusst die lokale Kohlenstoffverfügbarkeit. Ein weiterer Vorteil von Acetylen liegt darin, dass mit Acetylen das Aufkohlen komplexer Geometrien leichter möglich ist. Bild 1-22 gibt dies am Beispiel einer Sacklochbohrung wieder. Bild 1-22: Einsatzhärtungstiefe in einem Sackloch nach einem Niederdruckaufkohlen bei einem Druck von 5 mbar / Grä02/ 63522_Liedtke_SL3a.indd 24 63522_Liedtke_SL3a.indd 24 16.06.2021 14: 35: 34 16.06.2021 14: 35: 34 <?page no="38"?> 1.1 Einsatzhärten 25 25 Die Prozesstemperatur beeinflusst die Diffusionsgeschwindigkeit und die Kohlenstofflöslichkeit im Stahl. Durch höhere Temperaturen kann die Prozessdauer zum Erreichen einer vorgegebenen Aufkohlungstiefe verkürzt werden. Konsequenterweise muss dann aber der Kohlenstoff-Massenstrom erhöht werden. Dies lässt sich beim Niederdruckaufkohlen verhältnismäßig einfach realisieren, siehe Bild 1-23. Bild 1-23: Abhängigkeit der spezifischen Massenzunahme von der Temperatur unter Voraussetzung hinreichender Gasdurchflussrate / Ste12/ Der Prozessdruck ist beim Aufkohlen komplexer Geometrien wie z. B. bei Nuten, Bohrungen oder bei Zahnrädern mit kleinem Modul besonders wichtig. Bei solchen Werkstücken muss der Prozessdruck niedrig und der Gasaustausch intensiv sein. Dies kann beispielsweise durch kurze Aufkohlungsabschnitte, gefolgt von Diffusionsabschnitten, bei denen eventuell der Druck weiter abgesenkt wird, erfolgen. Durch wiederholten Druckwechsel wird das Eindringen des Prozessgases in kleine Zwischenräume und das Abführen von Reaktionsprodukten, beispielsweise Wasserstoff, begünstigt. Einfache Geometrien lassen sich auch bei höherem Prozessdruck einwandfrei aufkohlen. Mit abnehmendem Druck entstehen weniger Ruß und komplexe Kohlenwasserstoffketten. Legierungselemente beeinflussen die Diffusionsgeschwindigkeit des Kohlenstoffs im Stahl sowie die maximale Kohlenstofflöslichkeit, die Carbidgrenze, und damit die Carbidbildung, vgl. Bild 1-5. Stähle mit einem höheren Gehalt an Carbidbildnern weisen eine geringere Löslichkeit für Kohlenstoff auf und neigen daher bereits bei kurzen Aufkohlungsschritten zur Bildung von unerwünschten Sondercarbiden. Diese lassen sich bei Aufkohlungstemperatur nicht wieder auflösen. Bei Stählen mit einem höheren Kohlenstoffgehalt werden ebenso schon nach kurzer Dauer Carbide gebildet, siehe Bild 1-24. Die Abweichung vom zunächst linearen Kurvenanstieg kennzeichnet den Beginn der Carbidbildung. Ab diesem Zeitpunkt sollte der Diffusionsschritt beginnen. Das bedeutet, dass die Aufkohlungsschritte entsprechend kurz gehalten werden sollten, um die Carbidbildung zu vermeiden. 63522_Liedtke_SL3a.indd 25 63522_Liedtke_SL3a.indd 25 16.06.2021 14: 35: 34 16.06.2021 14: 35: 34 <?page no="39"?> 26 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 26 Bild 1-24: Abhängigkeit der spezifischen Massenzunahme vom Chrom- und Kohlenstoffgehalt / Ste12/ 1.1.1.2.2 Prozesskontrolle Im Unterschied zum Gasaufkohlen bei Normaldruck ist eine Simulation des Niederdruckaufkohlens nicht Stand der Technik. Stattdessen wird der Prozessverlauf experimentell festgelegt. Die Treffsicherheit vorhandener Simulationsprogramme hängt von der Qualität der verfügbaren Eingangsdaten, beispielsweise für den Kohlenstoff- Massenstrom während der Aufkohlungsabschnitte ab. Gegenwärtig sind die Abhängigkeiten des Massenstroms von Gasart, Temperatur, Stahlsorte und Randkohlenstoffgehalt sowie die genauen Zusammenhänge und die Kinetik von Bildung und Wiederauflösung der Carbide nicht hinreichend bekannt. Bild 1-25: Niederdruckaufkohlen des Stahls 20MnCr5 in der Thermowaage / Ste06-1/ , / Ste12/ 63522_Liedtke_SL3a.indd 26 63522_Liedtke_SL3a.indd 26 16.06.2021 14: 35: 34 16.06.2021 14: 35: 34 <?page no="40"?> 1.1 Einsatzhärten 27 27 Vielfach wird daher mit angepassten/ gefitteten Daten mit entsprechender Unsicherheit gearbeitet / Alt98/ . Üblicherweise werden die erforderlichen Daten aus Versuchen abgeleitet. Durch Integration über die Zeit berechnete Kohlenstoff-Massenströme hängen dann signifikant von der Dauer der Aufkohlungsabschnitte ab. Allein dies kann zu deutlichen Abweichungen führen. Ein anderer Weg, Daten für die Massenstromwerte zu ermitteln, ist das Messen mit der Thermowaage. Hierbei können die Abhängigkeiten genauer erfasst werden. Ein Beispiel zeigt Bild 1-25. Hier wurde die spezifische Gewichtsänderung einer Probe aus dem Stahl 20MnCr5 während eines 8-minütigen Aufkohlens bei 1050 °C in Propan gemessen. Die Wechselwirkung zwischen dem bereits aufgebauten Kohlenstoffprofil und dem Aufkohlungsschritt, der auf einen Diffusionsschritt folgt, muss berücksichtig werden, siehe hierzu Bild 1-26. Dabei sind zwei Abhängigkeiten zu beachten: - Ab dem zweiten Aufkohlungsschritt liegt ein höherer Randkohlenstoffgehalt vor, daher wird der Sättigungskohlenstoffgehalt früher erreicht. - Abhängig vom vorliegenden C-Profil und dem geringeren C-Gradienten ändert sich die Diffusionsgeschwindigkeit. Bild 1-26: Kohlenstoffmassenstrom und Randkohlenstoffgehalt während eines Mehrstufenaufkohlens / Ste06-1/ 1.1.1.2.3 Prozesstypische Erscheinungen Ruß- und Teerausscheidungen Bei zu hoher Kohlenstoffverfügbarkeit im Ofen kann Ruß entstehen. Aus diesem Grund muss die Begasungsrate der Chargenoberfläche angepasst werden. Zusätzlich können sich langkettige Kohlenwasserstoffe, z. B. Teer, durch komplexe Polymerisationsvorgänge bilden. Ruß und Teer werden vielfach in kalten Anlagenberei- 63522_Liedtke_SL3a.indd 27 63522_Liedtke_SL3a.indd 27 16.06.2021 14: 35: 35 16.06.2021 14: 35: 35 <?page no="41"?> 28 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 28 chen gefunden, besonders bei kontinuierlich arbeitenden Anlagen. Die Erscheinungen können durch niedrige Prozessdrucke und angepasste Begasungsraten minimiert werden. Ruß und Teer müssen manuell entfernt werden. Randschichteffekte Beim Niederdruckaufkohlen ist im Regelfall im Ofenraum kein Sauerstoff vorhanden, so dass eine Randschichtoxidation ausbleibt. Wenn jedoch eine Randoxidation beobachtet wird, rührt dies von Sauerstoff in porösen Ofenbauelementen her und/ oder von dem auf der Oberfläche des Behandlungsgutes adhäriertem Sauerstoff. Wegen der fehlenden Randoxidation kann das Niederdruck-Aufkohlen im Vergleich zum normalen Gasaufkohlen als schädigungsfrei bezeichnet werden. Verfahrensbedingt ist jedoch mit anderen schädlichen Veränderungen der Randschicht zu rechnen: - Effusion von Legierungselementen, insbesondere von Mangan, wodurch die Härtbarkeit der Randschicht verringert wird oder Effusion von Stickstoff, was zu einer Kornvergröberung führt, vgl. Bild 1-27 - Bildung von Carbiden auf den Korngrenzen bei nicht optimalen Behandlungsparametern, siehe Bild 1-28 - Angriff der Korngrenzen während des Aufkohlens, was als „thermisches Ätzen“ bezeichnet wird und als eine Kerbwirkung anzusehen ist / Cla03/ . Nach gegenwärtigem Kenntnisstand wird das „thermische Ätzen“ durch Carbidbildung während des Aufkohlens sowie Auflösen der Carbide während der Diffusion und Elementeffusion hervorgerufen. In Bild 1-29 ist der Effekt deutlich zu sehen / Stn06/ , / Ste06-2/ , / Ste12/ . Bild 1-27: Grobkornbildung durch Stickstoffeffusion aus dem Randbereich 63522_Liedtke_SL3a.indd 28 63522_Liedtke_SL3a.indd 28 16.06.2021 14: 35: 35 16.06.2021 14: 35: 35 <?page no="42"?> 1.1 Einsatzhärten 29 29 Bild 1-28: Randschichtschädigung durch Carbidbildung an den Korngrenzen Bild 1-29: Randschichtschädigung durch thermisches Ätzen (Rückstreu-REM) 1.1.1.3 Das Reaktionsmedium Plasma für Diffusionsbehandlungen Ein Gasgemisch aus neutralen und angeregten Atomen bzw. Molekülen, positiven Ionen und freien Elektronen wird als Plasma bezeichnet. Das Plasma für Diffusionsprozesse entsteht, wenn in einem druckdichten, mit Gas gefüllten Behälter bei einem Druck zwischen 0,1 mbar und 30 mbar zwischen zwei im Behälter vorhandenen Elektroden eine Spannung angelegt wird. Die in jedem Gas vorhandenen wenigen positiven Ionen werden in Richtung Kathode beschleunigt. Beim Auftreffen werden Elektronen aus der Kathode herausgeschlagen und nehmen aus dem angelegten elektrischen Feld kinetische Energie auf. Damit werden weitere Atome und Moleküle angeregt und ionisiert und es fließt ein Strom. So entstehen im Niederdruckbereich die verschiedensten Formen von Gasentladungen, deren Strom-Spannungs-Kennlinie als Beispiel für das Edelgas Neon bei einem Druck von 1,33 mbar in Bild 1-30 dargestellt ist. Charakteristische Daten von Niederdruckplasmen sind niedrige Ionisationsgrade von weniger als 10 -4 , d. h. unter 10 4 Gasteilchen befindet sich ein Gas-Ion, Entladungsspannungen von 150 V bis 5000 V, eine Stromdichte von ca. 1 mA/ cm², Leistungs- 63522_Liedtke_SL3a.indd 29 63522_Liedtke_SL3a.indd 29 16.06.2021 14: 35: 36 16.06.2021 14: 35: 36 <?page no="43"?> 30 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 30 dichten von 0,01 W/ cm 2 bis 10 W/ cm², Elektronendichten von 10 9 cm -3 bis 10 12 cm -3 und eine mittlere Elektronenenergie zwischen 0,1 eV und 20 eV. Es herrscht kein thermisches Gleichgewicht zwischen Elektronen, Ionen und Neutralteilchen. Bild 1-30: Strom-Spannungs-Kennlinie einer Gasentladung in Neon / Flü56/ bei p = 1,333 mbar, F = 1 cm² Bild 1-31: Typischer Spannungsverlauf im Behandlungsraum bei Plasma- Diffusionsprozessen / Koh63/ 63522_Liedtke_SL3a.indd 30 63522_Liedtke_SL3a.indd 30 16.06.2021 14: 35: 37 16.06.2021 14: 35: 37 <?page no="44"?> 1.1 Einsatzhärten 31 31 Der Arbeitsbereich beim Plasmaaufkohlen liegt im Bild 1-30 zwischen den Punkten F und G, im Bereich der anomalen Glimmentladung. Die normale Glimmentladung ist für das Plasma nicht brauchbar, weil sich bei dieser Entladungsform der Glimmsaum nur lokal ausbildet und dadurch eine sehr unterschiedliche Stromdichte-Verteilung auf der Kathodenoberfläche vorliegt, wodurch das Aufkohlen ungleichmäßig wird. Für die praktische Anwendung ist es wichtig, den Übergang von der anomalen Glimmentladung zur Bogenentladung, rechts von Punkt G, zu vermeiden, weil sich in der Bogenentladung die gesamte Plasmaenergie in einem relativ kleinen Brennfleck vereinigt, was einen Kurzschluss bewirkt. Dadurch wird die Werkstückoberfläche an dieser Stelle so stark überhitzt, dass Aufschmelzungen entstehen können. Die zum Erzeugen eines Plasmas benutzten Plasmageneratoren erkennen das Umschlagen der anomalen Glimmentladung in die Bogenentladung und schalten dann kurzfristig die Entladung aus. Auch die heute gebräuchliche gepulste Betriebsart der Plasmageneratoren bewährt sich stabilitätsfördernd für die anomale Glimmentladung. Im Potentialverlauf zwischen den beiden Elektroden fallen rd. 80 % der Spannung kurz vor der Kathode ab, siehe Bild 1-31. Dieser Bereich wird als Kathodenfall oder Glimmsaum bezeichnet. Hier werden fast die gesamten für den Stromtransport verantwortlichen Ladungsträger erzeugt. Durch die hohe Zahl der An- und Abregungsprozesse wird der Kathodenfall durch sehr intensive Leuchterscheinungen von der übrigen Entladung optisch abgetrennt. Im Kathodenfall bilden sich so bezeichnete positive und negative Raumladungszonen. Der Glimmsaum schmiegt sich normalerweise der Geometrie eines im Plasma befindlichen, mit der Kathode kontaktierten Werkstücks an, siehe Bild 1-32. Die Breite des Glimmsaums der anomalen Glimmentladung ist direkt proportional zur Ladung der Ionen, der Entladungsspannung und der Temperatur und umgekehrt proportional zur Stromdichte, der Masse der Ionen (Gasart) und dem Druck. Bild 1-32: Einfluss des Gasdrucks auf den Glimmsaum / Ede89/ Je nach der Werkstückgeometrie und den Anforderungen muss ein zweckentsprechender Druck oder die Gaszusammensetzung festgelegt werden, so führt z. B. die Zugabe von Argon zu einem dünneren Glimmsaum. Dabei muss darauf geachtet werden, dass sich in keinem Spalt oder keiner Bohrung eine so bezeichnete Hohlkathode - Bild 1-32 Mitte ausbildet, da diese zu einem Überhitzen oder einem Aufschmelzen der Werkstückrandschicht führen kann. Dies wird dadurch bewirkt, dass die positiven Ionen des Glimmsaums beidseitig nur noch ein negatives Potential sehen. Durch Einstellen einer Breite des Glimmsaums von weniger als der Hälfte des 63522_Liedtke_SL3a.indd 31 63522_Liedtke_SL3a.indd 31 16.06.2021 14: 35: 37 16.06.2021 14: 35: 37 <?page no="45"?> 32 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 32 Durchmessers einer kritischen Bohrung lässt sich dieser Effekt unterdrücken Mel93/ , / Alt94/ . Um eine Entladung zu starten, muss eine Mindestspannung, die so bezeichnete Zündspannung, angelegt werden. Die Höhe der Zündspannung hängt ab von der Gasart, der Frequenz, der Ofengeometrie, dem Elektrodenmaterial, der magnetischen Flussdichte und dem als Paschengesetz bekannten Produkt aus Entladungsdruck und Elektrodenabstand. Unmittelbar nach dem Zünden kann die Spannung wieder deutlich abgesenkt werden. Als Beispiel für ein Plasma mit einem Stickstoff- Wasserstoff-Gemisch sind in Tabelle 1-5 Werte für Zünd-und Brennspannungen und Ionisationsenergien angegeben und Bild 1-33 zeigt die Abhängigkeit der Zündspannung zum Plasmazünden vom Druck und vom Abstand Kathode - Anode. Tabelle 1-5: Zünd-, Brennspannungen und Ionisationsenergien / Grä00/ Stickstoff Stickstoff/ Wasserstoff-Gemisch 75 : 25 50 : 50 25 : 75 Wasserstoff Zündspannung (V) 305 280 260 270 260 Brennspannung für 0,4 mA/ cm² (V) 345 300 340 380 405 Ionisationsenergie (eV) 15,7 - - - 15,8 Bild 1-33: Zündspannung U z zum Plasmazünden in Abhängigkeit vom Druck p und dem Abstand Kathode - Anode / Grä00/ 1.1.1.4 Plasma-Aufkohlen 1.1.1.4.1 Verfahrenstechnik Zum Plasmaaufkohlen werden Vakuumöfen benutzt / Hom84/ , / Yon77/ . Zusätzlich wird zwischen dem Werkstückträger und der metallischen Innenwand des Ofens durch einen Plasmagenerator eine Glimmentladung erzeugt. Damit wird der Zerfall der als Kohlenstoffspender benutzten Kohlenwasserstoffe, meist Methan oder Propan, intensiviert. 63522_Liedtke_SL3a.indd 32 63522_Liedtke_SL3a.indd 32 16.06.2021 14: 35: 37 16.06.2021 14: 35: 37 <?page no="46"?> 1.1 Einsatzhärten 33 33 Bild 1-34: Schema einer gepulsten Entladung Vorzugsweise arbeitet der Generator pulsierend, d. h. abwechselnd werden Entladungsphasen von Phasen ohne Entladung abgelöst, vgl. Bild 1-34. Die Stromdichte während eines Pulses ergibt sich aus der Arbeitsspannung und der Leitfähigkeit der verwendeten Gasmischung, die durch den Druck im Reaktionsraum und dem Partialdruck der Gase bestimmt wird. Über das so bezeichnete Tastverhältnis t v kann die für die Energiebilanz wirksam werdende mittlere Stromdichte gesenkt werden. Das Tastverhältnis t v ergibt sich aus: on v on off t t t t = + t on ist die Pulsdauer, t off die Pausendauer. Mit dem Tastverhältnis wird der Energieeintrag durch das Plasma auf die Werkstücke gesteuert und damit der Wärmehaushalt beeinflusst. Die Wirkung der verschiedenen Prozessgrößen auf die Stromdichte ist in nachstehender Tabelle 1-6 zu sehen. Tabelle 1-6: Wirkung der Prozessparameter auf die Stromdichte Faktoren, welche die mittlere Stromdichte absenken: Faktoren, welche die mittlere Stromdichte erhöhen: steigender Wasserstoffanteil steigende Spannung steigender Methananteil steigender Druck sinkendes Tastverhältnis steigendes Tastverhältnis Als Vorteil gegenüber dem Niederdruckaufkohlen erweist sich, dass Werkstückbereiche, die nicht aufgekohlt werden sollen, auf einfache Weise durch metallisches Abdecken gegen eine Kohlenstoffaufnahme geschützt werden können, sofern Methan und nicht Propan als Kohlenstoffspender benutzt wird / Col76/ . In manchen Anwendungsfällen kann dies durch entsprechendes Gestalten der Werkstück-Aufnahmevorrichtung erreicht werden. 63522_Liedtke_SL3a.indd 33 63522_Liedtke_SL3a.indd 33 16.06.2021 14: 35: 37 16.06.2021 14: 35: 37 <?page no="47"?> 34 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 34 Bild 1-35: Einfluss des Prozessgasdrucks auf das Aufkohlen von Bohrungen / HoF94/ Im Unterschied zum Niederdruckaufkohlen erweist sich der Druck im Behandlungsraum maßgebend für die Aufkohlungsbedingungen in engen Bohrungen, Spalten und Zwischenräumen, da der Druck maßgeblich die Glimmsaumbreite bestimmt / Mel93/ , / Alt94/ . Dies wird in Bild 1-35 deutlich, in dem Härteprofile in einer Bohrung nach dem Aufkohlen bei unterschiedlichen Drucken wiedergegeben sind. Ein höherer Prozessgasdruck führt dazu, dass Spalte und Bohrungen besser beglimmt werden, was eine höhere Kohlenstoffübertragung ermöglicht. Für das Plasmaaufkohlen gelten die gleichen grundsätzlichen Zusammenhänge, wie unter 1.1.1.3 für das Niederdruckaufkohlen dargestellt. Zu den Parametern des Niederdruckaufkohlens kommen jedoch Plasmaparameter hinzu. Maßgebend für den Massenstrom des Kohlenstoffs in die Werkstückrandschicht sind die Prozessparameter: • Verwendeter Kohlenstoffspender • Druck im Behandlungsraum • Plasmastromdichte am Werkstück • Entladungs-Spannung • Verhältnis von Plasma-Puls zu Pause • Verhältnis der Periodendauer Aufkohlungszu Diffusionsphasen Bei Verwendung von Methan basiert die Kohlenstoffübertragung auf der Dissoziation von CH 3+ sowie CH 4+ -Ionen und CH 3 -Radikalen und deren Beschleunigung in Richtung Werkstückoberfläche aufgrund des angelegten elektrischen Feldes, vergleiche Bild 1-36. Dies kann als weitgehend temperaturunabhängig angesehen werden, da die Ionen und Radikale durch die anomale Glimmentladung erzeugt werden. Je nach Art des verwendeten Kohlenstoffspenders wird der Prozess zusätzlich durch Pyrolyseund/ oder Polymerisationsvorgänge beeinflusst. 63522_Liedtke_SL3a.indd 34 63522_Liedtke_SL3a.indd 34 16.06.2021 14: 35: 38 16.06.2021 14: 35: 38 <?page no="48"?> 1.1 Einsatzhärten 35 35 Bild 1-36: Kohlenstoff-Übertragung beim Plasmaaufkohlen mit Methan / Ede89/ In Bild 1-37 sind schematisch die in der Aufkohlungsatmosphäre ablaufenden Vorgänge schematisch dargestellt. Bild 1-37: Schematische Darstellung der Vorgänge in der Atmosphäre beim Plasmaaufkohlen / HoF94/ Während beim Niederdruckaufkohlen als Prozessgase Methan oder Propan zum Einsatz kommen, ist die Verwendung von Methan jedoch aufgrund seiner thermischen Stabilität unzweckmäßig. Wie in Bild 1-19 dargestellt ist, dissoziiert Methan bei einem Druck unterhalb von 10 mbar bzw. bei Temperaturen unterhalb von 1000 °C nicht oder nur wenig. Dies wird aber durch die Plasmaunterstützung geändert. Wird dagegen Propan verwendet, kommt zum Zerfall infolge der Plasmaanregung, ein thermischer Zerfall hinzu. Ein Oberflächenschutz gegen Aufkohlen durch Masken ist dann schwer möglich. 63522_Liedtke_SL3a.indd 35 63522_Liedtke_SL3a.indd 35 16.06.2021 14: 35: 38 16.06.2021 14: 35: 38 <?page no="49"?> 36 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 36 Bild 1-38: Typischer Prozess-Ablauf beim Plasmaaufkohlen / Ker00/ Durch das Plasmaaufkohlen kann insbesondere bei komplexer Werkstückgeometrie auch bei thermisch zerfallenden Aufkohlungsmitteln, wie z. B. Propan, die Gleichmäßigkeit der Aufkohlung weiter verbessert werden. Bild 1-39 gibt den Blick in den Ofenraum beim Plasmaaufkohlen wieder. Bild 1-39: Blick in den Ofenraum beim Plasmaaufkohlen 63522_Liedtke_SL3a.indd 36 63522_Liedtke_SL3a.indd 36 16.06.2021 14: 35: 38 16.06.2021 14: 35: 38 <?page no="50"?> 1.1 Einsatzhärten 37 37 1.1.1.4.2 Einfluss von Plasmastrombzw. Plasmaleistungsdichte auf die Aufkohlungsergebnisse Auch beim Plasmaaufkohlen entstehen bei zu hohem Kohlenstoffangebot Carbidausscheidungen. In Bild 1-40 ist der Zusammenhang zwischen der Plasmastromdichte und dem Randkohlenstoffgehalt bzw. der Aufkohlungstiefe dargestellt. Daraus wird deutlich, dass der Randkohlenstoffgehalt deutlich zunimmt, die Aufkohlungstiefe dagegen langsamer wächst als nach der Zunahme des Randkohlenstoffgehaltes zu erwarten wäre / Rem94/ . Bild 1-40: Einfluss der Plasmastromdichte auf Randkohlenstoffgehalt und Aufkohlungstiefe / Rem94/ Mit höherer Plasmastromdichte bzw. -leistungsdichte ist der Kohlenstoffmassenstrom größer. Somit hat die Plasmastromdichte eine ähnliche Wirkung wie die Begasungsrate beim Aufkohlen ohne Plasmaunterstützung. Daher kann beim Plasmaaufkohlen mit geringeren Begasungsraten gearbeitet werden als beim Niederdruckaufkohlen. Vergleiche hierzu die Bilder 1-41 und 1-42. 63522_Liedtke_SL3a.indd 37 63522_Liedtke_SL3a.indd 37 16.06.2021 14: 35: 38 16.06.2021 14: 35: 38 <?page no="51"?> 38 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 38 Bild 1-41: Zusammenhang zwischen Stromdichte und mittlerem Kohlenstoffmassenstrom bei unterschiedlichem Gasdurchfluss beim Aufkohlen des Stahls 16MnCr5 / Cla00/ Bild 1-42: Einfluss von Begasungsrate und Plasmastromdichte auf den mittleren Kohlenstoffmassenstrom am Beispiel des Stahls 16MnCr5 / Cla00/ Ein höherer Kohlenstoff-Massenstrom wirkt sich besonders dann positiv aus, wenn Werkstücke mit komplizierter Geometrie aufgekohlt werden sollen. Im Bild 1-43 wird dies an den Kohlenstoffprofilen in Sacklochbohrungen deutlich / Hof94/ . 63522_Liedtke_SL3a.indd 38 63522_Liedtke_SL3a.indd 38 16.06.2021 14: 35: 38 16.06.2021 14: 35: 38 <?page no="52"?> 1.1 Einsatzhärten 39 39 Bild 1-43: Einfluss unterschiedlicher Stromdichte auf die Kohlenstoffprofile in Bohrungen beim Aufkohlen mit Propan / HoF94/ Der Kohlenstoff-Massenstrom verringert sich, wenn das Puls-Pause-Verhältnis vergrößert wird, siehe hierzu 1-44. Bild 1-44: Einfluss des Puls-Pausenverhältnisses auf den Kohlenstoffmassenstrom am Beispiel des Stahls 16MnCr5 / Cla00/ 63522_Liedtke_SL3a.indd 39 63522_Liedtke_SL3a.indd 39 16.06.2021 14: 35: 39 16.06.2021 14: 35: 39 <?page no="53"?> 40 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 40 1.1.1.5 Gegenüberstellung der unterschiedlichen Aufkohlungsverfahren Jedes der bis hier beschriebenen Aufkohlungsverfahren weist im Hinblick auf die verschiedenen möglichen Anwendungsfälle spezifische Vorteile auf. Für die Auswahl sind daneben auch immer wirtschaftliche Gründe oder die Verfügbarkeit zu berücksichtigen. In der Tabelle 1-7 sind die wesentlichen Unterschiede der einzelnen Verfahrensgruppen gegenübergestellt. Sie geben Hinweise zum Bewerten der Gas-, Niederdruck- und Plasma-Aufkohlungsprozesse. Tabelle 1-7: Gegenüberstellung der Verfahren zum Gasaufkohlen Gasaufkohlen Plasmaaufkohlen Niederdruckaufkohlen Ofen Atmosphärenofen Vakuumofen Vakuumofen Gasart Gemische aus: CO, CO 2 , CH 4 , H 2 und N 2 Methan, (Propan) Propan, Acetylen Gasverbrauch (temperaturabhängig) 3 - 5 mal Ofenvolumen 100 nl/ h·m² Charge 300 nl/ h·m² Charge 1 ) Maximale Temperatur 1000 °C 1100 °C 1100 °C Anlagenkonditionierung notwendig nicht notwendig nicht notwendig Integrierbarkeit in Produktionslinie Nicht möglich, wegen nicht abgeschirmter Flammen und Abgase ja ja Prozesssteuerung Atmosphäre, Aufkohlungsdauer, Rand-C-Gehalt Länge der Aufkohlungs-, Diffusionssegmente, Plasmastromdichte Länge der Aufkohlungsabschnitte, Diffusionssegmente Prozessregelung C-Pegel nein nein Randschichteffekte Randoxidation Thermisches Ätzen, Mn-Effusion Thermisches Ätzen, Mn- Effusion Isolation gegen Aufkohlung Abdeckpaste mechanisch Abdeckpaste Kohlenstoffübertragung siehe Tabelle 1-3 Aufkohlung von Bohrungen, Sacklöchern eingeschränkt möglich bis zu L/ D = 25 bis zu L/ D = 30 1 ) Das Aufkohlen komplex geformter Teile erfordert höhere Begasungsraten. Gräfen nennt 400 nl/ h·m² bei 2 mbar und 900 °C, um Sackbohrungen aufzukohlen / Grä02/ . 1.1.2 Carbonitrieren Das Carbonitrieren ist eine Variante des Einsatzhärtens, bei der die Werkstückrandschicht vor dem Härten mit Kohlenstoff und Stickstoff angereichert wird. Dies kann sowohl gleichzeitig als auch nacheinander vorgenommen werden. Der Prozess läuft 63522_Liedtke_SL3a.indd 40 63522_Liedtke_SL3a.indd 40 16.06.2021 14: 35: 39 16.06.2021 14: 35: 39 <?page no="54"?> 1.1 Einsatzhärten 41 41 prinzipiell in den gleichen Schritten ab wie das Aufkohlen, vgl. Kapitel 1.1.1, allerdings muss berücksichtigt werden, dass eine Wechselwirkung zwischen Kohlenstoff und Stickstoff besteht und sich die Kohlenstoff- und Stickstoffaktivität gegenseitig beeinflussen. Durch Carbonitrieren kann die Härtbarkeit der aufgekohlten Randschicht die Stabilität des Restaustenits die Anlassbeständigkeit der einsatzgehärteten Randschicht das Verschleißverhalten der einsatzgehärteten Randschicht erhöht werden / Bri54/ . Das Carbonitrieren kann bei Normaldruck- oder im Niederdruckbereich durchgeführt werden. 1.1.2.1 Carbonitrieren bei Normaldruck Als Stickstoffspender wird beim Gascarbonitrieren gasförmiges Ammoniak benutzt, das dem Aufkohlungsmittel zugegeben wird. Ammoniak zerfällt in Stickstoff und Wasserstoff, gemäß 2∙NH 3 ↔ 2∙[N] + 3∙H 2 (1-24) Der aus dem Ammoniakzerfall frei werdende Wasserstoff beeinflusst die anderen thermokinetischen Reaktionen des Kohlenstoffspenders. Die Beteiligung an der heterogenen Wassergasreaktion führt dadurch zu einem niedrigeren CO 2 -Gehalt und einem höheren Wasserdampfgehalt in der Ofenatmosphäre. Auch der CO-Gehalt verringert sich. Nach Untersuchungen von Chatterjee-Fischer und Schaaber / Cha69/ erniedrigt eine Ammoniakzugabe von z. B. 10 Vol-% bezogen auf die dem Ofen zugeführte Gesamtgasmenge den CO 2 -Gehalt von 1,0 Vol-% auf 0,645 Vol-% und den CO-Gehalt von 21,6 Vol-% auf 17,2 Vol-% bei einem vorgegebenen C-Pegel und einer Temperatur von 930 °C. Demgegenüber ist der Einfluss unterschiedlicher Ammoniakzugaben auf den Wasserdampfgehalt bzw. den Taupunkt deutlich geringer / Cha69/ . Durch die beschriebene Änderung der Zusammensetzung der Ofenatmosphäre wird ein höherer C-Pegel vorgetäuscht. Im Bild 1-45 ist dies nach den Ergebnissen von Salonen und Sulonen / Sal70/ am Beispiel eines 5 %-igen Ammoniakanteils bei Temperaturen von 850 °C, 875 °C, 900 °C und 925 °C dargestellt. Aus den Ergebnissen ist abzuleiten, dass sich beim Carbonitrieren der C-Pegel und die Nitrierwirkung über einen Nitrierpegel gegenseitig beeinflussen. Eine Änderung des Nitrierpegels über die Menge der Ammoniakzugabe bewirkt eine Änderung des C-Pegels und umgekehrt. Ähnliche Ergebnisse sind in Bild 1-46 zu sehen. Dort sind für 850 °C, 925 °C und 950 °C die Auswirkungen eines Ammoniakanteils von 0 Vol-% bis 15 Vol-% auf den C-Pegel einer mit einer Sauerstoffsonde geregelten Atmosphäre dargestellt / Dav78/ . 63522_Liedtke_SL3a.indd 41 63522_Liedtke_SL3a.indd 41 16.06.2021 14: 35: 39 16.06.2021 14: 35: 39 <?page no="55"?> 42 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 42 Bild 1-45: Einfluss der Ammoniakzugabe beim Carbonitrieren auf den Kohlendioxidgehalt / Cha69/ Bild 1-46: Einfluss der Ammoniakzugabe auf den C-Pegel einer CO 2 - und einer mit Sauerstoffsonde geregelten Atmosphäre / Dav78/ Zum Regeln der aufkohlenden Wirkung einer Carbonitrieratmosphäre müssen die Sollwerte für einen vorgegebenen C-Pegel entsprechend korrigiert werden. Die dafür erforderlichen Korrekturwerte sollten in dem jeweils benutzten Ofen ermittelt werden, da der Ammoniakzerfall auch vom Anlagenzustand abhängt. Die Korrektur kann, wenn ein Restgas-Ammoniak-Analysator vorhanden ist, über die Prozessregelung erfolgen / HoF88/ , / Win11/ . 63522_Liedtke_SL3a.indd 42 63522_Liedtke_SL3a.indd 42 16.06.2021 14: 35: 39 16.06.2021 14: 35: 39 <?page no="56"?> 1.1 Einsatzhärten 43 43 Tabelle 1-8 zeigt den Einfluss der Ammoniakzugabe auf den CO- und H 2 -Gehalt sowie den tatsächlichen C-Pegel, wenn ein C-Pegelwert von 1,0 % eingehalten werden soll und die Wechselwirkung der Ofenatmosphäre mit dem Ammoniak nicht berücksichtigt wird. Tabelle 1-8: Wirkung einer Ammoniakzugabe auf den tatsächlichen C-Pegel bei einer Atmosphärenregelung mit der Sauerstoffsonde Ammoniakzugabe in % der Trägergasmenge CO- Gehalt in Vol-% H 2 -Gehalt in Vol-% Auswirkung auf den C- Pegel (O 2 -Regelung nicht kompensiert) ohne 20 40 1,00 3 19 42 0,97 5 17 45 0,89 7 15 49 0,80 10 13 53 0,71 Die beim Carbonitrieren aufgenommenen Mengen an Kohlenstoff und Stickstoff lassen sich mit der Folienmethode nachweisen. In Bild 1-47 sind die Stickstoffgehalte von Reineisenfolien nach einem Carbonitrieren bei 780 °C, 850 °C und 930 °C wiedergegeben / Cha69/ . Bild 1-47: Stickstoffgehalte von Reineisenfolien in Abhängigkeit von der Carbonitriertemperatur und der Ammoniakzugabe / Cha69/ Das zusätzliche Anreichern der Randschicht mit Stickstoff verändert das Umwandlungsverhalten: Durch die Stickstoffaufnahme wird der Existenzbereich des Austenits erweitert und wie aus Bild 1-48 zu entnehmen ist, die A c3 -Temperatur deutlich erniedrigt. 63522_Liedtke_SL3a.indd 43 63522_Liedtke_SL3a.indd 43 16.06.2021 14: 35: 40 16.06.2021 14: 35: 40 <?page no="57"?> 44 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 44 Bild 1-48: Einfluss des Stickstoffs auf das Austenitgebiet / Pre66-1/ Das bewirkt bei untereutektoidischen Stählen, dass auch bei einer Temperatur unterhalb von A c3 der Ausgangszusammensetzung, nach entsprechendem Anreichern der Randschicht mit Stickstoff, das zu Beginn des Carbonitrierens zunächst noch aus Ferrit und Austenit bestehende Gefüge, vollständig austenitisch wird. Dadurch nimmt dessen Lösungsvermögen für Kohlenstoff zu. Der nicht vom Stickstoff erreichte Randschichtbereich eines Werkstücks bleibt dagegen zweiphasig und besteht aus Ferrit und Austenit. Auch die Lage der A cm -Linie im Fe-C-Zustands-Schaubild wird durch die Stickstoffaufnahme beeinflusst und zu höheren Kohlenstoffgehalten verschoben. Dies ermöglicht es, einen höheren C-Pegel vorzugeben bzw. das Risiko eines Überkohlens zu verringern, vgl. Bild 1-48. 1.1.2.1.1 Die Wechselwirkung zwischen Kohlenstoff- und Stickstoffaktivität Kohlenstoff und Stickstoff beeinflussen sich gegenseitig, es gilt: a CFe = f (a Catm , a NFe ) und a NFe = f (a Natm , a CFe ) Mit den von Kunze angegebenen Parametern können die Stickstoff- und Kohlenstoffgleichgewichtsgehalte von Carbonitrieratmosphären bestimmt werden, / Kun90/ , / Kun96/ . A cm -Linie 63522_Liedtke_SL3a.indd 44 63522_Liedtke_SL3a.indd 44 16.06.2021 14: 35: 40 16.06.2021 14: 35: 40 <?page no="58"?> 1.1 Einsatzhärten 45 45 Der Carbonitrierpegel In Analogie zum Aufkohlen kann beim Carbonitrieren ein C-Pegel C Pcarb sowie ein N- Pegel N Pcarb vorgegeben werden. Dabei entspricht im Prinzip der C-Pegel beim Carbonitrieren dem beim Aufkohlen, jedoch mit einer Korrektur unter Berücksichtigung der Stickstoffaktivität. Der N-Pegel entspricht dem Randstickstoffgehalt unter Berücksichtigung der Kohlenstoffaktivität. Mit einer carbonitrierten Folie aus Reineisen kann die Summe der aufgenommenen Menge Kohlenstoff und Stickstoff, im einfachsten Fall durch Wägen, ermittelt werden. Der Zusammenhang zwischen Kohlenstoffgehalt und Kohlenstoffpegel kann wie folgt angegeben werden: p N Masse T R p C C C carb ⋅ = = − ⋅ + − % ) 011 , 0 71 , 6 ( 10 (1-25) entsprechend ergibt sich für den Stickstoffpegel N Pcarb : p C Masse T R p N N N carb ⋅ = = − ⋅ + − % ) 12 , 0 3 , 78 ( 10 (1-26) Der C-Pegel C P wird, wie im Abschnitt 1.1.1.2.3 beschrieben, bestimmt. Der Stickstoffpegel N P ergibt sich aus der Beziehung: 51 , 4 2210 lg lg 5 , 1 2 3 + − = T p p N H NH p (1-27) Für einen Carbonitrierprozess bei 850 °C mit einem Endogas, zusammengesetzt aus 20 Vol-% CO und 40 Vol-% H 2 , einer 5 %-igen Zugabe von Ammoniak sowie einem Ziel-Randkohlenstoffgehalt von 0,7 Masse-% und einem Ziel-Stickstoffgehalt von 0,3 Masse-% in Eisen ergeben sich folgende Kennwerte der Atmosphäre: C P = 0,7/ 0,99 = 0,71 und N P = 0,3/ 0,64 = 0,47 Dies lässt sich in eine Nitrierkennzahl umrechnen: 3 5 , 1 10 34 , 5 2 3 − ⋅ = = H NH N p p K bar -1,5 (1-28) Unter der Annahme, dass der Ammoniak sich vollständig spaltet, ergeben sich die entsprechenden Partialdrücke: 3 10 61 , 1 3 − ⋅ = NH p bar und 45 , 0 2 = H p bar oder 1611 ppm NH 3 im Gasauslass bei Normaldruck. 63522_Liedtke_SL3a.indd 45 63522_Liedtke_SL3a.indd 45 16.06.2021 14: 35: 40 16.06.2021 14: 35: 40 <?page no="59"?> 46 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 46 1.1.2.1.2 Anwendung des Carbonitrierens Die industrielle Anwendung unterscheidet nach der Temperatur ein Carbonitrieren oberhalb A c3 und ein Carbonitrieren unterhalb A c3 des Ausgangszustands. Das Carbonitrieren oberhalb A c3 wird üblicherweise im gleichen Temperaturbereich durchgeführt wie das Aufkohlen, wobei die Zugabe des Stickstoffspenders entweder über die gesamte Prozessdauer oder aber erst gegen Prozessende erfolgt. In den meisten Anwendungsfällen ist es das Ziel, die Härtbarkeit der Randschicht zu erhöhen. Der Stickstoff wirkt dann wie ein die Härtbarkeit steigerndes Legierungselement. Der nach dem Härten vorliegende Martensit im Rand ist mit Stickstoff angereichert, was sowohl die Anlassbeständigkeit als auch das Verschleißverhalten verbessert. Der Aufbau des Kerngefüges wird bestimmt durch Härtetemperatur, Härtbarkeit und Werkstückquerschnitt. Weil Stickstoff auf den Austenit stabilisierend wirkt, können in der Einsatzhärtungsschicht aber höhere Anteile von Restaustenit vorliegen. Das Carbonitrieren unterhalb A c3 wird üblicherweise bei Temperaturen bis herab zu rd. 780 °C durchgeführt. Hiermit werden höhere Stickstoffgehalte in der Randschicht erzielt, vgl. Bild 1-48, und es kann - bei einer weiteren Temperaturabsenkung bis in den Bereich von 650 °C sogar zur Ausbildung einer Verbindungsschicht kommen. Das nicht mit Stickstoff angereicherte Kerngefüge wird jedoch nur unvollständig austenitisiert und besteht nach dem Härten aus Martensit und Ferrit. Es ist somit „unterhärtet“. Bild 1-49: Wirkung des Stickstoffs auf die Härtbarkeit am Beispiel der Stirnabschreckproben des unlegierten Einsatzstahls C15 / Mei82/ Für die Aufkohlungstiefe nach dem Carbonitrieren gilt das Gleiche wie für das Aufkohlen. Nach Ende der Behandlungsdauer wird zum Härten meist direkt abgeschreckt. Es ist davon auszugehen, dass wegen der die Härtbarkeit steigernden Wirkung des Stickstoffs etwas höhere Einsatzhärtungstiefen erreicht werden, in 63522_Liedtke_SL3a.indd 46 63522_Liedtke_SL3a.indd 46 16.06.2021 14: 35: 41 16.06.2021 14: 35: 41 <?page no="60"?> 1.1 Einsatzhärten 47 47 Bild 1-49 ist dies am Beispiel von aufgekohlten und carbonitrierten Stirnabschreckproben zu sehen. Eine Besonderheit carbonitrierter Randschichten ist das gelegentliche Auftreten von Poren. Dies wird zurückgeführt auf eine Übersättigung des Austenits mit Kohlenstoff und Stickstoff und eine Rekombination von Stickstoffatomen zu Molekülen an Störstellen im Gefüge. Die Porenbildung soll bei mit Silizium beruhigten Stählen weniger deutlich auftreten als bei Stählen, die mit Aluminium beruhigt wurden. In Bild 1-50 ist das Zusammenwirken von Temperatur, CO 2 -Gehalt und Ammoniakzugabe auf die Porenbildung dargestellt. Bild 1-50: Grenzen der Porenbildung in Abhängigkeit von Temperatur, CO 2 -Gehalt und Ammoniakzugabe / Dav78/ 1.1.2.1.3 Anlagen- und Chargeneinfluss beim Carbonitrieren Der Ammoniakzerfall beim Carbonitrieren findet nicht nur an der Chargenoberfläche, sondern auch am Chargiergestell und den heißen Ofenkomponenten statt. Neue Anlagen haben sehr aktive Ofenwandungen, die noch nicht gesättigt sind und zu einem sehr hohen Ammoniakzerfall führen. Das bewirkt, dass eine konstante Ammoniakzugabe zur Atmosphäre - wie es beispielsweise bei Zugabe von 2 Vol-%, 3 Vol-% oder 5 Vol.-% zur Atmosphäre, entsprechend dem Stand der Technik, der Fall ist - zu unterschiedlichen Stickstoffgehalten in der Randschicht führt, vgl. Bild 1-51. 63522_Liedtke_SL3a.indd 47 63522_Liedtke_SL3a.indd 47 16.06.2021 14: 35: 41 16.06.2021 14: 35: 41 <?page no="61"?> 48 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 48 Bei dem Beispiel handelt es sich um ein Carbonitrieren in einer Glockenofenanlage. Der identische Prozess wurde einmal in einer alten, gesättigten Retorte und einmal in einer neuen Retorte durchgeführt. Man erkennt, dass in der neuen Retorte keine Randstickstoffgehalte über 0,3 Masse-% erzielt werden konnten, während in der alten Retorte bei geringeren Ammoniakzugaben bereits 0,6 Masse-% erreicht wurden. Bild 1-51: Einfluss der Ofenauskleidung auf den Ammoniakzerfall und die Stickstoffaufnahme / Bis10/ Wenn nun statt einer konstanten Ammoniakzugabe der Restammoniakgehalt geregelt wird, ergibt sich ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Restammoniakgehalt im Abgas und dem Randstickstoffgehalt, siehe Bild 1-52. Dies ist die Basis für ein geregeltes Carbonitrieren. Bei neuen Öfen muss die Ofenauskleidung zunächst formiert werden, was einen höheren Gasbedarf erfordert oder es sollten Prozesse gefahren werden, bei denen nur geringe Randstickstoffgehalte notwendig sind. Das Kohlenstoffangebot sollte so eingestellt werden, dass sich ein Randkohlenstoffgehalt von 0,6 Masse-% bis höchstens 0,7 Masse-% ergibt, um den Anteil an Restaustenit nach dem Härten möglichst gering zu halten. Ähnlich wie beim Nitrieren oder Nitrocarburieren beeinflussen die im Stahl vorhandenen nitridbildenden Legierungselemente die Konzentration und den Tiefenverlauf des Stickstoffs. Dabei bewirkt das Aufsticken, auch wenn es erst gegen Ende des Prozesses vorgenommen wird, eine größere Aufkohlungstiefe. Durch die Eindiffusion des Stickstoffs wird die Kohlenstoffaktivität erhöht, was zu einer stärkeren Diffusion des Kohlenstoffs in das Werkstückinnere führt. 63522_Liedtke_SL3a.indd 48 63522_Liedtke_SL3a.indd 48 16.06.2021 14: 35: 41 16.06.2021 14: 35: 41 <?page no="62"?> 1.1 Einsatzhärten 49 49 Bild 1-52: Abhängigkeit der Stickstoffaufnahme beim Carbonitrieren vom Restammoniakgehalt / Bis10/ 1.1.2.2 Niederdruckcarbonitrieren Im Unterschied zum konventionellen Gascarbonitrieren ist es beim Niederdruck- Carbonitrieren zweckmäßig, den zusätzlichen Stickstoffspender Ammoniakgas nicht schon von Beginn des Aufkohlens an in den Ofen einzuführen, sondern erst in der Schlussphase, siehe hierzu die schematische Darstellung des Prozessablaufs in Bild 1-53. Bild 1-53: Prozessablauf beim Niederdruckcarbonitrieren, schematisch 63522_Liedtke_SL3a.indd 49 63522_Liedtke_SL3a.indd 49 16.06.2021 14: 35: 41 16.06.2021 14: 35: 41 <?page no="63"?> 50 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 50 Die Zugabemenge von Ammoniak sollte so eingestellt werden, dass am Prozessende ein Randstickstoffgehalt von 0,25 bis 0,40 Masse-% erreicht wird. Höhere Stickstoffkonzentrationen führen zu einer Porenbildung in der Carbonitrierschicht, s. Bild 1-50. Durch Variation von Begasungsmenge und Aufstickungsdauer lässt sich das Stickstoff-Konzentrationsprofil in gewissen Grenzen beeinflussen / Akh77/ , / Alt03/ . 1.1.3 Sonderverfahren 1.1.3.1 Aufkohlen austenitischer Stähle bei Niedrigtemperatur Die Korrosionsbeständigkeit austenitischer Stähle beruht auf dem hohen Anteil substitutionell gelöster Chromatome in einer Menge von mehr als 12 Masse-%. Dadurch kann an der Oberfläche von Werkstücken aus austenitischen rostfreien Stählen eine sehr dünne, thermodynamisch sehr stabile, passivierende Chromoxidschicht entstehen, die sich korrosionsbeständig verhält. / Spi10/ . Beim Aufkohlen bei den üblichen Temperaturen werden die Chromatome jedoch zu Chromcarbid abgebunden. Dies erhöht zwar die Randschichthärte und die Verschleißbeständigkeit, führt andererseits aber zur lokalen Chromverarmung im äußeren Bereich der Werkstückrandschicht und somit zur Depassivierung der Werkstückoberfläche. Durch Behandeln bei niedrigen Temperaturen kann dagegen das Ausscheiden von Chromcarbiden unterdrückt bzw. so weit gehemmt werden, dass die Fähigkeit zur Passivierung erhalten bleibt. Nach einer temperaturabhängigen Inkubationszeit werden aber dann auch Chromcarbide ausgeschieden, nach Bild 1-54 erfolgt dies oberhalb der Linien für Plasmaaufkohlen bzw. Plasmanitrieren. Bild 1-54: Grenztemperaturen für das Plasmanitrieren und Plasmaaufkohlen des Stahls X2CrNiMo17-12-2 / Bel01/ , / Spi10/ Als Ergebnis dieser Variante des Aufkohlens stellen sich eine höhere Härte und damit ein höherer Verschleißwiderstand ein, jedoch bleibt der Korrosionswiderstand erhalten. Alternativ zum Aufkohlen kann ein Carbonitrieren, Nitrocarburieren bzw. 63522_Liedtke_SL3a.indd 50 63522_Liedtke_SL3a.indd 50 16.06.2021 14: 35: 41 16.06.2021 14: 35: 41 <?page no="64"?> 1.1 Einsatzhärten 51 51 Nitrieren in diesem Temperaturbereich - bevorzugt zwischen 350 °C und 450 °C erfolgen. Während sich bei hohen Aufkohlungstemperaturen bei diesen Stählen eine vorhandene Passivschicht als unproblematisch erweist, muss bei niedrigen Temperaturen die Werkstückoberfläche gezielt aktiviert werden. Häufig ist dies ein Voroxidieren, ein Strahlen als mechanisches Entpassivieren oder ein Beizen in sauren Medien zum chemischen Entpassivieren. Alternativ kommen auch Verfahren mit einer Plasmaunterstützung in Frage, bei denen die Passivschicht durch Sputtern mit Wasserstoff oder Argon entfernt wird / Spi10/ . Die mit Plasmaunterstützung aufgekohlten Randschichten sind zwar mit 10 µm bis 30 µm relativ dünn, besitzen aber eine hohe Härte, enthalten Massenanteile Kohlenstoff bis 4 % und besitzen hohe Druckeigenspannungen. Die erforderliche Behandlungsdauer erreicht eine Größenordnung von bis zu 100 Stunden. Bei gleichzeitiger Eindiffusion von Kohlenstoff und Stickstoff wird die Kohlenstoffaktivität erhöht. Dies führt zu einer „Bergauf“-Diffusion, so dass eine äußere stickstoffreiche Schicht mit einer darunter liegenden kohlenstoffreichen Schicht entsteht, vergleiche Bild 1-55. Bild 1-55: Konzentrationsprofile nach Nitrieren, Nitrocarburieren und Aufkohlen unterhalb von 400 °C beim Stahl X2CrNiMo17-12-2 / Mün09/ 63522_Liedtke_SL3a.indd 51 63522_Liedtke_SL3a.indd 51 16.06.2021 14: 35: 42 16.06.2021 14: 35: 42 <?page no="65"?> 52 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 52 Im folgenden Beispiel wurden austenitische Stähle sowie ein ferritisch-austenitischer Duplexstahl 1.4462 mit und ohne Plasmaunterstützung niederdruckaufgekohlt. An diesem Stahl kann man den Einfluss der durchgeführten Wärmebehandlung auf die beiden Phasen Ferrit und Austenit erkennen. Das Plasmaaufkohlen erfolgte nach dem Vorsputtern bei einem Druck von 9 mbar in Methan mit Argon- und Wasserstoff- Anteilen. Das Niederdruckaufkohlen wurde bei einem Druck unterhalb von 10 mbar mit organischen Kohlenstoffspendern bei 350 °C bis 450 °C durchgeführt, um Ausscheidung von Chromcarbiden zu unterdrücken. Für eine ausreichende Schichtdicke war für beide Verfahren eine Aufkohlungsdauer von 24 h notwendig. Die Versuche zum Plasmaaufkohlen haben gezeigt, dass ein Gemisch aus Argon, Wasserstoff und Methan zu den besten Ergebnissen führt, wobei nicht ein höherer Anteil an Methan im Reaktionsraum, sondern ein höherer Anteil an Wasserstoff und Argon zu dickeren und gleichmäßigeren Diffusionsschichten führt. Hierdurch kann auch während des Aufkohlens eine zusätzliche Sputterwirkung erzielt werden, was den Kohlenstoffeintrag erhöht. Behandlungen mit Ethin (C 2 H 2 ) ergeben im Vergleich zu Propan (C 3 H 8 ) deutlich dikkere und gleichmäßigere Diffusionsschichten für alle untersuchten austenitischen Werkstoffe. Dies beruht darauf, dass Ethin schon bei Temperaturen von ca. 300 °C thermodynamisch instabil ist und vollständig in C und H zerfällt, wodurch prozentual im Vergleich zu Propan mehr atomarer Kohlenstoff in der Atmosphäre vorhanden ist. In Tabelle 1-9 sind die charakteristischen Prozessparameter des Aufkohlens im Niederdruckbereich mit und ohne Plasmaunterstützung gegenübergestellt. Tabelle 1-9: Verfahrensparameter zum Niederdruckaufkohlen von austenitischen Stählen Parameter Sputtern Plasmaaufkohlen Niederdruckaufkohlen Druckbereich Je nach Auslegung der Anlage 9 mbar < 10 mbar Temperatur < 450 °C Behandlungsdauer bis 120 min 24 - 120 h Atmosphäre H 2 -Ar- Gemische; C 3 H 8 , CH 4 mit Ar- und H 2 - Anteilen; C 3 H 8 (Propan); C 2 H 2 (Ethin) unter Variation der Durchflussmengen Plasmaparameter Stromdichte, Spannung, Puls-/ Pausenverhältnis ------ Bild 1-56 zeigt die Randschicht des plasmaaufgekohlten austenitischen Stahls X2CrNiMo18-14-3. Im randnahen Bereich ist eine Schicht zu sehen, in der die Korngrenzen nicht mehr erkennbar sind. 63522_Liedtke_SL3a.indd 52 63522_Liedtke_SL3a.indd 52 16.06.2021 14: 35: 42 16.06.2021 14: 35: 42 <?page no="66"?> 1.1 Einsatzhärten 53 53 Das Ätzverhalten dieser äußeren Randbereiche weist auf eine Verbesserung der Korrosionsbeständigkeit hin. Die Diffusionsschicht ist sehr gleichmäßig mit einer Dikke von 24 µm bis 30 µm und ohne Carbidausscheidungen ausgebildet / HoF94/ . Bild 1-56: Randschicht einer plasmaaufgekohlten Probe aus dem austenitischen Stahl X2CrNiMo18-14-3 im Lichtmikroskop / Gün01/ Bild 1-57: Lichtmikroskopische Aufnahme des plasmaaufgekohlten semi-austenitischen Stahls X2CrNiMoN22-5-3 / Gün01/ Der semi-austenitische Duplexstahl X2CrNiMoN22-5-3 unterscheidet sich dagegen deutlich von dem austenitischen Werkstoff, siehe Bild 1-57. Hier liegen stark geätzte, 63522_Liedtke_SL3a.indd 53 63522_Liedtke_SL3a.indd 53 16.06.2021 14: 35: 42 16.06.2021 14: 35: 42 <?page no="67"?> 54 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 54 schwarze Bereiche neben scheinbar unbeeinflussten Bereichen vor. Aufgrund der höheren Diffusionsgeschwindigkeit des eindiffundierenden Kohlenstoffs im Ferrit bildet sich in den beiden Phasen Austenit und Ferrit eine ungleichmäßige Diffusionsschicht aus. Die Dicke der Diffusionsschicht im Ferrit wird so durch die Diffusionsgeschwindigkeit selbst bestimmt. Die Diffusionsgeschwindigkeit im Austenit wird zusätzlich durch die höhere Kohlenstoffkonzentration im benachbarten Ferrit beeinflusst. Im Ferrit erhält man hierdurch immer dickere Diffusionsschichten. Nach einem Aufkohlen ohne Plasmaunterstützung liegt ein ähnlich aussehendes Gefüge vor und wegen der schwierigeren Depassivierung sind die Schichten meist dünner / HoF94/ . 1.1.3.2 Aufkohlen bei hoher Temperatur - Hochtemperaturaufkohlen Die Aufkohlungsgeschwindigkeit wird bei ausreichendem Kohlenstoffangebot durch die Diffusionsgeschwindigkeit bestimmt und nimmt mit der Temperatur zu. In Bild 1- 58 ist der Zusammenhang zwischen der Temperatur, dem C-Pegel und der Aufkohlungstiefe At 0 , 35 dargestellt. Daraus ist ersichtlich, dass z. B. bei einer Aufkohlungstemperatur von 950 °C rd. 20 Stunden lang aufgekohlt werden muss, um beim Stahl 16MnCr5 eine Aufkohlungstiefe von 2,0 mm zu erhalten. Wird die Temperatur auf 1050 °C erhöht, ist dagegen nur eine Dauer von 10 h erforderlich. Das bedeutet eine 50 % kürzere Aufkohlungsdauer. Damit wird deutlich, dass es zweckmäßig sein kann, höhere Aufkohlungstemperaturen zu wählen, um große Aufkohlungstiefen in wirtschaftlich vertretbarer Zeit zu erreichen / Cha85/ , / HoF98/ , / Lie10/ . Bild 1-58: Zusammenhang zwischen Aufkohlungstiefe, Aufkohlungstemperatur und Aufkohlungsdauer am Beispiel des Stahls C15 und einem C-Pegel von 1,0 % C / Lie10/ Die Wahl einer hohen Aufkohlungstemperatur stößt jedoch in der industriellen Praxis an Grenzen. Zum einen muss bei großer Aufkohlungstiefe, d. h. bei entsprechend langer Aufkohlungsdauer, mit Kornwachstum gerechnet werden. Dies erfordert die Verwendung von mikrolegierten Feinkornstählen, die speziell Titan oder Niob enthalten, wodurch das Kornwachstum behindert wird. 63522_Liedtke_SL3a.indd 54 63522_Liedtke_SL3a.indd 54 16.06.2021 14: 35: 43 16.06.2021 14: 35: 43 <?page no="68"?> 1.1 Einsatzhärten 55 55 Alternativ dazu lässt sich eine Kornvergröberung begrenzt auch durch ein so bezeichnetes Rückfeinen wieder reduzieren. Dazu wird nach dem Aufkohlen entweder bis auf Raumtemperatur abgekühlt oder auf eine Temperatur von ca. 600 °C bis 650 °C abgekühlt, ausreichend lange auf dieser Temperatur gehalten und anschließend wieder auf Härtetemperatur erwärmt und gehärtet, / Hip01/ , / Cla01/ , / Hör72/ . Zum anderen reduzieren höhere Temperaturen die Lebensdauer bestimmter Ofenbauteile. In Anlagen zum Gasaufkohlen bei Normaldruck hat sich daher in der Praxis eine Aufkohlungstemperatur von 980 °C bis maximal 1000 °C bewährt. Wichtig ist es, zu beachten, dass mit höherer Temperatur auch das Lösungsvermögen des Austenits zunimmt, so dass es zweckdienlich ist, dies mit einem höheren C-Pegel zu nutzen. Noch höhere Temperaturen können beim Niederdruckaufkohlen in Vakuumöfen angewendet werden. 1.1.3.3 Aufkohlen in sauerstofffreien Atmosphären Aufkohlen in sauerstofffreien Atmosphären hat den Vorteil, dass damit eine Eindiffusion von Sauerstoff unter Bildung der so bezeichneten „inneren“ Oxidation oder Randoxidation unterbleibt. Praktisch gelingt dies z. B. in einer Atmosphäre aus reinem Propan. In solchen Atmosphären ist ein herkömmliches Regeln über den C- Pegel nicht möglich. Stattdessen wird der Prozess durch periodisch aufeinanderfolgende Schritte von Aufkohlen und Diffusionsglühen gesteuert, um ein Überkohlen der Werkstückrandschicht und/ oder eine Rußbildung im Ofen oder an der Werkstückoberfläche zu vermeiden / Zim92/ . 1.1.3.4 Aufkohlen mit hohen Randkohlenstoffgehalten - Excess Carburizing Wird mit einem Kohlenstoffangebot aufgekohlt, bei dem das Lösungsvermögen des Austenits bei der jeweiligen Temperatur überschritten wird, entstehen in der Werkstückrandschicht bei Stählen mit Carbid bildenden Legierungselementen wie Chrom oder Molybdän entsprechende Carbide. Durch solche Gefüge kann das Verschleißverhalten bei starker Abrasion verbessert werden. Bei derartiger Beanspruchung wird vom so bezeichneten „excess carburizing“ Gebrauch gemacht. Auch bei diesem Verfahren ist ein herkömmliches Regeln über den C-Pegel nicht möglich, / Nak92/ , / Wan86/ , / Zim92/ . 1.1.4 Härten, Anlassen, Tiefkühlen Die gewünschten Gebrauchseigenschaften erhalten aufgekohlte oder carbonitrierte Werkstücke erst durch Härten und nachfolgendes Anlassen. Das Härten kann in unterschiedlicher Weise durchgeführt werden und sich direkt oder nach einem zwischengeschobenen Bearbeiten, z. B. Richten oder Zerspanen, an das Aufkohlen anschließen. Nach dem Carbonitrieren wird aber meist direkt gehärtet. Entsprechend dem Kohlenstoff-Konzentrationsprofil unterscheidet sich das Umwandlungsverhalten innerhalb der aufgekohlten Randschicht gegenüber dem nicht aufge- 63522_Liedtke_SL3a.indd 55 63522_Liedtke_SL3a.indd 55 16.06.2021 14: 35: 43 16.06.2021 14: 35: 43 <?page no="69"?> 56 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 56 kohlten Kernbereich des Werkstücks. Dies erfordert eigentlich graduell abgestufte, unterschiedliche Temperaturen, von denen aus zum Härten abgeschreckt wird. Der höhere Randkohlenstoffgehalt benötigt nämlich eine niedrigere Temperatur als der im Kohlenstoffgehalt unveränderte Kern. Zu beachten ist auch, dass im Kern die Austenitumwandlung bei höherer Temperatur beginnt und endet als im Rand. Außerdem besitzt die aufgekohlte Randschicht gegenüber dem Kern eine höhere Härtbarkeit. Die in den Bildern 1-59 und 1-60 als Beispiel wiedergegebenen ZTU-Schaubilder für den Kern und den beispielsweise auf einen Kohlenstoffgehalt von 1,0 Masse-% aufgekohlten Bereich der Randschicht des Stahls 16MnCr5 lassen dies deutlich erkennen. Bild 1-59: ZTU-Schaubild für kontinuierliches Abkühlen des Stahls 16MnCr5 / Orl73/ Daraus ergibt sich die Möglichkeit, zum Härten von einer an den Rand- oder Kernkohlenstoffgehalt angepassten Temperatur abzuschrecken. Für den Rand genügen z. B. bei den Einsatzstählen Temperaturen zwischen 780 °C und 860 °C, für den Kern sind dagegen 800 °C bis 900 °C notwendig. Die erforderliche Abkühlgeschwindigkeit hängt davon ab, welche Gefügezustände in Rand und Kern erreicht werden sollen und richtet sich nach der Werkstückabmessung und der Härtbarkeit des verwendeten Stahls. 63522_Liedtke_SL3a.indd 56 63522_Liedtke_SL3a.indd 56 16.06.2021 14: 35: 43 16.06.2021 14: 35: 43 <?page no="70"?> 1.1 Einsatzhärten 57 57 Bild 1-60: ZTU-Schaubild für kontinuierliches Abkühlen des auf 1,0 Masse-% Kohlenstoff aufgekohlten Stahls 16MnCr5 / Orl73/ 1.1.4.1 Verfahren zum Härten In Bild 1-61 sind schematisch die allgemein üblichen Verfahrensweisen dargestellt. Daraus geht hervor, dass für den Prozess des Härtens auch die Aufkohlungstemperatur und das geforderte Gefüge in Rand und Kern für das Festlegen der Prozessparameter maßgebend sind. Bild 1-61a: Mögliche Verfahrensabläufe für das Härten aufgekohlter Teile 63522_Liedtke_SL3a.indd 57 63522_Liedtke_SL3a.indd 57 16.06.2021 14: 35: 44 16.06.2021 14: 35: 44 <?page no="71"?> 58 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 58 Bild 1-61b: Mögliche Verfahrensabläufe für das Härten aufgekohlter Teile 1.1.4.1.1 Direkthärten (Typ A) Die Temperatur beim Aufkohlen ist meist auch identisch mit der erforderlichen Härtetemperatur oder liegt sogar darüber. Daher liegt es nahe, nach Abschluss des Aufkohlens unverzüglich von dieser Temperatur zum Härten abzuschrecken. Dies wird als Direkthärten bezeichnet. Nach einem Carbonitrieren ist dies die übliche Vorgehensweise. Bild 1-62: Zusammenhang zwischen dem Gehalt an Aluminium, Titan bzw. Niob und der Korngröße mikrolegierter Feinkornstähle / Pie71/ Damit bei den niedrig kohlenstoffhaltigen ferritisch-perlitischen Einsatzstählen auch im nicht aufgekohlten Kernbereich beim Härten ein vollständig martensitisches Gefüge entsteht, ist zum Austenitisieren eine Temperatur von ca. 900 °C notwendig. Wird bei dieser oder einer höheren Temperatur aufgekohlt und anschließend abgeschreckt, entspricht dies einem so bezeichneten Direkthärten von Kernhärtetemperatur, kurz: Kernhärten. In Abhängigkeit vom Randkohlenstoffgehalt tritt Restaustenit im Gefüge auf. 63522_Liedtke_SL3a.indd 58 63522_Liedtke_SL3a.indd 58 16.06.2021 14: 35: 44 16.06.2021 14: 35: 44 <?page no="72"?> 1.1 Einsatzhärten 59 59 Ein Abschrecken von einer Temperatur zwischen 780 °C bis 840 °C entspricht einem Direkthärten von Randhärtetemperatur, kurz: Randhärten. Hierbei wird der Kern "unterhärtet", da sich das Kerngefüge nur unvollkommen in Martensit umwandelt. Im Rand wird in der Praxis ein feiner ausgebildetes Gefüge mit weniger Restaustenit beobachtet. Das Direkthärten ist eine besonders wirtschaftliche Methode. Wird allerdings bei Temperaturen über 950 °C und zu lange aufgekohlt, ist mit einem Wachsen des Austenitkorn und einem dementsprechend gröberen Gefüge zu rechnen, was ungünstigere Festigkeitseigenschaften zur Folge haben kann. In solchen Fällen sollten die mit verminderter Neigung zum Kornwachstum mikrolegierten Feinkornstähle verwendet werden, vgl. Bild 1-62 / Hip01/ . 1.1.4.1.2 Einfachhärten (Typ B) Beim Einfachhärten wird nach dem Aufkohlen zunächst so auf Raumtemperatur abgekühlt, dass keine Härtung eintritt und das aufgekohlte Werkstück zwischenbearbeitet oder gerichtet werden kann. Danach erfolgt das Erwärmen auf Härtetemperatur und Abschrecken zum Härten. Auch hierbei besteht die Möglichkeit, die Härtetemperatur dem aufgekohlten Rand oder dem nicht aufgekohlten Kern anzupassen und ein Rand- oder Kernhärten vorzunehmen, vgl. 1.1.4.2.1. Im letztgenannten Fall enthält das Kerngefüge je nach Temperatur mehr oder weniger viel Ferrit, der sich beim Austenitisieren nicht in Austenit umgewandelt hat; dies wird auch als Unterhärtung bezeichnet. Das Unterschreiten der Austenit-Umwandlungstemperatur (A c3 -Punkt) beim Abkühlen nach dem Aufkohlen und Überschreiten beim Wiedererwärmen auf Härtetemperatur bewirkt eine Umkristallisation, das Gefüge wird neu formiert. Ein beim Aufkohlen eventuell zu grob gewordenes Gefüge kann dadurch verfeinert werden → „Rückfeinen“. Dies wird deshalb bevorzugt nach einem Aufkohlen bei Temperaturen oberhalb 950 °C und/ oder langer Aufkohlungsdauer angewendet. Es ist aber zu berücksichtigen, dass zwar durch ein feinkörnigeres Gefüge die Festigkeitseigenschaften positiv beeinflusst werden aber im Vergleich zum Direkthärten mit größeren Maß- und Formänderungen zu rechnen ist. 1.1.4.1.3 Härten nach isothermischem Umwandeln (Typ C) Bei diesem Verfahren wird nach dem Aufkohlen auf eine Temperatur, meist im Umwandlungsbereich des Perlits, d. h. also auf ca. 600 °C bis 650 °C, abgekühlt und auf dieser Temperatur isothermisch bis zum Ende der Umwandlung des Austenits in Perlit gehalten. Je nach dem Kohlenstoffgehalt in der Randschicht werden dabei mehr oder weniger viele relativ sehr feine - Carbide ausgeschieden und der Austenit wandelt sich in Perlit um. Nach dem Umwandlungsende wird wieder auf die gewünschte Härtetemperatur erwärmt und dabei angestrebt, nicht sämtliche Carbidausscheidungen wieder aufzulösen. Anschließend erfolgt das Abschrecken. Ähnlich wie beim Einfachhärten wird auch bei diesem Verfahrensablauf das Gefüge verfeinert. Im Unterschied zum Einfachhärten ist jedoch der Energieaufwand geringer, da nicht bis auf Raumtemperatur abgekühlt wird. 63522_Liedtke_SL3a.indd 59 63522_Liedtke_SL3a.indd 59 16.06.2021 14: 35: 44 16.06.2021 14: 35: 44 <?page no="73"?> 60 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 60 1.1.4.1.4 Doppelhärten (Typ D) Beim Doppelhärten wird zweimal gehärtet. Das erste Mal meist direkt von Kernhärtetemperatur nach dem Aufkohlen und ein zweites Mal von Randhärtetemperatur. Damit soll zweierlei erreicht werden: Ein homogenes Kerngefüge nach dem ersten Härten und ein optimales Randgefüge nach dem zweiten Härten. Der nicht aufgekohlte Kern wird beim Wiedererwärmen zum abschließenden Randhärten ”weichgeglüht” und ist dann "unterhärtet". Das Randschichtgefüge wird durch das zweimalige Umwandeln aber verfeinert und ist optimal ausgebildet. Gegenwärtig wird das Doppelhärten in der industriellen Praxis nur noch wenig angewendet. Das kommt nicht zuletzt daher, dass der Aufwand für die erforderliche Anlagentechnik und die Energie relativ hoch sind. Auch sind die Maß- und Formänderungen größer als nach den zuvor beschriebenen Verfahren. Vor einer Anwendung ist es daher zweckmäßig, die Vor- und Nachteile sorgfältig gegeneinander abzuwägen. 1.1.4.2 Warmbadhärten Mit diesem Begriff wird eine Vorgehensweise beim Abschrecken gekennzeichnet, die darin besteht, dass zunächst nicht bis auf Raumtemperatur abgekühlt wird, sondern auf eine Temperatur dicht oberhalb der Martensit-Starttemperatur der aufgekohlten Randschicht. Dies ist je nach Stahl und Kohlenstoffgehalt eine Temperatur zwischen 180 °C und 220 °C, siehe Bild 1-63. Im Kernbereich findet dagegen bereits eine Umwandlung statt, da wegen des niedrigeren Kohlenstoffgehalts die Martensit- Starttemperatur, die etwa bei 400 °C liegt, unterschritten wird. Bild 1-63: Prinzip des Warmbadhärtens aufgekohlter Teile Durch isothermisches Halten auf der Temperatur des Warmbades sollen Temperaturunterschiede im Werkstück ausgeglichen werden, so dass die beim Abkühlen und Umwandeln des Kernbereichs möglicherweise entstehenden Eigenspannungen möglichst niedrig bleiben. Nach dem Temperaturausgleich wird das Abkühlen fortgesetzt. Erst wenn im Randbereich die Martensit-Starttemperatur unterschritten wird, erfolgt 63522_Liedtke_SL3a.indd 60 63522_Liedtke_SL3a.indd 60 16.06.2021 14: 35: 44 16.06.2021 14: 35: 44 <?page no="74"?> 1.1 Einsatzhärten 61 61 hier das Umwandeln des Austenits in Martensit. Damit lassen sich auch umwandlungsbedingte Spannungen und dadurch verursachte Maß- und Formänderungen minimieren. Prinzipiell kann das Warmbadhärten bei allen zuvor beschriebenen Verfahren angewendet werden, sofern die Härtbarkeit des verwendeten Werkstoffs dies erlaubt. In der Praxis werden zum Warmbadhärten meist Salzschmelzen oder thermisch entsprechend belastbare Öle benutzt. 1.1.4.3 Tiefkühlen Liegt in der aufgekohlten Randschicht ein höherer Kohlenstoffgehalt vor als der theoretisch zum Erreichen der Höchsthärte mindestens erforderliche von rd. 0,60 Masse-%, muss nach dem Härten in der Randschicht mit der Anwesenheit von Restaustenit gerechnet werden. Aus Bild 1-64 kann dieser Zusammenhang für unlegierte Stähle abgelesen werden 1 . Bild 1-64: Beginn und Ende der Martensitbildung in Abhängigkeit vom Kohlenstoff-Massenanteil bei unlegierten Stählen beim Abschrecken von Härtetemperatur Restaustenit im Gefüge verringert die Härte und beeinträchtigt das Verschleißverhalten. Je nach den späteren Betriebsbedingungen bzw. -beanspruchungen, kann sich durch tiefe oder hohe Betriebstemperaturen, Temperaturwechsel, Verformungen oder Lastspannungen, zu einem späteren Zeitpunkt der Restaustenit noch mehr oder weniger vollständig in Bainit und/ oder Martensit umwandeln. Daraus resultieren u. U. 1 Bei legierten Stählen kann Restaustenit auch schon bei geringeren Kohlenstoffgehalten entstehen. Außerdem erhöht ein Abschrecken von hoher Härtetemperatur die Restaustenitmenge. 63522_Liedtke_SL3a.indd 61 63522_Liedtke_SL3a.indd 61 16.06.2021 14: 35: 45 16.06.2021 14: 35: 45 <?page no="75"?> 62 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 62 weitere Maß- und Formänderungen, die z. B. bei Bauteilen mit geringen Maßtoleranzen zu einem Festsitzen führen können. Wenn der Restaustenitgehalt minimiert werden soll, muss so aufgekohlt werden, dass sich ein ausreichend niedriger Randkohlenstoffgehalt einstellt. Wo dies nicht gelingt, kann es zweckmäßig sein, nach dem Abschrecken auf Raumtemperatur weiter auf noch niedrigere Temperaturen abzukühlen, um dem Ende der Martensitbildung möglichst nahe zu kommen, vgl. Bild 1-64. Das Tiefkühlen sollte möglichst unmittelbar nach dem Erreichen der Raumtemperatur vorgenommen werden, um den Restaustenit möglichst vollständig umzuwandeln und nicht zu stabilisieren. In der Praxis kann es gegebenenfalls notwendig sein, dazu flüssigen Stickstoff mit einer Temperatur von ca. -195 °C zu verwenden. Es ist zu beachten, dass Legierungselemente die M s -Temperatur verschieben. 1.1.4.4 Der einsatzgehärtete Zustand Nach dem Härten beträgt die Härte an der Werkstückoberfläche ca. 60 bis 65 HRC bzw. 700 bis 800 HV. Im Werkstückinneren ergeben sich Härtewerte, die vom Kohlenstoffgehalt, dem Werkstückquerschnitt, den Abschreckbedingungen und der Härtbarkeit des verwendeten Stahls bestimmt werden; es kann sich eine Härte von 30 bis 45 HRC einstellen. Der Übergang von der Härte am Rand zu der im Kern wird durch die Härteverlaufskurve, auch Härteprofil genannt, gekennzeichnet, siehe die schematische Darstellung in Bild 1-65. Bild 1-65: Härteprofil eines einsatzgehärteten Werkstücks (schematisch) Aus der Härteverlaufskurve lässt sich gemäß DIN EN ISO 2639 die Einsatzhärtungs- Härtetiefe CHD 2 entnehmen, d. i. der senkrechte Abstand von der Oberfläche bis zu dem Punkt im Werkstück, an dem noch eine Härte von im Regelfall 550 HV bzw. 52,5 HRC vorhanden ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass theoretisch, nach der Gesetzmäßigkeit der Aufhärtbarkeit, ein Kohlenstoffgehalt von 0,35 Masse-%, unter der Voraussetzung eines rein martensitischen Gefüges genügt, um diese Härte zu erreichen. In der Praxis muss jedoch damit gerechnet werden, dass die Aufkohlungs- 2 CHD oder case-hardening hardness depth entspricht der in der früheren DIN 50190 festgelegten Kurzbezeichnung Eht. 63522_Liedtke_SL3a.indd 62 63522_Liedtke_SL3a.indd 62 16.06.2021 14: 35: 45 16.06.2021 14: 35: 45 <?page no="76"?> 1.1 Einsatzhärten 63 63 tiefe At 0 , 35 nicht in jedem Fall mit der Einsatzhärtungstiefe übereinstimmt, weshalb bei größeren Abmessungen bzw. geringerer Härtbarkeit der Grenzkohlenstoffgehalt angehoben werden muss, damit die erforderliche Einsatzhärtungstiefe erreicht wird, vgl. Bild 1-9. Bild 1-66 zeigt einen angeätzten Makroschliff eines einsatzgehärteten Werkstücks, bei dem der dunklere Randbereich der Einsatzhärtungsschicht entspricht. Bild 1-66: Makroschliffbild eines einsatzgehärteten Werkstücks 1.1.4.5 Anlassen Es ist üblich, einsatzgehärtete Werkstücke oberhalb von 150 °C, vorzugsweise aber bei 180 °C oder höher, mit einer Haltedauer von einer Stunde, anzulassen. Dadurch wird etwas Kohlenstoff aus dem Martensit ausgeschieden und bildet mit dem Eisen und anwesenden metallischen Legierungselementen, Carbide. Das verringert die tetragonale Verzerrung des martensitischen Gitters und damit auch die Härte. Das Anlassen bei Temperaturen um 180 °C vermindert die Rissempfindlichkeit, ohne eine wesentliche Abnahme der Eigenspannungen. Das wirkt sich u. a. günstig auf das Verhalten beim Schleifen aus. Der Einfluss auf die Gebrauchseigenschaften, z. B. das Verschleiß- oder das Festigkeitsverhalten bei Schwingbeanspruchungen, kann dagegen positiv oder negativ sein. Soll das Formänderungsvermögen und damit die Zähigkeit deutlich erhöht werden, sind jedoch höhere Anlasstemperaturen erforderlich. Müssen einsatzgehärtete Werkstücke gerichtet werden, so ist es nach den bisher vorliegenden Erfahrungen der Praxis günstiger, das Richten vor dem Anlassen vorzunehmen. 63522_Liedtke_SL3a.indd 63 63522_Liedtke_SL3a.indd 63 16.06.2021 14: 35: 46 16.06.2021 14: 35: 46 <?page no="77"?> 64 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 64 1.2 Nitrieren und Nitrocarburieren 1.2.1 Begriffsbestimmung Nitrieren und Nitrocarburieren erhöhen durch Eindiffusion von atomarem Stickstoff in die Randschicht von Werkstücken aus Stahl oder Gusseisen die Härte, den Korrosionswiderstand, die Schwingfestigkeit und den Verschleißwiderstand. Ein großer Vorteil ist dabei die hohe Maßhaltigkeit: Infolge der niedrigen Behandlungstemperaturen treten keine Phasenumwandlungen wie beim Einsatzhärten auf. Außerdem bleibt die nach dem Nitrieren oder Nitrocarburieren bei legierten Stählen erzeugte Härte, im Unterschied zu einem gehärteten oder einsatzgehärteten Zustand, bei nachträglich auftretenden Temperaturen bis Nitriertemperatur nahezu erhalten. Das Nitrieren erfolgt vorzugsweise im Temperaturbereich von 480 °C bis 550 °C, das Nitrocarburieren bei 570 °C bis 600 °C. Bild 1-67: Aufbau der Nitrier-/ Nitrocarburierschicht (schematisch) Es existiert eine große Zahl verschiedener Verfahren und Verfahrensvarianten, die zum Teil für unterschiedliche Anwendungsfälle entwickelt wurden. Eine systematische Verfahrensunterscheidung erfolgt häufig nach der Art des Stickstoffspenders. In DIN EN 10052 bzw. DIN ISO 4885 wird beispielsweise zwischen Gas-, Salzbad-, Pulver- und Plasmani-trieren unterschieden. Unabhängig von der Verfahrensvariante besteht die resultierende Nitrier-/ Nitrocarburierschicht in der Regel aus zwei Teilschichten, vgl. Bild 1-67: 63522_Liedtke_SL3a.indd 64 63522_Liedtke_SL3a.indd 64 16.06.2021 14: 35: 46 16.06.2021 14: 35: 46 <?page no="78"?> 1.2 Nitrieren und Nitrocarburieren 65 65 • Der äußeren, so bezeichneten Verbindungsschicht (VS), die im Wesentlichen aus Eisen(carbo)nitriden Fe 2-3 (N,C), die als ε-Nitrid bezeichnet werden und aus dem Eisennitrid Fe 4 N, das als γ‘-Nitrid bezeichnet wird sowie einem porösen, meist saumförmigen Bereich, besteht. • Darunter liegt die als Diffusionsschicht (DS) oder Mischkristallschicht bezeichnete Schicht, in welcher der Stickstoff im Ferrit (α-Mischkristall) bei Nitrier-/ Nitrocarburiertemperatur interstitiell eingelagert und - besonders bei legierten Stählen - in Nitrid- und Carbonitridausscheidungen abgebunden ist. 1.2.2 Nitrieren Die Teilschritte beim Gasnitrieren sind, vgl. / Eck77/ und Bild 1-68: a) Transport des Ammoniaks bis zu einer Nernst’schen Strömungsgrenzschicht b) Diffusion des Ammoniaks durch die Grenzschicht zur Werkstückoberfläche c) Adsorption des Ammoniaks an der Werkstückoberfläche d) Katalytische Zersetzung des Ammoniakmoleküls an der Werkstückoberfläche, Abtransport der Reaktionsprodukte e) Stickstoffübergang aus dem absorbierten Zustand an der Oberfläche in den gelösten Zustand im α-Eisen und Diffusion in das Werkstückinnere f) örtliche Nitridkeimbildung an der Oberfläche, Nitridkeimwachstum senkrecht und parallel zur Oberfläche g) Phasenausbildung in der Verbindungsschicht entsprechend dem Stickstoff- Massenstrom und der Stickstoffkonzentration h) Bildung von Sondernitriden im Werkstoff, entsprechend anwesender Nitrid bildender Legierungselemente Bild 1-68: Mechanismen des Gasnitrierens / Eck77/ , / Beo68/ 63522_Liedtke_SL3a.indd 65 63522_Liedtke_SL3a.indd 65 16.06.2021 14: 35: 46 16.06.2021 14: 35: 46 <?page no="79"?> 66 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 66 Die grundlegende Reaktion für die oben unter d) aufgeführte katalytische Zersetzung des Ammoniakmoleküls an der Werkstückoberfläche lautet: [ ] N H NH + ⋅ ⇔ 2 3 5 , 1 (1-28) Hieraus lässt sich die thermodynamische Gleichgewichtskonstante ableiten: 3 2 5 , 1 NH N H p a p K ⋅ = (1-29) mit 2 H p = Wasserstoff-Partialdruck, 3 NH p = Ammoniak-Partialdruck, a N = Stickstoffaktivität. Diese Betrachtungsweise hängt mit der Vorstellung zusammen, dass bei der Spaltung des Ammoniaks an der Werkstückoberfläche gemäß Gleichung (1-28) atomarer Stickstoff entsteht, der in das Werkstück eindiffundiert und sich daraus die Stickstoffaktivität nach dem Massenwirkungsgesetz (1-29) ableiten lässt. Da Reaktion (1-28) durch die Kinetik des Nitrierprozesses bestimmt wird und nicht ins Gleichgewicht kommt, ist diese Betrachtungsweise nicht vollständig korrekt. Für die technische Betrachtung des Nitrierprozesses lässt sich die Nitrierkennzahl K N gemäß (1-30) jedoch mit hinreichender Genauigkeit anwenden / Ber88/ , / Ber91/ , / Buc83/ , / HoR84/ , / Klü87/ , / Klü88-1/ , / Klü88-2/ , / Klü89/ , / Eck77/ , / Lac78/ , / Ros89/ , / Wei02/ , / Wei03/ : 5 1 2 3 , H NH N p p K = (1-30) Die Reaktionsfähigkeit des Prozessgases kann durch Sauerstoffzugabe (Gasoxinitrieren) beeinflusst werden. Dabei gilt: O H O H 2 2 2 2 1 ⋅ = ⋅ + (1-31) 5 , 0 3 2 2 2 O H O H p p p K ⋅ = (1-32) Jede Nitrierbehandlung ist gleichzeitig mit einem Entkohlen der Diffusionsschicht verknüpft. Mit der Eindiffusion des Stickstoffs ist immer ein entgegengesetzt verlaufender Effusionsvorgang des Kohlenstoffs verbunden. Dies führt dazu, dass unterhalb der Verbindungsschicht ein abgekohlter Bereich vorliegt. Innerhalb der Verbindungsschicht treten an den Phasengrenzen Kohlenstoffmaxima auf. Sie beruhen auf unterschiedlichen Löslichkeiten und Diffusionsgeschwindigkeiten von Kohlenstoff in den Nitridphasen und im Ferrit, siehe Bild 1-69. 63522_Liedtke_SL3a.indd 66 63522_Liedtke_SL3a.indd 66 16.06.2021 14: 35: 47 16.06.2021 14: 35: 47 <?page no="80"?> 1.2 Nitrieren und Nitrocarburieren 67 67 Bild 1-69: Schematische Darstellung des Diffusionskoeffizienten und der Löslichkeit von Kohlenstoff in α-Eisen, ε-, und γ ’ -Nitrid, Beispiel Stahl C45 / Klü89/ 1.2.3 Nitrocarburieren 1.2.3.1 Die Reaktionen Beim Nitrocarburieren wird über die Atmosphäre zusätzlich Kohlenstoff angeboten. Dadurch verringert sich das Abkohlen der Randschicht. Durch die Prozesstemperatur von 570 °C bis 600 °C, die im Vergleich zum Nitrieren höher ist und die Bildung von Epsilon(carbo)nitrid wird der Einbau von Kohlenstoff in die Verbindungsschicht begünstigt. Die zusätzliche Aufkohlung lässt sich mit zwei Reaktionen an der Werkstückoberfläche anschaulich darstellen: Aus der Boudouard-Reaktion: 2·CO ⇔ CO 2 + C ad (1-1) ergibt sich die thermodynamische Gleichgewichtskontante B C CO C CO K p a p K = ⋅ = 2 1 2 (1-8) Aus dem heterogenen Wassergasgleichgewicht: CO + H 2 ⇔ H 2 O + C ad (1-11) ergibt sich die thermodynamische Gleichgewichtskontante W C H CO C O H K p p a p K = ⋅ ⋅ = 2 2 2 (1-33) 63522_Liedtke_SL3a.indd 67 63522_Liedtke_SL3a.indd 67 16.06.2021 14: 35: 49 16.06.2021 14: 35: 49 <?page no="81"?> 68 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 68 Die Bilder 1-70 bis 1-72 zeigen den zeitlichen Aufbau der Kohlenstoff- und Stickstoffprofile in der Nitrierschicht bei unterschiedlichen Nitriertemperaturen und Atmosphären. Innerhalb der Verbindungsschicht lässt sich an der Grenzfläche zur Diffusionsschicht bei allen Nitrierschichten ein Kohlenstoffmaximum nachweisen. Bild 1-70: Stickstoff- und Kohlenstoffverlauf in der Randschicht in Abhängigkeit von der Nitrierdauer; Stahl Ck45, K N = 0,3; 540 °C / Klü89/ Bild 1-71: Stickstoff- und Kohlenstoffverlauf in der Randschicht in Abhängigkeit von der Nitrierdauer; Stahl Ck45, K N = 1,0 ; 540 °C / Klü89/ Die Diffusion des Kohlenstoffs aus dem Werkstoffinnern zum Rand erfolgt innerhalb der Verbindungsschicht aufgrund des geringeren Diffusionskoeffizienten langsamer als in der Diffusionsschicht. Infolge der höheren Löslichkeit der Nitridphasen für Kohlenstoff, im Vergleich zu Ferrit, reichert sich die Verbindungsschicht mit Kohlenstoff an. 63522_Liedtke_SL3a.indd 68 63522_Liedtke_SL3a.indd 68 16.06.2021 14: 35: 49 16.06.2021 14: 35: 49 <?page no="82"?> 1.2 Nitrieren und Nitrocarburieren 69 69 Die Höhe des Kohlenstoffmaximums ist dabei abhängig von der sich ausbildenden Nitridphase d. h. von der Nitrierwirkung der Atmosphäre - und dem Grundkohlenstoffgehalt des behandelten Werkstücks. Bild 1-72: Stickstoff- und Kohlenstoffverlauf in der Randschicht in Abhängigkeit von der Nitrierdauer; Stahl 42CrMo4, NH 3 + Endogas, K N = 1,0, 570 °C / Klü89/ Der Vergleich der Bilder 1-69 und 1-70 zeigt, dass in Atmosphären mit einer niedrigeren Nitrierkennzahl die Abkohlung größer ist. Bei den vorliegenden Prozessparametern ergaben sich Kohlenstoffmaxima von 0,2 Masse-%. Die Bildung eines zweiten Maximums nahe der Werkstückoberfläche nach längerer Nitrierdauer erklärt sich aus der dann stattfindenden zusätzlichen Bildung von ε-(Carbo)Nitrid und den Unterschieden in der Diffusionsgeschwindigkeit und der Löslichkeit zwischen ε- und γ‘- Nitrid, vergl. Bild 1-70. 1.2.3.2 Kenngrößen Die Nitrierwirkung eines Prozessgases (Ofenatmosphäre) wird durch die Nitrierkennzahl K N beschrieben. Sie ist durch das Partialdruckverhältnis von Ammoniak und Wasserstoff in der Atmosphäre entsprechend der Nitrierreaktion definiert: 5 , 1 2 3 H NH N p p K = (1-30) Mit steigender Nitrierkennzahl bei ausreichendem Stickstoffangebot nimmt die Nitrierwirkung der Atmosphäre zu. Der Zusammenhang zwischen dem sich in der äußersten Werkstückrandschicht einstellenden Gefüge und der Nitrieratmosphäre ist für Eisen im Lehrerdiagramm, in Abhängigkeit von der Temperatur und der Nitrierkennzahl, dargestellt, siehe Bild 1-73. 63522_Liedtke_SL3a.indd 69 63522_Liedtke_SL3a.indd 69 16.06.2021 14: 35: 50 16.06.2021 14: 35: 50 <?page no="83"?> 70 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 70 Bild 1-73: Lehrerdiagramm / Leh30/ Beim Nitrocarburieren kommt wahlweise als Kenngröße eine der beiden oben definierten Reaktionskonstanten, die Kohlungs-Kennzahl K CB (1-8) oder K CW (1-33), zum Kennzeichnen der Reaktion für die Kohlenstoffaufnahme hinzu. Bild 1-74: Erweitertes Lehrer-Diagramm mit den Iso-Konzentrationslinien nach / Kun96/ für Kohlenstoff und Stickstoff - Phasengrenzen nach / Lan64/ 63522_Liedtke_SL3a.indd 70 63522_Liedtke_SL3a.indd 70 16.06.2021 14: 35: 51 16.06.2021 14: 35: 51 <?page no="84"?> 1.2 Nitrieren und Nitrocarburieren 71 71 Der Zusammenhang zwischen dem sich in der äußersten Werkstückrandschicht einstellenden Gefüge, der Temperatur sowie der Nitrier- und Kohlungs-Kennzahl ist im erweiterten Lehrer-Diagrammen in den Bildern 1-74 und 1-75 dargestellt. Bild 1-75: Erweitertes Lehrer-Diagramm mit den Iso-Konzentrationslinien nach Kunze / Kun96/ für Kohlenstoff und Stickstoff - Phasengrenzen nach / Lan64/ - Ausschnitt aus Bild 1-74 Enthält die Ofenatmosphäre eine Sauerstoff abgebende Komponente, wie dies beim Oxinitrieren oder beim Oxinitrocarburieren oder aber bei einem nachträglichen Oxidieren beabsichtigt ist, gilt als Kenngröße die Oxidations-Kennzahl K O : (1-34) Der Zusammenhang zwischen den sich an der Werkstückoberfläche bildenden Eisenoxiden und der Reaktionsgasatmosphäre ist im Oxidations-Schaubild 1-76 dargestellt. 2 2 H O H O p p K = 63522_Liedtke_SL3a.indd 71 63522_Liedtke_SL3a.indd 71 16.06.2021 14: 35: 51 16.06.2021 14: 35: 51 <?page no="85"?> 72 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 72 Bild 1-76: Zusammenhang zwischen Sauerstoffsonden-Spannung, der Temperatur und der Oxidationsstufe des Eisens / Wei02/ 1.2.3.3 Einfluss der Kenngrößen auf das Ergebnis des Nitrierens und Nitrocarburierens Die Wahl der Behandlungstemperatur und der durch definierte Kenngrößen charakterisierten Atmosphärenzusammensetzung bestimmt die Konzentration und die Elementverteilung von Kohlenstoff und Stickstoff im Randbereich des Werkstückes und damit auch die Zusammensetzung der Verbindungsschicht bezüglich der beiden Nitridphasen ε und γ‘. In Verbindung mit der Werkstoffauswahl ergibt sich damit ein großer Einfluss auf die Eigenschaften der Nitrierschicht. Die Zusammensetzung der Verbindungsschicht wird bei jeder gegebenen Temperatur durch die Kenngrößen der Prozessatmosphäre K N und K C bestimmt. Dies gilt auch beim Abkühlen, bei dem undefinierte Atmosphären zu einer Beeinträchtigung führen. Das typische lichtmikroskopische Aussehen der Verbindungsschicht bei verschiedenen Stählen geben die Bilder 1-77 bis 1-80 wieder / Lie86/ . In Bild 1-77 ist beispielhaft die Randschicht des unlegierten Stahls C15 abgebildet; in den Bildern 1-78 bis 1-80 von legierten Stählen. 63522_Liedtke_SL3a.indd 72 63522_Liedtke_SL3a.indd 72 16.06.2021 14: 35: 52 16.06.2021 14: 35: 52 <?page no="86"?> 1.2 Nitrieren und Nitrocarburieren 73 73 Bild 1-77: Randschicht des Stahls C15 nach Gasnitrocarburieren 570 °C 2 h, lichtmikroskopische Aufnahme, Vergrößerung 1000: 1, geätzt: 2 % Nital Bild 1-78: Randschicht des Stahls 16MnCr5 nach Gasnitrocarburieren 570 °C 2 h, lichtmikroskopische Aufnahme, Vergrößerung 1000: 1, geätzt: 2 % Nital Bild 1-79: Randschicht des Stahls 41Cr4 nach dem Gasnitrieren 570 °C 3 h, lichtmikroskopische Aufnahme, Vergrößerung 1000: 1, geätzt: 2 % Nital 63522_Liedtke_SL3a.indd 73 63522_Liedtke_SL3a.indd 73 16.06.2021 14: 35: 52 16.06.2021 14: 35: 52 <?page no="87"?> 74 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 74 Größere Verbindungsschichtdicken werden bei konstanten Atmosphärenparametern durch höhere Temperaturen und längere Behandlungsdauer erzielt. In Bild 1-80 sind am Beispiel des Stahls C15 die Randschichten nach ein-, zwei- und sechsstündiger Behandlungsdauer gegenübergestellt. a) b) c) Bild 1-80: Stahl C15N gasnitrocarburiert 570 °C, a) 60 min, b) 120 min, c) 360 min, lichtmikroskopische Aufnahmen, Vergrößerung 1000: 1, geätzt: 2 % Nital Während bei den unlegierten perlitisch-ferritischen Stählen nach Ätzen mit Nital bei lichtmikroskopischer Betrachtung der Ferrit gegenüber dem Ausgangszustand unverändert hell erscheint, ist er bei den legierten Stählen dunkel verfärbt. Dies ist die Folge der Ausscheidung submikroskopisch feiner Nitride, wodurch der Korrosionsangriff des Ätzmittels verstärkt wird. Die Struktur der Diffusionsschicht, d. h. Art, Größe und Verteilung der Nitride, wird beeinflusst durch • die Werkstoffauswahl • die Nitriertemperatur • die Abkühlgeschwindigkeit von Nitriertemperatur • die thermische Nachbehandlung Hohe Nitriertemperaturen begünstigen die Bildung grob verteilter großer Nitride, niedrige die Bildung feindisperser Nitridausscheidungen. Niedrige Abkühlgeschwindigkeiten von Nitriertemperatur sowie thermische Beanspruchungen bzw. ein Anlassen nach abgeschlossener Behandlung können zu ungewollten Ausscheidungsvorgängen, zu Nitridwachstum und zu Änderungen der Nitridstruktur führen. Dies wird am Beispiel des unlegierten Stahls C15 in Bild 1-81 deutlich. Hier sind im Ferrit relativ große nadelförmige Ausscheidungen des γ‘-Nitrids zu erkennen. 63522_Liedtke_SL3a.indd 74 63522_Liedtke_SL3a.indd 74 16.06.2021 14: 35: 52 16.06.2021 14: 35: 52 <?page no="88"?> 1.2 Nitrieren und Nitrocarburieren 75 75 Bild 1-81: Randschicht des Stahls C15 nach Gasnitrocarburieren 570 °C 2 h und langsamer Abkühlung im Stickstoffstrom, / Lie86/ lichtmikroskopische Aufnahme, Vergrößerung 1000: 1, geätzt: 2 % Nital Wird dagegen nach Ende des Nitrierens oder Nitrocarburierens rasch auf Raumtemperatur, z. B. in Emulsion oder Öl abgekühlt, unterbleibt zunächst eine Nitridausscheidung. Der Ferrit ist mit Stickstoff übersättigt. Durch Erwärmen und Halten auf einer Temperatur über rd. 50 °C können Nitridausscheidungen gezielt herbeigeführt werden. Die Ausscheidungen sind dann wesentlich zahlreicher und deutlich kleiner als nach langsamer Abkühlung, vgl. Bild 1-82. Die Zusammenhänge zwischen Temperatur und Dauer eines Auslagerns sowie die Existenzbereiche der verschiedenen Nitride, sind im Bild 1-83 von Kubalek wiedergegeben / Kub88/ . Bild 1-82: Randschicht des Stahls C15N nach Nitrocarburieren, raschem Abkühlen auf Raumtemperatur und anschließendem einstündigem Auslagern bei 300 °C, / L ie86/ , lichtmikroskopische Aufnahme: geätzt 2 % Nital 63522_Liedtke_SL3a.indd 75 63522_Liedtke_SL3a.indd 75 16.06.2021 14: 35: 52 16.06.2021 14: 35: 52 <?page no="89"?> 76 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 76 Bild 1-83: Zeit-Temperatur-Entmischungs-Schaubild für das Auslagern aufgestickter unlegierter Eisenwerkstoffe / Kub66/ Bei starker Vergrößerung, z. B. mit dem Rasterelektronenmikroskop, wird deutlich, dass die Nitridausscheidungen die Form von Plättchen besitzen und offenbar im Ferritkorn die Orientierung des Eisengitters widerspiegeln, siehe hierzu Bild 1-84. Bild 1-84: Nitridausscheidungen im Ferrit eines unlegierten Stahls, nach Nitrocarburieren 570 °C 2 Std., Abschrecken und Auslagern 280 °C 2 Std. (REM) 63522_Liedtke_SL3a.indd 76 63522_Liedtke_SL3a.indd 76 16.06.2021 14: 35: 53 16.06.2021 14: 35: 53 <?page no="90"?> 1.2 Nitrieren und Nitrocarburieren 77 77 Die Dicke der Diffusionsschicht (Nitriertiefe) kann vergrößert werden durch • Erhöhen der Prozesstemperatur • Verlängern der Behandlungsdauer Bei Werkstoffen mit nitridbildenden Legierungselementen nimmt unter gleichen Behandlungsbedingungen die Nitriertiefe mit steigendem Legierungsgehalt wegen des Abbindens von Stickstoff und Ausscheidung von Nitriden ab; dabei nimmt die Härte zu. Die Porosität wird maßgeblich durch die Nitrierkennzahl, die Werkstoffzusammensetzung und das Ausgangsgefüge beeinflusst. Generell ist bei höherer Nitrierkennzahl mit einer stärkeren Porosität zu rechnen. Das Wachstum der Verbindungsschicht wird durch Zugabe von sauerstoffhaltigen Mitteln, wie z. B. Luft, Kohlenstoffdioxid, Wasserdampf, Sauerstoff oder Lachgas gefördert / Dai87/ . Die zulässige Zugabemenge ergibt sich aus der Oxidationsgrenze und der Oxidationskennzahl K O . Wird Luft oder Sauerstoff zugegeben, muss die Explosionsgrenze beachtet werden, vgl. Kapitel 6. 1.2.3.4 Wechselwirkung von Stickstoff und Kohlenstoff in der Nitrierschicht Neben den dargestellten Einflüssen auf Art und Verteilung der Nitride wird über die Wahl von Behandlungstemperatur und Atmosphärenzusammensetzung auch die Verteilung von Kohlenstoff und Stickstoff in der Nitrierschicht bestimmt. Behandlungen mit niedriger Nitrierkennzahl, die zu dünnen Verbindungsschichten führen, weisen gleichzeitig eine stärkere Entkohlung in der Diffusionsschicht auf, / Ler78/ . Bei einer Nitrocarburieratmosphäre mit geringer aufkohlender Wirkung, siehe Bild 1-85, stellen sich unter den gegebenen Randbedingungen Kohlenstoffgehalte um 1 Masse-% in der Verbindungsschicht ein. Solche Ofenatmosphären können in ihrer aufkohlenden Wirkung in etwa mit Salzschmelzen zum Nitrocarburieren verglichen werden. Werden statt NH 3 -N 2 -CO 2 -haltiger Atmosphären NH 3 -Endogas-Atmosphären benutzt, erhöht sich die aufkohlende Wirkung, es können Kohlenstoffgehalte von 5 Masse-% bis 7 Masse-% gemessen werden. In Bild 1-85 ist der Zusammenhang zwischen dem Ausgangs-Kohlenstoffgehalt und dem sich in der Verbindungsschicht bei einer Nitrierkennzahl K N = 1 nach einem vierstündigen Nitrocarburieren bei 575 °C einstellenden Kohlenstoffgehalt dargestellt. Aus der Darstellung ist zu entnehmen, dass ab einem Ausgangs-Kohlenstoffgehalt von etwa 0,2 Masse-% der Kohlenstoffgehalt in der Verbindungsschicht zunimmt, was bedeutet, dass der Ausgangs-Kohlenstoffgehalt die Bildung der ε-Nitridphase begünstigt. 63522_Liedtke_SL3a.indd 77 63522_Liedtke_SL3a.indd 77 16.06.2021 14: 35: 53 16.06.2021 14: 35: 53 <?page no="91"?> 78 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 78 Bild 1-85: Zusammenhang zwischen Matrixkohlenstoffgehalt und dem Betrag des Kohlenstoffmaximums in der Verbindungsschicht (IWT) 1.2.4 Plasmanitrieren 1.2.4.1 Das Reaktionsmedium Plasma Die Grundlagen für das Plasma als Reaktionsmedium für Diffusionsbehandlungen sind im Kapitel 1.1.1.3 ausführlich beschrieben. So wie für das Aufkohlen gelten sie grundsätzlich auch für das Plasmanitrieren und -nitrocarburieren. 1.2.4.2 Prozessablauf Zum Nitrieren und -nitrocarburieren wird eine Stickstoff-Wasserstoff-Mischung mit einem Gesamtdruck von üblicherweise 0,5 mbar bis 10 mbar im Behandlungsraum benützt. Beim Nitrocarburieren wird zusätzlich als Kohlenstoffspender Methan oder Kohlenstoffdioxid mit einem Anteil von 1 Vol-% bis 5 Vol-% zugegeben / Wil82/ , / Str84/ , / Bet94/ , / Huc97/ , / Huc02/ . In der Anfangszeit der industriellen Anwendung des Plasmanitrierens wurden so bezeichnete Kaltwandanlagen benutzt, bei denen die Entladung durch eine Gleichspannung gespeist wurde und das Erwärmen des Behandlungsgutes erfolgte nur durch das Plasma. Diese Verfahrenstechnik ist jedoch nachteilig, da in einer Behandlungscharge große Temperaturunterschiede entstehen und der Energieverbrauch hoch ist. Heute wird stattdessen mit gepulster Entladung gearbeitet und die erforderliche Prozesswärme durch Beheizen des Reaktionsraums durch eine Zusatzheizung von außen aufgebracht. Das Pulsen senkt den Energieeintrag durch das Plasma in das Behandlungsgut und die getrennt geregelte Außenbeheizung sichert die Temperaturgleichmäßigkeit in der zu behandelnden Charge. Bild 1-86 zeigt das Schema einer gepulsten Entladung. Typische Werte für die Pulsdauer liegen bei 50 µs bis 100 µs und für die Pulswiederholdauer bei 100 µs bis 2000 µs. 63522_Liedtke_SL3a.indd 78 63522_Liedtke_SL3a.indd 78 16.06.2021 14: 35: 53 16.06.2021 14: 35: 53 <?page no="92"?> 1.2 Nitrieren und Nitrocarburieren 79 79 Bild 1-86: Schema der gepulsten Entladung / Huc07/ Die Wirkung der verschiedenen Prozessgrößen auf die Stromdichte kann aus nachstehender Tabelle 1-10 entnommen werden. Tabelle 1-10: Wirkung der Prozessparameter auf die Stromdichte Faktoren, welche die mittlere Stromdichte absenken: Faktoren, welche die mittlere Stromdichte erhöhen: steigender Wasserstoffanteil steigende Spannung sinkender Stickstoffanteil steigender Druck sinkendes Tastverhältnis steigendes Tastverhältnis Die maßgebenden Prozessparameter beim Plasmanitrieren und -nitrocarburieren sind: - Behandlungstemperatur - Behandlungsdauer - Gaszusammensetzung (Partialdrucke) - Druck im Behandlungsraum - Elektrische Spannung - Pulsdauer - Pulswiederholdauer - Stromdichte Der Prozess für das Übertragen des Stickstoffs aus der Gasphase in das aufzustikkende Werkstück ist trotz vieler Untersuchungen nicht vollständig bekannt und wird in der Fachliteratur widersprüchlich beschrieben / Köl65/ , / Hud73/ . Das häufig zitierte Modell von Kölbel trifft auf technische Plasmanitrierprozesse nicht zu. Stattdessen ist davon auszugehen, dass der direkt an der Werkstückoberfläche erzeugte atomare Stickstoff für die Stoffübertragung bestimmend ist. Eine Übersicht und Wertung der verschiedenen Vorstellungen ist in der Arbeit von Lampe / Lam91/ enthalten. In der Stickstoff-Wasserstoff-Atmosphäre des Plasmanitrierens und -nitrocarburierens tritt kein katalytischer Zerfall der Moleküle wie beim Gasnitrieren auf. Der molekulare Stickstoff und der Wasserstoff werden hauptsächlich durch von der Kathode kommende Elektronen separiert, angeregt und ionisiert. Außerdem entstehen Ionen und sehr aktive Radikale durch Wasserstoff-Stickstoff-Verbindungen. 63522_Liedtke_SL3a.indd 79 63522_Liedtke_SL3a.indd 79 16.06.2021 14: 35: 53 16.06.2021 14: 35: 53 <?page no="93"?> 80 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 80 Die positiven Ionen prallen auf die kathodische Werkstückoberfläche auf und sorgen einerseits dafür, dass durch den Beschuss die Oberfläche gereinigt und aktiviert wird. Andererseits erhalten die Radikale durch Stöße mit den fast gleich schweren Ionen eine Vorzugsrichtung auf die Werkstückoberfläche. Dort werden sie adsorbiert, zerfallen in ihre Bestandteile und sorgen für die Übertragung von Stickstoffatomen in das Werkstück. In Bild 1-87 ist ein mögliches Modell dazu dargestellt / Grä00/ . Zwar sind die Vorgänge, die in der Entladung und im Werkstück ablaufen, vollständig verstanden, jedoch fehlt noch das Verständnis für den Stickstoff-Übergang von der Entladung in die Werkstückoberfläche. Aber auch dieses Modell erklärt nicht, warum sich das Übertragen des Stickstoffs stark reduziert, wenn kein Wasserstoff anwesend ist. Bild 1-87: Modell für die Stickstoffübertragung / Grä00/ , / Köl65/ , Ede89/ Über die Zusammensetzung des Gasgemisches, d. h. das Stickstoff-Wasserstoff- Verhältnis, die Brennspannung und das Verhältnis von Pulsdauer zur Pausendauer wird die Stickstoffaktivität gesteuert. In Bild 1-88 ist schematisch ein typischer Plasmanitrierprozess in einem Ofen mit Außenbeheizung dargestellt. Nach dem Einbringen des Behandlungsgutes und Evakuieren des Ofenraums wird der Rezipient mit beispielsweise 900 mbar Stickstoff gefüllt und bis zur erforderlichen Behandlungstemperatur durch konvektive Wärmeübertragung aufgeheizt. Nach einem weiteren Evakuieren wird Wasserstoffgas in den Rezipienten eingeleitet. Dieses wird ionisiert und durch den Ionenbeschuss, auch Sputtern genannt, wird die Werkstückoberfläche aktiviert und gegebenenfalls vorhandene Beläge werden abgestäubt. Durch den Ionenbeschuss werden die Werkstücke weiter bis zur erforderlichen Behandlungstemperatur erwärmt. Danach wird durch Zugabe von Stickstoff das zum Nitrieren erforderliche Stickstoff- Wasserstoff-Gemisch eingestellt. 63522_Liedtke_SL3a.indd 80 63522_Liedtke_SL3a.indd 80 16.06.2021 14: 35: 54 16.06.2021 14: 35: 54 <?page no="94"?> 1.2 Nitrieren und Nitrocarburieren 81 81 Bild 1-88: Typischer Plasmanitrierprozess in einem Ofen mit Außenbeheizung / Grä00/ So wie beim Gasnitrieren bestimmt die Temperatur die Diffusionsgeschwindigkeit. Die Behandlungstemperatur muss mit einem in der Ofencharge oder in einem zu nitrierenden Werkstück angebrachten Thermoelement geregelt werden, da die Temperatur in der Charge ca. 50 °C höher als die im Rezipienten ist. Nach Ablauf der Behandlungsdauer wird die Entladung ausgeschaltet, das Prozessgas abgepumpt und der Rezipient zum konvektiven Abkühlen mit Stickstoff auf einen Druck von beispielsweise 900 mbar geflutet. Bild 1-89: Blick in den Ofenraum beim Plasmanitrieren (Plateg) 63522_Liedtke_SL3a.indd 81 63522_Liedtke_SL3a.indd 81 16.06.2021 14: 35: 54 16.06.2021 14: 35: 54 <?page no="95"?> 82 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 82 Bild 1-90: Zusammenhang zwischen Temperatur und Behandlungsdauer beim Plasmanitrieren des Stahls 42CrMo4 / Ede78/ Bild 1-90 zeigt am Beispiel des Stahls 42CrMo4 den Einfluss von Behandlungstemperatur und -dauer auf das Wachstum der Diffusionsschicht. Im Vergleich mit dem Gasnitrieren sind hohe Stickstoff-Partialdrucke mit der Wirkung einer hohen Nitrierkennzahl vergleichbar. Wasserstoff wird auf jeden Fall in geringer Menge zur effektiven Stickstoffübertragung benötigt. Zu hohe Wasserstoff-Partialdrucke allerdings vermindern das Wachstum der Nitrierschicht, insbesondere der Verbindungsschicht. In Tabelle 1-11 sind typische Gaszusammensetzungen beim Plasmanitrieren und -nitrocarburieren angegeben. Tabelle 1-11: Typische Gaszusammensetzungen beim Plasmanitrieren und -nitrocarburieren Verbindungsschichtaufbau bzw. Nitridphasenanteil Typisches Verhältnis Stickstoff : Wasserstoff dünne oder keine Verbindungsschicht H 2 : N 2 = 1 : 8 vorrangig Fe 4 N N 2 : H 2 = 1 : 3 *) vorrangig Fe 2-3 N **) N 2 : H 2 = 3 : 1 bis 4 : 1 vorrangig Fe 2-3 NC **) N 2 : H 2 = 3 : 1 bis 4 : 1 + CH 4 *) *) je nach Kohlenstoffgehalt des Stahls **) kombiniert mit raschem Abkühlen PROZESSSTOFFE DIE MASSSTÄBE SETZEN BURGDORF OSMIROL NÜSSLE ABSCHRECKÖLE Hochleistungs- und Mehrbereichs-Abschrecköle, Vakuum-Abschrecköle, Synthetische Abschreck- und Anlassöle DURIXOL / MULTIQUENCH SYNABOL / SYNANOL POLYMER-ABSCHRECKMITTEL Intensiv, mild und ölähnlich wirkende Polymer-Produkte für das Brausen- und Tauchbadabschrecken SERVISCOL / POLYQUENCH OSMANIL / GLYKOQUENCH KORROSIONSSCHUTZMITTEL Korrosionsschutz- und Brünierungsmittel SERVITOL / ISOQUENCH BURGDORF OSMIROL Die Spezialisten für Ihren Wärmebehandlungsprozess 190109-BON-A5-HOCH.indd 1 63522_Liedtke_SL3a.indd 82 63522_Liedtke_SL3a.indd 82 16.06.2021 14: 35: 54 16.06.2021 14: 35: 54 <?page no="96"?> PROZESSSTOFFE DIE MASSSTÄBE SETZEN SPEZIALREINIGER Neutrale und alkalische wässrige Reiniger, Reiniger auf Basis von Kohlenwasserstoffen und modifizierten Alkoholen SERVIDUR / SERVICLEAN HÄRTESCHUTZMITTEL für das Aufkohlen, Gasnitrieren, Nitrocarburieren, Plasma-/ Pulsplasmanitrieren sowie für das Glühen CONDURSAL / CONDURON / VACUCOAT PROZESSFLÜSSIGKEITEN für das Reinigen und Entpassivieren vor dem Nitrieren/ Nitrocarburieren NITROSAFE / CITROX II BURGDORF GmbH & Co. KG Birkenwaldstr. 94, 70191 Stuttgart, Germany, Tel. +49 (0)711-257780, Fax. +49 (0)711-2577840 www.burgdorf-kg.de OSMIROL GmbH Birkenwaldstr. 94, 70191 Stuttgart, Germany, Tel. +49 (0)711-25778-50, Fax. +49 (0)711-2577840 www.osmirol.de NÜSSLE GmbH & Co. KG Iselshauser Str. 55, 72202 Nagold, Germany, Tel. +49 (0)7452-932050, Fax. +49 (0)7452-9320520 www.nuessle-kg.de ABSCHRECKÖLE Hochleistungs- und Mehrbereichs-Abschrecköle, Vakuum-Abschrecköle, Synthetische Abschreck- und Anlassöle DURIXOL / MULTIQUENCH SYNABOL / SYNANOL POLYMER-ABSCHRECKMITTEL Intensiv, mild und ölähnlich wirkende Polymer-Produkte für das Brausen- und Tauchbadabschrecken SERVISCOL / POLYQUENCH OSMANIL / GLYKOQUENCH KORROSIONSSCHUTZMITTEL Korrosionsschutz- und Brünierungsmittel SERVITOL / ISOQUENCH BURGDORF OSMIROL NÜSSLE Die Spezialisten für Ihren Wärmebehandlungsprozess 190109-BON-A5-HOCH.indd 1 11.01.19 12: 36 63522_Liedtke_SL3a.indd 83 63522_Liedtke_SL3a.indd 83 16.06.2021 14: 35: 55 16.06.2021 14: 35: 55 <?page no="97"?> 63522_Liedtke_SL3a.indd 84 63522_Liedtke_SL3a.indd 84 16.06.2021 14: 35: 55 16.06.2021 14: 35: 55 <?page no="98"?> 1.2 Nitrieren und Nitrocarburieren 83 83 1.2.5 Sonderverfahren/ Kombinationsverfahren Das übliche Gasnitrieren und -nitrocarburieren findet bei Normaldruck im Temperaturbereich von 480 °C bis 590 °C statt. Außerhalb dieser Prozessbedingungen lassen sich für bestimmte Einsatzzwecke Randschichten mit besonderen Eigenschaften einstellen. Z. B. lassen sich Werkstücke mit komplizierter Geometrie oder mit extrem passiver Oberfläche unter deutlich höherem Druck befriedigend behandeln. Höhere Temperaturen beschleunigen das Wachstum der Nitrierschichten, niedrige unterdrücken das Ausscheiden von Nitriden. Weiterhin gibt es Verfahren wie Nitrocarburieren im Pulver, Nitrieren in wässrigen Lösungen, Nitrieren in Wirbelbettanlagen, Ionenimplantieren und Laserstrahlumschmelznitrieren. Im Labormaßstab wurden zum Erhöhen der Stickstoffaufnahme auch besondere Maßnahmen erprobt. Z. B. wurden die Werkstücke einem elektromagnetischen Feld, einer pulsierenden Zug-Druck-Schwellbeanspruchung oder Ultraschall ausgesetzt; auch eine Aktivierung durch Gettermetalle wurde untersucht / Cha95/ . Weitere Beeinflussungen der Eigenschaften sind durch Kombinationsverfahren möglich: Beispielsweise Nitrieren und Induktionshärten / Kei95/ , Nitrieren und Beschichten / Spi96/ , / Ber93/ , Nitrocarburieren mit nachfolgendem Härten im Vakuum / Pak85/ sowie die Kombination obiger Verfahren mit mechanischen Randschichtverfestigungsverfahren, wie z. B. Festigkeitsstrahlen oder Festwalzen. Im Folgenden werden einige Sonderverfahren näher beschrieben. 1.2.5.1 Nitrieren / Nitrocarburieren bei niedriger Temperatur Es wird angewendet, um bei rostfreien Stählen Nitridausscheidungen zu vermeiden und damit die Korrosionsbeständigkeit zu erhalten und einen ausreichenden Verschleißschutz zu erreichen. Mit sinkender Temperatur nehmen die Reaktionsgeschwindigkeit, die Stickstofflöslichkeit und die Diffusionsgeschwindigkeit ab. Das bedeutet in der Regel, dass die Behandlungsdauer bei abgesenkter Nitriertemperatur erheblich verlängert werden muss. Bei Nitriertemperaturen unterhalb von 250 °C bis 450 °C bildet sich ein mit Stickstoff übersättigter Austenit mit einem Stickstoffgehalt von 2 Masse-% bis 10 Masse-%. Nach Überschreiten einer temperaturabhängigen Dauer bilden sich aus kinetischen Gründen Chromnitride, vgl. Bild 1-54. Diese Behandlungsdauer darf nicht überschritten werden. Zu beachten ist jedoch, dass die Oberfläche mit geeigneten Maßnahmen depassiviert werden muss, um eine ausreichende Stickstoffaufnahme zu ermöglichen. Dies kann z. B. durch chemisches Behandeln mit Chloriden oder Fluoriden, durch gezieltes Oxinitrieren oder Sputtern im Plasma erfolgen. Anwendungsgebiete können sein: • Aufrechterhalten einer höheren Kernfestigkeit nach dem Vergüten von Stählen mit niedriger Anlasstemperatur, z. B. durch eine Nitriertemperatur unterhalb von 480 o C 63522_Liedtke_SL3a.indd 83 63522_Liedtke_SL3a.indd 83 16.06.2021 14: 35: 55 16.06.2021 14: 35: 55 <?page no="99"?> 84 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 84 • Nitrieren austenitischer Stähle mit möglichst geringer Beeinträchtigung des Korrosionsverhaltens • Minimieren von Maß- und Formänderungen bei Titanwerkstoffen Prinzipiell ist ein Nitrieren von Stählen im niedrigen Temperaturbereich von etwa 350 °C bis 480 °C möglich, aber die erforderliche Prozessdauer zum Erzielen einer vorgegebenen Schichtdicke muss verlängert werden. Die Dissoziationsrate des Ammoniaks nimmt ab, Bild 1-91 und das Depassivieren der Werkstückoberfläche wird zunehmend schwieriger. Aus diesem Grund kommen bevorzugt Verfahren mit erhöhter Oberflächenaktivierung in Frage, wie z. B. das Plasmanitrieren. Bild 1-91: Schematische Darstellung des Spaltverhaltens von Ammoniak / Mit96/ 1.2.5.2 Nitrieren / Nitrocarburieren oberhalb 590 °C bzw. oberhalb A c1(Fe-N-C) Um eine vorgegebene Verbindungsschichtdicke mit kürzerer Behandlungsdauer zu erreichen, kann die Behandlungstemperatur auch über die A c1(Fe-N-C) -Temperatur erhöht werden. Hierbei ist zu beachten, dass die Umwandlungstemperatur legierungsabhängig ist. Aus der Tabelle 1-12 lässt sich ablesen, dass werkstoffabhängig auch ohne Überschreiten der A c1(Fe-N-C) -Temperatur die Behandlungstemperatur angehoben werden kann. Tabelle 1-12 : Lage der A c1(Fe-N-C) -Temperatur / Ede80/ Stahl A c1(Fe-N-C) in o C Legierungselemente in Masse-% C45 ~ 595 ~ 0,2 42CrMo4 ~ 625 ~ 1,3 X40CrMo5 1 ~ 660 ~ 8,6 X35CrMo17 > 700 ~ 17 63522_Liedtke_SL3a.indd 84 63522_Liedtke_SL3a.indd 84 16.06.2021 14: 35: 56 16.06.2021 14: 35: 56 <?page no="100"?> 1.2 Nitrieren und Nitrocarburieren 85 85 Im Vergleich zu herkömmlichen Behandlungen treten folgende Unterschiede auf: • Änderung der der Randschichtzusammensetzung • Verbesserte Depassivierung bei höher legierten Werkstoffen • Dickere Verbindungsschichten (30 µm bis 40 µm) Höhere Prozesstemperaturen führen zu einer höheren Zersetzungsrate der eingesetzten Atmosphären. Es sind daher insbesondere beim Gasnitrieren/ -nitrocarburieren höhere Begasungsraten notwendig, um vorgegebene Nitrierkennzahlen zu erreichen bzw. einzustellen. In diesem Zusammenhang wurde durch Versuche festgestellt, dass von den üblicherweise industriell verwendeten Retortenwerkstoffen die Cr-Ni-Legierung Alloy 600 vergleichsweise die geringste katalytische Wirkung auf die im Ofen stattfindende Ammoniakspaltung ausübt. Noch passiver verhalten sich Titan, Quarzglas oder Keramik, so dass auch bei höheren Temperaturen die notwendigen Nitrierkennzahlen realisierbar werden können. Nach Überschreiten der A c1(Fe-N-C) -Temperatur nimmt die Wachstumsrate der Verbindungsschichtdicke mit steigender Behandlungstemperatur stark zu. Abhängig von Behandlungsdauer und Werkstoff nimmt sie bis zu einem Maximum, das bei Reineisen rd. 80 µ m beträgt, zu und mit weiter steigender Temperatur wieder ab, siehe Bild 1-92. Außerdem entstehen Poren in der Randschicht. Bild 1-92a: Dicke der Verbindungsschicht in Abhängigkeit von der Temperatur für unterschiedliche Behandlungsdauer / Sch97/ Zwischen der Verbindungsschicht und der Diffusionsschicht bildet sich bei Behandlungstemperaturen oberhalb A c1 eine austenitische Zwischenschicht aus. Diese wandelt sich nach Abkühlen auf Raumtemperatur je nach Abkühlgeschwindigkeit in ein Gefüge aus Braunit 3 , Bainit, Martensit und Restaustenit um. Die Dicke der Zwischenschicht nimmt kontinuierlich mit zunehmender Behandlungsdauer und Temperatur zu, vgl. die Bilder 1-92 und 1-93 / Sch97/ , / Pak83/ . 3 Braunit: „Stickstoffperlit“ = Ferrit und Fe 4 N Temperatur 63522_Liedtke_SL3a.indd 85 63522_Liedtke_SL3a.indd 85 16.06.2021 14: 35: 56 16.06.2021 14: 35: 56 <?page no="101"?> 86 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 86 Bild 1-92b: Dicke der austenitischen Zwischenschicht in Abhängigkeit von der Temperatur für unterschiedliche Behandlungsdauer / Sch97/ Bild 1-93a: Dicke der Verbindungsschicht in Abhängigkeit von der Behandlungsdauer bei unterschiedlichen Behandlungstemperaturen, / Sch97/ Das Verfahren kann insbesondere dann eingesetzt werden, wenn die Verbindungsschichteigenschaften im Vordergrund stehen. Bei un- und niedriglegierten Stählen, z. B. dem Stahl 30CrMoV9, nimmt zwar bei konstanter Behandlungsdauer die Verbindungsschichtdicke mit der Behandlungstemperatur zu, nicht jedoch die Nitrierhärtetiefe. Dies hängt damit zusammen, dass in der austenitischen Zwischenschicht eine erhöhte Stickstofflöslichkeit vorliegt. Behandlungsdauer 63522_Liedtke_SL3a.indd 86 63522_Liedtke_SL3a.indd 86 16.06.2021 14: 35: 57 16.06.2021 14: 35: 57 <?page no="102"?> 1.2 Nitrieren und Nitrocarburieren 87 87 Bild 1-93b: Dicke der austenitischen Zwischenschicht in Abhängigkeit von der Behandlungsdauer bei unterschiedlichen Behandlungstemperaturen, / Sch97/ Durch die austenitische Zwischenschicht kann sich das Maßänderungsverhalten verschlechtern, da Volumenvergrößerungen durch den eindiffundierenden Stickstoff und durch die Austenitumwandlung auftreten. Abhängig vom Volumenanteil dürfte in der Praxis jedoch dieser Anteil in den meisten Fällen mit Ausnahme bei verzugsgefährdeten dünnwandigen Teilen vernachlässigbar sein. Negative Einflüsse auf die Schwingfestigkeit im Vergleich zum herkömmlichen Nitrieren sind nach bislang durchgeführten Untersuchungen nicht zu erwarten, wenn die Nitrierhärtetiefe hinreichend groß gewählt wurde / HoF83/ . 1.2.5.3 Hochtemperatur-Nitrieren Üblicherweise erfolgt das Gasnitrieren von Werkstücken aus Eisenwerkstoffen bei Temperaturen unterhalb der Austenitisiertemperatur des jeweiligen Werkstoffs mit Ammoniak. Bei Stählen, die mit nitridbildenden Elementen wie Chrom, Aluminium, Vanadium, Molybdän oder Titan legiert sind, entstehen dabei Nitridausscheidungen. Bei den rostfreien Stählen verringert sich jedoch durch das Abbinden des Chroms in den ausgeschiedenen Chromnitriden der Korrosionswiderstand / Gün01/ . Dieser Nachteil lässt sich durch ein Hochtemperatur-Nitrieren austenitischer und martensitischer rostfreier Stähle im Temperaturbereich von 1050 °C bis 1150 °C vermeiden. In diesem Temperaturbereich kann Stickstoff anstatt Ammoniak verwendet werden. Durch ein Abschrecken mit ausreichender Abkühlgeschwindigkeit von Nitriertemperatur wird der Stickstoff interstitiell in Lösung gehalten, so dass der Korrosionswiderstand nicht verringert wird. Daraus wurde die Bezeichnung Lösungsni- Behandlungsdauer 63522_Liedtke_SL3a.indd 87 63522_Liedtke_SL3a.indd 87 16.06.2021 14: 35: 58 16.06.2021 14: 35: 58 <?page no="103"?> 88 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 88 trieren oder „solution nitriding“ abgeleitet. Das Verfahren beruht darauf, dass die Löslichkeit des Stickstoffs im Austenit mit dem Druck entsprechend dem Sievert’schen Gesetz zunimmt. Der Prozess kann dadurch gesteuert werden, dass Temperatur und Druck je nach gewünschtem Gleichgewichts-Stickstoffgehalt eingestellt werden. Die Löslichkeit, d. h. der Gleichgewichts-Stickstoffgehalt in der Randschicht erhöht sich mit zunehmendem Druck und sinkt mit steigender Temperatur, vergleiche die Kurve „%N“ in Bild 1-94. Die Grenzkurve für das Ausscheiden von Chromnitriden steigt mit der Temperatur. Die Prozessparameter sind so zu wählen, dass der Gleichgewichts- Stickstoffgehalt unterhalb der Grenzkurve zur Nitridbildung liegt, in Bild 1-94 mit „%N- Cr 2 N“ bezeichnet. Die Lage der Kurven lässt sich über die Aktivitäten aus der Stahlzusammensetzung berechnen, siehe / Zhe91/ , / Zha91/ . Bild 1-94: Abhängigkeit der Stickstofflöslichkeit und der Nitridausscheidungsgrenze von der Temperatur bei zwei verschiedenen Drucken für einen austenitischen Stahl Je nach Stahlzusammensetzung wird zwischen einer Verfahrensweise für austenitische und einer für martensitische rostfreie Stähle unterschieden. Bei den austenitischen rostfreien Stählen besteht das Gefüge in der aufgestickten Randschicht aus Austenit, in dem sich bis zu 0,9 Masse-% Stickstoff in Lösung befinden. Der Mechanismus einer Mischkristall-Verfestigung führt zu einer geringfügig höheren Oberflächenhärte, die mit zunehmendem Abstand vom Rand auf die Härte des Ausgangszustands abnimmt. Bei den martensitischen rostfreien Stählen ist das Gefüge im äußeren, stickstoffreichen Bereich der Werkstückrandschicht austenitisch und wird anschließend, nach ausreichend raschem Abkühlen, martensitisch mit einem hohen Anteil an Restaustenit. Durch anschließendes Tiefkühlen und Anlassen im Temperaturbereich oberhalb von 450 °C bis 480 °C wird der Restaustenit in Martensit umgewandelt. Danach ist eine deutlich höhere Oberflächenhärte messbar, die mit zunehmendem Abstand vom Rand abnimmt, auf die Härte, die dem Martensitgehalt im Kernbereich des Werk- 63522_Liedtke_SL3a.indd 88 63522_Liedtke_SL3a.indd 88 16.06.2021 14: 35: 58 16.06.2021 14: 35: 58 <?page no="104"?> 1.2 Nitrieren und Nitrocarburieren 89 89 stücks entspricht. Zum vollständigen Erhalt der Korrosionsbeständigkeit darf die Anlasstemperatur nicht so hoch sein, dass Chromnitride entstehen. Bei den martensitischen rostfreien Stählen kann wie nach einem Einsatzhärten aus dem Härteprofil zu einer vereinbarten Grenzhärte eine kennzeichnende Härtetiefe abgelesen werden. In Bild 1-95 sind vergleichsweise die Härteprofile nach dem Hochtemperatur-Nitrieren und Abschrecken bzw. Abschrecken, Tiefkühlen und Anlassen von einem austenitischen und einem martensitischen rostfreien Stahl gegenübergestellt. Das Hochtemperatur-Nitrieren wird in speziell ausgerüsteten Vakuumöfen durchgeführt. Voraussetzung ist, dass ein Konvektionserwärmen bis auf 1200 °C und ein Umwälzen der Ofenatmosphäre möglich ist. Der Stickstoffdruck muss variabel bis 3 bar regelbar sein. Die Temperaturstreuung beim Nitrieren sollte ± 10 °C nicht überschreiten. Zum Abschrecken mit Stickstoff werden 6 bar bis 10 bar benötigt / Ber94/ , / Ber99/ , / Zau05/ . Bild 1-95: Härteprofile rostfreier Stähle nach Hochtemperatur-Nitrieren und Abschrecken bzw. Abschrecken, Tiefkühlen und Anlassen / Zau05/ 1.2.5.4 Niederdrucknitrieren Beim Niederdrucknitrieren arbeitet man bei 200 mbar bis 400 mbar Absolutdruck. Das Verfahren besteht aus 3 Teilschritten. Nach einer Reinigungsphase bei einem Druck von weniger als 1∙10 -2 mbar folgt ab 400 °C eine Entpassivierungsphase in einem NH 3 / H 2 -Gemisch, was optional durch ein Plasma unterstützt werden kann. Danach erfolgt der eigentliche Nitriervorgang bei Temperaturen wie beim Gasnitrieren in NH 3 und einem katalytisch wirkenden Zusatzgas bei einem Druck von 200 mbar bis 400 mbar. Der Katalysator kann aus Stickstoffmonooxid (N 2 O), aus Kohlenstoffmonooxid (CO) oder aus Kohlenwasserstoffen (CH 4 , C 3 H 6 ) bestehen / Sou00/ . 63522_Liedtke_SL3a.indd 89 63522_Liedtke_SL3a.indd 89 16.06.2021 14: 35: 58 16.06.2021 14: 35: 58 <?page no="105"?> 90 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 90 1.2.5.5 Drucknitrieren Das Drucknitrieren ist eine Verfahrenstechnik bei deutlich höherem Druck als Atmosphärendruck. Damit ergeben sich gegenüber dem üblichen Nitrieren bei Atmosphärendruck folgende Möglichkeiten: • Beschleunigung des Nitrierens • Nitrieren leicht passivierender Werkstoffe • Gleichmäßige Nitrierung bei komplexen Geometrien • Nitrieren bei niedrigen Temperaturen • Nitrieren von Titanwerkstoffen, auch bei abgesenkten Temperaturen Die Behandlung erfolgt in speziellen druckfesten Anlagen mit Ammoniakgas. Der bevorzugte Druckbereich liegt bei 2 bar bis 20 bar. Mit zunehmendem Prozessdruck wird der thermische Ammoniakzerfall verlangsamt, so dass insbesondere bei höheren Temperaturen höhere Nitrierkennzahlen erreicht werden können. Damit kann das Nitrieren beschleunigt werden, Schüttgut und geometrisch komplizierte Teile können gleichmäßig aufgestickt werden und Titanlegierungen können bei Temperaturen unterhalb von 600 °C behandelt werden. Jedoch ist bei Titanwerkstoffen die Wasserstoffaufnahme zu beachten / Jun99/ . 1.2.5.6 Nitrieren/ Nitrocarburieren und Beschichten Die Kombination des Nitrierens mit anschließendem Hartstoffbeschichten, um z. B. eine TiN-Schicht zu erzeugen, wird vor allem durchgeführt, um die Verschleißbeständigkeit weiter zu erhöhen. Die Nitrierschicht hat dabei die Aufgabe, die sehr harte und verschleißfeste Schicht gegenüber dem Grundwerkstoff abzustützen. Vorteilhaft für derartige Beschichtungen sind verbindungsschichtfreie Oberflächen, die sich durch Nitrieren bei niedriger Nitrierkennzahl oder Abschleifen der Verbindungsschicht herstellen lassen. Die Schichthaftung lässt sich weiterhin durch Sputter-Ätzen oder Titan-Zwischenschichten verbessern. Wenn zusätzlich zur Verschleißbeständigkeit auch Korrosionsbeständigkeit gefordert ist, werden dünne porenarme ε -Carbonitridbzw. γ ´- Verbindungsschichten empfohlen. Als Nitrierverfahren wird am häufigsten das Plasmanitrieren verwendet, weil es sich in Kombination mit PVD- und PACVD-Beschichtungsverfahren in ein- und derselben Anlage realisieren lässt. Auch die Kombination mit dem thermischen Spritzen ist erprobt. Aufgrund der Durchlässigkeit der Spritzschichten für das Nitriergas kann die Nitrierbehandlung auch nach dem Spritzen erfolgen, es bildet sich dann unterhalb der Spritzschicht eine Nitrierschicht aus / Spi96/ . 1.2.5.7 Nitrocarburieren und anschließendes Härten im Vakuumofen Das Verfahren besteht aus dem üblichen Nitrocarburieren und anschließendem Härten im Vakuumofen, um einen hohen Restaustenitgehalt in der Randschicht zu erhalten. Dadurch entsteht beispielsweise beim Stahl 100Cr6 ein an Carbiden verarmter Randbereich mit äußerst feinkörnigem Martensit und einem hohen Restaustenitan- 63522_Liedtke_SL3a.indd 90 63522_Liedtke_SL3a.indd 90 16.06.2021 14: 35: 58 16.06.2021 14: 35: 58 <?page no="106"?> 1.2 Nitrieren und Nitrocarburieren 91 91 teil. Die Druckeigenspannungen in der Randschicht sind im Vergleich zu üblich gehärteten Varianten geringer. Bei wälzbeanspruchten Bauteilen führt diese Behandlung zu höherer Lebensdauer / Pak85/ . 1.2.5.8 Nitrocarburieren und anschließendes Randschichthärten Das Randschichthärten und das Nitrocarburieren sind zwar konkurrierende Verfahren, es gibt jedoch auch in der Kombination sinnvolle Anwendungen. Dabei kommen vor allem Induktionshärten und Laserstrahlhärten für ein Randschichthärten in Betracht. Das Ziel dieser Verfahrenskombination kann z. B. das Abstützen der Nitrocarburierschicht durch eine dickere gehärtete Randschicht oder der Korrosionsschutz einer gehärteten Randschicht durch die Verbindungsschicht sein. Auch die Erhöhung der Dauerfestigkeit wird als Ziel genannt. Beim Härten nach dem Nitrieren ist zwischen der Verbindungsschicht und dem martensitischen Randgefüge infolge des erhöhten Stickstoffgehaltes Restaustenit im äußeren Randbereich nicht vermeidbar. Dies beeinflusst das Härte- und das Eigenspannungsprofil. Der Restaustenit kann durch Tiefkühlen oder mechanische Randschichtverfestigung umgewandelt werden. Es ist eine deutliche Steigerung der Randhärte möglich. Für das Korrosions- und Verschleißverhalten ist es wichtig, dass die Verbindungsschicht möglichst weitgehend erhalten bleibt. Die Kombination Induktionshärten mit nachfolgendem Nitrieren wird ebenfalls angewendet. Die Nitriertemperatur entspricht dann der Anlasstemperatur für die gehärtete Randschicht. 1.2.6 Vor- und Nachbehandlung Ein ungehindertes Eindiffundieren von Kohlenstoff oder Stickstoff erfordert grundsätzlich eine „saubere“ Werkstückoberfläche. Rückstände von der spanenden oder spanlosen Bearbeitung wie z. B. Kühlschmierstoffe, Oxidschichten, Rückstände von Wasch- und Konservierungsmitteln oder nichteisenmetallhaltige Beläge, können die Adsorptions- und die Absorptionsvorgänge beim Aufkohlen, Carbonitrieren, Nitrieren oder Nitrocarburieren so beeinträchtigen, dass die thermochemische Behandlung nicht zum angestrebten Ziel führt. In diesem Zusammenhang erweist sich das Aufkohlen und Carbonitrieren wegen der deutlich höheren Behandlungstemperaturen prinzipiell als weniger anfällig, jedoch sind Störungen z. B. durch beim Umformen benutzte Schmierstoffe oder Gleitmittel nicht auszuschließen. Deutlich sensibler erweist sich das Gas-Nitrieren und -Nitrocarburieren / Alt97/ , / Bau88/ , / Feß03)/ , / Haa91/ , / Haa92/ , / Haa95/ , / Irr95/ , / HoF86/ , / Lie88/ , / Scr84/ , / Scr93/ , / Scr95/ , / Scr02/ . Neben den obengenannten Hilfsstoffen müssen besonders Rückstände von Nichteisenmetallen, z. B. von Blei, Zinn, Zink, Aluminium oder Kupfer, sowohl als Abrieb auf der Werkstückoberfläche, in Form anhaftender Späne oder von Lotresten vermieden werden. Beispiele für die Behinderung der Stickstoffeindiffusion sind in den Bildern 1-96 bis 1-99 zu sehen. In Bild 1-96 ist die Folge von Zinkrückständen auf der Oberfläche eines Werkstücks demonstriert. Von den zu Transport- oder Lagerzwecken benutzten Behältern, die aus Korrosionsschutzgründen verzinkt sind, können Zinkspäne abgerieben werden 63522_Liedtke_SL3a.indd 91 63522_Liedtke_SL3a.indd 91 16.06.2021 14: 35: 59 16.06.2021 14: 35: 59 <?page no="107"?> 92 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 92 und auf der Werkstückoberfläche haften bleiben. Beim Erwärmen auf Nitrier-/ Nitrocarburiertemperatur schmelzen ab etwa 415 °C die Zinkspäne und bedecken mehr oder weniger große Bereiche der Werkstückoberfläche. Der Zinkbelag verhindert die Stickstoffeindiffusion, so dass nur eine dünnere oder gar keine Verbindungsschicht entsteht. Bild 1-96: Fleck durch einen geschmolzenen Zinkspan In Bild 1-97 ist das Ergebnis an Hand einer lichtmikroskopischen Aufnahme eines Querschliffs durch einen derartigen Fleck zu sehen. Bild 1-97: Behinderung des Wachstums der Verbindungsschicht: links normale, rechts anomale Ausbildung (lichtmikroskopische Aufnahmen, 1000: 1) In Bild 1-98 ist der Schliff durch ein gasnitriertes Werkstück abgebildet, bei dem die Diffusionsschicht ungleichmäßig ausgebildet ist: In der Bohrung ist stellenweise keine Nitrierschicht vorhanden. Die Ursache hierfür ist die beim Vergüten oxidierte Oberfläche in der Bohrung, die nicht spanend bearbeitet wurde. Eine Passivierung der Werkstückoberfläche kann selbst dann vorliegen, wenn sie visuell metallisch blank aussieht / Haa00/ , / Has02/ , / Scr02/ , / Lie88/ . Für das Reinigen kommen unterschiedliche Verfahren in Betracht. Beim Waschen sollten bestimmte Waschmittel und Zusätze, deren Rückstände die Stickstoffaufnahme be- oder verhindern können, vermieden werden. Dies sind insbesondere Silicon- Zinkrückstand 63522_Liedtke_SL3a.indd 92 63522_Liedtke_SL3a.indd 92 16.06.2021 14: 35: 59 16.06.2021 14: 35: 59 <?page no="108"?> 1.2 Nitrieren und Nitrocarburieren 93 93 öle, Borate, Phosphate und Silicate / Scr93/ . Nach dem Reinigen müssen die Werkstücke, die Werkstückträger und gegebenenfalls die Chargiervorrichtungen getrocknet werden. Bolzen oder Schrauben, die zum Verschließen von Bohrungen oder Gewindelöchern benutzt werden, sind vor dem Reinigen zu entfernen. Teile mit verschlossenen Hohlräumen dürfen aus Sicherheitsgründen nicht in die Wärmebehandlungsanlage eingebracht werden. Bild 1-98: Aufstickungsbehinderung beim Gasnitrieren Neben der gewollten Veränderung der Randschicht durch die Stickstoffanreicherung soll der Werkstoffzustand unterhalb der Nitrierschicht keine Veränderung erfahren. Dies setzt ein für die Nitrier-/ Nitrocarburiertemperatur thermisch stabiles Gefüge voraus. Werden die Werkstücke vor dem Nitrieren vergütet, sollten sie deshalb bei einer Temperatur, die möglichst 30 °C über derjenigen beim Nitrieren/ Nitrocarburieren liegt, angelassen werden. Das Nitrierschichtwachstum wird durch Passivschichten behindert. Diese können beispielsweise auch infolge einer spanlosen oder spanenden Bearbeitung entstehen. Dabei können im Kontaktbereich mit dem die Verformung verursachenden Werkzeug so hohe Temperaturen auftreten, dass durch Reaktion mit dem umgebenden Medium bzw. Schmierstoffen passivierende Reaktionsschichten entstehen können. In Bild 1-99 ist dies am Beispiel einer lichtmikroskopischen Aufnahme der Randschicht eines unlegierten Einsatzstahls nach dem Nitrocarburieren zu sehen. Im linken Teil der Gefügeaufnahme ist oberhalb der stark verformten Körner die Verbindungsschicht deutlich dünner als im rechten unverformten Bereich. Dies ist jedoch nicht auf die Verformung, sondern auf eine Passivierung zurückzuführen. Behinderung der Nitrierschichtbildung Normal ausgebildete Nitrierschicht 63522_Liedtke_SL3a.indd 93 63522_Liedtke_SL3a.indd 93 16.06.2021 14: 35: 59 16.06.2021 14: 35: 59 <?page no="109"?> 94 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 94 Bild 1-99: Einfluss einer durch Verformung induzierten Passivierung auf die Ausbildung der Verbindungsschicht, lichtmikroskopisch mit einer Vergrößerung von 1000: 1 aufgenommen, Ätzung mit Nital (Durferrit) Durch ein Verformen werden außerdem Eigenspannungen induziert. Diese werden beim Erwärmen auf Nitrier-/ Nitrocarburiertemperatur ausgelöst und können plastische Verformungen hervorrufen, was zu zusätzlichen Maß- und Formänderungen führt. Um diesen Einfluss auszuschalten, ist es zweckmäßig, vor dem Nitrieren/ Nitrocarburieren ein Spannungsarmglühen durchzuführen. Ist der Verformungsgrad kleiner als 10 bis 15 %, ist es angebracht, normalzuglühen, um eine infolge Rekristallisation eintretende Grobkornbildung zu vermeiden. 1.2.6.1 Reinigen Das Reinigen der Werkstücke vor einem Nitrieren oder Nitrocarburieren ist ein sehr wichtiger Arbeitsschritt zur Qualitätssicherung. Es wird angewendet, um die Rückstände von Bearbeitungshilfsstoffen, z. B. Kühlschmierstoffe oder Konservierungsmittel, Zunder, Rost, Farbreste oder Reste von Lötflussmitteln, von der Werkstückoberfläche zu entfernen. Auch anhaftende Späne, Walz- oder Schmiedehaut sollten entfernt werden. Das Reinigen kann erfolgen durch: - Waschen - Strahlen - Beizen 1.2.6.1.1 Waschen Für die Auswahl geeigneter Reinigungsmittel zum Beseitigen von Rückständen gibt die nachstehende Tabelle 1-13 Hinweise / Haa95/ . Das Waschen ist seit der Beschränkung des Einsatzes für chlorierte Kohlenwasserstoffe und der vermehrten Verwendung silikonhaltiger Kühlschmierstoffe problema- 63522_Liedtke_SL3a.indd 94 63522_Liedtke_SL3a.indd 94 16.06.2021 14: 36: 00 16.06.2021 14: 36: 00 <?page no="110"?> 1.2 Nitrieren und Nitrocarburieren 95 95 tisch geworden. In der Fachliteratur sind hierzu nähere Informationen sowohl zur Prozessgestaltung als auch zur geeigneten Anlagentechnik zu finden / Haa92/ , / Haa91/ , / Sch93/ , / Haa95/ . Tabelle 1-13: Hinweise für geeignete Reinigungsmittel Üblich ist das Waschen in heißem Wasser mit geeigneten Reiniger-Zusätzen 4 . Um eine ausreichende Reinigungswirkung zu erzielen, kann es zweckmäßig sein, den Waschvorgang zu unterstützen, indem die Werkstückoberfläche gezielt mit Wasserstrahlen (Spritzverfahren) oder Ultraschall beaufschlagt wird oder die Werkstücke z. B. durch Schwenken bewegt werden. Nach dem Waschen müssen die Werkstücke ausreichend getrocknet werden. Mit den Werkstücken in den Ofen eingeschleppte Feuchtigkeit kann beim Erwärmen durch Verdampfen wegen der Dampfbildung zu einem hohen Druckanstieg führen. 1.2.6.1.2 Strahlen Durch trockenes oder nasses Strahlen mit für das Reinigen geeigneten Mitteln können Grate, Zunder, Walz-, Schmiede- oder Gusshaut, Farb- oder Lötflussmittelreste von der Werkstückoberfläche entfernt werden. Es muss allerdings berücksichtigt werden, dass je nach Werkstückgeometrie nicht immer alle Oberflächenbereiche des Werkstücks vom Strahl erreicht werden und das verwendete Strahlmittel nicht in jedem Fall vollständig wieder von den Werkstücken entfernbar ist. 1.2.6.1.3 Beizen Bei Werkstücken aus legierten Stählen kann es zweckmäßig sein, die Oberfläche für die Stickstoff-/ Kohlenstoffaufnahme zu aktivieren. In manchen Anwendungsfällen hat es sich als nützlich erwiesen, speziell vor einem Gasnitrieren chemisch mit Säuren zu behandeln, zu beizen / HoR76/ . Beizen eignet sich auch dazu, Rost, Zunder sowie Walz-, Schmiede- oder Gusshaut von den Werkstücken zu entfernen. 4 Die Zusätze sollten frei sein von Boraten, Phosphaten und Silikaten. Rückstände Eignung wässriger Reiniger Lösemittelreiniger CKW Öle, Fette (organisch unpolar) wenig gut bis sehr gut sehr gut Kolophonium, Klebstoffe (organisch unpolar) mäßig mäßig bis sehr gut mäßig bis gut Späne, Staub (anorganisch unpolar) gut mäßig bis gut wenig Salze (anorganisch polar) sehr gut mäßig bis wenig wenig 63522_Liedtke_SL3a.indd 95 63522_Liedtke_SL3a.indd 95 16.06.2021 14: 36: 00 16.06.2021 14: 36: 00 <?page no="111"?> 96 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 96 Es ist jedoch zu beachten, dass die Rückstände der zum Beizen benutzten Mittel möglichst vollständig neutralisiert und von der Werkstückoberfläche entfernt werden, da die Werkstücke sonst zu rosten beginnen können. Außerdem darf nicht so intensiv gebeizt werden, dass Kerben, so bezeichnete „Beiznarben“, in der Werkstückrandschicht entstehen. Unmittelbar nach der Behandlung sollten die Werkstücke in die Wärmebehandlungsanlage eingebracht werden; ein Konservieren der Werkstücke und längeres Lagern sollte unterbleiben. 1.2.6.2 Vorbehandlung Ein Vorbehandeln bzw. Vorbereiten der Werkstücke dient dazu, unerwünschte Einflüsse von Eigenspannungen, des Oberflächenzustandes oder des Werkstoffzustandes auf den Endzustand zu beseitigen, den Behandlungsablauf abzusichern und gegebenenfalls das Nitrieren oder das Nitrocarburieren örtlich zu begrenzen. 1.2.6.2.1 Entgraten Beim spanenden Bearbeiten entstandene Grate lassen sich durch Strahlen mit Sand oder rundem Stahlkorn, durch chemisches oder thermisches Entgraten entfernen. Beim thermischen Entgraten muss beachtet werden, dass die Werkstückrandschicht oxidiert wird und sich Flugrost durch abgesprengte und oxidierte Grate auf der Oberfläche absetzt. Beim chemischen Entgraten reagiert der Werkstoff mit dem Elektrolyten, wodurch u. U. die Stickstoffaufnahme beeinträchtigt wird. Zum effektiven Entfernen anhaftender Eisenspäne ist es zweckmäßig, die Werkstükke vorher zu entmagnetisieren. 1.2.6.2.2 Voroxidieren In manchen Anwendungsfällen hat sich ein Oxidieren vor dem Nitrieren oder dem Nitrocarburieren als förderlich erwiesen, um die Oberfläche von Werkstücken aus legierten Stählen zu aktivieren und damit die Stickstoffaufnahme zu verbessern / Don02/ , / Haa91/ , / Irr95/ . Diese Vorbehandlung wirkt jedoch kaum oder gar nicht, wenn anorganische Rückstände auf der Werkstückoberfläche vorhanden sind. Diese lassen sich durch ein Voroxidieren nicht verändern und stattdessen können Oxide oder andere Reaktionsprodukte entstehen, die erst recht passivierend wirken. Außerdem muss darauf geachtet werden, dass entstehende Oxidschichten nicht dicker als einige Nanometer werden, so wie die Anlauffarben metallisch blanker Oberflächen. Oxidschichten, mit einer Dicke von 1 µm und mehr können abblättern und die Funktionseigenschaften nitrierter oder nitrocarburierter Werkstücke beeinträchtigen. Durch Voroxidation oder beim Oxinitrieren erzeugte Oxidschichten werden durch die wasserstoffhaltige Atmosphäre beim Nitrieren/ Nitrocarburieren zu reinem Eisen reduziert und dann aufgestickt. Sie besitzen nur eine geringe Haftfestigkeit und können leicht abgerieben werden oder abblättern. In Bild 1-100 ist ein Beispiel für eine „gedoppelte“ Verbindungsschicht zu sehen. Die Temperatur sollte bei Werkstücken aus unlegierten und niedrig legierten Stählen nicht höher als 250 °C bis 300 °C, bei Werkstücken aus hochlegierten Stählen nicht höher als 400 °C bis 450 °C sein. 63522_Liedtke_SL3a.indd 96 63522_Liedtke_SL3a.indd 96 16.06.2021 14: 36: 00 16.06.2021 14: 36: 00 <?page no="112"?> 1.2 Nitrieren und Nitrocarburieren 97 97 Bild 1-100: Beispiel für eine nach dem Nitrocarburieren infolge Dopplung abblätternde Verbindungsschicht (Vergrößerung 1000-fach) Bei Werkstücken aus hochlegierten Stählen kann es notwendig sein, spezielle Vorbehandlungen durchzuführen, um eine passivierte Oberfläche zu überwinden bzw. während des Nitrierens/ Nitrocarburierens einen Sauerstoffspender zuzugeben, / Ler02/ , / Sid66/ , / Spi97/ , / Spi99/ , / Spi03/ . Ein Voroxidieren hat sich in manchen Fällen auch vor einem Aufkohlen oder Carbonitrieren als nützlich erwiesen. Da die einsatzgehärteten Teile meist noch spanend bearbeitet oder gestrahlt werden, ist das Einhalten einer maximalen Dicke der Oxidschicht von untergeordneter Bedeutung. Ausgeprägte Zunderschichten können sich jedoch störend beim Schleifen auswirken. 1.2.6.2.3 Spannungsarmglühen Wenn durch Bearbeiten in der Werkstückrandschicht Eigenspannungen induziert wurden oder vom Ausgangsmaterial her vorhanden sind und damit zu rechnen ist, dass dadurch das Verzugsverhalten beim Aufkohlen, Carbonitrieren, Nitrieren oder Nitrocarburieren unerwünscht beeinflusst wird, ist ein Spannungsarmglühen zu empfehlen. Im Zusammenhang mit dem Nitrieren oder Nitrocarburieren sollte die Temperatur dabei möglichst 30 °C über der Nitrier- oder Nitrocarburiertemperatur liegen. Die dabei eintretenden Maß- und Formänderungen können durch eine nachfolgende sorgfältig durchgeführte spanende Bearbeitung egalisiert werden. Dafür muss ein ausreichendes Aufmaß vorgesehen werden, und zwar so, dass eine gegebenenfalls beim Spannungsarmglühen eingetretene Oxidation vollständig entfernt wird. Das Spannungsarmglühen sollte in einer gegen Oxidation schützenden, inerten Atmosphäre, am besten in Stickstoff vorgenommen werden. Die Temperatur beim Spannungsarmglühen muss unter der Umwandlungstemperatur A c1 , des Werkstück-Werkstoffs liegen; sie sollte dieser Temperatur aber möglichst nahe sein. Bei vergüteten Werkstücken muss die Temperatur niedriger als die vorangegangene Anlasstemperatur sein, wenn die eingestellte Festigkeit erhalten bleiben soll. Ein längeres Halten von mehr als 30 min nach dem Erwärmen ist dann nicht 63522_Liedtke_SL3a.indd 97 63522_Liedtke_SL3a.indd 97 16.06.2021 14: 36: 01 16.06.2021 14: 36: 01 <?page no="113"?> 98 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 98 erforderlich. Das Erwärmen und Abkühlen ist so langsam durchzuführen, dass keine neuen Eigenspannungen entstehen können. Bei kalt umgeformten Werkstücken ist statt des Spannungsarmglühens ein Normalglühen vorzuziehen, wenn durch die Rekristallisation eine Grob- oder Mischkornbildung eintreten kann. 1.2.6.2.4 Normalglühen Eigenspannungen im Werkstück-Rohteil können anstatt durch ein Spannungsarmglühen auch durch ein Normalglühen verringert werden. Gleichzeitig können dadurch der Gefügezustand verbessert und Grob- oder Mischkornbildung in kritisch verformten Bereichen vermieden werden. Bei Werkstücken, die aufgekohlt oder carbonitriert werden, ist ein Normalglühen nicht erforderlich, da zum Aufkohlen oder Carbonitrieren sowieso auf Temperaturen erwärmt wird, die denen für ein Normalglühen entsprechen. Die zum Normalglühen erforderlichen Behandlungsdaten, Temperatur, Dauer, Abkühlung, sind den Technischen Lieferbedingungen der Stähle oder entsprechenden Unterlagen der Stahlhersteller zu entnehmen. 1.2.6.2.5 Vergüten Werden Nitrierstähle und legierte Vergütungsstähle verwendet, ist es üblich, die Werkstücke vor dem Nitrieren oder Nitrocarburieren zu vergüten, um ihnen eine bestimmte Grundfestigkeit zu verleihen. Im Vergleich zu einem normalglühten Ausgangszustand ergeben sich bei vergüteten Werkstücken gleichmäßiger ausgebildete Nitrierschichten. Zum Durchführen des Vergütens siehe DIN 17022-1 und DIN 17022-2. Beim Vergüten sollte die Anlasstemperatur etwa 30 °C über der späteren Temperatur beim Nitrieren oder Nitrocarburieren liegen. Dadurch wird im Allgemeinen eine ausreichende thermische Stabilität erreicht, so dass beim Nitrieren/ Nitrocarburieren das Anlassen nicht fortgesetzt wird. Es ist zu beachten, dass Anlasstemperatur und -dauer sich auf die Härteverlaufskurve des nitrierten und nitrocarburierten Zustands auswirken. Das Vergüten beeinflusst die Bildung von Nitriden. Dies kommt daher, dass nitridbildende Legierungselemente gleichzeitig auch Carbidbildner sind und je nach den Bedingungen beim Vergüten - Austenitisierung, Anlasstemperatur und -dauer mehr oder weniger vollständig als Carbide abgebunden sein können. Um auszuschließen, dass Veränderungen der Randschicht beim Vergüten, wie z. B. eine Entkohlung oder Oxidation das Behandlungsergebnis beeinträchtigen, ist es zweckmäßig, nach dem Vergüten eine spanende Zwischenbearbeitung der zu nitrierenden oder der zu nitrocarburierenden Bereiche der Werkstückoberfläche vorzunehmen. Bei mehrstündigem Nitrieren und Nitrocarburieren ist je nach der Anlassbeständigkeit des verwendeten Stahls mit einem Abfall der Härte und Festigkeit im Kernbereich des Werkstücks zu rechnen. Dem lässt sich durch Auswahl ausreichend anlassbeständiger Stähle wirkungsvoll begegnen. 63522_Liedtke_SL3a.indd 98 63522_Liedtke_SL3a.indd 98 16.06.2021 14: 36: 02 16.06.2021 14: 36: 02 <?page no="114"?> 1.2 Nitrieren und Nitrocarburieren 99 99 Für Werkstücke, die aufgekohlt oder carbonitriert werden, ist ein Vergüten vor dem Aufkohlen oder Carbonitrieren unzweckmäßig. 1.2.6.2.6 Vorbereiten für eine örtlich begrenzte Diffusionsbehandlung In manchen Anwendungsfällen ist es erforderlich, bestimmte Werkstückbereiche gegen eine Kohlenstoff- oder Stickstoffaufnahme zu schützen. Hierfür haben sich in der Praxis unterschiedliche Methoden bewährt. Sollen bestimmte Bereiche eines Werkstücks nicht aufgekohlt, carbonitriert, nitriert oder nitrocarburiert sein, kann entweder ein Aufmaß vorgesehen werden, das nach dem Nitrieren/ Nitrocarburieren, Aufkohlen oder Carbonitrieren spanend abgearbeitet wird, ein gegen Aufstickung schützender Überzug, z. B. eine Paste oder eine galvanisch erzeugte Schicht aufgebracht werden. Beim Nitrieren/ Nitrocarburieren können dies Kupfer-, Nickel- oder Zinnschichten sein; beim Aufkohlen/ Carbonitrieren können dies Kupferschichten oder andere geeignete Überzüge sein. eine Maske in Form eines metallischen Hüllkörpers, z. B. eine Kappe auf ein Wellenende, angebracht werden. Eine zuverlässige Schutzwirkung ist damit jedoch nur bei plasmagestützten Verfahren zu erreichen. Das Einbringen von Stiften in Bohrungen oder Schrauben in Gewindelöcher hat wegen des Risikos der Wasserdampfbildung durch Restfeuchtigkeit zu unterbleiben. 1.2.6.3 Nachbehandlung Werkstücke, die im Gas diffusionsbehandelt und anschließend im Gas abgekühlt oder im Wasser abgeschreckt wurden, benötigen im Prinzip kein Reinigen. Trotzdem kann es, je nachdem, welches Verfahren durchgeführt wurde, notwendig sein, ein Nachbehandeln durchzuführen, um die behandelten Bauteile und Werkzeuge zu reinigen, wärmezubehandeln oder spanend zu bearbeiten. Dazu gibt es unterschiedliche Möglichkeiten / Bau88/ , / Lie88/ , / Haa91/ , / Haa92/ , / Haa95/ , / Scr93/ , / Irr96/ . Die Erwartung, dass sich nach dem Nitrieren oder Nitrocarburieren die Werkstücke in einem einbaufertigen Zustand befinden, trifft nicht in jedem Anwendungsfall zu. Hierfür gibt es verschiedene Gründe. Im Ausgangszustand vorhandene Eigenspannungen, die beim Aufsticken ausgelöst werden oder eine ungünstige Formgestaltung der Werkstücke können zu nicht akzeptierbaren Maß- und Formänderungen führen. Auch die Oberflächenfeingestalt kann sich so stark verändert haben, dass ein Nachbearbeiten nicht zu umgehen ist. Hierbei ist aber zu beachten, dass nur Feinstbearbeitungen in Frage kommen, wenn die Verbindungsschicht mehr oder weniger erhalten bleiben muss. Bei einsatzgehärteten Werkstücken ist eine spanende Bearbeitung nach dem Härten meist nicht zu umgehen. 1.2.6.3.1 Reinigen Das Reinigen der mit Öl- oder Emulsionsrückständen behafteten Werkstücke erfolgt zweckmäßigerweise durch Waschen in wässrigen Mitteln mit geeigneten Zusätzen. 63522_Liedtke_SL3a.indd 99 63522_Liedtke_SL3a.indd 99 16.06.2021 14: 36: 02 16.06.2021 14: 36: 02 <?page no="115"?> 100 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 100 In der Waschflotte zurückbleibende Ölreste müssen nach den Maßgaben des Umweltschutzes entsorgt werden / Alt97/ . Gewaschene Werkstücke sind anschließend zu trocknen. Nitrierte/ nitrocarburierte Werkstücke, die in Öl oder an Luft abgekühlt werden, verfärben sich, siehe Bild 1-101. Dabei handelt es sich um wenige Nanometer dicke Oxidschichten, die sich durch das Waschen nicht beseitigen lassen, andererseits aber die Gebrauchseigenschaften auch nicht beeinträchtigen. Sind derartige Veränderungen der Werkstückoberfläche aus dekorativen Gründen unerwünscht, muss in Inertgas, z. B. Stickstoff, oder in einer Unterdruckkammer abgekühlt oder nachträglich läppgestrahlt oder gebürstet werden. Ein Reinigen einsatzgehärteter, nitrierter oder nitrocarburierter Teile ist auch dann erforderlich, um zum Isolieren aufgebrachte Schichten von Schutzmitteln zu entfernen. Dies kann entweder durch Waschen geschehen oder bei galvanisch aufgebrachten Schichten durch galvanisches oder mechanisches Abtragen vorgenommen werden. Beizen ist meist mit einer Beschädigung bzw. einem Abtrag der Verbindungsschicht verbunden und daher möglichst zu unterlassen. Bild 1-101: Beim Abkühlen nach dem Gasnitrocarburieren durch Oxidation unterschiedlich verfärbte Teile 1.2.6.3.2 Auslagern Auslagern kann bei nitrocarburierten Werkstücken aus unlegierten Stählen vorgenommen werden, um die Zähigkeit zu optimieren. Dies setzt allerdings voraus, dass nach dem Nitrocarburieren rasch, d. h. beispielsweise in Wasser, abgeschreckt wird. Zum Auslagern sind Temperaturen von 120 °C bis 300 °C mit einer Haltedauer von höchstens einer Stunde erforderlich. Das Auslagern bewirkt ein Ausscheiden des durch das Abschrecken interstitiell im Ferrit gelösten Stickstoffs in Form von relativ groben und lichtmikroskopisch sichtbaren γ ’-Nitriden. Die Bedingungen für ein Auslagern können aus Bild 1-83 abgelesen werden. 63522_Liedtke_SL3a.indd 100 63522_Liedtke_SL3a.indd 100 16.06.2021 14: 36: 02 16.06.2021 14: 36: 02 <?page no="116"?> 1.2 Nitrieren und Nitrocarburieren 101 101 Zu beachten ist jedoch, dass sich infolge der Nitridausscheidungen bei den unlegierten Eisenwerkstoffen die Randhärte und auch die Dauerschwingfestigkeit erniedrigen. Bei einsatzgehärteten Werkstücken tritt an die Stelle eines Auslagerns ein Anlassen, meist im Temperaturbereich zwischen 150 °C und 200 °C. 1.2.6.3.3 Nachoxidieren . Obwohl die Verbindungsschicht auch dadurch gekennzeichnet ist, dass sie den Korrosionswiderstand erhöht, kann dieser durch ein nachträgliches Oxidieren noch weiter erhöht werden. Dazu hat sich ein Behandeln der nitrierten oder nitrocarburierten Werkstücke in Wasserdampf oder Luft, bei Temperaturen zwischen 350 °C und 550 °C bewährt. Dieses Oxidieren kann je nach Ofenanlage auch mit dem Abkühlen kombiniert werden. Dabei wird eine Oxidschicht mit einer Dicke von weniger als 1 µm angestrebt, in Bild 1-102 ist ein Beispiel hierfür zu sehen. Gleichzeitig werden auch die Poren der Verbindungsschicht mit Oxid gefüllt, Die Werkstückoberfläche erhält ein schwarzes, dekoratives Aussehen. Oxidschichten mit einer Dicke von mehr als 1 µm können wegen ungenügender Haftung ausbrechen oder abgerieben werden und dann die Funktionseigenschaften beeinträchtigen. Wird nach dem Oxidieren z. B. durch Scheuern („Gleitschleifen“) oder Superfinishen nachbearbeitet, um die Oberflächenrauheit zu verringern, ist es zweckmäßig, erneut zu oxidieren, um eine ausreichende Oxidschichtdicke zu erhalten. Ein zusätzliches Versiegeln der Werkstückoberfläche mit einem Schutzwachs, kann den Korrosionswiderstand weiter verstärken. Bei einsatzgehärteten Teilen ist ein Nachoxidieren nicht üblich. Bild 1-102: Verbindungsschicht mit Oxidschicht (Ätzung mit Nital, Vergrößerung 1000: 1) 63522_Liedtke_SL3a.indd 101 63522_Liedtke_SL3a.indd 101 16.06.2021 14: 36: 03 16.06.2021 14: 36: 03 <?page no="117"?> 102 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 102 1.2.6.3.4 Diffusionsbehandeln Durch Diffusionsbehandeln kann das Konzentrationsprofil nach einem Aufkohlen, Nitrieren oder Nitrocarburieren verändert werden. Beim Aufkohlen ist dies ein Verfahrensschritt, der in den Aufkohlungsprozess integriert wird, was z. B. den nach dem Härten möglicherweise vorhandenen Restaustenitgehalt minimiert. Im Zusammenhang mit dem Nitrieren und Nitrocarburieren kann ein Diffusionsbehandeln zweckmäßig sein, um bei Werkstücken aus hochlegierten Stählen die Oberflächenhärte und die Randhärte zu reduzieren und damit Ausbrüche von Materialpartikeln aus der Randschicht vermeiden. Es ist jedoch zu überlegen, ob nicht durch eine geeignete Prozessführung auf das Diffusionsbehandeln verzichtet werden kann. Die erforderliche Behandlungstemperatur sollte mindestens so hoch sein wie die Nitrier-/ Nitrocarburiertemperatur oder etwas höher, die erforderliche Haltedauer richtet sich nach der angestrebten Härteverlaufskurve. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass sich durch das Diffusionsbehandeln je nach Temperatur und Haltedauer der Aufbau der Verbindungsschicht so verändert, dass ihr Verschleißverhalten beeinträchtigt wird. Bild 1-103 zeigt ein typisches Beispiel für den Einfluss eines Diffusionsbehandelns auf das Härteprofil und die Randhärte beim Stahl X40CrMoV5-1. Bild 1-103: Einfluss eines Diffusionsbehandelns nach dem Nitrieren auf das Härteprofil am Beispiel des Stahls X40CrMoV5-1 1.2.6.3.5 Spanendes Bearbeiten Nach dem Einsatzhärten ist ein spanendes Bearbeiten die Regel, um die beim Einsatzhärten entstandenen Maß- und Formänderungen zu korrigieren. 63522_Liedtke_SL3a.indd 102 63522_Liedtke_SL3a.indd 102 16.06.2021 14: 36: 03 16.06.2021 14: 36: 03 <?page no="118"?> 1.2 Nitrieren und Nitrocarburieren 103 103 Nach dem Nitrieren/ Nitrocarburieren kann ein spanabhebendes Bearbeiten erforderlich sein, um z. B. die für den Einbauzustand erforderliche Oberflächenfeingestalt zu erreichen, um Kantenaufwölbungen oder andere Formabweichungen zu beseitigen oder um gezielt einen Teil der Verbindungsschicht, z. B. den porösen Bereich, oder die ganze Verbindungsschicht abzutragen. Hiernach richtet sich die Wahl des Bearbeitungsverfahrens. Soll die Verbindungsschicht möglichst weitgehend erhalten bleiben, kommt Honen, Superfinishen, Gleitschleifen oder Polieren in Frage. Schleifen ist nur zulässig, wenn die VS abgetragen werden darf oder werden muss. Müssen z. B. Werkstücke mit großer Abmessung geschliffen werden, weil sonst die geforderten Einbaumaße nicht eingehalten werden können, sollten entsprechend legierte Stähle verwendet werden, die nach dem Schleifen mit ihrer Diffusionsschicht noch eine ausreichende Randschichthärte aufweisen. Durch Strahlen mit Glas- oder Quarzperlen kann ebenfalls ein Abtrag in der Größenordnung von 1 bis 2 µm vorgenommen werden. Ein Bürsten ergibt dagegen nur einen Reinigungseffekt. 1.2.6.3.6 Richten oder Kalibrieren Schlanke Bauteile müssen häufig nach dem Einsatzhärten, Nitrieren oder Nitrocarburieren gerichtet werden. Bei diesen Teilen muss jedoch darauf geachtet werden, dass die harte Randschicht nur in geringem Maße verformt werden darf, damit die Randschicht nicht anreißt. Bei gehärteten Teilen hat sich in vielen Fällen in der Praxis erwiesen, dass Richten durch Biegen vor dem Anlassen günstiger ist als nach dem Anlassen. Richten durch punktförmiges Erwärmen oder Dengeln ist möglichst zu vermeiden. Nitrierte oder nitrocarburierte Teile lassen sich, sofern sie aus unlegierten Stählen bestehen, in begrenztem Maße durch ein Biegen richten. Auch ein vorsichtiges Glattwalzen zum Kalibrieren oder ein schwaches Bördeln lässt sich bei solchen Werkstoffen durchführen. Von Vorteil ist es in solchen Fällen, nach dem Nitrieren/ Nitrocarburieren rasch abzukühlen/ abzuschrecken und ein Auslagern vorzunehmen. Bei legierten Werkstoffen besteht, wegen der deutlich höheren Härte der Verbindungs- und Diffusionsschicht dagegen die Gefahr, dass Anrisse entstehen, wie in Bild 1-104 beispielsweise zu sehen ist. Bild 1-104: Randschicht des Stahls Ck45 nach Nitrocarburieren und Glattwalzens / HoF86/ 63522_Liedtke_SL3a.indd 103 63522_Liedtke_SL3a.indd 103 16.06.2021 14: 36: 03 16.06.2021 14: 36: 03 <?page no="119"?> 104 1 Grundlagen der Verfahrenstechnik 104 1.2.6.3.7 Korrosionsschützen Während durch das Einsatzhärten die Korrosionsbeständigkeit nicht verbessert wird, verleiht die Verbindungsschicht den nitrierten und nitrocarburierten Werkstücken einen erhöhten Schutz gegen Korrosion. Jedoch ist es notwendig, Werkstücke, die örtlich begrenzt nitriert oder nitrocarburiert und zu diesem Zweck mit einem Isoliermittel oder einer galvanisch aufgebrachten Schicht bedeckt werden, nach dem Entfernen der Isolierschicht mit einem temporärem Korrosionsmittel die nicht aufgestickten Oberflächenbereiche gegen ein Rosten zu schützen. 63522_Liedtke_SL3a.indd 104 63522_Liedtke_SL3a.indd 104 16.06.2021 14: 36: 03 16.06.2021 14: 36: 03 <?page no="120"?> 105 2 Verfahrensdurchführung 2.1 Herstellung der Behandlungsatmosphären Die in diesem Kapitel angegebenen Werte der physikalischen Eigenschaften der zum Wärmebehandeln benutzten Gase wurden dem Katalog HIQ® Spezialgase der Fa. Linde AG entnommen / Bou10/ . Angaben in Unterlagen anderer Hersteller von Gasen können von diesen geringfügig abweichen. 2.1.1 Gase, allgemeine Bemerkungen Kennzeichnung der Reinheit: Die Reinheit der Gase wird üblicherweise in Prozent angegeben. Je nach den physikalischen Eigenschaften des Gases oder nach der Art der Bestimmungsmethode bezieht sich die Angabe auf das Volumen, die Masse oder die Stoffmenge (Mol) des jeweiligen Gases. Nach DIN 1310 lassen sich diese Größen mit definierter Unsicherheit ineinander umrechnen. Der Gehalt an Verunreinigungen wird ebenfalls in Prozent oder, bei höheren Reinheiten, in ppm (englisch: parts per million; 10 -6 ), ppb (parts per billion; 10 -9 ) oder ppt (parts per trillion; 10 -12 ) angegeben. Die Werte der Verunreinigungen werden oftmals ohne einen Zusatz der Ergebnisunsicherheit ausgewiesen, weil beim Nachweis der Reinheit eines Gases nicht die Bestimmung des diskreten Analysenwertes im Vordergrund steht, sondern die Einhaltung der spezifizierten Grenzwerte. Gebräuchlich sind hier Angaben wie „kleiner als“ oder „kleiner gleich“ (< oder ≤) für spezifizierte Verunreinigungen und „größer“ oder „größer gleich“ (> oder ≥) für den Gehalt der Hauptkomponente / Air05/ . In Tabelle 2-1 sind Beispiele für die Prozentangabe und die Punktnotation aufgeführt. Tabelle 2-1 Beispiele für die Prozentangabe und die Punktnotation von Gasen %-Angabe Punktnotation Summe der Verunreinigungen > 99 2.0 < 1 % > 99,99 4.0 < 0,01 % < 100 ppm > 99,999 5.0 < 0,001 % < 10 ppm > 99,9995 5.5 < 5 ppm > 99,99999 7.0 < 100 ppb Transport, Lagerung und Entnahme der Gase: Für den Transport, das Lagern, die Entnahme und die Verwendung der Gase sind spezifische Vorschriften in Form von gesetzlichen Verordnungen, Vorschriften, Richtlinien und Normen zu beachten und bei den Herstellern und Lieferern der Gase zu erfragen. 63522_Liedtke_SL3a.indd 105 63522_Liedtke_SL3a.indd 105 16.06.2021 14: 36: 04 16.06.2021 14: 36: 04 <?page no="121"?> 106 2 Verfahrensdurchführung 106 Werkstoffverträglichkeit der Gase: Jede Gasart bedingt bestimmte Werkstoffe für Behälter, Armaturen, Dichtungen und Schläuche. Tabelle 2-2 enthält eine Zusammenstellung, entnommen aus dem Gasekatalog von Linde / Lin06/ . Tabelle 2-2: Werkstoffverträglichkeiten von Gasen, die zum Wärmebehandeln benutzt werden Gas Empfohlene Werkstoffe für Behälter und Armaturen Empfohlene Werkstoffe für Dichtungen und Schläuche Aluminium Kupfer Messing Stahl SS Monel But-K. C.R. P.E. P.V.C. Chlor PE PTFE PTriFe Acetylen + - - + + + + b - + + + + Ammoniak + - - + + + + + + + + + + Argon + + + + + + + + + + + + + Kohlendioxid + + + + + + + + + + + + + Kohlenmonoxid + + + b + + - b b + + Methan + + + + + + - + + + + + + Propan + + + + + + + + + + + + + Stickstoff + + + + + + + + + + + + + Wasserstoff + + + + + + + + + + + + „+“ = geeignet, „-“ = nicht geeignet, „b“ = bedingt geeignet (But-K. = Butylkautschuk, C.R. = Chlorbutadienkautschuk (z. B. Neopren), P.E. = Polyethylen, P.V.C. = Polyvinylchlorid, Chlor-PE = Chlorierte Polyether (z. B. Penton), PTFE = Polytetrafluorethylen (z. B. Teflon), PTriFE = Polytrifluorchlorethylen (z. B. Kel-F)) Flüssiggas: Die zum Wärmebehandeln benötigten Gase sind üblicherweise im gasförmigen Zustand in Druckbehältern gespeichert. Daneben werden jedoch Propan, Stickstoff und Wasserstoff vorwiegend in flüssiger Form als Flüssiggas, das ebenfalls unter Druck steht, angeliefert. Für das Lagern, das Ab- und Umfüllen sowie die Entnahme gelten spezielle Vorschriften wie z. B. die §§ 38, 53, 58, 71 und 74 der Flüssiggasverordnung. In flüssiger Form wird auch Methanol angeliefert. Entnahmestation: Die jeweilige Entnahmestation muss entsprechend dem Entnahmeprofil, d. h. nach der durchschnittlichen und maximalen stündlichen Verbrauchsmenge, mit dem Lieferanten abgestimmt und ausgelegt werden. Je nach Entnahmeprofil und der möglichen Entnahmemenge in Abhängigkeit von der Betriebsdauer werden Flaschen- oder Bündelbatterien oder Tanks verwendet. 63522_Liedtke_SL3a.indd 106 63522_Liedtke_SL3a.indd 106 16.06.2021 14: 36: 04 16.06.2021 14: 36: 04 <?page no="122"?> 2.1 Herstellung der Behandlungsatmosphären 107 107 Armaturen: Hierunter fallen: - Druckminderer, Druckregler, Reduzierventile - Ventile - Filter - Durchflussmesser - Druckdosenzubehör Einzelheiten zum Aufbau und der Wirkungsweise der verschiedenen Armaturen sind in einschlägigen Unterlagen der Hersteller bzw. Lieferanten technischer Gase zu finden. 2.1.2 Propan Propan gehört zur Gruppe der Kohlenwasserstoffe und wird bevorzugt verflüssigt geliefert. Es ist ein universelles Heizgas für Labor und Haushalt. Industriell wird es als Gas unter anderem beim Wärmebehandeln von Metallen als Kohlenstoffspender sowie als Ausgangsgas für die Endogas-Erzeugung eingesetzt. Eigenschaften: Propan ist ein farb- und geruchloses, leicht entzündliches verflüssigtes Gas, welches mit Luft explosionsfähige Gemische bilden kann. Es ist schwerer als Luft. Tabelle 2-3: Physikalische Eigenschaften Chemische Formel C 3 H 8 Molare Masse 44,096 g/ mol Schmelzpunkt bei 1,013 bar -187,68 °C Dampfdruck am Schmelzpunkt bei 1,013 bar 3∙10 -9 bar Siedepunkt bei 1,013 bar -42,04 °C Dichte am Siedepunkt bei 1,013 bar 582 g/ l Dichte bei 20 °C 500,5 g/ l Dampfdruck bei 20°C 8,53 bar Dichte bei 15 °C und 1 bar 1,871 kg/ m 3 Zündtemperatur in Luft 470 °C Zündbereich in Luft 1,7 bis 10,8 Vol-% (Luft) Löslichkeit in Wasser bei 20 °C und 1,013 bar 0,039 l/ kg MAK-Wert 1000 ml/ m 3 Tabelle 2-4: Umrechnungszahlen für Propan m 3 Gas (15 °C, 1 bar) l flüssig (Siedepunkt) kg flüssig 1 3,215 1,871 0,311 1 0,582 0,534 1,718 1 63522_Liedtke_SL3a.indd 107 63522_Liedtke_SL3a.indd 107 16.06.2021 14: 36: 05 16.06.2021 14: 36: 05 <?page no="123"?> 108 2 Verfahrensdurchführung 108 Herstellung: Propan ist ein bei der Verarbeitung von Erdöl durch fraktionierte Destillation entstandenes verflüssigtes Gas, das zur Gruppe der Kohlenwasserstoffe gehört. Lieferqualität: Propan ist im Normalfall in den Reinheiten 2.5 und 3.5 lieferbar. Die Verunreinigungen bestehen in der Hauptsache aus höheren Kohlenwasserstoffen der Formel C n H m . Propan wird in Flaschen bzw. Flaschenbündeln oder in Tankwagen als Flüssiggas angeliefert. 2.1.3 Methan/ Erdgas Methan gehört zur Gruppe der Kohlenwasserstoffe, es wird verflüssigt oder gasförmig geliefert. In der Regel wird es als Hauptbestandteil von Erdgas in Labor, Haushalt und Industrie als Heizgas verwendet. Es dient aber auch als Ausgangsstoff für die Herstellung einer Vielzahl von Produkten in der chemischen Industrie. Beim Wärmebehandeln von Metallen wird es als Kohlenstoffspender sowie als Ausgangsgas zum Herstellen von Endoträgergas benutzt. Eigenschaften: Reines Methan ist ein farb- und geruchloses leicht entzündliches Gas, welches mit Luft explosionsfähige Gemische bilden kann. Es ist leichter als Luft. Tabelle 2-5: Physikalische Eigenschaften Chemische Formel CH 4 Molare Masse 16,043 g/ mol Schmelzpunkt bei 1,013 bar -182,47 °C Dampfdruck am Schmelzpunkt bei 1,013 bar 0,117 bar Siedepunkt bei 1,013 bar -161,52 °C Dichte am Siedepunkt bei 1,013 bar 422,62 g/ l Dampfdruck bei 20 °C --- Dichte bei 1 bar und 15 °C (leichter als Luft) 0,671 kg/ m 3 Zündtemperatur in Luft 595 °C Zündbereich in Luft 4,4 bis 17 Vol-% (Luft) Löslichkeit in Wasser bei 1,013 bar und 20 °C 0,035 g/ l MAK-Wert Nicht festgelegt Tabelle 2-6: Umrechnungszahlen für Methan m 3 Gas (15 °C, 1 bar) l flüssig (Siedepunkt) kg flüssig 1 1,588 0,671 0,63 1 0,423 1,49 2,366 1 63522_Liedtke_SL3a.indd 108 63522_Liedtke_SL3a.indd 108 16.06.2021 14: 36: 05 16.06.2021 14: 36: 05 <?page no="124"?> 2.1 Herstellung der Behandlungsatmosphären 109 109 Herstellung: Methan wird in der Technik unter anderem durch Reinigen von Erdgas gewonnen bzw. fällt in größeren Mengen bei der Erdöldestillation an. Lieferqualität: Methan ist in den Reinheiten 2.5, 2.7, 3.5, 4.5 und 5.5 beziehbar Die Verunreinigungen bestehen in der Hauptsache aus: O 2 , N 2 , H 2 , C n H m und H 2 O. Methan wird in Flaschen bzw. Flaschenbündeln angeliefert. 2.1.4 Ammoniak Beim Wärmebehandeln von Metallen wird Ammoniak als Stickstoffspender bzw. Ammoniak-Spaltgas zum Erzeugen von Stickstoff-Wasserstoff-Atmosphären als Schutzbzw. Reaktionsgas eingesetzt. Eigenschaften: Ammoniak ist ein stark riechendes, ätzendes, giftiges, korrosives, stark hygroskopisches, brennbares und schwer entflammbares Gas. Charakteristische Daten der Eigenschaften sind in Tabelle 2-6 angegeben; Umrechnungszahlen in Tabelle 2-7. Tabelle 2-7: Physikalische Eigenschaften Chemische Formel NH 3 Molare Masse 17,03 g/ Mol Schmelzpunkt bei 1,013 bar -77,74 °C Dampfdruck am Schmelzpunkt bei 1,013 bar 0,0607 bar Siedepunkt bei 1,013 bar -33,4 °C Dichte am Siedepunkt bei 1,013 bar 682 g/ l Dichte bei 20 °C 610 g/ l Dampfdruck bei 20 °C 8,559 bar Dichte bei 1 bar und 15 °C 0,722 kg/ m 3 Löslichkeit in Wasser bei 1,013 bar und 20 °C 685,7 l/ kg Zündtemperatur in Luft 630 °C Zündbereich in Luft 15,0 bis 28,0 Vol% MAK-Wert 50 ml/ m 3 Geruchsschwellenwert 3,5 mg/ m 3 Luft Tabelle 2-8: Umrechnungszahlen für Ammoniak m 3 Gas (15 °C, 1 bar) l flüssig (Siedepunkt) kg flüssig 1 1,058 0,722 0,945 1 0,682 1,386 1,466 1 63522_Liedtke_SL3a.indd 109 63522_Liedtke_SL3a.indd 109 16.06.2021 14: 36: 05 16.06.2021 14: 36: 05 <?page no="125"?> 110 2 Verfahrensdurchführung 110 Ammoniak zerfällt unter dem Einfluss von Katalysatoren, wie z. B. metallischen Oberflächen, ab etwa 150 °C in Wasserstoff und Stickstoff. Der Zersetzungsgrad hängt von der Temperatur sowie von der Gasgeschwindigkeit an den prozessrelevanten reaktiven Oberflächen ab. Ammoniak wird in flüssigem Zustand in Stahlflaschen oder -tanks gespeichert. Der Flaschendruck entspricht dem von der Umgebungstemperatur abhängenden Dampfdruck und beträgt bei 20 °C etwa 9 bar absolut. Herstellung: Ammoniak ist kein natürlich vorkommendes Gas. Es wird bei hohem Druck unter Mitwirkung eines Katalysators nach dem Haber-Bosch-Verfahren durch Synthese von Wasserstoff und Stickstoff hergestellt. Lieferqualität: Die übliche Reinheit wird mit 3.8 angegeben. Das bedeutet ein Mindestgehalt von 99,98 Volumen-% Ammoniak. Der Rest besteht aus Wasser, Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenstoffmonooxid, Kohlenstoffdioxid und Kohlenwasserstoffen. Ammoniak wird in Flaschen, Flaschenbündeln oder Fässern geliefert. Entnahmestation: Zusätzlich zu den allgemeinen Hinweisen für die Entnahmestation ist bei Ammoniak zu beachten: • Die Anlage wird nach dem benötigten Versorgungsdruck ausgelegt. Bei großer Verbrauchsmenge ist die gleichzeitige Entnahme aus mehreren miteinander verbundener Flaschen notwendig. Gegebenenfalls ist eine zusätzliche Flaschenheizung oder ein Verdampfer notwendig. • Aufstellungsort: Zweckmäßig ist ein separater, beheizbarer, belüfteter Aufstellungsraum. • Die Rohrleitungen und Armaturen dürfen kein Buntmetall enthalten. Entscheidend für die Auslegung der Station ist immer die maximale Entnahmemenge pro Zeiteinheit. Dies bedeutet, dass die Anlage immer auf Verbrauchsspitzen und nicht auf den mittleren Bedarf dimensioniert werden muss, damit eine konstante und sichere Entnahmemenge zu jedem Zeitpunkt gewährleistet ist. 2.1.5 Ammoniak-Spaltgas Ammoniak-Spaltgas besteht bei vollständiger Spaltung aus 75 Vol-% Wasserstoff und 25 Vol-% Stickstoff. Es wird als Zusatzgas beim Nitrieren und Nitrocarburieren verwendet, kann aber auch als Schutzgas für Glühprozesse benutzt werden. In diesem Fall sollte kein Restammoniak im Spaltgas mehr vorhanden sein, da es sonst zu einer unerwünschten Aufstickung kommen kann. 63522_Liedtke_SL3a.indd 110 63522_Liedtke_SL3a.indd 110 16.06.2021 14: 36: 06 16.06.2021 14: 36: 06 <?page no="126"?> 2.1 Herstellung der Behandlungsatmosphären 111 111 Eigenschaften: Die Eigenschaften des Spaltgases ergeben sich aus den Eigenschaften von Wasserstoff und Stickstoff. Durch den Wasserstoffgehalt des Spaltgases ist es brennbar und leicht entflammbar. Herstellung: Zur Anwendung beim Wärmebehandeln wird flüssiges Ammoniak verdampft. In kleinen Anlagen geschieht dies direkt in den Transportbzw. Lagerbehältern. Bei Anlagen mit einem Schutzgasbedarf über 5 m 3 / h erfolgt dies in einem Verdampfer. Dabei entstehen aus 1 kg flüssigem Ammoniak etwa 1,3 m 3 Ammoniakgas. Das Gas wird dazu in einer auf 850 °C bis 1000 °C erwärmten Retorte über einen Nickelkatalysator geleitet und aufgespalten / Eck77/ . Durch das Spalten verdoppelt sich das Gasvolumen, so dass aus 1 kg flüssigem Ammoniak rd. 2,6 m 3 Spaltgas entstehen, gemäß: 2·NH 3 ↔ N 2 + 3·H 2 Bei vollständiger Spaltung besteht es aus 75 Vol-% Wasserstoff und 25 Vol-% Stickstoff. Bei unvollständiger Spaltung hängt die Menge an ungespaltenem Restammoniak von der Temperatur und der Auslegung des Katalysators im Ammoniakspalter ab. 2.1.6 Kohlenstoffdioxid Kohlenstoffdioxid ist ein äußerst vielseitig verwendbares Gas. Es fällt in großen Mengen bei der Verbrennung vieler organischer Verbindungen und fossiler Brennstoffe an. Beim Nitrocarburieren wird es als Zusatzgas zum Regeln des C-Pegels verwendet. Eigenschaften: Es ist ein farb- und geruchloses verflüssigtes Gas, schwerer als Luft und in Wasser gut löslich. Tabelle 2-9: Physikalische Eigenschaften Chemische Formel CO 2 Molare Masse 44,010 g/ mol Schmelzpunkt bei 1,013 bar -56,57 °C Dampfdruck am Siedepunkt bei 1,013 bar 5,185 bar Siedepunkt bei 1,013 bar -78,5 °C Dichte am Siedepunkt bei 1,013 bar 1177,8 g/ l Dichte bei 20 °C 776,2 g/ l Dampfdruck bei 20°C 57,29 bar Dichte bei 1 bar und 15 °C 1,848 kg/ m 3 Löslichkeit in Wasser bei 1,013 bar und 20°C 0,87 g/ l MAK-Wert 5000 ml/ m 3 63522_Liedtke_SL3a.indd 111 63522_Liedtke_SL3a.indd 111 16.06.2021 14: 36: 06 16.06.2021 14: 36: 06 <?page no="127"?> 112 2 Verfahrensdurchführung 112 Tabelle 2-10: Umrechnungszahlen für Kohlenstoffdioxid Herstellung: Industriell wird Kohlenstoffdioxid durch Reinigen des beim Verbrennen von Kohle anfallenden Abgases gewonnen. Lieferqualität und Lieferart: Kohlenstoffdioxid ist in den Reinheiten 3.0, 4.5, 4.8 und 5.3 erhältlich Die Verunreinigungen bestehen in der Hauptsache aus: O 2 , N 2 , C n H m , CO und H 2 O. Kohlenstoffdioxid wird in Flaschen bzw. Flaschenbündeln angeliefert. 2.1.7 Kohlenstoffmonooxid Kohlenstoffmonooxid ist ein sehr giftiges, geruchloses, brennbares Gas welches unter anderem zum Herstellen vieler Kohlenwasserstoffe (Fischer-Tropsch-Synthese) und einer Vielzahl anderer organischer Verbindungen verwendet wird. Es ist leichter als Luft, löst sich jedoch wenig in Wasser. Bei der Mischung mit Luft können explosionsfähige Gemische entstehen. Beim Wärmebehandeln von Eisenwerkstoffen dient es in Verbindung mit anderen Gasen (N 2 , CO 2 , H 2 und H 2 O) als Bestandteil von Aufkohlungs- oder Nitrocarburier-Atmosphären als Kohlenstoffspender. Tabelle 2-11: Physikalische Eigenschaften Chemische Formel CO Molare Masse 28,010 g/ mol Schmelzpunkt bei 1,013 bar -205,01 °C Dampfdruck bei 1,013 bar 0,1535 bar Siedepunkt bei 1,013 bar -191,53 °C Dichte am Siedepunkt bei 1,013 bar 788,6 g/ l Dichte bei 20 °C --- Dampfdruck bei 20°C --- Dichte bei 1 bar und 15 °C 1,17 kg/ m 3 Zündtemperatur in Luft 605 °C Zündbereich in Luft 11,3 bis 75,6 Vol % Löslichkeit in Wasser bei 1,013 bar und 20°C 0,0227 g/ l MAK-Wert 30 ml/ m 3 m 3 Gas (15 °C, 1 bar) l flüssig (Siedepunkt) kg flüssig 1 1,569 1,848 0,637 1 1,178 0,541 0,849 1 63522_Liedtke_SL3a.indd 112 63522_Liedtke_SL3a.indd 112 16.06.2021 14: 36: 06 16.06.2021 14: 36: 06 <?page no="128"?> 2.1 Herstellung der Behandlungsatmosphären 113 113 Tabelle 2-12: Umrechnungszahlen für Kohlenstoffmonooxid m 3 Gas (15 °C, 1 bar) l flüssig (Siedepunkt) kg flüssig 1 1,484 1,17 0,674 1 0,789 0,855 1,268 1 Herstellung: Industriell existieren verschiedene Herstellungsverfahren, wie zum Beispiel die Synthesegaserzeugung. Hier wird Methan in Anwesenheit eines Katalysators und Wasser gespalten. In einem anderen Verfahren wird Luft über glühenden Koks geleitet, wobei zunächst CO 2 und danach CO entsteht → Boudouard-Reaktion. Lieferqualität und Lieferart: Kohlenstoffmonooxid ist in den Reinheiten 2.0, 3.0, 3.7 und 4.7 beziehbar. Die Verunreinigungen bestehen in der Hauptsache aus: N 2 , O 2 , Ar, H 2 , C n H m und H 2 O. Kohlenstoffmonooxid wird in Flaschen bzw. Flaschenbündeln angeliefert. 2.1.8 Stickstoff Stickstoff gehört zur Gruppe der so bezeichneten Luftgase. Es wird industriell in großem Umfang in hoher Reinheit, gasförmig oder tiefkalt verflüssigt, erzeugt. Meist dient Stickstoff als Schutzgas für wärmezubehandelnde oder lagernde Werkstücke, um diese vor Oxidation zu schützen. Eigenschaften: Stickstoff ist ein geruch- und farbloses, unbrennbares, ungiftiges und relativ reaktionsträges Gas. Durch diese Eigenschaft findet es beim Wärmebehandeln überwiegend bei Temperaturen unterhalb von 1.000 ° C Verwendung. Gegenüber Edelgasen wie Argon (Ar) und Helium (He) besitzt Stickstoff deutliche Kostenvorteile und wird daher bevorzugt eingesetzt, sofern keine verfahrenstechnische Notwendigkeit für den Einsatz eines anderen Gases besteht. Tabelle 2-13: Physikalische Eigenschaften Chemische Formel N 2 Molare Masse 28,013 g/ Mol Schmelzpunkt bei 1,013 bar -210 °C Dampfdruck am Schmelzpunkt bei 1,013 bar 0,1253 bar Siedepunkt bei 1,013 bar -195,8 °C Dichte am Siedepunkt bei 1,013 bar 808,5 g/ l Dichte bei 20 °C --- Dampfdruck bei 20 °C --- Dichte bei 1 bar und 15 °C 1,17 kg/ m 3 Löslichkeit in Wasser bei 1,013 bar und 20 °C 0,0156 l/ kg 63522_Liedtke_SL3a.indd 113 63522_Liedtke_SL3a.indd 113 16.06.2021 14: 36: 07 16.06.2021 14: 36: 07 <?page no="129"?> 114 2 Verfahrensdurchführung 114 Tabelle 2-14: Umrechnungszahlen für Stickstoff m 3 Gas (15 °C, 1 bar) l flüssig (Siedepunkt) kg flüssig 1 1,447 1,17 0,691 1 0,809 0,855 1,237 1 Herstellung: Am wirtschaftlichsten wird Stickstoff aus der Umgebungsluft, in welcher rd. 79 Vol.-% enthalten sind, durch Trennen hergestellt. Die Luft wird zunächst verflüssigt und in einer Rektifikationskolonne in ihre Hauptbestandteile Sauerstoff, Stickstoff und Argon zerlegt. Der tiefkalte und flüssige Stickstoff wird dann in vakuumisolierten Tanks bei -196 °C zwischengelagert und anschließend, je nach Anwendungs- oder Lagerzweck, in Tankfahrzeugen oder Druckgasflaschen zum Anwender transportiert. Neben dem hauptsächlich angewandten Verfahren des Luftzerlegens durch Verflüssigen existieren noch weitere Methoden, die im Abschnitt "Alternativ-Versorgung" beschrieben sind. Lieferqualität und Lieferart: Der industrielle Standard für tiefkalt verflüssigten Stickstoff hat üblicherweise die Punktnotation 5.0, d. h. 1 m 3 Gas ist maximal mit 10 cm 3 , also 10 ppm Sauerstoff verunreinigt. Die erforderliche Qualität des Stickstoffs hängt maßgeblich vom Wärmebehandlungsprozess bzw. dem zu behandelnden Werkstoff ab. Für die allgemeine Wärmebehandlung reicht eine Stickstoffqualität von mindestens 99,5 % mit maximal 0,5 % Restsauerstoffgehalt, also der Qualität 2.5, aus. Alle notwendigen Sicherheitsanforderungen werden damit erfüllt. Für besondere Werkstoffqualitäten können allerdings höhere Ansprüche vorliegen, was dann eine höhere Reinheit erfordert. Stickstoff wird gasförmig in Flaschen oder Flaschenbündeln, sowie flüssig mit unterschiedlichen Drucken für Tankanlagen geliefert. Alternative Versorgungsarten: Je nach Einsatz und Verwendung bzw. Entnahmeprofil existieren weitere Alternativen zu den oben beschriebenen Lieferarten. Sofern beim Anwender ausschließlich gasförmiger Bedarf mit hohen kontinuierlichen Abnahmemengen besteht, bietet die Eigenerzeugung eine wirtschaftlich günstige und sichere Alternative. Während bei der Eigenerzeugung eine Produktionsanlage die Stickstoff-Grundlastversorgung sichert, deckt die Flüssig-Stickstoff-Tankanlage die Spitzenlasten ab. Dies sichert zudem die Gesamtversorgung bei Stromausfall, Wartungsarbeiten oder unplanmäßigen Ausfällen der Eigenerzeugungsanlage. Zur Eigenerzeugung bieten sich drei verschiedene Verfahren an: • Membran-Verfahren • PSA-(Pressure Swing Adsorption)Verfahren • HPN-(High Purity Nitrogen)Verfahren. 63522_Liedtke_SL3a.indd 114 63522_Liedtke_SL3a.indd 114 16.06.2021 14: 36: 07 16.06.2021 14: 36: 07 <?page no="130"?> 2.1 Herstellung der Behandlungsatmosphären 115 115 Das Membran- Verfahren : Basiert auf dem Einsatz aufbereiteter Druckluft und Nutzung der unterschiedlichen Moleküldurchmesser der Luftbestandteile Stickstoff und Sauerstoff und den damit verbundenen unterschiedlichen Permeationsraten; die Sauerstoffmoleküle sind schneller als die Stickstoffmoleküle. Das PSA-(Pressure Swing Adsorption)Verfahren: Hier wird der Stickstoff ebenfalls aus aufbereiteter Druckluft gewonnen. Unter Einsatz zweier mit Kohlenstoffmolekularsieben ausgerüsteter Druckbehälter wird im wechselseitigen Betrieb dem Gas der Sauerstoff entzogen. Während in einem Sieb die Sauerstoffmoleküle festgehalten werden, wird im zweiten Sieb regeneriert. Das HPN-(High Purity Nitrogen)Verfahren: Die HPN-Anlage arbeitet nach einem ähnlichen Prinzip wie die bereits beschriebene große Luftzerlegungsanlage und erzeugt hochreinen Stickstoff mit Restsauerstoffgehalten von <5 ppm. Sie ist für Abnahmemengen ab ca. 100 m³/ h wirtschaftlich. Einen Vergleich der genannten Verfahrensvarianten bietet die nachstehende Tabelle 2-15. Tabelle 2-15: Vergleich der Alternativen für die Versorgung mit Stickstoff - Standards für Reinheiten, Durchflussmengen und Drucke Flüssigstickstoff Membran PSA HPN Durchfluss (Nm³/ h) 0 - 600 0 - 5000 0 - 2500 ≥100 Reinheit (% N 2 ) 99,9995 bis 99,9 bis 99,9995 99,9995 Druck (bar) 0 - 14 0 - 12 0 - 7 0 - 9 2.1.9 Acetylen In der metallverarbeitenden Industrie wird Acetylen als Brenngas, z. B. beim Schweißen, Schneiden, Flammhärten, -richten und -spritzen eingesetzt. In der Wärmebehandlung wird beim Niederdruckaufkohlen als Kohlenstoffspender vorzugsweise Acetylen verwendet, da es im Vergleich zu Propan Werkstücke mit komplexer Geometrie bzw. in dicht gepackten Ofenchargen gleichmäßiger mit Kohlenstoff versorgt. Eigenschaften Acetylen, auch Ethin genannt, ist ein farbloses, brennbares, in reinem Zustand ätherisch, in verunreinigtem Zustand nach Knoblauch riechendes Gas. Es ist hoch entzündlich und brennt an Luft mit stark rußender Flamme. Daten der physikalischen Eigenschaften sind in Tabelle 2-16; Umrechnungszahlen in Tabelle 2-17 angegeben. 63522_Liedtke_SL3a.indd 115 63522_Liedtke_SL3a.indd 115 16.06.2021 14: 36: 07 16.06.2021 14: 36: 07 <?page no="131"?> 116 2 Verfahrensdurchführung 116 Tabelle 2-16: Physikalische Eigenschaften Chemische Formel C 2 H 2 Molare Masse 26,038 g/ Mol Schmelzpunkt bei 1,013 bar -80,8 °C Dampfdruck am Siedepunkt bei 1,013 bar 1,282 bar Siedepunkt bei 1,013 bar -84,03 °C Dichte am Siedepunkt bei 1,013 bar 420 g/ l Dichte bei 20 °C 1,1 kg/ m 3 Zündtemperatur in Luft 335 °C Zündbereich in Luft 1,5 bis 82 Vol-% Explosionsgrenze 2,8 bis 100 Vol-% Löslichkeit in Wasser bei 1,013 bar und 20 °C 1,047 l/ kg Löslichkeit in Lösungsmittel 27,9 g/ kg Tabelle 2-17: Umrechnungszahlen für Acetylen m 3 Gas (15 °C, 1 bar) l flüssig (Siedepunkt) kg flüssig 1 --- 1,1 0,909 --- 1 Acetylen zerfällt beim Erhitzen, unter UV-Strahlung oder unter Druck schlagartig in seine Bestandteile Kohlenstoff und Wasserstoff, weswegen es nicht in reiner Form gespeichert werden kann. Die Zerfallsreaktion, bei der erhebliche Wärme frei wird, kann zur Detonation eines Speicherbehälters führen. Aus diesem Grund muss Acetylen speziell gespeichert, sorgfältig gelagert und aus dem Speicherbehälter sorgfältig entnommen werden, wofür spezielle Druckgasflaschen entwickelt wurden. Herstellung: Acetylen ist kein natürlich vorkommendes Gas. Großtechnisch wird es mittels Hochtemperaturpyrolyse von leichten oder mittleren Erdölfraktionen oder aus Erdgas bei 2000 °C hergestellt. Es ist ein reaktives Gas, das eine besondere Verpackung und Einlagerung erfordert. Druckgasflaschen für Acetylen sind mit einer porösen Masse gefüllt und enthalten als Lösungsmittel Aceton oder Dimetylformamid (DMF), welches das Acetylen in großen Mengen löst und damit speicherfähig macht. Die poröse Masse verhindert bei einem Flammenrückschlag durch das Flaschenventil, wie es z. B. bei der Gasentnahme zum Schweißen auftreten kann, einen explosionsartigen Zerfall in der Stahlflasche. Die Füllmasse besteht heute vorzugsweise aus Calciumsilikat mit eingelagerten Glasfasern. Die Porosität der Masse liegt üblicherweise bei über 90 % und ist nicht mehr gesundheitsschädlich, wie die früher eingesetzten asbesthaltigen Massen. In den feinen Poren befindet sich nur eine geringe Menge Acetylen, so dass bei einem lokalen Zerfall eine kritische Kettenreaktion verhindert wird. 63522_Liedtke_SL3a.indd 116 63522_Liedtke_SL3a.indd 116 16.06.2021 14: 36: 08 16.06.2021 14: 36: 08 <?page no="132"?> 2.1 Herstellung der Behandlungsatmosphären 117 117 Eigenschaften der Lösungsmittel: Aceton Aceton hat die chemische Formel C 3 H 6 O. Es ist eine farblose Flüssigkeit, die mit Wasser vollständig mischbar ist. Der Siedepunkt liegt bei 56 °C, der Dampfdruck beträgt 246 mbar. Der MAK-Wert liegt bei 500 ml/ m 3 . Aceton ist leicht entzündlich. 3.x.4. Bild 2-1: Löslichkeit von Acetylen in Aceton (Linde) Dimethylformamid (DMF) Dimethylformamid hat die chemische Formel C 3 H 7 NO. Es ist eine farblose Flüssigkeit und mit Wasser vollständig mischbar. Der Siedepunkt liegt bei 153 °C, der Dampfdruck beträgt 3,77 mbar. Der MAK-Wert liegt bei 15 mg/ m 3 . DMF ist leicht entzündlich und giftig. Bei Temperaturen von 0 °C bis 25 °C ist das Speichervermögen der beiden Lösungsmittel Aceton und DMF nahezu gleich. Bei tieferen und höheren Temperaturen treten jedoch merkliche Unterschiede auf, welche die Entnahmestabilität stark beeinflussen. Bei längerer Entnahme sinken der festgelegte Betriebsdruck und dadurch der Gasfluss bei der DMF-Füllung deutlich stärker ab als bei Aceton. Dementsprechend kann bei gleichem Betriebsdruck bei DMF-Füllung weniger Acetylen entnommen werden. Bei hohen Entnahmemengen werden die Flaschen stark abgekühlt und vereisen von außen. 63522_Liedtke_SL3a.indd 117 63522_Liedtke_SL3a.indd 117 16.06.2021 14: 36: 08 16.06.2021 14: 36: 08 <?page no="133"?> 118 2 Verfahrensdurchführung 118 Bei der Entnahme von Acetylen wird immer Lösungsmittel mit ausgetragen. Der Austrag ist abhängig von der zeitlichen Entnahmemenge, daher sind für größere Entnahmemengen Flaschenbündel erforderlich. Bei Aceton beträgt der Austrag, abhängig vom Druck, ca. 20 g bis 40 g Aceton/ kg und bei DMF ca. 2,4 g DMF/ kg bezogen auf Acetylen. Der aktuelle Füllgrad einer Acetylenflasche kann nicht wie bei anderen Gasen am Flaschendruck abgelesen, sondern nur über das Bruttogewicht bestimmt werden. Bild 2-2: Löslichkeit von Acetylen in Dimethylformamid (Linde) Lieferqualität und Lieferart Beim Versorgen mit Gasflaschen beträgt die Stoffreinheit 2.5; das bedeutet einen Anteil von 99,5 Vol-% Acetylen. Der Rest besteht aus Verunreinigungen in Form von Sauerstoff, Stickstoff, Ammoniak, Arsen-, Phosphor- und Schwefelverbindungen. Der Austrag des Lösungsmittels bei der Acetylenentnahme macht sich auch in den Zyklen des Nachfüllens mit Lösungsmittel bemerkbar. Im Falle von Aceton als Lösungsmittel wird nach ca. 6 und bei DMF nach 100 Befüllungen nachkonditioniert. Je nach Ausführung der Entnahmestation wird ein Teil des Lösungsmittels in Filtern, Druckminderern oder Zerfallssperren zurückgehalten und gelangt nicht zum Verbraucher. Beim Niederdruckaufkohlen können die Lösungsmittel zu verstärkter Rußbildung führen. 63522_Liedtke_SL3a.indd 118 63522_Liedtke_SL3a.indd 118 16.06.2021 14: 36: 08 16.06.2021 14: 36: 08 <?page no="134"?> 2.1 Herstellung der Behandlungsatmosphären 119 119 Entnahmestation: Zusätzlich zu den allgemeinen Hinweisen für die Entnahmestation ist zu beachten: • Die Anlage wird nach dem benötigten Versorgungsdruck ausgelegt. Bei großer Verbrauchsmenge ist die gleichzeitige Entnahme aus mehreren miteinander verbundener Flaschen notwendig. • Entscheidend für die Auslegung der Station ist immer die größte Entnahme an Acetylen. Dies bedeutet, dass die Anlage immer auf Verbrauchsspitzen (auch nur kurzfristig) und nicht auf den gemittelten Bedarf dimensioniert werden muss, damit eine konstante und sichere Entnahmemenge zu jedem Zeitpunkt gewährleistet ist. Es werden drei Entnahmezustände unterschieden: Entnahme : weniger als 20 min/ h Normale Entnahme: 8 h/ Tag Dauerentnahme: mehr als 8 h/ Tag • Für den Umgang mit Acetylen sind die Technischen Regeln für Acetylenanlagen und Calciumcarbidlager (TRAC) sowie die einschlägigen Sicherheits- Datenblätter der Gaslieferanten einzuhalten. • Der zulässige Werkstoff für die zu erstellenden Rohrleitungen und Armaturen ist Stahl und auf keinen Fall Kupfer, siehe TRAC 204 und Tabelle 2-2. • Der zulässige Überdruck im System ist wegen des gespeicherten Gefahrenpotentials abhängig von der verwendeten Rohrleitungsdimension und darf nach TRAC 204 in keinem Fall größer als 1,5 bar sein. • Aus Sicherheitsgründen sind unabhängig vom Einsatzfall ausreichend viele Flammenrückschlagsicherungen und Zerfallssperren vorzusehen (TRAC 207). Die nachstehende Tabelle 2-18 gibt praktische Hinweise auf sichere Versorgungssituationen in Abhängigkeit vom durchschnittlichen Verbrauch und möglichen Versorgungsspitzen. Tabelle 2-18: Richtwerte für die Speicherbehältergröße in Abhängigkeit von der Entnahmemenge für in Aceton gelöstes Acetylen / Loh04/ Lieferform Typ Inhalt kg Entnahme in l/ h Flasche kurzfristig < 20 min/ h normal 8 h/ Tag dauernd >8 h/ Tag Einzelflasche 40/ 48/ 50 6,3, 8, 10 1.000 500 350 Flaschenbündel (8 Flaschen) 46 43,2 6.000 3.000 2.000 Flaschenbündel (16 Flaschen) 61 144 16.000 8.000 5.500 Trailer (128 Fl.) 8 Bündel 1.152 128.000 64.000 44.000 Trailer (256 Fl.) 16 Bündel 2.304 256.000 128.000 88.000 63522_Liedtke_SL3a.indd 119 63522_Liedtke_SL3a.indd 119 16.06.2021 14: 36: 08 16.06.2021 14: 36: 08 <?page no="135"?> 120 2 Verfahrensdurchführung 120 2.1.10 Wasserstoff Beim Wärmebehandeln von Eisenwerkstoffen ist Wasserstoff in Verbindung mit anderen Gasen wie N 2 , CO 2 , CO und H 2 O Bestandteil von Aufkohlungsatmosphären. Wegen seiner reduzierenden Eigenschaft wird es häufig solchen Gasen beigemischt, die keinerlei oxidierende Wirkung auf metallische Werkstückoberflächen haben dürfen (Stickstoff-Wasserstoff-Gemische). Eigenschaften: Wasserstoff ist ein farb- und geruchloses Gas. Es ist sehr leicht, nämlich etwa 14-mal leichter als Luft. Wegen seiner geringen Dichte diffundiert es leicht durch poröse Trennwände, aber auch durch Metalle wie Platin. Bestimmte Gemische mit Luft oder Sauerstoff reagieren nach einer Zündung explosiv mit lautem Knall (Knallgasgemisch). In Wasser löst sich Wasserstoff einerseits sehr schlecht auf, andererseits existieren einige Metalle, wie Palladium, welche Wasserstoff bis zum 12000-fachen ihres Volumens aufnehmen können. Tabelle 2-19: Physikalische Eigenschaften Chemische Formel H 2 Molare Masse 2,016 g/ mol Schmelzpunkt -259,14 °C Dampfdruck am Schmelzpunkt bei 1,013 bar 0,072 bar Siedepunkt bei 1,013 bar -252,77 °C Dichte am Siedepunkt bei 1,013 bar 70,8 g/ l Dichte bei 20°C --- Dichte bei 1 bar und 15 °C 0,0841 kg/ m 3 Löslichkeit in Wasser bei 1,013 bar und 20°C 0,0178 l/ kg Zündtemperatur in Luft 585 °C Zündbereich in Luft 4,0 bis 75,6 Vol % MAK-Wert Nicht festgelegt Spezifische Wärme bei 1,013 bar und 15 °C 14,27 kJ/ kg∙K Wärmeleitfähigkeit bei 1 bar und 15 °C 1769 µW/ cm∙K Tabelle 2-20: Umrechnungszahlen für Wasserstoff m 3 Gas (15 °C, 1 bar) l flüssig (Siedepunkt) kg flüssig 1 1,188 0,0841 0,8418 1 0,0708 11,89 14,124 1 Herstellung: Industriell wird es durch katalytische Dampfspaltung von Methan aus Erdgas hergestellt. Dabei wird das Methan an einem Nickel-Katalysator bei ca. 900 °C mit Wasserdampf umgesetzt. Neben Wasserstoff entsteht bei diesem Verfahren auch Kohlenstoffmonooxid. 63522_Liedtke_SL3a.indd 120 63522_Liedtke_SL3a.indd 120 16.06.2021 14: 36: 09 16.06.2021 14: 36: 09 <?page no="136"?> 2.1 Herstellung der Behandlungsatmosphären 121 121 Lieferqualität und Lieferart: Wasserstoff ist in den Reinheiten 3.0, 3.8, 5.0, 5.3, 5.6 und 6.0 beziehbar Die Verunreinigungen bestehen in der Hauptsache aus: N 2 , O 2 , H 2 O, C n H m . Wasserstoff wird in Flaschen bzw. Flaschenbündeln angeliefert. 2.1.11 Argon Argon ist ein farb- und geruchloses Gas, es gehört zu den Edelgasen und ist inert. Es ist schwerer als Luft. Beim Wärmebehandeln wird es bei höheren Temperaturen alternativ zu Stickstoff als Schutzgas eingesetzt, wenn Reaktionen mit Stickstoff vermieden werden sollen. Ferner kommt es beim Plasmawärmebehandeln als so bezeichnetes Sputtergas zum Einsatz. Tabelle 2-21: Physikalische Eigenschaften Chemische Formel Ar Molare Masse 39,948 g/ mol Schmelzpunkt -189,37 °C Dampfdruck am Schmelzpunkt bei 1,013 bar 0,687 bar Siedepunkt -185,86 °C Dichte am Siedepunkt bei 1,013 bar 1394 g/ l Dichte bei 20 °C k. A. Dampfdruck bei 20°C ---- Dichte bei 1 bar und 15°C 1,669 kg/ m 3 Löslichkeit in Wasser bei 1,013 bar und 20°C 0,034 l/ kg MAK-Wert nicht festgelegt Spezifische Wärme bei 1,013 bar und 25 °C 0,519 kJ/ kg∙K Wärmeleitfähigkeit bei 1 bar und 15 °C 161 µW/ cm∙K Tabelle 2-22: Umrechnungszahlen für Argon m 3 Gas (15 °C, 1 bar) l flüssig (Siedepunkt) kg flüssig 1 1,058 0,722 0,945 1 0,682 1,386 1,466 1 Herstellung: Argon fällt bei der Herstellung von flüssiger Luft nach dem Lindeverfahren als Nebenprodukt bei der fraktionierten Destillation an. Lieferqualität und Lieferart: Argon ist in den Reinheiten 4.8, 5.0, 5.3, 5.6 und 6.0 beziehbar Die Verunreinigungen bestehen hauptsächlich aus: N 2 , O 2 , H 2 O, C n H m . Argon wird in Flaschen bzw. Flaschenbündeln geliefert. 63522_Liedtke_SL3a.indd 121 63522_Liedtke_SL3a.indd 121 16.06.2021 14: 36: 09 16.06.2021 14: 36: 09 <?page no="137"?> 122 2 Verfahrensdurchführung 122 2.1.12 Helium Helium ist ein farbloses, geruchloses Edelgas. Es ist sehr viel leichter als Luft. In geschlossenen Räumen wird die Atemluft verdrängt, es besteht Erstickungsgefahr. Einatmen bewirkt einen Anstieg der Stimmfrequenz. Physikalische Eigenschaften siehe Tabelle 2-23. Tabelle 2-23: Physikalische Eigenschaften Chemische Formel He Molare Masse 4,0026 g/ mol Schmelzpunkt bei 1,013 bar -270,97 °C Dampfdruck am Schmelzpunkt 0,051 bar Siedepunkt bei 1,013 bar -268,93 °C Dichte am Siedepunkt bei 1,013 bar 125 g/ l Dichte bei 20 °C --- Dampfdruck bei 20 °C --- Dichte bei 1 bar und 15 °C 0,167 kg/ m 3 Löslichkeit in Wasser bei 1,013 bar und 20°C 0,0083 l/ kg MAK-Wert Nicht festgelegt Spezifische Wärme bei 1,013 bar und 25 °C 5,196 kJ/ kg·K Wärmeleitfähigkeit 1482 µW/ cm·K Dynamische Viskosität 19,68·10 -6 Ns/ m 2 Tabelle 2-24: Umrechnungszahlen für Helium m 3 Gas (1,013 bar, 0 °C) m 3 Gas (1 bar, 15 °C) kg flüssig 1 1,06866 0,1785 0,93575 1 0,17735 5,60224 5,98689 1 Herstellung: Helium wird aus natürlichen Erdgasvorkommen gewonnen. Lieferqualität und Lieferart: Helium wird gasförmig mit einer Reinheit entsprechend 4.6, 5,0, 5.3, 5.5, 6.0 und 7.0 in Flaschen oder Flaschenbündeln oder flüssig in isolierten Spezialbehältern geliefert. 2.1.13 Endogas Endogas ist ein Gemisch aus Kohlenstoffmonooxid, Wasserstoff und Stickstoff sowie geringen Anteilen an Kohlenstoffdioxid, Wasserdampf und Kohlenwasserstoffen. Es findet als Trägergas beim Aufkohlen, als Kohlenstoffspender beim Nitrocarburieren oder als Schutzgas Verwendung. Es besitzt definierte, von der Zusammensetzung abhängige Kohlenstoff- und Sauerstoffaktivitäten. Je nach Stahlzusammensetzung und Temperatur wirkt es aufkohlend, entkohlend, oxidierend, reduzierend oder neutral. 63522_Liedtke_SL3a.indd 122 63522_Liedtke_SL3a.indd 122 16.06.2021 14: 36: 10 16.06.2021 14: 36: 10 <?page no="138"?> 2.1 Herstellung der Behandlungsatmosphären 123 123 Eigenschaften: Die Eigenschaften des Endogases ergeben sich aus den Eigenschaften der obengenannten Bestandteile. Es ist brennbar und leicht entflammbar. Herstellung: Es wird durch unterstöchiometrische endotherme Verbrennung von Kohlenwasserstoffen hergestellt. Je nach Ausgangsbasis für die Herstellung hat es üblicherweise die in Tabelle 2-25 angegebene Zusammensetzung. Anstatt durch Verbrennung von Kohlenwasserstoffen kann es auch durch Spalten von Methanol mit und ohne Zumischen von Stickstoff, durch endotherme Reaktion von Methan und Kohlenstoffdioxid oder durch Direkteinleiten von Luft und Erdgas in den Wärmebehandlungsofen hergestellt werden, Einzelheiten siehe Kapitel 3.1.1. Tabelle 2-25: Übliche Zusammensetzung von Endoträgergas Ausgangsbasis CO Vol-% H 2 Vol-% N 2 Vol-% Sonstige Vol-% Erdgas oder Methan ~ 20 ~ 40 ~ 40 H 2 O: ~ 1 CO 2 : : ~ 0,3 bis 0,5 Propan ~ 23 ~ 31 ~ 45 Methanol mit Zugabe von 40 Teilen Stickstoff 20 40 40 2.1.14 Exogas Exogas ist ein Gemisch aus Kohlenstoffdioxid und Stickstoff sowie Anteilen an Kohlenstoffmonooxid, Wasserstoff und Kohlenwasserstoffen. Es wird zum Glühen als Schutzgas oder beim Nitrocarburieren als Kohlenstoffspender verwendet. Es besitzt definierte, von der Zusammensetzung abhängige Kohlenstoff- und Sauerstoffaktivitäten. Je nach Stahlzusammensetzung und Temperatur wirkt es entkohlend, oxidierend oder reduzierend. Eigenschaften: Die Eigenschaften des Exogases ergeben sich aus den Eigenschaften der obengenannten Bestandteile. Typische Analysewerte von Exogas sind Tabelle 2-26 zu entnehmen. Tabelle 2-26: Typische Analysewerte von Exogas / Beg95/ Bestandteile in Vol-% „fette“ Fahrweise „magere“ Fahrweise Kohlenstoffdioxid CO 2 6,8 10 Kohlenstoffmonooxid CO 7,5 2,4 Wasserstoff H 2 9,5 2,5 Sauerstoff O 2 <0,001 <0,001 Wasserdampf H 2 O Je nach Nachbehandlung 63522_Liedtke_SL3a.indd 123 63522_Liedtke_SL3a.indd 123 16.06.2021 14: 36: 10 16.06.2021 14: 36: 10 <?page no="139"?> 124 2 Verfahrensdurchführung 124 Herstellung: Es wird durch stöchiometrische Verbrennung von Kohlenwasserstoffen in einem Gasgenerator hergestellt und getrocknet. 2.1.15 Methanol Methanol oder Methylalkohol ist eine klare, farblose, entzündliche und leicht flüchtige Flüssigkeit mit alkoholischem Geruch. Es mischt sich mit vielen organischen Lösungsmitteln und in jedem Verhältnis mit Wasser. Eigenschaften: Methanol ist hochentzündlich und stark giftig. Bereits der Genuss kleiner Mengen führt zum Erblinden, in höheren Dosen auch zum Tod! Methanol verbrennt mit schwach blauer, fast unsichtbarer Flamme zu Kohlenstoffdioxid und Wasser. Der Flammpunkt liegt bei 9 °C. Methanoldämpfe bilden mit Luft im Bereich von 6 % bis 50 % explosionsfähige Gemische. Verschiedene Kunststoffe, Lacke und Kautschuk werden von Methanol angegriffen. Methanol besitzt keine elektrische Leitfähigkeit. Methanol wird oberhalb von 65 °C dampfförmig und spaltet sich bei Temperaturen ab etwa 750 °C in 33,3 Vol-% Kohlenstoffmonooxid und 66,7 Vol-% Wasserstoff auf: CH 3 OH ↔ CO + 2·H 2 (2-1) Dabei entstehen aus 1 Liter (= 0,79 kg) Methanol rd. 1,66 m 3 Spaltgas, bezogen auf Raumtemperatur und Normaldruck. Tabelle 2-27 Physikalische Eigenschaften Chemische Formel CH 3 OH (Summenformel: CH 4 O) Molare Masse 32,04 g/ mol Schmelzpunkt -98 °C Siedepunkt 65 °C Dampfdruck bei 20 °C 129 hPa Dichte bei 20 °C und 1,013 bar 0,79 g/ cm 3 Brechungsindex bei 20 °C 1,326 Dynamische Viskosität bei 25 °C 0,544·10 −3 Pa·s Wärmekapazität bei 25 °C 81,08 J·mol −1 ·K −1 Selbstentzündungstemperatur 470 °C Kritische Temperatur 513,1 K, bei 78,5 bar Kritischer Druck 8,084 MPa Tripelpunkt 175,5 K Viskosität 0 °C 10 °C 20 °C 40 °C 60 °C 0,808 mPa·s 0,690 mPa·s 0,593 mPa·s 0,449 mPa·s 0,349 mPa·s Standardverdampfungsenthalpie +37,4 kJ/ mol Verbrennungsenthalpie -715,0 kJ/ mol 63522_Liedtke_SL3a.indd 124 63522_Liedtke_SL3a.indd 124 16.06.2021 14: 36: 10 16.06.2021 14: 36: 10 <?page no="140"?> 2.1 Herstellung der Behandlungsatmosphären 125 125 Tabelle 2-26: Umrechnungszahlen für Methanol m 3 Gas (1,013 bar, 0 °C) m 3 Gas (1 bar, 15 °C) kg flüssig 1 1,06866 0,79 0,93575 1 0,7392 1,2658 1,3527 1 Bild 2-3: Dampfdruckkurve von Methanol (aus Wikipedia) Bild 2-4: Richardson-Diagramm für Methanol (n. Barin/ Knacke) 63522_Liedtke_SL3a.indd 125 63522_Liedtke_SL3a.indd 125 16.06.2021 14: 36: 11 16.06.2021 14: 36: 11 <?page no="141"?> 126 2 Verfahrensdurchführung 126 Um eine zweckentsprechende Ofenatmosphäre herzustellen, kann flüssiges Methanol, allein oder gemischt mit Stickstoff, direkt in den heißen Ofen eingetropft werden, wo es bei Temperaturen über 750 °C verdampft und sich aufspaltet. Oder es wird in einem auf 900 °C bis 1000 °C beheizten Gasgenerator gespalten und dem Ofen als Spaltgas, mit oder ohne Stickstoffbeimischung, zugeführt. Aus dem in Bild 2-4 dargestellten Richardson-Diagramm sind die möglichen Spaltvorgänge für Methanol zu entnehmen. Das Zumischen von 40 Volumenanteilen Stickstoff ergibt z. B. eine Trägergasatmosphäre entsprechend der Zusammensetzung eines aus Erdgas-Luft erzeugten Endoträgergases mit 20 Vol-% CO, 40 Vol-% Wasserstoff und 40 Vol-% Stickstoff. Herstellung: Methanol entsteht bei der trockenen Destillation von Holz, daher wird es auch Holzgeist genannt. Technisch wird es hauptsächlich katalytisch aus Kohlenstoffmonooxid und Wasserstoff hergestellt. Es dient in der chemischen Industrie als Rohstoff für die Produktion verschiedener Grundchemikalien. 2.2 Atmosphären zum Wärmebehandeln Atmosphären für thermochemische Prozesse werden durch Einleiten einzelner Gase und/ oder extern hergestellter Gasgemische in den Ofen erzeugt. Nachfolgend wird die Vorgehensweise für die verschiedenen Wärmebehandlungsverfahren beschrieben. 2.2.1 Atmosphären zum Aufkohlen und Carbonitrieren Aufkohlungsatmosphären sind Reaktionsgasatmosphären und bestehen in der Regel aus einem Trägergasanteil, z. B. Endogas oder Methanol/ Stickstoff und einer Zusatzgaskomponente (“Fettungsgas”) zum Einstellen des C-Pegels, wofür meist Propan oder Erdgas benutzt wird. Die maßgebliche Atmosphären-Regelgröße beim Aufkohlen und Carbonitrieren ist der C-Pegel. Beim Carbonitrieren kommt hierzu noch ein Kennwert für die Aufstickungswirkung. Letzterer wird derzeit üblicherweise über eine fest eingestellte Ammoniakgasmenge gesteuert. Zum Messen des C-Pegels kommt vorzugsweise die Sauerstoffsonde in Betracht. Diese bietet den Vorteil, dass der Messort in unmittelbarer Nähe der aufzukohlenden Charge angeordnet werden kann und kein Messgas aus dem Ofen abgezogen werden muss. Alternativ hierzu und als Vergleichsmessung wird häufig die Infrarotanalyse zum Messen des CO 2 -Gehalts verwendet. Bei Nichtgleichgewichtsatmosphären und beim Carbonitrieren muss zum Bestimmen des C-Pegels zusätzlich der CO-Gehalt, vorzugsweise mit der Infrarotanalyse, gemessen werden. Das Regeln des C-Pegels erfolgt über die Zusatzgasmenge. Um den C-Pegel zu erhöhen, wird z. B. beim Trägergasverfahren die Zusatzgasmenge Propan oder Erdgas 63522_Liedtke_SL3a.indd 126 63522_Liedtke_SL3a.indd 126 16.06.2021 14: 36: 11 16.06.2021 14: 36: 11 <?page no="142"?> 2.2 Atmosphären zum Wärmebehandeln 127 127 erhöht; um ihn abzusenken, verringert oder, um den Vorgang zu beschleunigen, Luft zugegeben. Tabelle 2-27: Übersicht über die industriell gebräuchlichen Verfahren zum Gasaufkohlen Verfahrenstyp Erzeugung der Atmosphäre Benutzte Ausgangsstoffe Handels- Bezeichnung Zusammensetzung der Atmosphäre C-Pegelregelung Trägergas- Verfahren: Atmosphäre aus Trägergas und Zusatzgas (C-Spender) Trägergas wird außerhalb des Ofens in einem Gasgenerator (Endo-Gasgenerator) [7-9] oder einer in den Ofen eingebauten Spaltretorte (Endoretorte) erzeugt [10] Propan und Luft Propan ≈ 23,7 Vol-% CO ≈ 31,5 Vol-% H 2 ≈ 45,8 Vol-% N 2 Spuren CO 2 , H 2 O und CH 4 ≈ 20 Vol-% CO ≈ 40 Vol-% H 2 ≈ 45,8 Vol-%N 2 Spuren CO 2 , H 2 O und CH 4 ja Methan oder Erdgas und Luft Methan oder Erdgas oder Propan Trägergas entsteht aus Methanol (flüssig oder gasförmig in den Ofen eingebracht Methanol und Stickstoff, 60: 40 Methanol und Stickstoff Alnat [11], Carbothan [12], Endomix [13], Ucar HTS [14], Variocarb [15] Je nach Mischung 10 bis 27 Vol-% CO, 20 bis 54 Vol- % H 2 , 70 bis 19 Vol-% N 2 Spuren CO 2 , H 2 O und CH 4 Aceton oder Isopropanol oder Ethin und evtl. Stickstoff Carbomag II [16-18] Je nach Zusatz 20 bis 33 Vol-% CO, 40 bis 66 Vol-% H Spuren CO 2 , H 2 O und CH 4 Rest N 2 Trägergas entsteht durch Verdampfen und Spalten des in den Ofen eingeleiteten Methanols Methanol Aceton oder Isopropanol oder Ethanol oder Ethylacetat Carbomag I [19] Je nach Zusatz 27 bis 35 Vol-% CO, 66 bis 58 Vol-% H 2 Spuren CO 2 , H 2 O und CH 4 Direktbegasungsverfahren Gase werden dem Ofen direkt zugeführt Luft und Methan oder Erdgas oder Propan Supercarb [20] bis [22] 12 bis 18 Vol-% CO, 4 bis 25 Vol- % CH 4 , 15 bis 40 Vol-% H 2 , 30 bis 40 Vol-% N 2 Spuren CO 2 , H 2 O Stickstoff und Propan oder andere Kohlenwasserstoffe Ecocarb [23] ≤20 Vol-% CH 4 , Stickstoff, Wasserstoff Isopropanol [24] oder andere Sauerstoffderivate und Luft [25], [26] 20 bis 35 Vol-% CO, 40 bis 70 Vol- % H 2 , 1 bis 20 Vol-% CH4, Rest N 2 , Spuren CO 2 , H 2 O Niederdruckaufkohlen [27] bis [29] Ethin, Ethen, Methan, Erdgas oder Propan H 2 und C x H y nicht möglich Plasmaaufkohlen [30] bis [33] Methan oder Erdgas oder Propan und Argon und H 2 H 2 ,CH 4 und Argon 63522_Liedtke_SL3a.indd 127 63522_Liedtke_SL3a.indd 127 16.06.2021 14: 36: 12 16.06.2021 14: 36: 12 <?page no="143"?> 128 2 Verfahrensdurchführung 128 Nach den Untersuchungen des AWT-Fachausschusses 4, vgl. „Die Prozeßregelung beim Einsatzhärten“ / AWT97/ hat sich gezeigt, dass bei Temperaturschwankungen von ± 10 °C bei der C-Pegel-Regelung über den CO 2 -Gehalt die Abweichungen des C-Pegels am größten, bei der über den Taupunkt geringer und bei einer über die Sauerstoffsonde am geringsten sind. Dies führt beispielsweise bei einer Aufkohlungstemperatur von 950 °C und einem Ausgangs-C-Pegelwert von 1,20 Masse-% bei einer allmählichen Veränderung der Ofenatmosphäre von 33 % CO/ 66 % H 2 auf 20 % CO/ 40 % H 2 / 40 % N 2 zu folgenden resultierenden C-Pegelwerten: bei CO 2 -Regelung: 0,53 Masse-% bei Taupunktregelung: 0,61 Masse-% bei O 2 -Regelung: 0,84 Masse-%. Daraus lässt sich ablesen, dass bei Schwankungen der Gaszusammensetzung mit der Sauerstoff-Sondenregelung die geringste C-Pegelabweichung zu erwarten ist. Nähere Angaben über Schwankungen verschiedener Prozessparameter siehe / Her94/ , / AWT97/ . Eine Ammoniakzugabe beim Aufkohlen zum Carbonitrieren beeinflusst die Atmosphärenzusammensetzung. Dabei ändert sich der CO-Gehalt und es ergibt sich daraus ein anderer Wert des C-Pegels. Bei Messsystemen, die von einem konstanten CO-Gehalt ausgehen, ergibt der üblicherweise über die Sauerstoffsonde ermittelte C- Pegel zu niedrige Werte. Dies muss daher korrigiert werden. Die Korrekturwerte sind in Abhängigkeit vom Ammoniakgehalt des Frischgases zu ermitteln. Dies kann über Messen des CO-Gehalts oder Folienmessungen erfolgen. Im erstgenannten Fall kann die Korrektur in die Regelung integriert werden. Zum Messen der Aufstickungswirkung kommt vorzugsweise ein Infrarotanalysator zum Messen des Ammoniakgehalts in Betracht. Zusätzlich muss der Wasserstoffgehalt bekannt sein. Dieser kann aus der Verdünnung über den Ammoniakzerfall bestimmt werden. Zum Regeln wird dementsprechend die Ammoniakgasmenge variiert. Industriell übliche Arten zum Herstellen von Aufkohlungsatmosphären sind in Tabelle 2-27 gegenübergestellt und nach der Art ihrer Herstellung eingeteilt / Wys97/ . Die Aufkohlungsreaktionen dieser Verfahren laufen über die Gasphase ab und die Wechselwirkungen mit dem Eisenwerkstoff unterliegen grundsätzlich denselben Gesetzmäßigkeiten. Beim Plasmaaufkohlen und beim Plasmacarbonitrieren wird die Atmosphäre durch eine Glimmentladung ionisiert, s. 1.1.1.3. 2.2.2 Atmosphären zum Nitrieren und Nitrocarburieren Die maßgebliche Atmosphären-Regelgröße beim Nitrieren und Nitrocarburieren ist die Nitrierkennzahl K N . Beim Nitrocarburieren kommt hierzu noch eine Kohlungskennzahl K C . Zusätzlich kann es zweckmäßig sein, eine Oxidationskennzahl K O zu regeln. Zum Messen der Nitrierkennzahl kommen vorzugsweise Wasserstoff- oder Ammoniak-Analysatoren zum Einsatz. Soll zusätzlich die Kohlungs- oder Oxidationskennzahl 63522_Liedtke_SL3a.indd 128 63522_Liedtke_SL3a.indd 128 16.06.2021 14: 36: 12 16.06.2021 14: 36: 12 <?page no="144"?> 2.2 Atmosphären zum Wärmebehandeln 129 129 gemessen werden, muss zusätzlich eine Sauerstoffsonde eingesetzt werden. Die Kohlungskennzahl kann auch durch Messen des Kohlenstoffmonooxid- und des Kohlenstoffdioxidgehaltes bestimmt werden. Das Regeln der Nitrierkennzahl wird über die Variation der Ammoniakgasmenge und, wenn auch niedrige Nitrierkennzahlen geregelt werden sollen, durch Zugabe von Ammoniakspaltgas vorgenommen. Das Regeln der Kohlungskennzahl erfolgt durch Zugabe von • Endogas • Methanol-Spaltgas • Kohlenstoffmonooxid sowie eine Zugabe von Kohlenstoffdioxid. Dabei wird durch Kohlenstoffdioxid die Kohlungskennzahl erniedrigt und durch eines der drei oben genannten Gase erhöht. Die Oxidationskennzahl wird durch Zugabe von Wasser oder Luft, im letztgenannten Fall unter Beachtung der einschlägigen Sicherheitsvorschriften, geregelt. In der Praxis wird heute meist die Frischgaszusammensetzung vorgegeben und die Nitrierkennzahl geregelt. Bild 2-5: Zusammenhang zwischen Nitrierkennzahl und Kohlungskennzahl für verschiedene Begasungsarten Aus Bild 2-5 ist zu entnehmen, dass mit Erhöhung der Nitrierkennzahl die Kohlungskennzahl abnimmt. Das bedeutet, dass bei Vorgabe beider Kennzahlen das Verhältnis der zugeführten Gase entsprechend abgestimmt werden muss, womit zwei Regelkreise notwendig sind. 63522_Liedtke_SL3a.indd 129 63522_Liedtke_SL3a.indd 129 16.06.2021 14: 36: 12 16.06.2021 14: 36: 12 <?page no="145"?> 130 2 Verfahrensdurchführung 130 In vielen Fällen werden Nitrier- und Nitrocarburierprozesse ungeregelt betrieben; d. h. die Anlagen werden mit fest eingestellten Gasdurchflüssen gefahren. Tabelle 2-28 gibt einen Überblick über gebräuchliche ungeregelte Nitrocarburierverfahren, siehe auch / Zid87/ . Tabelle 2-28: Nitrocarburierverfahren Verfahrensbezeichnung Prozessgase Masse-% N in der VS Masse-% C in der VS Nitemper ® Ipsen USA 50 % NH 3 , 50 % Exogas 8 bis 10 1,7 bis 3,5 Nitrotec ® Mamesta NH 3 + Exogas + Luft keine Angabe keine Angabe Nitroc ® Aichelin NH 3 mit 50% Exogas bzw. mit ca. 10 % CO 2 ca. 9 ca. 1 Deganit ® Degussa 50 % NH 3 , 50 % Exogas + 50 % NH 3 , 50 % Endogas keine Angabe 1 bis 1,7 Nitroflex ® AGA NH 3 + CO/ CO 2 8,5 bis 10,5 keine Angabe Industriell üblich NH 3 mit 3 bis 10 % CO 2 bis 10,5 0,5 bis 1,2 2.2.3 Atmosphärenwechsel Durch das Einleiten eines Frisch- oder Spülgases ändert sich in einer geschlossenen Ofenkammer die Atmosphärenzusammensetzung, im Idealfall nach einer Exponentialfunktion. Das frisch zugeführte Gas vermischt sich mit der bestehenden Ofenatmosphäre. Bei intensivem Umwälzen und optimaler Gasführung erfolgt dies ohne nennenswerte Verzögerung. Nach Zugabe des dreifachen Frischgasvolumens, bezogen auf das Ofenvolumen, sind ca. 95 % der Ofenatmosphäre ausgetauscht. Weitere 95 % des restlichen Anteils werden nach dreifacher Begasung ausgetauscht und so weiter. Nach diesem Prinzip sind selbst nach dem Ende einer thermochemischen Behandlung immer noch wenige ppm der ursprünglichen Ofenatmosphäre vorhanden, vgl. Bild 2-6. In der Praxis folgt der Gasaustausch nicht diesem idealen Durchmischungsgesetz. Der Grund dafür liegt in der Gaseinspeisung, die meist nur an einer Stelle des Ofens erfolgt und der realisierbaren Gasumwälzung, so dass deutlich höhere Begasungsraten mit Frischbzw. Spülgas und/ oder eine längere Spüldauer erforderlich sind. Aus Sicherheitsgründen sollte der Gasaustausch mindestens dem Fünffachen des Ofenvolumens entsprechen. Beim Bestimmen der Begasungsrate wird oft das dem Ofen unter Normalbedingungen - Luftdruck 1013 mbar und 20 °C - zugeführte Gas in Relation zum Bruttovolumen der Behandlungskammer betrachtet. Bei einem Bruttovolumen von 1 m³ stellt somit das Begasen mit 1 m³/ h eine Begasungsrate von 1/ h dar. Die Gasaustauschrate kann jedoch höher ausfallen, wenn die Ofentemperatur höher ist. Das Frischgas wird dann beim Vermengen mit der Ofenatmosphäre in vernachlässigbar kurzer Zeit ebenfalls auf die Ofentemperatur erwärmt und dehnt sich damit auf ein mehrfaches Volumen im Vergleich zur Raumtemperatur aus. Zur Bestimmung von Gasaustauschraten sind also die Bedingungen im Ofenraum zu berücksichtigen. 63522_Liedtke_SL3a.indd 130 63522_Liedtke_SL3a.indd 130 16.06.2021 14: 36: 12 16.06.2021 14: 36: 12 <?page no="146"?> 2.3 Messen, Steuern und Regeln 131 131 Für viele individuell gestaltete thermochemische Prozesse ist eine hohe Gasaustauschrate wünschenswert. Das entspricht jedoch nur selten den installierten Begasungsmöglichkeiten. Oft wird die Begasungsrate wesentlicher Prozessgase über die gesamte Prozessdauer hinweg konstant gehalten. In solchen Fällen muss der Gasaustausch schon sehr viel früher begonnen werden, da er sich gegenüber dem Zeitpunkt des angestrebten vollständigen Austausches verzögert. Es gibt darüber hinaus zahlreiche Anwendungen, bei denen der Gasaustausch erst nach einem bestimmten Ereignis beginnen soll. In solchen Fällen kann sich die Prozessdauer wegen des unvermeidbaren Übergangszustands verlängern. Bild 2-6: Verlauf des Atmosphärenwechsels beim Ofenspülen Bild 2-6 zeigt die Restmenge des Ausgangsgases in Abhängigkeit von der Anzahl des Austausches des Ofenvolumens mit Spülgas bei unterschiedlichen Ofentemperaturen. Auf der Abszisse ist die Anzahl der ausgetauschten Ofenvolumina und damit die insgesamt durchgeflossene Spülgasmenge in Ofenvolumen abzulesen. 2.3 Messen, Steuern und Regeln Das Steuern und das Regeln von Wärmebehandlungsprozessen erfordern die messtechnische Erfassung der prozessrelevanten Verfahrensgrößen oder Prozessparameter. Dies sind die Temperatur, die Behandlungsdauer, die Atmosphärenkenngrößen, die Gasdurchflussmengen und der Druck im Ofenraum. Nach DIN 19226 ist Steuern „ein Vorgang in einem System, bei dem eine oder mehrere Größen als Eingangsgrößen, andere Größen als Ausgangsgrößen aufgrund der dem System eigentümlichen Gesetzmäßigkeiten beeinflussen." Steuern bedeutet in diesem Zusammenhang, Prozesse nach fest vorgegebenen Einstellparametern ohne Rückkopplung auf die Eingangsgrößen ablaufen zu lassen. Dabei findet bei einem gesteuerten Prozess kein Soll-Istwert-Vergleich statt, so dass der jeweilige Istwert 63522_Liedtke_SL3a.indd 131 63522_Liedtke_SL3a.indd 131 16.06.2021 14: 36: 13 16.06.2021 14: 36: 13 <?page no="147"?> 132 2 Verfahrensdurchführung 132 nicht automatisch dem Sollwert angeglichen werden kann. Dies wird als offener Regelkreis bezeichnet, vgl. Bild 2-7. Bild 2-7: Beispiel für die Steuerung eines Abschreckbades Regeln ist nach DIN 19226 „der Vorgang, bei dem eine Größe, die zu regelnde Größe, fortlaufend erfasst, mit einer anderen Größe, der Führungsgröße, verglichen, und abhängig vom Ergebnis dieses Vergleichs im Sinne einer Angleichung an die Führungsgröße beeinflusst wird. Der sich dabei ergebende Wirkungsablauf findet in einem geschlossenen Kreis, dem Regelkreis, statt. Dies bedeutet, dass beim geregelten Prozess - geschlossener Regelkreis - der Istmit dem Sollwert kontinuierlich verglichen und die Abweichung zu Null ausgeregelt wird. Damit kann auf Störgrößen reagiert werden, siehe Bild 2-8. Aus Gründen der Qualitätssicherung sollten deshalb, wenn wirtschaftlich vertretbar, Prozesse geregelt werden. Bild 2-8: Beispiel für die Regelung des C-Pegels beim Aufkohlen Bild 2-9: Beispiel für die Regelung des Kohlenstoffprofils mit Beobachter 63522_Liedtke_SL3a.indd 132 63522_Liedtke_SL3a.indd 132 16.06.2021 14: 36: 13 16.06.2021 14: 36: 13 <?page no="148"?> 2.3 Messen, Steuern und Regeln 133 133 Eine weitere Variante für einen geschlossenen Regelkreis ist ein Regeln mit Beobachter. Dies wird dann eingesetzt, wenn die zu regelnde Größe nicht direkt messbar ist, vgl. Bild 2-9. Beobachter in diesem Sinne ist die Berechnung der maßgebenden Kenngröße über ein mathematisches Modell, dem entsprechende Messwerte aus dem Prozess zugeführt werden. Bei der Inbetriebnahme einer Regeleinrichtung müssen die Regler an die Regelstrekke angepasst werden. In der Fachliteratur werden hierfür geeignete Methoden angegeben / Fie71/ , / Weis94/ . Für die Regelparameter werden dabei die am häufigsten vorkommenden Wärmebehandlungsprogramme berücksichtigt. Bei satzweise arbeitenden Öfen steht dabei das Anfahrverhalten, bei kontinuierlich arbeitenden Anlagen beispielsweise das Verhalten bei Belastungsänderungen - z. B. unterschiedliche Beladungen bei Durchlauföfen - im Vordergrund. Die Qualität und Aussagefähigkeit von Messdaten, die zur Prozessüberwachung und Regelung benötigt werden, wird signifikant von den Randbedingungen beeinflusst, unter denen die Daten gewonnen werden können. Zum Einstellen optimaler Bedingungen ist es nötig, bereits im Planungsstadium einer Anlage zu überlegen, welche Daten später benötigt werden und möglichst unverfälscht gewonnen werden können. So benötigt jede Ofenanlage eine hinreichende Anzahl von Durchführungen zu Messzwecken. Dementsprechend sollte das Anlagenkonzept Durchführungen vorsehen für: • Regel-, Überwachungs-, Sicherheitsthermoelemente • Fühler zur Übertemperatursicherung • Messgas-Entnahme • Sauerstoffsonden • Ziehen von Folien • Erfassen des Ofendrucks • Anschließen von Sondergeräten und in Sonderfällen eine Messgasrückführung. 2.3.1 Prozess-Zielgrößen Die im Folgenden beschriebenen Zielgrößen entziehen sich während des Prozessverlaufs einer direkten Messung. Um die Zielgrößen zu erreichen, wird der Prozessverlauf (Temperatur, C-Pegel, Nitrierkennzahl usw.) unter Zuhilfenahme eines Modells (Beobachter) geregelt, welches auf den Zusammenhang zwischen den Prozessparametern in ihrer zeitlichen Abhängigkeit und den Ergebnissen der Wärmebehandlung zurückgreift. Mit Hilfe von Rechenprogrammen ist es möglich, einen Prozessablauf zu simulieren und das Ergebnis vorherzubestimmen. Damit lassen sich geplante Prozessparameter und Prozesse optimieren. In Bild 2-10 ist beispielsweise das zu erwartende Ergebnis einer geregelten Einsatzhärtung für das Einsatzhärten einer Charge von Werkstücken aus dem Stahl 16MnCr5, die 7,5 Stunden bei 920 °C mit einem C- Pegel von 1,2 aufgekohlt und nachfolgend bei 860 °C mit einem C-Pegel von 0,65 1,5 Stunden lang diffusionsbehandelt wurde, wiedergegeben. 63522_Liedtke_SL3a.indd 133 63522_Liedtke_SL3a.indd 133 16.06.2021 14: 36: 13 16.06.2021 14: 36: 13 <?page no="149"?> 134 2 Verfahrensdurchführung 134 Bild 2-10: Beispiel für die Visualisierung des Behandlungsablaufs beim Einsatzhärten (Process-Electronic) 2.3.1.1 Aufkohlen, Carbonitrieren, Einsatzhärten Die maßgeblichen Zielgrößen beim Aufkohlen sind • die Aufkohlungstiefe • das Kohlenstoff-Konzentrationsprofil • der Randkohlenstoffgehalt Beim Carbonitrieren kommt dazu noch der Randstickstoffgehalt. Beim Einsatzhärten sind die primären Zielgrößen die Einsatzhärtungstiefe CHD (früher: Eht) und die Oberflächenhärte. Weitere Zielgrößen können - einzeln oder in Kombination - sein: • das Härteprofil • die Randhärte • der Randkohlenstoffgehalt C R • die Kernhärte • der Zustand des Randgefüges, gegebenenfalls gekennzeichnet durch den Restaustenitgehalt, die Ausbildung des Martensits, Anteile an Ferrit, Perlit und Bainit, ausgeschiedene Carbide • Tiefe und Ausbildung der inneren Oxidation (Randoxidation) Anhand der im Kapitel 1 dargestellten theoretischen Grundlagen kann mit Hilfe entsprechender Programme der Wärmebehandlungsprozess zum Erreichen dieser Zielgrößen geregelt werden. 63522_Liedtke_SL3a.indd 134 63522_Liedtke_SL3a.indd 134 16.06.2021 14: 36: 13 16.06.2021 14: 36: 13 <?page no="150"?> 2.3 Messen, Steuern und Regeln 135 135 2.3.1.2 Nitrieren und Nitrocarburieren Die primären Zielgrößen beim Nitrieren sind • die Nitrierhärtetiefe Nht • die Verbindungsschichtdicke und ihre Zusammensetzung • die Oberflächenhärte • gelegentlich auch die Kernhärte Beim Nitrocarburieren steht im Vordergrund die Verbindungsschicht hinsichtlich • ihrer Dicke • ihrer Zusammensetzung • ihrer Porosität Hierzu kommt gegebenenfalls noch die Nitrierhärtetiefe Nht (geplant künftig: NHD). 2.3.2 Prozessparameter 2.3.2.1 Temperatur 2.3.2.1.1 Temperaturmessung Die Temperatur kann auf unterschiedliche Weise gemessen werden, z. B. mit Widerstandsthermometern, Thermoelementen oder Strahlungspyrometern. Bei den hier beschriebenen thermochemischen Wärmebehandlungsprozessen kommen jedoch in erster Linie Thermoelemente zum Einsatz. Physikalische Grundlagen Thermoelemente enthalten Thermopaare, das sind zwei an einem Ende verschweißte elektrische Leiter aus unterschiedlichen Materialien, welche unter Temperatureinwirkung messbare Gleichspannungen (Kontaktspannung) erzeugen (Seebeck- Effekt). Die Höhe der Gleichspannung hängt von den verwendeten Materialien und der Temperaturdifferenz zwischen der Verbindungsstelle (Kontaktstelle, Schweißstelle, Messstelle) und der Vergleichsstelle (Vergleichstemperatur) ab. Thermoelementarten Die Verwendbarkeit der Thermopaare wird im Wesentlichen beeinflusst durch ihr Verhalten bei den vorgesehenen Anwendungstemperaturen. Je nach der Höhe der zu messenden Temperatur sind die verschiedenen zum Einsatz kommenden Material-Kombinationen mit der daraus resultierenden Spannung genormt, siehe IEC 584-1 und -2. Die hier genannten Werte gelten als obere Grenze für den Betrieb in Luft. Die gebräuchlichsten in der Wärmebehandlung eingesetzten Thermoelemente sind vom Typ J, K und S, siehe Tabelle 2-29. 63522_Liedtke_SL3a.indd 135 63522_Liedtke_SL3a.indd 135 16.06.2021 14: 36: 14 16.06.2021 14: 36: 14 <?page no="151"?> 136 2 Verfahrensdurchführung 136 Tabelle 2-29: Gegenüberstellung des Anwendungsbereichs und der Grenzabweichungen der industriell gebräuchlichsten Thermopaare. Thermopaar Typ Anwendungsbereich Grenzabweichungen Klasse 1 Klasse 2 Eisen- Konstantan Fe - CuNi J -40 °C bis +750 °C ± 1,5 °C, oder 0,004·T ± 2,5 °C, oder 0,0075·T Nickelchrom - Nickel NiCr - Ni K -40 °C bis +1000 °C ± 1,5 °C, oder 0,004·T -40 °C bis +1200 °C ± 2,5 °C, oder 0,0075·T Platinrhodium - Platin PtRh - Pt, (Pt/ Rh=90/ 10) S 0 °C bis +1600 °C ± 1,0 °C, oder [1+(T-1100) ·0,003] ± 1,5 °C, oder 0,0025·T Bild 2-11 zeigt für diese Elemente die von der Temperatur abhängigen Thermospannungen nach DIN 584-1. Bild 2-11: Grundwerte verschiedener Thermospannungen Beschreibung einer Messanlage mit Thermoelementen Der typische Aufbau eines thermoelektrischen Temperatur-Messkreises ist in Bild 2-12 dargestellt. 63522_Liedtke_SL3a.indd 136 63522_Liedtke_SL3a.indd 136 16.06.2021 14: 36: 14 16.06.2021 14: 36: 14 <?page no="152"?> 2.3 Messen, Steuern und Regeln 137 137 Bild 2-12: Schematische Darstellung eines Messkreises Ausführung von Thermoelementen Thermoelemente werden je nach Anwendungsfall bzw. Einsatzort in ihrem Aufbau den Anwendungsbedingungen angepasst. Die einfachste und häufigste Form ist das gerade Einbauelement, siehe Bild 2-13a. Den inneren Aufbau zeigt Bild 2-13b, eine typische Einbausituation Bild 2-14. Bild 2-13a: Gerades Einbauthermoelement Bild 2-13b: Schnittbild eines Thermoelements a = Anschlusskopf, b = Anschluss-Sockel, c = Metallisches Schutzrohr, d = Keramisches Innenschutzrohr, e = Keramische Isolierröllchen, f = Thermopaar, g = Mess- / Verbindungs-Stelle 63522_Liedtke_SL3a.indd 137 63522_Liedtke_SL3a.indd 137 16.06.2021 14: 36: 14 16.06.2021 14: 36: 14 <?page no="153"?> 138 2 Verfahrensdurchführung 138 Bild 2-14: Einbausituation von geraden Thermoelementen Mantelthermoelemente Eine besondere Ausführungsform für Thermoelemente mit Schutzarmatur sind Mantelthermoelemente. Diese haben einen Außendurchmesser von 0,25 mm bis 10 mm und sind biegsam, siehe Bild 2-15. Bild 2-15: Aufbau eines Mantelthermoelementes Die Thermoelement-Paarungen sind die gleichen wie bei den üblichen und oben beschriebenen Ausführungen. Gegen äußere Einflüsse sind sie mit einem metallischen Schutzmantel umgeben. Der Schutzmantel wird je nach thermischer und chemischer Beanspruchung ausgewählt, siehe Tabelle 2-30. 63522_Liedtke_SL3a.indd 138 63522_Liedtke_SL3a.indd 138 16.06.2021 14: 36: 15 16.06.2021 14: 36: 15 <?page no="154"?> 2.3 Messen, Steuern und Regeln 139 139 Tabelle 2-30: Übliche Mantelmaterialien und Anwendungsbereiche für gerade Elemente und Mantelelemente Mantelmaterial Max. Temperatur Typ Biegeradius austenitischer Stahl, z. B. X5CrNi18-9 800 °C J ; S ≥ 5-facher Durchmesser Inconel NiCr15Fe 1200 °C K ; S ≥ 5-facher Durchmesser PtRh 1400 °C S ≥ 5-facher Durchmesser Für die Isolation werden Isolierstoffe höchsten Reinheitsgrades verwendet, wie AL 2 O 3 oder MgO, da schon geringe Verunreinigungen besonders bei höheren Temperaturen den Isolationswiderstand stark verringern, was zu Messfehlern führen kann. Dies gilt ebenso für die Elemente in Normalausführung. Bei längerem Gebrauch sollten Biegevorgänge weitestgehend vermieden werden, weil je nach Schutzmantelwerkstoff Versprödungen auftreten können. Ausgleichsleitungen: Aufbau, Farbkennzeichnung Wie im Kapitel 2.2.1.2 beschrieben, ist die gemessene Thermospannung von der Temperaturdifferenz zwischen der Temperatur an der Verbindungsstelle der Leiter und der Temperatur an der Vergleichsstelle sowie den verwendeten Materialien abhängig. Zur Verbindung zwischen dem Thermoelement und der Vergleichsstelle muss eine Ausgleichsleitung eingesetzt werden. Sie hat im Bereich von -40 °C bis +200 °C die gleichen Eigenschaften wie das Thermopaar und stellt praktisch eine Verlängerung des Thermopaares bis zur Vergleichsstelle dar. Für jede Art von Thermopaaren darf nur die dazugehörige Ausgleichsleitung verwendet werden, sonst können erhebliche Messfehler auftreten. Hinweis für die Praxis: Beim Anschluss der Leitung ist darauf zu achten, dass die Plus- und Minusleiter nicht gegeneinander vertauscht werden, besonders beim Zwischenschalten einer Ausgleichsleitung. Um einen korrekten Anschluss zu ermöglichen, wurde in der DIN IEC 584 die Farbe Weiß für den Minusleiter festgelegt, während der Plusleiter die jeweilige Kennfarbe der Thermopaarung trägt. Nach DIN 43713 und 43714 ist es genau umgekehrt. Hier ist der Plusleiter mit Rot festgelegt und der Minusleiter erhält die Kennfarbe der Thermopaarung. Probleme können auftauchen, wenn Leitungen und Geräte nach DIN 43710 und DIN IEC 584 gemischt eingebaut werden, z. B. der Fühler NiCr-Ni Typ K nach IEC und die Leitung NiCr-Ni nach DIN. Die Kennfarbe für NiCr-Ni ist in beiden Fällen grün. Aber der grüne Leiter ist nach DIN IEC 584 der Pluspol und nach DIN 43714 der Minuspol. Achtung: Die Normen DIN 43710 und DIN 43714 wurden im Juli 1997 bzw. im März 2000 zurückgezogen. Damit ist die Verwechslungsgefahr nicht mehr gegeben. Wegen noch vielfach vorhandener alter Materialien, sowohl verarbeitet als auch nicht verarbeitet, ist die Gegenüberstellung in Bild 2-16 zu beachten. 63522_Liedtke_SL3a.indd 139 63522_Liedtke_SL3a.indd 139 16.06.2021 14: 36: 15 16.06.2021 14: 36: 15 <?page no="155"?> 140 2 Verfahrensdurchführung 140 Bild 2-16: Gegenüberstellung der verschiedenen Ausgleichsleitungen und deren farbliche Kennzeichnung im Spiegel der unterschiedlichen nationalen und internationalen Normungen. (Quelle: Garnisch) 63522_Liedtke_SL3a.indd 140 63522_Liedtke_SL3a.indd 140 16.06.2021 14: 36: 16 16.06.2021 14: 36: 16 <?page no="156"?> 2.3 Messen, Steuern und Regeln 141 141 Vergleichsstelle Die Vergleichsstelle ist der Anschlusspunkt für das Thermopaar bzw. für das um die Ausgleichsleitung verlängerte Thermopaar. Um eine sichere und von der Außentemperatur unabhängige Messung zu gewährleisten, muss die Vergleichsstellentemperatur berücksichtigt werden. Die von der Vergleichsstelle abgehenden Leitungen zu den Anzeige- und Registriergeräten werden aus normaler Kupferleitung hergestellt. Mess- und Anzeigegeräte Elektronische Anzeigegeräte (Anzeiger, Regler, Schreiber) besitzen im Regelfall im Eingangsbereich eine integrierte Vergleichsstelle. In diesem Fall muss die Ausgleichsleitung bis an die Anschlussklemmen des Gerätes geführt werden. Es empfiehlt sich, abgeschirmte Ausgleichsleitungen zu verwenden. Hinweis: Das Messgerät sollte entsprechend Typ und Güteklasse des Thermoelementes ausgelegt sein, d. h. die Güteklasse des Geräts sollte mindestens der Güteklasse des Thermoelements entsprechen. Mögliche Fehler Im Laufe des betrieblichen Einsatzes in Wärmebehandlungsöfen können Störungen beim Messen der Temperatur auftreten. Kurzschluss und Elementbruch bzw. Unterbrechung des Stromkreises im Messkreis sollten vom Messgerät erkannt und angezeigt werden. Thermoelemente sind üblicherweise außen mit einem metallischen Rohr versehen, das vorwiegend gegen mechanische Beschädigung schützen soll. Zusätzliche innere Keramikrohre sollen das Thermopaar vor chemischen Angriffen schützen. Versagt dieser Schutz, kommt es zu Fehlmessungen. An der Kontaktstelle des Thermopaares finden Diffusionsvorgänge statt, so dass sich die Werkstoffzusammensetzung ändert. Dadurch ändert sich über die Zeit die Thermospannung, wodurch Fehlmessung durch Driften oder Altern eintritt. Auch kann ein Materialverlust entstehen, der schließlich zum Bruch eines Schenkels führt. Das Driften kann nicht verhindert werden, aus diesem Grund ist es notwendig, regelmäßige Kontrollmessungen durchzuführen und/ oder die Thermoelemente in regelmäßigen Abständen auszutauschen. 2.3.2.1.2 Temperaturregelung Bei der Temperaturregelung unterscheidet man zwischen einer einfachen und einer Kaskadenregelung. Bei der einfachen Regelung misst der Regler die Ofentemperatur und steuert die Heizung so an, dass die Ofentemperatur der Sollvorgabe entspricht. Von einer Kaskadenregelung spricht man, wenn Heizung und Ofentemperatur über getrennte Regler angesteuert werden, siehe Bild 2-17. Dabei misst der so bezeichnete Führungsregler die Ofentemperatur und berechnet aus der Abweichung und dem dynamischen Verlauf der Abweichungsänderung die Sollwerte für den oder die Heizungsregler. Diese messen die Temperatur an der ihnen zugeordneten Heizung und steuern diese so an, dass die gemessene Temperatur der Sollvorgabe vom Führungsregler entspricht. 63522_Liedtke_SL3a.indd 141 63522_Liedtke_SL3a.indd 141 16.06.2021 14: 36: 16 16.06.2021 14: 36: 16 <?page no="157"?> 142 2 Verfahrensdurchführung 142 Der Vorteil einer Kaskadenregelung besteht darin, dass im Ofenraum eine gleichmäßigere Temperaturverteilung erreicht werden kann. Temperaturunterschiede im Ofen können so über Offsets auf die Sollwerte der einzelnen Heizungsregler ausgeglichen werden. Bild 2-17 : Schema einer Kaskadenregelung am Beispiel einer Schachtofenanlage mit drei Heizzonen. 2.3.2.2 Atmosphärenkenngrößen 2.3.2.2.1 Messen und Bestimmen der Kenngrößen 2.3.2.2.1.1 C-Pegel Der Kohlenstoffpegel einer Atmosphäre, kurz C-Pegel 5 , ist definiert als derjenige Massenanteil Kohlenstoff in Prozent, den eine dünne Folie aus Reineisen im Gleichgewicht mit dem Aufkohlungsmittel annimmt. Der C-Pegel kann nach verschiedenen Methoden bestimmt werden und zwar diskontinuierlich mit der Folienmethode und kontinuierlich über die Verknüpfung mit den Messwerten der Analyse der Zusammensetzung des Prozessgases. a) Bestimmen des C-Pegels mit der Folienmethode Bei der Folienmethode wird eine Reineisenfolie der Aufkohlungsatmosphäre solange ausgesetzt, bis sich das Gleichgewicht zwischen der Aufkohlungswirkung der Atmosphäre und dem Kohlenstoffgehalt in der Folie eingestellt hat. Die Dauer dieses Vorgangs ist von der Kohlenstoffübergangszahl β der Ofenatmosphäre und der Foliendicke abhängig. Meist reichen hier 15 min bis 20 min aus. 5 vgl. DIN EN 10 052 Teil 3 63522_Liedtke_SL3a.indd 142 63522_Liedtke_SL3a.indd 142 16.06.2021 14: 36: 16 16.06.2021 14: 36: 16 <?page no="158"?> 2.3 Messen, Steuern und Regeln 143 143 Die danach erforderliche Kohlenstoffbestimmung kann entweder durch Wägung der aufgekohlten Reineisenfolie erfolgen oder nach ihrer Verbrennung aus der Menge des dabei entstehenden CO 2 mittels der Orsat-Analyse. Der gefundene Kohlenstoffgehalt in Masseprozent entspricht dem C-Pegel der Atmosphäre. Bild 2-18 : Zusammenhang zwischen der Foliendicke und der Dauer bis zum Errei- Chen des Gleichgewichtskohlenstoffgehalts für verschiedene Trägergase b) Bestimmen des C-Pegels über den CO 2 -Gehalt Der C-Pegelwert kann mit der Formel (2-1) berechnet, siehe / Neu94-2/ , oder Nomogrammen entnommen werden, siehe die Bilder 2-19 und 2-20, / AWT97/ . Zum Berechnen nach der Formel (2-1) muss außer der Ofentemperatur auch der CO-Gehalt bekannt sein: 𝑙𝑙𝑙𝑙𝑙𝑙𝑙𝑙𝑙𝑙𝑙𝑙 𝑒𝑒𝑒𝑒 = 𝐶𝐶𝐶𝐶𝑂𝑂𝑂𝑂 2 6521 𝑇𝑇𝑇𝑇 − 8,21 − 0,15 ⋅ 𝐶𝐶𝐶𝐶 𝑃𝑃𝑃𝑃 + 𝑙𝑙𝑙𝑙𝑙𝑙𝑙𝑙𝑙𝑙𝑙𝑙 � 𝑝𝑝𝑝𝑝 𝐶𝐶𝐶𝐶𝐶𝐶𝐶𝐶 2 ⋅(0,785⋅𝐶𝐶𝐶𝐶 𝑃𝑃𝑃𝑃 +21,5) 𝐶𝐶𝐶𝐶 𝑃𝑃𝑃𝑃 � (2-1) 63522_Liedtke_SL3a.indd 143 63522_Liedtke_SL3a.indd 143 16.06.2021 14: 36: 16 16.06.2021 14: 36: 16 <?page no="159"?> 144 2 Verfahrensdurchführung 144 Bild 2-19: Zusammenhang zwischen C-Pegel, Temperatur und CO 2 -Gehalt einer Aufkohlungsatmosphäre aus Endoträgergas aus Propan und Propan als Zusatzgas Bild 2-20: Zusammenhang zwischen C-Pegel, Temperatur und CO 2 -Gehalt einer Aufkohlungsatmosphäre aus Endoträgergas aus Erdgas und Erdgas als Zusatzgas 63522_Liedtke_SL3a.indd 144 63522_Liedtke_SL3a.indd 144 16.06.2021 14: 36: 17 16.06.2021 14: 36: 17 <?page no="160"?> 2.3 Messen, Steuern und Regeln 145 145 c) Bestimmen des C-Pegels über den Taupunkt bzw. den Wasserdampfgehalt Der C-Pegel kann mit den Formeln (2-2) und (2-3) berechnet oder Nomogrammen entnommen werden, siehe die Bilder 2-21 und 2-22. ( ) + ⋅ ⋅ ⋅ + ⋅ − − = P P H CO P O H C C p p C T p 5 , 21 785 , 0 log 15 , 0 63 , 6 4807 log 2 2 (2-2) Der Taupunkt ergibt sich gemäß: ( ) B p A O H p − ⋅ − − = 2 100 ln 273 τ (2-3) Die Werte für A und B sind aus Tabelle 2-31 zu entnehmen. Tabelle 2-31: Konstanten für das Berechnen der Taupunkttemperatur Taupunkttemperatur A B -30 °C ≤ T p ≤ 0 °C 6128 21,94 0 °C ≤ T p ≤ 20 °C 5361 19,13 Bild 2-21: Zusammenhang zwischen C-Pegel, Temperatur und Taupunkttemperatur einer Aufkohlungsatmosphäre aus Endoträgergas aus Propan und Propan als Zusatzgas 63522_Liedtke_SL3a.indd 145 63522_Liedtke_SL3a.indd 145 16.06.2021 14: 36: 17 16.06.2021 14: 36: 17 <?page no="161"?> 146 2 Verfahrensdurchführung 146 Bild 2-22: Zusammenhang zwischen C-Pegel, Temperatur und Taupunkttemperatur einer Aufkohlungsatmosphäre aus Endoträgergas aus Erdgas und Erdgas als Zusatzgas d) Bestimmen des C-Pegels mit der Sauerstoffsonde Zur Ermittlung des C-Pegels mit Hilfe der Sauerstoffsonde muss die Temperatur an der aktiven Spitze der Sonde und der CO-Gehalt bekannt sein. Der C-Pegelwert kann mit der Formel (2-4) berechnet oder aus Nomogrammen entnommen werden, siehe die Bilder 2-23 und 2-24. 𝐸𝐸𝐸𝐸 = 815 + 𝑇𝑇𝑇𝑇 100 ⋅ �33,3 + 1,5 ⋅ 𝐶𝐶𝐶𝐶 𝑃𝑃𝑃𝑃 − 9,92𝑙𝑙𝑙𝑙𝑙𝑙𝑙𝑙𝑙𝑙𝑙𝑙 � 𝑝𝑝𝑝𝑝 𝐶𝐶𝐶𝐶𝐶𝐶𝐶𝐶 ⋅(0,785⋅𝐶𝐶𝐶𝐶 𝑃𝑃𝑃𝑃 +21,5) 𝐶𝐶𝐶𝐶 𝑃𝑃𝑃𝑃 �� mV (2-4) 63522_Liedtke_SL3a.indd 146 63522_Liedtke_SL3a.indd 146 16.06.2021 14: 36: 18 16.06.2021 14: 36: 18 <?page no="162"?> 2.3 Messen, Steuern und Regeln 147 147 Bild 2-23: Zusammenhang zwischen C-Pegel, Temperatur und Sauerstoffsonden spannung einer Aufkohlungsatmosphäre aus Endoträgergas aus Propan und Propan als Zusatzgas Bild 2-24: Zusammenhang zwischen C-Pegel, Temperatur und Sauerstoffsondenspannung einer Aufkohlungsatmosphäre aus Endoträgergas aus Erdgas und Erdgas als Zusatzgas 63522_Liedtke_SL3a.indd 147 63522_Liedtke_SL3a.indd 147 16.06.2021 14: 36: 18 16.06.2021 14: 36: 18 <?page no="163"?> 148 2 Verfahrensdurchführung 148 Eine Sonderform der Sauerstoffsonde ist die Lambda-Sonde. Allerdings muss hier das Messgas aus der Ofenatmosphäre entnommen werden. Das führt zu einer längeren Ansprechdauer und möglichen Nebenreaktionen mit damit verbundenen Ausscheidungen. Außerdem liegt die Temperatur der Messzelle einer Lambda-Sonde bei 500 °C bis 600 °C und wird nicht gemessen. Wie aus der Gleichung (2-4) ersichtlich, ist die Messzellentemperatur jedoch eine wesentliche Größe. Damit ergeben sich für die Ermittlung des am Werkstück wirksamen C-Pegels zwei Probleme. Zunächst wird die der Berechnung zugrunde liegende EMK bei einer von der Atmosphäre unterschiedlichen Temperatur gebildet, bei der andere thermochemische Gleichgewichte herrschen. Darüber hinaus ist diese Temperatur nicht bekannt. Die Rechnung muss somit empirisch auf den jeweiligen Arbeitspunkt angepasst werden. e) Bestimmen des C-Pegels über den CH 4 -Gehalt Die Ermittlung des C-Pegels über den CH 4 -Gehalt ist wegen der Reaktionskinetik in der Praxis nicht üblich. Es ist zu beachten, dass ein hoher Restmethangehalt die Aufkohlungswirkung erhöht / Col76/ . f) Bestimmen des C-Pegels durch Widerstandsmessung Der spezifische elektrische Widerstand von Eisen wird durch Einlagerung von Kohlenstoffatomen beeinflusst. Die Beziehung zwischen Kohlenstoffgehalt und Widerstandsänderung ist bekannt. Damit ist es im Umkehrschluss möglich, den Ohm’ schen Widerstand eines Probekörpers aus Eisen zu messen und auf den Kohlenstoffgehalt zurückzuschließen. Bei Sensoren, die nach diesem Verfahren arbeiten, wird ein Draht der Kohlungsatmosphäre ausgesetzt. Er nimmt dabei den Kohlenstoffgehalt an, der dem C-Pegel der Atmosphäre entspricht, vgl. die Folienmethode. Der Widerstand des Drahtes wird kontinuierlich gemessen und in einen C-Pegelwert umgerechnet. Zu beachten ist, dass eine Überkohlung oder eine Oxidation das Ergebnis verfälschen bzw. den Sensor zerstören kann. 2.3.2.2.1.2 Carbonitrierpegel C Pcarb und N Pcarb Wie im Kapitel 1.1.2 dargestellt, beeinflussen sich Kohlenstoff und Stickstoff gegenseitig. Daraus folgt, dass der Prozess nicht allein mit einem C-Pegel wie beim Aufkohlen, sondern mit einem zusätzlichen Stickstoffpegel geregelt werden muss, womit die gegenseitige Wechselwirkung des Aufkohlens und Nitrierens berücksichtigt wird, wenn ein bestimmter Rand-Kohlenstoffgehalt und -Stickstoffgehalt erreicht werden soll. Der Zusammenhang zwischen Kohlenstoffgehalt und Kohlenstoffpegel kann wie folgt angegeben werden: %) ( 011 , 0 71 , 6 log log − ⋅ ⋅ + − = = Masse N C T C C P R PCarb (2-5) entsprechend ergibt sich für den Stickstoffpegel N P : %) ( 12 , 0 3 , 78 log log − ⋅ ⋅ + − = = Masse C N T N N P R PCarb (2-6) 63522_Liedtke_SL3a.indd 148 63522_Liedtke_SL3a.indd 148 16.06.2021 14: 36: 19 16.06.2021 14: 36: 19 <?page no="164"?> 2.3 Messen, Steuern und Regeln 149 149 N P kann bestimmt werden mit: 51 , 4 2210 log log 5 , 1 2 3 + − = T p p N H NH P (2-7) 2.3.2.2.1.3 Kohlenstoffübergangszahl β Die Kohlenstoffübergangszahl β entspricht derjenigen Kohlenstoffmenge in g, die je Zeit- und Flächeneinheit, bezogen auf die Differenz zwischen C-Pegel und jeweiligem Randkohlenstoffgehalt, in die Werkstückrandschicht eindiffundiert. Sie ist somit mitverantwortlich für die Geschwindigkeit, mit der sich der Randkohlenstoffgehalt eines Werkstücks beim Aufkohlen dem Gleichgewichtskohlenstoffgehalt nähert. Sie hat die Dimension einer Geschwindigkeit. a) Bestimmen der Kohlenstoffübergangszahl β durch Messen des Kohlenstoffmonooxid- und des Wasserstoffgehalts In Anlagen zum Gasaufkohlen ist der β -Wert weitgehend durch das verwendete Grundgas festgelegt 6 : β = f(p CO ,p H2 ) (2-8) Um den aktuell vorliegenden β -Wert zu ermitteln, müssen der CO- und der H 2 -Gehalt gemessen werden, siehe hierzu Bild 2-25. Bild 2-25: Zusammenhang zwischen der Gaszusammensetzung und der C-Übergangszahl b) Bestimmen der Kohlenstoffübergangszahl β mit der Folienmethode Durch eine Reihe von Folienproben, die nach unterschiedlicher Verweildauer dem Ofen entnommen werden, kann über den zeitlichen Anstieg des gemessenen Kohlenstoffgehalts auf den β -Wert geschlossen werden. 6 vgl. Die Prozessregelung beim Gasaufkohlen und Einsatzhärten / AWT97/ 63522_Liedtke_SL3a.indd 149 63522_Liedtke_SL3a.indd 149 16.06.2021 14: 36: 19 16.06.2021 14: 36: 19 <?page no="165"?> 150 2 Verfahrensdurchführung 150 c) Bestimmen der Kohlenstoffübergangszahl β durch Messen des elektrischen Widerstands Wie unter 2.4.1.6 beschrieben, kann über eine Messung des Ohm’schen Widerstands eines Messdrahtes auf dessen Kohlenstoffgehalt geschlossen werden. Erfasst man den zeitlichen Anstieg des Widerstandes im Draht, kann daraus der β -Wert berechnet werden. Der Vorteil dieser Methode besteht in der universellen Anwendbarkeit. Es ist zu beachten, dass der Drahtquerschnitt je nach Häufigkeit der Verwendung allmählich durch Oxidation so verringert wird, dass dadurch das Messergebnis verfälscht werden kann. 2.3.2.2.1.4 Dissoziationsgrad beim Nitrieren/ Nitrocarburieren Der Dissoziationsgrad einer Nitrier- oder Nitrocarburieratmosphäre, auch Spaltgrad genannt, ist der prozentuale Anteil der in den Reaktionsraum eingeleiteten Ammoniakmenge, der sich in Stickstoff und Wasserstoff zersetzt hat. Um den Dissoziationsgrad zu bestimmen, müssen die Zusammensetzung des Frischgases im Ofeneinlass und der NH 3 -Gehalt in der Anlage nach der teilweisen Zersetzung bekannt sein. Dazu wird üblicherweise der NH 3 -Gehalt im Abgas gemessen. Für reine Ammoniakatmosphären kann dann der Dissoziationsgrad nach der Beziehung: 100 100 100 3 3 ⋅ + − = Abgas Abgas NH NH D % (2-9) berechnet werden. Bei Mischgasen aus Ammoniak, Stickstoff und/ oder Wasserstoff müssen diese Zusatzgase bei der Berechnung berücksichtigt werden. Für die Beimengung von Stickstoff gilt: ( ) ( ) 100 100 1 3 3 ⋅ + − ⋅ = Abgas Abgas NH n NH D % (2-10) mit 3 2 NH H p p n = , bezogen auf die Gaszuführung (2-11) 2.3.2.2.1.5 Nitrierkennzahl K N Die Nitrierkennzahl K N ist entsprechend der Zerfallsreaktion von Ammoniak durch das Partialdruckverhältnis in bar von Ammoniak und Wasserstoff in der Atmosphäre definiert. K N ist eine Kennzahl und daher dimensionslos. 63522_Liedtke_SL3a.indd 150 63522_Liedtke_SL3a.indd 150 16.06.2021 14: 36: 20 16.06.2021 14: 36: 20 <?page no="166"?> 2.3 Messen, Steuern und Regeln 151 151 Bestimmen der Nitrierkennzahl durch Messen des Ammoniak- und des Wasserstoffgehalts Aus der Kenntnis der Volumenanteile von Ammoniak und Wasserstoff im Reaktionsraum ergibt sich die Nitrierkennzahl aus nachstehender Formel: 5 , 1 2 3 H NH N p p K = (2-12) a) Bestimmen der Nitrierkennzahl durch Messen des Ammoniakgehalts Durch die eindeutige Verknüpfung von NH 3 - und H 2 -Gehalt beim Gasnitrieren mit NH 3 ohne Zusatzgase genügt die Kenntnis einer dieser beiden Größen. Der H 2 - Gehalt kann aus dem Messwert des NH 3 -Gehaltes errechnet werden: Wasserstoffgehalt ( ) % 75 , 0 100 3 2 − ⋅ − = Vol NH H (2-13) Eingesetzt in (2-13) ergibt sich: ( ) [ ] 5 , 1 75 , 0 1 3 3 ⋅ − = NH NH N p p K (2-14) b) Bestimmen der Nitrierkennzahl durch Messen des Wasserstoffgehalts Wird der H 2 -Gehalt gemessen, errechnet sich beim Gasnitrieren mit NH 3 ohne Zusatzgase der NH 3 -Gehalt zu ( ) 2 3 % 75 , 0 100 H Vol NH − ⋅ − = Vol-% (2-15) Eingesetzt in (2-12) ergibt sich: 5 , 1 2 2 75 , 0 1 H H N p p K ⋅ − = (2-16) c) Bestimmen der Nitrierkennzahl durch Messen des Sauerstoffgehalts Die Nitrierkennzahl kann bei Kenntnis der eingeleiteten Stoffmengen und des Sauerstoffpartialdruckes in der Ofenatmosphäre rechnerisch ermittelt werden. K N = f(Q NH3 ,Q N2 ,Q H2 ,Q CO ,...,T,p O2 ) mit Q i = eingeleitete Stoffmenge (2-17) Dabei wird über die O 2 -Messung auf das Partialdruckverhältnis p H2O / p H2 geschlossen. Bei einer angenommenen Einstellung des Wassergas-Gleichgewichts bei der jeweils betrachteten Temperatur kann dann bei Kenntnis der eingeleiteten Gasmengen das Gleichungssystem gelöst werden. In der Praxis werden bevorzugt Systeme mit O 2 -Sensor mit oder ohne vorgeschalteten Katalysator oder aber Systeme mit O 2 -Sensor und H 2 -Analysator verwendet. 63522_Liedtke_SL3a.indd 151 63522_Liedtke_SL3a.indd 151 16.06.2021 14: 36: 20 16.06.2021 14: 36: 20 <?page no="167"?> 152 2 Verfahrensdurchführung 152 2.3.2.2.1.6 Oxidationskennzahl K O Die Oxidationskennzahl K O ist durch das Partialdruckverhältnis von Wasserdampf zu Wasserstoff in der Ofenatmosphäre definiert. K O ist dimensionslos: 2 2 H O H O p p K = (2-18) Aus der Reaktion zur Bildung von Wasserdampf: H 2 + 0,5·O 2 ⇔ H 2 O (2-19) besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Messgröße p O2 und dem Partialdruckverhältnis p H2O / p H2 : 5 , 0 2 O O p K K ⋅ = (2-20) mit der temperaturabhängigen Gleichgewichtskonstanten: 951 , 2 13027 10 − = T K (2-21) Danach wird der Sauerstoffgehalt zum Ermitteln der Oxidationskennzahl gemessen. 2.3.2.2.1.7 Kohlungskennzahl K C Die Kohlungskennzahl K C , ist beim Nitrocarburieren ein Maß für die Aufkohlungswirkung der Atmosphäre. Je nach Kohlungsreaktion unterscheidet man zwei unterschiedliche Definitionen: a) aus der Boudouard-Reaktion: 2·CO ⇔ CO 2 + C ad ergibt sich die thermodynamische Gleichgewichtskontante 2 1 2 CO C CO p a p K ⋅ = (2-22) mit 2 2 CO CO B C p p K = (2-23) b) aus der heterogenen Wassergasreaktion CO + H 2 ⇔ H 2 O + C ad (2-24) ergibt sich die thermodynamische Gleichgewichtskontante 2 2 2 H CO C O H p p a p K ⋅ ⋅ = (2-25) mit O H H CO B C p p p K 2 2 ⋅ = (2-26) Bestimmen der Kohlungskennzahl B C K durch Messen des Kohlenstoffmono- und -dioxidgehaltes Aus der Kenntnis der CO- und CO 2 -Gehalte im Reaktionsraum kann die Kohlungskennzahl mit nachstehender Formel berechnet werden: 63522_Liedtke_SL3a.indd 152 63522_Liedtke_SL3a.indd 152 16.06.2021 14: 36: 21 16.06.2021 14: 36: 21 <?page no="168"?> 2.3 Messen, Steuern und Regeln 153 153 2 2 CO CO B C p p K = (2-27) Bestimmen der Kohlungskennzahl W C K durch Messen des Kohlenstoffmonooxid- und des Sauerstoffgehalts Aus der Kenntnis des CO-Gehalts und des Verhältnisses von H 2 O/ H 2 , letzteres gemessen mit der Sauerstoffsonde im Reaktionsraum, kann die Kohlungskennzahl W C K berechnet werden: mit O H H CO W C p p p K 2 2 ⋅ = (2-28) ergibt sich 5 , 0 2 O CO W C p K p K ⋅ = (2-29) Hinweis: Beim Verwenden der Kohlungskennzahl muss unbedingt berücksichtigt werden, nach welcher Reaktionsgleichung die Kennzahl ermittelt worden ist. Die beiden Kennzahlen B C K und W C K sind in ihrer Größe unterschiedlich. Verwendet man zur Beschreibung der Kohlungswirkung jedoch die Kohlenstoffaktivität a C erhält man eine Kenngröße, die für beide Reaktionen den gleichen Wert liefert. 2.3.2.2.2 Regelung der Kenngrößen 2.3.2.2.2.1 C-Pegel Alle Atmosphärenkenngrößen sind über die Verhältnisse der Partialdrücke einzelner Gase zueinander bestimmt. Soll beispielsweise ein bestimmter C-Pegel eingestellt werden, um eine bestimmte Aufkohlungswirkung zu erreichen, müssen dementsprechend die Partialdruckverhältnisse p² CO / p CO2 sowie p CO ∙p H2 / p H2O geändert werden, / Weis94/ , / Wys95/ , / AWT97/ , / Ede94/ , / Hor94/ , / Weis95/ . Wie in Kapitel 1 dargestellt, kommt es zu einer Aufkohlung, indem der Kohlenstoffspender Kohlenstoffatome abgibt. Im Falle von CO werden dabei Sauerstoffatome frei. Diese verbinden sich dann entweder mit CO-Molekülen zu CO 2 oder es entsteht bei Anwesenheit von Wasserstoff H 2 O. Damit verschieben sich die Partialdruckverhältnisse zu kleineren Kohlenstoffaktivitäten und der C-Pegel fällt ab. Aufgabe der Regelung ist es, durch Zugabe von zusätzlichem Kohlungsmittel (Anreicherungsgas, Fettungsgas) den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen, wozu üblicherweise Erdgas oder Propan benutzt werden. Das zugegebene Propan reagiert mit dem CO 2 und H 2 O in der Ofenatmosphäre gemäß nachstehender Reaktionen: C 3 H 8 + CO 2 → 2 CO + 2 CH 4 (2-30) C 3 H 8 + H 2 O → CO + 2 CH 4 + H 2 (2-31) Dabei wird zunächst ein erstes C-Atom freigesetzt. Das dabei entstehende Methan reagiert dann weiter gemäß: 63522_Liedtke_SL3a.indd 153 63522_Liedtke_SL3a.indd 153 16.06.2021 14: 36: 21 16.06.2021 14: 36: 21 <?page no="169"?> 154 2 Verfahrensdurchführung 154 2 CH 4 + 2 CO 2 → 4 CO + 4 H 2 (2-32) 2 CH 4 + 2 H 2 O → 2 CO + 6 H 2 (2-33) Dabei sind die Reaktionen (2-30) und (2-31) um ein Vielfaches schneller als (2-32) und (2-33). Beim Anreichern mit Erdgas oder Methan sind die entsprechenden Reaktionen: CH 4 + CO 2 → 2 CO + 2 H 2 (2-34) CH 4 + H 2 O → CO + 3 H 2 (2-35) Zu beachten ist, dass der Methanzerfall mit sinkender Temperatur zunehmend unvollständiger wird. Dadurch bleibt Restmethan in der Ofenatmosphäre übrig, was die Aufkohlungswirkung verringert. Durch den Propanzerfall nach den Reaktionen (2-30) und (2-31) wird die Aufkohlungsatmosphäre regeneriert, vergleiche Bild 2-26. Aus diesem ist außerdem abzulesen, dass zum Erhöhen des C-Pegels durch Erdgas im Vergleich zu Propan etwa die 4-fache Zusatzgasmenge erforderlich ist. Daraus ergeben sich folgende Vorteile für die Verwendung von Propan anstatt von Erdgas: • Als Zusatzgas genügt ca. ¼ der ansonsten benötigten Erdgasmenge • Die damit geringere Gasmenge verringert den Restmethangehalt • Die anfängliche Kohlenstoffaktivität wird deutlich schneller wieder hergestellt Soll der C-Pegel rasch abgesenkt werden, wird der Ofenatmosphäre üblicherweise Luft zugegeben. Sowohl CO als auch H 2 bilden dann mit dem Luftsauerstoff CO 2 und H 2 O und verschieben damit die Partialdruckverhältnisse zu kleineren Kohlenstoffaktivitäten und damit zu kleineren C-Pegeln. Aus Tabelle 2-32 sind Richtwerte für die maximalen Zusatzgasmengen an Erdgas/ Methan, Propan und Luft zu entnehmen. Tabelle 2-32: maximale Zusatzgasmengen zum Regeln des C-Pegels Zusatzgasart Max. Zusatzgasmengen in Prozent des Trägergasdurchflusses Propan 3 Erdgas / Methan 10 Luft 12 63522_Liedtke_SL3a.indd 154 63522_Liedtke_SL3a.indd 154 16.06.2021 14: 36: 21 16.06.2021 14: 36: 21 <?page no="170"?> 2.3 Messen, Steuern und Regeln 155 155 Bild 2-26: Vergleich einer C P -Regelung mit Erdgas mit einer C P -Regelung mit Propan / Kar07/ 2.3.2.2.2.2 C-Pegel in Ungleichgewichtsatmosphären Eine Ungleichgewichtsatmosphäre besitzt keinen definierten C-Pegel, da die Kohlenstoffaktivität größer als 1,0 ist. Daraus ergibt sich, dass in der Randschicht eines Werkstücks ab einer bestimmten Haltedauer Carbide entstehen. Typische Ungleichgewichtsprozesse sind das Niederdruckaufkohlen sowie das Aufkohlen bei atmosphärischem Druck unter Ausschluss von Sauerstoff. Als Kohlenstoffspender werden beim Niederdruckaufkohlen Kohlenwasserstoffe wie C 2 H 2 , C 2 H 4 oder C 3 H 8 verwendet. Wird der Prozess bei atmosphärischem Druck durchgeführt, wird zusätzlich Stickstoff und teilweise auch Wasserstoff zugegeben. Zum Steuern der Aufkohlungswirkung muss die Oberfläche des aufzukohlenden Behandlungsgutes berücksichtigt werden. Das Aufkohlen wird über Puls-Pause-Folgen so gesteuert, dass vor Erreichen der Löslichkeitsgrenze des Kohlenstoffs der jeweilige Puls beendet wird, ansonsten entstehen Carbide. Der dabei von den Werkstücken während des Pulses aufgenommene Kohlenstoff diffundiert dann in der anschließenden Pause weiter in das Werkstückinnere, wobei der Randkohlenstoffgehalt absinkt. Beim nächsten Puls steigt der Randkohlenstoffgehalt wieder an. Dieser Vorgang wird solange wiederholt, bis nach der letzten Pause sowohl die erforderliche Aufkohlungstiefe als auch der gewünschte Randkohlenstoffgehalt erreicht sind, siehe Bild 2-27. 63522_Liedtke_SL3a.indd 155 63522_Liedtke_SL3a.indd 155 16.06.2021 14: 36: 22 16.06.2021 14: 36: 22 <?page no="171"?> 156 2 Verfahrensdurchführung 156 Bild 2-27: Gegenüberstellung von Zeit-Temperatur-Folge und Verlauf des Randkohlenstoffgehaltes in Abhängigkeit vom C-Pegel beim Gasaufkohlen und beim pulsierenden Niederdruckaufkohlen ohne/ mit Plasma 2.3.2.2.2.3 Kohlenstoffübergangskoeffizient β in Gleichgewichtsatmosphären In Gleichgewichtsatmosphären ist der Kohlenstoffübergangskoeffizient proportional zum Produkt der beiden Gasbestandteile CO und H 2 , siehe Bild 2-25. Das Maximum liegt bei 50 Vol-% CO und 50 Vol-% H 2 und ist als technisches Gas auch verfügbar. Beim Einsatz von Methanol, das in 33,3 Vol-% CO und 66,7 Vol-% H 2 zerfällt, kann durch Verdünnen mit Stickstoff der Kohlenstoffübergangskoeffizient stufenlos eingestellt werden. Es bleibt dabei immer bei einem Verhältnis von CO zu H 2 wie 1 zu 2. Vergleicht man die Übergangskoeffizienten unterschiedlicher Trägergase miteinander, ergeben sich die in der nachstehenden Tabelle 2-33 angegebenen Werte. Tabelle 2-33: Zusammenhang zwischen Gaszusammensetzung und Übergangskoeffizienten Art des Trägergases Zusammensetzung Verhältnis des Übergangskoeffizienten Vol-% CO Vol-% H 2 Endogas aus Erdgas 20 40 1 Stickstoff-Methanol 20 40 1 Endogas aus Propan 23 31 ~0,9 Methanol 33,3 66,7 ~2,7 Gemisch 50 50 ~3,1 63522_Liedtke_SL3a.indd 156 63522_Liedtke_SL3a.indd 156 16.06.2021 14: 36: 22 16.06.2021 14: 36: 22 <?page no="172"?> 2.3 Messen, Steuern und Regeln 157 157 Für ein neutrales Austenitisieren, bei dem weder eine Aufkohlung noch eine Entkohlung stattfinden soll, ist der Übergangskoeffizient auf einen niedrigen Wert einzustellen, um die Reaktionsgeschwindigkeit von Auf- und Entkohlung möglichst klein zu halten. Die Atmosphäre kann dann z. B. aus 5 Vol-% CO und 10 Vol-% H 2 , Rest N 2 , zusammengesetzt sein. Für Aufkohlungstiefen unter 0,2 mm, sollte der Übergangskoeffizient möglichst hoch sein, z. B. in einer Atmosphäre aus reinem Methanol, damit der erforderliche Randkohlenstoffgehalt in kurzer Zeit sicher erreicht werden kann. Ein Werkstück aus 16MnCr5, das bei 930 °C einem C-Pegel nahe der Rußgrenze ausgesetzt wird, erreicht z. B. rechnerisch einen Randkohlenstoffgehalt von 1 Masse-% C nach der in Tabelle 2-34 angegebenen Dauer. Soll unter diesen Bedingungen eine Aufkohlungstiefe von 0,2 mm erreicht werden, ergeben sich die in Tabelle 2-35 angegebenen Werte der Aufkohlungsdauer und des Randkohlenstoffgehaltes. Man erkennt, dass bei dieser geringen Aufkohlungstiefe ein dem C-Pegel von 1,25 Masse-% entsprechender Randkohlenstoffgehalt nicht erreicht werden kann. Tabelle 2-34: Aufkohlungsdauer und Randkohlenstoffgehalt für den Stahl 16MnCr5 beim Aufkohlen in verschiedenen Atmosphären bei 930 °C, C-Pegel C P = 1,25 bis zum Erreichen eines Randkohlenstoffgehaltes C R = 1,0 Masse-% C Massenanteile in Vol-% Aufkohlungsdauer in min Randkohlenstoffgehalt in Masse-% Endogas aus Erdgas 20 CO, 40 H 2 24 0,81 Stickstoff/ Methanol 20 CO, 40 H 2 24 0,81 Endogas aus Propan 23 CO, 31 H 2 25 0,79 Methanol 33 CO, 67 H 2 18 0,94 Gemisch 50 CO, 50 H 2 17 0,96 Tabelle 2-35: Aufkohlungsdauer und Aufkohlungstiefe für den Stahl 16MnCr5 beim Aufkohlen in verschiedenen Atmosphären bei 930 °C, C-Pegel C P = 1,25 bis zum Erreichen einer Aufkohlungstiefe At 0,35 = 0,20 mm Massenanteile in Vol-% Aufkohlungsdauer in min Aufkohlungstiefe At 0,35 in mm Endogas aus Erdgas 20 CO, 40 H 2 50 0,30 Stickstoff/ Methanol 20 CO, 40 H 2 50 0,30 Endogas aus Propan 23 CO, 31 H 2 60 0,33 Methanol 33 CO, 67 H 2 22 0,20 Gemisch 50 CO, 50 H 2 20 0,20 Beim Aufkohlen großer Werkstücke bzw. einer Ofencharge mit großer Oberfläche kann es anfangs zu einer CO-Verarmung des Trägergases kommen. Wird beispielsweise ein Trägergas mit 20 Vol-% CO und 40 Vol-% H 2 eingesetzt, kann der CO- Gehalt bis auf 17 Vol-% absinken. Für die C-Pegel-Regelung bedeutet dies, dass der ermittelte C-Pegel-Wert absolut ca. 0,1 % über dem tatsächlich wirksamen C-Pegel liegt. Diese Abweichung kann nur durch Messen des CO-Gehaltes, der dem Regler mitgeteilt wird, kompensiert werden. 63522_Liedtke_SL3a.indd 157 63522_Liedtke_SL3a.indd 157 16.06.2021 14: 36: 23 16.06.2021 14: 36: 23 <?page no="173"?> 158 2 Verfahrensdurchführung 158 Schließt sich an das Aufkohlen eine Diffusionsphase an, kehren sich die Verhältnisse um. Jetzt wird Kohlenstoff aus der Randschicht der Werkstücke an die Atmosphäre abgegeben, der CO-Gehalt steigt an. In diesem Fall ist der tatsächlich wirksame C- Pegel höher als der gemessene. Eine CO-Regelung, bei der das Verhältnis von Methanol zu Stickstoff variiert werden kann, ermöglicht das Einstellen definierter Zustände in der Ofenatmosphäre. 2.3.2.2.2.4 Nitrierwirkung beim Carbonitrieren Die Nitrierwirkung beim Carbonitrieren ergibt sich aus dem Partialdruckverhältnis von Ammoniak zu Wasserstoff und kann aus der Nitrierkennzahl ermittelt werden. Damit kann über die Menge der Ammoniakzugabe der Restammoniakgehalt und damit auch das erforderliche Partialdruckverhältnis eingestellt werden, siehe Bestimmung des Carbonitrierpegels im Abschnitt 2.3.2.2.1.1. Es gilt: 51 , 4 2210 log log 5 , 1 2 3 + − = T p p N H NH P atm (2-36) Hierbei ist allerdings darauf zu achten, dass mit zunehmender Ammoniakmenge das Trägergas immer mehr verdünnt wird und damit der CO-Gehalt erniedrigt wird, vergleiche Bild 1-45. Dies muss beim Regeln des C-Pegels berücksichtigt werden. Der H 2 -Gehalt erhöht sich durch den aus der Ammoniakspaltung entstehenden Wasserstoff. Beide Effekte verändern den Kohlenstoffübergangskoeffizienten, siehe Kapitel 1.1.1.2.5. 2.3.2.2.2.5 Dissoziationsgrad und Nitrierkennzahl Bei einer reinen Ammoniakbegasung ergeben sich der Dissoziationsgrad und damit auch die wirksame Nitrierkennzahl aus der thermischen Ammoniakspaltung. 2·NH 3 ↔ N 2 + 3·H 2 (2-37) Das Gleichgewicht dieser Reaktion ist von der Temperatur und vom Druck abhängig und kann über die nachstehende Gleichung ermittelt werden. + − = ⋅ = 74 . 11 5304 2 3 10 3 2 2 T NH H N P p p p K (2-38) Bild 2-28 zeigt an, wieviel Restammoniak nach Einstellung des thermischen Gleichgewichts im Prozessgas noch zu finden ist. Es ist ersichtlich, dass Ammoniak bereits ab einer Temperatur von ca. 300 °C vollständig in Wasserstoff und Stickstoff zerfallen kann. Allerdings läuft diese Spaltreaktion bei unterschiedlichen Drücken unterschiedlich schnell ab. 63522_Liedtke_SL3a.indd 158 63522_Liedtke_SL3a.indd 158 16.06.2021 14: 36: 23 16.06.2021 14: 36: 23 <?page no="174"?> 2.3 Messen, Steuern und Regeln 159 159 Bild 2-28: Restammoniakgehalt nach Einstellung des thermischen Gleichgewichts für unterschiedliche Prozessgasdrücke Aus Bild 2-29 ist als Richtwert zu entnehmen, wie lange es dauert, bis jeweils die Hälfte des Ammoniaks gespalten ist. Bild 2-29: Empirisch ermittelte Halbwertszeit der Ammoniakspaltung in einem leeren Ofen Es zeigt sich, dass bei niedrigen Temperaturen praktisch keine Zersetzung stattfindet. Bei 450 °C dauert es ca. 6 Stunden, um die Hälfte des Ammoniaks thermisch aufzuspalten; bei 500 °C etwa 1,5 Stunden. Bei einer Temperatur von 575 °C zerfällt die Hälfte des Ammoniaks innerhalb von 8 Minuten. 0 60 120 180 240 300 360 450 500 550 600 650 Temperatur Halbwertszeit min °C 0 20 40 60 80 100 0 50 100 150 200 250 300 Temperatur Restammoniak °C % 0.5 bar 1.0 bar 2.0 bar 63522_Liedtke_SL3a.indd 159 63522_Liedtke_SL3a.indd 159 16.06.2021 14: 36: 23 16.06.2021 14: 36: 23 <?page no="175"?> 160 2 Verfahrensdurchführung 160 Zu beachten ist dabei das Verhältnis im Ofenraum vorhandener katalytisch wirkender metallischer Oberflächen zum Ofenvolumen. Kleinere Ofenanlagen besitzen demnach ein stärkeres Spaltverhalten als große Anlagen. Besteht das Behandlungsgut aus vielen kleinen Werkstücken mit einer großen Gesamtoberfläche, verkürzen sich diese Zeiten ebenfalls deutlich. Die Aufgabe der Regelung ist es, den gewünschten Arbeitspunkt einzustellen, in dem das sich zersetzende Ammoniak durch Einleiten von frischem Ammoniak ersetzt wird. Beim Regeln sind zwei Extreme zu berücksichtigen: • Mit steigender Temperatur muss immer mehr Ammoniak zugegeben werden, um den Arbeitspunkt stabil zu halten. Daraus ergibt sich das Problem, dass bei hohen Temperaturen hohe Restammoniakgehalte und damit hohe Nitrierkennzahlen mit der zur Verfügung stehenden Begasung nicht immer realisierbar sind. • Mit abnehmender Temperatur kann eine niedrige Nitrierkennzahl bzw. ein geringer Restammoniakgehalt über eine reine Ammoniakzugabe nicht eingestellt werden. In diesem Fall muss der Anlage zusätzlich Wasserstoff oder Ammoniak-Spaltgas zugeführt werden. Auswirkung einer Stickstoffverdünnung auf die Nitrierkennzahl-Regelung Verdünnt man die Nitrieratmosphäre mit Stickstoff, wirkt das wie ein Erniedrigen des Prozessdrucks und verschiebt das thermische Gleichgewicht zu niedrigeren Temperaturen, vgl. Bild 2-28. Dieser Effekt spielt bei den üblichen Prozesstemperaturen jedoch kaum eine Rolle. Das dynamische Spaltverhalten ändert sich ebenfalls nur wenig. Somit können mit der durch das zusätzliche Einleiten von Stickstoff höheren Gesamtgasmenge höhere Nitrierkennzahlen eingeregelt werden, als dies bei einer reinen Ammoniakzugabe möglich wäre. Aus der Definition der Nitrierkennzahl gemäß 5 , 1 2 3 H NH N p p K = (2-12) geht hervor, dass sich mit dem zusätzlichen Einleiten von Stickstoff die Partialdrucke von Wasserstoff und Ammoniak verringern. Zwar erhöht sich dadurch die Nitrierkennzahl, jedoch nimmt die Stickstoffverfügbarkeit und damit die Nitrierwirkung ab. Bis zu einer Verdünnung mit Stickstoff um 15 % bis 25 % wirkt sich dies nach Versuchen / Zim87/ nur wenig aus. Bei höherer Verdünnung allerdings wird das Wachstum der Verbindungsschicht behindert. Technisch wird dieser Effekt dazu benützt, um bei großen Werkstücken und großer Nitriertiefe das Wachstum der Verbindungsschicht zu unterdrücken. 63522_Liedtke_SL3a.indd 160 63522_Liedtke_SL3a.indd 160 16.06.2021 14: 36: 24 16.06.2021 14: 36: 24 <?page no="176"?> 2.3 Messen, Steuern und Regeln 161 161 2.3.2.2.2.6 Die Oxidationskennzahl K O Im Zusammenhang mit dem Aufkohlen, Nitrieren und Nitrocarburieren ist es üblich, vor, während oder nach der Behandlung ein Oxidieren durchzuführen. Eine zum Regeln geeignete Kennzahl ist die Oxidationskennzahl K O . Diese wird in der Praxis zum Erzeugen von Oxidschichten und beim Oxinitrieren geregelt, seltener beim Oxinitrocarburieren oder beim Nachoxidieren nach dem Nitrieren. Als Oxidationsmittel kommen Wasser bzw. Wasserdampf, Sauerstoff, Luft oder Lachgas zum Einsatz. Im einfachsten Fall, z. B. beim Oxidieren vor dem Nitrieren oder Nitrocarburieren, genügt die ungeregelte Zugabe eines der genannten Oxidationsmittel. Muss ein definierter Arbeitspunkt eingestellt werden, um eine Eisenoxidschicht bestimmter Zusammensetzung zu erzeugen und enthält die Prozessatmosphäre kein H 2 oder CO, muss zum Regeln ein Reduktionsmittel zugegeben werden. Dies kann im Falle des Oxidierens nach dem Nitrieren oder Nitrocarburieren Ammoniak sein. Beim Oxinitrieren oder Oxinitrocarburieren soll keine Oxidschicht erzeugt werden, sondern durch die Zugabe von Sauerstoffspendern die Aufstickungswirkung der Atmosphäre erhöht werden, indem nach / Grb75/ durch Belegung der Oberfläche mit Sauerstoff die Rückreaktion des von der Werkstückoberfläche aufgenommenen Stickstoffs in molekularen Stickstoff gehemmt wird. In diesem Fall ist ein Arbeitspunkt einzustellen, der unterhalb der Oxidationsgrenze des Eisens liegt. Der im Prozessgas enthaltene Wasserstoff dient in diesem Fall als Reduktionsmittel. Achtung: Bei der Zugabe von Sauerstoff oder Luft zu einer Prozessbegasung müssen unbedingt die gültigen Sicherheitsgrenzen eingehalten werden. 2.3.2.2.2.7 Kohlungskennzahl Ähnlich der C-Pegel-Regelung beim Aufkohlen, kann die Aufkohlungswirkung eines Prozessgases über die Zugabe von Kohlenstoffspendern, wie Kohlenstoffmonooxid oder Kohlenwasserstoffen, erhöht werden. Zum Einstellen des Arbeitspunktes wird ein weiteres Gas benötigt, das die Aufkohlungswirkung erniedrigt. Dies kann Luft, Kohlenstoffdioxid oder Wasser sein. Als gut zu regelnde Varianten beim Nitrocarburieren haben sich die Zugabe von Endogas bzw. Methanol-Spaltgas oder Kohlenstoffmonooxid als aufkohlende und Kohlenstoffdioxid als entkohlendes Mittel bewährt. Dabei ist aus regelungstechnischen Gesichtspunkten Kohlenstoffmonooxid vorzuziehen, da dies die Nitrierkennzahlregelung kaum beeinträchtigt. Wird Endogas oder Methanol-Spaltgas zugegeben, wird dadurch auch der Wasserstoffgehalt erhöht und die Nitrierkennzahl erniedrigt. Durch den Stickstoffgehalt im Endogas wird die Nitrierwirkung geschwächt. Mit einer ausschließlichen Zugabe von Kohlenstoffdioxid kann die Kohlungskennzahl nicht geregelt werden. Wird nämlich die CO 2 -Zugabemenge erhöht, verringert dies die Kennzahl. Wird die CO 2 -Zugabemenge gestoppt, um eine hohe Kennzahl zu erreichen, geht die Aufkohlungswirkung gegen Null. Achtung: Bei der Zugabe von Sauerstoff oder Luft zu einer Prozessbegasung müssen unbedingt die gültigen Sicherheitsgrenzen eingehalten werden. 63522_Liedtke_SL3a.indd 161 63522_Liedtke_SL3a.indd 161 16.06.2021 14: 36: 24 16.06.2021 14: 36: 24 <?page no="177"?> 162 2 Verfahrensdurchführung 162 2.3.2.3 Atmosphärenzusammensetzung Die Atmosphärenzusammensetzung ist die Ausgangsbasis zum Bestimmen der Kenngrößen wie z. B. die Nitrierkennzahl K N beim Nitrieren/ Nitrocarburieren, oder der C-Pegel C P beim Aufkohlen. 2.3.2.3.1 Messen der Atmosphärenzusammensetzung Zum Messen werden überwiegend • Infrarot-Analysatoren • Sauerstoffsonden • Dissoziationspipetten (Schüttelflaschen) • Wärmeleit-Analysatoren • Taupunktmessgeräte • Diffusionselemente eingesetzt. In Ausnahmefällen kommen hierzu noch Massenspektroskope und Gaschromatographen. 2.3.2.3.1.1 Infrarot-Analysatoren Das Messen erfolgt außerhalb des Ofenraums. Die Messgase müssen an einer für das Verfahren repräsentativen Stelle entnommen werden. Die Entnahmestelle kann von Anlage zu Anlage variieren. Verfälschungen sind aufgrund von Nebenreaktionen, z. B. der Wassergasreaktion, nicht auszuschließen, wenn das Gas auf dem Weg von der Entnahmestelle zum Analysator eine Temperaturänderung erfährt. Bild 2-30: Absorptionsbanden verschiedener Gase 63522_Liedtke_SL3a.indd 162 63522_Liedtke_SL3a.indd 162 16.06.2021 14: 36: 24 16.06.2021 14: 36: 24 <?page no="178"?> 2.3 Messen, Steuern und Regeln 163 163 Das Messprinzip beruht auf der spezifischen Strahlungsabsorption unterschiedlicher Gase im Infrarot-Wellenbereich. Es ist möglich, selektiv zu messen, da jedem Gas bestimmte Absorptionsbande zugeordnet sind, vgl. Bild 2-30. Der prinzipielle gerätetechnische Aufbau ist in Bild 2-31 zu sehen. Durch zwei voneinander getrennte Gaskammern, so bezeichnete Küvetten, von denen die eine mit einem neutralen Gas, z. B. Stickstoff bzw. einem geeigneten Kalibriergas, die andere, die Messgasküvette, von dem zu analysierenden Gas durchströmt wird, wird wechselweise Infrarotlicht geleitet. Je nach der Zusammensetzung des Gases wird der Infrarot-Lichtstrahl in seiner Intensität in charakteristischer Weise durch Absorption einer bestimmten Wellenlänge geschwächt. Mit einem Strahlungsempfänger wird die Intensität gemessen und mit derjenigen des Kalibriergases verglichen. Die sich ergebende Differenz ist ein Maß der zu messenden Gaskomponente, im vorliegenden Fall CO 2 . Eine Modulationsblende vor dem Eintritt des Lichtstrahls in die Küvetten sorgt für dessen periodische Unterbrechung und ermöglicht so einen kontinuierlichen Vergleich der Intensität zwischen den beiden Küvetten. Eine Messgaspumpe sorgt für ein kontinuierliches Durchströmen der Messgasküvette mit dem zu analysierenden Gas, so dass dieses kontinuierlich gemessen werden kann. Bild 2-31: Aufbau eines Infrarot-Analysators Bild 2-31: Aufbau eines Infrarot-Analysators Die Anwendung des Infrarot-Analysators ist auf heteroatomige Gase beschränkt. Üblich ist die Analyse von CO, CO 2 , CH 4 , NH 3 , H 2 O. N 2 und H 2 -Anteile in Gasgemischen können damit nicht bestimmt werden. Die Geräte sind auf bestimmte Messbereiche ausgelegt. Dieser muss bei der Beschaffung berücksichtigt werden und ist möglichst klein zu wählen, um eine maximale Genauigkeit der Analysenwerte zu erhalten. Übliche Einsatzbereiche für Infrarotanalysatoren sind in Tabelle 2-36 gegenübergestellt. 63522_Liedtke_SL3a.indd 163 63522_Liedtke_SL3a.indd 163 16.06.2021 14: 36: 25 16.06.2021 14: 36: 25 <?page no="179"?> 164 2 Verfahrensdurchführung 164 Tabelle 2-36: Einsatzbereiche für Infrarot-Analysegeräte Gasart Messbereich Vol-% Verfahren CO 0 - 50 Gasaufkohlen CO 2 0 bis 0,5 0 bis 10 bzw. o bis 20 Nitrocarburieren CH 4 0 bis 5 Gasaufkohlen NH 3 0 bis 50 Nitrieren, Nitrocarburieren 0 bis 104 ppm Gascarbonitrieren Der Analysator besitzt eine hohe Messgenauigkeit bei schneller Ansprechgeschwindigkeit. Die tatsächliche Messgenauigkeit und die wirksame Ansprechgeschwindigkeit hängen jedoch stark vom Entnahmesystem ab. Der Messfehler des Analysators liegt je nach Ausführung bei 0,5 % bis 2 % des Messbereich-Endwerts. Schwankungen von Druck und Temperatur des Messgases führen zu Messfehlern. Eine Druckdifferenz von z. B. 10 mbar ergibt einen Fehler von 1 % des Messwertes; eine Temperaturdifferenz von 1 °C in der Messküvette verfälscht den Messwert um 0,3 %. Bei nicht druck- und temperaturkompensierten Geräten müssen daher Druck und Temperatur im Messsystem möglichst konstant gehalten werden. In Abhängigkeit von der Gaszusammensetzung treten unterschiedlich große Querempfindlichkeiten auf. Beim Messen des CO 2 -Gehalts muss insbesondere die CO- Querempfindlichkeit berücksichtigt werden, weil die Absorptionsbänder der beiden Gase dicht nebeneinander liegen. Bild 2-32: Handelsüblicher Infrarotanalysator zum Messen des CO 2 -Gehalts in Ofengasen 63522_Liedtke_SL3a.indd 164 63522_Liedtke_SL3a.indd 164 16.06.2021 14: 36: 25 16.06.2021 14: 36: 25 <?page no="180"?> 2.3 Messen, Steuern und Regeln 165 165 Beim Messen des Ammoniakgehaltes liegt eine Besonderheit vor: Durch die extrem hohe Querempfindlichkeit von Wasserdampf zu Ammoniak, muss das Messgas vor dem Messgerät über einen Wasserabscheider geleitet werden, wodurch ein deutlicher Messfehler entsteht. Auch der Messgasdurchfluss muss konstant sein. Bei Geräten ohne integrierte Messgaspumpe ist eine externe Pumpe vorzusehen. Um Messfehler bei der Gasentnahme auszuschließen, muss die Messgasleitung gegebenenfalls beheizt werden, um Kondensation von Wasserdampf und/ oder Feststoffausscheidungen in Form von Carbonaten, Ruß etc., zu vermeiden. Zum Schutz des Analysators müssen Filter und Wasserabscheider vor dem Messgaseingang angebracht werden. Durch das Ausfiltern von Wasserdampf und/ oder Reaktionsprodukten wird ein systematischer Fehler erzeugt. Die Filter sind regelmäßig zu reinigen. Bild 2-32 zeigt einen handelsüblichen Infrarot-Analysator. Für die Auswahl eines geeigneten Analysators muss die Zusammensetzung des zu analysierenden Gases bekannt sein. Ändert sich im laufenden Betrieb, beispielsweise bei einer Verfahrensumstellung, die Gaszusammensetzung, muss der Analysator neu kalibriert werden. Beim Kalibriergas ist darauf zu achten, dass seine Zusammensetzung der Prozessatmosphäre entspricht. Für ein sicheres Betreiben des Analysators ist ein regelmäßiges Überprüfen mit Hilfe von Kalibriergasen notwendig, was je nach seiner Bauart, z. B. bei getrennten Eingängen für Mess- und Kalibriergas, im laufenden Betrieb möglich ist. Die Lebensdauer ist wartungsabhängig und beträgt etwa 5-10 Jahre. 2.3.2.3.1.2 Sauerstoffsonden Sauerstoffsonden nutzen die Leitfähigkeit von Zirkondioxid (ZrO 2 ) für Sauerstoffionen. Wird ein geeignetes ZrO 2 -Formstück an den gegenüberliegenden Seiten mit unterschiedlichen Sauerstoffpartialdrücken beaufschlagt, entsteht eine messbare Spannung. Übliche Sauerstoffsonden werden im Temperaturbereich zwischen 500 °C und 1100 °C eingesetzt. Sonderausführungen können den Einsatzbereich sowohl nach oben, wie auch nach unten erweitern. Den typischen Aufbau einer solchen Messzelle verdeutlicht Bild 2-33. Eine solche Sonde erzeugt eine Spannung, die aus dem Verhältnis der Sauerstoffpartialdrücke an der Innenseite - Referenzmedium, meist Luft - und der Außenseite - Ofenatmosphäre sowie der Temperatur am Messort resultiert. Mit der Sauerstoffsonde wird in reduzierenden Atmosphären, z. B. in Endogas, das Reduktionspotential der Atmosphäre bestimmt und daraus auf den Sauerstoffpartialdruck (p O2 ) geschlossen sowie unter Anwendung von charakteristischen Atmosphärenparametern in weitere prozessrelevante Größen umgerechnet. In oxidierenden Atmosphären wird der Sauerstoffpartialdruck gemessen. Entscheidend für die Qualität der Messergebnisse ist die Einbausituation. 63522_Liedtke_SL3a.indd 165 63522_Liedtke_SL3a.indd 165 16.06.2021 14: 36: 25 16.06.2021 14: 36: 25 <?page no="181"?> 166 2 Verfahrensdurchführung 166 Bild 2-33: Aufbau einer Sauerstoff-Mess-Sonde (schematisch) Die Sonde muss soweit wie möglich der gleichen Temperatur und Atmosphäre ausgesetzt sein wie die zu behandelnde Ofencharge; d. h. die Messspitze der Sonde sollte in der Nähe der Werkstücke platziert werden. Dies ist nicht immer möglich, so dass geeignete Korrekturen vorgenommen werden müssen. Bei der Sauerstoffsonde handelt es sich um ein Messmittel mit hoher Auflösung und hoher Ansprechempfindlichkeit. Aufgrund der geringen elektrischen Ausgangsleistung der Sonde sind die Anforderungen an die Verarbeitung der Messwerte hoch. Die Güte der Messung hängt von der Spezifikation der Eingangsschaltung des angeschlossenen Mess- und Regelgerätes ab. Fehler, die an der Sonde auftreten können, sind beispielsweise: • fehlerhafte Referenzluftversorgung • fehlerhafte Temperaturerfassung • Störungen der Elektrodenfunktion durch Belag mit z. B. Ruß oder Wasch-, Isolier-, Konservierungs-, Kühlschmiermittel-Rückständen • Bruch der Keramik z. B. durch Thermoschock, mechanische Zerstörung und/ oder Schwingungen Bei korrektem Einbau erfordert eine Sauerstoffsonde nur geringen Wartungsaufwand. Eine Verifizierung der Messung mit Bezug auf die Messgröße p O2 ist im Betrieb technisch nicht möglich. Üblich ist eine zyklische Überprüfung der abgeleiteten Größen und ein daraus resultierender Abgleich der Berechnung, z. B. mit einer Folienprobe beim Aufkohlen. Um Messfehler z. B. durch Rußbelag in Atmosphären nahe der Rußgrenze zu vermeiden, wird die Sonde periodisch mit Luft beaufschlagt, die an der Außenseite der Messkeramik vorbeigeleitet wird und zu einem kontrollierten Rußabbrand führt. 63522_Liedtke_SL3a.indd 166 63522_Liedtke_SL3a.indd 166 16.06.2021 14: 36: 25 16.06.2021 14: 36: 25 <?page no="182"?> 2.3 Messen, Steuern und Regeln 167 167 Bild 2-34: Handelsübliche Sauerstoff-Messzellen (Process-Electronic) Die Lebensdauer ist abhängig von den Betriebsbedingungen und kann bei bestimmungsgemäßem Gebrauch, regelmäßiger Wartung und Ersatz von Verschleißteilen mehr als 5 Jahre betragen. In Bild 2-34 sind handelsübliche Sauerstoff-Messzellen abgebildet. 2.3.2.3.1.3 Schüttelflasche Mit der Schüttelflasche lässt sich der Ammoniakgehalt eines Prozessgases bestimmen. Das Messen erfolgt außerhalb des Reaktionsraums. Das Messgas muss an einer für das Verfahren repräsentativen Stelle entnommen werden. Die Entnahmestelle kann von Anlage zu Anlage variieren; in der Regel wird das Gas kurz vor der Abgasfackel entnommen. Eine einfache und problemlose Methode, mit der Nitrier- und Nitrocarburieratmosphären stichprobenartig kontrolliert werden können, ist die Verwendung einer so bezeichneten Schüttelflasche, siehe Bild 2-35. Das Messprinzip beruht auf der Eigenschaft von NH 3 , sich vollständig in Wasser zu lösen. Das Gas wird durch einen Glaskolben geleitet. Ist der Kolben vollständig mit Messgas gefüllt, wird er oben verschlossen. Der untere Zugang des Kolbens wird von der Messgasleitung auf einen Wasserbehälter umgeschaltet. Das im Messgas vorhandene NH 3 löst sich im Wasser und der dadurch frei werdende Raum füllt sich mit Wasser auf. Der NH 3 -Gehalt des Messgases kann an der Höhe der Wassersäule direkt abgelesen werden. 63522_Liedtke_SL3a.indd 167 63522_Liedtke_SL3a.indd 167 16.06.2021 14: 36: 26 16.06.2021 14: 36: 26 <?page no="183"?> 168 2 Verfahrensdurchführung 168 Der Aufwand für das Messen ist gering. Die Bedienung ist schnell erlernbar und einfach durchführbar. Bei pfleglichem Umgang ist die Schüttelflasche nahezu unbegrenzt haltbar. Bild 2-35: Schüttelflasche zum Messen des Ammoniakgehalts Achtung! Bei hohem Feuchtegehalt des Messgases treten Fehler auf! Die Größe der Messfehler kann mit Hilfe von Bild 2-36 ermittelt werden. Beträgt z. B. die Wassertemperatur 20 °C, der Wasserdampfanteil im Reaktionsgas 6,2 Vol-% und der mit der Schüttelflasche ermittelte Ammoniakanteil 40 Vol-%, ergibt dies nach Bild 2-36 einen tatsächlichen NH 3 -Anteil im Ofengas von 36 Vol-%. Bild 2-36: Ermittlung des Messfehlers beim Messen mit der Schüttelflasche 63522_Liedtke_SL3a.indd 168 63522_Liedtke_SL3a.indd 168 16.06.2021 14: 36: 26 16.06.2021 14: 36: 26 <?page no="184"?> 2.3 Messen, Steuern und Regeln 169 169 2.3.2.3.1.4 Wärmeleitfähigkeits-Messgeräte Die Messmethode beruht auf der spezifischen Wärmeleitfähigkeit der verschiedenen Gase. Dabei ist ein selektives Messen einer Gaskomponente nicht möglich, sondern es wird immer die Leitfähigkeit eines Gasgemisches ermittelt, vgl. hierzu Bild 2-37. Zum Messen des Prozessgases muss das Messgas an einer repräsentativen Stelle aus dem Reaktionsraum entnommen werden. Die Entnahmestelle kann von Anlage zu Anlage variieren. Verfälschungen sind aufgrund von Nebenreaktionen, z. B. der Verschiebung des Wassergasgleichgewichts, wenn das Gas auf dem Weg von der Entnahmestelle zum Analysator eine Temperaturänderung erfährt, nicht auszuschließen. In der Praxis wird aus der gemessenen Leitfähigkeit auf den Wasserstoffgehalt geschlossen, weil sich die Wärmeleitfähigkeit von Wasserstoff deutlich von anderen Gaskomponenten unterscheidet. Die Geräte sind auf bestimmte Messbereiche festgelegt. Der gewünschte Messbereich muss bei der Bestellung angegeben werden und ist möglichst klein zu wählen, um eine hohe Genauigkeit der Messwerte zu erhalten. Bild 2-37 Relative Wärmeleitfähigkeit von Gasen Messwerte von Gasgemischen, die aus mehr als zwei Komponenten zusammengesetzt sind, können mit einem Fehler in der Größenordnung von ± 1 % bis ± 2 %, bezogen auf den jeweiligen Messwert, behaftet sein. Zum sicheren Betrieb ist ein regelmäßiges Überprüfen mit Hilfe von Kalibriergasen notwendig, siehe dazu entsprechende Angaben des Messgeräte-Herstellers. Der Messgasdurchfluss muss konstant sein. Bei Geräten ohne integrierte Messgaspumpe ist eine externe Pumpe vorzusehen. Um entnahmespezifische Messfehler zu vermeiden, sollte die Messleitung beheizt werden, um Kondensation von Wasserdampf und/ oder Feststoffausscheidungen von Carbonaten, Ruß etc. weitgehend auszuschließen. Zum Schutz des Analysators muss ein Filter vor dem Messgaseingang installiert werden. Dieses ist regelmäßig zu reinigen. Sonderausführungen werden direkt an die Anlage angeflanscht und werden ohne Zwischenschalten von Filtern und Abscheidern betrieben. Die Lebensdauer ist wartungsabhängig und beträgt etwa 5 bis 10 Jahre. 63522_Liedtke_SL3a.indd 169 63522_Liedtke_SL3a.indd 169 16.06.2021 14: 36: 26 16.06.2021 14: 36: 26 <?page no="185"?> 170 2 Verfahrensdurchführung 170 2.3.2.3.1.5 Taupunktmessgeräte Der Taupunkt eines Prozessgases wird außerhalb des Reaktionsraums gemessen. Das Messgas muss an einer für das Verfahren repräsentativen Stelle entnommen werden. Die Entnahmestelle kann von Anlage zu Anlage variieren. Verfälschungen sind aufgrund von Nebenreaktionen wie der Wassergasreaktion nicht auszuschließen, wenn das Gas auf dem Weg von der Entnahmestelle zum Messgerät eine Temperaturänderung erfährt. a) Messmethode: Feuchtegeber Die Messung basiert auf der Eigenschaft von z. B. Lithiumchlorid, Alkalibromid und Alkalichlorid, Wasser aufzunehmen, wodurch sich ihre elektrische Leitfähigkeit ändert. Ein mit den genannten Stoffen versehener Träger isoliert zwei Elektroden. Nehmen die auf den Träger aufgebrachten Stoffe aus dem Messgas Feuchtigkeit auf, kommt es zwischen den beiden Elektroden zu einem Stromfluss. Dieser erwärmt den Träger und die Feuchtigkeit wird dadurch wieder verdampft. Damit stellt sich eine Gleichgewichtstemperatur ein, die ein Maß für den Feuchtegehalt des Messgases darstellt. Daraus wird der Taupunkt τ p errechnet. Bei dieser Methode handelt es sich um ein kontinuierliches Messen, das auch zum automatischen Regeln eingesetzt werden kann. Der Messbereich liegt in der Praxis zwischen -20 °C und +20 °C. Taupunkttemperaturen von bis zu -40 °C sind wegen der dabei auftretenden langen Einstelldauer nicht sinnvoll messbar. Durch Verunreinigungen des Messfühlers und/ oder falsch gemessener Gleichgewichtstemperatur können Fehler auftreten. Der Aufwand ist relativ gering. Ein regelmäßiges Befeuchten des Messfühlers nach Bedienungsanleitung ist notwendig. Die Bedienung ist schnell erlernbar. Die Lebensdauer ist wartungsabhängig und beträgt etwa 5 bis 10 Jahre. b) Kondensations-Messmethode Mit der Kondensationsmethode kann der Taupunkt eines Reaktionsgases direkt gemessen werden. Dabei wird das Messgas über einen Spiegel geleitet, der solange gekühlt wird, bis Wasserdampf auf der Spiegeloberfläche kondensiert, was visuell beobachtet wird. Die Temperatur, bei welcher der Niederschlag entsteht, ist die Taupunkttemperatur oder kurz der Taupunkt τ p . Geräte, die nach dieser Methode arbeiten, sind Geräte, mit denen nicht kontinuierlich gemessen werden kann und die meist zum Überprüfen anderer Messmethoden benutzt werden. Jedoch gibt es auch Geräte, mit denen kontinuierlich gemessen werden kann. In Bild 2-38 ist der schematische Aufbau eines Spiegelmessgeräts dargestellt; Bild 2-39 zeigt ein handelsübliches Taupunkt-Spiegel-Messgerät, auch dewchecker genannt. Der Messbereich liegt zwischen -40 °C und +20 °C. Spezielle Geräte für Stichprobenmessungen können, unter Verwendung von Kühlflüssigkeiten, bis zu -70 °C messen. 63522_Liedtke_SL3a.indd 170 63522_Liedtke_SL3a.indd 170 16.06.2021 14: 36: 26 16.06.2021 14: 36: 26 <?page no="186"?> 2.3 Messen, Steuern und Regeln 171 171 Bild 2-38: Aufbau eines Taupunkt-Spiegel-Messgeräts (schematisch) Bild 2-39: Taupunkt-Messgerät (dew-checker) für diskontinuierliches Messen Die Genauigkeit des Verfahrens liegt bei 1 °C. Fehler können infolge falscher Temperaturmessungen, subjektive Fehler durch den Beobachter bei den Stichprobengeräten und die Genauigkeit der Abtastmechanismen auftreten. Weitere Fehlermöglichkeiten sind Undichtheiten in der Messgasleitung oder im Messgerät sowie Rußablagerungen. Die Bedienung ist bei ausreichender Genauigkeit einfach. Die Geräte sind robust ausgeführt und unempfindlich gegenüber korrosiven Bestandteilen im Gasgemisch. 63522_Liedtke_SL3a.indd 171 63522_Liedtke_SL3a.indd 171 16.06.2021 14: 36: 27 16.06.2021 14: 36: 27 <?page no="187"?> 172 2 Verfahrensdurchführung 172 Die Lebensdauer ist wartungsabhängig und beträgt etwa 5 bis 10 Jahre. 2.3.2.3.1.6 Wasserstoff-Partialdruck-Messgerät Der Wasserstoff-Partialdruck kann mit dem als Hydronit® bezeichneten Gerät direkt gemessen werden. In Bild 2-40 sind der konstruktive Aufbau und das Wirkprinzip dargestellt. Bild 2-41 zeigt einen handelsüblichen Hydronit-Sensor. Bild 2-40: Prinzip des HydroNit®-Sensors / Loh01/ Bild 2-41: Handelsüblicher Hydronit-Sensor (Ipsen) Das Messrohr besteht aus einem Material, das eine selektive Durchlässigkeit für Wasserstoff besitzt. Dadurch entsteht ein Druckausgleich zwischen dem Partialdruck des Wasserstoffs in der Ofenatmosphäre und dem Inneren des zunächst evakuierten Messrohrs. Mit einem Druckaufnehmer wird der sich einstellende Partialdruck des Wasserstoffs gemessen. Er entspricht unter Berücksichtigung des Drucks im Ofenraum der Volumenkonzentration des Wasserstoffs. Daraus ergibt sich der zum Berechnen der Zusammensetzung der Ofenatmosphäre erforderliche Kennwert / Loh99/ , / Loh01/ . 63522_Liedtke_SL3a.indd 172 63522_Liedtke_SL3a.indd 172 16.06.2021 14: 36: 27 16.06.2021 14: 36: 27 <?page no="188"?> 2.3 Messen, Steuern und Regeln 173 173 2.3.2.3.2 Regeln der Atmosphärenzusammensetzung Die Zusammensetzung der Ofenatmosphäre wird über Art und Menge der zugegebenen Gase geregelt. Zielgrößen dabei sind die Atmosphärenkenngrößen, wie C-Pegel, Nitrierkennzahl usw., siehe 2.3.2.2. Stellglieder sind Ventile oder Durchflussmengenregler. Es ist zu unterscheiden zwischen Systemen mit manueller und automatisch geregelter Einstellung. Im ersten Fall sind die maximalen Durchflüsse über manuell eingestellte Handventile vorgegeben und der eigentliche Mengenbedarf wird über das Öffnen und Schließen von Sperrventilen geregelt. Im zweiten Fall wird der erforderliche Durchfluss stufenlos mit Motorstellventilen oder Proportionalventilen eingestellt. Bild 2-42: Begasungsstation an einem Mehrzweckkammerofen (IWT) 2.3.2.4 Gasmengen Bei vielen thermochemischen Prozessen ist es erforderlich, den Durchfluss der Gase zu messen und zu regeln. So kann ein gezieltes Regeln der Gaszusammensetzung beim Gasaufkohlen den Prozess beschleunigen und gleichzeitig den Gasverbrauch erheblich verringern. Beim Niederdruckaufkohlen ist die Menge des zugegebenen Kohlenwasserstoffes prozessentscheidend, eine zu geringe Einleitung führt zu ungleichmäßigem Aufkohlen in der Charge. Zuviel Kohlungsgas kann zu Ruß bzw. Verschmutzung mit teerähnlichen Reaktionsprodukten führen. Bei allen Nitrierprozessen, bei denen nur eine oder zwei Gaskomponenten im Ofen oder im Ofenabgas gemessen werden, muss zum Ermitteln der Atmosphärenkennwerte eine Berechnung durchgeführt werden, welche die Kenntnis der Menge der eingeleiteten Gase erfor- 63522_Liedtke_SL3a.indd 173 63522_Liedtke_SL3a.indd 173 16.06.2021 14: 36: 28 16.06.2021 14: 36: 28 <?page no="189"?> 174 2 Verfahrensdurchführung 174 dert. Plasmaprozesse benötigen ebenso definierte Gasmengen und Mischungsverhältnisse zum Absichern des Behandlungsergebnisses. Darüber hinaus ermöglichen das Überwachen des Gasverbrauchs und der Vergleich der Verbrauchs ähnlicher Chargen Rückschlüsse auf den Anlagenzustand und den Oberflächenzustand der Charge und sind damit ein Hilfsmittel, um den Prozess abzusichern. Ein schleichender Anstieg im Ammoniakverbrauch beim Gasnitrieren kann z. B. ein Indikator für eine Veränderung der Retortenbeschaffenheit sein. Abweichungen des spezifischen Gasverbrauchs eines Prozesses bei sonst gleichen Prozessbedingungen können auch auf einen Fehler der Sensorik zurückzuführen sein. 2.3.2.4.1 Messen der Gasdurchflussmengen Gasdurchflüsse können nach unterschiedlichen Methoden gemessen werden, siehe hierzu Tabelle 2-37. Tabelle 2-37: Messprinzipien für Gasdurchflüsse Methode Messgröße Schwebekörper Volumenstrom Thermische Verfahren Massenstrom Druckdifferenzmessung Volumenstrom Ultraschallmessung Massenstrom Vortex-Wirbelablösung Volumenstrom a) Das Schwebekörper-Prinzip Beim Messen mit einem Schwebekörper wird ein senkrecht stehendes, sich in Strömungsrichtung aufweitendes Rohr verwendet, in dem sich ein Schwebekörper senkrecht frei bewegen kann. Bild 2-43: Durchflussmesser nach dem Float-Prinzip (aus Wikipedia) 63522_Liedtke_SL3a.indd 174 63522_Liedtke_SL3a.indd 174 16.06.2021 14: 36: 28 16.06.2021 14: 36: 28 <?page no="190"?> 2.3 Messen, Steuern und Regeln 175 175 Die Höhe, um welche der Schwebekörper im Rohr angehoben wird, ist ein Maß für den Durchfluss, der auf unterschiedliche Weise zur Anzeige gebracht wird, siehe Bild 2-43. Hinweis: Durchflussmessgeräte, die nach dem Schwebekörperprinzip arbeiten, sind druck- und medienabhängig. Bei der Bestellung muss dies unbedingt angegeben werden. b) Thermisches Messverfahren Bei diesem Messverfahren wird das Gas durch ein Rohr geleitet, in dem sich in Durchflussrichtung hintereinander ein Thermoelement (TE 1 ), eine Heizung und ein weiteres Thermoelement (TE 2 ) befinden, vgl. Bild 2-44. Der Anstieg der Temperatur (TE 2 ) des vorbeiströmenden Mediums durch die Heizung verglichen mit der Ausgangstemperatur (TE 1 ) bzw. die Heizleistung, die benötigt wird, um einen bestimmten Temperaturanstieg einzustellen, ist ein Maß für den Massenstrom eines Gases mit bekannter thermischer Leitfähigkeit. Bild 2-44: Thermisches Messverfahren (aus Wikipedia) Bei größeren Durchflussmengen kann, um die Messunsicherheit zu verringern, auch in einer Kapillare als Bypass, die einen kleinen Teil des Gasstroms abzweigt, gemessen werden. Hinweis: Thermische Durchflussmessgeräte müssen auf die Leitfähigkeit des zu messenden Mediums kalibriert sein. Auch wenn bei der Messung des Massenstroms der Druck kompensiert wird, sind die Messgeräte in der Praxis dennoch für einen bestimmten Druckbereich ausgelegt. Bei der Bestellung sind Medium und Druckbereich unbedingt anzugeben. Der Volumenstrom eines Gases kann ebenfalls über eine Messung einer Druckdifferenz erfolgen. Unterschieden werden hier zwei Bauformen: das Staurohr und die Blende. Das Messen mit einem Staurohr wird bei sehr hohen Strömungsgeschwindigkeiten bzw. bei heißen Medien angewendet. Das Gas wird dabei durch ein Rohr geleitet, in dessen Innerem sich ein weiteres, kleineres Rohr mit einer definierten kleinen Öffnung befindet. In letzterem bildet sich ein Staudruck, der gemessen wird. Eine zweite Messung ermittelt den Druck in der eigentlichen Gasleitung, dem äußeren Rohr, siehe Bild 2-45. Die Druckdifferenz ist ein Maß für die Geschwindigkeit des vorbeiströmenden Mediums. Die Geschwindigkeit und die Abmessung des äußeren Rohres ergeben den Volumenstrom des Gases. 63522_Liedtke_SL3a.indd 175 63522_Liedtke_SL3a.indd 175 16.06.2021 14: 36: 28 16.06.2021 14: 36: 28 <?page no="191"?> 176 2 Verfahrensdurchführung 176 c) Differenzdruck-Methode Bild 2-45: Differenzdruck-Methode (aus Wikipedia) Sind Gasdurchflüsse unter normalen Bedingungen, d. h. nicht zu hohe Temperatur und keine starke Strömung zu messen, genügt es häufig, im Messrohr eine Blende einzufügen und den Druckabfall an der Blende mit einer Differenzdruckmessung zu erfassen. Wie bei der Messung in einem Staurohr ist hier die Druckdifferenz proportional zur Strömungsgeschwindigkeit. Daraus lässt sich die Durchflussmenge bestimmen. Hinweis: Die Differenzdruckmessung über einer Blende wird häufig eingesetzt, um einen Mindestdurchfluss sicherzustellen. Hierbei dürfen nur zugelassene Druckmessgeräte verwendet werden. d) Ultraschall-Methode Zum Messen hoher Durchflüsse, wie z. B. in Versorgungsleitungen, aber auch bei heißen Medien, kann der Durchfluss mittels Ultraschall gemessen werden. Dabei wird ein Ultraschallsignal durch das strömende Gas geschickt, und zwar einmal in Strömungsrichtung und einmal entgegengesetzt. Dabei ergibt sich aus der Differenz der unterschiedlichen Laufzeiten des Ultraschalls die Strömungsgeschwindigkeit. Eine andere Möglichkeit bietet das Driftverfahren, bei dem Ultraschall senkrecht zur Strömung durch das Medium gesendet wird. Messaufnehmer auf der gegenüberliegenden Seite messen nun die Ablenkung des Signals in Strömungsrichtung. Die Verteilung der Ablenkung ist damit ein Maß für die Geschwindigkeit. e) Vortex-Prinzip Beim Messen nach dem Vortex-Prinzip, befindet sich im Gasfluss ein Störkörper, der in der Strömung Wirbel verursacht. Diese werden hinter dem Störkörper als Druckstöße mit einem Piëzokristall gemessen. Die Frequenz der Druckstöße, d. h. die Anzahl abgelöster Wirbel pro Zeiteinheit ist ein Maß für die Strömungsgeschwindigkeit. 63522_Liedtke_SL3a.indd 176 63522_Liedtke_SL3a.indd 176 16.06.2021 14: 36: 29 16.06.2021 14: 36: 29 <?page no="192"?> 2.3 Messen, Steuern und Regeln 177 177 f) Einsatz von Messgeräten in Begasungsstationen In der Praxis werden hier die Durchflussmengen meist optisch erfasst. Dabei kommen Geräte mit Schwebekörper zum Einsatz. In seltenen Fällen wird der Durchfluss über ein elektronisches Signal an einem übergeordneten System zur Anzeige gebracht. Hinweis: einige Vorschriften, speziell im Luft- und Raumfahrtbereich, verlangen, dass neben der Signalerfassung und -übertragung bei einer Langzeitaufzeichnung der Durchfluss ebenfalls an der Anlage ablesbar sein muss. Deshalb ist es zur besseren Visualisierung des Durchflusses zweckmäßig, einen zusätzlichen Strömungsmesser mit Schwebekörper einzusetzen. g) Überwachung von Mindestdurchflüssen Bei Spülvorgängen muss aus sicherheitstechnischen Gründen ein Mindestdurchfluss des Spülgases sichergestellt sein. Hierzu können z. B. induktive Messaufnehmer eingesetzt werden, welche die Position des Schwebekörpers abfragen oder auch eine Differenzdruckmessung an einer Blende vorgenommen werden. Hinweis: Sicherheitskreise sollten grundsätzlich mit einer Hardware versehen und redundant ausgelegt werden, die einfache Abfrage eines elektronisch übermittelten Messwertes genügt hierfür nicht. 2.3.2.4.2 Regelung der Gasdurchflussmengen Durchflussregler sind Durchflussmesser, die mit einer Regelelektronik gekoppelt sind und über ein Proportionalventil den Gasdurchfluss einstellen können. Vorteil beim Einsatz dieser Geräte ist, dass ein Programmregler bzw. eine Anlagensteuerung einen Sollwert vorgeben kann, und dieser vom Gerät automatisch eingestellt wird. Dabei werden Druckschwankungen weitgehend automatisch ausgeregelt. Zusätzlich kann der aktuelle Durchfluss als Istwert zurückgeführt werden. Je nach Messprinzip spricht man auch von Massendurchflussreglern; sie bieten den Vorteil eines größeren Druckbereichs. Hinweis: Proportionalventile bzw. Durchfluss- und Massendurchflussregler, die kein zusätzlich eingebautes Magnetventil haben, sind zum Absichern von Medien im Sinne der Betriebssicherheit nicht zugelassen. Damit muss z. B. die 750 °C-Freigabe von Trägergas und Zusatzgasen beim Aufkohlen oder auch die Luft-Gas-Verriegelung beim Nitrieren/ Nitrocarburieren über geeignete Magnetventile erfolgen, die auch bei Stromausfall über den Vordruck sicher schließen (siehe Sicherheitstechnische Empfehlungen / AWT99/ . 2.3.2.5 Druck Für den Betrieb thermochemischer Anlagen ist auch die Überwachung des Ofendrucks notwendig. Dabei wird zunächst unterschieden, ob dies aus sicherheitstechnischen Gründen erforderlich ist oder ob der Druck ein maßgebender Prozessparameter ist. 63522_Liedtke_SL3a.indd 177 63522_Liedtke_SL3a.indd 177 16.06.2021 14: 36: 29 16.06.2021 14: 36: 29 <?page no="193"?> 178 2 Verfahrensdurchführung 178 Es gilt: Relativdruck oder Differenzdruck = Umgebungsdruck minus Ofeninnendruck Absolutdruck = Gesamtdruck Grundsätzlich wird entweder der Relativdruck oder der Absolutdruck gemessen. Anlagen zum Gasaufkohlen und Gasnitrieren werden mit einem Druck von einigen Millibar über dem Umgebungsdruck betrieben, damit keine Außenluft in den Ofen eindringt. Zum Messen und Absichern dieses Überdrucks werden Relativdruckmessgeräte bzw. -druckschalter verwendet, die bei Unterschreiten einer vorgegebenen Druckdifferenz ansprechen. Zusätzlich bieten gasdichte Anlagen die Möglichkeit zum Evakuieren, um einen Gaswechsel zu beschleunigen. In diesem Fall wird der Absolutdruck in der Anlage gemessen. In Vakuumöfen, Plasmaanlagen oder Niederdruck-Aufkohlungsbzw. -Nitrieranlagen ist der Druck eine Prozessgröße, die während der Behandlung geregelt wird. Das gilt ebenfalls für Anlagen, die im Überdruckbereich arbeiten, wie Hochdrucknitrieranlagen. 2.3.2.5.1 Druckmessung Welches Messverfahren zum Messen des Drucks eingesetzt werden kann, hängt zunächst davon ab, ob Differenzdruck oder Absolutdruck gemessen werden soll. Im letzteren Fall ist der erforderliche Messbereich maßgebend, vgl. Tabelle 2-38. Tabelle 2-38: Übersicht über die Art der Druckmessung bei den verschiedenen Diffusionsprozessen und Prozessschritten Anlage Prozessschritt Art der Druckmessung Gasaufkohlen Gesamtprozess Relativ Gasnitrieren Nitrieren Evakuieren Absolut Vakuum Prozess Druckausgleich Relativ Plasma Prozess Absolut Druckausgleich Relativ Hochdrucknitrieren Gesamtprozess Absolut Druckausgleich Relativ a) Relativdruck Zum Messen des Relativdrucks kommen typischerweise drei Methoden zum Einsatz: 1. Geht es nur um eine Anzeige des Ofendrucks, kann dieser am einfachsten mit Hilfe eines U-Rohr-Flüssigkeitsmanometers erfasst werden. Hierbei wird ein zumeist 63522_Liedtke_SL3a.indd 178 63522_Liedtke_SL3a.indd 178 16.06.2021 14: 36: 30 16.06.2021 14: 36: 30 <?page no="194"?> 2.3 Messen, Steuern und Regeln 179 179 U-förmiges Glasrohr ca. zur Hälfte mit Flüssigkeit gefüllt. Das Rohr wird auf der einen Seite mit dem Ofeninneren verbunden, auf der anderen Seite ist es offen zur Umgebung. Druckdifferenzen zwischen dem Ofendruck und dem Umgebungsdruck verschieben die Flüssigkeitssäule in Richtung geringeren Drucks. Der Niveauunterschied ist ein Maß für die Druckdifferenz. Auf einer am Glas angebrachten Skala, die in mm oder in bar kalibriert ist, kann der Druck in mm-Wassersäule, mm-Quecksilber oder in bar abgelesen werden. Diese Messmethode kann jedoch nur für wenige Millibar Überdruck angewendet werden, nachdem z. B. ein Überdruck von 1 bar schon eine Verschiebung von Wasser um 10 Meter bedingt. 2. Die zweite gebräuchliche Messmethode ist das Membranmanometer. Hier wird eine Membran aus Gummi, Metall oder auch Keramik von der einen Seite mit dem Ofendruck, auf der anderen Seite mit dem Außendruck beaufschlagt. Durch die Druckdifferenz kommt es zu einer Biegung der Membran in Richtung geringeren Drucks. Diese Biegung kann auf unterschiedliche Art, mechanisch, kapazitiv, induktiv, piëzoresistiv oder mit Dehnungsmessstreifen erfasst werden. Kapazitive oder piëzoresistive Membranmanometer können auf Messbereiche von wenigen Millibar Überdruck bis zu mehreren hundert bar ausgelegt sein. Zum Messen hoher Relativdrucke wird dabei die Differenzdruckmessung angewendet. 3. Häufig findet man heute auch noch Federmanometer, bei denen die mechanische Auslenkung auf ein Zeigerwerk übertragen wird. Dabei wird das zu messende Medium in eine ovale oder gebogene, einseitig geschlossene Röhre eingeleitet, die sich bei erhöhtem Ofendruck verbiegt. Bei kostengünstigen Geräten ist der Messaufnehmer gegen die Ofenatmosphäre ungeschützt. Hierbei ist unbedingt darauf zu achten, dass der Sensor für die zu messenden Medien zugelassen ist. Mechanisch arbeitende Manometer, wie das Flüssigkeitsmanometer oder mechanisch abgegriffene Membranmanometer, können nur zur Anzeige verwendet werden. Um eine Druckschaltung oder eine Übertragung des Mess-Signals an ein Registrier- oder Regelsystem zu ermöglichen, kommen elektrisch bzw. elektronisch erfassende Systeme zum Einsatz. Hinweis: Bei Verwendung eines Druckschalters zum Absichern der Anlagensicherheit müssen unbedingt zugelassene Geräte eingesetzt werden (vgl. die Sicherheitstechnischen Empfehlungen für den Betrieb von Industrieöfen und Schutzgasatmosphären, April 1999, AWT-FA8). In Ländern, die amerikanischen Sicherheitsstandards folgen, wird anstelle eines Mindestdrucks oft ein Mindestgasdurchfluss eingestellt und abgesichert, siehe Kapitel 6. b) Absolutdruck Beim Messen des Absolutdrucks bestimmt ebenfalls die Anwendung, welche Methoden zum Einsatz kommen. Im Folgenden werden ausschließlich schnittstellenfähige Signalaufnehmer beschrieben, reine Anzeigegeräte können zur Prozesssteuerung nicht eingesetzt werden. 63522_Liedtke_SL3a.indd 179 63522_Liedtke_SL3a.indd 179 16.06.2021 14: 36: 30 16.06.2021 14: 36: 30 <?page no="195"?> 180 2 Verfahrensdurchführung 180 Soll der Druck in einem Bereich von wenigen Millibar bis zu mehreren bar gemessen werden, kommen, wie bei der Relativdruckmessung, Membran-Manometer zum Einsatz. Die Messmembran wird entweder direkt oder indirekt, z. B. über Öl, mit dem Anlagendruck beaufschlagt. Die Membran schließt eine evakuierte Messkammer, die damit einen Referenzdruck von Null ergibt. Der Abgriff erfolgt entweder piezoelektrisch oder kapazitiv. Soll im Vakuumbzw. im Unterdruckbereich gemessen werden, kommen je nach Druckbereich unterschiedliche Verfahren zum Einsatz, siehe Tabelle 2-39. Tabelle 2-39: Übersicht über die Verfahren zum Messen des Drucks im Unterdruckbereich Vakuum Druckbereich [mbar] Vakuummeter Messbereich [mbar] Grobvakuum 1000 bis 1 Membran-V. 0.1 bis 1500 Feinvakuum 1 bis 10 -3 Pirani-V. 10 -3 bis 1 / 1000 Hochvakuum 10 -3 bis 10 -7 Penning-V. Ionisations-V. 10 -9 bis 10 -2 Ultrahochvakuum < 10 -7 Übliche Messsysteme bieten auch Kombinationen der verschiedenen Messverfahren in einem Gerät an, um einen größeren Messbereich abdecken zu können. Die Wirkungsweise eines Membran-Vakuummeters ist im Abschnitt Relativdruck dargestellt. Kapazitive Membran-Vakuummeter können einen Messbereich von ca. 4 Dekaden abdecken. Die Messzelle kann damit so ausgelegt werden, dass sie im Bereich 10 -4 mbar bis 1 mbar bzw. 10 -3 mbar bis 0.1 mbar usw. messen kann. Pirani-Vakuummeter messen die Wärmeleitfähigkeit der Atmosphäre. Dabei wird ein Draht an eine Spannungsquelle angeschlossen und erhitzt. Die Temperatur des Drahtes ist von der Wärmeabgabe an das umgebende Gas abhängig. Gleichzeitig bestimmt die Temperatur aber auch den elektrischen Widerstand, dieser wird gemessen und auf die Leitfähigkeit umgerechnet. Nachdem die Wärmeleitfähigkeit eines Gasgemisches proportional zur Moleküldichte und diese proportional zum Druck sind, kann auf diesem Wege sehr einfach und effektiv der Druck ermittelt werden. Allerdings ist zu beachten, dass die Wärmeleitfähigkeit eines Gasgemisches von den Wärmeleitfähigkeiten und den prozentualen Anteilen der einzelnen Gase im Gemisch abhängen. Im Bereich von 10 -3 mbar bis 1 mbar bietet das Messverfahren eine gute Genauigkeit, oberhalb von 1 mbar kommt es jedoch zu erheblichen Abweichungen, wenn das Ofengas nicht der Kalibrierung der Messzelle entspricht. Als Kalibriergas wird zumeist Stickstoff oder Luft verwendet. Ionisations-Vakuummeter werden zum Messen im Hochvakuum verwendet. Eine konstante Gasentladung führt zu einem Ionenstrom, der gemessen wird. Dieser ist von der Dichte und Zusammensatzung des Gases abhängig. Bei den Heisskathoden- Systemen wird eine Heizwendel auf über 1000 °C aufgeheizt um die Gasentladung auszulösen, bei den Kaltkathoden-Systemen (Penning-Vakuummeter) wird dazu eine Spannung von über 1000 V angelegt. 63522_Liedtke_SL3a.indd 180 63522_Liedtke_SL3a.indd 180 16.06.2021 14: 36: 30 16.06.2021 14: 36: 30 <?page no="196"?> 2.3 Messen, Steuern und Regeln 181 181 Hinweis: Eine einfache Druckmessung an einer Vakuum- oder Plasmaanlage sagt nichts über deren Dichtheit aus. Hierzu ist unbedingt eine Leckprüfung erforderlich. 2.3.2.5.2 Druckregelung Die im Kapitel 1 beschriebenen Wärmebehandlungen bzw. Wärmebehandlungsschritte werden bei unterschiedlichem Druck durchgeführt. Die Höhe des Drucks im zeitlichen Verlauf ist für das Wärmebehandlungsergebnis maßgebend. Dabei können die Druckbereiche grob unterschieden werden in den Bereich Niederdruck, unterhalb von 1 atm, den Normal- oder Atmosphärendruck, wenige mbar über Umgebungsdruck und den Überdruck, der bis zu mehreren bar reichen kann. Hieraus ergibt sich die erforderliche Druckregelung. a) Regeln im Normaldruckbereich Die Diffusionsprozesse Aufkohlen, Carbonitrieren, Nitrieren und Nitrocarburieren werden üblicherweise bei einem Ofendruck durchgeführt, der wenige mbar über dem Umgebungsdruck liegt, um das Eindringen von Luft in den Ofen zu verhindern. Der Mindest-Ofendruck wird dabei durch Öffnen und Schließen eines Proportionalventils oder eine Blende im Gasauslass und die Zufuhr der Frischgase geregelt. Bei Unterschreiten des Mindestdrucks wird entweder das Proportionalventil gedrosselt oder die Frischgasmenge erhöht. Bei Versagen dieser Methode wird mit Stickstoff gespült. b) Regeln im Niederdruckbereich Das Niederdruckaufkohlen und -carbonitrieren ohne und mit Plasmaunterstützung wird üblicherweise im Bereich von 2 mbar bis 10 mbar, seltener bei höherem Druck durchgeführt. Die Druckregelung erfolgt hierbei über ein System, in das die Vakuumpumpe, Absperrventile und die Gaszufuhr eingebunden sind. Zum Niederdruckbereich gehört auch das Evakuieren des Ofens zum Zweck eines rascheren Gaswechsels bzw. zum Entfernen der mit dem Behandlungsgut in den Ofen eingebrachten Luft. Bei Erreichen des vorgegebenen Enddrucks, von z. B. 1·10 -2 mbar bis 1·10 -3 mbar, wird das Absperrventil im Gasauslass geschlossen und der Vakuumpumpensatz erforderlichenfalls abgeschaltet. Für Prozesse, bei denen ein so bezeichneter Teildruck oder Partialdruck erforderlich ist, wird das Regeln durch Stellventile vor dem Pumpensatz und gegebenenfalls durch ein Proportionalventil für die Gaseinleitung vorgenommen. c) Regeln im Überdruckbereich Im Überdruckbereich wird beim so bezeichneten Hochdruckabschrecken, z. B. nach dem Niederdruckaufkohlen, dem Niederdruckcarbonitrieren oder beim Hochdrucknitrieren gearbeitet. Dabei wird je nach Art des verwendeten Gases ein Druck von üblicherweise 6 bar bis 20 bar angewendet. Der Druck im Abschreckraum des Ofens wird durch ein Absperrventil im Einlass geregelt. Zur Sicherheit gegen zu hohen Überdruck ist ein Ablassventil angebracht. 63522_Liedtke_SL3a.indd 181 63522_Liedtke_SL3a.indd 181 16.06.2021 14: 36: 31 16.06.2021 14: 36: 31 <?page no="197"?> 182 2 Verfahrensdurchführung 182 2.4 Prozessführung Thermochemische Behandlungen erfordern im zeitlichen Verlauf eine geeignete Temperatur- und Atmosphärenführung. Die benutzten Prozessgase sind in der Regel gesundheitsschädlich, brennbar und giftig, was entsprechend berücksichtigt werden muss. Um eine möglichst gleichmäßige Zusammensetzung der Atmosphäre im Behandlungsraum und innerhalb des Behandlungsgutes zu erreichen, ist es erforderlich: • den Behandlungsraum des Ofens zweckentsprechend zu gestalten • den Gasstrom im Behandlungsraum des Ofens und durch die zu behandelnde Charge hindurch mit Hilfe von Gasleitzylinder, Ofenmuffel, Retorte entsprechend zu führen bzw. zu leiten • geeignete Umwälzeinrichtungen, z. B. Ventilatoren, zu benutzen • das Behandlungsgut in der Ofencharge zweckmäßig anzuordnen/ zu packen Darüber hinaus ist zu beachten, dass zwischen der Atmosphäre und der Ofenauskleidung, bzw. weiteren Einbauten sowie den in den Ofen eingeschleppten Verunreinigungen, Wechselwirkungen eintreten können, welche die Atmosphäre beeinflussen. Hierzu zählen z. B.: • eine ggf. zusätzliche katalytische Wirkung der Ofenwände, der Transport- und Chargiereinrichtungen • Speicherung von Gasresten in den Ofenwandauskleidungen • mögliche Reaktionen zwischen den Ofenwandauskleidungen und der Ofenatmosphäre • Isoliermittel auf den Werkstücken, die örtlich begrenzt behandelt werden sollen Auch der Oberflächenzustand der Werkstücke; d. h. Rückstände von Kühl- und Schmierstoffen, Reinigungs- und Konservierungsmitteln oder eingeschleppte Späne sowie Rückstände von Abschreckmitteln in den Chargiervorrichtungen können verdampfen und die Zusammensetzung der Atmosphäre beeinträchtigen. Aus Sicherheitsgründen müssen auch die den Behandlungsraum verlassenden Gase nach bzw. bei Verlassen des Ofens einer geeigneten Nachbehandlung zugeführt werden. Im Folgenden wird die Atmosphärenführung in den drei Abschnitten der Zeit- Temperatur-Folge der Wärmebehandlung: Erwärmen, Halten und Abkühlen für die einzelnen Verfahren beschrieben. Anlagenspezifische Gesichtspunkte sind bei den jeweiligen Anlagen im Kapitel 3 beschrieben. 2.4.1 Beschicken und Erwärmen Voraussetzung für den Erfolg thermochemischer Behandlungen ist bei satzweise beschickten Öfen eine geeignete Packweise der zu behandelnden Werkstücke in der Ofencharge. Hier kommt es nicht nur auf die Streubreite der Temperatur innerhalb des Behandlungsgutes, der Ofencharge, sondern auch darauf an, eine ungehinderte 63522_Liedtke_SL3a.indd 182 63522_Liedtke_SL3a.indd 182 16.06.2021 14: 36: 31 16.06.2021 14: 36: 31 <?page no="198"?> 2.4 Prozessführung 183 183 Durchströmung mit den gasförmigen Behandlungsmitteln und den zum Abkühlen oder Abschrecken benutzten Mitteln zu erreichen. Dies verlangt eine zweckentsprechende Packweise der zu behandelnden Werkstücke. Bei Kleinteilen, die in Körbe oder Siebe geschüttet werden, darf die Schütthöhe nicht zu hoch sein. Die Werkstücke dürfen sich nicht flächig berühren. Punktweise oder linienförmige Berührung ist meist jedoch nicht relevant für die angestrebte Aufkohlungs- oder Nitriertiefe. Lange schlanke Teile sollten so gestellt/ gehängt werden, dass sie sich bei lang dauernder Diffusionsbehandlungen und beim Abschrecken nicht verziehen. Bei plasmaunterstützten Prozessen und bei Niederdruckbehandlungen darf die Packungsdichte nicht zu hoch sein, um die Temperaturverhältnisse nicht zu beeinträchtigen. Gegebenenfalls sind hier die Empfehlungen der in Frage kommenden Anlagenhersteller zu beachten. Beim Beschicken einer Ofenanlage gelangt zusammen mit der Charge auch stets Luft und damit Sauerstoff in die Anlage. Hinsichtlich der Atmosphärenführung ist zwischen dem Einbringen des Behandlungsguts in einen kalten oder bereits erwärmten Behandlungsraum zu unterscheiden. Nachstehendes bezieht sich auf satzweise arbeitende Öfen. 2.4.1.1 Einbringen in den kalten Ofen Dies trifft meist auf das Nitrieren und Nitrocarburieren sowie das Aufkohlen großer Werkstücke zu. Nach dem Einbringen der Charge in die Ofenanlage erfolgt ein Evakuieren oder eine Sicherheitsspülung mit Stickstoff. Die Spülgasmenge sollte mindestens das 5-fache des Ofenvolumens betragen, so dass ein Sauerstoffrestgehalt von weniger als 0,2 Vol-% erreicht wird, vgl. Abschnitt 2.2.4. Es ist außerdem dafür zu sorgen, dass austretendes Gas abbrennt, so dass in der Umgebung kein explosibles Gasgemisch entstehen kann. Der Gasaustausch zum Einstellen des erforderlichen Atmosphärenzustands erfolgt beim Nitrieren und Nitrocarburieren ab etwa 150 °C, beim Aufkohlen und Carbonitrieren oberhalb der Zündgrenze, meist bei 750 °C. Das Erwärmen kann gegebenenfalls mit einem Voroxidieren kombiniert werden. 2.4.1.2 Einbringen in den warmen Ofen Dies betrifft meist das Aufkohlen und Carbonitrieren. Je nach Bauart des Ofens wird die Charge durch den brennenden Flammenschleier vor der Einfahrtstüre direkt in den Behandlungsraum oder in eine vom Behandlungsraum getrennte Vorkammer eingebracht. Nach Einfahren in die Heizkammer erniedrigt die kalte Charge die Ofentemperatur. Ist die Temperatur zur Freigabe der Atmosphärenregelung wieder erreicht, erfolgt nach einer Ausgleichdauer von wenigen Minuten die Zugabe des zum Regeln der Atmosphäre erforderlichen Prozessgases, z. B. Methan/ Erdgas oder Propan. Bei Öfen mit einer Vorkammer ist diese nach dem Einbringen der Charge und vor dem Einfahren in die Heizkammer zu spülen, um den eingedrungenen bzw. mit der Charge eingebrachten Luftsauerstoff zu verdrängen. Dies kann mittels Stickstoff oder 63522_Liedtke_SL3a.indd 183 63522_Liedtke_SL3a.indd 183 16.06.2021 14: 36: 31 16.06.2021 14: 36: 31 <?page no="199"?> 184 2 Verfahrensdurchführung 184 Gas aus der heißen Ofenkammer erfolgen. Die Spülgasmenge richtet sich nach den Angaben des jeweiligen Ofenherstellers. Wird mit Gas aus der heißen Ofenkammer gespült, muss die Begasungsmenge des heißen Ofens während des Spülens erhöht werden. Anschließend wird die Ofencharge in den Behandlungsraum transportiert. 2.4.1.3 Voroxidieren vor dem Nitrieren und Nitrocarburieren Die Beschaffenheit der Werkstückoberfläche ist beim Nitrieren wegen der niedrigeren Prozesstemperatur von größerer Bedeutung als beim Aufkohlen. So wirken sich Rückstände von Kühlschmierstoffen, Reinigungs- und Konservierungsmitteln, Nichteisenmetallreste, Beläge von Fremdstoffen und Passivierung durch Oxidation hemmend aus oder verhindern die Stickstoffaufnahme. Dementsprechend kommt der Sauberkeit der Oberfläche und dem Reinigen hohe Bedeutung zu. Allerdings wirkt nicht jede Oxidschicht hemmend, durch eine gezielte Voroxidation kann je nach Werkstoff auch eine Aktivierung der Oberfläche erreicht werden. Das Voroxidieren soll die Werkstückoberfläche aktivieren und kann entweder extern oder im Nitrier- oder Nitrocarburierofen erfolgen. Es erfolgt im Normalfall unter Luft bei 300 °C bis 350 °C. Es sollte nicht zu intensiv betrieben werden, um das Entstehen von zu dicken Oxidschichten zu vermeiden, die nach dem Nitrieren/ Nitrocarburieren abplatzen oder abgeschert werden können. Nach dem Voroxidieren muss eine Sicherheitsspülung erfolgen oder der Ofenraum evakuiert werden. 2.4.2 Halten 2.4.2.1 Nitrieren und Nitrocarburieren Beim Gasnitrieren ist Ammoniak der Stickstoffspender. Dazu werden in den Behandlungsraum Ammoniak bzw. Ammoniak und Stickstoff oder Ammoniak und Ammoniakspaltgas eingeleitet. Der Ofen wird ständig von Frischgas durchspült und der Austritt wird so eingestellt, dass im Behandlungsraum ein geringer Überdruck von wenigen mbar herrscht. Zum Oxinitrieren wird zusätzlich ein Sauerstoffspender z. B. Luft, benutzt. Beim Nitrocarburieren werden kohlenstoffhaltige Zusatzgase als Kohlenstoffspender eingeleitet. Beim Nitrocarburieren und Nitrieren hat es sich als vorteilhaft herausgestellt, in einer ersten Prozessstufe mit maximal möglicher Ammoniakmenge zu fahren, um möglichst rasch eine geschlossene Verbindungsschicht zu erzeugen. Dies hat den Vorteil homogener Nitrierbedingungen über die gesamte Werkstückoberfläche schon zu Prozessbeginn. Insbesondere bei kleiner Soll-Nitrierkennzahl wird so die Gefahr von Weichfleckigkeit verringert. Hierbei werden in dieser ersten Prozessphase ε-Carbonitride erzeugt, die sich bei einer anschließenden niedrigeren Nitrierkennzahl wieder in γ´-Nitride umwandeln können. Bei kurzer Prozessdauer und mit dem Ziel, eine reine γ´-Verbindungsschicht zu erzeugen, kann dies jedoch dazu führen, dass in der Verbindungsschicht Restanteile an ε-Nitrid vorhanden sind. 63522_Liedtke_SL3a.indd 184 63522_Liedtke_SL3a.indd 184 16.06.2021 14: 36: 32 16.06.2021 14: 36: 32 <?page no="200"?> 2.4 Prozessführung 185 185 2.4.2.2 Aufkohlen und Carbonitrieren Aufkohlungsatmosphären sind Reaktionsgasatmosphären und bestehen in der Regel aus einem Trägergasanteil, z. B. Endogas oder Methanol/ Stickstoff und einer Zusatzgaskomponente („Fettungsgas”), meistens Propan oder Erdgas, zum Einstellen des C-Pegels. Der C-Pegel von Aufkohlungsatmosphären ist nur erfolgreich regelbar, wenn eine ausreichende Menge an Trägergas zugeführt wird. Die Menge hängt von der Art und der Beschaffenheit des Ofens, dem Ofenvolumen, der Oberfläche der aufzukohlenden Werkstücke und der Aufkohlungstemperatur ab. Erfahrungswerte sind in Tabelle 2-40 genannt. Tabelle 2-40: Erfahrungswerte für die erforderliche Trägergasmenge je nach Ofenart Ofenart Stündlicher Gaswechsel Retorten-, Topföfen 2 bis 5-fach Kammeröfen 3 bis 7-fach Durchstoßöfen 1 bis 2-fach Die notwendige Zusatzgasmenge zum Einstellen des C-Pegels hängt von der Art des dafür verwendeten Kohlenstoffspenders ab. Dabei sind einmal die Kohlenstoffverfügbarkeit und zum anderen der bei der Kohlenstoffabgabe entstehende Wasserstoff, der den CO-Gehalt der Atmosphäre vermindert, zu berücksichtigen. Die Zugabe des Zusatzgases wird von der Regeleinrichtung in Abhängigkeit vom Kohlenstoffverbrauch bestimmt. Dies wird von der Temperatur und der aufzukohlenden Oberfläche bestimmt. Richtwerte für die benötigte Zusatzgasmenge bei der Auslegung der Gasversorgung sind Tabelle 2-41 zu entnehmen. Tabelle 2-41: Erforderliche Zusatzgasmengen zum Trägergas Art des Zusatzgases Zusatzgasmenge bezogen auf die Trägergasmenge in % Propan 1 bis 3 Erdgas 5 bis 7 Luft (C-Pegelabsenkung) ca. 10 Die vorstehend beschriebenen Zusammenhänge - insbesondere auch die Mengenangaben beziehen sich im Wesentlichen auf Gleichgewichtsverfahren mit extern erzeugtem Trägergas oder Stickstoff/ Methanol. Für Direktbegasungsverfahren sind die Hinweise der jeweiligen Prozessanbieter zu beachten. Beim Carbonitrieren wird Ammoniak als Stickstoffspender zugegeben, siehe Kapitel 1.1.2. Typische Mengen des Ammoniakzusatzes sind 3 % bis 10 % der Trägergasmenge. Aufkohlungsprozesse können bei gleichbleibender Temperatur oder unterschiedlicher Temperatur und mit konstantem oder unterschiedlichem C-Pegel durchgeführt werden. Man spricht dann z. B. von ein- oder mehrstufigem Aufkohlen. Die Aufkohlungsdauer kann dadurch verkürzt werden, dass in einem ersten Schritt mit einem 63522_Liedtke_SL3a.indd 185 63522_Liedtke_SL3a.indd 185 16.06.2021 14: 36: 32 16.06.2021 14: 36: 32 <?page no="201"?> 186 2 Verfahrensdurchführung 186 hohem und in einem nachfolgenden Schritt mit einem niedrigeren C-Pegel aufgekohlt wird / Wün68/ . 2.4.3 Abkühlen 2.4.3.1 Nitrieren und Nitrocarburieren Das langsame Abkühlen kann herab bis zu Temperaturen von ca. 300 °C unter Prozessgas erfolgen. Beim Nitrocarburieren ist dies sogar zu empfehlen, um ein Entsticken der Verbindungsschicht zu verhindern. Anschließend wird mit Stickstoff bis auf Raumtemperatur oder eine Werkstücktemperatur von höchstens 120 °C gekühlt, wobei die Spülgasmenge aus Sicherheitsgründen so bemessen werden muss, dass alle Reste an Wasserstoff und Ammoniak aus dem Ofen ausgespült werden, vgl. Abschnitt 2.2.3. Um Verfärbungen der Oberfläche durch Oxidation zu vermeiden, muss der benutzte Stickstoff frei von Sauerstoff sein, und es darf keine Luft in den Ofen eindringen. Vielfach wird dem Nitrocarburieren ein Oxidieren angeschlossen. Häufig ist dies mit dem Abkühlen kombiniert. Es ist üblich, das Oxidieren im Temperaturbereich zwischen ca. 500 °C und 300 °C durchzuführen. Dazu wird das Oxidationsmittel, üblicherweise Wasser, Wasserdampf oder Luft in die Behandlungs- oder Abkühlkammer eingeführt. Bei Verwendung von Wasser bzw. Wasserdampf gibt es dazu keine besonderen Sicherheitshinweise, da mit diesen Medien eine explosive Mischung mit Resten der Prozessatmosphäre nicht entstehen kann. Es ist wichtig, den Oxidationsprozess hinsichtlich Temperatur und Dauer so zu steuern, dass die Oxidschicht keine größere als die zweckmäßigerweise erforderliche Dicke erhält. 2.4.3.2 Aufkohlen und Carbonitrieren Es ist zu unterscheiden, ob das Abkühlen/ Abschrecken aus einem Ein- oder Mehrkammerofen bzw. ob ein Einfachhärten oder Direkthärten erfolgt. Bei Einkammeröfen verbleibt beim Einfachhärten die Aufkohlungscharge bei ausgeschalteter Heizung zum Abkühlen im Ofen. Dieser wird üblicherweise solange mit Trägergas gespült bis eine Temperatur von 750 °C, die kritische Zündgrenze, erreicht ist. Danach erfolgt das weitere Abkühlen mit Stickstoff auf eine Temperatur, bei der die Entnahme erfolgen kann. Ein Abschrecken der Charge aus Einkammeröfen ist aus Sicherheitsgründen nicht zweckmäßig. Bei Durchlauföfen fallen die Werkstücke durch einen Schacht in ein Abschreckbad. Bei Mehrzweckkammeröfen ist es üblich, die Charge zum Abkühlen oder Abschrecken entweder zurück in die Vorkammer, die meist als gekühlte Abkühlkammer ausgebildet ist, zu setzen oder in eine dem Behandlungsraum nachfolgend angeordnete Abkühlkammer durchzustoßen. Dort kann entweder abgekühlt oder in ein Abschreckbad zum Abschrecken abgesenkt werden. In Öfen mit integriertem Abschreckbad tritt nach dem Abtauchen der Charge immer ein Unterdruck auf. Dieser Unterdruck wird dadurch hervorgerufen, dass die Atmosphäre in der Kammer oberhalb des Abschreckbades rasch wieder abkühlt und dass 63522_Liedtke_SL3a.indd 186 63522_Liedtke_SL3a.indd 186 16.06.2021 14: 36: 32 16.06.2021 14: 36: 32 <?page no="202"?> 2.4 Prozessführung 187 187 während dieses Vorgangs die normale Zufuhr von Schutzbzw. Reaktionsgas zur Aufrechterhaltung des Betriebsdrucks nicht mehr ausreichend ist. Daher wird bei manchen Wärmebehandlungsanlagen mit Eintauchen der Charge in das Bad eine Stoßbegasung mit Stickstoff veranlasst, die dem Unterdruck entgegenwirkt. 63522_Liedtke_SL3a.indd 187 63522_Liedtke_SL3a.indd 187 16.06.2021 14: 36: 32 16.06.2021 14: 36: 32 <?page no="203"?> 188 3 Anlagentechnik 3.1 Einrichtungen zur Gasversorgung 3.1.1 Endogaserzeuger Der Endogaserzeuger ist ein Generator, in dem ein Gemisch aus Kohlenwasserstoffen und Luft mit katalytischer Unterstützung endotherm umgesetzt wird. In Bild 3-1 ist das Funktionsprinzip schematisch dargestellt, Bild 3-2 zeigt einen industriell üblichen Gasgenerator. Endogas wird als Trägergas für das Gasaufkohlen verwendet / Has07/ . Bild 3-1: Funktionsschema eines Endogasgenerators (Weissohn, Process-Electro nic) Im Reaktionsraum des Endogasgenerators, einer mit Nickeloxid als Katalysator gefüllten, von außen elektrisch oder mit Gas beheizten Retorte, wird Propan, Butan oder Erdgas bei einer Temperatur von 1000 °C bis 1100 °C unterstöchiometrisch verbrannt. Das Verbrennungsgas wird anschließend auf Raumtemperatur heruntergekühlt, um auf dem Weg in den Ofen Reaktionen zwischen den Gaskomponenten zu unterbinden. Das Mengenverhältnis von Kohlenwasserstoff zu Luft entspricht im Regelfall den in der Tabelle 3-1 angegebenen Werten. 63522_Liedtke_SL3a.indd 188 63522_Liedtke_SL3a.indd 188 16.06.2021 14: 36: 33 16.06.2021 14: 36: 33 <?page no="204"?> 3.1 Einrichtungen zur Gasversorgung 189 189 Tabelle 3-1: Mengenverhältnisse Kohlenwasserstoff zu Luft zum Erzeugen von Endogas Kohlenwasserstoff Mengenverhältnis KW: Luft Erdgas 1 : 2,4 bis 1 : 2,6 Propan 1 : 7,4 bis 1 : 8 Butan 1 : 9,5 bis 1 : 10 Bild 3-2: Endogasgenerator und Aufbau / Has07/ Für das chemische Umsetzen gelten die folgenden Beziehungen: bei Verwendung von Erdgas: 2·CH 4 + (O 2 + 4·N 2 ) → 2·CO + 4·H 2 + 4·N 2 (3-1) 1 m 3 + 2,39 m 3 → 1 m 3 + 2 m 3 + 1,89 m 3 dieses Endogas hat das 1,44-fache Volumen gegenüber den Ausgangsgasen (die entstehenden Anteile CO 2 und H 2 O sind in CO und H 2 eingeschlossen); bei Verwendung von Propan: 2·C 3 H 8 + 12·(O 2 + 4·N 2 ) → 6·CO + 8·H 2 + 4·N 2 (3-2) 1 m 3 + 7,18 m 3 → 3 m 3 + 4 m 3 + 5,68 m 3 dieses Endogas hat das 1,55-fache Volumen gegenüber den Ausgangsgasen (die entstehenden Anteile CO 2 und H 2 O sind in CO und H 2 eingeschlossen). Luft Propan Ofen 63522_Liedtke_SL3a.indd 189 63522_Liedtke_SL3a.indd 189 16.06.2021 14: 36: 33 16.06.2021 14: 36: 33 <?page no="205"?> 190 3 Anlagentechnik 190 Die Zusammensetzung der erzeugten Endogase ist in Tabelle 3-2 gegenübergestellt. Tabelle 3-2: Zusammensetzung der endotherm erzeugten Trägergase Ausgangsstoff CO-Anteil Vol-% H 2 -Anteil Vol-% N 2 -Anteil Vol-% Erdgas/ Methan 20,44 40,88 38,88 Propan 23,66 31,55 44,79 Die gewünschte Zusammensetzung kann entweder über den Taupunkt, den CO 2 - Gehalt oder den Sauerstoffgehalt des Endoträgergases geregelt werden. Bild 3-3: Zusammensetzung von Endogas, erzeugt aus Erdgas, in Abhängigkeit vom Verhältnis Luft/ CH 4 bei einer Reaktionstemperatur von 1000 °C In Bild 3-3 ist die Zusammensetzung von aus Erdgas hergestelltem Endogas in Abhängigkeit vom jeweiligen Luftanteil bei einer Reaktionstemperatur von 1000 °C und in Bild 3-4 für Endogas aus Propan dargestellt. Die Bilder 3-5 und 3-6 geben die Verhältnisse bei konstantem Luftanteil, bei Erdgas eine 2,55-fache Luftmenge, bei Propan eine 7,7-fache Luftmenge, jedoch in Abhängigkeit von der Temperatur wieder. 63522_Liedtke_SL3a.indd 190 63522_Liedtke_SL3a.indd 190 16.06.2021 14: 36: 34 16.06.2021 14: 36: 34 <?page no="206"?> 3.1 Einrichtungen zur Gasversorgung 191 191 Bild 3-4: Zusammensetzung von Endogas, erzeugt aus Propan, in Abhängigkeit vom Verhältnis Luft/ C 3 H 8 bei einer Reaktionstemperatur von 1000 °C Bild 3-5: Zusammensetzung von Endogas in Abhängigkeit von der Temperatur bei einem konstanten Verhältnis Luft : CH 4 = 2,55 : 1 63522_Liedtke_SL3a.indd 191 63522_Liedtke_SL3a.indd 191 16.06.2021 14: 36: 34 16.06.2021 14: 36: 34 <?page no="207"?> 192 3 Anlagentechnik 192 Bild 3-6: Zusammensetzung von Endogas in Abhängigkeit von der Temperatur bei einem konstanten Verhältnis Luft : C 3 H 8 = 7,7 : 1 Marktübliches Erdgas enthält je nach Herkunft weniger als 100 Vol-% Methan und vom Lieferanten wird nicht die Zusammensetzung, sondern der Heizwert garantiert. Dies gilt sinngemäß auch für marktübliches Propan, das ebenfalls Beimischungen anderer Stoffe enthalten kann. Dadurch kann es gegenüber den Gleichungen (3-1) und (3-2) zu geringen Abweichungen der Zusammensetzung des Endogases kommen. Die genaue Zusammensetzung der Ausgangsgase muss vom jeweiligen Gaslieferanten erfragt werden. Um die Streuung der Zusammensetzung der Ofenatmosphären zu minimieren, ist es zweckmäßig, die Zusammensetzung des Endogases zu regeln. Eine Vollanalyse des Endogases sollte regelmäßig vorgenommen und der Retortenvordruck kontrolliert werden. Die Wirkung des Katalysators verändert sich im Laufe der Betriebsdauer. Es ist daher zu empfehlen, dies durch regelmäßige Vollanalyse des Trägergases und Kontrolle des Vordrucks der Endoretorte zu kontrollieren. Bei steigendem Retortenvordruck sollte der Katalysator regeneriert werden. Führt dies zu keiner Verbesserung und steigt der Methangehalt des Endogases, sollte der Katalysator ausgewechselt oder regeneriert werden. Letzteres erfolgt durch ein kontrolliertes Ausbrennen 7 des Katalysators, wobei der abgelagerte Ruß verbrannt wird. 7 gemäß Bedienungsanleitung des Herstellers 63522_Liedtke_SL3a.indd 192 63522_Liedtke_SL3a.indd 192 16.06.2021 14: 36: 34 16.06.2021 14: 36: 34 <?page no="208"?> 3.1 Einrichtungen zur Gasversorgung 193 193 3.1.2 Direktbegasungsverfahren 3.1.2.1 Direktbegasung mit Kohlenwasserstoff-Luft-Gemischen Hier werden die zum Erzeugen des Trägergases notwendigen Gase direkt in den Ofen eingeleitet und bei mindestens 900 °C umgesetzt. Vorzugsweise wird Erdgas benützt. Durch Zugabe von Luft wird die Zusammensetzung des Trägergases geregelt. Da sich im Unterschied zum Generatorgas der CO-Gehalt in Abhängigkeit vom Gas-Luft-Verhältnis ändert, muss dieser zum Einstellen eines bestimmten C-Pegels zusätzlich gemessen werden. Zum Abschätzen der Zusammensetzung der Ofenatmosphäre können die Bilder 3-3 und 3-5 herangezogen werden. 3.1.2.2 Trägergas aus Methanol und Stickstoff Bei dieser Methode wird Methanol bei Prozesstemperatur in den Ofen eingeleitet. Dabei entstehen, bezogen auf Raumtemperatur und Normaldruck, aus 1 l flüssigem Methanol 1,67 m 3 Reaktionsgas. Dieses wird oberhalb von 800 °C im Verhältnis 1: 2 in 33,3 Vol-% Kohlenstoffmonooxid und 66,6 Vol-% Wasserstoff aufgespalten: CH 3 OH → CO + 2∙H 2 (3-3) Benutzt wird technisch reines Methanol mit Wassergehalten von 0,3 bis 0,5 Masse- %. Der Wasseranteil senkt zwar die Neigung zur Rußbildung, führt jedoch zu keiner stärkeren Randoxidation. Es sollte beachtet werden, dass nur Erstdestillat, also kein Recyclingmethanol, verwendet wird. Recyclingmethanol enthält oft Halogene aus Waschprozessen, die in den Ofenanlagen zu aggressiver Korrosion sowohl des Behandlungsgutes als auch an Ofenbauteilen führen können. Bild 3-7: Schema einer synthetischen Trägergaserzeugung Methanol-Versorgung Methanol-Tank Methanol-Pumpe LINbc Stickstoff-Versorgung N 2 -Tank Verdampfer Regeltafeln Luft Kohlungsgas Kohlungsgas Düsenlanze Ofen Ammoniak Methanol-Versorgung Methanol-Tank Methanol-Pumpe LINbc Stickstoff-Versorgung N 2 -Tank Verdampfer Regeltafeln Luft Kohlungsgas Kohlungsgas Düsenlanze Ofen Ammoniak Methanol-Versorgung Methanol-Tank Methanol-Pumpe Methanol-Versorgung Methanol-Tank Methanol-Pumpe LINbc Stickstoff-Versorgung N 2 -Tank Verdampfer Regeltafeln Luft Kohlungsgas Kohlungsgas Düsenlanze Ofen Ammoniak LINbc Stickstoff-Versorgung N 2 -Tank Verdampfer LINbc Stickstoff-Versorgung N 2 -Tank Verdampfer Regeltafeln Luft Kohlungsgas Kohlungsgas Düsenlanze Ofen Ammoniak Regeltafeln Luft Kohlungsgas Kohlungsgas Düsenlanze Ofen Ammoniak 63522_Liedtke_SL3a.indd 193 63522_Liedtke_SL3a.indd 193 16.06.2021 14: 36: 35 16.06.2021 14: 36: 35 <?page no="209"?> 194 3 Anlagentechnik 194 Durch Zugabe von Stickstoff lassen sich unterschiedliche Gaszusammensetzungen herstellen; üblicherweise werden 60 Teile gasförmiges Methanol mit 40 Teilen Stickstoff gemischt; daraus ergibt sich eine Gaszusammensetzung wie bei Endoträgergas aus Erdgas/ Methan. Das flüssige Methanol wird drucklos in ober- oder unterirdischen Tanks gelagert und über Pumpsysteme dosiert dem Prozess in der gewünschten Menge zugeführt. Bild 3-8: Schema einer Mischbatterie zum Erzeugen der Ofenatmosphäre durch Stickstoff-Methanol (Ipsen) 3.1.3 Ammoniak-Spaltgas-Erzeuger Ammoniak-Spaltgas wird beim Nitrieren und Nitrocarburieren als Zusatzgas benützt, um bei Aufrechterhaltung der Gasdurchflussrate die Nitrierkennzahl zu erniedrigen. Bei vollständiger Spaltung entstehen aus Ammoniak 25 Vol-% Stickstoff und 75 Vol- % Wasserstoff gemäß: 2∙NH 3 ↔ N 2 + 3∙H 2 (3-4) Der typische Aufbau eines Ammoniakspalters ist schematisch in Bild 3-9 dargestellt. 63522_Liedtke_SL3a.indd 194 63522_Liedtke_SL3a.indd 194 16.06.2021 14: 36: 35 16.06.2021 14: 36: 35 <?page no="210"?> 3.1 Einrichtungen zur Gasversorgung 195 195 Bild 3-9: Schematischer Aufbau eines Ammoniakspalters Flüssiges Ammoniak wird über einen Wärmetauscher geleitet, in dem es mit Hilfe der Wärme des heißen Spaltgases verdampft und in einer mit einem Katalysator gefüllten Retorte bei einer Temperatur von 850 °C bis 1000 °C aufgespalten wird. Dadurch verdoppelt sich das Volumen, so dass aus 1 kg flüssigem Ammoniak bei vollständiger Spaltung 2,6 m 3 Spaltgas entstehen. Das heiße Spaltgas wird dann nach Passieren des Wärmetauschers in den Ofen geleitet. Je nach Auslegung des Ammoniakspalters und der Temperatur können gewisse Anteile ungespaltenen Ammoniaks vorhanden sein. Bild 3-10 zeigt den Einfluss der Temperatur auf den Restammoniakgehalt. Bild 3-10: Restammoniakgehalt in Abhängigkeit von der Retortentemperatur 63522_Liedtke_SL3a.indd 195 63522_Liedtke_SL3a.indd 195 16.06.2021 14: 36: 35 16.06.2021 14: 36: 35 <?page no="211"?> 196 3 Anlagentechnik 196 3.2 Begasung der Öfen 3.2.1 Anlagen bei Normaldruck Für den Betrieb der Öfen werden Schutzund/ oder Reaktionsgase benötigt. Dazu ist die Ofenanlage mit einer Begasungseinrichtung ausgestattet, die folgende Funktionen erfüllen soll: • Bereitstellen der Ausgangsgase bzw. -gasgemische in erforderlicher Menge und mit erforderlichem Druck • Überwachen des Betriebsdrucks, der minimal erforderlichen und maximal zulässigen Volumenströme, um einen sicheren Anlagenbetrieb zu gewährleisten und gefährliche Betriebszustände zu vermeiden • Sicherheitsspülung mit Stickstoff bei gefährlichen Betriebszuständen oder Stromausfall Zweckmäßig ist die Anordnung der für das Begasen erforderlichen Armaturen und Geräte in der Nähe des Ofens, siehe Bild 3-11. Dadurch sind die Gaswege kurz und Überwachungs- und Regelungsfunktionen können so mit minimaler Totzeit ausgeführt werden . Bild 3-11: Gasleitstand an einem Mehrzweck-Kammerofen (IWT) Die technische Ausführung des Ofens und die Beschaffenheit der Charge des Behandlungsgutes bestimmen den Gasbedarf. Das zugeführte Frischgas sollte in unmittelbarer Nähe der Umwälzung in den Ofenraum eingeleitet werden, so dass es 63522_Liedtke_SL3a.indd 196 63522_Liedtke_SL3a.indd 196 16.06.2021 14: 36: 36 16.06.2021 14: 36: 36 <?page no="212"?> 3.2 Begasung der Öfen 197 197 sich gut mit dem vorhandenen Ofengas vermischt. Die Umwälzer sind meist an der Decke des Ofenraums angebracht. Bei Retortenöfen befinden sie sich je nach Bauform entweder im Retortendeckel oder am Retortenboden. Bei sehr großen Ofendurchmessern sind mehrere Umwälzer erforderlich. Werden flüssige Aufkohlungsmittel benutzt, ist es üblich, diese mit Hilfe von Stickstoff über eine mit Düsen versehene Lanze einzuleiten. Zweckmäßigerweise ist die Heizkammer oder die Retorte mit einer Gasleitmuffel ausgerüstet. Damit wird die Charge vor der direkten Wärmestrahlung durch die Strahlheizrohre geschützt. Außerdem kann die Gasströmung so geführt werden, dass sie sich an den senkrecht eingebauten Strahlrohren erwärmt, am Boden um 180° umgelenkt wird und die Charge von unten nach oben durchströmt. Kleinere Teilströme fließen auch von der Seite her durch die Charge. Das Lüfterrad des Umwälzers muss für eine große Menge ausgelegt sein. Es braucht keinen Druck aufzubauen, da die Strömungsquerschnitte sehr groß sind und dadurch auch kein nennenswerter Druckverlust im Strömungsverlauf entsteht. Durchstoßöfen verfügen selten über Gasleitmuffeln. Es ist jedoch zweckmäßig, im Eingangsbereich des Hochtemperaturofens eine Muffel zu installieren, die für eine gleichmäßige Temperaturverteilung sorgt. Diese führt, vor allem bei Anlagen ohne Vorwärmofen, zu gleichmäßigerem Erwärmen und kann damit Maß- und Formänderungen verringern. Die Gasmenge ist so zu bemessen, dass alle Werkstückoberflächen des Behandlungsgutes ausreichend und gleichmäßig mit Gas versorgt werden. Bei Anlagen, die gegenüber der Außenluft nicht gasdicht geschlossen sind, z. B. Banddurchlauf- oder Rollenherdöfen ohne Eingangsschleuse, muss die zugeführte Gasmenge einen ausreichend hohen Ofendruck gewährleisten, so dass keine Außenluft in die Ofenatmosphäre eindringen kann. Üblich ist ein Ofendruck von mindestens 1,5 mbar bis 2,5 mbar über dem Umgebungsdruck. Bei Öfen mit gasdicht geschlossener Retorte kann die Prozessgasmenge auf ein Maß reduziert werden, das nur noch durch den Chargenbedarf, die gleichmäßige Versorgung aller Werkstückoberflächen und die Reaktionen mit den innen liegenden Ofenbestandteilen wie Retortenwandung, Ofendeckel usw. bestimmt wird. Damit ist der Bedarf an Schutz- und Reaktionsgasen selbst bei großen Öfen dieser Gruppe vergleichsweise gering. Werden Öfen bei Temperaturen über 750 °C betrieben, ist es zweckmäßig, im Standby-Betrieb sowohl die Beheizung als auch eine Begasung, z. B. mit Stickstoff, aufrecht zu erhalten. Bei vergleichsweise geringem Gasbedarf ist es möglich, die Ofenatmosphäre auch mit Flaschengas herzustellen. Betriebstemperaturen über 900 °C und eine gute Umwälzung des Prozessgases ermöglichen ein direktes Einleiten von Methanol oder anderen flüssigen Kohlenwasserstoffen in den Ofenraum. Bei Öfen mit mehreren Zonen, in denen eine Gasumwälzung angebracht ist, ist es zweckmäßig, die Umwälzer gegenläufig zu betreiben. Dadurch lassen sich auch in Zonen, die nicht durch eine Zwischentür voneinander getrennt sind, unterschiedliche 63522_Liedtke_SL3a.indd 197 63522_Liedtke_SL3a.indd 197 16.06.2021 14: 36: 36 16.06.2021 14: 36: 36 <?page no="213"?> 198 3 Anlagentechnik 198 Atmosphären einstellen. Dies betrifft insbesondere Banddurchlauf-, Rollenherd- oder Stoßöfen. Bei Gleichlauf der Umwälzer wird dagegen die Atmosphäre vermischt. Bei Banddurchlauföfen kann durch die geometrische Gestaltung der Schleuse an der Beschickungsseite mit einer starken Einschnürung und einem lang ausgeführten Ofenhals eine stärkere, nach außen gerichtete Strömung erzeugt werden. Das Ofengas tritt im oberen Teil des Ofens aus. Es muss so ausgeschleust werden, dass eine gezielte Verteilung im Ofenraum gewährleistet ist. Zu diesem Zweck wird bei Stoß- oder Banddurchlauföfen die Gasströmung mit Schiebern an den Gasauslässen entsprechend gesteuert. Wegen der Brennbarkeit der Prozessgase sind Einrichtungen zum Abbrennen des Abgases notwendig. Werden mehrere davon auf den Ofen verteilt, ist auch die Strömung innerhalb des Ofens in Richtung und Stärke beeinflussbar. Es wird dabei immer eine Strömung in Richtung der Ofenbeschickung oder der Ofenausfahrt bevorzugt, um im Bereich der Ofentüren dem Eindringen von Sauerstoff entgegenzuwirken. Der Gasaustritt sollte in jedem Fall im Bereich der Ofentür installiert sein, damit beim Öffnen der Ofentüren keine Luft in die beheizten Ofenkammern eintritt. Zusätzlich werden aus Sicherheitsgründen an den Türen Flammenschleier installiert, um aus dem Ofen austretende brennbare Bestandteile der austretenden Gase zu verbrennen und das Eindringen von Luftsauerstoff zu verhindern. Gegebenenfalls ist zusätzlich eine auf die Schütthöhe der in den Ofen eingebrachten Werkstücke abgestimmte Abschottung gegen das Eindringen von Falschluft in den Ofen vorzusehen. 3.2.2 Anlagen bei Niederdruck Niederdruckanlagen haben einen vergleichsweise geringen Gasbedarf. Bei kleineren Anlagen ist es daher möglich, die Ofenatmosphäre auch mit Flaschengas herzustellen. Die Ausführung der Begasungseinrichtung wird maßgeblich durch die Ofenkonstruktion, den Prozessdruck und die Gasart bestimmt. So erfordert ein Niederdruckaufkohlen mit Propan im Druckbereich von 5 mbar bis 10 mbar ein aufwendiges Düsensystem zur gleichmäßigen Verteilung des Gases, während bei Verwendung von Acetylen meist ein Gaseinlass an einer oder zwei Stellen des Ofens genügt. Beim Niederdrucknitrieren im Druckbereich von 200 mbar bis 400 mbar gelten die gleichen Anforderungen an die Gasführung wie für Anlagen zum Nitrieren bei Normaldruck. 3.3 Prozessablauf und Prozessüberwachung Der Prozessablauf erfolgt heute weitestgehend nach vorprogrammierten Behandlungszyklen mit Hilfe von Programmreglern: Die Bewegungsfunktionen werden über eine SPS gesteuert. Mehrkammer-Durchlaufanlagen werden beispielsweise nach einem vorgegebenen Ablaufprogramm vollautomatisch gesteuert. Üblicherweise erfolgt das Bedienen der Anlage mit einem Programmsteuergerät. In diesem sind Rezepte gespeichert und die Bedienungs- und Beobachtungsfunktionen, die Chargendokumentation sowie die Störmeldeverarbeitung enthalten. 63522_Liedtke_SL3a.indd 198 63522_Liedtke_SL3a.indd 198 16.06.2021 14: 36: 36 16.06.2021 14: 36: 36 <?page no="214"?> 3.3 Prozessablauf und Prozessüberwachung 199 199 Die vorhandenen Möglichkeiten reichen dabei von der Steuerung vorgegebener Temperatur- und Zeitprofile unter Einbeziehen einer zeitbzw. temperaturabhängigen Steuerung der Atmosphärenzusammensetzung bis zum Benützen von Diffusionsrechnern zum Erzeugen vorgegebener Kohlenstoff- und Stickstoffprofile im Randbereich der zu behandelnden Werkstücke. Datenbanken mit Werkstoffkennwerten, Verfahrensparametern und kundenspezifischen Programmen sichern dabei reproduzierbare Behandlungsergebnisse weitestgehend ab. Mit Hilfe von übergeordneten Leitrechnern können die diskontinuierlich arbeitenden Anlagen in verkettete Systeme integriert werden. Die wichtigsten Prozessparameter sind die Temperatur, die Zusammensetzung der Ofenatmosphäre und die Gasmengen. Die Temperatur wird durch Thermoelemente, die Kennwerte der Ofenatmosphäre durch geeignete Mess-Systeme erfasst. Die Thermoelemente zum Messen der Temperatur der Beheizung und des Ofennutzraums müssen mit gasdichten Schutzrohren gegen den Einfluss der Ofenatmosphäre geschützt oder Mantelthermoelemente verwendet werden. Die Thermoelemente zum Messen der Heizungstemperatur sind in der Nähe der Strahlheizrohre anzuordnen. Das Thermoelement im Ofennutzraum sollte in Chargennähe angeordnet sein. 3.3.1 Anlagen bei Normaldruck Zur Kontrolle der Atmosphärenzusammensetzung werden für den Einbau von Sauerstoffsonden und das Entnehmen von Messgas bzw. Folienproben an geeigneter Stelle Durchführungen durch die Ofenwand benötigt. Thermoelemente, Sauerstoffsonden sowie Messgas-Entnahmestellen müssen so angeordnet sein, dass die Messwerte repräsentativ für den Wärmebehandlungsprozess und damit die Wärmebehandlungsergebnisse sind. Für eine Kontrolle des C-Pegels nach der Folienmethode muss an geeigneter Stelle eine Vorrichtung zum Entnehmen von Folien vorhanden sein. 3.3.2 Anlagen bei Niederdruck Bei Niederdruckprozessen werden neben Temperatur und Gasmengen auch der Rezipientendruck, bei plasmaunterstützten Prozessen zusätzlich noch die Plasmaparameter: Strom, Spannung, Schaltfrequenz erfasst. Die hierfür erforderlichen Mess- und Regeleinrichtungen sind im Kapitel 2.3.2 beschrieben. Für die Temperaturmessung in der Ofencharge müssen entsprechende druckdichte Durchführungen durch die Ofenwand vorgesehen werden. 3.3.3 Sicherheitseinrichtungen Bei Verwendung brennbarer Gase sind spezifische Sicherheitsregeln beim Betrieb der Öfen zu beachten, siehe Kapitel 6. Weitere Vorschriften und Hinweise sind in den „Sicherheitstechnischen Empfehlungen des AWT/ FA8“ zu finden. 63522_Liedtke_SL3a.indd 199 63522_Liedtke_SL3a.indd 199 16.06.2021 14: 36: 37 16.06.2021 14: 36: 37 <?page no="215"?> 200 3 Anlagentechnik 200 Beim Niederdruckaufkohlen und -carbonitrieren sind die erforderlichen Gasmengen im Vergleich zum Gasaufkohlen deutlich geringer. Bedingt durch die Anlagenbauart und den Prozessablauf, siehe Kapitel 3.3, wird keine Abfackeleinrichtung am Gasauslass benötigt. Die brennbaren Gase, überwiegend Kohlenwasserstoffe, werden von der Vakuumpumpe abgesaugt. 3.4 Schacht- und Haubenöfen 3.4.1 Beschreibung der Anlagen Schacht- und Haubenöfen sind für nahezu alle thermochemischen Verfahren und für Bauteile fast beliebiger Größe im Einsatz. Je nach Bauart und Zusatzausrüstung finden sie nicht nur für Verfahren bei Normaldruck Anwendung, sondern auch für Niederdruck-, Hochdruck- oder plasmaunterstützte Prozesse. Die Öfen können ohne oder mit einer Retorte ausgestattet sein. Im letzteren Fall wird die Bezeichnung Topf, Retorten- oder Schachtretortenofen verwendet. Die Bezeichnung Schachtofen wird benutzt, wenn die Öfen unter Flur aufgestellt sind, während Topf- oder Retortenöfen und meist auch die Haubenöfen über Flur aufgestellt sind. Bei Haubenöfen wird die Ofencharge auf einen Ofenboden gesetzt und von einer Haube, in der sich auch die Heizung befindet, bedeckt. Zum Be- und Entladen wird die Haube vertikal angehoben und abgesenkt. Zum Umwälzen der Ofenatmosphäre ist am Kopf der Haube oder im Ofenboden ein Umwälzaggregat angebracht, siehe Bild 3-12. Bild 3-12: Prinzipieller Aufbau des Haubenofens, links mit oben angeordnetem Umwälzer, rechts mit unten angeordnetem Umwälzer Eine zylindrische, offene oder geschlossene Retorte schützt das Behandlungsgut vor der direkten Beaufschlagung durch die Ofenheizung bzw. ermöglicht es, thermochemische Behandlungen in einer geregelten Atmosphäre bei Normaldruck durchzuführen. Für Behandlungen unterhalb des Atmosphärendrucks ist eine geschlossene und druckdichte Retorte erforderlich. Das Umwälzen der Ofenatmosphäre in der Retorte geschieht durch ein, meist am Retortendeckel angebrachtes, Umwälzaggregat. Bei sehr großen Ofendurchmessern sind mehrere Umwälzer erforderlich. Das Umwälzaggregat saugt aus Richtung der Mittelachse der Retorte das Prozessgas an 63522_Liedtke_SL3a.indd 200 63522_Liedtke_SL3a.indd 200 16.06.2021 14: 36: 37 16.06.2021 14: 36: 37 <?page no="216"?> 3.4 Schacht- und Haubenöfen 201 201 und presst es in einer Ebene radial zur Retortenwand wieder aus. Die Wirkung des Umwälzaggregats wird durch ein am Deckel montiertes Führungsblech so auf die Retortenwandung konzentriert, dass das umgewälzte Prozessgas dort wieder nach unten umgelenkt wird. Bild 3-13: Schematischer Aufbau eines Schachtofens, links: mit offener Retorte und Leitzylinder, Mitte: ohne Retorte, rechts: mit geschlossener Retorte und Leitzylinder Ein zusätzlicher Leitzylinder in der Retorte sorgt dafür, dass die Ofencharge optimal vom Ofengas durchströmt wird, siehe Bild 3-13. Speziell bei Öfen mit sehr großem Nutzraumdurchmesser wird auf eine Retorte verzichtet. In diesem Fall müssen Mauerwerk und Heizeinrichtung zweckentsprechend ausgebildet sein, da sie dem Reaktionsgas direkt ausgesetzt sind. Ist die Nutzraumhöhe kleiner als der 2-fache Durchmesser, bringt der Leitzylinder keine wesentlichen Vorteile. Bei allen Bauformen wird das Behandlungsgut direkt in den Heizraum eingebracht und entsprechend dem jeweiligen Verfahren behandelt. Nach Ablauf der Behandlung wird die Charge entweder der Retorte entnommen, um sie z. B. nach dem Aufkohlen zum Härten abzuschrecken oder in der Retorte abgekühlt. Zum Abschrecken wird die Charge in einen separaten Abschreckbehälter in Öl, Salzschmelze, Emulsion oder Wasser getaucht; das Abkühlen erfolgt in einem Kühlschacht oder einer geschützten Abkühlstation. Nachteil der Trennung von Ofenraum und Abschreckbehälter ist das Risiko einer Oxidation, die beim Umsetzen der Charge durch die Luft stattfinden kann, sowie, speziell beim Einsatzhärten, u. U. eine zu starke Abkühlung der Charge auf dem Weg zum Abschreckbehälter. Vermeiden lässt sich dieses Problem durch ein Umsetzen der heißen Charge mit Hilfe einer mit Schutzgas gefluteten Glocke bzw. beim Niederdruckaufkohlen mit einem Vakuumbehälter. Je nach der vorgesehenen Wärmebehandlung ist die Ofenanlage mit einer entsprechenden Begasungseinrichtung ausgerüstet. 63522_Liedtke_SL3a.indd 201 63522_Liedtke_SL3a.indd 201 16.06.2021 14: 36: 39 16.06.2021 14: 36: 39 <?page no="217"?> 202 3 Anlagentechnik 202 Zum Verkürzen der Prozessdauer, aber auch aus verfahrenstechnischen Gründen, können Retortenöfen auch mit Schnellkühleinrichtungen ausgestattet werden. Hierzu gibt es unterschiedliche Ausführungen: Entweder wird das heiße Ofengas durch einen Wärmetauscher geleitet und in den Ofen zurückgeführt oder die Retortenaußenwand mit entsprechenden Mengen Luft bzw. gekühlter Luft angeblasen. Zum Verkürzen von Spülvorgängen können Retortenöfen zum Nitrieren und Nitrocarburieren auch mit der Möglichkeit zum Evakuieren der Retorte nach dem Beladen ausgestattet sein. Dazu sind eine druckdichte Retorte, ein Vakuumpumpsatz und an den Gasein- und -auslässen vakuumdichte Absperrventile nötig. Bei einer speziellen Bauform der Retortenöfen ist die Retorte horizontal angeordnet, siehe Bild 3-14. Hier erfolgt das Be- und Entladen mit einer zweckentsprechenden fahrbaren Beladeeinrichtung horizontal. Bild 3-14: Prinzipieller Aufbau eines Horizontalretortenofens im Längsschnitt Bild 3-18: Glockenofen- oder Hubherd-Haubenofenanlage Bild 3-15: Hubherd-Haubenofen-Anlage (Glockenofenanlage) mit zwei Öfen Bild 3-15: Hubherd-Haubenofen-Anlage mit zwei Öfen rechts und links Bild 3-15: Prinzip einer Hubherd-Haubenofenanlage mit zwei Öfen und nem dazwischen angeordneten Ölabschreckbehälter Bild 3-15: Glockenofen oder Hubherd-Haubenofen mit zwei Öfen und einem Ölabschreckbehälter (Schema) 63522_Liedtke_SL3a.indd 202 63522_Liedtke_SL3a.indd 202 16.06.2021 14: 36: 41 16.06.2021 14: 36: 41 <?page no="218"?> 3.4 Schacht- und Haubenöfen 203 203 Eine spezielle Bauform des Haubenofens ist der Hubherd-Haubenofen, auch Glokkenofen genannt, bei dem die Haube mit der darin befindlichen Retorte an einem Gestell aufgehängt und seitlich verfahrbar ist. Das Behandlungsgut steht auf einem Herd, der vertikal gehoben oder gesenkt werden kann und mit dem auch die Retorte geschlossen wird, siehe das Schemabild 3-15. Dieses Prinzip hat den Vorteil, dass z. B. eine heiße Aufkohlungscharge nicht an Luft zum Abschreckbehälter gefahren werden muss, sondern nach dem Fixieren in der Retorte und Absenken des Retortenbodens mit der geöffneten Retorte über den Abschreckbehälter gefahren werden kann. Ein im Abschreckbehälter angebrachter Lift übernimmt die Ofencharge und senkt sie dann in das Abschreckmittel ab. Dieses Prinzip ist in den Bildern 3-15 und 3-16 verdeutlicht. In Bild 3-17 ist eine aus mehreren Öfen und Abschreckbehältern bestehende Anlage abgebildet. Bild 3-16: Hubherd-Haubenofen (links) mit einem Abschreckbehälter (rechts) (Codere) Hubherd-Haubenofenanlagen sind in der Regel vollständig oder auch teilweise automatisiert. Das Chargieren und das Umsetzen in andere Teile der Anlage, wie z. B. die Abschreckbehälter oder die Waschmaschine, werden von der Anlagensteuerung übernommen. Die Konstruktion der Chargiervorrichtungen für Schacht- und Haubenöfen ist so unterschiedlich wie die Ofenvarianten: Runde Grundroste mit massivem Mittelständer zum Chargieren mit einem Kran oder runde Grundroste mit Körben. Bei Horizontalretortenöfen sind es dagegen rechteckige Roste. Kleinteile können auf Etagenrosten oder auf Zwischenrosten gelagert werden, lange Teile können entweder senkrecht gestellt oder aufgehängt werden. 63522_Liedtke_SL3a.indd 203 63522_Liedtke_SL3a.indd 203 16.06.2021 14: 36: 41 16.06.2021 14: 36: 41 <?page no="219"?> 204 3 Anlagentechnik 204 Bild 3-17: Hubherd-Haubenofen-Anlage mit mehreren Öfen, Abschreckstationen und automatischer Beschickungs- und Entlade-Einrichtung (Codere) Schacht- und Haubenöfen werden heute, vorgegeben durch ihre Bauart, nach wie vor überwiegend manuell chargiert. Das Be- und Entladen der Öfen erfolgt mit Hilfe von Krananlagen bei den vertikal angeordneten Öfen oder mittels Gabelstapler oder fahrbarer Chargiervorrichtungen bei Öfen mit waagerecht angeordneter Retorte. Jedoch sind auch Anlagen mit speziellen vollautomatischen Be- und Entladegeräten für einen vollautomatischen Prozessablauf zu finden. Bild 3-18 zeigt hierfür ein Beispiel für das Beladen eines Horizontal-Retortenofens. Die Gestaltung des Ofenraums, speziell der Retorte, richtet sich nach der Art und der Menge des Behandlungsgutes, der Geometrie der zu behandelnden Werkstücke und dem Wärmebehandlungsverfahren: • Vertikale Retorten mit Boden: Die Chargen werden auf dem Boden der Retorte abgestellt oder durch geeignete Vorrichtungen am Ofendeckel bzw. dicht unterhalb des Deckels an der Retortenwand aufgehängt. Zu beachten ist, dass sich bei langen Retorten mit großem Durchmesser mit der Zeit die Retorte längt und schließlich auf dem Schachtboden aufsitzen kann. Dadurch können Falten in der Wandung im Bodenbereich und Risse entstehen. Aus Qualitäts- und Sicherheitsgründen müssen derartig deformierte Retorten ausgewechselt werden. • Vertikale Retorten ohne Boden: Ab einer bestimmten Nutzraumgröße und hohen Chargengewichten ist eine ausreichend dicke Retortenwand und ein Absetzen der Charge auf den Boden konstruktiv nicht mehr möglich. Deshalb gibt es Retorten ohne Boden, bei denen die Retorte in eine ringförmige, beispielsweise mit Sand gefüllte, Tasse eingesetzt wird, um eine ausreichende Dichtheit für die 63522_Liedtke_SL3a.indd 204 63522_Liedtke_SL3a.indd 204 16.06.2021 14: 36: 42 16.06.2021 14: 36: 42 <?page no="220"?> 3.4 Schacht- und Haubenöfen 205 205 Ofenatmosphäre zu erreichen. Das Chargengewicht wird dann von einem gemauerten Ofenboden aufgenommen. Bild 3-18: Beladen eines Horizontal-Retortenofens (IVA) Bei Öfen zum Nitrieren oder Nitrocarburieren ist die Festigkeit der Retortenwandung im Allgemeinen ausreichend, so dass selbst eine waagerecht angeordnete Retorte, die durch eine auf der Zylinderwand abgestellte Charge belastet wird, bei entsprechender Dimensionierung kaum zu Verformungen neigt. Der Ofenraum wird mit einem Deckel verschlossen. Dieser schließt dabei nicht nur die Retorte gasdicht, sondern zugleich auch den Heizschacht thermisch ab. Da der Deckel sowohl durch die Retorte als auch durch die Heizung erwärmt wird, ist es nötig, ihn zu kühlen. Infolge der Kühlung, der vielen Einbauten und Durchbrüche im Retortendeckel, ist die Temperatur unmittelbar unterhalb des Deckels deutlich niedriger als der Sollwert. Dementsprechend reduziert sich der Nutzraum in der Retorte. Um eine ausreichende Temperaturgleichmäßigkeit zu erreichen, muss die Heizung an beiden Seiten den Nutzraum überragen. Das Beheizen der Schacht- und Haubenöfen erfolgt überwiegend elektrisch. Je nach Länge des Behandlungsraums wird die Heizung in mehreren Zonen getrennt geregelt. Bild 3-19 zeigt das Schema eines Vertikalretortenofens zum Aufkohlen mit drei Heizzonen. 63522_Liedtke_SL3a.indd 205 63522_Liedtke_SL3a.indd 205 16.06.2021 14: 36: 42 16.06.2021 14: 36: 42 <?page no="221"?> 206 3 Anlagentechnik 206 Bild 3-19: Retortenofen mit drei Heizzonen - Mess- und Regelschema (Weissohn) In den Bildern 3-20 bis 3-22 sind Schacht- und Haubenöfen verschiedener Hersteller abgebildet. Bild 3-20: Schachtretortenofen (IVA) 63522_Liedtke_SL3a.indd 206 63522_Liedtke_SL3a.indd 206 16.06.2021 14: 36: 43 16.06.2021 14: 36: 43 <?page no="222"?> 3.4 Schacht- und Haubenöfen 207 207 Bild 3-21: Retortenofen zum Nitrieren/ Nitrocarburieren (Nitrex) Retortendurchmesser: 4200 mm, Höhe: 3800 mm Bild 3-22: Retortenofen zum Aufkohlen (TTN) 63522_Liedtke_SL3a.indd 207 63522_Liedtke_SL3a.indd 207 16.06.2021 14: 36: 44 16.06.2021 14: 36: 44 <?page no="223"?> 208 3 Anlagentechnik 208 Verfahrensablauf beim Aufkohlen, Carbonitrieren, Einsatzhärten Zum Aufkohlen oder Carbonitrieren wird die Charge üblicherweise in den auf Behandlungstemperatur erwärmten und mit Prozessgas gefüllten Ofen eingebracht. Die kalte Charge senkt die Ofentemperatur. Nach dem Durchwärmen der Charge beginnt die eigentliche Haltedauer, die je nach ausgewähltem Verfahren in Abschnitte mit unterschiedlichen Atmosphärenparametern und auch Temperaturen unterteilt sein kann. Ist am Ende des Prozesses ein Abschrecken erforderlich, wird die Charge aus dem heißen Ofen entnommen. Zum Verkürzen der Erwärmdauer kann es zweckmäßig sein, die Charge in einem vorangestellten Ofen vorzuwärmen. Verfahrensablauf beim Nitrieren und Nitrocarburieren Beim Nitrieren/ Nitrocarburieren wird die Charge üblicherweise in den kalten Ofen eingebracht. Ofen und Charge werden gemeinsam erwärmt. Vor dem Einleiten der Prozessgase zum Nitrieren/ Nitrocarburieren muss der Ofen mit Stickstoff gespült oder evakuiert werden. Nach Ablauf der Behandlungsdauer wird die Charge im Ofen abgekühlt, der Ofen mit Stickstoff gespült und dann die Charge entnommen. Ein Vor- oder Nachoxidieren kann in den Prozessablauf integriert werden. 3.5 Mehrzweck-Kammeröfen Mehrzweckkammeröfen sind vorzugsweise für einen satzweisen Chargenbetrieb vorgesehen. Sie können modular aus den Baugruppen Vor-, Heiz-, und Abkühlkammer aufgebaut werden und lassen sich so den jeweils gegebenen Anforderungen, im wesentlichen Zahl und Art der benötigten Kammern, Größe und Abmessung des Behandlungsgutes und den örtlich gegebenen Platzverhältnissen, flexibel anpassen. Dadurch sind sie universell einsetzbar und ermöglichen das Wärmebehandeln in geregelten Atmosphären zum Aufkohlen, Carbonitrieren, Einsatzhärten, Nitrieren, Nitrocarburieren aber auch zum Härten, Bainitisieren, Anlassen und Glühen von Werkstücken bei kleinen bis mittleren Losgrößen. Im einfachsten Fall besteht die Anlage aus einer Heizkammer und einer Vorkammer, die gleichzeitig als Abkühlkammer ausgeführt ist, siehe Bild 3-23. Die Chargenbewegung erfolgt horizontal. Das Abkühlen wird in der Abkühlkammer in Gas, meist in Stickstoff, das Abschrecken durch Eintauchen in ein Ölbad vorgenommen. Zum Abschrecken in einem Salzwarmbad werden konstruktive Vorkehrungen getroffen, damit keine korrosiven Salzdämpfe in die Heizkammer gelangen. Bei einer Anordnung wie in Bild 3-23 erfolgt das Beschicken des Ofens und, nach dem Abkühlen bzw. Abschrecken der Ofencharge, das Entladen des Ofens über die Vorkammer nach dem Rückstoßprinzip. Im Bild ist angedeutet, dass eine Charge im Abschreckbad eingetaucht ist, während gleichzeitig eine zweite Charge in der Heizkammer steht und gerade aufgekohlt wird. Eine andere Möglichkeit zum Bewegen der Ofencharge besteht darin, direkt oder über eine als Schleuse dienende, gasgespülte, eventuell auch evakuierbare Vorkammer, in die Heizkammer einzufahren und nach dem Abkühlen/ Abschrecken ohne Richtungswechsel über eine Abkühlkammer auszufahren, siehe die Bilder 3-24 bis 63522_Liedtke_SL3a.indd 208 63522_Liedtke_SL3a.indd 208 16.06.2021 14: 36: 44 16.06.2021 14: 36: 44 <?page no="224"?> 3.5 Mehrzweck-Kammeröfen 209 209 3-27 - Durchstoß- oder Durchlaufprinzip. Solche Öfen haben dann eine Vorder- und eine Hintertür und benötigen für Chargentransport bzw. -bewegung entsprechende Beschickungseinrichtungen auf Vorder- und Rückseite des Ofens. Die Zwischentüre ist nicht gasdicht. Bild 3-23: Mehrzweck-Kammerofen, Rückstoßprinzip (Aichelin) Bild 3-24: Mehrzweck-Kammerofen mit Heiz- und Abschreckkammer, Durchstoßprinzip, Längsschnitt (Ipsen) 63522_Liedtke_SL3a.indd 209 63522_Liedtke_SL3a.indd 209 16.06.2021 14: 36: 45 16.06.2021 14: 36: 45 <?page no="225"?> 210 3 Anlagentechnik 210 Das Prinzip der Strömung des Ofengases, das vom Umwälzer an der Decke der Heizkammer (links) bewirkt wird bzw. des Gases in der Abkühlkammer mit zwei Umwälzern und des Öls im Abschreckbehälter (rechts), ist in den Bildern 3-24 und 3-25 zu sehen. Bild 3-25: Zweikammer-Mehrzweckofen, Querschnitt durch die Heizkammer (Ipsen) Bild 3-26: Zweikammer-Durchstoßofen (Ipsen) 63522_Liedtke_SL3a.indd 210 63522_Liedtke_SL3a.indd 210 16.06.2021 14: 36: 46 16.06.2021 14: 36: 46 <?page no="226"?> 3.5 Mehrzweck-Kammeröfen 211 211 Bild 3-27: Zweikammer-Durchstoßofen (Aichelin) Bild 3-28: Doppelkammer-Durchstoßofen (Aichelin) In den Bildern 3-27 und 3-28 sind Kammeröfen abgebildet, die nach dem Durchstoß- Prinzip arbeiten. Im Längsschnitt des Zweikammerofens in Bild 3-28 sind zwei Heizkammern zu erkennen, von denen eine beispielsweise zum Vorwärmen oder Voroxidieren oder die andere zum Diffusionsbehandeln oder nach dem Aufkohlen zum Absenken auf die gewünschte Härtetemperatur dienen kann. Durch Anordnung mehrerer Kammern, die taktweise nacheinander durchfahren werden, ergeben sich so be- 63522_Liedtke_SL3a.indd 211 63522_Liedtke_SL3a.indd 211 16.06.2021 14: 36: 47 16.06.2021 14: 36: 47 <?page no="227"?> 212 3 Anlagentechnik 212 zeichnete Mehrkammer- oder Durchstoßöfen mit entsprechender Länge für das Aufkohlen, siehe z. B. Bild 3-31. Damit lässt sich der Durchsatz entsprechend erhöhen. Das Bewegen der Charge im Ofen kann auf unterschiedliche Weise erfolgen, es werden sowohl Ketten als auch Stoßer/ Pusher benutzt. Einkammeröfen besitzen im Ofen einen Nutzraum mit Breiten zwischen 280 mm und 1200 mm, einer Länge zwischen 450 mm und 1800 mm und einer Höhe zwischen 300 mm und 1000 mm, woraus sich Brutto-Chargengewichte zwischen 90 kg und 2000 kg ergeben. Zum Transport des Behandlungsgutes im Ofen werden Roste oder Körbe aus hitzebeständigem Material benutzt. Je nach Teileabmessung und Gestalt der Teile ist ein sehr variabler Chargenaufbau möglich. Beispiele für den Chargenaufbau sind in den Bildern 3-56 bis 3-60 wiedergegeben. Der Transport der gepackten Chargen vom Bereitstellungsort zum Ofen und zurück wird meist von einem Beschickungs- oder Chargierwagen übernommen, der je nach Konstruktion der Ofenanlage auch das Be- und Entladen der Ofenchargen übernimmt. Das gasdichte Ofengehäuse besteht aus Stahlblech und wird mit eisenarmen Leichtschamotte-Steinen in mehreren Schichten ausgemauert. Dahinter, als Hinterstellung, können auch Fasermatten oder Blöcke verwendet werden. Die Decken werden entweder als Gewölbedecken mit eisenarmen Schwerschamotte-Formsteinen oder als Hängedecken mit Fasermatten oder -modulen ausgeführt. Der Boden, auch Herdboden genannt, besteht aus Siliziumcarbid-Platten mit Öffnungen für die Gasumwälzung und nimmt gegebenenfalls Auflagesteine für die Siliziumcarbid-Schienen auf, die als Chargenträger dienen. Die Heizkammer wird in der Regel mit senkrecht eingebauten gas- oder elektrisch beheizten Strahlheizrohren ausgerüstet. Sie sind an den Seitenwänden angeordnet. Bei gasbeheizten Kammeröfen kann es, wenn die erforderliche Behandlungstemperatur erreicht ist, zweckmäßig sein, die Strahlheizrohre wechselweise einbzw. auszuschalten, um die Heizleistung so zu minimieren, dass eine optimale Temperaturgleichmäßigkeit erreicht wird. Zweckmäßigerweise werden hier außerdem rekuperativ oder regenerativ arbeitende Strahlheizrohre benutzt. Zum Umwälzen der Ofenatmosphäre sind an der Decke der Heizkammer ein oder mehrere Ventilatoren angebracht. Eine Umwälzung ist auch in der Vorkammer vorhanden, wenn dort im Gas abgekühlt werden soll. Auch die Heizkammer der Mehrzweck-Kammeröfen kann mit einer Muffel zum Schutz der Ofencharge vor der Strahlung der Heizrohre und zum Führen der Gasströmung sowie einer Umwälzung ausgestattet sein, vgl. Kapitel 3.2.1. Das Ofengas tritt aus der Heizkammer durch undichte Stellen an der Heizkammertür aus und in die Vorkammer ein. Von dort strömt es durch einen Gasaustritt nach oben und wird durch einen Zündbrenner mit Flammenüberwachung abgefackelt. Durch einen Umwälzer kann es auch innerhalb der Vorkammer umgewälzt werden. Meistens wird der Mehrzweckkammerofen mit einer Waschmaschine und einem Anlassofen zu einer Wärmebehandlungslinie ergänzt. 63522_Liedtke_SL3a.indd 212 63522_Liedtke_SL3a.indd 212 16.06.2021 14: 36: 48 16.06.2021 14: 36: 48 <?page no="228"?> 3.5 Mehrzweck-Kammeröfen 213 213 Kammeröfen, die zum Nitrieren und Nitrocarburieren benutzt werden, weisen eine gasdichte horizontale Retorte auf, die gegebenenfalls evakuierbar ist, um einen raschen Austausch der Ofenatmosphäre zu ermöglichen, vgl. Kapitel 3.4. Ein typischer Kammer-Retortenofen ist in Bild 3-29 zu sehen. Bild 3-29: Kammer-Retortenofen (Aichelin) Spezifisches zur Sicherheitstechnik Für den Betrieb der Kammeröfen ist zu beachten, dass sich beim Chargentransport durch das Öffnen der Türen der Betriebszustand ändert. So entsteht z. B. beim Ausfahren einer heißen Charge aus der Heizin die Vorkammer durch die plötzliche Gaserwärmung in der Vorkammer ein Überdruck. Dieser wird durch eingebaute Überdruckklappen abgebaut, die so bemessen sein sollten, dass der Überdruck 20 mbar bis 25 mbar nicht überschreitet, während der normale Ofenüberdruck, je nach Ausführung der Anlage, 1 mbar bis 3 mbar beträgt. Wenn die Ofenanlage ablaufbedingt, z. B. durch Öffnen der Vordertür, drucklos ist, darf ein vorhandener Druckschalter nicht wirksam werden. Nach dem Absenken der Charge in das Ölbad entsteht durch die Abkühlung des Gases ein Unterdruck. Dieser muss durch eine entsprechend bemessene Zusatzeinspeisung von Stickstoff in die Vorkammer ausgeglichen werden. Unterhalb der Vorkammertür ist üblicherweise ein Flammenschleier angeordnet. Er hat die Aufgabe, die beim Öffnen der Vorkammertür aus dem Ofen austretenden brennbaren Gase zu entzünden. Ein Zündbrenner mit Flammenüberwachung sichert seine Funktion. Die Vorkammertür darf erst bei stabilem Brand des Flammenschleiers geöffnet werden. Mehrzweckkammeröfen werden fast ausnahmslos rechnergesteuert betrieben. Die dabei eingesetzte Hard- und Software ermöglicht je nach Ausrüstung die im Kapitel 1 63522_Liedtke_SL3a.indd 213 63522_Liedtke_SL3a.indd 213 16.06.2021 14: 36: 49 16.06.2021 14: 36: 49 <?page no="229"?> 214 3 Anlagentechnik 214 beschriebenen Verfahrensabläufe mit der erforderlichen Prozess-Steuerung beim Einsatzhärten, Nitrieren und Nitrocarburieren, sowohl für den automatischen Chargenablauf einer Einzelanlage als auch bei der Integration eines Mehrzweckkammerofens in ein voll automatisiertes System miteinander verketteter Anlagen. In Bild 3-30 ist ein typischer Verfahrensablauf beim Einsatzhärten schematisch und in Bild 3-31 als Dokumentation des Prozessablaufs dargestellt. Bild 3-30: Beispiel für einen Prozessablauf beim Einsatzhärten Bild 3-31: Messschrieb für einen geregelten Prozess beim Einsatzhärten Aus dem Prozessablauf sind die drei Hauptphasen des Einsatzhärtens zu entnehmen: • Erwärmen: Die Charge wird auf die vorgegebene Aufkohlungstemperatur erwärmt. Nach Überschreiten der Ofentemperatur von 750 °C erfolgt die Zugabe 63522_Liedtke_SL3a.indd 214 63522_Liedtke_SL3a.indd 214 16.06.2021 14: 36: 49 16.06.2021 14: 36: 49 <?page no="230"?> 3.6 Durchstoß-Öfen/ Ringherdöfen 215 215 des Aufkohlungsgases. Da ungleichmäßiges Erwärmen der Ofencharge zu unterschiedlichen Aufkohlungstiefen führt, wird der C-Pegel in dieser Zeit niedrig gehalten. • Durchwärmen: Je nach Chargengröße und Werkstückquerschnitt schließt sich dem Anwärmen eine Ausgleichsphase an, in welcher die Kerntemperatur bzw. das Chargeninnere die Aufkohlungstemperatur erreichen soll. • Aufkohlen: Der C-Pegel wird auf etwa 5 % bis 10 % unter der jeweiligen Rußgrenze erhöht und die Charge wird aufgekohlt, bis etwa 92 % bis 95 % der angestrebten Aufkohlungstiefe erreicht sind. • Abkühlen auf Härtetemperatur: Die Aufkohlungstemperatur wird auf die Härtetemperatur abgesenkt und gleichzeitig der C-Pegel auf den angestrebten Randkohlenstoffgehalt erniedrigt. • Ausgleichen: In diesem Abschnitt erfolgt das Anpassen von Temperatur und C-Pegel an die zum Härten vorgegebenen Bedingungen. • Abschrecken: Am Ende des Programms wird die Charge aus der Heizkammer in die Abkühlkammer gefahren und dann in das Abschreckbad abgesenkt. 3.6 Durchstoß-Öfen/ Ringherdöfen Durchstoß- und Ringherdofen-Anlagen werden vorzugsweise zum Wärmebehandeln mit kontinuierlichem Prozessablauf von Großserienteilen benutzt. Eine typische Anlagenkombination besteht aus einer Vorwaschmaschine, einem Vorwärmofen, der Eingangsschleuse, dem Aufkohlungsofen, dem Ofen zum Härten, in dem eine von der Aufkohlungstemperatur abweichende Temperatur eingestellt werden kann, der nachfolgenden Abschreckeinrichtung, der Waschmaschine und dem Anlassofen sowie einer entsprechenden Kühlstrecke. Bei der Durchstoßanlage ist der Ofen zum Aufkohlen in mehrere Zonen eingeteilt, z. B.: Erwärmungs-, Aufkohlungs-, Diffusionszone. Im gesamten Ofenraum sind keine Zwischentüren vorhanden, was eine entsprechende Gasführung erfordert. Der Ofen zum Härten ist in den meisten Fällen vom Aufkohlungsofen durch Zwischentüren abgetrennt, um hier eine andere Temperatur einstellen zu können. Die Bezeichnung Durchstoßofen ergibt sich aus dem Bewegungsprinzip der Wärmebehandlungschargen durch den Ofen. Die Anlage besitzt einen feststehenden Herd, auf dem die Chargen taktweise durch den Ofen gestoßen werden. Dies bedeutet eine hohe Beanspruchung der beladenen, unter hoher Temperatur stehenden Grundroste. Diese sind gegossen und quadratisch und können deswegen regelmäßig um 90° gedreht werden um die Beanspruchung über ihre Lebensdauer gleichmäßig zu verteilen. Ihre Größe ist wegen der hohen Beanspruchung auf 600 mm x 600 mm begrenzt. Eine andere Transportmethode beruht auf einer im Herdbereich eingebauten “Übersetz“-Einrichtung. Damit werden die Roste weniger stark beansprucht. Die Transportsysteme unterscheiden sich deutlich vom Ringherdofen, bei dem die Roste bei ihrem Durchgang durch den Ofen mechanisch nicht beansprucht werden. 63522_Liedtke_SL3a.indd 215 63522_Liedtke_SL3a.indd 215 16.06.2021 14: 36: 50 16.06.2021 14: 36: 50 <?page no="231"?> 216 3 Anlagentechnik 216 Bild 3-32 zeigt eine typische Durchstoßofenanlage mit ihren Baugruppen. Der Flächenbedarf ist bei den Durchstoßöfen relativ groß. Dafür können alle erforderlichen Teilschritte einer kompletten Wärmebehandlung in einer solchen Anlage ausgeführt werden. Die Größe der Durchstoßöfen richtet sich nach dem geplanten Durchsatz und der Abmessung der Werkstücke sowie der Anzahl der verknüpften Baugruppen. Bei Anlagen für das Nitrocarburieren können z. B. Baugruppen für ein Nachoxidieren eingefügt sein. Um bei großem Durchsatz und großen Einsatzhärtungstiefen die Länge des Aufkohlungsofens zu verkürzen, kann diese Anlage auch zwei- oder dreibahnig ausgeführt sein. Die Ofenraumhöhe kann bis zu 1000 mm und der Durchsatz bis zu 1000 kg/ h oder mehr betragen. Übliche Taktzeiten liegen zwischen 10 Minuten und 40 Minuten; daraus ergibt sich die Dauer für das Be- und Entladen eines Rostes. Bild 3-32: Durchstoßofen (Ipsen) Beim Ringherdofen, siehe Bild 3-33, ist der Aufkohlungsofen ringförmig angeordnet. Je nach Hersteller wird der Ringherdofen auch als Drehringofen bezeichnet. Um Verwechslung mit dem Drehherdofen, bei dem sich der Herd dreht, zu vermeiden, wird im Folgenden dementsprechend der Begriff Ringherdofen verwendet. Ein Querschnitt ist in Bild 3-34 zu sehen. Der Chargenrost steht auf dem ringförmigen Herdboden und dreht sich zusammen mit diesem durch die ringförmige Ofenkammer. Diese Bauform ermöglicht, dass zwischen bestimmten Ofenregionen mit unterschiedlicher Temperatur und/ oder Atmosphärenzusammensetzung Zwischentüren angebracht werden können. Damit kann auch der Härteofen als Zone in den Aufkohlungsofen integriert werden. 63522_Liedtke_SL3a.indd 216 63522_Liedtke_SL3a.indd 216 16.06.2021 14: 36: 50 16.06.2021 14: 36: 50 <?page no="232"?> 3.6 Durchstoß-Öfen/ Ringherdöfen 217 217 Die Hochtemperaturöfen der Durchstoß- und Ringherdanlagen zum Aufkohlen, Carbonitrieren und Härten, sind mit eisenarmen Leichtschamottesteinen ausgekleidet, in mehreren Lagen hintereinander gemauert oder mit geeigneten Fasermatten bzw. -blöcken hinterlegt. Die Niedertemperaturöfen zum Vorwärmen und Anlassen sind in der Regel mit Schamotteblöcken oder Fasermatten ausgekleidet. Für die Decken werden z. T. Formsteine verwendet; bei mehrbahnigen Öfen werden die Gewölbe üblicherweise gemauert. In den Boden sind Formsteine aus Siliziumcarbid eingelassen, die eine hohe Verschleißfestigkeit beim Durchschieben der Roste besitzen. Durchstoß- und Ringherd-Ofenanlagen werden vorwiegend gasbeheizt, die vor- oder nachgeschalteten Niedertemperaturöfen dagegen vorzugsweise elektrisch. Einbahnige Durchstoßöfen werden sowohl mit waagerechten als auch mit senkrechten Strahlheizrohren ausgestattet. Mehrbahnige Öfen werden zwecks besserer Temperaturgleichmäßigkeit mit oben und unten horizontal im Heizraum angebrachten Strahlheizrohren bestückt. Sie sollten regelmäßig um 180° gedreht werden, da sie sich im Laufe der Zeit durchbiegen. Dies geschieht zweckmäßigerweise im Rahmen der vorbeugenden Instandhaltung. Bild 3-33: Ringherdofen (Aichelin) Der Eingang in den Hochtemperaturofen der Durchstoßanlage erfolgt über eine unbeheizte Schleuse, die den Reaktionsraum gasdicht abschließt. Damit werden größere Reaktionsgas-Verluste und das Eindringen von Luft vermieden. Während des Öffnens wird die Schleuse nach außen mit einem Schutzgasschleier geschützt. Beim Ringherdofen erfolgt das Be- und Entladen über eine Schleuse seitlich an ein- und derselben Stelle. 63522_Liedtke_SL3a.indd 217 63522_Liedtke_SL3a.indd 217 16.06.2021 14: 36: 50 16.06.2021 14: 36: 50 <?page no="233"?> 218 3 Anlagentechnik 218 Bild 3-34: Querschnitt durch einen Ringherdofen (Aichelin) Auf Grund des Transportsystems der Chargen nach dem Stoßprinzip ist es erforderlich, dass im Hochtemperaturbereich zum Weitertransport der Roste beim Leerfahren immer Leerroste eingebracht werden müssen. Beim Ringherdofen sind Leerroste nicht erforderlich. Im Niedertemperaturbereich bzw. den Verbindungsstellen einzelner Anlagenteile erfolgt der Transport z. B. mit Zugstangen. Durchstoßöfen verfügen selten über eine Gasleitmuffel. Es ist jedoch zweckmäßig, im Eingangsbereich des Hochtemperaturofens eine Muffel zu installieren, die für eine gleichmäßige Temperaturverteilung sorgt. Diese führt, vor allem bei Anlagen ohne Vorwärmofen, zu gleichmäßigerem Erwärmen und kann damit Maß- und Formänderungen verringern. Das Gas muss so eingeleitet werden, dass eine gezielte Verteilung im Ofenraum gewährleistet ist. Zu diesem Zweck wird die Gasströmung mit Schiebern an den Gasauslässen entsprechend gesteuert. Durchstoßofenanlagen und Ringherdofenanlagen sind voll automatisierte Anlagen, mit denen bei mehrbahnigen Öfen gleichzeitig auch unterschiedliche Einsatzhärtungstiefen gefahren werden können. Beim Umstellen der Einsatzhärtungstiefen müssen auf der jeweiligen umzustellenden Bahn Leerroste gefahren werden, um die Durchlaufdauer an die neue Aufkohlungs- und Diffusionsdauer anzupassen. Im Unterschied zum Kammerofen, in dem eine Zeit-Temperatur-Folge durch Ändern der Solltemperatur in der Heizkammer vorgenommen wird, erfolgt dies beim Stoß- Strahlheizrohr Modulisolierung Feuerleichtstein Herd Charge Antrieb 63522_Liedtke_SL3a.indd 218 63522_Liedtke_SL3a.indd 218 16.06.2021 14: 36: 53 16.06.2021 14: 36: 53 <?page no="234"?> 3.7 Drehherdöfen 219 219 und Ringherdofen durch den Weitertransport der Charge in eine andere Temperaturzone des Ofens. Stoßöfen können so aufgebaut sein, dass für jeden Rost unterschiedliche Abkühlbedingungen realisiert werden können, z. B. Abkühlen im Schutzgas, Abschrecken in einer Härtepresse oder einem Abschreckbad. Tabelle 3-3: Beispielhafte Prozessparameter für ein Einsatzhärten mit einer Taktzeit von 15 min Verfahrensschritt Anzahl Roste Temperatur °C C-Pegelwert Dauer in h Vorwärmen 5 500 - 1,25 Erwärmen 8 500 bis 930 1,05 2 Aufkohlen 24 930 1,05 6 Absenken 5 850 0,85 1,25 Abschrecken 1 110 - 0,25 Waschen 2 75 - 0,5 Anlassen 16 170 - 4 Der typische Verfahrensablauf ist in den Bildern 3-30 und 3-31 dargestellt, Tabelle 3- 3 enthält zugehörige Verfahrensparameter. Die Verweildauer in der jeweiligen Temperaturzone ergibt sich aus der Anzahl der Roste in dieser Zone multipliziert mit der Taktzeit. 3.7 Drehherdöfen Der Drehherdofen ist dadurch gekennzeichnet, dass im Unterschied zum Drehringofen oder Ringherdofen der Herd nicht ringförmig, sondern scheibenförmig ist und sich zusammen mit dem aufgelegten Behandlungsgut um eine senkrechte Achse dreht. Bei diesem Ofentyp herrschen im gesamten Ofenraum die gleichen Bedingungen für Temperatur und Atmosphäre. Öfen dieser Gruppe werden vorzugsweise zum Austenitisieren aufgekohlter Teile benutzt. Bild 3-35 zeigt eine Außenansicht, in Bild 3-36 ist ein vertikaler Schnitt durch einen Drehherdofen abgebildet,. Drehherdöfen gibt es in unterschiedlichen Abmessungen. Typische Anlagen haben einen mittleren Herddurchmesser zwischen 1 m und 3 m mit einer Nutzbreite von 0,3 m bis 0,8 m. Je nach den Abmessung und Gewicht der zu behandelnden Werkstücke und dem erforderlichen Durchsatz, gibt es Drehherdöfen unterschiedlichster Abmessungen, Bild 3-35 zeigt ein typisches Beispiel. Daraus ergeben sich Außendurchmesser von ca. 2,5 m bis 5 m. Die Außenhöhe eines Ofens wird durch die Vorgabe für die Beschickungshöhe und durch die Höhe der zu behandelnden Bauteile bestimmt. Sie kann zwischen 2,5 m und 4 m liegen. 63522_Liedtke_SL3a.indd 219 63522_Liedtke_SL3a.indd 219 16.06.2021 14: 36: 53 16.06.2021 14: 36: 53 <?page no="235"?> 220 3 Anlagentechnik 220 Bild 3-35: Drehherdofen (LOI) Da der Ofenraum bis auf ca. 1000 °C erwärmt werden kann, ist er mit einer entsprechenden feuerfesten Auskleidung versehen. Zwischen Ofenmantel und Ausmauerung sorgt eine Isolierung für eine wirkungsvolle Wärmedämmung. Zur Aufnahme des Behandlungsgutes ist der Herd mit verschleißfesten, hitzebeständigen Werkstoffen ausgestattet. Dies können hitze- und zunderbeständige Gussplatten, keramische Werkstoffe oder Siliziumcarbid sein. Entscheidend ist, dass die Herdoberfläche konstruktiv so gestaltet wird, dass beim Beschicken bzw. beim Entladen das Behandlungsgut mechanisch nicht beschädigt wird und der Herd den thermischen Beanspruchungen langzeitig widersteht. Das Wärmebehandeln setzt einen gasdichten Ofenraum voraus. Erreicht wird das durch ein gasdicht geschweißtes Ofengehäuse, gut abgedichtete Durchführungen, beispielsweise für die Heizelemente und gasdicht schließende Ofentüren. Darüber hinaus muss der Ofenraum zwischen Ofengehäuse und Drehherd gegen die Atmosphäre abgedichtet werden. Dies wird mit Öl- oder Sandtassen auch in Kombination vorgenommen. Die Auslegung der Tassendichtung ist auf den angestrebten Druck im Ofeninnenraum abzustimmen. Dieser sollte im Bereich zwischen 1,5 mbar und 2,5 mbar über dem Umgebungsdruck liegen, was durch Kontrolle des Ölstands sichergestellt werden muss. Da bei der Wärmebehandlung Schutz- und Reaktionsgase eingesetzt werden, sind offene Beheizungssysteme nicht geeignet. Je nach verfügbarem Energieträger kommen deshalb gas- oder elektrisch beheizte Strahlheizrohre zum Einsatz. Für die Lebensdauer der Strahlheizrohre ist ihre Anordnung, senkrecht oder waagerecht, maßgebend. Der senkrechte Einbau zwischen Drehherd und Ofenwand ist wegen des stärkeren Durchbiegens horizontal angeordneter Strahlheizrohre für die Betriebsdauer vorteilhafter. Diese Konstruktion ist allerdings nur bei kompakt ausgemauerten Ofeninnenräumen oder sehr großen Drehherdöfen sinnvoll. 63522_Liedtke_SL3a.indd 220 63522_Liedtke_SL3a.indd 220 16.06.2021 14: 36: 54 16.06.2021 14: 36: 54 <?page no="236"?> 3.7 Drehherdöfen 221 221 Bild 3-36: Querschnitt durch einen Drehherdofen (Ipsen) Bei Öfen mit Gasumwälzung ist es sinnvoller, die Strahlrohre waagerecht einzubauen. Das vom Umwälzer angesaugte Ofengas wird mit dem zugeführten Frischgas vermischt und über die Strahlrohre dem Behandlungsgut zugeführt. Dies begünstigt den Wärmeübergang und das Reaktionsgeschehen an der Werkstückoberfläche. Um eine gleichmäßige Begasung im gesamten Ofenraum zu erreichen, ist es zweckmäßig, das Gas umzuwälzen. Dazu wird der zentrale Teil des Ofens genutzt. Über einen Ansaugtrichter wird das Ofengas durch den im Deckenbereich angeordneten Ventilator unter dem Herd angesaugt und danach gleichmäßig im restlichen Ofenraum verteilt. Das zugeführte Frischgas ist im Wirkbereich des Ventilators einzuleiten, so dass es gleichmäßig im Ofenraum verteilt wird. Kann aufgrund der Anforderungen an das Behandlungsergebnis (z. B. beim Härten) auf den Einbau einer Gasumwälzung verzichtet werden, dann ist dieser Bereich kompakt mit Mauerwerk auszufüllen. Die Gaseinspeisung ist dann gegenüber der Beschickungstür anzuordnen. Das Be- und Entladen der einzelnen Werkstücke erfolgt mit geeigneten Chargiereinrichtungen, gegebenenfalls auch von Hand. Da in vielen Fällen der Drehherdofen im Verbund mit einer Härtepresse betrieben wird, ist die Teileentnahme so gestaltet, dass sie gleichzeitig als Beschickungseinrichtung für die Härtepresse fungiert. Werden die zu härtenden Werkstücke von Hand entnommen, muss auf ein verzögerungsfreies Einbringen in die Abschreckeinrichtung geachtet werden. Um den Lufteinfall an der Beschickungs- und Entnahmetür so gering wie möglich zu halten, ist es zweckmäßig, die Tür nur so weit zu öffnen, dass die Werkstücke problemlos entnommen bzw. eingebracht werden können. Die Türe sollte mit einem äußeren bzw. einem zusätzlich in der Ausmauerung des Türbereichs angebrachten zweiten (inneren) Gasschleier versehen sein. Auf die Belange des Beschickens und Entnehmens kann die Drehbewegung des Ofenherds abgestimmt werden. 63522_Liedtke_SL3a.indd 221 63522_Liedtke_SL3a.indd 221 16.06.2021 14: 36: 54 16.06.2021 14: 36: 54 <?page no="237"?> 222 3 Anlagentechnik 222 Unterschiedliche Aufkohlungstiefen sind durch unterschiedliche Drehzahl des Ofenherds realisierbar. 3.8 Banddurchlauföfen Charakteristisch für Banddurchlauföfen ist der kontinuierliche Transport des Wärmebehandlungsguts, siehe Bild 3-37, auf einem Förderband durch einen Ofenraum. Er wird vorwiegend für Schüttgut eingesetzt / Bri98/ , / Kre94/ , es gibt jedoch Ausführungen für einzeln auf ein horizontales Förderband aufgelegte Werkstücke. Bild 3-38 zeigt die Außenansicht eines typischen Banddurchlaufofens. Prinzipiell kann der Ofen als gasdichtes Ofengehäuse mit temperaturbeständiger Auskleidung oder als Heizkammer mit innenliegender, gasdichter Retorte ausgeführt sein. Bild 3-37: Durchlaufofen/ Bandförderofen (Aichelin) Öfen mit Retorte sind vorteilhaft hinsichtlich des Gasverbrauchs und der erforderlichen Zeiten für den Atmosphärenwechsel. Ausführungen ohne Retorte eignen sich bevorzugt für den Betrieb bei hohen Temperaturen. Typische Behandlungen, die in Förderbandöfen durchgeführt werden können, sind Glühen, Vergüten, Einsatzhärten und Nitrocarburieren. Die äußeren Abmessungen können bis zu einer Länge von 12 m mit einer Länge des beheizten Bereichs bis 10 m und mehr reichen. Die Bandbreiten liegen zwischen 40 mm bis 1200 mm. Die Werkstücke werden von Hand oder durch automatisch gesteuerte Vorrichtungen auf das Förderband einzeln, als Schüttgut mit vorgegebener Schüttdichte oder lageorientiert aufgegeben. Bild 3-39 zeigt ein Beispiel für eine automatische Dosiereinrichtung. 63522_Liedtke_SL3a.indd 222 63522_Liedtke_SL3a.indd 222 16.06.2021 14: 36: 55 16.06.2021 14: 36: 55 <?page no="238"?> 3.8 Banddurchlauföfen 223 223 Bild 3-38: Typischer Banddurchlaufofen (SAFED) Bild 3-39: Beispiel für eine automatische Beschickungseinrichtung (SAFED) Das Abkühlen bzw. Abschrecken kann auf unterschiedliche Art erfolgen. Dazu ist häufig am Ofenende im Bereich der Bandumkehr, ein Fallschacht angeordnet. Abhängig von der Werkstückmasse und der zeitlichen Durchsatzmenge muss die Fallhöhe der Werkstücke durch das Abschreckmittel so festgelegt werden, dass am Ende des freien Falls die Teile auf die Temperatur des Abschreckmittels abgekühlt sind. 63522_Liedtke_SL3a.indd 223 63522_Liedtke_SL3a.indd 223 16.06.2021 14: 36: 55 16.06.2021 14: 36: 55 <?page no="239"?> 224 3 Anlagentechnik 224 Dazu wird unterhalb des Ofens in einer ausreichend tiefen Grube ein Abschreckmittel-Behälter angeordnet. Aus diesem werden die abgeschreckten Werkstücke mit einem Förderband oder einem Becherwerk ausgetragen, vgl. Bild 3-37. Die Geschwindigkeit der Austragevorrichtung ist so einzustellen, dass die Werkstücke am Ende des Austrags im Kern die Temperatur des Abschreckmittels erreicht haben / Tot96/ . Beim Eintauchen der heißen Werkstücke in das Abschreckbad ist das Entstehen von Dämpfen nicht zu vermeiden. Ihr Aufsteigen in den Ofenraum kann die Prozessführung erheblich beeinflussen. Aus diesem Grund ist es zweckmäßig, den Fallschacht durch ein Schleiersystem abzuschotten und dabei auf eine allseitige Strahlausbildung ohne offene Stellen zu achten. Ist ein Abschrecken nicht erforderlich, z. B. nach einem Glühen oder Nitrocarburieren, kann ein Abkühlen in einem nach dem Ofen angeordneten Kühlkanal erfolgen. In Verbindung mit einem nachfolgenden Reinigen der behandelten Werkstücke in einer Waschmaschine und, falls erforderlich, einem Anlassen, z. B. in einem weiteren Förderbandofen, ist ein vollständig automatisierter Prozessablauf möglich. Da Förderbandöfen im Regelfall mit Schutz- und Reaktionsgas betrieben werden / Bri93/ , ist das Gehäuse als gasdichte Stahlkonstruktion ausgeführt. Die Auskleidung wird in Abhängigkeit von den vorgesehenen Arbeitstemperaturen gewählt. Für den Hochtemperaturbereich über 700 °C kommen Feuerleichtsteine zum Einsatz. Beim Betrieb im Niedertemperaturbereich unterhalb 700 °C werden Fasermatten bzw. -platten verwendet. Um die äußeren Ofenwandtemperaturen möglichst niedrig zu halten, ist eine wirksame Isolierung zwischen der inneren Ofenauskleidung und dem Ofengehäuse vorzusehen. Zu beachten ist, dass der Förderbandofen im Prinzip ein offener Ofen ist. Daher ist es besonders wichtig, darauf zu achten, dass die austretende Gasmenge an der Beladeseite und auch am offenen Ofenende ausreichend groß ist, so dass Verpuffungen infolge eines Lufteintritts vermieden werden. Um das Eindringen von Luft in den Ofen so weit wie möglich zu unterbinden, sollte der Querschnitt der Einlaufschleuse auf die funktionell unbedingt erforderlichen Maße der Bandbreite oder Schütthöhe der Teile, beschränkt werden und es sind z. B. Schieber und ein FIammenschleier angebracht. Der Ofenraum selbst kann in mehrere Zonen aufgeteilt sein. Im Anschluss an die Einlaufschleuse tritt das Förderband in die Aufheizzone ein, danach folgen eine oder mehrere Heizzonen. Anzahl und Länge der einzelnen Zonen sowie Breite des Ofens sind entsprechend der geforderten Leistung des Ofens unterschiedlich. Für eine wirksame Umwälzung der Schutzbzw. Reaktionsgase sorgen im Oberteil des Ofens angeordnete Ventilatoren. In den Heizzonen wird durch den Einbau von keramischen Gasleitmuffeln ein gerichteter Gasstrom erzeugt, bei dem die Atmosphäre über dem Band abgesaugt, seitlich an der Muffel vorbeigeführt und dann von unten wieder nach oben durch das Band geführt wird. Damit werden ein gleichmäßiges Begasen aller Werkstücke sowie eine intensive Wärmeübertragung von den im unteren Ofenbereich angeordneten Strahlheizrohren auf das Behandlungsgut angestrebt. Die Gasströmung sollte von den Heizzonen in Richtung der Beladungsöffnung 63522_Liedtke_SL3a.indd 224 63522_Liedtke_SL3a.indd 224 16.06.2021 14: 36: 55 16.06.2021 14: 36: 55 <?page no="240"?> 3.9 Rollenherdöfen 225 225 geführt werden. Auch aus diesem Grund ist es zweckmäßig, die einzelnen Heizzonen separat zu begasen. Das hat auch den Vorteil, dass unterschiedliche Zusammensetzungen des Ofengases, z. B. unterschiedliche C-Pegelwerte, eingestellt werden können. Im Eingangsbereich des Ofens ist der Antrieb für das Förderband angeordnet. Er bildet mit der vorderen Umlenkrolle, der Antriebstrommel, dem Antriebsmotor, den mechanischen Untersetzungen und der automatischen Bandspanneinrichtung eine komplette Einheit. Da das Förderband in diesem Bereich nach seiner Erwärmung im Ofen wieder Umgebungstemperatur erreicht haben muss, ist es nach dem Verlassen des Ofens zu kühlen. Dazu tritt es nach dem Verlassen des Ausfallschachtes zunächst in einen wassergekühlten Kanalbereich ein, um dann im nicht mehr wassergekühlten Teil des Rückführungskanals die Umgebungstemperatur anzunehmen. Im Ofenraum wird das Förderband durch Rollen getragen. Dadurch werden unnötige Belastungen des Bandes vermieden. Die Tragrollen sind außen gelagert und werden dort auch angetrieben. Die Förderbänder können unterschiedlich ausgeführt sein. In der Regel sind es Bänder aus Drahtgeflecht aus hitze- und zunderbeständigen Werkstoffen. Entscheidend für die Ausführung ist die Geometrie des zu behandelnden Behandlungsgutes. An beiden Kanten des Bandes sind meist schuppenförmige Bleche angebracht. Sie verhindern ein seitliches Herabfallen der Teile vom Band in den Ofenraum. Werden Förderbandöfen mit Schutz- und Reaktionsgasen betrieben und ist keine Retorte vorgesehen, müssen geschlossene Heizsysteme zum Einsatz kommen. Die übliche Ausführungsform der Heizsysteme sind Strahlheizrohre aus hitzebeständigem Stahlguss oder aus keramischen Werkstoffen. Gasbeheizte Strahlheizrohre zeichnen sich durch Brennerkonstruktionen aus, die für einen hohen thermischen Wirkungsgrad und geringe Emissionen an CO und NO X sorgen. Beim Einsatz von Elektroenergie sind in den Strahlrohren Heizelemente auf keramischen Trägern angeordnet. Während in der Aufheizzone die Strahlheizrohre sowohl oberhalb als auch unterhalb des Förderbandes angeordnet sein können, um eine hohen Aufheizleistung zu erreichen, reicht in den Heizzonen die Anordnung der Strahlheizrohre unterhalb des Bandes aus. Muss das Band nach dem Verlassen des Rückführungskanales noch getrocknet werden, dann ist im Bereich der Antriebseinheit eine Warmluft- oder Infrarot- Trockenstrecke anzubringen. 3.9 Rollenherdöfen Rollenherdöfen können mit Schutz- und Reaktionsgas betrieben werden und eignen sich deshalb auch für thermochemische Behandlungen wie Nitrocarburieren, Carbonitrieren und Aufkohlen. Rollenherdöfen arbeiten kontinuierlich. Das Behandlungsgut wird je nach Geometrie und Größe der Werkstücke direkt auf Rollen, auf einer Unterlage oder in Behältern reibschlüssig über die angetriebenen Rollen durch den Ofen transportiert. Dies erfolgt schonend für die Werkstücke und die Behälter; mechanische Beschädigungen 63522_Liedtke_SL3a.indd 225 63522_Liedtke_SL3a.indd 225 16.06.2021 14: 36: 55 16.06.2021 14: 36: 55 <?page no="241"?> 226 3 Anlagentechnik 226 sind praktisch ausgeschlossen und es können relativ leichte Behälter benutzt werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass beim Beschicken des Ofens mit Behältern ein Vermischen unterschiedlicher Werkstücke vermieden wird. Wegen des Betriebs des Ofens mit Schutz- und Reaktionsgasen ist ein gasdichtes Stahlblech-Gehäuse notwendig. Das Gehäuse wird für Ofentemperaturen über 750 °C üblicherweise mit Feuerleichtsteinen und zusätzlichen Dämmstoffen im Ofeninneren ausgekleidet. Bei Ofentemperaturen unterhalb von 750 °C werden alternativ auch Matten aus Aluminiumsilikat oder Aluminiumoxid verwendet. Rollenherdöfen mit Schutz- oder Reaktionsgas werden mit geschlossenen Strahlheizrohren elektrisch oder mit Gas beheizt. Um die aus dem Ofen austretende Gasmenge klein zu halten, wird häufig eine Schleuse an der Beschickungsseite des Ofens angebracht, wie in Bild 3-40 zu sehen ist. Der Querschnitt der Schleuse kann über geeignete Einrichtungen an die Höhe der Charge oder Werkstücke angepasst werden. Zusätzlich wird der Eintritt von Sauerstoff in den Ofen durch einen Flammenschleier oder Spülen mit Stickstoff verhindert. Der Ofenraum ist üblicherweise in mehrere Regelzonen unterteilt, so dass über die Länge des Ofens Temperaturprofile eingestellt werden können. Bei speziellen Anforderungen kann in gewissen Grenzen auch die Ofenatmosphäre über die Länge des Ofens variiert werden. Die Ofenatmosphäre wird mit Umwälzern umgewälzt, um eine möglichst gleichmäßige Verteilung und Zusammensetzung zu gewährleisten. Im Niedertemperaturbereich dient dies vor allem auch dazu, die Wärme an das Behandlungsgut rascher zu übertragen. Aufgrund der Ofentemperaturen von bis zu 1100 °C bestehen die Rollen üblicherweise aus hitzebeständigem Gussmaterial. Der Rollendurchmesser liegt zwischen 15 mm und 250 mm. Bei kleinen Rollendurchmessern wird auch gezogenes Vollmaterial verwendet. Heute werden vielfach auch Rollen aus keramischem Material eingesetzt. Rollenherdöfen arbeiten im Temperaturbereich zwischen 180 °C und 1100 °C. Die Nutzbreite liegt zwischen 0,30 m und 3,0 m. Die Außenabmessung kann eine Länge von bis zu 50 m aufweisen. Bild 3-40 zeigt einen Längsschnitt und Bild 3-41 das Äußere eines Rollenherdofens. Als Nebeneinrichtungen sind zum Betreiben von Rollenherdöfen Be- und Entladevorrichtungen, Abschreckeinrichtungen mit flüssigen Abschreckmitteln, Abschreck- oder Schnellkühleinrichtungen mit Gasen, Härtepressen oder Quetten und Rückkühleinrichtungen erforderlich. In den Bildern 3-52 bis 3-55 sind beispielhaft Abschreckeinrichtungen für Rollenherdöfen schematisch dargestellt. 63522_Liedtke_SL3a.indd 226 63522_Liedtke_SL3a.indd 226 16.06.2021 14: 36: 56 16.06.2021 14: 36: 56 <?page no="242"?> 3.9 Rollenherdöfen 227 227 Bild 3-40: Längsschnitt durch einen Rollenherdofen (Aichelin) Das Behandlungsgut wird über eine gasgespülte oder evakuierbare Einlaufschleuse in den Ofen eingebracht. Speziell für das Nitrocarburieren oder andere Prozesse mit hohen Anforderungen an die Ofenatmosphäre wird das Eintragen von Luftsauerstoff in den Ofen damit soweit wie möglich unterbunden. Bild 3-41: Rollenherdofen (Aichelin) Nach dem Durchlaufen des für das Aufkohlen maßgebenden Ofenbereichs kann sich ein Bereich anschließen, in dem die Temperatur auf die erforderliche Härtetemperatur abgesenkt wird und danach kann mit einem separat angetriebenen Teil des Rollgangs beschleunigt in die angeschlossene Abschreckkammer befördert werden. 63522_Liedtke_SL3a.indd 227 63522_Liedtke_SL3a.indd 227 16.06.2021 14: 37: 04 16.06.2021 14: 37: 04 <?page no="243"?> 228 3 Anlagentechnik 228 3.10 Anlagen zum Niederdruckaufkohlen Für die Technik des Gasaufkohlens unterhalb des Atmosphärendrucks, also bei Niederdruck sind im technischen Sprachgebrauch die synonymen Begriffe „Vakuumaufkohlen“, „Unterdruckaufkohlen“ oder „Niederdruckaufkohlen“ im Gebrauch. Nach einem Vorschlag des AWT-Fachaus-schusses 5 soll der Begriff Niederdruckaufkohlen verwendet werden. Es wird in Vakuumöfen durchgeführt. Das Abkühlen bzw. Abschrecken der bei Niederdruck aufgekohlten oder carbonitrierten Werkstücke wird heute vorzugsweise im Gas vorgenommen, kann aber auch in Öl oder Salzschmelzen erfolgen. Beim Gasabschrecken wird mit Drucken von bis zu 20 bar (Hochdruck-Gasabschrecken), in seltenen Fällen bis 40 bar gearbeitet, um die erforderliche Abschreckwirkung zu erreichen. Das Gas wird rückgekühlt und im Kreislauf geführt. Zum Hochdruck-Gasabschrecken werden Stickstoff, Helium, Wasserstoff oder Gemische aus diesen Gasen verwendet. Beschreibung der Anlagen Öfen zum Niederdruckaufkohlen bestehen im einfachsten Fall aus einer Kammer, in der sowohl das Aufkohlen als auch das Abschrecken zum Härten erfolgt. Der Aufbau ist im Bild 3-42 abgebildet. Bild 3-42: Einkammer-Vakuumofen - Aufbau, schematisch (Ipsen) Der Ofen besteht aus einem horizontal angeordneten zylinderförmigen doppelwandigen Gehäuse, das wassergekühlt ist. In diesem befindet sich eine quaderförmige Muffel mit während des Aufkohlens geschlossenen Aussparungen oben und unten, 63522_Liedtke_SL3a.indd 228 63522_Liedtke_SL3a.indd 228 16.06.2021 14: 37: 05 16.06.2021 14: 37: 05 <?page no="244"?> 3.10 Anlagen zum Niederdruckaufkohlen 229 229 zur Aufnahme des Behandlungsgutes. An der Rückseite des Gehäuses ist ein Umwälzer angebracht, der beim Abschrecken das Gas umwälzt. Die Gasströmung ist durch Pfeile angedeutet. Die beiden Aussparungen der Muffel können so geöffnet und geschlossen werden, dass die abzuschreckende Ofencharge entweder von unten oder von oben angeströmt wird. Nach Passieren der Charge strömt das Abschreckgas durch einen Kühler und wird rückgekühlt. Die Außentür ist druckfest ausgeführt. Neben Einkammeröfen sind auch Mehrkammeröfen in Betrieb, bei denen das Abschrecken in einer separaten, so bezeichneten „Kaltkammer“, vorgenommen wird. Weil hier nicht zusätzlich auch die heiße Ofenkammer mit abgekühlt werden muss, wird eine höhere Abschreckwirkung erzielt, siehe die Bilder 3-43 bis 3-45. Beim Zweikammer-Ofen steht für das Abschrecken eine separate Kammer zur Verfügung, vgl. Bild 3-43. Zwischen der Heizkammer und der Abschreckkammer befindet sich eine druckdichte Zwischentür, die zusätzlich thermisch isoliert ist. Die Außentür an der Abschreckkammer ist ebenfalls druckfest ausgeführt. Die Isolation der Heizkammer ist eine Grafit-Hartfilz-Konstruktion. Das Beheizen erfolgt elektrisch mit Grafit-Stabelementen, die an vier Seiten um die Charge angeordnet sind. Bild 3-43: Zweikammer-Vakuumofen (Ipsen) Die Einrichtung zum Begasen enthält Massendurchflussregler für das Einspeisen der Gase zum Aufkohlen oder Carbonitrieren. Dies bietet den Vorteil, dass bei den geringen erforderlichen Gasmengen und den kurzen Begasungszeiten von weniger als einer Minute sichergestellt wird, dass keine Mangelversorgung bzw. keine Ruß- oder Teerbildung eintritt. Eine Mangelversorgung bedeutet eine ungleichmäßige Aufkohlung innerhalb einer Ofencharge. In der Aufkohlungskammer befindet sich ein Verteilersystem mit mehreren Düsen für das Gas, welches die Ofencharge allseitig versorgt. Um eine gleichmäßige Verteilung in alle Bereiche der Ofencharge zu erreichen, kann es zweckmäßig sein, eine Druckwechselfolge mit aufeinanderfolgenden Begasungs- und Evakuierungsschritten vorzunehmen. 63522_Liedtke_SL3a.indd 229 63522_Liedtke_SL3a.indd 229 16.06.2021 14: 37: 06 16.06.2021 14: 37: 06 <?page no="245"?> 230 3 Anlagentechnik 230 Bild 3-44: Zweikammer-Vakuumofen (Ipsen) Bild 3-45: Zweikammer-Vakuumofen beim Beladen (ALD) Der Vakuum-Mehrzweckkammerofen ist eine besonders flexible Anlage für kleinere und mittlere Chargenmengen. Die Mehrkammer-Vakuumöfen werden entweder mit einem mechanischen Gabelhubwagen oder einem automatisch arbeitenden Ladegerät be- und entladen. 63522_Liedtke_SL3a.indd 230 63522_Liedtke_SL3a.indd 230 16.06.2021 14: 37: 07 16.06.2021 14: 37: 07 <?page no="246"?> 3.10 Anlagen zum Niederdruckaufkohlen 231 231 Für große Werkstückmengen mit immer gleichen Prozessparametern hat sich das Durchlaufprinzip als vorteilhaft herausgestellt. Die in Bild 3-46 abgebildete Anlage besteht aus verschiedenen Funktionsmodulen zum Einschleusen, Erwärmen, Aufkohlen oder Carbonitrieren, Diffundieren, Absenken auf Härtetemperatur, Abschrecken. Die einzelnen Module werden mit einem Transportsystem - Hubbalken- oder Rollenherdprinzip miteinander verknüpft. Zwischen den einzelnen Kammern befinden sich Türen, die Druckdichtheit und/ oder Wärmeisolation gewährleisten. Die Funktionskammern der Anlage sind alle in Kaltwandtechnik ausgeführt, was eine Integration der Anlage direkt in die mechanische Fertigung ermöglicht. Der Behandlungsprozess wird in Teilschritte zerlegt, die alle in gleicher Weise vom Behandlungsgut durchlaufen werden. Bei Mehrkammer-Durchlaufanlagen werden in der Aufheizkammer metallische Heizleiter und im Aufkohlungs-/ Carbonitrierbereich, Grafitelemente verwendet. Standardmäßig ist für das Erwärmen der Charge unter Inertgas, üblicherweise Stickstoff, ein Konvektionslüfter vorhanden. Der Transport der Charge zwischen Vorkammer und Heizkammer kann mit einem Hubbalkensystem, das im Boden der Heizkammer angeordnet ist, oder einem Rollenantrieb mit Antriebsmodulen in jeder Kammer, erfolgen. Die Anlage kann sowohl zum Härten von Temperaturen bis 1250 °C als auch zum Einsatzhärten verwendet werden. Rasches und gleichmäßiges Erwärmen des Behandlungsgutes im Temperaturbereich bis 800 °C wird konvektiv unter Stickstoff vorgenommen, anschließend wird im Niederdruck die Wärme über Strahlung übertragen. Der Wärmebehandlungsprozess innerhalb der Anlage läuft rechnergesteuert vollautomatisch ab. Bild 3- 46 zeigt hierzu ein Beispiel einer Mehrkammeranlage. Bild 3-46: Vakuum-Mehrkammer-Durchlaufofen (ALD) . 63522_Liedtke_SL3a.indd 231 63522_Liedtke_SL3a.indd 231 16.06.2021 14: 37: 08 16.06.2021 14: 37: 08 <?page no="247"?> 232 3 Anlagentechnik 232 Das Prinzip der Anlage entspricht dem von Mehrkammeröfen, wie sie in der Prozessgastechnik bei Normaldruck betrieben werden, mit dem Beschicken und Entladen durch die Fronttüre. Die erste Kammer dient dabei als Schleuse für die Heizkammer. Sie wird nach dem Beladen mit einer Ofencharge und dem Schließen der Türe evakuiert. In dieser Vorkammer erfolgt dann auch das Hochdruck- Gasabschrecken oder Abkühlen. Die Mehrkammer-Durchlaufanlage ist für große Werkstückmengen konzipiert, die möglichst mit dem gleichen Behandlungsprogramm zu behandeln sind. Das Be- und Entladen wird mit einem Gabelhubwagen oder einem automatisch arbeitenden Ladegerät vorgenommen. Eine Variante dazu ist eine modular aufgebaute Anlage, wie sie in Bild 3-47 zu sehen ist. Sie besteht aus mehreren Öfen mit unterschiedlichen Aufgaben. Von einem Aufgabeplatz aus können die vorbereiteten Chargen nach vorgegebenen Programmen vollautomatisch durch die gesamte Anlage geschleust werden. Nach Abschluss der Behandlung werden die Chargen auf eine Entladestation gebracht. Das Aufkohlen oder Carbonitrieren, das Härten der aufgekohlten Teile oder das Anlassen kann in verschiedenen separaten Zellen erfolgen. Mit einem Transportwagen, der an die verschiedenen Zellen andocken kann, werden die Ofenchargen von Zelle zu Zelle weiterbefördert. Eine andere Möglichkeit ist der Transport mit einem Wagen in einem Tunnel, mit dem die einzelnen Zellen in Verbindung stehen. Bild 3-47: Modular aufgebaute Vakuumofen-Anlage (ALD) Die modular aufgebaute Anlage arbeitet vollautomatisch und ist gleichermaßen für wechselnde Behandlungen als auch für große Bauteilmengen geeignet; d. h. die Anlage behält auch bei wechselnden Behandlungsrezepten ihre hohe Verfügbarkeit. 63522_Liedtke_SL3a.indd 232 63522_Liedtke_SL3a.indd 232 16.06.2021 14: 37: 09 16.06.2021 14: 37: 09 <?page no="248"?> 3.10 Anlagen zum Niederdruckaufkohlen 233 233 Beim Niederdruckaufkohlen werden zum Hochdruck-Gasabschrecken beim Härten inerte Gase verwendet. Diese werden nach dem Einleiten in die Abschreckkammer umgewälzt und transportieren die Wärme vom Behandlungsgut über Wärmetauschsysteme ins Kühlwasser. Die Abschreckgase werden dabei im Kreislauf geführt. Bild 3-48 zeigt eine Hochdruck-Gasabschreckkammer. Bild 3-48: Hochdruck-Gasabschreckkammer (Ipsen) Um die Charge aus der Abschreckkammer entnehmen zu können, muss der Druck in der Kammer zunächst auf Atmosphärendruck gesenkt werden. Um einen besonders wirtschaftlichen Betrieb der Anlagen zu erreichen, werden dazu die eingesetzten Abschreckgase aus der Abschreckkammer in den Gasspeicher zurück gepumpt. Je nach Rückgewinnungsgrad können hierfür auch Kombinationen aus Kompressoren und Vakuumpumpen eingesetzt werden, die einen Gasverlust von weniger als 100 Liter je Abschreckzyklus ermöglichen. Bei derartig großen Rückgewinnungsgraden ist es allerdings erforderlich, entsprechende Gasreinigungssysteme einzusetzen, die in der Lage sind, angereicherten Restsauerstoff oder Wasserdampf aus den Abschreckgasen zu entfernen. Ohne dieses Reinigen kann sich die Werkstückoberfläche durch Oxidation verfärben. Dies ist jedoch lediglich ein optischer Effekt und für die Werkstückqualität nicht relevant. Prozessführung Der Aufkohlungsprozess ist in eine Serie von Aufkohlungs- und Diffusionsschritten aufgeteilt. Mit der Prozessdauer wird die Länge der einzelnen Aufkohlungsschritte verkürzt und die der Diffusionsschritte verlängert. Die Dauer der Einzelschritte wird zweckmäßigerweise durch eine Simulation berechnet. Der Prozessdruck während der Aufkohlungsschritte beträgt weniger als 20 mbar. Bei Verwendung von Acetylen als Prozessgas werden Drücke unter 5 mbar bis 10 mbar empfohlen, um Ruß- und Teerbildung möglichst zu vermeiden. Das Einstellen des Drucks während der Diffusionsphase wird auf unterschiedliche Weise vorgenommen. Entweder wird während dieses Schrittes evakuiert oder von Aufkohlungsgas auf Stickstoff umgeschaltet. 63522_Liedtke_SL3a.indd 233 63522_Liedtke_SL3a.indd 233 16.06.2021 14: 37: 09 16.06.2021 14: 37: 09 <?page no="249"?> 234 3 Anlagentechnik 234 Bei Einkammer- oder Mehrkammeröfen wird vor dem Abschrecken das Aufkohlungsgas abgepumpt. Bei modular aufgebauten Anlagen erfolgt dies vor dem Transport der Charge aus der Aufkohlungszelle in den Transportwagen. 3.11 Anlagen für thermochemische Behandlungen mit Plasmaunterstützung 3.11.1 Anlagen zum Plasmanitrieren/ -nitrocarburieren 3.11.1.1 Beschreibung der Anlagen Anlagen zum Plasmanitrieren und -nitrocarburieren eignen sich für niedrige Behandlungstemperaturen, für das örtlich begrenzte Nitrieren und Nitrocarburieren, für Werkstücke aus Sinterstahl, zum anschließenden Beschichten von Werkstücken nach dem PVD-Verfahren ohne Zwischenbearbeitung sowie zum Vorbehandeln passivierender Werkstoffe. Als Stickstoffspender kann anstelle von Ammoniak Stickstoff benutzt werden. Außerdem fallen weniger schädliche Abgase an / Huc02/ . Prinzip der Anlagen Das Prinzip der Anlage besteht darin, dass in einem Vakuumbehälter, der die Werkstücke aufnimmt, mittels eines angeschlossenen Plasmagenerators ein Gas ionisiert wird, aus dem Stickstoff oder Stickstoff und Kohlenstoff auf die Werkstücke übertragen wird. Ausführungsmöglichkeiten Die Anlage besteht aus einem Vakuumbehälter, auch Rezipient genannt, dem Pumpenstand, der Gasversorgung, einem Steuerteil, dem Plasmagenerator und einer Heizung. Die Anlagen können auch ohne Heizung ausgeführt werden, dann wird die erforderliche Prozesswärme ausschließlich durch die Plasmaleistung eingebracht. Dies hat den Nachteil, dass die Plasmaparameter nur begrenzt wählbar sind, um die Temperatur der Werkstücke zu regeln. Damit kann auch nicht das gesamte Spektrum der Nitrierschichten erzeugt werden. Vorteilhafter ist es, durch eine Zusatzheizung das Wärmen weitgehend vom Aufsticken zu entkoppeln. Dieser Anlagentyp wird als Warmwandanlage bezeichnet, Anlagen ohne Heizung als Kaltwandanlage. Für das Plasmanitrieren und -nitrocarburieren haben sich Haubenöfen durchgesetzt. Bild 3-49 zeigt eine typische Anlage und Bild 3-50 ein Schema des Aufbaus. Der Rezipient ist auf einem Boden aufgesetzt und kann über Vakuumpumpen evakuiert werden. Zum Öffnen wird die Haube nach oben angehoben und auf dem Boden die Charge aufgebaut. Danach wird die Haube wieder abgesenkt und nach dem Evakuieren des Behandlungsraums kann der Prozess ablaufen. Mit der externen Heizung und der Kühleinrichtung durch einen externen und einen internen Ventilator wird die Temperatur der Charge eingestellt. 63522_Liedtke_SL3a.indd 234 63522_Liedtke_SL3a.indd 234 16.06.2021 14: 37: 10 16.06.2021 14: 37: 10 <?page no="250"?> 3.11 Anlagen für thermochemische Behandlungen mit Plasmaunterstützung 235 235 Bild 3-49: Beispiel einer Anlage zum Plasmanitrieren und -nitrocarburieren (Eltropuls) Bild 3-50: Schnitt durch eine Pulsplasmanitrieranlage mit 5 Heizzonen der externen Heizung 63522_Liedtke_SL3a.indd 235 63522_Liedtke_SL3a.indd 235 16.06.2021 14: 37: 10 16.06.2021 14: 37: 10 <?page no="251"?> 236 3 Anlagentechnik 236 Um den Rezipienten effektiv zu nutzen, ist es zweckmäßig, die Anlage mit einem zweiten Boden auszustatten. Auf diesem kann eine weitere Charge aufgebaut werden, so dass nach Prozessende die Haube geschwenkt und umgesetzt werden kann. Lange schlanke Teile werden zweckmäßigerweise hängend chargiert. Für derartige Teile sind Schachtöfen am besten geeignet. Diese können aus Platzgründen auch unter Flur abgesenkt werden. Es ist zweckmäßig, solche Anlagen mit einer mechanischen Beschickung auszurüsten. Um die Prozessdauer zu minimieren, sind in den Rezipienten Ventilatoren für ein konvektives Erwärmen oder Abkühlen mit Inertgas eingebaut. Durch einen im Rezipienten oder außerhalb angeordneten Wärmetauscher kann das zum Kühlen benutzte Gas rückgekühlt werden. Es ist auch möglich, das Behandlungsgut durch Kühlen der Außenwand des Rezipienten mit Luft abzukühlen. Für kleine Werkstücke, die nur eine relativ kurze Behandlungsdauer benötigen, eignen sich kontinuierlich arbeitende Anlagen. Die Werkstücke werden in einer Vorkammer erwärmt und dann weiter in der Hauptkammer nitriert oder nitrocarburiert. Ein Nachbehandeln wie z. B. das Nachoxidieren und das Abkühlen erfolgen in einer weiteren Kammer. Zusatzeinrichtungen Anlagen zum Plasmanitrieren/ -nitrocarburieren sind mit einem Plasmagenerator ausgestattet, der die zur Glimmentladung erforderliche Spannung und den Strom generiert. Zu den Zusatzeinrichtungen gehören ferner eine Abkühlstation, ein Chargenpackplatz sowie eine Hebe- und Schwenkeinrichtung für das Heben und seitliche Verfahren der Haube. Soll in der Anlage unmittelbar anschließend an ein Nitrieren/ Nitrocarburieren eine PVD-Beschichtung vorgenommen werden, sind entsprechend weitere Zusatzeinrichtungen erforderlich. Plasmagenerator Weil die Lebensdauer der Ladungsträger, d. h. der Ionen, im Bereich von Millisekunden liegt, reicht eine Umschaltfrequenz des Puls-Plasmagenerators von 5 kHz bis 10 kHz aus. Da die Umschaltverluste mit steigender Frequenz zunehmen, werden mit einer Begrenzung der Frequenz auf maximal 10 kHz die Verluste gering gehalten. Für die Stabilität des Plasmas ist die Abschaltdauer wesentlich. Größenordnungen von 50 µs bis 200 µs sind anzustreben. Als max. Spannungen sind 500 V bis 600 V ausreichend, da typische Pulsspannungen der Entladung ca. 450 V bis 550 V betragen. Bei gleicher Leistung steht mehr Strom zur Verfügung, je niedriger die Spannung gewählt wird. Umgekehrt benötigt man hohe Spannungen zum Zünden der Entladung. Abhilfe schafft hier die Verwendung des Zündimpulses. (Patent DP 33 22 341, US 46 45 981, siehe Bild 5-5). Von den einzelnen Anlagenanbietern werden bezüglich der Beschreibung der Stromversorgung unterschiedliche Angaben verwendet. Nachstehend eine Erläuterung von verwendeten Begriffen. 63522_Liedtke_SL3a.indd 236 63522_Liedtke_SL3a.indd 236 16.06.2021 14: 37: 11 16.06.2021 14: 37: 11 <?page no="252"?> 3.11 Anlagen für thermochemische Behandlungen mit Plasmaunterstützung 237 237 Pulsspannung: Spannung, welche die Entladung kontinuierlich aufrecht erhält oder mit einem Tastverhältnis t v = t on / (t on + t off ) gepulst wird (siehe Bild 1-34) Pulsstrom: Momentaner Strom während des Pulses, der sich aus dem Quotienten Entladungsspannung dividiert durch den Innenwiderstand der Entladungsstrecke ergibt Maximaler Pulsstrom: Maximaler Strom, den die Stromversorgung abgeben kann Maximaler Strom, den der Generator unter definiertem Tastverhältnis mittlerer Strom: kontinuierlich abgeben kann Pulsleistung: Momentane Leistung während des Pulses Mittlere Leistung: Pulsspannung x Pulsstrom x Tastverhältnis. Die mittlere Leistung ist maximal, wenn nicht gepulst wird. Durch das Pulsen wird der mittlere Energieeintrag in die Anlage reduziert. Der "reaktionsfähige" Stickstoff wird aber ausschließlich in der Zeit t on , also nur während der Pulsdauer, erzeugt. Um Überhitzung von sehr formkomplizierten Bauteilen zu vermeiden, muss dementsprechend das Verhältnis von Pulsdauer zu Pulspause angepasst werden, z. B. 1: 10. Bei großen Chargen sind der maximale Pulsstrom und der maximale mittlere Strom, den die Stromversorgung liefern kann, wesentlich. Hier sind Stromversorgungen in industriellen Anlagen interessant, die maximale Pulsströme von mehr als 1000 A liefern können und diese ausreichend schnell schalten können. Die Schaltverluste sind näherungsweise proportional zur Frequenz, so dass die jeweilige Pulsfrequenz zusätzlich zum Tastverhältnis anzugeben ist. Die vollständige Definition des Arbeitsbereiches einer Stromversorgung hat daher zweckmäßigerweise in einem Strom-Spannungs-Diagramm zu erfolgen. Dabei ist die Abweichung im zeitlichen Verlauf des Pulsstroms von der Rechteckform zu beachten; diese ist entscheidend für die Auslegung des maximalen Pulsstroms. Die Parameter für die Auslegung des Plasmagenerators sind je nach der Aufgabenstellung mit dem Anlagenhersteller abzustimmen. 3.11.1.2 Aufbau der Anlagen Gestaltung des Ofenraums Der Ofenquerschnitt ist in der Regel kreisförmig. Der Ofenraum muss wegen der Evakuierbarkeit druckdicht ausgeführt sein. Zum konvektiven Erwärmen bzw. Abkühlen des Behandlungsgutes enthält der Ofenraum einen Umwälzer. Häufig ist ein externer Wärmetauscher für das Rückkühlen des zum Abkühlen der Charge benutzten Gases vorhanden. Die Ofenwand ist gleichzeitig die Anode und umgibt die Charge. Die Charge ruht auf einer Bodenplatte, die kathodisch geschaltet ist. Über druckdichte Durchführungen werden die Prozessgase zubzw. abgeführt. Auch für die Anschlüsse des elektrischen Stroms für die Heizung und das Plasma sowie die Thermoelemente sind druckdichte Durchführungen vorhanden. 63522_Liedtke_SL3a.indd 237 63522_Liedtke_SL3a.indd 237 16.06.2021 14: 37: 11 16.06.2021 14: 37: 11 <?page no="253"?> 238 3 Anlagentechnik 238 Eine besondere Bauart sind Anlagen mit einem so bezeichneten aktiven Gitter. Dieses dient dazu, den gasförmigen Stickstoffspender zu ionisieren und damit diffusionsfähigen Stickstoff freizusetzen. Dabei ist das aktive Gitter als Kathode geschaltet. Ein weiterer Abfall der Spannung zur Charge zum gerichteten Ionentransport wird in der Regel über eine so bezeichnete Bias-Spannung realisiert. Beheizung der Anlage Kaltwandanlagen - in der Regel ältere Anlagen - heizen die Charge nur über das Plasma auf. Warmwandanlagen sind mit einer zusätzlichen, außenliegenden Heizung ausgestattet, die je nach Retortengröße aus einer oder mehreren Heizzonen aufgebaut ist. Hierdurch können die Plasma- und die Heizleistung entkoppelt werden. Dies hat Vorteile bei der Temperaturregelung und bei der gezielten Herstellung von Verbindungsschichten mit definierter Zusammensetzung bzw. beim Nitrieren ohne Verbindungsschicht. Beschickung der Anlage Die Anlage wird im kalten Zustand beschickt, indem das Behandlungsgut auf die Bodenplatte aufgesetzt wird oder bei Schachtöfen in der Retorte aufgehängt wird. Bei Werkstücken, die örtlich begrenzt nitriert werden müssen, ist es möglich, durch geschickte Ausbildung des Werkstückträgers, eine entsprechende Abdeckwirkung zu erreichen. Ein automatisches Packen der Charge verbessert bei der Serienfertigung die Reproduzierbarkeit. In Abhängigkeit vom Behandlungsgut, dessen Oberfläche und den Behandlungsparametern (Druck, Gaszusammensetzung, Spannung) kann das Rezipientenvolumen nicht vollständig ausgenutzt werden. So ist einerseits ein Mindestabstand zwischen den Teilen selbst und andererseits zwischen Charge und Retortenwand notwendig. Bei Heißwandanlagen bestimmt das Rezipientenmaterial und dessen Dimensionierung die max. zulässige Wand- und damit Teiletemperatur. Gastechnische Ausrüstung Für die geringen Gasmengen werden zweckmäßigerweise Massendurchflussmesser benutzt. Die Versorgung mit den erforderlichen Gasen wie Stickstoff, Wasserstoff, Argon, Methan oder Kohlenstoffdioxid, erfolgt in der Regel mit Flaschen. Wegen der Werkstoffe für die Armaturen siehe Kapitel 2. 3.11.1.3 Anlagenbetrieb Die Leckrate ist von wesentlicher Bedeutung für eine Plasmanitrieranlage, es gelten die gleichen Anforderungen wie für Feinvakuum. So müssen Spalte vermieden werden und es darf kein Material verwendet werden, aus dem etwas ausgasen kann. Im leeren, sauberen Zustand der Anlage sind Leckraten unter 5·10 -3 mbar·l/ s anzustreben. Eine höhere Leckrate darf nicht durch eine stärkere Pumpleistung ausgeglichen werden. Das Vakuumsystem sollte in der Lage sein, die Plasmanitrieranlage innerhalb von 10 Minuten bis 15 Minuten auf ca. 0,1 mbar abzupumpen. 63522_Liedtke_SL3a.indd 238 63522_Liedtke_SL3a.indd 238 16.06.2021 14: 37: 11 16.06.2021 14: 37: 11 <?page no="254"?> 3.11 Anlagen für thermochemische Behandlungen mit Plasmaunterstützung 239 239 Das Aufheiz- und Abkühlsystem wird weitgehend durch die Charge und deren Behandlung bestimmt. In modernen Anlagen sind eine Aufheizdauer von einer Stunde bis 2 Stunden und eine Abkühldauer von 1 Stunde realisierbar. Die in einer Plasmanitrieranlage maximal bei definierten Behandlungsparametern behandelbare Fläche ergibt sich im Grenzfall aus dem maximalen Pulsstrom, den die Stromversorgung liefern kann. Die Steuerung bestimmt weitgehend die Praktikabilität und das Leistungsvermögen einer Plasmanitrieranlage. Sie muss die vollständige Prozessdefinition ermöglichen, ohne dabei kompliziert bedienbar zu sein. Vorteilhaft ist eine einfache sequentielle Programmierung, die vergleichbar einem Spreadsheet den gewünschten Ablauf beschreibt. Wesentlich ist beim Ablauf des Programms die Rückkopplung der aktuellen physikalischen Abläufe. Eine SPS kann dies nicht leisten. Vielmehr benötigt man leistungsfähige Algorithmen, die den Prozess im Sinne des Bedieners führen / Huc07/ . Dies bezieht sich auch auf Effekte wie Kurzschluss- und Hohlkathodenbildung, vgl. 1.2.4. Anlagenauswahl Der Vergleich von Plasmanitrieranlagen ist komplex, da er immer in Hinblick auf die zu behandelnden Werkstücke vorgenommen werden sollte. Als objektive Kriterien können für einen Vergleich genutzt werden: - Maße, z. B. Durchmesser und Höhe - Rezipientenmaterial (max. Behandlungstemperatur) - Leckrate der Anlage - Vakuumsystem (Abpumpdauer, Enddruck) - Aufheiz- und Abkühlsystem - Plasmastromversorgung - Steuerung Verfahrensabläufe Mögliche Verfahrensabläufe sind das Nitrieren oder Nitrocarburieren, ohne und mit Nachoxidieren oder je nach Anlagenausführung nachträgliches PVD-Beschichten oder eine Kombination aus Plasmasputtern und Gasnitrieren. Häufig wird zum Verbessern des Korrosionswiderstandes ein Nachoxidieren angefügt. Dies sollte möglichst in derselben Anlage während des Abkühlens durchgeführt werden. Das Nitriergut muss sauber, trocken und frei von passivierenden Rückständen in die Anlage chargiert werden. Der Anspruch an das Vorreinigen ist höher als beim Gasnitrieren/ -nitrocarburieren. Das Sputtern ersetzt kein Reinigen! Der Gesamtprozess gliedert sich in die Schritte: - Evakuieren und gegebenenfalls Spülen - Erwärmen - Oberflächenaktivieren durch Plasmasputtern - Erwärmen auf Behandlungstemperatur - Nitrieren / Nitrocarburieren - Abkühlen - Nachoxidieren, wenn vorgesehen - Abkühlen 63522_Liedtke_SL3a.indd 239 63522_Liedtke_SL3a.indd 239 16.06.2021 14: 37: 12 16.06.2021 14: 37: 12 <?page no="255"?> 240 3 Anlagentechnik 240 Bild 3-51 zeigt Anlagenzustände über den zeitlichen Ablauf einer Charge. Bild 3-51: Typischer Prozessablauf beim Plasmanitrieren/ -nitrocarburieren (Wandtemperatur = Heizungstemperatur) Beispiel für einen Verfahrensablauf Der typische Ablauf für ein Plasmanitrieren besteht aus folgenden Teilschritten: Schritt 1: Evakuieren und Erwärmen Nach dem Schließen der Anlage wird der Rezipient evakuiert, danach gespült und die Werkstücke konvektiv mit der Heizung auf eine Temperatur von z. B. 300 °C erwärmt. Danach wird erneut auf einen Enddruck von z. B. 0,3 mbar evakuiert. Schritt 2: Plasmasputtern Das Plasmasputtern erfolgt meist mit Wasserstoff. Dabei wird die Werkstückoberfläche durch einen Beschuss mit Wasserstoffionen aktiviert. Durch Zugabe von Argon kann die Sputterwirkung verbessert werden. Damit sollen Passivschichten beseitigt werden, so dass sich auch leicht passivierbare Stähle nitrieren lassen. Das Sputtern ersetzt jedoch nicht das Reinigen der Werkstücke von groben fertigungsbedingten Rückständen. Schritt 3: Erwärmen des Behandlungsgutes auf Nitrier-/ Nitrocarburiertemperatur Unter Ausnutzung der Plasmaenergie und der Wandheizung werden die Werkstücke auf die erforderliche Temperatur erwärmt. Die Teiletemperatur liegt dabei bis zu 50 °C über der Wandtemperatur. Schritt 4: Nitrieren/ Nitrocarburieren Behandlungstemperatur, -dauer und Prozessgaszusammensetzung ergeben sich aus der jeweiligen Aufgabenstellung. 63522_Liedtke_SL3a.indd 240 63522_Liedtke_SL3a.indd 240 16.06.2021 14: 37: 12 16.06.2021 14: 37: 12 <?page no="256"?> 3.12 Allgemeine Hinweise zur Ofenauswahl 241 241 Schritt 5: Abkühlen Ist die vorgeschriebene Haltedauer erreicht, wird die Wandheizung abgeschaltet. Die Charge wird mittels externer Ventilatoren abgekühlt. Zusätzlich ist der Einsatz von Schnellkühleinrichtungen (Gas-Wasser-Wärmetauscher) möglich. In speziellen Fällen ist es sinnvoll, unter Aufrechterhalten des Nitriervorgangs unter Plasma das Abkühlen zu beginnen. Schritt 6: Nachoxidieren Als Sauerstofflieferant wird üblicherweise Wasserdampf im Temperaturbereich zwischen 520 °C und 450 °C benutzt. Dies kann entweder beim kontinuierlichen Abkühlen oder beim Halten auf einer bestimmten Temperatur erfolgen. Schritt 7: Abkühlen Das Abkühlen nach dem Nachoxidieren erfolgt durch Abschalten der Heizung und Abkühlen der Charge auf Raumtemperatur. 3.12 Allgemeine Hinweise zur Ofenauswahl Für die Auswahl des jeweils geeigneten Ofens kommen unterschiedliche Kriterien in Betracht. Aus den Tabellen 3-4 und 3-5 können grob einige maßgebende Entscheidungsmerkmale entnommen werden. In Tabelle 3-4 ist die Zuordnung der Ofenarten für das Wärmebehandeln von Einzelteilen (E), Kleinserien (K) oder Serien mit großer Stückzahl (S) abzulesen. Tabelle 3-5 enthält Hinweise auf typische Eigenschaften der verschiedenen Öfen wie Regelbarkeit, Flexibilität, Durchsatz und Transfereinfluss. Tabelle 3-4: Typische Anwendungsgebiete der verschiedenen Ofenarten Ofentyp Aufkohlen Carbonitrieren Härten Nitrieren Nitrocarburieren Schachtofen E, K E, K E, K, S E, K, S Hubherdhaubenofen E, K E, K E, K E, K E, K Kammerretortenofen E, K, S E, K, S Mehrzweckofen, Mehrzweckkammerofen E, K, S E, K, S E, K, S E, K, S Durchstoßofen/ Ringherdofen K, S K, S K, S K, S Drehherdofen K, S K, S Banddurchlaufofen K, S K, S K, S K, S Rollenherdofen K, S K, S K, S E = Einzelteile, K = Kleinserien, S = Serienteile (= große Stückzahl) 63522_Liedtke_SL3a.indd 241 63522_Liedtke_SL3a.indd 241 16.06.2021 14: 37: 13 16.06.2021 14: 37: 13 <?page no="257"?> 242 3 Anlagentechnik 242 Tabelle 3-5: Typische Eigenschaften verschiedener Öfen Regelbarkeit Flexibilität Durchsatz Transfereinfluss* Schachtofen ↑↑↑ ↑ ↑↑↑ x Hubherdhaubenofen ↑↑ ↑↑↑ ↑↑ Kammerretortenofen ↑↑ ↑ ↑ Mehrzweckofen, Mehrzweckkammerofen ↑↑ ↑↑↑ ↑↑ Durchstoßofen ↑ ↑ ↑↑↑ Ringherdofen ↑↑ ↑ ↑↑↑ Drehherdofen ↑↑ ↑ ↑↑ x Banddurchlaufofen ↑ ↑ ↑↑↑ Rollenherdofen ↑ ↑ ↑↑↑ * Transfereinfluss: beim Umsetzen zum Abschrecken 3.13 Abschreckanlagen Die für das Einsatzhärten erforderlichen Abschreckanlagen können generell in die beiden Gruppen: offene Tauchbäder und geschlossene, in die Ofenanlage integrierte Tauchbäder, eingeteilt werden. Bei Vakuumöfen besteht die Abkühlstation aus einer druckdichten Kammer zum Abschrecken mit Gas unter Druck zwischen 5 bar und 20 bar, seltener bis 40 bar. Darüber hinaus gibt es Einrichtungen für spezielle Anwendungen, die hier nicht beschrieben werden. Die offenen Tauchbäder werden hauptsächlich für Schacht- und Haubenöfen, für Banddurchlauföfen, Rollenherdöfen und im Prinzip auch für Hubherd-Haubenöfen benützt. Es handelt sich hierbei meist um quadratische oder rechteckige Stahlbehälter, die im Bedarfsfall mit einer Umwälzung, gegebenenfalls mit Leitvorrichtungen und einer Rückkühlung für das Abschreckmittel ausgestattet sind. Werden die Abschreckmittel wie z. B. Salzschmelzen oder Warmbadöle bei Betriebstemperaturen über rd. 50 °C benützt, sind die Behälter wärmeisoliert und verfügen über eine geregelte Heizung. Beschicken und Entladen der offenen Abschreckbehälter erfolgt meist mit einer Krananlage. Die geschlossenen Tauchbehälter finden sich bei den Kammer- und Retortenöfen, den Durchstoß- und Ringherdsowie den Drehherdöfen in einer Abkühlkammer. Diese ist in die Ofenanlage so eingebunden, dass die abzuschreckende Charge direkt in die Abkühlkammer verfahren wird und dort mit einem Lift in das Abschreckbad eingetaucht werden kann. Als Abschreckmittel werden vorzugsweise Öle benutzt. Für das Abschrecken in einem Salzwarmbad sollte die Abkühlstation so vom Ofenheizraum getrennt sein, dass die beim Eintauchen entstehenden Salzdämpfe nicht in den Heizraum ziehen können. Die Abkühlkammer kann eine außenliegende Mantelkühlung besitzen. In Bild 3-52 ist der Querschnitt eines typischen Abschreckbehälters eines Mehrzweck-Kammerofens abgebildet. Wird die heiße Ofencharge nicht in die Abschreckflüssigkeit eingetaucht, kann sie, auf der Transportebene stehend, in Schutzgas oder Inertgas, meist Stickstoff, abgekühlt werden. Ein an der Decke der Abkühlkammer angebrachter Umwälzer unterstützt dann ein optimales Abkühlen. 63522_Liedtke_SL3a.indd 242 63522_Liedtke_SL3a.indd 242 16.06.2021 14: 37: 13 16.06.2021 14: 37: 13 <?page no="258"?> 3.13 Abschreckanlagen 243 243 Bild 3-52: Mehrzweck-Kammerofen, Querschnitt durch den Ölabschreckbehälter (Ipsen) Bild 3-53: Beispiel für ein Ölabschreckbad mit Senkbühne (Aichelin) In Bild 3-53 ist ein Schnitt durch ein Ölabschreckbad eines Rollenherdofens zum Einsatzhärten abgebildet. Die Charge wird in einem Werkstückträger vom Ofen mit- 63522_Liedtke_SL3a.indd 243 63522_Liedtke_SL3a.indd 243 16.06.2021 14: 37: 15 16.06.2021 14: 37: 15 <?page no="259"?> 244 3 Anlagentechnik 244 tels Rollenantrieb in das Abschreckbad verfahren. Über eine Senkbühne wird ins Ölbad abgesenkt. Um die Abschreckwirkung zu intensivieren und ein Überhitzen des Öls zu vermeiden, wird das Öl mittels Umwälzern und Leitvorrichtungen durch die Charge geleitet. Durch einen im Abschreckbehälter oder außerhalb angebrachten Wärmetauscher wird das Abschrecköl rückgekühlt. Bild 3-54: Quellflut-Abschreckbad eines Rollenherdofens, Längsschnitt (Aichelin) Bild 3-55: Quellflut-Abschreckbad eines Rollenherdofens, Querschnitt (Aichelin) 63522_Liedtke_SL3a.indd 244 63522_Liedtke_SL3a.indd 244 16.06.2021 14: 37: 19 16.06.2021 14: 37: 19 <?page no="260"?> 3.14 Hinweise zum Chargenpacken 245 245 3.14 Hinweise zum Chargenpacken Der Aufbau des Behandlungsgutes in einer Ofencharge ist bei thermochemischen Behandlungen von besonderer Bedeutung für das Ergebnis der Wärmebehandlung. Hierbei steht die Erreichbarkeit der Oberfläche der Werkstücke für das Diffusionsmittel ebenso wie für das Abschreckmittel, im Vordergrund. In den Bildern 3-56 bis 3-60 sind einige typische Beispiele für Chargenpackungen unterschiedlicher Teile wiedergegeben. Bei Schüttgut ist darauf zu achten, dass die Schütthöhe nicht zu hoch wird. Dabei ist flächenförmige Berührung zu vermeiden, linien- oder punktförmige Berührung ist in den meisten Fällen tolerierbar. Bild 3-56: Beispiel für Schüttware in einem Korb Bild 3-57: Beispiel für eine Charge mit Kleinteilen 63522_Liedtke_SL3a.indd 245 63522_Liedtke_SL3a.indd 245 16.06.2021 14: 37: 20 16.06.2021 14: 37: 20 <?page no="261"?> 246 3 Anlagentechnik 246 Das Beispiel in Bild 3-57 erscheint zwar für das gleichmäßige Aufkohlen und Abschrecken optimal, jedoch ist die Packungsdichte hinsichtlich einer wirtschaftlichen Ofennutzung nicht optimal. Schlanke Werkstücke wie Wellen oder Achsen sollten aus Verzugsgründen vorzugsweise in der Chargiervorrichtung hängend oder, wie in Bild 3-58 zu sehen, stehend angeordnet werden. Bild 3-58: Beispiel für den Chargenaufbau von schlanken Wellen (Härtetechnik Fellbach) Bild 3-59: Beispiel Chargenaufbau hängender scheibenförmiger Werkstücke (ALD) 63522_Liedtke_SL3a.indd 246 63522_Liedtke_SL3a.indd 246 16.06.2021 14: 37: 21 16.06.2021 14: 37: 21 <?page no="262"?> 3.14 Hinweise zum Chargenpacken 247 247 Je nach Geometrie können scheibenförmige Werkstücke liegend oder stehend in den Chargenbehälter gepackt werden. Bei einer hängenden Anordnung, wie im Bild 3-59 zu sehen, tauchen die Werkstücke beim Abschrecken in Flüssigkeiten mit ihrem unteren Bereich zuerst ein. Dadurch ist mit einer unterschiedlichen Abschreckwirkung zu rechnen, was zu ungleichmäßigen Maß- und Formänderungen führen kann. Günstiger für das Formänderungsverhalten des Durchmessers erweist sich eine Anordnung wie in Bild 3-60, bei der die Räder liegend behandelt werden. Allerdings muss in diesem Fall damit gerechnet werden, dass sich die Räder tellerförmig verziehen. Besser ist es, eine Dreipunktauflage vorzusehen, um die Maß- und Formänderungen zu minimieren. Bild 3-60: Beispiel für den Chargenaufbau gelegter scheibenförmiger Teile (ALD) Beim Behandeln in Vakuumöfen ist darauf zu achten, dass die Packung der Werkstücke nicht zu dicht ist, so dass die von den Werkstücken gegenseitig abgestrahlte Wärme nicht zu örtlichen Temperaturspitzen führt. Für die Chargiervorrichtungen werden üblicherweise hitzebeständige Werkstoffe verwendet. Die Vorrichtungen verziehen sich im Laufe der Betriebsdauer und müssen gegebenenfalls nachgerichtet bzw. nachbearbeitet werden. Sie sollten außerdem so beschaffen sein, dass sie die häufigen Temperaturwechsel ohne allzu großen Verzug überstehen. Um das Gewicht der Chargiervorrichtungen zu reduzieren und das Verzugsproblem zu umgehen, können Vorrichtungen aus beschichtetem CFC benutzt werden. Diese Vorrichtungen können inzwischen auch zum Abschrecken von Ofenchargen in Öl benutzt werden. 63522_Liedtke_SL3a.indd 247 63522_Liedtke_SL3a.indd 247 16.06.2021 14: 37: 21 16.06.2021 14: 37: 21 <?page no="263"?> 248 3 Anlagentechnik 248 3.15 Chargentransport Externe Transportsysteme werden eingesetzt um Be- und Entladestationen, Zwischenspeicher, Transportbahnen oder andere periphere Anlagenkomponenten mit den eigentlichen Wärmebehandlungsanlagen zu verknüpfen. Es gibt unterschiedlichste Varianten, diese Transportsysteme zu gestalten. So werden beispielsweise Rollenförderer, Kettenförderer, Hubbalkentransportsysteme oder auch schienengebundene Gabelhubsysteme zum Chargentransport eingesetzt. Die Transportsysteme werden den Platzverhältnissen, der Anzahl der zu speichernden Chargen und/ oder der Abhängigkeit anderer peripherer Systeme entsprechend gestaltet. In den Bildern 3-17, 3-18, 3-29, 3-39, 3-41 und 3-45 sind im Zusammenhang mit der Beschreibung der verschiedenen Öfen zweckentsprechende Be- und Entladegeräte abgebildet. 63522_Liedtke_SL3a.indd 248 63522_Liedtke_SL3a.indd 248 16.06.2021 14: 37: 21 16.06.2021 14: 37: 21 <?page no="264"?> 249 4 Energiebilanz 4.1 Der Energiebedarf für thermochemische Prozesse Die Kenntnis der Energiebilanz eines Prozesses ist Voraussetzung für eine wirtschaftliche Arbeitsweise, da sie Aufschluss über die Energienutzung und damit auch über die Aufteilung und die einzelnen Verlustanteile gibt. Bild 4-1 zeigt in schematischer Darstellung, wie die dem Prozess zugeführte Energie anteilmäßig aufgeteilt werden kann. Als Nutzenergie sollte nur der Energieanteil zum Erwärmen des Stahls auf Aufkohlungsbzw. Nitriertemperatur zugrunde gelegt werden. Bild 4-1: Schematische Darstellung des Wärmehaushalts eines Aufkohlungsprozesses Die Verluste ergeben sich aus: der Abgaswärme des Brenners Q A der mit dem Aufkohlungsbzw. Nitriergas abgeführten Wärme Q Atm der latenten Wärme Q latent des Reaktionsgases, die bis heute in der Praxis durch Abfackeln verloren geht; in Bild 4-1 ist sie anteilig der fühlbaren Wärme von Q Atm überlagert dargestellt den Wandverlusten, Q W , verursacht durch Strahlung und/ oder Konvektion der von der Ofenwand und den anderen Bauelementen gespeicherten Wärme Q Sp , die aber bei mehr oder weniger kontinuierlicher Fahrweise nur beim Anfahren aufzubringen ist der Erwärmung der Roste Q R 63522_Liedtke_SL3a.indd 249 63522_Liedtke_SL3a.indd 249 16.06.2021 14: 37: 22 16.06.2021 14: 37: 22 <?page no="265"?> 250 4 Energiebilanz 250 der Reaktionswärme des chemischen Prozesses Q chem ; sie ist nicht eingetragen, da sie eine untergeordnete Rolle spielt Der wärmetechnische Nutzungsgrad wird durch das Verhältnis des Wärmeinhalts des Stahls bei der Behandlungstemperatur zur zugeführten Energie ausgedrückt: η = Q N / Q B Damit entspricht der prozentuale Wärmeanteil des Stahls dem Nutzungsgrad. Die angeführten einzelnen Verluste sowie die Nutzwärme lassen sich bei Kenntnis der spezifischen Wärmeinhalte, der Einsatz- und Verbrauchsmengen sowie aus der Temperaturdifferenz berechnen und in ein mathematisches Modell einbauen. Auf dieser Basis lässt sich die Energiebilanz aufstellen, die in übersichtlicher Weise in Form der Energiefließdiagramme Aufschluss über die diesbezügliche Prozesseffektivität liefern. Es wird also ein sogenanntes Raster entwickelt, welches zumindest für eine größere Zahl von Öfen bzw. Anlagen repräsentativ ist und somit letztlich eine kritische, vergleichende Bewertung erlaubt. Tabelle 4-1: Gleichungen zum Berechnen der Wärmeinhalte Zugeführte Wärmemenge pro Charge: B B U Q m H = ⋅ Nutzwärme: N pFe Fe T,Fe Fe Q c m T H m = ⋅ ⋅ ∆ = ∆ ⋅ Speicherwärme Roste: R pFe Fe T,Fe Fe Q c m T H m = ⋅ ⋅ ∆ = ∆ ⋅ Abgaswärme: ( ) 2 2 2 2 2 2 A pN N pCO CO H O H O Q c m c m c m T = ⋅ + ⋅ + ⋅ ⋅ ∆ 2 2 2 2 2 2 N N CO CO H O H O H m H m H m = ∆ ⋅ + ∆ ⋅ + ∆ ⋅ ( ) B Brenner B Q n Q = − ⋅ Wärmeinhalt Atmosphäre: ( ) 2 2 2 2 3 3 Atm pN N pCO CO H H NH NH Q c m c m c m c m T = ⋅ + ⋅ + ⋅ + ⋅ ⋅ ∆ (+ latente Wärme) 2 2 2 2 3 3 N ,T N CO,T CO H ,T H NH NH H m H m H m H m = ∆ ⋅ + ∆ ⋅ + ∆ ⋅ + ∆ ⋅ (+ latente Wärme) Bilanzgleichung: B N R A Atm S W SP Q Q Q Q Q Q Q Q = + + + + + + Mit: Q in kJ/ Charge, m in kg, H U in kJ/ kg, c P in kJ/ kg-K, T in K In Tabelle 4-1 sind die auf den Wärmehaushalt gemäß Bild 4-1 bezogenen wichtigsten Gleichungen zum Berechnen der einzelnen Anteile zusammengestellt, welche die Grundlage des mathematischen Modells darstellen. Die Summe sämtlicher Verluste muss zusammen mit der Nutzwärme Q N der insgesamt bereitgestellten Energie Q B entsprechen. Die anteiligen Wärmeinhalte lassen sich bei Kenntnis der jeweiligen spezifischen Wärme, multipliziert mit der Menge und der Temperaturdifferenz, wie es aus den in Tabelle 4-1 angeführten Gleichungen ersichtlich ist, berechnen. 63522_Liedtke_SL3a.indd 250 63522_Liedtke_SL3a.indd 250 16.06.2021 14: 37: 22 16.06.2021 14: 37: 22 <?page no="266"?> 4.1 Der Energiebedarf für thermochemische Prozesse 251 251 Bild 4-2: Enthalpie von Reineisen als Funktion der Temperatur nach Barin und Knacke Bild 4-2 zeigt für Reineisen den Verlauf des Wärmeinhaltes (Enthalpie) in Abhängigkeit von der Temperatur. Die Energiesprünge infolge Modifikationsänderung am Curiepunkt (769 °C) und beim Umwandeln von Ferrit in Austenit (906 °C) treten deutlich hervor. Diese Umwandlungspunkte sind legierungsabhängig d. h. sie verschieben sich z. B. durch Kohlenstoff, Silizium u. a. Elemente zu höherer oder niedrigerer Temperatur, wie es aus dem Fe-C-Diagramm bekannt ist. Die Einsatzstähle sind im Allgemeinen niedrig legiert, so dass beim Benutzen der Daten für Reineisen kein großer Fehler gemacht wird. Der in der Praxis angewendete Temperaturbereich bewegt sich meist um 950 °C. Hier beträgt gemäß Bild 4-2 der Wärmeinhalt 670 kJ/ kg oder 186 kWh/ t. Für den in Nitrier- oder Aufkohlungsprozessen benutzten Temperaturbereich kann der Verlauf der Enthalpie durch drei lineare Funktionen beschrieben werden. Mit Hilfe der Geradengleichungen kann die Enthalpie des Eisens für die unterschiedlichen Temperaturen rechnerisch ermittelt werden. Tabelle 4-3 beinhaltet weitere Formeln, Umrechnungen und Werte, die für die oben aufgeführten Gleichungen benutzt werden können. Die für die Ofenladung des Behandlungsgutes notwendigen Chargiervorrichtungen müssen zwangsläufig ebenfalls bis auf Reaktionstemperatur erwärmt werden, so dass die erforderliche Wärmemenge den Verlusten zuzuordnen ist. Die spezifische Wärmekapazität der beim Aufkohlen beteiligten Gaskomponenten zeigt Bild 4-3; die Werte sind auf konstanten Druck und auf 1 kg des Stoffes bezogen. Für den Wasserstoff wurde eine separate Skala auf der rechten Ordinate angelegt, da eine Differenz von der Größenordnung einer Zehnerpotenz auftritt, was in der geringen Dichte des Wasserstoffs von 0,0841 kg/ m 3 gegenüber den anderen Gasen begründet ist. 63522_Liedtke_SL3a.indd 251 63522_Liedtke_SL3a.indd 251 16.06.2021 14: 37: 23 16.06.2021 14: 37: 23 <?page no="267"?> 252 4 Energiebilanz 252 Bild 4-3: Spezifische Wärmekapazität von Gasen (nach Barin und Knacke) Bei Kenntnis der Betriebsdaten, wie Werkstück- und Rostgewicht, Gasanalyse und Gasmenge, Temperatur, Nutzungsgrad der Brenner und Dauer des Prozesses können nun die in Bild 4-1 angeführten Wärmemengen für die Nutzenergie = Wärmeinhalt der Charge sowie für die Verlustanteile berechnet werden. Um eine Berechnungsgrundlage für das Aufteilen der bereitgestellten Energie auf Nutzwärme und Verlustanteile gemäß Bild 4-1 transparent zu machen, wird der nachstehend beschriebene Berechnungsweg vorgeschlagen. Damit ergibt sich eine quantitative Aussage, ob die betreffende Anlage hinsichtlich der Energienutzung optimal eingestellt ist. Auch bei der Planung ist bereits zu berücksichtigen, dass die charakteristischen werkstoffbezogenen Daten wie z. B. Randkohlenstoffgehalt und Aufkohlungstiefe, die letztlich die Behandlungsdauer bestimmen, auf den Anlagentyp, die Verfahrensauswahl in Verbindung mit dem Produktionsfluss wie z. B. Serienproduktion oder Ähnliches abgestimmt sein müssen. Für die unterschiedlichen Verfahren und Ofentypen wurde in Tabelle 4-3 ein vereinfachtes Rechenmodel erstellt, mit dem bei Kenntnis der normalen Betriebsdaten eine Energiebilanz für den einzelnen Anwendungsfall erstellt werden kann. Zum Bestimmen der Enthalpie von Eisen und der Wärmekapazität der Gase können die in den Bildern 4-2 und 4-3 dargestellten Daten benutzt oder mit den in Tabelle 4- 3 angegebenen Gleichungen berechnet werden. 63522_Liedtke_SL3a.indd 252 63522_Liedtke_SL3a.indd 252 16.06.2021 14: 37: 23 16.06.2021 14: 37: 23 <?page no="268"?> 4.1 Der Energiebedarf für thermochemische Prozesse 253 253 Tabelle 4-2: Grundlegende Gleichungen für das Berechnungsmodell In den Prozess eingebrachte Energie je Charge: Q B = v B · H u · t Q B : zugeführte Energie [kJ] v B : Menge Brenngas/ Erdgas [m³/ h] t : Behandlungdauer [h] H u : Heizwert Erdgas [kJ/ m³] Nutzenergie je Charge: Q N = ∆ H T,Fe · m Fe Q N : Nutzenergie [kJ] ∆ H T,Fe : spezifische Enthalpie von Eisen bei Aufkohlungstemperatur [kJ/ kg] m Fe : Masse der Charge [kg] Speicherwärme Roste je Charge: Q R = ∆ H T,Fe · m Fe Q R : Speicherwärme Roste [kJ] ∆ H T,Fe : spezifische Enthalpie von Eisen bei der Aufkohlungstemperatur [kJ/ kg] m Fe : Masse der Roste [kg] Spaltenergie bei Einsatz von Methanol je Charge: Q M = H M · m M · t Q M : Spaltenergie [kJ] H M : spezifische Spaltenergie von Methanol, [kJ/ kg] m M : Masse Methanol [kg] Wärmeinhalt Trägergas je Charge: Q Atm = (c pN2 ·m N2 +c pCO ·m CO +c pH2 ·m H2 +c pNH3 ·m NH3 )· ∆ T Q Atm : Wärmeinhalt Trägergas [kJ] cp N2 : spezifische Wärmekapazität Stickstoff [kJ/ (kg*K)] m N2 : Masse N 2 [kg] c pCO : spezifische Wärmekapazität von CO [kJ/ (kg*K)] m CO : Masse CO [kg] c pH2 : spezifische Wärmekapazität H 2 [kJ/ (kg*K)] m H2 : Masse H 2 [kg] cp NH3 : spezifische Wärmekapazität NH 3 [kJ/ (kg*K)] m NH3 : Masse NH 3 [kg] ∆ T : Temperaturdifferenz zwischen zugeführtem Gas und Aufkohlungstemperatur [K] Abgaswärme Brenner je Charge: Q A = Q B - ( η ∙ Q B ) Q A : Abgaswärme Brenner [kJ] η : Nutzungsgrad Brenner Leerwert, Wärmesonstige Verluste je Charge: Q S +Q W +Q SP =Q B -Q N -Q A -Q Atm -Q R Ausgleich auf 100 % Energieverbrauch je behandelte Tonne Einsatzstahl: Q T = Q B / (m Fe / 1000) Q T : Energieverbrauch bezogen auf eine Tonne wärmebehandelten Einsatzstahl [kJ/ t] Q B : Zugeführte Energie [kJ] m Fe : Masse der Charge [kg] 63522_Liedtke_SL3a.indd 253 63522_Liedtke_SL3a.indd 253 16.06.2021 14: 37: 24 16.06.2021 14: 37: 24 <?page no="269"?> 254 4 Energiebilanz 254 Tabelle 4-3: Berechnung der spezifischen Wärmekapazität und Kennwerte 1. Wärmekapazität von Stickstoff: [kJ/ (kg·K)] c p (N 2 ) = (27,21+0,0042 * T)*0,0357 2. Wärmekapazität von Kohlenmonoxid: [kJ/ (kg·K)] c p (CO) = (27,21+0,0042 * T)*0,0357 3. Wärmekapazität von Wasserstoff: [kJ/ (kg·K)] c p (H 2 ) = (27,21 + 0,0038 *T)* 0,5 4. Wärmekapazität von Ammoniak: [kJ/ (kg·K)] c p (NH 3 ) = (28,05+0,0264*T)*0,059 5. Heizwert von Erdgas : je nach Gasqualität Hu: 36000 bis 42000 kJ/ m³ 6. Spaltenergie für Methanol: 3960 [kJ/ kg] 7. Umrechnung kWh in kJ: 1 kWh = 3600 kJ bzw. 1000 kJ = 0,278 kWh 4.2 Beispiele aus der Praxis Im Folgenden werden drei Beispiele einer Energiebilanz aufgezeigt, um einerseits ein quantitatives Bild für unterschiedliche Verfahren bzw. Ofentypen zu vermitteln und andererseits die Größenordnung der Nutz- und Verlustanteile zu zeigen. Somit erhält man Informationen über das Ausmaß der einzelnen Verlustanteile und kann prüfen, ob die Energienutzung verbessert werden kann; zudem erhält man eine Vergleichsmöglichkeit mit anderen Öfen bzw. Prozessdaten. Die drei vorliegenden Beispiele beziehen sich auf einen Doppelkammerofen einen Durchstoßofen einen Vakuum Mehrzweckkammerofen (Niederdruckaufkohlung) 4.2.1 Beispiel 1: Doppelkammerofen Dieser in der Praxis eingesetzte Ofen weist gemäß Tabelle 4-4 die folgenden Betriebsdaten auf, wobei die in Tabelle 4-3 zusammengestellten Angaben zugrunde liegen. Eine Charge von 410 kg mit einem zusätzlichen Rostgewicht von 90 kg wird bei 970 °C innerhalb von 5,4 Stunden auf 0,8 %C Randkohlenstoffgehalt und eine At 0,35 = 1,2 mm aufgekohlt; als Trägergas wurde Endogas eingesetzt. Für die Nutzenergie des Stahls wurde, bezogen auf 970 °C, ein Wärmeinhalt (Enthalpie) von 700 kJ/ kg = 195 kWh/ t zugrunde gelegt; dies entspricht 80 kWh für die 410 kg- Charge des gewählten Beispiels. Für die in den Prozess eingebrachte Energie ist in dem Beispiel nur die über den Reku-Brenner zugeführte Heizenergie berücksichtigt; zusätzliche Verbrauchswerte wie z. B. für elektrische Antriebe, Zündbrenner u.a. müssen relativiert und evtl. mit eingesetzt werden. 63522_Liedtke_SL3a.indd 254 63522_Liedtke_SL3a.indd 254 16.06.2021 14: 37: 25 16.06.2021 14: 37: 25 <?page no="270"?> 4.2 Beispiele aus der Praxis 255 255 Bei einem Erdgasverbrauch von 7 m³/ h ergibt sich bei der zugrunde gelegten Prozessdauer von 5,4 Stunden und einem Heizwert Hu von 40000 kJ/ m³ = 11,11 kWh/ m³ ein Gesamtverbrauch von 421 kWh. Auf diesen Gesamtwert, ausgedrückt als 100 %, sind in Tabelle 4-4 die einzelnen Energiewerte bezogen, wie - Nutzenergie - Speicherwärme Roste - Reaktionsenergie - Spaltenergie bei Einsatz von Methanol - Wärmeinhalt Endogas - Wärmeverluste über Brennerabgase - Leerwert des Ofens / Wärmeverluste über Strahlung, Konvektion u. Türaustritt - Sonstige Energieverluste In einer zusätzlichen Rubrik wurde die Nutzenergie mit 100 % festgelegt und die anderen Daten hierauf bezogen; letztere Darstellung wird in der Literatur ebenfalls des öfteren verwendet. Die grafische Darstellung dieses Ergebnisses lässt sich besonders übersichtlich anhand eines Fließdiagramms, des so bezeichneten Sankey- Diagramms, darstellen, siehe Bild 4-4. Die hier vorliegenden Wandverluste mit 35 % liegen relativ hoch; sie sind im sogenannten Leerwert enthalten, der im vorliegenden Fall überwiegend den Wandverlusten über Strahlung und Konvektion entspricht. Hierzu ist zu berücksichtigen, dass der Ofen für Aufkohlungschargen mit geringerer Einsatzhärtungstiefe, d. h. für kürzere Behandlungsdauer konzipiert wurde, so dass die Ofenisolierung bewusst nicht stärker dimensioniert war, was bei einer Behandlungsdauer von nahezu 5,5 Stunden sicherlich erforderlich ist. Im Normalfall betragen diese Verluste ca. 25 %. Die Energienutzung beträgt demnach nur 19 %; das ist überraschend wenig. Im Normalfall erreicht der Doppelkammerofen eine Energienutzung von über 20 %, was immer noch relativ niedrig ist. Bild 4-4: Berechnete Energiebilanz eines Doppelkammerofens 63522_Liedtke_SL3a.indd 255 63522_Liedtke_SL3a.indd 255 16.06.2021 14: 37: 25 16.06.2021 14: 37: 25 <?page no="271"?> 256 4 Energiebilanz 256 Tabelle 4-4: Prozessparameter und berechnete Energiebilanz eines Doppelkammerofens Prozessparameter Erdgas 7 m 3 / h Elektrische Energie 0 kWh Chargengewicht 410 kg Ofenverweildauer (Erwärmen + Aufkohlen) 5,4 h Aufkohlungstemperatur 970 °C Schutzgasmenge 9 m 3 / h Nutzungsgrad Brenner 0,75 Randkohlenstoffgehalt 0,8 Masse-% Einsatzhärtungstiefe CHD 1,2 mm Grenzkohlenstoffgehalt 0,4 Masse-% Gewicht Roste 90 kg CO-Gehalt Aufkohlungsgas 20 Vol-% Einsatz Methanol nein Chargenoberfläche 5 m 2 Energieverbrauch elektrische Energie 0 kWh Durchsatz 75,93 kg/ h Energiebilanz Energie kWh Prozentual % Bezogen auf 100 % Nutzenergie Nutzenergie 80 24,55 100 Speicherwärme Roste 18 5,39 22 Reaktionsenergie 1 0,17 1 Wärmeinhalt Endogas 17 0 22 Spaltenergie bei Einsatz Methanol 0 0 0 Wärmeverluste Abgase Brenner 105 0 132 Leerwert/ Wärmeverluste/ sonstige Verluste 200 69,89 250 Zugeführte Energie gesamt 421 100 527 Die Abgasverluste der Gasbrenner liegen mit 25 % im üblichen Betriebsbereich, wobei der in der Berechnung angegebene Nutzungsgrad der Brenner von 0,75 als realistisch anzusehen ist. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, eine Energiebilanz aufzustellen, um zu erkennen, wie sich die Verlustanteile aufteilen und wo unnötig hohe Verluste auftreten. Hieraus können, wie im vorliegenden Beispiel, wichtige Erkenntnisse und somit Konsequenzen für die Optimierung des Prozesses gezogen werden. 63522_Liedtke_SL3a.indd 256 63522_Liedtke_SL3a.indd 256 16.06.2021 14: 37: 26 16.06.2021 14: 37: 26 <?page no="272"?> 4.2 Beispiele aus der Praxis 257 257 4.2.2 Beispiel 2: Durchstoßofen In Tabelle 4-5 sind die Betriebsdaten eines doppelbahnigen Durchstoßofens mit einer Rostbeladung von 220 kg zusammengestellt. Die Aufkohlung erfolgte bei 970 °C, der Randkohlenstoffgehalt lag bei 0,8 Masse-% und die Einsatzhärtungstiefe betrug 0,4 mm. Die Strahl- und Konvektionsverluste des Ofens werden normalerweise nicht separat erfasst, so dass diese zusammen mit den sonstigen Verlusten wie Speicher-, Kühlwasserwärme u. a. über den sogenannten Leerwert des Ofens ermittelt werden. Der Gesamtenergieverbrauch sollte des einfacheren Vergleichs wegen auch für gasbeheizte Öfen, wie in Tabelle 4-5 für das erörterte Beispiel, in kWh (absolut) bzw. in kWh/ t angegeben werden. Zudem ist es sinnvoll, die Werte auf 1 t Durchsatz zu beziehen sowie zusätzlich prozentual auszudrücken. Tabelle 4-5: Prozessparameter und berechnete Energiebilanz eines Durchstossofens Prozessparameter Erdgas 20 m 3 / h Elektrische Energie 0 kWh Chargengewicht 220 kg Ofenverweildauer (Erwärmen + Aufkohlen) 1 h Aufkohlungstemperatur 970 °C Schutzgasmenge 30 m 3 / h Nutzungsgrad Brenner 0,69 Randkohlenstoffgehalt 0,8 Masse-% Einsatzhärtungstiefe CHD 0,4 mm Grenzkohlenstoffgehalt 0,4 Masse-% Gewicht Roste 150 kg CO-Gehalt Aufkohlungsgas 20 Vol-% Einsatz Methanol nein Chargenoberfläche 5 m 2 Energieverbrauch elektrische Energie 0 kWh Atmosphäre Endogas Energiebilanz Energie kWh Prozentual % Bezogen auf 100 % Nutzenergie Nutzenergie 43 19,3 100 Speicherwärme Roste 29 13,1 68 Reaktionsenergie 0 0,1 0 Wärmeinhalt Endogas 11 4,8 25 Spaltenergie bei Einsatz Methanol 0 0 0 Wärmeverluste Abgase Brenner 69 31 161 Leerwert/ Wärmeverluste/ sonstige Verluste 71 31,7 165 Zugeführte Energie gesamt 223 100 519 63522_Liedtke_SL3a.indd 257 63522_Liedtke_SL3a.indd 257 16.06.2021 14: 37: 27 16.06.2021 14: 37: 27 <?page no="273"?> 258 4 Energiebilanz 258 Bild 4-5: Berechnete Energiebilanz für einen Durchstoßofen Die grafische Auswertung in Form des Sankey-Diagramms zeigt Bild 4-5, das zum Ausdruck bringt, dass die Nutzenergie nur etwa 19,3 % beträgt, was aber für einen Durchstoßofen im üblichen Bereich liegt. Die Ofenverluste wie Strahlung, Konvektion u. dgl. verbrauchen bereits ein Drittel der Energie; ein knappes weiteres Drittel geht über die Abgase der Brenner verloren; der Wärmeinhalt des Reaktionsgases Q Atm liegt bei 4,8 %, wobei allerdings die latente Wärme nicht berücksichtigt wurde. Somit bleibt für die Roste und die Nutzenergie noch ein Anteil von ca. 32 %, wovon die reine auf den aufzukohlenden Stahl bezogene Nutzenergie ca. 19 % ausmacht. 4.2.3 Beispiel 3: Vakuum-Mehrzweck-Kammerofen zum Niederdruckaufkohlen In Tabelle 4-7 sind die Prozessparameter für einen elektrisch beheizten Vakuum- Mehrzweck-Kammerofen zum Niederdruckaufkohlen angegeben. Die daraus berechnete Energiebilanz ist in Bild 4-6 dargestellt. Zur besseren Vergleichbarkeit wurde hier ebenfalls eine Aufkohlung bei einer Temperatur von 970 °C mit einer Dauer von 5 h betrachtet. Die Rost- und Chargengewichte wurden äquivalent zu dem Beispiel 1, des Doppelkammerofens, gewählt. Bild 4-6 zeigt die graphische Darstellung der Energieverteilung sowie die prozentualen Anteile. Die Energieverluste setzen sich hier zusammen aus: dem Leerwert des Ofens, der die verschiedenen Verlustanteile zusammenfasst dem Wärmeinhalt des Abgases, das nur aus dem Aufkohlungsgas besteht und damit vernachlässigbar ist den Verlusten durch weitere Stromverbraucher wir Pumpen, Konvektionsmotor, etc. 63522_Liedtke_SL3a.indd 258 63522_Liedtke_SL3a.indd 258 16.06.2021 14: 37: 27 16.06.2021 14: 37: 27 <?page no="274"?> 4.2 Beispiele aus der Praxis 259 259 Da für diese berechnete Energiebilanz die gleiche Berechnungsgrundlage wie bei den gasbeheizten Öfen verwendet wurde, werden die Verluste nur durch die Differenz zwischen der zugeführten Energie und den berechneten Wärmeinhalten der Charge und Roste bestimmt. Falls Einzelwerte von Stromverbrauchern bekannt sind, können diese bei der Berechnung mit berücksichtigt werden. Tabelle 4-7: Prozessparameter und berechnete Energiebilanz eines Niederdruckaufkohlungsofens Prozessparameter Erdgas 0 m 3 / h Elektrische Energie 325 kWh Chargengewicht 410 kg Ofenverweildauer (Erwärmen + Aufkohlen) 5 h Aufkohlungstemperatur 970 °C Schutzgasmenge 0 m 3 / h Nutzungsgrad Brenner 0 Randkohlenstoffgehalt 0,8 Masse-% Einsatzhärtungstiefe CHD 1,2 mm Grenzkohlenstoffgehalt 0,4 Masse-% Gewicht Roste 90 kg CO-Gehalt Aufkohlungsgas 0 Vol-% Einsatz Methanol nein Chargenoberfläche 5 m 2 Energieverbrauch elektrische Energie 0 kWh Durchsatz 82 kg/ h Energiebilanz Energie kWh Prozentual % Bezogen auf 100 % Nutzenergie Nutzenergie 80 24,55 100 Speicherwärme Roste 18 5,39 22 Reaktionsenergie 1 0,17 1 Wärmeinhalt Endogas 0 0 0 Spaltenergie bei Einsatz Methanol 0 0 0 Wärmeverluste Abgase Brenner 0 0 0 Leerwert / Wärmeverluste / sonstige Verluste 227 69,89 285 Zugeführte Energie gesamt 325 100 408 Die zugeführte, elektrische Gesamtenergie beträgt 325 kWh und ist somit niedriger als beim gasbeheizten Doppelkammerofen. Da das Chargengewicht und damit deren Enthalpie vergleichbar sind, ist in diesem Berechnungsbeispiel der prozentuale Anteil der Nutzenergie mit ca. 25 % höher als im Doppelkammerofen. Der wesentliche Grund hierfür liegt in der unterschiedlichen Basisenergie, wozu in den beiden ersten Beispielen die Strahlheizrohre durch Erdgasverbrennung und in diesem dritten Beispiel mittels elektrischer Energie erhitzt wurden. Mit Erdgasbrennern lässt sich ein Nutzungsgrad von 75 % erreichen, mit elektrischer Energie einer 63522_Liedtke_SL3a.indd 259 63522_Liedtke_SL3a.indd 259 16.06.2021 14: 37: 28 16.06.2021 14: 37: 28 <?page no="275"?> 260 4 Energiebilanz 260 von nahezu 95 %. Allein durch diese Differenz wird der Unterschied im Gesamtnutzungsgrad rechnerisch nachvollziehbar. Bild 4-6: Berechnete Energiebilanz eines Vakuum-Mehrzweckkammerofens Legt man für einen solchen Vergleich den primärseitigen Energieverbrauch zugrunde, so werden die Verluste bei der Stromerzeugung einbezogen, so dass der auf die Primärenergie bezogene Gesamtnutzungsgrad vergleichbar wird. Für die Erdgasverwendung müsste der - allerdings geringere zusätzliche Energieverbrauch für Förderung, Transport und dgl. ebenfalls berücksichtigt werden. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass der Energievergleich noch keine Aussage über die Kostenfrage zulässt. Letztere schließt selbstverständlich den Energieverbrauch mit ein, berücksichtigt aber die vor Ort anstehenden Energiekosten und die für den Einzelfall speziellen Betriebsbedingungen, um die jeweils optimale Lösung für die qualitätsbezogene Verfahrensfrage zu finden. 63522_Liedtke_SL3a.indd 260 63522_Liedtke_SL3a.indd 260 16.06.2021 14: 37: 28 16.06.2021 14: 37: 28 <?page no="276"?> 261 5 Umweltschutz und Entsorgung Für den Umweltschutz und das Entsorgen von Abfällen, die in Wärmebehandlungsbetrieben/ Härtereien entstehen, gelten nicht nur nationale Richtlinien 8 , Gesetze und Verordnungen, sondern auch Europäisches Recht. Global ist das Umweltmanagement in ISO 14001 beschrieben. Dies ist die Basis für entsprechende Handbücher und Checklisten für den Umweltschutz. Verantwortlich für den Umweltschutz und das Entsorgen von Abfällen und damit haftbar für alle daraus abzuleitenden Schäden ist grundsätzlich der Betreiber eines Wärmebehandlungsbetriebs bzw. einer Härterei. Der Umweltschutz ist ein komplexes Thema, er umfasst sowohl Aktivitäten zur Genehmigung und das Betreiben der Härterei sowie das Entsorgen von Abfällen, als auch den Arbeitsschutz und die Qualitätssicherung. 5.1 Umweltschutz und Genehmigungsrecht Vom Betreiber eines Wärmebehandlungsbetriebes bzw. einer Härterei müssen bei den jeweils zuständigen Behörden die nach den Gesetzen vorgeschriebenen Genehmigungen eingeholt werden. Dies betrifft: • Bauliche Maßnahmen gemäß geltender Bauvorschriften • Betreiben von Anlagen, welche dem Bundes-Immissions-Schutzgesetz (BIm- SchV) unterliegen • Einleiten von Abwässern, die in der Abwasserverordnung (AbwV) spezifiziert sind • Entsorgen von Abfällen, die in Eigenverantwortung entsorgt werden • Brandschutz • Schichtarbeit, Arbeit an Feiertagen, Zwölfstunden-Schichten u. ä. Alle Genehmigungen sind in einen Genehmigungskataster aufzunehmen und bilden die Basis aller weiteren für den Umweltschutz relevanten Dokumentationen des Wärmebehandlungsbetriebs. Der Genehmigungskataster sollte Folgendes enthalten: • Art der Genehmigung • Geltungsbereich • Behördliche Aktenzeichen 8 Hierzu gehört u. a. das Bundes-Immissionsschutz-Gesetz (BImSchG), das deutsche Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge, was noch durch die TA-Luft; TA-Lärm u. a. konkretisiert wird. 63522_Liedtke_SL3a.indd 261 63522_Liedtke_SL3a.indd 261 16.06.2021 14: 37: 29 16.06.2021 14: 37: 29 <?page no="277"?> 262 5 Umweltschutz und Entsorgung 262 • Genehmigungsdaten • Name der Genehmigungsbehörde • Geltungsbereich der Genehmigung • Etwaige Nebenbestimmungen der Genehmigung • Geltungsdauer der Genehmigung • Mögliche Befristung der Genehmigung • Für die Genehmigung verantwortlicher Mitarbeiter des Unternehmens 5.2 Gefahrstoffe In Wärmebehandlungsbetrieben/ Härtereien typische Gefahrstoffe sind: - Innenauskleidungsreste von Öfen: Schamott, Keramikfasern - Abschrecköle - Hydrauliköle - Schmier- und Gleitmittel - Lösemittelhaltige Reiniger und Waschmittel - Ölhaltige Papiere und Betriebsmittel - Lösemittelhaltige Isoliermittel - Wärmebehandlungssalze - Gase : Wasserstoff, Endogas, Ammoniak, Acetylen, Kohlenstoffdioxid - Verflüssigte Gase: Ammoniak, Methanol, Kohlenstoffdioxid Zu allen in einem Unternehmen gelagerten und eingesetzten Gefahrstoffen müssen die Sicherheitsdatenblätter der Hersteller vorliegen und für das Personal zugänglich sein. Zusätzlich sind alle Gefahrstoffe in einem Gefahrstoffkataster zu erfassen. Dieser sollte als Mindestangaben enthalten: - Bezeichnung des Gefahrstoffes (Handelsname) - Verwendungszweck - Einsatzort/ Lagerort - Lagermenge - Gefährdungseinstufung entsprechend der H- und R-Sätze des Sicherheitsdatenblatts - Einstufung nach Gefahrstoffverordnung - Einstufung nach Wassergefährdungsklasse - Schutzstufen 5.2.1 Lagern von Gefahrstoffen Für Gefahrstoffe ist ein normkonformes Gefahrstofflager einzurichten. Hierbei müssen das Zusammenlagerungs-Verbot nach TRGS 510 beachtet und die Mengengrenzen nach der Störfall-Verordnung berücksichtigt werden. Die Störfall-Verordnung (StöV oder 12.BImSCHV in Deutschland) regelt den Schutz von Mensch und Umwelt vor den Folgen plötzlich auftretender Störfälle beim Betreiben technischer Anlagen, bei denen gefährliche Stoffe austreten können. Hier sind Mengenschwellen für entsprechende Informationsflüsse festgeschrieben. Die Betreiber des Wärmebehandlungsbetriebs/ der Härterei sind durch die Störfallverordnung verpflichtet, geeignete Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, um Störfälle zu vermeiden, auftretende sofort zu erkennen und entsprechend zu handeln und Auswirkungen auf Mensch und Umwelt 63522_Liedtke_SL3a.indd 262 63522_Liedtke_SL3a.indd 262 16.06.2021 14: 37: 29 16.06.2021 14: 37: 29 <?page no="278"?> 5.4 Abfallentsorgung 263 263 so weit wie möglich zu minimieren. Die Lagermengen von Gefahrstoffen sollten auf ein Minimum beschränkt sein. 5.2.2 Einsatz von Gefahrstoffen Werden Gefahrstoffe eingesetzt, müssen die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen an den Arbeitsplätzen umgesetzt werden. Hierzu ist es erforderlich, dass zu jedem eingesetzten Gefahrstoff eine Betriebsanweisung gemäß § 14 der GefStoffV sowohl am Lagerort als auch am Arbeitsplatz aushängt. Diese soll enthalten: - Bezeichnung des Gefahrstoffs - Gefahren für Mensch und Umwelt - Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln - Verhalten im Gefahrfall - Erste Hilfe-Maßnahmen - Sachgerechte Entsorgung Auch am Einsatzort in der Härterei sollte sachgemäß gelagert und die Lagermenge so gering wie möglich gehalten werden. Den Beschäftigten sind die erforderlichen persönlichen Schutzausrüstungen für den Umgang mit Gefahrstoffen zur Verfügung zu stellen. Die Beschäftigten sind regelmäßig im Umgang mit den Gefahrstoffen zu unterweisen und zum Tragen der persönlichen Schutzausrüstung zu verpflichten, was von diesen unterschriftlich zu bestätigen ist. 5.3 Anlagen und Ausrüstungen Für das Umweltschutzmanagement ist es erforderlich, sämtliche in der Härterei vorhandenen Wärmebehandlungsanlagen und das Zubehör wie z. B. Kompressoren oder Gasgeneratoren zu erfassen und ein Anlagenkataster zu erstellen. In dieses sind die wichtigsten Angaben unter Umweltaspekten aufzunehmen: - Eine Beschreibung der Anlagen, ihrer wesentlichen Merkmale sowie der wassergefährdenden Stoffe nach Art und Menge, die bei bestimmungsgemäßem Betrieb in den Anlagen vorhanden sein können - Eine Beschreibung der für den Gewässerschutz wichtigen Gefahrenquellen und der Vorkehrungen und Maßnahmen zum Vermeiden von Gewässerschäden bei Betriebsstörungen Im Zusammenhang von Umweltmanagement und Arbeits- und Betriebssicherheit sind auch Gesichtspunkte wie z. B. Behälterrevisionen, Druckprüfungen, Kranprüfungen etc. zu beachten. Regelungen werden hierzu meist im Rahmen des Arbeitsschutzmanagements festgelegt, soweit keine gesetzlichen Vorgaben vorhanden sind. 5.4 Abfallentsorgung Bezüglich der Behandlung der Abfallstoffe setzen die Abfallgesetze klare Prioritäten: VERMEIDEN vor VERWERTEN vor BESEITIGEN! 63522_Liedtke_SL3a.indd 263 63522_Liedtke_SL3a.indd 263 16.06.2021 14: 37: 30 16.06.2021 14: 37: 30 <?page no="279"?> 264 5 Umweltschutz und Entsorgung 264 Die Menge der anfallenden Abfälle sollte also so gering wie möglich gehalten und/ oder möglichst recycelt werden. Ist dies nicht möglich, sind sie sachgerecht zu entsorgen. Das Entsorgen wird auf der Basis folgender rechtlicher Grundlagen durchgeführt: Bund: Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen - Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW/ AbfG) Land: Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen und die Behandlung von Altlasten im Bundesland - Landesabfallgesetz (LabFg) Kommune: Abfallwirtschaftssatzung des Landkreises. Ein erfolgreicher Ansatz zum Minimieren der unvermeidbaren Abfälle ist: • Aufzeigen der Stoffströme • Prüfen von Beschaffungsalternativen • Verfahrensoptimierung • Bereichsbezogene Abfallerfassung Sachgerechte Entsorgung setzt voraus, dass die anfallenden Abfälle getrennt gesammelt werden. Übliche Fraktionen sind: - Wertstoffe, d. h. Stoffe, die wiederverwendet werden können, z. B. Guss- Schrott, Kernschrott u. a. m. - Restmüll: Restabfälle, die nach Trennen von Wertstoffen, Sondermüll, Biomüll und „Grüner-Punkt“-Verpackungen verbleiben - Sondermüll: Abfälle, die für Mensch und Umwelt gefährdend sind, z. B. Altöl, ölhaltige Betriebsmittel, Säuren, Laugen, giftige Stoffe, Spraydosen, Batterien - Reststoffe: Sondermüll, der einer Verwertung zugeführt wird - Biomüll: Abfälle, die sich zum Kompostieren eignen - „Gelber Sack“: „Grüner-Punkt“-Verpackungen Die Fraktionen werden unterschiedlich entsorgt. Wertstoffe, Restmüll, Bio-Müll und Gelber-Sack-Inhalt werden meist nach länderspezifischen Abfallverordnungen durch ortsansässige Unternehmen entsorgt bzw. recycelt. Sondermüll und Restmüll werden durch entsprechend zugelassene Unternehmen, die eine gültige Genehmigung dafür nachweisen müssen, entsorgt. Diese müssen durch den Abfallerzeuger vor der ersten Entsorgung und danach in regelmäßigen Abständen auditiert werden. Für das Umweltmanagement ist es erforderlich, das Entsorgen von Abfällen aller Art zu dokumentieren. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang das Führen eines Abfallkatasters mit folgenden Mindestangaben: - Interne Abfallbezeichnung - Abfallbezeichnung nach AVV (= Abfallverzeichnis-Verordnung) - Abfallschlüssel nach AVV - Entsorgte Menge - Entsorger - Transportschein-Nummer - Entsorgungsnachweis-Nummer - Datum der Entsorgung 63522_Liedtke_SL3a.indd 264 63522_Liedtke_SL3a.indd 264 16.06.2021 14: 37: 30 16.06.2021 14: 37: 30 <?page no="280"?> 5.4 Abfallentsorgung 265 265 Im Rahmen des Störfallmanagements sollten die bis zum Entsorgen zwischengelagerten Abfälle auf ein Minimum reduziert werden. Häufigere Entsorgungszyklen ergeben eine höhere Sicherheit und reduzieren den Flächenbedarf für Zwischenlager. In Bild 5-1 ist der Ablauf für den Vorgang eines Entsorgens von Abschreck-Altöl in einer Härterei dargestellt. Das Entsorgungsverfahren ist gesetzlich festgelegt. Dabei erstellt der Auftraggeber für eine Entsorgung unter Angabe der zu entsorgenden Menge den Entsorgungsnachweis, der vom Entsorger vervollständigt werden muss und anschließend an die zuständige Behörde zur Genehmigung geschickt wird. Erst nach Vorliegen der Genehmigung darf entsorgt werden. Kann zusammen mit anderen Altölen gelagert werden? Erstentsorger? Bild 5-1: Beispiel für Entscheidung beim Entsorgen von Altöl Jede einzelne Entsorgung eines gefährlichen Abfalls muss von einem amtlichen Begleitschein begleitet werden. Dies soll sicherstellen, dass das Entsorgen gesetzeskonform und nachvollziehbar durchgeführt wird. Wenn der Entsorgungsnachweis vorliegt, gibt der Abfall-Erzeuger die Daten des Begleitscheins in ein elektronisches Sammeln des Altöls Nein Ja Lagern in Sonderbehältern Einlagern in Altöl- Sammeltank Entsorger auswählen Ja Nein Entsorger beauftragen Entsorger vor Ort auditieren (4-Augen-Prinzip) 63522_Liedtke_SL3a.indd 265 63522_Liedtke_SL3a.indd 265 16.06.2021 14: 37: 31 16.06.2021 14: 37: 31 <?page no="281"?> 266 5 Umweltschutz und Entsorgung 266 Nachweissystem ein. Dieser Begleitschein muss elektronisch signiert werden und geht automatisch an den Transporteur, den Entsorger und die zuständige Landesbehörde. Mit Verlassen des Abfalls aus dem abfallerzeugenden Unternehmen ist damit auch die Behörde informiert. Als interne zusätzliche Sicherheit gehen alle Abfälle beim Erzeuger über eine Waage. Der Wiegemeister kann nur die vom Auftraggeber hinterlegten Abfälle beim entsprechenden Entsorger eingeben und verwiegen. Der Entsorger bestätigt den Eingang dann ebenfalls und meldet dies über das elektronische System an den Erzeuger und die Behörde zurück. Alle gefährlichen Abfälle, die nicht verwertet werden können, gehen grundsätzlich in zugelassene Sonderabfallverbrennungsanlagen. 5.5 Nutzen aus Umweltschutz und Entsorgung Die im Vorstehenden dargestellte Vorgehensweise für den Umweltschutz und das Entsorgen von Abfällen ist zwar mit einem entsprechenden Aufwand verbunden, bietet andererseits dem Wärmebehandlungsbetrieb aber auch Vorteile. Das Führen und Aktualisieren der Kataster führt zu einer umfassenden Rechtssicherheit. Mit dem Anlagenkataster kann sichergestellt werden, dass erforderliche Prüffristen festgeschrieben sind und Prüffristen eingehalten werden. Das Gefahrstoffkataster zeigt auf, welche Gefahrstoffe und in welchen Mengen im Wärmebehandlungsbetrieb vorhanden sind. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, entsprechende Konzepte zum Behandeln von Störfällen zu erstellen. Aus dem Abfallkataster ist ersichtlich, welche Abfallfraktionen und in welcher Menge anfallen und entsorgt wurden. Mit diesen Informationen lassen sich z. B. Kosten minimieren und Budgetplanungen optimieren. Außerdem ergeben sich dadurch günstige Voraussetzungen für das Zertifizieren des Umweltmanagements nach DIN ISO 14001. 63522_Liedtke_SL3a.indd 266 63522_Liedtke_SL3a.indd 266 16.06.2021 14: 37: 31 16.06.2021 14: 37: 31 <?page no="282"?> 267 6 Hinweise zum sicheren Betrieb der Anlagen 6.1 Beispiele für die Notwendigkeit von Sicherheitsmaßnahmen Wärmebehandlungsanlagen zum Durchführen thermochemischer Prozesse sowie die erforderliche Peripherie beinhalten ein hohes Gefahrenrisiko. Dies muss sowohl bei der Konstruktion, der Ausführung als auch beim Betreiben in ausreichendem Maße berücksichtigt werden. Einige Beispiele in der Praxis vorgekommener Unfällen belegen dies deutlich. So kam es z. B. zu einer Explosion in einem kalten Kammerofen, bei dem die Ofentüre weggesprengt wurde. Die Ursache hierfür war, dass beim Anfahren des Ofens Brenngas aus einem defekten Strahlheizrohr in den Ofenraum gelangte. Wegen des Fehlens einer Spülung des Ofens mit Stickstoff entstand im Ofenraum ein zündfähiges Gasgemisch. Beim Zünden des Brenners wurde die Explosion ausgelöst. Bei Öfen älterer Bauart, die noch nicht mit einer Stickstoff-Spülung ausgerüstet sind, muss das Anfahren bei geöffneter Ofentüre erfolgen. Öfen neuerer Bauart müssen dagegen eine Spülung besitzen. Bei hohem Ammoniakbedarf beim Nitrieren und Nitrocarburieren ist es zweckmäßig, einen Verdampfer vorzusehen. Dabei muss darauf geachtet werden, dass die Beheizung des Verdampfers so geregelt und überwacht wird, dass kein unzulässig hoher Gasdruck im Verdampfer entstehen kann. In einem konkreten Fall versagte das Abschalten der Heizung bei Erreichen der zulässigen Höchsttemperatur, so dass der Verdampfer explodierte. Dies hätte durch ein funktionierendes Überdruckventil vermieden werden können. Stickstoff wird in der Praxis häufig im Unterschied zu den brennbaren bzw. giftigen Prozessgasen nicht als gefährlich eingeschätzt, nicht zuletzt auch deswegen, weil er geruchlos ist und so nicht wahrgenommen wird. Dies trifft jedoch nicht zu. Bereits zwei volle Atemzüge reinen Stickstoffs sind tödlich. Bei Warmarbeitswerkzeugen ist darauf zu achten, dass diese vor dem Wärmebehandeln absolut trocken sind. Vorhandene Kühlbohrungen dürfen nicht verschlossen sein. Feuchtigkeitsreste, die von Kühlflüssigkeiten oder von Kondenswasser stammen, verdampfen beim Erwärmen, was wegen der Volumenvergrößerung zu einem hohen Gasdruck in der Anlage führen kann. In der Praxis kam es dadurch zu einem Absprengen des Deckels eines Schachtofens. Bei Vakuumöfen mit einem Hochdruck-Gasabschrecken darf das Abschreckgas nicht eingeleitet werden, ohne dass die Außentüre geschlossen und verriegelt ist. Beim Testen einer Anlage, bei dem die Sicherheitsfunktion deaktiviert war, wurde die Ofentüre schlagartig aufgedrückt und daneben stehende Personen wurden schwer verletzt. 63522_Liedtke_SL3a.indd 267 63522_Liedtke_SL3a.indd 267 16.06.2021 14: 37: 32 16.06.2021 14: 37: 32 <?page no="283"?> 268 6 Hinweise zum sicheren Betrieb der Anlagen 268 Gelangt Wasser in ein zum Abschrecken benutztes Salz-Warmbad, verdampft es schlagartig. Der dabei entstehende Wasserdampf schleudert heißes Salz heraus, wodurch in der Nähe befindliche Personen gefährlich verletzt werden können. Eine solche Eruption kann auch erfolgen, wenn die Salzschmelze örtlich überhitzt wird oder wenn brennbare Stoffe wie z. B. Ruß in zu großer Menge in die Salzschmelze gelangt. Häufig werden Verletzungen durch automatisch oder halbautomatisch betriebene Antriebe zum Beschicken, Öffnen und Schließen von Türen u. ä. verursacht. 6.2 Allgemeines Die sicherheitstechnischen Einrichtungen bei Anlagen für thermochemische Verfahren werden im Folgenden den drei Gefährdungsarten zugeordnet: • Gefährdung von Personen an Leib und Leben • Beschädigung oder Zerstörung der Anlagen • Gefährdung des Behandlungsgutes Für die erste und zweite Gefährdungsart sind sicherheitstechnische Maßnahmen zwingend vorgeschrieben. Unabhängig davon liegt es im Interesse des Herstellers und des Betreibers die Funktionalität der Anlagen über ihre Lebensdauer weitgehend zu erhalten. Die dritte Art erfordert steuerungstechnische Maßnahmen, um das Behandlungsgut auch in einem Störfall der gewünschten Qualität zuzuführen oder zumindest Ausschuss zu vermeiden. Die nachstehenden Erläuterungen dazu besitzen nur beispielhaften Charakter, ein Anspruch auf Vollständigkeit wird damit nicht erhoben. Zur konstruktiven Gestaltung und zur Herstellung, zur Inbetriebnahme und zum Betrieb der Wärmebehandlungsanlagen müssen die geltenden gesetzlichen Vorschriften, Normen, Richtlinien, der Stand der Technik sowie die Handbücher und Unterlagen der Hersteller der jeweiligen Anlage eingehalten werden. 6.3 Sicherheit für Leib und Leben Dies ist die höchste Sicherheitsstufe. Alle Maßnahmen zum Vermeiden von Gefährdungen von Personen an Leib und Leben müssen entweder über die Hardware in fester Verdrahtung bzw. unter Verwendung sicherheitstechnisch speziell zugelassener Komponenten vorgenommen werden. Jede Wärmebehandlungsanlage mit ihrer Peripherie stellt praktisch eine Maschine dar, sie hat einen Anschluss an den elektrischen Strom und besitzt mechanische, hydraulische und pneumatische Antriebe. Für das daraus resultierende Gefährdungspotential sind in erster Linie die • Richtlinie 2006/ 42EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 17. Mai 2006 über Maschinen und zur Änderung der Richtlinie 95/ 16/ EG, die MRL • DIN EN 12100: Grundbegriffe, allgemeine Gestaltungsleitsätze - Technische Leitsätze und Spezifikationen 63522_Liedtke_SL3a.indd 268 63522_Liedtke_SL3a.indd 268 16.06.2021 14: 37: 32 16.06.2021 14: 37: 32 <?page no="284"?> 6.3 Sicherheit für Leib und Leben 269 269 maßgebend. Dazu kommen speziell noch die Einwirkung hoher Temperaturen, giftiger bzw. gesundheitsgefährdender Stoffe, Gase der Gruppe C gemäß VDI-Richt-linien und eine daraus resultierende Brand- und Explosionsgefahr. Für diese spezifischen Anforderungen an die Sicherheit gelten die nachfolgenden Normen: • DIN EN 746: 2010 Industrielle Thermoprozessanlagen - Teil 1: Allgemeine Sicherheitsanforderungen - Teil 2: Sicherheitsanforderungen an Feuerungen und Brennstoff- Führungssysteme - Teil 5: Besondere Sicherheitsanforderungen an Salzbad-Wärmebehandlungseinrichtungen und -anlagen - Teil 8: Besondere Sicherheitsanforderungen an Abschreckanlagen • DIN EN ISO 13849: Sicherheitsbezogene Teile von Steuerungen • DIN EN 1093-4 Bewertung von Luftgetragenen Gefahrstoffen Weitere Hinweise und Vorschriften sind darüber hinaus in den vom AWT-Fachausschuss 8 herausgegebenen „Sicherheitstechnischen Empfehlungen“, der Berufsgenossenschaftlichen Richtlinie im BGR 153 sowie den Betriebsanweisungen der jeweiligen Anlagenhersteller enthalten. Ergänzend dazu sei auf die Veröffentlichung von Steck-Winter und Treptow „Sicherer Betrieb von Thermoprozessanlagen mit Schutzgasatmosphären“ 9 verwiesen / Stc10/ . Bild 6-2: Gefährdungsarten durch Betrieb von Anlagen für thermochemische Prozesse Die im Kapitel 3 beschriebenen Anlagen sind sicherheitstechnisch unterschiedlich zu betrachten und außerdem sind die durch die verwendeten Medien bestehenden Gefahren zu berücksichtigen. Die verschiedenen Gefährdungsarten sind in Bild 6-2 schematisch dargestellt. Hinsichtlich der Prozesstemperaturen ist zu unterscheiden zwischen • Öfen mit Prozesstemperaturen oberhalb von 750 °C, das ist die von der Zündtemperatur der brennbaren Gase oder Flüssigkeiten abgeleitete Sicherheitsgrenztemperatur 9 Erschienen 2010 in Gaswärme International (59) Nr.4, S. 250 bis 262 63522_Liedtke_SL3a.indd 269 63522_Liedtke_SL3a.indd 269 16.06.2021 14: 37: 33 16.06.2021 14: 37: 33 <?page no="285"?> 270 6 Hinweise zum sicheren Betrieb der Anlagen 270 • Öfen, bei denen die Prozesstemperatur unterhalb 750 °C liegt • Einrichtungen zum Abschrecken In Bild 6-3 sind die Zündtemperaturen der verschiedenen brennbaren für thermochemische Prozesse verwendeter Stoffe gegenübergestellt. Solange die Temperatur der Stoffe niedriger ist als durch die Länge des jeweiligen Balkens angezeigt, erfordert das Entzünden eine externe Zündquelle. Die in DIN 746-3 auf 750 °C festgelegte Temperatur stellt mit einem Sicherheitsabstand von ca. 100 °C sicher, dass keines der in einer Ofenanlage verwendeten brennbaren Gase spontan und ohne Zündquelle brennt. Eingezeichnet in Bild 6-3 sind außerdem die Linien T1 und T2 für die Klassifizierung brennbarer Stoffe nach ihrer Zündtemperatur. Bild 6-3 Zündtemperaturen bei thermochemischen Prozessen benutzter Mittel Um die Bildung explosiver Gasgemische zu vermeiden, muss bei Anlagen, die oberhalb der Zündgrenze betrieben werden, sichergestellt sein, dass bei einer Ofentemperatur unterhalb der Zündgrenze die Zuführung aller brennbaren Gase sofort unterbrochen ist und Stickstoff in den Ofen eingeleitet wird. Dies muss auch bei Stromausfall gewährleistet sein, weshalb für brennbare Gase Ventile verwendet werden, die stromlos sicher schließen und für das Spülen mit Stickstoff ein Ventil, das stromlos öffnet. Proportionalventile bzw. Mengenregler (Durchfluss und Masse), die nur mit Proportionalventilen ausgestattet sind, müssen über gesonderte Ventile abgesichert sein. Liegt die Temperatur im Ofenraum und damit die Temperatur der Prozessgase oberhalb der Zündgrenze, wird in den heißen Ofenraum eindringender Luftsauerstoff sofort umgesetzt und die brennbaren Bestandteile werden abgebrannt. Dies gilt ebenso für Endogas-Generatoren und Spaltanlagen. Aus diesem Grund ist es möglich, z. B. bei einem Schachtofen zum Gasaufkohlen, die Ofenretorte zu öffnen, um die Charge herauszunehmen oder bei einem Kammerofen die Tür zur Heizkammer zu öffnen, ohne dass vorher die Heizkammer gespült werden muss. Oft wird bei Aufkohlungsanlagen beim Öffnen der Anlage die Durchflussmenge des Trägergases sogar bewusst erhöht, um eine Oxidation der Teile durch Verbrennungserzeugnisse des Trägergases (H 2 O und CO 2 ) durch die Umgebungsluft zu vermeiden. 63522_Liedtke_SL3a.indd 270 63522_Liedtke_SL3a.indd 270 16.06.2021 14: 37: 33 16.06.2021 14: 37: 33 <?page no="286"?> 6.3 Sicherheit für Leib und Leben 271 271 Öfen, die mit brennbaren Gasen unterhalb der Zündgrenze betrieben werden sind anders abzusichern. Hierzu zählen z. B. Anlagen zum Nitrieren und Nitrocarburieren. Vor jedem Öffnen dieser Anlagen gegenüber der Umgebungsluft ist sicherzustellen, dass sich in der Ofenanlage kein brennbares Gas befindet. Ebenso darf sich vor dem Einleiten brennbarer Gase kein Sauerstoff in der Anlage befinden. „Kein“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Konzentration des brennbaren Gases bzw. des Luftsauerstoffs so gering ist, dass sich kein zündfähiges Gemisch bilden kann. Dies wird dadurch sichergestellt, dass entweder vor einem Gaswechsel von Luft zu brennbaren Gasen bzw. von brennbaren Gasen zu Luft die Anlage evakuiert oder ausreichend mit Stickstoff gespült wird. Als Spülmenge wird das Fünffache des Ofenvolumens empfohlen. Außerdem ist bei diesen Anlagen sicherzustellen, dass während eines Prozesses mit brennbaren Gasen kein Luftsauerstoff in die Anlage eindringen kann. Dazu wird üblicherweise ein Ofendruck von wenigen Millibar Überdruck eingestellt, der Ofendruck überwacht und bei Unterschreiten eines vorgegebenen Mindestdrucks zusätzlich Stickstoff als Sicherheitsgas eingeleitet. Bei Anlagen zum Nitrieren oder Nitrocarburieren kann ein kontrolliertes Abbrennen auch bei Betriebstemperaturen unterhalb der Zündgrenze mit einem im Ofenraum angebrachten Zündbrenner erreicht werden. Für alle Öfen gilt, dass Abgase, die brennbare Bestandteile enthalten, am Gasauslass mit einer Fackel abgebrannt werden. Bei Öfen zum Aufkohlen, Carbonitrieren oder Härten mit einer Beschickungstüre muss vor Öffnen und solange die Tür geöffnet ist, ein Flammenschleier sicherstellen, dass das ausströmende Prozessgas sofort abgebrannt wird. Die Funktion der Fackel und des Flammenschleiers müssen überwacht sein. In der Praxis verwendet man dazu häufig Ionisationsflammwächter mit integriertem Zündmechanismus. Die Ofentüre öffnet erst dann, wenn der Flammenschleier brennt und sicher erkannt wird. Kammeröfen zum Aufkohlen, Carbonitrieren oder Härten haben üblicherweise eine oder mehrere Überdruckklappen, die gewährleisten, dass bei plötzlichem Druckanstieg Ofengas entweichen kann, so dass sich kein gefährlicher Ofendruck aufbauen kann. Überdruckklappen an integrierten Abschreckkammern sorgen ebenfalls für ein kontrolliertes Entweichen des Kammerüberdrucks während des Abschreckvorgangs. In der Unterdruckphase beim Abschrecken kann Luft in die Abschreckkammer eindringen, was zu einer Verpuffung führen kann, deshalb wird Stickstoff eingeleitet, um den Druck aufrecht zu erhalten. Wird eine Anlage außer Betrieb genommen, zum Beispiel für Wartungszwecke, müssen die Gas führenden Leitungen direkt an der Anlage mechanisch unterbrochen und verriegelt werden. Dazu sind die in den Zuleitungen vorgeschriebenen Zwischenstücke zu entfernen und wegzuschließen, bis die Anlage wieder in Betrieb genommen wird. Alle Leitungsrohre sind zusätzlich zu kennzeichnen, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen, vgl. DIN 2403, Farbliche Kennzeichnung von Rohrleitungen. Räume oder Schränke zur Gasversorgung bzw. Begasung müssen zwangsbelüftet sein, um ein Ansammeln von brennbaren, toxischen oder erstickenden Gasen zu verhindern. 63522_Liedtke_SL3a.indd 271 63522_Liedtke_SL3a.indd 271 16.06.2021 14: 37: 33 16.06.2021 14: 37: 33 <?page no="287"?> 272 6 Hinweise zum sicheren Betrieb der Anlagen 272 Über die Gefährdungen bei der Verwendung von Gasen gibt Bild 6-4 Aufschluss. Bild 6-4 Mögliche Gefahren bei Verwendung von Gasen Abschreckeinrichtungen sind nach Art des Abschreckmittels zu unterscheiden: - Abschrecken in Öl oder Warmbadöl - Abschrecken in Salzschmelzen - Abschrecken im Gas Auch bei diesen Einrichtungen liegen unterschiedliche Gefährdungspotentiale vor. So muss bei Ölabschreckbädern der Wassergehalt unter 0,1 Masse-% liegen. Anderenfalls ist beim Abschrecken mit einem plötzlichen Verdampfen des Wassers und starker Schaumbildung zu rechnen. Dabei kann der Badspiegel so hoch ansteigen, dass Öl in die Heizkammer eindringt, was zu einem Brand der Anlage führen kann. Ein zu hoher Wassergehalt muss durch regelmäßige Überprüfung oder durch Einbau eines geeigneten Wasserwarngerätes verhindert werden. Das während des Abschreckens erwärmte Öl muss rückgekühlt werden, damit die Öltemperatur unterhalb des vom Hersteller angegebenen Flammpunktes bleibt. Die dazu verwendeten Wärmetauscher sollten mit Luft oder mit Öl gekühlt sein. Bei älteren, mit Wasser gekühlten Wärmetauschern muss sichergestellt sein, dass der Öldruck höher als der Wasserdruck ist, so dass bei einem auftretenden Leck vermieden wird, dass Wasser in das Abschrecköl gelangt. Die Heizung muss konstruktiv so ausgeführt sein, dass es an der Kontaktstelle zwischen Heizelement und Öl nicht zu einer Überhitzung oder zu einem gefährlichen Wärmestau kommt. 63522_Liedtke_SL3a.indd 272 63522_Liedtke_SL3a.indd 272 16.06.2021 14: 37: 34 16.06.2021 14: 37: 34 <?page no="288"?> 6.4 Sicherheit für die Anlage 273 273 Die Abschreckeinrichtung muss so ausgelegt und betrieben werden, dass die Masse des Öls mindestens dem Siebenfachen der Masse der abzuschreckenden Charge entspricht. Lässt sich eine Ofencharge nicht vollständig unter den Badspiegel eintauchen, besteht die Gefahr eines Ölbrandes. Auf eine einwandfreie Funktion des Eintauchens und die Einhaltung des Ölniveaus ist deshalb zu achten. Manche automatisch betriebene Anlagen bieten im Störfall eine Möglichkeit, das Ölbad über einen Notablass schnell zu entleeren. Bei Nitrat-Nitrit enthaltenden Salzwarmbädern ist besonders sicherzustellen, dass es bei innen liegender Heizung mit Rohrheizelementen an der Kontaktstelle zwischen Rohroberfläche und Salzschmelze nicht zu einem Überhitzen und/ oder zu einem gefährlichen Wärmestau kommt. Bei einer Überhitzung der Salzschmelze kann es zur Verbrennung mit in der Schmelze vorhandenen organischen Verunreinigungen, z. B. Ruß kommen, wozu das Nitrat den notwendigen Sauerstoff auch unter der Badoberfläche liefert. Dabei entsteht Kohlenstoffdioxid als Verbrennungsgas, wodurch unter der Badoberfläche ein hoher Druck entsteht, der eine Salzeruption auslösen kann. Im weiteren Verlauf kann sich Nitrit zersetzen und giftige nitrose Gase bilden. Wird dem Salzwarmbad Wasser zugegeben, um die Abschreckwirkung zu erhöhen, ist darauf zu achten, dass dies möglichst langsam und in nicht zu großer Menge geschieht, da anderenfalls durch das plötzliche Verdampfen des Wassers mit Salz- Eruptionen zu rechnen ist. Der Zugang zu einem Salzwarmbad ist so abzuschirmen, dass ein Kontakt mit dem flüssigen Salz nicht möglich ist. Hochdruck-Gasabschreckeinrichtungen arbeiten üblicherweise mit einem Druck von zwei bis zehn bar bei Stickstoff oder mit bis zu 20 bar bei Helium. Vor dem Einleiten des Gases in die Abschreckkammer ist sicherzustellen, dass die Ofentüren verriegelt sind. Vor dem Entladen der Anlage muss das Abschreckgas, meist Stickstoff, abgelassen werden und nach Öffnen der Ofentür darauf geachtet werden, dass die Abschreckkammer ausreichend mit der Umgebungsluft angefüllt ist, um Erstickung zu vermeiden. Generell ist zu beachten, dass alle automatisch ausgeführten mechanischen Bewegungsabläufe durch zweckmäßig angeordnete Not-Halt-Taster unterbrochen werden können. Mannlos betriebene Chargiereinrichtungen müssen mit einem Rammschutz ausgerüstet sein, der sicherstellt, dass jegliche Bewegung unterbrochen werden kann. Alle Sicherheitseinrichtungen sind in festgelegten Zeitabständen zu überprüfen. 6.4 Sicherheit für die Anlage Hier geht es um Maßnahmen, die Schäden an den Anlagen verhindern sollen. Dies wird zumeist durch die Ofensteuerung realisiert. Auftretende Störungen, die die Funktion der Anlage oder Teile der Anlage gefährden können, führen in einer Ofensteuerung zu einer Störmeldung. In vielen Fällen wird der Fehler registriert, führt zu einer vorgegebenen Reaktion wie z. B. dem Befehl „Heizung aus“ und bleibt solange in Selbsthaltung, bis er vom Betreiber quittiert wird. Bei Ofenanlagen steht hierbei üblicherweise die Temperaturüberwachung im Vordergrund. Thermoelemente in der 63522_Liedtke_SL3a.indd 273 63522_Liedtke_SL3a.indd 273 16.06.2021 14: 37: 34 16.06.2021 14: 37: 34 <?page no="289"?> 274 6 Hinweise zum sicheren Betrieb der Anlagen 274 Nähe der Heizelemente, die an Übertemperaturbegrenzer angeschlossen sind, stellen sicher, dass es nicht zu Schäden infolge einer Überhitzung kommt. Die Lager der Umwälzer im Ofen sowie die Türdichtungen o. ä. werden heute üblicherweise nicht mehr mit Wasser, sondern mit Öl oder Luft gekühlt, um eine ausreichende Lebensdauer im laufenden Betrieb zu gewährleisten. Fällt die Kühlung aus, ist es zweckmäßig die Heizung auszuschalten und den Prozess abzubrechen. Das Kühlmittel ist zweckmäßigerweise im Kreislauf zu führen, Durchfluss und Temperatur des Kühlmittels sollten überwacht werden, um Störungen oder das Versagen von Umwälzlüftern oder Hydraulikzylindern, z. B. für den Chargentransport im Ofen, das Öffnen und Schließen der Türen oder der Antriebswelle des Umwälzers im Ofen, zu vermeiden. Bei Salzbädern ist sicherzustellen, dass das Salz vor Einschalten der Umwälzung und vor einem Abschrecken flüssig ist. Dazu ist die Temperatur zu überwachen und vorzusehen, dass die mechanischen Antriebe nur freigegeben werden, wenn die Mindest- oder Schmelztemperatur nicht unterschritten ist. Vor dem Eintauchen einer Ofencharge zum Abschrecken muss sichergestellt sein, dass die Umwälzung eingeschaltet ist und funktioniert. Hinweis: Bei Ölabschreckbädern gibt es auch die Möglichkeit, die Umwälzung mit kurzer Verzögerung einzuschalten, um das gleichmäßige Abschrecken über die gesamte Charge zu erhöhen. Bei Abschreckbädern muss auch der Badspiegel mit einem so bezeichneten Trokkengehschutz überwacht werden, damit das Mindestniveau eingehalten bzw. im Fehlerfalle das Abschrecken einer Ofencharge gesperrt bleibt. Ofendeckel und Retorten von Schachtöfen sowie Türdichtungen von Kammeröfen sind regelmäßig auf Deformationen und Risse zu überprüfen. Alle Gas- und Wasserleitungen und Ventile sind in festgelegten Zeitabständen zu prüfen. 6.5 Sicherung des Behandlungsgutes Hierbei geht es darum, das Ergebnis der Wärmebehandlung sicherzustellen und im Falle einer Havarie weitgehend Schäden am Behandlungsgut zu vermeiden. Dies betrifft in erster Linie das Einhalten der vorgegebenen Behandlungsparameter innerhalb zulässiger Streugrenzen. Allerdings setzt das eine zweckmäßige Programmregelung voraus, die dazu fähig ist, den vorgegebenen Prozessverlauf automatisch zu gewährleisten und dafür zu sorgen, dass z. B. beim Ausfall der Beheizung oder der Gasversorgung die Anlage in einen Zustand geführt wird, der für das Behandlungsgut unschädlich ist. Beispielsweise kann es zweckmäßig sein, die Temperaturregelung so auszulegen, dass auch die Sollwerte für den Übertemperaturregler dynamisch an die Prozesstemperatur angepasst werden. Dies stellt sicher, dass auch beim Ausfall des Reglers für die Ofentemperatur die Beheizung begrenzt wird. Alle auftretenden Störungen, die sich negativ auf das Ergebnis der Behandlung auswirken können, müssen erfasst und unmittelbar signalisiert werden, so dass der Betreiber rechtzeitig eingreifen kann. 63522_Liedtke_SL3a.indd 274 63522_Liedtke_SL3a.indd 274 16.06.2021 14: 37: 34 16.06.2021 14: 37: 34 <?page no="290"?> 6.6 Prüfung und Instandhaltung 275 275 Darunter fallen z. B. Ausfall der Thermoelemente, der Atmosphärensensoren, der Versorgungs- und Spülgase, des Kühlwassers und/ oder der Antriebe für mechanische Bewegungen. Der Druck in den Gasleitungen für das Heizgas und die Verbrennungsluft bei gasbeheizten Öfen sollte ebenfalls überwacht werden, damit der Heizvorgang nicht nur über die Temperatur kontrolliert wird. Wird die Anlage mannlos betrieben, sind die Störungen an eine zentrale Meldestelle oder den Bereitschaftsdienst weiterzuleiten. Darüber hinaus kann es sinnvoll sein, Redundanzen hinsichtlich der Mess-Sonden für Temperatur und Atmosphärenkenngrößen sowie weiterer kritischer Prozessgrößen vorzusehen. Alle Messaufnehmer, Messgeräte und Regler sind in festgelegten Zeitabständen auf korrekte Funktion zu überprüfen und gegebenenfalls auszutauschen. Grundsätzlich muss sichergestellt werden, dass die zu behandelnden Werkstücke so in geeignete Vorrichtungen und auf dem Chargenträger/ Rost angebracht werden, dass sie beim Transport und beim Abschrecken in Flüssigkeiten oder im Gas gegen eine Veränderung der Lage gesichert sind. Zum Wärmebehandeln sollte das Behandlungsgut frei sein von Rückständen von den vorangegangenen Fertigungsoperationen sowie Feuchtigkeit oder Rost. Öfen, die im Niederdruckbereich betrieben werden, müssen regelmäßig über die Leckrate auf Dichtheit kontrolliert werden, um zu vermeiden, dass das Behandlungsgut durch eindringenden Luftsauerstoff oxidiert wird. Beim Aufkohlen und Carbonitrieren bei Normaldruck ist zu empfehlen, die kalte Charge in den auf Behandlungstemperatur erwärmten Ofen zu chargieren, dies soll eine unerwünschte Oxidation vermeiden. Bei starker Belastung des Ofenraumes und dadurch bedingter Rußablagerung ist ein regelmäßiges Ausbrennen vorzusehen. 6.6 Prüfung und Instandhaltung Alle Sicherheitseinrichtungen und alle für die einwandfreie Funktion wichtigen Einrichtungen müssen regelmäßig auf einwandfreie Funktion geprüft werden. Die zweckmäßigen Wartungsintervalle und eventuelle Austauschzyklen sind vom Anlagenhersteller vorgegeben. 63522_Liedtke_SL3a.indd 275 63522_Liedtke_SL3a.indd 275 16.06.2021 14: 37: 35 16.06.2021 14: 37: 35 <?page no="291"?> 276 Literatur Air05 N. N. 1 x 1 der Gase AirLiquide Deutschland GmbH, 2005, 1. Auflage Akh77 Akhantjev, V. P.; Kurbatov, V. P. Nature of the dark component in carbonitrided steels Met. Science and Heat Treatment 19 (1977) 1, S. 12 - 14 Alt03 Altena, H.; Schrank, F. 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Neues Schnellaufkohlungsverfahren und Anwendung in einer flexible Anlage Härterei-Techn. Mitt. 47 (1992) 1, S.37 - 42 63522_Liedtke_SL3a.indd 292 63522_Liedtke_SL3a.indd 292 16.06.2021 14: 37: 49 16.06.2021 14: 37: 49 <?page no="308"?> 293 Sachwortverzeichnis A bfallentsorgung 263 Abgas 40, 112, 198, 234, 249, 257- 259, 271 Abgasfackel 167 Abgaswärme 250 Abgasverluste 256 Abkühlen 56, 57, 59, 60, 61, 72, 75, 81, 82, 85, 88, 98, 100, 101, 182, 183, 186, 201, 205, 211, 223, 224, 228, 232, 236, 237, 239, 241, 242 Abkühlgeschwindigkeit 56, 74, 85, 87 Abschreckanlagen 242, 269 Abschreckgas 229, 233, 267, 273 Absolutdruck 89, 178, 179 Aceton 2, 116-119, 127 Acetylen 19-24, 40, 106, 115-119, 198, 233, 262 Aktivität 2, 5, 6, 12, 17, 88 Aluminium 15, 47, 58, 87, 91, 106 Ammoniak 41-43, 45, 50, 65, 66, 69, 84, 87, 106, 109-111, 150, 151, 158-161, 165, 167, 184-187, 194, 195, 234, 254, 262 Ammoniakbedarf 267 Ammoniakgasmenge 126, 128, 129 Ammoniakgehalt 41, 128, 151, 165, 167, 168 Ammoniakspaltung/ Ammoniak- Spaltgas 85, 109, 110, 158-160, 194 Ammoniakverbrauch 174, 289 Ammoniakzerfall 41, 42, 47, 48, 90, 128 Ammoniakzugabe 41, 42, 43, 47, 48, 128, 158, 160 Anlagen zum Plasmanitrieren 234 ff., 236 Anlassen 55, 63, 74, 89, 98, 103, 208, 217, 219, 224, 232 Argon 31, 51, 52, 106, 113, 114, 121, 127, 238, 240 Armaturen 106, 107, 110, 119, 196, 238 Atmosphärenkenngrößen 131, 142, 153, 173, 275 Atmosphärenwechsel 130, 131, 222 Aufhärtbarkeit 12, 62 Aufkohlen 1, 2, 5, 8, 10, 12, 15, 19, 21, 22, 24, 25, 27, 28, 31, 34, 35, 37-41, 45, 46, 49, 52, 54, 55, 58, 59, 78, 91, 97-99, 102, 122, 126, 128, 132, 134, 148, 149, 155, 157, 158, 161, 162, 166, 173, 177, 181, 183- 186, 201, 205, 208, 211, 212, 215, 217, 219, 225, 227-229, 231, 232, 246, 251, 256-258, 271, 275 Aufkohlungsabschnitt 23, 25-27 Aufkohlungsatmosphäre 2, 5, 12, 15, 17, 22, 35, 120, 126, 128, 142, 144- 147, 154, 185 Aufkohlungscharge 23, 186, 203, 255 Aufkohlungsdauer 17, 40, 52, 54, 59, 157, 185, 278 Aufkohlungsergebnis 37 Aufkohlungsgeschwindigkeit 22, 54 Aufkohlungskurve 12, 13 Aufkohlungsmittel 1, 6-9, 14, 19, 36, 41, 142, 197 Aufkohlungspotential 6 Aufkohlungsreaktionen 2, 9, 11, 128 Aufkohlungstemperatur 51, 54, 55, 57, 128, 185, 214, 215, 253, 256, 257, 259 Aufkohlungstiefe 12, 14, 16, 19, 23, 25, 37, 46, 48, 54, 63, 134, 155, 157, 215, 222, 252 Aufkohlungswirkung 6, 12, 19, 21, 142, 152-155, 161, 287 Aufschmelzung 31 Aufsticken 48, 99, 232 Ausgangsgas 130, 187, 190, 194 Ausgleichsleitungen 138-140 Auslagern 75, 76, 100, 103 Ausscheidung/ Auscheidungsvorgang 23, 52, 74, 75, 77, 147 63522_Liedtke_SL3a.indd 293 63522_Liedtke_SL3a.indd 293 16.06.2021 14: 37: 50 16.06.2021 14: 37: 50 <?page no="309"?> 294 Sachwortverzeichnis 294 Austenit 5, 6, 19, 43, 44, 46-48, 52, 54, 55, 59, 61, 83, 88, 251, 288 austenitische Stähle 50, 52, 53, 84, 87-89, 281 austenitische Zwischenschicht 85-87 austenitische rostfreie Stähle 88 B anddurchlauföfen 198, 222, 223, 241, 242 Begasung der Öfen 196 Begasungsrate 27, 28, 37, 38, 40, 85, 130, 131 Behandlungsdauer 46, 51, 52, 74, 77, 79, 81-87, 131, 208, 236, 252, 255 Behandlungsparameter 28, 238, 239, 274 Beizen 51, 94-96, 100 Berechnen der Wärmeinhalte 251 Beschicken 182, 183, 208, 220, 221, 226, 232, 242, 268 Blei 91 Bogenentladung 31 Bor 6 Borate 93 Boudouard-Reaktion 11, 12, 67, 113, 152 Braunit 85 Brennspannung 32, 80 Butan 2, 188, 189 C -Aktivität 5, 6 Carbidausscheidung 37, 53, 59 Carbidbildner/ Carbid bildende Legierungselemente 25, 55, 98 Carbidbildung 25, 28, 29 Carbide 6, 22, 25, 26, 28, 55, 59, 63, 98, 134, 155 Carbidgrenze 25 Carbonitrieren 1, 40-43, 45-50, 55, 58, 91, 97-99, 126, 128, 134, 158, 181, 183, 185, 186, 208, 217, 225, 229, 231, 232, 271, 275 Carbonitridausscheidung 65 Carbonitrierpegel 45, 148 Carbonitrierprozess 45 Chargenoberfläche 23, 27, 47, 256, 257, 259 Chargenpacken 245 CHD 62, 134, 256, 257, 259 Chrom 6, 7, 15, 17, 26, 55, 87 Chromcarbid 50 Chromnitride 83, 87-89 Chromverarmung 50 CO2-Gehalt 3, 17, 41, 47, 128, 143, 144, 190 Cobalt 6 C-Pegel 3-9, 11, 12, 14, 15, 17, 40- 45, 54, 55, 126, 128, 133, 142-149, 153-158, 161, 162, 173, 185, 186, 193, 199, 215 D eganit 130 Depassivierung 50, 54, 85, 89 Differenzdruck-Methode 175 Diffusionsabschnitt 25 Diffusionsbehandeln 102, 211 Diffusionsgeschwindigkeit 12, 25, 27, 54, 69, 81, 83 Diffusionsglühen 55 Diffusionskoeffizient 12, 16 Diffusionsschicht 52, 53, 54, 65, 66, 68, 74, 77, 82, 85, 92, 103 Diffusionsvorgang 14 Dimethylformamid (DMF) 117 Direktbegasung 2, 193 Direkthärten 58, 59, 186 Dissoziation 20, 21, 34 Dissoziationsgrad 150, 158 Doppelhärten 60 Drehherdofen 216, 219-221, 241, 242 Druck 19 Druckmessung 178, 181 Drucknitrieren 90 Druckregelung 181 Druckwechsel 25 Duplexstahl 52 Durchflussmengenregler 173 Durchstoßofen 210, 211, 215, 216, 218, 241, 242, 254, 257, 258 Durchstoßprinzip 209 E ffusion 28 Einfachhärten 59, 60, 186 Einkammer-Vakuumofen 228 Einsatzhärten 1, 40, 64, 89, 102- 104, 128, 133, 134, 149, 201, 208, 214, 219, 222, 231, 242, 243 63522_Liedtke_SL3a.indd 294 63522_Liedtke_SL3a.indd 294 16.06.2021 14: 37: 51 16.06.2021 14: 37: 51 <?page no="310"?> Sachwortverzeichnis 295 295 Einsatzhärtungs-Härtetiefe 12, 62 Einsatzhärtungsschicht 18, 46, 63 Einsatzstähle 7, 13, 56, 58, 251 Eintropf-Verfahren 2 Eisen(carbo)nitride 65 Eisen-Kohlenstoff-Zustands-Diagramm 6 Eisennitrid Fe4N 65 Endogas/ Endoträgergas 2, 11, 15, 22, 45, 69, 77, 107, 108, 122, 123, 126, 129, 130, 143-147, 156, 157, 161, 165, 185, 188-192, 194, 254- 257, 259, 262, 270 Endogaserzeuger/ -generator 188, 270, 282 Energiebilanz 33, 249, 250, 252, 254-260 Entgraten 96 Entladung 31-33, 78-81, 236, 237 Entladungsspannung 29, 31, 237 Entnahmestation 106, 110, 118, 119 Entsorgen 261, 264-266 Erdgas 2, 15, 108, 109, 116, 120, 123, 126, 127, 144, 146, 147, 153- 157, 183, 185, 188-190, 192-194, 253-257, 259 Erwärmen 59, 75, 78, 89, 92, 94, 95, 97, 98, 103, 182, 183, 197, 214, 215, 218, 219, 231, 236, 237, 239, 240, 249, 253, 256, 257, 259, 267 Ethan 21 Ethen 21, 127 Ethin 19, 52, 115, 127 Ethylacetat 2 Evakuieren 80, 178, 181, 183, 202, 234, 239, 240 Excess Carburizing 55 Exogas 123, 130 F e-C-Legierung 7 Fe-C-Zustands-Schaubild 44 Feinkornstähle 54 Ferrit 13 Fick’sche Gesetze 14 Folienmethode 43, 142, 148, 149, 199 Frischgas 127, 149, 180 G asaufkohlen 1, 2, 3, 19, 26, 28, 40, 55, 127, 149, 156, 164, 173, 178, 188, 200, 228, 270, 276 Gasaustausch 25, 130, 131, 183 Gascarbonitrieren 41, 49, 164 Gasdurchfluss 23 Gasdurchflussmengen 131, 174, 177 Gas 1, 10, 19, 21, 23, 25, 33, 105- 107, 112, 113, 118, 120, 126, 127, 129, 153, 162-165, 169, 173, 175, 176, 180-182, 193, 198-200, 210, 213, 226, 228, 229, 233, 237, 238, 251, 252, 262, 268-273 Gaseinspeisung 19, 130, 221 Gasentladung 29, 30, 180 Gasleitstand 196 Gasverbrauch 40, 173, 174, 222, 255 Gaszufuhr/ -zugabe 19, 23, 181 Gefährdungsarten 268, 269 Gefahrstoffe 262, 263, 266, 269 Genehmigungsrecht 261 geregelten Atmosphäre 41, 42, 200, 208 Gleichgewichtskohlenstoffgehalt 8, 143, 149 Glimmentladung 31, 32, 34, 128, 236, 279 Glimmsaum 31 Glockenofen 48, 202, 203 Grenzhärte 12, 89 Grenzkohlenstoffgehalt 13, 63, 256, 257, 259 Grobkornbildung 28, 94 H alten 60, 75, 97, 182, 184, 241 Härtbarkeit 13, 15, 17, 28, 41, 46, 56, 61-63 Härte 17 Härten 1, 12, 15, 40, 46, 48, 55-62, 83, 90, 91, 99, 102, 201, 208, 215, 217, 221, 228, 231-233, 241, 271 Härteprofil 12, 34, 62, 89, 102, 134 Helium 113, 122, 228, 273 heterogene Wassergasreaktion 11, 12, 41, 67, 152, Hochtemperaturaufkohlen 54 Hochtemperatur-Nitrieren 89 Hohlkathode 31 Horizontal-Retortenofen 205 63522_Liedtke_SL3a.indd 295 63522_Liedtke_SL3a.indd 295 16.06.2021 14: 37: 52 16.06.2021 14: 37: 52 <?page no="311"?> 296 Sachwortverzeichnis 296 HPN-(High Purity Nitrogen)Verfahren 115 Hubherd-Haubenofen 202 HydroNit®-Sensor 172 I ndikatoren 2, 3 Infrarot-Analysatoren 162 innere Oxidation/ internal oxidation 15, 17, 19 Ionen 29-31, 34, 79, 80, 236 Ionisationsgrad 29 Iso-Aktivitätslinien 6 Isopropanol 2, 127 isothermischem Umwandeln 59 K alibriergas 163, 165, 169, 180 Kammer-Retortenofen 213 Kenngrößen 2, 69, 72, 142, 153 Kerbwirkung 28 Kernhärten 58, 59 Kernhärtetemperatur 58 Kohlendioxid 2 Kohlenstoff 1, 5, 6, 8-12, 15, 16, 19- 22, 24, 25, 34, 40, 41, 43-45, 47, 48, 51, 52, 54, 57, 61, 63, 66-68, 70-72, 91, 115, 116, 142, 148, 155, 158, 234, 251 Kohlenstoffaufnahme 70, 95, 99 Kohlenstoffaktivität 2, 5-7, 11, 12, 41, 45, 48, 51, 153-155 Kohlenstoffangebot 37, 48, 54, 55 Kohlenstoffdiffusion 12 Kohlenstoffdioxid 2, 77, 78, 110, 111, 112, 122-124, 129, 161, 238, 262, 273 Kohlenstoffgehalt/ -konzentration 2, 6, 7, 12, 19, 25, 26, 44, 45, 54, 56, 59- 62, 77, 82, 142, 143, 148-150 Kohlenstoff-Konzentrationsprofil 7, 12-14, 21, 55, 134 Kohlenstofflöslichkeit 25 Kohlenstoffmassenstrom 12, 21-23, 25, 27, 34, 37-39 Kohlenstoffmonooxid 11, 15, 89, 110, 112, 113, 122, 123, 129, 161 Kohlenstoffpegel 2, 6, 19, 45, 142, 148 Kohlenstoffprofil 12, 14, 21, 27, 38, 39, 132 Kohlenstoffspender 1, 19, 20, 32-34, 41, 52, 78, 107, 108, 112, 115, 122, 123, 153, 155, 161, 184, 185 Kohlenstoff-Übergangskoeffizient/ -zahl 2, 8, 9, 142, 149, 150, 156, 158 Kohlenstoffübertragung 20, 34, 35, 40 Kohlenstoffverfügbarkeit 2, 9, 10-12, 24, 27, 185 Kohlenstoffverlauf 14, 21, 68, 69 Kohlenwasserstoffe 1, 12, 19-21, 27, 32, 94, 107, 108, 110, 112, 127, 155, 200 Kohlungskennzahl 70, 71, 128, 129, 152, 153, 161 Konzentrationsprofil 12-14, 50, 55, 102, 134 Korngrenze 17, 28, 29, 52 Kornvergröberung/ -wachstum 28, 54, 55, 59 Korrosionsbeständigkeit 50, 53, 83, 89, 90, 104 Korrosionswiderstand 50, 63, 87, 101 Kupfer 91 L ambda-Sonde 148 Legierungselemente 6, 7, 15, 17, 25, 48, 62, 65, 84, 98 Legierungsfaktor 6-8 Lehrer-Diagramm 70 Löslichkeitsgebiet/ -vermögen des Austenits 6, 44, 55 Lösungsnitrieren 88 M angan 6, 15, 17, 28 Mantelthermoelemente 138, 199 Martensit 17, 46, 59-63, 85, 88, 91 martensitische rostfreie Stähle 87, 88 Massendurchflussregler 177 Mehrstufenaufkohlen 27 Mehrzweckkammeröfen 186, 208, 213 Membran-Verfahren 115 Messgas 126, 133, 148, 162, 164, 165, 167-170, 199 Messgasdurchfluss 165, 169 Messgaspumpe 163, 165, 169 Messgrößen 2, 4 Methan 1-3, 19-23, 32, 34, 35, 40, 52, 78, 106, 108, 109, 113, 120, 123, 63522_Liedtke_SL3a.indd 296 63522_Liedtke_SL3a.indd 296 16.06.2021 14: 37: 52 16.06.2021 14: 37: 52 <?page no="312"?> Sachwortverzeichnis 297 297 127, 153, 154, 183, 190, 192, 194, 238 Methanzerfallsreaktion 12 Methanol 2, 106, 123-127, 129, 156-158,161, 185, 193, 194, 197, 253-257, 259, 262 Mindestdurchfluss 176, 177 Mögliche Fehler bei Temperaturmessung 141 Molybdän 6, 55, 87 N achoxidieren 101, 161, 208, 216, 236, 239, 241 Nickel 6, 99, 120, 136 Niederdruckaufkohlen 19-22, 25, 26, 28, 33-35, 37, 40, 52, 55, 115, 118, 155, 156, 173, 181, 198, 198, 200, 201, 228, 233, 258 Niederdruckcarbonitrieren 49 Niederdrucknitrieren 89, 198 Niedrigtemperatur 50 Nitemper 130 Nitridausscheidungen 74-76, 83, 87, 88, 101 nitridbildende Legierungselemente 48, 65, 77, 98, 100 Nitride 74, 75, 77, 83, 98, 184 Nitridwachstum 74 Nitrieren 48, 51, 63-65, 67, 72, 75, 78, 80, 83, 84, 87, 89-91, 93, 94, 96-99, 102, 103, 110, 128, 135, 150, 161, 161, 162, 164, 177, 178, 181, 183, 184, 186, 194, 198, 202, 205, 207, 208, 213, 214, 234, 236, 238- 241, 267, 270, 271 Nitrierhärtetiefe 86, 87, 135 Nitrierkennzahl 45, 66, 69, 77, 82, 85, 90, 128, 129, 133, 150, 151, 158, 160-162, 173, 184, 194, 285 Nitriertiefe 77, 160, 183 Nitrierwirkung 69, 158, 160, 161 Nitroc 130 Nitrocarburieren 48, 50, 51, 63, 64, 67, 70, 72, 75, 77, 78, 83, 84, 90, 91, 93, 94, 96-100, 102, 103, 110, 111, 122, 123, 128, 135, 150, 152, 161, 162, 164, 177, 181, 183, 184, 186, 194, 202, 205, 207, 208, 213, 214, 216, 222, 224, 225, 227, 234, 236, 239, 240, 241, 267, 270, 271 Nitroflex 130 Nitrotec 130 Normaldruck 1, 2, 19, 26, 41, 45, 55, 83, 124, 180, 193, 196, 198, 199, 200, 232, 275 Normalglühen 98 numerische Methoden 14 O fenatmosphäre 1, 9, 10, 19, 41, 43, 69, 71, 77, 89, 126, 128, 130, 142, 148, 151-154, 158, 165, 172, 173, 179, 182, 193, 194, 197, 198- 200, 205, 212, 213, 226, 227 Ofenauskleidung 48, 160, 182, 224 Ofenauswahl 241 Ofendruck 133, 177, 178, 179, 181, 197, 271 Ofengas 164, 168, 180, 197, 198, 201, 202, 210, 212, 221, 225, 271 Ofentemperatur 3, 4, 5, 130, 141, 143, 145, 183, 208, 212, 214, 270, 274 Oxidation/ Oxidieren 15-19, 55, 71, 96-98, 100, 101, 134, 148, 160, 184-186, 201, 233, 270, 275 Oxidationskennzahl 71, 77, 127, 128, 151, 160 Oxidationspotential 15, 77, 127, 128, 151, 160 oxidbildende Legierungselemente 17 Oxide 15, 17, 71, 96 oxidierende Wirkung 15 Oxidschichten 91, 96, 100, 101, 161, 184 Oxinitrieren 66, 71, 83, 96, 161, 184 Oxinitrocarburieren 71, 161 P aschengesetz 32 Passivierung 50, 92-94, 184 Passivschicht 51, 93, 240 Pausendauer 19, 33, 80 Periodendauer 34 Perlit 13, 17, 59, 134 Phosphate 93 Physikalische Eigenschaften 107- 109, 111-113, 116, 120-122, 124 Plasma 29-34, 78, 83, 89, 178, 237, 238, 241 Plasmaaufkohlen 22, 31-37, 40, 50, 52, 128 Plasmacarbonitrieren 128 63522_Liedtke_SL3a.indd 297 63522_Liedtke_SL3a.indd 297 16.06.2021 14: 37: 53 16.06.2021 14: 37: 53 <?page no="313"?> 298 Sachwortverzeichnis 298 Plasmaenergie 31, 240 Plasmagenerator 31, 32, 234, 236, 237 Plasmaleistung 232 Plasmanitrieren 50, 64, 78-82, 84, 90, 234-236, 240 Plasmanitrieranlage 233, 236, 237 Plasmanitrocarburieren 232 Plasmaparameter 34, 52, 199, 234 Plasmastromdichte 34, 37, 38, 40 Plasmaunterstützung 1, 35, 37, 51, 52, 54, 181, 234 Poren/ Porenbildung/ Porosität 47, 50, 77, 85, 101, 116, 135 primäre Kohlenstoff-Verfügbarkeit 9, 10, 12 Propan 1, 2, 15, 19, 21-24, 27, 32, 33, 35, 36, 39, 40, 52, 55, 106-108, 115, 123, 126, 127, 144, 145, 147, 153-157, 183, 185, 188-192, 198 Prozessablauf/ -verlauf 26, 36, 49, 78, 133, 198, 200, 204, 208, 214, 215, 224, 240, 274 Prozessdruck 25, 28, 34, 90, 160, 198, 233 Prozessgas 25, 35, 66, 69, 130, 131, 142, 158, 159, 161, 167, 167, 169, 170, 182, 183, 186, 197, 198, 200, 201, 208, 233, 237, 267, 270, 271 Prozessgrößen/ -parameter 17, 19, 23, 33, 34, 52, 57, 69, 79, 88, 128, 131, 133, 135, 177, 199, 219, 229, 231, 256-259, 275 Prozeßregelung 2, 40, 42, 128 Prozesstemperatur 25, 67, 77, 85, 160, 184, 269, 274 Prozessüberwachung/ -kontrolle 23, 26, 133, 198 PSA-(Pressure Swing Adsorption)Verfahren 115 Pulsdauer 33, 78, 79, 80, 237 Pyrolyse 19, 20, 21, 34 R andhärten 59, 60 Randhärtetemperatur, 59 Randkohlenstoffgehalt 7, 8, 12, 23, 26, 27, 37, 45, 48, 55, 56, 58, 62, 134, 148, 149, 155, 157, 215, 252, 254, 256, 257, 259 Randoxidation 15-19, 28, 40, 55, 133, 134, 191, 193 Randoxidationstiefe 18 Randschichthärten 91 Randschichtschädigung 29 Randstickstoffgehalt 45, 48, 50, 134 Reaktionen 1-3, 5, 12, 19, 20, 41, 67, 121, 153, 154, 182, 188, 197 Reaktionsgas 169, 194, 195, 218, 222-224, 247, 255 Regelgrößen 2-4 Regeln/ Regelung 2, 42, 55, 111, 119, 126, 128, 129, 131-133, 141, 153-155, 157, 158, 160, 161, 170, 173, 177, 181, 183, 236, 263, 271, 283, 285, 286, 291, 292 Regelparameter 133 Regler 133, 141, 157, 275 Reineisen/ -folie 6, 7, 43, 45, 85, 142, 143, 251 Reinigen 92-95, 99, 100, 109, 112, 184, 224, 233, 239, 240 Relativdruck 178 Restaustenit/ Restaustenitgehalt 41, 46, 48, 58, 59, 61, 62, 85, 89, 91, 102, 134 Restsauerstoff/ Restsauerstoffgehalt 114, 115, 233 Reststickstoffgehalt 48, 133 RetortenofenRetortenöfen 197, 200, 202, 206, 207, 213, 242 Richardson-Diagramm 125 richten 103, 115 Ringherdofen 215-219, 241, 242 Rollenherdöfen 197, 225, 226, 242 rostfreie Stähle 50, 83, 87, 88, 89 Rückfeinen 55, 59 Ruß/ -bildung 19, 23, 25, 27, 28, 55, 118, 165, 166, 169, 173, 192, 193, 229, 233, 267, 273 S ättigungsgrenze des Austenits 19 Sauerstoff 15-17, 19, 28, 55, 71, 77, 97, 110, 114, 116, 118, 120, 123, 128, 155, 161, 166, 167, 183, 186, 198, 226, 270, 273 Sauerstoffpartialdruck/ -gehalt 4, 151-153, 165, 190 Sauerstoffsonde 4, 41, 42, 72, 126, 128, 129, 133, 146-148, 153, 162, 165, 166,199 Sauerstoffspender 97, 161, 184 Sauerstoffzugabe 66 63522_Liedtke_SL3a.indd 298 63522_Liedtke_SL3a.indd 298 16.06.2021 14: 37: 54 16.06.2021 14: 37: 54 <?page no="314"?> Sachwortverzeichnis 299 299 Schachtöfen/ Haubenöfen 200, 203- 206, 241, 242, 270 Schüttelflasche 166, 168 Schutzwirkung 99 Schwebekörper 174, 175, 177 sekundärer Kohlenstoff-Verfügbarkeit 9, 10, 12 Sicherheit 181, 265, 266, 268, 273 Sicherheitseinrichtungen 199 Sicherheitsmaßnahmen 267 Silicate 93 Siliconöle 93 Silizium 6, 7, 15, 17, 47, 251 solution nitriding 88 Sondenspannung 3, 4 Spaltgas 110, 193 spanendes Bearbeiten 102 Spannungsarmglühen 94, 97, 98 Spezifische Wärmekapazität von Gasen 252 Spülgas/ Spülgasmenge 130, 131, 177, 183, 184, 186, 274 Sputtern/ -wirkung 51, 52, 80, 83, 239, 240 Stahl 16MnCr5 8, 21, 38, 39, 54, 56, 57, 73, 133, 157 Stahl 20MnCr5 24, 27 Stahl 30CrMoV9 86 Stahl X40CrMoV5-1 102 Stahl 41Cr4 73 Stahl 42CrMo4 82 Stahl C15 54, 72, 73, 74, 75 Stahl Ck45 103 Stahl X2CrNiMo18-14-3 52, 53 Stahl X2CrNiMoN22-5-3 53 Stahl X2CrNiMo17-12-2 51 Steuern 19, 131, 155 Stickstoff 2, 6, 28, 32, 40, 41, 43-47, 50, 51, 62, 64-72, 75, 77-83, 87-89, 91, 95, 97, 100, 106, 109-111, 113- 115, 118, 120-123, 126, 127, 148, 154-158, 160, 161, 163, 180, 181, 183-187, 193, 194, 196, 197, 208, 213, 226, 228, 231, 233, 234, 237, 242, 253, 254, 267, 270, 271, 273 Stickstoffaktivität 41, 44, 45, 66, 80 Stickstoffangebot 69 Stickstoffaufnahme 43, 44, 48, 49, 83, 92, 93, 95, 96, 99,184 Stickstoffeffusion 28 Stickstoffgehalt/ -konzentration 43, 45-47, 50, 65, 82, 83, 88, 91 Stickstoffkonzentrationsprofil 50, 68, 199 Stickstofflöslichkeit 86, 88 Stickstoffmassenstrom 65 Stickstoffpegel 45, 148 Stickstoffspender 41, 46, 49, 64, 109, 184, 185, 234, 238 Stickstoffphasengrenzen 70, 71 Stickstoffübergang 65, 80 Stickstoffzusatz 19 Stirnabschreckproben 46 Stromdichte 29, 31, 33, 38, 39, 52, 79 synthetischen Trägergaserzeugung 193 T astverhältnis 33, 79, 237 Taupunkt/ -temperatur 3, 4, 128, 145, 146, 170, 171, 190 Teer/ -ausscheidungen 27, 28 Temperatur 2, 5, 6, 12, 14, 19-26, 31, 35, 40, 43, 44, 46, 47, 50-52, 54-56, 58-60, 62, 69, 71, 72, 74-76, 81-90, 93, 96-98, 101, 102, 110, 111, 122-126, 131, 133, 135, 136, 139, 141, 144-148, 151, 154, 156, 158-160, 164-166, 170, 171, 175, 176, 180, 182, 183, 185, 188, 190- 192, 195, 197, 199, 205, 215, 216, 218, 219, 222, 223, 227, 231, 234, 240, 241, 251, 252, 258, 268-270, 274, 275 Temperaturmessung 135, 171, 199, 298 Temperaturregelung 141, 238, 274 Thermoelemente 135, 137, 138, 141, 199, 237, 273, 274 Tiefkühlen 55, 61, 62, 88, 89, 91 TiN-Schicht 90 Titan 6, 54, 58, 85, 87, 90 Trägergas 1, 2, 11, 14, 122, 127, 143, 154, 156-158, 177, 185, 186, 188, 190, 192, 193, 253, 254, 270 Troostit 18 Ü bersättigung des Austenits 47 Ultraschall-Methode 176 Umkristallisation 59 Umrechnungszahlen 107-109, 112- 116, 120-122, 125 63522_Liedtke_SL3a.indd 299 63522_Liedtke_SL3a.indd 299 16.06.2021 14: 37: 54 16.06.2021 14: 37: 54 <?page no="315"?> 300 Sachwortverzeichnis 300 Umwandlungsbereich des Perlits 59 Umwandlungsverhalten 43, 55 Umweltschutz 261, 266 Ungleichgewichtsatmosphäre 155 untereutektoidische Stähle 44 V akuum-Mehrkammer-Durchlaufofen 231 Vakuumöfen 19, 32, 55, 89, 178, 228, 230, 242, 247, 267 Vanadium 15 Ventile 107, 173, 270, 274 Verbindungsschicht 46, 65-68, 72, 74, 77, 78, 82, 84-86, 90-94, 96, 97, 99-104, 135, 160, 184, 186, 238 Vergleichsstelle 141 vergüten 98 Verschleißverhalten 41, 46, 50, 55, 61, 91, 102 Voroxidieren 51, 96, 97, 183, 184, 211 Vortex-Prinzip 176 W armbadhärten 60, 61 Waschen 92, 94, 95, 99, 100, 219 Wassergasgleichgewicht 11, 67, 169 Wassergasreaktion 11, 12, 41, 152, 162, 170 Wasserstoff 9, 10, 15, 20, 25, 32, 41, 51, 52, 66, 69, 78-80, 82, 106, 109- 111, 116, 120-124, 126-128, 150- 153, 155, 158, 160, 161, 169, 172, 185, 186, 193, 194, 228, 238, 240, 251, 254, 262 Wasserstoff-Partialdruck 172 Weichhaut 17 Werkstoffverträglichkeiten von Gasen 106 Wolfram 6 Z ielgrößen 133-135, 173 Zink/ -rückstände 91, 92 Zinn 91 ZTU-Schaubilder 56 Zugeigenspannungen 17 Zündgrenze/ -temperatur 183, 186, 269, 270, 271 Zündspannung 32 Zusammensetzung Endogase 190 Zusatzgas 89, 110, 111, 127, 144- 147, 151, 154, 177, 184, 185, 194 Zusatzgasmenge 126, 154, 185 Zweikammer-Vakuumofen 229 γ‘-Nitrid 64, 69 ε-Nitrid 64, 184 γ-Mischkristall 5 63522_Liedtke_SL3a.indd 300 63522_Liedtke_SL3a.indd 300 16.06.2021 14: 37: 55 16.06.2021 14: 37: 55 <?page no="317"?> ISBN 978-3-8169-3522-3 AWT Thermochemische Behandlung von Eisenwerkstoffen im Gas In diesem Handbuch werden für die Wärmebehandlungsverfahren Einsatzhärten, Nitrieren und Nitrocarburieren sowohl die theoretischen Grundlagen als auch die industrielle Durchführung eingehend behandelt. In der Abhandlung werden die Grundlagen und die Durchführung der Verfahren der thermochemischen Behandlung im Gas bei Normaldruck und bei Niederdruck sowohl ohne als auch mit Plasmaunterstützung dargestellt. Daran anschließend sind charakteristische physikalische Eigenschaften der zum Herstellen der verschiedenen Ofenatmosphären erforderlichen Gase angegeben. Ein weiterer Teil befasst sich mit der Mess- und Regeltechnik. Die industriell gebräuchlichsten Arten von Öfen werden kurz beschrieben und charakterisiert. Betrachtungen zur Energiebilanz, dem Umweltschutz und der Entsorgung der verbrauchten Hilfsstoffe sowie dem sicheren Betreiben der Wärmebehandlungsanlagen runden den Inhalt des Handbuchs ab. Der Inhalt Wärmebehandlungsverfahren - Einsatzhärten - Aufkohlen - Carbonitrieren - Nitrieren - Nitrocarburieren - Verfahrenstechnik - Anlagentechnik - Mess- und Regeltechnik - Energiebilanz - Umweltschutz und Entsorgung Die Zielgruppe Für Konstruktions-, Entwicklungs- und Fertigungsingenieur: innen, die sich mit Planung und Durchführung von Wärmebehandlungen befassen. Herausgeber AWT - Arbeitsgemeinschaft Wärmebehandlung und Werkstofftechnik e.V. - Fachausschuss 4 Thermochemische Behandlung von Eisenwerkstoffen im Gas Verfahren und Anlagen 2., durchgesehene Auflage AWT - ARBEITSGEMEINSCHAFT WÄRMEBEHANDLUNG UND WERKSTOFFTECHNIK E.V. - FACHAUSSCHUSS 4 (HRSG.) 63522_Umschlag.indd 1-3 63522_Umschlag.indd 1-3 21.06.2021 13: 38: 32 21.06.2021 13: 38: 32