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Der Jakobuskult in Ostmitteleuropa

Austausch – Einflüsse – Wirkungen

0407
2003
978-3-8233-0327-5
978-3-8233-4012-6
Gunter Narr Verlag 
Klaus Herbers
Dieter R. Bauer

Der vorliegende Band stellt eine wichtige Etappe in der europäischen Jakobusforschung dar: Erstmals wird der mittel- und osteuropäische Raum monographisch auf seine Bezüge zum mittelalterlichen Jakobuskult hin untersucht. Eine Reihe ausgewiesener Spezialisten aus vier europäischen Ländern erforschen "Wege und Räume" der Jakobusverehrung im allgemeinen sowie die verschiedenen Spuren in Polen, Ungarn und im östlichen Deutschland. Damit wird im Zeitalter eines zusammenwachsenden Europa ein wichtiger und spannender Beitrag zur Wiederentdeckung mitteleuropäischer Gemeinsamkeiten und kultureller Traditionen geleistet, die lange verkannt und vergessen waren.

<?page no="1"?> Der Jakobuskult in Ostmitteleuropa 108702 Jakobus-St. 12 - Herbers 30.01.2003 6: 12 Uhr Seite 1 <?page no="2"?> Jakobus-Studien 12 im Auftrag der Deutschen St. Jakobus-Gesellschaft herausgegeben von Klaus Herbers und Robert Plötz 108702 Jakobus-St. 12 - Herbers 30.01.2003 6: 12 Uhr Seite 2 <?page no="3"?> Der Jakobuskult in Ostmitteleuropa Austausch - Einflüsse - Wirkungen herausgegeben von Klaus Herbers und Dieter R. Bauer Gunter Narr Verlag Tübingen 108702 Jakobus-St. 12 - Herbers 30.01.2003 6: 12 Uhr Seite 3 <?page no="4"?> Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. © 2003 · Gunter Narr Verlag Tübingen Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: http: / / www.narr.de E-Mail: info@narr.de Satz: Informationsdesign Fratzke, Pfullingen Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen Printed in Germany ISSN 0934-8611 ISBN 3-8233-4012-3 108702 Jakobus-St. 12 - Herbers 30.01.2003 6: 12 Uhr Seite 4 <?page no="5"?> R OBERT P LÖTZ Zur Vollendung des 60. Lebensjahres <?page no="7"?> Inhalt K LAUS H ERBERS Zur Einführung: Der Jakobuskult in Ostmitteleuropa. Aufgaben und Zwischenperspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Teil I: Wege und Räume F ERNANDO L ÓPEZ A LSINA Die Prägung des hispanisch-galicischen Raumes durch die Santiago-Pilgerfahrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 T HOMAS S ZABÓ Das Straßennetz zwischen Mittel- und Osteuropa. Der Weg nach Santiago . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 R ENATE W ISSUWA Altstraßen, Mobilität und Austausch. Verkehrsmäßige Voraussetzungen in Sachsen für die Pilgerbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 D ETLEV K RAACK Pilgerfahrten und Reisen von West nach Ost und von Ost nach West. Beziehungsgeschichtliche Perspektiven adliger Mobilität im Spätmittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 H ENRYK S AMSONOWICZ Jakobuskult und Jakobuswege in Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Teil II: Spuren und Zeichen des Kultes in Ostmitteleuropa a. Polen J ACEK W IESIOL/ OWSKI Die polnischen Reisen nach Compostella im 14. und 15. Jahrhundert Diplomatische Beziehungen und adeliges Bildungsideal . . . . . . . . . 83 R YSZARD K NAPIN ´ SKI Vom Apostel zum Pilgerpatron. Die Ikonographie des hl. Jakobus in der polnischen Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 <?page no="8"?> A LEKSANDRA W ITKOWSKA OSU Das Patrozinium des hl. Apostels Jakobus in der mittelalterlichen Diözese Krakau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 H ENRYK W A ˛ SOWICZ Der Kult des hl. Apostels Jakobus in Polen bis Mitte des 16. Jahrhunderts im Lichte liturgischer Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . 137 E DWARD P OTKOWSKI Spuren des Jakobuskults im Schrifttum. Das Beispiel der frühen Drucke in Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 I LJA M IECK Polen und die Pilgerfahrt nach Compostela in der Frühen Neuzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 b. Mittel- und Ostdeutschland R OBERT P LÖTZ Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft unter besonderer Berücksichtigung Frankens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 H ARTMUT B ETTIN ; D IETMAR V OLKSDORF Pilgerfahrten in den Stralsunder Bürgertestamenten als Spiegel bürgerlicher Religiosität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 G UNHILD R OTH Das „Heilige Grab“ in Görlitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 c. Ungarn L AJOS K AKUCS Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Mitteilungen G ERHARD G RAF Das Jakobspatrozinium in Sachsen. Eine Problemanzeige . . . . . . . . 353 Register der Orts- und Personennamen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 VIII Inhalt <?page no="9"?> Vorwort Die folgenden Beiträge bieten im wesentlichen die schriftlichen Ergebnisse eines Symposions, das vom 1. bis 4. April 1998 in Krakau stattfand. Es ging damals darum, erstmals dem Jakobuskult in Ostmitteleuropa eine Tagung zu widmen. Wann hat dieser „europäische Kult“ überhaupt diese Gegend erreicht? Kann in gleichem Maße wie für West- und Mitteleuropa von einer Pilgerbewegung ausgegangen werden? Wie stellt sich das Ensemble der sonstigen Kultspuren in Patrozinien, künstlerischen Darstellungen und literarischen Spuren dar? Diese und andere Fragen wurden exemplarisch angegangen, und deshalb hatten die Veranstalter damals ihrem Generalthema den Untertitel „Strategien für ein Forschungsprogramm“ hinzugefügt. Der Band bietet aber darüber hinaus weitere Studien. Insbesondere nachdem im Herbst 1998 eine Tagung der Deutschen St. Jakobus Gesellschaft bei Görlitz (Kloster Marienthal) stattgefunden hatte, erschien es dienlich, Beiträge zur Geschichte Sachsens und der Lausitz hinzuzufügen. Außerdem wurde die Studie von Gunhild Roth zur Heiliggrabnachbildung in Görlitz aufgenommen, die zwar nicht unmittelbar mit dem Jakobuskult zusammenhängt, aber durch den Tagungsort und das allgemeine Thema der Pilgerfahrten durchaus Bezüge zu den weiteren Aufsätzen aufweist. Schließlich ist ein weiterer Beitrag mit einer ersten Sichtung der Spuren in Ungarn, Siebenbürgen und der Slowakai (Lajos Kakucs) hinzugekommen. So dürfte mit diesem Band zumindest eine weitere, erste Schneise geschlagen sein, um wichtige Forschungsperspektiven auch im südöstlichen Mitteleuropa aufzuzeigen Die Krakauer Tagung unterstützten die Daimler-Benz AG, besonders Herr Dr. Peter A. Philipp, darüber hinaus wurden wir durch die Hilfe zahlreicher weiterer Freunde in Polen und Deutschland gefördert, genannt seien Prof. Dr. Ks. Ryszard Knapin´ ski, der Gastgeber, Prof. Dr. Ks. Adam Kubis, damals Rektor der Päpstlich Theologischen Akademie in Krakau, und seine Helfer; weiterhin Domkapitular Hubert Bour als Vertreter des Rottenburger Bischofs, sowie bei der Vorbereitung Frau Agnieszka Madej-Andersson in Tübingen. <?page no="10"?> Der Weg zum Druck war diesmal außergewöhnlich lange, auch deshalb, weil die hier vorgelegten Beiträge teilweise ins Deutsche übersetzt wurden (A. Madej-Andersson) und gleichzeitig unter der kundigen Federführung von Ryszard Knapin´ ski eine polnische Fassung des Bandes erscheint, auf die hier verwiesen sei. Beide Ausgaben hängen direkt miteinander zusammen, stehen aber allein der sprachlichen Kompetenz wegen in unterschiedlicher Verantwortung und Herausgeberschaft. Für die Durchsicht des Beitrags von Lajos Kakucs sei Prof. Dr. h.c. Dr. Dr. Harald Zimmermann (Tübingen) gedankt. Bei der Vorbereitung der Drucklegung haben viele geholfen, hervorheben möchten wir Annicka Hägele, Annette Wiesheu, Dr. Linda Maria Koldau, Susanne Burkert und Dr. Nikolas Jaspert, deren Aufgaben gerade angesichts der großen betroffenen Räume und Sprachen gewaltig waren und denen deshalb hier nachdrücklich Dank ausgesprochen sei. Zur Finanzierung trug dankenswerterweise eine Unterstützung der damaligen Daimler-Benz AG (jetzt Daimler-Chrysler) bei. Noch bevor der Band erschien, vollendete Robert Plötz am 18. Juli 2002 sein 60. Lebensjahr. Ihm als langjährigen Mitherausgeber und Präsidenten der Deutschen St. Jakobus-Gesellschaft seien die Aufsätze gewidmet. Dieter Bauer Klaus Herbers X Dieter Bauer; Klaus Herbers <?page no="11"?> Zur Einführung: Der Jakobuskult in Ostmitteleuropa Aufgaben und Zwischenergebnisse K LAUS H ERBERS Was hat Jakobus mit Polen oder allgemein mit Ostmitteleuropa zu tun? Der Kult des Heiligen, dessen Grab man zu Beginn des 9. Jahrhunderts wiederentdeckt zu haben glaubte, besaß von Anfang an eine spanische und bald auch eine europäische Dimension 1 . Die Bedeutung des Apostelgrabes für die lokale Verehrung, die Rolle für einige Herrscher Asturiens, der ritterliche Patronat während der sogenannten Reconquista und die nicht immer rühmliche Rolle des heiligen Jakobus bei der Conquista Amerikas sind in der Hauptsache Aspekte der spanischen Kultentwicklung. Ohne hier auf die Details der Grabentdeckung und auf den „Jakobuskult vor dem spanischen Jakobuskult“ einzugehen, bleibt festzuhalten, daß wohl im 9. Jahrhundert ein frühchristliches Grab gefunden wurde und daß dieses Grab als Ruhestätte des hl. Jakobus angesehen wurde. Der anfangs noch lokale Kult verbreitete sich rasch, in Deutschland seit dem 9. Jahrhundert; in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts sind erste nichtspanische Pilger belegt, und seit dem 12./ 13. Jahrhundert stand Santiago de Compostela weitgehend auf einer Stufe mit den beiden großen Pilgerzielen Rom und Jerusalem, zählte im kanonischen Recht wie diese zu den peregrinationes maiores. Vor allem die Pilgerfahrt hatte den Kult zu einem europäischen Phänomen gemacht. Ostmitteleuropa war spätestens ab dem 13. Jahrhundert einbezogen. War jedoch im Falle von Rom und Jerusalem das Ziel für die Pilger be- 1 Für diese allgemeine Einführung sei auf weitergehende Belege verzichtet, zumal die früheren Bände dieser Reihe ausreichend Material und bibliographische Hinweise bereithalten, vgl. Jakobus-Studien (ab 1988); zur Resonanz des Kultes im mitteleuropäischen Raum vor allem Band 7. Vgl. außerdem zu Deutschland: Klaus H ERBERS , Robert P LÖTZ , Jakobus in Deutschland (Straßburg 2000) und Klaus H ERBERS , Wol auf sant Jacobs straßen! Pilgerfahrten und Zeugnisse des Jakobuskultes in Süddeutschland (Ostfildern 2002) mit weiterführenden Literaturhinweisen. <?page no="12"?> sonders bedeutsam, so trug bei der Jakobus-peregrinatio eine gewisse Überhöhung des Weges maßgeblich zum Erfolg dieser Pilgerfahrt bei. Diese Akzentuierung ist in einem lateinischen Pilgerführer des sogenannten Liber Sancti Jacobi im 12. Jahrhundert grundgelegt, wurde dann später - vor allem zu Beginn des 20. Jahrhunderts - von Philologen und Kunsthistorikern weiter entfaltet. Entsprechend ist bei der Renaissance des Jakobuskultes in den vergangenen Jahren wiederholt das Konzept der sogenannten Pilger- und Jakobswege als das europäische Merkmal schlechthin thematisiert worden. Nicht umsonst wurde der Weg, nicht der Kult von den europäischen Behörden als kulturelles Erbe reklamiert. Wie entstand das Projekt, auch Ostmitteleuropa in die Erforschung der Spuren dieses europäischen Kultes einzubeziehen (I), auf welchen Studien konnte es aufbauen (II)? Welche Ergebnisse dokumentiert der vorliegende Band (III) und auf welche Perspektiven verweist er (IV)? I. Ziele, Fragen und Aufgaben Im Zentrum standen zunächst deutsch-polnische Annäherungen, an denen zunächst außer dem Autor Dieter Bauer, Ryszard Knapin´ ski und Sr. Aleksandra Witkowska beteiligt waren. Weil die Initiatoren das gesamte Projekt nicht mit einigen wenigen bestreiten, sondern zunächst Ideen bei einem Treffen in Krakau sammeln wollten, fiel relativ früh die Entscheidung, erst einmal ein Kammerorchester zusammenzustellen, das dann in einem weiteren Schritt zu einem Sinfonieorchester anwachsen konnte. Was aber sollten Leitmotiv und Thema für alle Mitspieler sein? Uns schien, daß der Jakobuskult mehr war als ein westeuropäischer Apostelkult, denn er verweist oft auf viel größere und weiterreichende Prozesse. Der Jakobuskult gehört in den Zusammenhang von Austauschprozessen, die im Mittelalter ganz Europa betrafen. Was brachten Jakobspilger nach Ostmitteleuropa zurück? Was kam an Kultspuren ohne deren erkennbare Vermittlung dorthin? Wie war das Verhältnis von Geben und Nehmen? Damit war das Thema angeschlagen, das sich im Untertitel ausdrückt: Austausch - Einflüsse - Wirkungen. Wie aber ist das Bündel an Einflüssen geschnürt, welches ist der jeweilige Kontext? Wie funktionieren Austausch- und Transferprozesse? Genügen wichtige Personen, sind Multiplikatoren wichtig, gibt es eine Eigendynamik? Welchen Einfluß besitzen Mode und Zeitgeist? Wie wirken Personen zusammen, die vielleicht auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben? Läßt sich dieser Austausch vor dem Hintergrund heutiger Nationen und ihrer Länder überhaupt fassen, oder müssen wir in an- 2 Klaus Herbers <?page no="13"?> deren personellen und räumlichen Einheiten denken? Diese und andere Überlegungen standen am Anfang des Unternehmens. Methodische Fragen sollten das Kolloquium bestimmen: eher das „Wie“ als das „Was“. Dabei scheint die Kategorie des Kulturtransfers, die zunächst für Prozesse des 18. Jahrhunderts ausprobiert wurde, für das Mittelalter mit seinen ganz besonders formierten Räumen und Gruppen zu helfen, den Vorgang des Transfers selbst mit seinen Trägern, Mitteln und Möglichkeiten in den Mittelpunkt des Interesses zu stellen 2 . Kultureller Einfluß zeigt sich nicht nur in Manuskripten, Literatur, Musik und Kunstwerken, bei denen dann nach dem Weg ihres möglichen Transfers gefragt werden kann, sondern auch bei denen, die diese Wege zu einem Kultzentrum benutzten, bei den Menschen also. Pilger und Reisende waren auf ihrer Fahrt mit vielen fremden Eindrücken konfrontiert. Wie nahmen sie diese auf? Erweiterte sich so ihr Weltbild? Man sollte sich vor dem vorschnellen Schluß hüten, Pilgerfahrten hätten gleichsam automatisch bewußtseinserweiternd gewirkt. Der Pilgerführer des Liber Sancti Jacobi läßt bei seiner Schilderung fremder Völker erkennen, daß hier oftmals Vorurteile bestätigt und sogar zementiert wurden 3 . Obwohl der Autor nicht unbedingt die Mentalität der Pilger allgemein wiedergeben mag, so wird doch deutlich, wie sehr vorhandene Voreinstellungen dafür bedeutsam waren, wie die Fremde aufgenommen wurde. Erst in einigen Pilgerberichten aus dem 15./ 16. Jahrhundert scheinen Ansätze zu neuen Wertungen greifbar, die eine größere Breite der Wahrnehmung dokumentiert. Auffällig ist dabei: Diese Berichte verzeichnen selten ausschließlich eine Pilgerfahrt nach Compostela, sondern die Pilgerverehrung erscheint in einem Geflecht weiterer Anlässe und Gründe, unterwegs zu sein. Was unter diesen Voraussetzungen und Voreinstellungen an Austausch möglich war - außer vielleicht adeliger Selbstdarstellung - ist sicher an den einzelnen Dossiers zu prüfen. Zur Einführung 3 2 Zu den Fragen kulturellen Transfers vgl. das in Erlangen bestehende Graduiertenkolleg 516: „Kulturtransfer im europäischen Mittelalter“. Der hierzu von der DFG bewilligte Antrag enthält grundsätzliche Überlegungen. Vgl. weiterhin hierzu Peter B URKE , Kultureller Austausch, (Erbschaft unserer Zeit 8; Edition Suhrkamp 2170, Frankfurt am Main 2000) bes. S. 1-40; sowie meine Bemerkungen in „Europäisierung“ und „Afrikanisierung“ - Zum Problem zweier wissenschaftlicher Konzepte und zu Fragen kulturellen Transfers, in: España y el Sacro Imperio Procesos de cambios, influencias y acciones recíprocas en la época de la „europeización“, hg. von Julio V ALDEÓN B ARUQUE , Klaus H ERBERS , Karl R UDOLF (Valladolid 2002) S. 11-31; sowie: Klaus H ERBERS , Kulturtransfer durch Reisende? Schlesische und andere Westeuropa-Reisende im 15. Jahrhundert, in: Die Jagiellonen. Kunst und Kultur einer europäischen Dynastie an der Wende zur Neuzeit, hg. von Dietmar P OPP und Robert S UCKALE , Nürnberg 2002, S. 337-346. 3 Vgl. Liber Sancti Jacobi V 7, ed. Klaus H ERBERS , Manuel S ANTOS N OIA (Santiago de Compostela 1999) S. 238-241. <?page no="14"?> Daraus ergaben sich für das Kolloquium folgende Leitfragen: 1. Weg- und Raumkonzepte bieten eine Grundlage für das Rahmen- und Unterthema: Austausch und Transfer. Wie lassen sich Strukturen und Voraussetzungen erfassen und als Bedingungen für die angenommenen Austauschprozesse näher bestimmen? 2. Es geht zunächst darum, einzelne Kultspuren zusammenzustellen. Soweit bisher belegt, sind im polnischen Bereich Notizen über einzelne Compostelapilger vor dem 13. Jahrhundert nicht greifbar. Weitere Notizen betreffen Hospize, Bruderschaften, Patrozinien, liturgische und andere Handschriften. Seit wann sind Teile des Jakobusbuches in Polen bekannt, seit wann sind bestimmte Mirakelmotive, Geschichten über den Weg der Pilger und ähnliches überliefert und belegt? Wie steht es mit den spätmittelalterlichen Legendaren, wie mit der Überlieferung einzelner Erzählungen, wie mit Musik und ikonographischen Themengruppen, die den Apostel, den Pilger oder den Maurentöter darstellen? 3. Wie sind diese Kultspuren zu interpretieren? Gibt es Träger und Förderer des Kultes wie Herrscher, Adelsgruppen, Familien, Orden und Ordensgemeinschaften, bestimmte Gruppen des Bürgertums in den Städten? Welche Rahmenbedingungen begünstigten oder benachteiligten den Kult? In welchem Kontext sind die Spuren greifbar und in welchem Maße gehören sie in größere Zusammenhänge von Austausch? 4. Schließlich könnte ein Aspekt, der grundsätzlich für alle Gegenden im Zusammenhang mit dem Jakobuskult nicht ausreichend beachtet worden ist, mit Blick auf Ostmitteleuropa an Gewicht gewinnen: Was geschah mit dem Kult in der Neuzeit? Wie lebte er in Ländern fort, die weniger durch die Reformation geprägt waren? Wie sind vor diesem Hintergrund Epochengrenzen anzusetzen? II. Bisherige Forschungen in Polen Um den Ertrag des Krakauer Kolloquiums zu verdeutlichen, seien für den deutschen Leser die wichtigsten in Deutschland erhältlichen polnischen Beiträge kurz zusammenfassend skizziert 4 , die als Ausgangsbasis 4 Klaus Herbers 4 Dies betraf den Erscheinungszeitraum bis zum Kolloquium; entsprechend wäre für andere ostmitteleuropäische Gebiete zu verfahren. Die Sichtung der Beiträge wird Frau A. Madej-Andersson verdankt. <?page no="15"?> für das gemeinsame Gespräch zur Verfügung standen. Den allgemeinen Rahmen, der die Pilgerbewegung nach Santiago de Compostela einschließt, stecken aus historischer Sicht unter anderem die Werke von Aleksandra Witkowska zu den peregrinationes religiosae ab 5 , weiterhin unter Fragestellungen des sakralen Raumes und unter geographischen Aspekten, aber mit deutlichem Schwerpunkt auf Polen, die Bücher von Antoni Jackowski 6 , der auch federführend an der in Krakau seit wenigen Jahren erscheinenden Zeitschrift „Peregrinus Cracoviensis“ beteiligt ist. Zu diesen allgemeinen Werken gehören weiterhin zwei Sammelbände, herausgegeben von Jacek Wiesiol / owski (1992 und 1996) 7 sowie von Halina Manikowska und Hanna Zaremska (1995) 8 . Diese Sammelwerke enthalten zahlreiche einschlägige Beiträge zu Bußpilgerfahrten, zur Rolle der Kreuzzugsbewegung und der Jerusalemfahrten sowie zu Pilgerzeichen. Einige Aspekte der Forschung hebe ich besonders hervor: Ab dem 13. Jahrhundert sind einzelne Compostelapilger belegt. M. Wilska hat in den beiden genannten Sammelbänden die Rolle des masowischen Hofes genauer bestimmt und zahlreiche Pilgerbelege zusammengestellt. Ein wichtiger Ausgangspunkt für diese Studien waren die von Jeanne Viellard 1936 publizierten aragonesischen Geleitbriefe, die aus den Jahren 1379-1422 erhalten sind 9 . Die dort genannten polnischen Pilger hatte Zur Einführung 5 5 Aleksandra W ITKOWSKA O SU , Z zagadnien peregrinationis religiosae w sredniowiecznej Europie, Roczniki Humanistyczne 22, H. 2 (1974) S. 33-46 und das Literaturverzeichnis ihrer Festschrift, hg. von Ryzard Knapin´ ski (Lublin 2002). 6 Antoni J ACKOWSKI , Zarys geografii pielgrzymek (Zeszyty Naukowe Uniwersytetu Jagiellonskiego/ Universitas Iagiellonica Acta Scientiarum Litterarumque MVI, Schedae Geographicae, Fasciculus 85, Schedae Instituti Geographici Universitatis Iagiellonicae Fasc. CVII, Kraków 1991) (vgl. den Parallelsachtitel: Quaestiones geographicae pertinens ad loca, quae peregrinatores religiosi adeunt, sowie die engl. Zusammenfassung: An outline of geography of pilgrimage). 7 Pielgrzymki w kulturze sredniowiecznej Europy. Materialy XIII Seminarium Mediewistycznego (Pilgerfahrt in der Kultur des mittelalterlichen Europas), hg. von Jacek W IESIOL/ OWSKI (Sprawozdania Wydzialu Nauk o Sztuce Poznan´ skiego Towarystwa Przyjaciól Nauk 110, Poznan´ 1992); Ziemia s´ wie˛ ta w Rzeczyweistos´ ci i legendzie s´ redmopwiecza. Materialy XVI Seminarium Mediewistycznego (Das Heilige Land in mittelalterlicher Wirklichkeit und Legende), hg. von Jacek W IESIOL/ OWSKI (Poznan´ 1996). 8 Peregrinationes: pielgrzymki w kulturze dawnej Europy (Peregrinationes: Pilgerfahrten in der Kultur alten Europas), hg. von Halina M ANIKOWSKA und Hanna Z A - REMSKA (Colloquia Mediaevalia Varsoviensia 2, Warszawa 1995). 9 Jeanne V IELLIARD , Pèlerins d’Espagne à la fin du Moyen Age. Ce que nous apprennent les sauf-conduits délivrés aux pèlerins par la chancellerie des rois d’Aragon entre 1379 et 1422, Analecta Sacra Tarraconensia 12 (1936), S. 265-300. Weitere Folgeveröffentlichungen mit Ergänzungen (so von Johannes V INCKE und anderen) seien hier nur pauschal erwähnt. <?page no="16"?> schon 1937 Helena Polaczkówna 10 genauer identifiziert. Methodisch wichtig scheint an diesen Ergebnissen, daß viele Personen, die dort nicht expressis verbis als Polen genannt werden, dennoch polnischer Herkunft waren. Der Adel kannte keine Grenzen: Adelsmitglieder waren an anderen Höfen verpflichtet und werden in den Geleitbriefen entsprechend zugeordnet. Erst genauere prosopographische Daten erschließen deshalb ein Personengeflecht, das äußerst interessante Einblicke verspricht. Der Nachweis verschiedener Pilgergruppen samt ihrem Gefolge läßt die doch beachtlichen Quantitäten zumindest erahnen. M. Wilska ergänzt diese Informationen mit weiteren Nachweisen einzelner Pilger, vor allem durch Notizen von Personen, die strafeshalber nach Compostela geschickt wurden. Diesen Aspekt der Bußpilgerfahrten hat auch Hanna Zaremska 11 weiter vertieft. Die aragonesischen Geleitbriefe sind die frühesten Belege für adeliges Reisen und Pilgern. Die ausführlicheren Reiseberichte, die zuweilen auch noch Geleit- und Empfehlungsschreiben enthalten oder diese zumindest erwähnen, schließen hier an. Aus dem zentralen Polen sind allerdings kaum Berichte erhalten; die einschlägigen Texte stammen meist aus dem deutsch-polnischen Grenzgebiet, so des Nikolaus Popplau 12 . Außer allgemeinen Überblicken und die Ermittlung adeliger und einzelner Pilger ist der Zusammenhang von Kreuzzugsbewegung und Ritterorden - hauptsächlich bezüglich der Jerusalempilgerfahrten - von Maria Starnawska erörtert worden 13 . Spuren des Kultes in Polen sind bisher vor allem in Form von Pilgerzeichen entdeckt worden. Teresa Dunin-Wasowicz, Adam Zurek und 6 Klaus Herbers 10 Helena P OLACZKÓWNA , O podróznikach sredniowiecznych z Polski i do Polski (Über mittelalterliche Reisende aus Polen und nach Polen), Miesiecznik Heraldyczny 16, Nr. 5 (1937) S. 65-72 und S. 126. 11 Hanna Z AREMSKA , Pielgrzymka jako kara za zabójstwo: Europa Srodkowa XIII-XV w. (Wallfahrt als Strafe für Mord: Mitteleuropa 13.-15. Jh.) in: Peregrinationes (wie Anm. 8) S. 148-156. 12 Die Übersetzung des auf deutsch verfaßten Berichtes des Nikolaus von Popplau aus Schlesien durch Piotr Radzikowski hat bisher nicht die uneingeschränkte Zustimmung der Fachwelt gefunden: Opisanie podrózy Mikolaja von Popplau rycerza rodem z Wroclawia (Reyße-Beschreibung Niclas von Popplau, Ritters, bürtig von Breslau. Übersetzung einer Kopie von 1712, Universitätsbibliothek Breslau), ed. Piotr R ADZIKOWSKI (Kraków 1996). Vgl. inzwischen die ebenfalls von R ADZIKOW - SKI besorgte deutsche Ausgabe nach dem Breslauer Manuskript: Reisebeschreibung Niclas von Popplau, Ritters bürtig von Breslau, ed. Piotr R ADZIKOWSKI (Kraków 1998). Hierzu die Rezension: Tomasz J UREK , Opisanie podrózy Mikolaja von Popplau ..., Kwartalnik Historyczny 104, Nr. 3 (1997) S. 106-107. 13 Maria S TARNAWSKA , Die Rolle der polnischen Kreuzzugsorden in der Wallfahrtsbewegung, in: W IESOLOWSKI (wie Anm. 7) S. 109-116. Vgl. auch allgemein Anm. 7. <?page no="17"?> Stefan Kuczynski haben in dem von Manikowska und Zaremska herausgegebenen Band einschlägige Studien vorgelegt 14 . Der ikonographische Überblick zu Jakobus in der Gruppe der Apostel, den Richard Knapin´ ski in den Jakobus-Studien (Band 9) publiziert hat, ist europäisch angelegt, berücksichtigt aber auch maßgeblich Polen 15 . Erwähnungen von Patrozinien, liturgischen Handschriften und Legendaren sind in übergreifenden Abhandlungen zu finden, aber die Befunde wurden noch nicht auf den Jakobuskult zugespitzt. Zusammengefaßt bedeutete dies für die Zeit bis 1998: Die Studien zur adeligen Mobilität und zu Einzelpilgern sind relativ weit gediehen, weniger intensiv sind bisher die indirekten Spuren des Jakobuskultes gesichtet worden; hier beschränken sich die Ergebnisse eher auf Einzelfunde und auf die Zusammenfassung des bisher Bekannten. III. Beiträge und Ergebnisse Was bieten nun die einzelnen, hier vorgelegten Studien zur Thematik? Die Gliederung der einzelnen Beiträge geht von einem eher systematischen Teil zu den einzelnen untersuchten Räumen - Polen, Mittel- und Ostdeutschland sowie Ungarn. Die Studien eines ersten Abschnittes gelten vor allem Fragen von Kultverbreitung und Räumen, Fragen zu Infrastruktur, zu Straßen und Schiffswegen, die auch den Pilgern aus der Mitte und dem Osten Europas dienen konnten. Es kann nicht ausbleiben, daß manche der geographisch verorteten Beiträge ebenso gut in diesen Abschnitt hätten aufgenommen werden können, wie die Studie von Bettin und Volksdorf (Teil IIb). Weiterhin sind in diesem ersten Teil einige Studien zu Adelsreisen integriert, weil auch sie unter Fragen von Raumkonzepten, von Zentrum und Peripherie interpretiert werden können. Zur Einführung 7 14 Alle Beiträge im Band von M ANIKOWSKA und Z AREMSKA (wie Anm. 8): Stefan K. K UCZYNSKI , Znaki pielgrzymie. Komunikat (Pilgerzeichen. Ein Arbeitsbericht) S. 321-327; Teresa D UNIN -W ASOWICZ , Sredniowieczne znaki pielgrzymie w Polsce. Komunikat (Mittelalterliche Pilgerzeichen in Polen) S. 328-331; Adam Z UREK , Materialne slady pielgrzymek Slazaków w sredniowieczu. Komunikat (Materielle Spuren der Wallfahrten von Schlesiern im MA) S. 332-338. Vgl. auch Zdzislaw S KROK , Znaki pielgrzymie (Pilgerzeichen), in: Spotkania z zabytkami 19, Nr. 12 (1995) S. 11- 14. 15 Ryszard K NAPIN ´ SKI , Ikonographie des Apostels Jakobus im Kontext der Darstellungen des Credo Apostolorum, in: Der Jakobuskult in „Kunst“ und „Literatur“, hg. von Klaus H ERBERS und Robert P LÖTZ (Jakobus-Studien 9, Tübingen 1998) S. 15-49. <?page no="18"?> Fernando López Alsina (S. 19-26) erörtert einige grundlegende Fragen zu den frühen Jakobusspuren im spanischen Raum und unterscheidet dabei strikt zwischen den Zeugnissen des Kultes, die unabhängig oder abhängig von den Pilgerfahrten entstanden sind. Für den galicischen Raum und dessen Strukturierung kann er insbesondere auf einige frühe Patrozinien verweisen, die mit der Pilgerfahrt keinesfalls in Zusammenhang stehen. Nachdem mehrfach im Laufe des 8. Jahrhunderts in asturischen Quellen die Tradition von einer Missionierung der Iberischen Halbinsel angedeutet wurde, soll es zu Beginn des 9. Jahrhunderts zur Entdeckung des Grabes in Compostela gekommen sein. Erst danach verbreiteten sich die jakobäischen Traditionen nach Europa, von wo die Pilger dann über die spanischen Pilgerwege kanalisiert nach Galicien kamen. Der galicische Raum wurde mithin doppelt durch den Kult geprägt: Einerseits durch die schon vor den Pilgerfahrten nachzuweisenden jakobäischen Spuren, dann in einem zweiten Schritt durch die über bestimmte Wege geführten Pilgerfahrten. Thomas Szabó (S. 27-39) fragt in seinem Beitrag zunächst nach den methodischen Möglichkeiten, um Wege und Routen der Pilger überhaupt nachzuweisen. Neben den Itinerarien, die für Rom und Compostela vom 10. bis 16. Jahrhundert vereinzelt überliefert sind, besteht grundsätzlich die weitere Möglichkeit, Wege mit Hilfe der Lokalforschung nachzuweisen. Beide Formen der Annäherung führen aber zu lückenhaften Erkenntnissen, wie Szabó in einem weiteren Schritt durch die Untersuchung der Itinerarien verdeutlicht. Bei deren Auswertung fällt auf, daß mehrfach Hinweise auf verlorene Quellen indirekt aus den Itinerarien erschlossen werden können - zum Beispiel dann, wenn bei Wegkreuzungen auf andere von Pilgern befolgte Wege hingewiesen wird. Im 13. Jahrhundert sieht Szabó einen qualitativen Sprung dieser Textsorte, denn ab dieser Zeit werden die Distanzen nicht mehr in Tagesetappen, sondern zunehmend mit präzisen Meilenangaben angegeben. Dies führt er vor allen Dingen auf den Einfluß kaufmännischen Denkens zurück. Aus dem Brügger Itinerar (15. Jahrhundert) und aus dem „Raißbüchlin“ von Jörg Gail (1563) leitet der Verfasser einige konkrete Wegvorschläge bezüglich Ostmitteleuropas ab, die grundsätzlich für Kaufleute, aber sicher auch für Pilger gegolten haben könnten. Insgesamt resümiert er, daß Itinerarien durchaus Hinweise auf verlorene Quellen zulassen und es statthaft sein kann, teilweise von Itinerarien aus dem 15. Jahrhundert auf Zustände des 12. Jahrhunderts zurückzuschließen. Renate Wißuwa (S. 41-55) schließt an diese Überlegungen mit einer konkreten, räumlich begrenzten Studie an. Ausgehend von ihrer Dissertation lotet sie die Möglichkeiten der Altstraßenforschung in methodi- 8 Klaus Herbers <?page no="19"?> scher Hinsicht aus und stellt die zur Verfügung stehenden Quellen am Beispiel Sachsens vor. Sie entwirft ein Bild von den dortigen Altstraßen bis zur Entwicklung des Geleitwesens im 15. Jahrhundert. Insgesamt bleibt sie vorsichtig in ihren Schlüssen und warnt davor, einen zu engen Zusammenhang zwischen Jakobuspatrozinien, Pilgerfahrten und Pilgerwegen zu sehen. Pilger nutzten grundsätzlich die vorhandenen Altstraßen. Obwohl die Jakobuspatrozinien mithin nur selten einen direkten Zusammenhang zu den Wegen aufwiesen, vermutet Renate Wißuwa durchaus im Gegensatz zu den Ergebnissen aus anderen Räumen (Südwestdeutschland) eine gewisse Förderung der Staufer bei der Verbreitung der Jakobuspatrozinien. Detlev Kraack (S. 57-74) hat weniger Straßen im Blick, sondern bietet grundsätzliche methodische Überlegungen zur Mobilität von West nach Ost und Ost nach West, mit denen er zur weiteren Untersuchung der adligen Mobilität im Spätmittelalter anregen will. Aufgrund der Belege in der aragonesischen Kanzlei wird deutlich, daß auch Pilger aus Ostmitteleuropa nach Santiago de Compostela unterwegs waren. Insgesamt betten sich diese Reisen aber in das allgemeine Phänomen der Adelsreisen im späten Mittelalter ein. Als Gegenstück zu den Reisen von Ost nach West ließen sich sogar die von Werner Paravicini untersuchten Preußenreisen von Westen nach Osten anführen, die allerdings seltener die adligen Fahrten mit dem Besuch von Pilgerzentren verbanden. Jedoch zeigen diese Untersuchungen, daß bisher vielfach vernachlässigte Quellen durchaus neue Erkenntnisse und Einsichten bieten, insbesondere dann, wenn man einen gewissen Teil der Pilgerfahrten in diesem Adelskontext verortert. Außerdem zeigen die Untersuchungen zur adligen Mobilität, wie relativ die Bezeichnungen von Peripherie und Zentrum sind; die Vorstellung eines Kulturgefälles von West nach Ost trifft vielfach überhaupt nicht zu. Der Verfasser schlägt vor, in Zukunft neben den für den Osten nur spärlich vorhandenen Berichten weiter nach Rechnungen, Geleitschreiben, Realien und Patrozinien zu suchen, die zu den Dossiers der Adelsreisen gehören, um auf dieser Basis auch eine breitere Grundlage zur Bewertung der Pilgerfahrten zu gewinnen. Trotz seines Titels hat Henryk Samsonowicz (S. 75-81) weniger die Jakobuswege, als den Jakobuskult in Polen im Auge. Er verweist auf die späte Kultverbreitung, die erst seit dem 13. Jahrhundert nachgewiesen werden kann, erwähnt dann die verschiedenen Ritterfahrten, wie sie beispielsweise auch in Geleitschreiben der aragonesischen Kanzlei belegt sind, und untersucht schließlich im wesentlichen Pilgerfahrten aus den Hansestädten im Ostseeraum. Hier stand die Pilgerbewegung im Zusammenhang mit Kaufleuten und Handel. Insgesamt scheint - sieht Zur Einführung 9 <?page no="20"?> man von den ritterlichen Adelsfahrten ab - in der Hanse eine größere Pilgerbewegung als im polnischen Kernraum nachweisbar, was auch für die Strukturierung des Kultraumes Konsequenzen gehabt haben dürfte. Der zweite Teil des Bandes beschäftigt sich im ersten Abschnitt mit den Spuren des Kultes in Polen (IIa): Es finden sich hier im wesentlichen die Beiträge, die während des Krakauer Kolloquiums präsentiert wurden. Sie reichen von den Spuren in Kunst, Patrozinien, Liturgie und Frühdrucken bis hin zu weiteren allgemeinen dokumentarischen Quellen. Eine gewisse Zwischenstellung und überleitende Funktion zwischen den Beiträgen des ersten und zweiten Teiles bietet Jacek Wiesiol / owski (S. 83-92), der adelige und diplomatische Reisen in den Vordergrund stellt. Zunächst klärt er die Grundbedingungen dieser Reisen: Entfernungen, Dauer, Kosten, und die sozialen Bezüge. Er untersucht dann exemplarisch einige Geleitbriefe der aragonesischen Kanzlei. Die dort am 15. April 1379 belegten vier polnischen Ritter stammten alle aus der angevinischen Partei, aus der Umgebung des polnischen und ungarischen König Ludwigs I. Genauere Studien zum prosopographischen Hintergrund führen jedoch zu interessanten Schlüssen, denn der Anführer dieser Gruppe gehörte nicht, wie die übrigen drei zum Kries vermögender Adeliger, sondern zum Kleinadel. Weitere Ehre erlangte dieser Anführer später (1385), als er zum Mitglied der Tafelrunde der Deutschordensritter auf der Marienburg wurde. Weitere Beispiele belegen, wie ertragreich es sein kann, die Einzelnotizen in ihr jeweils soziales Umfeld einzubetten. Aus übergreifender Perspektive scheint deutlich, daß bis zum Konzil von Konstanz (1414-1418) die Reisenden vielfach aus dem Umfeld Ludwigs I., der Fürsten von Masowien und Kaiser Sigismunds entstammten und ihre Fahrten daher auch politisch motiviert gewesen sein dürften. Dies unterstreicht, wie eng polnische und ungarische Adelsforschung gerade für diese Zeitspanne ineinandergreifen sollten. In einem Schlußteil untersucht der Verfasser die verschiedenen überlieferten Reiseberichte und die literarischen Spuren. Die weiteren Studien dieses Abschnittes betreffen eher mögliche Rückwirkungen und allgemeine Spuren des Kultes um Jakobus den Älteren. Ryszard Knapin´ ski (S. 93-111) behandelt in seinem Überblick zur Ikonographie des hl. Jakobus des Älteren vor allen Dingen drei Aspekte: Zunächst geht es ihm um den hl. Jakobus als Mitglied des Apostelkollegiums, wie er im Kontext des Credo Apostolorum (apostolisches Glaubensbekenntnis) dargestellt wird. Hier ist Jakobus in ganz besonderen ikonographischen Ausprägungen zu würdigen, so zum Beispiel in 10 Klaus Herbers <?page no="21"?> den vom Autor in einer eigenen Abhandlung untersuchten Türen von Pl / ock. Neue Aspekte bieten vor allem der zweite und dritte Teil dieses Beitrags, in denen es um die szenischen Darstellungen des hl. Jakobus nach den Evangelien und den Apokryphen sowie um die individuelle Wiedergabe des hl. Jakobus geht. Insbesondere die Darstellung des Maurentöters Jakobus wird in der polnischen Kunst häufig auf die seit dem 13. Jahrhundert stets präsente Tartarengefahr bezogen, so daß der Autor statt eines „Matamoros“ (Maurentöter) in vielen Darstellungen einen „Matatartaros“ erkennt. Vergleichbar ist diese Entwicklung durchaus mit den östlichen Teilen des Heiligen Römischen Reiches, denn hier erscheint Jakobus besonders in der frühen Neuzeit als Türkenbekämpfer. Insgesamt kommt der Autor zu dem Ergebnis, daß die meisten ikonographischen Zeugnisse einheimische Entwicklungen reflektieren. Beim jetzigen Stand der Forschungen fällt auf, daß besonders in Schlesien und Pommern, also dem Westen des heutigen Polens, und im Umfeld von Zisterziensern der hl. Jakobus besonders häufig dargestellt wurde. Aleksandra Witkowska (OSU) gehört zu den Forscherinnen, die Patrozinien als Träger vielfältiger Inhalte im Mittelalter würdigen. Sie kann in ihrem Beitrag (S. 113-136) auf ein umfangreiches Material zurückgreifen, das sie bereits im Zuge allgemeiner Patrozinienforschung erhoben hat. Jakobus nimmt in Polen insgesamt den zehnten Platz ein. Dabei scheint auch hier besonders der Westen (Gnesen) herauszuragen. Die Untersuchungen für die mittelalterliche Diözese Krakau basieren vor allen Dingen auf zwei Quellenwerken: dem „Liber beneficiorum dioecesis Cracoviensis“ aus dem 15. Jahrhundert und den Visitationsakten der Krakauer Diözese. Die einzelnen statistischen Ergebnisse werden übersichtlich in verschiedenen Tabellen präsentiert, und insgesamt folgert die Autorin, daß Jakobuskirchen auf den polnischen Gebieten schon in die Frühzeit des 11. und 12. Jahrhunderts gehören. Eine Vielzahl der ursprünglichen Jakobuspatrozinien in der ehemaligen Diözese Krakau wurde jedoch im Laufe der Zeit geändert, wobei die Ursache für diese „Patrozinienwechsel“ (die zuweilen auch auf nicht immer bekannten Doppel- oder Mehrfachpatrozinien beruhen können) nicht auszumachen ist. So kommt es dazu, daß heute nur noch 1,2 % aller Patrozinien in der Diözese Krakau Jakobus zuzuordnen sind. Henryk Wa˛sowicz (S. 137-150) untersucht den Jakobuskult im Lichte einiger liturgischer Quellen, wobei er seinen chronologischen Rahmen von der Frühzeit bis ins 16. Jahrhundert gespannt hat. Allerdings bezieht er die spezielle Jakobusliturgie, wie sie im Liber Sancti Jacobi des 12. Jahrhunderts niedergelegt ist, nicht in seine Überlegungen mit Zur Einführung 11 <?page no="22"?> ein. Für den polnischen Raum kann er feststellen, daß die liturgischen Quellen schon seit den 30er Jahren des 11. Jahrhunderts das Jakobusfest rezipieren. Im weiteren Verlauf seines Aufsatzes bietet der Autor verschiedene Meßformulare aus Missalen des 11. bis 15. Jahrhunderts mit abgedruckten Textbeispielen und fordert abschließend in künftigen Arbeiten eine genaue Erforschung der Jakobusliturgie. Edward Potkowski (S. 151-157) schlägt mit seiner Sichtung des Jakobuskultes in Drucken des 16. und 17. Jahrhunderts den Bogen zur Neuzeit und fragt, inwieweit die frühen Druckwerke zu einer besonderen Verbreitung des Kultes (beispielsweise in Hausbüchern und anderen Formen) beigetragen haben. Er regt an, die Handschriften, die für kleine familiäre Leserkreise bestimmt waren, noch eingehender zu sichten und weiterhin auch Epitaphien stärker in die Untersuchung der Jakobusforschung einzubeziehen. Hier kann er als Trouvaille den Epitaph des Simon Albimontanus-Bial / skórski (†1615) anführen. Hervorzuheben ist am Schluß dieses Abschnittes ein weiterer Ausblick in die Frühe Neuzeit mit dem Vortrag von Ilja Mieck (S. 159-174). Der Verfasser hat schon vor 20 Jahren einen bahnbrechenden Aufsatz zu den Osteuropäern in Santiago de Compostela verfaßt; er ergänzt nun diese Ergebnisse und Thesen in einem Beitrag über Polen und die Pilgerfahrt nach Compostela in der frühen Neuzeit. Dabei geht er von zwei Defiziten aus. Die Erforschung der polnischen Pilgerfahrten sei bisher innerhalb der Jakobusforschung vernachlässigt worden und zum zweiten seien die neuzeitlichen Facetten der Jakobuspilgerfahrten grundsätzlich in der Forschung unterrepräsentiert. Der Autor bietet im Folgenden ein Panorama, das die Außenstellung Polens berücksichtigt, weil aus Rußland wohl keine Pilger mehr nach Santiago aufgebrochen seien. Er präsentiert dann verschiedene Adelsbriefe, die vor allen Dingen in der aragonesischen Kanzlei überliefert wurden, und stellt methodische Überlegungen zu Raum und Entfernung an, weil Pilger in der Regel wohl keinen Zugang zu kartographischen Werken und auch nur im Ausnahmefall zu Pilgerführern hatten. Die überlieferten Reiseberichte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit stammen alle aus dem schlesischen Raum, also aus den westlichen Gebieten des heutigen Polen und gehören somit eher in das Grenzgebiet zwischen deutschem und polnischen Einfluß. Mieck bietet im Weiteren aus den Listen des Hospitals in Santiago aus der Zeit von 1650-1700 Notizen zu polnischen Pilgern und stellt für das 18. Jahrhundert fest, daß in den Jahren 1764-76 fast ausschließlich Geistliche unterwegs gewesen seien. Die Beiträge, die stärker den mittel- und ostdeutschen Raum betreffen (II b), sind in einem eigenen Abschnitt zusammengefaßt. 12 Klaus Herbers <?page no="23"?> Dabei darf der einleitende Beitrag dieses Abschnittes von Robert Plötz (S. 175-229) zur Patrozinienforschung (der in gekürzter Form in Krakau präsentiert wurde) als eine Studie gelten, die weniger Neues zum Untersuchungsgebiet beitragen will, sondern eher als allgemeine Fallstudie dient. Der Autor bietet ein Panorama zu den Patrozinien vor allen Dingen im fränkischen Raum, das er in Grundzügen schon vorgelegt, für diese Publikation jedoch um einige wichtige Aspekte und Belege erweitert hat, so daß ein weitaus umfassenderes Bild entsteht. Hartmut Bettin und Dietmar Volksdorf (S. 231-257) wenden sich einer Quellengruppe zu, die schon vereinzelt wichtige Ergebnisse zu den Pilgerfahrten zutage fördern konnte, die Testamente. Das Ziel der Autoren ist es, den Jakobuskult im pommerschen Raum und im hansischen Zusammenhang aufgrund des Stralsunder Materials zu untersuchen. Dies führt sie zu einem groß angelegten Panorama, das nicht nur die Santiagofahrten, sondern auch die Stellung dieser Reisen im Zusammenhang mit anderen Pilgerfahrten deutlich hervorhebt. Insbesondere sind hier Rom, Aachen, aber auch andere Pilgerzentren (vor allem natürlich Wilsnack) zu nennen. Aufgrund der benutzten Archivalien können nicht nur die vermutlich eingeschlagenen Pilgerrouten, sondern auch die Kosten einer Reise sowie eine zeitliche Entwicklung der Präferenzen für bestimmte Pilgerorte ermittelt werden. Insgesamt wird deutlich, wie die Verfasser abschließend hervorheben, daß die von den Testatoren selbst ausgeführten Wallfahrten im 15. Jahrhundert wohl abnahmen. Dieser Rückgang stehe in einem Zusammenhang mit der zunehmenden Beliebtheit von regionalen nahegelegenen Pilgerorten. Außerdem gebe es eine Tendenz im 15. Jahrhundert, die Zahl der in einem Testament verordneten Pilgerfahrten weiter zu erhöhen. Insgesamt bietet die Studie vielfältige Anregungen, das Stralsunder Material auch noch weiter auszuwerten im Hinblick auf die soziale Einordnung der Pilger und Bürger sowie auf die verschiedenen Motivationen und Funktionen der Pilgerfahrten, die schon in vielen Fällen wenigstens stichwortartig mit in die Argumentation einbezogen werden konnten. Der Beitrag von Gunhild Roth (S. 259-283) über das Heilige Grab in Görlitz evoziert Jerusalem und ist im Wesentlichen durch den Ort der Jakobustagung 1998 bei Görlitz veranlaßt. Immerhin weist die Thematik Bezüge zur Pilgerthematik auf, weil die Grabanlage in Görlitz ganz offensichtlich in engem Zusammenhang mit Jerusalemer Pilgerfahrten steht. Die Verfasserin kann überzeugend nachweisen, wie das Heilige Grab in Görlitz in den Kontext der Pilgerfahrten „im Geiste“ gehört, wie der Leidensweg Christi in der Stadt ganz entsprechend dem Jerusalemer Leidensweg abgemessen und symbolisch aufgeladen wurde. Of- Zur Einführung 13 <?page no="24"?> fensichtlich haben die Holzschnitte von Reuwich in Breitenbachs Pilgerbuch als Vorlage für die Anlage gedient. Insgesamt erscheint die bauliche Struktur des Görlitzer Heiligen Grabes nach heutigem Kenntnisstand exakter als viele andere Nachbildungen. Unklar ist die Person des möglichen Stifters. Der zweite Teil des Aufsatzes widmet sich deshalb Georg Emerich, der aufgrund eines im Jahre 1464 begangenen Vergehens 1465 nach Jerusalem reiste. Die Familie Emerich, die in Görlitz große Bedeutung erlangte, stellte mit Georg Emerich ab 1483 den Bürgermeister und Georg Emerich ist sicherlich auch allgemein als Stifter bekannt; aber unklar bleibt, ob er selbst der Bauherr des Heiligen Grabes in Görlitz war. Jedenfalls wurde die Anlage in der Zeit zwischen 1481 und 1508 errichtet. Damit entstand ein Zeugnis für das blühende Bürgertum in der Stadt Görlitz in der Zeit kurz vor der Reformation. Im Anhang bietet Gunhild Roth verschiedene Texte mit Übersetzung über den Besuch des Georg Emerich in Jerusalem und seinen Ritterschlag, das Epitaph vom Jahre 1578 und schließlich einige Distichen zum Lobe Georg Emerichs, aus denen sich jeweils mit gewisser Plausibilität ableiten ließe, daß die Stiftung auf seine Person zurückging. Im dritten Abschnitt (II c) bietet Lajos Kakucs (S. 285-352) einen großangelegten Überblick zum mittelalterlichen Jakobuskult in Ungarn. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, daß hier keinesfalls das moderne Ungarn, sondern das mittelalterliche in seiner größten Ausdehnung Thema ist. Entsprechend werden Siebenbürgen, teilweise die Walachei, Dalmatien, Slowenien und weitere Balkanstaaten sowie die heutige Slowakei einbezogen. Dies ergibt die Möglichkeit, den Blick von Polen nach Süden und Südosten zu richten und in diesen dem galicischen Heiligtum vergleichsweise fernen Gegend erste Ergebnisse der Spurensuche zu vergleichen. Daß bei diesem großen Programm zunächst vor allem die Befunde in eine Kirchengeschichte Ungarns eingebettet werden, entspricht dem programmatischen ersten Zugriff. Thesen und Erklärungen für die einzelnen Befunde müssen deshalb sicher noch im einzelnen diskutiert und gelegentlich vertieft werden. Dennoch seien zumindest einige Ergebnisse hier hervorgehoben. Die ersten Patrozinien in Ungarn könnten nach Ansicht des Verfassers mit der Öffnung des Pilgerweges nach Jerusalem ab 1017 zusammenhängen. Das erste Patrozinium von 1061 in Zselinceszentjakab in der Gegend von Somogy weist darüber hinaus Bezüge zu den Aribonen und zum baierischen Kloster Seeon auf, wo eine gewisse Affinität zum Namen Jakob festgestellt werden kann. Weitere Patrozinien sind zuweilen zisterziensischem Einfluß zu verdanken, zuweilen auch den Paulinern. In Südungarn, bis nach Dalmatien hin, tritt das Jakobuspatrozinium zurück, in Slowenien wird 14 Klaus Herbers <?page no="25"?> Jakobus ab dem 16. Jahrhundert zuweilen zum Patron des Kampfes gegen die Türken. In diesem heute nicht mehr zu Ungarn gehörenden Raum ist jedoch auch vielfach mit Einflüssen aus Italien, zuweilen sogar aus Aragón (Dubrovnik, Ende des 15. Jahrhunderts) zu rechnen. Ein weiterer großer Abschnitt, der Siebenbürgen gilt, kann in einem etwas größeren Maße auch Darstellungen auf Altären und figürliche Kunstwerke registrieren. Außerdem fällt hier besonders auf, daß das lothringisch-luxemburgische Herkunftsgebiet der Siebenbürger Sachsen wohl auch auf die Patrozinienwahl Einfluß nahm. Jakobus steht hier insgesamt auf dem sechsten Rang aller Patrozinien. Für Siebenbürgen, und dies gilt auch für Langenau in der Walachei, könnte an den Handelsstraßen aber außerdem das Wegpatronat des Nikolaus durch das des Jakobus ergänzt worden sein. Zu Langenau kann der Verfasser weiterhin auf Parallelen mit Lüttich verweisen. Darstellungen des bekannten Hühnerwunders sind selten vertreten, und die bildliche Umsetzung in Gelence (Gelentz), nahe Sekler Neumarkt, besteht aus Fresken, die in den Zusammenhang der wichtigen weiteren Heiligen Kolman, Ladislaus und Margarete gehören. Die in einem dritten Teil vorgestellten Spuren in der Slowakei heben neben vielen Einzelergebnissen die in dieser Reihe schon einmal vorgestellten herausragenden Zeugnisse in der Zips hervor 16 , stellt aber auch mit weiteren Belegen den Bogen von Südpolen bis in das heutige Ungarn her. IV. Bilanz und Perspektiven Blickt man auf die mit diesem Band vorgelegten Zwischenergebnisse, so ergeben sich zahlreiche neue Kenntnisse, Vertiefungen sowie (methodische) Perspektiven, die noch kurz thesenartig hervorgehoben seien. 1. Die Untersuchungen zur Liturgie oder zu den Patrozinien zeigen, daß der Kult bereits im 12./ 13. Jahrhundert in Polen oder Ungarn erste Spuren hinterlassen hat; es bleibt jedoch die Frage - kombiniert man die Befunde mit den Überlegungen von F. López Alsina oder mit Ergebnissen aus dem deutschen Raum -, inwieweit diese mit der Verbreitung des spanischen Grabeskultes überhaupt in Verbindung gebracht werden können. Zur Einführung 15 16 Vgl. Johanna VON H ERZOGENBERG , Die Jakobuskirche in Leutschau/ Levocˇ a, Zips/ Spisˇ (Slowakei), eine gotische Schatzkammer, in: Der Jakobuskult in „Kunst“ und „Literatur“, hg. von Klaus H ERBERS und Robert P LÖTZ (Jakobus-Studien 9, Tübingen 1998) S. 271-283. <?page no="26"?> 2. Welche Wege der Verbreitung könnten aber prägend gewesen sein? Hier dürften die Hinweise beispielsweise auf den lothringischen Raum, wie L. Kakucs für einige Belege im siebenbürgischen Raum verdeutlichen konnte, auch für andere Räume noch fruchtbringend weiterzuführen sein. Ob die Träger des Kultes, wie Zisterzienser in der Diözese Krakau, die Staufer in Sachsen, die Ritterorden in Südosteuropa wirklich so eindeutig bestimmbar sind, wird noch weiterer, auch vergleichender Untersuchungen bedürfen. Daß wie im südostdeutschen Raum die Türkengefahr Jakobus zu einem „Mataturcos“ machte, wird in Ungarn weiter bestätigt, während in Polen wohl eher die Tartarengefahr eine Rolle spielte. 3. Deutlich wird hieraus aber auch, daß die Untersuchung von Räumen nur bedingt trägt, denn die Beziehungsnetze von Adel, Klerus, Orden, Studenten und Handelsgesellschaften lagen teilweise quer zu geographisch bestimmten Einheiten. Diese methodische Prämisse, die gerade die neueren Forschungen zum Kulturtransfer unterstreichen, sollte künftige Forschungen stärker leiten. Die bisher in der polnischen Kultforschung nur wenig berücksichtigten Probleme des Wege- und Straßennetzes können auch für die Frage nach den von Pilgern eingeschlagenen Wegen weiter präzisiert werden, wenn Adelsreisen, Kaufmannsfahrten und weitere Formen der Mobilität nicht nur von den großen Routen, sondern auch vom lokalen Verkehr her in den Blick genommen werden. Handelsstraßen waren bis nach Südosteuropa möglicherweise prägend. 4. Ein weiteres Ergebnis, das zur Vertiefung herausfordert, betrifft die Verknüpfung der Reisen und Reiseberichte polnischer Adeliger mit den Perspektiven, den die funktionale Erforschung dieser Quellengruppen entwickelt hat. Hier geht es darum, die verschiedenen vielfältigen Dokumentationstypen für diese Mobilität miteinander zu verbinden sowie verschiedene Typologien dieser Reisen bis in die frühe Neuzeit weiterzuentwickeln 17 . Eine besondere Rolle könnte auch die Einbindung in die Studien zur Hanse und den Städten des Ostseeraumes bieten; außerdem dürfte es ertragreich sein, die jeweiligen Adeligen in ihrem sozialen Gefüge zu bestimmen, wie die Ergebnisse zu den Verbindungen des Adels in Polen und Ungarn deutlich machen konnten. Die prospographische Einordnung einiger Adelsreisen in den Umkreis Ludwigs I., Kaiser Sigismunds und des masowischen 16 Klaus Herbers 17 Vgl. außen den in den Beiträgen von K RAACK , W IESIOL / OWSKI , M IECK und S AM - SONOWICZ zitierten Perspektiven auch künftig den Sammelband: Werner P ARAVICI - NI (Hg.), Le Grand Tour (Beihefte der Francia, im Druck). <?page no="27"?> Hofes zeigt, wie wenig der mobile Adel des späten Mittelalters räumlich beschränkt untersucht werden kann. Es dürfte reizvoll sein, von dieser Einsicht her die Verbindung zu Patrozinien und anderen Kultspuren in Polen und Ungarn vergleichend herzustellen und damit die Ergebnisse von L. Kakucs um weitere Erklärungsansätze zu bereichern. Die Netzwerke scheinen jedenfalls wesentlich vielfältiger gewesen zu sein. 5. Insgesamt wird schließlich nach Epochengrenzen zu fragen sein. Ist die frühe Neuzeit in unserem Zusammenhang eher ein Ausblick? Oder muß diese Zeit stärkeres Gewicht erhalten? Welche Rolle spielten Glaubenskriege? Waren sie in Ostmitteleuropa weniger prägend als im Westen? Damit könnte sich ein Anknüpfungspunkt zur Frage der Wegbenutzung bieten, wenn man daran denkt, daß die antihussitische Einstellung in Wroclaw/ Breslau eine Blockierung der Handelswege nach sich zog, die über Böhmen nach Oberdeutschland führten. Epitaphien, künstlerische Darstellungen, Frühdrucke, Literatur und Lieder waren nicht auf das Mittelalter beschränkt, und spätere Quellen müssen ebenso wie die neuen Patrozinien in künftigen Untersuchungen mit einer größeren zeitlichen Offenheit einbezogen werden. Ergebnisse fördern neue Fragen zutage, zeigen neue Perspektiven an, belegen jedoch gerade auch im Falle des Jakobuskultes, wie Kultgeschichte vielfältige Verbindungen und Vernetzungen berücksichtigen kann und muß. Dies aber macht sie, wie hoffentlich auch der Sammelband dokumentiert, über rein historische und kirchenhistorische Interessen hinaus erst interessant. Zur Einführung 17 <?page no="29"?> Teil I: Wege und Räume Die Prägung des hispanisch-galicischen Raumes durch die Santiago-Pilgerfahrt F ERNANDO L ÓPEZ A LSINA Der Charakter dieser wissenschaftlichen Tagung, die sich der Analyse von „Jakobuskult und Jakobuswege in Ostmitteleuropa: Polen“ widmet, weist schon auf das Ziel meines Vortrags hinsichtlich der Bedeutung der Jakobus-Pilgerfahrt im hispanisch-galicischen Gebiet hin. Ein Gesamtbild aus diesem Bereich, bestehend aus schon untersuchten Aspekten, muß so detailliert wie möglich ausfallen. Von großer Bedeutung ist es ebenfalls, eine methodische Perspektive zu entwickeln. Ich will, von konkreten Beispielen ausgehend, einige Hauptpunkte betrachten, die vergleichsweise bei der Analyse von anderen Gebieten in Betracht gezogen werden können. Hierbei verfolge ich das Ziel, die Bedeutung der Jakobus-Pilgerfahrt in begrenzten geographischen Räumen zu untersuchen und die verfügbaren Daten richtig zu interpretieren. Davon ausgehend sind methodisch unterschiedlich bedingte Punkte genau voneinander zu trennen: 1. Die Notwendigkeit einer Auswertung der historischen Belege eines bestimmten Gebietes, die zu Verfügung stehen. Zu beachten sind hier sowohl der zeitliche Kontext - bzw. die folgenden historischen Entwicklungsphasen des Kultes und der Jakobus-Pilgerfahrt - als auch der geographische Kontext - je nach der Entfernung zwischen dem Zentrum des Grabkultes (Compostela) und dem zu studierenden Raum. 2. Die Feststellung verschiedener Äußerungen des Kultes um den Apostel Jakobus den Älteren (Santiago el Mayor), so zum Beispiel Kultorte, die Begehung seiner liturgischen Feste, verschiedene „Anrufungsformen“ etc. im zu behandelnden Gebiet. Diese sind nicht unbedingt auf die Pilgerfahrt oder auf Kontakte mit dem Zentrum des Grabkultes zurückzuführen. 3. Das Vorliegen von lokalen Institutionen, die mit den geistigen Orientierungen des Jakobuskultes und der Jakobus-Pilgerfahrt übereinstimmen sollten, um diese weiterhin erfolgreich fördern zu können. <?page no="30"?> 4. Die Einführung der Einwohner des behandelten Gebietes in die Pilgerfahrt zum Zentrum des Grabkultes und ihre Erhaltung. 5. Die Kanalisierung von Jakobus-Pilgerströmen mittels des erwähnten Raumes, der sich als Übergangsort aus dem oder zum Grabzentrum herausstellt. Die Unterschiedlichkeit und Intensität der Belege der Jakobus-Pilgerfahrt in einem konkreten Raum hängen in großem Maße von den aufgestellten Postulaten ab. Mein Ziel ist es, diese Punkte auf den nördlichen Bereich der Pyrenäenhalbinsel im Laufe des Mittelalters anzuwenden. Dieses Gebiet wurde am stärksten durch die Folgen der europäischen Pilgerfahrt nach Compostela geprägt. Daher bietet es uns die herausragende Gelegenheit, unterschiedliche Ebenen genauer voneinander abzugrenzen. Den ersten Punkt betreffend beweist das nördliche spanische Gebiet die Wichtigkeit der chronologischen Auswertung der historischen Belege, die zur Verfügung stehen. Zeitlich liegt die erste Überlieferung des Jakobuskultes aus dem nördlichen Gebiet der Pyrenäenhalbinsel vor der Gründung des Grabzentrums und vor dem Beginn der Wanderungen. Vor der Gründung der Jakobus-Kirche im 9. Jahrhundert in Galicien - und somit vor der Existenz des Grabzentrums - war die Figur des Apostels Jakobus des Älteren allmählich identifiziert und mit der Hispania und ihren westlichen Regionen verbunden worden. Mitte des 8. Jahrhunderts waren schon Beispiele des Kultes zu finden, von wichtigen Voraussetzungen abhängig, die dem Apostel Jakobus mit einem Sektor der hispanischen Kirche eng verknüpften. Ein neues politischchristliches Zentrum versuchte von Nordspanien aus, die Ausbreitung des Islams zurückzuhalten. In der Entstehungsphase des sogenannten asturischen Königreichs gerieten die traditionellen Organisationsprinzipien der hispanischen Kirche in eine Krise. Der Kult um Jakobus trat in diesem Zusammenhang auf. Die Krise bestand aus verschiedenen Elementen. Einerseits ist die Politik Karls des Großen im Bezug auf die Pyrenäenhalbinsel zu nennen, die wenigstens zwei Hauptzwecke verfolgte: die Befestigung der Grenzen mit dem Islam im Tal des Flusses Ebro durch den gescheiterten Feldzug im Jahr 778 n. Chr. und die Reform der nachwestgotischen hispanischen Kirche, in der Karl ihre eigene charakteristische Liturgie durch die römische Liturgie ersetzte. Andererseits war es das Auftreten des Adoptianismus im Schoß der hispanischen Kirche. Deren Primas, der unter der Herrschaft der Mauren lebende Erzbischof Elipandus von Toledo, förderte und praktizierte den Adoptianismus. Diese Krise in der 20 Fernando López Alsina <?page no="31"?> nachwestgotischen Hispania rief eine starke innere Spannung der Kirche hervor. Die Kleriker, die sich am kritischsten mit der Unterwerfung durch die muslimische Herrschaft auseinandersetzten, verließen das muslimische Spanien und wanderten in das asturische Gebiet aus. Bei der Analyse des Auftretens von lokalen Äußerungen eines bestimmten Kultes muß die Frage nach den Gründen für die Einführung eines Kultes in einem bestimmten Raum gestellt werden. Der neue politische Kontext Spaniens im 8. Jahrhundert ist für die Aufwertung der Figur des Apostels Jakobus des Älteren verantwortlich, der zwei Jahrhunderte vorher allmählich als Verbreiter des Evangeliums in der Hispania und in den abendländischen Regionen gehalten worden war. Das neue religiöse Empfinden kam vor allem in den Jahren zwischen 783 und 788 n. Chr. zum Ausdruck, als ein liturgischer Hymnus im nordasturischen Gebiet zu Ehren des Evangelienpredigers Jakobus komponiert wurde, der als Schutzpatron Spaniens und besonderer Beschützer der politischen Gemeinschaft - des Königs, des Klerus und des Volkes - galt. Zum ersten Mal wird der Führer einer Widerstandsbewegung als König bezeichnet. Dies beruhte auf einem politischen Programm, in dem die Begründung einer christlichen Monarchie sich als die ideale Art und Weise zeigte, die Traditionen der hispanischen Kirche zu bewahren. Von dem christlich gebliebenen asturisch-galicischen Königreich wurden die Quellen der Apostolizität als die einzige wirksame Lösung aufgenommen, um die inneren Schwierigkeiten überwinden zu können. Dies gereichte dem Rest der nachwestgotischen hispanischen Kirche zum Nachteil, die sich in einem kritischen Moment ihrer geistlichen Geschichte befand - zum Teil in die adoptianistische Krise gestürzt und unter der muslimischen oder karolingischen Herrschaft gespalten. Die asturische Kirche stellte einen Anspruch auf direkte apostolische Herkunft und eignete sich somit die Figur des Apostels Jakobus als himmlischen Schützer an. Diese tiefen Veränderungen in den letzten Jahren des 8. Jahrhunderts bestätigen die Notwendigkeit einer chronologischen Auswertung der Kultbelege im historischen Rahmen des Kultes. Ebenfalls gilt die Analyse des hispanischen Falles als Beispiel, um zu beweisen, wie in einem bestimmten geographischen Bereich verschiedene Äußerungen des Kultes um den Apostel Jakobus den Älteren zustandekommen können, die nicht von der Pilgerfahrt herrühren. Bekannt ist gleichfalls die Gründung von einigen Landkirchen im 8. Jahrhundert in Galicien, die dem Apostel Jakobus geweiht worden waren, bevor der Grabeskult begonnen hatte. Die sehr große Anzahl von Landkirchen, die im Laufe des Mittelalters in Galicien Jakobus dem Die Prägung des hispanisch-galicischen Raumes 21 <?page no="32"?> Älteren gewidmet worden waren, läßt sich nicht ausschließlich mit der Popularität der Pilgerfahrt nach Compostela erklären. Dies ist jedoch sehr eindeutig im Falle der Gründung des Grabzentrums sowie der ersten Kirche von Santiago de Compostela um das Jahr 830. Die Organisation des Grabkultes im Nordnordwesten der Pyrenäenhalbinsel war die Vorbedingung sowohl für das Entstehen der Pilgerfahrt als auch für die Gestaltung des Pilgerwegs. Der Schlüssel zu den Umständen, die die Entstehung des Grabkultes begüngstigten, ist in den wohlbekannten Schemata der hagiographischen Literatur zu finden. Der heilige Evangelienprediger und Märtyrer offenbart wundersam das Vorhandensein seines verborgenen Körpers, und damit wird er durch seine Reliquien physisch anwesend, um die von ihm erschaffene Gemeinschaft zu beschützen. Die Geschichte wies dem Bischof Teodomirus von Iria Flavia die Rolle des Entdeckers des Grabes zu. Ein Teil der asturischen Kirche nahm an, daß der Apostel Jakobus auf die im 8. Jahrhundert durchgeführte Anrufung geachtet habe. Nach dem Jahr 800 n. Chr. war der erste asturische König gesalbt worden, das Königreich hatte sich gefestigt, der Adoptianismus war überwunden, die hispanische Liturgie war bewahrt und das Imperium war in der Figur von Karl dem Großen wiederhergestellt worden. Viele Erscheinungsformen des Jakobuskultes, die nach der Gründung der Jakobuskirche und nach der Organisation des Grabeskultes im hispanischen Bereich an Konsistenz gewonnen hatten, waren von der Pilgerfahrt vollständig unabhängig. Einige waren schon sehr bekannt, wie der seit Anfang des 12. Jahrhunderts belegte Schlachtruf von Santiago bei den leonesischen Truppen vor dem Kampf, die Einführung einer jährlichen Zahlung für die Kirche von Santiago, die Verbreitung der Ikonographie des Ritters Santiago etc. In jedem einzelnen Fall muß festgestellt werden, ob das Vorhandensein einer bestimmten Äußerung des Jakobuskultes von der Pilgerfahrt abstammt. Aus einer methodischen Perspektive läßt sich die Pilgerfahrt keineswegs als Ursache von allen Äußerungen des Kultes ansehen. Im dritten Punkt wird die entscheidende Bedeutung von lokalen Institutionen berücksichtigt, die im regionalen Raum mit den geistigen Werten des Jakobuskultes und der Jakobus-Pilgerfahrt übereinstimmen. Diese sollten mit einer aktiven Haltung die Förderung jener Werte übernehmen. Das bestätigen in unserem Studienobjekt die Vermittlung von einem Sektor des asturischen Klerus vor der Gründung der Jakobuskirche und die später von den Klerikern dieser Kirche gespielte Rolle. Es sind gerade die Kleriker des asturischen Königreichs - und auch der Bischof Teodomirus selbst - diejenigen, die beim Identifizierungs- 22 Fernando López Alsina <?page no="33"?> prozeß des Apostelgrabes eine wesentliche Rolle spielten. Man weiß, daß sie auf die älteste Literatur zurückgingen, um die verschiedenen Daten über die Apostel und insbesondere den Apostel Jakobus vergleichend zu untersuchen. Einer der verwendeten Texte war das „Breviarium Apostolorum“, das um das Ende des 6. Jahrhunderts im Okzident ausgearbeitet worden war. Es legte den Ort des Jakobusgrabes auf einen unbekannten Ort namens Aca Marmarica fest. Der heilige Hieronymus schrieb in seinen Kommentaren zu Isaia, daß die Apostel dort lagen, wo sie gepredigt hatten. Für diese Kleriker war es absolut möglich, daß der Ort Aca Marmarica und das Grab des Apostels Jakobus sich in der Hispania und in den occidentalia loca befänden, wo Santiago die Frohe Botschaft verkündigt hatte und er als himmlischer Schutzpatron angerufen worden war. Ohne diese Belege, die die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung des Leichnams von Jakobus allgemein hervorheben, wäre sie wohl kaum so leicht akzeptiert worden. Nach einer späteren Chronik versammelte sich eine Gruppe von Weisen im 9. Jahrhundert, um dem Ort, an dem das Grab gefunden worden war, einen Namen zu geben. Diese Weisen, unter denen sich der Klerus des Bischofssitzes aus Iria befand, entschieden sich u. a. für den ausdrucksvollen Namen Arcis Marmoricis. Diese Wahl zeigt eine deutliche Absicht, eine Verbindung mit Aca Marmarica herzustellen. Die vom asturischen Reich und Klerus verfolgte Aneignung der Figur des Apostels Jakobus erreichte ihren Höhepunkt mit der Lokalisierung des Grabes, die die Pilgerfahrt ad locum sanctum ermöglichte. Diese „unterstützenden Förderer“ des Jakobuskultes im regionalen Bereich sind dafür verantwortlich, uns zu beweisen, daß das Objekt und die Umstände der Entdeckung mit der älteren Literatur übereinstimmen. Man legte einen besonderen Nachdruck auf die Entdeckung, die, in der westlichsten Diözese beim galicischem Finisterre gelegen, kaum 20 Kilometer von der Bischofskirche von Santa Eulalia de Iria weit entfernt ist. Unter den Marmorbögen eines überwölbten Häuschen - sub arcis marmoribus/ sub marmoreis arcubus, eine vorsätzliche Anspielung auf Aca Marmarica - wurde Teodomirus vom Vorhandensein des Grabes des Apostels Jakobus des Älteren berichtet. Die Auslegung von Teodomirus und vom Klerus aus Iria wurde sofort von König Alfons II. aus Oviedo akzeptiert, der supra corpus Apostoli die erste Kirche von Santiago gründete. Die Vermittlung des Königs erklärt sich aus der besonderen Bedeutung des Jakobuskultes seit Ende des 8. Jahrhunderts bei der Institutionalisierung des asturischen Reiches und seiner Kirche. Dieses eigentümliche Verhältnis zwi- Die Prägung des hispanisch-galicischen Raumes 23 <?page no="34"?> schen der Monarchie und dem Apostel Santiago nimmt die künftige Bedeutung von Jakob als Schutzpatron des Königreichs in der sogenannten „Reconquista“ (der Rückeroberung der von den Mauren besetzten Gebiete Spaniens durch die Christen) gegen den Islam vorweg. Man muß ebenfalls hervorheben, daß die Kleriker der neuen Kirche in gewissen Momenten diesselbe Rolle als Vertreter für die Kultverbreitung spielten. Es gibt ausreichende Beweise, die uns festzustellen erlauben, daß aus Compostela die Idee kam, dem Jakobuskult im Zentrum des Gebietes weiteste Verbreitung zu geben, und ihn somit im Schoß der Kirchen im restlichen Okzident auszubreiten. Nach diesem Vorschlag sollte das Patrozinium des Apostel-Märtyres - in Galicien durch das Vorhandensein seines Körpers und in Hispania durch seine Predigttätigkeit - mittels einer großen Pilgerfahrt auf andere europäische Völker verbreitet werden. Solche Ziele der Förderer des Kultes und der Pilgerfahrt lassen sich in einer bekannten Epistel erkennen, die in Compostela im 9. Jahrhundert ausgearbeitet wurde. Es wird hier erklärt, wie und wann die sterblichen Überreste Jakobs im Okzident angekommen waren. In diesem Brief, der fälschlich einem angeblichen Bischof Leo aus Jerusalem Ende des 5. Jahrhunderts zugeschrieben wurde, wird die Überführung des Körpers des Apostels von Jerusalem nach Santiago verkündigt. Gleichzeitig wird die abendländische Christenheit eingeladen, zum Jakobusgrab zu pilgern. Das bedeutet, daß von Galicien aus noch im 9. Jahrhundert eine große Pilgerfahrt zu dem neu entdeckten Grab von den Kleriken aus Santiago, die sich des Potentiales des Jakobuskult bewußt waren, gefördert wird. In der Geschichte der Jakobuskirche gibt es weitere bekannte Beispiele für das „Wie“ der Kultförderung. Wir wollen eines davon in Erinnerung bringen: gegen 1120 traten die Kanoniker aus Santiago in Süditalien fast 3000 km von Compostela entfernt auf, wo sie um Almosen bettelten, um den Aufbau der neuen romanischen Kathedrale zu finanzieren. Im hispanischen Bereich ist die von den Förderungsinstitutionen gespielte Rolle in der Geschichte von den Erscheinungsformen des Jakobuskultes und der Pilgerfahrt grundlegend. Um unterscheiden zu können, welche Äußerungen des Jakobuskultes in einem bestimmten Raum sich aus der Pilgerfahrt erklären lassen, ist es zuerst nötig, den Zeitpunkt zu berücksichtigen, in dem Pilgerfahrten zum Grabkulteszentrum von den Einwohnern des behandelten regionalen Raum als erstes registriert worden waren. Im hispanischen Fall ist diese Frage sekundär, da die Jakobus-Pilgerfahrt sich durch den massiven Anteil von Pilgern aus ande- 24 Fernando López Alsina <?page no="35"?> ren europäischen Gebieten charakterisiert. Wenn auch angenommen werden könnte, daß die Ausführung der Pilgerfahrt zum Jakobusgrab genau mit der Gründung der Kirche Santiagos begonnen hätte, kann es trotzdem nur als ein lokales Phänomen betrachtet werden, das Einwohner innerhalb der Königreichsgrenzen mobilisierte. Für sich allein genommen ist die lokale Pilgerfahrt im historischen Kontext der Jakobus- Pilgerfahrt weniger wichtig. Bei der Jakobus-Pilgerfahrt spielt die Teilnahme der Bewohner aus anderen europäischen Gebieten die Hauptrolle. Darum ist der fünfte dargestellte Punkt viel wichtiger: die Kanalisierung von Jakobus-Pilgerströmen mittels des hispanischen Raumes, der zum Übergangsort aus dem oder zum Grabzentrum wurde. In diesem Sinne kann man ganz gewiß das 9. Jahrhundert als ersten chronologischen Einschnitt ansehen. Die von den Kleriken aus Compostela ausgedachte Strategie hatte sehr bald Erfolg. Relativ schnell wurden jenseits der Pyrenäen die von Galicien aus verbreiteten Neuigkeiten über eine alte Überführung der sterblichen Überreste des Apostels an den westlichen Rand der bekannten Welt, eine kürzliche „Wiederherstellung“ des alten Grabes und die Einladung zum Pilgern weitergetragen. Diese wurden in Paris, Le Puy, Limoges, Tours oder am Bodensee mit großem Interesse aufgenommen. Der Durchzug der großen mittelalterlichen Pilgerfahrten nach Compostela wurde schließlich durch die zum Königreich León gehörenden Gebiete kanalisiert. Bevor der Zug der transpyrenäischen Pilger durch dieses Gebiet dokumentiert werden konnte, waren diese Nachrichten nördlich von den Pyrenäen schon verbreitet worden. Dies weist auf deren sehr baldige Aufnahme hin. Resumen: En este artículo se diferencia claramente entre las manifestaciones del culto de Santiago que originaron a causa del Camino de Santiago y aquellos que surgieron por otros motivos. El autor puede señalar algunos ejemplos gallegos especialmente tempranos que no tuvieron que ver con la peregrinación. Varias fuentes dan testimonio de un culto asturiano dedicado al Apóstol ya en el siglo VIII. El descubrimiento del sepulcro y el posterior auge de la peregrinación no hicieron sino aumentar una devoción preexistente. En este sentido, Galicia fue doblemente marcada por el culto jacobeo. Die Prägung des hispanisch-galicischen Raumes 25 <?page no="37"?> Das Straßennetz zwischen Mittel- und Osteuropa Der Weg nach Santiago T HOMAS S ZABÓ I. Die Methodik und ihre Probleme Es gibt im Grunde genommen zwei methodische Möglichkeiten, sich vom mittelalterlichen Straßennetz Europas und damit von den Wegen der polnischen Pilger nach Santiago ein Bild zu machen: Man kann die Aufzeichnungen von Pilgern und Kaufleuten heranziehen oder regionale Quellenbestände konsultieren. Beide Methoden haben Vor- und Nachteile, und beide sind letztlich ergänzungsbedürftig. Was die Aufzeichnungen von Pilgern und Kaufleuten betrifft, so haben wir es mit fragmentarischen Informationen zu tun, die uns für das hohe Mittelalter weitgehend im Stich lassen und die erst seit dem späten 15. Jahrhundert mit ernstzunehmenden Nachrichten aufwarten können. Dies gilt nicht nur für die Romwege, sondern auch für die Pilgerwege nach Santiago de Compostela. An ausgesprochenen Itinerarien, d. h. Wegbeschreibungen, die von bestimmten Reisen berichten und als Hilfsmittel für spätere Reisende aufgezeichnet worden sind, besitzen wir nur wenige. Den Weg nach Rom weisen im 10. und im 12. Jahrhundert je ein Itinerar (das von Sigeric von Canterbury 1 und das von Nikolas von Munkathvera 2 ), im 13. Jahrhundert sind es dann zwei Itinerari- 1 Der Text ist gedruckt in den Memorials of Saint Dunstan Archbishop of Canterbury, bearb. von William S TUBBS (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores, Rolls Series 63, London 1857) S. 391-395. Von den zahlreichen Publikationen über diesen Text seien hier nur genannt Francis P. M AGOUN , An English Pilgrim-Diary of the Year 990, Mediaeval Studies 2 (1940) S. 231-252 und Renato S TOPANI , Le vie di pellegrinaggio del Medioevo. Gli itinerari per Roma, Gerusalemme, Compostela (Florenz 1991). 2 Landafraedi, in: Alfraedi Íslenzk. Islandsk encyklopædisk litteratur, I cod. mbr. am. 194, 8vo, hg. von Kristian K AALUND (Samfund til udgivelse af gammel nordisk litteratur XXXVII, Kopenhagen 1908) S. 3-31. Vgl. dazu Francis P. M AGOUN , The Pilgrim-Diary of Nikulás of Munkathverá: The Road to Rome, Mediaeval Studies 6 (1944) S. 314-354, der auch eine englische Übersetzung des Textes bietet. <?page no="38"?> en (dasjenige von Mattheus von Paris 3 und dasjenige von Albert von Stade 4 ), aus dem 14. Jahrhundert sind drei Itinerarien erhalten (je eines von Gilles li Muisis 5 und Barthélemy Bonis di Montauban 6 sowie das sogenannte ‚Hauksbok‘ 7 ), und aus dem 15. Jahrhundert besitzen wir schließlich vier Itinerarien (dasjenige eines anonymen Franzosen 8 , dann das Straßburger Wallfahrtsbuch 9 , weiter das Itinerar des Arnold Harff 10 und schließlich das Itinerar von Brügge 11 ). Vergleichbar steht es auch um die Wege nach Santiago. Was sie betrifft, so haben wir eine frühe Nachricht aus dem 12. Jahrhundert im ‚Liber Sancti Jacobi‘, wo vier Anreisewege aus Frankreich genannt sind 12 . Das nächste Itinerar, das mir bekannt ist, stammt aus dem 14. Jahrhundert und beschreibt den Weg von Venedig nach Santiago 13 . Für das 15. Jahrhundert wären Hermann 28 Thomas Szabó 3 Susanne L EWIS , The Art of Matthew Paris in the Chronica Majora (Cambridge 1987). 4 Monumenta Germaniae Historica SS 16 (Hannover 1859) S. 335-340. Vgl. dazu Herbert K RÜGER , Das Stader Itinerar des Abtes Albert aus der Zeit um 1250, Teil 1, in: Stader Jahrbuch (1957) S. 71-124; Teil 2, ebd. (1958) S. 87-136; Teil 3, ebd. (1959) S. 39-76. 5 Albert D ’H AENENS , Gilles li Muisis, pèlerin de la première Année sainte (1300). Itinéraire et impression de voyage, Bulletin de l’Institut historique belge de Rome 30 (1957) S. 31-49. 6 Yves R ENOUARD , Routes, étappes et vitesses de marche de France à Rome au XII et au XIV siècle d’après les itinéraires d’Eudes Rigaud (1254) et de Barthélemy Bonis (1350), in: Studi in onore di Amintore Fanfani, 3 (Mailand 1962) S. 405-421. 7 Otto S PRINGER , Mediaeval Pilgrim Routes from Scandinavia to Rome, Mediaeval Studies 12 (1950) S. 92-122. 8 Vgl. Le voyage de la Saincte Cyté de Hierusalem avec la description des lieux, portz, villes, citez etc., bearb. von Charles S CHEFER (Paris 1882, Neudruck Amsterdam 1970) und dazu S TOPANI (wie Anm. 1) S. 159-164. 9 Franz Joseph M ONE , Zur Handelsgeschichte der Städte am Bodensee, Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 4 (1853) S. 17-20. 10 Eberhard VON G ROOTE , Die Pilgerfahrt des Ritters Arnold von Harff von Cöln durch Italien, Syrien, Aegypten, Arabien, Aethiopien, Nubien, Palästina, die Türkei, Frankreich und Spanien, wie er sie in den Jahren 1496 bis 1499 vollendet (Köln 1860). 11 Itinéraire de Bruges (XVe siècle), in: Le livre de la description des pays de Gilles le Bouvier, dit Berry, bearb. von Ernest-Théodore H AMY (Paris 1908) S. 161-237. Vgl. dazu Robert-Henri B AUTIER , Recherches sur les routes de l’Europe médiévale, Bulletin Philologique et Historique (1960) S. 118-121, 134-137, jetzt auch in DERS ., Sur l’histoire économique de la France médiévale. La route, le fleuve, la foire (Aldershot 1991) S. 99-143. 12 Jeanne V IELLIARD , Le Guide du Pèlerin de Saint-Jacques de Compostelle. Texte latin du XIIe siècle édité et traduit en français d’après les manuscrits de Compostelle et de Ripoll (Mâcon 1963). Vgl. dazu Klaus H ERBERS , Der Jakobuskult des 12. Jahrhunderts und der ‚Liber Sancti Jacobi‘. Studien über das Verhältnis zwischen Religion und Gesellschaft im hohen Mittelalter (Historische Studien 7, Wiesbaden 1984). 13 Vgl. S TOPANI (wie Anm. 1) S. 126-127. 14 Konrad H ÄBLER , Das Wallfahrtsbuch des Hermannus Künig von Vach und die Pilgerreisen der Deutschen nach Santiago de Compostela (Straßburg 1899). Vgl. dazu <?page no="39"?> Künig 14 , wiederum Arnold Harff, das schon erwähnte Itinerar von Brügge - auf das noch zurückzukommen ist - und schließlich zwei toskanische Itinerarien zu erwähnen 15 . Diese Wegbeschreibungen nach Rom bzw. Santiago - zu denen noch die eine oder andere hinzukommen mag - können natürlich noch um chronikalische Berichte von Reisen ergänzt werden, die das Bündel von Wegen, die auf Rom bzw. Santiago zustreben, um die eine oder andere Strecke bereichern würden, unser Bild aber weiterhin äußerst fragmentarisch erscheinen ließen. Denn wir besäßen damit, um uns die Sachlage am Beispiel Roms zu verdeutlichen, für das 10. Jahrhundert nur einen einzigen Straßenzug, der von England durch Frankreich nach Rom führte; für das 12. Jahrhundert wüßten wir von einem weiteren Straßenzug durch Deutschland; für das 13. Jahrhundert ließen sich drei Straßenzüge durch Frankreich und einer durch Deutschland und für das 14. und 15. Jahrhundert fünf Wege (drei durch Frankreich und zwei durch Deutschland) ausmachen, was - in Anbetracht der Weite des nordeuropäischen Raumes, der sich von Frankreich bis Polen erstreckt - doch nur eine sehr bescheidene, um nicht zu sagen ungenügende Information wäre, um von einem beliebigen Ort aus den Weg nach Rom einzuschlagen. Eine andere Möglichkeit, das Straßennetz Europas zu erschließen, wäre, sich auf die Urkunden und sonstigen Quellen der Zeit zu stützen. Die Urkunden der deutschen Herrscher erlaubten uns dann bis zum 13. Jahrhundert Aufenthaltsorte aneinanderzureihen, in deren Abfolge große Lücken klaffen, so daß wir aus ihnen meist keine Straßen rekonstruieren könnten. Die Privaturkunden würden uns bis zum 12. Jahrhundert höchstens hier und da einen Punkt auf einer via regia oder via publica nennen. Und was die Urkunden des Hanseraumes betrifft, deren Mitteilungen über den Handel der norddeutschen Städte im 13. Jahrhundert mächtig anschwellen, so würden sie uns allenfalls von einzelnen Straßenzügen in Kenntnis setzen. Erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts besserte sich dann die Quellenlage mit dem Aufkommen der ersten Geleitbücher. Aus ihnen ließen sich die wichtigsten Straßen eines Territoriums erschließen, allerdings nur für bestimmte Gebiete, da es sich um eine Quellengattung handelt, mit der nicht in allen Territorien zu rechnen ist. Das Straßennetz zwischen Mittel- und Osteuropa 29 Klaus H ERBERS , Der erste deutsche Pilgerführer; Hermann Künig von Vach (Jakobus-Studien 1, Tübingen 1988) S. 29-49, wo der von Hermann Künig zurückgelegte Weg kartiert ist. 15 Mario D AMONTE , Da Firenze a Santiago di Compostela: itinerario di un anonimo pellegrino nell’anno 1477, Studi medievali 3a, Serie 13 (1972) S. 1043-1071 und DERS ., Un altro „itinerario“ tardo-quattrocentesco da Firenze a Santiago di Compostela, Archivio Storico Italiano 137 (1979) S. 599-613. <?page no="40"?> Mit ihr hätten wir zwar ein ziemlich erschöpfendes Bild der wichtigsten Straßen eines engen Gebietes erfaßt, außerhalb seiner Grenzen würden wir aber weiterhin im Dunklen tappen. So haben wir also zwei methodische Wege, die - für sich genommen - beide nicht befriedigen, da sie uns nur Bruchstücke des europäischen Fernstraßensystems zu präsentieren vermögen. In dieser Lage könnte man natürlich versuchen, beide Methoden miteinander zu verbinden und die Ergebnisse des einen Verfahrens mit denen des anderen kombinieren. Das so gewonnene Bild böte uns aber letztlich nur die durch die Itinerarien bekannten Fernstraßen und würde nur in bestimmten Gegenden um das Straßennetz einzelner Territorien erweitert werden. Auch dieses erweiterte Bild würde uns letztlich vor das Problem stellen, daß wir es selbst für das 14. Jahrhundert nur mit drei Romwegen und einem Weg nach Santiago zu tun hätten, wo doch das europäische Straßennetz um diese Zeit ganz offensichtlich schon weitaus stärker entwickelt war, und wir müßten davon ausgehen, daß sich die Informationen der Itinerarien erst am Ende des 15. Jahrhunderts zu einem halbwegs brauchbaren Bild des Straßennetzes auffächerten. Angesichts dieses Befundes müssen wir uns fragen, ob der späte Ansatz unserer Informationen nicht lediglich auf die Genese und die Überlieferungslage unserer Quellen zurückzuführen ist, und ob wir bei einer besseren Überlieferung nicht schon für frühere Zeiten über ein vollständigeres Bild verfügen würden. Um diesen Fragen nachzugehen, seien im folgenden einige der bekannten Itinerarien einer genaueren Überprüfung unterzogen. II. Die überlieferten Itinerarien: Beispiele aus dem Zeitraum 990-1563 Das erste überlieferte mittelalterliche Itinerar stammt von Erzbischof Sigeric von Canterbury aus dem Jahre 990, der nicht seinen Hinweg von Canterbury nach Rom, sondern - umgekehrt - seinen Heimweg von Rom nach Hause beschreibt. Diese Eigentümlichkeit der Aufzeichnung, die offensichtlich unterwegs angelegt worden ist, spiegelt die Unsicherheit, mit der es dieser Reisende des 10. Jahrhunderts auf seinem Hinweg nach Rom zu tun hatte. Obwohl seit den Anfängen der Kirche von Canterbury, die unter Gregor dem Großen gegründet wurde, alle Vorgänger Sigerics zu Beginn ihres Pontifikats nach Rom gepilgert sind, um dort das Pallium zu empfangen, hat keiner von ihnen über eine schriftliche 30 Thomas Szabó <?page no="41"?> Hilfe verfügt, die ihm gezeigt hätte, auf welchem Weg man am besten ins ferne Rom gelangen konnte. Vielleicht waren auch alle dieser Oberhirten noch als junge Geistliche von einem ihrer Vorgänger auf den besagten Weg mitgenommen worden und fühlten sich, mit diesem Wissen ausgestattet, für ihre erste Reise nach Rom genügend gerüstet, oder sie hatten als Begleiter die Etappen sogar memoriert und verfügten damit über eine gewisse Kenntnis des Weges. Die Frage, wie es gewesen ist, läßt sich nicht beantworten. So viel ist auf jeden Fall sicher, daß sich Sigeric bei seiner Reise im Jahre 990 ein für alle Male Gewißheit verschaffen wollte und sich darum, nachdem er den Hinweg schon gefunden hatte, den Rückweg von Rom nach Canterbury aufzeichnen ließ, damit später jeder, der beabsichtigte, nach Rom zu ziehen, etwas Schriftliches zur Orientierung in der Hand hatte. Den Anstoß zur Aufzeichnung hatte, so kann man festhalten, ein konkretes Anliegen gegeben: der sich regelmäßig wiederholende Gang der hohen Geistlichkeit von Canterbury nach Rom, um bei jedem Pontifikatswechsel das Zeichen der engen Verbundenheit mit der Cathedra Petri neu einzuholen. Das zweite Romitinerar, das wir besitzen, datiert von der Mitte des 12. Jahrhunderts und ist vom isländischen Abt Nikolas von Munkathvera, ebenfalls auf Grund eigener Reiseerfahrungen, verfaßt worden. Den Anlaß der Aufzeichnung dürften weniger praktische Bedürfnisse als das allgemeine geographische Interesse des Autors gebildet haben, denn das Itinerar, das den Weg nicht nur nach Rom, sondern letztlich sogar bis nach Jerusalem weist, ist in eine Erdbeschreibung eingebettet. Beachtung verdient dieser Wegweiser vor allem wegen der Auffächerung seiner Informationen. Durch Deutschland nennt uns der Autor zwei Reisewege, die er selber beschritten und einen dritten, dessen Stationen er von Mitreisenden erfahren haben wird. In Vevey, am Genfer See, angekommen, bemerkt Nikolas, daß sich dort die Wege von Nordfranzosen, Engländern, Flamen, Sachsen, Skandinaviern und Südfranzosen vereinten, die dann alle zusammen der gleichen Route über die Alpen nach Rom folgten. Und zu Luni, das nördlich von Pisa am Ligurischen Meer liegt, notiert Nikolas, daß dort der von Santiago kommende Weg in den Romweg einmünde. Diese beiden Informationen sind insofern von Bedeutung, als unser Autor im Falle von Vevey auf Straßen hinweist, die erst 100 Jahre später durch andere Itinerarien beschrieben werden, und er im Falle von Luni auf einen Santiago-Weg hindeutet, den uns die Itinerarien erst 300 Jahre später nennen. An diesem Punkt stellt sich für uns erstmals die Frage, inwieweit man spätere Itinerarien für die Erläuterung früherer Verhältnisse heranziehen darf. Auf diese Frage wird noch zurückzukommen sein. Das Straßennetz zwischen Mittel- und Osteuropa 31 <?page no="42"?> Darüber hinaus ist das isländische Itinerar auch bemerkenswert, weil darin ein Phänomen zu beobachten ist, das in späteren Berichten dieser Quellengattung nicht so deutlich zu fassen ist: Abt Nikolaus weist im Laufe seiner Reise ausdrücklich auf zwölf Kathedralkirchen und sechs Märtyrergräber hin, woraus sich das religiöse Programm erhellt, das Pilger unterwegs zu ihrem Fernziel, das etwa in Rom, Jerusalem oder Santiago lag, absolvierten. Schließlich ist auch noch auf ein weiteres Charakteristikum dieses Itinerars hinzuweisen: Es enthält eine Reihe von Bemerkungen des Autors, die weder der Findung des Weges noch der Absolvierung eines frommen Reiseprogramms dienen, sondern die Neugier des Reisenden wecken sollen. Diese Hinweise auf Beachtenswertes entlang der Reiseroute machen aus dem Itinerar des Abtes eine Art frühen Reiseführer und legen nahe, daß hier der Übergang vom memorierten Etappenverzeichnis zur schriftlichen Wegbeschreibung vollzogen ist. So bemerkt Abt Nikolaus beim Betreten Sachsens, daß die Nordländer von den Bewohnern dieser Gegend die höfischen Sitten lernten 16 , daß die Pilger in Deventer und Utrecht ihre Pilger-Insignien empfingen 17 - d. h. daß die beiden Städte Sammelpunkte für Pilger waren -, daß in Minden der Dialekt wechsele, oder daß auf der Paßhöhe des Großen Sankt Bernhard noch am 29. Juli Schnee und Eis lägen 18 . Zu diesen Bemerkungen gehören aber auch seine Hinweise auf Flußübergänge, auf lokale Sagen oder, im Falle von Siena, auf die Schönheit der dort lebenden Frauen 19 . Folgt man dem Autor auf Schritt und Tritt mit Aufmerksamkeit, so zeichnet sich in seiner Schrift der mündliche Informationsaustausch entlang der großen Reisewege ab, aus dessen Vorrat dieser Nordländer schöpfte und deren Details er in seine Aufzeichnungen einfließen ließ. Mehrere der soeben gemachten Beobachtungen scheinen, wie das im folgenden beschriebene Rom-Itinerar des Abtes Albert von Stade zeigt, für Pilgeritinerarien typisch zu sein. Albert von Stade, der von seinem südlich von Hamburg gelegenen Kloster nach Rom aufbrach, beschrieb auf seinem Hinweg einen weiten Bogen nach Westen und reiste über Frankreich, während er den Heimweg über den Brenner zurücklegte und damit die kürzeste Verbindung nach Stade wählte. Der Umweg des Abtes über Frankreich diente offensichtlich dem Zweck, einem klassischen französischen Pilgerweg zu folgen und die an ihm gelegenen Kirchen zu besuchen. Denn anders läßt sich der große 32 Thomas Szabó 16 Landafraedi (wie Anm. 2) S. 13. 17 Ebd., S. 14. 18 Ebd., S. 15. 19 Ebd., S. 17. <?page no="43"?> Umweg nach Rom nicht erklären, den auch der Autor selbst für wesentlichen länger erklärt als die Brennerstrecke. Es waren rund 500 Kilometer, um die sich die Pilgerfahrt von Stade nach Rom damit verlängerte. Augenfällig ist darüber hinaus das, was ich die „Kultur der Straße“ bzw. „des Reisens“ nennen möchte, die sich in diesem Itinerar niederschlägt: Albert von Stade benutzte zwei Wege, einen für die Hinreise und einen für die Rückreise, nennt uns aber insgesamt etwa fünf mögliche Wege und zwar so detailliert, daß man auch ihnen folgen könnte, um zum gewünschten Ziel zu gelangen. Die Informationen über die drei weiteren Reisewege nach Rom wird er entweder in seinem Kloster Stade selbst besorgt - das eine klassische Etappe der Nordländer auf dem Wege nach Rom darstellte -, oder, was ebenso wahrscheinlich ist, unterwegs von anderen Pilger eingeholt haben. Im einen wie im anderen Falle wären seine Quellen letztlich andere Pilger gewesen, die das unterwegs Gehörte oder Gesehene weitergaben und die die Kenntnisse ihres Gesprächspartners um wissenswerte Details bereicherten. Eine derartige „Kultur der Straße“ läßt sich allerdings auch in einer anderen Eigentümlichkeit dieser Notizen fassen und sogar mit noch größerer Deutlichkeit: in den Entfernungsangaben, mit denen Abt Albert seine Etappenbeschreibung von Ort zu Ort begleitet. Seine Angaben sind dabei unterschiedlich präzise, wie sich auf einzelnen Abschnitten des Weges beobachten läßt 20 . Die 130 Kilometer lange Strecke zwischen Reims und Troyes beispielsweise gibt er auf den Kilometer genau an; die 500 Kilometer lange Rheintal-Strecke von Basel nach Köln hingegen unterschätzt er um 2,4% (das sind 12 km); die 123 Kilometer lange Brennerstrecke von Bozen nach Innsbruck überschätzt er um 3,6%, und die 52 Kilometer lange Strecke von Susa bis Turin unterschätzt er um knapp 30%. Im Hinblick auf die gesamte Strecke von Stade nach Rom, auf der sich die zu hohen und zu niedrigen Entfernungsangaben bis zu einem gewissen Grade ausgleichen, bleibt unser Autor nur etwa 10% hinter der wirklichen Entfernung zurück. Nach seinen Angaben beträgt diese Entfernung 2.060 Kilometer, wobei sie sich in Wirklichkeit auf 2.300 Kilometer beläuft. Überprüft man nun die Genauigkeit seiner Angaben Abschnitt für Abschnitt, so fällt auf, daß die Entfernungsangaben entlang der klassischen europäischen Fernhandelswege - wie im Bereich der Champagne- Messen zwischen Reims und Troyes, in Oberitalien, über den Brenner oder entlang der Rheintalstrecke in Deutschland - verhältnismäßig ge- Das Straßennetz zwischen Mittel- und Osteuropa 33 20 Zum Nachfolgenden vgl. K RÜGER (wie Anm. 4) Teil 1, S. 107 und Teil 3, S. 64-67, dessen Berechnungen an einigen Stellen modifiziert wurden. <?page no="44"?> nau sind, während die Ungenauigkeit in weniger frequentierteren Gegenden oder auf den offenbar schwierigeren Alpenpassagen zunimmt. Die Messungen, die in Alberts Itinerar wiedergegeben werden, stammen natürlich nicht von ihm selbst. Sie fußen direkt oder indirekt - davon ist auszugehen - auf den Messungen und Erfahrungen der ständigen Benutzer dieser Strecken, und das werden entweder Kaufleute oder die Bewohner der betreffenden Gegend gewesen sein. Wie diese Kenntnisse in Albert von Stades Text gelangt sind - ob über die Befragung seiner Mitreisenden, die ihn von Gegend zu Gegend begleiteten, oder der Wirte, bei denen er übernachtete, oder ob diese Ziffern aus anderen Itinerarien stammen, deren Autoren diese Befragung für ihn schon erledigt hatten -, ist in unserem Zusammenhang nicht weiter von Interesse. Worauf es uns aber ankommt, und das betrifft die Itinerarliteratur als Ganzes, ist, daß wir es hier mit einem qualitativen Sprung zu tun haben: Während die früheren Itinerarien die Reise in Tagesetappen unterteilten (wie Sigeric von Canterbury im 10. Jahrhundert, Nikolas von Munkathvera im 12. Jahrhundert oder auch der Zeitgenosse Alberts, der englische Mönch Mattheus von Paris im 13. Jahrhundert), ist Abt Albert der erste, der nicht nur die Etappen der Reise, sondern auch die zwischen ihnen liegenden Entfernungen nennt. Bedenkt man, daß Albert von Stade insgesamt gut 220 Etappen und die dazugehörigen Distanzen erwähnt (darunter 111 Etappen für den Hinweg über Frankreich und 72 Etappen für den Rückweg über den Brenner), so wird auch deutlich, daß mit diesem Itinerar der Rahmen der memorierten Itinerarien - deren Spuren bei Sigeric 21 oder im ‚Liber Sancti Jacobi‘ zu finden sind 22 - eindeutig überschritten ist. Dieser qualitative Sprung war sicherlich nicht ein Verdienst der Pilger, sondern eher eines, das der kommerziellen Welt der Kaufleute zuzuordnen ist, deren Straßen die Pilger im wesentlichen gefolgt sind und deren Informationen sie übernommen haben. Wir werden hier zu Zeugen einer „Verzifferung“, die - wie man anhand der italienischen Quellen beobachten kann - von der urban-merkantilen Kultur ihren Ausgang genommen und, auf Grund ihres praktischen Wertes im Alltag, auch in die spirituelle Welt der Pilgerschaft Eingang gefunden hat. Um diesen Überblick über die technischen Eigentümlichkeiten der Itinerarien zu vervollständigen, sei hier noch auf drei schon erwähnte Wegbeschreibungen eingegangen, die alle aus dem 14. Jahrhundert stam- 34 Thomas Szabó 21 Vgl. das Photo des Textes bei Renato S TOPANI , Quando e perchè l’arcivescovo di Canterbury Sigeric si recò a Roma, De strata francigena 3 (1995) S. 11: I urbs Roma, II Johannsi VIIII, III Bacane, IIII Suteria, V Furcari etc. 22 V IELLIARD (wie Anm. 12), c. 2: A portibus Asperi usque ad Pontem Regine tres pauce habentur diete. Prima est [...] secunda est [...] tercia est etc. <?page no="45"?> men. Es handelt sich um das Itinerar des Gilles li Muisis, des Abtes vom belgischen Kloster S. Martin in Tournai, das auf eine Pilgerfahrt des Jahres 1300 zurückgeht, dann um ein isländisches Itinerar vom Anfang des 14. Jahrhunderts, das sich im sogenannten ‚Hauksbok‘ findet, und schließlich um dasjenige des Südfranzosen Barthélemy Bonis von Montauban, der im Jahre 1350 von seiner Heimatstadt nach Rom wallfahrte. Das Auffallende an diesen drei Itinerarien ist, daß in ihnen allen der Ausgangspunkt bzw. der Endpunkt der Reise - je nachdem, in welcher Richtung die Etappen notiert werden - nicht in der Heimat, sondern mehrere hundert Kilometer von dort entfernt liegt. Gilles li Muisis läßt die Beschreibung seines Rückweges von Rom 300 Kilometer von der Heimat entfernt, in Troyes, enden; das ‚Hauksbok‘ beginnt die Reise nach Süden in Lübeck, das mehrere Tagesreisen von Island entfernt liegt; und Barthélemy Bonis’ Etappenverzeichnis hat in Avignon, 400 Kilometer von Montauban entfernt, seinen Ausgangspunkt. Auch Hermann Künig, der im Servitenkloster in Vacha bei Fulda beheimatet ist 23 , läßt seinen Führer nicht zu Hause, sondern in Einsiedeln, d. h. ca. 500 Kilometer von seiner Heimat entfernt beginnen und in Aachen, 350 Kilometer von seinem Kloster entfernt, enden 24 . Alle vier Itinerarien setzen also mit ihren Beschreibungen in bekannten Zentren der damaligen Welt ein. Einsiedeln und Aachen waren als Pilgerzentren, Avignon als Sitz des Papsttums und Troyes als Messeplatz bekannt. Diese Orte hatten, so können wir schließen, auch die Funktion von Sammelplätzen, an denen sich die Pilger zusammenfanden, um zu bestimmten Zielen aufzubrechen. Die erste, von den Itinerarien nicht aufgezeichnete Strecke, der Weg zu den jeweiligen Sammelplätzen, stellte für die Zeitgenossen offensichtlich kein Problem dar und fand daher auch keine besondere Beachtung. Weiterhin fällt bei diesen und auch bei den zuvor genannten Itinerarien der partielle Charakter der Informationen auf. Sie verdanken ihre Entstehung konkreten Umständen, aus deren Perspektive sie aufgezeichnet wurden, was unsere Kenntnis der Wege von Canterbury bzw. Stade nach Rom oder von Aachen und Einsiedeln nach Santiago auf bestimmte Strecken beschränkt, während es in Wirklichkeit eine größere Zahl von möglichen Reisewegen gegeben hat. Diese subjektive Perspektive hat sich erst zu weiten begonnen, als man in den großen Handelszentren der mittelalterlichen Welt damit anfing, die Reisewege, in deren Netzwerk die Kaufleute operierten, aufzuzeich- Das Straßennetz zwischen Mittel- und Osteuropa 35 23 Vgl. H ERBERS (wie Anm. 14) S. 32f. 24 Ebd., S. 29-49, besonders S. 37f. <?page no="46"?> nen. Hier ist vor allem auf drei Itinerarien hinzuweisen: auf das sogenannte Itinerar von Brügge aus dem 15. Jahrhundert, auf die Straßenkarte des Römischen Reiches aus der Feder des Nürnberger Kartenzeichners Erhard Etzlaub von 1501 und auf das ‚Raißbüchlin‘ des Augsburgers Jörg Gail von 1563. Das von einem anonymen Autor zusammengestellte Itinerar von Brügge ist das erste Werk dieser Art, das den Rahmen der herkömmlichen Itinerarien, die nach Rom oder Santiago führten, sprengt und einen allgemeinen Blick auf das Straßennetz Europas erlaubt: Die Schrift verzeichnet nicht nur drei, vier oder fünf Strecken, sondern insgesamt 95, die sich über ganz Europa erstrecken und bis nach Nordafrika, Ägypten, in das Heilige Land und die Türkei reichen. Das Kernstück des Itinerars bildet eine von Brügge nach Lübeck und Königsberg führende Ost-West-Achse mit ihren Verzweigungen bis nach Norwegen, dem Baltikum (Wilna, Riga) und Rußland (Moskau). Dieser erste Teil des Itinerars, der Via prima überschrieben ist, enthält neunzehn Einzelitinerarien 25 . Unter einer zweiten Überschrift, die Vie diverse regni Francie lautet, folgen 62 Einzelitinerarien, von denen sich aber nur die ersten 30 auf Frankreich beziehen 26 . Dann gerät das Konzept des Autors anscheinend durcheinander, denn er läßt sechs Strecken nach Spanien, vier nach Nordafrika, zwölf nach Deutschland und Italien, vier in das Heilige Land und fünf in die Türkei und nach Ägypten folgen. Unter einer dritten Überschrift, die Via secunda lautet, finden sich zunächst vier Wege nach Santiago, dann zwei nach Venedig und schließlich einer nach Ägypten 27 . Der Aufbau des Itinerars von Brügge läßt, wie diese Aufzählung deutlich macht, zwei Dinge erkennen. Zum einen zeigt sich, daß die Interessen des Handelszentrums Brügge sowohl nach Osten, in den Hanseraum, als auch nach Süden, in den Mittelmeerraum, reichten. Zum anderen wirft die Struktur der Schrift ein Licht auf die Kompilationstechnik des flandrischen Autors. Er hat, offensichtlich in Brügge schreibend, alle ihm verfügbaren Itinerarien gesammelt, ganz gleich ob von Kaufleuten oder Pilgern, und zu einer einheitlichen Schrift zusammengestellt. So erklärt es sich, daß er die sechs Strecken nach Spanien, die er unter die Überschrift Vie diverse regni Francie stellte, im einzelnen einfach nur als Wege nach Valencia oder Sevilla bezeichnet, während er die vier weiteren spanischen Wege, die - in großem Abstand danach - unter der Über- 36 Thomas Szabó 25 Vgl. Le livre de la description des pays (wie Anm. 11) S. 161ff. 26 Ebd., S. 171ff. 27 Ebd., S. 204ff. <?page no="47"?> schrift Via secunda folgen, ausdrücklich als Wege usque Sanctum Jacobum nennt. Die starke Abhängigkeit dieses Autors von seinen Vorlagen zeigt sich auch daran, daß die Schreibweise der Namen des spanischen wie deutschen Raumes der in der betreffenden Gegend üblichen Graphie folgt. Was die Streckenführung der genannten Jakobswege betrifft, so nennt das Brügger Itinerar teils schon aus dem ‚Liber Sancti Jacobi‘ bekannte Straßen, teils Strecken, die mit der von Hermann Künig von Vach genannten niederen bzw. oberen Straße durch Frankreich übereinstimmen. Als vorletztes Itinerarbeispiel soll die 1501 in Nürnberg gedruckte Karte von Erhard Etzlaub herangezogen werden, die, wie ihr Titel - Das sein dy lantstrassen durch das Romische reych - besagt, die Straßen des Reiches, aber auch der angrenzenden Gebiete in Kartenform darstellt 28 . Das Zentrum dieser ersten Straßenkarte Europas - die insgesamt 830 Orte nennt, von denen 404 als Straßenstationen figurieren 29 , deren Entfernungen voneinander an der Karte ablesbar sind - bildet naturgemäß Nürnberg, von dem neun Straßen strahlenförmig ins Umland ausgehen. Neben Nürnberg lassen sich beispielsweise auch Paris, Brüssel, Erfurt, Wien und Krakau als Ausgangspunkt bzw. als Endpunkt von mehreren Straßen ausmachen, womit kommerzielle Zentren erkennbar werden, in denen man Itinerarien gesammelt hat - Itinerarien, die in diese Straßenkarte eingegangen sind. Außer einer solchen strukturellen Beobachtung ist in unserem Zusammenhang von unmittelbarem Interesse, daß die Karte auch den Weg nach Santiago weist, zwar nicht genau bis zum Wallfahrtsort selbst, aber immerhin bis nach Toulouse, das auf einem der Jakobswege liegt, der schon durch den ‚Liber sancti Jacobi‘ und den Pilgerführer des Hermann Künig bezeugt ist. Folgt man den Angaben dieser Karte, so ergäben sich, von Polen aus, vor allem zwei mögliche Routen, deren eine von Thorn über Posen und Leipzig nach Nürnberg und deren andere von Krakau über Breslau und Dresden gleichfalls nach Nürnberg führte, von wo der weitere Weg über Ulm, Bern, Lausanne und Genf schließlich Toulouse erreichte 30 . Das Straßennetz zwischen Mittel- und Osteuropa 37 28 Herbert K RÜGER , Des Nürnberger Meisters Erhard Etzlaub älteste Straßenkarten von Deutschland, Jahrbuch für fränkische Landesforschung 18 (1958) S. 1-286, Tafel V. 29 Ebd., S. 380f. 30 Zu der Strecke vgl. auch Klaus H ERBERS (wie Anm. 14). 31 Herbert K RÜGER , Das älteste deutsche Routenhandbuch. Jörg Gails ‚Raißbüchlin‘. Mit 6 Routenkarten und 272 Originalseiten im Faksimile (Graz 1974). <?page no="48"?> Als letztes Itinerar-Beispiel soll hier noch auf das ‚Raißbüchlin‘ des Jörg Gail eingegangen werden. Dieses im Jahre 1563 in Augsburg gedruckte, älteste deutsche Routenhandbuch, das mit seinen Maßen von 6 x 9 Zentimetern in Taschenformat erschienen ist, verzeichnet auf 272 Seiten 161 europäische Reisewege mit rund 2.400 Etappen, vermerkt von Etappe zu Etappe die jeweilige Entfernung und weist am Schluß des Bändchens sogar ein Ortsregister auf, das die Routen erschließt. Betrachtet man die Karte, die der Herausgeber seiner Edition beigefügt hat, um die dort beschriebenen Reisewege zu veranschaulichen 31 , so werden auch hier die Vorlagen der Sammlung wieder deutlich. Der Augsburger Autor dürfte direkt oder indirekt Itinerarsammlungen benutzt haben, die in Augsburg, Nürnberg, Wien, Leipzig oder Breslau entstanden sind. Das sind nämlich die Orte, von denen eine größere Zahl der im ‚Raißbüchlin‘ verzeichneten Straßen ausgeht oder auf die sie zustrebt: Von Augsburg gehen zehn, von Nürnberg dreizehn, von Wien elf, von Leipzig sieben und von Breslau fünf Straßen aus, um nur diese Beispiele zu nennen. Nach den Angaben Jörg Gails kämen demnach von Polen nach Santiago am ehesten drei Wege in Frage: Der eine führte von Thorn über Posen und Görlitz nach Prag, der andere von Thorn über Breslau nach Prag und der dritte schließlich von Krakau gleichfalls über Breslau nach Prag, von wo aus diese Strecke über Augsburg und den Oberrhein nach Lausanne, Lyon und nach Bayonne weiterliefe. III. Ausblick für die weitere Forschung Man könnte die Reihe der Itinerarien verlängern und auf diesem Wege verdeutlichen, daß es auch noch weitere Zentren gab, in denen man Wegbeschreibungen sammelte - wie zum Beispiel in Straßburg 32 . Man müßte sich aber gleichwohl vor Augen halten, daß solche Zusammenstellungen nur einen Teil der Fernstraßen Europas erfaßten und daß sie lediglich einen Überblick über die Reisewege verschafften, die die Zeitgenossen von bestimmten Zentren der damaligen Zeit aus benutzt haben. Unsere Perspektive wird aber, und das muß man hier hinzufügen, weniger durch die begrenzte Sicht der mittelalterlichen Autoren als durch die Quellenverluste der Überlieferung eingeschränkt, die den Blick nur auf einen Teil der damaligen Haupstraßen freigeben und den 38 Thomas Szabó 32 Herbert K RÜGER , Die Straßburger Itinerarsammlung Sebastian Brants aus dem ersten Viertel des 16. Jahrhunderts, Archiv für deutsche Postgeschichte (1966/ 2) S. 2-31. <?page no="49"?> Gang der Entwicklung nur bruchstückhaft erkennen lassen. So ist nicht auszuschließen, daß es schon vor dem Itinerar von Brügge eine ganze Reihe von ähnlichen Itinerarien gegeben hat, die aus anderen Zentren als den bisher genannten stammen. Und es ist auch nicht auszuschließen, daß es schon vor Etzlaubs Karte der Romwege und seiner sehr ähnlichen, erweiterten Karte der Straßen des Römischen Reiches schon andere, vergleichbare Karten gegeben hat - nicht gedruckte, sondern auf Pergament gezeichnete -, die aber verloren gegangen sind. Hier wäre etwa an die sogenannte ‚Gough Map‘ von etwa 1360 zu erinnern, auf der England abgebildet ist und die nicht nur eine Vielzahl von Städten und das sie verbindende Straßennetz, sondern auch die zu den einzelnen Strecken gehörigen Entfernungen verzeichnet 33 . Diese Verluste werden allerdings zum Teil dadurch aufgewogen, daß Straßen in jedem Falle Siedlungen miteinander verbinden, und daß wir zwar nicht das gesamte Straßennetz, wohl aber das gesamte Siedlungsnetz kennen. In diesem Zusammenhang sei noch eine Bemerkung zur Chronologie der hier benutzten Materialien erlaubt. Die Quellen der Frühzeit, des 12.-14. Jahrhunderts, sind verhältnismäßig karg - zu karg, um von den üblichen Reisewegen der Zeit ein Bild zu vermitteln. Im vorliegenden Fall ist es aber sicherlich eine zulässige Methode, die Informationen weiterer Itinerarien und Karten des 15. und 16. Jahrhunderts schon für die frühere Zeit in Anspruch zu nehmen - wie dies auch hier schon anhand einiger Beispiele geschah -, da eine solche Annahme durch das uns bekannte Siedlungsnetz und die Bedeutung der einzelnen Siedlungen gestützt wird. Dieser Weg scheint uns um so statthafter zu sein, als gerade die Quellen der Santiago-Fahrt auf Wege hinweisen, deren genauer Verlauf erst in sehr viel späteren Quellen bezeugt wird. Denn der ‚Liber Sancti Jacobi‘ spricht von deutschen Pilgern 34 , deren Itinerare erst aus dem 15. Jahrhundert bezeugt sind, und das Isländische Itinerar, das gleichfalls aus dem 12. Jahrhundert stammt, erwähnt einen Jakobsweg in Italien 35 der ebenfalls erst für das 15. Jahrhundert bezeugt ist: Die frühen Itinerarien stellen also nur einen geringen Teil der Fernwege durch das mittelalterliche Europa dar, ihre Informationen können aber durch das Heranziehen der späteren Itinerarien, sofern deren Angaben durch andere Quellen gesichert sind, ergänzt werden. Das Straßennetz zwischen Mittel- und Osteuropa 39 33 Brian Paul H INDLE , The Towns and Roads of the Gough Map (c.1360), The Manchester Geographer 1 (1980) S. 35-49. 34 V IELLIARD (wie Anm. 12) S. 124. 35 L ANDAFRAEDI (wie Anm. 2) S. 16. <?page no="50"?> Resumen: Sólo desde el siglo XV conocemos con seguridad los caminos que iban desde la Europa central a Santiago de Compostela. Nuestras fuentes son relatos escritos por peregrinos individuales como Hermann Künig von Vach o las grandes descripciones de los caminos europeos como el Itinerario de Brujas (siglo XV) y el mapa del Imperio Romano de Erhard Etzlaub de Nuremberg (1501). Al comparar estas fuentes de los siglos XV y XVI con los itinerarios romanos de los siglos X-XIII se perfilan dos puntos esenciales: primero el lento perfeccionamiento de la información sobre los viajes, segundo el alto valor informativo que estos textos tardíos tienen incluso para las épocas anteriores. 40 Thomas Szabó <?page no="51"?> Altstraßen, Mobilität und Austausch Verkehrsmäßige Voraussetzungen in Sachsen für die Pilgerbewegung R ENATE W ISSUWA I. Das Straßennetz in Sachsen im Mittelalter und in der frühen Neuzeit 1. Allgemeine Anmerkungen Verkehrstraßen sind die Voraussetzung für jedweden Verkehr und damit für Wirtschaft und Austausch, Kommunikation und Mobilität überhaupt. Dabei ist der Prozeß der bewußten Ortsveränderung von Personen, Gegenständen und Informationen jeglicher Art sehr vielfältig und differenziert. Die Forschung verwendet maßgeblich zwei Begriffe - „Altstraße“ und „Altweg“, wobei das Präfix „alt-“ auf vorindustriezeitliche Verkehrsverbindungen hinweist. Bei einer allgemeinen und formalen Unterscheidung wird in der Regel der Begriff der „Altwege“ der Region zugeordnet und im lokalen Bereich angesiedelt. Der Begriff der „Altstraße“ meint heute oftmals die Fernverbindung mit ihrem Funktionsgefüge und ist insbesondere Ausdruck der Entfaltung und inneren Differenzierung der Wirtschaft sowie der Wechselwirkung zwischen Wirtschaft, Politik und Kultur 1 . In Sachsen waren bis in die Neuzeit hinein Verkehrszüge auf dem Festland, von der Elbe einmal abgesehen, die entscheidenden Transportbahnen, denn die für das sächsische Tiefland bedeutenden Flüsse sind in ihren Oberläufen nicht schiffbar. Dabei wiesen die sich im Süden Sachsens befindenden Mittelgebirge im Landschaftsbild - neben verkehrsfreundlichen Hochflächen - eine ganze Reihe von verkehrsfeindlichen, 1 Gerhard B ILLIG / Renate W ISSUWA , Altstraßen im sächsischen Vogtland (Schriftenreihe des Vogtlandmuseums 55, Plauen 1987) S. 5. <?page no="52"?> verschiedenartigen, wechselnden und oft steil eingeschnittenen Flußtälern auf. 2. Methodische Aspekte Die Rekonstruktion und zeitliche Einordnung von Altstraßenverläufen für das Mittelalter und die frühe Neuzeit sind schwierig und daher erfahrungsgemäß nur durch interdisziplinäre Arbeit machbar, das heißt, Historiker sollten eng mit Archäologen, Geographen und Linguisten zusammenarbeiten und unterschiedlichste Quellengruppen heranziehen. Als erstes wären dabei die schriftlichen Quellen wie Urkunden und Chroniken anzuführen, die allerdings Straßen meist nur beiläufig und relativ selten nennen. Für die indirekte Quellenauswertung spielt die Itinerarforschung mit ihrer Auswertung der Reisewege der Fürsten nach deren Urkundentätigkeit eine große Rolle. Aktenbestände wie Zollrollen, Geleitsrechnungen, -tafeln, -zettel und -briefe, Ratsrechnungen, Amtsrechungen, Urbare (Grundbücher), Zinsregister, Amtserbbücher, Straßenbauakten sowie Einträge über Irrungen und Streitigkeiten auf Straßen erweisen sich ebenso als wertvoll, stammen allerdings zumeist aus dem 15./ 16.Jahrhundert. Die Möglichkeit, von Schriftzeugnissen des 15. und 16. Jahrhunderts Rückschlüsse auf hochmittelalterliche Straßenverhältnisse zu ziehen, kann unter bestimmten Voraussetzungen gegeben sein, unterliegt aber auch methodischen Einschränkungen. Dennoch sind die schriftlichen Quellen besonders wertvoll, da sie genaue Datierungen für Altstraßen ermöglichen 2 . Eine besondere Gruppe aufschlußreicher archivalischer Quellen umfaßt historische Karten und Risse von den ältesten Augenschein-, Bild- und Streitkarten und dem Ur-Oeder bis zur neuen kursächsischen Postkarte von Adam Friedrich Zürner und der Äquidistantenkarte als Urform des Meßtischblattes 3 . Einen wichtigen Beitrag zur Forschung leistet die Namenkunde. Straßen- und Wegenamen sowie Orts- und Flurnamen liefern bei 42 Renate Wißuwa 2 Gerhard B ILLIG , Altstraßenentwicklung und Burgenbau in Sachsen bis zum 10. Jh., in: Burgenforschung aus Dresden, hg. von Heinz M ÜLLER (Dresden 1990) S. 17. 3 Hans B RICHZIN , Augenschein-, Bild- und Streitkarten, in: Kursächsische Kartographie bis zum Dreißigjährigen Krieg, 1 (Veröffentlichungen des Staatl. Mathematisch- Physikalischen Salons Dresden 8; Berlin 1990) S. 112-206; Steffen H ERZOG , „... die hohe undt niedere Landstraß aus Polen undt Schlesien“. Augenschein-, Bild- und Streitkarten als Quellen der Altstraßenforschung, in: Landesgeschichte in Sachsen. Tradition und Innovation (Dresden 1997) S. 109-128. <?page no="53"?> sprachwissenschaftlicher und bedeutungsmäßiger Untersuchung spezifische Aussagen: 1. zum Zielpunkt bzw. Herkunftsort (z. B. Alte Egerer Straße, Hofer Straße, aber auch Burggasse und Klosterweg); 2. zum Transportgut (z. B. Salz-, Silber- oder Eisenstraße, Butterweg, Kalkstraße); 3. zum Transportmittel (z. B. Reitsteig, Kärrnerstraße, Schiebbockweg); 4. zu den Benutzern (z. B. Königsstraße, Herrenstraße, Diebsteig); 5. zur Beschaffenheit einschließlich Geländelage (z. B. Steinweg, Furtweg, Kammweg, Paßstraße, Lange Straße); 6. zu Bedeutung und Reichweite (z. B. zeigen Namen wie Kirchsteig, Marktsteig oder Mühlweg örtliche Bedeutung an; Butterweg oder Kohlenstraße weisen auf einen regionalen Zusammenhang hin; Hohe Straße, Salzstraße, Reichsstraße, Frankenstraße, Königsstraße sind oftmals überregional bedeutsame Fernverbindungen. Dabei ergeben sich teilweise auch mehrere Deutungszusammenhänge, die nur aus dem konkreten Sachverhalt bestimmt werden können. Der Steinweg vor den Toren der Stadt bezeichnet mehrfach einen gepflasterten Abschnitt zwischen dem Tor und der unbefestigten Landstraße im freien Gelände. Der Steinweg in der Dorfflur erscheint dagegen mehrfach als der Fahrweg, auf dem man Steine aus dem Steinbruch in den Ort beförderte); 7. zur Funktion (z. B. Poststraße, Salzstraße, Marktsteig, Schleifweg, Kirchsteig etc.). Verkehrsbedeutung besitzen ebenso Flurnamen wie z. B. Zuckmantel, Rollfeld, Rollwiese, Furtwiese, Zoll- oder Geleitshaus, Zur Ausspanne oder Hemmschuh 4 . Daneben sind auch Ortsnamen anzuführen wie z. B. Ullitz, Sträßel, Furth und Wegefarth. Ebenso verkehrsbedeutsam können Kirchenpatrozinien sein, wie z. B. der hl. Nikolaus als Schutzheiliger der Kaufleute 5 . Eine weitere Quellengruppe stellen die Altstraßenreste in Gestalt der Hohlwege, der Erd- und Knüppeldämme, Straßensperren und Brücken dar. Nur diese Spuren ermöglichen es, die genaue Trassierung zu rekon- Altstraßen, Mobilität und Austausch 43 4 Vgl. B ILLIG (wie Anm. 2) S. 17-18; Rainer A URIG , Namenkunde und Altstraßenforschung, in: Landesgeschichte in Sachsen (wie Anm. 3) S. 83-96. 5 Karlheinz B LASCHKE , Nikolaipatrozinium und städtische Frühgeschichte, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte 53 (1967) S. 273-337; D ERS ., Kirchenpatrozinien und Kirchenorganisation als Hilfsmittel der Stadtkernforschung, in: Stadtkernforschung, hg. von Helmut J ÄGER (Städteforschung 27, Köln 1987) S. 23- 57. <?page no="54"?> struieren und zu dokumentieren. Bis auf geringe Ausnahmen sind solche Hohlen lediglich im Wald erhalten. In der offenen Flur wurden sie bis auf wenige verflachte Ausnahmen mit der Zeit eingeebnet. Daß sie zumeist an Hängen liegen, ist in ihrer Entstehung begründet. Der mittelalterliche Lastwagen verfügte nicht wie der Bauernwagen vor der Zeit der Gummibereifung über eine Schleifbremse, sondern bergab konnten die Räder durch Hemmschuh oder Hemmkette blockiert werden. Dadurch wurde der Boden aufgebrochen und verschoben, es konnte sich kein Bewuchs bilden. Bergauf mußte vorgespannt werden, und die Pferde lockerten ebenfalls mit ihren Hufeisen den Boden auf. So bildeten die unbefestigten Fahrstrecken am Hang gute Ansatzpunkte der Erosion. Durch den ständigen Wechsel der Witterung und das ablaufende Regenwasser bildeten sich Rinnen im Untergrund, die durch die gleichzeitige Nutzung im Wagenverkehr die typische Hohlengestalt erhielten. War eine Hohle so ausgefahren, daß sie die Bewegung des Wagens beeinträchtigte, oder war sie durch Wasserstau tief verschlammt, so zog der Fuhrmann daneben eine neue Spur, und folgerichtig entstand dabei eine neue Hohle. Es bildeten sich Bündel, Scharen und Fächer, je nach den örtlichen Gegebenheiten mit fünf, zehn und mehr Geleisen. Später kam es an diesen Hohlen zu ersten primitiven Ausbesserungen, indem man die Fahrrinnen verengte oder versackte Hohlenpartien einfach mit Erdmaterial auffüllte, das man der Schulter des Hohlweges abgrub. Dieser Sachverhalt ist im Gelände nachzuweisen und ein wichtiges Hilfsmittel zur zeitlichen Ordnung zusammenliegender Hohlwege, denn wenn ausgebesserte und nicht ausgebesserte Strecken zusammen vorkommen, sind im allgemeinen die ausgebesserten die jüngeren. Dort, wo der Abbau von Steinen in günstiger Lage zur Straße möglich war, verwendete man auch Steinmaterial zur flüchtigen Instandsetzung. Vereinzelt kam es zu ersten Pflasterungen. Die Entstehungsbedingungen schließen einen allgemeinen Hinweis zur Datierung der Hohlen ein. Eine Voraussetzung für die verbreitete Herausbildung der Hohlwege war der eisenbereifte schwere Lastwagen, der mit Hemmschuh oder Hemmkette gebremst wurde. Dieses Transportmittel entspricht dem hochmittelalterlichen Warenverkehr von Stadt zu Stadt. Folglich dürfen wir die Masse der Hohlen in das 13. und 14. Jahrhundert datieren 6 . Die Untersuchungen dieser Gruppe ergaben bisher in Sachsen über 900 archäologische Altstraßenreste und -denkmäler, die katalogmäßig aufgenommen wurden 7 . 44 Renate Wißuwa 6 Vgl. B ILLIG (wie Anm. 2) S. 18-19; B ILLIG / W ISSUWA (wie Anm. 1) S. 9. 7 Z. B. Renate W ISSUWA , Die Entwicklung der Altstraßen im Gebiet des heutigen Be- <?page no="55"?> Die Schwierigkeit in methodischer Hinsicht liegt darin, daß nie Quellen aus allen Quellengruppen verwertbare Informationen enthalten, es zudem große Überlieferungslücken innerhalb der Gruppen gibt und immer wieder Unsicherheiten in Datierungsfragen auftreten. Überblickt man die Literatur der Vergangenheit wie der Gegenwart bzw. betrachtet man Projekte zu den Altstraßen, so werden verschiedene methodische Vorgehensweisen sichtbar. 1. Zunächst ist die retrogressive Vorgehensweise zu nennen, bei der von den heutigen bzw. frühesten, ganz sicher faßbaren formalen und funktionalen Straßenverläufen ausgegangen wird. Unter Zuhilfenahme von vor allem schriftlichen und kartographischen Quellen versucht man dann, rückschauend zu rekonstruieren. 2. Bei der synchron rekonstruierenden Methode werden ein bestimmter Zeitraum und insbesondere die für diesen charakteristischen wirtschaftlichen Verhältnisse in den Blick genommen. Dabei finden schriftliche Nachrichten, Siedlungsreste, Denkmäler, Namen und bekannte Altstraßenreste Beachtung. Sie werden alle kartographisch erfaßt, und es wird versucht, damit ein Straßennetz auf der Karte zu zeichnen. 3. Unabhängig von einer zeitlichen Zuordnung erfolgt im Gelände zunächst die Suche und Erfassung von Altstraßenresten. Unter Einbeziehung aller weiteren relevanten Quellen erfolgt eine Rekonstruktion von Verkehrsstraßen, wobei bedeutungsmäßige und zeitliche Unterschiede herauszuarbeiten sind. Diese Vorgehensweise ist in jeder Hinsicht die aufwendigste von allen und daher in erster Linie in Bezug auf abgegrenzte Regionen anwendbar. 3. Klassifikation der Altstraßen In Auswertung der Quellen läßt sich für Sachsen eine Gliederung der Altstraßenentwicklung aufzeigen, die zur Bestimmung und Einordnung der Verkehrsrelikte notwendig ist und sich vor allem im sächsischen Mittelgebirgsraum bewährt hat. Dabei stellt die Klassifikation der Ver- Altstraßen, Mobilität und Austausch 45 zirkes Karl-Marx-Stadt von der Mitte des 10. Jh. bis zur Mitte des 14. Jhs. Ein Beitrag zur Rekonstruktion des Altstraßennetzes auf archäologischer Grundlage (ungedruckte Dissertation, Päd. Hochschule Dresden 1987); Rainer A URIG , Die Entwicklung von Steig und Straße im Gebiet zwischen Freiberger Mulde und Neiße von der Mitte des 10 Jh. bis zur Mitte des 14. Jh. Ein Beitrag zur Rekonstruktion des Altstraßennetzes auf archäologischer Grundlage (ungedruckte Dissertation, Päd. Hochschule Dresden 1989). <?page no="56"?> kehrsverbindungen kein starres Schema dar, da die Entwicklungsformen teilweise fließend ineinander übergehen. Die frühesten Verkehrsverbindungen waren dem damaligen Stand der Transportmittel entsprechend Steige und Saumpfade. Sie wurden sporadisch von Fußgängern und Lastträgern, Reitern, leichten Karren und Lasttieren in das Gelände eingetreten und genutzt, hinterließen in der Erdoberfläche aber keine nachhaltigen Veränderungen und lassen sich deshalb heute nicht mehr nachweisen. Als richtungsweisende Verkehrslinien konnten sie in ihrer Führung in einem möglichen Verkehrskorridor bis zu mehreren Kilometern in die Breite pendeln. Man bevorzugte sich lang hinziehende Höhenrücken, die oft Wasserscheiden waren, hochliegende Talschultern oder Terrassen, wobei die Querung unausweichlicher Täler in kurzen, steilen An- und Abstiegen erfolgte 8 . Die Steige richteten sich auf Furten und Pässe aus. Der vor allem für die Gebirgsregionen typische Paß war im verkehrsgeographischen Sinne eine Trassenführung, die durch ihre Lage in Gestalt einer Einsattelung oder Engstelle eine Überquerung der Höhenzüge oder Kammlagen ermöglichte. Zeitlich gesehen sind Pässe vom Neolithikum bis zum Mittelalter bestimmend gewesen. Im Niederland mit einer offenen, hügeligen, weniger bewegten Oberflächengestalt treten vor allem die Übergangsmöglichkeiten über die großen Flüsse als geographische Engstellen ins Blickfeld, so bei der Hohen Straße mit der markanten Furtkombination über Elster und Pleiße in Leipzig, mit dem zwischen Püchau und Wurzen pendelnden Muldenübergang und der älteren Elbquerung bei Strehla und der jüngeren bei Boritz/ Merschwitz, die sich nur in der Bedeutung ablösten. Die Burgen in der Nähe der Flußübergänge hatten komplexe Funktionen, neben dem Straßenschutz vor allem in der Verwirklichung politischer Herrschaft. Sie reichen alle bis ins 10. Jahrhundert zurück, wurden aber teilweise verlegt 9 . Die ältesten schriftlichen Nachrichten über solche frühen Verkehrsverbindungen in Sachsen stammen aus dem 9. und 10. Jahrhundert: So berichtet Thietmar von Merseburg in seiner Chronik für das Jahr 892, daß Bischof Arn von Würzburg bei seiner Rückkehr von einem Zug 46 Renate Wißuwa 8 Gerhard B ILLIG , Burgenarchäologische und siedlungskundliche Betrachtungen zum Flußgebiet der Zschopau und der Freiberger Mulde, Zeitschrift für Archäologie 15 (1981) S. 205-297; vgl. auch W ISSUWA (wie Anm. 7) S. 32-34. 9 Steffen H ERZOG , Das Verhältnis von Burg, Stadt und Straße in Kamenz, Königsbrück und Weißenberg während des Mittelalters (ungedruckte Dissertation, Päd. Hochschule Dresden 1986). <?page no="57"?> nach Böhmen in der Nähe des Chemnitzflusses und an der Straße nach Norden überfallen worden sei 10 . Des weiteren ist eine Reise des Arabers Ibrahim Ibn Jacub von Magdeburg nach Prag aus dem Jahre 965 bzw. 973 überliefert 11 . In beiden Fällen können allerdings nur Vermutungen über die benutzte Trassenführung angestellt werden. Indirekt läßt sich außerdem bei Thietmar von Merseburg aus den Berichten über die Feldzügen des Boleslaw Chrobry im Zeitraum 1002-1015 auch die Hohe Straße zwischen Bautzen und Strehla erschließen 12 . Urkundlich erscheinen im 12. Jahrhundert semita bohemica, teilweise auch als antiqua semita bohemica 13 . Diese böhmischen Steigen sind als Verkehrstraßen über das Mittlere und Westerzgebirge belegt. Aus Nordwesten kommend und nach Südosten zielend, waren sie Fernverbindungen zwischen dem nordwestsächsisch-nordthüringischen Altsiedelland und Böhmen. Auf der Grundlage von vor allem interdisziplinären Studien wurden für verschiedene regionale Räume in Sachsen Trassierungen herausgearbeitet. So kann man trotz aller Unsicherheiten folgende Fernverbindungen vor dem hochmittelalterlichen Landesausbau annehmen 14 : - Plauen - Ullitz - Hof - Altenburg - Landwüst - Eger (Cheb) - Altenburg - Eibenstock - Frühbuß (Prˇebuz) - Altenburg - Zwickau - Schlettau - Preßnitz (Prˇisecnicˇe) - Altenburg - Remse - Reitzenhain - Krima (Krimov) - Komotau (Chomutov) Altstraßen, Mobilität und Austausch 47 10 Thietmar von M ERSEBURG , Chronik, neu übertragen und erläutert von Werner T RILLMICH (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, Freiherr-von-Stein-Gedächtnisausgabe 9, Darmstadt 1957) S. 6. 11 Edith H OFFMANN , Ibrahim ibn Jacub - ein Reisender durch Sachsen vor über 900 Jahren, Arbeits- und Forschungsberichte zur sächsischen Bodendenkmalpflege 35 (1992) S. 197-206 (mit weiteren Literaturhinweisen). 12 Vgl. H ERZOG (wie Anm. 3) S. 117. 13 Urkundenbuch des Hochstifts Naumburg, Teil 1, bearb. von Felix R OSENFELD (Magdeburg 1925) Nr. 116; Regesta diplomatica necnon epistolaria Historiae Thuringiae, 1 (c. 500-1152), hg. von Otto D OBENECKER (Jena 1896) Nr. 1130 und Nr. 1445; Codex diplomaticus Saxoniae regiae, Urkunden der Markgrafen von Meißen und Landgrafen von Thüringen (948-1099), 1 (Codex diplomaticus Saxoniae Regiae I,1), hg. von Otto P OSSE (Leipzig 1882) Nr. 28 mit Anmerkung; Leo B ÖNHOFF , Wo suchen wir den „mons Lubene“ des Hersfelder Klosterlandes? , Neues Archiv für sächsische Geschichte 36 (1915) S. 121-126; Codex diplomaticus Saxoniae regiae, Urkunden der Markgrafen von Meißen und Landgrafen von Thüringen (948-1234), 2 (Codex diplomaticus Saxoniae Regiae I,2), hg. von Otto P OSSE (Leipzig 1884) Nr. 404 und Nr. 510. 14 Vgl. Anm. 7 und 9. <?page no="58"?> - Rochlitz - Zschopau - Rübenau - Görkau (Jirkov) -Komotau (Chomutov) - Leisnig - Sayda - Brüx (Most) - Meißen - Freiberg - Sayda - Brüx (Most) - Meißen - Dohna - Nollendorf (Naklérˇov)/ Kulm (Chlumec) - Die Neiße-Talrand-Straße - Die Hohe Straße Mit dem Einsetzen des hochmittelalterlichen Landesausbaus in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts wurden die gebirgsüberschreitenden Fernverbindungen zu Siedelbahnen. Auf ihnen kamen überwiegend deutsche Bauern bis in die Kammlagen der Mittelgebirge. Die Besiedlung von böhmischer Seite ist z. B. im Bereich der Herrschaft Purschenstein durch die Hrabisicˇe anzunehmen. Die Hrabisicˇe (Riesenburger) waren ursprünglich Burggrafen von Bilina und Kämmerer des Königs von Böhmen und kamen aus dem nordböhmischen Altsiedelgebiet 15 . Das obere Vogtland wurde aus südlicher Richtung, vom Egerland her besiedelt 16 . Der Landesausbau und die darauf folgende Entwicklung der Städte mit ihrem regelmäßigen Marktverkehr hatten die Ablösung der Steige als Verkehrsbahnen zur Folge; die hochmittelalterliche Straße tritt uns nun als neue Form entgegen. Sie entwickelte sich als solche vom Anfang des 13. bis zum Ende des 14. Jahrhunderts und war bestimmt durch den Einsatz des vierrädrigen Lastwagens, der, wie erwähnt, eine intensive Hohlenbildung verursachte. Mit der Entwicklung der Städte und eines kontinuierlichen von Ware-Geld-Beziehungen bestimmten Marktgeschehens ergaben sich nach Qualität und Intensität neue Verkehrsspannungen mit einem veränderten, von Fernhandelsverbindungen bestimmten Straßennetz, in das sich auch weniger bedeutsame regionale Verkehrszüge einfügten. Je nach Wirtschaftskraft, Einfluß und Lage der Städte entwickelten sich Steige zu hochmittelalterlichen Straßen mit mehr oder weniger großen Abweichungen und Verschiebungen, kam es weiterhin zum Verfall von Teilstrecken und entstanden schließlich neue Straßen sowie Querverbindungen zwischen Hauptverkehrsrichtungen. Auf die nun zahlreichen sich verzweigenden Straßentrassierungen kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden 17 . Bei allen Veränderungen blieben im Gesamtbild 48 Renate Wißuwa 15 Gerhard B ILLIG , Rechenberg - Burg der Hrabisicˇe, Sächsische Heimatblätter 10 (1964) S. 409-418. 16 Vgl. B ILLIG / W ISSUWA (wie Anm. 1) S. 14. 17 Vgl. Anm. 9 und 10. <?page no="59"?> aber die großen Verkehrslinien von Nordwest nach Südost erhalten. Das Neue an dieser Verkehrsentwicklung des 13. Jahrhunderts fand exemplarisch in der Herausbildung der Frankenstraße seinen Ausdruck, einer West-Ost-Verbindung, die von Nürnberg kommend über Hof, Zwickau, Chemnitz, Freiberg nach Dresden führte und von dort aus den Anschluß an die Hohe Straße suchte 18 . Die hochmittelalterlichen Straßen erfuhren durch das sich im späten 14. und frühen 15. Jahrhundert entwickelnde Geleitwesen eine Weiterentwicklung zur Geleitstraße. Damit ergab sich eine weitere Differenzierung des Straßenbildes nach Funktion und äußerer Erscheinung. Geleitstraßen entstanden in fließendem Übergang aus den hochmittelalterlichen Straßen, bestimmten das Verkehrswesen im 15. und 16. Jahrhundert und veränderten sich bis zum Ende des 30jährigen Krieges nur wenig. Damit verbunden war der Straßenzwang, der die Benutzung einer bestimmten Route vorschrieb, an der auch die Zoll- und Geleitstellen lagen. Der Unterschied zwischen Geleitstraße und hochmittelalterlicher Straße ist nicht immer deutlich. Benutzt wurde die Geleitstraße ebenfalls vom vierrädrigen Lastwagen, der Hohlenbildung verursachte. Faßbar wird der Unterschied insbesondere dort, wo Straßensperren - in Gestalt von aufgeworfenen Erdwällen oder als eine die Straße flankierende Landwehr - auftreten als gegenständlicher Ausdruck des Straßenzwanges und damit des Geleitwesens. Die abgeschnittenen Gleise können als älter und verallgemeinernd als hochmittelalterlich angesehen werden. Die durch die Sperre offengelassene Verkehrsbahn wäre dann die Geleitsstraße, die ausgebessert wurde, damit sie stets benutzt werden konnte. Geleitstraßen bildeten demnach keine breit gefächerten Hohlenbündel. Besonders bei gleicher Trassierung wie die hochmittelalterliche Straße unterscheiden sie sich archäologisch gesehen häufig durch größere Tiefe und manchmal erkennbare Instandsetzungsmaßnahmen, wodurch sie einen trapezförmigen Querschnitt erhielten. Der Vollständigkeit halber sei hier ebenfalls die Form der Poststraße erwähnt, die am Ende des 17. Jahrhunderts in Sachsen entstand. Sie ist gekennzeichnet durch ein breites Straßenbett, das in Abständen ausgebessert wurde und teilweise Straßengräben und Bäume als Begrenzung aufwies. Erwähnenswert sind auch das Errichten von zunächst hölzernen Wegesäulen und das von August dem Starken angeregte und durch Zürner vollzogene Aufstellen von Distanzsäulen, Viertel-, Halb- und Altstraßen, Mobilität und Austausch 49 18 Vgl. Erich M ÜLLE , Die Möglichkeit des Bestehens der Frankenstraße in vorkolonisatorischer Zeit, Neues Archiv für sächsische Geschichte 63 (1942) S. 13-25; W ISSUWA (wie Anm. 7) S. 123-128. <?page no="60"?> Ganzmeilensteinen. Eine ganze Reihe von solchen Poststraßenresten haben sich in Sachsen erhalten. Faßt man an dieser Stelle einmal die für die Linienführung der Altstraßen ausschlaggebenden Faktoren zusammen, so erscheinen die aus der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und der Entwicklung der Produktivkräfte entstehenden Verkehrsspannungen zwischen verschiedenen Orten und Gegenden in Wechselwirkung mit politischen und kulturellen Aspekten als bestimmend. Die Überbrückung war abhängig von allgemeinen geographischen Bedingungen, vom Einsatz und Entwicklungsstand der Verkehrsmittel und von den Menschen, die die Straßen benutzten und Transporte durchführten. Es bildete sich eine konkrete Linienführung der Altstraßen heraus, die man solange beibehielt, wie sie den historisch bedingten Verkehrsaufgaben gerecht wurde. Daraus ergab sich die Möglichkeit, daß einerseits Führungen nacheinander die verschiedenen Entwicklungsstufen der Altstraße passierten, andererseits aber auch Trassen verfielen und neue Verkehrslinien an ihre Stelle traten. Nicht immer aber brachte die Weiterentwicklung einer Verkehrsführung den Verfall der vorherigen Entwicklungsstufe mit sich, so daß im 18. Jahrhundert alle vier Formen nebeneinander existierten 19 . Dabei spielten oftmals die überholten Entwicklungsstufen im Rahmen des regionalen Verkehrs als Kommunikationswege zwischen Orten, etwa als Reit- und Marktsteige weiterhin eine Rolle. II. Jakobspatrozinium und Jakobswege in Sachsen Überschaut man die derzeit bekannten Jakobspatrozinien in Sachsen 20 , so sprechen die Beispiele dafür, daß Jakobus d. Ä. als Patron der Pilger im Vergleich zu anderen Patrozinien vermutlich nur von untergeordneter Bedeutung war; für die Zeit nach der Reformation ist dies durchaus einsichtig, aber auch für das Mittelalter gibt es nur relativ wenige Spuren. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob dieser Befund weiterer Forschung standhält, denn möglicherweise sind wegen der Säkularisierung im 16. Jahrhundert Patrozinien nicht mehr ursprünglich überliefert. 50 Renate Wißuwa 19 Ebd. S. 75; Volkmar G EUPEL , Seit eintausend Jahren Straße über das Erzgebirge - Der Ausbau der Bundesstraße 174 und die Archäologische Denkmalpflege, Archäologie aktuell 3 (1995) S. 263. 20 Walter S CHLESINGER , Kirchengeschichte Sachsens im Mittelalter, 1-2 (Köln/ Graz 1962); Herbert H ELBIG , Untersuchungen über die Kirchenpatrozinien in Sachsen auf siedlungsgeschichtlicher Grundlage (Historische Studien 361, Berlin 1940). <?page no="61"?> Wenn man nun die Orte der überlieferten Patrozinien in Sachsen genauer und im Kontext der Infrastruktur betrachtet, so wird deutlich, daß das Jakobspatrozinium - verglichen etwa mit dem Nikolaipatrozinium - nicht dominierend straßenrelevant war. (Übrigens muß man dies auch bedingt für das Martinspatrozinium sagen, das ja z. B. in Franken häufig in Zusammenhang mit „Verkehrsangelegenheiten“ begegnet). Es würde zu weit führen, hier jedes einzelne Beispiel zu besprechen. Verallgemeinernd kann festgestellt werden, daß wir in Sachsen Jakobskirchen finden, die an Fernstraßen liegen, aber auch eine Reihe von Patrozinien, für die das nicht zutrifft. Des weiteren wäre es ein Fehler, alle Jakobspatrozinien, die an einer Fernverbindung liegen, sofort ursächlich mit der Pilgerbewegung in Verbindung zu bringen, was natürlich nicht ausschließt, daß die Straßen zu späterer Zeit durch Pilger genutzt wurden. Als Beispiel dafür möchte ich die Jakobikirchen in Freiberg und Chemnitz anführen, auf die ich noch näher eingehen werde. Ich warne außerdem davor, überlieferte Jakobspatrozinien aneinanderzureihen und davon ausgehend Jakobswege zu rekonstruieren bzw. in bestimmten Abständen Jakobskirchen oder Hospize hineinzuinterpretieren. Grundsätzlich widerspricht solch eine Reihung der überlieferten Verkehrsstruktur in Sachsen und würde nicht zur aufgezeigten Entstehungsdifferenzierung passen. Ein derartiges Verfahren würde nur Sinn machen, wenn man der Meinung wäre, daß die Pilger eigenen Trassen und nicht den vorhandenen Straßen folgten. Dann stellt sich natürlich die Frage, warum die Pilger nicht auf den Haupttrassen reisten und die vorhandene Infrastruktur nutzten: Auf den Verkehrstraßen waren sie in Gesellschaft von anderen Reisenden, Kaufleuten und Fuhrleuten mit ihren Lastwagen, was nicht nur wegen der Geselligkeit und der Versorgung, sondern vor allem aus Gründen der Sicherheit von Vorteil war, waren doch gerade die sächsischen Mittelgebirge teilweise sehr unwegsame Gebiete und Reisende vor Räuberei nicht sicher. Die Pilger konnten in Gesellschaft darauf vertrauen, daß sie geschützter waren und die richtige Richtung eingeschlagen hatten. Natürlich muß relativierend hinzugefügt werden, daß Reisende und Pilger durchaus einmal Abzweigungen nehmen konnten, dies war aber gewiß der Ausnahmefall. Diese Auffassung wird durch die Tatsache gestützt, daß bei der überlieferten Namensfülle von Wege- und Straßennamen bisher der Name Jakobsweg in Verbindung mit überregionalen Trassen in Sachsen nicht aufgetaucht ist. Ich möchte daher meine Meinung so formulieren, daß die Pilger vornehmlich den Hauptverkehrsstraßen folgten und nicht jedes Jakobspatrozinium ansteuerten. Wenn ein solches auf dem Weg lag, kann man dies aber als gegeben annehmen. Altstraßen, Mobilität und Austausch 51 <?page no="62"?> Allein geographisch betrachtet kommen für Pilger hauptsächlich Trassen in Frage, die Ost-West-Verbindungen waren. Folglich fällt die Mehrzahl der über die Pässe der Mittelgebirge, d. h. der von Norden nach Süden, verlaufenden Altstraßen heraus. In den Mittelpunkt rücken damit die via regia (Hohe Straße) und die davon abzweigende Frankenstraße als große Verkehrslinien. Andere Trassen dienten dabei natürlich als eine Art Zubringer zu den Ost-West-Verkehrsadern. Die Hohe Straße war eine weitreichende Ost-West-Verbindung. Sie verlief aus Polen kommend (wichtige Orte waren Krakau und Breslau) über Görlitz, Bautzen, Kamenz, Königsbrück, Großenhain, Wurzen nach Leipzig. Leipzig stellte über Jahrhunderte hinweg einen wichtigen zentralen Ort dar, an dem man aus nördlicher und südlicher Richtung Anschluß an die Ost-West-Verbindung bekam. Hier traf die Hohe Straße mit aus Süden, d. h. über die Mittelgebirge, und aus Norden, d. h. aus dem Raum Magdeburg - Halle, kommenden Straßen zusammen. Von Leipzig aus gelangte man weiter über Naumburg, Erfurt in das Rhein- Main-Gebiet nach Frankfurt. Die Pilger hatten dann von dort aus die Möglichkeit, über Genf, Lyon, Leon weiter nach Santiago de Compostela zu gelangen. Die Hohe Straße blieb auch nach der Reformation in Sachsen für Pilger aus den nach wie vor katholischen Gebieten Polens und der Oberlausitz relevant. Die Frankenstraße, die im Raum Bautzen - Königsbrück von der Hohen Straße abzweigte, führte zum großen Teil am Fuße des Erzgebirges entlang; sie sammelte den Verkehr zunächst in Richtung Franken, wo man in Nürnberg Anschluß nach Westen bekommen konnte. Reisende aus Böhmen konnten entweder über die beschwerlichen Mittelgebirgspässe nach Norden in Richtung Leipzig ziehen oder die Querverbindung aus dem Raum Prag über Nürnberg weiter in Richtung Frankfurt nutzen. Wenn man also davon ausgeht, daß nicht alle Jakobspatrozinien in Sachsen „straßenrelevant“ gewesen sind, muß man nach anderen Trägern fragen. Bekanntermaßen besteht in der Literatur ein Konsens darüber, daß Jakobspatrozinium nicht gleich Jakobspatrozinium ist, also die Ursachen der Entstehung und damit verbunden die zeitliche Funktionsbestimmung unterschiedlich sein können 21 . Für einzelne Regionen, z. B. Süddeutschland oder auch für die Schweiz, liegen bereits entspre- 52 Renate Wißuwa 21 Manuel S ANTOS N OYA , Zeugnisse des Kultes in Patrozinien, Hospizen und Bruderschaften, in: Der Jakobuskult in Süddeutschland, hg. von Klaus H ERBERS / Dieter R. B AUER (Jakobus-Studien 7, Tübingen 1995) S. 29-43, 31. <?page no="63"?> chende Untersuchungen vor 22 . Für Sachsen ist dies noch nicht der Fall. Dennoch einige Gedanken aus landesgeschichtlicher Sicht: Wendet man bisherige Bearbeitungsergebnisse aus anderen Regionen unter Berücksichtigung der spezifischen historischen Entwicklung auf Sachsen an, so kommt man nicht umhin, als einen möglichen Träger des Jakobuskults die Staufer anzusehen und ihren Einfluß auf die Vergabe des Patroziniums anzunehmen. Auf das Für und Wider einer solchen These kann hier nicht eingegangen werden 23 . Lassen Sie mich dennoch folgendes anmerken: Die Mark Meißen, gegründet durch Heinrich I. 929 in Zusammenhang mit der Eroberung sorbischer Gebiete, stellte ein Grenzgebiet dar, das in den Altsiedelgebieten allmählich missioniert und im 12. Jahrhundert maßgeblich durch die Staufer im Rahmen des Landesausbaus erschlossen wurde 24 . Daher könnte man die Person des Apostels Jakobus durchaus mit den den Landesausbau betreibenden Staufern in Verbindung bringen, die ihn als „Schutzpatron für die kaiserliche, die staufische, die deutsche Sache“ 25 für sich politisch nutzbar machten. Am Beispiel Chemnitz läßt sich dies veranschaulichen: Trotz aller Unsicherheiten, die sich um die Stadtgründung ranken, ist klar, daß Chemnitz als freie Reichsstadt gegründet wurde, und diese Gründung in den Kontext des bereits genannten Landesausbaus durch die Staufer gehört. Die regionale Forschung ordnet die Errichtung der Marktkirche St. Jakobi in die Phase der Stadtverlegung (Stadterweiterung? ) ein und datiert sie aufgrund kunsthistorischer Argumente um 1200. Die Chemnitzer St. Jakobikirche ist damit der Gruppe von Jakobikirchen zuzuweisen, die mit ihrem Weihenamen in Zusammenhang mit Stadterweiterungen entstanden sind 26 . Die bereits erwähnte Frankenstraße passierte u. a. auch Chemnitz, entstand aber nachweislich später als die Jakobikirche 27 . Daß sie dann Anlaufpunkt auch für Pilger gewesen ist, steht außer Frage, aber primär haben sicherlich andere Ursachen zu ihrem Patrozinium geführt. Ähnliches läßt sich über Freiberg sagen: Die Jacobikirche entstand hier als Dorfkirche des Waldhufendorfes Christiansdorf, das in der Phase des Landesausbaus zwischen 1156 und 1162 gegründet wurde, aber rasch durch den seit 1168 betriebenen Bergbau in Altstraßen, Mobilität und Austausch 53 22 Vgl. u. a. Der Jakobuskult in Süddeutschland (wie Anm. 21). 23 S ANTOS N OYA (wie Anm. 21) S. 36. 24 Karlheinz B LASCHKE , Geschichte Sachsens im Mittelalter (Berlin 1990) S. 58ff. 25 Ebd. 26 Manfred K OBUCH , Die Anfänge der Stadt Chemnitz, Arbeits- und Forschungsberichte zur sächsischen Bodendenkmalpflege 26 (1983) S. 154. 27 Vgl. Anm. 18. <?page no="64"?> der Stadtflur aufging 28 . Inwiefern der Bergbau die Vergabe des Jakobspatroziniums beeinflussen konnte, muß offen bleiben. Wir haben in Sachsen bisher ein einziges Beispiel, bei dem sich ein Zusammenhang von Jakobspatrozinium und einer peregrinatio nach Compostela nachweisen läßt. Die Pegauer Annalen berichten, daß Wiprecht von Groitzsch 1079 die St. Jakobikirche in Zeitz zerstört habe und er daraufhin nach Rom gereist sei, wo ihm eine Wallfahrt nach Santiago de Compostela (1088/ 89) auferlegt worden sei; außerdem habe er als Sühne den Wiederaufbau der Kirche sowie den Bau des Jakobskloster in Pegau (1096) veranlaßt 29 . Abschließen möchte ich mit folgendem Gedanken: Sicher spielte auch in Sachsen die Pilgerbewegung für die einzelnen Schichten der Bevölkerung eine Rolle, bedingt durch die landesgeschichtliche Entwicklung vornehmlich in der Zeit vom 13. Jahrhundert bis zur Mitte des 16. Jahrhundert. Genutzt wurden dafür Fernverkehrsstraßen, die vorrangig Ost-West-Verbindungen waren und gleichzeitig als Pilgerwege und damit als Jakobswege dienten. Dies ist eine rein logische Schlußfolgerung, die sich aber quellenmäßig so nicht belegen läßt. Das Jakobspatrozinium ist nicht nur in Zusammenhang mit der Pilgerbewegung zu sehen, sondern die Ursachen sind sicherlich unterschiedlich gewesen. Beides, Jakobskult und Jakobspilgerfahrt, konnten sich berühren, mußten es aber nicht. Resumen: La peregrinación, condicionada por el desarrollo histórico de la región, particularmente hasta mediados del siglo XVI, desempeñó ciertamente también en Sajonia un papel importante en algunos sectores de la población. Se utilizaban carreteras interurbanas, y preferentemente conexiones este-oeste, que servían al mismo tiempo de caminos de peregrinaje. Probablemente también fueron usados hospicios de otros santos para el descanso. A pesar de ser ésta una constatación lógica, no se conoce documentación que la confirme. El origen del patrocinio de Santiago no se puede relacionar, sin embargo, únicamente con la peregrinación. Debe tomarse asi- 54 Renate Wißuwa 28 Manfred U NGER , Von den Anfängen der bäuerlichen Besiedlung bis zum Ende der Machtkämpfe um den Besitz der Bergstadt 1162-1307, in: Geschichte der Bergstadt Freiberg, hg. von Hanns-Heinz K ASPER und Heinz B ÄßLER (Weimar 1986) S. 20. 29 Pegauer Annalen (Annales Pegavienses), hg. von Georg Heinrich P ERTZ (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores 16, Hannover 1859) S. 242; Codex diplomaticus Saxoniae regiae, Urkundenbuch des Hochstifts Meißen, 1 (Codex diplomaticus Saxoniae Regiae II,1), hg. von Ernst Gustav von G ERSDORF (Leipzig 1864) Nr. 92 und Nr. 66. <?page no="65"?> mismo en consideración una multifuncionalidad. Son muchas las preguntas sin respuesta y existe todavía mucha incertidumbre en lo referente al mismo patrocinio. La investigación podrá con certeza aportar otros ejemplos. El estudio del patrocinio de Santiago en Sajonia sigue siendo en todo caso un amplio campo de trabajo. Altstraßen, Mobilität und Austausch 55 <?page no="67"?> Pilgerfahrten und Reisen von West nach Ost und von Ost nach West. Beziehungsgeschichtliche Perspektiven adliger Mobilität im Spätmittelalter D ETLEV K RAACK I. Einleitung Seit dem Hochmittelalter zog es jährlich unzählige Gläubige, aber ebenso Neugierige und Abenteuerlustige aus dem gesamten Bereich der abendländischen Christenheit und sogar darüber hinaus 1 nach Santiago de Compostela im äußersten Nordwesten der Iberischen Halbinsel. Um den Kult des Heiligen Jakobus und um seine Wallfahrt hat sich in den letzten Jahren von der regionalen bis zur internationalen Ebene eine rege interdisziplinäre Forschungstätigkeit entwickelt 2 . Wer sich in den aus diesen Aktivitäten hervorgegangenen Studien zur internationalen Ja- 1 Vgl. etwa zu den immer wieder erwähnten Armeniern Ilja M IECK , Osteuropäer in Santiago de Compostela, Forschungen zur Osteuropäischen Geschichte 25 (1978) S. 239-252: Während der gesamte russisch-orthodoxe Bereich aus unterschiedlichen historischen Gründen - bedingt zunächst durch das Schisma seit 1054, dann gerade in der Phase, in der der Jakobuskult besonders stark ins Abendland ausstrahlte, durch Mongolensturm und Tatarenherrschaft sowie durch die dadurch bedingte Entfremdung und Abschottung vom Westen - niemals zum Einzugsbereich der Jakobswallfahrt gehörte (ebd. S. 244-246, 251; zu der von Anke und Werner Paravicini dokumentierten Ausnahme des Alexander Soltan ex Lithuania, ritum Grecorum sectans vgl. unten, Anm. 4), verzeichnete man demnach zeitweise bis zu 5 % Armenier unter den Pilgern (ebd., S. 244). - Vgl. darüber hinaus Klaus H ERBERS / Robert P LÖTZ , Nach Santiago zogen sie. Berichte von Pilgerfahrten ans ‚Ende der Welt‘ (München 1996) S. 129-134, „Martiros von Arzendjan (1489-1491) - Ein armenischer Bischof auf dem Weg nach Santiago“. 2 Vgl. dazu neben den Bänden aus der Reihe der Jakobus-Studien auch H ERBERS / P LÖTZ (wie Anm. 1) und die Beiträge in dem aufwendig ausgestatteten Band Santiago de Compostela. Pilgerwege, hg. von Paolo C AUCCI VON S AUCKEN , ins Deutsche übersetzt von Marcus W ÜRMLI (Augsburg 1996). <?page no="68"?> kobswallfahrt nach Pilgern aus den Regionen Ostmitteleuropas und speziell aus Polen erkundigt, wird darauf verwiesen, daß es solche Wallfahrten - etwa nach Ausweis der Register der aragonesischen Kanzlei aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts - zweifellos gegeben hat. So sollen es für das 14. Jahrhundert insgesamt über 180 polnische Pilger gewesen sein, die durch die aragonesischen Behörden registriert und mit Geleitschreiben ausgestattet wurden 3 , und ob die aragonesischen Behörden wirklich alle Pilger und Reisenden erfaßten, muß angesichts der Effizienz vormoderner Verwaltungsapparate zumindest bezweifelt werden. Vor diesem Hintergrund wird man nicht bestreiten können, daß Reisende aus Polen wohl zumindest seit dieser Zeit an der Pilgerbewegung in Richtung Santiago de Compostela beteiligt waren. Außerdem sollte man stets bedenken, daß im Spätmittelalter hier wie auch sonst im christlichen Abendland - und offensichtlich sogar bis in den griechischorthodox geprägten Raum Osteuropas ausstrahlend - die Verbindung zwischen Pilgerfahrt und von ritterlich-höfischen Elementen geprägter Adelsreise eine besondere Rolle spielte 4 . Gerade vor diesem Hintergrund ist die Fernwallfahrt nach Santiago de Compostela im Falle Polens zweifellos als „ein die Jahrhunderte überdauernder, beziehungsstiftender Faktor anzusehen“ 5 . 58 Detlev Kraack 3 Vgl. Las Peregrinaciones a Santiago de Compostela, 3 Bde., hg. von Luis V ÁZQUEZ DE P ARGA / José Maria L ACARRA / Juan U RÍA R ÍU (Madrid 1948-1949, Neudruck 1993) 3, S. 29, Nr. 9-12, und darüber hinaus Gabriela M AKOWIECKA , Po drogach polsko-hiszpan´ skich (Auf polnisch-spanischen Wegen; Krakau 1984) S. 25. 4 Vgl. H ERBERS / P LÖTZ (wie Anm. 1) S. 260, dort unter dem speziellen Verweis auf Pilgerreisen aus Masowien, in Anlehnung an ungedruckte Akten des Posener Archivs. - Vgl. darüber hinaus die aus Rechnungseinträgen, Empfehlungsschreiben und Paßdokumenten rekonstruierte Reise des litauisch-ruthenischen Adligen Alexander Soltan, der dem Bereich der griechisch-orthodoxen Christenheit entstammte, aber dennoch und von seinen Gastgebern unbeanstandet eine adlige Ritter- und Hofreise unternahm, die ihn zunächst an die päpstliche Kurie nach Rom und sodann ins Heilige Land und an die Höfe der Iberischen Halbinsel führte. Obwohl wir keinen direkten Beleg für einen Aufenthalt in Santiago de Compostela besitzen, dürfte der Edelmann in diesem Zusammenhang auch dem Grab des Heiligen Jakobus einen Besuch abgestattet haben, bevor er seine Westeuropareise fortsetzte, die - selbstverständlich - Aufenthalte an den Höfen der Könige von England und Frankreich sowie an dem des Herzogs von Burgund einschloß, eindrucksvoll dokumentiert von Anke und Werner P ARAVICINI , Alexander Soltan ex Lithuania, ritum Grecorum sectans. Eine ruthenisch-polnische Reise zu den Höfen Europas und zum Heiligen Land 1467-1469, in: Zwischen Christianisierung und Europäisierung. Beiträge zur Geschichte Osteuropas in Mittelalter und Früher Neuzeit. Festschrift für Peter Nitsche zum 65. Geburtstag (Quellen und Studien zur Geschichte des östlichen Europa 51), hg. von Eckhard H ÜBNER / Ekkehard K LUG / Jan K USBER (Stuttgart 1998) S. 367-401. 5 M IECK (wie Anm. 1) S. 251-252. <?page no="69"?> Gleichwohl stammt der erste uns bekannte nachweislich polnische Bericht von einer solchen Pilgerfahrt erst aus dem frühen 17. Jahrhundert: Im Jahre 1611 besuchte Jakob Sobieski, der Vater des späteren polnischen Königs und legendären Retters von Wien, im Rahmen einer Kavalierstour, die ihn in den Jahren 1607-1613 durch mehrere Länder Westeuropas führte, unter anderem auch Santiago de Compostela 6 . Das Grab des Apostels war in diesem Zusammenhang wohlgemerkt nicht das Hauptziel einer Pilgerfahrt, sondern vielmehr eine unter anderen, mindestens ebenso wichtigen Reisestationen. Zwar besitzen wir bereits aus den 80er Jahren des 15. Jahrhunderts einen Bericht aus der Feder des Breslauer Patriziers Nikolaus von Popplau 7 , der von seinen Erlebnissen in Westeuropa und auf der Iberischen Halbinsel berichtet. Doch dürfte es wenig sinnvoll sein, diesen auf Deutsch abgefaßten Reisebericht, der zudem alles andere als ein frommer Pilgerbericht ist, als Beleg für eine polnische Jakobswallfahrt zu benutzen. Ähnliches gilt auch für den Breslauer Patrizier Peter Rindfleisch und den schlesischen Adligen Erich Lassota von Steblau, die 1506 bzw. 1581 das Grab des Heiligen Jakobus besuchten 8 . Vor allem Popplau und Lassota treten uns in ihren Berichten schon mehr als außenstehende Beobachter, denn als durch religiöse Inbrunst gekennzeichnete Pilger entgegen. Die eigene innere Anteilnahme tritt hier weitgehend zurück und weicht einer in Teilen geradezu nüchternen Distanz. Unabhängig davon belegen diese Zeugnisse, daß wir in dem ethnisch wie kulturell äußerst vielgestaltigen und in jeder Hinsicht heterogenen Großraum Ostmitteleuropa durchaus mit entsprechenden Kenntnissen und sogar persönli- Pilgerfahrten und Reisen von West nach Ost und von Ost nach West 59 6 Vgl. ebd., S. 249-250 und H ERBERS / P LÖTZ (wie Anm. 1) S. 260-264, „Jakub Sobieski aus Polen (1611) - Von königlichem Geblüt“. 7 Vgl. Europäische Reiseberichte des späten Mittelalters. Eine Analytische Bibliographie. Teil 1: Deutsche Reiseberichte, bearb. von Christian H ALM (Kieler Werkstücke D 5/ 1), hg. von Werner P ARAVICINI (Frankfurt/ Main 1994) S. 220-223, Nr. 89 Nikolaus von Popplau (1483-1486), unter anderem mit Verweis auf Editionsvorhaben von Anke und Werner Paravicini und mit Wiedergabe von Popplaus Itinerar (S. 222-223). - Vgl. dazu auch Piotr R ADZIKOWSKI , Opisanie podró y Miko aja von Popplau rycerza rodem z Wrocl / awia. Prze ozy, opatr y przedmow i komentarzami Piotr Radzikowski (Krakau 1996) (deutsche Ausgabe: Reisebeschreibung Niclas von Popplau, Ritters, bürtig von Breslau, Vorwort und Kommentar von Piotr Radzikowski [Krakau 1998]; vgl. auch: Reisebeschreibung Niclas von Popplau, Ritters bürtig von Breslau, in: Schlesien ehedem und jetzt, hg. von Johann Wilhelm O ELSNER / Ulrich R EI - CHE [Breslau 1806] S. 27-45, 91-109, 184-200, 264-280, 357-372, 446-460 und 530-535). 8 Vgl. M IECK (wie Anm. 1) S. 249. - Vgl. darüber hinaus P ARAVICINI (wie Anm. 7) S. 272-273 und 295 (zu Peter Rindfleisch) und Reinhold S CHOTTIN , Das Tagebuch des Erich Lassota von Steblau (Halle/ Saale 1866). <?page no="70"?> chen Erfahrungen aus dem Austausch mit den Regionen Zentral- und Westeuropas zu rechnen haben. Bei der Bewertung entsprechender Quellenzeugnisse ist jeweils mit Bedacht zu Werke zu gehen und bezüglich der Provenienz und der Datierung zu differenzieren. Hier gilt es stets im Auge zu behalten, daß das polnische Staatsgebilde im 14. Jahrhundert kulturell von äußersten Gegensätzen und von einem extremen Kulturgefälle von Westen nach Osten geprägt war und zudem ein recht uneinheitliches politisches Kräftefeld darstellte. So behaupteten die masowischen Fürstentümer ihre Unabhängigkeit gegenüber dem „König von Krakau“, und außerdem gab es schwerwiegende Differenzen zwischen den mächtigen großpolnischen und kleinpolnischen Adelsparteiungen. Nach dem Tode König Kasimirs III. des Großen regierte 1370-1382 zunächst König Ludwig von Ungarn aus dem Hause Anjou. Danach folgten Thronwirren, bis 1386 Großfürst Jagiello von Litauen den polnischen Thron bestieg und die polnisch-litauische Union begründete. Vor diesem Hintergrund kam es nach dem 1343 im Frieden von Kalisch erzielten Ausgleich, der mit der Anerkennung der für die polnische Seite schmerzhaften Abtretung Pommerellens an den Deutschen Orden erkauft worden war, mehrfach zu Annäherungen im Verhältnis der beiden Kontrahenten zueinander. Mitunter verzeichnete man sogar eine rege polnische Beteiligung an den Kriegsunternehmungen des Ordens gegen die als gemeinsamen Feind empfundenen Litauer, die während dieser Zeit ihrerseits verschiedentlich in polnische Gebiete einfielen und Teile des Landes verwüsteten 9 . War der erste polnische Bericht von einer Jakobswallfahrt, wie bereits angedeutet, nichts anderes als eine Episode aus dem sehr viel umfangreicheren Bericht einer mehrjährigen Kavalierstour zu Beginn des 17. Jahrhunderts und besitzen wir aus diesem Bereich darüber hinaus auch keine spätmittelalterlichen Reiserechnungen, wie sie uns etwa aus verschiedenen Territorien des Reiches, aus England und vor allem aus den Niederlanden für Reisen mit den unterschiedlichsten Zielen überliefert sind 10 , so stellt sich die Frage, auf welche Art und Weise ein Phäno- 60 Detlev Kraack 9 Vgl. Werner P ARAVICINI , Die Preußenreisen des europäischen Adels, bisher 1 und 2 (Sigmaringen 1989-1995) 1, S. 138-142, c. 3 „Teilnehmer geographisch - 9. Polen“. - Vgl. darüber hinaus auch die weiter unten in Anm. 23 aufgeführten Titel. 10 Vgl. zu den Auswertungsmöglichkeiten dieses äußerst auskunftsfreudigen Quellenmaterials P ARAVICINI , Preußenreisen (wie Anm. 9), passim und speziell für das im Zusammenhang mit den Reisen des Earl of Derby und späteren Königs Heinrich IV. von England überlieferte Rechnungsmaterial - zugänglich in: Expeditions to Prussia and the Holy Land made by Henry Earl of Derby (afterw. King Henry IV.) in the years 1390-1 and 1392-3. Being the Accounts kept by his Treasurer during two years <?page no="71"?> men wie das der polnischen Jakobswallfahrt überhaupt sinnvoll erforscht werden kann. Wohl auch aus der durch den Mangel an aussagekräftiger Überlieferung resultierenden Verlegenheit heraus hatten die Veranstalter der Krakauer Tagung im Untertitel wohlweislich den Zusatz „Strategien für ein Forschungsprogramm“ beigefügt. Dementsprechend sollen im folgenden nicht so sehr Ergebnisse präsentiert, als vielmehr aus der allgemeinen Erforschung adliger Mobilität erwachsene mögliche Perspektiven für die weitere Beschäftigung mit dem Thema aufgezeigt werden. Da uns das aus Zentral- und Westeuropa vertraute Quellenmaterial für die Erforschung der spätmittelalterlichen Adelsreise, nämlich zum Teil in großer Dichte überlieferte Reiseberichte und Reiserechnungen, bei der Beantwortung unserer Fragen nach den ostmitteleuropäischen und speziell polnischen Jakobspilgern und Reisenden nicht - oder zumindest nicht in dieser Fülle - zur Verfügung steht, das Phänomen der Jakobswallfahrt und der Adelsreise durch die Länder Westeuropas selbst von Adligen und Patriziern aus dieser Region aber als gesichert gelten darf, gilt es methodisch andere Wege einzuschlagen. Generell liegt es nahe, sich dabei einer vergleichenden Vorgehensweise zu bedienen. Will man darüber hinaus „Austausch, Einflüsse und Wirkungen“ beleuchten, wie es die Veranstalter der Kraukauer Tagung weiterhin einforderten, bietet es sich an, den Untersuchungsgegenstand für einen solchen Vergleich entsprechend zu strukturieren. Mag die im Titel dieses Beitrags angedeutete Zweiteilung der Perspektive auf den ersten Blick zwar ein wenig manieristisch wirken und sich aufgrund der unausgewogenen Quellenüberlieferung auch nicht gleichmäßig mit Leben erfüllen lassen, so sollte sie doch zur analytischen Schärfung des Blickes und zur tieferen Durchdringung des gesamten Problemfeldes nützlich sein. II. Reisen des Adels Wenn der Apostel Jakobus bei diesem beziehungsgeschichtlichen Ansatz bestenfalls indirekt über die im Titel genannten Pilgerfahrten erfaßt ist, so liegt das daran, daß es speziell für das Spätmittelalter sehr schwer ist, die unterschiedlichen Motive der adligen Reisenden klar voneinan- Pilgerfahrten und Reisen von West nach Ost und von Ost nach West 61 (Camden Series 2 [N.S.] 52), hg. von Lucy Toulmin S MITH (London 1894, Neudruck 1965); Karsten P LÖGER , Die Reisen des Henry Earl of Derby. Mobilität, adliger Lebensstil und Repräsentation eines Adligen im ausgehenden 14. Jahrhundert (Staatsexamensarbeit Kiel, Wintersemester 1996/ 97). <?page no="72"?> der zu trennen. Die wohl nur in Form von künstlichen Idealtypen stilisierbaren Gattungen von Reisen wie die klassische Pilgerfahrt, der Heidenkampf in der Tradition der hochmittelalterlichen Kreuzzugsbewegung und die an einem stilisierten Ritterideal orientierte Adelsreise sind während der gesamten Epoche vom Hochmittelalter bis weit in die Neuzeit hinein und noch im Rahmen des „Grand Tour“ in einem engen inhaltlichen Zusammenhang zu sehen und kommen in vielfachen motivischen Überlagerungen miteinander vor 11 . Eine klare Scheidung von Motiven bzw. Zuordnung von Reisen zu einem an dieser Kategorisierung orientierten Schema ist meist sehr schwer und zudem wenig sinnvoll. Der von uns im folgenden wie auch in der Überschrift für diesen Artikel verwendete Begriff Reise umfaßt gleichsam all diese unterschiedlichen Formen der Mobilität. Gerade vor dem Hintergrund dieser Schwierigkeiten sollte man jedoch stets bedenken, daß das mittelhochdeutsche Wort reize im Sprachgebrauch des mittelalterlichen Zeitgenossen ursprünglich - und wohl auch noch weit bis in die für unsere Betrachtungen relevante Zeit des 14., 15. und 16. Jahrhunderts hinein - in erster Linie Kriegszug bedeutete und damit nur einen unter mehreren Aspekten des komplexen Phänomens der spätmittelalterlichen adligen Reisetätigkeit darstellte 12 . Daß ein Adliger während einer solchen Unternehmung auch an Heiligtümern längs des Weges haltmachte oder benachbarte Höfe aufsuchte, dürfen wir dabei keinesfalls als Widerspruch 62 Detlev Kraack 11 Vgl. Werner P ARAVICINI , Von der Heidenfahrt zur Kavalierstour. Über Motive und Formen adligen Reisens im späten Mittelalter, in: Wissensliteratur im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Bedingungen, Typen, Publikum, Sprache (Wissensliteratur im Mittelalter 13), hg. von Horst B RUNNER / Norbert Richard W OLF (Wiesbaden 1993) S. 91-130 und Antoni M A ˛ CZAK , Travel in Early Modern Europe (Oxford 1995). - Darüber hinaus veranstaltete Werner Paravicini in Zusammenarbeit mit dem Institut für Europäische Geschichte Mainz, dem Kunsthistorischen Institut Florenz, der Bibliotheca Hertziana Rom und den Deutschen Historischen Instituten in London, Rom und Warschau ein zweiteiliges internationales Kolloquium zum Thema „Grand Tour - Adliges Reisen und europäische Kultur vom 14. bis zum 18. Jahrhundert“ (1. Teil: 19.-20. November 1999 in der Villa Vigoni [Loveno di Menaggio/ Norditalien], 2. Teil: 24.-25. November 2000 im Deutschen Historischen Institut in Paris [Kongressbericht in Vorbereitung] ). - Vgl. außerdem die Studie von Jennifer R. G OOD - MAN , Chivalry and Exploration, 1298-1630 (Woodbridge 1998), in der die Verfasserin das Fortleben der letztlich hochmittelalterlichen Ritterideale bis weit in die Neuzeit hinein beleuchtet. 12 Vgl. Deutsches Wörterbuch, hg. von Jacob und Wilhelm G RIMM (Leipzig 1893) 8, S. 718-723 (s.v. reise), „im engeren sinne ‚aufbruch zum kriege‘ (die im mittelhochdeutschen und althochdeutschen herrschende, im mittelniederländischen einzige bedeutung)“ und S. 734-739 (s.v. reisen), sowie darüber hinaus P ARAVICINI (wie Anm. 9) 2, S. 13-46, c. VII 1. „Reise und ‚Reisen’“. <?page no="73"?> deuten. Es war vielmehr integraler und selbstverständlicher Bestandteil dieser standesgemäßen adligen Übung. War die adlige Jakobspilgerfahrt wie auch die Reise ins Heilige Land, wie bereits angedeutet, meist in einen übergeordneten Zusammenhang eingebettet, so werden wir nicht allzu überrascht sein, wenn wir aus den Rechnungen der spätmittelalterlichen Preußenreisenden erfahren, daß diese edlen Herren auf ihren Reisen aus den unterschiedlichsten Gründen sowohl profane als auch sakrale Orte aufsuchten. In den aus den Rechnungseinträgen konstruierten Itineraren der Preußenreisenden stoßen wir immer wieder auf Kirchen und Kapellen längs des Wegs, an denen die Reisenden Station machten, um zu beten bzw. für sich selbst oder für andere beten und Messen lesen zu lassen. Auch hinterließen die Adligen an Orten wie diesen Tafeln mit Wappenschilden als heraldische Belege ihrer Anwesenheit und gleichsam zur Information für nachfolgende Reisende. Denen dürften sich die Wände von Herbergen, repräsentativen Wappenhöfen in Schlössern und Burgen (wie andernorts auch die in Rathäusern und Universitäten), aber auch die Wände von sakralen Orten bisweilen dargestellt haben wie sukzessive ergänzte Adelsmatrikeln oder wie regelrechte Wappenbücher an der Wand 13 , die dazu einluden, sich selbst durch das Anbringen oder Aufmalen seines eigenen Wappens in diesen ehrenvollen Zusammenhang einzubringen. Überliefert ist das im Zusammenhang mit den Preußenreisen - wenn auch nur indirekt aus den schriftlichen Quellen - zum Beispiel für den Dom zu Königsberg, mit guten Gründen zu vermuten ist es ebenfalls für die Königsberger Vorstadtkapellen St. Anton und St. Georg sowie für die lokalen Wallfahrtskirchen Arnau und Juditten 14 . Gleichwohl gab es in Ostmitteleuropa keine den Peregrinationes maiores vergleichbaren Pilgerziele 15 , so daß wir die adlige Mobilität von West nach Ost in erster Pilgerfahrten und Reisen von West nach Ost und von Ost nach West 63 13 Vgl. mit zahlreichen Beispielen Detlev K RAACK , „Les armoriaux sur les murs“. Inscriptions et graffiti héraldiques des voyageurs nobles du XIVe au XVIe siècle: l’exemple du „vieux réfectoire“ du monastère de Sainte-Catherine au Mont Sinaï, in: Les armoriaux médiévaux (Acts du colloque international „Les armoriaux médiévaux“ Paris 21.-23. März 1994/ Cahiers du Léopard d’Or 8), hg. von Louis H OLTZ / Michel P ASTOUOREAU / Hélène L OYAU (Paris 1997) S. 137-170. 14 Vgl. Detlev K RAACK , Monumentale Zeugnisse der spätmittelalterlichen Adelsreise. Inschriften und Graffiti des 14.-16. Jahrhunderts (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, 3. Folge, Nr. 224; Göttingen 1997) S. 66 und mit weiteren ausführlichen Belegen P ARAVICINI (wie Anm. 9) 1, S. 342. 15 So umfassen die von der dänischen Königin Margarete in ihrem Testament von 1411 ausgesetzten Legate insgesamt 2000 Mark lübsch [lübeckisch], von denen die Äbte der Zisterzienserklöster Esrom und Sorö 130 Pilgerfahrten zu 44 Orten in ganz Europa sowie in Palästina finanzieren sollten, „ein offensichtlich bewußt angelegtes ‚europäisches‘ Wallfahrtsprogramm“, in dem aber bezeichnenderweise kein einziges <?page no="74"?> Linie eben doch als adlige bzw. ritterlich-höfische Standesübung betrachten dürfen. Trotzdem ist es gerade die spätmittelalterliche adlige Mobilität, die als tertium comparationis trefflich für einen Vergleich und für die Beleuchtung der beziehungsgeschichtlichen Bezüge zwischen den betreffenden Regionen der abendländischen Christenheit herangezogen werden kann und deshalb auch im Zentrum der folgenden Reflexionen stehen soll. In diesem Zusammenhang sei vorweg die für die zukünftige Beschäftigung mit unserem Gegenstand durchaus hoffnungsvoll stimmende provokative Frage erlaubt, was wir ohne die Studien Werner Paravicinis 16 , der sich nach eigenem Bekunden eben gerade um die Berücksichtigung von solchen Quellen bemüht hat, die „nicht an der Oberfläche fließen“, heute über die Preußenreisen wüßten. - Sieht man von einigen wenigen Spezialisten ab, wäre es sicher nicht allzu viel, zumindest aber wäre bestimmt nicht viel davon ins Bewußtsein der allgemeinen mediävistischen Öffentlichkeit eingedrungen. Daß die systematische Auswertung und die konsequente Analyse bislang vernachlässigter Quellen und ganzer Quellengattungen in der Regel mehr zutage fördern kann, als man vor Beginn solcher Bemühungen vermuten mag, hat gerade das Beispiel der Preußenreisen schlagend bewiesen. So ist heute fest im Bewußtsein der Mediävistik verankert, was zuvor nur einigen Fachleuten präsent war: Die spätmittelalterlichen Preußenreisen des europäischen Adels rückten den Nordosten des Kontinents aus seiner geographischen Randlage für viele der damaligen Zeitgenossen ins Zentrum persönlicher, aber auch politischer Interessen. Neben Preußen selbst traten in diesem Zusammenhang auch unterschiedliche Teile Polens, Litauens und vor allem Böhmens in den Erfahrungshorizont der reisenden Adligen. Das galt speziell für diejenigen unter ihnen, die, statt den Seeweg über die Ostsee zu benutzen, über Land reisten. Wer sich etwa auf den Rückweg von Preußen nach Venedig aufmachte, um von dort aus ein Schiff ins Heilige Land zu besteigen und damit gleichsam den Rahmen seiner Ritterreise um ein weiteres ehrenvolles Ziel zu erweitern, der kam dabei durch Böhmen. Bei dieser Gelegenheit stattete man in der Regel sowohl der Moldaumetropole Prag als auch dem Karlstein einen Besuch ab, um dann im folgenden sei- 64 Detlev Kraack Wallfahrtsziel in Ostmitteleuropa erwähnt wird, vgl. Christian K RÖTZL , Pilger, Mirakel und Alltag. Formen des Verhaltens im skandinavischen Mittelalter (Studia Historica, 46; Helsinki 1994) S. 127. 16 P ARAVICINI (wie Anm. 9), sowie zusammenfassend Werner P ARAVICINI , Die Preußenreisen des europäischen Adels, Historische Zeitschrift 232 (1981) S. 25-38. <?page no="75"?> nen Weg über die Höfe der Habsburger in Wien und Innsbruck fortzusetzen. In den Ehrenreden der Herolde Gelre und Suchenwirt ist davon ebenso die Rede wie von den weiteren Reisen zum Katharinenkloster auf dem Sinai und zum Purgatorium des Heiligen Patrick im irischen Lough Derg. Außerdem erfahren wir dort von Besuchen am Kap Finisterre im äußersten Nordwesten der Iberischen Halbinsel, wo in den Augen der Zeitgenossen zumindest das westliche Ende der damals bekannten Welt erreicht war 17 . Ähnliches gilt im übrigen auch für Chaucers „Canterbury Tales“ oder für die reichlich sprudelnde Quelle der spätmittelalterlichen Familienchroniken und Ritterromane. Für uns in diesem Zusammenhang besonders interessant: Was man in besagten schriftlichen Zeugnissen lange Zeit für reine Fiktion gehalten hatte, stellt sich oftmals nicht nur als ein Spiegelbild adliger Mentalität, sondern als eine - wenn auch in Teilen sicher idealisierte und überhöhte, aber doch oftmals an realen Begebenheiten und Personen orientierte - Beschreibung von gelebter Wirklichkeit dar 18 . Insbesondere die aus dem 14. und 15. Jahrhundert überlieferten Reiserechnungen haben dazu beigetragen, Pilgerfahrten und Reisen von West nach Ost und von Ost nach West 65 17 Um nur ein Beispiel zu nennen, sei an dieser Stelle ein von P ARAVICINI (wie Anm. 9) 1, S. 205-206 nach der Vorlage bei Suchenwirt (in der Edition von P RIMISSER [vgl. Anm. 18], Nr. XIV, Vers 205-267 [1. Reise] und Vers 268-309 [2. Reise]) angeführter Fall wiedergegeben: „Ritter Friedrich von Kreisbach aus Österreich begann um 1346 eine Reise, die ihn zuerst von Venedig nach Armenien führte und ans Heilige Grab, nach Zypern und Konstantinopel, von dort über Kaffa auf der Krim durch die ‚Tartarei‘, Rußland, Polen und Masowien nach Preußen. Weiter ritt er nach Livland, kämpfte vor Isborsk, fuhr über Meer nach Schweden, traf in Stockholm König Magnus und zog mit ihm gegen Orekhov (das von Juni bis August 1348 belagert wurde). Von Rußland segelte er nach Drontheim in Norwegen, weiter nach Schottland, England, Irland, wieder nach England, wo er an der Seeschlacht bei Winchelsea zwischen Engländern und Spaniern teilnahm (am 29. August 1350), ging in Holland an Land, zog nach Geldern, von dort (zum Jubeljahr) nach Rom und schließlich heim. Viereinhalb Jahre lang war er unterwegs gewesen. Aber kaum zurückgekehrt, begann Friedrich von Kreisbach im Jahre 1351 eine neue, ebensoweite Reise. Er schloß sich dem Feldzug König Ludwigs von Ungarn nach Rotrußland an, zog weiter ein drittes Mal nach Preußen, wandte sich von dort erneut nach Schweden, dann westwärts nach Dänemark und zog über Holstein, Westfalen und Hennegau nach Paris; von dort ritt er nach Süden, erreichte Sevilla, Granada, Valencia, Alicante, setzte nach Mallorca und Sardinien über, wagte sich nach Tunis, segelte nach Sizilien und (über die Straße von Messina) nach Kalabrien, trat seine dritte Reise zum Heiligen Grab über Rhodos und Zypern an und kehrte über Konstantinopel, Bulgarien, die Walachei, Siebenbürgen und Ungarn nach Österreich zurück.“ 18 Vgl. Wim van A NROOIJ , Spiegel van ridderschap. Herault Gelre en zijn ereredes (Amsterdam 1990) und Peter Suchenwirt’s Werke aus dem vierzehnten Jahrhunderte, hg. von Alois P RIMISSER (Wien 1827, Neudruck 1961), aber auch Maurice K EEN , Chaucer’s knight, the English aristocracy and the crusade, in: English court culture in the late middle ages, hg. von Vincent J. S CATTERGOOD / James W. S HERBORNE (London 1983) S. 45-61. <?page no="76"?> ein ebenso differenziertes wie lebensnahes Bild der bis vor einigen Jahren aus dem Wahrnehmungshorizont der Mediävisten weitgehend ausgeblendeten Preußenreisen des europäischen Adels wie auch der spätmittelalterlichen Adelsreise insgesamt entstehen zu lassen. Die Preußenreisen waren nach Ausweis dieser Quellenzeugnisse nur eines unter mehreren Zielen der zeitgenössischen Reisenden auf ihrer Jagd nach Ehre durch die mittelalterliche Ökumene. Im Rahmen der Entwicklung der spätmittelalterlichen Adelsreise von der Heidenfahrt zur Kavalierstour standen neben den Fronten des Heidenkampfes auf der Iberischen Halbinsel, im östlichen Mittelmeerraum und auf dem Balkan die Zielorte der drei Peregrinationes maiores Rom, Santiago de Compostela und das Heilige Land sowie die Höfe der europäischen Fürsten und andere ehrenvolle Orte hoch im Kurs bei den edlen Herren. Je weiter und gefahrvoller die Reise, desto höher das Maß an Ehre, das ein aus der Fremde zurückkehrender Adliger für sich beanspruchen konnte: „mobiliora - nobiliora“ könnte man in Anlehnung an zeitgenössisches Gedankengut prägnant zusammenfassen 19 . Anders gewendet bedeutet das in Bezug auf unseren Gegenstand, daß die Jakobswallfahrt damit in einen übergeordneten Zusammenhang eingebunden und im gemeinsamen Erlebnishorizont des gesamten europäischen Adels fest verankert war. Neu erschlossene schriftliche und heraldische Quellen sowie meist vereinzelt und in der Regel eher zufällig auf uns gekommene zeitgenössische Realien lassen hier manch neue und unerwartete Sicht der Dinge zu. Außerdem hält die durch diese Neuentdeckungen motivierte nochmalige intensive Lektüre längst edierter, aber deshalb noch lange nicht erschöpfend ausgewerteter Textzeugnisse manche Überraschung bereit. So beschäftigt sich die aktuelle mediävistische Forschung bei dem Be- 66 Detlev Kraack 19 Zum Erwerb von Ehre durch Reisen und zur spätmittelalterlichen Adelsreise allgemein vgl. P ARAVICINI (wie Anm. 11) und weiterhin zum Reisen im Spätmittelalter Peter M ORAW , Reisen im europäischen Spätmittelalter im Licht der neueren historischen Forschung, in: Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Ein internationales Symposium an der Justus-Liebig-Universität Gießen vom 3. bis 8. Juni 1991, hg. von Xenia von E RTZDORFF / Dieter N EUKIRCH (Amsterdam 1992) S. 113-139, sowie unter besonderer Berücksichtigung der spätmittelalterlichen Fernreisen die Beiträge in: Fernreisen im Mittelalter, hg. von Folker R EICHERT , Das Mittelalter. Perspektiven mediävistischer Forschung 3 (1998), Heft 2. - Vgl. dazu von polnischer Seite die Forschungen von Jacek Wiesiol / owski (siehe Wiesiol / owskis Beitrag in diesem Band), und die Beiträge in dem Posener Kolloquiumsband: Pielgrzymki w Kulturze redniowiecznej Europy (Die Pilgerfahrt in der Kultur des spätmittelalterlichen Europa) (Poznan´ skie Towarzystwo Przyjació NAUK. Sprawozdania Wydzia u NAUK o Sztuce 110 [1992]), hg. von Jacek W IESIOL / OWSKI (Posen 1993). <?page no="77"?> mühen um ein besseres Verständnis der spätmittelalterlichen adligen Mobilität intensiv mit der Auswertung von Reiserechnungen, Geleitschreiben 20 und Wappenbüchern, aber auch mit zeitgenössischen Ritterromanen und mit anderen Werken der fiktionalen Literatur. Darüber hinaus hat man in den letzten Jahren verstärkt auch die von Reisenden während oder nach der Reise gestifteten bzw. in Auftrag gegebenen mehr oder weniger monumentalen, zumindest aber nichtschriftlichen Zeugnisse der bildenden Kunst in die diesbezüglichen Überlegungen einbezogen 21 . Dies gilt in ganz ähnlicher Weise für die ephemeren heraldischen Verewigungen längs der Reisewege der Adligen und Patrizier 22 . Von den allerorten hinterlassenen Wappenschilden oder heraldischen Zeichnungen der Reisenden berichten etwa zahlreiche zeitgenössische Gewährsleute. Außerdem haben sich heraldische wie auch sonstige Graffiti der edlen Herren bis heute an verschiedenen Orten erhalten und harren noch in großer Zahl der Identifizierung und Interpretation. III. Beteiligung polnischer Reisender Fragt man nun speziell nach der Beteiligung der Polen, Böhmen und Ungarn an den standesgemäßen Reiseaktivitäten des europäischen Adels, die eben auch den Besuch am Grab des Heiligen Jakobus ein- Pilgerfahrten und Reisen von West nach Ost und von Ost nach West 67 20 Vgl. dazu speziell auch zu Geleitschreiben im Zusammenhang der Preußenreisen Werner P ARAVICINI , „Fürschriften und Testimonia“. Der Dokumentationskreislauf der spätmittelalterlichen Adelsreise am Beispiel des kastilischen Ritters Alfonso Mudarra 1411-1412, in: Studien zum 15. Jahrhundert. Festschrift für Erich Meuthen, hg. von Johannes H ELMRATH / Heribert M ÜLLER in Zusammenarbeit mit Helmut W OLFF , 2 Bde. (München 1994) 2, S. 903-926. 21 Werner P ARAVICINI , Verlorene Denkmäler europäischer Ritterschaft: Die heraldischen Malereien des 14. Jahrhunderts im Dom zu Königsberg, in: Kunst und Geschichte im Ostseeraum (Homburger Gespräche 12; Kiel 1990) S. 67-167 (mit 69 Abbildungen). 22 Vgl. hierzu wie auch zum Reisen im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit allgemein K RAACK (wie Anm. 14). - Vgl. zu entsprechenden Zeugnissen entlang der Jakobswege Peter L INGENS , Medieval and Post-Medieval Graffiti by pilgrims as sources in pilgrimage research, in: Actas del Congresso de Estudios Xacobeos (Santiago de Compostela 1995) S. 489-494; Detlev K RAACK , Monumentale Zeugnisse der spätmittelalterlichen Adelsreise auf den Wegen nach Santiago de Compostela, in: Der Jakobskult in „Kunst“ und „Literatur“. Zeugnisse in Bild, Monument, Schrift und Ton (Jakobus-Studien 9), hg. von Klaus H ERBERS / Robert P LÖTZ (Tübingen 1998) S. 109- 125, und demnächst übergreifend Detlev K RAACK / Peter L INGENS , Bibliographie zu historischen Graffiti zwischen Antike und Moderne (Medium Aevum Quotidianum, Sonderband 11; Krems 2001). <?page no="78"?> schlossen, so kann die Antwort angesichts der bereits ausgeführten Überlegungen nur lauten, daß dieses Phänomen keineswegs an den Edlen der betreffenden Regionen vorbeiging. In Bezug auf die Preußenreisen bedeutete dies, daß seit dem Frieden von Kalisch von 1343 bis zur polnisch-litauischen Union von 1386 und vereinzelt wohl sogar darüber hinaus in jeweiliger Abhängigkeit von der großpolitischen Lage durchaus auch Ostmitteleuropäer, darunter nicht wenige Polen, an diesen Unternehmungen beteiligt waren. Davon zeugt nicht nur die schriftliche, sondern insbesondere auch die heraldische Überlieferung 23 . Andererseits begaben sich einige der Adligen, die ursprünglich in der Absicht aus Westeuropa an den Hof des Hochmeisters des Deutschen Ordens nach Preußen gekommen waren, um an der Seite ihrer Gastgeber gegen die heidnischen Litauer zu ziehen, als sich diese Option des Heidenkampfes zerschlug, anschließend wie selbstverständlich an den Hof des polnischen Königs in Krakau, um wie Heinrich von Lancaster 1352 mit ihm gegen die Tataren zu kämpfen. Abgesehen davon, daß der polnische 68 Detlev Kraack 23 Werner P ARAVICINI , Heraldische Quellen zur Geschichte der Preußenreisen im 14. Jahrhundert, in: Werkstatt des Historikers der mittelalterlichen Ritterorden. Quellenkundliche Probleme und Forschungsmethoden (Ordines militares - Colloquia Torunensia Historica, 4), hg. von Zenon Hubert N OWAK (Thorn 1987) S. 111-134, darin speziell Anhang 2 „Geographische Herkunft der in den Wappenrollen Bellenville genannten Personen“ (S. 126), und Anhang 3 „Polen in den Wappenbüchern Bellenville und Gelre und im Ehrentischverzeichnis von 1385“ (S. 127-129) sowie zusammenfassend: „Einzigartig ist der hohe, bislang kaum vermutete Anteil von Polen und Schlesiern. [...] Die polnische Forschung sollte sich dieser Leute annehmen, um zu ermitteln, wie es zwischen dem Frieden von Kalisch (1343) und der Erhebung Jagiellos von Litauen (1386) zu dieser für eine vergangene nationalistisch-anachronistische Geschichtsschreibung überraschenden Hilfe polnischer Edelleute für den Deutschen Orden gekommen ist. König Ludwig von Ungarn und von Polen (1370-1382) ist in seiner Jugend gegen die Litauer zu Felde gezogen. Vor einigen Jahren schon hat Professor Karol Górski mich auf die Verbindung des Ritters Odrowaz in Kleinpolen mit der masowischen Partei aufmerksam gemacht. Er hat damit eine Richtung gewiesen, in der weiter gesucht werden mag.“ (S. 124). - Vgl. dazu von polnischer Seite Karol G ÓRSKI / Jan P AKULSKI , Udzial Polaków w Krzyzackich rejzach na Litwe w latach siedemdziesiatych i osiemdziesiatych XIV stulecia (Die Beteiligung der Polen an den Reisen [= Kriegszügen] des Deutschen Ordens gegen Litauen in den 70er und 80er Jahren des 14. Jahrhunderts), Zapiski Historyczne 52 (1987) S. 39-58 sowie Adam H EYMOWSKI , Les chevaliers polonais de l’époque de Louis le Grand représentés dans l’Armorial Bellenville (avec illustrations), in: King Louis the Great, King of Hungary and Poland (East European monographs 194), hg. von Steven Béla VÁ RDY / Géza G ROSSCHMID / Leslie S. D EMONKOS (New York 1986) S. 155-190; DERS ., Herby polskie w paryskim Armorial Bellenville, Studia Zród oznawcze. Commentationes 32/ 33 (1990) S. 113-126 (mit 15 Abbildungstafeln und einer französischen Zusammenfassung „Les blasons polonais dans l’Armorial Bellenville“, S. 126-127), und DERS ., La chevalerie du royaume de Pologne dans les armoriaux occidentaux des XI- Ve et XVe siècles, in: H OLTZ / P ASTOUOREAU / L OYAU (wie Anm. 13) S. 339-360. <?page no="79"?> König Kasimir der Große dem Hochmeister Winrich von Kniprode im Herbst 1366 selbst einen mehrtägigen Besuch auf der Marienburg abstattete, geben die Rechnungen des holländisch-hennegauischen Magnaten Jean de Blois uns ganz konkrete Auskunft darüber, daß er am 8. und 17. April 1369 in Königsberg „vier Ritter und Knappen aus Krakau, die gerade gekommen waren“ als seine Gäste empfing 24 . Nachrichten wie diese deuten darauf hin, daß bereits in der Region selbst intensive Austauschprozesse zwischen dem Deutschen Orden, seinen polnischen Nachbarn und den zugereisten westeuropäischen Adligen stattfanden, die den Rahmen rein politischer Kontakte bei weitem überschritten und auch intensive kulturelle Wechselwirkungen gezeitigt haben dürften. Wie bereits angedeutet, standen darüber hinaus zumindest die Eliten der Regionen Ostmitteleuropas in ständigem Kontakt und Austausch und bisweilen sogar in verwandtschaftlicher Verbindung mit ihren Standesgenossen in den in verschiedenerlei Hinsicht sicher nur vermeintlich zentraleren Ländern Mittel- und Westeuropas sowie mit den Territorien des Reiches und mit dem Mittelmeerraum. Polnische Adlige, darunter wohl in erster Linie die jungen Söhne bedeutender polnischer Adelsfamilien, stritten gemeinsam mit ihren westeuropäischen Standesgenossen an den Fronten der Reconquista auf der Iberischen Halbinsel und weilten gemeinsam mit diesen am Grab des Heiligen Jakobus im fernen Galicien. Darüber hinaus besuchten sie auf Hin- und Rückweg nur allzu gerne die Höfe der westeuropäischen Fürsten, um sich in höfischer Lebensart zu üben und um die in den Schlachten der Reconquista oder auf ihrer ritterlichen Fahrt gewonnene Ehre durch Triumphe auf diesem ganz anderen Felde der ritterlichen Pflichtübung abzurunden 25 . Dies ließ die westlichen Gastgeber keinesfalls unbeeindruckt, und in diesem Zusammenhang ist es durchaus bezeichnend, daß der erste Edelmann, den der französische Intellektuelle und spätere königliche Ratgeber und Prinzenerzieher Philippe de Mézière (um 1327-1405) als Ritter in seine Chevalerie de la Passion, (einen den Idealen des Kreuzzugs geweihten Ritterorden) aufnahm, ein Pole war. Von diesem wurde berichtet, er habe seit neun Jahren nicht im Sitzen gegessen oder getrunken 26 . Die intensiven Kontakte sowie die dynastischen Verbindungen der ostmitteleuropäischen Fürstenhäuser in Böhmen, Ungarn und Polen Pilgerfahrten und Reisen von West nach Ost und von Ost nach West 69 24 Vgl. zu allen drei Fällen und zu weiteren Beispielen P ARAVICINI (wie Anm. 9) 1, S. 139 sowie darüber hinaus zu Heinrich von Lancaster mit Wiedergabe der entsprechenden Zitate aus den zeitgenössischen erzählenden Quellen auch 1, S. 133 Anm. 562. 25 Vgl. dazu den Beitrag von Jacek W IESIOL / OWSKI in diesem Band. 26 Vgl. P ARAVICINI (wie Anm. 9) 1, S. 139 Anm. 613a. <?page no="80"?> nach Westen und Süden und die daraus resultierenden Wechselwirkungen zwischen den europäischen Regionen und Kulturräumen sind dazu geeignet, Begriffe wie Peripherie und Zentrum zumindest zu relativieren. Allzu stereotype Vorstellungen eines generellen Kulturgefälles von West nach Ost und von Süd nach Nord erweisen sich dabei als wenig hilfreich und eher irreführend. Die These von einer generellen Kulturferne der europäischen Randlandschaften im Norden und Osten des Kontinents scheint somit nicht haltbar. Zumindest gibt es zahlreiche, bisweilen überraschende Gegenbeispiele, und wer nur genau genug hinsieht, wird auch bei der allerorten postulierten zeitlichen Verschiebung in der kulturellen Entwicklung entlang dieser Kulturgefälle sowie bei den Unterschieden in der diesbezüglichen Intensität und Durchdringungstiefe auffällige Diskontinuitäten, Sprünge und Brüche feststellen 27 . Erinnert sei in diesem Zusammenhang nur an die kulturelle Blüte unter den Anjous in Ungarn oder unter den Jagiellonen in den unterschiedlichen Regionen Ostmitteleuropas 28 . 70 Detlev Kraack 27 So erwähnt Werner Paravicini in diesem Zusammenhang einige für unseren Fall interessante Ausnahmen: „Böhmen kannte schon unter Ottokar (gest. 1278), dann wieder unter den Luxemburgern im ganzen 14. Jahrhundert eine blühende ritterlich-höfische Kultur, Schlesien tat sich in gleicher Weise hervor, besonders in den Fürstentümern Liegnitz und Brieg. Schließlich wurde in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts der Hochmeister des Deutschen Ordens in Preußen zunehmend zu einem Landesfürsten mit einer Hofhaltung, die deutlich weltliche Züge trug.“ Werner P ARAVI - CINI , Die ritterlich-höfische Kultur des Mittelalters (Enzyklopädie deutscher Geschichte 32; München 1994) S. 30, vgl. auch ebd. S. 35-36 (Stichwort Kulturgefälle) und S. 57 (unter Verweis auf Peter M ORAW , Über Entwicklungsunterschiede und Entwicklungsausgleich im europäischen Mittelalter. Ein Versuch, in: Hochfinanz, Wirtschaftsräume, Innovationen. Festschrift für Wolfgang von Stromer, 3 Bde., hg. von Uwe B ESTMANN / Franz I RSIGLER / Jürgen S CHNEIDER [Trier 1987] 2, S. 583-622) sowie darüber hinaus unter anderer geographischer Ausrichtung Werner P ARAVICI - NI , Rittertum im Norden des Reiches, in: Nord und Süd in der deutschen Geschichte des Mittelalters, hg. von Werner P ARAVICINI (Sigmaringen 1990) S. 147-191 und auch DERS ., (wie Anm. 4) S. 401: „So unbestreitbar das west-östliche Kulturgefälle in Europa war: Es kannte doch Ausnahmen.“ 28 Vgl. die Beiträge in dem Band Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas, hg. von Frank H ADLER (Comparativ - Leipziger Beiträge zur Universalgeschichte und vergleichenden Gesellschaftsforschung VIII/ 5, Leipzig 1998). - Vgl. darüber hinaus die Kataloge zu den Ausstellungen „Budapest im Mittelalter“ (Braunschweig 1991) und „Polen im Zeitalter der Jagiellonen“ (Schallaburg 1986) sowie die geplante Jagiellonen-Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg und die Ausstellungsvorbereitungen begleitenden Aktivitäten am Geisteswissenschaftlichen Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas in Leipzig, dazu das Programm der Tagung „Die Bedeutung der Jagiellonen für Kunst und Kultur Mitteleuropas (1450- 1550)“ (Nürnberg, 29. Januar - 1. Februar 1999), Mitteilungen der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 9 (1999) S. 33-34. <?page no="81"?> IV. Die Quellen - Perspektiven für die weitere Forschung Wie sieht es vor diesem Hintergrund aber mit konkreten Quellenbelegen für Reisen und Pilgerfahrten von Ost nach West aus? Außer den bereits erwähnten verstreuten Hinweisen auf die Teilnahme von Ostmitteleuropäern an den Peregrinationes maiores oder etwa auch an den Kämpfen im Rahmen der Reconquista besitzen wir nur einige wenige Quellen, die uns hier ausführlichere Informationen liefern. Noch seltener sind die Zeugnisse, aus denen wir fundierte Antworten auf mentalitäts- und kulturgeschichtlich interessante Fragen erhalten. Der Bericht des Nikolaus von Popplau aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts gehört zu diesen wenigen Zeugnissen, doch obgleich er von einer Person abgefaßt wurde, die fraglos aus Ostmitteleuropa stammte, stellt sich hier die Frage, wie aussagekräftig diese Berichte für uns bei der Beantwortung von Fragen speziell nach einer polnischen Jakobswallfahrt und -tradition sein können. Wie repräsentativ sind diese Berichte wirklich? Und für welche Gruppe der ethnisch und konfessionell äußerst vielfältigen Bevölkerung dieser Region stehen sie? Analog stellt sich die Frage, wie die multi-ethnische Wirklichkeit in den Regionen Ostmitteleuropas von den Zeitgenossen selbst gesehen und verstanden wurde. Um wen handelt es sich etwa bei den von Popplau erwähnten Polen, den Adligen, die ihre Wappenschilde in der Kathedrale und vormaligen Moschee von Cordoba hinterlassen hatten und die die Iberische Halbinsel sicher nicht in erster Linie um der Jakobswallfahrt willen aufgesucht hatten 29 ? Warum haben diese Adligen selbst keine Berichte geschrieben? Oder kennen wir diese Berichte nur nicht? Was mag davon in den kriegerischen nachmittelalterlichen Jahrhunderten verloren gegangen sein? Oder aus ganz anderer Perspektive gefragt: Verbirgt sich dahinter womöglich eine ganz spezifische Schreibfaulheit der betreffenden Personenkreise? Hatten sie es - positiv gewendet - einfach nicht nötig, die eigene Person durch eine überzeichnete und wie auch immer stilisierte Selbstdarstellung herauszustreichen? War ihnen dies von ihrem Standesbewußtsein her verwehrt? Können bzw. müssen wir daraus gar auf ein ganz anderes Selbstverständnis der zumeist adligen oder patrizischen Reisenden aus dieser Region schließen, die bei Popplau in einem Atemzug mit Deutschen und Böhmen genannt werden? Bestand denn nicht auch hier die Notwendigkeit, eine interessierte Öffentlichkeit gezielt mit Informatio- Pilgerfahrten und Reisen von West nach Ost und von Ost nach West 71 29 Erwähnt bei Popplau im Zusammenhang der Beschreibung der Kathedrale und vormaligen Moschee von Cordoba: Dieselbige Kirche haben die Saracein oder Heyden erbauet. Darinnen hengen mehr als dreyhundert Wapfen, als Schild und Helm der Teutschen, Böheimben, Pohlen, hier zitiert nach K RAACK (wie Anm. 14) S. 421. <?page no="82"?> nen zu versorgen, um das Reisen erst zu einer in eigener Sache ehrfördernden Aktivität zu machen? Man braucht sich zum Vergleich nur die großen Patrizierfamilien in den oberdeutschen oder auch eidgenössischen Reichsstädten anzusehen, um zu verstehen, welche Bedeutung im gesellschaftlichen Wettstreit um Ehre und Ansehen dem Reisen zumindest in diesen Regionen zukam. Was wir in Bern, Nürnberg, Augsburg und andernorts bis heute anhand der von den Großen dieser Städte gestifteten Kunstwerke plastisch vor Augen geführt bekommen oder in ihren Reiseberichten lesen, ist wohl kaum anders zu deuten, als daß es hier regelrecht zu einem literarisch-ikonographischen Wettstreit zwischen den einzelnen Patrizierfamilien kam. Warum sollte dies in Metropolen wie Breslau, Krakau oder Danzig anders gewesen sein? Haben wir für Ostmitteleuropa im Verhältnis dazu mit einem anderen Verhältnis von Mündlichkeit, Schriftlichkeit und Bildlichkeit zu rechnen? Wo dürfen wir nach Gründen und Ursachen dafür suchen? Was ist hier Norm, was Sonderfall? Wie verhalten sich in diesem Zusammenhang Ausnahme und Regel zueinander, und was können wir daraus wiederum über die Reisen und Wallfahrten der deutschen und speziell oberdeutschen Adligen und Patrizier lernen? Was über die Funktion dieser Reisen für das Miteinander sowie das ständige Auf und Ab in der agonalen adligen und patrizischen Welt? Bevor Fragen dieser Art ernsthaft beantwortet werden können, wäre zunächst einmal auf breiter Basis eine - nochmalige - Sichtung des schriftlichen wie auch des ikonographisch monumentalen Quellenmaterials vorzunehmen bzw. zunächst einmal nach dessen Existenz zu fragen. In dieser Hinsicht ist die von Ilja Mieck vor nunmehr über zwei Jahrzehnten gezogene Bilanz seiner Bemühung um die Beleuchtung des Anteils der Osteuropäer an der Jakobswallfahrt noch immer aktuell: „Abschließendes wird die Compostela-Forschung zu diesem Problem und zur Gesamtthematik allerdings erst dann sagen können, wenn sich auch die mit den ‚östlichen‘ Quellen vertrauten Spezialisten diesem Fragenkomplex stärker als bisher zuwenden. Auf ihre Mithilfe durch ergänzende und weiterführende Untersuchungen bleibt sie in hohem Maße angewiesen.“ Während wir von Abschließendem in dem von Ilja Mieck angesprochenen Sinne nach wie vor weit entfernt sind, wäre im Anschluß an Miecks summierenden Gedanken von 1978 insbesondere zu fragen, wie es um die Quellenüberlieferung und -erschließung im allgemeinen wie im speziellen bestellt ist. Daß sich in den letzten Jahren viel auf diesem Gebiet getan hat, steht außer Frage. Daß man in westeuropäischen Forscherkreisen in der Regel mangelhaft bis gar nicht über die Forschungen 72 Detlev Kraack <?page no="83"?> osteuropäischer Kolleginnen und Kollegen informiert ist, kann man letzteren kaum zum Vorwurf zu machen. Dabei dürften Schwierigkeiten bei der Überwindung sprachlicher Hürden für dieses Informationsdefizit nur bedingt verantwortlich sein, zumal die Inhalte von polnischsprachigen Monographien und zentralen Artikeln in Fachzeitschriften in der Regel über französische, englische und deutsche Zusammenfassungen leicht zugänglich sind. Angesichts des im vorausgehenden nur Angedeuteten sollte klargeworden sein, daß mit den vielfältigen Fragen im Zusammenhang mit dem Ausstrahlen des Jakobuskultes nach Ostmitteleuropa ein großes Thema der weiteren Erschließung - und wohl in Teilen auch noch erst der gemeinsamen Formulierung - harrt. So wird es in Zukunft verstärkt darum gehen, sich über Ergebnisse und Methoden auszutauschen und darüber hinaus die jeweils andere Seite bewußt an den eigenen Arbeiten und konkreten Gedankenfindungsprozessen zu beteiligen. Möchte man in der jetzigen Phase der Beschäftigung mit dem Gegenstand bisweilen noch Fragen wie die nach der Existenz von - bislang nicht bekannten und möglicherweise unedierten - Reiseberichten, Reiserechnungen oder Geleitschreiben an die polnischen Fachleute herantragen, sie nach ikonographischen und heraldischen Quellen, schließlich nach der Realienüberlieferung in Ostmitteleuropa und speziell in Polen fragen, so dokumentiert das doch zweifellos nur die eigene Unkenntnis des polnischen Forschungsstandes zu diesen Dingen. Dasselbe gilt in diesem Zusammenhang für den Hinweis darauf, das Augenmerk hinfort verstärkt auf Pilgerzeichen und Reliquien bzw. Patrozinien und deren Ausbreitung zu richten. Nur weil letztgenannte Quellenzeugnisse uns für Mittel- und Westeuropa sowie für Skandinavien zum Teil ganz neue Aspekte von Pilgerfahrt und Reise vor Augen geführt haben, die die Dimensionen dieser kultur- und religionsgeschichtlichen Phänomene als Massenbewegung erst recht erkennbar werden lassen, heißt das nicht, daß man um diese Dinge nicht auch in Polen, Böhmen und Ungarn schon lange wüßte. Auch dort haben die nichtschriftlichen Quellenzeugnisse der Realienüberlieferung geholfen, diesbezügliche Konjunkturen sichtbar zu machen und sie für beziehungsgeschichtliche Fragen nach den Wechselwirkungen zwischen kulturellen Großregionen dienstbar zu machen 30 . Pilgerfahrten und Reisen von West nach Ost und von Ost nach West 73 30 Vgl. ausgehend von den wegweisenden Studien Kurt Kösters etwa Lars A NDERSSON , Pilgrimsmärken och vallfart. Medeltida pilgrimskultur i Skandinavien (Lund Studies in medieval Archaeology 7; Kimla 1989) und K RÖTZL (wie Anm. 15) sowie die Beiträge in H ERBERS / P LÖTZ , (wie Anm. 22) oder auch die im Druck befindlichen Akten der Tagung „Pilgrimsrejser i middelalderen“ (Pilgerreisen im [Spät-]Mittelalter), die im Herbst 1997 unter Leitung von Tore Nyberg in Odense abgehalten wurde. <?page no="84"?> Insofern darf man hoffnungsvoll gespannt sein, wie sich die gemeinsame Auseinandersetzung mit dem auf der Krakauer Tagung angeschnittenen Thema weiter entwickelt. Resumen: Desde el siglo XIV o antes, muchos peregrinos de la Europa central viajaron a Santiago de Compostela. Además, aristócratas bohemios, polacos y húngaros mostraron su movilidad también respecto a otras metas, formando así parte de una tendencia general de la baja edad media: no solo peregrinaron a Santiago, sino también a Roma o a Jerusalén; además participaron en expediciones de la Orden Teutónica contra los lituanos y en campañas militares contra los musulmanes en la Península Ibérica. Combatieron en las batallas de la guerra de los cien años, fueron contratados como mercenarios en Italia, y emprendieron viajes para luchar en justes o para visitar las cortes europeas por razones de honor - igual que los aristócratas de la Europa occidental. A pesar de haber de reconstruir esta movilidad de oeste a este y viceversa de manera laboriosa examinando menciones escondidas en las fuentes escritas, hoy en día podemos dibujar una imagen mucho más nítida de la misma que antes, gracias a nuevas investigaciones. Sobre todo la interpretación combinada de series como los registros de la cancillería catalano-aragonesa, juntamente con fuentes autobiográficas como los relatos de viaje, han aportado resultados interesantes. Las series catalano-aragonesas dan una impresión de los números de viajeros, mientras que relatos como el del patricio Nikolaus de Popplau de finales del siglo XV nos permiten ver dos aspectos en particular: primero el reto que representaba el encontrarse con lo ajeno, y segundo la auto-concepción de los aristócratas de esta época. En este contexto se percibe el papel que tuvieron la peregrinación y el viaje aristócrata bajo-medieval para la transferencia cultural entre el oeste y el este de Europa. Al mismo tiempo ambos fenómenos ayudaron a situar las regiones del este de la Europa central en el horizonte de percepción del mundo occidental. 74 Detlev Kraack <?page no="85"?> Jakobuskult und Jakobuswege in Polen H ENRYK S AMSONOWICZ Der Kult des Apostels Jakobus dem Älteren bildete eines der Bande, die das ganze lateinische Europa vereinigten 1 , und zwar nicht nur im ideologischen Sinne. Das Phänomen der Wallfahrten - für die kulturelle Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit kaum zu überschätzen - war von verschiedenen Einflußgrößen bestimmt. Die wichtigste war der tiefe Glaube an die wundertätige Kraft von Reliquien, die man am Bestattungsort des Heiligen erlangen konnte. Hierin fanden auch jene Wallfahrten ihre Begründung, die zum Ziel hatten, wundertätige Objekte zu gewinnen. Insgesamt sind Bitt-, Dank- und Bußpilgerfahrten bekannt 2 . Bereits die Zeitgenossen wiesen auf den Erkenntniswert der Pilgerfahrten hin. „Viele Leute laufen zu den Orten, um dort Reliquien zu besuchen ..., oftmals zur Reliquienbesichtigung durch einfache menschliche Neugier und das Interesse an neuen, nicht gesehenen Sachen getrieben“ 3 . Am Beispiel polnischer Beziehungen zu Santiago de Compostela kann nun gezeigt werden, daß noch ein anderer Typ von Wallfahrten zu erwähnen ist. Für diesen ist charakteristisch, daß die Teilnahme an diesen Pilgerfahrten die Zugehörigkeit der Pilger zum internationalen 1 Zur christlichen Einheit Europas vgl. Giorgio F ALCO , La sainte Republique Romaine (Paris 1970) S. 19, 386. Siehe auch Yves R ENOUARD , Le pèlerinage a Saint-Jaques-de- Compostelle et son importance dans le monde médiéval, Revue Historique 26 (1951) S. 254-261, 254; Peregrinationes. Pielgrzymki w kulturze dawnej Europy, hg. von Halina M ANIKOWSKA / Hanna Z AREMSKA (Warschau 1995); Pielgrzymki w kulturze s´ redniowiecznej Europy, hg. von Jacek W IESIOL/ OWSKI (Posen 1993); Norbert O H - LER , Zur Seligkeit und zum Troste meiner Seele. Lübecker unterwegs zu mittelalterlichen Wallfahrtstätten, Zeitschrift für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde 63 (1983) S. 103; Wallfahrt hat keine Grenzen, hg. von Lenz K RISS -R ETTENBECK / Gerda M ÖHLER (München 1984). 2 Aleksandra W ITKOWSKA , Peregrinatio religiosa w s´ redniowiecznej Europie, in: Peregrinationes (wie Anm. 1) S. 14; Hanna Z AREMSKA , Pielgrzymka jako kara za zabójstwo, Europa s´ rodkowa XIII-XIV w., ebd., S. 149. 3 Zitat nach Thomas à Kempis, De imitatione Christi, nach Jan D OMAN ´ SKI , Antropologiczna refleksja nad relikwiami, in: Peregrinationes (wie Anm. 1) S. 33. <?page no="86"?> Kreis elitärer Ritterschaft bestätigen sollte. Auf der Fahrt zum Grabe des heiligen Jakobus kamen die Pilger mit Themen und Problemen in Berührung, die an allen europäischen Höfen erörtert wurden. Somit trugen die Pilgerfahrten zur besseren Kenntnis der Traditionen und Sitten in Ländern bei, die zur römischen religiösen Gemeinschaft gehörten. Polen, das an der Peripherie des westlichen Christentums lag, war mit der Strömung des Jakobuskultes lediglich schwach verbunden. Über das zu erörternde Problem lassen sich zwei Thesen aufstellen: Erstens verbreitete sich der Jakobuskult in Polen recht spät. In den Gebieten des heutigen Polen tauchte er möglicherweise Ende des 13. Jahrhunderts auf, deutliche Spuren stammen erst aus dem 14. und 15. Jahrhundert. Zweitens erfaßte er in diesen Jahrhunderten zwei gesellschaftliche Kreise: Der größere Anteil der Pilger stammte aus den hanseatischen Städten, während die Magnaten, welche mit der Teilnahme an Wallfahrten ihre Zugehörigkeit zur Spitzengruppe der damaligen Ritterwelt Europas manifestierten, zu einem weitaus kleineren Personenkreis gehörten. Die erste These, d. h. die zögerliche Verbreitung des Kultes, ergibt sich vermutlich primär aus materiellen Faktoren, d. h. den Kosten einer Reise durch den halben Kontinent, sowie aus dem geringen Wissen über Europa in einem erst seit der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts christianisierten Land. Nach den Berechnungen von Norbert Ohler 4 kostete eine Wallfahrt der Lübecker Bürger nach Aachen zum Grabe Karls des Großen zweibis fünfmal weniger als die Reise nach Santiago de Compostela. Mitunter sogar um das Doppelte teurer als diese Reise auf dem Landweg war die Reise nach Rom. Wenn man die in Testamenten enthaltenen Erwähnungen berücksichtigt, die sich auf die für Pilgerfahrten bestimmten Legate beziehen, dann sollten in den Jahren 1435-1439 von 160 Wallfahrten (erwähnt in 38 Testamenten) nach Compostela fünf finanziert werden, genauso viele nach Rom, während nach Aachen 22, nach Wilsnack und Thann 21 und nach Maastricht eine Pilgerreise finanziert wurden. Die von Jeanne Vielliard veröffentlichten Listen der Pilger aus den Jahren 1379-1422 5 enthalten die Namen von 164 Personen, unter denen lediglich sieben (also ca. 4 %) Einwohner Polens sind. Diese Zahl erscheint allerdings nicht so gering, wenn man die Tatsache berücksichtigt, daß gleichzeitig nur ein einziger Pilger aus Ungarn und zwei aus Böhmen verzeichnet sind. 76 Henryk Samsonowicz 4 O HLER (wie Anm. 1) S. 25, 94. 5 Jeanne V IELLIARD , Pèlerins d’Espagne à la fin du Moyen Age, in: Homenaje a Antonio Rubió i Lluch (Barcelona 1936) 2, S. 30-36. <?page no="87"?> Zur zweiten These, die das gesellschaftliche Milieu betrifft, dem die erwähnten Pilger entstammten, lassen sich folgende Überlegungen anstellen: Alle Pilger begaben sich mit königlichen Empfehlungsbriefen (Sauf-conduits, Geleitbriefen) nach Compostela, was von ihrem hohen gesellschaftlichen Rang zeugt. In der Tat, wie die Forschungen von Mal / gorzata Wilska 6 bewiesen haben, gehörten die Teilnehmer der Wallfahrten aus Masowien den Kreisen der führenden Amtsträger dieses Herzogtums an. Alle stammten aus reichen masowischen Geschlechtern, bekleideten hohe Ämter und besaßen ausgedehnte Landgüter. Sie gehörten somit dem Kreis des internationalen Rittertums an und lebten an den Höfen nicht nur von Pl / ock und Krakau, sondern mitunter sogar von Buda oder Prag. Manchmal befanden sich unter den Pilgern die Söhne der ersten Machthaber des Herzogtums (der Woiwoden), die höchstwahrscheinlich auch mit dem Ziel nach dem Westen reisten, dort Eingang in die westliche Hofgesellschaft zu finden 7 . Für diese Kreise der Gesellschaft war die Teilnahme an den Pilgerfahrten nach Compostela ebenso wichtig wie die Beteiligung an den sogenannten Preußenreisen 8 . Beide Arten von Reisen ermöglichten den jungen Adligen den Eingang in den elitären europäischen Ritterkreis. Tatsächlich sollte das geflügelte Wort von dem in Europa vereinigten „Staat der Menschen der Feder“ (République des Lettres) oder von der „Welt des römisch-katholischen Europas“ um die überregionalen Bande der „Ritterwelt“ ergänzt werden, die ungeachtet politischer Grenzen die Höfe des Kaisers und der Könige von Frankreich, England, Ungarn und Polen vereinten. Die Teilnahme an den Wallfahrten nach Compostela gewährleistete - ähnlich wie die Beteiligung an den Preußenreisen - eine Eintragung ihrer Teilnehmer in die Prestigelisten der Wappenträger, was den Eingetragenen sozusagen den Rang eines europäischen Ritters verlieh 9 . Die Pilgerverzeichnisse erfassen jedoch nicht die Mitglieder der niederen gesellschaftlichen Schichten. Es ist kaum anzunehmen, daß sich aus Polen auch Bauern und Angehörige des niederen Adels nach Asturien begeben haben. Mit Sicherheit wurde jedoch Compostela von Kaufleuten aus den Ostseestädten besucht, die in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts dem Königreich Polen angeschlossen wurden. Die Pilger aus Deutschland machten in den Verzeichnissen um die Wende zum Jakobuskult und Jakobuswege in Polen 77 6 Mal / gorzata W ILSKA , Mazowieccy pielgrzymi do Compostelli, in: Pielgrzymki w kulturze (wie Anm. 1) S. 58, 61. 7 Ebd., S. 61; V IELLIARD (wie Anm. 5) S. 9, 15. 8 Werner P ARAVICINI , Die Preußenreisen des europäischen Adels, 1 (Sigmaringen 1989). 9 Sylwiusz M IKUCKI , Rycerstwo sl / owian´ skie w Wapenboek Gelrego, Studia Z´ ródl / oznawcze 19 (1958) S. 111. <?page no="88"?> 15. Jahrhundert etwa 12 % der Teilnehmer der Wallfahrten nach Compostela aus 10 . Von den 21 genannten Personen stammten zumindest zwei aus Danzig, was übrigens die These bestätigt, daß die Legate, die in den oben angeführten Testamenten für Pilgerfahrten bestimmt sind, tatsächlich zu diesem Zweck realisiert worden sind. Es ist bekannt, daß die Seereisen der Kaufleute aus Danzig und anderen Städten im Preußen königlichen Anteils im 15. Jahrhundert die Häfen der Iberischen Halbinsel erreichten 11 . Aus den Forschungen von Marie-Louise Favreau-Lilie ergibt sich ein vielseitiges Bild von den Beziehungen der hanseatischen Kaufleute zu Spanien 12 : Mindestens seit dem letzten Viertel des 13. Jahrhunderts (Stralsund 1280) begaben sich Kaufleute und Handwerker nach Compostela, wobei sich unter dem Pilgern auch Frauen fanden 13 . Ob diese Reisen tatsächlich vorwiegend auf dem Landweg stattfanden, der - nach der Meinung Favreau-Lilies - kostengünstiger als der Seeweg gewesen sein sollte, bleibt meines Erachtens fraglich 14 . Unabhängig von den zu tragenden Aufwendungen für einen Schiffsplatz können sowohl die Informationen über cives peregrini aus Danzig, Hamburg und Lübeck als auch eine Kostenanalyse einer viel längeren Landreise zu abweichenden Schlußfolgerungen führen. Der Weg zu Lande aus Danzig nach Compostela dauerte bei einer Entfernung von etwa 2.000 km ungefähr 70 Tage. Er führte über Lübeck, Hamburg, Gent oder - mehr südlich - über Breslau, Görlitz, Frankfurt a. M. oder sogar über Prag, Passau und Venedig, um sich dann in Paris mit der Nordroute zu verbinden und weiter nach Spanien zu führen. Eine Seereise auf der Strecke Danzig - Porto dauerte etwa 15 Tage, wobei die Zufahrt auf dem Landweg aus Krakau oder Lublin nach Danzig und dann - auch auf dem Landweg - von Porto nach Compostela etwa 8 bis 10 Tage in Anspruch nahm. Mit anderen Worten: Der Seeweg war etwa dreimal so schnell wie der Landweg, ganz abgesehen von den wesentlich geringeren Kosten. Alles in allem ist die Beteiligung der Hanseaten an den Wallfahrten deutlich sichtbar 15 , und die Gründung von Reisegesellschaften 78 Henryk Samsonowicz 10 V IELLIARD (wie Anm. 5) S. 30-36. 11 Friedrich Wilhelm H ENNING , Spanien in der Wirtschaft des 16. Jahrhunderts, Scripta Mercaturae 1/ 2 (1969) S. 8, 34; Antonio Henrique de O LIVEIRA M ARQUES , Hanza e Portugal na idade Media (Lisboa 1958); Jeanne V IELLIARD , La guide du pèlerin de Saint-Jaques du Compostelle (Mâcon 1938). 12 Marie-Luise F AVREAU -L ILIE , Von Nord- und Ostsee ans „Ende der Welt“: Jakobspilger aus dem Hanseraum, Hansische Geschichtsblätter 117 (1999) S. 93. 13 Ebd., S. 102, 115, 116. 14 Ebd., S. 130. 15 Henryk S AMSONOWICZ , Póz´ne s´redniowiecze miast nadbal / tyckich (Warschau 1968) S. 220. <?page no="89"?> für Gruppenreisen mit Schiffen (1508 sollen sich an einer Seereise 150 Pilger beteiligt haben 16 ) zeugt davon, daß sich diese bis „ans Ende der Welt“ führenden Reisen im Ostseeraum einer gewissen Beliebtheit erfreuten. Unabhängig von den gruppenweise organisierten Wallfahrten beteiligten sich daran individuell auch Vertreter der städtischen Patrizier, wie Hans von Ruden im Jahre 1377 17 . Die Wallfahrten der hanseatischen Städtebewohner und deutschen Kaufleute, die beruflich und familiär mit dem vergleichbaren gesellschaftlichen Milieu im Deutschen Reich verbunden waren und im regulären Handelsaustausch mit der Iberischen Halbinsel und Preußen standen (Einfuhr des portugiesischen Salzes und spanischen Weins), sind jedoch nicht in Analogie zu denjenigen Pilgerreisen zu sehen, an denen sich die Einwohner der polnischen Gebiete beteiligten. Die ersteren galten als Buß- und Dankpilgerfahrten, aus Polen pilgerte man dagegen an die heiligen Stätten, um Ruhm und Ehre zu erlangen. Diese Unterschiede finden eine gewisse Bestätigung in der Skala der Popularität des heiligen Jakobus in den an der Ostsee einerseits und den tiefer im Lande gelegenen Gebieten andererseits: In den hanseatischen Städten gab es zahlreiche Kirchen, die den heiligen Jakobus den Älteren zum Patron hatten. So gehörte der heilige Jakobus östlich der Elbe neben Johannes, Petrus, Nikolaus, Georg und Bartholomäus zu den fünf oder sechs populärsten männlichen Schutzheiligen der Kirche 18 . Im Landesinneren besaß der Jakobskult dagegen eine weitaus geringere Bedeutung, was sich im wesentlich selteneren Auftreten des kirchlichen Patroziniums bestätigt. Bis zum Ende des Mittelalters findet sich das Jakobspatrozinium im Gebiet Großpolens bei vereinzelten Pfarrkirchen, z. B. in Choszczna 19 , Les´ nica Wielka, Skierniewice, Lusowo, Wiekowo, Gl / uszyna - sowie in den Ordensgemeinschaften, z. B. der Dominikaner in Sandomierz; insgesamt trugen ungefähr 100 Kirchen den Namen des Apostels 20 . Die genannten großpolnischen Schirmherrschaften, die sich in der Regel auf private Kirchen innerhalb der Adelsgüter beziehen, Jakobuskult und Jakobuswege in Polen 79 16 F AVREAU -L ILIE (wie Anm. 12) S. 102, 124. 17 O LIVEIRA M ARQUES (wie Anm. 11) S. 49. 18 Matthias Z ENDER , Heiligenverehrung im Hanseraum, Hansische Geschichtsblätter 94 (1972) S. 13. 19 Vgl. W IESIOL / OWSKI , in: Pielgrzymki (wie Anm. 1) S. 1. 20 Ksie˛ ga uposaz˙en´ diecezji Poznan´ skiej, hg. von Józef N OWACKI (Posen 1950). Im Laufe der Jahrhunderte nimmt die Beliebtheit des Apostels als Patronatsheiliger allerdings zu: Gegen Ende des 18. Jahrhunderts tragen auf polnischem Gebiet 155 Pfarrkirchen das Jakobspatrozinium, das sind 2,5 % der allgemeinen Patrozinien. Vgl. dazu den Beitrag von Aleksandra W ITKOWSKA im vorliegenden Band, S. 123. <?page no="90"?> stammen erst aus dem 15. Jahrhundert und den Anfängen des 16. Jahrhunderts, ähnlich wie die dem heiligen Jakobus gewidmeten Altäre (in Da˛brówka bei Zba˛szyn oder in Ludomy bei Szamotul / y). Diese Beobachtung stimmt mit der verhältnismäßig geringen Häufigkeit des Auftretens des männlichen Vornamens überein. Wie man in Anlehnung an Angaben aus Warschau beobachten kann 21 , trugen im 15. Jahrhundert etwa 8 % der Männer den Namen des heiligen Jakobus, also wesentlich weniger als die auf die Vornamen Johannes (31 %), Nikolaus (16 %) oder Andreas (10 %) getauften Männer. In den polnischen Dörfern, in Großpolen und Masowien tritt der Name noch seltener auf: Knapp 4 % der männlichen Population trugen den Vornamen Jakob, während etwa 25 % der Männer mit dem Vornamen Nikolaus vertreten waren, 20 % mit dem Vornamen Johannes, 8 % mit dem Vornamen Andreas 22 . Im Preußen Königlichen Anteils war der Vorname Jakobus dagegen wesentlich populärer, vor allem in den Städten (etwa 15 %) 23 . Es ist wohl auch kein Zufall, daß gerade in Danzig eine Gilde unter der Schirmherrschaft des heiligen Jakobus gegründet wurde, deren Tätigkeit sich in Anlehnung an die Rechnungen aus den Jahren 1494-1520 erkennen läßt 24 . Die Gilde verwaltete ein Hospital, d. h. eine Herberge für Hilfsbedürftige, darunter auch Pilger und - abweichend von der Jakobusbruderschaft in Soest - Schiffer. Letztere gehörten samt einigen begüterten Kaufleuten dem Kreis der „Älteren“ (olderleute) an. Den Rechnungsbüchern dieser Gilde lassen sich zusätzliche Informationen über die Pilgerfahrten entnehmen. Hier dominieren zwar Informationen über kurzfristige, in der Regel zu etwa 9 % erteilte Anleihen, aber auch der An- und Verkauf von Grundstücken oder Häusern ist dokumentiert. Die Einkommen wurden unter die Mitglieder der Gilde verteilt, es scheint aber, daß ein Teil davon für die Finanzierung der Pilgerfahrten nach Compostela bestimmt war. Wie groß dieser Anteil ist, läßt sich schwer sagen, es ist jedoch - anhand der Rechnungen - anzunehmen, daß er etwa 1/ 3 der Gewinne ausmachte. Zusammenfassend ist also festzustellen, daß die Wallfahrten zum heiligen Jakobus aus den Gebieten des polnischen Staates im Unterschied zu den mit der Hanse verbundenen Ostseestädten eher eine sel- 80 Henryk Samsonowicz 21 Auf der Grundlage von: Ksie˛ ga Radziecka miasta Starej Warszawy, hg. von Adam W OLFF , 1 (Breslau 1953). 22 Auf der Grundlage von: Wielkopolskie Roty Sa˛dowe XIV-XV wieku, 2, hg. von Henryk K OWALEWICZ / Wl / adysl / aw K URASZKIEWICZ (Warschau 1960). 23 Wojewódzkie Archiwum Pan´ stwowe, Gdan´ sk, Schöffenbuch 1490-91, Nr. 300.43.4b. 24 Wojewódzkie Archiwum Pan´ stwowe, Gdan´ sk, Hospitalia, Nr. 300.61.67. <?page no="91"?> tene Erscheinung waren, die den hohen gesellschaftlichen Rang und die Zugehörigkeit der Teilnehmer zur Machtelite bestätigen sollte. Resumen: El artículo trata del culto de Santiago en Polonia. Señala primero la extensión de tal culto, que tan solo se puede probar a partir del siglo XIII. Después llama la atención a los viajes de caballería que quedan demostrados por los salvoconductos expedidos por los monarcas aragoneses. Finalmente nombra las peregrinaciones más importantes del área de la Liga Hanseática, donde la peregrinación iba vinculada al comercio y a los mercaderes. En general, parece que la devoción a Santiago fue más marcada en estas áreas que en Polonia, lo que lleva consecuencias a la hora de estructurar el espacio devocional centroeuropeo. Jakobuskult und Jakobuswege in Polen 81 <?page no="93"?> Teil II: Spuren und Zeichen des Kultes in Ostmitteleuropa Die polnischen Reisen nach Compostela im 14. und 15. Jahrhundert Diplomatische Beziehungen und adeliges Bildungsideal J ACEK W IESIOL / OWSKI Um die Bedeutung der Mobilität würdigen zu können, muß man sich der Distanz, die auf einer Pilgerreise vom Königreich Polen nach Compostela zu bewältigen war, bewußt werden. Nach dem Beispiel der wohlbekannten Routen vom Königreich Polen nach Rom läßt sich sagen, daß eine Reise von Posen oder Krakau nach Santiago in circa 90 Etappen (Reisetage) eingeteilt werden mußte. Eine Pilgerreise von Wilna forderte weitere 20 Reisetage, von Kiew zusätzlich einen Monat. Ein Pilger aus dem Rheinland oder aus Bayern hatte lediglich zwei oder zweieinhalb Monate zu reisen. Die Wallfahrt von Paris aus war in anderthalb Monaten zu bewältigen. Die tatsächliche Zeit einer Pilgerreise war natürlich länger, da sie auch das Aufsuchen der wichtigsten Wallfahrtsorte einschloß. Der Weg der Pilger führte nicht direkt nach Compostela, sondern von Heiligtum zu Heiligtum. Für Adelige und Patrizier müssen zusätzlich noch die Aufenthalte in größeren Städten sowie Bischofs- und Fürstenresidenzen einbezogen werden. Nicht zu vergessen die Rückreise - die Anzahl der gesamten Reisetage verdoppelte sich demnach. Eine Reise von Krakau nach Compostela dauerte fast doppelt so lange wie eine Pilgerfahrt nach Rom, die nur 50 Reiseetappen umfaßte. Eine Reise von Posen nach Galicien bedurfte nahezu desselben Zeitraums wie eine Fahrt in das Heilige Land, von Kiew ist die Entfernung nach Palästina sogar geringer als nach Santiago. Die Pilgerwege vom Königreich Polen und vom Großherzogtum Litauen nach Santiago waren überhaupt die längsten im damaligen katholischen Europa, mit denen nur die (angeblichen) Pilger vom norwegischen Polarkreis „wetteifern“ könnten. Gleichzeitig war es die anstrengendste Pilgerroute überhaupt. Die Fahrt nach Galicien wurde hauptsächlich zu Pferde bewältigt, seltener <?page no="94"?> zu Fuß. Eine Reise von Krakau in das Heilige Land bedeutete zuerst eine einen Monat lang dauernde Fahrt nach Venedig, von wo aus es per Seeweg nach Akkon ging. Im Heiligen Land selbst waren die Routen kurz. Auch die Fahrten von den Hansestädten und von England nach Compostela unternahm man zu Schiff. Die Angst vor den Gefahren einer Schiffahrt war in Polen größer als die körperlichen Strapazen des Landwegs. Es stellt sich weiterhin die Frage nach den Kosten einer solchen Reise. Selbstverständlich gab es Pilger, die zu Fuß mit einem Stock in der Hand über die Straßen zogen und von Almosen lebten. Dieser Typ Pilger scheint aber nicht sehr häufig an den Reisen zum weit entfernten Wallfahrtsort Compostela teilgenommen zu haben. Für einen Ritter mit seinem Knecht betrugen die Reisekosten nicht weniger als 200 polnische Marken, was dem Wert eines gut bewirtschafteten Dorfes entsprach. Am Anfang des 16. Jahrhunderts reiste der junge Jan Tarnowski, einer der wohlhabendsten Adeligen in Polen, mit einer Gruppe Begleiter in das Heilige Land und nach Compostela. Vor dem Antritt der Reise verpfändete er Dörfer im Wert von 1000 polnischer Mark. Das Geld reichte nur für die Fahrt in das Heilige Land, nach den Sinai und für die Rückreise nach Italien. In Rom mußte er das Geld für die Weiterfahrt sogar von den Banken leihen. Es ist allgemein bekannt, daß jede Pilgerfahrt ihre spezifischen sozialen Bezüge besaß. Die größten Wallfahrten nach Rom, Compostela oder in das Heilige Land setzten sich aus Reisenden anderer sozialer Stellung zusammen als die Pilgerfahrten der Bewohner Kleinpolens zum Grabe des Heiligen Stanislaus in Krakau oder die der Bewohner Großpolens zum Wallfahrtsort Corpus Christi in Posen. Eine Analyse der die Genehmigungen für die Reisen ins Heilige Land aufführenden Lizenzlisten, die in der päpstlichen Kanzlei in den Jahren 1410-1411 angefertigt wurden, hat ergeben, daß zwei Drittel der polnischen Pilger dem Bürgertum der Großstädte und ein Drittel dem reichen Adel (Magnaten) entstammten. Eine ähnliche Dominanz der Magnaten und Patrizier findet sich bei den Pilgern, die zu Ende des 15. Jahrhunderts und zu Beginn des 16. Jahrhunderts als Mitglieder der römischen Bruderschaft Santo Spirito registriert waren. Patriziat und reicher Adel machten die Mehrheit der Pilger aus. Der Anteil der Frauen sowohl an den Reisen nach Rom als auch in das Heilige Land betrug circa zehn Prozent. Dagegen war der Anteil der Geistlichen unterschiedlich, da in Rom oder im Heiligen Land verschiedene Ziele verfolgt wurden. Polnische Wallfahrten nach Compostela haben, den schriftlichen Quellen nach, eine ganz andere Zusammensetzung. Es fehlen Geistliche, Vertreter des Bürgertums 84 Jacek Wiesiol / owski <?page no="95"?> und Frauen. Es handelt sich um eine wesentliche Änderung in der Zusammensetzung der Pilger. Nach Compostela reisten ausschließlich Ritter mit ihren Knechten. Als Ursachen können unter anderem die großen Entfernungen und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten der Reise genannt werden. Merkwürdigerweise gibt es jedoch keine Beweise dafür, daß die polnischen Ritter, die im 14. Jahrhundert nach Avignon zu den Päpsten reisten, ihre Reisen nach Compostela fortsetzten. Der Ruhm von Compostela als Heiligtum gelangte ziemlich früh nach Polen. 1935 entdeckte man bei den Ausgrabungen eines Friedhofes in Ostrow Lednicki (11.-13. Jahrhundert), das zwischen Posen und Gnesen liegt, eine Jakobsmuschel mit den zwei Öffnungen, die ihr Anbringen an das Pilgerkleid ermöglichten. Im 13. Jahrhundert existierten auch Kirchen in Großpolen, die dem heiligen Jakob gewidmet waren. 1296 stiftete Nicolaus von Gostyn, Woiwode von Kalis und einer der mächtigsten Magnaten in Großpolen, eine Kollegiatskirche, die den Namen des heiligen Jakobus trägt. Schriftliche Quellen, die Auskunft über die Pilger nach Compostela geben, stammen aus viel späterer Zeit. Dabei handelt es sich vor allem um ausländische, speziell französische und spanische Berichte. Die Informationen in den polnischen Quellen sind nicht nur sehr spärlich, sondern auch unpräzise. Am 15. April 1379 stellte die Kanzlei des aragonesischen Königs Peter IV. einen Geleitbrief für vier polnische Ritter aus. Es war die erste namentlich bekannte Gruppe, die sich nach Compostela begab. Es handelte sich dabei um Stanislaus de Vederkere, Swenthoslaus de Schubyn, Clemens de Mokrsko und Jacobus Cztan. Sie alle waren Hofleute des polnischen und ungarischen Königs Ludwig I. und entstammten mit Ausnahme des ersten aus den mächtigsten und wohlhabendsten Magnatenfamilien Polens. Diese Familien gehörten der angevinischen Partei in Polen an und wurden von der Königsmutter Elisabeth unterstützt. Elisabeth Lokietek war Statthalterin ihres Sohnes in Polen und gehörte zu den schönsten und intelligentesten Königinnen des 14. Jahrhunderts. Sie kannte die politischen Verhältnisse in Europa ausgezeichnet und leitete zum Ende des Lebens ihres Mannes und in der Regierungszeit ihres Sohnes die Außenpolitik der ungarischen Dynastie in Polen. Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts lagen die Ämter der Woiwoden und der Kastellane in Großpolen in den Händen der Familie des Swenthoslaus Paluka von Schubyn, und seit Mitte des 14. Jahrhunderts wurden ihre Mitglieder wiederholt zu Bischöfen von Kujavien gewählt. Die Oberhäupter der Familie waren zu dieser Zeit Zbylut, Bischof von Kujavien und der älteste Bruder des Swenthoslaus, sowie Sandivogius von Die polnischen Reisen nach Compostela im 14. und 15. Jahrhundert 85 <?page no="96"?> Schubyn, Starost von Krakau und nächster Vertrauter der Königin. Swenthoslaus war Geistlicher und hatte einige Jahre das Amt des Kujaver Kustos und des Propstes von Kruszwica inne. Kurze Zeit vor der Reise gab er jedoch den geistlichen Stand auf, ehelichte eine der reichsten Erbinnen in Großpolen und wurde zum Unterkämmerer von Posen. Jakobus Cztan von Kobylany stammte aus einer Familie, die einen ähnlichen sozialen Status besaß. Die Mitglieder dieser Familie gehörten seit der Mitte des 13. Jahrhundert zu den wohlhabenden Magnaten von Großpolen. Jakobus war Neffe des Erzbischofs von Gnesen, eines der nächsten Vertrauten des 1370 verstorbenen Königs Kasimir des Großen. Zwei Jahre vor Antritt der Reise erbte er das Vermögen seines Vaters und einen Teil der Güter, die der Erzbischof der Familie geschenkt hatte. Damit stieg er in die Gruppe der reicheren Magnaten in Polen auf. Clemens von Mokrsko war das jüngste Mitglied der Gruppe. Er war der jüngste Sohn des Clemens, Kastellan von Radom, und Neffe des Bischofs von Krakau, Florian von Mokrsko. Bei dieser Dominanz der Mitglieder aus bekannten und reichen Adelskreisen ist es äußerst bemerkenswert, daß Stasko von Vederkere, ein aus dem Kleinadel stammender Ritter, zu ihrem Anführer wurde. Sogar die Ortschaft Wrocimowice, die er als Vederkere übersetzt hatte (wrocic - wiederkehren), war das Erbe seiner Frau. Seine Position am angevinischen Hof verdankte er Königin Elisabeth. Er war ein älterer, erfahrener und weltgewandter Ritter, der vermutlich seit längerer Zeit im diplomatischem Dienst der Angevinen war, was allerdings noch mit ungarischen Quellen zu verifizieren wäre. Man muß noch hinzufügen, daß er einige Jahre später (1385) zum Mitglied der ehrenvollen Tafelrunde der Deutschordensritter auf der Marienburg wurde. Bei den drei Neffen polnischer Bischöfe scheint es sich um geeignete Kandidaten für eine fromme Pilgerfahrt nach Compostela gehandelt zu haben. Jedoch ist diese Gruppe, milites de Polonia unter der Leitung des Stasko von Vederkere am Hof des Gegenpapstes Clemens VII. mit dem „rotulus supplicationum“ anzutreffen, und dies bereits zwei Wochen nach dessen Wahl (19. November 1378), die von Ludwig nicht anerkannt wurde. Der Vergleich mit weiteren diplomatischen Schachzügen des Königs zu dieser Zeit zeigt, daß die noch während des Konflikts zwischen Papst Urban VI. und den Kardinälen von Ungarn nach Italien entsandten polnischen Ritter als Beobachter delegiert wurden. Sie hatten den Auftrag, die für den angevinischen Hof interessanten Handlungen des Papstes zu beobachten. Eine Rolle spielten dabei die Interessen des Königs Ludwig in Neapel sowie allgemeine kirchliche Angelegenheiten. Polnische Hofleute waren weniger verdächtig als gebürtige Un- 86 Jacek Wiesiol / owski <?page no="97"?> garn. Aller Wahrscheinlichkeit nach begaben sie sich, nachdem der Papst nach Avignon abgereist war, weiter nach Rom. Über die via francigena gelangten sie nach Frankreich, wo sie den Winter verbrachten. Anschließend setzten sie ihre Reise auf der bekannten Route am Meer nach Aragón und Compostela fort. Für die ungarische Diplomatie war auch der Standpunkt der Herrscher von Aragón oder Kastilien im kirchlichen Schisma wichtig. Eine Pilgerfahrt nach Compostela und die Rückfahrt über Frankreich oder England waren ein guter Deckmantel für eine Spionagemission. Hinzuzufügen wäre, daß für die jungen Mitglieder der Gruppe, Jakobus von Kobylany und Clemens von Mokrsko, eine solche Reise, die man auch mit späteren Reisen der reichen Kinder der Aristokratie vergleichen könnte, einen sehr großen erzieherischen Wert hatte. Eine weitere polnische Gruppe erhielt am 2. Januar 1380 Geleitbriefe von dreimonatiger Gültigkeit vom aragonesischen König. Es handelte sich dabei um Paszek, genannt Zlodziej aus Biskupice, der jüngere Sohn des Kastellan von Biecz, den polnischen Quellen bisher unbekannt, und den älteren Jan Pilik von Sierpc von Masovien, Truchseß von Gostyn. Dieser war dem Hof des Herzogs von Plock Ziemowit IV., des späteren Woiwoden von Masovien, der sehr aktiv auf dem Felde der internationalen Politik war, verbunden. Er fiel heldenhaft in einer Schlacht mit den Tataren im Jahre 1399. Die am 2. Januar ausgestellten Geleitbriefe weisen darauf hin, daß die Gruppe noch im Sommer oder spätestens im September 1379 in Polen aufgebrochen war. Wir wissen nicht, welche Wege sie nach Aragón nahmen, vermutlich reisten sie durch Deutschland und Frankreich. Am 10. Juni 1380 erhielten Pawel von Radzanow, Vexillifer (Fahnenträger) von Warschau, und seine acht Begleiter einen aragonesischen Geleitbrief. Pawel war mit dem Hof Janus I., des zweiten Herzogs von Masovien und Fürsten von Warschau und Czersk, verbunden. Er war ein politisch aktiver Mensch, der oft ins Ausland reiste. Zur gleichen Zeit erschien am aragonesischen Hof zum zweiten Mal Jan Pilik, der einen mit dem Datum vom 10. Juni 1380 versehenen Geleitbrief nach Compostela erhielt. Die Reisen der beiden Vertreter der Fürsten von Masovien scheinen eher mit Diplomatie und Spionage, als mit einer frommen Wallfahrt nach Santiago in Verbindung zu stehen, was angesichts des Schismas denkbar wäre. Man vermutet, daß die Reise über den Paß von Roncesvalles, die Pawel von Radzanow unternahm, seinen Verwandten und Kastellan von Wyszogrod Sasin von Smardzew dazu veranlaßte, seine Söhne mit den Namen Roland und Turpin zu taufen. Diese Namen erfreuten sich dann über das ganze 15. Jahrhundert großer Beliebtheit in Die polnischen Reisen nach Compostela im 14. und 15. Jahrhundert 87 <?page no="98"?> dieser Familie. Kastellan Sasin und sein Sohn fielen in der Schlacht von Nicopolis (1396) gegen die Türken. Nach der Periode 1379-1380 gibt es über ein Viertel Jahrhundert lang keine Nachrichten über Pilgerfahrten von Polen nach Santiago. Erst am 20. November 1404 erhielten zwei Masovier, Andreas aus Ostoleka und Pawel Pilik, Sohn des uns bereits bekannten Jan Pilik, sowie Gniewosz aus Dalewice und Jakub, ein bisher unbekannter Hofmann des Kaisers Sigismund, Geleitbriefe vom aragonesischen König Martin sowie Empfehlungsschreiben an die Könige von Kastilien und Portugal. Pawel Pilik, Bruder von Pawel, des Woiwoden von Masovien, ist eine wenig bekannte Person. Wichtig ist aber festzuhalten, daß er die Familientradition der Pilgerfahrten nach Compostela fortsetzte. Andreas aus Ostroleka war Sohn des gleichnamigen Woiwoden von Masovien und Bruder des Stanislaw Ciolek, eines der bekanntesten lateinischen Dichter, der jahrelang als Schreiber in der königlichen Kanzlei und zuletzt als Vizekanzler des Königs Jagiello diente. Andreas stand bei Antritt der Reise noch ganz am Beginn seiner politischen Karriere, die ihm zu einem großen Teil sein Bruder ermöglichte. Allem Anschein nach war Gniewosz aus Dalowice Leiter der Gruppe. Er war ein Sohn des Gniewosz des Älteren aus Dalowice, des Unterkämmerers von Krakau und Hofmeisters der Königin Anna von Cilli (Österreich), der in seiner Jugend durch seine Unterstützung für den um die Hand der Königin Hedwig werbenden Herzog Wilhelm von Habsburg bekannt wurde. Einige Jahre nach der Reise nach Compostela wurde Gniewosz der Jüngere zum Subdapifer (Truchsess) von Krakau. Während der Schlacht bei Tannenberg (1410) übernahm er den Befehl über einen Teil der königlichen Truppen, was Rückschlüsse über seine militärischen Fähigkeiten zuläßt. Wir wissen nicht genau, ob er nach dem Vorbild seines Vaters Kontakte mit ausländischen Höfen pflegte. Genauso wenig ist bekannt, wer der die Gruppe begleitende Jakub, ein kaiserlicher Hofmann, war. Das Wissen um seine Persönlichkeit könnte bei der Entscheidung helfen, ob die Reise ein politisches oder ein diplomatisches Ziel verfolgte. Es lag gewiß im Interesse König Sigismunds, die damalige Meinung der Herrscher von Aragón, Kastilien und Portugal über den Gegenpapst zu erfahren. Mehrere Beispiele zeugen davon, daß Kaiser Sigismund sich für die Situation in Spanien stark interessierte. Genau ein Jahr nach dem Hofmann Jakub erhielt Scibor aus Sciborzyce, Kujaver von Geburt, jedoch einer der engsten Vertrauten des Kaisers, der in seinem Auftrag in Ungarn tätig war und der vom Kaiser große Ländereien in der Slovakei erhielt, einen Geleitbrief nach Compostela. 88 Jacek Wiesiol / owski <?page no="99"?> Kurz vor 1409 - ein genaueres Datum ist leider nicht bekannt - schrieb der französische König Karl VI. einen Empfehlungsbrief für Jan Farurej von Garbow an den aragonesischen König Martin. Jan war kurze Zeit zuvor vom König bei einem Turnier entdeckt worden. Er war der Bruder des bekannten polnischen Ritters Zawisza von Garbow und Hofmann Kaiser Sigismunds. Er reiste durch Europa und sammelte vermutlich wichtige Informationen für seinen Herrn wie vermutlich auch weitere Ritter. Am 2. Januar 1414 erhielt Mszczuj von Skrzynno, Starost von Opoczyn, einen Geleitbrief nach Santiago. Er war vermutlich, ähnlich wie Dunin von Skrzynno, damaliger Schreiber und späterer Vizekanzler des Königs Ladislaus II. Jagiello, ebenfalls mit dem Hof des Kaisers Sigismund verbunden. Einen deutlich politischen Charakter hatte offensichtlich die Reise des polnischen Herzogs Ludwig II., Fürst von Briege, nach Aragón und Granada. Er hatte ein Empfehlungsschreiben von König Karl VI. erhalten, das an König Ferdinand I. von Aragón gerichtet war. Seine Reise nach Aragón (wir wissen nicht genau, ob er sich dabei noch nach Compostela begab) fand im Jahre 1409 und vier Monate vor der bekannten Reise des Kaisers nach Perpignan statt. Der Kaiser suchte bei den Herrschern von Aragón Unterstützung für sein Vorgehen gegen Papst Benedikt XIII. (Luna). Es läßt sich desweiteren sagen, daß der Kaiser von Zawisza von Garbow, Bruder des erwähnten Jan Farurej, begleitet wurde. Zawisza ging im Turnier, das am aragonesischen Hof veranstaltet wurde, als Sieger hervor. Er triumphierte über den besten aragonesischen Ritter. Das Konzil von Konstanz (1414-1418) und das Ende des Schismas bewirkten, daß die erste Etappe der polnischen Reisen nach Compostela, die zu Beginn des Konfliktes aufgenommen wurden, ein Ende fanden. Diese Reisen hatten offensichtlich politischen Charakter und dienten vor allem den Interessen Ludwigs von Ungarn, der Fürsten von Masovien und Kaiser Sigismunds. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Ritter auch im Auftrag des polnischen Königs Ladislaus II. Jagiello, der sich lebhaft für die internationalen Angelegenheiten interessierte, vor allem in Bezug auf die Beziehungen zwischen dem Königreich Polen und dem Deutschen Orden, nach Compostela reisten. Aber auch wenn der Anlaß für die Reisen meist einen politischen Charakter hatte, lernten die polnischen Ritter zugleich nach Compostela zu pilgern und in die Länder zu reisen, die wie Polen zum lateinischen christlichen Europa gehörten. Während die Fahrten für die jungen Ritter einen erzieherischem Charakter hatten, gaben sie für die älteren, erfahrenen Ritter einen Anlaß, Die polnischen Reisen nach Compostela im 14. und 15. Jahrhundert 89 <?page no="100"?> sich zu beweisen, um dadurch Eingang in die ehrenvolle Runde der weltgewandten Ritter zu finden. Der Titel miles hispanicus, den viele Ritter in Polen auch noch in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts tragen, zeugt davon, daß die Tradition der Reisen nach Compostela fortgesetzt wurde. Diesen Titel führen unter anderem Jakobus aus Drzewica in Kleinpolen und Filip Jasmierski, einer der bedeutendsten Magnaten in Ruthenien. Der Bruder von Jakobus aus Drzewica, Peter, führte den Titel miles gallicus. Polnische Akzente erscheinen auch im Werk „Le Petit Jehan“ von Antoine de la Sale, der in den 20er Jahren des 15. Jahrhunderts ein Turnier in Paris beschreibt, an dem polnische Ritter, die sich auf dem Weg nach Compostela befinden, teilnehmen. Handelt es sich hierbei um einen Reflex auf eine tatsächliche Reise, die Bartosz der Ältere aus Wesemborg und seine Begleiter gemacht hatten? Derselbe de la Sale beschreibt in seinem anderen Roman „Du réconfort de Madame de Fresne“ heldenhafte Ritter, „seigneur de Plomelau baron und messire Henry de Donru, chevaliers de Poullayne“, die an der Eroberung von Ceuta durch die Portugiesen im Jahre 1415 teilnehmen. Man vermutet, daß es sich hier um einen polnischen Ritter Mateusz handelt, der sich an der Verteidigung von Ceuta im Jahre 1436 beteiligte. In den polnischen Legenden existiert sogar ein Bild eines heldenhaften Polen, der im spanischen Dienst gegen einen Mauren kämpft und ihn besiegt. Abgesehen von der historischen Exaktheit ist es wichtig, daß im polnischen Bewußtsein des 15. Jahrhunderts das Bild von einem pilgernden und für den Glauben kämpfenden Ritter existierte. Die Wallfahrten nach Compostela wurden sogar zu Propagandazwecken benutzt. Ein wohlhabender tschechischer Adeliger, Leo von Rozˇmital, Bruder der tschechischen Königin, die Ehefrau Georgs von Podiebrad war, beschreibt seine Pilgerreise zu mehreren Wallfahrtsorten in Europa, unter anderem auch nach Compostela, die er in den Jahren 1465-1467 gemacht hatte. Seine Reise sollte unter anderem beweisen, daß die tschechischen Herren ebenso gute Christen seien wie andere in Europa. Leo war in Begleitung von zwei Sekretären, die seine Reise beschrieben: den Tschechen Waclaw Saszek und den Nürnberger Ratsherrn Gabriel Tetzel. Seine Fahrt verlief von Prag über Nürnberg, Köln und Brüssel nach England, von dort aus wurde sie weiter nach Frankreich fortgesetzt. Nachdem er mehrere Residenzen der Fürsten und der Könige aufgesucht hatte, begab er sich nach Compostela. Über Portugal, Frankreich, die Lombardei und Österreich kehrte er nach Prag zurück. Aus dem Reisebericht können wir viele Informationen über Heilige Reliquien entnehmen, die sich in den aufgesuchten Heiligtümern befinden. 90 Jacek Wiesiol / owski <?page no="101"?> In den Jahren 1483-1486 unternahm der Ritter Nikolaus von Popplau, Sohn des Bürgermeisters von Breslau, Hofmann Kaiser Friedrichs III., eine Reise durch Europa. Er brach in Wien auf, reiste über Deutschland nach England und weiter zu Schiff nach La Coruña in die Nähe von Compostela. Über Portugal, Spanien, Frankreich, Deutschland und Böhmen kehrte es nach Breslau zurück. Von Popplau diente später als Gesandter am kaiserlichen Hof und wurde zweimal nach Moskau entsandt. In seinem Bericht beschreibt er die einsamen Wege eines Ritters, der auf seinen Pilgerfahrten nicht immer Vertauen weckt. Die Pilgerfahrt von Jan Tarnowski in den Jahren 1518-1519 erinnert etwas an die Reise Leos von Rozˇmital. Er war der jüngste Sohn des Kastellans von Krakau. 1513 pilgerte er nach Loretto. Nach Compostela gelangte er auf dem Rückweg aus dem Heiligen Land. Er reiste über Portugal, wo sein Aufenthalt in Lissabon von Damian de Goes verzeichnet wurde. Anschließend bereiste er Frankreich, England und Deutschland. Über Böhmen gelangte er nach Polen zurück. Der zweite Teil seines Reiseberichtes ist leider nicht genau bekannt. Die Informationen, die wir über die Fahrten der polnischen Ritter nach Compostela besitzen, zeigen, daß die Wege in diese Stadt von verschiedenen Seiten her führten. Auch die Erfahrungen der einzelnen Reisenden waren unterschiedlich. Wir können nicht viel über die Erfahrungen der Pilger sagen, da oft keine Berichte über ihre Zwischenstationen vorliegen. Es ist möglich, daß sich solche Berichte in Archiven befinden. Man müßte sie auffinden, um etwas mehr über die Reisen der polnischen Pilger nach Compostela zu erfahren. Bibliographische Notiz Jeanne V IELLIARD , Pèlerins d’Espagne a la fin du Moyen Age, Homenatge a Antoni Rubio et Lluch, Barcelone, 1936, Bd. II, S. 265-300. Jeanne V IELLIARD / Robert A VEZOU , Lettres originales de Charles VI conservées aux Archives de la couronne d’Aragon à Barcelone, in: Bibl. de l’Ecole des Chartes 97 (1936) S. 317-373. Helena P OLACZKÓWNA , O podróz˙nikach s´redniowiecznych z Polski i do Polski (Über die mittelalterlichen Reisenden von und nach Polen), Miesie˛ cznik Heraldyczny (Heraldische Monatsschrift) 5 (1937) S. 66-67. Maria W ILSKA , Mazowieccy pielgrzymi do Composteli (Compostela-Pilger aus Masovien), in: Pielgrzymki w kulturze s´ redniowiecznej Europy. Material / y XIII Seminarium Mediewistycznego (Pilgerfahrt in der Kultur des mittelalterlichen Europas. Materialien des XIII. Mediävistenkolloquiums), hg. von Jacek W IESIOL / OWSKI (Posen 1993) S. 57-67. DIES ., Pielgrzymim szlakiem z Mazowsza do Composteli. Komunikat (Auf dem Pilgerweg von Masovien nach Compostela. Ein Zwischenbericht), in: Peregrinationes Pielgrzymki w kulturze dawnej Europy (Peregrinationes. Pilgerfahrt in der europäischen Kultur des Mittelalters und der frühen Neuzeit) hg. von Halina M ANIKOWSKA / Hanna Z AREMSKA (Warschau 1995), S. 165-169. Die polnischen Reisen nach Compostela im 14. und 15. Jahrhundert 91 <?page no="102"?> Teresa D UNIN -W A ˛ SOWICZ , Les chemins polonais vers Compostelle (XII e -XIV e siècles), in: Peregrinatio gothica 4, Santiago de Compostela 1994. D IES ., S´ redniowieczne znaki pielgrzymie w Polsce (Die mittelalterlichen Pilgerzeichen in Polen. Ein Zwischenbericht), in: Peregrinationes. Pielgrzymki w kulturze dawnej Europy (Peregrinationes. Pilgerfahrt in der europäischen Kultur des Mittelalters und der frühen Neuzeit) hg. von Halina M ANIKOWSKA / Hanna Z AREMSKA (Warschau 1995) S. 328-331. Des boehmischen Herrn Leo’s von Rozˇmital Ritter-, Hof- und Pilgerreise durch die Abendlande 1465-1467, hg. von Johann Andreas S CHMELLER , Stuttgart 1844. Reisebeschreibung Niclas von Popplau Ritters buertig von Breslau, hg. von Piotr R ADZIKOWSKI , Kraków 1998. Wl / odzimierz D WORZACZEK , Hetman Jan Tarnowski, Warszawa 1985, S. 19-221. Jacek W IESIOL / OWSKI , Pielgrzymowanie Polaków do Rzymu na przel / omie XV i XVI wieku (1478-1520), in: Peregrinationes (s. o.), S.160-164. D ERS ., Pielgrzymki do Ziemi Œwiêtej w œwietle ksiêgi suplik Penitencjarii Apostolskiej z lat 1410-1411, in: Jerozolima w kulturze europejskiej, hg. von. P. P ASZKIEWICZ , T. Z ADROZ ˇ NY , Warszawa 1997, S. 195-199. Resumen: El foco central de este artículo son los viajes diplomáticos y aristocráticos de la baja edad media. En un primer paso, el autor aclara las condiciones prácticas para tales viajes: las distancias, los gastos, y los elementos sociales. Después presenta como ejemplos algunos salvoconductos expedidos por la cancillería aragonesa. El autor identifica a los cuatro aristócratas polacos allí nombrados, remarcando que todos formaban parte del grupo pro-angevino de la corte polaca. Tan sólo tres de los mismos pertenecieron a la alta nobleza, el último fue un miembro de la pequeña aristocracia. Estudios prosopográficos adicionales demuestran, que los caballeros que viajaron a la Península Ibérica estaban vinculados a las cortes de Ludovico I, del emperador Sigismundo, o a la de los duques de Masovia. 92 Jacek Wiesiol / owski <?page no="103"?> Vom Apostel zum Pilgerpatron Die Ikonographie des hl. Jakobus in der polnischen Kunst R YSZARD K NAPIN ´ SKI Die Ikonographie des hl. Jakobus des Älteren bildete sich in der polnischen Kunst im Laufe der Jahrhunderte unter Einwirkung mannigfaltiger Einflüsse heraus. Eine besondere Funktion erfüllt sie dabei in denjenigen Kirchen, Kapellen sowie auf Altären, die ein Jakobuspatrozinium tragen. Sie stellt hier ein Medium dar, das der Vermittlung der mit der Person des Heiligen und mit seinem Kult verbundenen Inhalte dient. Die folgende Untersuchung zur Entwicklung der Ikonographie des Apostels Jakobus soll in einen breiten kulturellen Kontext eingebettet werden, der die damit verbundene Ikonosphäre in ihrer Herausbildung bestimmt 1 . Allgemein bekannt sind die künstlerischen Beziehungen zwischen den Kirchen, die auf dem Pilgerweg nach Santiago de Compostela lagen, der nicht nur die meist begangene Wallfahrtsroute des mittelalterlichen Europa war, sondern auch ein wichtiger Weg der kulturellen Beeinflussung, gerade auch im Bereich der bildenden Künste 2 . Dieser Durchdringungsprozeß kam auf dem Wege der Entlehnungen und des gegenseitigen Austausches zustande. In Bezug auf die Kunst im mittelalterlichen Polen wissen wir jedoch bis jetzt nur wenig über die Rolle, die der Jakobuskult und die damit verbundene Wallfahrtsbewegung in den künstlerischen Vermittlungsprozessen gespielt haben. Un- 1 In Polen hat man die Forschungen zu diesem Problemkreis in letzter Zeit ausgeweitet; siehe etwa die Materialien des Mediävistenkolloquiums in Posen (1992) und der Tagung in Spal / a (1993): Pielgrzymki w kulturze s´ redniowiecznej Europy. Material / y XIII Seminarium Mediewistycznego (Pilgerfahrt in der Kultur des mittelalterlichen Europa. Materialien des XIII. Mediävistenkolloquiums), hg. von Jacek W IESIOL / OW - SKI (Posen 1993); Peregrinationes. Pielgrzymki w kulturze dawnej Europy (Peregrinationes. Pilgerfahrt in der europäischen Kultur des Mittelalters und der frühen Neuzeit), hg. von Halina M ANIKOWSKA / Hanna Z AREMSKA (Warschau 1995). 2 Jean C HÉLINI / Henry B RANTHOMME , Drogi Boz˙ e. Historia pielgrzymek chrzes´ cijan´ skich (Warschau 1996; Originalausgabe: Les chemins de Dieu: histoire des pèlerinages chrétiens des origines à nos jours, Paris 1982). <?page no="104"?> ser Wissen kann diesbezüglich durch die Ergebnisse der aktuellen Patrozinienforschung sowie der Forschung zur polnischen Teilnahme an der Pilgerfahrt nach Compostela erweitert werden 3 . Für den Forscher der Jakobus-Ikonographie sind darüber hinaus die Studien zur mit dem Jakobuskult verbundenen Diözesan- und Ordensliturgie, zu entsprechenden Ritualen, Volksbrauchtum und Sprichwörtern von Bedeutung. Als hilfreich bei der Interpretation dieser Ikonographie erweist sich die Kenntnis des reichen und in seiner Form differenzierten hagiographischen und apokryphen Schrifttums, das dem Heiligen gewidmet ist. Weil man in Polen bis jetzt keine systematischen Untersuchungen zum Jakobuskult durchgeführt hat, kann sich die ikonographische Untersuchung diesbezüglich kaum auf Sekundärliteratur stützen. Die geplante, breit angelegte Bestandsaufnahme in Archiven sowie vor Ort sollte gesondert die Bereiche Graphik, Malerei, architektonische und freistehende Skulptur sowie Kunsthandwerk erschließen. In Augenschein sollten dabei sowohl die kirchlichen Bibliotheken und Archive als auch die Museumsbestände in verschiedenen Regionen Polens genommen werden. Eine Ergänzung dazu sollte die breit angelegte Untersuchung sakraler Objekte darstellen: Man würde Herausgebern des Katalogs der Kunstdenkmäler in Polen Unrecht tun, wenn man ihre Arbeit nicht würdigte. Jedoch wird die Benutzung dieses Katalogs momentan mangels eines ikonographischen Indexes erheblich erschwert. 4 In den Personenindizes der Serie werden keine Namen der Heiligen 94 Ryszard Knapin´ ski 3 Ausgewählte Fragen zum Jakobuspatrozinium sind Untersuchungsgegenstand der folgenden zwei Studien: Aleksandra W ITKOWSKA , Titulus Ecclesiae. Wezwania wspól / czesnych kos´ ciol / ów katedralnych w Polsce (Titulus Ecclesiae. Patrozinien der zeitgenössischen Kathedralkirchen in Polen) (Warschau 1999) S. 9-16; 49-58; 166-172; Ryszard K NAPIN ´ SKI , Titulus Ecclesiae. Ikonografia wezwan´ wspól / czesnych kos´ ciol / ów katedralnych w Polsce (Titulus Ecclesiae. Die Ikonographie der Patrozinien der zeitgenössischen Kathedralkirchen in Polen) (Warschau 1999) S. 424-445. Die Thematik der Jakobusikonographie in der polnischen Kunst wurde in jüngster Zeit auch in die Forschungsgebiete des Lehrstuhls für Geschichte der kirchlichen Kunst an der Katholischen Universität Lublin aufgenommen: Katarzyna J ANKOW - SKA , Patrocinium s´ w. Jakuba Wie˛ kszego Apostol / a w ikonografii kos´ ciol / ów metropolii poznan´ skiej (Das Patrozinium des hl. Apostels Jakobus des Älteren in der Ikonographie der Kirchen der Posener Kirchenprovinz), mschr. (Lublin 2000). 4 Ein Beispiel für Unzulänglichkeiten des Katalogs findet sich etwa in Band 7: Województwo opolskie (Wojwodschaft Oppeln), Heft 9: Powiat Nyski (Kreis Neiße), hg. von Tadeusz C HRZANOWSKI / Marian K ORNECKI (Warschau o. J.). Die Inventarisierung wurde 1960-62 durchgeführt. In Neiße selbst ist eine gotische Kirche mit dem Jakobuspatrozinium erhalten, jedoch enthält der Index zum Band keine Stichwörter, die Hinweise auf die Jakobusikonographie liefern könnten. <?page no="105"?> oder der biblischen Personen aufgeführt, obwohl diese überaus häufig Themen der inventarisierten Objekte darstellen. Die ersten Ergebnisse der geplanten und hier kurz umrissenen Untersuchung, die im folgenden präsentiert werden, können noch nicht als eine umfassende Darstellung des Themas gelten. Es handelt sich bei den bereits durchgeführten Studien eher um Stichproben. Nichtsdestoweniger können anhand der erlangten Teilergebnisse bereits drei ikonographische Typen der Jakobusdarstellung ausgemacht werden. Zum ersten Typ gehören die Darstellungen, die Jakobus als einen Apostel zeigen, analog zu anderen Abbildungen der Zwölf. Dabei wird das Apostelkollegium autonom und gewissermaßen dogmatisch behandelt, wobei entweder der apostolische Auftrag der Kirche oder die eschatologischen Bezüge der Zahl 12 zum Ausdruck kommen, ohne daß auf das evangelische Geschehen rekurriert wird. In dieser Gruppe verdienen die Illustrationen zum Credo Apostolorum eine besondere Aufmerksamkeit. Der zweite Typus betrifft Darstellungen des hl. Jakobus in Szenen aus dem Evangelium, wo er in der Regel bereits durch eine Pilgertracht gekennzeichnet wird. Es handelt sich dabei um eine ikonographische Mutation, da hier Jakobus in seiner Rolle als Mitglied des Apostelkollegiums zugleich mit dem späteren Pilgerpatron identifiziert wird. Zum dritten ikonographischen Typus gehören individuelle Darstellungen, die den hl. Jakobus, zumeist in der Pilgertracht, als den Schutzheiligen der Pilger und Wallfahrer zeigen. Die Darstellungen des hl. Jakobus als Mauren- (Matamoros) oder Tatarenbesieger (Matatártaros) bleiben in der polnischen Kunst dagegen eine Seltenheit. I. Der hl. Jakobus als Mitglied des Apostelkollegiums Die Anfänge der Ikonographie des hl. Jakobus in der polnischen Kunst sind auf die Zeit nach der Einführung des Christentums in diesen Gebieten zu datieren und stehen in enger Verbindung zur Ikonographie der Apostel. Zugleich mit der ersten Katechese kamen importierte Kunstobjekte nach Polen, darunter auch solche mit der Darstellung der zwölf Apostel, die ja bereits in der Patristik als doctores et predicatores fidei bezeichnet wurden. Die ältesten uns bekannten Denkmäler hierfür stammen aus dem 12. Jahrhundert. Neben den Importen begegnen wir auch der örtlichen Kunstproduktion, die von im Westen ausgebildeten, in der Regel nicht namentlich bekannten Meistern geleitet worden war. Es folgen einige Beispiele. Vom Apostel zum Pilgerpatron 95 <?page no="106"?> Das Apostelkollegium war oft Thema der romanischen architektonischen Skulptur, bevorzugt auf Kirchenfassaden bzw. auf Architraven der Kirchenportale. Fragmentarisch erhalten sind die Apostelfiguren auf dem Portalarchitrav der romanischen Basilika der Augustiner-Chorherren in Czerwin´ sk (Mazowsze) um 1150 5 . Die erhaltenen Fragmente des Apostelkollegiums bringen Darstellungen mit nur allgemeinen Apostelattributen zutage. Die Figuren sind hier unter einer Arkadenreihe aufgestellt und als barfüßige, bärtige Männer in antiken Gewändern, jeweils mit einem Buch in der Hand, charakterisiert 6 . Obwohl hier die individuellen Attribute fehlen, ist anzunehmen, daß eine der Gestalten den hl. Jakobus den Älteren darstellt 7 . Ebenfalls fragmentarisch erhalten sind die vorzüglichen, auf die Dreißiger Jahre des 13. Jahrhunderts datierten Sandsteinfiguren aus der Zisterzienserinnenkirche in Trzebnica (Trebnitz) mit dem Patrozinium der Jungfrau Maria und des hl. Bartholomäus. Leider fehlt hier die Figur des hl. Jakobus 8 . In ihrer Form gotisch ist die - ebenfalls nicht mehr intakte - plastische Darstellung des Apostelkollegiums aus rosa Sandstein, datiert auf die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts, die sich in der Peter-und-Paul-Kathedrale in Legnica (Liegnitz) befindet. In dieser Gruppe wird Jakobus mit einem Pilgerstab (partiell erhalten) als seinem individualisierenden Attribut dargestellt 9 . Eines der wichtigsten Importkunstwerke in Polen sind die romanischen Bronzetüren aus Pl / ock (das Original aus dem 12. Jahrhundert befindet sich heute in Nowgorod). Die Darstellungen im obersten Feld des linken Türflügels bilden hier den Prolog zum Illustrationszyklus vom Credo Apostolorum 10 . Trotz des Fehlens der individuellen Attribute 96 Ryszard Knapin´ ski 5 Die erhaltenen Fragmente werden zur Zeit im als Lapidarium eingerichteten Narthex der Basilika aufbewahrt. 6 Vgl. Sztuka polska przedroman´ ska i roman´ ska do schyl / ku XIII wieku (Polnische Kunst der Vorromanik und Romanik bis zum Ende des 13. Jahrhunderts), hg. von Michal / W ALICKI (Warschau 1971) 1, Teil 1-2, Abb. 468. 7 Eine Analogie zum Denkmal aus Czerwin´ sk findet sich in einer romanischen Skulptur aus der gleichen Zeit, die in Saint Denis gefunden wurde. Sie stellt eine Reihe der Apostel ohne individuelle Attribute dar, die unter den dekorativ bearbeiteten Arkaden stehen. Nur einer der Apostel läßt sich durch eine Inschrift auf dem Abakus (JA- KOBUS) identifizieren. 8 Zygmunt S´ WIE ˛ TOCHOWSKI , Architektura na S´ la˛sku do pol / owy XIII wieku (Die Architektur Schlesiens bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts) (Warschau 1955) S. 30, Abb. 380, 381; Sztuka polska przedroman´ ska (wie Anm. 6) Kat. S. 768f., Abb. 607f. 9 Tadeusz J URKOWLANIEC , Najstarsze posa˛gi gotyckie w Legnicy. Stan i perspektywy badan´ (Die ältesten gotischen Statuen in Liegnitz. Stand und Perspektiven der Forschung), Roczniki Sztuki S´ la˛skiej (Jahrbücher für schlesische Kunst) 16 (1997) S. 59-71. 10 Ausführlicher über dieses Kunstwerk: Ryszard K NAPIN ´ SKI , Die romanische Tür von Pl / ock in Nowgorod. Neue ikonographisch-ikonologische Überlegungen, Niederkann <?page no="107"?> mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß der hl. Jakobus auf der gleichen Türseite mit Petrus dargestellt wurde, da die Evangelien diese beiden Apostel öfter gemeinsam erwähnen 11 . Zu den wertvollen Denkmälern der Bronzegußkunst gehört ebenfalls ein romanischer Kerzenleuchter von beträchtlicher Größe aus der Kathedrale der Heiligen Jungfrau Maria in Kol / obrzeg (heute Diözese Koszalin-Kol / obrzeg/ Köstlin-Kolberg). Es handelt sich um ein Werk von Johann Apengheter von 1327. Der Leuchter wurde mit einer allegorischen Darstellung der zwölf Apostel als Früchte des Weinstockes, der als Christus zu verstehen ist, dekoriert 12 . Besonders erwähnenswert in der Gruppe der Werke der romanischen Goldschmiedekunst sind die sogenannte Buchse aus Czerwin´ sk (heute in Pl / ock, Diözesanmuseum) und das Reliquiar aus Kruszwica, aufbewahrt in der Kathedrale in Wl / ocl / awek. Die beiden Objekte, die als Importe der moselländischen Kunst gelten, tragen eingravierte und mit Niello ausgefüllte Darstellungen der Zwölf, in Form von Brustbildern, die in die halbrunden Arkaden eingefügt sind 13 . Im 13.-14. Jahrhundert kann man auf den polnischen Gebieten ein besonderes Wachstum im Bereich der bildenden Künste beobachten. Aus dieser Zeit sind zahlreiche Kunstdenkmäler erhalten geblieben. Besondere Aufmerksamkeit verdienen darunter die mit Skulpturen ausgestatteten Flügelaltäre aus dem Umkreis des Meisters der Madonna auf Löwen. Die Werkstatt oder die Werkstätten, die diese schufen, waren in Wrocl / aw (Breslau) ansässig und versorgten von da aus, besonders nach Vom Apostel zum Pilgerpatron 97 deutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 30 (1991) S. 29-66; DERS .: Credo Apostolorum w roman´ skich Drzwiach Pl / ockich (Das Credo Apostolorum auf der romanischen Tür von Pl / ock) (Pl / ock 1992). 11 Die Entwicklung der Ikonographie des hl. Jakobus ist in einem breiteren Kontext besprochen bei Robert P LÖTZ , Jakobus Maior. Geistige Grundlagen und materielle Zeugnisse eines Kultes, in: Der Jakobuskult in Süddeutschland. Kulturgeschichte in regionaler und europäischer Perspektive (Jakobus-Studien 7), hg. von Klaus H ER - BERS / Dieter R. B AUER (Tübingen 1995) S. 171-232. Die individuellen Attribute der Apostel treten in der europäischen Kunst vermehrt erst im 13. Jahrhundert auf; im Falle des hl. Jakobus ist allerdings die älteste Darstellung mit einer unverkennbaren Charakterisierung als Pilgerpatron bereits aus dem 12. Jahrhundert bekannt. Sie findet sich auf der Fassade der spanischen Kirche Santa Maria de Tera; siehe dazu Serafín M ORALEJO , Der heilige Jakobus und die Wege seiner Ikonographie, in: Santiago de Compostela. Pilgerwege, hg. von Paolo C AUCCI VON S AUKEN (Augsburg 1996) S. 88. 12 Gestiftet von den Brüdern Gottfried und Ludwig von Wida, siehe dazu: Paul H INZ , Der Kolberger Dom und seine Bildwerke. Eine Wanderung durch sechs Jahrhunderte christlicher Kunst in einer pommerschen Kirche (Stettin 1936) S. 24 Anm. 25 und S. 58f. 13 Abb. in: Sztuka polska przedroman´ ska (wie Anm. 6) Abb. 1039, 1081, 1082. <?page no="108"?> 1360, mit ihren fertigen Waren die übrigen Gebiete des Königreichs Polen 14 . Zu den ikonographischen Programmen dieser Triptycha gehörte auch das Kollegium der Apostel, das zumeist auf den beweglichen Altarflügeln angebracht wurde. In der Regel besitzen dort die Apostel bereits ihre individuellen Attribute, nicht selten halten sie sogar Sprachrollen mit ihren Namen - und manchmal mit den Credo-Sätzen - in den Händen. Jakobus wird hier typischerweise in der Pilgertracht dargestellt, mit der Jakobusmuschel oder mit anderen Attributen, die ihn als Pilgerpatron identifizieren. Viele dieser Triptycha sich noch erhalten, wobei im folgenden nur einige genannt werden können. Ein für die Gruppe repräsentatives Beispiel stellt der Altar aus Zieleniec dar, datiert auf 1380, der sich heute im Gnesener Dom befindet 15 . Die zentrale Szene des Triumphs Mariä wird hier von vier virgines fortes, den Aposteln und den Propheten begleitet. Ein anderes Beispiel aus dem Umkreis der preußischen Löwenmadonnen von ca. 1400 finden wir in Ermland auf dem Triptychon aus Pe˛ ciszewo (heute in der Kapelle des Priesterseminars in Olsztyn-Redykajny [Allenstein]), wo die sitzenden Apostelfiguren, mit den Credo-Sätzen ausgestattet, die Flügel des Altaraufsatzes füllen. Dem hl. Jakobus kommt hier der Satz: Passus sub Pontio Pilato, crucifixus mortuus et sepultus est zu, was mit der Anordnung auf der vierten Stelle im Kollegium einhergeht 16 . Das Auftreten der Apostel mit den Glaubensartikeln des Credo Apostolorum war in der polnischen Kunst nach 1410 mit dem Fest der Divisio Apostolorum verbunden, das vom König Wl / adysl / aw Jagiel / l / o zugleich zum Nationalfeiertag zum Gedenken des Sieges von Tannenberg erklärt wurde 17 . Um 1430 entstand in der Werkstatt des Meisters der 98 Ryszard Knapin´ ski 14 Zofia B IAL / L / OWICZ -K RYGIEROWA , Studia nad snycerstwem XIV wieku w Polsce (Studien zur Schnitzkunst des 14. Jahrhunderts in Polen), Teil 1-2 (Warschau/ Posen 1981). 15 Tadeusz D OBRZENIECKI , Rzez´ ba sakralna w Polsce (Die sakrale Skulptur in Polen) (Warschau 1980) Kat.-Nr. 187. 16 B IAL / L / OWICZ -K RYGIEROWA (wie Anm. 14), Teil 2, S. 85f., Kat.-Nr. B 55. In hagiographisch-theologischer Hinsicht weist die Restauration dieses Kunstwerks erhebliche Mängel auf: Im Gegensatz zum Original ist die heutige Anordnung der Apostelfiguren zufällig und entspricht weder dem Rang der Apostel noch der Reihenfolge der Glaubensartikel. Die Fragen der dogmatischen Bezüge der Jakobusikonographie sowie der Position dieses Heiligen im Kontext der Illustrationen des Credo Apostolorum sind in folgendem Beitrag näher behandelt: Ryszard K NAPIN ´ SKI , Ikonographie des Apostels Jakobus im Kontext der Darstellungen des Credo Apostolorum, in: Der Jakobuskult in „Kunst“ und „Literatur“ (Jakobus-Studien 9), hg. von Klaus H ER - BERS / Robert P LÖTZ (Tübingen 1998) S. 15-49. 17 Leszek W OJCIECHOWSKI , Tres´ ci ideowe s´ wie˛ ta Rozesl / ania Apostol / ów w Polsce s´ redniowiecznej. Zarys problematyki (Der Ideengehalt des Festes Divisio Apostolorum <?page no="109"?> schönen Madonnen ein Triptychon mit der „Sendung der Apostel“ für die Marienkirche in Gdal / sk (Danzig) 18 . Christus, der als Salvator Mundi dargestellt im Zentrum der Szene steht, weist die Apostel mit dem Satz an: Ite in orbem universum et predicate dicentes omnia 19 . Jakobus der Ältere wird als weißhaariger Greis mit Pilgerattributen gezeigt, dem der Satz Qui conceptus est de Spiritu Sancto und damit der dritte Platz im Kollegium zugeordnet ist. Im Laufe des ganzen Mittelalters wurden die zwölf Apostel auf den Predellen, auf sogenannten Apostelbalken, auf Chorschranken, Chorgestühl und auf anderen Elementen und Geräten der kirchlichen Ausstattung dargestellt. Das einzige aus Polen bekannte Beispiel eines Apostelbalkens stammte aus der Kapelle in Brzeg (Brieg). Leider wurde dieses Denkmal während des 2. Weltkrieges zerstört. Figuren aus einer Chorbalustrade sind in der Danziger Marienkirche erhalten geblieben und heute im südlichen Seitenschiff der Basilika aufgestellt. Eine Predella, die eine Art Sockel eines Altaraufsatzes bildet, bietet aufgrund ihrer länglichen Proportionen als Bildträger kaum die Gelegenheit dazu, die Apostel in voller Figur darzustellen. Deswegen werden sie dort in der Regel im Brustbild gezeigt. Dem geltenden ikonographischen Kanon gemäß nimmt Christus als Salvator mundi den Platz im Zentrum einer entsprechenden Komposition des Predellenbildes ein. An seinen Flanken stehen zwei Apostelgruppen, die rechts von Petrus und links von Johannes dem Evangelisten angeführt werden 20 . In den meisten Fällen steht direkt hinter dem Letztgenannten sein Bruder, Jakobus der Ältere, charakterisiert durch seine Pilgerattribute. Es gibt Vom Apostel zum Pilgerpatron 99 im mittelalterlichen Polen. Ein Umriß der Problematik), in: Symbol Apostolski w nauczaniu i sztuce Kos´ ciol / a do soboru trydenckiego (Apostolisches Glaubensbekenntnis in der Lehre und Kunst der Kirche bis zum Tridentinum), hg. von Ryszard K NAPIN ´ SKI (Lublin 1997) S. 307-330. Die ikonographischen Konnotationen des Festes sind in diesem Sammelband in Ryszard K NAPIN ´ SKIS Beitrag Credo Apostolorum w s´ redniowiecznej i nowoz˙ ytnej ikonografii kos´ cielnej (Das Credo Apostolorum in der kirchlichen Ikonographie des Mittelalters und der Neuzeit), ebd. S. 340-347 dargestellt. 18 Um drei Jahrzehnte älter ist das Polyptychon der Muttergottes in der Marienkirche auf dem Sand in Breslau, auf dessen Flügel die Sendung der Apostel dargestellt wird. 19 Stanisl / aw B OGDANOWICZ , Dziel / a sztuki sakralnej Bazyliki Mariackiej w Gdan´ sku (Die Werke der sakralen Kunst in der Danziger Marienkirche) (Danzig 1990) S. 373f. Der Altar wurde Martins- oder Apostel-Altar genannt. 20 Manchmal, als Pendant zum hl. Petrus, wurde an dieser Stelle der hl. Paulus eingeführt, wie z. B. auf der Predella eines unbekannten Danziger Malers von 1490, die im Warschauer Archidiözesanmuseum (Muzeum Archidiecezji Warszawskiej) unter dem inkorrekten Titel „Das letzte Abendmahl“ ausgestellt wird. Siehe dazu: Varsavia Sacra, hg. von Krzystof B UREK u. a. (Warschau 1996) S. 97. <?page no="110"?> dermaßen viele erhaltene Denkmäler, die den beschriebenen ikonographischen Typus repräsentieren, daß es uns hier nicht nötig erscheint, einzelne Beispiele zu nennen. Die ikonologische Aussage des auf Altarpredellen gemalten Apostelkollegiums konnte in der Fachliteratur noch nicht eindeutig bestimmt werden. Wahrscheinlich bezieht sich die Darstellung auf das Jüngste Gericht, wobei der Akzent auf die Parusie gesetzt wird. Ein Bild auf der Altarpredella, das an die Anwesenheit Christi während der eucharistischen Liturgie anknüpft, erinnert zugleich an die Voraussage seiner erneuten Ankunft am Ende der Zeit. Dies stimmt mit der im Mittelalter üblichen Symbolik der Zeitalterbestimmungen überein. Darstellungen der oben genannten Art gehörten zu den Illustrationen der sechsten Epoche - der sexta aetas, d. h. des letzten Zeitalters, in dem Christus schon einmal auf die Erde kam, die ganze Schöpfung aber dennoch auf seine erneute Ankunft am Ende der Zeit wartet 21 . Die Apostel, die Christus auf einem Predellenbild begleiten, sind hierarchisch angeordnet, was der ihnen zugeschriebenen Funktion der Schöffen während des Gerichtes entspricht. In dieser Interpretation kommen also eindeutig die eschatologischen Bezüge zum Ausdruck. Eine ähnliche Aussage trägt der in seiner Art einzigartige geschnitzte und gefaßte architektonische Schlieffen-Leuchter von ca. 1523 aus dem Dom in Kol / obrzeg (Kolberg). Der Kern seiner komplexen Komposition besteht aus mit den Rücken zueinander gewandten Figuren Johannes des Täufers und der apokalyptischen Madonna. Die plastischen Darstellungen der Zwölf Apostel wurden hier in das Stabwerk und zwischen die Maßwerkornamente, die mit kleinen Heiligen- und Engelfiguren bestückt sind, hineinkomponiert. Zwischen den Zwölf befindet sich der hl. Jakobus, dargestellt mit Pilgerhut und mit einem gekrümmten Stab in der Hand. Während derartige Darstellungen auf romanischen Leuchtern mit den Toren des Himmlischen Jerusalems in Verbindung standen, symbolisiert der ganze Kerzenleuchter in diesem Fall einen Turm, eventuell die turris Davidica. Auf seine eschatologische Dimension verweist die Abdeckung in Form eines Diskus mit goldenen Sternen auf blauen Hintergrund 22 . 100 Ryszard Knapin´ ski 21 Vgl. die Inkunabelausgabe von Hartmann Schedel, Weltchronik. Nürnberg 1493 (Universitätsbibliothek der Katholischen Universität Lublin). 22 Auf Grund des komplexen ikonographischen Programms und des Entstehungsdatums, das vor der Einführung des Protestantismus in Kolberg (1531) liegt, kann dieses herausragende Denkmal nicht als ein Beispiel protestantischer Kunst angesehen werden, wie es z. B. bei Paul Hinz dargestellt wird (H INZ [wie Anm. 12] S. 30, Abb. 89, S. 113-116). <?page no="111"?> Ein weiteres Beispiel für das Auftreten des hl. Jakobus im Rahmen des Apostelkollegiums sind Bilder, welche im Hauptschiff oder an den Pfeilern einer Kirche gemalt bzw. aufgehängt wurden. Es handelt sich hier um eine Tradition der Kirchendekoration, die bis ins erste Jahrtausend reicht. Die Bilder sollten die Gläubigen daran erinnern, daß die Apostel das Fundament der Kirche sind und daß sie an ihren Gebeten teilnehmen 23 . Die kompletten Bildensembles dieser Art, die oft durch eine Darstellung von Christus Salvator oder Johannes dem Täufer ergänzt wurden, haben sich nicht überall bis in unsere Zeit erhalten. Aber auch einzelne Bilder bezeugen diese alte Tradition, wie am Beispiel der Fresken in der Jakobus-und-Marien-Kirche in Torun´ (Thorn, 1380) zu sehen ist. Die Apostel mit den Credo-Sätzen wurden auf den heute fragmentarisch erhaltenen Fresken in der Pfarrkirche in Mora˛g im Ermland dargestellt. Auf die hier in Erinnerung gerufene Tradition wurde in der Neuzeit nicht verzichtet, wofür zahlreiche posttridentinische Apostelbilder einen Beweis liefern. In Polen war es im 17. Jahrhundert durchaus üblich, solche Bilderzyklen zu malen, jedoch sind diese in Folge der Kriege und anderer Katastrophen zumeist nicht mehr komplett erhalten. Zu repräsentativen Beispielen dieser ikonographischen Gattung sind Jakobusbilder in der Kathedrale in Sandomierz und in der Konkathedrale in Olsztyn (Allenstein, nach 1610) 24 zu zählen. Die Apostelfiguren aus dem 17. Jahrhundert zieren die Seitenaltäre in der Basilika der Heiliggrabkanoniker in Miechów. Zusätzlich wird in der dortigen Vom Apostel zum Pilgerpatron 101 23 Dies ist in einem breiteren Kontext dargestellt in: Ryszard K NAPIN ´ SKI , Kollegium Apostolskie w sztuce pierwszego tysia˛clecia (Das Apostelkollegium in der Kunst des ersten Jahrtausends), in: Symbol Apostolski (wie Anm. 17) S. 115-151 und in K NA - PIN ´ SKI , Credo Apostolorum w s´ redniowiecznej (wie Anm. 17) S. 331-401. 24 Bischof Szymon Rudnicki verfügte auf der Ermländer Synode vom 1610 nach dem Vorbild der Gesetzessammlung des Bischofs Bernard Maciejowski (der sogenannten „Pastoralia“), daß in jeder Kirche Apostelbilder oder -figuren vorhanden sein sollten. Da Bilder billiger und einfacher herzustellen waren als Skulpturen, wurden die polnischen Kirchen infolge dieses Erlasses vorwiegend mit gemalten Bildnissen der Apostel ausgestattet. Im Westen dagegen, z. B. in Belgien oder Bayern, ist die Skulptur typischer. Leider ist, mit Ausnahme des Doms von Pelplin, keine komplette Serie von zwölf Bildern mit Aposteldarstellungen bekannt. Die nunmehr verstreuten Bilder ehemals vollständiger Serien haben oft ihre ursprüngliche Ikonographie eingebüßt. Siehe zu dieser Thematik: Ordinationes D.D. Visitatorum circa Ecclesias Parochiales hinc inde facien(des) in Dioecesi Varmiens(is) de anno 1609; F. D ITTRICH , Beiträge zur Baugeschichte der ermländischen Kirchen, Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands 8 (1886) S. 599-646; Constitutiones synodales Warmienses, Sambienses, Pomesanienses Culmenses necnon provinciales Rigenses, hg. von Franz H IPLER (Braunsberg 1899) S. 314; Stanislaw R YL / KO , Dzieje parafii Gietrzwal / d na Warmii po rok 1877 (Geschichte der Pfarrgemeinde Gietrzwal / d in Ermland bis 1877) (Krakau 1992) S. 60, 149. <?page no="112"?> Schatzkammer eine Serie von auf Leinwand gemalten Bildnissen des ganzen Apostelkollegiums aufbewahrt. Der mittelalterliche Brauch, das Apostelkollegium auf dem Altarretabel zu plazieren, wurde in der Barockkunst auf den imposanten Altaraufsätzen monumentalisiert. In der Pfarrkirche (ehem. Jesuitenkirche) in Grodno aus dem 18. Jahrhundert (heute Weißrußland) beherbergt die Altarkonstruktion zwischen Kolumnen und Arkaden lebensgroße Apostelfiguren, die als Bewohner der Himmlischen Stadt auftreten. Diese gut lesbare Allegorie wurde in eine Glorie mit der Apotheose der Heiligen des Jesuitenordens, Ignatius von Loyola und Franz Xavier, eingebettet - eine Komposition, die sich in der Barockkunst konsolidierte. Auf eine andere Art und Weise wurde eine vergleichbare Idee in der Basilika in Pelplin, der ehemaligen Zisterzienserkirche, realisiert, wo der mittlere Bogen des Hochaltars durch ein enormes Bild der Krönung Mariä von Hermann Han (1624) ausgefüllt wird 25 . Die Apostelfiguren stehen unter den Arkaden, mitten in die spätmanieristische Ornamentik mit Pflanzen- und Bändermotiven sowie mit Putto-Köpfen in ovalen Medaillons. Über dem gesamten Programm dominiert das Bild des hl. Bernhard von Clairvaux in der amplexus-Szene, während im reich ausgestalteten Giebel des Altars Engel, die arma Christi haltend, Platz nehmen. In der St.-Anna-Kirche in Krakau wurden plastisch wirkende Apostelfiguren en grisaille auf den Pfeilern gemalt und in diese integriert. Die Sockel der Figuren sind mit Edelsteinnamen beschriftet. Auf dem Sockel der Jakobusfigur steht SMARAGDUS, ein Hinweis auf die Zwölfzahl der Edelsteine in der Beschreibung des himmlischen Jerusalems (Offb 21,10-26) 26 : „Da entrückte er mich in der Verzückung auf einen großen, hohen Berg und zeigte mir die heilige Stadt Jerusalem, wie sie von Gott her aus dem Himmel herabkam, erfüllt von der Herrlichkeit Gottes. Sie glänzte wie ein kostbarer Edel- 102 Ryszard Knapin´ ski 25 Janusz S. P ASIERB , Problemy ideowe i formalne pomorskich i wielkopolskich przedstawien´ Koronacji Madonny w XVII w (Probleme des Ideengehalts und der Form in der pommerschen und großpolnischen Darstellungen der Krönung Mariä im 17. Jahrhundert), Studia Theologica Varsaviensia 2 (1963) S. 115-206; DERS .: Katedra pelplin´ ska (Der Dom zu Pelplin) (Pelplin 1993) S. 13f. 26 Die Kirche wurde nach dem Entwurf des Tilman von Gameren erbaut. Das ikonographische Programm wurde vom Priester Sebastian Piskorski entworfen; die Fresken wurden 1696-1703 von Karol Dankwart sowie von Karol und Innocenty Monti ausgeführt, die Stuck- und Skulpturendekoration stammen von Baltazar Fontana. Vgl. dazu Stanisl / aw K OBIELUS , Idea Niebian´ skiej Jerozolimy w dekoracji monumentalnej kos´ ciol / a s´ w. Anny w Krakkowie (Die Idee des himmlischen Jerusalems in der Monumentaldekoration der St.-Anna-Kirche in Krakau), Rocznik Krakowski (Krakauer Jahrbuch) 53 (1987) S. 39-62. <?page no="113"?> stein, wie ein kristallheller Jaspis. Die Stadt hatte eine große und hohe Mauer mit zwölf Toren und zwölf Engeln darauf. Auf die Tore sind Namen geschrieben: die Namen der zwölf Stämme der Söhne Israels. Im Osten hat die Stadt drei Tore und im Norden drei Tore und im Süden drei Tore und im Westen drei Tore. Die Mauer der Stadt hat zwölf Grundsteine; auf ihnen stehen die zwölf Namen der zwölf Apostel des Lammes. Und der Engel, der zu mir sprach, hatte einen goldenen Messstab, mit dem die Stadt, ihre Tore und ihre Mauer gemessen wurden. Die Stadt war viereckig angelegt und ebenso lang wie breit. Er maß die Stadt mit dem Messstab; ihre Länge, Breite und Höhe sind gleich: zwölftausend Stadien. Und er maß ihre Mauer; sie ist hundertvierundvierzig Ellen hoch nach Menschenmaß, das der Engel benutzt hatte. Ihre Mauer ist aus Jaspis gebaut, und die Stadt ist aus reinem Gold, wie aus reinem Glas. Die Grundsteine der Stadtmauer sind mit edlen Steinen aller Art geschmückt; der erste Grundstein ist ein Jaspis, der zweite ein Saphir, der dritte ein Chalzedon, der vierte ein Smaragd, der fünfte ein Sardonyx, der sechste ein Sardion, der siebte ein Chrysolith, der achte ein Beryll, der neunte ein Topas, der zehnte ein Chrysopras, der elfte ein Hyazinth, der zwölfte ein Amethyst. Und die zwölf Tore sind zwölf Perlen; jedes der Tore besteht aus einer einzigen Perle. Die Straße der Stadt ist aus reinem Gold, wie aus klarem Glas. Einen Tempel sah ich nicht in der Stadt. Denn der Herr, ihr Gott, der Herrscher über die ganze Schöpfung, ist ihr Tempel, er und das Lamm. Die Stadt braucht weder Sonne noch Mond, die ihr leuchten. Denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie, und ihre Leuchte ist das Lamm. Die Völker werden in diesem Licht einhergehen, und die Könige der Erde werden ihre Pracht in die Stadt bringen.“ 27 Eine gänzlich andere Form besitzen die Apostelzeichen, die auf den Weihestellen der Kirchen angebracht wurden - die sogenannten Apostelleuchter. Sie wurden in Form einer entweder symbolischen oder abbildhaften Darstellung auf den Kirchenwänden aufgehängt oder gemalt. Ein Beispiel der Portrait-Apostelleuchter sind Holztafeln aus der Pfarrkirche in Siemiechów, die in Form gotischer Vierpässe ausgeschnitten und wahrscheinlich ein Werk des Meisters des Triptychons aus Wójtowa sind (heutzutage im Diözesanmuseum in Tarnów) 28 . In der ehemaligen Zisterzienserkirche in Obra (Großpolen) dominieren Apostelbüsten über dem jeweiligen Medaillon des Apostelleuchters und den Girlanden. In der Kathedrale in Pelplin wurden die Apostelleuchter dagegen mit den Apostelnamen auf der Umrandung der Medaillons beschriftet, die den Hintergrund für die Leuchter bilden (19. Jh.). Ebenfalls in einer ehemaligen Zisterzienserkirche in Gos´ cików-Paradyz˙ (Paradis, Ziemia Lubuska), bestehen die neoklassizistischen Apostelleuchter aus Spiegeln in Rahmen aus schwarzem Marmor, die von kleinen Apostel- Vom Apostel zum Pilgerpatron 103 27 Zitiert nach: Die Bibel. Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift (Stuttgart 4 1981). 28 Jerzy G ADOMSKI , Gotyckie malarstwo tablicowe Mal / opolski 1500-1540 (Gotische Tafelmalerei Kleinpolens 1500-1540) (Warschau/ Krakau 1995) S. 101. <?page no="114"?> büsten gekrönt werden (18. Jh.). In die Säulen der neoromanischen St.- Anna-Kirche in Zabrze wurden schließlich Anfang des 20. Jahrhunderts Apostelköpfe mit ihren auf ein Minimum reduzierten Attributen eingelassen. II. Die Darstellungen des hl. Jakobus nach den Evangelien und den Apokryphen Jakobus der Ältere tritt oft in szenischen Darstellungen auf, die von Berichten aus den Evangelien und den Apokryphen inspiriert wurden 29 . Es handelt sich dabei um Illustrationen verschiedener Episoden aus dem Leben Jesu, angefangen mit der Berufung der Apostel bis zur Sendung der Zwölf mit der Evangelisierungsmission bis an die Grenzen des orbis christianus. Eine relativ große Gruppe der Darstellungen bilden Szenen aus dem apokryphen Leben Mariä. In beiden thematischen Bereichen ist der ikonographische Reichtum enorm. In der Regel handelt es sich um bekannte Themen, in denen Jakobus keine herausragende Rolle zukommt. Aus diesem Grund wird hier die genaue Behandlung solcher Darstellungen unterlassen; es seien lediglich einige originellere Fassungen erwähnt. Zu seltenen Beispielen gehört die Anwesenheit des hl. Jakobus in der Szene der „Beweinung Christi“, da nach dem Zeugnis der Evangelisten kein anderer Apostel außer Johannes der Kreuzigung beiwohnte. Eine Skulptur der „Beweinung Christi“ aus der St.-Elisabeth-Kirche in Wrocl / aw (Breslau; heute im dortigen Nationalmuseum) von 1480 zeigt neben vielen anderen Protagonisten der Szene auch Jakobus, der, durch einen Pilgerhut mit Jakobusmuschel gekennzeichnet, direkt neben seinen Bruder Johannes steht. In der chronologischen Reihenfolge der Ereignisse, die sich nach der Passion und Auferstehung zugetragen haben, nimmt die Szene der Ausgießung des hl. Geistes einen wichtigen Platz ein. Die Popularität dieses Themas ist mit seinem Rang als der Proklamation des öffentlichen Wirkens der Kirche verbunden. Zwischen Pfingsten und dem Aufbruch der Apostel auf die Missionsreisen, die mit ihrem Märtyrertod endeten, sind wichtige Themen plaziert, die das Ende des irdischen Lebens und den himmlischen Triumph Mariä illustrieren. 104 Ryszard Knapin´ ski 29 Die Jakobusdarstellungen im Kontext der Szenen aus dem Leben Jesu und Mariä sind ein Thema, dessen gesonderte Untersuchung noch aussteht. <?page no="115"?> Zahlreiche Darstellungen illustrieren die Szene des Todes Mariä 30 . In der polnischen Kunst wird diese als Sterben im bürgerlichen Zimmer interpretiert, worin die Ideen populärer Traktate zur ars moriendi anklingen. Die am Sterbebett versammelten Apostel halten einen quasi liturgischen Ritus ab, den man als recommendatio animae bezeichnet. Jakobus (im Pilgerhut) steht in der Nähe des „Hauptliturgen“ Petrus, wie das z. B. auf dem Altar aus der St.-Elisabeth-Kirche in Breslau (1470-80, Warszawa/ Warschau, Nationalmuseum) oder auf dem Altar aus der dortigen Fronleichnamskirche (ursprünglich aus der Marienkirche in Lubin´ S´ la˛ski, 1522) zu sehen ist 31 . In einer anderen Version des „Todes Mariä“ stützt Jakobus den sinkenden Körper der Jungfrau. Als Beispiel einer solchen Fassung kann der berühmte Altar von Veit Stoß aus der Krakauer Marienkirche dienen (1477-1489). Es war ein Privileg der engsten Verwandten, den Leichnam zu halten. Dies traf gemäß der Tradition im Falle des Jakobus des Älteren zu. Veit Stoß hat Jakobus als älteren Mann mit einem langen, krausen Bart dargestellt, was der Konvention der mittelalterlichen Kunst gemäß auf Altersweisheit hinweist 32 . Direkt auf das Entschlafen Muttergottes folgte, dem im Mittelalter populären Traktat ‚Transitus Mariae‘ zufolge, ihre Himmelfahrt 33 . Auch hier wird Jakobus, zusammen mit anderen Aposteln, als Zeuge des Ereignisses dargestellt. In der polnischen Kunst der Gotik und der Renaissance ist er in beiden ikonographischen Themen als der Schutzheilige der Pilger ausgezeichnet, indem er einem Hut mit aufliegendem Band oder einen Umhang mit Kapuze auf dem Kopf trägt. Auf eine besonders eindringliche Weise wurde Jakobus als Pilger auf einer Tafel aus Szydl / owiec dargestellt (16. Jh.). Tief in Gedanken über das Geheimnis Mariä versunken, blickt der Apostel aus dem Bild hinaus und schaut den Betrachter an 34 . Vom Apostel zum Pilgerpatron 105 30 Von der reichen Sekundärliteratur zu diesem Thema erwähnen wir hier nur ausgewählte Beispiele: Jean F OURNÉE , Himmelfahrt Mariens, in: Lexikon der christlichen Ikonographie (LCI), hg. von Engelbert K IRSCHBAUM u. a. (Rom u. a. 1970) 2, Sp. 276-283; Jerzy Józef K OPEC ´ , Bogarodzica w kulturze polskiej XVI wieku (Die Muttergottes in der polnischen Kultur des 16. Jahrhunderts) (Lublin 1997) S. 139-154. 31 D OBRZENIECKI (wie Anm. 15) S. 53, Nr. Kat. 231, Abb. 231. 32 Wit Stwosz. Ol / tarz krakowski (Veit Stoß. Der Krakauer Altar) (Warschau 1964) Abb. 7; Tadeusz D OBROWOLSKI , Wit Stwosz, Ol / tarz Mariacki. Epoka i s´ rodowisko (Veit Stoß, der Marienaltar. Die Epoche und die Umwelt) (Krakau 1985) Abb. 27; Tadeusz C HRZANOWSKI , Ol / tarz Mariacki Wita Stwosza (Der Marienaltar von Veit Stoß) (Warschau 1985) S. 31, 58, 64. 33 Johann Baptist B AUER , Liber (qui apellatur) Transitus S. Mariae, in: Marienlexikon, hg. von Remigius B ÄUMER / Leo S CHEFFCZYK (St. Ottilien 1992) 4, S. 115f. 34 G ADOMSKI (wie Anm. 28) S. 108, 306, Abb. XIII. <?page no="116"?> Die Präsentation der Jakobusikonographie, die im Bereich szenischer Darstellungen der Ereignisse aus der Heilsgeschichte angesiedelt ist, wäre mit zahlreichen Darstellungen des Jüngsten Gerichtes und der Glorie des offenen Himmels abzuschließen. Der Patron der Pilger ist als Mitglied des Apostelkollegiums, das auf zwölf Thronen versammelt ist (Mt 19,28 35 ), zwischen den Schöffen des Gerichtes anwesend. III. Die individuellen Darstellungen des hl. Jakobus Einzeldarstellungen des hl. Jakobus finden sich in der polnischen Kunst, obwohl sie keine Seltenheit darstellen, nicht so zahlreich wie die oben besprochenen Themen. In dieser Gruppe können zwei Typen unterschieden werden: Jakobus wird als Mitpatron zusammen mit anderen Schutzheiligen dargestellt, wobei die Kompositionen solcher Darstellungen an den Typ der Sacra Conversatione erinnern. Oder aber er erhält als Patron der Kirche eine individuelle Darstellung. Das überlieferte Material ist bis heute noch nicht inventarisiert worden. Auf dem aktuellen Stand der Forschung ist man geneigt zu vermuten, daß das älteste erhaltene Denkmal dieses zweiten Typus das Wandgemälde aus der Jakobuskirche in Mieronice, Wojwodschaft Kielce (drittes Viertel des 13. Jahrhunderts) ist 36 . Auf einem der Schiffspfeiler ist hier im guten Zustand das Wandgemälde erhalten, das Jakobus als Pilger darstellt. Auf der Höhe des Hauptes des Apostels sind Spuren einer Inschrift sichtbar: SPIRITU SANCTO, was einen Bezug zum Credo herstellt 37 . Beinahe einhundert Jahre jünger sind die Fresken im privaten Oratorium von Wierzbie˛ ta von Paniewice, dem Starost im Großpolen zur Zeit Kasimirs des Großen. Die Wandmalereien sind in der ehemaligen Zisterzienserabtei in La˛d (Lond) an der Warthe in einer an den Kreuzgang 106 Ryszard Knapin´ ski 35 Mt 19,28: Jesus aber sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, auch ihr werdet in der Wiedergeburt, wenn der Sohn des Menschen auf seinem Thron der Herrlichkeit sitzen wird, auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten. 36 Maria P IETRUSIN ´ SKA , Mieronice Wodzisl / awskie, in: Sztuka polska przedroman´ ska (wie Anm. 6) 1, Teil 2, S. 734f. 37 In dieser Kirche finden sich ansonsten keine anderen Apostelbilder mit Credo-Sätzen. Die Überreste eines „Kollegiums der Apostel“ auf der Südwand des Presbyteriums (zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts) tragen einzig die fragmentarisch erhaltenen Nameninschriften. <?page no="117"?> angrenzenden Kapelle erhalten und werden seit kurzem auf 1360-1370 datiert 38 . Das ikonographische Programm der Gemälde beinhaltet, neben anderen Motiven, auch eschatologische Aussagen (apokalyptisches Lamm, Christus als Richter). Jakobus steht in der Mitte der Komposition, gekleidet in Pilgertracht und mit der Jakobusmuschel als seinem individuellen Attribut in der Hand, während er von einer Seite vom Stifter Wierzbie˛ ta mit Familie, von anderer Seite vom Zisterzienserabt mit einer Gruppe von Mönchen angebetet wird. Über den Köpfen vom Ritter und den Mönchen sind Wappenschilder angebracht, darunter auch das Staatswappen des Königreichs Polen - der Piasten-Adler. Entlang allen Kapellenwänden umläuft ein gemalter Fries mit über zehn Wappenschildern, die zusätzliche Inhalte in das ikonographische Programm der Kapelle einführen 39 . Der hl. Jakobus war Namenspatron des Gnesener Bischofs Jakobus S´ winka, der das Kloster in La˛d mit umliegenden Gütern ausstattete und dadurch seine Stellung in der Missionstätigkeit bei den heidnischen Pruzzen stärkte 40 . Gänzlich individuelle Darstellungen des hl. Jakobus finden sich in der Buchmalerei: in liturgischen Handschriften, die in kleinpolnischen Vom Apostel zum Pilgerpatron 107 38 Heute befindet sich im Kloster ein Priesterseminar. 39 Alicja K ARL / OWSKA -K AMZOWA , Wielkopolska i Polska centralna (Großpolen und Zentralpolen), in: Gotyckie malarstwo s´ cienne w Polsce (Gotische Wandmalerei in Polen), hg. von DERS . (Posen 1984) S. 113ff.; DIES ., Gotyk w kodeksach iluminowanych i malowidl / ach s´ ciennych Wielkopolski (od kon´ ca XIII do pocza˛tku XVI w.) (Die Gotik in illuminierten Kodizes und Wandgemälden Großpolens [seit dem Ende des 13. bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts]), in: Malarstwo gotyckie w Wielkopolsce (Die gotische Malerei in Großpolen), hg. von Adam S. L ABUDA (Posen 1994) S. 44ff.; Krystyna S ECOMSKA , Wielkopolska czy Kraków? Geneza stylu Mistrza z Warty (Großpolen oder Krakau? Genese des Stils des Meisters von Warthe), in: ebd., S. 163-195. 40 Vgl. Tadeusz M ANTEUFFEL , Rola cystersów w Polsce XII w. (Die Rolle der Zisterzienser im Polen des 12. Jahrhunderts), Przegla˛d Historyczny (Historische Rundschau) 41 (1950) S. 180-202; Helena C HL / OPOCKA : Fundacje cysterskie w Polsce s´ redniowiecznej w pogla˛dach historiografii polskiej (Zisterzienserstiftungen im mittelalterlichen Polen in Ansichten der polnischen Historiographie), in: Historia i kultura cystersów w dawnej Polsce i ich europejskie zwia˛zki (Geschichte und Kultur der Zisterzienser im alten Polen und deren europäische Verbindungen), hg. von Jerzy S TRZELCZYK (Posen 1987) S. 9-23; Andrzej M. W YRWA , Cystersi. Geneza, duchowos´ c´ , organizacja z˙ ycia w zakonie (do XV wieku) i pocza˛tki fundacji na ziemiach polskich (Zisterzienser. Genese, Spiritualität, Organisation des Ordenslebens [bis zum 15. Jahrhundert] und die Anfänge der Stiftungen auf den polnischen Gebieten), in: Cystersi w Polsce. W 850-lecie fundacji opactwa je˛ drzejowskiego (Zisterzienser in Polen. 850jähriges Stiftungsjubiläum der Abtei Je˛ drzejów), hg. von Daniel O LSZEWSKI (Kielce 1990) S. 34; Andrzej M. W YRWA : La˛d, in: Monasticon Cisterciense Poloniae, hg. von Andrzej M. W YRWA / Jerzy S TRZELCZYK / Kazimierz K ACZMAREK (Posen 1999) 2, S. 189-201. <?page no="118"?> Skriptorien entstanden sind, sowie in Büchern aus dem Umkreis des Hofes. Das Archiv des Krakauer Domkapitels am Wawel besitzt in seiner Sammlung einige Handschriften mit Miniaturen von einschlägiger Thematik. In allen diesen Kodizes wird Jakobus als Schutzheiliger der Pilger dargestellt, jedoch können die speziellen ikonographischen Formeln dafür unterschiedlich sein. So ist der Heilige im Antifonar des Adam von Be˛ dków (Meister des Pontifikale von Bischof Strze˛ pin´ ski, 1451-1457, fol. 60v; AKMW [Arch. i Bibl. Kapit. Metrop. na Wawelu] Nr. 49 KP) im Stehen dargestellt, mit einem Pilgerstab in der rechten und der Jakobusmuschel in der linken Hand. Unter den reich geschmückten Miniaturen von Stanisl / aw Samostrzelnik, einem Zisterzienser aus Mogil / a bei Krakau, ist Jakobus zweimal anzutreffen. Zum einen stellt Samostrzelnik ihn im Evangelistar von Piotr Tomicki als einen Pilger beim Aufbruch zur Reise dar (1533-1534, AKMW, Nr. 19 KP, fol. 27v) 41 . Zum anderen läßt er den Apostel in einer ganzseitigen Miniatur im ‚Catalogus archiepiscoporum gnesnensium. Vita episcoporum cracoviensium‘ von Johannes Dl / ugosz (1530-1535, Warszawa, Bibl. Nar./ Nationalbibliothek/ . BOZ cim. 5) als den Patron von Bischof Jakub S´ winka ( 1314) auftreten 42 . Hier wird Jakobus in einer repräsentativen Haltung dargestellt: Er sitzt vor dem Hintergrund eines reichen Stoffes und hält in den Händen Stab und Muschel; auf dem Boden neben ihm steht eine Wasserflasche, während an der gegenüberliegenden Seite ein Putto eine Pilgertasche hält. Auf einer Schrifttafel, die über dem Apostel angebracht ist, findet sich eine Anrufung an den Apostel: Sancte Iacobe Apostole: Intercede pro nobis ad Deum. Zeitgenössisch mit den soeben besprochenen Miniaturen ist ein Holzschnitt, der den Text eines Gebetes zu Jakobus im Gebetbuch ‚Raj duszny‘ (Seelenparadies) begleitet, das von Martin Scharffenberger in Krakau herausgegeben worden ist. Der Holzschnitt stellt Jakobus vor dem Hintergrund eines Renaissance-Portikus dar, in einer sitzenden Haltung mit einer Lehrgeste gegenüber den Pilgern. Sporadisch findet man individuelle Darstellungen des hl. Jakobus auch im Medium der Skulptur. Ein Beispiel hierfür liefert eine in Sandstein gehauene Gruppe auf der Fassade der St.-Jakobus-Kathedrale in Szczecin (Stettin) sowie eine Statue in einer Nische in der St.-Anna-Kirche in Wrocl / aw (Breslau). Eine Steinfigur krönt den Giebel der St.-Jako- 108 Ryszard Knapin´ ski 41 Barbara M IODON ´ SKA , Mal / opolskie malarstwo ksia˛z˙ kowe 1320-1540 (Die Kleinpolnische Buchmalerei 1320-1540) (Warschau 1993) Abb. 305, Kat.-Nr. 34. 42 Ebd., Kat.-Nr. 34. <?page no="119"?> bus-Kirche in Nysa (Neiße). Im Innenraum der Stettiner Kathedrale wird das Patrozinium durch eine vergoldete Holzfigur illustriert, die ursprünglich als ein Atlas die Kanzel stützte und seit kurzem, nach der Vernichtung der Kanzel während des 2. Weltkrieges, an einem der Pfeiler ausgestellt wird. Eine barocke Figur des Schutzheiligen der Pilger (18. Jh.) krönt das Eingangstor des Friedhofes bei der St.-Jakobus-Kirche in Torun´ (Thorn). Von über 150 Kirchen mit dem Jakobuspatrozinium in Polen besitzen nur einige wenige ein Bild ihres Patrons auf dem Hochaltar 43 . Dies ist der Fall in Gl / usk bei Lublin, in Skaryszewo bei Radom, in Niegardów im Kreis Kielce, in Wie˛ cl / awice bei Kraków (Krakau) sowie in Gl / uszyna außerhalb von Poznan´ (Posen). Aus dem Gebiet von Niederschlesien ist ein Bild auf dem Hochaltar in Sobótka (Zobten) bei Wrocl / aw (Breslau) bekannt, das die Apotheose des Jakobus darstellt. Es handelt sich hier um eine simultane Darstellung: In der oberen Zone des Bildes hat man die Apotheose des Heiligen plaziert, in der unteren Zone dagegen erscheint Jakobus als Patron des Sieges über die Mauren - Matamoros - oder aber des Sieges über Tataren in der Schlacht von Sobótka (Zobten) - Matatártaros. Außer den individuellen Bildnissen des Heiligen begegnet man ebenfalls Darstellungen, wo der hl. Jakobus als Mitpatron auftritt. Diese ikonographische Variante erscheint bereits in den gotischen Triptycha, wo Jakobus als eine der Personen, die den Hauptpatron des Altars umgeben, einen Platz im plastischen Mittelteil des Aufsatzes einnimmt. Eine solche Anordnung erinnert an die italienischen Kompositionen vom Typus der sacra conversatione. Nur ausnahmsweise geschieht es, daß Jakobus zum zweiten Mal im Rahmen des gleichen Objektes repräsentiert wird, wo er bereits als Mitglied des Apostelkollegiums auftrat. Ein Beispiel dafür bietet ein Triptychon (1503) aus der St.-Jakobus-Kirche in Przecl / aw, das später in die Hl.-Kreuz-Kirche in Wrocl / aw verlegt wurde. Der Apostel begleitet hier zusammen mit der hl. Barbara die Gottesmutter im Typ des apokalyptisches Weibes mit dem Kind 44 . In einer anderen Konfiguration tritt Jakobus auf dem St.-Wolfgang-Triptychon in der Kathedrale in Torun´ (Thorn) auf, die das Patrozinium von Johannes dem Täufer und Johannes dem Evangelisten trägt. Hier begleitet Jako- Vom Apostel zum Pilgerpatron 109 43 Eine gründliche Bestandsaufnahme wurde bis heute allerdings noch nicht durchgeführt. 44 D OBRZENIECKI (wie Anm. 15) S. 48, Kat.-Nr. 203. <?page no="120"?> bus, charakterisiert durch seine Attribute des Pilgerpatrons, den Hauptpatron des Altars 45 . Noch ein weiteres Beispiel liefert ein Skulpturentriptychon aus Te˛ kity (Tenkiten) in Sambia (heute Marienburg, Schloßmuseum). Der Szene der „Krönung Mariä“ wohnen hier auf den beweglichen Flügeln die Figuren des hl. Jakobus und der hl. Barbara bei 46 . Dem aktuellen Stand der vorliegenden Untersuchung gemäß kann angenommen werden, daß - neben der vergleichsweise geringen Zahl von Kunstimporten - die meisten Denkmäler der Ikonographie des Apostels Jakobus einheimischer Herkunft sind. Dabei läßt sich eine größere Häufigkeit des Auftretens von Jakobus-Darstellungen in Schlesien und Pommern sowie im Umfeld des Zisterzienserordens beobachten. Die ikonographische Untersuchung sowie die genaueren Studien zur Spezifika der polnischen Ikonosphäre des behandelten Themas sind jedoch, wie bereits erwähnt, noch in ihrer Anfangsphase begriffen. Eine eingehende Behandlung des Themas steht noch aus. Resumen: El autor presenta un estudio de la iconografía de Santiago en Polonia, remarcando tres puntos en especial: Primero investiga a Santiago como miembro del colegio de apóstoles, tal como queda reflejado en el Credo Apostolorum. En este contexto la figura adquiere una iconografía particular, lo que se demuestra a través de un estudio de las puertas de Pl / ock. La segunda y tercera parte están dedicadas a 110 Ryszard Knapin´ ski 45 Michal / W OZ ˙ NIAK , Die spätmittelalterlichen Retabel der Johanniskirche in Thorn in ihrem liturgischen Raum (dem Verfasser sei herzlich dafür gedankt, daß er sein Manuskript vor der Veröffentlichung für diesen Beitrag zur Verfügung gestellt hat); DERS ., Przestrzen´ liturgiczna kos´ ciol / a pod wezwaniem s´ w. Jana Chrzciciela i s´ w. Jana Ewangelisty w Toruniu (Der liturgische Raum der Johanniskirche in Thorn), in: Argumenta, articuli, questiones. Studia z historii sztuki s´ redniowiecznej. Ksie˛ ga jubileuszowa dedykowana Marianowi Kutznerowi (Argumenta, articuli, questiones. Studien zur Geschichte der mittelalterlichen Kunst. Festschrift Marian Kutzner) (Torun´ 1999) S. 391-409; DERS ., Die Kirchen der Stadt Thorn - Beiträge zur Liturgie im Deutschland Preußen, in: Die sakrale Backsteinarchitektur des südlichen Ostseeraums - der theologische Aspekt (Kunsthistorische Arbeiten der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen 3), hg. von Gerhard E IMER / Ernst G IERLICH (Berlin 2000) S. 179-193. 46 Auf den Flügelaußenseiten wurde von Paul Klinka 1903-1905 eine Kopie der sogenannten sambischen Legende des hl. Adalbert gemalt; die originalen Bildtafeln befinden sich allerdings in schlechtem Zustand und werden deswegen nicht ausgestellt. - Der Altaraufsatz wurde 1504 vom Hochmeister des Deutschen Ordens und Kurfürst von Sachsen Friedrich (1498-1510) gestiftet, was durch die Wappenschilder des Ordens und Sachsens dokumentiert wird. <?page no="121"?> las imágenes de Santiago según los evangelios y los apócrifos. La imagen de Santiago Matamoros fue transferida al contexto del centro-este de Europa, en concreto a la lucha contra los tártaros. El autor propone hablar en este contexto del Santiago „Matatártaros“ y concluye, que en la mayoría de los casos, la iconografía refleja tradiciones autóctonas. Vom Apostel zum Pilgerpatron 111 <?page no="123"?> Das Patrozinium des hl. Apostels Jakobus in der mittelalterlichen Diözese Krakau A LEKSANDRA W ITKOWSKA OSU Die Problematik der Kirchenpatrozinien ist nicht nur aus der Perspektive der Hagiographie von Belang. Vielmehr betonen auch Sozial- und Religionshistoriker ihre Relevanz bei der Erforschung der Wechselbeziehungen und institutionellen Abhängigkeiten zwischen den Lokalkirchen, Diözesen und Ordensgemeinschaften, weiterhin bei der Bestimmung der Rolle der Missions- und Reformzentren, bei der Feststellung der kultischen und künstlerischen Überlagerungen sowie bei der Erforschung der Handels- und Pilgerwege 1 . Trotzdem ist die Patrozinienforschung, abgesehen von einigen wenigen Ansätzen, bislang auf kein großes Interesse in den Reihen polnischer Historiker gestoßen 2 . Den Kirchenpatrozinien, die heutzutage zumeist 1 Mehr zu den genannten Forschungsbereichen, insbesondere aus dem Kreise deutscher und österreichischer Forschung bei Aleksandra W ITKOWSKA , Titulus ecclesiae. Wezwania wspól / czesnych kos´ ciol / ów katedralnych w Polsce (Titulus ecclesiae. Patrozinien zeitgenössischer Kathedralkirchen in Polen) (Warschau 1999) S. 12ff. 2 Zum Stand der einschlägigen polnischen Forschung vgl. W ITKOWSKA (wie Anm. 1) S. 16 Anm. 28. Um einige, insbesondere neuere Arbeiten zu nennen: Graz˙ yna K ARO - LEWICZ , Komunikat o mapach wezwan´ kos´ ciol / ów w Polsce w kon´ cu XV w. (Bericht über die Landkarten der Kirchenpatrozinien in Polen am Ende des 15. Jahrhunderts), Roczniki Humanistyczne (Geisteswissenschaftliche Jahrbücher) 16, H. 2 (1968) S. 138-140; DIES .: Plan wydawnictwa Atlas wezwan´ kos´ ciol / ów w historycznych granicach Polski (Editionsvorhaben des Atlasses der Kirchenpatrozinien in den historischen Grenzen Polens), Summarium 4 (1975) S. 203-205; Jan K RACIK , Konsekracje kos´ ciol / ów i ol / tarzy w diecezji krakowskiej w XVII-XVIII wieku (Konsekrationen der Kirchen und Altäre in der Diözese Krakau im 17.-18. Jahrhundert), Nasza Przeszl / os´ c´ (Unsere Vergangenheit) 61 (1984) S. 111-147; Dariusz S ZYMAN ´ SKI , Wezwania kos´ ciol / ów parafialnych w diecezji krakowskiej w kon´ cu XVI wieku (Pfarrkirchenpatrozinien in der Diözese Krakau am Ende des 16. Jahrhunderts), Roczniki Humanistyczne (Geisteswissenschaftliche Jahrbücher) 41, H. 2 (1993) S. 83-158; Jerzy W YROZUMSKI , O potrzebie badan´ najstarszych patrociniów (Über die Notwendigkeit der Forschung zu den ältesten Patrozinien), Kwartalnik Historyczny (Historische Vierteljahresschrift) 100/ 4 (1993) S. 63-72; Krzysztof S KWIERCZYN ´ SKI , Custodia civitatis. Sakralny system ochrony miasta w Polsce wczes´ niejszego s´ redniowiecza <?page no="124"?> als ein bloßes Relikt ehemaliger Kultpräferenzen angesehen werden, kam jedoch, insbesondere im Mittelalter, eine große öffentlich-rechtliche und religiöse Bedeutung zu. Sie verliehen den unter ihrem Patronat stehenden Kirchen ein zusätzliches Prestige; darüber hinaus dienten Patrozinien als Träger bestimmter religiöser Inhalte, die für die seelsorgerische Arbeit der Kirche wichtig waren. Das Kirchenpatrozinium samt des dadurch implizierten Kultes stellte vielfach ein zusätzliches Element der zwischenmenschlichen Bindungen dar. Gerade das Kirchweihfest, das nicht selten mit einem Ablaßprivileg einherging, wurde zu einem besonderen Tag im Leben der Kirchengemeinde. Das mittelalterliche Polen, das die Tradition des lateinischen Christentums übernommen hat, entsprach in Bezug auf die Patrozinienwahl den allgemein herrschenden Tendenzen. Zwischen dem 10. und dem 16. Jahrhundert war die polnische Kirche für die Rezeption der westlichen Kulte aufgeschlossen. Darunter befand sich auch der Kult des hl. Jakobus des Älteren, dessen Ausbreitung und Beständigkeit gerade anhand des entsprechenden Kirchenpatroziniums greifbar wird. Der Apostel Jakobus der Ältere stammte aus Galiläa und war höchstwahrscheinlich Sohn des Fischers Zebedäus und dessen Frau Salome (Mt 27,56; Mk 15,10). Zusammen mit seinem Bruder Johannes, dem späteren Evangelisten, wurde Jakobus in den Kreis der zwölf Jünger berufen (Mt 4,21; Mk 1,19-20; Lk 5,10-11). Ähnlich wie Petrus und Johannes gehörte er zum engsten Kreis der Jünger um Christus und spielte in der Urkirche eine entsprechend wichtige Rolle. In den Apostellisten wird er an zweiter (Mk 3,16-19) bzw. dritter Stelle (Mt 10,2-4; Lk 114 Aleksandra Witkowska OSU na przykl / adzie siedzib biskupich (Custodia civitatis. Ein sakrales System des Stadtschutzes im frühmittelalterlichen Polen), ebd. 103, H. 3 (1996) S. 3-51; Aleksandra W ITKOWSKA : Wojciechowe patrocinia w metropolii gniez´ nien´ skiej (Adalbertpatrozinium in der Kirchenprovinz Gnesen), in: Dziedzictwo kultu s´ wie˛ tego Wojciecha. Ogólnopolska sesja z okazji jubileuszu 1000-lecia me˛ czen´ stwa s´ w. Wojciecha KUL - 22 XI 1997 (Erbe des Kultes des hl. Adalbert. Nationale Konferenz anläßlich des tausendjährigen Jubiläums des Martyriums des hl. Adalbert), hg. von Ryszard K NA - PIN ´ SKI (Lublin 1998) S. 111-132; DIES ., S´ wie˛ te s´ redniowiecza w patrociniach kos´ cielnych metropolii warmin´ skiej (Die heiligen Frauen des Mittelalters in Kirchenpatrozinien der Kirchenprovinz Ermland), Studia Warmin´ skie (Ermländer Studien) 35 (1998) S. 61-77; DIES .: S´ wie˛ ty Wojciech w wezwaniach kos´ ciol / ów metropolii gniez´ nien´ skiej w s´ redniowieczu (Der hl. Adalbert in den Kirchenpatrozinien der Kirchenprovinz Gnesen im Mittelalter), in: Tropami S´ wie˛ tego Wojciecha (Auf den Spuren des hl. Adalbert), hg. von Zofia K URNATOWSKA (Posen 1999) S. 337-354. - Unlängst wurden außerdem durch eine Gruppe Lubliner Historiker Untersuchungen zum Adalbertpatrozinium in den polnischen Diözesen vom 10. bis zum 20. Jahrhundert durchgeführt (im Druck). <?page no="125"?> 6,13-16; Apg 1,13) aufgeführt 3 . Als erster aus dem Kreis der Apostel erlitt er unter Herodes I. Agrippa (41-44) den Märtyrertod (Apg 12,1-2) 4 . Die spätere Tradition, angefangen bei Eusebius von Cäsarea 5 , hat die knappe Auskunft der Evangelienberichte mit einer Legende über die Missionstätigkeit des Apostels Jakobus in Judea, Samaria und Spanien ausgeschmückt, die in die apokryphen „Jakobus-Akten“ und in seine „Passio“ einging 6 . Im Mittelalter gehörten die legendären Motive der Jakobus-Vita zu den populärsten im hagiographischen Schrifttum. Zu ihrer Verbreitung trug vor allem die ‚Legenda aurea‘ von Jakobus de Voragine bei 7 . De Voragine berichtet über den Aufenthalt des Apostels in Spanien, wie sein Leichnam auf wundersame Weise das Meer bis zur spanischen Küste überquerte und über die Auffindung des Grabes des Heiligen in Galicien. Somit liegt diese Legende der Genese des im 11. Jahrhundert entstandenen Sanktuariums in Santiago de Compostela zugrunde. Diese Stätte wurde zu einem der populärsten Pilgerzentren im mittelalterlichen Europa, das mit Jerusalem und Rom konkurrierte 8 . Die Siege über die Sarazenen, die - wie man glaubte - durch die Für- Das Patrozinium des hl. Apostels Jakobus 115 3 Eugeniusz D A ˛ BROWSKI : Jakub Wie˛ kszy (Jakobus Maior), in: Podre˛ czna Encyklopedia Biblijna (Biblische Handenzyklopädie) 1 (Posen 1960) S. 509; Justo F ERNÁNDEZ A LONSO : Giacomo il Maggiore II-IV, in: Bibliotheca sanctorum 6 (Rom 1965) S. 363-388; Henryk F ROS / Franciszek S OWA , Twoje imie˛ . Przewodnik onomastyczno-hagiograficzny (Dein Name. Ein onomastisch-hagiographischer Führer) (Krakau, 2. Auflage 1982) S. 297-298; Martin B OCIAN , Leksykon postaci biblijnych (Lexikon der biblischen Personen) (Krakau 1996) S. 203ff. - Roman B ARTNICKI / Krystyna K UZ ´ MAK , Jakub Starszy Apostol / (Jakobus der Ältere, Apostel), in: Encyklopedia Katolicka (Katholische Enzyklopädie) 7 (Lublin 1997) Sp. 708-709; Henryk F ROS / Franciszek S OWA , Ksie˛ ga imion i s´ wie˛ tych (Buch der Namen und Heiligen) (Krakau 1998) Sp. 190-192. 4 Das Todesdatum ist umstritten, man nimmt entweder das Jahr 41, 42 oder 44 an. 5 Euzebiusz z Cezarei, Historia kos´ cielna. O me˛ czennikach palestyn´ skich (Eusebius aus Cäsarea: Kirchengeschichte. Über die Märtyrer Palestinas), ins Polnische übers. von Arkadjusz L ISIECKI (Krakau 1993) S. 11. 6 P SEUDO A BDIASZ , Historie Apostolskie (Pseudo-Abdias: Apostelgeschichten), in: Dwunastu (Die Zwölf), bearb. von Marek S TAROWIEYSKI (Krakau 1995) S. 287-301. 7 S. Der Jakobuskult in „Kunst“ und „Literatur“ (Jakobus-Studien 9), hg. von Klaus H ERBERS / Robert P LÖTZ (Tübingen 1997). 8 Von der umfangreichen Literatur zu diesem Thema (S. die grundlegende Bibliographie in: Wallfahrt kennt keine Grenzen, hg. von Lenz K RISS -R ETTENBECK / Gerda M ÖHLER [München/ Zürich 1984] S. 543-568) seien hier nur die Arbeiten aus der Serie der Jakobus-Studien aufgeführt: Deutsche Jakobspilger und ihre Berichte (Jakobus-Studien 1), hg. von Klaus H ERBERS (Tübingen 1988); Europäische Wege der Santiago-Pilgerfahrt (Jakobus-Studien 2), hg. von Robert P LÖTZ (Tübingen 1993); The Codex Calixtinus and the Shrine of St. James (Jakobus-Studien 3), hg. von John W IL - LIAMS / Alison S TONES (Tübingen 1992); Ursula G ANZ -B LÄTTLER , Andacht und Abenteuer. Berichte europäischer Jerusalem-und Santiago-Pilger (Jakobus-Studien 4; <?page no="126"?> sprache von Jakobus (Matamoros - Töter der Sarazenen) erreicht worden seien, brachten ihm den Titel des Schutzheiligen Spaniens und Portugals. Darüber hinaus wurde er zum Patron einiger Ritterorden und vor allem zum Schutzheiligen der Pilger 9 . Sein Kult, der sich seit dem 11. Jahrhundert entwickelte, führte zur Entstehung zahlreicher Jakobusbrüderschaften, die den Pilgern Schutz und Pflege gewährten, indem sie u. a. Hospitäler und Krankenhäuser entlang der europäischen Pilgerwege gründeten und betrieben 10 . In Polen trugen zur Rezeption des Kultes des hl. Jakobus im 11. Jahrhundert die Benediktinermönche bei, die vor allem aus dem lütticher und lothringischen Raum stammten. Die von ihnen nach Polen mitgebrachten liturgischen Bücher, u. a. das sogenannte Sakramentar aus Tyniec, enthielten Kölner Kalendere aus der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts, die unter dem Datum des 25. Juli das Fest des hl. Jakobus aufführten. Auf diesem Wege fand das Fest seinen Eingang in die ältesten liturgischen Kalender der polnischen Diözesen; es wurde zu den festa fori gezählt und mit Vigil und Oktav gefeiert 11 . Seit dem 13. Jahrhundert wurde der Jakobuskult in Polen vor allem durch die Dominikaner propagiert. Jakobus gehörte - neben dem hl. Dominikus und dem hl. Thomas von Aquin - zu den bevorzugten Heiligen der Predigerbrüder; ihm 116 Aleksandra Witkowska OSU Tübingen 1991); Spiritualität des Pilgerns. Kontinuität und Wandel (Jakobus-Studien 5), hg. von Klaus H ERBERS / Robert P LÖTZ (Tübingen 1993); Der Jakobuskult in Süddeutschland. Kultgeschichte in regionaler und europäischer Perspektive (Jakobus- Studien 7), hg. von Klaus H ERBERS / Dieter R. B AUER (Tübingen 1995); Libellus Sancti Jacobi. Auszüge aus dem Jakobsbuch des 12. Jahrhunderts (Jakobus-Studien 8), hg. von Klaus H ERBERS (Tübingen 1997); Der Jakobuskult in „Kunst“ und „Literatur“ (Jakobus-Studien 9), hg. von Klaus H ERBERS / Robert P LÖTZ (Tübingen 1997); Der Jakobsweg. Mit einem mittelalterlichen Pilgerführer unterwegs nach Santiago de Compostela, hg. von Klaus H ERBERS (Tübingen, 6. überarbeitete Auflage 1998). 9 Mirosl / aw D ANILUK , Jakub Starszy Apostol / 2. Zakony (Jakobus der Ältere, Apostel. 2. Orden), in: Encyklopedia Katolicka (Katholische Enzyklopädie) 7 (Lublin 1997) Sp. 709f. 10 Erika T IDICK , Beiträge zur Geschichte der Kirchen-Patrozinien im Deutschordenslande Preussen bis 1525, Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands 22 (1924-26) S. 373ff.; Gerd Z IMMERMANN , Patrozinienwahl und Frömmigkeitswandel im Mittelalter, Würzburger Diözesangeschichtsblätter 21 (1959) S. 34ff., 85f.; Werner M ARCHALL , Alte Kirchenpatrozinien des Archidiakonates Breslau. Ein Beitrag zur ältesten schlesischen Kirchengeschichte (Köln 1966) S. 118f.; B ARTNICKI / K UZ ´ MAK (wie Anm. 3) Sp. 708. 11 Henryk W A ˛ SOWICZ , Kalendarz ksie˛ g liturgicznych Krakowa do pol / owy 16. Wieku. Studium chronologiczno-typologiczne (Der Kalender der liturgischen Bücher Krakaus bis zur Mitte des 16. Jahrhundert. Eine chronologisch-typologische Studie) (Lublin 1995) S. 358. <?page no="127"?> wurden in Polen zahlreiche Gotteshäuser des Predigerordens gewidmet 12 . Gegen Ende des 18. Jahrhunderts sind auf den polnischen Gebieten 155 Pfarrkirchen mit Jakobuspatrozinium zu verzeichnen, was 2,5 % in der allgemeinen Patrozinienstatistik ausmacht. Somit nimmt der hl. Jakobus den zehnten Platz unter den Heiligen-Patrozinien ein: nach Nikolaus (414), Johannes dem Evangelisten (309), Stanislaus dem Bischof (261), Petrus (216), Paulus (210), Allerheiligen (206), Katharina (197), Martin (182) und Laurentius (166) 13 . Heute, im Rahmen der veränderten Grenzen sowohl des Staates als auch der kirchlichen Administration sowie angesichts der Erhöhung der Zahl der Pfarrgemeinden (9.363), ist der prozentuale Anteil des Jakobuspatroziniums deutlich gesunken. Die 140 heute existierenden Kirchen mit dem Jakobuspatrozinium machen lediglich 1,5 % in der Gesamtstatistik aus 14 . Auf den Gebieten der einzelnen Diözesen tritt das Jakobuspatrozinium mit unterschiedlicher Dichte auf. Am häufigsten ist es in der Diözese Gnesen vertreten (13), während wir in den drei ostpolnischen Diözesen - Bial / ystok, Drohiczyn, Zamos´c´-Lubaczów - sowie in der westpolnischen Diözese Legnica (Liegnitz) keinen einzigen Fall finden. Das Patrozinium des hl. Apostels Jakobus 117 12 S. Louis D UCHESNE , St. Jacques en Galice, Annales du Midi 12 (1900) S. 145-179; Teresa D UNIN -W A ˛ SOWICZ , Wezwanie s´ w. Jakuba na tle innych patrociniów Sandomierszczyzny (Das Jakobuspatrozinium vor dem Hintergrund anderer Patrozinien in Sandomierszczyzna), in: Sedes regni principales, hg. von Barbara T RELIN ´ SKA (Sandomierz 1999) S. 54. 13 Außer in den Pfarrkirchen tritt das Jakobus-Patrozinium zu dieser Zeit in 53 Filialkirchen und Kapellen sowie in 21 Klosterkirchen auf, was insgesamt 229 Jakobuspatrozinien ausmacht. Angaben zu den 4.204 Heiligen-Patrozinien um 1772 bei Stanisl / aw L ITAK , Kos´ ciól / katolicki w Rzeczypospolitej okol / o 1772 roku. Struktury administracyjne (Die katholische Kirche in der Republik Polen um 1772. Die Administrationsstrukturen) (Lublin 1996) S. 42, 108 und nach dem Patrozinien-Index S. 547-587. 14 Die statistischen Daten von 1996 wurden anhand einer eigenen Kartei erstellt. Die Anzahl der Pfarrgemeinden stammt aus: Wykaz parafii w Polsce 1996 (wedl / ug diecezji). Stan na 31.12.1996 r. (Verzeichnis der Pfarrgemeinden in Polen 1996 [nach Diözesen]. Stand von 31.12.1995) (Warschau 1997) S. 10. <?page no="128"?> Tab. 1: Patrozinien des hl. Jakobus (Apostels) in den Pfarrkirchen der polnischen Diözesen im Jahr 1996 Nr. Erzdiözese/ Diözese Anzahl 1. Gniezno (Gnesen) 12 2. Poznan´ (Posen) 11 3. Kielce 9 4. Opole (Oppeln) 9 5. Pelplin 9 6. Torun´ (Thorn) 9 7. Wrocl / aw (Breslau) 8 8. Pl / ock 7 9. Wl / ocl / awek 7 10. Kraków (Krakau) 5 11. Warmia (Ermland) 5 12. L / owicz 4 13. Bielsko-Z˙ ywiec 3 14. Cze˛ stochowa (Tschenstochau) 3 15. Kalisz 3 16. L / ódz´ (Lodz) 3 17. Radom 3 18. Zielona Góra - Gorzów 3 19. Elbla˛g (Elbing) 2 20. El / k (Lyck) 2 21. Gdan´ sk (Danzig) 2 22. Gliwice (Gleiwitz) 2 23. Koszalin-Kol / obrzeg (Köslin-Kolberg) 2 24. L / omz˙ a 2 25. Siedlce 2 26. Sosnowiec 2 27. Tarnów 2 28. Warszawa-Praga 2 29. Katowice (Katowitz) 1 30. Lublin 1 31. Przemys´ l 1 32. Rzeszów 1 33. Sandomierz 1 34. Szczecin-Kamien´ (Stettin-Cammin) 1 35. Warszawa (Warschau) 1 36. Bial / ystok 0 118 Aleksandra Witkowska OSU <?page no="129"?> 37. Drohiczyn 0 38. Legnica (Liegnitz) 0 39. Zamos´c´-Lubaczów 0 Insgesamt 140 % von Pfarrkirchen 1,5 Die bis heute erhaltenen Patrozinien sind ein übernommenes Kulterbe. Es stellt sich sogleich die Frage, wie tief die Wurzeln eines Jakobuspatroziniums reichen. Wie sehen die Stammbäume, die Geographie, die Umstände der Entstehung der Jakobuspatrozinien aus? Zunächst seien die Pfarrkirchen mit dem Jakobuspatrozinium betrachtet, die sich in der Diözese Krakau gegen Ende des 16. Jahrhunderts ermitteln lassen. Wir verfügen hierfür über eine solide Quellenbasis, die vor allem aus statistischen und seriellen Quellenarten besteht. Es handelt sich um den dreibändigen ‚Liber beneficiorum dioecesis Cracoviensis‘ (LB) von Jan Dl / ugosz (1470-1480) 15 und um die Akten der Visitation der Krakauer Diözese (AV), die auf Empfehlung des Kardinals Jerzy Radziwil / l / während seines Pontifikats 1595-1599 durchgeführt wurde 16 . Die letztgenannte Quelle ist vollständig erhalten. Die Daten der oben genannten Quellen können durch den Visitationsbericht von 1603 für den Archidiakonat Lublin 17 und durch die Visitation von Bischof Bernard Maciejowski von 1604 für den Archidiakonat Sandomierz 18 ergänzt werden. Darüber hinaus wurden im folgenden auch die Krakauer Visitationen von 1565, 1608 und 1618 hinzugezogen 19 . Zur Feststellung Das Patrozinium des hl. Apostels Jakobus 119 15 Josef D L / UGOSZ : Liber beneficiorum dioecesis Cracoviensis, 3 Bde. = Josef D L / UGOSZ , Opera omnia 7-9, hg. von Aleksander P RZEZ ´ DZIECKI (Krakau 1863-1864); ab hier weiter zitiert als „LB“. 16 AKMK AV 2,3,7,10,15,17; Akta wizytacji dekanatów bytomskiego i pszczyn´ skiego dokonanej w roku 1598 z polecenia Jerzego Radziwil / l / a, biskupa krakowskiego (Akten der Visitation der Dekanate Bytom und Pszczyna, die 1598 auf Geheiß von Jerzy Radziwil / l / , Bischof von Krakau, durchgeführt wurde), hg. von Marian W OJTAS (Katowitz 1938); Akta wizytacji dekanatu krakowskiego 1599 roku przeprowadzonej z polecenia kardynal / a Jerzego Radziwil / l / a (Akten der Visitation des Dekanats Krakau, die 1599 auf Geheiß von Kardinal Jerzy Radziwil / l / durchgeführt wurde) hg. von Czesl / aw S KOWRON (Lublin 1965); ab hier zitiert als „AV“. 17 ADL Nr. 96: Visitatio ecclesiarum et totius cleri in archidiaconatu Lublinensi [...] facta [...] in anno 1603. 18 AKMK AV 23: Acta visitationis ecclesiarum archidiaconatus Sandomiriensis sub R. D. Bernardo Maciejowski [...] anno Domini 1604. 19 AKMK AV Nr. 1: Liber visitationis in civitate ac Dioecesi Cracoviensi consistentium [...] Philippi Padniewski Episcopi Cracoviensi 1565.; Nr. 5: Visitatio decanatus Boboviensis externa per Joannem Januszowski [...] Visitatio Ecclesiae Collegiatae civitatis Novae Sandecz [...] anno Domini 1608 facta.; Nr. 41: Acta visitationis exterioris decanatum: Pacanoviensis, Kijensis, Sokoliensis, Andreoviensis, Wrocimoviensis, Proszovicensis, Vitowiensis et Bythomiensis [...] in anno 1618 factae. <?page no="130"?> der Entstehungszeit der dem hl. Apostel Jakobus gewidmeten Kirchen haben sich, neben den Gründungsurkunden, ebenfalls Kirchensteuerlisten (s´wie˛ topietrze) von 1326 bis 1374 als hilfreich erwiesen 20 . Die Krakauer Diözese war im 16. Jahrhundert die räumlich größte Diözese Polens und gehörte zu den am weitesten gespannten in Europa. Innerhalb ihrer Grenzen, auf einem Gebiet von ca. 57.838 Quadratkilometern, befanden sich in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts ca. 467 Pfarrkirchen, deren Anzahl - bei minimalen Änderungen der Gebietsgrenzen - sich bis zum Ende des 16. Jahrhunderts beinahe verdoppelte 21 . Bis auf vierzehn Kirchen kann man fast alle Patrozinien der damals 893 Kirchen zählenden Diözese Krakau ermitteln 22 . Innerhalb der großen Gruppe der Heiligen-Patrozinien (656 = 73,4 %) tritt das Patrozinium des hl. Jakobus 28mal auf (4,3 %), was nur etwas weniger als in der damaligen Erzdiözese Gnesen ist, wo 29 Jakobus-Kirchen 4,7 % aller Patrozinien ausmachten 23 . Tab. 2: Kirchen mit dem Patrozinium des hl. Jakobus in der Diözese Krakau im 16. Jahrhundert Nr. Ortschaft Dekanat Quellen 1. Abramowice Chodel LB 2, S. 540 AV 96 Bl. 509 2. Bestwina Os´wie˛ cim (Auschwitz) LB 2, S. 292, AV 17 Bl. 1 3. Bogucice Kije LB 2, S. 376, AV 1052 r 120 Aleksandra Witkowska OSU 20 Acta Camerae Apostolicae 1: 1207-1344; 2: 1344-1375, in: Monumenta Poloniae Vaticana, 2 Bde., hg. von Jan P TAS ´ NIK (Krakau 1913-1914). 21 Zahlenangaben nach: Eugeniusz W IS ´ NIOWSKI , Rozwój organizacji parafialnej w Polsce do czasów reformacji (Die Entwicklung der Pfarrorganisation in Polen bis zur Zeit der Reformation), in: Kos´ ciól / w Polsce (Kirche in Polen) 1: S´ redniowiecze (Das Mittelalter), hg. von Jerzy K L / OCZOWSKI (Krakau 1966) S. 255. 22 Genaue Daten bei: S ZYMAN ´ SKI (wie Anm. 2) S. 94-104. 23 Einschlägige Daten aus: Liber beneficiorum Jana L / askiego z lat 1511-1524 (2 Bde., hg. von Jan L / UKOWSKI [Gniezno 1880-1881]) wurden von Krzysztof P ROROK ausgewertet in: Wezwania kos´ ciol / ów parafialnych archidiecezji gniez´ nien´ skiej w pocza˛tkach XVI w. na podstawie Liber beneficiorum Jana L / askiego (Patrozinien der Pfarrkirchen in der Erzdiözese Gnesen am Anfang des 16. Jahrhunderts anhand des Liber beneficiorum von Jan L / aski) (Lublin 1989) S. 25ff. (mschr. Arbeit an der Katholischen Universität Lublin). Im Ksie˛ ga uposaz˙ enia diecezji poznan´ skiej z 1510 r. (Gehaltbuch der Diözese Posen aus dem Jahre 1510), hg. von Józef N OWACKI (Posen 1950) (passim) sind unter 744 Kirchen 18 (2,5 %) mit dem Patrozinium des hl. Jakobus des Älteren aufgeführt. <?page no="131"?> 4. Brzesko Wojnicz LB 2, S. 161, AV 7 Bl. 89 5. Giebl / o Wolbrom LB 2, S. 218, AV 15 Bl. 73r 6. Góra Ropczycka Ropczyce LB 2, S. 281, AV 65 Bl. 24 7. Kotuszów Pacanów LB 2, S. 387, AV 10 Bl. 17 8. Kraków-Kazimierz Kraków LB 2, S. 21, AV 1599 S. 143 9. Królówka Lipnica LB 2, S. 177, AV 7 Bl. 172r 10. Lubsza Bytom (Beuthen) AV 15 Bl. 159r 11. Mieronice Je˛ drzejów LB 2, S. 86, AV 10 Bl. 110r 12. Niegardów Proszowice LB 2, S. 151, AV 10 Bl. 159r 13. Opatowiec Opatowiec LB 2, S. 408, AV 7 Bl. 121r 14. Paczowice Zator LB 2, S. 232, AV 17 Bl. 142r 15. Pal / ecznica Wrocimowice LB 2, S. 76, AV 10 Bl. 146r 16. Podegrodzie Nowy Sa˛cz LB 2, S. 304, AV 65 Bl. 178r 17. Probol / owice Sokolina LB 2, S. 413, AV 10 Bl. 74r 18. Raciechowice Dobczyce LB 2, S. 131, AV 7 Bl. 50r 19. Rudno Parczew LB 2, S. 556, AV 3 Bl. 5 nlb (? ) 20. Sandomierz Sandomierz LB 2, S. 454-455, AV 23 Bl. 1 21. Sanka Nowa Góra LB 2, S. 45, AV 17 Bl. 119r 22. Se˛ dziejowice Kije LB 2, S. 337, AV 10 Nl. 36 23. Skaryszew Zwolen´ LB 2, S. 527, AV 65 Bl. 290 24. Suszec Pszczyna AV 15 Bl. 216r 25. Szczaworyz˙ Kije LB 2, S. 454, AV 10 Bl. 31r Das Patrozinium des hl. Apostels Jakobus 121 <?page no="132"?> 26. S´ wierze Zwolen´ AV 65 Bl. 297 27. Tuchów Tarnów LB 2, S. 272, AV 7 Bl. 23 28. Wie˛ cl / awice Proszowice LB 2, S. 48, AV 10 Bl. 167 Der niedrige Prozentsatz der Pfarrkirchen mit dem Jakobuspatrozinium kann jedoch nicht als Beweis der schwachen Position des Apostels in der Patrozinien-Hierarchie angesehen werden. Denn der hl. Jakobus gehörte zu der in der Diözese Krakau populärsten Gruppe unter insgesamt 68 Arten von Pfarrkirchenpatrozinien und nahm in dieser, zusammen mit Petrus und Paulus, die 12. Stelle ein (3,1 %). Größerer Popularität erfreuten sich lediglich zwei marianische Patrozinien - Mariä Himmelfahrt (64 = 7,1 %) und Mariä Geburt (47 = 5,2 %) -, einige Heiligen-Patrozinien - hl. Nikolaus (74 = 8,2 %), Allerheiligen (58 = 6,4 %), hl. Johannes der Täufer (52 = 5,8 %), hl. Martin (40 = 4,4 %), hl. Bartholomäus (38 = 4,2 %), hl. Katharina (37 = 4,1 %), hl. Maria Magdalena (29 = 3,2 %) - und schließlich die Patrozinien zweier Nationalheiliger - Stanislaus (37 = 4,1 %) und Adalbert (34 = 3,8 %) 24 . Ein Blick in die Erzdiözese Gnesen zeigt, daß das Jakobus-Patrozinium dort durchaus häufiger vorkam als in Krakau: Hier nahm Jakobus der Ältere unter den Heiligen-Patrozinien nach dem hl. Nikolaus, Allerheiligen, der hl. Katharina und dem hl. Martin die fünfte Stelle ein 25 . In der Gruppe der Apostel- und Evangelisten-Patrozinien hingegen, die von insgesamt 153 (17 %) Kirchen der Diözese Krakau repräsentiert waren, steht Jakobus zusammen mit Petrus und Paulus auf dem zweiten Platz nach Bartholomäus (38 = 24,8 %) und knapp vor Andreas (25 = 16,3 %), sowie entschieden vor Simon und Judas Thaddäus (9), Matthäus (6), Philippus und Jakobus (5), Johannes Ev. (5), Lukas (2) und Markus (1). In der Erzdiözese Gnesen wird Jakobus von keinem anderen Mitglied des Apostelkollegiums übertroffen. Die Verteilung der Jakobus-Kirchen auf der Landkarte der Diözese Krakau weist schließlich darauf hin, daß sich die meisten von ihnen (22) im mittelwestlichen Teil der Diözese befanden, zumeist auf dem linken Weichselufer. 122 Aleksandra Witkowska OSU 24 S ZYMAN ´ SKI (wie Anm. 2) S. 103f. 25 P ROROK (wie Anm. 23) S. 25. <?page no="133"?> Das Patrozinium des hl. Apostels Jakobus 123 Bei der Diözese Krakau in ihren Grenzen des 16. Jahrhunderts handelte es sich um ein altes Siedlungsgebiet, das von starken Einflüssen der deutschen Kolonisierung geprägt und dicht besiedelt war. Die an Bevölkerung reichsten Pfarrgemeinden ballten sich vor allem im breiten „Gürtel“ zwischen Krakau und Sandomierz; zu dieser Kategorie gehörten auch diejenigen, die eine Jakobus-Kirche besaßen: Kraków-Kazimierz, Niegardów, Opatowiec, Pal / ecznica, Probol / owice, Sandomierz und Wie˛ cl / awice. Das genannte Gebiet deckte sich weitgehend mit dem Gebiet des Archidiakonats Krakau, für das eine gut entwickelte Pfarrstruktur charakteristisch war. Hier trat die höchste Zahl der Jakobus- Kirchen auf (12), womit die anderen Einheiten der kirchlichen Administration entschieden übertroffen wurden. Tab. 3: Kirchenpatrozinien des hl. Jakobus in den Archidiakonaten und Dekanaten der Diözese Krakau im 16. Jahrhundert Nr. Archidiakonat - Dekanat Ortschaft Anzahl Propstei - Dekanei 1. Archidiakonat Kraków Bytom (Beuthen) Lubsza 1 (Krakau) Dobczyce Raciechowice 1 Je˛ drzejów Mieronice 1 Kraków (Krakau) Kazimierz 1 Nowa Góra Sanka 1 Opatowiec Opatowiec 1 Os´wie˛ cim Bestwina 1 Proszowice Niegardów, Wie˛ cl / awice 2 Pszczyna Suszec 1 Wrocimowice Pal / ecznica 1 Zator Palczowice 1 2. Propstei Wis´lica Kije Bogucice 3 Se˛ dziejowice Szczaworyz˙ Pacanów Kotuszów 1 Sokolina Probol / owice 1 3. Archidiakonat Lublin Chodel Abramowice 1 Parczew Rudno 1 <?page no="134"?> 4. Archidiakonat Nowy Nowy Sa˛cz Podegrodzie 1 Sa˛cz Ropczyce Góra Ropc- 1 zycka 5. Archidiakonat Wojnicz Lipnica Królówka 1 Wojnicz Brzesko 1 6. Dekanei Kielce Zwolen´ Skaryszew, 2 S´ wierze 7. Archidiakonat Pilica Wolbrom Giebl / o 1 8. Archidiakonat Sandomierz Sandomierz 1 Sandomierz 9. Propstei Tarnów Tarnów Tuchów 1 insgesamt 28 Hinsichtlich der Geographie der Pfarrkirchen mit dem Patrozinium des hl. Apostels Jakobus in der Diözese Krakau fällt auf, daß sie bevorzugt an den Hauptverkehrswegen liegen: am Nord-Süd-Weg oder dem sogenannten Ostsee-Ungarn-Weg und am West-Ost-Weg, also dem Schlesien-Ruthenien-Schwarzmeer-Weg 26 . Bemerkenswert sind dabei die geringen Entfernungen zwischen den einzelnen Ortschaften, insbesondere zwischen denen, die eindeutig entlang einer kontinuierlichen Linie gelegen sind, die von Bestwina durch Palczowice, Sosnka, Kazimierz, Wie˛ cl / awice, Niegardów, Pal / ecznica, Probol / owice, Bogucice, Szczaworyz˙ , Se˛ dziejowice und Kotuszów bis Sandomierz verläuft. Die Entfernungen in der Luftlinie betragen zwischen 10 und 60 Kilometern. In den dichtbesiedelten Gebieten überschreiten sie nicht 35 Kilometer in der Luftlinie. Eine solche Anordnung der Jakobus-Kirchen scheint nicht zufällig zu sein. Sie könnte auf die Existenz eines in Vergessenheit geratenen Pilgerweges hinweisen, der durch Mittel-Süd-Polen in Richtung Schlesien und weiter zu den westeuropäischen Pilgerwegen führte und vielleicht auch in den Weg nach Compostela mündete. Falls ein solcher Weg durch Kleinpolen verlief, dürften die Jakobus-Kirchen die Stations-Kirchen gewesen sein, welche nicht mehr als einen Reisetag voneinander entfernt lagen. Eine ähnliche Situation kann auf dem Gebiet der Erzdiözese Gnesen beobachtet wer- 124 Aleksandra Witkowska OSU 26 Siehe die Landkarte bei Boz˙ ena W YROZUMSKA , Drogi z ziemi krakowskiej do kon´ ca XVI w. (Wege aus dem Krakauer Land bis zum Ende des 16. Jahrhunderts) (Warschau/ Krakau 1977) passim. <?page no="135"?> den. Die Jakobus-Kirchen ballen sich vor allem im südlichen und im nördlichen Teil der Erzdiözese zusammen und sind zumeist an den wichtigsten Transitwegen durch Großpolen gelegen, wobei die Entfernungen zwischen ihnen nicht größer als 30 Kilometer sind 27 . Die geographische Anordnung der uns interessierenden Kirchen der beiden Diözesen könnte demnach als Hinweis auf die Existenz polnischer Pilgerwege nach Santiago gelten. In der Fachliteratur über die Wege nach Santiago hat man die Bedeutung archäologischer Funde der Pilgerzeichen wie Jakobusmuschel, Pilgerstäbe, Flaschen und Plaketten betont 28 . Die bisher geführten einschlägigen Untersuchungen auf polnischen Gebieten brachten ein bescheidenes, doch interessantes Ergebnis hervor. Man hat eine Jakobus- Muschel auf dem Skelett-Friedhof auf der Insel Ostrów Lednicki (10.-12. Jahrhundert) gefunden, die heute im Muzeum Pocza˛tków Pan´ stwa Polskiego (Museum der Anfänge des Polnischen Staates) in Gniezno (Gnesen) aufbewahrt wird 29 . Auf dem Skelett-Friedhof in Grzebsk (Masovien) wurde in einem der Gräber das Fragment eines Pilgerstabes gefunden und auf das 11.-12. Jahrhundert datiert 30 . Während der Grabungen auf dem Markt in Trzebnica (Trebnitz, Schlesien) fand man eine Sammlung von Tonfläschchen, höchstwahrscheinlich aus dem 14.-15. Jahrhundert, welche möglicherweise den Pilgern am Gürtel oder am Stab befestigt als Wasser- oder Weingefäße dienten 31 . Es ist denkbar, daß durch eine genaue Überprüfung der Skelett-Friedhöfe in der Nähe der Jakobus-Kirchen auf die Anwesenheit der Pilgerzeichen hin weitere Das Patrozinium des hl. Apostels Jakobus 125 27 P ROROK (wie Anm. 23) S. 31. 28 Teresa D UNIN -W A ˛ SOWICZ , Les chemins polonais vers Compostelle (XII e -XIV e siècles), in: Peregrinatio gothica 4 (Santiago de Compostela; im Druck). 29 Siehe Andrzej W RZOSEK , Zabytki wszesnos´ redniowieczne z Ostrowa Lednickiego pow. Gniezno (Frühmittelalterliche Funde von Ostrów Lednicki), Fontes Archeologici Posnaniensis 12 (1961) S. 242-253; Teresa D UNIN -W A ˛ SOWICZ , S´ redniowieczne znaki pielgrzymie w Polsce (Die mittelalterlichen Pilgerzeichen in Polen. Ein Zwischenbericht), in: Peregrinationes. Pielgrzymki w kulturze dawnej Europy (Peregrinationes. Pilgerfahrt in der europäischen Kultur des Mittelalters und der frühen Neuzeit), hg. von Halina M ANIKOWSKA / Hanna Z AREMSKA (Warschau 1995) S. 328-331, hier: S. 330f. 30 Barbara Z AWADZKA -A NTOSIK , Wczesnos´ redniowieczne cmentarzysko w obudowie kamiennej w Grzebsku pow. Ml / awa (Frühmittelalterliches Gräberfeld mit Steinumbau in Grzebsko, Kreis Ml / awa), Wiadomos´ ci Archeologiczne (Archäologische Nachrichten) 38, H. 3-4 (1964) S. 461-464, 492. 31 Informator Archeologiczny (Archäologischer Anzeiger) 1993, S. 94; D UNIN -W A ˛ SO - WICZ , S´ redniowieczne znaki pielgrzymie (wie Anm. 29) S. 330; A. Z˙ UREK , Materialne s´ lady pielgrzymek S´ la˛zaków w s´ redniowieczu (Materielle Spuren von Pilgerfahrten der Schlesier im Mittelalter), in: Peregrinationes (wie Anm. 29) S. 336. <?page no="136"?> Beweise für die Existenz der Wege von Polen nach Compostela geliefert werden könnten 32 . Das Problem der Chronologie der Jakobuspatrozinien hängt mit der Datierung der jeweiligen Kirchen zusammen. Angesichts der mangelnden Gründungs- und Stiftungsurkunden muß oft anhand der Daten zur Größe eines Pfarrkreises, zur Höhe des Peterspfennigs, zur Siedlungssituation usw. indirekt auf die Entstehungszeit geschlossen werden. Auf diese Art und Weise ermittelt man jedoch lediglich ein ungefähres Entstehungsdatum der uns interessierenden Objekte. Das zur Disposition stehende Material erlaubt, diejenigen Jakobus- Kirchen genauer zu datieren, die in der Zeit um 1325 entstanden sind. Die ältesten dieser Kirchen stammen aus dem 11.-12. Jahrhundert, die meisten aus dem 13. Jahrhundert und einige wenige aus dem 14. und 15. Jahrhundert 33 . Zu den ältesten gehört die an der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert entstandene Kirche in Opatowiec 34 . Drei weitere, höchstwahrscheinlich aus dem 12. Jahrhundert stammende Kirchen sind die Burgkirchen in Podegrodzie (Sa˛cz) 35 und Sandomierz 36 sowie die von der 126 Aleksandra Witkowska OSU 32 Dunin-Wa˛sowicz weist auf die Notwendigkeit der weiteren Erforschung von Pilgerzeichen hin (D UNIN -W A ˛ SOWICZ , S´ redniowieczne znaki pielgrzymie [wie Anm. 29] S. 330f.). 33 Zu den Quellen siehe Tab. 2. 34 Tab. 2, Nr. 13. Vgl. auch Eugeniusz W IS ´ NIOWSKI , Rozwój sieci parafialnej w prepozyturze wis´ lickiej w s´ redniowieczu. Studium geograficzno-historyczne (Die Entwicklung des Pfarrnetzes in der Propstei Wis´ lica im Mittelalter. Eine geographischhistorische Studie) (Warschau 1965) S. 62-64; DERS ., Prepozytura wis´ licka do schyl / ku XVIII wieku. Material / y do struktury organizacyjnej (Die Propstei Wis´ lica bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Materialien zur Organisationsstruktur) (Lublin 1976) S. 194-196. 35 Tab. 2, Nr. 16. - S. Andrzej Z˙ AKI , O pol / oz˙ eniu wczesnos´ redniowiecznego Sa˛cza (Über die Lage der frühmittelalterlichen Stadt Sa˛cz), Rocznik Sa˛decki (Sa˛cz-Jahrbuch) 4 (1960) S. 6-50; Anna R UTKOWSKA -P L / ACHCIN ´ SKA , Sa˛deczyzna XIII-XIV w. Przemiany gospodarcze i spol / eczne (Sa˛deczyzna im 13.-14. Jahrhundert. Wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Wandel) (Wrocl / aw 1961) S. 18ff.; Bolesl / aw K UMOR , Archidiakonat sa˛decki. Opracowanie material / ów z´ ródl / owych do Atlasu Historycznego Kos´ ciol / a w Polsce (Das Archidiakonat Sa˛cz. Zur Bearbeitung von Quellen zum historischen Atlas der Kirche in Polen), Archiwa, Biblioteki i Muzea Kos´ cielne (Kirchenarchive, -bibliotheken und -museen) 9 (1964) S. 124-126; Maria M IL / OSZEWSKA - P URA , Patrocinia kos´ cielne w grodach mas´ opolskich do kon´ ca XII wieku (Kirchenpatrozinien in kleinpolnischen Burgen bis Ende des 12. Jahrhunderts) (Warschau 1964) S. 14 ff. (mschr. Arbeit an der Universität Warschau). 36 Tab. 2, Nr. 20. Bevor die Kirche 1226 durch Dominikaner übernommen wurde, erfüllte sie die Rolle einer Pfarrkirche. Vgl. Stanisl / aw L AZAR , Rozwój przestrzenny Sandomierza X-XIII w (Die räumliche Entwicklung von Sandomierz), Roczniki Humanistyczne 6, H. 5 (1958) S. 5-85, hier: S. 78f.; M IL / OSZEWSKA -P URA (wie Anm. <?page no="137"?> Familie Strzemien´ gestiftete Kirche in Kazimierz (Satellitenstadt und später Stadtteil von Krakau), die noch vor der Stadtgründung nach dem deutschen Recht entstand 37 . Aus dem 13. Jahrhundert stammen zwölf Pfarrkirchen in Bestwina 38 , Kotuszów 39 , Królówka 40 , Mieronice 41 , Niegardów 42 , Pal / ecznica 43 , Probol / owice 44 , Raciechowice 45 , Se˛ dziejowice 46 , Skaryszew 47 , Tuchów 48 , Wie˛ cl / awice 49 . Auf die Wende vom 13. Das Patrozinium des hl. Apostels Jakobus 127 35) S. 40; Marian F LOREK , Kos´ ciól / s´ w. Jakuba i dawny klasztor dominkanów w Sandomierzu w s´ wietle ostatnich wyników badan´ archeologicznych i architektonicznych (Die St.-Jakobus-Kirche und das ehemalige Dominikanerkloster in Sandomierz im Lichte der neuesten archäologischen und architektonischen Untersuchungen), Zeszyty Sandomierskie (Sandomierz-Hefte) 3 (1993) S. 19-24; D UNIN -W A ˛ SO - WICZ , Wezwania s´ w. Jakuba (wie Anm. 12) S. 55. 37 Tab. 2, Nr. 8. Die Kirche wird in der Fachliteratur im allgemeinen auf die Wende vom 12. auf das 13. Jahrhundert datiert. Es war die Pfarrkirche einer der größten Gemeinden von Kazimierz, die nach den Schweden-Kriegen im 17. Jahrhundert jedoch aufgehoben wurde. Vgl. Wanda K ONIECZNA , Pocza˛tki Kazimierza (do r. 1419) (Anfänge von Kazimierz bis 1419), in: Studia na przedmies´ ciami Krakowa (Studien zu den Vorstädten von Krakau) (Krakau 1938) S. 7-90, hier: S. 12ff.; Jerzy W YROZUMSKI , Dzieje Krakowa (Geschichte Krakaus) 1: Kraków do schyl / ku wieków s´ rednich (Krakau bis zum Ende des Mittelalters) (Krakau 1992) S. 137f.; Bolesl / aw K UMOR , Dzieje diecezji krakowskiej do roku 1795 (Geschichte der Diözese Krakau bis 1795) 2 (Krakau 1999) S. 584-589. 38 Tab. 2, Nr. 2. Vgl. Jerzy K URZEJA , Rozwój s´ redniowiecznej sieci parafialnej w dekanacie Os´ wie˛ cim (Entwicklung des Pfarrnetzes im Dekanat Auschwitz) Roczniki Humanistyczne 27, H. 2 (1979) S. 26. 39 Tab. 2, Nr. 7. Vgl. Jan W IS ´ NIEWSKI , Historyczny opis kos´ ciol / ów, miast, zabytków i pamia˛tek w Stopnickiem (Historische Beschreibung der Kirchen, Städte und Denkmäler im Kreis Stopnica) (Mariówka 1929) S. 118-124 sowie Eugeniusz W IS ´ NIOWSKI , Prepozytura wis´ licka do schyl / ku XVIII wieku. Material / y do struktury organizacyjnej (Die Propstei Wis´ lica bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Materialien zur Organisationsstruktur) (Lublin 1976) S. 98-100. 40 Tab. 2, Nr. 9. Vgl. Królówka (in: [= Sl / ownik Geograficzny Królestwa Polskiego] SGKP, 4, S. 692). 41 Tab. 2, Nr. 11. Vgl. Mieronice (in: SGKP 6, S. 352) sowie Sztuka polska przedroman´ ska i roman´ ska do schyl / ku XIII w (Polnische Kunst der Vorromanik und Romanik bis zum Ende des 13. Jahrhundert), hg. von Michal / W ALICKI (Warschau 1971) Teil 2, S. 734. 42 Tab. 2, Nr. 12. Vgl. Niegardów (in: SGKP 7, S. 72). 43 Tab. 2, Nr 15. Vgl. Pal / ecznica (in: SGKP 7, S. 833). 44 Tab. 2, Nr. 17. Vgl. Jan W IS ´ NIEWSKI , Historyczny opis kos´ ciol / ów, miast, zabytków i pamia˛tek w Pin´ czowskiem, Skalbmierskiem i Wis´ lickiem (Historische Beschreibung der Kirchen, Städte und Denkmäler in Kreisen Pin´ czów, Skalbmierz und Wis´ lica) (Mariówka 1927) S. 224-234; W IS ´ NIOWSKI , Prepozytura (wie Anm. 39) S. 154-155. 45 Tab. 2, Nr. 18. Vgl. Raciechowice (in: SGKP 9, S. 364-365). 46 Tab. 2, Nr. 21. Vgl. Se˛ dziejowice (in: SGKP 10, S. 465). 47 Tab. 2, Nr. 22. Vgl. Skaryszew (in: SGKP 10, S. 655-656). 48 Tab. 2, Nr. 27. Vgl. Tuchów (in: SGKP 12, S. 599-600). 49 Tab. 2, Nr. 28. Zu Probol / owice vgl. W IS ´ NIEWSKI , Historyczny opis kos´ ciol / ów (wie Anm. 44) S. 224-234; W IS ´ NIOWSKI , Prepozytura (wie Anm. 39) S. 154-155. <?page no="138"?> zum 14. Jahrhundert können die Kirchen in Giebl / o 50 , Palczowice 51 , Sosnka 52 , Suszec 53 , Szczaworyz˙ 54 datiert werden. Nach 1325 entstanden sieben weitere Kirchen, darunter vier im 14. Jahrhundert: Abramowice 55 , Bogucice 56 , Góra Ropczycka 57 , S´ wierze 58 ; schließlich läßt sich noch eine Kirche auf die Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert datieren (Rudno 59 ), zwei weitere auf das 15. Jahrhundert (Brzesko 60 und Lubsza 61 ). Insgesamt 75 % der Kirchen mit dem Jakobus-Patrozinium (21) sind vor 1325 entstanden, weitere 25 % wurden bis Ende des 15. Jahrhunderts gestiftet. Es handelte sich dabei vor allem um Dorfkirchen. Nur sechs von ihnen stehen in Stadtgebieten (Brzesko, Kraków-Kazimierz, Opatowiec, Sandomierz, Skaryszew, Tuchów). Neben der Frage nach der Datierung der Kirchen selbst sind für uns auch die ältesten Erwähnungen ihres Patroziniums wichtig. Diese erscheinen jedoch in den zur Verfügung stehenden Quellen erst spät. Zu den Ausnahmen gehört die Notiz über das Patrozinium der Krakauer Jakobus-Kirche im Stadtteil Kazimierz, die aus dem Jahre 1313 stammt 62 . Über die Hälfte der Patrozinien (54 %) kennen wir erst aus Quellen vom Ende des 15. Jahrhunderts. Hinzu kommen zwei etwas frühere Nachrichten aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Die übrigen zehn Patrozinien sind erst im 16. Jahrhundert bezeugt. Die meisten der uns bekannten Daten stammen aus dem ‚Liber beneficiorum‘ von Jan Dl / ugosz, der die Informationen zu Patrozinien von Kirchen in Góra Ropczycka, Królówka, Mieronice, Niegardów, Palczo- 128 Aleksandra Witkowska OSU 50 Tab. 2, Nr. 5. Vgl. Giebl / o (in: SGKP 2, S. 544). 51 Tab. 2, Nr. 14. Vgl. Palczowice (in: SGKP 7, S. 825). 52 Tab. 2, Nr. 23. Vgl. Sosnka (in: SGKP 10, S. 294). 53 Tab. 2, Nr. 24. 54 Tab. 2, Nr. 25. Vgl. W IS ´ NIEWSKI , Historyczny opis kos´ ciol / ów (wie Anm. 44) S. 286- 293 sowie W IS ´ NIOWSKI , Prepozytura (wie Anm. 39) S. 71-73. 55 Tab. 2, Nr. 1. Vgl. Henryk G AWARECKI / Czesl / aw G AWDZIK , Ulicami Lublina (Durch die Straßen von Lublin) (Lublin 1976) S. 38. 56 Tab. 2, Nr. 3. Vgl. Bogucice (in: SGKP 1, S. 280) sowie W IS ´ NIEWSKI , Historyczny opis kos´ ciol / ów (wie Anm. 44) S. 26-30 und W IS ´ NIOWSKI , Prepozytura (wie Anm. 39) S. 34-35. 57 Tab. 2, Nr. 6. Vgl. K UMOR , Archidiakonat sa˛decki (wie Anm. 35) S. 230-231. 58 Tab. 2, Nr. 26. Vgl. S´ wierze (in: SGKP 11, S. 676-677). 59 Tab. 2, Nr. 19. Vgl. Przemysl / aw S ZAFRAN , Rozwój sieci parafialnej w Lubelskiem (Die Entwicklung des Pfarrnetzes in der Region Lublin) (Lublin 1958) S. 166-167. 60 Tab. 2, Nr. 4. Vgl. Brzesko (in: SGKP 1, S. 407-408). 61 Tab. 2, Nr. 10. 62 Kodeks dyplomatyczny Mal / opolski - Codex diplomaticus Poloniae Minoris 3, hg. von Franciszek P IEKOSIN ´ SKI (Krakau 1881) Nr. 369, S. 494. <?page no="139"?> wice, Pal / ecznica, Probol / owice, Se˛ dziejowice, Sosnka und Wie˛ cl / awice 63 liefert. Dreimal erwähnt Dl / ugosz das Jakobuspatrozinium in folgenden zusammengesetzten Patrozinien: mit der hl. Katharina in Raciechowice, mit dem hl. Nikolaus in Rudno und mit dem hl. Leonhard in Szczaworyz˙ 64 . Zwischen dem Beginn des 15. und dem Ende des 16. Jahrhunderts blieben die Jakobuspatrozinien zu 88 % ohne Änderungen erhalten. Dadurch wird die auch aus anderen Zusammenhängen bekannte Beständigkeit der alten Patrozinien in der Diözese Krakau bestätigt. Die Visitationsakten aus dem 16. Jahrhundert hingegen liefern Beispiele für die Einführung des Jakobuspatroziniums an Stelle eines anderes: so in Bogucice (ursprünglich Christophorus) und Opatowiec (ursprünglich Simon und Judas) 65 . Die Stifter der kleinpolnischen Kirchen werden erst im 15. Jahrhundert greifbar 66 . Da man jedoch eine gewisse Beständigkeit des kleinpolnischen Stifterwesens annehmen kann, können die späteren Daten zur Erhellung der früheren Zustände hinzugezogen werden. In entschiedener Mehrheit handelte es sich dabei um ritterlich-adlige Stiftungen (53 %). Kirchliches und klösterliches Patronat (17,8 %: Niegardów, Opatowiec, Tuchów - Benediktiner aus Tyniec; Skaryszew - Kanoniker vom Hl. Grab aus Miechów; Podegrodzie - teilweise Klarissen aus Nowy Sa˛cz) sowie bischöfliche Schirmherrschaft (7,1 %: Podegrodzie, Sandomierz, S´ wierze) waren dagegen für die ältesten der Kirchen charakteristisch und wichen im 13. sowie zu Beginn des 14. Jahrhunderts den Stiftungen des Hochadels. Königliches Patronat (10,7 %: Bogucice, Góra Ropczycka, Królówka), das allgemein eher für die frühen Stiftungen charakteristisch war, tritt in unserem Falle erst verhältnismäßig spät auf, nämlich in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Ein vergleichbares Übergewicht der adlig-ritterlichen Stiftungen bei Jakobus- Kirchen ist für die gleiche Zeit auch in der Erzdiözese Gnesen (62 %) und der Diözese Posen (66 %) festzustellen 67 . Die besondere Popularität des Jakobuskultes in Ritter- und Adelskreisen kann mit dem ritter- Das Patrozinium des hl. Apostels Jakobus 129 63 Siehe Tab. 2, Nr. 6, 9, 11, 12, 14, 15, 17, 21, 23, 28. 64 Ebd. Nr. 18, 19, 25. 65 AV 10, Bl. 52r; AV 7, Bl. 121r. 66 In drei Fällen (Brzesko, Kotuszów, S´ wierz˙ e) kann der Stifter bzw. die Art der Stiftung erst einhundert Jahre später - und für Lubsza, Rudna i Suszec überhaupt nicht - festgestellt werden. 67 Vgl. P ROROK (wie Anm. 23) S. 31 sowie die bereits erwähnte Kartei, die auf der Basis vom Gehaltbuch der Diözese Posen (Ksie˛ ga uposaz˙ enia diecezji poznan´ skiej) erstellt wurde. <?page no="140"?> lichen Charakter von Jakobus in seiner Eigenschaft als matamoros - dem Sieger über die Sarazenen in Spanien - erklärt werden 68 . Der in dieser Rolle auftretende Jakobus wurde, neben Georg und Mauritius, in die Reihe der ritterlichen Schutzheiligen gezählt. Manche Ritterorden, so z. B. der Deutsche Orden, haben Jakobus zu ihren Schutzheiligen gewählt. Man kann leider nur spekulieren, inwieweit die seit dem Ende des 14. Jahrhunderts bezeugte Teilnahme der polnischen Adligen an der Pilgerfahrt nach Compostela die Popularität des Jakobuskultes beeinflußte 69 . Der in der vorliegenden Studie festgestellte Zusammenhang des Jakobuspatriziniums mit den alten Kirchenzentren Polens legt nahe, daß es sich hier um ein frühes, obgleich bis heute erhaltenes Patrozinium in der polnischen Kirche handelt. Es wird angenommen, daß zu den ältesten Jakobus-Kirchen auf den polnischen Gebieten (11.-12. Jahrhundert) ebenfalls die nicht mehr erhaltenen Kirchen in Mogilno und Lubia˛z˙ , sowie die bis heute existierende Kirche in Nysa gehörten 70 . Von mittelalterlichen Jakobus-Patrozinien in der ehemaligen Diözese Krakau wurden 25 % im Laufe der Zeit geändert 71 . Seit dem 18. Jahrhundert existiert die Jakobus-Kirche in Krakau-Kazimierz nicht mehr. Andere Kirchen dieser Diözese befinden sich nach den neuesten Änderun- 130 Aleksandra Witkowska OSU 68 Hier handelt es sich um das legendäre Motiv der Fürsprache des hl. Jakobus für den Sieg des Königs Ramiro von Asturien über die Sarazenen bei Clavijo im 9. Jahrhundert. 69 Über die Teilnahme der Polen in der Wallfahrt zum Grab des hl. Jakobus vgl. Jeanne V IELLIARD , Pèlerins d’Espagne à la fin du Moyen Age, in: Homenatge a Antoni Rubió i Lluch. Miscellánia d’estudis literaris, histórics i lingüístics, 3 Bde., (Barcelona 1936) 2, S. 265-300; Helena P OLACZKÓWNA , O podróz˙ nikach s´ redniowiecznych z Polski i do Polski (Über die mittelalterlichen Reisenden von und nach Polen), Miesie˛ cznik Heraldyczny (Heraldische Monatsschrift) 5 (1937) S. 66-67; Maria W ILSKA , Mazowieccy pielgrzymi do Composteli (Compostela-Pilger aus Masovien), in: Pielgrzymki w kulturze s´ redniowiecznej Europy. Material / y XIII Seminarium Mediewistycznego (Pilgerfahrt in der Kultur des mittelalterlichen Europas. Materialien des XIII. Mediävistenkolloquiums), hg. von Jacek W IESIOL / OWSKI (Posen 1993) S. 57-67; DIES ., Pielgrzymim szlakiem z Mazowsza do Composteli. Komunikat (Auf dem Pilgerweg von Masovien nach Compostela. Ein Zwischenbericht), in: Peregrinationes (wie Anm. 29) S. 165-169. 70 Zygmunt S´ WIECHOWSKI , Budownictwo roman´ skie w Polsce. Katalog zabytków (Romanische Baukunst in Polen. Katalog der Denkmäler) (Breslau 1963) passim; D U - NIN -W A ˛ SOWICZ , Wezwania s´ w. Jakuba (wie Anm. 12) S. 55. Vgl. schließlich auch die entsprechenden Aufsätze im vorliegenden Band. 71 Ein Patroziniumwechsel erfolgte bei den Kirchen in Bestwina (Mariä Himmelfahrt), Bogucice (Mariä Himmelfahrt), Brzesko (Misericordia Domini), Królówka (Transfiguratio Christi), Rudno (Elevatio Crucis) und Suszec (Stanisl / aw). Siehe Wykaz parafii w Polsce (wie Anm. 14), Index. <?page no="141"?> gen der Diözesen-Struktur nunmehr in zehn Diözesen 72 . In der heutigen Diözese Krakau finden sich lediglich die Kirchen in Palczowice, Raciechowice, Sanka, Wie˛ cl / awice und die im 18. Jahrhundert entstandene Kirche in Piekielnik. Dies führt zu einer veränderten Statistik: Das Jakobuspatrozinium macht nur noch 1,2 % aller Patrozinien in der Diözese Krakau aus. Die moderne Krakauer Kirche hat ihre Tradition des Jakobus-Kultes aufgeteilt. Literatur Ungedruckte Quellen ADL (Archiwum Diecezji Lubelskiej) Nr. 96: Visitatio ecclesiarum et totius cleri in archidiaconatu Lublinensi [...] facta [...] in anno 1603. AKMK (Archiwum Kurii Metropolitalnej w Krakowie) AV Nr. 1: Liber visitationis in civitate ac Dioecesi Cracoviensi consistentium [...] Philippi Padniewski Episcopi Cracoviensi 1565. AKMK AV Nr. 5: Visitatio decanatus Boboviensis externa per Joannem Januszowski [...] Visitatio Ecclesiae Collegiatae civitatis Novae Sandecz [...] anno Domini 1608 facta. AKMK AV 23: Acta visitationis ecclesiarum archidiaconatus Sandomiriensis sub R. D. Bernardo Maciejowski [...] anno Domini 1604. AKMK AV Nr. 41: Acta visitationis exterioris decanatum: Pacanoviensis, Kijensis, Sokoliensis, Andreoviensis, Wrocimoviensis, Proszovicensis, Vitowiensis et Bythomiensis [...] in anno 1618 factae. Gedruckte Quellen Acta Camerae Apostolicae 1: 1207-1344; 2: 1344-1375, in: Monumenta Poloniae Vaticana, hg. von Jan P TAS ´ NIK (Krakau 1913-1914). Akta wizytacji dekanatów bytomskiego i pszczyn´ skiego dokonanej w roku 1598 z polecenia Jerzego Radziwil / l / a, biskupa krakowskiego (Akten der Visitation der Dekanate Bytom und Pszczyna, die 1598 auf Geheiß von Jerzy Radziwil / l / , Bischof von Krakau, durchgeführt wurde), hg. von Marian W OJTAS (Katowitz 1938). Akta wizytacji dekanatu krakowskiego 1599 roku przeprowadzonej z polecenia kardynal / a Jerzego Radziwil / l / a (Akten der Visitation des Dekanats Krakau, die 1599 auf Geheiß von Kardinal Jerzy Radziwil / l / durchgeführt wurde), Teil 1, hg. von Czesl / aw S KOWRON (Lublin 1965) [= AW]. 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Apostels Jakobus 135 <?page no="146"?> Z˙ UREK , Adam: Materialne s´ lady pielgrzymek S´ la˛zaków w s´ redniowieczu (Materielle Spuren von Pilgerfahrten der Schlesier im Mittelalter), in: Peregrinationes. Pielgrzymki w kulturze dawnej Europy (Peregrinationes. Pilgerfahrt in der europäischen Kultur des Mittelalters und der frühen Neuzeit), hg. von Halina M ANIKOWSKA / Hanna Z A - REMSKA (Warschau 1995) S. 332-338. Resumen: El artículo está dedicado a los patrocinios como portadores de significados múltiples. Se basa en amplio material coleccionado en el transcurso de un estudio más amplio sobre los patrocinios en Polonia. En total, Santiago ocupa el décimo lugar entre dichos patrocinios, aunque haya unas diferencias regionales: el oeste muestra una devoción más marcada que el este. Basándose en dos obras principales, el „Liber beneficiorum dioecesis Cracoviensis“ (siglo XV) y las visitaciones de la diócesis de Cracovia, la autora profundiza sus resultados generales utilizando el caso concreto de Cracovia. Llega a la conclusión, que las primeras iglesias dedicadas al Apóstol datan de los siglos XI y XII; pero muchas de ellas cambiaron de patrón posteriormente por razones no fáciles de determinar. 136 Aleksandra Witkowska OSU Die Pfarrkirchen mit dem Patrozinium des hl. Jakobus in der Diözese Krakau im 16. Jahrhundert. <?page no="147"?> Der Kult des hl. Apostels Jakobus in Polen bis Mitte des 16. Jahrhunderts im Lichte liturgischer Quellen H ENRYK W A ˛ SOWICZ Der Heiligenkult bildet einen der Hauptbestandteile der Liturgie des Kirchenjahres. Bereits in der christlichen Antike wurden die Namen der Märtyrer in den Martyrologien der Lokalkirchen aufgeschrieben 1 , und an den Jahrestagen eines Märtyrertodes pilgerten große Menschenmengen zu den Feierlichkeiten am Grabe 2 . In der Hierarchie der Feste nehmen die Apostel einen besonderen Rang ein: In verschiedenen Gebetstexten sowie in der Allerheiligenlitanei werden die Apostelfeste in der Regel unmittelbar nach den Herren- und Marienfesten erwähnt 3 . Bei der Betrachtung des Quellenmaterials zum Apostelkult ist in erster Linie das wesentliche Instrument zu berücksichtigen, welches die liturgischen Tätigkeiten organisiert und gliedert: die Festkalender 4 . Diese 1 Die ältesten acta martyrum der afrikanischen Kirche stammen von 180 n. Ch. Eine polnische Übersetzung dieser Dokumente findet sich in: Antologia patrystyczna (Antologie der Patristik), hg. von Andrzej B OBER (Krakau 1965) S. 80ff. 2 Adalbert H AMMAN , Z˙ ycie codzienne w Afryce Pól / nocnej w czasach s´ w. Augustyna (Das Alltagsleben in Nordafrika zur Zeit des hl. Augustinus) (Warschau 1989) S. 339ff. 3 Victor L EROQUAIS , Les bréviaires manuscrits des bibliothèques publiques de France (Paris 1934) 1, S. LXVI. In mittelalterlichen Litaneien werden die Apostel nach den Anrufungen des Herrn, der Engel und der Muttergottes aufgeführt. Vgl. Maurice C OENS , Anciennes Litanies des saints, Analecta Bollandiana 54 (1936) S. 11. Emmanuel M UNDING gibt dagegen eine etwas andere Hierarchie der Feste an: Feste des Herrn, der Muttergottes, der Engel, des Johannes des Täufers, des hl. Joseph, der Apostel, Märtyrer, Bekenner, Jungfrauen, Witwen und Heiligen des Alten Bundes (Die Kalendarien von St. Gallen aus 21 Handschriften des neunten bis elften Jahrhunderts, Texte und Arbeiten herausgegeben durch die Erzabtei Beuron 36 [1948] S. 1). 4 Als Kalender der liturgischen Bücher gelten nicht nur diejenigen, die auf den ersten Seiten der Kodizes auftreten, sondern auch die Festtagverzeichnisse mitten im Buch. Dazu gehört z. B. das proprium de sanctis im Sakramentar oder Brevier oder aber ein Festverzeichnis, das man anhand eines Lektionars, Evangeliars, Homiliars etc. rekondienen <?page no="148"?> als Hauptquelle zur Geschichte der Kirchenfeste und stellen auch die Quellengrundlage des vorliegenden Beitrags dar 5 . In ihnen wird sowohl das Datum des Festes erwähnt als auch der Charakter seiner Begehung bestimmt. Bis zum 14. Jahrhundert besaßen die Kalenderrubriken lediglich eine zweifarbige Differenzierung. Roter Eintrag bedeutete die allgemeine Pflicht, sich der Arbeit zu enthalten (festa fori), ein schwarz markierter Festtag wurde dagegen nur vom Klerus begangen (festa chori). In der letztgenannten Kommemorationsgruppe wurde im 14. Jahrhundert in den Kalendern der Grad der liturgischen Hierarchie eingetragen (memoria, festum oder solemnitas). Die Rahmengestalt eines Kalenders ist in zwei Festkategorien gegliedert. Zum einen bildet die Gruppe der unbeweglichen Feiertage (festa immobilia) den Sanctorale genannten Teil des liturgischen Kalenders. Die Listen der Feiertage, die in eine Textkolumne ein- und den festen Monatsterminen zugeordnet werden, bilden somit die Festkalender. Ab dem 9. Jahrhundert treten diese am Anfang liturgischer Bücher in zwei Varianten auf: als liturgischer Kalender oder als ein verkürztes Martyrologium (martyrologium abbreviatum) 6 . Zum anderen hängen die Termine der sogenannten beweglichen Feste (festa mobilia), welche sich zum Temporale zusammenfügen, von den jährlich wechselnden Terminen des Osterfestes ab. Alle Apostelfeste gehören der Gruppe der festa immobilia an und sind daher immer ein Bestandteil des Sanctorale. Am frühesten taucht der Apostelkult in den ältesten liturgischen Kalendern des Ostens auf, zugleich mit den Anniversarien lokaler Märtyrer, welche die ersten Kalenderfeste überhaupt ausmachen 7 . Spuren die- 138 Henryk Wa˛ sowicz struieren kann. Victor L EROQUAIS (Les manuscrits liturgiques latin du haut moyen âge et de la renaissance [Paris 1931] S. 6) erwähnt 54 Arten von liturgischen Büchern. 5 Zum Apostelkult in Gallien in der Spätantike sowie im frühen Mittelalter im Lichte der Kirchenpatrozinien s. Eugen E WIG , Der Petrus- und Apostelkult im spätrömischen und fränkischen Gallien, Zeitschrift für Kirchengeschichte 71 (1960) S. 217ff. 6 Einer der Unterschiede zwischen diesen zwei Kalendertypen sind die Leerstellen (keine Festeintragungen) bei manchen Tagesdaten im liturgischen Kalender. Ein Martyrologium kann hingegen sogar mehrere Einträge bei einem Tagesdatum aufweisen. Die Unterschiede beruhen auf der unterschiedlichen Funktion der beiden Kalenderarten. Die Feste im liturgischen Kalender bestimmen die Meßliturgie und das Brevieroffizium, während das verkürzte Martyrologium in Verbindung mit der Ordensliturgie steht, wo nach der Konventsmesse die Heiligennamen, deren Gedächtnis in die aktuelle Woche fiel, vorgelesen wurden. Siehe dazu Jacques D UBOIS , Les Martyrologes du moyen âge latin (Brepols 1978) S. 13ff.; L EROQUAIS (wie Anm. 3) S. LXI-IIff.; Henryk W A ˛ SOWICZ , Kalendarz ksie˛ g liturgicznych Krakowa do pol / owy 16. w. (Kalender der liturgischen Bücher Krakaus bis Mitte des 16. Jahrhunderts) (Lublin 1995) S. 110ff. 7 Noële M. D ENIS -B OULET , Le calendrier chrétien (Paris 1959) S. 59. <?page no="149"?> ses Kultes kann man im Osten bereits in den ersten Jahrzehnten des 2. Jahrhunderts beobachten 8 . Die Anfänge des Märtyrerkultes im Westen liegen vergleichsweise später. Es wurden keine Beweise dafür gefunden, daß die Lokalkirchen vor dem 3. Jahrhundert eigene Festverzeichnisse besaßen 9 . In Rom bildete sich der früheste Apostelkult nach der Konstantinischen Wende heraus. Im ältesten bekannten Kalender (Chronograph 354) wird - mit Ausnahme der Apostel Petrus und Paulus - kein außerrömischer Märtyrer erwähnt 10 . Die Apostelfürsten Petrus und Paulus bilden dabei den charakteristischsten Bestandteil des lokalen Sanctorale. In den Rubriken des lokalen Kalenders wurden diesem ersten Apostelpaar in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts Johannes und Andreas und im darauffolgenden Jahrhundert Philippus und Jakobus (Minor) hinzugefügt. Ein derart zusammengesetzter Zyklus der Feste der sechs Apostel blieb in Rom für die kommenden fünfhundert Jahre charakteristisch. Damit blieben die Rubriken des römischen Kalenders dem eigenen, von der Antike geerbten Konzept des Heiligenkultes, darunter auch Apostelkultes, treu. Den hier geltenden Regeln gemäß nimmt der Kult seinen Anfang am Grabe eines heiligen Märtyrers, wo man zu seinem Gedächtnis eine Basilika erbaute. Von dieser Stelle breitet sich der Kult in die Stadttopographie hinein aus 11 . Erst seit dem 11. Jahrhundert öffnet sich unter ottonischem Einfluß der römische Kalender für die neuen heortologischen Inhalte, die von der anderen Seite der Alpen her kommen. Genau zu dieser Zeit wird der Kult der restlichen Apostel in das Gewebe des lokalen Kalenders implantiert und nimmt darin denjenigen Platz ein, den er im Grunde bis heute besitzt. Der Kult des hl. Apostels Jakobus 139 8 Hippolyte D ELEHAYE , Les origines du culte des martyrs (Brüssel 1933) S. 262. 9 Die ersten zitierten Märtyrer sind Calixtus (†222) sowie Pontianus und Hippolytus († nach 235). Vgl. D ELEHAYE (wie Anm. 8) S. 263. 10 In diesem Kalender wurden zweimal die Heiligen der afrikanischen Kirche erwähnt: am 7. März Perpetua und Felicitas und am 14. September Cyprianus. Dieses Gedächtnis allerdings wurde in Rom bei Reliquien begangen, die der Papst Cornelius in die Katakomben holen ließ. 11 Ein Beispiel eines solchen Kalenders in Polen ist das ‚Capitulare evangeliorum‘ von ca. 800, das sich heute in der Sammlung der Domkapitelbibliothek in Gnesen befindet (Hs. MS 1). Man findet hier lediglich Feste der folgenden Apostel: Petrus und Paulus, Phlippus und Jakobus, Andreas und Johannes. Es fehlen: Matthias (24. Februar), Jakobus der Ältere (25. Juli), Bartholomäus (24. August), Matthäus (21. September), Simon und Judas (28. Oktober) und Thomas (21. Dezember). Vgl. Najdawniejszy kalendarz gniez´ nien´ ski wedl / ug kodeksu MS1 (Der älteste Gnesener Kalender nach dem Kodex MS1), hg. von Bogdan B OLZ (Posen 1971) sowie DERS ., Najstarszy kalendarz w re˛ kopisach gniez´ nien´ skich. MS 1 z roku okol / o 800 (Der älteste Kalender in handschriftlichen Samlungen von Gnesen. MS1 von ca. 800), Studia Z´ ródl / oznawcze 12 (1967) S. 23-38. <?page no="150"?> Zur gleichen Zeit breitete sich in fränkischen Ländern sowie in Norditalien ein anderes Konzept des Heiligenkultes aus. Hier etablierte sich die Verehrung der individuellen Apostel als Helden des Glaubens: der Apostel, der Märtyrer und der Bekenner, und zwar so, daß sie jeweils einen eigenen Platz im lokalen Kalender der Feste besitzen. Daher finden wir schon in den ältesten Kalenderrubriken der liturgischen Bücher aus den Gebieten nördlich der Alpen einen kompletten Zyklus der Apostelfeste. Das Fest des hl. Jakobus (des Älteren) Im Laufe des ganzen Mittelalters wurde das Jakobusfest in der Regel der Gruppe der universellen Feste (festa universalia) zugeordnet. Dies bedeutet, daß es den Rubriken aller Kalenderarten bekannt war - sowohl den Diözesanals auch den Ordenskalendern. Diesem hohen Rang liegt die Zugehörigkeit Jakobus’ zur Gemeinschaft der Apostel zugrunde. In der Ostkirche wurde das Fest des hl. Jakobus des Älteren an zwei verschieden Terminen begangen. Das Martyrologium aus Nikodemia aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts benennt den 27. Dezember als Tag seiner und seines Bruders Johannes Kommemoration, die damit direkt nach Weihnachten fiel 12 . Im 5. Jahrhundert werden die beiden Brüder in den Rubriken des Jerusalemer Kalenders ebenfalls um diese Zeit - am 29. Dezember - plaziert 13 . Ähnliches findet man im armenischen Kalender vor, der die beiden Apostel am letzten Tage der siebentägigen Vorbereitungszeit auf die Theophanie (ein Tag nach den Aposteln Petrus und Paulus) erwähnt 14 . Die gleiche Begehungsregel beobachten wir weiterhin in Gallien im 7. Jahrhundert: Im lokalen Sakramentar (Missale Gothicum) befindet sich die Missa in Natale Ap. Jacobi et Joannis gleich nach dem Ordo missae in Natale S. Stephani und direkt vor der Missa in 140 Henryk Wa˛ sowicz 12 Bonaventura M ARIANI , Breviarium syriacum (Rom 1956) S. 27. 13 Athanase R ENOUX , Le Codex arménien Jérusalem 121.II, in: Patrologia Orientalis 36 (Turnhout 1971) S. 372f. 14 Die Zelebration dieser letzten vier Tage verläuft wie folgt: 1. Tag - Prophet David und hl. Jakobus, der Bruder des Herrn; 2. Tag - Stephanus, der erste Märtyrer; 3. Tag - die Apostel Petrus und Paulus; 4. Tag - die Apostel Jakobus und Johannes, Söhne des Donners. Vgl. dazu Venance G RUMEL , La Chronologie. Traité d’études byzantines (Paris 1958) 1, S. 332. Es darf dabei nicht unerwähnt bleiben, daß es im armenischen Kalender keine unbeweglichen Feste gibt: Alle Termine sind vom Datum des Osterfestes abhängig. <?page no="151"?> Nat. Ss. Infantum. Das Fest besitzt bereits eigene Meßtexte 15 , die jedoch einzig durch das Missale aus Bobbio und das sogenannte ‚Missale Gallicanum vetus‘ aus dem 8. Jahrhundert bekannt sind. Dieses Meßoffizium wird in den keltischen, ambrosianischen, mozarabischen, leonianischen, älteren und jüngeren gelasianischen sowie in den gregorianischen Sakramentaren nicht aufgeführt. Der Apostel Jakobus spielte zweifelsohne eine herausragende Rolle in der jungen Jerusalemer Kirche, was ihm auch die Verfolgung und letztendlich den Märtyrertod brachte. Laut Apostelgeschichte (12,1-2) wurde er auf Geheiß von Herodus I. Agrippa am Tag der ungesäuerten Brote, also einen Tag vor Ostern, enthauptet 16 . Gemäß dieser Tradition nehmen die Rubriken der östlichen Kirche das Datum des Gedächtnisses an einem Frühlingstermin an. Der koptische Kalender setzte dieses Datum am 12. April fest 17 . Der byzantinische Kalender gibt als Begehungsdatum den 30. April an 18 , und die Antiochener Kirche nennt dafür den 7. Mai 19 . Nach Westen kam der Jakobuskult aus Jerusalem 20 . Im 5. Jahrhundert wird das Fest am Anfang des hieronymianischen Martyrologiums unter dem Datum vom 25. Juli genannt, zusammen mit den anderen Aposteln 21 . Usuardus, ein Benediktinermönch aus St-Germain-des- Prés, fügt in der Elogie seines Martyrologiums unter dem Datum 25. Juli die allgemein bekannte Bemerkung zur translatio der Reliquien von Jakobus hinzu: Natalis Iacobi apostoli, fratris Iohannis evangelistae, qui ab Herode rege decollatus est. Huius sacratissima ossa ab Ierosolimis ad Hispanias translata, et in ultimis earum finibus condita, celeberrima illarum gentium veneratione excoluntur 22 . In andere liturgische Bücher findet der Jakobuskult später Eingang als in die historischen Martyrologien. Der Kult wird vom wichtigsten Der Kult des hl. Apostels Jakobus 141 15 Leo C. M OHLBERG , Missale Gothicum. Das gallikanische Sacramentar (Cod. Vatican. Regin. Lat. 317) des VII.-VIII. Jahrhunderts, Textband (Augsburg 1929) S. 113f. 16 Apg 12,2-3; vgl. auch: Euzebiusz z Cezarei: Historia kos´ cielna. O me˛ czennikach palestyn´ skich (Eusebius von Cäsarea: Kirchengeschichte. Über die Märtyrer Palestinas), ins Polnische übers. von Arkadjusz L ISIECKI (Krakau 1993) S. 52. 17 Maurice DE F ENOYL , Le sanctorale copte (Beirut 1960) S. 140. 18 Juan M ATEOS , Le Typicon de la Grande Eglise (Rom 1962) S. 277. 19 G RUMEL (wie Anm. 14) S. 339. 20 D ENIS -B OULET (wie Anm. 7) S. 89. 21 Martyriologium Vetustissimum s. Hieronymi presbyteri nomine insignitum, Patrologia Latina, ed. Migne (Paris 1846) 30, Sp. 456. Pierre J OUNEL ist der Auffassung, daß die Einführung des Jakobuskultes im Westen früher als in Compostela stattfand (Le culte des saints dans les basiliques du Lateran et du Vatican au douzième siècle [Rom 1977] S. 261). 22 Le Martyrologe d’Usuard, hg. von Jacques D UBOIS (Brüssel 1965) S. 272. <?page no="152"?> Zeugnis der Liturgie des gallikanischen Ritus - dem burgundischen Lektionar von Luxeuil aus dem 7. Jahrhundert 23 - noch nicht bestätigt, sondern erst in einem aus dem Territorium Galliens stammenden ‚Sacramentarium Gelasianum‘ aus dem 8. Jahrhundert 24 sowie in den Kalendern Karls des Großen erwähnt 25 . Von dieser Zeit ab gewinnt das Datum des Jakobusfestes im Westen eine allgemeine Akzeptanz und findet seinen festen Platz in allen ältesten Kalendern der Lokalkirchen nördlich der Alpen 26 . In den Rubriken des römischen Kalenders taucht der hl. Jakobus im Laufe des 10. Jahrhunderts auf 27 . Das entsprechende Fest wird jedoch ohne eine eigenen Vorabendliturgie gefeiert 28 . Endgültig stabilisiert sich das Fest im darauffolgenden Jahrhundert; im 12. Jahrhundert findet es sich in fast allen Festkalendern 29 . Ähnlich wie in den früheren Kalendern wird das Fest zu dieser Zeit ohne Vigil begangen, die lediglich in einem Lateran-Kalender vom Ende des 12. Jahrhunderts erwähnt wird 30 . 142 Henryk Wa˛ sowicz 23 Le Lectionnaire de Luxeuil, hg. von Pierre S ALMON (Rom 1944). 24 Leo C. M OHLBERG , Das fränkische Sacramentarium Gelasianum in alemannischer Überlieferung (Codex Sangall. No 348). (St Galler Sacramentar-Forschungen I, Münster in Westfalen 1918) S. 155. 25 Ferdinand P IPER , Karls des Grossen Kalendarium und Ostertafel: Aus der Pariser Urschrift hg. und erl. nebst einer Abhandlung über die lateinischen und griechischen Ostercyclen des Mittelalters (Berlin 1858) S. 26. 26 In den Quellen findet sich bis zum 7. Jahrhundert kein Hinweis auf die iberische Episode in der apostolischen Mission des Jakobus. Auf der Iberischen Halbinsel, genauer gesagt in Asturien, wurde die Legende während des muslimischen Überfalls auf die Westgothen belebt. Laut der Legende evangelisierte der Apostel diese Gebiete und äußerte den Wunsch, nach seinem Tod in Spanien bestattet zu werden. Zur Entwicklung des Jakobuskultes trug u. a. das Werk Isidors von Sevilla ‚De ortu et obitu patrum‘ (7. Jh.) bzw. im späteren Zusatz hierzu bei. Darin werden der Aufenthalt des Apostels in Spanien und die Übertragung seiner Reliquien geschildert. An den Bericht Isidors anknüpfend, berichten spätere Autoren, wie der Leichnam des Heiligen auf dem Seeweg aus Joppe ins spanische Iria gebracht wurde. Ihren Berichten zufolge entdeckte nach einer Zeit der Vergessenheit im Jahre 830 ein Mönch namens Pelayo die Reliquien des Heiligen wieder, nachdem ihm ihr Ort durch das Erscheinen eines Sternes bekannt gegeben wurde. Die Reliquien wurden nach Liberum Domum übertragen, das später den Namen Santiago oder Compostela bekam. 1082 begann man, an dieser Stelle eine Kirche zu errichten, die 1112 in den Rang einer Kathedrale erhoben wurde. Von dieser Zeit an wurde Santiago die Compostela die meistbesuchte Pilgerstätte in Europa. Mehr dazu in: Bibliotheca Sanctorum, hg. vom Istitituto Giovanni XXII della Pontificia Università Lateranense (Rom 1965) 6, S. 363-388. 27 Jakobus wird bereits im Sacramentarium Vaticanum genannt, vgl. J OUNEL (wie Anm. 21) S. 139. 28 Ebd. 29 Ebd., S. 198. 30 Ebd. <?page no="153"?> Anders verhält es sich mit der liturgischen Erweiterung des Festes außerhalb Roms. Die Notizen in den Rubriken von Sankt Gallen bestätigen, daß dort das Gedächtnis des Apostels Jakobus bereits am Anfang des 9. Jahrhunderts um eine eigene feierliche Vigil bereichert wurde 31 . In England ist diese Art der Begehung bereits seit den 30er Jahren des 11. Jahrhunderts in Kalendern von Exeter und Winchester verzeichnet 32 . Ab dem 12. Jahrhundert wird die Vorabendliturgie in den lokalen Kalendern des Rheinlands zur Regel 33 , während die Kalender von Freising 34 diese noch nicht erwähnen. Salzburg hingegen kennt die vigilia s. Jacobi ab dem 11. Jahrhundert 35 und Passau ab dem 14. Jahrhundert 36 . Da das Fest des hl. Petrus in Fesseln mit der Oktav des Jakobusfestes zusammenfällt (1. August), erfuhr die Gedächtnisfeier des hl. Jakobus keine Erweiterung um eine liturgische Nachfeier 37 . In den Rubriken der mittelalterlichen Kalender erscheint am Tag des hl. Jakobus auch ein Gedächtnis des hl. Christophorus: Volksfrömmigkeit verband die zwei großen Pilgerpatrone miteinander. Im Westen ist der gemeinsame Kult in der Karolingischen Ära bestätigt. Allerdings finden wir in englischen Kalendern entsprechende Erwähnungen erst ab dem 10. Jahrhundert. Erst im darauffolgenden Jahrhundert entwickelt sich das Doppelfest in Frankreich. Weniger populär scheint zu dieser Zeit der Christophoruskult in Italien gewesen zu sein. In Polen taucht der Kult des Apostelkollegiums infolge der Christianisierung auf, als zusammen mit der Verbreitung des neuen Glaubens die liturgischen Kodizes einzutreffen begannen. In einem der ältesten der in Polen erhaltenen liturgischen Bücher, dem Gnesener ‚Capitulare evangeliorum‘ vom Ende des 10. Jahrhunderts 38 , gibt es noch keine Notiz über den hl. Jakobus, was zweifelsohne als Folge der Herkunft dieses Kodex zu sehen ist. Die Apostelnamen, die im ‚Capitulare‘ aufge- Der Kult des hl. Apostels Jakobus 143 31 M UNDING (wie Anm. 3) S. 13. 32 Francis W ORMALD , English Kalendars before A. D. 1100 (London 1934) S. 92, 120. 33 Georg Z ILLIKEN , Der Kölner Festkalender. Seine Entwicklung und seine Verwendung zu Urkundendatierungen. Ein Beitrag zur Heortologie des Mittelalters, Bonner Jahrbücher des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinlande 119 (1910) S. 66-67; M UNDING (wie Anm. 3) S. 13. 34 Anton L ECHNER , Mittelalterliche Kirchenfeste und Kalendarien in Bayern (Freiburg im Breisgau 1891), passim. 35 Ebd., S. 134. 36 Ebd., S. 182. 37 Die liturgische Begehung der Oktav ist nur im ältesten Kalender aus Sankt Gallen (K 1, ca. 800) verzeichnet; vgl. M UNDING (wie Anm. 3) S. 13. 38 Das Original wird heute in der Kapitelbibliothek in Gnesen (Ms 1) aufbewahrt; darüber hinaus ist der Kalender in der in Anm. 11 erwähnten Neu-Edition zugänglich. <?page no="154"?> zählt wurden, sind mit jenen identisch, welche im ersten Teil dieses Beitrags zusammen mit entsprechenden Festen behandelt wurden 39 : Diese Struktur entspricht vollständig dem römischen Kanon der Feiertage. Deswegen werden lediglich Petrus und Paulus, Jakobus und Philippus sowie Andreas erwähnt. Matthias, Jakobus der Ältere, der uns hier interessiert, weiterhin Bartholomäus, Matthäus, Simon und Judas, Thomas und Johannes kommen dagegen darin nicht vor. Bemerkenswerterweise wird dagegen der hl. Jakobus in der Allerheiligenlitanei aus dem ältesten Pontifikale der Krakauer Bischöfe (1050-1075) genannt 40 . Die Litanei nennt die aufeinanderfolgende Namen des Apostelkollegiums im Rahmen der Fortsetzung der historisch-hierarchischen Ordnung der Anrufungen. Es soll hier angemerkt werden, daß dabei auf den ersten zwölf Stellen nicht etwa das Kollegium der Apostel sensu stricto auftritt 41 . Die Reihe wird durch die zwei größten und ältesten Feste des römischen Kalenders eröffnet: das des Apostelfürsten Petrus (1) und das 144 Henryk Wa˛ sowicz 39 Ebd., S. 23ff. 40 Die Litanei befindet sich auf den Blättern 6v-8v des Pontificale. Es handelt sich hier um einen der wertvollsten Kodizes der Jagiellonischen Bibliothek in Krakau (Biblioteka Jagiellon´ ska, Cod. MS 2057). Zum ersten Mal wurde dieser Kodex von Wl / adyslaw A BRAHAM herausgegeben als Pontificale biskupów krakowskich z XII wieku (Pontificale der Krakauer Bischöfe aus dem 12. Jahrhundert), Rozprawy Akademii Umieje˛ tnos´ ci, 66 (1927) Nr. 1; eine spätere Ausgabe liegt vor als Pontyfikal / krakowski z XI wieku (Krakauer Pontificale aus dem 11. Jahrhundert), hg. von Zdzisl / aw O BERTYN ´ SKI (Material / y z´ ródl / owe do dziejów Kos´ ciol / a w Polsce 5, Lublin 1977). Aufgrund der paleographischen Merkmale wurde die Handschrift von Bernhard Bishoff auf die Zeit zwischen 1050-1075 datiert, siehe ebd., S. 24. 41 Die Anrufungen der Apostel in den Litaneien fallen häufig durch überraschende, schwierig zu erklärende Beliebigkeit auf. So wird etwa der hl. Matthias in den Apostel-Anrufungen der Litanei des Pontificale von Pl / ock (Pontyfikal / pl / ocki z XII wieku, hg. von Antoni P ODLES ´ [Pl / ock 1986] S. 62) übergangen. Möglicherweise handelt es sich hierbei lediglich um eine fehlerhafte Abschrift; andererseits ist eine bewußte Auslassung nicht auszuschließen, da dieser Apostel nicht von Christus selbst, sondern erst nach der Himmelfahrt Christi von den anderen Aposteln berufen wurde (Apg 1,15-26). Dadurch besitzt er in der Heiligenverehrung einen geringeren Rang, was auch in den hagiographischen Quellen deutlich zu Tage tritt (vgl. auch unten, Anm. 43). Zum liturgischen Kult des Apostelkollegiums vgl. Wojciech D ANIELSKI , Apostol / owie (Apostel), in: Encyklopedia Katolicka (Die katholische Enzyklopädie) (Lublin 1985) 1, Sp. 833f. Ebenso wird in der Neuausgabe des Pontificale von Pl / ock die - im Original allerdings vorhandene - Anrufung des Jakobus Minor in der Gruppe der ApostelAnrufungen der Litanei außer Acht gelassen; vgl. das Faksimile der entsprechenden Handschriftseite mit dem Text der Litanei in: Antoni P ODLES ´ , Il Pontificale plocense del XII secolo, Studi Medievali 25 (1984) S. 17. Das Pontificale Plocense listet folgende Apostel-Anrufungen auf: Sancte Petre (1), Sancte Paule (2), Sancte Andrea (3), Sancte Jacobe (4), Sancte Johannes (5), Sancte Thoma (6), Sancte Jakobe (7), Sancte Philippe (8), Sancte Bartolomee (9), Sancte Mathee (10), Sancte Symon (11), Sancte Thadee (11). <?page no="155"?> des Apostels der Nationen Paulus (2). Erst danach werden in der Reihenfolge die Heiligen genannt: Andreas (3), Johannes (4), Jakobus der Ältere (5), Philippus (6), Bartholomäus (7), Matthäus (8), Thomas (9), Jakobus der Jüngere (10), Simon (11), Thaddäus (12) und Mathias (13). Der letztere wurde bekanntlich nach Judas’ Verrat in den Kreis der Zwölf aufgenommen 42 . Als der Jüngste im Kollegium besitzt er nicht den gleichen Kultrang wie die übrigen Apostel und bleibt deswegen in die Gruppe nicht vollständig integriert. Dies gilt nicht nur für die Litanei. Diese gewisse Separation ist auch in anderen liturgischen Quellen des Mittelalters zu beobachten 43 . Die Reihenfolge der Apostelnamen in dieser Litanei entspricht nicht genau derjenigen der Synoptiker 44 . Sie wiederholt aber auch nicht jene, die im ersten Teil des Meßkanons - Communicantes - auftritt 45 , wo entsprechend Petrus, Paulus, Andreas, Jakobus, Johannes, Thomas, Jakobus, Philippus, Bartholomäus, Mathäus, Simon und Thaddäus, erwähnt werden 46 . Zum Kreise der zwölf - faktisch dreizehn - Jünger Christi fügte die Litanei noch einen apostolischen Mann - den hl. Barnabas - und zwei der Synoptiker - die hll. Markus und Lukas - hinzu 47 . Die Struktur der Anrufungen des Apostelkollegiums, obwohl sie mit den oben genannten Mustern nicht gänzlich übereinstimmt, wurde ohne Zweifel aus dem römischen Archetyp Der Kult des hl. Apostels Jakobus 145 42 Dem Kalender im Sakramentar der Laurentius-Basilika zufolge kommt der Kult des hl. Matthias erst im 11. Jahrhundert nach Rom. Vgl. J OUNEL (wie Anm. 21) S. 136. 43 Aufgrund der Anforderungen der Fastenliturgie stabilisierte sich der 24. oder 25. Februar im Westen letztendlich erst im 11. Jahrhundert als Datum der Kommemoration des Apostels. Im Unterschied zu anderen Aposteln besitzt das Fest des hl. Matthias grundsätzlich keine Erweiterung um eine eigene feierliche Vigil und Oktav. Ebensowenig wird Matthias im ersten Teil des Meßkanons (Communicantes) im Apostelkollegium aufgeführt, er wird erst in Nobis quoque erwähnt, und dort erst auf der dritten Stelle nach Johannes dem Täufer und Stephanus. Vgl. dazu Pierre J OUNEL , Les Saints du Canon de la Messe, La Maison-Dieu 92 (1967) S. 36, 38. Erst Pius V. (1566-1572) erkannte Matthias den gleichen liturgischen Rang zu, wie ihn die anderen Apostel besitzen. Vgl. Henryk W A ˛ SOWICZ , Kult Apostol / ów do kon´ ca XII w. w s´ wietle heortologii (Der Apostelkult bis zum Ende des 12. Jahrhundert im Lichte der Heortologie), in: Symbol apostolski w nauczaniu i sztuce Kos´ ciol / a (Apostolisches Glaubensbekenntnis in der Lehre und Kunst der Kirche bis zum Tridentinum) (Lublin 1997) S. 284. 44 Vgl. entsprechend: Mt 10,2-4; Mk 3,16-19; Lk 6,14-16. 45 J OUNEL (wie Anm. 43) S. 36. 46 In dieser Reihenfolge werden die Apostel in verschiedenen mittelalterlichen Litaneien genannt. Als Beispiel wäre hier die Litanei aus der komputistischen Handschrift aus der Kathedrale in Freising (957-994) zu erwähnen. Vgl. C OENS (wie Anm. 3) S. 25. Eine Reihenfolge, die mit jener des Meßkanons übereinstimmt, tritt in der Litanei im Pontificale Plocense auf; siehe Pontyfikal / (wie Anm. 41) S. 63. 47 Diese beiden Evangelisten werden oft dem Apostelkollegium beigefügt, vgl. D ANI - ELSKI (wie Anm. 41) Sp. 833. <?page no="156"?> übernommen. Auf eine solche Herkunft weist die Verbindung (d. h. das direkte Aufeinanderfolgen) von zwei Paaren der Anrufungen: Philippus und Jakobus 48 sowie Simon und Judas Thaddäus 49 . Eine solche Ordnung der Anrufungen ist ausschließlich für den römischen Lokalkalender charakteristisch, da dort bis zur Ottonenzeit eine Kommemoration nicht eingeführt werden konnte, wenn der Heilige keine eigene Stationskirche besaß 50 . Die Ordnung der Anrufungen aus dieser Litanei ist nicht einzigartig, sondern kommt in anderen Litaneien aus der gleichen Zeit öfter vor 51 . Allem Anschein nach ist die Anwesenheit des Apostels Jakobus in den Rubriken der importierten liturgischen Bücher, die auf dem Territorium Polens benutzt wurden, im 11. Jahrhundert gesichert. Das aus Bayern stammende Gnesener ‚Missale Plenarium‘ (zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts) kündigt für das Jakobusfest drei eigene Meßgebete an: Collecta: Esto Domine plebi tue quos sanctificator et custos, ut apostoli tui Iacobi munita presidiis, et conversatione tibi placeat, et secura mente deserviat. Sekret: Oblationes populi tui, Domine quos beati Iacobi apostoli tui beata passio concili, et que nostris non apta sunt meritis, fiant tibi placita eius deprecatione. Postcommunio: Beati apostoli tui Iacobi intercessione nos adiuva, per cuius sollempnitate percepimus. Ein in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts in Köln entstandenes Sakramentar aus Tyniec ergänzt die oben genannten Gebete aus dem ‚Missale Plenarium‘ durch eine eigene Antiphona für die Kommunion: 146 Henryk Wa˛ sowicz 48 In den Rubriken des römischen Kalenders wird der 1. Mai als Jahrestag der Konsekration der Basilika aufgeführt, die Papst Julius I. (337-352) zu Ehren des Philippus und Jakobus Minor am Fuße des Quirinal-Hügels errichten ließ. 49 Zum ersten Mal werden die beiden Apostel im hieronymianischen Martyrologium gemeinsam erwähnt, vgl. Patrologia Latina (wie Anm. 21) 30, Sp. 436. 50 Die Aufnahme eines Festes in den allgemeinen Festkalender erfolgte in der Regel nach der Errichtung einer Basilika (Stationskirche) mit dem Patrozinium des entsprechenden Heiligen an der Stelle seines Martyriums (oder seines Grabes), von welcher aus sich der Kult zunächst in die Stadt bzw. in die nähere Umgebung ausbreitete. 51 Vgl. die von C OENS (wie Anm. 3) herausgegebenen Litaneien. Einer präzisen Bestimmung des Archetypus und der Entwicklungsrichtung der hier besprochenen Litanei aus dem Gnesener ‚Capitulare evangeliorum‘ kann im Rahmen des vorliegenden Beitrags nicht weiter nachgegangen werden. <?page no="157"?> Beati apostoli tui Iacobi cuius hodie festivitate corpore et sanguine tuo nos resecisti, quos domine intercessione nos adiuva, cuius sollempnitate percepimus tua sancta laetates. Der Text der Antiphonae nach der Kommunion wird ebenfalls geändert: Sollemnitastis apostolice multiplicatione gaudente, clementiam tuam deprecamur, omnipotens Deus, ut tribuas uiquer nos eorum, et confessione benedici et patrocinus confoveri. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts wird das Jakobusfest - ähnlich wie es im Westen geschah - um eine eigene feierliche Vorabendliturgie erweitert. Auf diese Art und Weise wird das Fest im lokalen Krakauer Obituarium, dem sogenannten „Krakauer Kalender“ angekündigt 52 . Das Fest selbst, ähnlich wie die anderen Apostelfeste, wurde hier mit rosaroter Farbe markiert 53 . Die Erweiterung der Begehung bestätigt den hohen Rang des Festes. Vergleichbaren Rang der Begehung (mit eigener Vigil in rosaroter Markierung) besaßen auch die Apostel Matthäus, Thomas, Petrus und Paulus sowie Bartholomäus; Andreas besitzt dagegen eine Vigil mit roter Markierung. Angesichts der Tatsache, daß wir über kein Krakauer Missale aus dem 13. Jahrhundert verfügen, kann man diese Anordnung als Spur eines lokalen Formulars betrachten. Das Krakauer Missale vom Anfang des 15. Jahrhunderts kündigt bereits die Vigil mit drei eigenen Gebeten an 54 : Collecta: Concede nobis omnipotens Deus ventura beati Iacobi apostoli tui solemnitatem congruo pervenire honore et venientem digna devotione. Sekret: Muneribus nostribus nostris tibi domine beati apostoli tui Iacobi festa pervenimus, et quam conscientie nostre perpediuntur obstaculis eius meritis quos tibi grata reddantur. Postcommunio: Beati apostoli tui Iacobi domine quos supplicatione placatus et veniam delictorum nobis tribue et remedia sempiterna concede. Der Kult des hl. Apostels Jakobus 147 52 Monumenta Poloniae Historica series nova 5 (Warszawa 1978) S. 158. 53 Neben dieser Farbe werden hier auch rot, blau, grün und schwarz benutzt. Blau wird dabei in der Regel den Festen des Herrn vorbehalten (5x); rot (55x) gilt den Märtyrern; rosa (47x) bezeichnet die Feste der Muttergottes, der Apostel und größeren Märtyrer; bei dem selten auftretenden Grün (6x) schließlich läßt sich keine Verbindung mit dem Festtypus ausmachen. 54 Missale Cracoviense, rps 2 Biblioteki Kapitulnej w Krakowie (Kapitelbibliothek in Krakau, Hs. 2). <?page no="158"?> Für den Tag des Jakobusfestes gibt das gleiche Missale drei eigene Gebete an: Collecta, Sekret und Postcommunio; die Texte für Introitus, Graduale, Darbringung und Kommunion wurden hingegen aus der Apostel-Votivmesse übernommen 55 : Introitus: Mihi autem nimis honorati sunt amici tui, Deus: nimis confortatus est principatus eorum. Domine, probasti me et cognovisti sessionem meam, et resurrectionem meam. Collecta: Esto, Domine, supplicationibus nostris et plebi tue sanctificator et custos, ut Apostoli tui Iacobi munita praesidiis, et conversatione tibi placeat, et secura deserviat. Graduale: Constitues eos principes super omnem terram, memores eorunt nominis tui, Domine. Pro patribus tuis nati sunt tibi filii, propterea populi confitebuntur tibi. Darbringung: Mihi autem nimis honorati sunt amici tui, Deus: nimis confortatus est principatus eorum. Sekret: Oblationes populi tui, quaesumus, Domine, beati apostoli tui Iacobi passio beata conciliet, et qui nostris non apta sunt meritis, fiant tibi placita eius deprecatione. Kommunion: Vos, qui secuti estis me, sedebitis super sedes, judicantes duodecim tribus Israel. Postcommunio: Beati apostoli tui Iacobi, in cuius hodierne festivitate corpore et sanguine filii tui refecti quos domine intercessione adiuva pro solempnitate precepimus tua sancta laetantes. Ebenfalls im zitierten Missale befindet sich, neben den eigenen Texten für das Jakobusfest, ein Gedenken des anderen großen Schutzheiligen der Pilger und Reisenden - des hl. Christophorus. Die Kalenderrubriken erwähnen ein Fest in commemoratio-Ritus mit einer eigenen Oratio und Secreta 56 . 148 Henryk Wa˛ sowicz 55 Fol. 311r-311v. 56 Ebd. Die gleiche Anordnung der Feste wird dann für die polnischen vortridentinischen Rubriken charakteristisch. <?page no="159"?> Das aus gleicher Zeit stammende Breslauer Missale 57 übernimmt die Texte für die Vigil des Jakobusfestes aus der Vorabendliturgie des hl. Thomas des Apostels. Die vorgeschriebenen Texte für den Festtag selbst hingegen - Introitus, Collecta, Secreta und Postcommunio - sind mit denen des oben besprochenen Krakauer Missale identisch. Von der Krakauer Tradition unterscheiden sich lediglich Texte für die Darbringung und Kommunion. Darbringung: Constitues eos principes super omnem terram: memores erunt nominis tui Domine, in omni in omni progenie et generatione. Kommunion: Amen dico vobis: quod vos, qui reliquistis omnia, et secuti estis me, centuplum accipietis, et vitam eternam possidebitis. In Gniezno (Gnesen) gilt seit 1492 die gleiche Begehungstradition des Jakobusfestes wie in Krakau 58 . Im letzten vollständigen vortridentinischen Krakauer Missale von 1532 59 wurden die Vigil-Texte aus der Apostel-Votivmesse übernommen. Eine Ausnahme bildet hier eine kleine Oratio: Concede nobis quos omnipotens Deus venturam beati apostoli tui Iacobi solemnitatem congruo pervenire honore et venientem digna celebrare devotione. In der liturgischen Tradition Krakaus bildete sich zu dieser Zeit der Brauch heraus, die Vigil auf zweierlei Weise zu begehen. Falls die Vorfeier auf einem Sonntag fiel, verwendete man andere Lesungen: Oratio: Per manus autem apostolorum Sekret: Muneribus nostris domine Kommunion: Posuisti Post-Kommunion: Beati apostoli Am Festtag selbst wurde dann der uns bereits bekannte Satz der Lesungen benutzt. Erwähnenswert ist, daß die Liturgie des Jakobusfestes seit dieser Zeit um einen Prosatext bereichert wurde: Clare sanctorum oder Der Kult des hl. Apostels Jakobus 149 57 Missale Nr. 8 in der Bibliothek des Domkapitels in Krakau (Biblioteka Kapitulna w Krakowie). 58 Dies ist Folge der Einführung der Krakauer Tradition in Gnesen durch Kardinal Friedrich den Jagiellonen, dessen Machtbereich sich über diese beiden Zentren erstreckte. In der Folge entstand ein neues Missale, das für beide Diözesen verbindlich galt: Missale Gnesnensis et Cracoviensis ecclesiarum (Mainz, Petr. Schöffer 20. April 1492); allerdings handelt es sich hierbei eigentlich nur um einen Nachdruck des ersten gedruckten Krakauer Missale von 1484. 59 Missale secundum ritum insignis Ecclesiae Cathedralis Cracoviensis niviter emendatum (Venetiis, P. Liechtenstein, imp. M. Wechter, VIII 1532). <?page no="160"?> Gaude Christi sponsa virgo mater ecclesia. Dieser Brauch erhielt sich bis in die letzten Krakauer Liturgiebüchern. Das Fest des hl. Jakobus hat somit von frühester Zeit an eine wichtige Rolle im liturgischen Kalender der christlichen Kirche gespielt. Als Mitglied des Apostelkollegiums und später als der große Patron der Compostela-Pilgerfahrt kam Jakobus in der Heiligenverehrung der Kirche eine besondere Bedeutung zu, die sich in der allmählichen Ausweitung seines Festes durch spezielle Vigilien und eigene liturgische Texte niederschlägt. Eine umfassende Erforschung der Liturgie des Jakobuskultes steht jedoch noch aus. Hierbei wären vor allem die folgenden beiden Aspekte zu berücksichtigen: 1. Die Veränderungen im Jakobuskult an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten auf dem polnischen Gebiet müßten überprüft und eingeordnet werden. Dies betrifft hauptsächlich die Kalendernotizen und liturgische Texte wie: - Brevieroffizien - Allerheiligenlitaneien. 2. Die Rolle des hl. Jakobus als Mitglied des Apostelkollegiums ist zu überprüfen. Dementsprechend müßten (zahlen-) symbolische Darstellungen des Apostelkollegiums in heortologischen Quellen in Augenschein genommen werden. Die Zahl 12 besaß in der biblischen Tradition sowie bei den mittelalterlichen Schriftstellern eine besondere Bedeutung. Die christliche Lehre verband damit eine Reihe symbolischer Sinngehalte: Zeitmaß, Sternzeichen und Lebensbaum, Geschlechter Israels, Patriarchen, Propheten 60 . Resumen: El autor investiga la génesis de las fiestas litúrgicas en honor de Santiago en Polonia. Además, quiere señalar las distintas maneras de celebrar tales fiestas. Para ello, se basa en fuentes litúrgicas - especialmente en calendarios, misales y en textos normativos - que datan del siglo IX al siglo XVI. Puede demostrar, que a partir de los años 30 del siglo XII la fiesta de Santiago fue incorporada en los textos litúrgicos. Un elenco de textos sacados de misales de los siglos XI al XV subraya los resultados expuestos. A pesar del trabajo presentado, el autor hace un llamamiento a seguir estudiando textos litúrgicos como fuentes históricas. 150 Henryk Wa˛ sowicz 60 So schrieb im 4. Jahrhundert Zeno von Verona: Dies vero ad sacramentum pertinet resurrectionis Domini nostri Jesu Christi [...] cui duodecim horae in Apostolis, duodecim menses serviunt in Prophetis; quem Evangeliorum salutaria quattuor praedicant tempora; cui non anniversarii, sed quotidiani fructus respondent. Tractatus, I, 33 (II, 45), 4 (De die Dominico) Patrologia Latina 11, Sp. 500f. <?page no="161"?> Spuren des Jakobuskults im Schrifttum Das Beispiel der frühen Drucke in Polen E DWARD P OTKOWSKI [...] Polak z przyrodzenia Ma ustawiczna˛ chciwos ´ c ´ do pielgrzymowania. Kiedy juz˙ przewie pewny gos ´ ciniec do Rzymu, Nie zatrzyma go doma ni lato, ni zima. Zawsze mówi - wen dalej, mknie ku Kompostele, Widziec ´ miasta, klasztory, szpitale i cele 1 . [...] Der Pole hat von Geburt an eine fortwährende Begierde zu pilgern. Wenn er sicher die Landstraße nach Rom hinter sich gebracht hat, hält ihn nichts mehr zu Hause, weder Sommer, noch Winter. Immer sagt er - weiter fort, eilt nach Compostela, um Städte, Klöster, Pilgerherbergen und Zellen zu sehen. ‚Worek Judaszów‘ - frei übersetzt ,Ein Sack voller Leute vom Schlage des Judas Ischarioth‘: Unter diesem Titel bot Sebastian Klonowic im Jahr 1600 in Versform die Summe seiner Erfahrungen als Ratsherr, Schöffe und Bürgermeister der Stadt Lublin sowie ein Verzeichnis der Delikte und der Ausschreitungen des städtischen Lebens. In Hinsicht auf das Thema dieses Bandes, den Jakobuskult in Polen, läßt das hier angeführte Zitat aufmerken: Klonowics ,Worek Judaszów‘ gibt Zeugnis von der - auch aus anderen Quellen bekannten - Vorliebe der Polen zu reisen und zu pilgern. Längere Pilgerfahrten wurden - außer Wanderungen zu Kirchen und Klöstern in Polen - im 16. Jahrhundert meistens nach Italien (Loreto, Rom), aber auch zum Heiligen Jakob 1 Sebastian Klonowic, Worek Judaszów (Krakau 1600); kritische Ausgabe: Kazimierz B UDZYK / Antonina O BRE ˛ BSKA -J ABL / ON ´ SKA (Breslau 1960). Für die Übersetzung des Zitats aus dem Altpolnischen sei Frau A. E. Koldau herzlich gedankt. - Über Sebastian Fabian Klonowicz: Bibliografia literatury polskiej „Nowy Korbut“, Pis´ mienictwo staropolskie, Hasl / a osobowe 2 (Warschau 1964) S. 321-327; Jerzy Z IOMEK , Renesans (Historia literatury polskiej, Warschau 1977) S. 417-425 und 490-491. <?page no="162"?> in Compostela unternommen. Reisen und Besichtigungen der fremden Länder waren in Polen im 16. Jahrhundert Mode und Notwendigkeit; insbesondere für Leute adeliger Herkunft, also für eine politisch und wirtschaftlich einflußreiche Schicht der altpolnischen Gesellschaft 2 . Besuche der Kirchen, Besichtigungen und das Berühren (in der Regel Küssen) der heiligen Reliquien und Andenken waren feste Bestandteile dieser Reisen. In der Vorstellung der Polen in dieser Zeit waren Pilgerfahrten in die Ferne mit dem Weg nach Rom und eben mit der Wallfahrt nach Compostela verbunden, nicht aber mit der Reise nach anderen ebenso berühmten Wallfahrtsorten Westeuropas oder etwa ins noch weiter entfernte Heilige Land. Die Erwähnung von Santiago de Compostela bei Klonowic kann zwar nicht als definitive Quellenbestätigung der Pilgerfahrten von Polen nach Compostela gesehen werden. Doch sie ist ein Beweis für die Existenz eines „Pilgerbewußtseins“, speziell für die Jakobuswallfahrt nach Santiago de Compostela und speziell in den bürgerlichen Kreisen in Polen am Ende des 16. Jahrhunderts. I. Der Jakobuskult in den Schriften des 16. Jahrhunderts Tatsächlich erfreute sich der Kult des heiligen Jakobs im Polen der frühen Neuzeit großer Popularität, wovon der in Polen häufige Vorname Jakob und viele altpolnische Sprichwörter zeugen. Selbstverständlich ist auch in den Kalendern der polnischen Diözesen der Tag des heiligen Jakobs (der 25. Juli) durch die rote Farbe der Schrift bzw. des Drucks als Fest eines höheren Ranges herausgestellt. Große Bedeutung für die Popularität dieses Kultes und für die Kenntnis der Gestalt des heiligen Apostels hatten im 16. und 17. Jahrhundert viele in der altpolnischen Gesellschaft gelesenen Druckwerke. Den ersten Platz unter diesen Drucken nehmen die ‚Heiligenleben des Alten und des Neuen Testaments‘ von Piotr Skarga (1536-1612) 3 ein. Dieser polnische Jesuit, ein berühmter Prediger und religiöser Polemiker sowie der erste Rektor der in Vilnius gegründeten Jesuitenakade- 152 Edward Potkowski 2 Zu diesem Phänomen vgl. u. a. Kazimierz H ARTLEB , Polskie dzienniki podróz˙ y w XVI wieku jako z´ ródl / a do wspól / czesnej kultury (Lwów 1920); Alojzy S AJKOWSKI , Wl / oskie przygody Polaków, wiek XVI-XVII (Warschau 1978); Hanna D ZIECH - CIN ´ SKA , O staropolskich dziennikach podróz˙ y (Warschau 1991). 3 Vgl. Bibliografia literatury polskiej „Nowy Korbut“ 3 (Warschau 1965) S. 236-245; Z IOMEK (wie Anm. 1) S. 395-404, 489-490; Karol E STREICHER , Bibliografia polska Teil 3, Bd. 17 (Krakau 1930) S. 160-167. <?page no="163"?> mie, bekleidete über 20 Jahre die Stellung eines Predigers am Hof des polnischen Königs und veröffentlichte Sammlungen von Predigten, publizistische und polemisch-religiöse Werke. Die ‚Heiligenleben‘ von Skarga führten im Polen des 16. Jahrhunderts zu einer Zunahme der Popularität religiösen Schrifttums. Dieses in kraftvollem und einfachem, aber gepflegtem Polnisch geschriebene Werk bietet in einem über 1.000 Seiten dicken Band etwa 400 Lebensbeschreibungen der Heiligen, in Kalenderreihen angeordnet. Skarga wendet in seinem Werk ein Schema an, das die Aufmerksamkeit der Leser auf den Lebenslauf, die Tätigkeit und die Wunder der Heiligen lenkt. Zur Beschreibung der Heiligenviten fügt er Überlegungen und Bemerkungen mit ethischem, dogmatischem und den Reformationsanhängern gegenüber polemischem Charakter hinzu. Skargas ‚Heiligenleben‘ erfreuten sich in Polen rasch großer Beliebtheit: Das Buch wurde zu seinen Lebzeiten siebenmal herausgegeben (1579-1610). Im Vorwort zur siebten Ausgabe schreibt Skarga mit echtem Schriftstellerstolz, daß „fromme Wirte“ mit seinem Buch ihre Häuser und Tische bereichern und auch „Geistliche und Gelehrte“ es lesen. Nach seinem Tod wurde ‚Heiligenleben‘ bis zum Ende des 18. Jahrhunderts weitere siebenmal aufgelegt. Es war ein echtes Hausbuch, ein Lehrbuch der religiösen Pädagogik und gleichzeitig eine anregende Lektüre, nach der auch Geistliche, Prediger und religiöse Polemiker griffen 4 . In diesem umfangreichen hagiographischen Werk durfte der heilige Apostel Jakob nicht fehlen 5 . Skarga beginnt dessen Vita mit Bemerkungen zur Rolle und Bedeutung der Apostel in der Kirche. Dabei wird betont, daß die Apostel und somit auch der heilige Jakob einfache Menschen von geringfügiger Bildung gewesen seien. So sei Jakobus nur imstande gewesen zu fischen, habe jedoch in der Nachfolge Christi gelernt, ein frommes Leben zu führen. In diesem Zusammenhang fügt Skarga Informationen über die Pilgerfahrten zum Grab des heiligen Jakobs hinzu. Zu keinem Grab eines Kaisers, eines Königs oder eines Philosophen kämen solche Massen aus allen Teilen der Welt wie seit eineinhalb Jahr- Spuren des Jakobuskults im Schrifttum 153 4 Stanisl / aw W INDAKIEWICZ , Piotr Skarga (Krakau 1925) S. 207-223; Juliusz N OWAK - D L/ UZ ˙ EWSKI „Z˙ ywoty s´ wie˛ tych“ Piotra Skargi, in: DERS ., Z historii polskiej literatury i kultury (Warschau 1967); Hanna D ZIECHCIN ´ SKA , Biografistyka staropolska w latach 1476-1627. Kierunki i odmiany (Breslau 1971) S. 122-138: „Z˙ ywoty s´ wie˛ tych“ Piotra Skargi na tle biografistyki renesansowej; Urszula B ORKOWSKA OSU, Hagiografia polska (wiek XVI-XVIII), in: Dzieje teologii katolickiej w Polsce 2, Teil 1 (Lublin 1975) S. 481-483. 5 Der folgenden Darstellung liegt die 2. Auflage zu Grunde: Z˙ ywoty s´ wie˛ tych starego y nowego zakonu, na kaz˙ dy dzien´ przez cal / y rok [...] (Krakau 1585) S. 669-673. <?page no="164"?> tausenden zum Grab des heiligen Jakobs. Weiter schildert Skarga die Berufung des Jakobus zum Apostel, seine Missionswanderungen nach Spanien und die geringen Ergebnisse dieser Mission, Jakobs Rückkehr nach Jerusalem und zwei seiner mit Hilfe von Tuch und Stock vollbrachten Wunder. Schließlich berichtet Skarga, wie Herodes Jakob festnehmen und ihn samt seinem Richter, den der Heilige bekehrt hatte, enthaupten ließ; beide „legten mit Freude den Kopf unter die Axt“. Dem Willen Gottes gemäß hätten Schüler dann die Leiche des Heiligen nach Spanien gebracht und sie in Compostela zu Grabe gelegt. Dort helfe der heilige Jakob dem Land vom Himmel aus mehr, als er das zu Lebzeiten hätte tun können. Denn „der heilige Glaube“ in Spanien sei „so stark, daß ihn keine häretischen Schlauheiten“ schwächen könnten. Nach Compostela kämen - so endet Piotr Skarga - fromme Pilger von allen Seiten der Welt und nähmen von Gott „unzählige Wohltaten“ an. Sowohl für Laien als auch für geistliche Leser enthält die Jakobusvita von Piotr Skarga interessante und nützliche Informationen. Somit diente diese Lebensbeschreibung der Bewahrung des Jakobskultes in Polen und der Bildung eines „Pilgerbewußtseins“, das heißt des Verlangens nach der Wallfahrt, bei den Lesern. Einen anderen Charakter hatten Predigten über den heiligen Jakob, die in zwei populären Predigersammlungen aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts veröffentlicht wurden. In erster Linie ist hier wiederum ein Werk von Piotr Skarga von besonderer Bedeutung, die ‚Predigten für Sonntage und Feste des ganzen Jahres‘, die zum ersten Mal im Jahre 1597 herausgegeben und zu Beginn des 17. Jahrhunderts drei weitere Male aufgelegt wurden (1602, 1609, 1618) 6 . Von entsprechendem Einfluß war die ‚Kleine Postilla‘ von Jakob Wujek, die in den Jahren 1579-1580 veröffentlicht und bis 1617 weitere fünf Male herausgegeben wurde 7 . Die Abfassung dieser Predigten, die vor allem dogmatische wie auch ethisch-gesellschaftliche und sogar politische Probleme berührten, ließ allerdings wenig Gelegenheit, biographische Einzelheiten und Informa- 154 Edward Potkowski 6 Kazania na Niedziele y S´ wie˛ ta cal / ego Roku X. Piotra Skargi, Societatis Jesu. (Krakau 1595) S. 587-593: Na dzien´ S. Jakuba Wie˛ tszego Apostol / a. - Die Ausgaben werden aufgelistet in: E STREICHER (wie Anm. 3) S. 142-144. 7 Postille Mnieyszey, Cze˛ s´ c´ Pirwsza Ozimia. To Jest Krótkie Kazania, abo wykl / ady S´ wie˛ tych Ewangeliey [...] Dla ubogich Kapl / anow y Gospodarzow y pospolitego czl / owieka teras z nowu s pilnos´ cia˛ napisana. Przez D. Jakuba Wuyka z Wa˛growca Theologa [...] (Posen 1579); Jakub W UJEK , Postille Mnieyszey Cze˛ s´ c´ wtora Letnia [...] (Posen 1580) S. 343-351. - Die Ausgaben werden aufgelistet in: Karol E STREI - CHER , Bibliografia polska Teil 3, Bd. 22 (Krakau 1939) S. 394-398. <?page no="165"?> tionen über den Kult des Heiligen zu erwähnen. So enthält in beiden Sammlungen die Predigt für den Tag des heiligen Apostels Jakob (25. Juli) eine Erklärung des Matthäusevangeliums (XX. Kapitel), die allein moralische und dogmatische Fragen betrifft. Außer der Erwähnung von Jakob selbst wird weder seine Tätigkeit und sein Apostolat in Spanien noch sein Grab in Compostela beschrieben. Der polnische Leser im 16. Jahrhundert konnte allerdings auch den populären historischen Werken Informationen über den heiligen Apostel Jakob entnehmen. Der Hinweis auf Santiago de Compostela, der sich in Sebastian Klonowics ‚Worek Judaszów‘ findet, wurde bereits oben zitiert. Ein anderes Beispiel findet sich in der reich mit Holzschnitten illustrierte und auf polnisch geschriebenen ‚Chronik aller Welt‘ (‚Kronike, to jest Historiia s´wiata‘) von Marcin Bielski (herausgegeben 1564 in Krakau). Dort befand sich eine kurze Erwähnung unter der am Rande gedruckten Rubrik „Heiliger Jakobus“ 8 . Bielski beschreibt darin Jakobs Mission in Spanien, die Rückkehr nach Jerusalem und seinen Tod auf Befehl des Herodes. Es fehlen hier jedoch Erwähnungen über das Grab und den Kult des heiligen Jakob in Compostela und über Pilgerfahrten zu diesem Ort, was man eventuell mit gewissen reformatorischen Einflüssen, die einige Forscher in der ,Chronik‘ von Bielski gefunden haben, verbinden kann 9 . II. Zur weiteren Forschung Zumindest in der Nationalbibliothek von Warschau ist allerdings der Bestand an Druckwerken, in denen der Jakobuskult erwähnt oder beschrieben wird, sehr begrenzt. Die Untersuchung der Bibliographien von polnischen Drucken des 16. Jahrhunderts und des Zentralkatalogs der sich in der Nationalbibliothek befindenden ‚Polonica‘ haben bis jetzt noch zu keiner Entdeckung von weiteren Titeln geführt, die dem Kult des heiligen Jakobs oder den Pilgerfahrten nach Compostela gewidmet sind. Möglicherweise werden weitere im Rahmen weiterer Nachforschungen bislang unbekannte Druckschriften ans Licht kommen. Spuren des Jakobuskults im Schrifttum 155 8 Kronika tho iesth Historya S´ wiata [...] (Krakau 1564; Nachdruck 1976) fol. 141v. 9 Ignacy C HRZANOWSKI , Marcin Bielski. Studium historyczno-literackie (Lwów/ Warschau 1926). <?page no="166"?> Andererseits ist durchaus vorstellbar, daß die Texte über den heiligen Jakob und über Pilgerfahrten nach Compostela hauptsächlich in Handschriften veröffentlicht wurden und in dieser Form im Leserkreis, in kleinen Gruppen der Abnehmer, kursierten. Dieser handschriftliche Umlauf der Texte in kleinen Familienleserkreisen ist eine charakteristische Erscheinung der altpolnischen Kultur im 16. und 17. Jahrhundert 10 . Daher wäre es nötig, zur Erforschung des Jakobuskultes im polnischen Schrifttum handschriftliche Hausbücher verschiedener Art, verschiedene „silva rerum“, Reiseberichte, geographische Beschreibungen, biographisch-panegyrische Texte und Diarien aus dieser Epoche genauer zu untersuchen, die nur zu einem kleinen Teil im 19. und 20. Jahrhundert veröffentlicht wurden. Darüber hinaus müßten auch die Predigtsammlungen des 15. und 16. Jahrhunderts untersucht werden, ebenso die für die polnischen Diözesen gedruckten liturgischen Bücher, hier insbesondere die Brevieroffizien, und schließlich auch die für Ordens- und Laiengesellschaften bestimmten Gebetsbücher. Über diese Druckwerke hinaus finden sich auch andernorts Spuren des Jakobuskultes: Manchmal wird eine Pilgerfahrt nach Compostela in Epitaphen erwähnt, die sich an Kirchenwänden befanden und von vielen Leuten gelesen werden konnten. Als Beispiel wäre das Epitaph von Simon Albimontanus- Bial / ogórski (†1615) in der Krakauer Marienkirche zu nennen 11 . Zum Schluß ist daran zu erinnern, daß im Polen des 16. Jahrhunderts viel gelesen wurde, auch Literaturwerke fremdsprachlicher Autoren, die bei ausländischen Verlagen erschienen waren. Unter all diesen Veröffentlichungen könnten sich auch Druckschriften über den heiligen Jakob und über die Wallfahrt nach Santiago de Compostela finden. Ob dies der Fall ist, kann nur durch die Untersuchung der aufbewahrten Bestandsverzeichnisse der kirchlichen Bibliotheken und der privaten Büchersammlungen, Handelsangebote und buchhändlerische Verzeichnisse festgestellt werden. Wir stehen also am Anfang der Nachforschungen. Der vorliegende Beitrag kann nur auf Möglichkeiten der Entdeckung von Spuren des Ja- 156 Edward Potkowski 10 Vgl. Staropolska kultura ra kopisu, hg. von Hanna D ZIECHCIN ´ SKA (Warschau 1990); Joanna P ARTYKA , Re˛ kopisy dworu szlacheckiego doby staropolskiej (Warschau 1995). 11 SERVI DEI SIMONIS ALBIMONTANI DE CASSVBY, ECCLESIAE HVIVS MANSIONARY PEREGRINI HIEROSOLIMITANI, ROMANI, COMPO- STELLANI; VIRI ADHVC IN VITA SANCTITATE AC MIRACVLIS CLARI - Corpus inscriptionum Poloniae 7: Województwo krakowskie, H. 2: Bazylika Mariacka w Krakowie, hg. von Zenon P IECH (Krakau 1987) S. 145, Nr. 94. <?page no="167"?> kobuskults in Texten hinweisen, die im Leserkreis in Polen des 16. Jahrhunderts im Umlauf waren, während die eigentliche Erschließung der Quellen noch aussteht. Resumen: El autor utiliza textos populares polacos del siglo XVI para demostrar los conocimientos sobre Santiago, su culto y las peregrinaciones a Compostela. En concreto se trata de la poesía moralizante de Sebastian Klonowic, las vidas de padres de Piotr Skarga SI, y la crónica del mundo de Marcin Bielski. Los conocimientos sobre Santiago y una consciencia específica de peregrinación compostelana también fueron popularizados por otras obras: sermones e impresos de carácter religioso llegados del extranjero, manuscritos de relatos de viajes, descripciones geográficas, y finalmente textos biográficos y panegíricos que relataron peregrinaciones a Santiago. A pesar de estas fuentes conocidas, todavía queda la tarea de estudiar más a fondo la literatura antigua polaca para encontrar más vestigios del culto compostelano. Spuren des Jakobuskults im Schrifttum 157 <?page no="169"?> Polen und die Pilgerfahrt nach Compostela in der Frühen Neuzeit I LJA M IECK Die Vorträge und Diskussionen des Kolloquiums haben deutlich gemacht, daß die Erforschung der mittelalterlichen Santiago-Wallfahrt im Hinblick auf Polen noch in den Anfängen steckt. Diese Feststellung läßt sich in zeitlicher und räumlicher Hinsicht erweitern: Die Forschungslücken betreffen erstens nicht nur Ostmitteleuropa, sondern den gesamten ost- und südosteuropäischen Raum, obwohl dieser seit dem Mittelalter zu den Einzugsbereichen der Compostela-Fahrt gehörte. Noch größere Forschungsdesiderate bestehen - zweitens - für die Epoche der Frühen Neuzeit, in der die Santiago-Wallfahrt nach einer Krise im 15. und 16. Jahrhundert 1 einen neuen Aufschwung erfuhr, der in europäischer Perspektive erst mit der Französischen Revolution endete 2 . Außerdem ist die Erforschung der Santiago-Wallfahrt von jeher und überall in Europa eine Domäne der Mediävisten. Selbst auf Tagungen, bei denen Spezialisten aus verschiedenen Ländern einen lebhaften und oft sehr fruchtbaren wissenschaftlichen Austausch pflegen, sind die Aussichten für den auf die Neuzeit spezialisierten Santiago-Forscher, in diesem Kreis einen kompetenten Fachkollegen zu treffen, verschwindend gering. Als die Ecole Française de Rome im Juni 1993 eine internationale Konferenz über ‚Les Pèlerinages dans l’Europe moderne‘ veranstaltete, 1 Zur Strukturkrise der Pilgerreise nach Santiago de Compostela vgl. die grundlegende Untersuchung von Ilja M IECK , Zur Wallfahrt nach Santiago de Compostela zwischen 1400 und 1650. Resonanz, Strukturwandel und Krise, Spanische Forschungen der Görresgesellschaft. Erste Reihe: Gesammelte Aufsätze zur Kulturgeschichte Spaniens 29 (1978) S. 483-534. Übersetzung ins Galicische: D ERS ., A Peregrinación a Santiago de Compostela entre 1400 e 1650. Resonancia, Transformación de estructura e crise, in: Seis ensaios sobre o camino de Santiago, hg. von Vicente A LMAZÁN (Vigo 1992) S. 289-360. 2 Zur Santiago-Wallfahrt nach der Krise des 16./ 17. Jahrhunderts vgl. Ilja M IECK , Kontinuität im Wandel. Politische und soziale Aspekte der Santiago-Wallfahrt vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Geschichte und Gesellschaft 3 (1977) S. 299-328. <?page no="170"?> konnte man zum Spezialthema der Santiago-Wallfahrt in der Frühen Neuzeit in Europa offensichtlich nur zwei Historiker ausfindig machen, die sich mit dieser Frage beschäftigt hatten 3 . Da eine stärkere Berücksichtigung der frühneuzeitlichen Compostela-Wallfahrt in der Santiago-Forschung unbedingt erforderlich ist, seien an dieser Stelle die bislang zusammengetragenen Informationen über die in der Frühen Neuzeit aus Polen kommenden Santiagopilger dargelegt, unter Einbeziehung einiger Diskussionspunkte, die sich beim Vortrag auf dem Krakauer Kolloquium ergeben haben. I. Zur Santiago-Tradition in Polen Als ich mich vor über zwanzig Jahren erstmals mit osteuropäischen Santiago-Pilgern befaßte, formulierte ich aufgrund der von mir ausgewerteten Quellen- und Literaturgrundlage eine These, der meines Wissens bis heute nicht widersprochen wurde und die ich deshalb zu Beginn meiner heutigen Darlegungen noch einmal in Erinnerung rufen möchte: „Nimmt man alles zusammen,“ mit diesen Worten endete der zweite Teil meiner damaligen Untersuchung, „ergibt sich ein ganzes Bündel von Indizien, die alle zu bestätigen scheinen, was die kastilischen Pilgerprivilegien des 15. Jahrhunderts und die anderen ‚westlichen‘ Quellen vermuten ließen: Rußland gehörte zu keiner Zeit zu den Einzugsbereichen der Santiago-Wallfahrt 4 .“ 160 Ilja Mieck 3 Es handelt sich hier um den Franzosen Georges Provost und um den Autor des vorliegenden Beitrags. Die in Rom gehaltenen Referate dieser beiden „Einzelgänger“ befinden sich im Tagungsband: Pèlerins et pèlerinages dans l’Europe moderne. Actes de la table ronde organisée par le Département d’Histoire et Civilisation de l’Institut Universitaire Européen de Florence et l’École Française de Rome (Rome, 4-5 juin 1993), hg. von Philippe B OUTRY / Dominique J ULIA (Collection de l’École Française de Rome 262, Rom 2000). Zur Thematik der beiden Vorträge s. Anm. 23 (Provost) und Anm. 34 (Mieck); zur Stellung Miecks in der deutschen Erforschung der Compostela-Pilgerfahrt in der Neuzeit vgl. außerdem Robert P LÖTZ , Pilger und Pilgerfahrt gestern und heute am Beispiel Santiago in Compostela, in: Europäische Wege der Santiago-Pilgerfahrt (Jakobus-Studien 2), hg. von Robert P LÖTZ (Tübingen 2 1993) S. 194, Anm. 73. 4 Ilja M IECK , Osteuropäer in Santiago de Compostela, Forschungen zur osteuropäischen Geschichte 25 (1978) S. 239-252, hier: S. 246. Dr. Christian Lübke, Professor für osteuropäische Geschichte in Greifswald, hat diese These in der Diskussion auf dem hier dokumentierten Krakauer Kolloquium bestätigt. Daß im Jahre 1700 im Hospital Real von Santiago ein Pilger aus Moscobia registriert wurde (siehe unten, Anm. 25) ist als sensationeller Ausnahmefall anzusehen, der an der Gesamtaussage nichts ändert. <?page no="171"?> Mit dieser Feststellung fällt dem Königreich Polen eine geographische Sonderstellung in Europa zu. Jahrhundertelang wird Polen das Land sein, von dem man, um nach Santiago de Compostela zu gelangen, die weiteste Entfernung in Ost-West-Richtung zurückzulegen hat. Die Risiken dieser außerordentlich weiten und zeitraubenden Reise müssen erheblich gewesen sein. Auch die Kosten dürfen nicht unterschätzt werden, da sich wohlhabendere Pilger nicht unbedingt mit den Verpflegungs- und Übernachtungsangeboten zufriedengeben wollten, die den mittellosen Pilgern von kirchlichen Institutionen in der Regel zur Verfügung gestellt wurden. Trotz dieser Schwierigkeiten haben in den Jahrzehnten um 1400 mehrere namentlich bekannte Polen die Strapazen dieser Wallfahrt auf sich genommen: Sie befanden sich unter den insgesamt 134 Pilgern, die von der aragonesischen Kanzlei zwischen 1378 und 1422 registriert worden sind 5 . Jahrzehntelang haben diese Compostela-Fahrer polnischer Herkunft der „westlichen“ Forschung unlösbare Rätsel aufgegeben. Daß die Debatte über diese Santiago-Reisenden aus Polen bei der Konferenz in Krakau durch die Forschungsergebnisse von Jacek Wiesiol / owski wichtige Neuanstöße erfahren hat, wird man als ein beachtliches wissenschaftliches Ergebnis des Kolloquiums ansehen können. Einige Einzelheiten seien herausgestellt 6 : Die meisten Polen konnten identifiziert werden (Nr. 9-12, 25, 26, 32, 109); fast alle stammten aus sehr vornehmen Familien, die am Hof oder in der Staatsverwaltung tätig waren; zwei dieser Santiago-Fahrer waren als Ungarn ebenfalls Untertanen des Königs Ludwig von Polen-Ungarn (1370-82) (26, 32); einen, der aus dem regno de Bolonia gekommen sein soll (100), hat Jacek Wiesiol / owski wohl übersehen, vier andere aber, die 1404 einen Geleitbrief erhielten, hat er zusätzlich entdeckt, leider ohne Quellennachweis. Etwas unklar bleiben die Angaben für einen weiteren Adligen (107? ). Für die Pilgerforschung im ostmitteleuropäischen Raum werden diese neuen Details von großem Interesse sein. Polen und die Pilgerfahrt nach Compostela in der Frühen Neuzeit 161 5 Luis V AZQUEZ DE P ARGA / José María L ACARRA / Juan U RÍA R ÍU , Las peregrinaciones a Santiago de Compostela, 3 Bde. (Madrid 1948/ 49) 3, Nr. 17, S. 29-32. 6 Vgl. in diesem Band den Beitrag von Jacek Wiesiol / owski. Ich bin dem Autor sehr dankbar, daß er mir in Krakau eine deutsche Fassung seines Vortrages „Polnische Reisen nach Compostela im 14. und 15. Jahrhundert. Diplomatische Beziehungen und adliges Bildungsideal“ überlassen hat, so daß ich seine Ergebnisse teilweise einarbeiten konnte. <?page no="172"?> II. Methodische Probleme und Quellenlage: Erfahrung und Erfassung des Raumes, Pilgerführer, Analphabetismus Als Polen, durch reformatorische Strömungen relativ unbehelligt, auch in der Frühen Neuzeit am Katholizismus und damit an der Wallfahrts- Tradition festhielt, wurde das Königreich, das am äußersten Ende des europäischen Katholizismus lag, zu einem katholischen Refugium gegenüber den von Osten, Norden und Westen herandrängenden konfessionellen Gegnern. Die Tatsache, daß sich dieser Katholizismus nicht militant darstellte, sondern durchaus Platz für andere Konfessionen ließ, räumte Polen in dem sonst so fanatisierten 16. Jahrhundert eine Ausnahmestellung ein: Durch eine zielbewußte Duldungspolitik der Herrscher erfuhr dieses katholische Königreich „als erster Staat in Europa ernsthaft die Kultfreiheit“ 7 . Für das Weiterleben des Wallfahrtsgedankens war es wichtig, daß sich insbesondere die breiten Volksmassen der neuen Lehre nicht anschlossen, sondern unerschütterlich am alten Glauben festhielten. Man wird demnach als sicher annehmen dürfen, daß die Tradition der mittelalterlichen Santiago-Wallfahrt auch im Polen der Frühen Neuzeit lebendig blieb. Bevor wir die uns bekannten Quellen auf die Präsenz polnischer Pilger in Santiago de Compostela im 16., 17. und 18. Jahrhundert hin untersuchen, möchte ich einige Fragen erörtern, die grundsätzlicher Natur sind, teilweise methodische Probleme ansprechen und für die Santiago-Wallfahrt vom 16. bis zum 18. Jahrhundert von allgemeiner Bedeutung sind. Wenn es ganz sicher viel weniger polnische als beispielsweise französische Santiago-Pilger gegeben hat, so lag das zwar auch an der Entfernung an sich, in viel stärkerem Maße aber an der fast unermeßlichen und gefahrbringenden Dimension des Raumes, den es auf dem Wege ins ferne Compostela zu durchmessen galt. Nicht umsonst hat Fernand Braudel den Raum - „l’espace“ - in seiner Größe und Unberechenbarkeit als den größten Feind - den „ennemi No. 1“ - des Menschen in der Frühen Neuzeit bezeichnet 8 . Erschwerend wirkte sich die mangelnde kartographische Erfassung des europäischen Raumes aus. Sie begann nur sehr allmählich im ausgehenden 15. Jahrhundert. Seit 1477 gab es Nachdrucke aus der ‚Geogra- 162 Ilja Mieck 7 Joseph L ECLER , Geschichte der Religionsfreiheit im Zeitalter der Reformation, 2 Bde. (Stuttgart 1965) 1, S. 566. 8 Originalausgabe des berühmten Buches: Fernand B RAUDEL , La Méditerranée et le monde méditerranéen à l’époque de Philippe II (Paris 1949). <?page no="173"?> phia‘ des Ptolemäus; auf diesen Landkarten, die auf die spätrömische Zeit zurückgingen, war z. B. das für die Santiago-Pilger wichtige Durchgangsland Gallia dargestellt, doch war das Kartenbild voller Verzerrungen und Ungenauigkeiten. Seit der Wende zum 16. Jahrhundert verbesserte sich die Qualität der Landkarten, doch blieben sie ausgesprochen kostspielige Raritäten, die von den Regierungen, wenn sie denn überhaupt welche besaßen, als Staatsgeheimnisse betrachtet wurden. Kein europäischer Herrscher kannte im 16. Jahrhundert die Umrisse seines Landes, geschweige denn die genauen Entfernungen im Innern; kein Pilger bekam diese Karten jemals zu Gesicht. Die wenigen Pilgerführer enthielten bestenfalls Reisezeiten von Ort zu Ort als Entfernungsangaben. Frankreichs Nord-Süd-Ausdehnung wurde in einer Landesbeschreibung, die um 1450 erschien, mit 22 Tagereisen angegeben, in der Ost-West-Richtung mit 16. Als 1564 der französische König einem Kaufmann aus Königsberg, der im Regierungsauftrag an den französischen Hof gereist war, eine teilweise Reisekostenerstattung zukommen lassen wollte, hatte er keine Karte, sondern mußte die Entfernung vom Herzogtum Preußen bis zum Königreich Frankreich aufgrund von Erfahrungswerten schätzen. Da die angenommenen 500 französischen Meilen etwa 2000 km entsprechen, kann man davon ausgehen, daß jedenfalls die Regierung über halbwegs zuverlässige Informationen verfügte 9 . Immerhin gab es in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts für manche Länder schon einige recht gute General- und Provinzialkarten. Tonangebend in der europäischen Kartographie dieser Zeit waren die Holländer, die Deutschen und die Franzosen. Noch vor dem ersten Frankreich-Atlas, der 1594 mit 17 Karten publiziert wurde, war im Jahre 1580 der erste Reiseatlas Europas erschienen. Keiner der Pilger konnte auf derartiges Informationsmaterial zurückgreifen. Der Aufschwung der Kartographie ging an der breiten Masse vorbei. Die enormen Kosten, die für die Herstellung der Karten und ersten Atlanten aufzuwenden waren, machten diese Druckwerke für die meisten Menschen unerschwinglich. Schaut man sich diese Karten genauer an, kommt man auch zu dem Schluß, daß sich die meisten von ihnen als Straßenkarten für Pilger nicht geeignet hätten. Polen und die Pilgerfahrt nach Compostela in der Frühen Neuzeit 163 9 Vgl. Dieter H ECKMANN , Von Königsberg an die Loire. Quellen zur Handelsreise des herzoglich-preußischen Faktors Antoine Maillet nach Frankreich in den Jahren 1562 bis 1564 (Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz 33, Köln/ Weimar/ Wien 1993) S. 125. <?page no="174"?> Dennoch hatten gerade die Pilger das Bedürfnis, den Raum, den sie zu durchqueren hatten, überschaubarer zu machen. Das betraf vor allem die zahlreichen Wallfahrer, die aus den katholisch gebliebenen Gebieten Europas, also auch aus Polen, nach Santiago de Compostela zogen. Die Literatur erweckt mitunter den Eindruck, daß nicht wenige Pilger ihren Weg mit Hilfe eines Pilgerführers fanden. Für die Zeit des Mittelalters, als jedes Schriftstück noch eine Handschrift war, trifft das auf keinen Fall zu. Auch der Buchdruck änderte daran zunächst wenig, wie die bescheidene Anzahl einschlägiger Publikationen zeigt: Der erste Pilgerführer wurde 1495 gedruckt 10 . Da er in deutscher Sprache verfaßt war, war er für Pilger aus Ost- und Westeuropa, die in der Regel nur ihre Muttersprache beherrschten, kaum zu gebrauchen. Daß er in den folgenden drei Jahrzehnten fünf, vielleicht sechs Neuauflagen erfuhr, spricht allerdings für die Beliebtheit der Santiago-Wallfahrt im deutschen Sprachgebiet 11 . Auch muß hinsichtlich der Pilgerführer und der von Wallfahrern stammenden Aufzeichnungen über ihre Reise betont werden, daß die Mehrzahl der Pilger weder lesen noch schreiben konnte 12 . Viel wichtiger war die mündliche Kommunikation auf den Straßen, in den Herbergen und in den Hospitälern. Die Gespräche von Pilger zu Pilger spielten eine viel größere Rolle im täglichen Überlebenskampf als die nur vereinzelt vorhandenen Pilgerführer - von den Reiseberichten, die oft erst viel später veröffentlicht wurden, ganz zu schweigen. Im ganzen baute das weit verbreitete Analphabetentum beträchtliche Kommunikationsbarrieren auf. Wenn auch die Forschung noch weitere solcher Texte auffinden sollte, bleibt eine Gewißheit: „Pour les pèlerins pauvres, qui formaient sans doute la très grande majorité des jacquards, ceux-ci n’étaient pas 164 Ilja Mieck 10 Klaus H ERBERS , Der erste deutsche Pilgerführer: Hermann Künig von Vach, in: Deutsche Jakobspilger und ihre Berichte, hg. von Klaus H ERBERS (Jakobus-Studien 1, Tübingen 1988) S. 29-49. Vgl. auch Anm. 3. 11 Vgl zu dieser Problematik Ilja M IECK , Les témoignages oculaires du pèlerinage à Saint-Jacques-de-Compostelle. Etude bibliographique (du XII e au XVIII e siècle), Compostellanum 22 (1977) S. 201-232, hier: S. 205. Selbst der berühmte ‚Liber Sancti Jacobi‘ aus dem 12. Jahrhundert war „außerhalb der Pyrenäenhalbinsel [...] unbekannt“ (André VON M ANDACH , Neues zum „Pilgerführer der Jakobswege“, in: Europäische Wege [wie Anm. 3] S. 41-57, hier: S. 56). 12 Diese von M IECK (wie Anm. 11) S. 207f. vertretenen Thesen werden „bis weit ins 18. Jahrhundert“ bestätigt von Friederike H ASSAUER , Schriftlichkeit und Mündlichkeit im Alltag des Pilgers am Beispiel der Wallfahrt nach Santiago de Compostela, in: Wallfahrt und Alltag in Mittelalter und Früher Neuzeit. Internationales Round-Table-Gespräch Krems an der Donau am 8. Oktober 1990 (Veröffentlichungen des Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 14, Wien 1992) S. 277-316, hier: S. 280. <?page no="175"?> la base de leurs informations 13 .“ Größere Resonanz, jedenfalls im westeuropäischen Raum, fand vermutlich erst der ‚Guide des chemins de France‘, den Charles Estienne 1552 herausgab und der bis 1668 nicht weniger als 28 Auflagen erlebte. Unter diesem einschränkenden General-Vorbehalt gegenüber der Verbreitung und der Resonanz gedruckter Pilgerführer, der allgemeine Gültigkeit beansprucht, stehen die folgenden Angaben über die ersten europäischen Pilgerführer in nichtdeutscher Sprache: Während ein Pilgerführer in Spanisch bereits 1528 erschien, wurde der erste Pilgerführer in französischer Sprache erst kurz vor 1535 gedruckt. Er beschrieb die Strecke von Paris nach Compostela und gab an, wie viele Meilen die einzelnen Etappenorte voneinander entfernt waren. Einem Pilgerführer von 1547 in englischer Sprache folgte 1550 ein italienischer. Da all diese Pilgerführer anders als der allererste aus Deutschland von 1495 keine weiteren Auflagen erfuhren, wird man annehmen dürfen, daß diese Büchlein keinen sehr großen Interessentenkreis gefunden haben. Einen Pilgerführer in polnischer Sprache hat die Compostela-Forschung bisher nicht ausfindig gemacht. III. Polnische Santiago-Fahrer im 16. und 17. Jahrhundert Die bisherigen Forschungen über die von Santiago-Pilgern stammenden Augenzeugenberichte zeigen, daß sich unter den rund 50 Dokumenten, die sich bis 1600 ermitteln ließen, immerhin drei befinden, deren Verfasser aus Schlesien stammen. Dieses Territorium gehörte von 1469 bis 1490 zur Krone Ungarn, fiel dann an Böhmen und 1526 - als Teil der jagiellonischen Erbschaft - an die Habsburger. Erst im 20. Jahrhundert gelangte Schlesien an Polen. Von den drei Santiago-Fahrern aus Schlesien kamen die ersten beiden aus Breslau: Nikolaus von Popplau war 1484 in Santiago de Compostela. Seinen Reisebericht verfaßte er in deutscher Sprache, obwohl er einer „famille polonaise ‚de Popielowo‘ germanisée“ angehört haben soll. Der zweite war Peter Rindfleisch, dessen Pilgerreise 1506/ 07 stattfand. Auch der dritte Schlesier, Erich Lassota von Steblau, der 1581 in Compostela war, hinterließ ein Tagebuch in deutscher Sprache, das 1866 ediert wurde und bisher wohl nur eine Übersetzung ins Portugiesische erfahren hat. Im Titel dieser Übersetzung von 1913 wird Erich Lassota als „Pole Polen und die Pilgerfahrt nach Compostela in der Frühen Neuzeit 165 13 M IECK (wie Anm. 11) S. 208. <?page no="176"?> im Dienst Philipps II.“ bezeichnet 14 . Reiseberichte von Santiago-Pilgern aus dem polnischen Kerngebiet aus der Zeit bis 1600 sind bisher offenbar nicht aufgetaucht. Diese Tatsache sollte die polnischen Historiker nicht ruhen lassen und von ihnen als Aufforderung verstanden werden, in den Archiven nach entsprechenden Unterlagen Ausschau zu halten. Der bekannteste Pole, der je nach Santiago de Compostela kam, war Jakub Sobieski (1590-1646) 15 , der noch eine glänzende militärisch-diplomatische Karriere (mehrfach zum Reichstagsmarschall gewählt; Kastellan von Krakau) vor sich hatte. Einer seiner Söhne wurde 1674 als Johann III. zum polnischen König gewählt. Jakub Sobieski begann seine Europareise im Jahr 1607. Von Krakau ging es über Prag, Nürnberg und Straßburg nach Paris, wo er mehrere Jahre blieb. Von dort aus besuchte er England, die niederländisch-flandrischen Gebiete, das Rheinland und die Hafenstadt Rouen 16 , bevor er seine Reise im Februar 1611 fortsetzte, um über Spanien, Portugal, Italien und Österreich im Jahr 1613 nach Polen zurückzukehren. Nach Santiago de Compostela kam Jakub Sobieski im März oder April 1611. Eine Meile vor der Stadt seines Namenspatrons stieg er, wie die Tradition es wollte, vom Pferd und legte den Rest des Weges zu Fuß zurück. Größe und Schönheit der Kathedrale, insbesondere des Chores, beeindruckten ihn. Nach einigen Bemerkungen über den Reichtum der Erzdiözese, die zahlreichen Kleriker und die sieben Kanoniker der Kathedrale kommt er auf die Pilger zu sprechen: „Viele Pilger kommen hierher aus allen Ländern und von allen Nationen, sowohl im Winter als auch im Sommer.“ Lobend erwähnt er das große Pilgerhospital, diese herausragende und prächtige Einrichtung mit ihrer reich ausgestatteten Apotheke, ihren Ärzten und Chirurgen, die „zweifellos mit den allerbesten Hospitälern der Christenheit konkurrieren kann“ 17 . 166 Ilja Mieck 14 Zusammenfassend (mit der einschlägigen Literatur): M IECK (wie Anm. 4) S. 249. Vgl. dazu Detlev K RAACK , Reisen für Habsburg. Die autobiographischen Aufzeichnungen des schlesischen Adligen Erich Lassota von Streblau (um 1550-1616), in: Welt - Macht - Geist. Das Haus Habsburg und die Oberlausitz 1526-1635, hg. von Joachim B AHLCKE / Volker D UDECK , Görlitz - Zittau 2002, S. 61-72. 15 Die jüngste polnische Edition (s. Anm. 19) bevorzugt den Vornamen „Jakub“ anstatt des sonst üblichen „Jakob“. 16 Obwohl Sobieski im August 1610 Rouen besucht hat, ist die Stadt auf der Routenkarte, die der neuen Edition (s. Anm. 19, S. 42) beigegeben ist, nicht verzeichnet. Für die inhaltliche Zusammenfassung des Reiseberichtes danke ich Frau Dolores Müller, die sich im Jahr 1976 dieser Mühe unterzogen hat. 17 Die beiden Zitate sind eigene Übersetzungen der spanischen Fassung des Sobieski- Textes der Liske-Rozánski-Edition, der von Juan G ARCÍA M ERCADAL , Viajes de extranjeros ... (Madrid 1952-62), Bd. 2, S. 323-334, hier S. 328, wieder abgedruckt wur- <?page no="177"?> Jakub Sobieski zählt zu den relativ wenigen Santiago-Fahrern, die Aufzeichnungen über ihren Aufenthalt in Compostela hinterlassen haben. Eine erste Edition seines in polnischer Sprache verfaßten Berichtes wurde von Eduard Raczynski 1833 in Posen herausgegeben. Infolge der Sprachbarriere wurde die Compostela-Forschung auf diesen Bericht erst aufmerksam, als der Spanier Javier Liske eine Reihe ausländischer Spanien-Berichte übersetzen ließ und in einer Anthologie zusammenfaßte, die Felix Rozánski 1880 in Madrid publizierte. Da Liske vorrangig an Berichten über Spanien interessiert war, wurde nur der entsprechende Teil der Sobieski-Reise ausgewählt. In einem neueren spanischen Sammelwerk, das diesen Auszug übernahm, steht dieser Teil aus Sobieskis Reisebericht - genau wie bei Liske/ Rozánski unter dem Titel ‚El reino de España‘ 18 . Inzwischen ist eine neue polnische Ausgabe des Sobieski-Berichtes erschienen 19 , während der 1978 ausgesprochene Wunsch nach einer Übertragung des Gesamtberichts in eine „westliche“ Sprache 20 nur partiell erfüllt wurde 21 . Außer Sobieski, den man nicht als Pilger im strengen Sinn des Wortes bezeichnen kann, sind im 17. Jahrhundert sicher nicht sehr viele Polen nach Santiago gekommen. Der Dreißigjährige Krieg, die vielen militärischen Auseinandersetzungen in der Epoche Ludwigs XIV. in Ost-, Mittel- und Westeuropa und auch der erneut aufbrechende Konflikt zwischen Habsburg und dem Osmanischen Reich erhöhten das Risiko einer so weiten Reise enorm und dürften auf potentielle Santiago-Pilger abschreckend gewirkt haben. Dennoch scheint die Verbindung nicht ganz abgerissen zu sein: 1677 erhielt ein gewisser Sebastian Mequi, ein franciscano polaco, ein Almosen von 24 Reales; ob der von Stefanja Borkowska ohne Jahresangabe erwähnte Szymon Bialogorski, den sie als „pieu ecclésiastique“ bezeichnet, ebenfalls dem 17. Jahrhundert zuzuordnen ist, muß offen bleiben 22 . Daß auch die „westlichen“ Quellen längst nicht ausgeschöpft sind, zeigt eine Analyse, die der französische Forscher Georges Provost vor Polen und die Pilgerfahrt nach Compostela in der Frühen Neuzeit 167 de (s. Anm. 18). Etwas anders lautet die Übersetzung in der Anthologie von H ERBERS / P LÖTZ (s. Anm. 21) S. 266. 18 Die genauen bibliographischen Angaben bei M IECK (wie Anm. 4) S. 249, Anm. 82-84. 19 Jakub S OBIESKI , Peregrynacja po Europie (1607-1613) - Droga do Baden (1638), hg. von Jozef D LUGOSZ (Breslau/ Warschau/ Krakau 1991). 20 M IECK (wie Anm. 4) S. 250, Anm. 85. 21 Klaus H ERBERS / Robert P LÖTZ , Nach Santiago zogen sie. Berichte von Pilgerfahrten ans „Ende der Welt“ (München 1996) S. 260-267. (Spanische Übersetzung des Buches: Caminaron a Santiago. Relatos de peregrinos al „fin del mondo“, Santiago de Compostela 1998). 22 Dazu vgl. M IECK (wie Anm. 4) S. 249f. (mit den Nachweisen). <?page no="178"?> einigen Jahren vorgenommen hat: Er untersuchte die Herkunft der Pilger, die von 1656 bis 1700 im Hospital Real von Santiago de Compostela, dessen Niveau Jakub Sobieski so gelobt hatte, Aufnahme fanden 23 . Obwohl die Grenze zwischen Kranken und kranken Pilgern fließend war, wird man insbesondere bei Ausländern wohl von Pilgern ausgehen können, die einen ärztlichen Beistand brauchten. Insbesondere bei Wallfahrern aus Frankreich und aus mittel- und osteuropäischen Gebieten ergab sich bei der Registrierung der Aufgenommenen ein Problem, das den Historikern heute großes Kopfzerbrechen bereitet. Da die Schreiber des Hospital Real die Herkunftsangaben nach den mündlichen Mitteilungen der Pilger nur nach dem Gehör, also rein phonetisch notierten, kam es zu Namensdeformationen, die „franchement problématique pour les toponymes germaniques“ waren. Bisweilen ist die Identifizierung der Ortsnamen schlechterdings unmöglich. Etwas besser sieht es bei den Angaben der Pilger aus Polen aus, die bei kleineren Siedlungen wohl von vornherein auf eine exakte Ortsangabe verzichteten. Das Ergebnis der von Georges Provost durchgeführten Auswertung sieht im Hinblick auf die Herkunft der im Hospital Real aufgenommenen, nicht-iberischen Pilger folgendermaßen aus: Frankreich stand - trotz der vielen Kriege - mit fast 6.000 Eintragungen weit an der Spitze. Jeweils mehr als hundert Aufnahmen wurden für Pilger aus Flandern, Italien, Deutschland und Irland registriert. Danach kam, knapp vor England, bereits Polen. Damit nahm es zwar die sechste Stelle ein, hatte aber in absoluten Zahlen nur 18 Pilger aufzuweisen 24 - wenig genug, um ein paar Details zu diesen polnischen Santiagofahrern mitzuteilen: Im August und im Dezember 1663 wurden zwei erkrankte Santiago- Fahrer aus Polen aufgenommen, die beide aus Cracovia kamen 25 . Die nächste Eintragung stammt vom Juni 1671; sie lautet wörtlich: Lipocha, obispado de Cracovia en Polonia - hier ist einer der zentralen Punkte, der die Notwendigkeit einer engen Kooperation zwischen der „westli- 168 Ilja Mieck 23 Georges P ROVOST , Les pèlerins accueillis à l’Hospital Real de Saint-Jacques-de- Compostelle dans la seconde moitié du XVII e siècle, in: Pèlerins et pèlerinages (wie Anm. 3) S. 127-150. Die jahrelangen Verzögerungen bei der Drucklegung führten dazu, daß die überarbeitete und aktualisierte Druckfassung im Hinblick auf Text und Kartenbeilagen nicht mehr ganz dem ursprünglichen Manuskript entsprach, das mir der Autor dankenswerterweise überlassen hatte. Das folgende Zitat ebd., S. 139. 24 Ebd., Dokument Nr. 1 (nur MS! ). Auf der Karte steht zwar für Polen nur die Zahl 17, doch ergibt die Auszählung (s. Anm. 25) eindeutig 18. 25 Die folgenden Angaben über Pilger aus Polen basieren auf einer die Jahre 1656 bis 1700 umfassenden Liste „Provenance des pèlerins allemands, [...], polonais, [...] accueillis à l’Hospital Real [...]“, die mir Herr Provost zur Verfügung gestellt hat. Dafür sei ihm an dieser Stelle herzlich gedankt. <?page no="179"?> chen“ und der polnischen Compostela-Forschung zeigt: Welche im (Erz-)Bistum Krakau gelegene Siedlung könnte - phonetisch verstanden - mit Lipocha gemeint sein? Die folgende Eintragung zeigt die Schwierigkeiten, die man im fernen Santiago de Compostela mit der politischen Zuordnung hatte: Im Juli 1672 wurde ein kranker Pilger aufgenommen, der aus Cracovia en Alemania kam. 1675, im Oktober, war der Schreiber besser informiert: Der Herkunftsbezeichnung Cracobiensis wurde Polonia hinzugefügt. Eine Besonderheit brachten die Monate August bis Oktober 1677: Nicht weniger als fünf Polen wurden in diesem Zeitraum ins Hospital Real aufgenommen. Sie kamen (1) aus Caracobia und (5) aus Cracobia en Polonia, einfach (2 und 4) aus Polonia oder (3) aus Polonia, prov. de Crusia Hanca - wieder ein Beispiel für die Hilfestellung, die sich die „westliche“ Santiago-Forschung von der polnischen erhofft. Sechs andere erkrankte Pilger aus Polen (Juli 1679, Juni und November 1681, Januar, Oktober und November 1682) bieten keine Probleme, da als Herkunftsland jedesmal Polonia angegeben ist. Schwieriger ist die Identifizierung des Heimatortes eines ebenfalls im November 1681 aufgenommenen Polen, bei dem der Hospitalschreiber als Herkunftsbereich obispado de Malacosque en Polonia vermerkt hat. Einen Beitrag zur Diskussion über die Entwicklung des polnischen Nationalgefühls liefert die Notiz bei einem im Dezember 1681 aufgenommen Kranken, daß er zur nación pollaco gehöre. Problematisch ist schließlich die letzte Eintragung, die für einen im Dezember 1699 Registrierten die Herkunftsbezeichnung Tansi e Polonia angibt. Da es an seinem Heimatland keinen Zweifel gibt, wird man auch diesen Pilger, der vielleicht aus Danzig kam, zu den Polen rechnen dürfen. Als Ergebnis der Auswertung bleibt festzuhalten: Aus dem im Hospital Real von Santiago de Compostela geführten Krankenregister ergibt sich, daß von 1656 bis 1700 18 erkrankte Pilger aus Polen Aufnahme gefunden haben. Es wäre unsinnig, aus dieser Zahl irgendwelche Schlußfolgerungen auf die Anzahl der Pilger zu ziehen. Dennoch dürfte nicht zu bestreiten sein, daß selbst in der wahrlich unruhigen zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts der Gedanke der Santiago-Wallfahrt in Polen lebendig blieb und nicht wenige Polen die beschwerliche Pilgerreise nach Compostela auf sich genommen haben. Es ist gut vorstellbar, daß eine intensivierte Santiago-Forschung auch in Polen zu ergänzenden Erkenntnissen gelangt und vielleicht sogar Berichte von Augenzeugen zutage fördert. Polen und die Pilgerfahrt nach Compostela in der Frühen Neuzeit 169 <?page no="180"?> IV. Polnische Compostela-Pilger im 18. Jahrhundert Betrachtet man die Entwicklung der Santiago-Tradition im 18. Jahrhundert, so kann man zunächst feststellen, daß aus Gründen, die mit dem religiös verankerten Pilgergedanken nichts zu tun haben, der klassische Jakobspilger ein beliebtes Motiv der gehobenen europäischen Porträtmalerei wurde 26 . Durch den Pilgerstab in der Hand und die kugelige Flasche am Gürtel sowie durch ein mit zahlreichen Jakobsmuscheln besetztes Gewand rasch als Santiago-Fahrer zu identifizieren, ließen sich Angehörige des europäischen Hochadels von renommierten Künstlern wie Antoine Pesne, Alexis Grimou oder Jean-Baptiste Oudry porträtieren. Obwohl meist der breitrandige Pilgerhut fehlte und die Kleidung einen allzu kostbaren Eindruck machte, vermittelten die Gemälde auf den ersten Blick zwar den Eindruck eines Pilgers, sind aber inhaltlich höchst irreführend. Weder die Marquise de Pompadour noch Wilhelmine, die Markgräfin von Bayreuth, die sich in der Tracht der Jakobspilger malen ließen, waren jemals in Santiago de Compostela. Das gilt auch für den in Polen wohlbekannten Stanislaus Leszczynski, der als Schwiegervater Ludwigs XV. und Herzog von Lothringen längst nicht mehr in Polen lebte, als er sich - in reiferem Alter - von Oudry in Pilgerkleidung malen ließ 27 . Angehörige der Hofgesellschaft folgten mit diesen Porträts einer etwas frivolen literarischen Strömung, die im Anschluß an eine 1709 aufgeführte Komödie ‚Les trois Cousines‘ in Frankreich entstanden war. Im Zentrum der Vorstellungswelt dieser leichtlebigen Höflinge stand eine romantisierend verklärte Liebesinsel, Cythera genannt, zu der Jungen und Mädchen, als Pilger und Pilgerinnen verkleidet, eine fiktive Pilgerfahrt zum Tempel der Liebe unternahmen. Das Gemälde von Watteau ‚L’isle de Cithère‘ bildet einen malerischen Glanzpunkt dieser durch die erhoffte Erfüllung galanter Abenteuer im Grunde pervertierten Pilgeridee 28 . Der Gedanke, im idealen Pilger vorwiegend einen edlen, frommen, einfachen und nicht sehr reichen Menschen zu sehen, hat zur Popularität dieses Bildmotivs beigetragen. Die Darstellung des Porträtierten als Jakobspilger ergab sich fast zwangsläufig aus der Tatsache, daß dieser aufgrund seines Muschelemblems leichter als andere Pilger zu identifi- 170 Ilja Mieck 26 Zu diesem Komplex vgl. M IECK (wie Anm. 4) S. 247. 27 Das Gemälde befindet sich in der Nationalgalerie Warschau. 28 Darüber orientiert Pierre R OSENBERG , Die Gemälde, in: Watteau 1684-1721. Katalog der Ausstellung 1984/ 85 in Washington, Paris und Berlin (Berlin 1985) S. 262f. <?page no="181"?> zieren war. Die im Umfeld der höfischen Galanteriespiele während des 18. Jahrhunderts immer wieder auftauchenden pèlerins de Cythère, häufig auch pèlerins d’amour genannt, hatten mit der wirklichen Wallfahrt nichts zu tun. Daß die Tradition der Santiago-Wallfahrt auch jenseits der höfischen Porträtmalerei in Polen im 18. Jahrhundert weiterlebte, beweist eine von López Ferreiro publizierte Spezialregistratur, die zwar in quantitativer Hinsicht unerheblich ist, aber die tendenzielle Entwicklung der Santiago-Wallfahrt recht gut erkennen läßt 29 . Danach sind vom Beginn des Jahrhunderts bis 1777 immerhin 12 Pilger aus Polen als Almosenempfänger nachgewiesen: ein pobre polaco (1712) war darunter, auch ein sacerdote polaco (1733). Dann trat eine jahrzehntelange Lücke ein: Ganz sicher hielten der Polnische Thronfolgekrieg und die drei Schlesischen Kriege die Polen von einer Fernwallfahrt nach Compostela ab, so daß von 1733 bis 1764 kein Pole registriert wurde. Daß die Polen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch andere Fernwallfahrten angetreten haben, zeigt die kürzlich erfolgte Auswertung eines Registers der süditalienischen Stadt Bari, in der in den Jahren 1731/ 32 und 1738 jeweils zwischen 10 und 20 Pilger aus Polen festgestellt werden konnten 30 . Schon ein Jahr nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges kamen 1764 erneut Besucher aus Polen nach Santiago de Compostela, so 1766 tres sacerdotes de Lituania, 1767 ein religioso donado (= Laienbruder) und ein franciscano Polaco sowie 1776 ein weiterer religioso polaco. Von der polnischen Santiago-Forschung müßte noch geklärt werden, ob es ein Zufall ist, daß von den sieben polnischen Pilgern, die von 1764 bis 1776 in Compostela nachzuweisen sind, sechs dem geistlichen Stand angehörten. Hat die Santiago-Wallfahrt während des 18. Jahrhunderts im populären Frömmigkeitsverständnis der Polen vielleicht an Bedeutung verloren? Sind an die Stelle der Fernwallfahrten nach Rom und Compostela damals eher national betonte und auch leichter erreichbare Wallfahrtszentren getreten? Gab es, wie fast überall in Europa, auch in Polen eine durchgreifende Verschärfung der Pilgergesetzgebung, die sich vor allem gegen die falsos peregrinos richtete, aber auch von staatswegen die jahrelange unkontrollierte Abwesenheit von Untertanen eindämmen sollte? Polen und die Pilgerfahrt nach Compostela in der Frühen Neuzeit 171 29 Die entsprechenden Nachweise finden sich bei M IECK (wie Anm. 4) S. 251. 30 Saverio R USSO , Les pèlerins de Saint-Nicolas de Bari au XVII e et XVIII e siècle, in: Pèlerins et pèlerinages (wie Anm. 3), S. 455-481, Karten „Pèlerins extrapéninsulaires à Saint-Nicolas de Bari“ (1731/ 32; 1738) (nur MS! ). Die in Anm. 23 erwähnte Diskrepanz gilt auch hier. <?page no="182"?> Fragen über Fragen, die vielleicht erklären können, warum sich aus späterer Zeit keine Spuren polnischer Santiago-Pilger erhalten haben. Mit dem Zusammenbruch der west- und mitteleuropäischen Santiago- Wallfahrt in den politischen, konfessionellen und militärischen Turbulenzen der Revolutionszeit und der napoleonischen Kriege werden auch die Pilgerreisen aus Polen nach Santiago de Compostela ihr endgültiges Ende gefunden haben - dies umso mehr, weil der Staat Polen 1795 von der europäischen Landkarte verschwand. Eine von 1795 bis 1803 im Pilgerhospital von San Juan in Oviedo geführte Statistik nennt unter den rund 950 peregrinos socoridos zwar einige Ausländer, aber keinen Polen 31 . Auch wäre noch festzustellen, ob unter der russischen Herrschaft überhaupt Fernwallfahrten zu katholischen Pilgerzentren geduldet wurden. Unter den von Enrique Martínez Rodríguez für die Jahre 1807-1825 und 1830-1845 ermittelten Santiagopilgern befand sich jedenfalls kein einziger aus dem polnischen Einzugsbereich 32 . Einer wissenschaftlichen Bestätigung bedarf auch noch die Mitteilung, daß der Erzbischof von Krakau im ausgehenden 19. Jahrhundert der Jacobsstadt einen Besuch abgestattet haben soll 33 . Daß die seit einigen Jahrzehnten zu beobachtende Wiederbelebung der Santiago-Tradition, die heutzutage jedes Jahr Millionen von Menschen dazu bringt, nach Compostela zu reisen und damit - in moderner Form - an eine jahrhundertealte Tradition anzuknüpfen, auch in Polen Resonanz findet, wäre in der gegenwärtigen Epoche der zunehmenden Europäisierung aus vielen Gründen lebhaft zu begrüßen. Immerhin ist vor einigen Jahren - erstmals in der Geschichte der Pilgerstadt - ein Papst nach Santiago de Compostela gekommen: Johannes Paul II. besuchte die Stadt am 9. November 1982 und erneut im August 1989. Und zu der spirituellen Aufwertung gesellte sich die politisch-kulturelle: Der Europarat verlieh in einer feierlichen Erklärung, die in Santiago de Compostela am 23. Oktober 1987 verlesen wurde, den zahlreichen, ganz Europa durchziehenden caminos de Santiago das Prädikat „Itinéraire culturel européen - Itinerario Cultural Europeo“ 34 . 172 Ilja Mieck 31 DE P ARGA / L ACARRA / U RÍA R ÍU (wie Anm. 5) 3, Nr. 175, S. 91-108. 32 Enrique M ARTINEZ R ODRIGUEZ , La peregrinación jacobea en la primera mitad del siglo XIX: aspectos cuantitativos, Compostellanum 36 (1991) S. 401-426, hier: Mapas 3 und 4. 33 Für diese Information, die ich in Krakau erhielt, bin ich Frau Madej-Anderson, Tübingen, sehr zu Dank verpflichtet. 34 Darüber informiert Ilja M IECK , Le pèlerinage à Saint-Jacques-de-Compostelle à l’époque moderne dans l’historiographie allemande récente. Bilan et perspectives, in: Pèlerins et pèlerinages (wie Anm. 3) S. 175-187, hier S. 184. <?page no="183"?> Zum Beweis, daß sie wirklich in Santiago de Compostela gewesen sind, bekamen die Pilger früher eine Bescheinigung, die sie bisweilen den heimatlichen Behörden vorlegen mußten. Dieses Zertifikat wurde der Einfachheit halber Compostela genannt 35 . Die Untersuchung von Martínez Rodríguez zeigt, daß diese Praxis noch von 1830 bis 1845 üblich war 36 . Neuerdings ist diese Tradition in der Jakobsstadt wiederbelebt worden: Von den 8 Millionen Pilgern und Touristen, die Santiago de Compostela 1993 besucht haben, haben 90.000 Personen ihre Compostela erhalten 37 . Daß der ernsthafte moderne Tourismus in vielen Aspekten als eine Weiterführung der klassischen Wallfahrtstradition angesehen werden kann, kennzeichnet die aktuelle Situation recht treffend. Zur Geschichte der Santiago-Wallfahrt gehören untrennbar auch die aus Polen kommenden Pilger. In der gemeinsamen Vergangenheit sollte die europäische Historikerschaft eine Verpflichtung sehen, ihre Forschungsstrategien gemeinsam zu entwickeln, sie aufeinander abzustimmen und zu koordinieren, um zu objektiven, von nationalen Egoismen freien Ergebnissen zu gelangen. Auch Polen hat in der Geschichte der Santiago-Wallfahrt seinen festen Platz. Resumen: Según la idea general, la peregrinación santiagüense constituye un campo de investigación reservado a los medievalistas. Esta constatación es valedera también en el caso de Polonia. Además, la barrera linguística, que separa el polaco de los idiomas occidentales, no facilita la perspectiva comparada ni la inclusión de estudios polacos en el contexto europeo. Pese a esas dificultades, el estudio presente se propone plantear el problema de una posible presencia polaca en el Camino de Santiago también durante los siglos que preceden a la Revolución Francesa. Las observaciones introductorias van consagradas a la tradición polaca de las peregrinaciones a Santiago, a base de estudios ,occidentales’ ya conocidos y relativos a los romeros de procedencia polaca entre 1376 y 1422. Por primera vez esta perspectiva se complementa con aclaraciones fruto de la investigación polaca. El segundo párrafo discute algunas reflexiones fundamentales - poco conocidas o desconocidas - con referencia a la temática general de las romerías. El tercer capítulo tiene como tema los romeros polacos que vinieron a Santiago durante los siglos XVI y XVII. En este contexto se estudia una fuente ‚occidental‘ hasta ahora desconocida que permite sacar conclusiones interesantes acerca de las peregrinaciones polacas durante la segunda mitad del siglo XVII. También en el siglo Polen und die Pilgerfahrt nach Compostela in der Frühen Neuzeit 173 35 Ein Beispiel für die gedruckten Formulare, das am 2. Juni 1733 für einen französischen Pilger ausgestellt wurde, findet sich bei Yves B OTTINEAU , Les chemins de Saint-Jacques (Bibliothèque Historique 5, Paris 1964) S. 167. 36 M ARTINEZ R ODRIGUEZ (wie Anm. 32) S. 420. 37 H ERBERS / P LÖTZ (wie Anm. 21) S. 9. <?page no="184"?> siguiente ( exactamente hasta 1776) se documenta la presencia de romeros polacos en Santiago - aunque sea exclusivamente, hasta ahora, a través de fuentes ,occidentales‘. No cabe duda, entonces, de la presencia del santuario de Santiago en la consciencia polaca durante el período entero de la modernidad temprana. 174 Ilja Mieck <?page no="185"?> Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft unter besonderer Berücksichtigung Frankens R OBERT P LÖTZ I. Das Patrozinium Die Patrozinien 1 als Indikatoren für Kultspuren in der ältesten Lokal- und Regionalforschung sind ein sehr wichtiger Bestandteil für die Erforschung der Verbreitung des Jacobus-Kultes in Europa 2 . Sie sind als Niederschlag des verschiedenen geistigen Strömungen zu betrachten, die im Zusammenhang mit anderen Faktoren phänomenologisch-kultureller und religiöser Ausrichtung die frühe Ausstrahlung des Jacobus- Kultes erhellen können, als Reflektion äußerer Gegebenheiten und Bedingungen in einem Kultpanorama einerseits und als Indikator für die Beziehungen zwischen Mensch und Patron und den Motiven im Zeitgeist der Epoche andererseits. 1 Der Heilige als Patron, versehen mit einer irdisch-himmlischen Doppelexistenz, steht durchaus im Sinn einer rechtlichen Verpflichtung seinem „Klienten“ von der Taufe bis zu dessen Tod zur Seite. Der Heilige ist v. a. in seinen Reliquien durch die Altarweihe präsent. Vgl. Arnold A NGENENDT , Heilige und Reliquien. Die Geschichte ihres Kultes vom frühen Christentum bis zur Gegenwart (München 1994) S. 192, und Hans-Jürgen B ECKER , Patrozinium, in: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte 3 (Berlin 1984) Sp. 1564-1568. 2 Die grundlegende Studie für die europäische Patrozinienforschung stammt von Hippolyte D ELEHAYE , Loca Sanctorum, Analecta Bollandiana 48 (1930) S. 5-64, mit ausführlicher Bibliographie der älteren Forschung. Einen anderen Ansatz favorisiert Pierre D AVID , der die Patrozinienforschung als Hilfswissenschaft für die Geschichtsforschung und die Mediävistik im speziellen bezeichnet (L’hagiotoponymie comme science auxiliaire, Ètudes historiques sur la Galice et le Portugal du VI e au XII e siècles [1947] S. 243-259). Weiterhin Eugen E WIG , Der Petrus- und Apostelkult im spätrömischen und fränkischen Gallien, Zeitschrift für Kirchengeschichte 71 (1960) S. 215-251, DERS ., Die Kathedralpatrozinien im römischen und fränkischen Gallien, Historisches Jahrbuch 79 (1960) S. 1-61, und spez. für die deutsche Patrozinienforschung Helmut F LACHENECKER , Patrozinienforschung in Deutschland, Concilium medii aevi 2 (1999) S. 145-163. Herzl. Dank an Herrn Flachenecker für seine Hinweise. <?page no="186"?> Das Jacobus-Patrozinium gehört nicht zu den „Grundpatrozinien“ der Frühzeit, die eine kleine Gruppe häufig wiederkehrender Titel umfassen 3 . II. Vom Apostelpatrozinium zum Pilgerpatrozinium 4 1. Die frühe Zeit Erst in der merowingischen Zeit wird im Testament des Bischofs Desiderius (630-655) 5 eine Jacobus-Basilika für Cahors 6 belegt. Weitere Patrozinien werden für Metz 7 , Rabanessa im 8. Jahrhundert 8 und für Tou- 176 Robert Plötz 3 Diese „Grundheiligen“ bilden die Grundlage für die gesamte spätere Entwicklung der Patrozinien und umfassen u. a. den Salvator, seine Mutter Maria, seinen Vorläufer Johannes, Petrus, den Erzmärtyrer Stephanus und den Erzengel Michael (Gerd Z IMMERMANN , Patrozinienwahl und Frömmigkeitswandel im Mittelalter, dargestellt an Beispielen aus dem alten Bistum Würzburg, Würzburger Diözesan-Geschichtsblätter 20 [1958] S. 14-126, ebd. 21 [1959] S. 5-124, hier [1958] S. 42). E WIG (Kathedralpatrozinien [wie Anm. 2] S. 30-34) erwähnt als Kathedralpatrozinien für Gallien um 700 Marien-, allgemeine Apostel-, viele Petrus-, weniger Andreas- und eine große Zahl von Johannes-Patrozinien. Dazu kommt bei den Klosterpatrozinien noch Paulus als Haupt- und Nebenpatron (E WIG , Apostelkult [wie Anm. 2] S. 215-226). Unter den Basilikenpatrozinien Galliens um 700 befinden sich 6 allgemeine Apostel-, 28 Petrus-, 4 Andreas-, 2 Johannes- und ein Jacobuspatrozinium (ebd. S. 244-247). Das häufige Vorkommen von Martinspatrozinien während der fränkischen Missionszeit erklärt sich aus seiner Verwendung als fränkisches Pertinenzpatrozinium, das u. a. in den königlichen Eigenkirchen vorkam (Helmut W EIGEL , Das Patrozinium des hl. Martin, Versuch einer Grundlegung von Ostfranken aus, Blätter für deutsche Landesgeschichte NF. 100 [1964] S. 82-106). Vgl. Eugen E WIG , Der Martinskult im Frühmittelalter, Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 14 (1962) S. 11ff. Einen beschränkten Überblick einer Patrozinienverteilung hinsichtlich der „Urzeit“ der Patrozinien gibt uns auch die ambrosianische Heiligenreihe (D ELEHAYE , Loca Sanctorum [wie Anm. 2] S. 8-13) mit Johannes dem Täufer, Andreas, Thomas, Lukas und als regionale Beigabe mit den Märtyrern von Mailand und Bologna. 4 Vgl. dazu den entwicklungsgeschichtlichen Überblick von den Robert P LÖTZ , Santiago-peregrinatio und Jacobus-Kult mit besonderer Berücksichtigung des deutschen Frankenlandes, Spanische Forschungen der Görresgesellschaft 31 (1984) S. 24-135, spez. S. 56-66. 5 Vgl. AA SS Februarii II, S. 172. Zu seiner Vita vgl. Martin H EINZELMANN , 2. D[esiderius], in: Lexikon des Mittelalters 3 (1984) Sp. 725f., der allerdings nur die Weihen einer Petrus- und Marienkirche, einer Basilika des hl. Julian und eines Martins-Oratorium erwähnt. 6 MGH SS rer. Merow. IV S. 587. Der Zusammenhang mit einem älteren allgemeinen Apostelpatrozinium ist augenscheinlich: ecclesiam s. Arnulphie vel ss. apostolorum Johannis et Jacobi. 7 Jacobus und Johannes figurieren als Sonderpatrone. In: MGH DD Karol I 2 Nr. 149. Die kultische Verbindung des Brüderpaares Jacobus und Johannes, das in den drei <?page no="187"?> louse 9 in Verbindung mit Stephan im 9. Jahrhundert erwähnt. Eine Jacobuskapelle, die Zena zugeschrieben wird, kann nicht berücksichtigt werden, da die Echtheit des Dokuments bezweifelt werden muß 10 . Bezüglich der geographischen Verteilung der frühen Jacobuspatrozinien, die den Kult widerspiegeln, der Jacobus als Apostel, als Bruder des Johannes und als erstem Blutzeugen Christi entgegengebracht wurde und die sich vielleicht schon auf die abendländische Rolle des Apostels bezogen, kann bemerkt werden, daß wir uns wieder im gleichen geographischen Raum befinden, in dem sich spätestens in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts die passio magna formte 11 und von dem auch die lateinische Übersetzung der griechisch-byzantinischen Apostelakten ausgegangen sein könnte 12 , die mit den von ihr abhängigen Schriften bis ins 9. Jahrhundert die einzigen Quellen für die Tradition einer Mission des Jacobus in Spanien und im Abendland waren, nämlich im Loire-Rhône- Gebiet 13 , das zwei wesentliche Voraussetzungen für die Propagierung und Verbreitung eines Kultes erfüllte. Einmal befand sich hier nach dem Zusammenbruch der römischen Militärmonarchie das noch intakte Nervenzentrum der gallischen Kirche 14 . Zum anderen war dieses Gebiet traditionell mit dem griechisch-hellenistischen Kleinasien verbunden 15 und diente als vermittelnder Raum für den Mittelmeerhandel mit dem Orient 16 . Es ist nicht auszuschließen, daß der eigentliche Impuls zur Bildung der abendländischen Jacobustradition von dieser, für die kulturellen und ethischen Grundlagen des Okzidents so bedeutsamen Region ausging. Sieht man von den Patrozinienverhältnissen in Galicien, beson- Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft 177 synoptischen Evangelien und im „Canon Missae“ dem Brüderpaar Petrus und Andreas folgt, läßt sich nicht über Venantius Fortunatus zurück verfolgen (E WIG , Kathedralpatrozinien [wie Anm. 2] S. 88-90). 8 Im ‚libellus de ecclesiis claramontanis‘ (MGH SS rer. Merow. VII S. 463). 9 MGH DD Karol I Nr. 33, S. 45-48. 10 MGH DD Karol III Nr. 126, S. 287. 11 Vgl. Robert P LÖTZ , Der Apostel Jacobus in Spanien bis zum 9. Jahrhundert, Spanische Forschungen der Görresgesellschaft, 1. Reihe, 30 (Münster 1982) S. 19-145, spez. S. 59f. 12 Ebd. 13 Zur Loire als „Kulturscheide“ vgl. Heinz L ÖWE in: G EBHARDT / G RUNDMANN , Handbuch der deutschen Geschichte 2 (München 9 1973) S. 58f. Auch im kulturellen Bereich dominierte das Loire-Rhônegebiet eindeutig, wie uns die Werke des Gregor von Tours, des Venantius Fortunatus, des Virgilius Maro etc. zeigen. 14 Vgl. L ÖWE , in: Handbuch (wie Anm. 13) S. 96, und Josef O SWALD , Grundzüge der katholischen Kirchengeschichte, in: Deutsche Philologie im Aufriß, hg. von Wolfgang S TAMMLER , 3 (Berlin 2 1967) Sp. 1665. 15 Albert H AUCK , Kirchengeschichte Deutschlands, 1 (Berlin, Leipzig 8 1954) S. 4ff. 16 Karl B OSL , Die Gesellschaft in der Geschichte des Mittelalters (Göttingen 2 1966) S. 17. <?page no="188"?> ders in der Provinz Lugo und, mit großen Zweifeln versehen, auch in England ab 17 , so kann mit einiger Berechtigung gesagt werden, daß der früheste Niederschlag einer entstehenden Jacobusverehrung in der Region zu finden ist, von der aus auch wesentliche Impulse für das Fußfassen des Christentums im germanischen Raum ausging. Dieser Raum ist es auch, der ferner im 11. Jahrhundert als Staubecken innerchristlicher Erneuerungskräfte 18 sowohl zur Kirchenreform als auch zur Internationalisierung der „peregrinatio ad limina beati Jacobi“ wesentlich beitrug: das Loire-Rhône-Gebiet 19 . 178 Robert Plötz 17 Vgl. P LÖTZ , Santiago-peregrinatio (wie Anm. 4) S. 58, Anm. 15, und unten, S. 4f., Anm. 22-24. Auch die bemerkenswerte Konzentration von Jacobus-Patrozinien in England, die D ELEHAYE , Loca Sanctorum (wie Anm. 2) S. 36 erwähnt - das Jacobus- Patrozinium steht in der Häufigkeit nach denen der B. M. V. (über 2000 Patrozinien) der hll. Petrus (ca. 1000) und Andreas (ca. 700) mit mehr als 550 Patrozinien an vierter Stelle - und die von José G UERRA C AMPOS , Notas críticas sobre el culto sepulcral a Santiago en Compostela, Ciencia Tomista 88 (1961) S. 576f., als Indiz für die Intensität eines Kultes ab dem 7. Jahrhundert genommen wird, dürfte wohl eher auf den starken Widerhall zurückgehen, den die peregrinatio nach Compostela auf den Britischen Inseln seit Ende des 11. Jahrhunderts gefunden hat (Luis V ÁZQUEZ DE P ARGA / José María L ACARRA / Juan U RÍA R ÍU , Las peregrinaciones a Santiago de Compostela, 3 Bde. [Madrid 1949], hier 1, S. 51, 59, 77, 83-86. Vgl. E. de la O RDEN M IRACLE , Santiago en America y en Inglaterra y Escocia [Madrid 1970] S. 91-93. Daß die Notiz von der Evangelisierung Spaniens durch Jacobus dem Abt Aldhelmus von Malmesbury schon frühzeitig bekannt war (siehe P LÖTZ , Der Apostel Jacobus [wie Anm. 11] S. 88f.), verwundert niemanden, der die engen Handelsbeziehungen kennt, die seit 550 die atlantische Westküste von den Pyrenäen bis zur Loiremündung mit Marseille einerseits und mit Nordwestspanien, Irland, der Westküste Englands und schließlich der nordgallischen Kanalküste, Friesland und sogar Skandinavien andererseits hatte. Vgl. Archibald R. L EWIS , Le commerce maritime et les navires de la Gaule occidentale [550-570], Etudes merovingiennes, Actes des journees de Poitiers 1 er -3 e mai 1952 [1953] S. 38, und D ERS ., Le commerce et la navigation sur les cotes atlantiques de la Gaule de V e au VIII e siecle, Le Moyen Age 59 (1953) S. 275-277. 18 Vgl. O SWALD , Grundzüge (wie Anm. 14) Sp. 1665. 19 Vgl. P LÖTZ , Der Apostel Jacobus (wie Anm. 11) S. 59. 20 Vgl. zum Urkundenkomplex ebd., S. 104-113. Die erste authentische Urkunde von 885 beinhaltet mehrere Schenkungen, drückt den festen Glauben von Alfons III. an die Existenz des Apostelgrabes aus und berichtet von einer Mönchsgemeinschaft am gleichen Ort, die unter der Aufsicht eines Bischofs namens Sisnandus stand. Dieser wird auch in der Chronik Albeldense für 881 erwähnt: Sisnandus Iriae Sancto Iacobo pollens (V ÁZQUEZ DE P ARGA / L ACARRA / U RÍA , Peregrinaciones [wie Anm. 17] 1, S. 31), sowie in einer Schenkungsurkunde von Alfons III. vom 24. 6. 886 als Sisnando pontifici, Iriense sedis episcopo, vgl. Manuel-Rubén G ARCÍA ÁLVAREZ , La primera parte del Tumbo A de Santiago, Compostellanum 7 (1962) S. 539 u. Anm. 19 u. 20; Tumbo A de la Catedral de Santiago, ed. Manuel L UCAS Á LVAREZ (1998) S. 65f., Nr. 13. <?page no="189"?> 2. Santiago de Compostela und Umgebung In Compostela selbst ist der Kult um das vermeintliche Apostelgrab ganz sicher durch die Königsurkunde von Alfons III. für 885 20 belegt. Schon vor der Grabentdeckung (gegen 830) könnten im Nordwesten der Iberischen Halbinsel 21 Jacobus-Patrozinien vorhanden gewesen sein, so z. B. Santiago de Louredo (Gemeinde Saviñáo, Prov. Lugo), das ungefähr gegen 842 beurkundet ist, aber dessen Ursprünge vor 812 liegen könnten, und als dessen Urheber ein mozarabischer Abt namens Senior mit seinen Angehörigen gilt 22 . Dem Bischof Odoario, der Mitte des 8. Jahrhunderts aus Afrika kam, wird in teilweise interpolierten oder ganz gefälschten Dokumenten die Einweihung der Kirche Santiago de Meilán sowie die Einweihung anderer sechs Jacobus-Kirchen (Boente, Mera, Formade, Cerceda, Vilouriz, Goiriz) zugeschrieben 23 . Trotz erheblicher Bedenken hinsichtlich der Quellen und ihrer Interpretation kann man nicht ausschließen, daß es bereits Jacobus-Patrozinien vor der Entdeckung des Grabes gegeben hat. Die treibenden Kräfte waren mozarabische Geistliche und ihre Angehörigen. Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft 179 21 Vgl. allgemein zur christlichen Kultur der Frühzeit Manuel C. D ÍAZ Y D ÍAZ , Vie chrétienne et culture dans l’Espagne du VII e au X e siècles (Great Warmouth/ Norfolk 1992). 22 Text bei Antonio C. F LORIANO C UMBREÑO , Diplomática española del período astur (718-910), 2 Bde. (Oviedo 1949-1951), hier 1, Nr. 46, S. 635-680. Vgl. allgemein zur frühen Patroziniengeschichte im Norden Spaniens Fernando L ÓPEZ A LSINA , Die ältesten Spuren des Jacobuskultes im asturischen Reich aufgrund der Kirchenpatrozinien, in: Der Jakobuskult in Süddeutschland, hg. von Klaus H ERBERS und Dieter R. B AUER (Jakobus-Studien 7, Tübingen 1995) S. 347-351. 23 Ich weise ausdrücklich darauf hin, daß diese von José G UERRA C AMPOS , Notas críticas (wie Anm. 17) S. 577f. als Beweis eines früheren Jacobus-Kultes in Galicien angeführten Belege höchstwahrscheinlich nicht vor dem fortgeschrittenen 10. Jahrhundert zu datieren sind, vgl. Luis V ÁZQUEZ DE P ARGA , Los documentos sobre las presuras del obispo Odoario de Lugo, Hispania 10 (1950) S. 635-680, hier S. 641, und Rechtsansprüche der Kirche von Lugo belegen sollten. Hier werden Patrozinienverhältnisse des 10. Jahrhunderts wiedergegeben, in der der Jacobuskult schon eine beachtliche lokale Verbreitung gefunden haben dürfte. Noch unhaltbarer ist die These von Fernando R EIGOSA , der Kirchen in der Diözese Mondoñedo erwähnt, von denen einige dem Apostel Jacobus schon im 4. Jahrhundert geweiht gewesen sein sollen (Interesante diploma del siglo IX, perteneciente a la Diocesis Mindoniense, sobre la Basílica, de San Martín de Belesar, dedicada tambien a Santiago Apostol y a Santa María, Boletín de la Comisión de Monumentos de Lugo 5 [1953] S. 262). Eine merkwürdige Parallele zum Bericht von der Auffindung des Apostelgrabes bilden auch die Lichterscheinungen, die den Gründer und Erbauer der Jacobuskirche von Meilán zu deren Bau anregten, vgl. V ÁZQUEZ DE P ARGA , Los Documentos (wie oben) S. 668f. <?page no="190"?> Die Kirchen von Taldáos (Lugo) und Fontáo (Pontevedra) 24 gelten ebenfalls als frühe Gründungen (842/ 47 und 853/ 72). Hier dürften die ältesten Berichte über die „ inventio“ durch Teodemiro ausschlaggebend gewesen sein. 3. Die frühen Patrozinien im deutschsprachigen Bereich Neben Frankreich übernahm das deutsche Sprachgebiet am ehesten und umfangreichsten die Verehrung des heiligen Jacobus. Die frühe Verbreitung des Jacobuskultes dürfte Hand in Hand mit dem Bekanntwerden der „passio Jacobi“ 25 , der Übernahme der Grabnotiz in die Martyrologien 26 und der Verbreitung anderer Texte, wie zum Beispiel der Schrift De ortu et obitu patrum (DooP) 27 , geschehen sein. Im 10. Jahrhundert schon erscheint Jacobus in den Zeugenlisten Salzburger und Brixener Ur- 180 Robert Plötz 24 Manuel L UCAS Á LVAREZ , El Tumbo de San Julián de Samos (siglos VIIII-XII). Estudio introductorio. Edición diplomática. Apéndices e índices (1986), mit Erwähnung von locum sancti Iacobi für Taldáos (S. 280) und ecclesiam sancti Iacobi für Fontáo (S. 71). Bei beiden Urkunden ist die Authentizität fragwürdig. Die Kirche Santiago von Toldáos in der Provinz Lugo wurde nach der im Kloster Samos vorhandenen Dokumentation zwischen 842 und 847 von einem mozarabischen Bischof namens Fatal, der von Ramiro I. (842-850) im Kloster Samos eingesetzt worden war, konsekriert. Die Jacobuskirche von Fontáo soll entweder von Abt Ofilón oder von mozarabischen Zuwanderern aus Córdoba zwischen 853 und 872 neu eingeweiht worden sein. Vgl. L ÓPEZ A LSINA , Die ältesten Spuren des Jakobuskultes (wie Anm. 22) S. 348. 25 Vgl. P LÖTZ , Der Apostel Jakobus (wie Anm. 11) S. 58-61. Zu den frühen Notizen zum Jacobuskult im deutschsprachigen Bereich vgl. auch Klaus H ERBERS , Frühe Spuren des Jakobuskultes im alemannischen Raum (9.-11. Jahrhundert). Von Nordspanien zum Bodensee, in: Der Jakobuskult in Süddeutschland (wie Anm. 22) S. 3-27, der spez. auf die Handschriftenbestände der Reichenau und des Kloster St. Gallen eingeht. 26 Gegen 850 fand die Notiz vom galicischen Begräbnisplatz des Apostels Jacobus Eingang in das Martyrologium des Hrabanus Maurus. Im 896 verfaßten Martyrologium des Notker Balbulus ist die Notiz ebenfalls anzutreffen. Außer der spanischen und abendländischen Mission und dem Martyrium des Jacobus, welche Notker in seinem Martyrologium (Patrologiae Latinae CXXXI Sp. 1029-1164) vermerkt, wird ihm noch eine Sequenz zugeschrieben, die sich auf Jacobus und Christophorus bezieht und in einer Handschrift von 1001 erhalten ist (Wolfram VON DEN S TEINEN , Notker der Dichter und seine geistige Welt 1 (Bern 1948) S. 561 u. 2 S. 70, 80f.). Ohne Zweifel hat Notker an der Verbreitung des Jacobuskultes in Oberdeutschland einen nicht geringen Anteil gehabt. Vgl. auch H ERBERS , Frühe Spuren (wie oben) S. 13f., und D ERS ., Notker Balbulus, in: Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon 6 (1993) Sp. 1032-1035. 27 Anhand des „DooP“ können wir gut verfolgen, wie sich die Notiz von der Evangelisierungsarbeit des Jacobus in Europa ausgebreitet haben kann. Nach Bernhard B I - SCHOFF , Die europäische Verbreitung der Werke Isidors von Sevilla, in: Estudios sobre San Isidoro de Sevilla en el XIII centenario de su nacimiento (Leon 1961) S. 317- 344, waren Werke Isidors schon seit der 2. Hälfte des 7. Jahrhunderts in Frankreich <?page no="191"?> kunden 28 . Das Jacobusfest ist auch schon im ältesten Freisinger Kalender aus dem 10. Jahrhundert verzeichnet 29 . Ebenfalls scheinen einige Kirchen im Alpenraum dem Apostel Jacobus bereits um die Wende des 9. zum 10. Jahrhundert geweiht gewesen zu sein 30 . So erwähnen die Freisinger Traditionen für 804 eine ecclesia in Perch 31 , die mit der heutigen Jacobuskirche in Tuntenhausen (Lkr. Rosenheim) identisch ist, und für 859-864 einen Ort Rotinpah 32 , der nach der dortigen Jacobuskirche den Ortsnamen Jakobsrettenbach annahm. Allerdings läßt sich nicht sicher belegen, daß die beiden Ortschaften in den genannten Jahren schon Jacobuskirchen besaßen 33 . Das Patrozinium einer Kirche im Bereich der Benediktinerabtei Werden, das Rhaban Haacke Jacobus Maior und Stephanus zuschreibt und auf die Zeit um 825 datiert, steht in Wirklichkeit Jacobus Minor zu 34 . Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft 181 bekannt. In Italien reicht die Überlieferung isidorianischer Werke bis ins frühe 8. Jahrhundert zurück. In Irland kann man die Kenntnis des „DooP“ bis ca. 660 zurückverfolgen (A. Eduard A NSPACH , Das Fortleben Isidors im VII. bis IX. Jahrhundert, in: Miscellanea Isidoriana [Rom 1936] S. 337). Auch aus den Werken Aldhelms und Bedas (siehe P LÖTZ , Der Apostel Jacobus [wie Anm. 11] S. 88f. u. 96) läßt sich eine Kenntnis des „DooP“ herauslesen (Max L. W. L AISTNER , The Intellectual Heritage of the Early Middle Ages [Ithaca 1957] S. 148). Durch die irischen Missionare kam es zu weiterer Ausbreitung der Werke Isidors auf dem Festland. Die älteste Handschrift des „DooP“ aus dem 8. Jahrhundert ist südwestenglischer Provenienz, vgl. Wallace Martin L INDSAY , Early Irish Minuscule Script (Oxford 1910) S. 10ff. Die älteste italienische Handschrift (Robert E. M C N ALLY , The Bible in the Early Middle Ages [Westminster 1959] S. 92) kann auf irische Verbindungen zurückweisen und damit die These eines irischen Archetyp der gesamten Textüberlieferung stützen, obwohl außerhalb dieser Reihe eine vor 850 „teils in keltischer Insulare, teils in hybriden Schriften in Wales, Cornwall oder der Bretagne geschriebene Handschrift, Clm 14096 [...], bei ein oder zwei Händen sehr deutliche Spuren der Abhängigkeit von einem spanischen Exemplar“ (B ISCHOFF , Die europäische Verbreitung (wie oben) S. 334) zeigt. 28 Hans F INK , Die Kirchenpatrozinien Tirols. Ein Beitrag zur tirolisch-deutschen Kulturgeschichte (Passau 1928) S. 163. 29 Anton L ECHNER , Mittelalterliche Kirchenfeste und Kalendarien in Bayern (Freiburg i.Br. 1891) S. 17. 30 Die Rolle der Irofranken für die Missionierung des deutschen Alpenraumes stellt besonders Romuald B AUERREISS heraus (Irische Frühmissionäre in Südbayern, in: Wissenschaftliche Festgabe zum 1200jähr. Jubiläum des hl. Korbinian, hg. von Joseph S CHLECHT (München 1924). Allerdings sollte man die Beiträge der Irofranken zur Verbreitung des Jacobuskultes nur als einen, wenn vielleicht auch bedeutenden Faktor innerhalb des Gesamtkomplexes der Förderungshilfen sehen und nicht als alleiniges kultförderndes Element, wie es Bauerreiss gerne tut. 31 Freisinger Traditionen, hg. von Th. B ITTERKAUF (München 1905/ 09), Bd. 1, Nr. 193. 32 Ebd. Bd. 1, Nr. 819. 33 Vgl. F INK , Die Kirchenpatrozinien Tirols (wie Anm. 28) S. 163. 34 Das Patrozinium wird in den Altartituli des Walahfrid Strabo (808/ 809-849), eines Schülers des Reichenauers Wettinus, aufgeführt (Rhaban H AACKE , Die Benediktinerklöster in Nordrhein-Westfalen, in: Germania Benedictina 8 (1980) S. 596. <?page no="192"?> Unsicher sind auch die Jacobuspatrozinien für die 858 genannte alte Pfarrkirche von Sissach 35 im Baselland, Eschenbach 36 im Archidiakonat Aarau, Cham 37 am Zuger See (ebenfalls 858? ), die Jacobuskapelle von Hörbering 38 im Rottal und für eine ecclesia ad Popah (Buchbach) 39 . Dagegen ist ein gesichertes Jacobuspatrozinium für Pery im alten Bistum Lausanne für 866 überliefert 40 . Als frühe Patrozinien werden noch Bludesch 41 , die Abtei Pfäfers 42 im Kanton St. Gallen, die auch eine Jacobusreliquie besessen haben soll und, unter gewissen Einschränkungen, die Pfarrkirche von Braunschweig 43 aufgeführt. Als zweiter Patron erscheint Jacobus auch in dem von Bonifatius geweihten Kloster Benediktbeuern, nach Hüffer zeitlich noch vor Benedikt 44 . Von Braun- 182 Robert Plötz 35 Vgl. Karl G AUSS , Die Heiligen der Gotteshäuser von Baselland, Baseler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 2 (1903) S. 142 u. 161. 36 Hermann J. H ÜFFER , Von Jacobuskult und Pilgerfahrt im Abendland, in: H ÜFFER / H ELL , Die große Wallfahrt des Mittelalters (Tübingen 1964) S. 19. 37 Ebd. 38 B AUEREISS , Irische Frühmissionäre (wie Anm. 30) S. 50. 39 Ebd. 40 Péry, deutsch Püderich, liegt im heutigen Bemer Jura (Michael B ENZERATH , Statistique des saints patrons des eglises du diocese de Lausanne au Moyen-Age, Zeitschrift für Schweizer Kirchengeschichte 6 [1902] S. 115, Nr. 170). Vgl. D ERS ., Die Kirchenpatrone der alten Diözese Lausanne im Mittelalter, Freiburger Geschichtsblätter 20 (1913) S. 75f., der die Mehrzahl der Jacobuskirchen in der Diözese Lausanne mit der peregrinatio nach Compostela direkt in Verbindung bringt, im Fall von Péry aber „die Wechselbeziehungen des südlichen Galliens mit dem nördlichen Frankenlande, von wo der Jacobuskult wahrscheinlich über Besançon, dem Metropolitanbistum von Lausanne, in unsere Diözese Eingang gefunden hat“, ausdrücklich hervorhebt. Auch H. F EUERSTEIN schließt sich der Meinung Benzeraths an, daß die „ältesten Maria-, Petrus-, Stephan- und Jacobuspatronate im Bistum Lausanne durch Gallien vermittelt sind“ (Zur ältesten Missions- und Patrozinienkunde im alemanischen Raum, Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins 97 [1949] S. 1-55, hier: S. 23). 41 Bei der von H ÜFFER , Von Jacobuskult und Pilgerfahrt (wie Anm. 36) S. 19, erwähnten Kirche in Villa Pludessis handelt es sich wahrscheinlich um das Gotteshaus von Bludenz (Vorarlberg), das, so Hüffer, von Pfäfers aus in der Patrozinienwahl beeinflußt sein könnte. 42 Ebd. S. 19. Pfäfers wurde 740 gegründet und personell vom Kloster Reichenau unterstützt. Vgl. Die Abtei Pfäfers. Geschichte und Kultur, hg. von Werner V OGLER (St. Gallen 2 1985) und Helvetia Sacra III/ 1 (1986) Sp. 980-1033. 43 H ÜFFER , Von Jakobuskult und Pilgerfahrt (wie Anm. 36) S. 19, nimmt die frühe Einsetzung des Jacobuspatroziniums als gesichert an, Martin L AST hingegen führt an, daß das „Alter der Kapelle (so 1301, zuvor Pfarrkirche? ) St. Jakob und zumal der Pfarrkirche St. Martin ... ebenso umstritten wie die Lage des ältesten Marktes - und damit zusammenhängend - nach Gestalt, Wachstumsphasen und -richtungen des präurbanen B. überhaupt“ sei (Braunschweig, in: Lex. MA 2 [1982] Sp. 584-586, hier Sp. 584). Lt. Gottfried Wilhelm L EIBNIZ , Origines Guelforum II, S. 493, wird das Patrozinium vor 1054 belegt (MGH SS XX, S. 770). 44 H ÜFFER , Von Jacobuskult und Pilgerfahrt (wie Anm. 36) S. 20. Benediktbeuern wurschweig <?page no="193"?> abgesehen, fällt in erster Linie das, wenn auch mit Vorsicht zu betrachtende, Vorhandensein von Jacobuspatrozinien auf bayerischem und alemannischem Gebiet auf. Erstaunlich ist auch, daß im heutigen Baden-Württemberg kein Jacobuspatrozinium aus der Frühzeit nachweisbar ist, obwohl das Kloster Reichenau die ersten Nachrichten über den Jacobuskult in Compostela dieseits der Pyrenäen verbreitet hat 45 . Das ändert nichts an der allerdings mit einer gewissen Vorsicht zu formulierenden Aussage 46 , daß die ersten Niederschläge eines Jacobus- Kultes im deutschsprachigen Gebiet in Regionen, die sowohl Sakralströmungen der Ost-West-Achse (Gallien) 47 als auch der Nord-Süd- Achse (Iroschottische bzw. irofränkische Mission) aufnahmen, angenommen werden können. In nennenswertem Umfang aber setzen die Kirchen- und Klostergründungen zu Ehren des Jacobus erst ab dem 11. Jahrhundert ein, als die iroschottischen Mönche unter dem Einfluß der Gorze-Trierer Reform 48 nach Bayern kamen und ihren Hauptsitz in dem um 1090 gegründeten Schottenkloster St. Jakob 49 vor dem Regensburger Westtor nahmen. Neben dem Patrozinium von Quedlinburg 50 , das Jacobus mit Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft 183 de in den vierziger oder frühen fünfziger Jahren des 8. Jahrhunderts gegründet. Vgl. Jörg J ARNUT , Benediktbeuern, in: Lex MA 1 (1980) Sp. 1869. 45 Vgl. Manuel S ANTOS N OYA , Zeugnisse des Kultes in Patrozinien, Hospizen und Bruderschaften, in: Der Jakobuskult in Süddeutschland (wie Anm. 22) S. 31f., und Klaus H ERBERS , El primer peregrino ultrapirenaico a Compostela a comienzos del siglo X y las relaciones de la monarquía asturiana con Alemania del Sur, in: Pensamiento, Arte y Literatura en el Camino de Santiago, hg. von Angel Á LVAREZ G ONZÁLES (Vigo 1993) S. 7-16. 46 Einer exakten chronologische Einordnung der Patrozinien steht vor allem der Zeitpunkt ihrer ersten Erwähnung gegenüber, der oft erst längere Zeit nach ihrer eigentlichen Einsetzung dokumentiert wird. 47 Vgl. Georg S CHREIBER , Kultwanderungen und Frömmigkeitswellen im Mittelalter, Archiv für Kulturgeschichte 31 (1942) S. 3. 48 Vgl. Kassius H ALLINGER , Gorze-Kluny. Studien zu den monastischen Lebensformen und Gegensätzen im Hochmittelalter (Rom 1950), und D ERS ., Junggorzer Reformbräuche aus St. Stephan in Würzburg, Würzburger Diözesangeschichtsblätter 25 (1963) S. 93-112. 49 Wolfgang Z AHN , Schottenklöster, Die Bauten der irischen Benediktiner in Deutschland (Diss. Breslau 1967) S. 70. Vgl. Romuald B AUERREISS , Kirchengeschichte Bayerns 3 (St. Ottilien 1951) S. 52ff., und vor allem Helmut F LACHENECKER , St. Jakob und die irischen Benediktiner. Ein Beitrag zur Geschichte des Verbandes der Schottenklöster im hochmittelalterlichen Reich, in: Der Jakobuskult in Süddeutschland (wie Anm. 22) S. 151-167. 50 Das Kanonikerstift St. Jakob, das Mitte der 12. Jahrhunderts in ein Praemonstratenser-Stift umgewandelt wurde, gehörte dem Kloster Hersfeld an. Vgl. Karlheinz B LASCHKE , Quedlinburg, in: Lex MA 7 (1994) Sp. 359f. <?page no="194"?> dem Benediktinerheiligen St. Wigbert 51 teilt, seien die Jacobuspatrozinien von Steterburg (Stederburg) 52 im Stadtkreis Salzgitter, Süllberg 53 , wo Jacobus das Patrozinium mit Secundus und den Thebäern teilt, Pegau 54 bei Merseburg und Mainz 55 erwähnt. Als die peregrinatio nach Compostela verstärkt einsetzte, begann die Jacobusverehrung auch auf andere Regionen überzugreifen. In Bremen finden sich erste Anzeichen dafür um die Mitte des 11. Jahrhunderts 56 . Die meisten Jacobuskirchen in den norddeutschen Städten wurden um 1200 gestiftet 57 , also in der Blütezeit der peregrinatio nach Compostela. Überhaupt war in den am Handel mit Spanien interessierten Hansestädten Jacobus „der grotere“ ein populärer und überaus verehrter Heiliger 58 . Das Elsaß wartet mit einer Pilgerfahrt aus dem Jahr 1144 und mit Gründungen von Kirchen zu Ehren des Jacobus seit der Mitte des 12. Jahrhunderts auf 59 . Für die gleiche Zeit etwa werden uns auch zahlreiche Zeugnisse für eine Jaco- 184 Robert Plötz 51 Wigbert, erster Abt von Fritzlar, wurde von Bonifatius nach Deutschland gerufen (vgl. AA SS Augusti III S. 133-137). Vgl. zu seiner Person: Vita Wigberti abbatis Friteslariensis auct. Lupo (MGH SS 15, I, 1887, S. 36-43). 52 Jacobus teilt das Patrozinium mit der Mutter Gottes und Christophorus. Über die Gründung vgl. Annales Stederburgenses auctore Gerhardo praeposito (MGH SS XVI S. 197ff.) zum Hochaltar (1174) vgl. ebd., S. 212 und Kirchenpatron (Chronica monasterii sancti Bertini auctore Iohanne Longo de Ipra [MGH SS XXV, S. 737]. Vgl. Edgar H ENNECKE / Hans-Walter K RUMWIEDE , Die mittelalterlichen Kirchen- und Altarpatrozinien Niedersachsens (Studien zur Kirchengeschichte Niedersachsens 11,1 1960), mit Heiligenregister (Jacobus Major S. 296f.) und Ergänzungsband (1988), hier S. 135. 53 AA SS August; V S. 792-797. 54 Es handelt sich hier um die ehemalige Abtei St. Jakob, die 1091 von Wiprecht von Groitzsch gegründet und 1092 von Mönchen aus Münsterschwarzach bezogen wurde, vgl. Annales Pegavienses et Bosovienses (MGH SS XVI S. 234ff.). Ob das Jacobuspatrozinium mit der Pilgerfahrt des Stifters Wiprecht in Zusammenhang gebracht werden darf, wie es Karlheinz B LASCHKE (Lex MA 6 [1993], Sp. 1856) behauptet, sei dahingestellt. Ich gebe nur zu bedenken, daß gerade Schwarzach in Unterfranken als Zentrum der Klosterreform gilt, deren Vertreter längst schon Jacobus Maior als Patron der Reform akzeptiert hatten. Vgl. S. 195, 197f. 55 Das Benediktinerkloster St. Jakobsberg bei Mainz gründete Erzbischof Luitpold (1051-59) um 1055. Vgl. Albert H AUCK , Kirchengeschichte Deutschlands, 3 (Berlin, Leipzig 8 1954) S. 1013, und Ludwig F ALCK , Mainz, A. Stadt, in: Lex MA 6 (1992) Sp. 131-134. Zum ca. 1137 gegründeten Schottenkloster St. Jakob in Erfurt s. Ludwig H AMMERMAYER , Neue Beiträge zur Geschichte des Schottenklosters St. Jakob in Erfurt, Jahrbuch für das Bistum Mainz 8 (1958/ 60) S. 205-223. 56 Johann Georg K OHL , Über die Verehrung des hl. Jakobus in den norddeutschen Städten und namentlich in Bremen, Zeitschrift für Kulturgeschichte 2 (1873) S. 108. 57 Ebd. S. 112. 58 Theodor H IRSCH , Danziger Handels- und Erwerbsgeschichte (Leipzig 1858) S. 86. 59 Luzian P FLEGER , Die St. Jakobsbrüder und der Jakobikult im Elsaß, Elsaßland 5 (1925) S. 209f., und Vicente A LMAZÁN , Alsacia Jacobea. Introducción al estudio de las peregrinaciones alsacianas a Santiago de Compostela (Rio Tinto 1994) spez. S. 27-31. <?page no="195"?> busverehrung in Westfalen 60 und Niedersachsen berliefert 61 . In Luxemburg hat Emile Donckel die Grundlagenforschungen geleistet 62 . Für Altbayern erwähnt K. H. Ritter von Lang 101 Jacobuspatrozinien 63 . In Tirol blieb die oben angeführte einzelne frühe Verehrung ohne größere Resonanz. Bezeichnend ist auch hier, wie das Aufkommen der Jacobuspatrozinien mit der wachsenden Bedeutung der peregrinatio nach Compostela zeitlich zusammenfällt 64 . Aus dieser auszugsweise vorgetragenen Patrozinienverteilung 65 im deutschsprachigen Raum läßt sich klar ersehen, daß zwar vereinzelt eine frühe Jacobusverehrung vorhanden war, die weitgehend auf das Bekanntwerden der Mission des Apostels im Abendland und den angeblichen Grabfund und dessen Propagierung zurückzuführen ist, daß aber das eigentliche Einsetzen des Jacobuskultes auf die Beliebtheit und Verbreitung der „peregrinatio ad limina Beati Jacobi“ zurückgeht und im größeren Ausmaß Ende des 11. Jahrhunderts als frühesten Zeitpunkt belegt werden kann 66 . Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft 185 60 Lisa S CHÜRENBERG , Die Bedeutung der Pilgerstraßen für die westfälische Architektur, Die Heimat 9 (1927) S. 210-214, und Albert S CHRÖDER , Spuren der Jacobus-Verehrung im Bistum Münster, in: Spiritualität des Pilgerns, hg. von Klaus H ERBERS und Robert P LÖTZ (Jakobus-Studien 5, Tübingen 1993) S. 127-144. 61 Vgl. Edgar H ENNECKE / Hans-Walter K RUMWIEDE , Die mittelalterlichen Kirchen- und Altarpatrozinien Niedersachsens (wie Anm. 52). 62 Emil D ONCKEL , Der heilige Jakobus der Ältere - Kult und Brauchtum im Luxemburger Raum (Luxemburg 1965). 63 Rede über die heiligen Schutz Patronen der alten Baierischen Kirchen welche an dem Koeniglichen Geburts- und Namensfest den 26. August 1829 in der feierlichen Versammlung der Akademie der Wissenschaften zu München das nicht wirkliche Mitglied Karl Heinrich Ritter von Lang nicht wirklich gehalten hat (Nürnberg 1829) S. 7. Jacobus steht damit unter den Kirchenpatronen Altbayerns an 11. Stelle (Ebd. S. 4f.). Vgl. auch Bernhard G RAF , Oberdeutsche Jakobsliteratur. Eine Studie über den Jakobuskult in Bayern, Österreich und Südtirol (Kulturgeschichtliche Forschungen 14, 1990). 64 F INK , Die Kirchenpatrozinien Tirols (wie Anm. 28) S. 164. 65 Eine vollständige Übersicht über die Jacobuspatrozinien im deutschsprachigen Raum, wie sie z. B. Karl M EISEN über die Patrozinien des hl. Nikolaus vorgelegt hat (Nikolauskult und Nikolausbrauch im Abendlande, Eine kulturgeographisch-volkskundliche Untersuchung [Düsseldorf 1931]), gibt es leider noch nicht. Jacobuspatrozinien im gesamten deutschsprachigen Raum erwähnen in beschränktem Maße Hermann J. H ÜFFER (Sant’Jago, München 1957) S. 43-58, Johann D ORN , Beiträge zur Patrozinienforschung, Archiv für Kulturgeschichte 13 (1917) S. 234 und für Fulda Josef L EINWEBER , Die Santiagowallfahrt in ihren Auswirkungen auf das ehemalige Hochstift Fulda, Fuldaer Geschichtsblätter 52 (1976) S. 134-155. 66 Gustav B OSSERT bemerkt dazu: „Eigentümlich ist das Aufkommen der Jakobskirchen zu Anfang des 11. Jhdts. in den Städten Rothenburg o. d. Tauber und Hall, wie auch sonst in Süddeutschland“ (Die Kirchenheiligen in ihrer Bedeutung für die Geschichtsforschung [54 Thesen], Blätter für Württembergische Kirchengeschichte N. F. 15 [1911] S. 97-103, hier These 33) und führt das auf die Kirchenreformen in <?page no="196"?> Auch die meisten namentlich bekannten Pilger gehören eben dieser Zeit an 67 . Abschließend kann gesagt werden, daß die Anfänge der Jacobusverehrung im deutschsprachigen Raum zurückgehen dürften auf die Verbreitung der passio Jacobi, der verschiedenen Schriften über die Missionsarbeit des Jacobus in Spanien und im westlichen Abendland und auf die Aufnahme der Grabnotiz in die Martyrologien von Hrabanus Maurus und Notker Balbulus. Die iroschottischen bzw. irofränkischen Mönche trugen die Jacobusverehrung in den deutschsprachigen Raum und sorgten für das Bekanntwerden dieser Schriften. Zweifelsohne hat auch aus der Ost-West-Richtung die Ausströmung eines in Gallien schon vorhandenen bescheidenen Jacobuskultes zur Verbreitung seiner Verehrung im burgundisch-alemannischen Raum beigetragen, wie das Beispiel der alten Diözese Lausanne zeigt. Anhand der Beispiele der Klöster St. Gallen und der Reichenau kann man sich ein ungefähres Bild von der Verbreitung des Jacobus-Kultes machen. Die Hymne des Bischofs Aldhelmus (†709) von Sherborne gehört zu den frühesten Zeugnissen, welche die Notiz über Jacobus als Spanienmissionar außerhalb der Iberischen Halbinsel aufgriffen. Das Carmen Aldhelmus ist im Codex St. Gallen 869 zusammen mit anderen Walafried zugeschriebenen Texten erstmals überliefert 68 . In der Welt- 186 Robert Plötz Lothringen zurück, ohne einen Zusammenhang mit der peregrinatio nach Compostela zu suchen. Auch die „Historia Compostelana“ erwähnt 1121 die große Verehrung, die Jacobus in Deutschland genoß: ... quem Gallia, Anglia, Latium, Alemania, omnesque Christicolarum Provinciae, et praecipue Hispania veneratur (Historia Compostelana, ed. Emma F ALQUE R EY [Corpus Christianorum, Continuatio Mediaevalis 70, Turnhout 1988] S. 307f.). 67 Nachrichten über Jacobuspilger aus der Frühzeit der peregrinatio sind sehr spärlich und verschiedenster Herkunft. Falls überhaupt eine Notiz über einen Einzelpilger vorliegt, ist das oft außergewöhnlichen Umständen, etwa dem gehobenen sozialen Stand des Pilgers oder offiziellen Anlässen zu verdanken. Verschiedene Belege halten aber eine nähere kritische Untersuchung nicht aus. So ist die Erwähnung der peregrinatio nach Compostela in den Heiligenleben mit äußerster Zurückhaltung anzusehen, da es sich um eines der sogenannten „cliches“ handeln könnte, die in die hagiographische Literatur aufgenommen wurden. (Hippolyte D ELEHAYE , Cinq leçons sur la methode hagiographique [Brüssel 1934] c. 2). Ein gutes Beispiel dafür ist die Vita des hl. Evermarus von Friesland, der um 714 die Kathedrale von Compostela besucht haben soll (AA SS Maii I S. 120). Die Vita wurde im 12. Jahrhundert verfaßt; vgl. Sylvain B ALAU , Les sources de l’histoire de Liège au Moyen Age (Lüttich 1903) S. 114-117, für die Überlieferungsgeschichte Karl M EISEN , Der Volksheilige Evermarus und das Evermarusspiel in Rutten (Belgien), Rheinisches Jahrbuch für Volkskunde 11 (1960) S. 62-145, und V ÁZQUEZ DE P ARGA / L ACARRA / U RÍA R ÍU , Peregrinaciones (wie Anm. 17) 1, S. 40. 68 Vgl. H ERBERS , Frühe Spuren des Jakobuskultes (wie Anm. 25) S. 8f., der auf die Rezeptionsgeschichte des Hymnentextes eingeht. <?page no="197"?> chronik des Frechulf von Lisieux († um 850), der vielleicht aus Oberdeutschland stammte, findet sich ebenfalls eine Zuweisung der Missionsgebiete Hispania und Okzident an Jacobus 69 . Sein Begräbnisplatz wird ebenso dorthin verlegt. Auch dieser Text war im 9. Jahrhundert nicht nur in St. Gallen und der Reichenau verfügbar. Die Martyrologien dienten weiterhin der Verbreitung des Kultes. Texte des 9. Jahrhunderts (Florus von Lyon, Ado von Vienne) legen das Grab nach Compostela und erwähnen eine Translation. Im etwa um 896 abgefaßten Martyrologium des Notker von St. Gallen finden sich die Hinweise ebenfalls 70 . Fast gleichlautend ist des Martyrologium Hermanns des Lahmen von der Reichenau (†1054) 71 . Aufgrund dieser Faktoren kann geschlossen werden, daß sich bereits um 900 eine bemerkenswert frühe Verehrung im bayerischen und alemannischen Raum ausbildete. In nennenswertem Umfang setzte der Jacobuskult im deutschsprachigen Raum dann im 11. Jahrhundert ein, als die Einwanderung schottischer Mönche zur Gründung der Schottenklöster und zahlreicher Kirchen führte. Mit der wachsenden Bedeutung der peregrinatio nach Compostela und deren Propagierung durch Cluny, mit dem Einsetzen des Kreuzzugsgedankens, mit dem allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung und dem Zusammenspiel anderer Förderungsmaßnahmen begann auch im deutschsprachigen Raum eine Blütezeit des Jacobuskultes, die sich im religiösen Leben und in der Volksfrömmigkeit des Mittelalters niederschlug und die peregrinatio nach Santiago de Compostela als Massenbewegung förderte. III. Der Übergang vom Apostelzum Reformpatrozinium - Fokus: Jacobus Maior und die Normannen Ein erstaunliches Exempel für die Ausstrahlung und Verbreitung eines neu aufkommenden Kultes und seiner Förderung durch einflußreiche Gruppen bietet das Herzogtum Normandie 72 , das schon in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts eine Reihe von Jacobus-Patrozinien auf- Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft 187 69 Ebd., S. 9-11. 70 Ebd., 11-18. 71 Ebd., S. 14. 72 Vgl. Robert P LÖTZ , Sanctus et Peregrinus - Peregrinus et Sanctus. Peregrinatio ad Sanctum Jacobum usque ad annum 1140, in: El Papado, la Iglesia Leonesa y la Basílica de Santiago a finales del siglo XI. El traslado de la Sede Episcopal de Iria a Compostela en 1095, hg. von Fernando L ÓPEZ A LSINA (Santiago de Compostela 1999) S. 89-105, spez. S. 102f. <?page no="198"?> weist, beginnend mit St-James von Beuvron (1027) 73 , dann Tréport 74 , Villainville 75 und Etainhus 76 . Es drängt sich die Vermutung auf, daß eine enge Verbindung mit Pilgerfahrten normannischer Adeliger und der Gründung kirchlicher Institution besteht 77 . Im Jahr 1018 besucht Roger von Tosny das Apostelgrab in Compostela. Nach seiner Rückkehr beginnt er mit dem Bau der Abtei Conches 78 in der Diözese Evreux. Baudouin, Graf von Guines, und Ingelram, Burgherr von Lillers tun das ebenfalls und gründen die Klöster von Andres und Ham 79 . Ein wichtiger gemeinsamer Faktor scheint die enge Verbindung dieser Feudalherren mit dem Ideengut der Klosterreform zu sein 80 . Sie versuchen, ein religiöses Ideal zu verwirklichen und greifen auf den neuen, attraktiven Heiligen und Apostel zurück, dessen Grab noch dazu im lateinischen Westen, in der Nachbarschaft, liegt. Warum es gerade die frisch bekehrten Normannen waren, die sich so sehr dem Apostel Jacobus zuwandten, müßte in einer eigenen Studie eingehender belegt werden. Ein weiterer Beleg für den Aufstieg von Jacobus Maior im Kultpanorama des Okzidents ist der Vergleich mit Rom, der gut am Beispiel des Herzogs von Aquitanien und Grafen von Poitou, Wilhelm V. (†1030) gezeigt werden kann. Nach dem Chronisten Ademar von Chabannes ändert 188 Robert Plötz 73 Vgl. J. H ENRY , Le culte de saint Jacques le Majeur en Normandie, Compostelle 22/ 23 (1966) S. 13-17 und André G EORGES , Le pèlerinage à Compostelle en Belgique et le Nord de la France, suivi d’une étude sur l’iconographie de Saint-Jacques en Belgique (Académie Royale de Belgique, Classe des Beaux Arts, Mémoires, 2 e série, 13, Brüssel 1971), S. 72. Es wird in diesem Zusammenhang sogar die Deponierung von Reliquien erwähnt, die Pilger dorthin gebracht hätten und die eine große Verehrung genossen haben sollen. Beuvron wurde von Herzog Richard und dessen Bruder Robert der Abtei von Fleury (Saint-Benoït-sur-Loire) überlassen. Vgl. Humbert J ACOMET , Santiago. En busca del gran perdón, in: Santiago, Camino de Europa, Ausstellungskatalog (Santiago de Compostela 1993) S. 64, der das Konsekrierungsdatum auf 1026 legt. 74 Der Graf d’Eu übereignet die Kirche im 11. Jahrhundert der Abtei von Mont-Saint- Michel. Vgl. ebd., S. 73. 75 Ebd. 76 Vgl., Jean B. C OCHET , Repertoire archéologique du departement de la Seine-Inferieure (Répertoire archéologique de France, 1871) Sp. 151f. 77 Auch J ACOMET , En busca del gran perdón (wie Anm. 73) S. 64, argumentiert so. 78 Vgl. H ENRY , Le culte de saint Jacques le Majeur (wie Anm. 73) S. 13. 79 Chronique de Guines et d’Ardre, par Lambert, curé d’Ardre (918-1203).Textes latin et francais en regard, revue sur huit manuscrits avec notes, cartes, glossaires et tables per le Mis de G ODEFROY -H ENILGLAISE (Paris 1855) S. 70f. Vgl. G EORGES , Le pèlerinage (wie Anm. 73) S. 17, Anm. 3. 80 Es ergibt sich der Eindruck, als ob die Frömmigkeit der Adeligen der zweiten Feudalphase in gewisser Korrespondenz zu den Forderungen der Reformklöster stand. Ein überzeugendes Beispiel für die Wechselbeziehungen zwischen Adel und Kirche bieten die Äbte von Cluny aus dem Haus Burgund. <?page no="199"?> dieser seine Gewohnheit einer jährlichen Pilgerfahrt nach Rom und besucht wechselweise „Sanctum Jacobum Galliciae“ und „Sanctum Petrum“ 81 . Auf Grundlage dieser Kenntnis verwundert nicht, daß es ebenfalls Normannen waren, die im fernen Süden, in Sizilien 82 nämlich, das Jacobus-Patrozinium schon früh einführten, z. B. Herzog Roger I. 83 im Jahr 1090, als er Caltagirone den Mauren entriß oder Herzog Roger II. 84 in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts in Castellare. Ein weiteres wichtiges Indiz für den Aufstieg des Apostels Jacobus ist das Jacobus-Kloster von Lüttich, das 1030 dem Jüngeren gewidmet wurde. Als 1056 eine Pilgergruppe Lütticher Bürger aus Compostela eine Armreliquie des Älteren mit nach Hause brachten und im Kloster deponierten, erfolgte rasch eine Umwidmung zugunsten des Älteren 85 . IV. Die Vielfalt: Das fränkische Patrozinienwesen 86 1. Die frühmittelalterlichen religiös-kirchlichen Verhältnisse Im Ostfranken der vorkarolingischen Zeit sind Patrozinien erst seit den Slawenkriegen Dagoberts I. (623/ 29-638) und der Einsetzung Radulfs als Herzog von Thüringen (um 640), wahrscheinlich einschließlich Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft 189 81 Ademar de Chabannes, Historiarum, lib. III, c. 41 (ed. W AIZT , MGH SS IV, S. 134). 82 Vgl. Lynn Townsend W HITE JR ., Latin Monasticism in Norman Sicily (Cambridge/ Mass. 1938), und Donald M ATTHEW , The Norman Kingdom of Sicily (Cambridge Medieval Textbooks, Cambridge 1992). 83 Comes Roperius devictis secundo proelio Saracenis Calataeinnum venit et triumphantis in morem ingressus urbis januam in monumentum victoriae templum divo iacobo posuit eidem, aut urbis tutelam commendavit lautet der Text der Inschrift, die am 10. Juli 1943 durch Kriegseinwirkung zerstört, später aber wiederhergestellt wurde. Herzl. Dank an Paolo Caucci von Saucken für die Zurverfügungstellung des Textes. Vgl. für Roger I. E. P ONTIERI , Tra i Normanni nell’Italia meridionale (1948). 84 Vgl. für Roger II. die o. g. Literatur sowie Erich C ASPER , Roger II. und die Gründung der normannisch-sizilianischen Monarchie (Innsbruck 1904). 85 Gründungsjahr des Jacobus-Konvents: 1016; Jahr der Konsekrierung: 1030 zu Ehren von Jacobus Minor, dessen Patrozinium durch das von Jacobus Maior 1056 verdrängt wurde, als der Mönch Robert vom Lütticher Konvent mit einer großen Pilgerschar und einer Armreliquie des Apostels aus Compostela zurückgekehrt war. Vgl. Antonio L ÓPEZ F ERREIRO , Historia de la Santa Apostólica Metropolitana Iglesia de Compostela, 11 Bde. (Santiago de Compostela 1998-1999), hier 2, S. 518f., und G EORGES , Le pèlerinage (wie Anm. 73) S. 73. 86 Die vorliegende Studie basiert in wesentlichen Teilen auf der von mir vorgenommenen Regionalstudie über den Jacobuskult im deutschen Frankenland (Robert P LÖTZ , Santiago-peregrinatio und Jacobuskult [wie Anm. 4], S. 24-135), in der ein beträchtlicher Anteil der Patrozinienforschung eingeräumt wurde (ebd., S. 65-92) und deren Archivarbeiten bereits 1972 abgeschlossen waren. Mittlerweilen konnte ich Verbes- <?page no="200"?> Mainfrankens, denkbar 87 . Nach der Darstellung der religiös-kirchlichen Verhältnisse in Mainfranken um 700 durch A. Wendehorst 88 kann man Patrozinien allerdings noch nicht so früh ansetzen. Von der Tätigkeit irischer und fränkischer Glaubensboten um 700 ist nur der Name Kilians, des einzigen Märtyrers in ostfränkischen Landen 89 , erhalten und aus den Jahren bis zur Aktivität des hl. Bonifatius nur die Nachricht von vorübergehenden Beziehungen Ostfrankens und seines Herzogs zum hl. Willibrord 90 . Auch für Bonifatius, der schon Spuren des Christentums in Ostfranken vorgefunden haben muß 91 und der Ostfranken durch die Gründung des Bistums Würzburg in die fränkische Reichskirche eingliederte 92 , sowie für die ersten Würzburger Bischöfe selbst liegen nur spärliche Nachrichten vor. Bezüglich der Patrozinienverhältnisse 93 sind quellenmäßig nur die Grundpatrozinien der Frühzeit 94 erfaßbar, denen sich noch die Patrozinien des Bekennerbischofs Remigius 190 Robert Plötz serungen und Berichtigungen einbringen, die aufgrund neuerer Forschungsergebnisse möglich wurden. Dazu kam, daß dem Verfasser freundlicherweise für die Behandlung der Patrozinienverhälnisse in der Diözese Würzburg von dem Diözesanarchivar Erik Soder von Güldenstubbe ein Ms. (Stand 1995) zur Verfügung gestellt wurde, das die Jacobuspatrozinien im alten und neuen Bistum Würzburg anhand von damals nicht zur Verfügung stehenden Quellen vor allem der durch verschiedene historische Ereignisse abgetrennten Gebiete neu bearbeitet. Die Hinzufügungen werden im folgenden als Ms. dactil. S ODER mit der Manuskript-Paginierung zitiert. 87 W EIGEL , Das Patrozinium des hl. Martin (wie Anm. 3) S. 86 Anm. 16. 88 Alfred W ENDEHORST , Das Bistum Würzburg. Die Bischofsreihe bis 1254 (Germania Sacra NF, Teil 1, Berlin 1962) S. 11-14. 89 Wilhelm D EINHARDT , Frühmittelalterliche Kirchenpatrozinien in Franken. Studien zur Frühgeschichte der Diözesen Bamberg und Würzburg (Nürnberg 1933) S. 5. 90 Der Thüringerherzog Hedenus suchte Willibrord und sein Kloster Echternach durch Güterschenkungen in Thüringen (704) und Hammelburg (716) an der Mission dieser Gebiete zu beteiligen. Vgl. Heinz L ÖWE , Pirmin, Willibrord und Bonifatius, ihre Bedeutung für die Missionsgeschichte ihrer Zeit, in: XIV Settimane de Studio del Centro Italiano de Studi sull’ Alto Medioevo (Spoleto 1967) S. 234. 91 Heinrich N OTTARP , Die Bistumserrichtung in Deutschland im 8. Jahrhundert (Kirchenrechtliche Abhandlungen 96, Stuttgart 1920) S. 87ff. 92 Andreas B IGELMAIR , Die Gründung des Bistums Würzburg, Würzburger Diözesangeschichtsblätter 2 (1934) S. 1-16. 93 Bei der Untersuchtung des Jacobuskultes in Franken muß zwangsläufig auf die Patrozinien als Wegweiser durch die älteste Lokalgeschichte und den Niederschlag der verschiedenen Geistesströmungen neben anderen kultur- und religionsphänomenologischen Faktoren zurückgegriffen werden, um den Jacobuskult einerseits als „Niederschlag äußerer Ereignisse und Zustände in der Sakrallandschaft und in der Beziehung zwischen dem Patrozinium und den Menschen, die es wählen und deren durch den Zeitgeist beeinflußten Motive andererseits aufzeigen zu können“ (B OSSERT , Die Kirchenheiligen [wie Anm. 66] These 1). 94 Vgl. oben. Bemerkenswert ist, daß mit dem Salvatortitel ab dem 9. Jahrhundert im Bistum Würzburg keine Klöster und Kirchen mehr konsekriert wurden. <?page no="201"?> von Reims 95 , des hl. Martin 96 und, speziell für Würzburg, des hl. Kilian anschlossen. Später, nach den Wirren unter Ludwig dem Frommen, war Ostfranken in eine Mittellage gerückt und nahm als „Sakrallandschaft“ der Mitte von allen Seiten Einflüsse auf, die zur Entwicklung des Patrozinienwesens im Hochmittelalter wesentlich beitrugen 97 . Obwohl in den letzten Jahrzehnten die Patrozinienforschung für die Gebiete der alten Bistümer Würzburg und Eichstätt wieder größere Beachtung in der Forschung zur fränkischen Landesgeschichte 98 gefunden hat, lassen sich doch einige Schwierigkeiten feststellen. So fehlt ein systematischer Gesamtkatalog für die drei Bistümer in Franken aufgrund kritischen Quellenstudiums, wie ihn Wendehorst zum Teil für den Würzburger Archidiakonat Münnerstadt fertigstellte 99 . 2. Erste Zeugnisse einer Jacobusverehrung in Franken Nach den vorliegenden Unterlagen für die Bistümer Bamberg 100 , Eichstätt 101 und Würzburg 102 war im alten Ostfranken vor Beginn des 11. Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft 191 95 W EIGEL , Das Patrozinium des hl. Martin (wie Anm. 3) S. 90. 96 Der Martinstitel diente innerhalb der königlichen Eigenkirchen der Versorgung eines Personalverbands, der zum König als Grundherrn in rechtlicher Beziehung stand. In vielen Fällen existierte ein Doppelpatronat der hll. Martin und Johannes Baptista aufgrund des häufigen Nebeneinanders von Pfarrkirche und Baptisterium. Das kann zur Verdrängung des Martinspatroziniums zugunsten des Täuferpatroziniums bis zum völligen Schwund des Martinspatroziniums führen (ebd., S. 87 u. 90). 97 Z IMMERMANN , Patrozinienwahl (wie Anm. 3) 1, S. 125. 98 Vgl. W EIGEL , Das Patrozinium des hl. Martin (wie Anm. 3) S. 83 Anm. 5. 99 Alfred W ENDEHORST , Der Archidiakonat Münnerstadt am Ende des Mittelalters, Würzburger Diözesangeschichtsblätter 23 (1961) S. 5-52. Vgl. dazu Helmut W EIGEL , Blätter für deutsche Landesgeschichte 103 (1967) S. 315. Neuerdings bearbeitet Erik Soder von Güldenstubbe ein ähnliches Projekt (vgl. Anm. 86). 100 Hier besonders Friedrich W ACHTER , Patronate im Hochstift und Erzbistum Bamberg, 3. St. Jakobus der Aeltere, Bamberger Blätter 16 (1929) S. 66-67; Heinrich W E - BER , Das Bisthum und das Erzbisthum Bamberg, seine Eintheilung in alter und neuer Zeit und seine Patronatsverhältnisse (Bamberg 1895); D EINHARDT , Frühmittelalterliche Kirchenpatrozinien (wie Anm. 89); Friedrich H ILLER , Die Kirchenpatrozinien des Erzbistums Bamberg (Bamberg 1931) S. 50-64, und Wilhelm M ÜLLER , An den alten Straßen, Rastorte, Geleitstationen, Pferdedörfer, Archiv für Oberfranken 52 (1972) S. 209-214. 101 Vgl. Franz Xaver B UCHNER über Patroziniumsstatistiken im allgemeinen, die des Eichstätter Bistums im besonderen, [Passauer] Theolog.-Prakt. Monatsschriften 22 (1911/ 12) S. 148-158; D ENS ., Das Bistum Eichstätt, Historisch-statistische Beschreibung, aufgrund der Literatur, der Registratur des Bischöflichen Ordinariats Eichstätt sowie der pfarramtlichen Berichte, 2 Bde. (Eichstätt 1937-38); Karl P UCHNER , Patrozinienforschung und Eigenkirchenwesen mit besonderer Berücksichtigung des Bistums Eichstätt (Kallmünz 1932). Zu danken habe ich dem Diözesanarchiv Eichstätt für die Einsicht in handschriftliche Notizen von Franz Xaver Buchner. 102 Vgl. Johann Baptist S TAMMINGER , Franconia Sacra, Geschichte und Beschreibung <?page no="202"?> Jahrhunderts kein Niederschlag eines Jacobuskultes vorzufinden 103 . Die erste Kultnotiz bringt die Nachricht über die Weihe des Bamberger Doms (6.6.1012), wobei eine reliquie [...] Jacobi 104 erwähnt wird. Erst ab Mitte und gegen Ende des 11. Jahrhunderts setzen dann die Jacobuspatrozinien ein, wie auch seit dieser Zeit das Apostelfest in fast allen fränkischen Kalendarien vertreten ist, beispielsweise im Festkalender des Bistums Bamberg 105 . Jacobus tritt auch als „ductor“ in einer der frühen Apostelvisionen des 12. Jahrhunderts (um 1130) auf 106 . 3. Jacobus im fränkischen Patrozinienwesen 107 Der äußere Anlaß, Jacobus in Franken als Kirchenpatron einzusetzen, dürfte anfangs ein mehrfacher gewesen sein. Einmal wurde die peregri- 192 Robert Plötz des Bistums Würzburg, fortgesetzt v. August A MRHEIN und Michael M ÜLLER , 3 Bde. (Würzburg 1889-1901) (umfaßt nur die Pfarrei St. Burkard, die Landkapitel Lengfurt und Mellrichstadt); „Realschematismus“ der Diözese Würzburg (hg. von August A M - RHEIN [Würzburg 1897]; Josef F RAUNDORFER , Ehemalige Dotations- und Eigenkirchen des Hochstifts Würzburg (Kaufbeuren 1925); Z IMMERMANN , Patrozinienwahl (wie Anm. 3); W ENDEHORST , Der Archidiakonat (wie Anm. 99); D ENS ., Das Würzburger Landkapitel Coburg zur Zeit der Reformation (Göttingen 1964); D ENS ., Die Würzburger Radenzgaupfarreien Etzelskirchen, Lonnerstadt, Mühlhausen, Wachenroth, in: 100. Bericht des historischen Vereins Bamberg (1964) S. 173-184. Zu den Württembergisch-Franken vgl. Gustav B OSSERT , Die Kirchenheiligen (wie Anm. 66) S. 3-11; Gustav H OFFMANN , Die Kirchenheiligen in Württemberg (Stuttgart 1932). 103 Die von W ACHTER , Patronate (wie Anm. 100) S. 66f., erwähnten zahlreichen Jacobuskirchen an Rhein und Main schon seit dem 9. Jahrhundert dürften sich auf spätere Patrozinienverhältnisse beziehen. Das von B UCHNER , Über Patroziniumsstatistiken [wie Anm. 101] S. 150) als Beispiel für die Konstanz der Patrozinien angeführte Jacobuspatrozinium der Kirche von Abenberg (Diözese Eichstätt), das er in das 9. Jahrhundert legt, muß man wegen der Quellenlage ebenfalls wesentlich später ansetzen. Vgl. S. 194. 104 Wilhelm D EINHARDT , Dedicationes Bambergenses, Weihenotizen und -urkunden aus dem mittelalterlichen Bistum Bamberg (Freiburg i.Br. 1936) S. 4 Nr. 2. 105 Adolf L AGEMANN , Der Festkalender des Bistums Bamberg im Mittelalter, Seine Entwicklung und Anwendung (Diss. masch. Würzburg 1952) S. 84. Großen Ansehens erfreute sich (ebd. S. 209) der Apostel Jacobus (nach Peter und Paul und neben Simon, Judas, Andreas und Thomas) hinsichtlich der Anführung zum Datierungsgebrauch. Vgl. zu den Kalendarien und Nekrologien in Franken Caspar A. S CHWEIT - ZER , Vollständiger Auszug aus den vorzüglichsten Calendarien des ehemaligen Fürstenthums Bamberg, 7. Bericht des hist. Vereins zu Bamberg (1844) S. 67-319; Franz Xaver W EGELE , Zur Literatur und Kritik fränkischer Necrologien (Nördlingen 1864); L ECHNER , Mittelalterliche Kirchfeste in Bayern (wie Anm. 29) S. 263-282. 106 Vgl. Robert P LÖTZ / Hedwig R ÖCKELEIN , Die Vision des Heinrich von Ahorn und das Kloster St. Georgenberg, in: Stadt und Pilger. Soziale Gemeinschaften und Heiligenkult, hg. von Klaus H ERBERS (Jakobus-Studien 10, Tübingen 1999) S. 29-68. Dort auch eine Einführung in den Jacobuskult in der Diözese Bamberg zur Zeit der Vision (S. 45-49). 107 Erschwerend für eine Motivsuche hinsichtlich der Patrozinienwahl in Franken ernatio <?page no="203"?> nach Compostela bekannt und erlebte vom 11. zum 12. Jahrhundert ihren ersten Höhepunkt und ihre Ausformung zur „peregrinatio maior“. Zum andern wird Jacobus als „Reformheiliger“ 108 und Pilgerpatron der Cluniazenser eingeführt. 4. Das Reformpatrozinium Die frühesten Jacobuspatrozinien Frankens sind auf die Verbindung von Jacobus mit der Reform von Gorze zurückzuführen. Von Schwarzach aus reformierte Abt Ekkebert 109 mit tatkräftiger Hilfe des Bischofs Adalbero von Würzburg 110 die Klöster im Maingebiet, in Sachsen und in Österreich. So war Ekkebert mit Adelbero auch an der Errichtung bzw. Erneuerung der Klöster Michelsberg 111 , Lambach in Österreich 112 , Neustadt und St. Burkhardt in Würzburg beteiligt 113 . Es ist also nicht verwunderlich, daß die ersten Jacobuspatrozinien in Franken von einem Anhänger der Junggorzer Reformbewegung herrühren, nämlich von Bischof Gundekar II. von Eichstätt 114 . Er weihte 1060 den Eichstätter Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft 193 weisen sich die Patrozinien der Landkirchen, deren Motivierung nie exakt festzustellen ist, weil dort infolge des selten bekannten Alters und der oft verschiedenen und wechselnden Orts- und Kirchenherrschaften eine Mehrzahl von Möglichkeiten besteht, die nur durch intensive Lokalforschung geprüft werden kann (Z IMMERMANN , Patrozinienwahl [wie Anm. 3] 1, S. 38). Deswegen sollen Einflüsse, die zur Förderung der Jacobusverehrung in Franken beitrugen, exemplarisch mit gesicherten Beispielen herausgestellt und versucht werden, die Patrozinien, deren Auswahlumstände sich nicht mehr klar nachvollziehen lassen, in lockerer statistischer Form chronologisch aufzuzeichnen. 108 Zu den „Reformheiligen“ zählt Z IMMERMANN , Patrozinienwahl (wie Anm. 3) 2, S. 7- 38 und 40, biblische Heilige wie Stephan, Johannes Baptista, Johannes Evangelista, Petrus, Jacobus etc. Er legt dann auch die Ablösung älterer Patrozinien durch einen Reformheiligen ins 11. oder 12. Jahrhundert. 109 1047 berief Bischof Adelbero von Würzburg Ekkebert aus Gorze als Abt nach Schwarzach, um dort die Gorzer Reform zu etablieren. Vgl. H ALLINGER , Gorze- Kluny (wie Anm. 48) 1, S. 150, und Adelhard K ASPAR , Quellen zur Geschichte der Abtei Münsterschwarzach (München 1930). 110 Adalbero, der seit 1045 Bischof von Würzburg war, stammt aus dem österreichischen Geschlecht Wels-Lambach. Er gründete u. a. das Stift Neumünster und Würzburg und erwies sich als großer Förderer des Dombaus. Adalbero war Anhänger des Papstes Gregor und spielte im Investiturstreit eine gewisse Rolle. Er starb 1090 in Lambach und wird dort als Heiliger verehrt. Vgl. W ENDEHORST , Das Bistum Würzburg (wie Anm. 88) S. 100-117 (mit Quellen- und Literaturangaben). 111 Vgl. Otto M EYER / Elisabeth R OTH / Klaus G UTH , Oberfranken im Hochmittelalter (Bayreuth 1973) S. 23. 112 Vgl. H ALLINGER , Gorze-Kluny (wie Anm. 48) 1, S. 340. 113 Wie oben, Anm. 110. 114 Franz H EIDINGSFELDER , Regesten der Bischöfe von Eichstätt, H. 1 (München 1915) S. 76-86, H. 6 (Würzburg 1927), S. 455. Gundekar stammte aus einem edelfreien Ge- <?page no="204"?> Dom und mehr als hundert neue Gotteshäuser (davon 101 innerhalb seiner eigenen Diözese), von denen Abenberg (D. Schwabach) 115 , Ornbau 116 , Pölling (D. Neumarkt-Land) 117 und Schönberg (D. Altdorf) 118 dem hl. Jacobus gewidmet wurden. Auch das von Bischof Hermann I. 119 von Bamberg gegründete Kollegiatsstift St. Jakob dürfte mehr mit der Junggorzer Reform zusammenhängen als mit der sehr zu bezweifelnden peregrinatio des Bischofs nach Compostela 120 . Der Gründungsakt des außerhalb der Domburg gegen Westen gelegenen und mit 25 Kanonikern besetzten Stifts findet gegen Ende des Jahres 1071 statt 121 und fällt in die Zeit des ersten beginnenden Höhepunktes der „peregrinatio ad limina Beati Jacobi“. Bischof Hermann zeigte sich, wie auch aus der Notiz seiner beabsichtigten Pilgerfahrt ersichtlich ist, als begeisterter Anhänger des Jacobuskultes und brachte eine Reliquie des Apostels in sein begonnenes Heiligtum. Die Westkrypta wurde am 3.5.1072 geweiht 122 . Nach dem traurigen Zwischenspiel der Absetzung Hermanns wegen Simonie auf der römischen Fastensynode von 1075 wurde der Ausbau von 194 Robert Plötz schlecht (Eichstätter Gegend? ). Er zeichnete sich mehr durch pastorale Tätigkeit als in der Reichspolitik aus. Vgl. Stefan W EINFURTER , Die Geschichte der Eichstätter Bischöfe des Anonymus Haserensis (Edition - Übersetzung - Kommentar [Eichstätter Studien N. F. 24] Regensburg 1987) und Alfred W ENDEHORST , G[undekar]. II., in: Lex MA 4 (1989) Sp. 1791. 115 Das „Pontificale Gundecarianum“ (MGH SS VII S. 247) nennt sämtliche von Gundekar zwischen 1057 und 1075 geweihten Kirchen ohne genauere Zeitangaben. Abinberch steht an 77. Stelle. Vgl. B UCHNER , Das Bistum Eichstätt (wie Anm. 101) 2, S. 5. Eine capella s. Jacobi wird Mitte des 12. Jahrhunderts auch in einer Tauschnotiz erwähnt. An dieser Kapelle bestand vermutlich ein bescheidenes Benediktinerkloster aus den ersten Jahrzehnten des 12. Jahrhunderts (Franz H EIDINGSFELDER , Sammelblatt des Historischen Vereins Eichstätt 41 [1925/ 26], S. 62). 116 Ornbau ist das Arenburen des Pontificale, vgl. Gundechari Liber Pontificalis Eichstetensis (MGH SS VII S. 247). Vgl. B UCHNER , Das Bistum Eichstätt (wie Anm. 101), 2 S. 321, und H EIDINGSFELDER , Regesten (wie Anm. 114) S. 85 Nr. 23. 117 B UCHNER , Das Bistum Eichstätt (wie Anm. 101) 2, S. 411. Vgl. H EIDINGSFELDER , Regesten (wie Anm. 114) S. 85 Nr. 95. 118 B UCHNER , Das Bistum Eichstätt (wie Anm. 101) 2, S. 850. Vgl. H EIDINGSFELDER (wie Anm. 114) S. 85 Nr. 56. 119 Die Regesten der Bischöfe und des Domkapitels von Bamberg, bearbeitet v. Erich F RHR . V . G UTTENBERG , 1 (Würzburg 1963) S. 193ff. Vgl. auch Rudolf S CHIEFFER , Heinrich I., Bischof von Bamberg, Fränkische Lebensbilder 6 (1975) S. 55-76. 120 Vgl. P LÖTZ , Santiago-peregrinatio (wie Anm. 4) S. 95. 121 Vgl. den ältesten Gründungsbericht von Lampert von Hersfeld im Bericht von 1075 über die Streitigkeiten zwischen Hermann und den Domkanonikern und über den kanonischen Prozeß, der zur Absetzung des Bischofs führte: MGH SS rer. Germ. S. 203. Vgl. Luchesius S PÄTLING , St. Jakob, 1071-1971, 900 Jahre Kollegiatstift St. Jakob (Bamberg 1971) S. 1f. 122 D EINHARDT , Dedicationes (wie Anm. 104) S. 9 Nr. 10. <?page no="205"?> Stift und Kirche tatkräftig fortgesetzt 123 . Der Einfluß der Reform auf Hermann wird deutlich sichtbar in seinem Vorhaben, das Kollegiatstift mit Mönchen von Michelsberg aus zu besetzen und damit unter die Oberaufsicht von Ekkebert zu stellen 124 . Im Kopialbuch von St. Jakob erscheint dann 1109 die Kirche von Marktschorgast 125 , die ein Jacobuspatrozinium hat. Die Mönche trugen mit der Reform auch das Patrozinium des Reformheiligen Jacobus aufs Land und gründeten ihm eigene Kirchen. Etzelskirchen (LK Höchstadt/ Aisch) 126 wurde z. B. von Michelsberg aus bestellt. Mit dem Jahr 1128 setzen die „series parochorum“ der Jacobuskirche von Sindlbach (D. Kastl) 127 ein. Das Jacobuspatrozinium von Auerbach 128 bei Eschenbach (Oberpfalz) geht auf das Kloster Michelfeld zurück 129 . Auch in ihren Klöstern vergaßen die Benediktiner ihre Heiligen nicht und weihten ihnen in Erinnerung an die Reformzeit Kapellen und Altäre, wie den für Jacobus und Nikolaus in St. Gumbertus von Ansbach 130 . Die Zisterzienser brachten das Jacobuspatrozinium in die Kirche Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft 195 123 Bischof Otto I. von Bamberg darf als Erneuerer von St. Jakob gelten. Er stellte die Kirche fertig und weihte sie mit vier Altären am 25.7.1109. Dabei wird neben der Weihenotiz nochmals auf die Reliquien hingewiesen, die sich im Westaltar befinden, vgl. Notae Sancti Jacobi Babenbergenses (MGH SS XVII, S. 637). 124 H ALLINGER , Gorze-Kluny (wie Anm. 48) 1, S. 353-357. 125 Marktschorgast bei Berneck wird schon im Gründungsbuch von St. Jakob aus Anlaß der Konsekration von 1109 aufgeführt (Caspar A. S CHWEITZER , Das Gründungsbuch von St. Jakob, 21. Bericht des Historischen Vereins Bamberg 1857, S. 2f.). Vgl. H ILLER , Die Kirchenpatrozinien (wie Anm. 100) S. 60. 126 König Heinrich II. tauschte den Ort am 11.5.1015 vom Kloster Fulda ein und bestätigte ihm am 8.5.1017 als Eigentum des Klosters Michelsberg (W ENDEHORST , Der Archidiakonat [wie Anm. 99] S. 177). Jacobus dürfte zu Anfang des 11. Jahrhunderts noch nicht der Patron der Kirche gewesen sein (Z IMMERMANN , Patrozinienwahl [wie Anm. 3] 2, S. 35, Anm. 203), könnte aber während der Reform eingesetzt worden sein. Erik Soder legt die Einsetzung des Jacobuspatroziniums auf 1612 (Ms. dact. S O - DER [wie Anm. 86] S. 8). 127 B UCHNER , Bistum Eichstätt (wie Anm. 101) 2, S. 512. Sollte es sich hier um das von Gundekar geweihte „Sittenbach“ (Gundechari Liber Pontificalis Eichstetensis [MGH SS VII, S. 247]) handeln? 128 Bischof Egilbert von Bamberg weihte die Kirche von Auerbach als Jacobuskirche (HstA München, Bamberger Urk.-Serie 3, Michelfelder Kopialbuch 67, fol. 56). Vgl. D EINHARDT , Frühmittelalterliche Kirchenpatrozinien (wie Anm. 89) S. 107. Eine Urkunde vom 9.9.1412 spricht vom Patrozinium s. Joannes Baptista et s. Jacobi, eine spätere Urkunde vom 6.8.1436 erwähnt nur noch eine Johanneskirche. 129 Zum Verhältnis der Gründung Michelsberg zu den Hirsauern s. Hermann J AKOBS , Die Hirsauer (Köln, Graz 1961) S. 55 u. 141f. 130 Die Benediktiner weihten 1165 in ihrem Kapitelsaal einen Altar zu Ehren des hl. Jacobus und des hl. Nikolaus (Adolf B AYER , St. Gumbertus Kloster und Stift in Ansbach [Würzburg 1948] S. 209). <?page no="206"?> von Herrnsdorf bei Bamberg 131 . Die große Förderung, die die „Reformheiligen“ auch weiterhin erhielten, findet ihren Ausdruck in den von Bischof Otto I von Eichstätt errichteten Jacobuskirchen in Deining 132 , Ehingen (D. Wassertrüdingen) 133 und Oberbuchfeld (P. Deinig) 134 . Mit Pflochsbach ist Jacobus als Reformheiliger auch in der Diözese Würzburg vertreten 135 . Wie in Ansbach errichteten die Benedektiner auch in St. Burkhard in Würzburg dem hl. Jacobus eine Kapelle, in der er zusammen mit Philippus das Patronat innehatte 136 . Die Aktivität der Zisterzienserklöster verbreitete im 13. Jahrhundert das Jacobuspatrozinium in den Landkirchen und -kapellen von Himmelstadt (LK Karlstadt) 137 , Ho- 196 Robert Plötz 131 Adelheid von Luden übergab um 1170 ihr Gut in Herrnsdorf dem Zisterzienserkloster Ebrach (Monumenta Eberacensia, hg. von Franz Xaver W EGELE [Nördlingen 1863] S. 64). Die Jacobuskapelle dürfte also ab 1170 bestanden haben. 132 Siehe H EIDINGSFELDER , Regesten (wie Anm. 114) S. 160 Nr. A 6, 47. 133 Ebd., S. 160 Nr. 83. 134 Ebd., S. 160 Nr. A 6, 47. Die Konsekration liegt zwischen 1184-1192, wie bei allen von Otto geweihten Kirchen. In der Liste von Erik Soder erscheint die Kirche als abgegangen (†). Vgl. Ms. dactil. S ODER (wie Anm. 86) S. 11. 135 Die von dem Würzburger Bischof Heinrich III. von Berg geweihte Kapelle von Pflochsbach wurde 1192 zur Pfarrkirche erhoben (W ENDEHORST , Das Bistum Würzburg [wie Anm. 88] S. 181f.). Erik Soder betrachtet das Patrozinium als abgegangen (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 11). 136 Im „Liber de Abbatibus dicti Monasterii“ (Staatsarchiv Würzburg, Stb. 111 S. 13) steht zu Anno Domini 1212: (...) Idem Capellam beatorum Philippi et Jacobi Apostolorum super portam cum Domo continua fundavit (Friedrich O SWALD , Würzburger Kirchenbauten des 11. und 12. Jahrhunderts, Mainfränkische Hefte 45 [1966] S. 249). Wahrscheinlich nach dem Tod des Abtes Willemund (†1062) geriet St. Burkhard unter den Einfluß der Junggorzer Gruppe von Schwarzach (H ALLINGER , Gorze-Cluny [wie Anm. 48] S. 341-343). Hier dürfte es sich, obwohl nicht ausdrücklich so ausgewiesen, höchstwahrscheinlich um ein in dieser Form geläufiges Doppelpatrozinium zwischen den Aposteln Jacobus Minor und Philippus handeln. Vgl. Ms. dactil. S O - DER (wie Anm. 86) S. 14f. Überhaupt treten in einigen Bereichen Überschneidungen zwischen Jacobus Maior und Jacobus Minor auf. Beide sind u. a. Patrone der Hutmacher, beide gehören der Hl. Sippe an. Vgl. die Artikel von G. K ASTER zu Jakobus Minor (Lexikon für christliche Ikonographie VII, Sp. 47-52) und von M. L ECHNER zu Philippus (Lexikon für christliche Ikonographie VIII, Sp. 198-205). Und ab dem 11. Jahrhundert wurde immer wieder versucht, die „Tugenden“ des als „Herrenbruder“ und - zumindest in der lateinischen Kirchen - als erster Bischof von Jerusalem dem Apostel Jacobus Maior zuzuschlagen. Vgl. Robert P LÖTZ , Der Jacobus der Reformation - Ein nachgereichter Beitrag zum Lutherjahr, in: Der Jakobuskult in „Kunst“ und „Literatur“, hg. von Klaus H ERBERS und Robert P LÖTZ [Jakobus-Studien 9, Tübingen 1998] S. 67-83). 137 In Himmelstadt wurde 1231 das bald nach Himmelspforten verlegte Zisterzienserinnenkloster gegründet (Z IMMERMANN , Patrozinienwahl [wie Anm. 3] 2, S. 35). Erik Soder datiert auf 1612 (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 9). Er erwähnt noch ein zweites Patrozinium für 1965 (ebd.) <?page no="207"?> hebach (LK Künzelsau) 138 , in der Expositur Heilsbronn 139 , in Herlheim 140 bei Maidbronn, Burgwindheim 141 bei Ebrach und Neudrossenfeld 142 bei Langheim. Das Jacobuspatrozinium von Versbach bei Würzburg geht auf das Stift Haug in Würzburg zurück, das seit 1275 die Patronatsrechte über Versbach innehatte 143 . Die St.-Jakobs-Kapelle von Gadheim 144 bei Würzburg verdankt ihr Patrozinium dem Benediktinerkloster St. Stephan in Würzburg, dessen Besetzung mit Mönchen aus Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft 197 138 Die Konsekration der zur Pf. Klein-Gnadenthal gehörigen Kirche wird zu 1238 erwähnt (Württembergisches Urkundenbuch [1849] 3, S. 417). Erik Soder legt sie auf 1336 (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 9). 139 Im Jahr 1251 wurde der Choraltar in honorem s. Crucis, BMV., omn. ss., specialiter s. Jacobus apost., ss. Thebaeorum mart. et undecim milium virg. et mart. in der romanischen Heideckerkapelle konsekriert (B UCHNER , Das Bistum Eichstätt [wie Anm. 101] 2, S. 680). Während Buchner die Bauzeit der Heideckerkapelle auf etwa 1250 legt, nimmt Theodor L AUTER eine Entstehungszeit wenigstens im 11. Jahrhundert und schon vor der Gründungszeit des von Bischof Otto von Bamberg 1133 gestifteten Zisterzienserklosters Heilsbronn an (Zur Urgeschichte des Klosters Heilsbronn, 48. Jahresbericht des Historischen Vereins in Mittelfranken [1901] S. 50). 140 Die Pfarrei Herlheim wurde 1271 von den Grafen Castell dem Zisterzienserinnenkloster Maidbronn überlassen, das unter der Oberaufsicht von Ebrach stand. Das ursprünglich von Karlmann schon 741 gestiftete Johannespatrozinium (D EINHARDT , Dedicationes [wie Anm. 104] S. 92) entwickelte sich über den hl. Vitus zum Jacobuspatrozinium. Soder bietet als Konsekrationsdatum 1452 an (Ms. dactil. Soder [wie Anm. 86] S. 9) und folgt darin Z IMMERMANN , Patrozinienwahl (wie Anm. 3) 2, S. 36. 141 Am 6.10.1278 bekundet Bischof Berthold von Würzburg, daß Ludwig von Windeheim ihm bei seinem Eintritt in das Kloster Ebrach die Veste Schonenbrunnen mit allem Zubehör verkauft habe, wofür ihm der Bischof die Burg Windeheim mit dem Dorf Windeheim überlasse, die Ludwig dem Kloster Ebrach (Monumenta Boica XXXVII, S. 492, Nr. 432) zu Eigen auftrage. Vgl. H ILLER , Die Kirchenpatrozinien (wie Anm. 100) S. 57, und Z IMMERMANN , Patrozinienwahl (wie Anm. 3) 2, S. 36, Anm. 204. Lt. Erik Soder wurde das Patrozinium 1651 zuerst erwähnt (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 7). 142 Die Kirche besteht mindestens seit 1294, denn zu dieser Zeit wird sie mit dem Zisterzienserkloster Langheim vereint (Caspar A. S CHWEITZER , Das Copialbuch von Langheim, 22. Bericht des Historischen Vereins Bamberg [1858] S. 103f.). 143 Die Pfarrkirche von Versbach wird nach einer Urkunde vom 7.1.1275 dem Chorherrenstift Haug in Würzburg inkorporiert, vgl. Urkundenregesten zur Geschichte der Stadt Würzburg (1201-1401), bearb. v. Wilhelm E NGEL , 5 (1952) S. 29/ 30 Nr. 20. Vgl. W ENDEHORST , Das Bistum Würzburg (wie Anm. 88) 1, S. 26. Frühestens ab diesem Zeitpunkt könnte man das Jakobuspatrozinium annehmen, dem sich das des hl. Rochus anschließt. Vorher existierte eine ältere Kirche mit dem Stephanuspatrozinium, die abgebrochen wurde (A MRHEIN , „Realschematismus“ [wie Anm. 102] S. 570). Erik Soder belegt das Konsekrationsjahr von 1576 (Ms. dactil. Soder [wie Anm. 86] S. 13). 144 Gadheim wird schon seit 1303 als zum Kloster St. Stephan gehörend erwähnt (J.V. H ART , Der Weiler Gadheim [Frankenwarte 1938] Nr. 7). Erik Soder gibt als Jahr einer Patroziniumseinsetzung 1318 an (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 8). <?page no="208"?> Schwarzbach wahrscheinlich unter Bischof Adalbero durchgeführt wurde 145 . Mit der Hirsauer Reform 146 und den Zisterziensern dürften die Jacobuspatrozinien der Kirchen von Seifriedsburg 147 und Hohenberg 148 in Verbindung zu bringen sein, auch wenn das Jacobuspatrozinium noch nicht so früh erwähnt wird. Wahrscheinlich auf den Einfluß der Zisterziensernonnen von Niederschönenfeld bei Rain (Augsburg) geht das Patrozinium der Jacobuskirche von Tagmersheim 149 zurück, wie sich auch das Jacobuspatrozinium von Elbersberg 150 bei Pegnitz durch die Nähe des Zisterziensernonnenklosters von Schlüsselau erklären läßt. Das Patrozinium der Kirche von Tschirn bei Teuschnitz, das Jacobus mit der hl. Katharina teilt 151 , stammt vom Zisterzienserkloster Langheim, welches das Patronatsrecht ausübte 152 . Die ehemalige Martinskirche von Gaukönigshofen leitet ihren Patrozinienwechsel von ihrer Inkorporation in das Prämonstratenserstift Oberzell her, die 1326 erfolgte 153 . Auch die jetzige Hl.-Geist-Kirche von Obermichelbach bei Höchstadt/ Aisch hatte früher ein Jacobuspatrozinium, das auf dem Ansehen beruhte, das Jaco- 198 Robert Plötz 145 Paul S CHÖFFEL , Neumünster und Dom, Untersuchungen zur Kirchen- und Baugeschichte von Stadt und Bistum Würzburg vornehmlich im 11. Jahrhundert, in: Herbipolis Sacra, hg. von Wilhelm E NGEL (Würzburg 1948) S. 84; und Kassius H ALLIN - GER , Junggorzer Reformbräuche aus St. Stephan in Würzburg, Studia Suarcacensia, Würzburger Diözesangeschichtsblätter 25 (1963) S. 93-113. 146 Vgl. J AKOBS , Die Hirsauer (wie Anm. 129) S. 141f. 147 Die älteste urkundliche Erwähnung Seifriedburgs geht auf 1077 zurück (Otto L. J I - RICZEK , Seifriedsburg und Seyfriedssage. Eine Sagenstudie in Archiv und Gelände, Archiv für Unterfranken 59 [1917] S. 32-35 u. 46-48). Die erste ausdrückliche Erwähnung des Patroziniums stammt aus dem Jahr 1497 (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 12). 148 Die erste Weihenotiz, die sich auf das Jacobuspatrozinium der romanischen Basilika aus der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts bezieht, stammt von 1332. Vgl. H OFFMANN , Die Kirchenheiligen (wie Anm. 102) S. 96. 149 Bischof Philipp von Eichstätt, selbst Zisterzienser, inkorporierte die Kirche in Tagmersheim 1306 dem Kloster Niederschönfeld (Monumenta Boica XVI S. 315, H. 1602). Vgl. B UCHNER , Das Bistum Eichstätt (wie Anm. 101) 2, S. 575. 150 Die Kirche von Elbersberg wurde 1308 dem Kloster Schlüsselau geschenkt und erscheint 1358 bereits als Pfarrei (W ACHTER , Patronate [wie Anm. 100] S. 67). 151 Die hll. Jacobus und Katharina gelten als Volkspatrone in großen Nöten (Heinrich S CHAUERTE , Volkstümliche Heiligenverehrung [Münster/ Westfalen 1948] S. 108). 152 Das Patronatsrecht von Langheim (s. Anm. 142) im Zusammenhang mit dem Ort Tschirn wird 1388 zum ersten Mal erwähnt; die Quellenlage ist allerdings sehr dürftig (W ACHTER , Patronate [wie Anm. 100] S. 67). 153 Karlmann stiftete 741 die Kirche in Königshofen im Badanachgau zu Ehren des hl. Martin (F RAUNDORFER , Ehemalige Dotations- und Eigenkirchen [wie Anm. 102] S. 21). Der Wechsel des Patroziniums zu Jacobus erscheint erstmals in einer Urkunde vom 25.6.1336 unter Bischof Wolfram von Würzburg, der die Kirche in klösterlichen Besitz überführte (D EINHARDT , Dedicationes [wie Anm. 104] S. 12). <?page no="209"?> bus als „Reformheiliger“ in den Frauenklöstern genoß 154 . Wahrscheinlich ist auch die Jacobuskirche von Schwäbisch Hall unter die Reformpatrozinien zu zählen 155 . Jedenfalls sprechen dafür die Beziehungen und die unmittelbare Nähe zu Komburg. Die Beständigkeit der Reformorden gegenüber ihren Heiligen spiegelt sich in den späten Jacobuspatrozinien in Ebing bei Staffelstein 156 , Hollstadt 157 bei Neustadt/ Saale und Erkenbrechtshausen 158 bei Prappach wieder. 5. Die Schottenmönche Die Schottenmönche setzten die Tradition der iroschottischen bzw. irofränkischen Missionare fort und weihten dem von ihnen verehrten Pil- Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft 199 154 Das Patrozinium der 1337 als Filialkirche von Herzogenaurach erwähnten Kirche zu Obermichelbach (H ILLER , Die Kirchenpatrozinien [wie Anm. 100] S. 62) leitete sich wahrscheinlich vom Frauenkloster Kitzingen her, das 1077 durch eine Schenkung Heinrichs II. Bamberger Eigenkloster wurde (Helmut P ETZOLD , Abtei Kitzingen - Gründung und Rechtslage, Jahrbuch für fränkische Landesforschung 15 [1955] S. 69-83; 16 [1956] S. 7-27; 17 [1957] S. 87-126). Soder legt seine Einsetzung etwas vage ins Mittelalter (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 11). 155 Wie schon die Ellwanger Propstei Hohenberg (s. Anm. 148), die sich bis in den Bauplan eng an Komburg anschließt, dürfte auch die Jacobuskirche in Schwäbisch-Hall (Z IMMERMANN , Patrozinienwahl, [wie Anm. 3] 2, S. 35 u. 85) eine Zweigniederlassung von Komburg gewesen sein. Eine Kapelle s. Jacobi wird zum erstenmal 1236 anläßlich ihrer Übergabe an die Minoriten durch das Kloster Komburg erwähnt (Württembergisches Urkundenbuch III, Nr. 878). Für 1379 weist eine Chronik auf die Stiftung der Kapelle St. Jodokus und St. Jakob in Hall hin (Widmans Chronica, hg. von Christian K OLB [Württembergische Geschichtsquellen VI, 1904] S. 70), deren Konsekration 1388 erfolgte (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 12). 156 Die Kapelle existierte bereits 1379 als Filiale der Pfarrei Rattelsdorf, die zum Kloster Michelsberg gehörte (Georg R AAB , Geschichte des Orts und der Pfarrei Rattelsdorf, 29. Bericht des Historischen Vereins Bamberg [1866] S. 105f., 111 und 115f.). Die Peterskirche in Rattelsdorf dürfte entgegen der Ansicht von R AAB (ebd.) allerdings erst später entstanden sein (Z IMMERMANN , Patrozinienwahl [wie Anm. 3] 2, S. 35, Anm. 203). Eine perantiqua Kapelle des hl. Jacobus wird für 1481 erwähnt (Vatikanische Quellen zur Geschichte des Bistums Würzburg im XIV. und XV. Jahrhundert, bearb. v. Wilhelm E NGEL [Würzburg 1948] Nr. 1674). 157 Die Kirche wird urkundlich zuerst am 27.5.1421 erwähnt (Nikolaus R EININGER , Münnerstadt und seine nächste Umgebung [Würzburg 1852] S. 166 Anm. 181). Das Jacobuspatrozinium scheint die Zisterzienserabtei Bildhausen gestiftet zu haben. Als Jahr der Ersterwähnung des Patroziniums belegt Soder 1587 an (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 9). 158 Die früheste Notiz vom Jacobuspatrozinium der Kapelle zu Erkenbrechtshausen stammt von 1532, vgl. W ENDEHORST , Der Archidiakonat Münnerstadt (wie Anm. 99) S. 40. Die Jakobuskapelle gehörte zum Kloster von Königsberg (Johann W. K RAUSS , Antiquitates et memorabilia historiae Franconiae, darinnen Insonderheit der Ursprung, Einrichtung (...) der Stadt und Dioces Königsberg, Sonnenfeld, Behringen und Schalkau (...) abgehandelt werden [Hildburghausen 1755] S. 125). <?page no="210"?> gerpatron Jacobus 159 drei ihrer Niederlassungen 160 in Franken. Ein Jacobuspatrozinium hatte die Schottenabtei Würzburg 161 , die eines der ältesten Klöster ist, die von Regensburg aus an den Handelsstraßen des süd- und mitteldeutschen Raumes gegründet wurden. 6. Pilgerpraxis und Patrozinienwahl Die Pilgerfahrten nach Compostela selbst haben zweifelsohne in Franken manche Kirchenstiftung und manches Patrozinium hervorgebracht, doch ist es wegen der dürftigen und unsicheren Quellenlage bei dem weitaus größten Teil der Kirchen unmöglich, Beziehungen zur ‚peregrinatio ad limina Beati Jacobi‘ herzustellen, zumal Jacobus bald zum allgemeinen Pilger- und Wegpatron 162 wurde, der den Schutz aller Reisenden übernahm 163 . Nur in zwei Fällen kann man Beziehungen zu einer Pilgerfahrt nach Compostela herstellen. Nach einer relativ späten Überlieferung 164 stiftete ein Bamberger Dompropst namens Udalrich zur Zeit des Abtes Ekkebert 165 eine Kapelle in Münsterschwarzach mit dem Jacobuspatrozinium: Eodem anni tempore Vdalricus praepositus maioris ecclesiae Bambergensis inter alia multa bona, quae contulit monasterio, vineas multas emit in Summerach, et eas monasterio tradidit. Hic etiam aedificauit oratorium Sancti Jacobi 166 . Diese Stiftung dürfte im Zusammenhang mit dem Bamberger Bischof Hermann 167 und seiner beabsichtigten peregrinatio nach Compostela 168 stehen. Eindeutig hingegen ist die Rolle, die eine Pilgerfahrt Hofer Bürger nach Compostela für das Jacobusaltarpatrozinium in der Michaelskir- 200 Robert Plötz 159 Siehe oben S. 183. 160 Würzburg (1138), Nürnberg (1140) und Eichstätt (1148/ 49). 161 Vgl. F LACHENECKER , St. Jakob und die irischen Benediktiner (wie Anm. 49), passim, spez. S. 164f. Zum Gründungsdatum von 1138 vgl. Robert P LÖTZ , ‚1 Roer de corpore S. Jacobi Apostoli‘, Würzburger Diözesangeschichtsblätter 40 (1978) S. 95-103. 162 Siehe unten Anm. S. 171. 163 Vgl. Z IMMERMANN , Patrozinienwahl (wie Anm. 3) 2, S. 34. 164 Ms. Universitätsbibl. Würzburg, M. ch. f. 345 (fol. 12r) aus dem 16. Jahrhundert (Hans T HURN , Die Handschriften der Universitätsbibliothek Würzburg, II/ 1: Die Handschriften nach benediktinischen Provenienzen I [Wiesbaden 1973] S. 63). 165 s. Anm. 109. 166 Wie oben, Anm. 164. 167 Nach seiner Absetzung 1075 zog sich Hermann nach Schwarzach zurück und starb dort am 25.4.1084. Wahrscheinlich folgte Udalrich, über den wir sonst wenig wissen, seinem Bischof nach Schwarzach. Das Jacobuspatrozinium weist jedenfalls eindeutig auf Hermann hin. Vgl. Z IMMERMANN , Patrozinienwahl (wie Anm. 3) 2, S. 34. Erik Soder legt die Konsekration auf 1075 (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 11). 168 Vgl. P LÖTZ , Santiago-peregrinatio (wie Anm. 4) S. 69 u. 95. <?page no="211"?> che von Hof 169 spielte. Damit sind die mehr oder weniger direkten Beziehungen der Patrozinienwahl zur Pilgerfahrt nach Compostela erschöpft. 7. Jacobus als Pilger- und Wegpatron Weitaus mehr Belege weisen auf Jacobus als Pilger- und Wegepatron hin. Das Patrozinium von Jacobus Maior ist das eigentliche, die alte Straße 170 anzeigende Patrozinium der Reisenden und Pilger. Als Pilgerpatron übernahm Jacobus alsbald auch den Schutz der Reisenden. Allerdings bedarf die Gültigkeit der Meinung von G. Schreiber, die Jacobuswegkapellen seien wie eine Perlenschnur an wichtigen Paß- und Verbindungsstraßen aufgereiht 171 und glichen Meilensteinen, die dem Waller den Weg wiesen 172 , einer gewissen Revision. Jacobuskult, Straßenbau 173 und Raumausstattung fielen gerade in die Zeit des Hochmittelalters, in der viele Städte entstanden und topographische sowie kirchenrechtliche Strukturen gefestigt wurden, zusammen. Viele Stadtgründungen und -erweiterungen wurden geradezu von den durchziehenden Pilgern und ihrem Patron 174 geprägt, Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft 201 169 Quellen zur Geschichte der Stadt Hof, I: Die Chronik des M. Enoch Widmann (Hohenzollerische Forschungen, Jahrbuch für die Geschichte der Hohenzollern, insbesondere des fränkischen Zweiges derselben und seiner Lande Jg. 2 [München 1893] S. 79). Vgl. Erich F RHR . V . G UTTENBERG / Alfred W ENDEHORST , Das Bistum Bamberg, 2: Die Pfarreiorganisation (Berlin 1962) S. 243. 170 Zur Altstraßenforschung in Europa vgl. den Übersichtsartikel von Thomas S ZABÓ , Straße I. Westlicher Bereich, in: Lex MA 8 (1966) Sp. 220-223, für Mitteleuropa die Projektstudie von Robert P LÖTZ , Wege der Pilger im Rheinland, Rheinische Heimatpflege Jg. 36, Nr. 4 (1999) S. 254-260. 171 Hermann J. H ÜFFER , Die spanische Jacobusverehrung und ihre Ausstrahlungen nach Deutschland, Historisches Jahrbuch 74 (1975) S. 124-138, hier S. 130. 172 Georg S CHREIBER , Gemeinschaften des Mittelalters. Recht und Verfassung, Kult und Frömmigkeit, in: Georg S CHREIBER , Gesammelte Abhandlungen, 1 (Münster 1948) S. 41. Ob man Jacobus als Kaufmannsheiligen der Stauferzeit betrachten kann (W EI - GEL , Das Patrozinium des hl. Martin [wie Anm. 3] S. 317), ist zumindest problematisch. Der eigentliche Patron der Kaufleute im fränkischen Bereich ist der hl. Nikolaus (M ÜLLER , An alten Straßen [wie Anm. 100] S. 252). 173 Vgl. dazu Hermann K ELLENBENZ , Das Straßensystem in Mitteleuropa, besonders während des Mittelalters und der frühen Neuzeit, in: Europäische Wege der Santiago-Pilgerfahrt, hg. von Robert P LÖTZ (Jakobus-Studien 2, 1990) S. 27-39. 174 Die Darstellung des hl. Jacobus als Pilger ist außerordentlich signifikant für die Beziehung zwischen dem Heiligen und seinen Anhängern. In einzigartiger Kreativität nimmt in seiner ikonographischen Ausformung der Heilige den ‚habitus‘ „seiner“ Pilger an. Man pilgert nicht nur zu seinem Grab, sondern auch mit Jacobus. ‚Jacobus peregrinus‘ ist ein ikonographisches Geschöpf der Wege, das in seiner ersten Ausprägung fern von Santiago in Kirchen entlang der Wege entstanden ist. Vgl. Robert P LÖTZ , Jacobus Maior. Geistige Grundlagen und materielle Zeugnisse eines Kultes, in: Der Jakobus-Kult in Süddeutschland (wie Anm. 22) S. 202-204. <?page no="212"?> wie z. B. Augsburg, Naumburg und Biberach 175 . Zahlreiche Wegepatrozinien wurden noch zu Beginn der Neuzeit eingesetzt, als das alteuropäische Wegenetz internationalisiert und ausgebaut wurde, wobei Handel und Pilgerfahrt eine große Bedeutung zukam. Im fränkischen Bereich, der spätestens seit Ende des 9. Jahrhunderts in eine Mittel- und Durchzugslage gerückt war, gab es seit der starken Zunahme des Straßenverkehrs seit dem 11. Jahrhundert 176 viele Kirchen und Kapellen mit dem Jacobuspatrozinium, wobei in vielen Fällen ein Patrozinienwechsel zugunsten des Jacobus festzustellen ist 177 . An der frühmittelalterlichen Reichs- und Geleitstraße, die in Ost- West-Richtung von Böhmen kommend sich über Nürnberg und Bad Wimpfen am Neckar bis nach Spanien fortsetzte, liegen die Jacobus-Kapellen von Kobolzell 178 , Weihenzell 179 und Ühlfeld 180 . Seiner topogra- 202 Robert Plötz 175 Patrozinien, Stadttorbezeichnungen, Straßenzüge und Vorstadtbezeichnungen wurden damals mit dem Namen des Apostels geehrt. Vgl. als Beispiel dazu Josef E RATH , Die Jakobusverehrung in Biberach, in: Der Jakobuskult in Süddeutschland (wie Anm. 22) S. 143-150. 176 Vgl. Werner E MMERICH , Das Hauptwegenetz des 11. Jahrhunderts in den oberen Mainlanden und seine Grundlagen in karolingischer Zeit, Jahrbuch für fränkische Landesforschung 15 (1955) S. 255-283; Friedrich R AUERS , Zur Geschichte der alten Handelsstraßen in Deutschland, Versuch einer quellenmäßigen Übersichtskarte (Gotha 1907), bietet eine gute Übersicht über die Alt- und Handelsstraßen Deutschlands, speziell im mitteldeutschen Raum; vgl. auch Conrad S CHERZER , Wichtige Altstraßen um das Jahr 1000, in: Franken, Land, Volk, Geschichte, Kunst und Wirtschaft, hg. von D EMS . (Nürnberg 1962) S. 388, W. B ONACKERS , Frankens älteste Straßenkarte aus dem Jahr 1579, Die Mainlande 11 (1960), Nr. 12, S. 46-48. 177 Schon als Reformheiliger hat Jacobus die tiefgreifende Wandlung des Heiligenkultes und der Frömmigkeit der Zeit vor dem und im Übergang zum Hochmittelalter aufgezeigt. Die relativ starre Praxis der Pertinenzheiligen (Z IMMERMANN , Patrozinienwahl [wie Anm. 3] 2, S. 37) wurde abgelöst durch eine subjektivere Patrozinienwahl, die sehr auf der persönlichen Beziehung zwischen der Person des Kirchenstifters oder -inhabers zur biblischen, historischen oder legendären Gestalt des Heiligen beruht. 178 Alter und Entstehung der Kirche sind unbekannt. Urkundlich wird Kobolzell erst im 13. Jahrhundert erwähnt, doch dürfte der wichtige Tauberübergang von Kobolzell, wie auch die Kirchen von Dettwang und Gebsattel in der Nähe, schon um 1100 in den Händen der Grafen von Komburg-Rothenburg gewesen sein (Helmut W EIGEL , Siedlung und Kirche an der oberen Tauber im frühen Mittelalter [Erlangen 1940] S. 72f.). Die Legende führte den Namen Kobolzell auf den Einsiedler Kobolt zurück, neuerdings jedoch neigt man mehr zu der Erklärung „Jacobi cella“ (D ERS ., Kirchliche Geschichte Rothenburgs von den Anfängen bis zur Reichsfreiheit 1172, Die Linde, Beilage zum fränkischen Anzeiger Rothenburg o.d.T. 5 [1913] S. 26f.). 179 Weihenzell ist als Pfarrei für 1318 erwiesen (Monumenta Boica XXXIX S. 91-93, Nr. 39). Ursprünglich war sie wohl Filialkirche von Ansbach (Paul S CHÖFFEL , Das Archidiakonat Rangau im Ausgang des Mittelalters, Jahrbuch für fränkische Landesforschung 5 [1939] S. 132-175, S. 139). Vgl. Helmut W EIGEL , Grundlagen und Anfänge <?page no="213"?> phischen Lage zufolge ist auch Häslabronn bei Lehrberg 181 zu den Wegkapellen und -kirchen an dieser großen Ost-West-Geleitstraße zu zählen. Entlang des Mains von Bamberg bis Aschaffenburg boten die Jacobusheiligtümer von Urphar bei Wertheim 182 , Miltenberg 183 , Hafenlohr 184 , Lengfurt bei Marktheidenfeld 185 und Viereth bei Bamberg 186 den Handelstreibenden und Reisenden Schutz und religiösen Beistand. Von Bayreuth kommend führt südöstlich von Bamberg eine Altstraße in den Raum Haßfurt am Main/ Gerolzhofen über den Steigerwald, an der Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft 203 der kirchlichen Organisation an der mittleren Rezat, Zeitschrift für bayerische Kirchengeschichte 16 (1941) S. 1-125. Erik Soder gibt als Jahr der Patroziniumseinsetzung 1485 an (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 13). 180 Die Pfarrkirche Ühlfeld bei Höchstadt hat als frühesten Beleg eine Glocke von 1436 (Nikolaus H AAS , Geschichte des Slaven-Landes an der Aisch, 2 Bde. [Bamberg 1819] hier 1, S. 206). Erik Soder vermerkt für das Jacobuspatrozinium n.s. (= nicht sicher) - vgl. Ms. dactil. S ODER (wie Anm. 86) S. 12. 181 Am 15.6.1436 wird ein Vikariat zu Häslabronn erwähnt. St. Jacob ist die Filialkirche zu Lehrberg (D. Ansbach): Karl S CHORNBAUM , Archivinventare der ev.-luth. mittelfränkischen Pfarreien des ehem. Konsistoriums Ansbach (Würzburg 1929) S. 32. 182 Die ehemalige Wehrkirche Urphar wird schon 775 in einer Schenkungsurkunde im Zusammenhang mit der Gründung des Klosters Holzkirchen erwähnt (J. A SSMANN , Die Jakobskirche in Urphar am Main, Berlin 2 1972, S. 2f.). Beim Anbau des gotischen Langhauses an die ursprünglich nur mit Turm und Wehrmauer ausgestattete Kirche wird 1279 auch ein Jacobusfresko angebracht. Weiterführende Ergebnisse und Literatur bei Peter R ÜCKERT , Die Jakobuskirche in Urphar und der Pilgerverkehr im Mittelalter, Wertheimer Jahrbuch (1993) S. 9-31. Das Jacobuspatrozinium wird für 1297 zum ersten Mal erwähnt (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 13). 183 In Miltenberg setzte auch der von Bad Orb durch den Spessart kommende „Eselsweg“ (S CHERZER , Wichtige Altstraßen [wie Anm. 176] S. 388) über den Main. Die Bauzeit der ersten, 1285 schon bestehenden Kirche ist unbekannt (Joseph H EFNER , Die Gründung der Pfarrei Miltenberg, Archiv für Unterfranken 45 [1903] S. 259- 272). Eine Urkunde von 1397 erwähnt noch Johannes als Patron (J. W IRTH , Schreiben des Papstes Bonifaz IX. an die Stadt Miltenberg, ebd. 2 [1834], hier S. 152). Das Jacobuspatrozinium dürfte also frühestens Ende des 14. Jahrhunderts eingeführt worden sein. Erik Soder legt die Einsetzung auf 1347 (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 10). 184 Von der Kirche aus dem 15. Jahrhundert hat sich keine Nachricht erhalten. Vgl. A M - RHEIN , „Realschematismus“ (wie Anm. 102) S. 492. Das Jacobuspatrozinium wird 1540 erstmals erwähnt (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 9). 185 Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn ließ 1612/ 13 die neue Kirche errichten. Vgl. A MRHEIN , „Realschematismus“, wie oben, S. 354. 186 Obwohl die späte Gründung der Kirche von Viereth, die 1763 (H ILLER , Die Kirchenpatrozinien [wie Anm. 100] S. 63) als jüngste Jacobuskirche der Diözese Bamberg errichtet wurde, gegen ein Wege- und Pilgerpatronat spricht, würde ich doch die Kirche des schon 1008 erwähnten Frihuriod (Heinrich J. J ÄCK , Beitrag zur Urgeschichte Bambergs, 6. Bericht des Hist. Vereins Bamberg [1843] S. 59) dazurechnen, weil das neue Patrozinium eine ältere Tradition des an einer Furt gelegenen Ortes wiedergeben könnte, obgleich dieser Einordnung das Datum der bislang frühsten Erwähnung des Patroziniums (1645, vgl. Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 13) widerspricht. <?page no="214"?> die ehemalige Wegkapelle und heutige Pfarrkirche von Teuchatz 187 bei Buttenheim und die Kirche St. Jakob von Trossenfurt 188 an der Aurach liegen. Die gleiche Entstehungszeit wie die Kirche von Trossenfurt dürfte auch die von Schönbach 189 haben, die an der Straße von Ebern in den Haßbergen nach Zeil (mit einer Furt über den Main) erbaut wurde. Die Altstraße Schweinfurt-Coburg über Hofheim, die sich über Saalfeld im Orlagau bis nach Merseburg fortsetzt 190 , führt durch Burgpreppach, dessen Kirche das Patrozinium s. Philippus et s. Jacobus innehat 191 . In Feucht 192 schnitten sich die wichtigen Altstraßen und Fernverbindungen Passau-Regensburg-Nürnberg und Hof-Bayreuth-Augsburg. Älteren Datums sind auch die später neu erbauten oder erweiterten Jacobuskirchen von Wiesen 193 und Schimborn 194 , die den Weg durch den Spessart wiesen. An einer Weggabelung lag die alte Jacobuskapelle von Eibelstadt 195 , die später der Kreuzkapelle weichen mußte. 204 Robert Plötz 187 H ÜFFER , Von Jacobuskult (wie Anm. 36) S. 23 sieht in der einstigen Wegkapelle und heutigen Ortskirche (M ÜLLER , An alten Straßen [wie Anm. 100] S. 213) eine der Kirchenburgen Oberfrankens an der alten Slavengrenze. Die erste Nachricht über die Kapelle stammt von 1430 (H ILLER , Die Kirchenpatrozinien [wie Anm. 100] S. 63). Die Kapelle dürfte also älteren Ursprungs sein. 188 Die genaue Bauzeit der spätromanischen Kirchenanlage des 13. Jahrhunderts ist unbekannt (A MRHEIN , „Realschematismus“ [wie Anm. 102] S. 187). Das Jacobuspatrozinium wird 1669 zum ersten Mal erwähnt (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 12). 189 Die Anlage der zur Pfarrei Eltmann gehörenden Kirche ist ebenfalls spätromanisch, vgl. A MRHEIN , „Realschematismus“, wie oben, S. 215. Erik Soder gibt als Jahr der Ersterwähnung des Patroziniums 1425 an (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 12). 190 Vgl. Luise G ERBING , Erfurter Handel und Handelsstraßen, Mitteilungen. des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt 21 (1900). 191 Die erste urkundliche Erwähnung der Kirche von 1359 bei S CHORNBAUM , Archivinventare (wie Anm. 181) S. 64. Auch hier dürfte es sich um das Apostelpaar Jacobus Minor/ Philippus handeln. Vgl. Anm. 136. 192 1366 wird die Pfarrei St. Jakob als Filiale Leinburgs das erste Mal bei ihrer Trennung von Leinburg erwähnt (ebd., S. 3). 193 Die Bauzeit der ersten, vor 1625 zur Pfarrkirche erhobenen Kirche, ist unbekannt (A MRHEIN , „Realschematismus“ [wie Anm. 102] S. 469). Das Jacobuspatrozinium wird 1671 zum ersten Mal erwähnt. Vgl. Ms. dactil. S ODER , S. 13. 194 Die ehemalige Pfarrkirche für Schimborn und Dax wurde 1874-1875 auf einer älteren Kirchenanlage aufgebaut, deren Entstehungszeit nicht bekannt ist. Vgl. Archivinventare der katholischen Pfarreien in der Diözese Würzburg, hg. von August A M - RHEIN (Würzburg 1914) S. 55. Soder legt das Patrozinium auf 1874, bezeichnet die Kirche allerdings als abgegangen (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 12). Er erwähnt eine zweite Jacobuskirche, deren Patrozinium 1975 eingesetzt wurde (ebd.). 195 Geschichte von Eibelstadt, gefertigt von Pfarrer Valentin M ANGER , Masch. Ms. o. J. (getippt 1934) 2, S. 582-584. Frdl. Hinweis von D.L. Remling. Erik Soder gibt als obere Datumsgrenze für das Jacobuspatrozinium 1657 an (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 8). <?page no="215"?> An der Handels- und Pilgerstraße Lübeck-Meiningen-Würzburg- Augsburg, die in Nord-Südrichtung von Skandinavien bis nach Rom führte 196 , liegen die Jacobuskirchen von Heufurt 197 im Landkapitel Mellrichstadt und Poppenhausen 198 . Das Wege- und Pilgerpatronat der Jacobuskapelle von Eichstätt 199 , das an der Kreuzung zweier wichtiger Altstraßen liegt, nämlich der von Fulda-Eichstätt-Freising und der von Regensburg-Eichstätt-Augsburg 200 , wird durch seine exponierte Lage an der Stadtmauer erhärtet. Als Beispiel für die Vielfalt der Einzelmotive, die eine Patrozinienwahl entscheidend beeinflussen können und es der Forschung erschweren, einen systematischen Patrozinienkatalog herzustellen, mag Dettwang 201 bei Rothenburg gelten, das am Weg die Tauber entlang nach Würzburg liegt (eine Nebenroute der Altstraße Würzburg-Rothenburg-Augsburg-Rom) und zur Diözese Rottenburg gehört. Im westlichen Frankenwald verzeichneten wir die Jacobuskirchen von Rugendorf 202 bei Stadtsteinach und Oberkotzau 203 bei Hof. Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft 205 196 Otto S PRINGER , Mediaeval Pilgrim Routes from Scandinavia to Rome, Mediaeval Studies 12 (1950) S. 99-122, und die Karte S. 100f. 197 Laut W ENDEHORST 1435 schon verpfändet und 1473 konsekriert (Das Bistum Würzburg [wie Anm. 88] S. 159). Erik Soder erwähnt, daß die Kirche ca. 1610 abgegangen ist (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 9). 198 Die Poppenhauser Jakobskapelle, die zur Pfarrkirche Pfersdorf gehört, wird urkundlich zum ersten Mal 1588 genannt (W ENDEHORST , Der Archidiakonat Münnerstadt [wie Anm. 99] S. 39). 199 1327 stiftete ein Berthold Frikko die an der Stadtmauer gelegene Jakobskapelle und stattete sie mit einem Vikariat aus (B UCHNER , Das Bistum Eichstätt [wie Anm. 101] 1, S. 229). 200 Vgl. E MMERICH , Das Hauptwegenetz (wie Anm. 176) S. 261. 201 Vgl. W EIGEL , Siedlung und Kirche (wie Anm. 178) S. 93. Die Dettwanger Kirche war anfangs den hll. Peter und Paul geweiht, obwohl die Entwicklung von Sonderkapellen im Burg- und Stadtbereich sich schon abzeichnete. So bildete die Jacobuskirche den geistlichen Kern der jungen Stadt, Die Wahl des Jacobuspatroziniums könnte von verschiedenen Seiten her vorgenommen oder beeinflußt worden sein. Die Gründer der seit (ca.) 1050 neuen Siedlung könnten Jacobus als „Adelspatron“ (ebd. S. 81) für ihre Kirche gewählt haben, wie es auch in Lauda und Kissingen (s. S. 81) geschah. Die Staufer könnten aber auch das Patrozinium aus dem Kreis der Reformheiligen gewählt haben. Vgl. H OFFMANN , Die Kirchenheiligen (wie Anm. 102) S. 34-35. Dennoch dürfte der Ursprung des Jacobuspatroziniums von Dettwang in der Funktion von Jacobus als Pilger- und Wegeheiliger begründet sein, in welcher der Apostel zu Beginn das Bethäuslein an der Doppelbrücke beschützt haben mag, bis er die hll. Peter und Paul in der Stadtkirche verdrängte. 202 Die erste urkundliche Erwähnung der Kapelle St. Jakob und St. Erhard erfolgte 1362 (H ILLER , Die Kirchenpatrozinien [wie Anm. 100] S. 62). 203 Es ist sehr zweifelhaft, ob die Kirche von Oberkotzau eine Stiftung des Dietrich von Kotzau von 920 ist (W ACHTER , Patronate [wie Anm. 100] S. 66), jedenfalls blickt sie auf ein beträchtliches Alter zurück, da sie 1457 bereits als Pfarrei erwähnt wird (Heinrich W EBER , Das Bistum und Erzbistum Bamberg [Bamberg 1895] S. 101). <?page no="216"?> An der „Hezilostraße“, einer von Regensburg über Ammerthal bei Amberg nach Bayreuth führenden Altstraße 204 übten die Jacobuskirchen von Creußen 205 bei Eschenbach und Altenstadt/ Bayreuth 206 das Wege- und Pilgerpatronat aus. Die Altstraße Eichstätt-Neumarkt/ Oberpfalz bewachte die ursprüngliche Wegkapelle und jetzige Pfarrkirche von Greding 207 . Über die Milz geleitete die Jacobuskirche von Irmelshausen-Höchheim 208 die Reisenden; Handeltreibenden und Pilger, die sich auf der Altstraße Bamberg-Meiningen befanden. In Kronach mündet eine Altstraße, die von Coburg nach Sonnefeld über die Wasserburg Mittwitz 209 führte. Ein altes Wege- und Pilgerpatronat könnte die Weihe des dem „Zwölfboten“ Jacobus gewidmeten Altars der Pfarrkirche von Eschenau 210 an der Geleitstraße Nürnberg-Bayreuth bewirkt haben. Vermutlich sehr früher Patrozinienwechsel ist noch bei den alten Centenen oder in der Nachbarschaft karolingischer Königshöfe an den karolingischen Altstraßen gelegenen Kirchen von Kirchrüsselbach 211 bei Igensdorf, Königsfeld 212 bei Ebermannstadt und Nanken- 206 Robert Plötz 204 M ÜLLER , An alten Straßen (wie Anm. 100) S. 212. 205 Creußen wird schon 1003 als befestigter Ort genannt (Thietmar v. Merseburg, Chronik ed. v. Werner T RILLMICH [Frh. v. Stein-Gedächtnisausgabe IX, Darmstadt 1974] S. 228 u. 230). Die Kirche ist wohl aus der Burgkapelle hervorgegangen (H ILLER , Die Kirchenpatrozinien [wie Anm. 100] S. 75f.). 206 Heute ist keine Kirche mit Jacobuspatrozinium mehr nachweisbar, obwohl sie früher existiert haben dürfte. M ÜLLER schreibt: „am Jakobshof ist eine Kapelle St. Jakob anzunehmen; in der einstigen, nahegelegenen St. Nikolauskirche, an der Furt über des Mistelbach, gibt es einen Altar St. Jakob“ (An alten Straßen [wie Anm. 100] S. 212). 207 Die St. Jakobskapelle von Greding wird 1394 anläßlich einer Stiftung der Samstagswochenmesse durch Konrad Reiter von Herrnsberg erstmals urkundlich erwähnt (B UCHNER , Das Bistum Eichstätt [wie Anm. 101] 1, S. 393). Vgl. Franz Xaver B UCH - NER , Archivinventare der katholischen Pfarreien in der Diözese Eichstätt (München, Leipzig 1918) S. 164. 208 Bis 1466 war diese Kirche Filiale von Mendhausen (S CHORNBAUM , Archivinventare [wie Anm. 181] S. 63). Erik Soder gibt für die Einsetzung des Jacobuspatroziniums das Jahr 1471 an (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 10). 209 Beim Jacobuspatrozinium der Schloßkapelle in Mittwitz ist deren Zueignung an Jacobus als Adelspatron nicht auszuschließen, obwohl M ÜLLER , wie in anderen zweifelhaften Fällen ebenfalls, die Kapelle als Wegkapelle aufführt (An alten Straßen [wie Anm. 100] S. 212). 210 Der um 1450/ 75 konsekrierte Altar liegt im Chor der Kirche (D EINHARDT , Dedicationes [wie Anm. 104] S. 91 Nr. 145). 211 Die vermutlich ehemals königliche Jakobskirche wird 1011 erstmals erwähnt (M ÜL - LER , An alten Straßen [wie Anm. 100] S. 210). 212 Ein Chungeshove quod est in montanis contra Boemiam (Traditiones et Antiquitates Fuldenses, hg. von Ernst Friedrich Johann D RONKE [Fulda 1844] Sp. 4 Nr. 37) wird anfangs des 9. Jahrhunderts erstmals erwähnt. Aus der Kapelle im Königshof und später im Zentgerichtshof mit einem vermutlichen Kilianspatrozinium (M ÜLLER , An alten Straßen [wie Anm. 100] S. 209) hat sich die einzige Wehrkirche Oberfrankens <?page no="217"?> dorf 213 an der Wiesent zu beobachten. Zur gleichen Gruppe mußte wegen ihrer Lage noch die Jakobskapelle von Enchenreuth 214 bei Stadtsteinach gezählt werden, die bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts Filiale von Presseck war 215 . Eine große Gruppe bilden die Wegkapellen und -kirchen an kleineren Straßen und Verkehrsverbindungen, die den Reisenden zum Gebet einluden und ihm Geleit gaben. So weihte man St. Jacob die Kapellen von Altmannshausen 216 bei Scheinfeld, Schönberg 217 bei Ottensoos, Gollachostheim 218 bei Uffenheim, Arzlohe 219 bei Altdorf, Hafenpreppach 220 , Obersinn 221 im B. A. Gemünden, die Kapelle bei der Ostermühle (P. Langenfeld) 222 und in Kadenzhofen (D. Neumarkt- Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft 207 aus romanischer Zeit entwickelt (H ÜFFER , Von Jacobuskult [wie Anm. 36] S. 22f.), die nach dem Patrozinienwechsel St. Jakob und der hl. Katharina geweiht wurde (H ILLER , Die Kirchenpatrozinien [wie Anm. 100]). 213 Zum Martinspatrozinium der Kirche in Nankendorf (F. V EIT , Aus der Nankendorfer Pfarrgeschichte, Fränkische Schweiz 4 [1927] S. 86) trat, vermutlich wegen der neuen Bedeutung durch die Lage an der Altstraße, wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts der Weg- und Pilgerpatron Jacobus (Gunda R AUH / Wilhelm M ÜLLER , Der Sagenkreis um Nankendorf Kreis Ebermannstadt, Archiv für Oberfranken 49 [1969] S. 63-102, S. 67f.). 214 Enchenreuth lag an der von Stadtsteinach kommenden karolingischen Altstraße, die ins Eger-Röslaubecken und weiter nach Eger führte (M ÜLLER , An alten Straßen [wie Anm. 100] S. 212). 215 H ILLER , Die Kirchenpatrozinien (wie Anm. 100) S. 58. 216 Die Kirche wurde um 1400 von Markt-Einersheim getrennt (W ACHTER , Patronate [wie Anm. 100] S. 584). Das Jacobuspatrozinium dürfte 1606 eingesetzt worden sein (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 7). 217 S CHORNBAUM , Archivinventare (wie Anm. 181) S. 354 u. 358 erwähnt einen Stiftungsbrief für die Kapelle von 1417, die Notizen über Pfarrinvestitur und Besoldung beginnen aber schon um 1385. Die Jacobuskapelle liegt an der Straße Lauf-Altdorf- Neumarkt. 218 Die erste Notiz über die Kapelle zu den hll. Jacobus und Nikolaus wird von 1431 bei der Trennung von Lipprichhausen überliefert (Ebd. S. 582). Schon das Patrozinium (Einsetzung wahrscheinlich im ausgehenden Mittelalter), in dem sich Jacobus, der Weg- und Pilgerpatron, mit dem Kaufmannsheiligen Nikolaus verbindet, deutet auf den Schutz- und Geleitzweck der Kapelle hin. 219 Als topographische Markierung diente wahrscheinlich die Kapelle St. Jakob „zum heiligen Baum“, die 1520 urkundlich erwähnt wird (B UCHNER , Das Bistum Eichstätt [wie Anm. 101] 2, S. 837). 220 Von St. Jakob existieren als erste Belege Kirchenstiftsrechnungen von 1584-1693 (W ENDEHORST , Landkapitel Coburg [wie Anm. 102] S. 48). Erik Soder ordnet die Kirche für ca. 1590 als abgegangen ein (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 9). 221 Die Bauzeit der ersten, 1638 zur Pfarrkirche erhobenen Kirche ist unbekannt (A M - RHEIN , „Realschematismus“ [wie Anm. 102] S. 467). 1868 wurde die Kirche neu konsekriert (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 11). 222 Eine Kapelle St. Jakob wird für 1756 bei der Ostermühle erwähnt (B UCHNER , Das Bistum Eichstätt [wie Anm. 101] 1, S. 85). <?page no="218"?> Land) 223 . Nach Pfarrer Heinrich Hoffmann soll das Rathaus von Obernbreit, das 1609 (Vorbau 1579? ) erstand, auf dem Fundament einer ehemaligen Jacobuskirche erbaut worden sein 224 . Erstaunlich ist die Anzahl der St.-Jakobs-Kapellen um Ansbach. Es seien hier erwähnt: Urphertshofen 225 , Ulsenheim 226 , Sachsen 227 und Markterlbach 228 . An der Straße nach Heuberg lag die heute abgebrochene Jakobskapelle von Hiltpoltstein 229 . Die Erinnerung an ein altes Wegpatrozinium mag beim Bau der vier Kapellen für die vier Evangelisten in honorem ss. Trinitatis, BMV., s. Antonii et s. Jacobi 230 in Allersberg (D. Hiltpoltstein) bei der Patrozinienwahl eine Rolle gespielt haben. Den Neubau der Jakobskirche von Machthilshausen, den Fürstbischof Lorenz von Bibra 1505 außerhalb des Ortes errichten ließ, kann man vielleicht mit dem Wegpatrozinium in Verbindung bringen 231 . Den Übergang über die Wiesent und über den Main nach Albertshofen bewachen die Jacobuskirchen von Elbertsroth 232 (D. Ornbau) und Mainstockheim 233 . 208 Robert Plötz 223 Die Jakobskapelle wird 1791 bei einer Kreuzwegsstiftung genannt (Ebd. 1, S. 87), deren Inventar allerdings schon 1556 aufgeführt wird. 224 Heinrich H OFFMANN , Geschichte und Beschreibung der protestantischen Pfarrei Obernbreit (Obernbreit 1910) S. 12 und 38. Er führt die Gründung der Kirche auf das 11. Jahrhundert zurück. Neuerdings auch: Peter H ÖGLER , Auf Spurensuche. Von einer St. Jakobskirche in Obernbreit, Unterwegs im Zeichen der Muschel 38 (2001) S. 22f. Ich stimme mit Erik Soder überein, der das Patrozinium als nicht nachgewiesen anführt (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 11). 225 St. Jakob war Filiale von Langenzenn. Die Pfarr-, Heiligen-, Schul-, auch Consistorial- und Ehesachen zu Oberzenn und Urphertshofen beginnen ab 1518 (S CHORNBAUM , Archivinventare [wie Anm. 181] S. 806). Erik Soder verlegt die Patroziniumseinsetzung ohne genauere Angabe ins Mittelalter (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 13). 226 Für St. Jakob von Ulsenheim sind Tauf-, Trau- und Totenmatrikel von 1618-1727 erhalten (S CHORNBAUM , Archivinventare [wie Anm. 181] S. 593). 227 Hier soll nach H ILLER einst eine Jakobskapelle gestanden haben (Die Kirchenpatrozinien [wie Anm. 100] S. 62). 228 Die Kapelle bei Wilmershof existiert heute nicht mehr. Ihre Bauzeit ist unbekannt (ebd. S. 60), ihre Konsekration erfolgte 1435 (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 10). 229 1540 erstmals urkundlich erwähnt (B UCHNER , Das Bistum Eichstätt [wie Anm. 101] 1, S. 503). 230 Für die 1744 erbauten Kapellen hinterlegte ein gewisser Silardi eine Stiftung (ebd. 1, S. 21). 231 Die Bauzeit der ersten, schon 1453 bestehenden Pfarrkirche ist unbekannt (A M - RHEIN , Archivinventare, [wie Anm. 102] S. 282). Soder legt die Konsekration auf 1612 (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 10). 232 Elbertsroth war bis 1446 Filiale von Herrieden, bis der Kanoniker Jobst Watzenrieder 1446 die Pfarrei Elbersroth stiftete (B UCHNER , Das Bistum Eichstätt [wie Anm. 101] 1, S. 285). 233 Hier gab es ursprünglich außer der Gumbertusauch eine Kilianskirche, während sonst als Titelheilige beider Kirchen die hll. Gumbertus und Jacobus erscheinen. Die <?page no="219"?> 8. Jacobus miles Christi und matamoros 234 Vom Mönchtum wurden auch Klerus und Laienadel beeinflußt, der sich in freier Patrozinienwahl, ohne ein unmittelbares Verhältnis zum „Reformheiligen“ Jacobus zu haben, für sein Patrozinium entschied. Dazu behauptet Zimmermann 235 , daß man bei der Patrozinienablösung eines alten Heiligen durch einen Reformheiligen, namentlich an grundherrschaftlichen Landkirchen, mit einiger Wahrscheinlichkeit als Zeitraum dieses Vorgangs das 11. oder 12. Jahrhundert vermuten kann. Die Ursache dafür dürfte in den Bemühungen der Reformbewegung zu suchen sein, die Laienwelt stärker an die Kirche zu binden. Damit verbunden war die Sanktionierung des Krieges durch die Kirche und die Anerkennung des Soldatenstandes als christliche Lebensform 236 . In der Figur des miles Christi und des Matamoros, also des Kreuzzugs- und Schlachtenhelfers 237 , und wegen der Beliebtheit der peregrinatio nach Compostela wurde Jacobus auch beim grundbesitzenden Adel sehr verehrt und mit Petrus, Stephan, Michael etc. zum Standespatron der Ritter 238 . Eine weitere Gruppe bilden die Kirchen der Burgmannensiedlungen, jener Niederlassungen von herrschaftlichem Gefolge, später auch von Handwerkern und Krämern, die zwar außerhalb, aber doch noch im Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft 209 Pfarrei existierte schon vor 1451 (S CHORNBAUM , Archivinventare [wie Anm. 181] S. 26). In diesem Jahr soll die Kirche auch konsekriert worden sein (Ms. dactil. S O - DER [wie Anm. 86] S. 10). 234 Vgl. die allgemeine Entwicklung des Typus miles Christi bei Robert P LÖTZ , Lazo espiritual y cultural entre América y Europa: Santiago de Compostela, en: Galicia, Santiago y América (La Coruna 1991) S. 53-74, für die ikonographische Ausformung D ERS ., Jacobus Maior (wie Anm. 22) S. 171-232, spez. S. 200-202, und zur politischen Bedeutung Klaus H ERBERS , Politik und Heiligenverehrung im Hochmittelalter, in: Politik und Heiligenverehrung, hg. von Jürgen P ETERSOHN (Vorträge und Forschungen 42, 1994) S. 177-275, spez. S. 203-209. 235 Z IMMERMANN (Patrozinienwahl [wie Anm. 3] 2, S. 37f.) meint, daß dieser Vorgang, durch den sich die Laien unter dem Eindruck der neuen Religiosität der Fürbitte des neuen Heiligen versichern wollten, sich bis ins Spätmittelalter erhalten habe, anknüpfend an historische, legendäre und ständische Sonderpatronate. 236 Ebd. S. 39. 237 Vgl. P LÖTZ , Santiago-peregrinatio (wie Anm. 4) S. 39f., und H ÜFFER , Die spanische Jacobusverehrung (wie Anm. 171) S. 130. 238 Vgl. Z IMMERMANN , Patrozinienwahl (wie Anm. 3) 2, S. 38ff. Eine wichtige Voraussetzung für die Wahl zum Standespatron war nicht nur die Gemeinsamkeit des Waffenhandwerks, sondern auch die Ebenbürtigkeit des Heiligen (Heinrich K AMP - SCHULTE , Die westfälischen Kirchenpatrozinien, besonders auch in ihrer Beziehung zur Geschichte der Einführung und Befestigung des Christentums in Westfalen [Paderborn 1867] S. 163). Vgl. Z IMMERMANN , Patrozinienwahl (wie Anm. 3) 2, S. 39. Jacobus als Führer der Christen im „heiligen Krieg“ gegen die Mauren fand natürlich eine entsprechende Aufnahme als Standespatron in Adelskreisen. <?page no="220"?> Schutze großer Burgen ihre Siedlungen und Städte gründeten. In ihrer Patrozinienwahl wurden sie oft vom schützenden Adelsgeschlecht beeinflußt oder waren darin von ihm abhängig 239 . Der Adel weihte seinem „Standes- und Ritterpatron“ Jacobus seine Kapellen 240 in den Burgen von Riegelstein 241 bei Bühl, Küps 242 bei Kronach, Marloffstein 243 bei Erlangen und Leutenbach 244 bei Forchheim. Jacobuspatrozinien finden sich weiterhin in den Burgkapellen von Guttenberg 245 bei Untersteinach, Dollnstein 246 , Herreth 247 bei Staffelstein, Lichtenfels 248 und Raitenbuch 249 bei Weißenburg. 210 Robert Plötz 239 Vgl. ebd. S. 86. 240 Von den vielen Jacobus geweihten Burgkapellen sind nur wenige erhalten geblieben. Außerdem gibt es für die Mehrzahl der Kapellenheiligen keine Aufzeichnungen. Von vielen Kapellen sind nur die Altarheiligen erhalten geblieben, die keinen sicheren Hinweis auf die Patrozinien geben können. Wichtig in diesem Zusammenhang sind Ortskirchen, die später als einziger erhaltener, oftmals erweiterter Bau, den Platz der zerstörten Burg einnahmen. Vgl. ebd. S. 41f. 241 Das Jacobuspatrozinium ist nicht urkundlich bezeugt, jedoch wahrscheinlich, da das Kirchweihfest am 25. Juli gefeiert wird (H ILLER , Die Kirchenpatrozinien [wie Anm. 100] S. 62). Die Kapelle erbaute im 13. Jahrhundert das Geschlecht der Thürriegel. 242 Die Kapelle wurde 1303 von Johann und Hermann von Redwitz (Küps) errichtet, ebd. S. 60. 243 1340 verpfändete Gottfried von Hohenlohe-Brunneck die „Kappel“ zu St. Jakob mit dem Schloß und Dorf Marloffstein an das Hochstift Bamberg (ebd. S. 61). 244 Bei der am 5.11.1620 von Kirchehrenbach getrennten Jakobskirche von Leutenbach scheint es sich um eine alte Burgkapelle der Edelherren von Leutenbach gehandelt zu haben (W ACHTER , Patronate [wie Anm. 100] S. 67). Schon für 1376 wird die Stiftung einer Frühmesse erwähnt. 245 Hans I. von Guttenberg errichtete 1352 eine eigene Burgkapelle, die 1355 geweiht wurde, ohne die Zugehörigkeit zur Pfarrei Untersteinach zu ändern (Franz Karl F RHR . V . G UTTENBERG , Regesten des „Geschlechts von Blassenberg“ und dessen Nachkommen, Archiv für Oberfranken 19 [1894] S. 13-18). 246 Die heute nicht mehr bestehende Burgkapelle befand sich in der romanischen Burganlage aus dem 12. Jahrhundert. Eine Frühmesse in capella S. Iacobi bestätigt Bischof Johannes von Eichstätt 1462 auf Schloß Kipfenberg (C. A. B ÖHEIMB , Beschreibung und Geschichte des Marktes Dollenstein, 29. Jahresbericht des Historischen Vereins in Mittelfranken [1861] S. 104). 247 Die heute evangelische Kirche St. Jakob gehörte im Mittelalter zum Archidiakonat Münnerstadt, 1491 erstmals urkundlich erwähnt (W ENDEHORST , Der Archidiakonat Münnerstadt [wie Anm. 99] S. 9). 248 Die erste Nachricht über die Kapelle auf dem Burgberg ist eine Stiftungsnotiz von 1517 (W ACHTER , Patronate [wie Anm. 100] S. 67). Jacobus teilte das Patrozinium mit der hl. Magdalena, die wegen der Annahme, sie sei königlichen Geblüts, auch in den Ritter- und Adelskapellen als Patronin verehrt wurde. Vgl. Z IMMERMANN , Patrozinienwahl (wie Anm. 3) 2, S. 53f. 249 Die Burgkapelle von Raitenbuch, 1579 noch erwähnt, ist 1602 bereits abgegangen (B UCHNER , Das Bistum Eichstätt [wie Anm. 101] 2, S. 434). <?page no="221"?> 9. Der Stadt- und Ortspatron Jacobuskirchen wurden in den aus Burgsiedlungen entstandenen Städten 250 Niederstetten 251 , Lauda 252 und Bad Kissingen 253 errichtet. Der Adel trug seine Standespatrone auch in die von ihm abhängigen Ortschaften. Die Jacobuspatrozinien der Gotteshäuser von Gleissenberg 254 bei Burghasloch, Dürrenmungenau 255 in der Pfarrei Winsbach und Berg 256 bei Hof zeugen ebenso für die Beliebtheit des miles Christi Jacobus, wie das Altarpatrozinium von Wachenroth (1395), eine Altarstiftung Ottos von Gauberstadt 257 . Weitere auf Ritters- und Adelskreise zurückgehende Jacobuskirchen stehen in Geroldsgrün 258 bei Naila, Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft 211 250 Auf die verschiedenen Fälle eines Jacobuspatroziniums in Orten, die aus Burgmannensiedlungen entstanden sind, wurde schon bei der Behandlung der Orte Burgwindheim (s. oben Anm. 141) und Dettwang (s. oben Anm. 178) hingewiesen. 251 Die Pfarrkirche wurde 1290 konsekriert (Württembergisches Urkundenbuch IX S. 390). Vgl. H OFFMANN , Die Kirchenheiligen (wie Anm. 102) S. 123, und Z IMMER - MANN , Patrozinienwahl (wie Anm. 3) 2, S. 86. Erik Soder legt die Einsetzung des Patroziniums auf 1611 (Ms. dactil. S ODER (wie Anm. 86) S. 11. 252 Die erste, angeblich von Pippin I. gegründete Kirche wurde von Bischof Wolfram von Grumbach 1322-1333 in gotischem Stil neu erbaut (Karl S CHRECK , 600 Jahre Stadt Lauda, 1344-1944 [Lauda 1951] S. 27f.). Das Jacobuspatrozinium dürfte mindestens aus dieser Zeit stammen, da auf den Flügeln des Hochaltars schon die vita s. Jacobi dargestellt wurde. Erik Soder ermittelt als Konsekrationsdatum für das Jacobuspatrozinium das Jahr 1371 (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 10). 253 Die älteste Pfarrkirche war wahrscheinlich die nicht mehr bestehende Marienkirche extra muros (W ENDEHORST , Der Archidiakonat Münnerstadt [wie Anm. 99] S. 24). Das Jacobuspatrozinium wurde 1286 eingesetzt (Vgl. Franz M AHR , Die Kirchen der Pfarrei Bad Kissingen [1978] S. 9). Die spätere Pfarrkirche wird am 30.5.1341 erstmals von dem Grafen H. v. Henneberg als capella s. Jacobi ap. in Kissingen erwähnt. 254 Als nicht ganz gesichert muß das Jacobus-Patrozinium von Gleissenberg gelten (H ILLER , Die Kirchenpatrozinien [wie Anm. 100] S. 59). Das Patronatsrecht stand den Grafen von Rechtern-Limpurg-Speckfeld zu (Georg W ILKE , Geschichtliches über Gleissenberg und Hellmitzheim, Fränkische Heimat 6 [1927] S. 389-397, S. 393). Erik Soder verweist auf eine Patroziniumseinsetzung im Mittelater (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 8). 255 1285, ein Jahr nach der Gründung von Dürrenmungenau, übergab Albert Rinsmul der Ältere das ius patronus barrochie in Mvngenawe (Monumenta Boica XLIX S. 240 Nr. 147) seinem Oheim Hermann von Vestenberch. Vgl. G. v. K RESS , Dürrenmungenau, Die Heimat 5 (1929) S. 22-25. 256 Die Pfarrei wurde wahrscheinlich um 1300 von den Herren von Reitzenstein gegründet (Johann L OOSHORN , Geschichte des Bistums Bamberg 4 [1886-1907] S. 885). 257 W ACHTER , Patronate (wie Anm. 100) S. 67. Erik Soder betrachtet das Altarpatrozinium als nicht nachgewiesen (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 13). 258 Die Jakobskirche stand schon 1440 (W ACHTER , Patronate, wie oben, S. 67) und H IL - LER , Die Kirchenpatrozinien (wie Anm. 100) S. 59. <?page no="222"?> Rappach (O. A. Öhringen) 259 und in Neuenmuhr (B. A. Gunzenhausen) 260 . 10. Der Deutschordensheilige Auch der deutsche Orden hatte seine Beziehungen zum großen Heiligen der Maurenkämpfe 261 , wenn auch keine ausgesprochen eigenständige Jacobusverehrung zustande kam 262 . Die Verbindung der Reconquista mit der Kreuzzugsidee 263 und deren Propagierung durch Cluny 264 , ferner das Ritterpatronat des Apostels Jacobus, verhalfen ihm zu großem Ansehen gerade auch bei dem Deutschen Orden. Außer einem vielleicht vorhandenen, aber nicht nachweisbaren Einfluß auf die Patroziniumsgestaltung Urphars 265 sind es die Kirchen von Nürnberg 266 , Rothenburg 267 und Neustetten 268 , die der Deutsche Orden im sakralen Franken dem Apostel Jacobus weihte. 212 Robert Plötz 259 Die Jakobskapelle ist Filiale Waldbachs, liegt auf Hohenlohischem Gebiet, ist U.L. Frau und den hll. Jacobus und Johannes geweiht und wurde 1444 konsekriert (H OFF - MANN , Die Kirchenheiligen [wie Anm. 102] S. 119). 260 Für 1480 wird eine eigene Frühmesse für die Jakobskirche von Neuenmuhr erwähnt (B UCHNER , Das Bistum Eichstätt [wie Anm. 101] 2, S. 822). 261 Z IMMERMANN spricht von „engen Beziehungen“, vgl. Patrozinienwahl (wie Anm. 3) 2, S. 85. 262 Vgl. dazu den Überblick von Magda F ISCHER , Jakobus - ein Deutschordenspatron? , in: Der Jakobuskult in Süddeutschland (wie Anm. 22) S. 129-142, der auch die fränkischen Verbindungen mit behandelt. 263 Vgl. P LÖTZ , Santiago-peregrinatio (wie Anm. 4) S. 40. 264 Ebd., S. 65. 265 Urphar war vorübergehend im Besitz des Deutschen Ritterordens von Mergentheim (vgl. Anm. 182). 266 Die St. Jakobskapelle wurde schon 1209 von Otto IV. dem Deutschen Orden übergeben (Monumenta Boica XXIX 1 S. 558, W INKELMANN , Regesta imperii). Als königliche Eigenkirche gehörte sie zum Königshof Nürnberg (Nürnberg - Geschichte einer europäischen Stadt, hg. von Gerhard P FEIFFER [1971] S. 66). Vgl. auch Hartmut B OOCKMANN , Der deutsche Orden in Nürnberg, in: Die Rolle der Ritterorden in der mittelalterlichen Literatur (Colloquia Torunensia Historica 3, 1985) S. 89-104. 267 In Rothenburg löste Jacobus wahrscheinlich den hl. Kilian als Patron ab, der zuvor Patron des Hauptaltars mit Jacobus als Patron des Nebenaltars war (H ILLER , Die Kirchenpatrozinien [wie Anm. 100] S. 62). Jacobus kam wahrscheinlich erst nach 1258 zu der Ehre des Hauptpatrons, als der Würzburger Bischof Iring von Reinstein mit dem Patronatsrecht der Pfarrkirche in Dettwang auch die Tochterkirche in Rothenburg dem Deutschen Orden übergab. Erik Soder konkretisiert das Datum und legt es auf 1285 (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 12). 268 Von Neustetten sind uns kaum Nachrichten erhalten. 1681 steht in einem Memoriale des Deutschherrenkomturs, daß der Kaplan von Virnsberg das Patronatsfest St. Jakob zu halten habe (H ILLER , Die Kirchenpatrozinien [wie Anm. 100] S. 61). <?page no="223"?> 11. Der Hospitalheilige Auch als Schirmherr des Hospitalwesens wird der große Pilgerpatron eingesetzt 269 . In der Diözese Würzburg können wir mit der speziell für die Dienerschaft und das Spital geweihten Jacobuskapelle im Benediktinerkloster zu Amorbach 270 , einer Jacobusvikarie im Heilig-Geist-Spital von Neustadt/ Saale 271 , der Sondersiechenkapelle in Heilbronn 272 und der Spitalkirche von Karlstadt 273 vier Beispiele erbringen. Das Bistum Bamberg weist zwei Spitalpatrone des Apostels Jacobus auf: Er ist Nebenpatron zu Leonhardt in der ersten Spitalkirche zu Lauf 274 , die noch aus Holz gebaut war, und unter den drei Altären, die am 14.6.1513 im Sebastianspital in Nürnberg geweiht wurden, befand sich ein „Jacobi de grossern“ 275 geweihter Seitenaltar. 12. Der Volksheilige im Spätmittelalter Eine stattliche Anzahl von Jacobuspatrozinien vornehmlich aus dem 15. und 16. Jahrhundert läßt sich aufgrund verschiedener Ursachen, wie einer stärkeren Motivverästelung hinsichtlich der Patrozinienwahl im Spätmittelalter, wenn man es mit dem Frühmittelalter vergleicht, einer weitaus stärkeren Betonung des Gefühlsmäßigen etc., nicht mehr bestimmten sozialen und kirchlichen Gruppen und Institutionen zuord- Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft 213 269 Z IMMERMANN , Patrozinienwahl (wie Anm. 3) 2, S. 85. Verwechslungen zwischen den Spitalpatronen Jacobus und Jodokus treten öfter auf, wie auch zahlreiche hagio- und ikonographische Berührungspunkte zwischen beiden Heiligen vorhanden sind. Vgl. J. T RIER , Der heilige Jodokus, Sein Leben und seine Verehrung, zugleich ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Namensgebung (Breslau 1924) S. 103-107, und Helmut F RHR . H ALLER UND H ALLERSTEIN / Ernst E ICHHORN , Das Pilgrimsspital zum Hl. Kreuz vor Nürnberg, Geschichte und Kunstdenkmäler (Nürnberg 1969) S. 206. 270 Die Jakobuskapelle wurde 1182 im Kloster Amorbach geweiht (Die Kunstdenkmäler von Unterfranken. H. 18: B. A. Miltenberg, S. 19). 271 Die Vikarie wurde von Eberhard Zentgraff, dem Rektor der Ewigvikarie im Spital am 22.12.1430 bestätigt, W ENDEHORST , Der Archidiakonat Münnerstadt (wie Anm. 99) S. 18. 272 Die Kapelle im Sondersiechenhaus außerhalb der Stadt wurde 1439 konsekriert (Urkundenbuch der Stadt Heilbronn, hg. von Eugen K NUPFER u. Moritz VON R AUCH [Stuttgart 1904-22] S. 291). Erik Soder datiert 1409 (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 9). 273 Die Spitalkirche St. Jakob wurde noch vor 1450 erbaut (A MRHEIN , „Realschematismus“ [wie Anm. 102] S. 259). Erik Soder präzisiert das Konsekrationsdatum: 1438 (Ms. dactil. S ODER (wie Anm. 86) S. 10). 274 Die Weihe fand am 21.10.1375 statt (D EINHARDT , Dedicationes [wie Anm. 104] S. 44 Nr. 69). 275 Ebd. S. 117-119 Nr. 194. <?page no="224"?> nen, zumal Jacobus im Spätmittelalter in die große Gruppe der „Volksheiligen“ 276 aufgenommen wurde, an deren Verehrung alle Stände beteiligt waren. Von den Aposteln erfreuten sich vor allem Jacobus und Bartholomäus, neben Petrus und Johannes, im Spätmittelalter wachsender Beliebtheit als Kirchenpatrone 277 . Gerade der hl. Jacobus läßt, meint Zimmermann, deutlich den Übergang von der Patrozinienpraxis der Reform zu der des Spätmittelalters 278 erkennen. Die Ursache der Beliebtheit von Jacobus im Spätmittelalter und in der Zeit vor der Reformation dürfte auf die Stellung des Apostels als ehemaliger Reformheiliger, als Ritter- und Adelspatron und wesentlich auf seine Verbreitung als Pilger- und Wegeheiliger in der Sakralgeographie beruhen, wobei die Bedeutung der peregrinatio nach Compostela eine starke Rolle spielte 279 . Der hl. Jacobus war populär im engsten Sinne des Wortes, und sein Kult entsprach in hohem Maße der Frömmigkeit des spätmittelalterlichen Menschen, der sich ihm zur Sicherung seines Seelenheils anvertraute. Im Spätmittelalter wurde, zumindest im Sakralraum Franken, Jacobus als Sonderpatron abgelöst. Breite Volksschichten wendeten sich ihm als Volkspatron zu, eine Entwicklung, die teilweise durch das Pilger- und Wegepatronat des Apostels bereits im Hochmittelalter vollzogen worden war. Die spätmittelalterliche Frömmigkeit spiegelte sich in den Jacobuspatrozinien, die in kleineren Kirchen geweiht wurden, wie in Fischbach 280 214 Robert Plötz 276 Z IMMERMANN , Patrozinienwahl (wie Anm. 3) 2, S. 60ff. 277 Ebd. 2, S. 85. 278 Ebd. Der durch die kirchliche Reformbewegung aktivierte Laienstand nimmt an der Ausbildung des religiösen Lebens immer mehr teil und beeinflußt die religiöse Entwicklung immer stärker. Jedoch läßt die Volksreligiosität des Hochmittelalters nie jenen monastischen Grundton fehlen, der den Einfluß des Gedankengutes der Reformorden aufzeigt, denen sie verpflichtet ist. Der ausgeprägte Heiligenkult der aus Frankreich kommenden Orden trägt schon alle Keime für die maßlose Übersteigerung des Heiligenkults im Spätmittelalter in sich. Die Ursache davon ist ein betonter Subjektivismus, innerhalb dessen sich der Mensch, anfänglich noch in genossenschaftlicher Geschlossenheit, später aber jeder einzelne allein, an von ihm gewählte Heilige band. Vgl. ebd. 2, S. 5f. 279 Zwar verlieren die Heiligen der älteren Gruppe ihre Sonderpatronate, ihre Verehrung als Kirchenpatrone jedoch wird nicht unterbrochen. Vgl. ebd. 2, S. 60f. Besonders in den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts nahm die Volksfrömmigkeit einen starken Aufschwung, was sich äußerlich durch die zahlreichen spätgotischen Kirchenbauten in kleineren und größeren Orten, besonders im Bistum Würzburg, und in der wachsenden Zahl der Benefizien ausdrückte (A. B IGELMAIR , Das Konzil von Trient und das Bistum Würzburg in: Das Weltkonzil von Trient, Sein Werden und Wirken, hg. von Georg S CHREIBER , 2 [Freiburg 1951] S. 39ff.). 280 Es gibt keinen sicheren Hinweis auf das Patrozinium dieser Kirche. Vermutlich handelte es sich um eine Jakobskapelle, da sich die Kirchweihe nach dem Jacobustag richbei <?page no="225"?> Stadtsteinbach, Schainbach (O. A. Gerabronn) 281 , Niedermirsberg 282 bei Ebermannstadt und Großlangheim 283 bei Kitzingen. Benefiziums- und Altarpatronate begegnen uns in Würzburg 284 , Weissenburg (D. Ellingen) 285 und Emsing (D. Greding) 286 . Ferner wurde Jacobus im 15. Jahrhundert verehrt in den Kirchen und Kapellen von Neudorf 287 bei Weissenburg, Kirchschönbach 288 , das eventuell mit Kirchbucheich 289 identisch ist, Neumarkt 290 , Buttendorf (D. Obereschenbach) 291 , Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft 215 tete. Das älteste Zeugnis ist eine Glocke von 1367 (H ILLER , Die Kirchenpatrozinien [wie Anm. 100] S. 59). 281 Die Pfarrkirche wurde 1405 geweiht. Das Jacobuspatrozinium ist für 1477 erwiesen (H OFFMANN , Die Kirchenheiligen [wie Anm. 102] S. 98). 282 Die Kapelle St. Jakob wurde 1439 von Kirchenehrenbach getrennt (H ILLER , Die Kirchenpatrozinien [wie Anm. 100] S. 61). W ACHTER legt ihre Ursprünge als Taufkapelle ins 12. Jahrhundert (Patronate [wie Anm. 100] S. 66), während H ÜFFER in ihr eine Kirchenburg vermutet, deren Turm der Bergfried einer früheren Burg war (Von Jacobuskult [wie Anm. 36] S. 23). Damit hätten wir es mit einem früheren Adelspatrozinium zu tun. 283 St. Jakob von Großlangheim wird 1453 erstmals als Pfarrkirche erwähnt (A MRHEIN , „Realschematismus“ [wie Anm. 102] S. 528), das Patrozinium geht auf 1436 zurück (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 9). 284 Vor dem 17.5.1348 stifteten die Treuhänder des verstorbenen Würzburger Domherrn Kraft (Graf von Hanau) einen Altar für eine ständige Vikarie im Würzburger Dom sub arcu versus altari sancti Egidii prospiciente zu Ehren der Dreifaltigkeit, der Jungfrau Maria, des Apostels Jacobus Maior, des hl. Bonifatius und des hl. Eulogius. Am 4.9.1348 wurde der Altar geweiht (E NGEL , Urkundenregesten [wie Anm. 143] S. 324f. Nr. 425 u. 426). 285 Für 1424 werden Patronate der Benefizien s. Jacobi und s. Johanni aufgeführt (B UCH - NER , Das Bistum Eichstätt [wie Anm. 101] 2, S. 751). 286 Das Altarpatrozinium wird für 1449 erwähnt (ebd. 1, S. 297). Die Patrozinienwahl könnte hier von der „Altpfarrei“ Greding, die selbst ein Jacobuspatrozinium hat (s. Anm. 142), beeinflußt worden sein. 287 Die Kirche aus dem 15. Jahrhundert steht in einer Dorfanlage aus der Mitte des 13. Jahrhunderts. Vgl. Die Kunstdenkmäler von Mittelfranken, H.V. Stadt und B. A. Weißenburg i.B., S. 307. 288 Den ursprünglich spätgotischen Bau, der seit 1453 als Pfarrkirche fungierte (A M - RHEIN , „Realschematismus“ [wie Anm. 102] S. 529), ließ Valentin Echter neu errichten. Die Einsetzung des Jacobuspatroziniums legt Erik Soder auf 1670 (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 10). 289 Die vormalige Johanneskapelle wurde von Stadtschwarzach abgetrennt (D EIN - HARDT , Dedicationes [wie Anm. 104] S. 96, Anm. 1). 290 1459 stiftete Dechant Johann Kallmünzer in der Pfarrkirche das 14. Pfarrbenefizium S. Jacobus (B UCHNER , Das Bistum Eichstätt [wie Anm. 101] 2, S. 234). 291 Die Pfarrgerechtsame der Filia zu Roßtal mit Notizen sind seit 1482 überliefert (S CHORNBAUM , Archivinventare [wie Anm. 181] S. 236). Erik Soder betrachtet das Jacobuspatrozinium als n.n. (= nicht nachgewiesen) - vgl. Ms. dactil. S ODER (wie Anm. 86) S. 7. <?page no="226"?> Unterneubrunn 292 und am Engelberg 293 bei Großheubach. Aus der gleichen Zeit etwa stammen die Jacobuspatrozinien von Auenstein (O. A. Marbach) 294 , Ingolstadt 295 und Ittelhofen (D. Berching) 296 . Von der Jakobskirche von Deutenbach (D. Stein) 297 sind keine Aufzeichnungen vorhanden. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts werden die Jacobuspatrozinien von Würgau 298 , Nussbühl (D. Wemding) 299 , Heidenheim (LK Gunzenhausen) 300 und Artelshofen 301 bei Nürnberg schriftlich erfaßt. Noch aus der Zeit vor der Reformation dürften die Jacobuspatrozinien von Tiefenbach (D. Neckarsulm) 302 , Wildenholz (D. Feuchtwangen) 303 216 Robert Plötz 292 Die Jakobskapelle von Unterneubrunn (P. Eisfeld im Kreis Hildburghausen) wurde 1490 von den Besitzern der dortigen Drahthütte, den Nürnberger Bürgern Georg Holtzpuger und Ulrich Erker, erbaut (W ENDEHORST , Landkapitel Coburg [wie Anm. 102] S. 23). Die Stiftung geht wahrscheinlich auf die gerade gegen Ende des 15. Jahrhunderts besonders stark ausgeprägte Jacobusverehrung unter der höheren Schicht des Nürnberger Bürgertums zurück. 293 1487 konsekrierte Weihbischof Heinrich von Mainz in der Michaelskapelle „Zur Freudenreichen Muttergottes“ auf dem Engelsberg einen Altar zu Ehren des hl. Kreuzes und der hll. Jacobus, Valentin, Georg, Hieronymus und Apollonia (Adrian Z EININGER , Geschichte der Wallfahrt und des Klosters Engelsberg, neu bearb. v. Ambrosius G ÖTZELMANN [Fulda 1909] S. 17f.). 294 Das Heilbronner Urkundenbuch (II, S. 318) erwähnt für 1491 die Jakobskapelle von Auenstein. Der liber synodalis setzt 1537 ein (H OFFMANN , Die Kirchenheiligen [wie Anm. 102] S. 114). Hinter dem Jacobuspatrozinium könnte sich vielleicht ein Adelspatrozinium verbergen. 295 In der Liebfrauenkirche von Ingolstadt wurde am 31.5.1495 der Altar s. Pauli et s. Jacobi von Weihbischof Jakob Raschauer von Eichstätt geweiht (B UCHNER , Das Bistum Eichstätt [wie Anm. 101] 1, S. 578). 296 Die Bauzeit der am Petersberg gelegenen Kirche ist unbekannt. Das früheste Zeugnis ist eine Glocke aus dem 15. Jahrhundert (ebd. 2, S. 711). 297 Erwähnung o. J. in den handschriftlichen Notizen von B UCHNER , die mir damals freundlicherweise Herr Appel vom Diözesanarchiv Eichstätt zur Verfügung stellte. 298 Würgau wurde am 17.8.1504 zu Ehren des hl. Jacobus geweiht. Vgl. D EINHARDT , Dedicationes (wie Anm. 105) S. 74. 299 Für 1516 wird ein Benefizium bei der Filialkirche St. Jakob zu Fünfstetten erwähnt (B UCHNER , Das Bistum Eichstätt [wie Anm. 101] 1, S. 349). 300 Das Grund-, Sal- und Lagerbuch der Kirche von Heidenheim beginnt 1518 (-1531) (S CHORNBAUM , Archivinventare [wie Anm. 181] S. 295). 301 Artelshofen hatte bereits um 1528 eine Kapelle (H ILLER , Dedicationes [wie Anm. 100] S. 56), die 1576 zur Pfarrkirche erhoben wurde. 302 Eine Kapelle St. Jakob zu Tiefenbach im Kapitel Weinsberg wird für 1553 erwähnt (H OFFMANN , Die Kirchenheiligen [wie Anm. 102] S. 118). Erik Soder ermittelt als Jahr der Einsetzung des Jacobuspatroziniums 1427 (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 12). 303 Das Pfarrintradenbuch von St. Jakob in Wildenholz beginnt 1561 (S CHORNBAUM , Archivinventare [wie Anm. 181] S. 194). Aufgrund der topographischen Lage von Wildenholz könnte hier ein Wegepatronat vorliegen. <?page no="227"?> und Berolzheim 304 bei Ansbach sein. An dieser Stelle möchte ich noch auf eine größere Anzahl von Altarweihen im Bistum Bamberg verweisen, bei denen wahrscheinlich Jacobusreliquien niedergelegt wurden, wobei Jacobus in den meisten Fällen als Konpatron verehrt wurde oder im allgemeinen Apostelpatronat aufging 305 . 13. Die frühe Neuzeit Zwar setzte mit dem allgemeinen Niedergang der großen internationalen Pilgerfahrten des Mittelalters zur Barockzeit ein Strukturwandel der peregrinatio zugunsten regionaler und lokaler Sakralzentren ein 306 , aber trotzem lebt die Pilgerfahrt zum hl. Jacobus weiter, allerdings mehr in quantitativer als in qualitativer Hinsicht 307 . Die Pilgermassen, die jetzt nach Compostela strömten, fanden nur in geringfügigem Maß Eingang in die Literatur 308 . Wohl aufgrund der sozialen Herkunft werden die „peregrini ad Sanctum Jacobum“ der frühen Neuzeit kaum schriftlich erfaßt 309 . Aber Jacobus hatte sich im fränkischen Sakralwesen etabliert und nahm in der Volksfrömmigkeit und im kirchlichen Patrozinien- und Benefizienwesen seinen festen Platz ein. Die Ursachen dafür sind Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft 217 304 Die Entstehungszeit der Filia zu Kaubenheim ist unbekannt. Die Totenmatrikel beginnt 1580, die Taufmatrikel ab 1627, das Gotteshauslehensbuch 1776 (ebd. S. 801). Erik Soder ordnet das Patrozinium dem Mittelalter zu (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 7). 305 Weihe des Apostelaltars der Liebfrauenkirche Nürnberg am 25.7.1358 (s. Jacobi- Tag! ) (D EINHARDT , Dedicationes [wie Anm. 104] S. 41 Nr. 63); Spitalkirche Lauf (s. Anm. 274): Altarweihe am 28.9.1382 (ebd., S. 49 Nr. 79); Weihe in der Kapelle am Ebracherhof zu Nürnberg am 5.12.1397 (ebd. S. 55f. Nr. 90); Altarweihe im Kloster Michelfeld am 9.9.1460 (ebd. S. 88 Nr. 138); Rekonziliation der Martinskirche zu Bamberg, „Frühmessealtar“ 1464 (ebd. S. 90 Nr. 142); Rekonziliation von Chor und Altären der Kirche St. Getreu zu Bamberg am 25.11.1477 (ebd. S. 100f. Nr. 159); Weihe der Pfarrkirche Lichtenfeld 1487 (Altar Chormitte) (ebd. S. 106f. Nr. 169). 306 Siehe u. a. Ludwig Andreas V EIT / Ludwig L ENHART , Kirche und Volksfrömmigkeit im Zeitalter des Barock (Freiburg 1956) S. 178, und speziell für die Compostela-peregrinatio: V ÁZQUEZ DE P ARGA / L ACARRA / U RÍA R ÍU , Peregrinaciones (wie Anm. 17), Bd. 1 S. 111-118, José Mariá L ACARRA , Las peregrinaciones a Santiago en la Edad moderna, Principe de Viana 27 (1966) S. 33-45. 307 Darüber vgl. Ilja M IECK , Zur Wallfahrt nach Santiago de Compostela zwischen 1400 und 1650. Resonanz, Strukturwandel und Krise, in: Spanische Forschungen der Görresgesellschaft, 1. Reihe, 29 (Münster 1978) S. 483-533, und Robert P LÖTZ , Pilger und Pilgerfahrt gestern und heute am Beispiel Santiago in Compostela, in: Europäische Wege der Santiago-Pilgerfahrt, hg. von DEMS . (Jakobus-Studien 2, 1990) S. 271- 213, spez. S. 192-206. 308 Mit Ausnahme der Verzeichnisse der Pilgerhospitäler, die bislang nur unvollständig erschlossen sind. 309 Vgl. P LÖTZ , Santiago-peregrinatio (wie Anm. 4) S. 97f. <?page no="228"?> teils in der Sakralstruktur des fränkischen Barocks und teils in äußeren historischen und kirchlichen Umständen zu finden. Franken hat Anteil an der Vielfältigkeit der Ausgestaltung des Patrozinienwesens, die ihre Endpunkte im Mittelalter einerseits in der Verdinglichung und Übertreibung der Sonderpatronate, andererseits in der zentralen Stellung der Titel findet 310 . Beide Faktoren sind trotz des Einschnitts der Reformation in abgemilderter Form auch noch in der Gegenreformation und im Barock spürbar, obwohl die spätmittelalterlichen Heiligen mit der Reformation ihren Höhepunkt überschritten hatten 311 . In der Patrozinienwahl trat eine gewisse Sorgfalt und Einengung auf einen einigermaßen übersichtlichen Kreis von Heiligen ein, der sich überwiegend auf die alten biblischen Heiligen und die beliebten Volksheiligen des Spätmittelalters stützte. Dazu gehörte auch Jacobus mit seinen vielfältigen Sonderpatronaten 312 . Zum anderen dringen gerade aus dem spanischen Raum mit der neuen katholischen Reformbewegung, die um die Wende des 15. zum 16. Jahrhundert in Spanien und Italien eingeleitet wird 313 , neue Sakralströmungen in den katholischen deutschen Raum, die ihre Blütezeit im Barock und Rokoko erleben und deren Einfluß auf die deutsche Frömmigkeit erst mit der Auflösung der Gesellschaft Jesu schwindet 314 . Neben Jesuitenheiligen, wie Ignatius und Franz Xaver, wurden auch Vincentius Ferrer und der Spitalheilige Johannes von Gott und der deutschen Barockfrömmigkeit erfaßt 315 . Auch der Jacobuskult erlebte eine Nachblüte. Seinem Kult war, wie Schreiber sagt, ein sonnenhafter und volksnaher Herbst 316 beschieden. Dabei war die Beliebtheit des Volkspatrons Jacobus weitaus entscheidender als die Förderung durch die Jesuiten. Auf die Patrozinienverhältnisse des Sakralraumes Franken übertragen schlägt sich diese Nachblüte des Jacobuskultes im Barock und Rokoko in einer beträchtlichen Anzahl von Jacobuskirchen nieder, deren Patrozinien teilweise auf Kirchenneubauten oder auch auf Patrozinienwechsel zurückgehen. Besonders erstaunlich ist die hohe Anzahl von Jacobuspatrozinien in der Diözese Würzburg, die mit über 20 Jacobustiteln, einem Ablaß und einer Meßstiftung, gegenüber nur drei Pa- 218 Robert Plötz 310 Z IMMERMANN , Patrozinienwahl (wie Anm. 3) 2, S. 102. 311 Ebd. S. 102. 312 P LÖTZ , Santiago-peregrinatio (wie Anm. 4) S. 84. 313 Georg S CHREIBER , Spanische Motive in der deutschen Volksreligiosität, Gesammelte Aufsätze zur Kulturgeschichte Spaniens 5 (1935) S. 33-39. 314 V EIT / L ENHART , Kirche und Volksfrömmigkeit (wie oben Anm. 306) S. 69. 315 Vgl. S CHREIBER , Deutschland und Spanien. Volkskundliche und kulturkundliche Beziehungen (Düsseldorf 1936), passim. 316 Ebd. S. 421. <?page no="229"?> trozinien für die Diözesen Bamberg und Eichstätt weitaus den Löwenanteil stellt. Dieses Phänomen mag in der besonderen Aufgeschlossenheit der Würzburger Bischöfe gegenüber der Volksreligiosität und in der Förderung ihrer Heiligen liegen 317 . Einen Patrozinienwechsel zugunsten von Jacobus führten die beiden ehemaligen B.-M.-V.-Kirchen Thurndorf 318 und Weissenstadt 319 im Bistum Bamberg nach oder während der Reformation durch. Aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts dürften die Jacobuspatrozinien von Greßhausen 320 bei Schweinfurt, (Bad) Königshofen 321 im Grabfeld, Brück 322 bei Dettelbach, Hamberg (D. Diethfurt) 323 im Bistum Eichstätt, Uechtelhausen 324 , das zur Pfarrkirche Schweinfurt gehört, und Custenlohr 325 in der Diözese Bamberg sein. Nicht in der Liste der von Julius Echter erbauten oder erweiterten Kirchen 326 erscheint Reußen- Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft 219 317 Matthias Z ENDER , Gestalt und Wandel von Heiligenverehrung und Wallfahrt an Main und Rhein, in: Volkskultur und Geschichte, Festgabe für Josef Dünninger (Berlin 1970) S. 427. Vgl. auch Wilhelm M ÜLLER , Beobachtungen zum Bau der Dorfkirchen zur Zeit des Bischofs Julius Echter von Mespelbrunn, in: Festschrift für Th. F REUDENBERGER , Würzburger Diözesangeschichtsblätter, 35/ 36 (1974) S. 331-347, dessen Aufzählung der unter Julius Echter erbauten Dorfkirchen ein beredtes Beispiel für die Aktivität Würzburger Bischöfe für die Zeit nach dem Konzil von Trient gibt. 318 Die Pfarrei geht bis auf 1187 zurück (Wachter, Patronate [wie Anm. 100] S. 609). Nach einer Urkunde vom 15.3.1527 war sie noch B. M. V. (H ILLER , Die Kirchenpatrozinien [wie Anm. 100] S. 37). 319 Wahrscheinlich 1485 stiftete der Maler Johann Pezinger von Kulmbach eine Jakobskapelle, deren Patrozinium während der Reformation auf den Neubau der Pfarrkirche von 1518 überging (Christian Erdmann P ÖHLMANN , Kurze Beschreibung der Stadt Weißenstadt, Archiv für Oberfranken 16 [1886] S. 90-315, S. 96f.). Diese war vormals eine Marienkirche, deren Titel erlosch. 320 Die Bauzeit der ersten Kirche ist nicht bekannt. Das älteste Zeugnis ist ein Taufstein von 1561 (A MRHEIN „Realschematismus“ [wie Anm. 102] S. 217). Die Einsetzung des Jacobuspatroziniums soll 1669 erfolgt sein (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 9). 321 Für 1578 wird eine Vikarie s. Jacobi erwähnt (Archivinventare der katholischen Pfarreien in der Diözese Würzburg, hg. von A. A MRHEIN [1914] S. 403). 322 Erik Soder gibt als Jahr der Ersterwähnung 1591 an (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 7), obwohl der Kirchenbau zum Teil aus der romanischen Epoche stammt (Kunstdenkmäler von Unterfranken, H. 2: Stadt und B. A. Kitzingen S. 71). 323 Hamberg wird urkundlich zuerst bei der Einpfarrung zu Daßwang 1582 erfaßt (B UCHNER , Das Bistum Eichstätt [wie Anm. 101] 1, S. 145). 324 Jacobus wird 1593 als Patron zusammen mit Katharina erwähnt (W ENDEHORST , Der Archidiakonat Münnerstadt [wie Anm. 99] S. 46). 325 1598 setzt das Lehens- und Gültbüchlein von St. Jakob in Custenlohr ein (S CHORN - BAUM , Archivinventare [wie Anm.181] S. 574). Ein früherer, vor der Reformation liegender Ursprung des Patroziniums ist anzunehmen. Das Patrozinium legt Erik Soder ins Mittelalter (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 8). 326 Vgl. oben Anm. 317. <?page no="230"?> dorf 327 bei Brückenau, obwohl der Hochaltar (um 1600) auf diesen Zeitraum verweist. Von 1614 stammt die erste Erwähnung der Filialkirche Jacobus der Ältere von Weichtungen (P. Wermerichshausen) 328 , deren Turmgeschoß Anfang des 15. Jahrhunderts entstand 329 , in einer Zeit also, als im Bistum Würzburg zahlreiche spätgotische Kirchen in größeren und kleineren Orten gebaut wurden 330 . Unter Julius Echter wurde die Jakobskapelle in Buch 331 bei Haßfurt erbaut. Auf den Schwedeneinfall während des Dreißigjährigen Krieges und der damit verbundenen Zahlung eines Lösegeldes für den Dorfschultheiß von Rottenberg ging die Stiftung einer Messe alljährlich am Jakobstag im Kapellchen Visitationis B.M.V. zwischen Rottenberg und Sailauf und einer Prozession dorthin zurück 332 . Um 1653 errichtete das Würzburger Jesuitenkolleg nach Amrhein die Jacobuskapelle von Effeldorf 333 . Im Fall der früheren Andreaskirche von Gützingen (P. Allersheim) 334 wurde Andreas als Hauptpatron von seinem Nebenpatron Jacobus verdrängt. Ein Patrozinienwechsel dürfte auch in Sulzdorf (P. Altenmünster) 335 stattgefunden haben. In Vasbühl 336 bei Schweinfurt erscheint ebenfalls der Erzmärtyrer Stephan als Nebenpatron zu Jacobus. Auf eine Adelsstiftung geht 220 Robert Plötz 327 Der heutige Bau stammt aus dem 19. Jahrhundert (Kunstdenkmäler von Unterfranken, H. 11: B. A. Brückenau, S. 35). Erik Soder erwähnt als Einsetzung für das Patrozinium die Zeit vor 1897 (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 11). 328 Sebastian Z EISSNER , Geschichte der Pfarreien Großwenkheim und Wermerichshausen (Würzburg 1931) S. 54. Erik Soder präzisiert das Jahr und schreibt 1613/ 14 (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 13). 329 Kunstdenkmäler von Unterfranken, H. 10: B. A. Kissingen, S. 228. 330 Vgl. B IGELMAIR , Das Konzil von Trient (wie Anm. 279) S. 40. 331 M ÜLLER , Beobachtungen zum Bau der Dorfkirchen (wie Anm. 317) S. 337. Der Bau wurde 1616 errichtet, das Jacobuspatrozinium legt Erik Soder in seiner Entstehung auf die Zeit vor 1897 (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 7). 332 J. S CHOBER , Sagen des Spessarts 2 (Aschaffenburg 1912) S. 71f. 333 A MRHEIN , „Realschematismus“ (wie Anm. 102) S. 561. Erik Soder legt das Patrozinium in das 16. Jahrhundert (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 8). 334 1669 galt Jacobus schon als Haupt- und Andreas als Nebenpatron (D EINHARDT , Dedicationes [wie Anm. 104] S. 70 u. 117 Anm. 4). 335 Die späte Erwähnung des Jacobuspatroziniums (1669) (W ENDEHORST , Der Archidiakonat Münnerstadt [wie Anm. 99] S. 12) für die schon 1298 erbaute (A MRHEIN , „Realschematismus“ [wie Anm. 102] S. 509) und wohl in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts neu errichteten Anlage (Kunstdenkmäler von Unterfranken, H. 5: B. A. Hofheim S. 92) rechtfertigt jedenfalls diese Annahme. Erik Soder setzt die Einsetzung des Patroziniums früher an, nämlich im Jahr 1613 (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 12). 336 Die Kirche wurde 1695 erweitert und konsekriert (A MRHEIN , „Realschematismus“ [wie Anm. 102] S. 149). Nach Erik Soder wurde das Patrozinium 1669 erstmals erwähnt (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 13) <?page no="231"?> das Jacobuspatrozinium der hl. Kreuzkapelle von Wiesentheid 337 zurück, die von 1686 bis 1694 vom Grafen Otto von Dernbach erbaut wurde 338 . Aus dem späten 17. Jahrhundert wird uns ein St.-Jakobs-Altarpatrozinium der Pfarrei ad s. Agatham in Aschaffenburg-West 339 überliefert. Aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammen zum Großteil die Jacobuspatrozinien der Gotteshäuser von Wartmannsroth 340 bei Hammelburg, Kleinrheinfeld 341 bei Schweinfurt, Waigolshausen (P. Hergolshausen) 342 , Günching (D. Velburg) 343 , Binsbach (B.A. Karlstadt) 344 und Röthlein 345 bei Schweinfurt. Aus der Spätphase des Barocks werden uns die Jacobusaltarpatrozinien von Großostheim (D. Aschaffenburg West 346 ) und Ingolstadt 347 überliefert. Ferner werden dem hl. Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft 221 337 D EINHARDT , Dedicationes (wie Anm. 104) S. 117 Anm. 4. Erik Soder nimmt für das Jacobuspatrozinium die Zeit vor 1897 („Realschematismus“! ) an (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 13). 338 A MRHEIN , „Realschematismus“ (wie Anm. 102) S. 541. 339 D ERS ., Archivinventare der katholischen Kirchen [wie Anm. 321] S. 84. 340 Die jetzige Jakobskirche von Wartmannsroth wurde 1711 erbaut, 1736 zur Pfarrkirche erhoben und 1748 konsekriert (Kunstdenkmäler von Unterfranken, H. 14: B. A. Hammelburg S. 150). Erik Soder setzt ein früheres Jacobuspatrozinium schon für 1478 an (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 13). 341 Die 1760 erbaute Kirche (A MRHEIN , „Realschematismus“ [wie Anm. 102] S. 177) dürfte nach einer Jahreszahl im Türsturz (1712) eine Vorläuferin gehabt haben (Kunstdenkmäler von Unterfranken, H. 8: B. A. Gerolzhofen S. 150). Dafür spricht, daß schon für 1667 das Jacobuspatrozinium erwähnt wird (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 10). 342 Die Untergeschosse des Turms der Jakobskirche sind frühgotisch (Kunstdenkmäler von Unterfranken, H. 8: Stadt und B. A. Schweinfurt S. 266f). Das Langhaus wurde 1609 angebaut. Etwa aus der gleichen Zeit (1610) stammt ein Taufstein (ebd. S. 268). Die heutige Kirche wurde 1717 als Filia der P. Hergolshausen gebaut und 1780 zur Pfarrei erhoben (A MRHEIN , „Realschematismus“ [wie Anm. 102] S. 153). Von 1612 stammt die erste Erwähnung des Patroziniums (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 13). 343 Die Jakobskapelle am Pinzhügel wird 1730 erwähnt, vgl. B UCHNER , Das Bistum Eichstätt (wie Anm. 101) 2, S. 427. 344 Das einfache Rokokokirchlein datiert von 1733 (A MRHEIN , „Realschematismus“ [wie Anm. 102] S. 44), das Patrozinium ist älter und wird zuerst 1594 erwähnt (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 7). 345 Die erste Kirche wurde noch vor 1744 gebaut (Kunstdenkmäler von Unterfranken, H. 17: Stadt und B. A. Schweinfurt S. 241). Hinsichtlich der ersten Erwähnung des Patroziniums folgt Erik Soder Amrhein (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 11) und legt sie auf die Zeit vor 1897. 346 Der Altar ss. Magdalenae et Jacobi wurde 1748 konsekriert (A MRHEIN , Archivinventare der katholischen Pfarreien [wie Anm. 102] S. 91). 347 1753 vermacht Hermann Anton Maria v. Chlingensperg 3000 fl. für ein „Familienbenefizium“ mit der Auflage einer Wochenmesse in der Chlingenspergischen Kapelle St. Jakob bei U. L. F. und 12 Jahresmessen in der Jesuitenkapelle zum hl. Kreuz (B UCHNER , Das Bistum Eichstätt [wie Anm. 101] S. 614). <?page no="232"?> Jacobus noch die Kirchen von Schraudenbach (P. Zeuzleben) 348 und Löhriet 349 bei Neustadt an der Saale geweiht. Mit Ablässen für die Tage St. Philippi und Jacobi der Kirche Nativitas B.M.V. zu Höchberg 350 bei Wüzburg für 1770 klingt die Spätblüte der Jacobusverehrung im fränkischen Patrozinienwesen aus. 14. Ausklang im 19. Jahrhundert Das 19. Jahrhundert bringt noch mehrere Weihenotizen: St. Jakob ist Patron der 1826 erbauten Kirche von Leidersbach (P. Sulzbach) 351 und Konpatron zu Elisabeth in der Kapelle beim Wachthof 352 in der Pf. Wissing (D. Berching). Als zweiter Patron wird Jacobus schließlich in der neuen Pfarrkirche von Töging (D. Beilngries) 353 verehrt. 15. Regionanalyse Bei abschließender Betrachtung der Jacobuspatrozinien in Franken und der Einflüsse, die zu ihrer Bildung und Einsetzung beitrugen, können wir folgende Schlüsse ziehen: Aufgrund der intensiven Förderungen der peregrinatio nach Compostela von weltlicher und kirchlicher Seite her wurde das Jacobusgrab seit der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts als Kultzentrum auch in Deutschland und Franken bekannt. Besonders die Förderung durch den Orden von Cluny, der wesentlich zur Popularität des spanischen Apostelgrabes beitrug, brachten Jacobus mit der Reform von Gorze-Cluny auch in den fränkischen Sakralraum. Als Pilgerheiliger der Mönche mag Jacobus zweifelsohne eine Reihe von Kirchenstiftungen beeinflußt haben, jedoch erhalten wir darüber nur in zwei Fällen befriedi- 222 Robert Plötz 348 Die Bauzeit liegt bei 1752 (A MRHEIN , „Realschematismus“ [wie Anm. 102] S. 155 und Kunstdenkmäler von Unterfranken, H. 17: Stadt und B. A. Schweinfurt S. 246), für die Ersterwähnung des Patroziniums steht steht 1608 (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 12). 349 Die Jakobskirche wurde 1754 erbaut und konsekriert (Kunstdenkmäler von Unterfranken, H. 22: B. A. Neustadt a. d. Saale S. 98, und A MRHEIN , „Realschematismus [wie Anm. 102] S. 441). 350 Joseph G LÖGGLER , Höchberg, der älteste Marienwallfahrtsort Frankens (Würzburg 1907) S. 14. Auch hier dürfte es sich um Jacobus Minor handeln, obwohl es nicht ausdrücklich erwähnt wird. 351 A MRHEIN , „Realschematismus“ (wie Anm.102) S. 80. Erik Soder gibt als Jahr der ersten Erwähnung 1324 (mit Fragezeichen) an (Ms. dactil. S ODER [wie Anm. 86] S. 10). 352 Die Kapelle, für die 1831 auch Wallfahrten aufgeführt werden, ist eine private Stiftung des Hofbesitzers aus dem Jahr 1827 (B UCHNER , Das Bistum Eichstätt [wie Anm. 101] 2, S. 784). 353 Die Kirche wurde 1867 konsekriert (Ebd., S. 629). <?page no="233"?> gende Auskunft. In ihrer großen Mehrheit rühren die ersten Jacobuspatrozinien der fränkischen Bistümer von ihrer Verbindung mit der Reform und deren Orden her. Alle Vorgänge, die die Patrozinienwahl beeinflußten, spielten sich in einem Kreis von Gleichgesinnten, nämlich Verfechtern der klösterlichen Reform von Gorze ab. Der Angelpunkt des Geschehens war Schwarzach, das nicht zuletzt auf Bestreben des Würzburger Bischofs Adalbero der Junggorzer Reform beigetreten war und diese unter seinem bedeutenden Abt Ekkebert in Franken verbreitete. Vor allem das reformierte Kloster Michelsberg zu Bamberg nahm sich des hl. Jacobus an und brachte sein Patrozinium in seine Niederlassungen. Die Mönche trugen mit der Reform auch ihre Heiligen in ihre Landkirchen. Auch innerhalb ihrer Klöster errichteten die Benediktiner, wenn auch nicht während der Reformzeit, Kapellen mit dem Reformpatronat des Apostels Jacobus. Die relativ späte Entstehungszeit der Jacobuspatrozinien, die auf die Hirsauer Reform zurückgehen, läßt sich aus der ablehnenden Haltung der fränkischen Bistümer gegenüber der strengen Gregorianischen Reform erklären, die nur im Südwesten des Bistums Würzburg schon im 11. Jahrhundert Eingang fand. Jedoch schon zu Beginn des 12. Jahrhunderts kam unter Bischof Otto von Bamberg ein gewisser Ausgleich zustande, der die Ausbreitung von Niederlassungen der neuen Orden von Cîteaux und Prémontré auch in Franken vorbereitete. Eine große Anzahl der Jacobuspatrozinien des 12. und 13. Jahrhunderts wurden von den Zisterziensern eingesetzt, wobei die Bevorzugung von Jacobus hinsichtlich der Patrozinienwahl durch die Zisterziensernonnenklöster ins Auge fällt. Relativ spät, erst gegen Ende des 12. Jahrhunderts (1192), tritt mit Pflochsbach das erste Reformpatrozinium im Bistum Würzburg auf, obwohl sich im Südwesten dieses Bistums die Hirsauer Bewegung von Anfang an einer großen Förderung erfreute. In der gleichen Diözese wurden dann aber auch die Erinnerungen an das Reformpatronat von Jacobus durch die Weihe zahlreicher Jacobuskirchen gerade im 13. und 15. Jahrhundert besonders gepflegt. In der insularen Tradition steht das Jacobuspatrozinium des Würzburger Schottenklosters. Eine umfangreiche Gruppe bilden die Jacobuskirchen und -kapellen, die dem Pilger- und Wegepatron geweiht wurden. Die Zunahme des Straßenverkehrs seit dem 11. Jahrhundert, die zeitgleiche Blütezeit des Jacobuskultes, die Anlage und Erweiterung zahlreicher Ort und deren Ausstattung sowie die Mittel- und Durchzugslage Frankens seit mindestens dem 9. Jahrhundert dürften hier die ausschlaggebenden Faktoren sein. Entlang karolingischer Altstraßen, aber auch entlang unbedeutenderer Verbindungsglieder an Flußübergängen und am Schnittpunkt alter Straßen stehen Jacobuskirchen und -kapellen. Die Kreuzzugsidee, die zur Sanktionierung des Krie- Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft 223 <?page no="234"?> ges durch die Kirche wesentlich beitrug, brachte auch Jacobus als miles Christi und matamoros dem Adel nahe. Immer mehr Krieger kämpften zudem auf ihrer Reise nach Jerusalem an der zweiten heiligen Front gegen die Sarazenen. Jacobus wurde als Gleichgestellter in den Kreis der Adelspatrone aufgenommen, seinem Patrozinium wurden zahlreiche Kapellen in Burgen geweiht. Auch Burgmannensiedlungen, die sich zu Städten entwickelten, griffen den Patron des Burgherrn auf und weihten ihm ihre neuen geistlichen Zentren. Vom Adel wurde der hl. Jacobus in die Landkirchen gebracht, wo er sein Patronatsrecht ausübte. Auch der Deutsche Orden pflegte Beziehungen zum Heiligen der Maurenkämpfe und weihte ihm mehrere Niederlassungen innerhalb der fränkischen Bistümer. Der Pilgerpatron wurde bald auch als Patronatsherr des Spitalwesens angerufen. Eine stattliche Anzahl von Jakobskirchen im 15. und 16. Jahrhundert rühren von der Stellung des Jacobus als Volkspatron her, in der er nach Auflösung der alten Sonderpatrozinien zu Ende des Mittelalters von allen Ständen verehrt wurde. Der Volkspatron Jacobus reflektiert besonders deutlich den Übergang von der Patrozinienpraxis der Reform zu der des Spätmittelalters. Besonders ländliche Kirchen zeigten sich davon beeinflußt. Mit dem qualtitativen Niedergang der großen Pilgerfahrt des Mittelalters, der peregrinatio „ad limina Beati Jacobi“, die noch bis zur Säkularisierung und der damit verbundenen Zerschlagung der karitativen Infrastruktur in Franken erfahr- und greifbar war - die Register des großen Hospital de los Reyes in Compostela legen Zeugnis dafür ab - erfolgte von Seiten der Kirche als Kompensation und auch zum Wohle der Bistümer eine Hinwendung zu lokalen und regionalen Sakralzentren, wie z. B. zu Dettelbach für das Bistum Würzburg. Diese Kultkonzentrierung regionalen Ranges schmälerte jedoch in keiner Weise die Beliebtheit des Apostels Jacobus, der als Volkspatron mit zahlreichen Sonderpatronaten tief in die barocke Frömmigkeit des sakralen Frankens eingebettet war. Zum anderen verhalfen die Förderung durch die Jesuiten und eine neue, aus dem iberischen Raum kommende Sakralströmung, die mit der katholischen Reformbewegung Hand in Hand ging, dem Jakobuskult zu neuer Blüte im fränkischen Sakralraum, die sich vor allem auf dem Gebiet des Bistums Würzburg auswirkte. Die Aufklärung und die oben angesprochene Säkularisation setzte dann auch für die Jacobusverehrung in Franken den Schlußpunkt. Aus den nachfolgenden Jahren sind nur sehr wenige Weihenotizen überliefert. In meinem ersten Versuch einer Behandlung der Patrozinien auf dem Gebiet der drei fränkischen Patrozinien 354 möchte ich entgegen meiner 224 Robert Plötz 354 P LÖTZ , Santiago-peregrinatio (wie Anm. 4) S. 90-92. <?page no="235"?> Bestrebungung keine Statistik erstellen, sondern nur auf einige Besonderheiten hinweisen. Es konnten mehr als 240 Jacobuspatrozinien ausfindig gemacht werden, wobei etwas mehr als die Hälfte im Bistum Würzburg eingesetzt wurden. Am wenigsten sind im Bistum Eichstätt vorhanden. Auch eine statistische Aufgliederung nach Sonderpatronaten möchte ich unterlassen, da bei der Patrozinienwahl, besonders im Hoch- und Spätmittelalter, oft mehrere Einflüsse zusammenkamen, von denen dann der mutmaßlich wichtigste zur Eingliederung hergenommen wurde. Generell kann jedoch gesagt werden, daß das Patrozinienbild hinsichtlich seiner Aufgliederung in Sonderpatronate im wesentlichen die gleiche Anzahl von Reformpatrozinien und Wegepatrozinien innerhalb der größeren Bistümer Bamberg und Würzburg aufweist, während das Bistum Eichstätt naturgemäß eine jeweils fast um die Hälfte verringerte Patrozinienzahl vorzuweisen hat. Das numerische Erscheinungsbild von Jacobus als Volkspatron entspricht in etwa der Patrozinienverteilung in allen drei Diözesen. Größere Abweichungen treten nur in zwei Fällen auf: Bei der Verteilung der Adelspatrozinien fällt auf, daß das Bistum Bamberg mit seinen nachweisbaren Adelstiteln gegenüber der Diözese Eichstätt und dem Bistums Würzburg eindeutig an der Spitze liegt, wobei die geopolitische Struktur des Bistums an der alten Slavengrenze eine bedeutende Rolle gespielt haben dürfte. Ferner ist noch eine besonders intensive Nachblüte des Jacobuskultes für die Zeit zwischen dem Trienter Konzil und der Aufklärung auf dem Gebiet der Diözese Würzburg zu beobachten. Es ist noch nicht möglich, anhand des hier erstellten Patrozinienbildes in Franken ein abschließendes Urteil über das Ausmaß der Jacobusverehrung auch in anderen Regionen fällen zu können. Hüffer z. B., der dies versuchte 355 , stützt sich auf überholtes Zahlenmaterial von Lang 356 und Dorn 357 . Einzig der auch von Hüffer 358 intensiv benutzte Fink 359 hat eine einigermaßen erschöpfende Aufstellung für Tirol vorgelegt, ebenso wie Krumwiede 1960 für die mittelalterlichen Kirchen- und Al- Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft 225 355 H ÜFFER , Von Jacobuskult (wie Anm. 36) S. 22. 356 L ANG , Rede über die heiligen Schutz Patronen (wie Anm. 63) S. 7 erwähnt 101 Jacobuspatrozinien für den gesamten altbayerischen Raum. 357 D ORN , Beiträge zur Patrozinienforschung (wie Anm. 65) S. 234. Er führt an Jacobuspatrozinien an: für Bayern 101, für die Diözese Augsburg 13, für Chur 17, für Lausanne 19, für das Bistum Freiburg 24, für Württemberg 7, für die Diözese Köln 17, für Münster 5 und für das Eichsfeld 2. Diese Zahlen übernahm Hüffer. 358 H ÜFFER , Von Jacobuskult (wie Anm. 36) S. 19-23, und D ERS ., Die spanische Jacobusverehrung (wie Anm. 171) S. 127-129. 359 F INK , Die Kirchenpatrozinien Tirols (wie Anm. 28) S. 164f. Demgemäß befinden sich in Tirol über 70 Jacobuskirchen. <?page no="236"?> tarpatrozinien 360 . Einen guten Einstieg in die Thematik boten A. Schröder für das Bistum Münster 361 und M. Santos Noya für Südwestdeutschland 362 vor. Nur eingeschränkt brauchbar ist die umfangreiche Dissertation von B. Graf 363 , der häufig das Datum der ersten Erwähnung einer Kirche als Einsetzung des Patroziniums ausgibt. Wendet man moderne Forschungsmethoden an und wertet das Material quellenkritisch aus, wie zum Beispiel Wendehorst und Zimmermann für die Diözese Würzburg, Deinhardt und Hiller für Bamberg und Buchner für die Diözese Bamberg, so müßte das Ergebnis anders ausfallen. Der Würzburger Diözesanarchivar Erik Soder von Güldenstubbe definiert überzeugend die Schwierigkeiten der einschlägigen Forschungen anhand der Patrozinien des nachmittelalterlichen Bistums Würzburg, die „insgesamt eine ungemein vielgestaltige Sakrallandschaft bilden“ 364 . Soder vertrit den Forschungsansatz, daß „neben den Gebieten, die Würzburg infolge der Reformation und der kirchlich-diözesanen Verselbständigung des fuldischen Stifts verlorengingen, auch die territorialen Änderungen durch die Säkularisation und durch die Folgen des deutsch-deutschen Krieges von 1866, der zur nochmaligen Abtrennung gewisser Gebiete an Fulda im Jahre 1871 führte sowie besonders durch den Zugewinn des Aschaffenburger Oberstifts aus dem Gebiet des ehemaligen Erzbistums Mainz Berücksichtigung finden“ müssen 365 . Erik Soder fügt unter Berücksichtigung der erweiterten und verbesserten Quellenlage folgende Jacobuspatrozinien im Großraum Bistum Würzburg dem bereits vorliegenden Katalog bei, die ich in alphabetischer Reihenfolge unter Einbezug der Ersterwähnung anführe: Adelsheim 1 (1498), Adelsheim 2 (1899), Bernbrunn (†), Bimbach (n.n.), Bremen (1501), Büchenberg (1656), Dietershan (1615), Dorf Allendorf (MA), Dunzendorf (MA), Fahrenbach (†), Fulda 1 (Abtskirche um 1270), Fulda 2 (Domdechanei-Kapelle †1750), Gaukönigshofen (1336), Geiselwind (1929), Henneberg (15. Jh.), Herbolzheim (MA), Herolz (MA), Holzhausen (1462), Hünfeld (1283), Lettgenbrunn (1685); Liebards 226 Robert Plötz 360 H ENNECKE / K RUMWIEDE , Die mittelalterlichen Kirchen- und Altarpatrozinien (wie Anm. 59). 361 S CHRÖDER , Spuren der Jakobus-Verehrung (wie Anm. 60) S. 130-138, mit Karte. 362 S ANTOS N OYA , Zeugnisse des Kultes (wie Anm. 45) S. 37f. und 40-42 (Chronologische Liste). 363 G RAF , Oberdeutsche Jakobsliteratur (wie Anm. 63) spez. S. 283-482. 364 Ms. dactil. S ODER (wie Anm. 86) S. 3. 365 Ebd. Ein Großteil der von Erik Soder von Güldenstubbe bearbeiteten Quellen und Unterlagen stand mir bei meinen damaligen Untersuchungen zu den fränkischen Patrozinien nicht zur Verfügung, zumal das Würzburger Diözesanarchiv erst eingerichtet wurde. <?page no="237"?> (1727), Lohrbach (1486), Mittelsinn (1413), Modlos (1952), Nagelsberg (1516), Neuherberg (1556), Neustetten (1611: vielleicht Jacobus Minor), Niederbieber (1674), Nilkheim (ev. †), Oberwildflecken (1957), Randersacker (um 1600), Reinhardsachsen (1653), Reuchelheim (1652), Reulbach (1752), Rodenbach (vor 1835), Rothenburg (1285), Schmalkalden (1319), Soisdorf (1656), Steinau (1486), Stöckenburg (1501), Thalau (1552), Unterneubrunn (1490), Welkers (1493), Westheim (1422) und Wiesenthal (1517) 366 . Für Würzburg erwähnt E. Soder in seiner nicht abgeschlossenen Liste erstmals den Marmelsteiner Hof (1466-1495) und den Hof des Propstes Gerlach 367 . Nach den vorliegenden Ergebnissen dürfte Franken, um es vorsichtig zu formulieren, einer der Räume innerhalb der deutschen Sakralgeographie gewesen sein, der am stärksten auf den Jacobuskult reagierte. Diese Wertung bedarf aber noch einer Bestätigung, die erst nach dem Vorliegen eines allgemeinen deutschen Patrozinienkatalogs gegeben werden könnte. V. Schluß Das Jacobuspatrozinium gehört nicht zu den Grundpatrozinien, hat aber doch erste Spuren in der entstehenden frühmittelalterlichen Sakrallandschaft Europas hinterlassen, deren Grundlage die Bedeutung des Heiligen gewesen sein dürfte, die er als Bruder des Apostels Johannes und als erster Blutzeuge des neuen Glaubens unter den Aposteln genoß. Auch die „passio magna“, die ab der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts verbreitet war, und die Notiz über die okzidentale Rolle des Apostels im „Breviarium Apostolorum“ und die davon abhängigen Schriften, trugen zu einer ersten Phase der Patrozinienbildung im Loire-Rhône-Raum bei. Frühe Gründungen in Galicien dürften auf die literarische Verbreitung des Grabfundes ab dem zweiten Drittel des 9. Jahrhunderts zurückgehen. Gegen Ende des 9. und im 10. Jahrhundert tauchen bereits die ersten Jacobuspatrozinien im Süden des deutschsprachigen Bereichs auf, die wahrscheinlich aus Gallien kamen. In nennenswertem Umfang setzt eine Welle von Patroziniengründungen in ganz Europa ab dem 11. Jahrhundert ein, die eng mit Klosterkultur und Klosterreform verbunden sind. Einige der ersten waren die erst kurz vorher seßhaft gewordenen Normannen, deren Feudalfamilien sich schon früh der Reform an- Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft 227 366 Ms. dactil. S ODER (wie Anm. 86) S. 7-13. 367 Ebd., S. 13. <?page no="238"?> schlossen und zeitversetzt das Jacobuspatrozinium auch nach Sizilien mitnahmen. Ab dem 12. Jahrhundert kann man dann fast von einer Explosion der Jacobuspatrozinien in Europa sprechen, deren Ursachen hauptsächlich in der gleichzeitig sich vollziehenden Städteentwicklung mit der entsprechenden Strukturierung und Ausstattung des Raumes, in der Erschließung von Handels- und Verkehrswegen, der Reformbewegung bis in die Landkirchen und der ersten großen Blütezeit der Pilgerbewegung „ad Sanctum Jacobum“ liegen. Dazu kommen Sonderpatrozinien für Adel und Schottenklöster und deren Niederlassungen. Die Fallstudie Franken belegt überzeugend diese Entwicklungen und zeigt auch die weitere Patrozinienengestaltung auf, der Jacobus als Volks- und Sonderpatron zugrunde liegt. Wie bei anderen Heiligen auch, deren Kult mit einem Grab und damit mit einer Pilgerfahrt verbunden ist, verhindert die Zerschlagung der karitativen Infrastruktur der Weg durch die Säkularisierung einen weiteren Verlauf der Pilgerfahrt und auch des damit verbundenen Heiligenkultes. Von Krakau bis nach Santiago de Compostela erfüllt Jacobus hier anhand der Geschichte seiner Patrozinien die Aufgabe, die gesamteuropäische Dimension eines Heiligenkultes in seiner Sakraltopographie und der dazugehörenden sozio-kulturellen Geschichte zu erfassen: von der ersten literarischen Spur in Europa, einem lokal beschränkten Grabkult und dessen erster regionaler Expansion bis zur gesamteuropäischen Explosion, ein Kult, dessen Zentrum, das mutmaßliche Apostelgrab in Santiago de Compostela, auch heute wieder hochaktuell ist. Resumen: El patrocinio de Santiago no pertenece a los patrocinios de primera hora pero ha dejado huellas tempranas en la geografía sagrada de Europa de la Baja Edad Media. Motivo de esto debería haber sido la fama de la cual Santiago gozó como hermano de San Juan y como primer mártir de la buena nueva entre los apóstoles. Testimonios literarios como la „passio magna“ a partir del siglo VI, el „Breviarium Apostolorum“ y la literatura dependiente de ellos subrayaron la importancia del papel occidental de Santiago dando como resultado la instauración de tempranos patrocinios en la zona de la Loire y Rhône. Fundaciones tempranas en Galicia a partir del segundo tercio del siglo IX deberían haber reflejado el hallazgo/ „inventio“ de la tumba apostólica allí. A finales del mismo siglo aparecen ya los primeros patrocinios de Santiago en las regiones meridionales de lengua alemana, probablemente importado de Gallia. Un volumen considerable alcanzó las dotaciones de iglesias con patrocinios de Santiago en toda Europa a partir del siglo XI cuando el movimiento espiritual de la reforma monástica llegó a su máxima importancia. Entre los primeros seguidores del nuevo movimiento se encontraron los normandos, los cuales llevaron el patrocinio de Santiago de la Normandia a Sicilia con el consecuente retraso temporal. 228 Robert Plötz <?page no="239"?> Hasta que a partir del siglo XII se podía hablar de una explosión cuantitativa de los patrocinios de Santiago cuyas razones se fundaron mismamente en el continuo desarrollo urbano con su correspondiente estructuración y dotación territorial, en la apertura de rutas para tráfico y comercio, en la realización del movimiento de la reforma hasta en las iglesias rurales, además en la primera apoteosis de la peregrinación „ad Sanctum Jacobum“. Se añaden patrocinios especiales para los nobles o para los „monaci iroscoti“ en sus dependencias. El análisis del panorama histórico de patrocinios de los obispados de Franconia oriental da fe de tales desarrollos históricos mostrando además la formación de patrocinios posteriores debido a la gran popularidad del apóstol en la Edad Media Tardía en los gremios y profesiones urbanos. En los tiempos modernos palideció la fama de Santiago y deja lugar a otras formas de religiosidad. Un papel importante jugó la desamortización que tenía como consecuencia una caída tremenda de la práctica peregrina y que efectuó - contando por supuesto con demás factores - a la instauración de patrocinios de Santiago. Der Apostel Jacobus in der europäischen Patrozinienlandschaft 229 <?page no="241"?> Pilgerfahrten in den Stralsunder Bürgertestamenten als Spiegel bürgerlicher Religiosität H ARTMUT B ETTIN ; D IETMAR V OLKSDORF Für Stralsund, die wohl bedeutendste pommersche Stadt im Mittelalter und eine wichtige Größe im Hansebund, gehörten weitreichende Seetransporte zum Alltag. Daher ließe sich beispielsweise annehmen, daß Santiago de Compostela, angesichts der erheblichen Gefahren einer Pilgerreise auf dem Landwege und des bedeutenden Stellenwertes dieser Gnadenstätte im europäischen Wallfahrtswesen des Spätmittelalters, für die Stralsunder ein attraktives Fernwallfahrtsziel darstellte. Tatsächlich ist eine Massenwallfahrt von Stralsundern zum Heiligen Jakob in Galicien auf dem Seewege überliefert, doch lassen sich anhand derartiger „Sondernachrichten“ der Chronisten schwerlich allgemeine Aussagen über das Wallfahrtsinteresse der Bürger einer mittelalterlichen Stadt treffen. Testamente hingegen, sofern sie wie in Stralsund in größerer Zahl erhalten geblieben sind, bieten die nötige Menge an Informationen, um sich fundiert dieser Fragestellung zu nähern. Die Stralsunder Bürgertestamente 1 wurden bisher nur selten und auch nur sehr punktuell in einigen wenigen Darstellungen des Pommerschen Pilgerwesens einer Analyse unterzogen. Eine umfassende Darstellung der Wallfahrtsbegeisterung Stralsunder Bürger anhand mittelalterlicher Bürgertestamente steht bisher noch aus 2 . Überhaupt erfolgte eine 1 Von 1017 Stralsunder Bürgertestamenten (künftig als ‚Stralsunder Testamente‘ zitiert) aus den Jahren von 1309 bis 1530 enthalten bis auf wenige Ausnahmen fast alle Testamente Vergabungen verschiedenster Art an zahlreiche kirchliche und soziale Einrichtungen sowie an bedürftige Personen. 220 Testamente verzeichnen auch Pilgerreisen, die entweder angeordnet wurden oder selbst unternommen werden sollten. Alle verwertbaren Informationen hierüber ließen sich in einer umfangreichen Datenbank erfassen, die eine Vielzahl von Auswertungsmöglichkeiten hinsichtlich des Wallfahrtsverhaltens der Stralsunder Bürger eröffnete. 2 Vgl. auch Martina H AGGENMÜLLER , Romwallfahrt aus der Diözese Augsburg (Diss. Augsburg 1992). <?page no="242"?> vergleichbare systematische Erforschung mittelalterlicher Testamente mit Blick auf die Pilgerfahrten bislang vor allem mit Lübecker Material. Neben den Testamenten liefern verschiedene andere Quellengruppen, insbesondere die umfangreiche Quellengruppe der Mirakelsammlungen, zweifellos weitere wichtige Erkenntnisse bei der Erforschung des Wallfahrtsverhaltens. Aber auch archäologische Quellen wie Pilgerzeichenfunde 3 können möglicherweise Untersuchungen bestätigen oder auch ganz andere Ergebnisse erbringen, daher kann die Testamentsauswertung nur ein, wenn auch ein gewichtiger Baustein für die Darstellung des Pilgerwesens einer Stadt oder Region sein. In Bezug auf das Wallfahrtswesen erlauben es die Testamente gerade durch ihre Vielzahl, Rückschlüsse auf die Veränderungen von Verhaltensweisen größerer Menschengruppen zu ziehen, die aus den Mirakelsammlungen nicht gewonnen werden können. So lassen sich beispielsweise zeitliche Veränderungen des Wallfahrtsverhaltens und im Heiligenkult sowie in der Veränderung religiöser Sehnsüchte erfassen. Nebenbei ist es möglich, anhand der Testamente die wichtigsten Pilgerrouten nachzuzeichnen, die Kosten der Pilgerfahrten zu ermitteln, soziale Einordnungen wallfahrender Testatoren vorzunehmen, um nur einige der vielen Möglichkeiten anzudeuten, die uns die Testamente in Hinblick auf das Pilgerwesen bieten. Der Wert der Testamente, die zu den urkundlichen Quellen gehören, wird vor allem in Bezug auf die Erforschung von Verhaltensweisen häufig unterbewertet. Zwar besteht zweifellos eine gewisse Formulargebundenheit der Testamente, dennoch sind aus zahlreichen Abweichungen von der allgemeinen Formel individuelle Frömmigkeitsäußerungen herauszulesen. Je nach persönlicher Vorliebe konnte der Gläubige in seinem Testament unter verschiedenartigen Formen der Frömmigkeit wählen; er konnte sich für „karitatives Engagement“ entscheiden, z. B. in einem Hospital; er konnte Straßen- 232 Hartmut Bettin; Dietmar Volksdorf 3 Vgl. hierzu Lars A NDERSSON , Pilgrimsmärken och vallffart. Medeltida pilgrimskultur i Skandinavien (Lund Studies in Medieval Archeology 7, 1989); Kurt K ÖSTER , Mittelalterliche Pilgerzeichen, in: Wallfahrt kennt keine Grenzen, hg. von Lenz K RISS - R ETTENBECK / Gerda M ÖHLER (München/ Zürich 1984) S. 203-223; Marie-Luise F AVREAU -L ILIE , Cives peregrinus. Soziale und rechtliche Aspekte der bürgerlichen Wallfahrt im späten Mittelalter, Archiv für Kulturgeschichte 76/ 2 (1994) S. 321-350; D IES ., The German Empire and Palestine: German pilgrimages to Jerusalem between the 12th and 16th century, Journal of Medieval History 21 (1995) S. 321-341 oder Einzelstudien wie Günther M ANGELSDORF , Das Aachhorn von Greifswald - ein Beitrag zur mittelalterlichen Devotionalienkunde (Jahrbuch Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin 1992) S. 219-225. <?page no="243"?> und Brückenbau unterstützen, daheim Messen feiern und Psalmen singen lassen, monastischen Gemeinschaften oder Armen Hilfe gewähren, er konnte aber auch mit seinem Nachlaß Stellvertreter-Wallfahrer entsenden oder aber selbst auf Wallfahrt gehen. Wallfahrten wurden aus ganz unterschiedlichen Motiven heraus unternommen; zur Verehrung Heiliger, zur Erlangung des Seelenheils, um einen Ablaß (besonders anziehend waren die regelmäßig organisierten Jubiläumsablässe) oder Sündenvergebung zu erlangen, um an heiliger Stätte Bitten aus individueller Not vorzubringen. Nicht selten bestand die Verpflichtung, aufgrund eines Angestellten-, Untertanen- oder Verwandtschaftsverhältnisses als Begleitung oder in Stellvertretung zu pilgern. Millionen Pilger waren im Mittelalter unterwegs. Um die Dimensionen des Pilgerwesens zu verdeutlichen seien einige überlieferte Angaben zum Pilgeraufkommen an verschiedenen Gnadenstätten angeführt. Im Jubeljahr 1450 sollen täglich 40.000 Pilger Rom besucht haben, in Santiago de Compostela geht man von 200.000 bis 500.000 Pilgern jährlich aus 4 . Zeitgenossen sprachen im 15. Jahrhundert davon, daß Santiago der Ort der Christenheit in Europa sei, zu dem die größte Zahl von Pilgern wallfahre 5 . Zum Engelweihfest in Einsiedeln im Jahre 1466 sollen 130.000 Pilgerzeichen innerhalb von vierzehn Tagen verkauft worden sein. In Aachen will man 1496 42.000 Personen und 1512 in Trier 40.-80.000 Pilger während eines Tages gezählt haben. In Wilsnack, das eine Bevölkerung von ungefähr 1.000 Menschen hatte, sollen im Jahr immerhin 100.000 Personen zum Heiligen Blut gepilgert sein 6 . Die Angaben über Pilgerzahlen an den verschiedenen Gnadenstätten erscheinen sehr hoch und mögen in vielen Fällen eher als Teil der Wallfahrts- und Kultpropaganda zu werten sein, dennoch vermitteln sie bei aller notwendigen Vorsicht eine ungefähre Vorstellung von den gewaltigen Pilgerströmen zu den heiligen Stätten. Insbesondere die anschauli- Pilgerfahrten in den Stralsunder Bürgertestamenten 233 4 Vgl. A NDERSSON (wie Anm. 3) S. 12-13; Ludwig S CHMUGGE , Kollektive und individuelle Motivstrukturen im mittelalterlichen Pilgerwesen, in: Migration in der Feudalgesellschaft, hg. von Gerhard J ARITZ / Albert M ÜLLER (Studien zur Historischen Sozialwissenschaft 8, Frankfurt/ New York 1988) S. 266-267; Norbert O HLER , Pilgerleben im Mittelalter (Freiburg/ Basel/ Wien 1994) S. 30f.; Christian K RÖTZL , Pilger, Mirakel und Alltag, Formen des Verhaltens im skandinavischen Mittelalter (12.-15. Jahrhundert) (Studia Historica 46, Helsinki 1994) S. 101. 5 So z. B. der Augsburger Sebastian Ilsung; vgl. Hermann H ÜFFER , Von Jacobs-Kult und Pilgerfahrt im Abendland, in: Die große Wallfahrt des Mittelalters, hg. von Hellmuth und Vera H ELL (Tübingen 1985) S. 16. 6 Vgl. folgende Anmerkung; s. auch M ANGELSDORF (wie Anm. 3). <?page no="244"?> chen Schilderungen der Chronisten zeichnen ein lebendiges Bild der Wallfahrtsbegeisterung. Vom Jahrestag der Entdeckung des Wunderblutes in Wilsnack wird berichtet, daß so viele Pilger nach Wilsnack gekommen wären, ... daß die in- und außerhalb der Kirchen, welche beide orten doch irer Circumserente und umbkreis zimlich weit, wie es noch augenscheinlich ist, begriffen sind, nicht platzes noch raumes genug haben können 7 . Der Kult um Wilsnack geht auf das Jahr 1383 zurück, als nach einem Kirchenbrand drei konsekrierte Hostien unversehrt, an den Rändern leicht angesengt und mit jeweils einem Blutstropfen versehen in den Trümmern aufgefunden worden waren, die sich bald als wundertätig erwiesen 8 . Das Wilsnacker Wunder war keineswegs das einzige dieser Art 9 , aber bei weitem das bedeutendste. Selbst in Reval verehrte man das Wilsnacker Wunderblut 10 . An den im 15. Jahrhundert spontan um sich greifenden Massenwallfahrten nach Wilsnack beteiligten sich vorzugsweise Pilger aus den unteren sozialen Schichten. Auch aus den norddeutschen Hansestädten sind Massenpilgerfahrten tradiert. Die Quellen verzeichnen in diesem Zusammenhang jedoch zumeist nur außergewöhnliche Vorkommnisse, von denen sich aber dennoch auf eine gewisse Regelmäßigkeit derartiger Pilgerfahrten schließen läßt. Von Hamburg aus gingen wahrscheinlich jährlich Pilgerschiffe nach Santiago. 1506 soll ein solches Schiff mit 100 bis 200 Pilgern im Sturm untergegangen sein 11 . Die Stralsunder Chronik vermerkt, daß 1372 zahlreiche Frauen, um eines bedeutenden Ablasses teilhaftig zu werden, nach Zudar (auf Rügen) pilgerten, wobei 90 Personen ertranken 12 . Bemer- 234 Hartmut Bettin; Dietmar Volksdorf 7 Vorrede in: Matthäus Ludecus, Historia von der erfindung, Wunderwercken und zerstörung des vermeinten heiligen Bluts zur Wilssnagk: Sampt den hierüber und dawider ergangenen schreiben. Allen Liebhabern der Göttlichen warheit und sonderlich der jtzigen Jugent zu gute, mit grossem fleis zusamen getragen (Wittenberg 1586). Zur Schilderung der Massenwallfahrten nach Wilsnack 1475 vgl. Konrad Stolles Thüringisch-Erfurtische Chronik (von 1475), hg. von Ludwig Friedrich H ESSE (Amsterdam 1968) S. 128ff. 8 Claudia L ICHT , Die Inszenierung einer Wallfahrt. Der Lettner im Havelberger Dom und das Wilsnacker Wunderblut (Worms 1990) S. 13. 9 Browe hat für das 14. Jahrhundert 43 eucharistische Verwandlungswunder nachgewiesen; vgl. die tabellarische Übersicht von Peter S. J. B ROWE , Die eucharistischen Verwandlungswunder des Mittelalters, Römische Quartalsschrift für christliche Altertumskunde und für Kirchengeschichte 37 (1929) S. 143ff. 10 Testament des Wilm vame Schede aus Reval vom 10. Mai 1447. Liv-, Est- und Kurländisches Urkundenbuch, A X, S. 228ff, Nr. 334. 11 Hamburgische Chroniken in niedersächsischer Sprache. En kort Uttoch der Wendeschen Chronicon von 801-1535, hg. von Johann Martin L APPENBERG (Hamburg 1861) S. 264; Bodo H EYNE , Von den Hansestädten nach Santiago: Die große Wallfahrt des Mittelalters, Bremisches Jahrbuch 52 (1972) S. 79. <?page no="245"?> kenswert ist hierbei zum einen, daß der Ablaß eine halue römische reise ausmachen sollte, was die Bedeutung Roms im Wallfahrtsbewußtsein der Stralsunder unterstreicht und zum anderen, daß sich die Pilgerschar sozial vollkommen heterogen aus reichen und armen Frauen, Kindern, Ammen, Mägden zusammensetzte. Aus dem Jahre 1508 ist schließlich überliefert, daß von Stralsund aus auer 150 Mannßpersonen ane Frowen und Jungfrowen nach S. Jacob aufgebrochen seien 13 . Auch von Danzig aus stachen Schiffe mit Jakobspilgern in See 14 . Den Städten an Nord- und Ostsee bot sich mit Santiago de Compostela 15 aufgrund seiner Lage ein ideales Ziel für Massenwallfahrten zu See, zumal wie in Rom auch in Santiago de Compostela attraktive Ablässe winkten, wobei das Jakobusfest am 25. Juli von besonderer Bedeutung war. Selbst für diesen international anerkannten Wallfahrtsort erlangte neben der Anziehungskraft von Reliquien und Wundern zunehmend der Ablaß an Bedeutung 16 . Zur Orientierung der Pilger hat es, vergleichbar mit den heutigen Reiseführern, schon im Mittelalter auf den Erfahrungen schreibkundiger Wallfahrer basierende Pilgerberichte bzw. Pilgerführer gegeben, so wie auch Topographien Auskünfte über die heiligen Stätten zu entnehmen waren 17 . 1518 ging beispielsweise in Braunschweig ein niederdeutscher Pilgerführer in den Druck 18 . Pilgerfahrten in den Stralsunder Bürgertestamenten 235 12 Stralsundische Chroniken, Teile 1-3, Stralsund 1833-1870, II: Auszüge aus den Stralsundischen Chroniken vom Jahre 1230-1521, hg. von Gottlieb Christian Friedrich M OHNIKE / Ernst Heinrich Z OBER (Stralsund 1833) S. 163. 13 Bartholomaei Sastrowen Herkommen, Geburt und Lauff seines gantzen Lebens, hg. von Gottlieb Christian Friedrich M OHNIKE , Teil 1-3 (Greifswald 1823/ 24) Teil 3, S. 273f. 14 Hanserecesse. Die Recesse und andere Akten der Hansetage 1256-1430. 3, Vorakte Nr. 122 (Hildesheim 1975) S. 106f. 15 Zur Verehrung des Heiligen Jakobs und zu den Santiagowallfahrten in Norddeutschland vgl. Marie-Luise F AVREAU -L ILIE , Von Nord- und Ostsee ans „Ende der Welt“: Jakobspilger aus dem Hanseraum, Hansische Geschichtsblätter 117 (1999) S. 93-130; H EYNE (wie Anm. 11), 65-84; I. G. K OHL , Über die Verehrung des hl. Jakobus in den norddeutschen Städten und namentlich in Bremen, Zeitschrift für die deutsche Kulturgeschichte N. F. 2, 2. Ser. 2 (1873) S. 103-118. 16 Bernhard S CHIMMELPFENNIG , Die Regelmäßigkeit mittelalterlicher Wallfahrt, in: Wallfahrt und Alltag in Mittelalter und Früher Neuzeit, Internationales Round-Table-Gespräch, Krems an der Donau, 8. Oktober 1990 (Wien 1992) S. 89. 17 Zur Unterscheidung der Textsorten Topographie und Pilgerbericht vgl. Jörg M Ü - LICH , Beschreibung der heiligen Stätten zu Jerusalem und Pilgerreise nach Jerusalem, hg. von Ulrich S EELBACH (Göppingen 1993) S. 67f. 18 De overen ende meddelen straten van Brunswygk tho Sunte Jakob in Gallicien (Braunschweig 1518). Vgl. auch Klaus H ERBERS , Deutschland und der Kult des Hl. Jakobus, in: Yves B OTTINEAU , Der Weg der Jakobspilger (Bergisch Gladbach 1987), S. 252-273, S. 259. <?page no="246"?> Welchen Rang und welche Funktion hatten nun die Pilgerfahrten im Alltagsverhalten? Waren sie Ausnahmeerscheinungen oder konstituierende Teile des Alltagslebens und -denkens? Die Pilgerfahrten besaßen im Lebenslauf des mittelalterlichen Menschen eine gewisse Regularität. Wahrscheinlich unternahm beinahe jeder Bürger, zumindest jene, die dazu auch finanziell in der Lage waren, mindestens einmal im Leben eine Fernpilgerfahrt oder ließ sie stellvertretend ausführen 19 . Kürzere Wallfahrten erfolgten vielleicht sogar mehrmals jährlich. Für Stralsund boten sich hierfür zahlreiche regionale Wallfahrtsziele an, auf die im folgenden noch näher eingegangen werden soll. Außerdem existierten viele lokale Gnadenstätten in der unmittelbaren Umgebung Stralsunds, wie beispielsweise Voigdehagen, Schaprode und Zudar. Obwohl wir aus Urkunden und Chroniken von diesen Wallfahrtsstätten wissen 20 , wurden sie nicht in den Testamenten berücksichtigt. Lediglich in einem Testament aus dem Jahre 1520 ist ganz pauschal von etlichen kleinen Reisen, die zu unternehmen seien, die Rede; d. h. dem Besuch solcher Orte kommt sicherlich eine noch stärkere Alltäglichkeit zu. Ein weiterer Hinweis auf den bedeutenden Stellenwert der Wallfahrten im Alltagsleben findet sich in der Tatsache, daß die Pilgerfahrten Eingang in die Strafgesetzgebung fanden. Mitunter wurden diese Straf-, Sühne- oder Bußwallfahrten auch als eine Art „Sozialhygiene“ der Städte bezeichnet 21 . Vor allem bei Todschlag fanden Sühnewallfahrten Anwendung 22 , die wie die Bittwallfahrten auch stellvertretend ausgeführt werden konnten 23 . Krötzl sieht die Pilgerfahrten als zentrale Elemente des mittelalterlichen Alltagsdenkens und meint, daß die damit verbundenen Verhaltensweisen als Muster angesehen werden können, die den Menschen aus sämtlichen sozialen Schichten bekannt waren und bei Bedarf abgerufen bzw. aktiviert werden konnten 24 . Zugleich ist aber davon auszugehen, daß viele Wallfahrten nicht selten einen Nebenzweck verfolgten, indem sie in Verbindung mit Bildungs-, Geschäfts-, Vergnügungs- oder Erkundungsreisen unternommen wurden. 236 Hartmut Bettin; Dietmar Volksdorf 19 K RÖTZL (wie Anm. 4) S. 17. 20 Vgl. Norbert B USKE , Mittelalterliche Küstenstationen (Diss. Greifswald 1968). 21 H ERBERS (wie Anm. 18) S. 260; vgl. auch B OTTINEAU (wie Anm. 18) S. 85. 22 Nikolaus Suleke sollte beispielsweise 1324 nach Rom pilgern ob salutem animae Marquardi interfecti; vgl. Pommersches Urkundenbuch, hg. vom Königlichen Staats- Archiv Stettin (Stettin 1868ff.) Nr. 3766. 23 Der Stralsunder Bürger Hence Broseyus veranlaßt eine Wallfahrt pro absolutione peccatorum und [elegit] tres viros honorabiles; s. Das älteste Stralsundische Stadtbuch (1270-1310), hg. von Ferdinand F ABRICIUS (Berlin 1872) S. 80, Nr. 110. 24 K RÖTZL (wie Anm. 4) S. 18. <?page no="247"?> Die Frömmigkeitsäußerungen in den Testamenten sind durch eine starke Jenseitsbezogenheit charakterisiert 25 . So steht auch die Bitte um das eigene Seelenheil und das der nächsten Verwandten im Vordergrund der Wallfahrtsmotivation. Vielfach sind den Testamenten Formulierungen zu entnehmen wie: pro salute animae 26 , umme salicheit miner zele 27 , hebbe willen to theende bedevart und pelegrimatze 28 oder einfach nur enen saleghen wech tho thynde 29 . Zumeist wird an die Wallfahrt die Erwartung geknüpft, daß die Heiligen den heren vor my truweliken mogen bidden 30 . Demnach waren die meisten Pilgerfahrten überwiegend Devotionsd. h. im weiteren Sinne also Bittwallfahrten. Ausdrückliche Buß 31 - und Dankwallfahrten waren relativ selten 32 , wobei zu berücksichtigen ist, daß der Zweck der selbst unternommenen Wallfahrten nicht immer angeführt wurde. Andere Quellengruppen können hingegen auch völlig andere Ergebnisse erbringen. So offenbaren die Auswertungen der europäischen Mirakelsammlungen im Spätmittelalter eine typologische Verschiebung von Bittpilgerfahrten mit anschließendem Mirakel bei den Reliquien, hin zu Dankpilgerfahrten, die auf Mirakeln basieren, die sich nicht bei den Reliquien ereignet haben. Im 13./ 14. Jahrhundert betrug der Anteil Pilgerfahrten in den Stralsunder Bürgertestamenten 237 25 Zur „Stiftungsfrömmigkeit“ vgl. auch Karl T RÜDINGER , Stadt und Kirche im spätmittellalterlichen Würzburg (Stuttgart 1978) S. 123ff. 26 Strals. Testamente Nr. 202, 23.08.1353, Wilfard. 27 Strals. Testamente Nr. 445 10.09.1390, Heinrich Vridach und Nr. 685, 30.04.1473, Hans Klese. 28 Strals. Testamente Nr. 623 14.01.1452, Bernd Heket (Hecht). 29 Strals. Testamente Nr. 406 28.09.1385, Heinrich Butzekow; Nr. 434, 01.12.1389; Nr. 444, 03.09.1390, Dietrich Kemesse. 30 Strals. Testamente Nr. 841, 13.01.1501, Jakob Wuste (Vust); Nr. 604, 25.09.1445, Jakob Herder. 31 Bottineau unterscheidet die „unfreiwilligen“ Bußpilger, die nicht aus eigenem Antrieb auf Pilgerfahrt gehen, von den freiwilligen Pilgern; vgl. B OTTINEAU (wie Anm. 18) S. 85. 32 Votivgaben, die den Zweck der Wallfahrten eindeutig auch als Dankwallfahrten kennzeichnen, sind nur selten aufgeführt und fallen überwiegend ins 15. Jahrhundert; z. B. Strals. Testamente Nr. 467, 19.01.1396: Grete Willeken schickt einen Pilger mit 4 Pfund Wachs zum Golme. Strals. Testamente Nr. 604, 25.09 1445: Jakob Herder sendet ...2 vrome manne tosamede to sunte Enwolde und to den Ensedelen myn offer dartobringeden alse to ener resliken stede enes mannes bilde und drey loth sulvers und dat se gode vor my bidden wente ick de reise sulver lovet hebbe. Strals. Testamente Nr. 598, 04.04.1444: Clawes Bolte entsendet einen Pilger zum Hl. Jakob zu Compostela, um dort 7 rh. Gulden zu bezahlen. Strals. Testamente Nr. 705, 01.07.1477, Heinrich Lappelan opfert dem Hl. Jakob zu Compostela 2 Lot Silber; Strals. Testamente Nr. 714, 17.08.1480: Cort Schunemann gibt einem Pilger 1 silbernen menn [? ] von 2 Lot nach Einsiedeln mit auf den Weg. <?page no="248"?> der Dankpilgerfahrten in den Mirakelsammlungen bereits über 90 % 33 . Diese ganz und gar gegensätzlichen Ergebnisse zeigen, daß, wenn man generelle Veränderungen im Charakter der Wallfahrten sehen will, die Notwendigkeit besteht, mehrere Quellengruppen in die Betrachtungen einzubeziehen. Da die Lübecker Bürgertestamente in der Arbeit Norbert Ohlers ‚Zur Seligkeit und zum Troste meiner Seele. Lübecker unterwegs zu mittelalterlichen Wallfahrtsstätten‘ 34 bereits einer näheren Analyse in Bezug auf das Wallfahrtsverhalten unterzogen wurden, sei im folgenden immer auch ein gewisser Seitenblick auf das Lübecker Material gestattet. Allerdings blieben hier einige Fragen offen, da die Auswertung der dortigen Testamente auf fast dreihundert Jahre alten handschriftlichen Quellenauszügen und Zusammenstellungen aus zahlreichen für Ohler noch unzugänglichen, heute allerdings wieder aufgetauchten Originalen beruhte. Kaum zu beantworten erscheint hierbei die Frage, warum sich in den Regesten der Lübecker Bürgertestamente nur so wenige Testatoren finden, die sich selbst auf Wallfahrt begaben, während diese in den Stralsunder Testamenten besonders im 14. Jahrhundert überaus zahlreich verzeichnet sind. Ebenfalls ungeklärt bleibt die Einordnung der Pilgerreisen ohne näher benanntes Wallfahrtsziel. Gab es hier wie in Stralsund auch Wallfahrten mit nicht eindeutig benannten Zielen wie hilghen steden 35 oder limina sanctorum 36 ? In den Stralsunder Testamenten konnte relativ eindeutig davon ausgegangen werden, daß mit den limina sanctorum die Apostelgräber in Rom gemeint waren, nicht nur, weil es sich um einen gängigen Terminus handelte, sondern weil in zwei Testamenten konkret von den limina sanctorum Petri et Pauli apostolorum die Rede war 37 . In wenigen Testamenten werden allerdings auch die heiligen Zwullen 38 des Petrus und Paulus in Rom benannt. Der Schwellenbegriff bezieht sich entweder auf die Eingangsstufen zu den Apostelgräbern oder überträgt den limina 238 Hartmut Bettin; Dietmar Volksdorf 33 K RÖTZL (wie Anm. 4) S. 19ff. 34 Norbert O HLER , Zur Seligkeit und zum Troste meiner Seele. Lübecker unterwegs zu mittelalterlichen Wallfahrtsstätten, Zeitschrift für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde 63 (1983) S. 83-103. 35 Strals. Testamente Nr. 437 31.12.1389, Hermann Strelow; Strals. Testamente Nr. 524, 13.04.1416, Heinrich Kusvelt. 36 Strals. Testamente Nr. 031, 21.09.1339, Hinrik de Werden; Nr. 413, 02.06.1386, Heylewich Brasche. 37 Strals. Testamente Nr. 363, 20. 12. 1376, Johann Schwerin; Strals. Testamente Nr. 304, 19.12.1367, Gerhard Kannemaker. 38 Z. B. Strals. Testamente Nr. 433, 13.11.1389: Clawes Vruwendorp denkt to thende pelegrimatze an de vorth to Rome an de zwulle der hilghen apostoli ghodes petri und pauli... <?page no="249"?> Terminus in sinngemäß veränderter Weise. Neben St. Peter (St. Pietro in Vaticano) und St. Paul (S. Paolo fuori le mura) gehörten mit St. Sebastian und Fabian (S. Sebastino ad Catacumbas), dem Lateran (S. Giovanni in Laterano), dem Heilig Kreuz (S. Croce in Gerusalemme), Sant Laurentius (S. Laurenzo fuori le mura) und Maria maior (S. Maria Maggiore) noch fünf weitere Kirchen zum üblichen Besuchsprogramm der Rompilger. Aber nur die ersten beiden werden in den Testamenten genannt, einerseits, da die Apostelgräber eine größere Popularität als die Reliquien, Heiligen- und Märtyrergräber in den anderen Kirchen besaßen, zum anderen auch, da die Wallfahrer hier einen gewaltigen Ablaß (12.000 Jahre) erlangen konnten 39 , wobei St. Peter mit besonders attraktiven Ablässen ausgestattet war 40 . Hinsichtlich der ebenfalls genannten hilghen steden bestehen noch gewisse Zweifel, ob dieser gelegentlich auftauchende mittelniederdeutsche Ausdruck möglicherweise die limina sanctorum meinte oder eine ganz allgemeine Zielbestimmung darstellte. Die im Vergleich mit dem Stralsunder Material auftauchenden Unklarheiten in der Auswertung der Lübecker Testamente dürften erst im Zuge einer Neubearbeitung der 1711 durch Jacob von Melle, einem protestantischen Geistlichen, erstellten barocken Lübecker Studie zu klären sein 41 . Die Anfang dieses Jahrhunderts angelegten Stralsunder Regesten enthielten eine Reihe von Ungenauigkeiten, die jedoch durch eine nähere Prüfung anhand der in Stralsund noch erhaltenen Originale berichtigt werden konnten. Trotz der angesprochenen Unklarheiten bietet der Aufsatz Ohlers in vielerlei Hinsicht eine willkommene Vergleichsgrundlage für das Stralsunder Material. Um die Relationen bei jeglichem Vergleich zwischen den beiden Städten im Auge zu behalten, seien die unterschiedlichen Gesamtzahlen der Testamente, in denen Wallfahrten angeordnet oder angekündigt wurden, vorab genannt. Während von Melle in den Lübecker Testamenten 704 Besuche verschiedener Gnadenstätten zählte, waren im Stralsunder Material 385 nachzuweisen. Diagramm 1 erlaubt uns daher einen Blick vor allem auf die Veränderungen in der Wallfahrtshäufigkeit in den Stralsunder Testamenten im Vergleich zu Lübeck. Pilgerfahrten in den Stralsunder Bürgertestamenten 239 39 Indulgentiae septem ecclesiarum urbis Rome cum reliquiis suis (o. O. 1505) fol. 5v. 40 H AGGENMÜLLER (wie Anm. 2) S. 136. 41 Jakob von M ELLE , De itineribus Lubecensium sacris seu de religiosis et votivis eorum peregrinationibus, vulgo Wallfarthen quas olim devotionis ergo ad loca sacra susceperunt, commentatio (Lübeck 1711). <?page no="250"?> Diagramm 1 Die erste in den Stralsunder Testamenten nachweisbare Pilgerfahrt fällt in die Zeit um 1320. Die ersten Erwähnungen von Pilgerfahrten in der städtischen Überlieferung gehen allerdings schon auf das 13. Jahrhundert zurück, das durch eine allgemeine Rückläufigkeit des Pilgerwesens gekennzeichnet war 42 . Im ältesten Stadtbuch finden sich Hinweise auf Pilgerreisen, die gegen Ende des 13. Jahrhunderts unternommen wurden, so z. B. nach Riga 43 zu den Heiligen Drei Königen, nach Compostela 44 und nach Jerusalem 45 . Außerdem sind im Stralsunder ‚Liber memorialis‘ im Zeitraum von 1389-1466 einzelne Pilgerreisen aufgeführt, welche mit Rom, St. Jakob zu Compostela, Aachen und Thann Wallfahrtsziele benennen, die auch in den Testamenten zu den bedeutendsten zählten. Es fällt auf, daß von 1330 bis 1349 im Vergleich zu den folgenden Jahrzehnten geradezu eine Wallfahrtsunlust zu registrieren ist. Hierbei mag auch das Scheitern der als peregrinationes aufgefaßten Kreuzzüge im 13. Jahrhundert eine Rolle gespielt haben. Der gravierende Einschnitt in das städtische Leben durch den erstmaligen Ausbruch der Pest im Jahre 1350 verursachte offenbar einen gewissen, wenn auch nicht übermäßig großen und eher langfristig zu registrierenden Aufschwung der Wallfahrtsbegeisterung, so daß in diesem Zusammenhang bedingt von einer Frömmigkeitsintensivierung in Folge dieser Pestepidemie gespro- 240 Hartmut Bettin; Dietmar Volksdorf 42 H AGGENMÜLLER (wie Anm. 2) S. 30. 43 Riga - Das älteste Stralsundische Stadtbuch, hg. von Ferdinand F ABRICIUS , Teil 1, S. 33 (1278) S. 150 (1278) S. 208 (1278); ebd. Teil 3, S. 63 (1280) S. 193 (1282). 44 Ebd., Teil 3, S. 55 (1280). 45 Ebd., Teil 3, S. 329 und S. 332 (beide 1284); Teil 4, S. 370 (1294). <?page no="251"?> chen werden kann. Die folgenden Pest- oder Seuchenjahre waren in Stralsund wie auch in Lübeck viel zu zahlreich, als daß ihre Wirkungen im einzelnen ablesbar wären. Die Jahre 1359, 1376, 1387, 1394, 1405, 1416, 1433, 1451, 1464, 1474 und 1495 sind im betrachteten Zeitraum in Stralsund als Seuchenjahre zu vermerken. In Lübeck traten Epidemien in ähnlichen Intervallen auf 46 . Die Zeit des 15. Jahrhunderts offenbart sich als eine Zeit der Blüte aber bereits auch der Degression des Pilgerwesens. Dieser Rückgang verlief in Lübeck abrupter und schneller als in Stralsund. Bereits 1460 kamen nur noch sehr selten Pilgerfahrten in den Lübecker Testamenten vor. Es ist mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, daß in Lübeck äußere Einflüsse zu Einschränkungen führten. Anzunehmen wären Warnungen oder gar Verbote des Rates, ähnlich wie es in Wismar schon in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts der Fall gewesen war 47 . Die Wismarsche Bürgersprache von 1419 vermerkte als unerwünschte Reiseziele u. a. Aachen, Einsiedeln und Thann 48 . 1454 untersagte der Hamburger Rat Wallfahrten nach Aachen und Einsiedeln. Anscheinend hat es derartige Verbote in Stralsund nicht gegeben, wie die relative Kontinuität der Anzahl angeordneter Wallfahrten im gesamten 15. Jahrhundert vermuten läßt. Daß, wie Ohler anführt, die erste Welle der Wallfahrtsbegeisterung in Lübeck in die Zeit des Stralsunder Friedens (1370) fällt, ist gerade in Stralsund nicht unbedingt zu erkennen. So ist hier, ebenso wie in Lübeck 49 , kaum ein Zusammengehen der Wallfahrtsbewegung mit politischen oder wirtschaftlichen Entwicklungen zu sehen. Das durch Lübeck, Stralsund, Rostock, Wismar und Stettin beschlossene Pilgerverbot 50 von Oktober 1367 bis Ostern 1368, das der Vorbereitung militärischer Aktionen gegen Dänemark dienen sollte, dürfte kaum einen nachhaltigen Einfluß auf die allgemeine Wallfahrtsbegeisterung gehabt haben, zumal es in eine Zeit verminderter Seefahrtsaktivitäten fiel. Pilgerfahrten in den Stralsunder Bürgertestamenten 241 46 Vgl. Hartmut B ETTIN , Das Gesundheitswesen der norddeutschen Hansestädte von ihrer Gründung bis in die frühe Neuzeit (Diss. Greifswald 1995) S. 8. 47 Bereits seit 1373 mahnte der Rat der Stadt Wismar mehrfach, daß niemand ohne den vorher einzuholenden Konsens des Rates eine Pilgerfahrt unternehmen möge; vgl. hierzu und zu Wallfahrtsverboten Marie-Luise F AVREAU -L ILIE , Civis peregrinus. Soziale und rechtliche Aspekte der bürgerlichen Wallfahrt im späten Mittelalter, Archiv für Kulturgeschichte 76 (1994) S. 321-350, S. 328, S. 348 mit Anm. 87f. 48 Vgl. Friedrich T ECHEN , Der Nothelfer St. Theobald (Ewald), Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde 60 (1895) S. 177f. 49 Vgl. O HLER (wie Anm. 34) S. 92. 50 F AVREAU -L ILIE (wie Anm. 47) S. 347. <?page no="252"?> Diagramm 2 Diagramm 3 Diagramm 4 242 Hartmut Bettin; Dietmar Volksdorf <?page no="253"?> Diagramm 5 Diagramm 6 Diagramm 7 Pilgerfahrten in den Stralsunder Bürgertestamenten 243 <?page no="254"?> Auch bei der Betrachtung der besuchten Wallfahrtsorte bestätigen die Auswertungsergebnisse der Stralsunder Testamente viele Erkenntnisse aus den Lübecker Testamenten, wobei allerdings eine zeitliche Verschiebung des Höhepunktes der Wallfahrtsbegeisterung für einzelne Gnadenstätten (siehe vor allem Wilsnack in Diagramm 7) auffällt, deren Ursache nicht mit letzter Sicherheit geklärt werden konnte. Hervorstechend ist der überaus häufige Besuch von Aachen, Thann, Wilsnack und Einsiedeln. Auch Rom und Santiago de Compostela wurden von beiden Städten aus ähnlich zahlreich frequentiert (vgl. Diagramme 2-7). Rom hatte für die Stralsunder und Lübecker offensichtlich im 14. Jahrhundert eine größere Bedeutung als im folgenden Jahrhundert. Von entscheidendem Einfluß war hierbei der im Jahre 1300 von Papst Bonifaz VIII. verkündete Jubelablaß und insbesondere das 1350 durch Clemens VI., abweichend von dem ursprünglichen hundertjährigen Abstand, verkündete Jubeljahr, das auch in Stralsund seinen Widerhall fand 51 . Des goldenen Jahres 1400 wurde in Stralsund schon weit im voraus gedacht. Bereits in einem Testament des Jahres 1390 findet sich die Bestimmung, daß zwei Männer nach Rom in dessem ghulden yare zu schicken seien 52 . Als sich dann schließlich die Zeitspanne zwischen den Jubeljahren zunächst 1389 auf 33 Jahre und seit Sixtus IV. in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts auf regelmäßig 25 Jahre verkürzte, hatte Rom für die Stralsunder bereits an Anziehungskraft verloren. Rom wurde ohnehin eher als eine Gnadenstätte per se betrachtet 53 , denn die Motivierung durch ablaßträchige Jubeljahre ist in Stralsund nur selten nachweisbar 54 . Ähnliches läßt sich im übrigen auch für andere von den Stralsundern bevorzugte Wallfahrtsorte wie Aachen oder Einsiedeln vermerken. Die Aachenfahrt erlangte, anders als in Lübeck, für die Stralsunder bereits in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts eine besondere Bedeutung 55 . Als wichtiges Datum für die Aachenpilger galt alle sieben Jahre 244 Hartmut Bettin; Dietmar Volksdorf 51 Strals. Testamente Nr. 92, 25.07.1347: Heinrich Somerstorp beauftragt einen Mann, im kommenden Jubeljahr nach Rom zu gehen. 52 Strals. Testamente Nr. 448, 31.12.1390, Tydeman van Verden. 53 Vgl. auch H AGGENMÜLLER (wie Anm. 2) S. 249. 54 Strals. Testamente Nr. 92 (vgl. Anm. 51) und Nr. 448 (vgl. Anm. 52). 55 Vgl. u. a. Diagramm 3. Die erste Pilgerfahrt nach Aachen wurde in Stralsund bereits 1322 angeordnet (vgl. Strals. Testamente Nr. 7, 05.06.1322: Johannes de Beke sendet je einen Pilger zur Heiligen Maria nach Rocamadour und nach Aachen). Danach sind bis 1352 immerhin fünf Aachenfahrten nachweisbar. (Strals. Testamente Nr. 15, 05.02.1334, Heinrich de Cyppeken; Nr. 83, 18.06.1346, Henneke Lore; Nr. 134, 01.07.1350, Marquard Rubenstorp; Nr. 181, 27.09.1351, Johann Höker [Penesticus]; Nr. 188, 05.04.1352, Godekin Huxel). Die Aussage Bernhard Schimmelpfennings, daß die Aachenfahrt erst im Lauf des 14. Jahrhunderts entstanden und propagiert <?page no="255"?> das Kirchweihfest am 17. Juli. Vierzehn Tage lang, beginnend sieben Tage vor bis sieben Tage nach diesem Tage, wurden verschiedene sogenannte große Heiligtümer, wie beispielsweise das Kleid Mariae aus der Heiligen Nacht, die Windeln und das Lendentuch Christi öffentlich gezeigt. Auf deren Wirkmächtigkeit vertraute man in Pommern offenbar nicht erst seit dem Ende des 14. Jahrhunderts, denn bereits in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts war Aachen für die Stralsunder nach Rom der wichtigste Wallfahrtsort. In pommerschen Ketzerprozessen des ausgehenden 14. Jahrhunderts wurde Aachen neben Rom genannt, wenn es darum ging, die Ablehnung der Pilgerfahrten durch die Waldenser zu verdeutlichen 56 . Nicht ohne Belang war auch der konkrete Termin für eine Wallfahrt. So bestimmte Wilken van Struncken in seinem Testament, daß twe man to rome pilgern sollten und er fügt, da bekannt war, daß sich zur Fastenzeit dort alle Ablässe verdoppelten 57 , ausdrücklich hinzu: de scholen to rome ouer de vasten ligghen 58 . Aber derartige spezielle Bestimmung sind eher selten. Oft erfolgte eine Romreise wohl vorrangig aus beruflichen Gründen und wird mit dem Besuch der heiligen Stätten verbunden worden sein. Die 4 Mark, die Johannes de Raken in seinem Testament seinem Beichtiger Petrus für eine Romreise vermachte, dürften beispielsweise, da er zugleich für seinen Freund Dietrich zum selben Zweck 50 Mark vorsah, lediglich als Zuschuß zu einer ohnehin notwendigen und geplanten Romreise des Geistlichen gedacht gewesen sein 59 . Der auf Rom fixierte Zentralismus der Kurie bedingte ja zwangsläufig eine ausgeprägte Reisetätigkeit des Klerus 60 . Pilgerfahrten in den Stralsunder Bürgertestamenten 245 worden sei und erst seit dessen Ende gut bezeugt wäre (vgl. S CHIMMELPFENNIG [wie Anm. 16] S. 93), muß daher anhand des Stralsunder Materials zumindest relativiert werden. 56 Quellen zur Ketzergeschichte Brandenburgs und Pommerns, hg. von Dietrich K UR - ZE (Berlin 1975) S. 198, Nr. 16; S. 209, Nr. 16. 57 Indulgentiae (wie Anm. 39). 58 Strals. Testamente Nr. 457, 26.12.1392. 59 Strals. Testamente Nr. 155; 16.08.1350: Jahannes de Raken vermacht seinem Freund Dietrich 50 Mark und Petrus seinem Beichtiger 4 Mark jeweils für eine Reise nach Rom. 60 Hubert J EDIN , Die deutsche Romfahrt von Bonifatius bis Winckelmann (Bonner Akademische Reden 5, Krefeld 1959) S. 29. <?page no="256"?> Karte 1: Fernziele Stralsunder Pilger Die nachfolgende Tabelle zeigt, welche Wallfahrtsorte hauptsächlich von Stralsund aufgesucht werden sollten. Die Lübecker Vergleichszahlen sind der Veröffentlichung von Norbert Ohler entnommen 61 . Wallfahrtsziel Häufigkeit der Besuche von Stralsund aus von Lübeck aus Wilsnack 85 124 Rom 68 76 Aachen 53 128 Einsiedeln 51 72 Golme 38 keine Angaben Thann 33 111 Santiago de Compostela 17 46 Diese Zahlen entsprechen keinesfalls denen der beabsichtigten Pilgerfahrten, da oftmals mehrere Gnadenorte auf einer Reise aufgesucht wur- 246 Hartmut Bettin; Dietmar Volksdorf 61 Vgl. O HLER (wie Anm. 34) S. 97f. <?page no="257"?> den. Dabei fällt auf, daß es relativ feststehende Pilgerroutenkombinationen (-korridore) gegeben hat, so daß bevorzugte Wallfahrtsorte in ökonomisch effizienter Weise hintereinander besucht werden konnten. Eine Hauptroute der Stralsunder lief über Wilsnack - Einsiedeln - Thann - Aachen (vgl. Karte 1), wobei gelegentlich abweichend von dieser Route natürlich ebenfalls andere weniger bedeutende Gnadenstätten aufgesucht wurden, wie beispielsweise Herzogenbusch, Düren oder auch Maastricht (Servatiusverehrung), das sich gewissermaßen im Sog der Aachenfahrt zu einem beliebten Wallfahrtsort entwickelte 62 . Eine andere bevorzugte Route führte auf dem Hinweg von Golme nach Einsiedeln und zurück über Wilsnack. Rom und Santiago wurden dagegen fast ausschließlich in einer als peregrinatio major geltenden Extrareise aufgesucht. Selten von den Stralsundern besuchte Orte waren neben Jerusalem (7) solche Fernziele wie Rocamadour (3), Canterbury (1), Bari (1) und Vadstena (2). So unterschiedlich wie die Wallfahrtsziele gestalteten sich natürlich auch die Kosten, um die Pilgerstätten aufzusuchen. Der Preis war abhängig von der sozialen Herkunft des Pilgers, seiner Ausstattung, vom Vermögen des Testators 63 , von Ort und Zeit der Vergabe eines Wallfahrtsauftrages sowie mitunter auch vom Verhandlungsgeschick des Stellvertreterwallfahrers. Natürlich spielte auch eine Rolle, ob der Erblasser einen Verwandten oder einen Fremden beauftragte. In Lübeck soll der Preis für eine Wallfahrt nach Santiago de Compostela im 15. Jahrhundert immerhin zwischen 220 und 350 Mark gelegen haben 64 . Diese hohen Summen galten aber gewiß nur für beauftragte Verwandte wohlhabender Bürger, Ratsmitglieder oder Priester. In Stralsund waren indessen die verfügten Beträge auch für diese Gruppe nicht so hoch. Hier beabsichtigte 1428 der Ratsherr Hinrik Qwekel einen der Söhne seines Bruders mit „nur“ 60 Mark für eine Fahrt nach Santiago de Composte- Pilgerfahrten in den Stralsunder Bürgertestamenten 247 62 Zu Maastricht siehe u. a. Peter Cornelis B OEREN , Heiligdomsvaart Maastricht. Schets van de geschiedenis der heiligdomsvaarten en andere jubelvaarten (Maastricht 1962). 63 Z. B. Strals. Testamente Nr. 506, 06.10.1413: Tobias Ghildehus (Ratsherr) bestimmt, daß nach seinem Tod für 100 Mark ein Pilger für zum Hl. Grab und ein anderer zum Heiligen Ewald geschickt werden soll; vgl. auch im folgenden, insbesondere Strals. Testamente Nr. 737 und Nr. 526. 64 Ilja M IECK , Zur Wallfahrt nach Santiago zwischen 1400 und 1650, in: Gesammelte Aufsätze zur Kulturgeschichte Spaniens 29, hg. von Odilo E NGELS (Münster 1978) S. 483-533, S. 507 Anm. 59. Zu den Kosten der Wallfahrten von Lübeck aus vgl. O H - LER (wie Anm. 34) S. 89f. Für Santiagowallfahrten gibt Ohler aber lediglich Summen zwischen 10 und 20 Mark an: ebd., S. 89. <?page no="258"?> la auszustatten 65 , eine Summe wie sie im übrigen auch dem Hamburger Ratmann Nikolaus (Klaus) Schoke 1402 für eine derartige Pilgerfahrt vom Rat gezahlt wurde 66 . Eine Romwallfahrt kostete zwischen 20 und 40 Mark sundisch im 14. Jahrhundert 67 und zwischen 60 und 100 Mark in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts 68 . Für eine Fahrt nach Jerusalem wurden zwischen 100 und 400 Mark gezahlt 69 , wobei immer auch von Bedeutung war, wer auf die Reise gehen sollte. Bei Aussendung eines Priesters und mitzuführenden Votivgaben verteuerte sich das Unternehmen mitunter beträchtlich 70 . Weniger entfernt gelegene Wallfahrtsorte wie Trier (etwa 30 Mark) 71 , Aachen (zwischen 8 und 20 Mark) 72 , Rocamadour (20 Mark) 73 oder die nahen Gnadenorte Wilsnack (etwa 10 Mark) 74 und Golme (auch Gollenberg; zwischen 3 und 10 Mark) 75 waren schon billiger. Jene in den Te- 248 Hartmut Bettin; Dietmar Volksdorf 65 Strals. Testamente Nr. 555, 15.03.1428. 66 Kämmereirechnungen der Stadt Hamburg IVII, IX/ 1, hg. von Karl K OPPMANN (Hamburg 1869-1940) 2, S. 4. 67 Z. B. Strals. Testamente Nr. 311, 14.06. 1368: Gottschalk Ludenscheid bestimmt 20 Mark für eine Pilgerreise nach Rom; Nr. 318, 17.09.1368: Hermann Specht - 30 Mark; Nr. 327, 13.12.1369, Hermann Ponate - 40 Mark. 68 Strals. Testamente Nr. 516, 23.07.1415: Tideke Rickeldes - 100 Mark; Nr. 526, 10.09.1416, Arnd Poleman (Altermann) - 100 Mark; Nr. 559, 27.10.1428: Taleke Kummerow - 60 Mark. Ohler gibt für Romwallfahrten von Lübeck Preise zwischen 10 und 45 Mark an; vgl. O HLER (wie Anm. 34) S. 89. 69 Strals. Testamente Nr. 466, 19.12.1395: Johann Ruberstorp - 100 Mark; Nr. 737, 21.06.1485, Mathias Darne (Bürgermeister) bestimmt, daß ein armer Priester eine Wallfahrt zum Heiligen Grab unternehmen soll, wofür er 400 Mark und 1 Pferd vorsieht. Für Wallfahrten von Lübeck nach Jerusalem sind Preise zwischen 60 und 100 Mark sowie 130 Mark für einen Priester nachgewiesen; vgl. O HLER (wie Anm. 34) S. 89. 70 Strals. Testamente Nr. 737 (wie Anm. 69). 71 Strals. Testamente Nr. 266, 28.10.1360: Thidemann Coldehove bestimmt u. a. 30 Mark für einen Pilger nach Trier sowie Rock und Schuhe; Nr. 250, 18.08.1359: Johann Kargowe bestimmt 6 Mark für eine Pilgerfahrt nach Aachen und zum Hl. Jodokus in der Picardie. 72 Strals. Testamente Nr. 266 (wie Anm. 71): ein Pilger nach Aachen für 20 Mark, Rock und Schuhe; Test. Nr. 357, 20.12.1376: Heinrich Langeneek bestimmt für einen Pilger nach Gottesburen und Aachen in einer Fahrt 10 Mark; Nr. 347, 31.05.1374: Gerhard Zwolle bestimmt einem Pilger nach Aachen 8 Mark. Für Lübeck lagen die Angaben zwischen 2 und 10 Mark; vgl. O HLER (wie Anm. 34) S. 89. 73 Strals. Testamente Nr. 357, 20.12.1376: Heinrich Langeneek bestimmt einem Pilger nach Razamedun (Rocamadour) 20 Mark. 74 Preise für Wallfahrten nach Wilsnack wurden nur in Verbindung mit anderen Wallfahrtszielen genannt; siehe Anm. 78. 75 Strals. Testamente Nr. 522, 24.02.1416: Clawes Hegher bestimmt seiner Schwiegermutter Tilsen 10 Mark, wofür sie nach Golme pilgern soll; Nr. 820, 27.07.1498: Taleke Lutkeman sendet für 4 Marl einen Pilger zum „Golme“; Nr. 368, 19.06.1377: Hille Langhedorpesche vermacht der Frau von Merten van der Sal 3 Mark, wofür sie zum Golme pilgern soll. <?page no="259"?> stamenten verzeichneten Summen allerdings, die zu gering erscheinen, um davon eine Wallfahrt zu einem oder mehreren fernen Gnadenorten bestreiten zu können, sind nur als anteilige Beihilfe zu einer ohnehin geplanten Wallfahrt 76 oder als Beitrag zur Unterstützung eines armen Pilgers zu sehen, der Anspruch auf Almosen und kostenloses Quartier hatte 77 . Als relativ kostengünstig stellen sich auch Wallfahrten dar, die zu mehreren Orten zugleich führten. So wurde 1468 eine Reise nach Thann über Wilsnack und Einsiedeln mit 30 Mark dotiert 78 . Zu bemerken ist, daß die Kosten im Laufe der untersuchten zwei Jahrhunderte zum Teil erheblich stiegen. Wie bereits angedeutet, weisen die Stralsunder Testamente offenbar eine wichtige Besonderheit auf. Insgesamt beabsichtigten 52 der 220 Testatoren, selbst oder sogar mit ihrer Frau eine Wallfahrt zu unternehmen. Besonders interessant ist hierbei vor allem die ungleiche Verteilung derartiger selbst ausgeführter Wallfahrten über die Jahrhunderte. Ein Vergleich der angeordneten und selbst unternommenen Wallfahrten im 14. und im 15. Jahrhundert offenbart eine eindeutige Tendenz. Noch im 14. Jahrhundert beabsichtigten die Testatoren in 42 von 90 Testamenten, aus denen bis zu diesem Zeitpunkt überhaupt Pilgerfahrten hervorgehen, sich selbst auf Wallfahrt zu begeben. Während also im 14. Jahrhundert etwa 50 % aller Wallfahrten vom Testator selbst unternommen wurden, sind es im 15. Jahrhundert nicht einmal mehr 7 % (9 Testamente). Seit 1463 beabsichtigte kein Testator mehr selbst tho theende pellegrymatze, und es sind ausschließlich nur noch Stellvertreterwallfahrten zu registrieren. Ohler erwähnt diese Besonderheit überhaupt nicht, und es bleibt offen, ob es in Lübeck ebenfalls eine derartige Häufung selbst ausgeführter Pilgerfahrten im 14. Jahrhundert gegeben hat. Vielleicht hat Jacob von Melle, auf dessen Arbeit Ohlers Studien fußen, die Form der selbst ausgeführten Pilgerfahrt nicht von den stellvertretend ausge- Pilgerfahrten in den Stralsunder Bürgertestamenten 249 76 Strals. Testamente Nr. 301, 08.05.1367: Getrud de Celle gibt Mechthild von Brandenburg zu einer Pilgerfahrt nach Trier und Aachen 5 Mark; vgl. auch Anm. 59. 77 Vgl. Regesten der Lübecker Bürgertestamente, 2 Bde., hg. von Ahasver von B RANDT (Lübeck 1964 und 1973) 1 (1278-1350) S. 336, Nr. 25, 27; 2 (1351-1363) S. 721, S. 747, S. 794, Nr. 662. 78 Z. B. Strals. Testamente Nr. 685, 30.04.1473: Hans Klese 30 M ute mynes redestes gudern to ener Enwoldesche reyse [Thann] und to der Eensedelingen und tor Wilsnacke dorch myner selen salicheit; s. auch Nr. 357, Anm. 72; Nr. 188, 05.04.1352: Godekin Huxel sendet Pilger nach Aachen und zum „Colmen“ (Golme) für 10 Mark; Nr. 559, 27.10.1428: Taleke Kummerow bestimmt 30 Mark, wovon auf einer Reise Lutteren, Aachen, St. Enwolde, sunte Hulpe, Trier und Einsiedeln besucht werden sollen; Nr. 552, 26.08.1427, Clawes Quastenberch dotiert 20 Mark für eine Reise nach Einsiedeln und Thann. <?page no="260"?> führten Wallfahrten unterschieden. Möglicherweise aber waren erstere tatsächlich sehr selten in Lübeck. In den Regesten der Lübecker Bürgertestamente lassen sich bis 1360 nur drei derartige Testamente auffinden. In dieser zunehmenden Bevorzugung der Stellvertreterwallfahrt ist eine gewisse Analogie zu der bereits früher im Handel deutlich geworden Praxis zu sehen, daß der Kaufmann seine Waren nicht mehr selbst begleitete. Auch in anderen Entwicklungen im Wallfahrtsverhalten offenbart sich jene bürgerlich pragmatische Denkweise, wie sie in diversen Bereichen des städtischen Lebens zu finden ist. So wird die wachsende Neigung zu mehreren Wallfahrten je Testament deutlich. Dies ist zunehmend mit Beginn des 15. Jahrhunderts zu erkennen. Die Anzahl der in einem Testament verordneten Wallfahrten lag im 14. Jahrhundert bei 1,4 Wallfahrten pro Testament und erhöhte sich im 15. Jahrhundert auf durchschnittlich 2 Wallfahrten pro Testament. Der Gesamtdurchschnitt - bei 220 Testamenten, in denen Wallfahrten vorkamen, und 385 darin enthaltenen Wallfahrten - lag bei 1,75 Wallfahrten pro Testament mit Wallfahrtserwähnung. Diese Tendenz zu mehreren Wallfahrten pro Testament korrespondiert in auffälliger Weise mit dem Bestreben, die aufwendigen Fernwallfahrten durch mehrere lokale bzw. regionale Wallfahrten zu ersetzen, und dies mit der ebenfalls eindeutigen Absicht, möglichst viele Gnadenorte auf dem Weg zu besuchen. Durch die Vielzahl kleinerer Wallfahrten sollten sich bei gleichem finanziellen Aufwand die Heilserwartungen verbessern. Im wirtschaftlichen Bereich versuchte man schließlich in ähnlicher Weise das Risiko zu vermindern, indem das Vermögen gestreut wurde. Man beteiligte sich an verschiedenen Geschäften, kaufte Schiffsanteile, Anteile an Häusern, Buden oder auch Badestuben, die aufgrund der Brandgefahr ein besonders hohes Risiko in sich bargen. Während die beliebten Heiligen bis zur 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts überwiegend in der Ferne aufgesucht werden mußten, entstanden in der Folgezeit beinahe für alle wichtigen Schutzheiligen entsprechende nahegelegene Gnadenstätten. So war St. Jakob bald nicht nur in Santiago de Compostela, sondern seit 1490 auch beim Hardenberge zu finden, und der Heilige Leichnam wurde seit 1496 im mecklenburgischen Sternberg verehrt. Den Heiligen Ewald suchte man nach 1473 nicht mehr in Thann, sondern im nahen Bodstedt auf. Eine Ausnahme stellt in dieser Hinsicht der Marienkult dar. Obwohl in Kenz schon seit 1428 ein nahegelegener Marienwallfahrtsort zur Verfügung stand 79 , blieben Aa- 250 Hartmut Bettin; Dietmar Volksdorf 79 Pommernherzog Barnim VI., so wird berichtet, habe, 1405 von der Pest befallen, eine große Wallfahrt zur Muttergottes nach Kenz unternommen, sei aber auf dem Wege <?page no="261"?> chen und Einsiedeln auch im 15. Jahrhundert beliebte Marienwallfahrtsorte. Ebenfalls in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts erfuhr der Annenkult eine stärkere Ausprägung, was sich im Bau von Annenkapellen, St. Annenhäusern und zu Beginn des 16 Jahrhunderts schließlich auch in Wallfahrten äußerte, die von Stralsund aus zur Heiligen Anna nach Krussow 80 gehen sollten. Karte 2: Nahziele Stralsunder Pilger Im Laufe des 15. Jahrhunderts verloren die Fernwallfahrtsziele (Diagramm 8; siehe vor allem Rom) zu Gunsten der regionalen Wallfahrtsziele (insbesondere Wilsnack und Sternberg) an Bedeutung. Pilgerfahrten in den Stralsunder Bürgertestamenten 251 dorthin gestorben und in der Wallfahrtskirche zu Kenz bestattet worden. Sein Sohn Wartislaw IX. ließ ihm dort ein Grabmal errichten; vgl. Joachim Z DRENKA , Die Pilgerfahrten der pommerschen Herzöge ins Heilige Land in den Jahren 1392/ 1393 und 1406/ 1407, Baltische Studien N.F. 81 (1995) S. 14, sowie die dortige Anm. 56. 80 Strals. Testamente Nr. 945, 20.08.1516, Margarete Zeger; Nr. 980, 18.09.1522, Martin Kroger. <?page no="262"?> Diagramm 8 Mit der Regionalisierung des städtischen Wallfahrtswesens sind verschiedene Veränderungen im Heiligenkult zu beobachten. Bemerkenswert ist vor allem, daß in den an der Küste gelegenen Hansestädten die Wirkkraft verschiedenster Heiliger, z. T. abweichend von ihrer gemeinhin überlieferten speziellen Schutzfunktion, für die Schiffahrt in Anspruch genommen wurde. Der Heilige Nikolaus war eigentlich der einzige Heilige, der von Anfang an als Helfer in der Seenot bekannt war. Andere Heilige wie St. Jakob wurden erst später zu Spezialpatronen der Kaufleute und Schiffer für Seenotfälle. Gerade in den Hansestädten war das Seefahrerpatronat des Heiligen Jakob sehr ausgeprägt 81 . Dies ist jedoch gerade auch im Zusammenhang mit der Wallfahrtsbewegung zu sehen, in welcher der Heilige Jakob einen festen Platz einnahm. Am weitesten verbreitet war allerdings der Marienkult, dem ebenso wie dem Kult des Heiligen Nikolaus und des Heiligen Jakob eine große Bedeutung für die Seefahrt zukam. Natürlich kann die Schutzfunktion der angesprochenen Heiligen nicht ausschließlich auf die Schiffahrt reduziert werden. Die Heilige Maria und der Heilige Jakob hatten gleichermaßen eine wichtige Funktion als Schutzpatrone der Kranken und der Fremden. Der in Pommern sehr beliebte Heilige Ewald wurde in 252 Hartmut Bettin; Dietmar Volksdorf 81 Vgl. hierzu Matthias Z ENDER , Heiligenverehrung im Hanseraum, Hansische Geschichtsblätter 92 (1974) S. 11. <?page no="263"?> den verschiedensten Fällen, wie Krankheit, Gefangenschaft, Feuersbrunst, Wahnsinn, Verwundung oder Lähmung um Fürbitte angerufen. Indes zeigt sich auch bei diesem Heiligen eine für die Küstenstädte wohl typische Spezialfunktion als Schutzpatron für die Seefahrer, wie die zahlreichen in den Theobaldsmirakeln aufgeführten Rettungen aus der Seenot belegen 82 . Dies erklärt auch die starke Präsenz der Pommern in Thann, dem Gnadenort des Heiligen Theobald, der in Pommern meist der Heilige Enwold oder auch Ewold bzw. Ewald genannt wurde. Sowohl in den Stralsunder Testamenten als auch in den Theobaldsmirakeln erscheint Thann sehr oft als Wallfahrtsziel pommerscher und insbesondere auch Stralsunder Pilger. Von großer Bedeutung für die Popularität eines bestimmten Wallfahrtsortes war nicht zuletzt die intensive Wallfahrtspropaganda in den Mirakelsammlungen. Einen besonderen Popularitätsgewinn verbuchten die Kultstätten vielfach nach einem besonders spektakulären Mirakel, das ihre Wirksamkeit unter Beweis stellte. Der pommerschen Ewaldsverehrung in Thann beispielsweise gingen zunächst verschiedene Heilungswunder am pommerschen herzoglichen Haus voraus 83 . Von den 130 Wundern, die bis 1461 in den Theobaldsmirakeln beschriebenen sind, haben sich immerhin 23 in Pommern ereignet 84 . Nach dem Elsaß als jenem Land, in dem die Reliquie aufbewahrt wurde, entfällt damit auf Pommern der bei weitem größte Anteil an den lokalisierbaren Wundern. Neben verschiedenen Seerettungswundern unterstreicht die Tatsache, daß fast alle in den Theobaldsmirakeln bezeugten Pommern aus dem unmittelbaren Küstenbereich kamen, die herausragende Bedeutung des Heiligen Ewalds für die Seefahrt 85 . In Stralsund war der Heilige Ewald so populär, daß in der Stralsunder Katharinenkirche gegen Ende des 15. Jahrhunderts ein Enwoldsaltar errichtet wurde 86 . Bestimmte Wallfahrtsorte verloren an Bedeutung, wenn Zweifel an der Echtheit der Reliquien aufkamen. Bereits vor der Reformation erhob sich z. B. die Frage, ob in Wilsnack wirklich geweihte Hostien mit Pilgerfahrten in den Stralsunder Bürgertestamenten 253 82 Vgl. Tomus Miraculum santi Theobaldi, hg. von Georg S TOFFEL (Colmar 1875), ausgewertet für Pommern durch Norbert B USKE , in: Die Verehrung des Hl. Ewald und die Errichtung der Bodstedter Kapelle, ein Beitrag zur Patrozinienkunde und zur Geschichte der Wallfahrtsorte in Pommern, hg. von Norbert B USKE , Baltische Studien N. F. 58 (1972) S. 19-32, dort S. 21f. 83 Buske geht davon aus, daß die Heilungswunder am herzoglichen Haus dem Heiligen zu einer bevorzugten Stellung verhalfen; ebd., S. 22f. 84 Ebd., S. 26. 85 Ebd., S. 25f. 86 Strals. Testamente Nr. 787, 19.03.1495, Walter Krämer. <?page no="264"?> wunderbarem Blut verehrt würden. Schon in der Lübecker Ratschronik zum Jahre 1446 heißt es: vele ghelerde lude ... twyvelden hiirane 87 . Die Hauptmotivation und Funktion von Wallfahrten ist unbestritten im religiösen Bereich zu suchen; besonders interessant sind jedoch die häufig deutlich werdenden Nebenmotivationen und Nebenfunktionen. Nicht selten sollte eine Pilgerfahrt unternommen werden, um Schuld abzutragen. 1415 schickt Wulf Grube seinen Schuldner Hinrick Vresen auf eine Reise nach Wilsnack und gewährt diesem dafür Schuldenerlaß 88 . 1503 wurde Mathias Berndes verpflichtet, eine Reise zu St. Jakob in Compostela auszuführen, die wiederum sein Knecht Wynallt Hallbrugge übernahm, um die Schulden zu tilgen, die er bei Berndes hatte 89 . Derartige Beispiele finden sich gelegentlich auch in den Stralsunder Amtsbüchern. Im Jahre 1420 sollte Jacob Grulle seinen Sohn auf eine Reise zum Heiligen Grab schicken, wovon dieser ein hinreichendes Zeugnis (d. h. ein Pilgerzeichen) mitzubringen hätte, da sein Vater sonst 200 Mark zurückzahlen müßte 90 . In einem ähnlichen Falle hatte Gottschalk Ernst im Jahre 1422 eine Reise nach Rom selbst oder in Stellvertretung auszuführen, um eine Schuld von immerhin 200 Mark sundisch abzutragen, die er jedoch später nicht anzutreten brauchte, da er in der Lage war, die Schuld zu begleichen 91 . Es ist also davon auszugehen, daß gegen die Verpflichtung zu einer Pilgerfahrt sogar Kredit gewährt wurde. Gleichzeitig wird auch deutlich, daß man anscheinend lieber die Schuld zurückzahlte, als die beschwerliche und gefährliche Pilgerfahrt zu unternehmen 92 . Möglicherweise weisen ungewöhnliche Pilgerrouten, wie sie aus den Testamenten von Kaufleuten hervorgehen, auf spezielle Handelsbeziehungen hin. Thobias Gildehus z. B. ordnete 1413 in seinem Testament eine sehr seltene Pilgerroute über Herzogenbusch nach Canterbury in England an 93 . Ebenso kann darüber spekuliert werden, welche Bedeutung Karsten Sarnows Romwallfahrt im Jahre 1390 für die von ihm im 254 Hartmut Bettin; Dietmar Volksdorf 87 Lübecker Ratschronik zum Jahre 1446 (Nachdruck Göttingen 1968) S. 55. 88 Strals. Testamente Nr. 518, 10.08.1415, Wulf Grube. 89 Strals. Testamente Nr. 863, 10.03.1503, Mathias Berndes. 90 Der Stralsunder Liber memorialis. Teil 2: Fol. 61-120. 1410-1422. Bearb. v. Horst- Diether S CHROEDER (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Stralsund, 5/ 2, Weimar 1969) S. 498 (1420). 91 Ebd., S. 688, 09.12.1422 und S. 689. 92 Siehe Anm. 88. 93 Strals. Testamente Nr. 506, 06.10.1413: Thobis Ghildehus. 1420 wurde in Canterbury ein Jubelablaß gewährt (in 50jährigem Zyklus, zuerst 1370 bezeugt), der jedoch aufgrund des zeitlichen Abstandes nur sehr vage als Motivation für diese Wallfahrt in Frage kommt. <?page no="265"?> Jahr darauf geleitete oppositionelle Bewegung hatte, die vorübergehend zur Einsetzung des Kollegiums von 12 Vertretern der gemeinen Bürgerschaft führte, welchen die Kontrolle über die Verwaltung des Rates zufiel 94 . Es galt als besonders verdienstvoll, die Wallfahrt nur mit dem Nötigsten ausgestattet und sogar barfuß zu unternehmen. In den Stralsunder Testamenten wird aber nur in einem Fall ausdrücklich angeordnet, daß die Pilger in Wolle und barfuß zu reisen hätten 95 . Umgekehrt ist häufig von Kleidung und Schuhen die Rede, die „Pilgerwilligen“ zugedacht werden sollten 96 . Eine eher selten berührte Frage ist, welchen Anteil die Frauen an der städtischen Wallfahrtsbewegung hatten. Bertold von Regensburg mißbilligte, daß Frauen an der Pilgerfahrt teilnahmen, da sie nach seiner Ansicht mehr Sünden als Ablässe mit sich brächten 97 . Nachdem die Synode von Friaul 796 bereits ein Wallfahrtsverbot für Klosterfrauen erlassen hatte, sprach sich schließlich Papst Gregor XII. (1406-1415) gegen Jerusalemfahrten von Frauen aus 98 . Zudem durften in Rom, wie in den Führern vermerkt wird, bestimmte Kapellen an verschiedenen Kirchen von Frauen nicht betreten werden 99 . Insgesamt sind über den gesamten Betrachtungszeitraum in Stralsund auch nur 17 Pilgerinnen nachzuweisen. Das sind, gemessen an der Gesamtpilgerzahl in Stralsund, lediglich 4,5 %. Allerdings wurden 15,5 % der Testamente, die Wallfahrten betrafen, von Frauen abgefaßt, und es ist 1490 bezeichnenderweise eine Frau, die eine der zwei nachweisbaren Pilgerfahrten zur Heiligen Brigitta nach Vadstena anordnete. Pilgerfahrten in den Stralsunder Bürgertestamenten 255 94 Strals. Testamente Nr. 443, 22.08.1390, Kersten Sarnow. 95 Strals. Testamente Nr. 822, 23.11.1498: Heinrich Dubbermann verfügt u. a. eine Ersatzwallfahrt, wonach vier Personen an vier Freitagen in alle Kirchhöfe der Stadt in Wolle gekleidet und barfuß gehen sollen. Zur Kleidung der Pilger vgl. Leonie v. W ILCKENS , Die Kleidung der Pilger, in: Wallfahrt kennt keine Grenzen (wie Anm. 3) S. 178-181. 96 Strals. Testamente Nr. 266, 28.10.1360: Thidemann Coldehove bestimmt u. a. jedem Pilger (keine genaue Anzahl angegeben) einen Rock und ein Paar Schuhe; Nr. 372, 03.06.1378: Heinrich Brun vermacht Armen, die pilgern wollen, 23 Paar Schuhe. 97 B OTTINEAU (wie Anm. 18) S. 56. 98 Louis C ARLEN , Wallfahrt und Recht im Abendland (Freiburger Veröffentlichungen aus dem Gebiete von Kirche und Staat 23, Freiburg [Schweiz] 1987) S. 118. 99 Ein derartiges Verbot bestand z. B. für die Capella Sancta Sanctorum bei der Scala Santa in Rom, für die Jerusalem-Kapelle an S. Croce de Gerusalemme, außer an der Vigil des hl. Benedikt (20. März), für die Kapelle Santi Joannis Babtiste ad fontes, dem Baptisterium des Laterans und die Seitenkapelle in S. Prassede; vgl. H AGGENMÜLLER (wie Anm. 2) S. 96 und 137. <?page no="266"?> Eine neue Erscheinung im Wallfahrtswesen war Anfang des 16. Jahrhunderts, die Fürbitte am Gnadenort durch dort ansässige Bruderschaften leisten zu lassen. So ist in diesem Zusammenhang von der Bruderschaft des Heiligen Sakraments in Wilsnack 100 , den Brüdern in Sternberg 101 , den St. Johannisboten in Eixen 102 oder den Brüdern in Antoniushave 103 die Rede. Nur einmal wurde 1498 eine sogenannte Ersatzwallfahrt angeordnet, bei der vier Personen an vier Freitagen in alle Kirchhöfe in der Stadt gehen sollten, in Wolle gekleidet und barfuß 104 . Eine andere Wallfahrt sollte hingegen ausdrücklich zeremoniellen Charakter tragen und damit sicherlich das Ansehen des Testators heben 105 . Anhand des Stralsunder Quellenmaterials ließen sich weitere Aspekte im städtischen Wallfahrtswesen, wie die soziale Einordnung der Wallfahrer bzw. der Bürger, die solche anordneten, oder verwandtschaftliche Beziehungen zwischen Testatoren und Wallfahrern ansprechen. Hierzu bedarf es jedoch weiterer aufwendiger Quellenarbeit, um vor allem die noch unedierten Stralsunder Stadtbücher mit in die Untersuchungen einbeziehen zu können. Resumen: El artículo se basa en la investigación de 1017 testamentos de Stralsund entre el periodo de 1309 hasta 1530. 220 de los testamentos evaluados contienen noticias sobre peregrinaciones que hicieron o los mismos testadores o que fueron hechos por suplentes. Los 385 peregrinos (4.5 % mujeres) que salieron desde Stralsund visitaron 32 lugares santos. Después de una fase de poco interés a principios del siglo XIV y después de una gran epidemia de peste a mediados del siglo, hubo una marcado aumento de la actividad de peregrinación en Stralsund. Aproximadamente en 1450 el número de peregrinaciones en Lübeck bajó substancialmente, mientras que en Stralsund hubo un constante aumento de peregrinaciones hasta principios del siglo XVI. A diferencia de Lübeck, en Stralsund el número tan sólo bajó a causa de la reformación de 1525. La ruta principal de peregrinación iba a Wilsnack, Einsiedeln 256 Hartmut Bettin; Dietmar Volksdorf 100 Strals. Testamente Nr. 975, 19.08.1521: Heinrich Frame vermacht der Bruderschaft des Hl. Sakraments in Wilsnack 1 Mark und der Bruderschaft in Sternberg 12 Schillinge zum Bau. 101 Vgl. Anm. 100. 102 Strals. Testamente Nr. 976, 11.01.1522: Martin Knake vermacht den St. Johannisboten in Exsen (Wallfahrtsort) 6 Mark und Nr. 910, 12.06.1509: Clawes Sarnyn vermacht den Brüdern in St. Antoniushave (Wallfahrtsort) 1 Mark. 103 Strals. Testamente Nr. 910 (vgl. Anm. 102). 104 Strals. Testamente Nr. 822, 23.11.1498 (vgl. Anm. 95). 105 Strals. Testamente Nr. 820, 27.07.1498: Taleke Lutkeman ordnet u. a. zwei Romreisen an, die vor ihrem Hause abzuhalten seien (damit ist vermutlich die öffentliche Verabschiedung der Pilger gemeint). <?page no="267"?> y Thann hasta Aquisgrán (Aachen). Sin embargo, hubo muchas desviaciones entre las principales rutas. Lugares lejanos como Roma y Santiago de Compostela fueron sitios especialmente visitados. Además, se pueden observar dos tendencias. 1. La reducción del porcentaje de peregrinos que hicieron testamento (en total 50 % en el siglo XIV y 7 % en el siglo XV) 2. una fuerte regionalización de las peregrinaciones en el siglo XV, que corresponde con al aumento cuantitativo de peregrinaciones. En todas estas tendencias y también en los aspectos no exclusivamente devocionales de las peregrinaciones (viaje de negocios, educación, información y pago de deudas) se deduce una racionalización que se puede interpretar como un signo especial de la religiosidad de los ciudadanos bajo-medievales. Pilgerfahrten in den Stralsunder Bürgertestamenten 257 <?page no="269"?> Das „Heilige Grab“ in Görlitz 1 G UNHILD R OTH Heilig-Grab-Anlagen (auch: Kalvarienberge) sind vor allem aus Österreich und Süddeutschland bekannt, wo sie in großer Zahl im Barock entstanden. Sie sollten (und sollen) den Gläubigen bei der Osterprozession helfen, der Passion Christi im Geiste und im Gebet nachzufolgen und seinen letzten Weg mitzugehen. Hier wird in einem größeren Rahmen dasselbe Ziel verfolgt wie mit den Kreuzwegtafeln oder -bildern im geschlossenen Kirchenraum, nämlich die spirituelle Nachfolge des Leidensweges Christi. I. Die Grabanlage in Görlitz Auch in Görlitz, in diesem heute abgelegenen Winkel im Dreiländereck Deutschland, Polen, Tschechien, wurde am Ausgang des Mittelalters nach dem Vorbild der Grabeskirche in Jerusalem ein „Heiliges Grab“ errichtet. Die Besonderheiten der Görlitzer Anlage sollen im folgenden beschrieben werden. Die in Görlitz eingebürgerte Bezeichnung „Heiliges Grab“ ist etwas irreführend. Denn hiermit wird nicht ein einzelnes Bauwerk, sondern ein Ensemble aus mehreren Gebäuden und liturgischen Stationen (Abb. 1) bezeichnet. „Das Grundstück, das sich als ‚Heiliges Grab‘ [...] ausweist, lag bis zur Stadterweiterung des späten 19. Jahrhunderts außerhalb [der Altstadt und jenseits des Kreuztores an einer] westwärts führenden hohlwegartigen Landstraße. [...] Als Hauptbau der Anlage erscheint die dicht über dem Hang zur Straße gelegene Kapelle Zum Heiligen Kreuz, eine zweigeschossige spätgotische Doppelkapelle [...], 1 Leicht überarbeitete und mit Anmerkungen versehene Fassung des Vortrages, gehalten auf der Jahrestagung 1998 der Deutschen St. Jakobus-Gesellschaft in St. Marienthal bei Ostritz. - Ich danke Herrn Prof. Herbers für die Aufnahme des Beitrages in diesen Tagungsband. <?page no="270"?> mit der Adamskapelle zu ebener Erde und der durch eine Außentreppe zugänglichen Golgathakapelle darüber. [...] In nordwestlicher Richtung folgt das Salbhaus, ein nischenartiges Gehäuse mit Vordach, das eine Pietà in Sandstein birgt, und in der hinteren nordwestlichen Gartenecke die orientalisch anmutende Kopie des Grabes Christi in seiner mittelalterlichen Gestalt. Die den heiligen Stätten in Jerusalem nachgebildete und nachempfundene Bedeutungsträgerschaft wurde in Landschaft und Stadt ausgeweitet: Der an der Nordgrenze des Gartens gelegene Bacheinschnitt wurde als Tal Kidron gedeutet, das dahinter ansteigende Gelände als Ölberg mit Ölberggarten, Jüngerwiese und Gebetsstätte Christi“ 2 . Die Görlitzer Anlage zeichnet sich durch zwei Besonderheiten aus. Zum einen ist es ihre frühe Entstehungszeit im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts, die sie zum Vorbild für etliche andere Anlagen werden ließ. Zum anderen ist es die bewußte Einbindung in die Landschaft mit der verhältnismäßig genauen Nachbildung der heiligen Stätten in Jerusalem 3 . Den Görlitzer Bürgern wurde hier eine Reise nach Jerusalem ermöglicht, ohne daß die Pilger die Stadt verlassen mußten. Pilgerfahrten im Geiste waren nichts Ungewöhnliches für den spätmittelalterlichen Gläubigen, wir haben viele Beispiele hierfür 4 . Hingewiesen sei hier auf einen Kupferstich vom Ende des 15. Jahrhunderts (Abb. 2), auf dem die Passion Christi vom Auszug aus Jerusalem bis Golgatha dargestellt ist und auf dem sich die Prozession hinter dem das Kreuz tragenden Christus im Zickzack den Berg hinauf bewegt bis zum Gipfel mit den Kreuzen Christi und der Schächer 5 . Das Bild diente wohl der privaten Andacht, als Anregung zur Meditation. - Kam es in vielen Fällen auf die Imaginationskraft des Gläubigen an, sich im geschlossenen Kirchenraum die Wallfahrtsstationen in Rom oder Jerusalem vor- 260 Gunhild Roth 2 Ernst-Heinz L EMPER , Kreuzkapelle und Heilig-Grab Görlitz (Schnell-Kunstführer 2017, München/ Zürich 1992) S. 2f. 3 Bewußte Landschaftsarchitektur bzw. Einbindung von Bauwerken in die umgebende Landschaft ist vornehmlich im Barock zu beobachten, so daß hier ein sehr frühes Beispiel solcher Gestaltung vorliegt. 4 Vgl. etwa den von Ursula Haider errichteten symbolischen Nachbau der Gnadenstätten Roms und Jerusalems im Kloster Villingen (Siegfried R INGLER , „Haider, Ursula“, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Zweite, völlig neu bearbeitete Auflage ... hg. v. Kurt R UH u. a., 3 [Berlin/ New York 1980/ 81] Sp. 399-403, bes. Sp. 400). 5 Vgl. Wilhelm M OLSDORF , Die Bedeutung Kölns für den Metallschnitt des XV. Jahrhunderts (Studien zur Deutschen Kunstgeschichte 114, Straßburg 1909) S. 32ff. und Tafel X (= Abb. 2). <?page no="271"?> stellen oder vor einem Andachtsbild zu Hause die Passionsstationen nachvollziehen zu können, so konnte sich der Görlitzer Bürger tatsächlich in Jerusalem wähnen. Der Görlitzer Prozessionsweg begann in der Stadt selbst (Abb. 1): „Als Ausgangspunkt des Schmerzensweges galt die Peterskirche, welche also das Richthaus des Pilatus mit ihren Stätten der Verurteilung, Geißelung und Dornenkrönung darstellte. Von da ging er [der Weg] die Nikolaistraße abwärts zu dem damaligen Stadttor zu St. Nikolai. Vor diesem Tore an dem Hause des sogenannten Lunitzbäckers (Am Nikolaigraben Nr. 3a) 6 steht seit 1625 ein in der Beschreibung von 1659 zuerst erwähnter Bildstock als Bezeichnung der Stätte, wo Simon von Cyrene das Kreuz auf sich nahm. Dann geht der Weg wieder aufwärts, [...], durch die ‚Boggasse‘ und den Steinweg nach dem Kreuztor am Anfang der Heiligen Grabstraße und in ihr bis zum Aufgang zum Heiligen Grabe, an dem, mit der Front zum Grabe gewendet, ein zweiter Bildstock [...] aufgestellt ist [heute nicht mehr erhalten]. Hier soll man Jesus das Kreuz wieder aufgelegt haben, so daß er es zur Kreuzigungsstätte selbst Das „Heilige Grab“ in Görlitz 261 6 Die Hausnummer Am Nikolaigraben Nr. 3a existiert nicht (mehr? ), vermutlich meint Dalman den Bildstock an der Boggasse (heute Bogstraße) Ecke Lunitzgasse, beim sog. „Jesusbäcker“. - Gustav Dalman, gebürtiger Oberlausitzer, war Vorsteher des Deutschen evangelischen Instituts in Jerusalem, während des Ersten Weltkrieges mußte er nach Görlitz zurückkehren. Abb. 1 Kupferstich der Heilig-Grab-Anlage von 1719. Quelle: L EMPER (wie Anm. 2), S. 2. <?page no="272"?> hinauftrug“ 7 . Dies entspricht genau der Wegstrecke in Jerusalem, von der Peterskirche bis hier sind es ebenso viele Schritte wie in Jerusalem vom Richthause des Pilatus nach Golgatha! Gustav Dalman hat den Weg für seine Untersuchung von 1915 vermessen und verglichen: Der Prozessionsweg 8 war in Görlitz bei einer Luftlinie von 620 m (je nach Route) 709 bzw. 721 m lang. In Jerusalem betrug die Strecke 721 m bei 430 m Luftlinie 9 . Im Heilig-Grab-Garten führte der Weg dann zur Heilig-Kreuz-Kapelle und über die Außentreppe in den Oberstock, in die sogenannte Golgathakapelle (Abb. 3). Auf dem Weg in diese hinein wird nahezu derselbe Höhenunterschied überwunden wie in Jerusalem beim Aufgang zum Kalvarienberg 10 . Die Golgathakapelle (Abb. 4) symbolisiert so den Berg Golgatha als den Ort der Kreuzigung Christi. Vor dem Altar in der Kapelle kennzeichnen drei Löcher im Boden die Standorte der Kreuze Christi und der beiden Schächer. „Zwischen dem Kreuz des unbußfertigen Schächers und dem Kreuz Christi befindet sich, 57 Zentimeter von dem letzteren, in der Stufe eine nach hinten zu in die Mauer sich öffnende Rinne. [...] Es ist gar kein Zweifel, daß sie den Felsenspalt 262 Gunhild Roth 7 Gustav D ALMAN , Das heilige Grab in Görlitz und sein Verhältnis zum Original in Jerusalem, Neues Lausitzisches Magazin 91 (1915) S. 198-244, S. 226; Nachträge Neues Lausitzisches Magazin 92 (1916) S. 211-214; Neues Lausitzisches Magazin 93 (1917) S. 140-143. 8 Peterskirche bis Nikolaitor 145m, weiter zum ersten Bildstock 66m, zur „Pilgerschenke“ durch die Lunitzgasse 358m (durch den Steinweg 370m), zum zweiten Bildstock 100m, zur Heilig-Kreuz-Kapelle 40m. 9 Dalman (wie Anm. 7) S. 226f. vergleicht den Leidensweg in Nürnberg, den Martin Ketzel 1472 nach seiner Rückkehr aus Jerusalem absteckte und dessen Bildstationen Adam Krafft mit der Schrittzahl versah; vgl. Reiner Z ITTLAU , Heiliggrabkapelle und Kreuzweg. Eine Bauaufgabe in Nürnberg um 1500 (Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landesgeschichte 49, Nürnberg 1992) S. 120f. Ob dieser Kreuzweg als Modell für Görlitz gedient hat? Emerich hatte Geschäftsbeziehungen nach Nürnberg und stand in Briefwechsel mit dortigen Kaufleuten. - Stiftungen von Patriziern, die im Zusammenhang mit ihrer glücklichen Rückkehr aus dem Heiligen Land oder von Santiago de Compostela errichtet werden, sind ebenfalls häufiger belegt, so etwa die des Koblenzer Bürgers Peter Fasbender; er „unternahm 1492/ 93 eine Pilgerfahrt ins Heilige Land, die er wohl 1494/ 95 [...] in Verbindung mit der gleichzeitigen Errichtung einer Heiliggrab-Kapelle und eines Kreuzweges zur Erinnerung an seine Wallfahrt beschrieb [...]“ (vgl. Volker H ONEMANN , „Fasbender, Peter“, in: 2 VL [wie Anm. 4], 2 [1978/ 79] S. 711) oder die des Breslauer Patriziers Peter Rindfleisch: „Nach der glücklichen Heimkehr soll er in Breslau vor dem Nikolaustor drei Kreuze haben aufrichten lassen, die die Entfernung Golgathas von der Stadtmauer in Jerusalem bezeichneten.“ (Volker H ONEMANN , „Rindfleisch, Peter“, in: 2 VL [wie Anm. 4], 8 [1992] S. 80-82, bes. S. 80f.) 10 D ALMAN (wie Anm. 7) S. 204f. <?page no="273"?> Das „Heilige Grab“ in Görlitz 263 Abb. 2 Kalvarienberg und Kreuztragung, Kupferstich, Ende 15. Jh. (S CHREIBER 2332x). Quelle: M OLSDORF (wie Anm. 5), Tafel X. <?page no="274"?> darstellt, den die Pilger in Jerusalem bis heut[e] rechts vom Kreuzesloch wahrnehmen können. Der senkrecht abfallende, etwas gebogene Rand bedeutet die Marmordecke der Stufe, deren Öffnung dann den Felsspalt selbst sehen lässt“ 11 . Danach geht die Prozession die Treppe wieder hinunter und in die Unterkapelle der Heilig-Kreuz-Kapelle, die sog. Adamskapelle. „Die Unterkapelle zeigt sich innen als kryptaartiger rechtwinkliger Raum [...]. Der an der östlichen Außenseite bemerkte künstliche Mauerspalt erscheint hinter dem Altar vom Fußboden bis zum Gewölbescheitel und führt hinauf in die Golgathakapelle. Der Spalt entspricht dem in Jerusalem im Felsen vorhandenen und sichtbar gehaltenen Riß, der auf das Erdbeben beim Sterben Christi zurückgeführt wird“ 12 . Die Benennung der Kapelle als Adamskapelle ist auf die typologische Deutung des Erlösungswerkes Christi zurückzuführen; durch seinen Tod werden Adam und die Väter des Alten Testamentes erlöst. Außerdem soll nach einer apokryphen Legende das Kreuz Christi über dem Grab Adams gestanden haben 13 . Dies wird hier einfach durch die Namensgebung dargestellt und symbolisiert, indem sich Golgatha „über Adam“ befindet. Eine Nische in der Kapelle soll das Gefängnis Christi dargestellt haben, was Dalman allerdings zurückweist: Er gibt der Nische den schlichten Namen „Sakristei“. Andererseits wurde hier in der Zeit, in der die Heilig-Grab-Anlage von Pilgern besucht wurde, eine hölzerne Christusfigur aufbewahrt, die für die Prozession aus ihrem Versteck geholt wurde. Neben der Heilig-Kreuz-Kapelle liegt das unscheinbare „nischenartige Gehäuse“, das als Salbhaus oder Salbungskapelle bezeichnet wird. Dieses entspricht dem Salbungsstein der Grabeskirche in Jerusalem, also dem Ort, wo der Leichnam Christi vor seiner Bestattung gesalbt wurde. In dem Kapellchen befindet sich daher eine Pietà 14 . Von hier geht es weiter zum Heiligen Grab (Abb. 5): einer „exakte[n], im Maßstab etwas verkleinerten Kopie des Vorbildes. Der ganz orientalisch empfundene Bau zeigt das Grab Christi in seiner 1099-1555 bestehenden Gestalt, außen wie innen zweiteilig. An die würfelförmige Vorkammer mit westlichem Spitzbogeneingang und je einem kleinen 264 Gunhild Roth 11 D ALMAN (wie Anm. 7) S. 206. 12 L EMPER (wie Anm. 2) S. 8. 13 Vgl. auch Werner W ILLIAMS -K RAPP , „Kreuzesholzlegende“, in: 2 VL (wie Anm. 4), 5 (1984/ 85) S. 371f. 14 „Marienklage“ aus Sandstein von Hans Olmützer, tätig in Görlitz 1488-1503, vgl. L EMPER (wie Anm. 2) S. 10f. <?page no="275"?> Seitenfensterchen schließt sich ein Apsisbau an, umstellt von sieben romanisierenden Säulen, die einen Rundbogenfries tragen. Rings um das ganze Bauwerk zieht sich eine wulstig überkragende Hohlkehle. Nur der östliche Zugang trägt spätgotische Merkmale. Maßgeblich für das Stilgepräge ist der von sechs Säulen getragene Kuppelaufsatz mit einem maurisch ornamentierten Kranzgesims. Diese Gestaltung konnte man zur Bauzeit um 1500 den damals in Holzschnitten verbreiteten Darstellungen des Grabes Christi entnehmen [...]“ 15 . Vor allem Bernhard von Breydenbachs Bericht über seine Pilgerreise ins Heilige Land, 1486 in Mainz mit den Holzschnitten von Erhard Reuwich gedruckt, ist als Vor- Das „Heilige Grab“ in Görlitz 265 15 L EMPER (wie Anm. 2) S. 11. Abb. 3 Golgatha- Kapelle. Quelle: eigenes Foto (1998). <?page no="276"?> lage anzunehmen 16 . Diese wurde getreu, wenn auch mit einigen Mißverständnissen nachgebaut: „Selbst Einzelheiten kopierte man in Görlitz [...], wie die Rechteckfelder über dem Eingang und die gebrochenen Horizontalwülste, die hier als Siegel und Riegel des Grabverschlusses gedeutet wurden. Ebenso erfuhren die im Holzschnitt dargestellten seitlichen Baluster des Daches eine Umdeutung als Salbgefäße. Die Abschrankungssteine seitlich des Zugangs wurden in Görlitz getreu wiederholt, aber als Grabwächtersitze umgedeutet. Der große Verschluß- 266 Gunhild Roth 16 Erstdrucke Mainz, Erhard Reuwich, 11.2.1486 (GW 5075, lateinisch) und Mainz, Erhard Reuwich, 21.6.1486 (GW 5077, deutsch); zwölf weitere Drucke von 1486-1522, siehe 2VL (wie Anm. 4), 1 (1978) S. 752-754, bes. S. 752f. Abb. 4 Golgatha- Kapelle (innen). Quelle: eigenes Foto (1998). <?page no="277"?> stein der Grabestür, der bei Christi Auferstehung beiseite geschleudert wurde, fand Aufstellung dem Zugang gegenüber. In Jerusalem wird er in einer anderen Kirche aufbewahrt. Abweichend von dem ohnehin nicht exakten Holzschnitt Reuwichs erhielt der Görlitzer Dachtempietto Spitzbögen. Im Innern wurden die originalen Abmessungen genau befolgt. Die in Jerusalem erst 1048 hinzugekommene Vorkammer ist die Stätte der Verkündung von Christi Auferstehung. Der quadratische Raum mit schlichtem Kreuzgratgewölbe besitzt jedoch nicht wie sein Vorbild eine östliche Apsis. Man deutete diese durch Schrägung der westlichen Ecken nur an. Der im Original vorhandene Engelstein wurde im Barock [...] mit einer hölzernen Engelstatue versehen. Durch eine niedrige Tür - sie war für kniend Eintretende bemessen - erreicht man die Grabkammer. Sie blieb bis 1916 ohne jede Andeutung des Grabes. Auf Anregung Gustav Dalmans wurde der altarartige Steinsockel errichtet, der den Sarkophag Christi andeutet“ 17 . Der Rundgang des Pilgers ist damit beendet. Auch wenn hier nicht alle Einzelheiten dargelegt wurden, ist wohl deutlich geworden, daß es sich bei der Anlage in Görlitz um eine den örtlichen Gegebenheiten angepaßte, im mittelalterlichen Sinn exakte Nachbildung der heiligen Stätten Jerusalems handelt. Gustav Dalman hat sie mit den Beschreibungen der 1555 zerstörten Vorlage in Jerusalem verglichen, auf seine Grundrißzeichnungen der beiden Golgatha- und Heiliggrabkapellen sei hier hingewiesen 18 . „Wenn auch ähnliche spätmittelalterliche Nachbildungen des Grabes Christi nachgewiesen wurden, meist bürgerliche Stiftungen, findet sich keine, die mit derartiger Ausführlichkeit und kopistischer Genauigkeit die Kalvarienstätten mit Stadt und Landschaft zu einer solchen Erlebnis- und Bedeutungseinheit verschmolzen hat, wie dies in einzigartiger Weise in Görlitz geschehen ist“ 19 . Das „Heilige Grab“ in Görlitz 267 17 L EMPER (wie Anm. 2) S. 12. Nicht nur diese Veränderung geht auf Dalman zurück, vgl. D ALMAN , Das heilige Grab, Nachträge 1917 (wie Anm. 7) S. 140. 18 D ALMAN (wie Anm. 7), Tafeln II, IV und VI. 19 L EMPER (wie Anm. 2) S. 2. Vgl. auch Helga M ÖBIUS , Passion und Auferstehung in Kultur und Kunst des Mittelalters (Berlin/ DDR 1978, Lizenzausgabe Wien 1979) S. 81f. <?page no="278"?> II. Der Stifter der Grabanlage Wer aber hat nun die Idee gehabt und die Errichtung der Anlage finanziert? In Görlitz hat es - im Gegensatz zu anderen Orten - keinen Orden vom Heiligen Grab gegeben, der für Baufinanzierung und -betreuung sowie die geistliche Begleitung hätte sorgen können. Die Keimzelle der Anlage, die Heilig-Kreuz-Kapelle, geht auf die Initiative des Rates und die Großzügigkeit einzelner Stifter zurück. Wer die Idee zur Weiterentwicklung hatte, läßt sich nicht mehr feststellen. Im wesentlichen wird die Anlage heute mit dem Namen der Familie Emerich verbunden, die vor allem in der Person des Georg Emerich zur Finanzierung wesentlich beitrug. Georg Emerich (Abb. 6) gehörte in Görlitz zu den Zuwanderern des 15. Jahrhunderts, die hier Ansehen, Reichtum und politische Macht erwarben. Sein Lebenslauf war nicht ganz geradlinig, und er war offenbar auch keine einfache Persönlichkeit 20 . Der Vater Georgs, Urban Emerich 21 , kam als nicht mehr ganz junger Mann um 1430 vielleicht von Glatz nach Görlitz. Er war bereits verwitwet, als er Margarethe, die Tochter des Görlitzer Bürgermeisters Paul Rinkengießer heiratete, der 1431 starb. Seit 1433 bis zu seinem Tod 1470 gibt es zahlreiche urkundliche Nachrichten über Urban Emerich. Er ist im Auftrag des Rates regelmäßig auf Reisen, wird wiederholt zum Ratmann und Schöppen gewählt und ist fünf Jahre Bürgermeister 22 . Aus seiner ersten Ehe stammten und mit ihm nach Görlitz kamen zwei Söhne, Urban der Jüngere und Georg, geboren etwa um 1422, wahrscheinlich in Glatz. Georg studiert in Leipzig 23 , erwirbt im Wintersemester 268 Gunhild Roth 20 Das folgende beruht auf den Forschungen des Görlitzer Stadtarchivars Richard Jecht (1858-1945), der das überaus reiche urkundliche Material in nahezu lebenslanger Arbeit (seit etwa 1880 bis 1941) durchgearbeitet und veröffentlicht hat. Ein großer Teil dessen, was Jecht und andere ausgewertet haben, ist infolge des Zweiten Weltkrieges heute verloren. Siehe auch Richard J ECHT , Das Ratsarchiv der Sechsstadt Görlitz, Neues Lausitzisches Magazin 105 (1929) S. 184-201. 21 Die Schreibung des Namens variiert in den Urkunden, Emmerich (mit zwei ‚m‘) und Emrich stehen neben Emerich; ich werde die Schreibung Emerich übernehmen (auch Jecht hat keine feste Schreibung). 22 Nämlich 1448, 1452, 1456, 1460, 1464; vgl. Richard J ECHT , Urkundliche Nachrichten über Georg Emerich (Görlitz 1892) (Separatdruck aus Neues Lausitzisches Magazin 68 [1892]) S. 4. 23 Laut J ECHT (wie Anm. 22) S. 11 studiert Georg Jura, allerdings wird lediglich sein Baccalaureat in der Philosophischen Fakultät verzeichnet. Die Juristenfakultät besitzt für die Zeit vor 1559 keine Originaldokumente, vgl. Urkundenbuch der Universität Leipzig von 1409 bis 1555. Im Auftrag der Königlichen Sächsischen Staatsregierung, hg. v. Bruno S TÜBEL , (Codex diplomaticus Saxoniae Regiae II. Hauptteil 11, Leipzig 1879) S. X. <?page no="279"?> 1453 das Baccalaureat 24 und kehrt erst Anfang der 1460er Jahre nach Görlitz zurück. Womit er sich in der Zwischenzeit beschäftigt hat, läßt sich nicht mehr feststellen; vermutlich führte er bereits von Leipzig aus Handelsgeschäfte, die er dann nach Görlitz verlagerte. In Görlitz entwickelt er sich zu einem Ärgernis, er scheint den Frauen zu sehr zugetan und dabei nicht immer sehr rücksichtsvoll gewesen zu sein. Es kommt zu einem Eklat, der sich nicht mehr in allen Einzelheiten aufklären läßt, der aber nicht ohne Folgen für Georg Emerich, seine Familie, die Familie der beteiligten Frau sowie sogar für das Stadtbild bleibt. Das „Heilige Grab“ in Görlitz 269 24 Die Matrikel der Universität Leipzig 2: Die Promotionen von 1409-1559, hg. von Georg E RLER (Leipzig 1897) S. 157: Georgius Emrich de Gorlicz. Abb. 5 Heiliges Grab. Quelle: eigenes Foto (1998). <?page no="280"?> Am Pfingssonntag des Jahres 1464 zieht Georg die junge Benigna Horschel in ihres Vaters Haus in einen dunklen Winkel und vergewaltigt sie 25 . Dies bleibt nicht unentdeckt, und die betroffene Familie fordert die übliche Strafe für solche Vergehen, nämlich Wiederherstellung der Ehre durch Heirat, materielle Genugtuung und Buße. Georg weigert sich, Benigna zu heiraten und für seine Tat zu bezahlen, obwohl sein Opfer die Tochter eines angesehenen Ratsmitglieds ist. Dadurch wird der Vorfall zum Streitfall zwischen den Familien Emerich und Horschel sowie deren Verwandten, der in aller Öffentlichkeit ausgetragen wird und dadurch den Rat zum Einschreiten zwingt, um die Ruhe und Ordnung wieder herzustellen. Offenbar als Folge dieser öffentlichen Auseinandersetzung gelobt Urban Emerich senior mit seinen drei Söhnen 270 Gunhild Roth 25 Intra celebritatem Pentecostes [20. Mai] Benigna primum in domo patris stuprata [= geschändet], vgl. J ECHT (wie Anm. 22) S. 12 Anm. 1 nach Francks Historicae relationes, S. 691 sowie Neues Lausitzisches Magazin 35 (1859) S. 333-339 und Neues Lausitzisches Magazin 27 (1850) S. 234 (zur sogenannten „Pulververschwörung“). Abb. 6 Georg Emerich. Quelle: J ECHT (wie Anm. 22), Tafel I. <?page no="281"?> Urban junior, Georg und Wenzel die Zahlung von 800 rheinischen Gulden, zahlbar zu Weihnachten 1464. Ob das Geld tatsächlich bezahlt wurde, oder ob Urban Emerich senior, der seit dem 10. Oktober wieder zum Bürgermeister gewählt worden war, die Zahlung der enormen Summe kraft seines Amtes abwenden konnte, läßt sich nicht feststellen 26 . Die Sache wird dadurch weiterhin kompliziert, daß Georg Emerich seine Kontrahenten Horschel und Lauterbach (Vater und Onkel der Benigna) in Leipzig verklagt, und zwar vor dem „subconservator der Privilegien der Studenten“ 27 , der dafür eigentlich gar nicht zuständig ist. Der Görlitzer Rat entscheidet demnach auch, daß sich die Parteien so lange friedlich verhalten sollen, bis in der Hauptsache, also der Eheschließung und Wiedergutmachung, eine Einigung erzielt worden sei; außerdem solle Georg die Klage nach Leipzig zurückziehen, da nur die heimischen Gerichte zuständig seien 28 . Die Fronten verhärten sich immer mehr, schließlich ergreift der Rat sogar Partei gegen den geschädigten Horschel und seine Familie. Erschwerend kommt hinzu, daß sich die politische Stimmung in der Stadt verschlechtert: Nur widerwillig hatte das katholische Görlitz 1459 den böhmischen König Georg von Podiebrad als neuen Landesherrn akzeptiert. Seit 1462 lagen Papst Pius II. (Aeneas Silvio Piccolomini, gest. 1464) und sein Nachfolger Paul II. (1464-1471) im Streit mit dem „Ketzerkönig“. Päpstliche Legaten agitierten gegen ihn, die Akzeptanz des Königs bei den anti-hussitischen Untertanen sank stetig. Da ein Kriegszug des Königs gegen die Lausitz zu befürchten war, verstärkte Görlitz seine Verteidigungsanlagen. Eine kleine, aber mächtige pro-hussitische Minderheit war mit der Politik des Rates nicht einverstanden und paktierte mit dem Landvogt, also mit dem Vertreter des Königs in der Lausitz. Die Führer dieser Minderheit waren „gerade die Häupter [...] der von Georg Emerich so schwer gekränkten Familienverbindung“ 29 , nämlich Nickel Horschel, Martin Lauterbach und Martin Schleife. Sie beschwerten sich beim Vogt über das ihnen angetane Unrecht, monierten, daß der Rat ihnen nicht zu ihrem Recht verhelfe und verlangten Beistand und Hilfe. Außerdem baten sie den Vogt, Georg Emerich, der auf seinen Reisen immer viel Silber bei sich habe, in Bautzen oder auf der Landstraße festzunehmen und ihn so lange festzuhalten, bis er entweder bereit sei, die Benigna zu ehelichen oder ihr die Hälfte seines Vermögens zu geben. Sei er dazu nicht Das „Heilige Grab“ in Görlitz 271 26 J ECHT (wie Anm. 22) S. 13. 27 Ebd., S. 14. 28 Urkunde ebd., S. 12. 29 Ebd., S. 15. <?page no="282"?> bereit, solle er hingerichtet werden, um sie zu rächen 30 . So wurden hier - in fast tragischer Weise - private und politische Ziele miteinander verbunden. Der Landvogt und seine Beamten versuchten offensichtlich, diese Situation für ihre Zwecke auszunutzen und überredeten die Geschädigten, einen Aufstand zu organisieren, damit die Stadt von ihren Truppen eingenommen und an Georg von Podiebrad übergeben werden könnte. Diese Pläne verzögerten sich mehrfach wegen fehlender Truppen und schlechter Koordination. Als die Verschwörung schließlich aufgedeckt wurde, und zwar bevor es zu einem Überfall auf die Stadt gekommen war, griff der Rat hart durch. Die Verschwörer wurden festgenommen und nach längerem Prozeß verurteilt: Am 31. Mai 1468 wurden Lauterbach und Schleife hingerichtet, Nickel Horschel wurde gegen Bürgschaft und mit strengen Auflagen auf freien Fuß gesetzt 31 . Georg Emerich hatte zwischenzeitlich das Weite gesucht. Er tritt nämlich - ob auf geistlichen Rat hin zur Wiedergutmachung oder aus dem Wunsch, seinen Gegnern zu entkommen, ist unbekannt - eine größere Reise an, die ihn nach Jerusalem führt. Den größten Teil des Jahres 1465 ist Georg unterwegs. Am 11. Juli 1465 wird er in Jerusalem zum Ritter des heiligen Grabes geschlagen 32 . Über die Reise als solche ist nichts bekannt. Emerich wird die übliche Route über Venedig genommen und die heiligen Stätten in Jerusalem und vielleicht auch auf dem Sinai besucht haben. Ende 1465 ist er wieder zurück in Görlitz. Im Verlauf der nächsten Jahre baut Georg seine Handelsgeschäfte aus; er erwirbt Landbesitz und heiratet im Jahr 1468 (nicht Benigna Horschel 33 ). Im gleichen Jahr werden die Verschwörer hingerichtet; wann und wie der Streitfall Benigna Horschel entschieden wurde, ist nicht überliefert. 272 Gunhild Roth 30 Ebd. 31 Ebd.; s. a. Richard J ECHT , Geschichte der Stadt Görlitz, I: Allgemeine Geschichte der Stadt Görlitz im Mittelalter (Görlitz 1926) S. 198. 32 Siehe die hierüber und über seinen Aufenthalt in Jerusalem ausgestellte Urkunde (Abb. 9 und Anhang I). Das Original sowie eine Emrichsche Familienchronik befanden sich zu Jechts Zeiten im Archiv der Familie Hagendorn in Nickrisch (heute Hagenwerder, Vorort von Görlitz) und müssen heute als verloren gelten. Ich danke Herrn Hoche vom Ratsarchiv Görlitz und Herrn Kahl von der Christian-Weise-Bibliothek Zittau für ihre Auskünfte und ihre Unterstützung. Das Dorf Nickrisch hatte Emerich 1480 gekauft, vgl. J ECHT (wie Anm. 22) S. 31 und den Urkundenabdruck 64 (Beilage 9). 33 Das weitere Schicksal der Dame ist etwas unklar, weder eine Schwangerschaft noch die Geburt eines Kindes sind nachweisbar. Scultetus berichtet nach früheren Quellen, sie habe Balthasar Salfeldter geehelicht, vgl. Gustav K ÖHLER , Magister Bartholomeus Scultetus gesammelte Nachrichten über die Pulververschwörung in Görlitz, Neues Lausitzisches Magazin 35 (1859) S. 333-336 und S. 364-366, hier S. 333: Benigna Hurschel viciata ab Emrico anno 1464. May 20. Sontag Pentecostes. in camera supra cistam. Post facta uxor Balthasar Salfeldter. <?page no="283"?> Möglicherweise wurde die Reise nach Jerusalem als Buße und Absolution angesehen. Ob es sich um eine vorweggenommene Strafwallfahrt handelte, wie sie in den Niederlanden und in Norddeutschland schon damals üblich waren 34 , bleibt ungeklärt. 1470 stirbt der Vater Urban Das „Heilige Grab“ in Görlitz 273 34 Vgl. Ludwig S CHMUGGE , „Pilger“, in: Lexikon des Mittelalters 7 (1993) Sp. 2148- 2150, bes. Sp. 2150; Jan van H ERWAARDEN , Opgelegde bedevaarten. Een studie over de praktijk van opleggen van bedevaarten (met name in de stedelijke rechtspraak) in de Nederlanden gedurende de late middeleeuwen (ca. 1300 - ca. 1500) (Van Gorcum’s historische bibliotheek 95, Assen 1978); Nine M IEDEMA , Following in the Footsteps of Christ: Pilgrimage and Passion Devotion, in: The Broken Body. Passion Devotion in Late-Medieval Culture, hg. von Alasdair A. M AC D ONALD / H. N. B. R IDDERBOS / Rita M. S CHLUSEMANN (Mediaevalia Groningana 21, Groningen 1998) S. 73-92, bes. S. 76. Abb. 7 Emerich- Epitaph, lateinisch. Quelle: eigenes Foto (1998) <?page no="284"?> Emerich, und bald darauf wird Georg zum Ratsmitglied gewählt. Er übernimmt verstärkt politische Verantwortung, ist in Ratsgeschäften unterwegs und vermehrt seinen Reichtum, seine Macht und sein Ansehen in einem Maße, daß ihn angeblich Martin Luther als „König von Görlitz“ bezeichnet 35 . 1483 wird er zum Bürgermeister gewählt und mehrfach in diesem Amt erneut bekräftigt (1488, 1494, 1498, 1502); im Jahr 1507 stirbt er. Wie es sich für reiche und mächtige Männer gebührt, gab Georg Emerich einen ansehnlichen Teil seines Vermögens für wohltätige Stiftungen aus. Und zu seinen bedeutendsten Stiftungen gehören Spenden zum Bau der Heilig-Kreuz-Kapelle sowie auch die Errichtung weiterer Gebäude. Zu der Gestaltung der Görlitzer Anlage trug er offenbar in einem Maße bei - insbesondere durch den Bau des Heiligen Grabes und der Salbungskapelle nebst Pietà -, daß spätere Generationen die Heilig-Grab- Kapelle als Mausoleum und Emerichschen Familienbesitz in ihre Verantwortung (und Finanzierung) übernahmen. Allerdings gibt es keine sicheren Beweise dafür, daß Georg tatsächlich der Bauherr war. Behauptet wird dies aber in den lateinischen wie deutschen Epitaphien (Abb. 7 und 8), die ein Enkel Georgs 1578 für seinen Vorfahren in der Heilig- Kreuz-Kapelle errichten ließ 36 . 274 Gunhild Roth 35 Ein Nachweis dieser Aussage ist nicht möglich, sie hält sich aber hartnäckig in der Lokalüberlieferung. Luther hat Emerich allerdings in seiner Auslegung des 45. Psalms erwähnt: Est enim in politia hac virtute opus, ut, qui administrant respublicas, sint excitati et gnavi, non somnolenti, sed industrii, qualis fuit nostra aetate Emericus Gorlicensis et multi alii, zitiert nach J ECHT (wie Anm. 22) S. 57. 36 Abdruck der Texte siehe Anhang II. Bereits zu dieser Zeit war die Legendenbildung um Emerichs Reise in Familien- und Lokaltradition abgeschlossen. Von dem Werkmeister, den Emerich angeblich bei sich gehabt hat, fehlt jede urkundliche Spur. Daß Emerich nicht allein gereist ist, ist allerdings mehr als wahrscheinlich. Zur Legende um den Bau der Heilig-Grab-Anlage gehört weiterhin, daß Emerich 1476 eine zweite Reise nach Jerusalem unternommen habe. - So auch noch falsch bei Ursula G ANZ - B LÄTTLER , Unterwegs nach Jerusalem. Die Pilgerfahrt als Denkabenteuer, in: Symbolik von Weg und Reise, hg. von Paul M ICHEL (Schriften zur Symbolforschung 8, Bern u. a. 1992) S. 93 mit Anm. 30-31. Auch sie fällt auf die Lokaltradition herein, weil sie Mergenthals Bericht nicht hinterfragt. - Eine längere Abwesenheit Emerichs aus Görlitz ist aber unmöglich, da er in den Jahren 1476/ 77 so oft urkundet, daß für eine so weite Reise keine Zeit bleibt (vgl. J ECHT [wie Anm. 22] S. 23f.). Hingegen ist sicher, daß die reiche Görlitzer Witwe Agnes Finger (zu ihr J ECHT [wie Anm. 22] S. 19-24, Urkundenabdrucke 60f. [Beilagen 3 u. 4]; s. a. Anm. 36) 1476/ 77 eine Pilgerreise nach Rom und weiter nach Jerusalem unternahm. Sie reiste - ob bereits von Dresden aus oder erst ab Rom, ist nicht ganz klar - mit der Gesellschaft des Herzogs Albrecht von Sachsen. Der ebenfalls mitreisende Hans von Mergenthal berichtet über diese Gesellschaft u. a.: „[...] und sonsten eine Deutsche aus der Schlesien von <?page no="285"?> Bereits seit 1325 stand ein Kreuz an der Stelle, wo 1453 erstmals eine Kapelle Zum Heiligen Kreuz erwähnt wird. Das Gelände diente als ungeweihter Friedhof zur Bestattung von Hingerichteten und Ungetauften. 1464/ 65 wird ein Fonds zum Neubau der Kreuzkirche erwähnt; Georg Emerich wird auf seine Reise 1465 Geld mitnehmen, um Meßgewänder für den Neubau zu kaufen. 1473 erwirbt der Rat einen Garten zur Erweiterung des Baugeländes. Am 1. Oktober 1480 trifft die Baugenehmigung des bischöflichen Offizialats aus Meißen ein, bald darauf - vielleicht Anfang 1481 - dürfte man mit dem Bau begonnen haben. Spenden einzelner Bürger 37 und mehrere Ablaßkampagnen 38 dienen der weiteren Finanzierung. Der Bau der Heilig-Kreuz-Kapelle schreitet langsam, aber stetig voran. In der Stadt herrscht zum Ende des 15. Jahr- Das „Heilige Grab“ in Görlitz 275 Görlitz mit irem Manne Die zwei Eheleut von Görlitz haben das muster vom Heiligen Grabe zu Hierusalem genommen und darnach zu Görlitz heraußen vor der Stadt eine Capellen lassen bauen und ein Grab in aller gestalt, wie das Heilige Grab zu Hierusalem ist.“ (zit. nach J ECHT [wie Anm. 22] S. 22f.). Daß Agnes Fingerin unterwegs war, ist gesichert. Sie machte ihr Testament und hinterließ Bestimmungen über ihr Vermögen für den Fall, daß sie „uffm Romwege bleyben und nicht wider komen“ würde (J ECHT [wie Anm. 22] S. 21). Sie ist in Görlitz zuletzt am 9. Januar 1476 nachweisbar, dann erst wieder am 23. September 1477; die Gesellschaft des Herzogs verläßt Dresden am 5. März 1476. Wer auch immer ihr Begleiter gewesen sein mag - Georg Emerich kann es nicht gewesen sein. Ob der legendäre Werkmeister ihr Begleiter war oder ob tatsächlich Bauzeichnungen aus Jerusalem mitgebracht wurden, ist nicht nachweisbar, aber es ist auch nicht unmöglich. 37 Agnes Finger 1475, 5 Gulden; Anonym, 1481, 100 ung. gl.; 1485, Stiftung eines Hauses zugunsten der Heilig-Kreuz-Kapelle; 1486 Stiftung eines Gartens zugunsten eines Altares der Kapelle; Jacob Weinrich, 1489, 500 Gulden; Katharina Schweltz, Stiftung eins Altares nebst Zinsen, 1489, vgl. J ECHT (wie Anm. 22) S. 46 mit Anm. 1; Stiftung eines Meßgewandes, vgl. ebenda, 72 (Beilage 23). 38 100tägige Ablässe 1482, 1485, 1503, vgl. J ECHT (wie Anm. 22) S. 42. Die Ablaßbriefe von 1482 und 1503 sind offenbar nicht mehr erhalten, vgl. die Abdrucke in Verzeichnis Oberlausitzer Urkunden, fünftes bis achtes Heft, vom Jahre 1419 bis 1490 (Görlitz 1805) S. 148: Guilielmus Ostiensis etc. et alii cardinales, vt ecclesia s. crucis sita extra muris opidi Gorlicz congruis frequentetur honoribus necnon in suis structuris manuteneatur, dictam ecclesiam visitantibus C. dies indulgenc. relaxant. d. Rome, xxvj. Nov. Mcccclxxxij. und Verzeichnis Oberlausitzer Urkunden. Zweiter Band, oder neuntes bis zwanzigstes Heft, nebst den Nachträgen, vom Jahre 1490 bis 1803, hg. von der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften in Görlitz (Görlitz 1824) S. 63: Raymundus cardinalis, legatus, parochialem ecclesiam S. Nicolai, et capellam s. crucis extra muros oppidi Gorlitz, certis in festiuitatibus visitantibus centum dies de injunctis penitencijs relaxat. d. MDiij, xiiij July; quibus xl dies addidit Johannes ep. Misn. d. Stolpen, MDiij, xv Decbr. (Der Zusatz von Bischof Johannes von Meißen ist im Urkundenbuch des Hochstifts Meißen 3, hg. von Ernst Gotthelf G ERSDORF [Codex diplomaticus Saxoniae Regiae II. Hauptteil] [Leipzig 1857] nicht enthalten). Der Ablaßbrief von 1485 ist im Görlitzer Ratsarchiv „unbeschadet aber stark verblichen“ erhalten. - Ich danke Herrn Ratsarchivar Hoche auch für diese Auskünfte. <?page no="286"?> hunderts eine rege Bautätigkeit. Da der Neubau der Peter-und-Paul- Kirche Vorrang hat, verzögert sich die Fertigstellung der Heilig-Kreuz- Kapelle. Am 23. Januar 1498 schließen der Rat und Baumeister Blasius Börer einen Vertrag zur Fertigstellung der Kapelle. Doch diese zieht sich weiter hin; erst am 28. Mai 1508 teilt der Bischof von Meißen seine Bereitschaft mit, „den ‚neuen Altar‘ in der Kapelle Zum Heiligen Kreuz zu weihen. Damit war offenkundig die Fertigstellung gemeint, in die wohl auch das Salbhaus und die Grabkapelle einzuschließen sind, über die urkundliche Nachrichten fehlen, da es sich um Privatstiftungen gehandelt hat. Stilgeschichtlich und ikonographisch sind sie den Jahren um 1500 zuzuweisen“ 39 . Alle erhaltenen Urkunden beziehen sich lediglich auf 276 Gunhild Roth 39 L EMPER (wie Anm. 2) S. 8. Abb. 8 Emerich- Epitaph, deutsch. Quelle: eigenes Foto (1998) <?page no="287"?> den Bau der Heilig-Kreuz-Kapelle. Es gibt keine Urkunden über Bau und Fertigstellung des Salbhäuschens und der Heilig-Grab-Kapelle. Die Zuschreibung an Georg Emerich beruht lediglich auf Indizienbeweisen. Richard Jecht legt diese dar: Emerich habe nie das Grundstück besessen, auf dem das Heilige Grab errichtet wurde. Hinzu komme, daß seine Nachkommen Pachtzins an die Peterskirche entrichten mußten. Daraus folge, daß Emerich auf fremdem kirchlichem Boden gebaut habe, den er pachten mußte. Daß aber Emerich als Bauherr zu gelten habe, ergebe sich daraus, daß sich auf seine Nachkommen einige Rechte an der Heilig-Grab-Kapelle vererbt hätten. Jecht nimmt daher - sicher zu Recht - an, „daß Emrich ganz allein auf eigne Kosten das eigentliche heilige Grab gebaut hat. Dafür gab er allein den Zins, sozusagen als Grundsteuer. Da er als Erbauer Eigentumsrecht an dem Grabe hatte und für den Grund und Boden und den Zutritt zum Grabe eine Abgabe entrichtete, daher erklärt sich das Besitzrecht der Emriche, das sie mit der Kirche und dem Rate in rechtlich etwas unklarer Weise teilten. Georg wird wohl auch ein Häuschen für einen Diener, der auf Ordnung hielt und wohl auch dem Priester, der in katholischen Zeiten Messe hielt, zur Hand ging, gebaut haben. Als die Reformation nun in Görlitz ihren Einzug gehalten hatte und die Messen aufhörten, da stand die Kapelle nicht mehr, wie sonst, offen, und der Diener öffnete den Besuchenden Kapelle und Grab. Der Rat aber nahm für sich in Anspruch, den von den Emrichen präsentierten Hüter zu bestätigen; war doch infolge der Reformation auf die Stadtregierung ein gut Teil des pfarramtlichen Rechtes übergegangen, [...]. Daß keine urkundliche Notiz über die Erbauung des heiligen Grabes (im engeren Sinne) vorhanden ist, das kommt jedenfalls daher, daß man das Grab sozusagen als Anhang der Kapelle betrachtete, über den man besonders nicht zu urkunden brauchte. So ist es wohl auch gekommen, daß zeitgenössische Quellen niemals Emrich als Erbauer des heiligen Kreuzes hinstellen, er erbaute ja in Wirklichkeit nur einen Appendix, den besonders zu erwähnen nicht so leicht Anlaß vorlag. Dagegen in späterer Zeit, wo der Gottesdienst in der [Heilig-Kreuz-] Kapelle einging und damit deren Wichtigkeit schwand und wo das [Heilige] Grab als eine Merkwürdigkeit ersten Ranges mehr in den Vordergrund trat, da änderte sich einmal der Gesamtname (statt heiliges Kreuz sagte man heiliges Grab), und dann bildete sich leichtlich die Meinung, Georg sei der Erbauer des Ganzen“ 40 . Das „Heilige Grab“ in Görlitz 277 40 J ECHT (wie Anm. 22) S. 46. - Die Görlitzer Anlage entwickelte sich schnell zu einem beliebten Wallfahrtsziel, eine große Zahl von (Pilger-)Führern entstand, vgl. die Bibliographie bei D ALMAN (wie Anm. 7) S. 242ff. (zusammengestellt von Jecht) sowie <?page no="288"?> Ob Georg Emerich bereits bei der Rückkehr von seiner Jerusalem- Reise mit dem Gedanken umging, ein Heiliges Grab zu erbauen, ob es als Sühne und Buße für die Benigna-Affäre und die blutige Niederschlagung des Aufstandes der (auch politischen) Gegner gemeint war - wir werden es wohl nie erfahren. Georg Emerich - Handelsherr, Jerusalempilger und Bürgermeister - war ein Repräsentant einer neuen Klasse: des durch Handel reich gewordenen, zu politischem Einfluß gekommenen, diesen auch nutzenden Patriziers. Er war Bürger und Repräsentant einer Stadt, die ihrerseits durch Handel und ihr verliehene Privilegien zu Wohlstand und Macht gekommen war 41 . Kurz vor dem Beginn der Neuzeit, der Ausbreitung der Reformation und dem unabwendbaren, wenn auch langsamen wirtschaftlichen Niedergang hat sich das Bürgertum von Görlitz mit der Errichtung der Heilig-Grab-Anlage ein städtebauliches Denkmal ohnegleichen gesetzt, ein Denkmal, das daran erinnern kann, wie nahe Aufstieg und Fall, Reichtum und Armut, Macht und Ohnmacht beieinander liegen. 278 Gunhild Roth neuerdings Tilo B ÖHMER , Das Heilige Grab in Görlitz. Seine Beschreibungen und Abbildungen in der Literatur des 16. bis 18. Jahrhunderts, Bibliotheksjournal der Christian-Weise-Bibliothek Zittau. Quellenforschung, Historisches, Bibliographisches und Biographisches aus Zittau und der Oberlausitz 1 (1998) S. 27-40 und Anke R UBEL , Nachtrag [...], ebd. 4 (1998) S. 22-32. 41 Vor allem der böhmische König Johann von Luxemburg stärkte die Stadt, indem er ihr Zollfreiheit in den böhmischen Ländern gewährte (1329), das Münzrecht verkaufte (1330) und das Monopol für den Waidhandel nach Osten verlieh (1339). Handel und Tuchmacherhandwerk bildeten die wirtschaftlichen Grundlagen der Stadt, das Waidhandelmonopol spielte hierbei eine große Rolle. Siehe zur Wirtschaftsgeschichte Hermann K NOTHE , Geschichte des Tuchmacherhandwerks in der Oberlausitz, Neues Lausitzisches Magazin 58 (1882) S. 241-380 (mit urkundlichen Beilagen) und Horst J ECHT , Beiträge zur Geschichte des ostdeutschen Waidhandels und Tuchmachergewerbes, Neues Lausitzisches Magazin 99 (1923) S. 55-98 und Neues Lausitzisches Magazin 100 (1924) S. 57-134. Abb. 9 Ritterurkunde. Quelle: J ECHT (wie Anm. 22), Tafel IV. <?page no="289"?> Weitere Literatur Karlheinz B LASCHKE , Art. Görlitz, in: Handbuch der Historischen Stätten Deutschlands 8: Sachsen (Stuttgart 1965) S. 119-126. Gustav D ALMAN , Das Grab Christi in Deutschland (Studien über christliche Denkmäler 14), Leipzig 1922. Nikolas J ASPERT , Centro y periferia: Los superiores de la orden del Santo Sepulcro y sus prioratos en la corona Catalono-Aragonesa, in: La orden del Santo Sepulcro, Zaragoza 1996, S. 125-139. Nikolas J ASPERT , Kanonicy zakonu bo ogrobców i ich na ladownictwa Jerozolimskiego ko cio a grobu w., in: Ziemia wi ta w rzeczywisto ci i legendzie redniowiecza. Materia y XVI seminarium mediewistycznego. The Holy Land in Medieval Reality and Legend. Papers from the 16th Conference on the Middle Ages, Pozna/ Posen 1996, S. 40-49. Richard J ECHT , Quellen zur Geschichte der Stadt Görlitz bis 1600, Görlitz 1909. Richard J ECHT , Der Oberlausitzer Hussitenkrieg und das Land der Sechsstädte unter Ks. Sigmund, Görlitz 1911. Klara K ACZMAREK -P ATRALSKA , Patrycjat a miasto. Fundacje architektury sakralnej w Görlitz okol / u 1500 roku [Patriziat in der Stadt. Stiftungen geistlicher Bauwerke in Görlitz um 1500], in: Ecclesia et civitas. Kos´ ciol / i z˙ ycie religijne w mies´ ie s´ rediowiecznym. Pod redakcja˛ Haliny Manikowski i Hanni Zaremskiej, Warszawa: Instytut Historii PAN 2002 (Colloquia Mediaevalia Versoviensia 3), S. 375-388. Ernst-Heinz L EMPER , Görlitz, Leipzig 1960. Ernst-Heinz L EMPER , Die Kapelle Zum Heiligen Kreuz beim Heiligen Grab in Görlitz, Baugeschichte und Ikonologie, in: Kunst des Mittelalters in Sachsen. FS Wolf Schubert zum 60. Geburtstag 1963, Weimar 1967, S. 142-157. E. W ENTSCHER (Hg.), Die Görlitzer Bürgerrechtslisten 1379-1600 (CDL 5), Görlitz 1928. Horst W ENZEL , Georg Emmerich und das Heilige Grab in Görlitz, Berlin 1994. Anhang I: Abschrift 42 und Übersetzung der über den Aufenthalt in Jerusalem und den Ritterschlag am Heiligen Grab ausgestellten Urkunde. Nach dem Faksimile bei Jecht 1892, Tafel IV (Abb. 9). Vniversis et singulis praesentem notitiam habituris clarius innotescat. Quod anno domini 1465 die XI mensis Julij | vir nobilis dominus Georgius Emerici de Gorlicz . causa deuocionis peregre proficiscens uenit Jerosolimam | et eximia cum deuocione uisitauit deuotissima loca terre sancte . que a modernis peregrinis christianis uisitari solent . | Tandemque super sacratissimum domini sepulchrum dignitate militari deuotissime est insignitus . Jn cuius rei testimonium | Ego frater Franciscus placentinus ordinis Minorum vicarius sacratissimi Conuentus Montissyon necnon et aliorum | locorum terre sancte gubernator et rector . Has litteras patentes sibi fieri feci prefati Conuentus sigillo magno communiri | Valete omnes in Christo Jhesu saluatore . Et pro me sepius orare dignemini . Datum Jerosolimis in dicto Conuentu nostro Montissyon Millesimo suprascripto die et mense. Allen und jeden, die diese Urkunde haben werden, wird hiermit aufs deutlichste mitgeteilt, daß im Jahre 1465 am 11. Tag des Monats Juli der edle Herr Georgius Das „Heilige Grab“ in Görlitz 279 42 Die Abschriften folgen zeichengenau den Vorlagen; Abkürzungen wurden aufgelöst und in runde Klammern gesetzt. | steht für Zeilenende in der Vorlage. <?page no="290"?> Emerici aus Görlitz, der aus Andacht eifrig reisend nach Jerusalem gekommen ist, mit überaus großer Andacht die sehr zu verehrenden Stätten des Heiligen Landes besucht hat, die von den heutigen christlichen Pilgern üblicherweise besucht werden. Schließlich wurde er am allerheiligsten Grab des Herrn mit der militärischen Würde [= dem Ritterschlag am heiligen Grab] aufs andächtigste ausgezeichnet. Zum Zeugnis für dieses habe ich, Franciscus aus Piacenza, vom Orden der Minderbrüder, Vikar des allerheiligsten Konvents vom Berge Zion und auch Leiter und Rektor der anderen [heiligen] Stätten des Heiligen Landes ihm [= Emerich] diesen offenen Brief machen lassen und ihn durch das große Siegel des oben genannten Konventes bestätigen lassen. Lebt alle wohl in Christus Jesus unserem Erlöser und wollt, so bitte ich, häufig für mich beten. Gegeben zu Jerusalem im genannten Konvent Zionsberg, am oben genannten Datum. Anhang IIa: Abschrift des Epitaphs für Georg Emerich vom Jahre 1578, lat. (Abb. 7). O. S. | GEORGIO EMERICO EQV. NOBILISS. | QVI CVM, OPIFICE ET DVOB. EVM SEQQ. CO= | MITIB. IN PALAESTINAM PROFECTVS IBIQVE | MILITARI DIGMITATE [! ] ET EQVESTRI SVPER | SEPVLCH. CHRISTI, ANNO M.CCCC.LX.V. M. | IVL.D.XI. DONATVS ESSET: POST TOT EX= | HAVSTOS TERRA MARIQ(UE) LABORES, TANTO ITI= | NERE CONFECTO : CVM DOMVM AD SVOS PATRE | ADHVC SVPERSTITE REVERTIT: TVM SACEL= | LVM HOC D. CRVCIS, VICINVMQ(UE) CENOTAPHI= | VM AD EXEMRLVM [! ] EXPRESSVM: SIBI ET PO= | STERIS FF. IPSE DEINDE REIP. HVIVS SE= | NATOR AD ANNOS XXX.VI. COS V: FI= | NEM VITAE CLAVSIT AN. M.D.VII. M. IAN.D.XX.I. | IOHANNES IOHANNIS F. | GEORGII EQ. NN. EMERICVS, AVO | B. M. P. CVR. M. D. LXX. IIX. Anhang IIb: Abschrift des Epitaphs für Georg Emerich vom Jahre 1578, dt. (Abb. 8). DEM EDELN GEORG EMERICH RITTERN | WELCHER, DEMNACH ER MIT EINEM WERCKMEISTER VND SONST ZWEIEN GEFERTEN, | INNS HEILIG LAND VND GEHN HIERVSALEM GEZOGEN: ALLDA ZVM RITTER | VBERM HEILIGEN GRABE, IM IAHR 1465, DEN 11 IVLII GESCHLAGEN WORDEN: | NACH VIEL ERLIETENER ZW. LAND VND WASSER MVHE VND GEFAHR, DA ER | SOLCHE REYSE VERBRACHT: VND ZW. DEN SEINEN, BEY LEBEN SEINES HERRN | VATERN GLVCKLICH ANKOMEN: DIESE KIRCH ZVM H. CREVTZ VND HIERBEY | DAS H. GRAB, WIE ES DORT ABGERISSEN: IHME VND SEINEN NACHKOMEN ZVM | GEDECHTNVS AVFF SEINE VNKOSTEN ERBAWET: VND HERNACH DIESER STADT RHATSHERR BISS INN 36 IAHR FVNFFMAL | BVRGERMEISTER GEWESEN: ZW LETZT | IM IAHR 1507 DEN 21 IANVARII INN GOTT SEELIGLICH. ENTSCHLAFFEN. HAT DIESEN STEIN HANNS EMERICH IOHANSEN SOHN, HERRN GEORGEN | RITTERS SOHNSSOHN, SEINEM WOL= | VERDIENETEN GROSVATERN ALLHIER | ZVR NACHRICHTVNG | 280 Gunhild Roth <?page no="291"?> AVFFSETZEN WOLLEN LASSEN: | ANNO 1578 MEMORIAE IVSTORVM BENEDICETVR. Über der Inschrift Wappenbild: schwarze und goldene Rechtecke im unteren Drittel, darüber eine Sirene (Nixe) mit ausgebreiteten Armen; aufwendige Helmzier, die Sirene schwebt nochmals zwischen Flügeln, darüber ein Psalmvers (Ps 18,20): DER HERR F[Ü]HRET* MICH AVS INN DEN RAVM ER | REIS MICH HERAVS, DENN ER HATTE LVST AN MIR | PSAL. 18. * V mit Punkten für Ü. Anhang IIc: Zwölf lateinische Distichen zum Lobe Georg Emerichs Auf dem lateinischsprachigen Epitaph (Abb. 7) finden sich über der oben wiedergegebenen Inschrift (siehe Anhang IIa) die folgenden zwölf Distichen. D.O.M.S.SIRENVM INSTAR HABENT IGNAVO PERDITA LUXU | LVSTRA, DOMVS, SILVAE, RVRA, POPINA, VENVS: | QUAE FUGIENS EMERICE, CAVA TRABE CERULA, SVLCAS | MVLTA SOLO PASSVS, MVLTA PERICLA SALO. | ERGO SEDENS VIRTVS REDIVIVA ADBVSTA IEHOVAE. | DONATVM MERITO VEXIT HONORE DOMVM. | VT NON PARCVS OPVM PATRIAE HAEC MONUMENTA LOCARES, | VIRTVTIS FIGENS CELSA TROPAEA TVAE. | SIC GEMINAS TENDE(N)SPALMAS PASSOQ(UE) CAPILLO, | VICTAM SE SIREN SVB TVA RVRA [! ] DEDIT. | IMITARE VIRTVTEM, NE[VE] AEMVLARE. | VIRTVTEM COLERE PAR EST, NON INVIDEREA.N.C.M.D.LXX. VIII.M.QUARTO: Da der Text sehr stilisiert und kompliziert ist, sei er in Umschrift wiederholt 43 Deo optimo maximo sacrum Sirenum instar habent ignavo perdita luxu Lustra, domus, silvae, rura, popina, Venus Quae fugiens, Emerice, cava trabe cerula sulcas Multa solo passus, multa pericla salo. Ergo sedens Virtus rediviva ad busta Iehovae Donatum merito vexit honore domum. Ut non parcus opum patriae haec monumenta locares Virtutis figens celsa tropaea tuae. Sic geminas tendens palmas passoque capillo Victam se Siren sub tua iura dedit. Imitare virtutem, ne[ve] aemulare virtutem colere par est, non invidere. Anno nati Christi 1587 mense quarto Das „Heilige Grab“ in Görlitz 281 43 Für die Korrektur der Transkription, die Erläuterung der Inschrift und ihre Übersetzung danke ich herzlich Fidel Rädle, Göttingen. <?page no="292"?> Dem höchsten und allmächtigen Gott geweiht Etwas von Sirenen haben die Dinge, die durch das Wohlleben verderblich sind: Vergnügungsstätten [auch: Bordelle], [üppige] Häuser, Wälder, Land, Wirtshaus und Venus [= Sexualleben]. Diese Dinge hast Du, Emerich, hinter Dir gelassen und [statt dessen] das blauschimmernde Meer mit dem Schiff [wörtl.: mit einem ausgehöhlten Balken] durchpflügt und dabei viele Gefahren zu Land und Wasser auf Dich genommen. So hat Dich die Tugend, die wiederbelebt am Grab unseres Gottes wohnt, mit gebührender Ehre beschenkt [Ritterschlag], wieder nach Hause geführt, um, nicht sparsam mit Deinen Mitteln, der Heimatstadt diese Denkmäler zu errichten und ihnen die hohen Siegeszeichen Deiner Tugend anzuheften. So ergab sich die [sonst verführende] Sirene mit erhobenen Händen und offenem Haar als Besiegte unter Deine Herrschaft. Ahme die Tugend nach, und sei nicht mißgünstig. Es ziemt sich, die Tugend zu pflegen, nicht, ihr mit Neid zu begegnen. Im Jahr nach Christi Geburt 1578, im April. Während der Text des deutschen Epitaphs eine recht genaue Übersetzung der lateinischen Inschrift ist, enthalten die Distichen eine stilisierte Lebensgeschichte Georg Emerichs, mit Bezug auf seine Jerusalem- Fahrt, der dort empfangenen Ritterwürde und seine Stiftungen. Bemerkenswert sind die Anspielungen auf Lustra und Venus, die er anscheinend nach der Rückkehr aus Jerusalem - vielleicht dank der hier indirekt erwähnten Eheschließung (die „sich ergebende Sirene“) - überwinden konnte. Die „verlockende Sirene“ findet sich dann nur noch in seinem Wappen, wie es auch auf dem deutschsprachigen Epitaph eingehauen ist. Der Dichter der Distichen ist unbekannt, es dürfte sich um einen Görlitzer Gelegenheitsdichter gehandelt haben. Resumen: Sobre todo en Alemania y Austria abundan las imitaciones del Santo Sepulcro conocidas como „montes de calvario“. Desde los tiempos del barroco éstas sirvieron para ayudar a los fieles a conmemorar en silencio o con oraciones la pasión de Cristo durante la procesión pascual. Con ello, estas imitaciones cumplieron la misma función al aire libre que los caminos de cruces en el interior de la iglesia. Hoy en día, la ciudad de Görlitz, situada en el triángulo entre Alemania, Polonia y Chequia, tiene que luchar contra una serie de problemas económicos. En cambio, durante la edad media y el renacimiento, Görlitz fue una ciudad comercial importante y rica. Fue en el mismo siglo XV cuando se construyó allí una imitación del Santo Sepulcro. El presente artículo pretende señalar la relevancia de esta imitación marcada por dos características especiales. Primero cabe resaltar su edad, pues figuró como modelo para una serie de construcciones similares. Segundo, llama la atención que se haya incluido a la situación geográfica de la ciudad en la construcción del proyecto. Con ello fue posible crear una imitación bastante exacta de la ciudad santa, incluyendo el monte de Golgata y el valle de Quidrón. El camino de la pasión fue incluido 282 Gunhild Roth <?page no="293"?> en la topografía urbana, comenzando en la iglesia de San Pablo y San Pedro, convertida en la casa de Pilato y los lugares de la condena, la flagelación y la coronación de espinas. Siguió por una serie de estaciones que coincidieron casi exactamente con las medidas del modelo jerosolimitano. La procesión acabó en el conjunto del Santo Sepulcro que consistió en varios edificios con funciones claramente marcadas. Primero la capilla doble con la capilla de Golgata en su parte superior. Esta representa una imitación del lugar de la crucifixión con tres agujeros en el suelo que marcan los lugares de las tres cruces. Una ranura a la derecha del agujero central representa la grieta en el monte Golgata. En la planta inferior se encuentra la capilla de Adán. Ésta se debe interpretar tipológicamente: la muerte de Cristo salva a Adán y a los padres del Viejo Testamento. También aquí, en la pared de la capilla, encontramos la grieta causada por el terremoto en el momento de la muerte de Cristo. En el costado de la capilla se encuentra un pequeño edificio con una pietá („Marienklage“ de Hans Olmützer, ca. 1500), que representa la piedra de la unción. La última estación es el Santo Sepulcro propiamente dicho: una copia muy exacta del arquetipo jerosolimitano destruido por un incendio en el año 1555, pero cuya imagen queda conservada tanto a través de grabados como por ejemplo los de Erhard Reuwich (Maguncia, 1486) como a través de otras representaciones. Queda representada hasta la puerta del sepulcro echada a tierra por Cristo al resucitar. La segunda parte del artículo intenta aclarar quien fundó la capilla y quién la financió. Una persona sobresale en este contexto: Georg Emerich, un rico comerciante y miembro del consejo local que figura como alcalde de Görlitz en el momento de construir el Santo Sepulcro. No se puede decir con exactitud si determinadas delitos individuales y prevaricaciones políticas, que fueron la causa de una peregrinación de Emerich a Tierra Santa, tuvieron que ver con la erección del conjunto de Görlitz. No cabe duda que el alcalde financió gran parte del proyecto con medios propios. Sus sucesores se cuidaron del mantenimiento del conjunto después de la reforma protestante, y la capilla aún hoy día alberga dos epitafios de Georg Emerich. Los textos latinos de los mismos - una „vita“ filológicamente estilizada y complicada - quedan publicados como anejo del artículo. Das „Heilige Grab“ in Görlitz 283 <?page no="295"?> Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn L AJOS K AKUCS Die jüngere Forschung hat in den letzten Jahrzehnten einiges über die Resonanz der Santiago-Pilgerfahrten und über die Verbreitung der Jakobus-Verehrung im östlichen und südöstlichen Europa ans Licht gebracht. Man denke hier an den Aufsatz von Ilja Mieck aus dem Jahre 1978, den er den osteuropäischen Pilgerfahrten widmete, aber mehr oder weniger auf die Beteiligungen von Ungarn an Santiago-Wallfahrten begrenzte 1 . In diesem Aufsatz, wie auch in den in den letzten Jahrzehnten in Ungarn erschienenen Studien, versuchten die Forscher anhand ungarischer oder spanischer Archivmaterialien vordergründig die Einzelbeteiligungen an Santiago-Wallfahrten zu dokumentieren 2 . Diese Aufgabe wurde aber dadurch erheblich erschwert, daß große Teile der mittelalterlichen Archive in Ungarn aufgrund der wiederholten Vernichtung staatlicher und kirchlicher Einrichtungen sehr lückenhaft geworden sind und ihre Aussagen daher nur unter Vorbehalt herangezogen werden können. Was die Verbreitung der Jakobus-Verehrung in Ungarn und in anderen osteuropäischen Ländern betrifft, enthält die Fachliteratur nur sehr wenige Anhaltspunkte. In bezug auf die ungarische Geschichtsschreibung ist eine fehlende Fachliteratur nicht nur im Falle der Jakobus-Verehrung, sondern allgemein im Bereich der Patrozinien - besonders für die Frühzeit - deutlich zu spüren. Die bisher er- 1 Ilja M IECK , Osteuropäer in Santiago de Compostela, Forschungen zur osteuropäischen Geschichte 25 (1978) S. 239-253. 2 Sándor B ÁLINT , Compostela és hazánk. Jakab apostol tisztelete a régi Magyarországon (Compostela und Ungarn - die Verehrung des hl. Jakobus im mittelalterlichen Ungarn), in: S ZENNAY A NDRÁS , Vetera et Nova rerum liturgicarum (Budapest 1975) S. 200-212; Sándor B ÁLINT és Gábor B ARNA , Búcsújáró magyarok. A magyarországi búcsújárás története és néprajza (Ungarische Pilger. Wallfahrten in Ungarn - Geschichte und Ethnographie) (Budapest 1994); Lajos P ÁSZTOR , A magyarság vallásos élete a Jagellók korába (Das Glaubensleben der Ungarn im Zeitalter der Jagellonen) (Nachdruck Budapest 2000); Àdám A NDERLE , Kalandozók és zarándokok. Magyar témák a középkori spanyol történelemben (Abenteurer und Pilger. Ungarische Themen in der mittelalterlichen Geschichte Spaniens) (Szeged 1992). <?page no="296"?> schienenen Studien über Herkunft, Präsenz und Verbreitung der Heiligennamen als Kirchenpatrozinien oder mit namengebender Funktion bei Dorf-, Familien-, und Flurnamen entstanden aus einem Interesse an der Herkunft der in Ungarn angesiedelten deutschen Bevölkerungsgruppen 3 . Da die ersten deutschen Siedlergruppen im 12. Jahrhundert meist aus dem Rhein- und Maas-Gebiet nach Ungarn eingewandert sind, ist es nur natürlich, daß mit ihnen die in ihrer alten Heimat verehrten Heiligen, wie Lambertus aus Lüttich oder Servatius von Maastricht, auch in der neuen Umgebung wirksam wurden. Ebenso verfügt man nur über eine begrenzte Anzahl an Studien, die sich mit der Geschichte und der Verbreitung der aus der Arpadendynastie stammenden Heiligen für die Namengebung in den Bereichen Kirche und Siedlung beschäftigen. I. Die katholische Kirche in Ungarn Einige Historiker stellen sich auf den Standpunkt, daß die Ungarn schon in ihrer alten Heimat in Levedien, im pontisch-kaukasischen Raum, mit der christlichen Lehre Kontakt gehabt haben müßten. In diesem Zusammenhang sollte erwähnt werden, daß die ungarischen Stämme etwa vom 6. bis zum späten 11. Jahrhundert zwischen den Nordhängen des Kaukasus und dem Schwarzen Meer, zusammen mit anderen Völkern, erst als Untertanen der Chazaren und später als unabhängiger Stamm lebten. Seit dem Ende des 8. Jahrhunderts waren die Chazaren, zumindest der Khagan und die militärische Oberschicht des Reitervolkes, zum jüdischen Glauben übergetreten. Diese, auch in unseren Tagen vieldiskutierte Übernahme des Judentums durch die Führungsschichten der Chazaren, stellte eine große Ausnahme dar: Im Laufe der Jahrhunderte sollten die meisten Völker des nord- und westkaukasischen Raums zum Islam übertreten, und nur wenige Völker, die unter byzantinischem Einfluß lebten, blieben der christlichen Religion treu. In welchem Maß die im Kaukasus und in der Krim lebenden Ungarn mit dem katholischen Glauben vertraut wurden, ist heute nicht mehr mit Sicherheit zu beurteilen. In einer Bischofliste aus dem Jahre 733, in welcher die in der Krim 286 Lajos Kakucs 3 Karl R EINHART , Der mittelalterliche Kult Maas- und rheinländischer Heiliger im südosteuropäischen Raum, Südostdeutsches Archiv 5 (1962) S. 43-57; Gustav G ÜN - DISCH , Die Patrozinien der sächsischen Pfarrkirchen Siebenbürgen sowie Loránd B ENKÖ , Rolle der Schutzheiligen in der mittelalterlichen ungarischen Namensgebung, in: Forschungen über Siebenbürgen und seine Nachbarn, hg. von Kálmán B EN - DA (Studia Hungarica 1, München 1977), S. 93-103. <?page no="297"?> lebenden Goten-Bischöfe angeführt werden, finden erstmals neben den christlichen Würdenträgern einige Bischöfe der dort lebenden Onoguren und Hunnen Erwähnung. Ganz anders war die Entwicklung der in Pannonien beheimateten Völker, wo das Christentum schon in den letzten Jahrhunderten der römischen Herrschaft Staatsreligion geworden war. Nach dem Rückzug der römischen Verwaltung blieb das Christentum in Pannonien, zumindest in größeren Ortschaften wie Pécs (Sopianae), Sopron (Scrabantia) und Szombathely (Savaria), auch in den Jahrhunderten der Völkerwanderung, mit wichtigen Sakralbauten vertreten. Einige davon überlebten die unruhigen Zeiten des Hunnenreiches und sollten unter den zu arianischen Christen gewordenen Langobarden und Gepiden eine neue Blütezeit erleben. Die Gepiden, die längere Zeit im Osten Pannoniens lebten, gründeten im 6. Jahrhundert ein eigenes arianisches Bistum mit Zentrum in Sirmium (heute Sremska Mitrovice). Am Ende des 6. Jahrhunderts erschienen in der pannonischen Tiefebene die Awaren, ein tatarisches Reitervolk, dessen Herrschaft mehr als zweihundert Jahre dauern sollte. In dieser langen Zeit haben die Awaren enge, wenn auch nicht immer freundschaftliche Beziehungen mit den christlichen Nachbarn wie Byzanz im Südosten und mit den Frankenkönigen im Westen unterhalten. Es ist bekannt, daß die Macht der Awaren am Ende des 8. Jahrhunderts nach mehreren blutigen Feldzügen durch Karl den Großen im Jahre 791 gebrochen und im Jahre 796, nach der Eroberung des awarischen Hauptlagers an der Theiß durch Karls Sohn Pippin, beendet worden ist. Nach 796 herrschte Kaghan Theoderich, der der westlichen Überlieferungen zufolge im Jahre 805 die Taufe empfing, als Vasall Karls des Großen über die Awaren. Nach dem Zusammenbruch der awarischen Herrschaft am Ende des 8. Jahrhunderts, wurden die südlichen und westlichen Teile Pannoniens der fränkischen Herrschaft eingegliedert und kirchenorganisatorisch dem Salzburger Bistum beziehungsweise unter den Patriarchen von Aquileia unterstellt. Nach einer Neugliederung im Jahre 828 wurde Pannonien zwischen den Bistümern aus Passau und Salzburg aufgeteilt. Diese Aufteilung wurde im Zuge des 9. Jahrhunderts aufgrund andauernder Streitigkeiten zwischen den beiden Bistümern nachhaltig gestört. Trotzdem sind in dieser Zeit einige alte, aus römischer Zeit stammende Kirchen wieder in Betrieb genommen worden, und ungefähr 60 neue Kirchen wurden, mehrheitlich von fränkischen oder slawischen Großgrundbesitzern, erbaut. Schon unter Ludwig dem Frommen errichtete der Slawenfürst Pribina in Nyitra (deutsch: Neutra, heute Nitra in der Slowakei) eine Kirche zu Ehren des hl. Emmeram. Später, als Pribina Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 287 <?page no="298"?> nach Süden in die Gegend des Plattensees gezogen war, errichtete er dort ein neues Zentrum mit zwei Kirchen und einigen Klöstern. Als die ungarischen Stämme am Ende des 9. Jahrhunderts in Pannonien erschienen, waren die hier mehrheitlich lebenden Slawen und die wenigen fränkischen Einwohner schon christlich. Die neuen Herren, die Ungarn, kümmerten sich im ersten Jahrhundert ihres Aufenthaltes in Pannonien nicht allzu viel um religiöse Fragen. Ihre gesamte Aufmerksamkeit richtete sich einerseits auf die Einteilung des Weidelandes nach asiatischem Muster und andererseits auf ihre Raubzüge, die sie bis an die Nordsee, nach Südspanien und Süditalien führten. Seßhaftigkeit und die Notwendigkeit einer Eingliederung in die europäische Völkergemeinschaft rückten vermutlich erst nach ihrer katastrophalen Niederlage am Lechfeld bei Augsburg im Jahre 955 ernsthaft in das Blickfeld der Ungarn. Die Christianisierung Ungarns setzte bereits zu Beginn des 10. Jahrhunderts von Byzanz im Osten und von Rom im Westen ein. Zunächst führten die byzantinischen Initiativen zu größeren Erfolgen. Einer Legende über das Leben des Heiligen Konstantin zufolge, der von den Slawen als Apostel verehrt wird und als Mönch Kyrill bekannt ist, weilte der Heilige im Jahre 860 als Gesandter des oströmischen Kaisers im Chazaren-Reich und predigte damals unter den dort lebenden Ungarn. Diese ersten Kontakte dürften nicht allzu viel zu einen Wechsel im Glaubensleben der Ungarn beigetragen haben. Die Berührungen mit dem Christentum wurden erst nach der Landnahme enger, als sich die Ungarn im östlichen und südlichen Pannonien zwischen Slawen, die unter bulgarischer Hoheit lebten, niedergelassen hatten. Die slawische Bevölkerung war schon seit langer Zeit von byzantinischen Mönchen christianisiert und lebten unter den in Sirmium und Mursa (Osiejek in Kroatien) organisierten Bistümern. Während der Plünderungszüge im 10. Jahrhundert kamen die Ungarn immer häufiger mit ihren christlichen Nachbarn in Berührung. Im Zuge dieser Kontakte wurden im Jahre 948 in Konstantinopel zwei wichtige Würdenträger - der ungarische Stammesfürst Vérbulcsú, der 955 bei Augsburg fiel, und Tormás, ein Urenkel von Árpád - getauft. Der Taufpate war der damalige byzantinische Herrscher Konstantin VII., der später als Geschichtsschreiber unter dem Namen Porphyrogenetos (912-959) bekannt wurde. Dem Beispiel von Vérbulcsú und Tormás folgend, wurde auch der im heutigen Gebiet von Siebenbürgen regierende Stammesfürst Gyula in Konstantinopel getauft. Nach seiner Taufe brachte Gyula den Mönch Hierotheos aus Byzanz nach Siebenbürgen mit. Vor der Abreise wurde Hierotheos vom Patriarchen von Byzanz zum Bischof geweiht und beauftragt „Turkia“, 288 Lajos Kakucs <?page no="299"?> wie das damalige Ungarn in Byzanz genannt wurde, zum christlichen Glauben zu bekehren. Von dieser Zeit an kann man in den von Gyula beherrschten Gebieten von Ungarn von starkem byzantinischem Einfluß sprechen. In dieser Zeit wurde in Marosvár, später Csanád genannt (heute Cenad in Rumänien) ein orthodoxes Kloster gegründet, in welchem lange Zeit auch die Bogumilen sehr aktiv waren. Im 11. Jahrhundert werden neben Marosvár orthodoxe Klöster in Visegrád und Szávaszentdemeter (Mitrovic) gegründet. Die orientalische Kirche konnte sich trotzdem nicht nennenswert in den oberen Schichten der ungarischen Gesellschaft etablieren. Zur Zeit der byzantinischen Missionierung im Osten und Süden Ungarns waren im westlichen Gebiet von Ungarn einige Mönche und Priester der Westkirche als Missionare tätig. In dieser Zeit entsandte Papst Johannes XII. den Mönch Zachäus nach Pannonien, um die Ungarn zu bekehren. Otto der Große und sein Nachfolger Otto II. versuchten als Gegengewicht zum Papsttum mit der Unterstützung des Magdeburger Bistums, die osteuropäischen Slawen und die Ungarn zu missionieren. Die Entscheidung zwischen Rom und Byzanz traf erst Großfürst Géza (945-997), der Vater des Heiligen Stephan, als er 971 Herzog Heinrich II. von Bayern um Missionare bat. Fast gleichzeitig, im Jahre 972, wurde der Benediktiner Mönch Bruno aus Sankt Gallen zum Bischof von Ungarn ernannt. Ostern 973 erschien am berühmten Hoftag zu Quedlinburg neben den Vertretern aus Mähren, Polen Bulgarien, Griechenland und Dänemark auch eine große Gesandtschaft aus Ungarn vor Kaiser Otto dem Großen. Hieraus gehen Absichten des Géza hervor, stärkeren Kontakt zu den übrigen christlich-abendländischen Völkern zu suchen. Zu jener Zeit war Géza schon mit Sarolta, der Tochter des griechisch-orthodoxen Christen Gyula verheiratet. Einem Bericht aus dem Jahre 973 zufolge wurden Géza und seine Familie samt 5.000 Gefolgsleuten aus Ungarn getauft. Géza blieb jedoch bis zu seinem Lebensende mit seinem heidnischen Glauben verbunden. Heute wissen wir, daß Gézas Hinwendung nach Rom und zum westlichen Christentum vor allem eine rein politische Entscheidung war. Er war der erste ungarische Fürst, der sich dessen bewußt wurde, daß nur ein mit der christlichen Welt verbundenes Ungarn in der Lage sein würde, sich auf lange Sicht in Europa zu etablieren. Gézas Entscheidung für die Annahme des westlichen Christentums basierte auf einer sehr realistischen Analyse der außenpolitischen Lage Ungarns am Ende des 10. Jahrhundert. Als 971 der byzantinische Kaiser Johannes Tzimiskes (969-976) nach langen Kriegen mit den Bulgaren seine Herrschaft auf dem Balkan konsolidierte und den Kontakt zum deutschen Kaiser Otto I. (936-973) Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 289 <?page no="300"?> suchte, um dann schließlich durch die Heirat zwischen dem zukünftigen Kaiser Otto II. mit der byzantinischen Prinzessin Theophanu im Jahre 972 die politische Allianz zwischen den zwei Großmächten zu vollenden, dürfte sich Géza darüber im klaren gewesen sein, daß diese dynastische Verbindung für Ungarn bedrohlich werden könnte. Die Entscheidung Gézas für den Westen war leichter, da die Beziehungen mit Byzanz zu dieser Zeit eher kriegerisch, die mit dem römischen Kaiser hingegen fast freundschaftlicher Natur waren. Nach seiner Entscheidung für die Westkirche baute Géza mit diplomatischem Geschick auch die familiären Beziehungen zu den westlichen Nachbarn aus. Nach dem Tod des Herzogs von Bayern, Heinrichs des Zänkers, 995 bat er um die Ehe zwischen seinem Sohn Stephan (997- 1038) und Gisela, der Schwester des neuen Herzogs von Bayern, Heinrichs II. Dieser Wunsch wurde sowohl von Heinrich selbst wie auch von Kaiser Otto III. (983-1002) gutgeheißen. Die bayerische Prinzessin zog 997 mit einer großen Gefolgschaft von Rittern und Geistlichen nach Ungarn. Schon Anfang des Jahres 970 kamen, gleichzeitig mit Gézas Öffnung nach Westen, mehrere Ritter aus Deutschland nach Ungarn, unter anderem die Vorfahren späterer ungarischer Adelsfamilien wie Hont-Pázmány und Héder, die nach Gézas Tod eine große Rolle im Kampf um die Nachfolge spielten. Nach Gézas Tod sollte, gemäß eines alten ungarischen Gewohnheitsrechts, das älteste Familienmitglied der Arpaden-Dynastie, der noch zum Heidentum tendierende Koppány, als Nachfolger des Großfürsten auftreten. Géza hatte jedoch schon zu Lebzeiten seinen Sohn Stephan zum Nachfolger bestimmt. Nach einem kurzen, aber heftigen Kampf wurde Koppány mit Hilfe der fremden Ritter, die in Stephans Leibgarde dienten, besiegt. Hierbei handelte es sich um einen vorläufigen Sieg, denn außer Koppány gab es noch weitere höhere ungarische Würdenträger, wie z. B. Gyula aus Siebenbürgen und Ajtony aus dem Gebiet der unteren Theiß und Mieresch, die die Herrschaft Stephans nicht anerkennen wollten. Zwar begannen Gyula und Ajtony keinen offenen Krieg, aber sie versuchten, die wichtigen strategischen und wirtschaftlichen Gebiete wie das heutige Siebenbürgen und das mittlere Donau-Gebiet von der Zentralgewalt zu trennen. Im Konflikt mit Ajtony wurde auch die außenpolitische Wichtigkeit dieser Gebiete deutlich. Ajtony, der die für Ungarns Sicherheit so lebenswichtige untere Donau-Gegend kontrollierte, hatte, ohne Stephan zu konsultieren, eine strategische Allianz mit Byzanz gegen die aufständischen Bulgaren geschlossen und ließ sich im Jahre 1002 in Vidin nach byzantinischem Brauch vom später als Bulgarentöter genannten Kaiser Basileus II. (976-1025) taufen. Den Krieg gegen Gyula im Jahre 1003 führte Ste- 290 Lajos Kakucs <?page no="301"?> phan selbst an, den Krieg gegen Ajtony im Jahre 1008 sein Heerführer Csanád - beide endeten mit einem Sieg für Stephan und folglich für das westlich orientierte Christentum. Schon 997 hatte in der Königsburg vom Esztergom (Gran) der Bau der ersten Bistumskirche von Ungarn begonnen. Als Weihnachten des Jahres 1000 die Königsweihe Stephans von Domonkos, dem späteren Erzbischof von Esztergom, mit den von Papst Sylvester II. (999-1003) gesandten Insignien (Krone und Kreuz) vollzogen wurde, begann Stephan mit dem Aufbau der selbständigen ungarischen Kirchenorganisation. Bereits im Jahre 1001 hatte der Papst die Erhebung der Esztergomer Kirche zum Erzbistum, und die Gründung von mehreren ungarischen Diözesen genehmigt. Mit der Gründung von Bistümern begann der Bau von bischöflichen Kirchen in mehreren Orten in Ungarn. Natürlich waren diese Bischofskirchen nicht die ersten kirchlichen Einrichtungen, die in Ungarn gebaut wurden. Neben der erwähnten Bischofskirche in Esztergom, begann schon zu Gézas Zeiten der Bau der Benediktinerabtei von Pannonhalma (Martinsberg). Die Abteikirche von Pannonhalma wurde nach dem aus Pannonien stammenden hl. Martin benannt, und wurde, wie die Mutterabtei von Montecassino, unmittelbar unter die Gerichtsbarkeit des Heiligen Stuhls gestellt. Bei der Abteigründung von Pannonhalma stand der Erzbischof Willigis vom Mainz Pate, der ungarischen Überlieferungen zufolge die Reliquien des hl. Martin mitgebracht hatte. Die zweite Kirche, die in Ungarn nach römisch-katholischem Ritus gebaut wurde, war wahrscheinlich eine kleinere Hofkirche in Nyitra (Neutra), wo die bayerische Prinzessin Gisela nach ihrer Heirat mit Stephan den ersten Sitz in Ungarn hatte. Bereits zu jener Zeit hatten die unter Géza in Ungarn heimisch gewordenen deutschen Ritter ihre Hauskirchen oder Kapellen gebaut. Einigen Quellen zufolge hatte Stephan noch vor seiner Krönung, also zwischen 997 und 1001, in Veszprém eine Bischofskirche errichten lassen. Mit dem Ausbau der kirchlichen Organisationen im gesamten Ungarn konnte Stephan lediglich nach Ostern 1001 beginnen, als Papst Sylvester II. in Ravenna, in Anwesenheit Abt Odilos (992-1048) von Cluny, die von Stephan vorgeschlagenen und von Astrik (Asrik), dem Abt von Pécsvárad und späterem Erzbischof vom Kalocsa, präsentierten Gründungsurkunden unterzeichnete. Unter der langen Herrschaft Stephans (997-1038) wurde der völlige Ausbau der ungarischen Kirchenadministration, die neben den Erzbistümern Esztergom und Kalocsa weitere zehn Bistümer umfaßte, vollendet. Noch zu seinen Lebzeiten wurden in allen Bischofsstädten größere Kirchen gebaut. Stephans Gesetzgebung sorgte auch für die Errichtung Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 291 <?page no="302"?> von Kirchen in ländlichen Gegenden wo, auch im Falle von kleineren Niederlassungen, mehrere Dörfer verpflichten waren, sich für den Bau eines Gotteshauses, einer sogenannten „Genossenschaftskirche“, zusammenzuschließen. Neben dem Ausbau der ungarischen Kirchenprovinz wurde die Einfügung des ungarischen Kirchenlebens in das westliche Christentum vollendet. An diesem Prozeß hatten die Benediktinermönche entscheidend mitgewirkt. Unter den ersten Benediktinern, die in Ungarn wirkten, muß der Mönch Anastasius genannt werden, der 996 als Gesandter des Prager Bischof Adalbert aus dem Kloster Brevnov nach Ungarn kam und aus Gézas Gnade in Pannonhalma eine Abtei gründete, in der der junge König Stephan vor der Schlacht mit Koppány betete. Nach seiner Krönung räumte Stephan den Mönchen von Pannonhalma die gleichen Privilegien ein, welche die Mutterklöster von Montecassino besaßen. Die Benediktinermönche aus Ungarn hatten eine wichtige Rolle bei der Bekehrung des Volkes gespielt. Stephan stiftete auch eine Abtei im Mecsek-Gebirge, die später als Pécsvárad bekannt wurde und deren Mönche unter ihrem Abt, Erzbischof Astrik, und seinen Nachfolgern den Süden Ungarns missionierten. Für die Bekehrung des Volkes im Westen Ungarns hatte Stephan eine Benediktinerabtei in Zalavár und später eine in Bakonybél gegründet. Ins Zwischenstromgebiet von Theiß und Mieresch, wo im Jahre 1004 der hl. Bruno aus Querfurt auf Geheiß Stephans predigte, kam zwei Jahrzehnte später der Benediktinermönch Gerhard von Sagrado (Szent Gellért), der sich vorher schon als Erzieher des Thronfolgers Emmerich verdient gemacht hatte. Neben seiner Bischofskirche in Cenad gründete Gerhard eine Benediktinerabtei, die, zusammen mit dem von dem hl. Stephan im benachbarten Aracs gestifteten Kloster eine wichtige Stütze für das ungarische Kirchenleben war. In den ersten zwei Jahrzehnten des kirchlichen Aufbaus sind Stephans kirchenorganisatorische Verbindungen hauptsächlich auf deutsche und italienische Benediktinermönche begrenzt. Nach 1020 nahm Stephan, durch nach Jerusalem pilgernde Mönche, Verbindungen mit Benediktinerklöstern in Frankreich und Lothringen auf, die in dieser Zeit durch Ihre Reformtätigkeiten bekannt waren. Die neuen Verbindungen werden auch in liturgischen und kirchenorganisatorischen Bereichen spürbar. Die noch zu Stephans Lebzeiten gegründete Benediktinerabtei von Hahot wurde wahrscheinlich durch die vom hl. Richard geprägten reformierten Mönchen aus dem Kloster Fontenelle besiedelt. Das neue christliche ungarische Königtum hatte sich in sehr kurzer Zeit in das christlich abendländische Europa eingegliedert. Dieser Prozeß, wie auch die in Stephans Regierungszeit vollzogene innenpoliti- 292 Lajos Kakucs <?page no="303"?> schen Konsolidierung, wurde durch günstige „außenpolitische“ Faktoren mitbestimmt. Erstens war nach jahrzehntelangen Raubzügen ein christliches und friedliches Ungarn nicht nur für die unmittelbaren Nachbarn, sondern auch für andere europäische Herrscher eine willkommene Abwechselung. Zweitens wurden die Handelswege, die traditionell Pannonien von Ost nach West und von Nord nach Süd durchliefen, unter Gézas und Stephans Herrschaft wieder sicherer. Drittens wurde, nach den blutigen Auseinandersetzungen zwischen Byzanz und dem Bulgarenreich um die Hegemonie im Balkan, die Anfang des 11. Jahrhunderts mit der Niederlage der Bulgaren endete, die ungarische Hoheit im unteren Donau-Gebiet ausgedehnt und dadurch ein kürzerer und sicherer Weg zwischen Westeuropa und Jerusalem eröffnet 4 . Die Eröffnung der Pilgerstraße durch Ungarn nach Jerusalem hatte für das damalige Europa eine sehr große, heutzutage fast nicht mehr nachvollziehbare, Bedeutung. Bis 1017 konnten die aus Europa nach Jerusalem reisenden Pilger nur die aufgrund der Piraterie in östlichem Mittelmeerraum schon immer unsicheren und gefährlichen, sehr teueren Seewege nutzen. Erst nach Öffnung der kontinentalen Pilgerstraße durch Ungarn im Jahre 1017 wurde es möglich, daß auch zahlenmäßig größere Gruppen aus Europa nach Jerusalem gelangten. Nur durch diesen kontinentalen Weg, konnten neben den Adeligen und Reichen, auch die weniger begüterten Pilger eine Reise nach Jerusalem unternehmen. In einer Reisebeschreibung, die sich in etwa auf das Jahr 1030-40 datieren läßt, sind die sicheren Orte zwischen der ungarischen Westgrenze und Konstantinopel verzeichnet. Aus der Beschreibung geht hervor, daß die Reise über diesen Weg von Frankreich nach Jerusalem und zurück acht Monate dauerte. Wenn über die Eröffnung der Pilgerstraße durch Ungarn gesprochen wird, muß die Frage gestellt werden, ob Stephans politische und militärische Anstrengungen im Balkan gegen die Bulgaren lediglich die Folge seiner außenpolitischen Vorstellungen waren, denen zufolge die damaligen ungarischen Südgrenzen gesichert werden sollten oder ob die bulgarische Expansion, die im Jahre 1018 mit der Eroberung Durazzos (heute Durres in Albanien) endete, ein Plan der Äbte von Cluny war. Leider ist in den ungarischen Quellen sehr wenig über diesen Feldzug überliefert; eine Chronik, auf das Ende des 11. Jahrhundert datiert, besagt lediglich, daß Stephan selbst an den Kämpfen beteiligt war und daß er die Kriegsbeute, genannt werden meist Sakralgegenstände, aus Durazzo Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 293 4 Lajos C SÓKA , Geschichte des Benediktinischen Mönchtums in Ungarn (St. Ottilien 1980). <?page no="304"?> nach Székesfehérvár brachte. Wir wissen nur, daß es nach diesem Krieg möglich war, den kontinentalen Pilgerweg nach Jerusalem zu eröffnen. Anderseits ist es altbekannt, daß schon Ende des 10. Jahrhunderts die Förderung der Pilgerwege, nicht nur in Spanien, sondern in ganz Europa, eine wichtige Aufgabe der Cluniazenser war. Es ist bekannt, daß die, seit der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts aus Cluny ausgehende Reformbewegung und die spanische Reconquista eng miteinander verbunden waren. Es ist nicht verwunderlich, daß die ersten Adeligen und Ritter, die an den spanischen Unternehmungen beteiligt waren, aus dem Burgund stammten und vielen von ihnen mit den Mönchen aus Cluny verwandt waren. War für die Cluniazenser die wichtigste Aufgabe, dem unter Al-Mansur bedrängten spanischen Christentum zu helfen, so haben die klugen Äbte von Cluny schon am Ende des 10. Jahrhunderts ein Auge für das an der Ostgrenze Europas entstehende neue christliche Königreich gehabt. Als glühender Anhänger der strengen Reformbewegungen aus Cluny beeinflußte der hl. Adalbert als Erzieher und Vorbild des späteren Königs Stephan das junge ungarische Christentum. Durch Adalberts Mitstreiter kam Stephan in Kontakt mit Cluny, wo er zusammen mit Sancho III. Garcés el Mayor, König von Navarra (1004-1035), und Kaiser Heinrich II. (1002-1024) eine Gebetsgemeinschaft mit den Mönchen von Cluny gründete. Das heißt, daß die Mönche von Cluny den Namen des Herrschers in ihre Gebetbücher aufzeichneten und täglich für sein Heil und für seine Seele beteten. Daß dies nicht umsonst geschah, zeigt der kastilische König Alfons VI., der bei seiner Aufnahme in diese Gebetsgemeinschaft im Jahre 1077 für diese Ehre die stolze Summe von 100.000 Silber zahlte 5 . Die Mönche von Cluny verfolgten mit Zufriedenheit die Festigung der ungarischen Kirche, geprägt durch die Missionsarbeit der Benediktiner, und als Stephan den Jerusalemer Pilgerweg öffnete und die Durchreisenden mit allen Mittel förderte, schrieb der Abt Odilo von Cluny: „... die ganze Welt weiß, wie überströmend das Gefühl in deinem Herzen für den göttlichen Glauben ist, vor allem aber bezeugen es diejenigen, die vom Grabe des Herrn heimgekehrt sind“ 6 . Die von Cluny ausgehende Marienverehrung, die sich um die erste Jahrtausendwende entwickelte, war für die ungarischen Benediktiner und für die ganze Kirche von Anfang an bezeichnend. Im Jahre 1038, vor seinem Tod, stellte Stephan Ungarn unter das Protektorat der Heiligen Mutter, und im ganzen 294 Lajos Kakucs 5 Vgl. wie oben. 6 Vgl. C SÓKA (wie Anm. 4). <?page no="305"?> Land waren bis Ende des 11. Jahrhunderts etwa 15 Abteien zu Ehren der hl. Jungfrau geweiht worden. Daß die Pilgerfahrten durch Ungarn in Richtung Jerusalem schon vor 1017 stattgefunden haben, wird durch den Fall des in Stockerau im Jahre 1012 ermordeten irischen Pilgers, des späteren hl. Koloman, bewiesen 7 . Daß neben Koloman auch andere Pilger, wie der berühmte Graf von Anjou Fulko Nerra (1002), und einige Jahren später Gottfried von der Bretagne und Sven Godwinenson, einzeln oder in kleinere Gruppen auf dem Landweg nach Jerusalem pilgerten, beweist der Tod des letzteren, der während seiner Reise in den anatolischen Bergen erfror 8 . Sicherer wurde die Pilgerreise erst nach 1017, als schon größere Gruppen durch Ungarn zogen. Im Jahre 1026 pilgerte eine Gruppe von mehreren tausend westlichen, hauptsächlich französischen und belgischen Pilgern unter der Führung des Grafen von Angoulême und des Abtes des Benediktinerklosters von Verdun über den neu eröffneten Weg nach Jerusalem. Nach ihrer Rückkehr lobte der Abt Odilo von Cluny in einem Brief König Stephans Gastfreundschaft und seine Rolle bei der Gewährleistung der Sicherheit der Jerusalempilger. Neben den bedeutenden wirtschaftlichen Vorteilen, die der Pilgerweg für das Land brachte, versuchte Stephan für sein Land auch nichtmaterielle Vorteile zu erlangen. Durch seine Gastfreundschaft und seine Großzügigkeit gegenüber den Pilgern versuchte der König einige weltliche und kirchliche Persönlichkeiten dazu zu bewegen, sich in Ungarn niederzulassen. So ist unter anderem Gerhard, ein italienischer Pilger und späterer Bischof von Cenad, im Land geblieben; er wurde zunächst mit der sehr wichtigen Rolle als Lehrer von Stephans Sohn, dem späteren hl. Emmerich beauftragt. Über die Rolle Stephans bei dem neu eröffneten Pilgerweg nach Jerusalem schrieb der berühmte Chronist Radulf Glaber: „Fast alle, die aus Italien und Gallien zum Grab des Herrn Jesu nach Jerusalem gelangen wollten, unternahmen nicht die bislang übliche Seefahrt, sondern zogen durch das Land dieses Königs. Er ermöglichte nämlich für jeden eine sichere Durchreise, sah in jedem Pilger seinen Bruder und verteilte viele Geschenke unter ihnen“ 9 . Die Kontakte mit den westlichen Pilgern haben sehr wichtige Auswirkungen auf das ungarische Kirchenleben gehabt. Als nach Stephans Tod, während der Nachfolgekämpfe, das junge Christentum in Ungarn in große Gefahr geriet und im Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 295 7 Ingeborg M EYER -S ICKENDIEK , Gottes gelehrte Vaganten: die Iren im frühen Europa (Düsseldorf 1996). 8 David Charles D OUGLAS , Wilhelm der Eroberer (München 1994). 9 Vgl. C SÓKA (wie Anm. 4). <?page no="306"?> Jahre des Heidenaufstandes ein großer Teil der höheren ungarischen kirchlichen Würdenträgern, unter anderem auch der schon genannten Bischof Gerhard aus Cenad, getötet wurden, kam ein unerwarteter Nachschub von Geistlichen, eben aus den lothringischen Gebieten, nach Ungarn. Zu den politischen Hintergründen des Geschehens gehört, daß fast gleichzeitig mit den Unruhen in Ungarn im Frühjahr 1047 in Niederlothringen schwere Kämpfe zwischen Kaiser Heinrich III. und den Grafen Gebhard und Balduin ausgebrochen sind. Als Gebhard und Balduin Verdun eroberten, wurde der dortige Dom so schwer verwüstet, daß die 24 Domherren nach Ungarn auswanderten, wo später viele von ihnen höhere kirchliche Ämter bekleideten. Zu dieser Gruppe gehörte der aus Lüttich stammende Leodwin, der im Jahre 1047 als Bischof von Bihar den neuen ungarischen Herrscher Andreas I. (1046-1060) krönte. Franko, ein weiterer ehemaliger Verduner Domherr, bekam das bischöfliche Amt in Siebenbürgen; der dritte der ehemaligen Domherren, den wir nur unter dem ungarischen Namen György kennen, trat im Jahre 1050 in Metz als Gesandter des Königs Endre auf und hatte gleichzeitig das Amt des Erzbischofs von Kalocsa inne 10 . Im 11. Jahrhundert wird der lothringische Einfluß in Ungarn nicht nur bei der königlichen Kanzlei, sondern im gesamten Kirchenleben spürbar. Das bezeugen die aus dieser Zeit stammenden Meß- und Chorbücher, die Gebetstexte, die Festkalendarien und ins besondere die Kirchenpatrozinien. Neben den schon erwähnten Domherren aus Verdun wanderten Mitte des 11. Jahrhunderts aufgrund andauernder politischer Machtkämpfe und Hungersnöte viele einfache Leute aus dem Rhein- Maas-Gebiet nach Ungarn aus. Ihre Präsenz hinterließ nachhaltige Spuren auch im Kirchenleben, insbesondere bei der Heiligenverehrung. Wie schon erwähnt, sind die meisten Kirchenpatrozinien in Ungarn unter Géza nach dem hl. Gallus oder dem hl. Martin benannt; dies zeigt uns welche Rolle St. Gallen und Mainz bei der Bekehrung des Landes hatten. Später, nach der Heirat von Stephan mit der bayerischen Prinzessin Gisela, wurde die, eigens für sie in Nyitra gebaute Hofkirche nach dem hl. Emmeram benannt - dies zeigt, welchen Einfluß Regensburg, die Stadt in der Gisela vorher lebte, auf das Werden des ungarischen Kirchenlebens hatte. Die erste Kirche, deren Bau in Esztergom im Jahre 973 unter Gézas Herrschaft begonnen wurde, wurde nach dem hl. Stefan benannt; die zweite, die erzbischöfliche Basilika, welche nach Stephans Krönung erbaut wurde, erhielt ihren Namen nach Stephans Erzieher 296 Lajos Kakucs 10 Ebd. <?page no="307"?> und Vorbild, dem ehemaligen Prager Erzbischof, dem hl. Adalbert. Diese Beispiele zeigen, wie sich die aus Deutschland kommenden Missionare auf die kirchliche Namensgebung auswirkten. Gleichzeitig sind einige königliche Klostergründungen zu erwähnen, die durch ihre Patrozinien auf eine italienische Herkunft deuten, wie zum Beispiel die in Zalavár (hl. Hadrian, auf ungarisch Adorján), in Pécsvárad (Heilige Jungfrau und hl. Benedikt) und in Csanád (Heilige Jungfrau). Im Falle der ersten Bischofskirchen in Ungarn war die Auswahl der Patrozinien eher neutral, so werden einige Kirchen neben der Heiligen Jungfrau nach den Aposteln Peter und Paul benannt. Nach der Niederwerfung des Heidenaufstandes im Jahre 1056 versuchen die ungarischen Könige die während des Aufstandes niedergebrannten Kirchen wiederaufzubauen. Dieser Prozeß war aufgrund der häufigen Auseinandersetzungen mit Heinrich III. im Westen und mit Byzanz im Osten und aufgrund der ununterbrochenen Machtkämpfe zwischen Andreas I. (1046-60) und Béla I. (1060-63) bzw. zwischen Salamon (1063-74) und Géza I. (1074-77) nicht einfach. Trotz erheblicher Schwierigkeiten wurden in dieser Zeit einige großartigen Neubauten, wie zum Beispiel die im Jahre 1055 in Tihany eingeweihte königliche Klosterkirche, vollendet. Die der hl. Jungfrau geweihte und nach dem Schutzpatron der fränkischen und französischen Könige gehaltene Abteikirche hl. Ananius (Agnan) in Tihany, wo auch der Gründerkönig Andreas begraben worden ist, zeigt schon die neuen, französischen Einflüsse im ungarischen Kirchenleben 11 . Nach dem Heidenaufstand kam der entscheidende Impuls für die Stärkung des ungarischen Kirchenwesens während der langen Herrschaft vom Ladislaus dem Heiligen (1077-95) in Gang. Nur wenige Jahren nach der Thronbesteigung konnte der energische und in der Außenpolitik versierte elegantissimus Rex, wie eine Kleriker aus Saint Gilles Ladislaus nannte, große innenpolitische Erfolge verzeichnen. Nach den Unruhen nach Stephans Tod, die vier Jahrzehnte dauerten, wurde unter Ladislaus Herrschaft der noch nicht vollendete Innenausbau der ungarischen Gesellschaft nach westeuropäischem Muster vollzogen. Bei diesem Prozeß spielten die unter Ladislaus eingeführten Gesetze eine sehr wichtige Rolle. Der erste Schritt in Richtung kirchlicher Neuförderung war 1083 die Heiligsprechung Stephans und seines Sohnes Emmerich, des während des heidnischen Aufstandes ermordeten Csanader Bischofs Gerhard und der aus der polnischen Gegend nach Nordungarn kommenden Eremiten Andreas-Zoerard und Benedikt. Gleichzeitig gründe- Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 297 11 Ebd. <?page no="308"?> te Ladislaus der Heilige eine neue Diözese in Zagreb, baute eine neue Bischofskirche in Großwardein und stiftete im Somogyvár ein Kloster, das unmittelbar unter der französischen Mutterkirche von Saint-Gilles stand. Die Erneuerung der ungarischen Kirche wurde im Jahre 1092 beim Szabolcser Reichstag bestätigt, die hier verabschiedeten Gesetze befassten sich mit den Problemen des Zölibats, der Kirchendisziplin und der Simonie 12 . II. Die ersten Jakobuspatrozinien in Ungarn Das erste nach Jakobus benannte Kloster in Ungarn wurde im Jahre 1061 in Zselinceszentjakab in der Gegend von Somogy als Benediktinerabtei gegründet (Die Ortschaft ist heute in Kaposvár integriert). Der Stifter Otto (in anderen späteren ungarischen Quellen auch Otho, Botho, Acha oder Atha genannt) war im Jahre 1061 Graf von Somogy gewesen 13 . Den Überlieferungen des Historikers Antonio Bonfini aus dem 15. Jahrhundert zufolge war Otto der Stammvater des späteren Geschlechts der Györ gewesen. Er kam im 11. Jahrhundert nach Ungarn und diente während des Bürgerkrieges als Vermittler zwischen König Salamon (1063-1074) und Herzog Géza. Nach ungarischen Quellen gründete Otto während der Herrschaft von König Andreas (1046-1060) die dem hl. Jakobus geweihte Benediktinerabtei, deren Bau erst im Jahre 1061 vollendet wurde und deren Einweihung mit dazugehöriger Königsurkunde im Jahre 1064 in Anwesenheit des Königs Salamon und des Herzogs Géza nach ihrer Heimkehr von einem Streifzug aus Dalmatien nach Ungarn folgte. 298 Lajos Kakucs 12 Ebd. 13 Über Zselinceszentjakab vgl.: Magyarország Története tiz kötetben (Die Geschichte Ungarns in zehn Bänden) 1 (Budapest 1984); Mályusz E LEMÉR , Die Eigenkirchen in Ungarn (Studien zur Geschichte Osteuropas 3; Graz-Köln 1966); L. Bernát K UMO - ROVITZ , A zselinceszentjakabi alapitólevél 1061-böl (Die Stiftungsurkunde von Zselinceszentjakab aus dem Jahre 1061) Tanulmányok Budapest Multjából 16 (1964) S. 43-81; über die Ausgrabungen in Zselinceszentjakab: L. Szabó T ÜNDE , A Káposztásszentjakabi bencés Apátság müemléki helyreállitása (Die Wiederherstellung von Abteiruinen von Káposztásszebtjakab), Müemlékvédelem 3 (1976) S. 65-169; über die Aribonen vgl. Heinz D OPSCH , Die Aribonen (Staatsprüfungsarbeit im Institut für österreichische Geschichtsforschung, Wien 1968); August E RNST , Die Grafen Poth bis Konrad I. (Burgenländische Forschungen. Sonderheft 34, Eisenstadt 1951); Kloster Seeon - Beiträge zu Geschichte, Kunst und Kultur der ehemaligen Benediktinerabtei, hg. vom Bezirk Oberbayern durch Hans VON M ALOTTKI (Weißenhorn 1993); über die Tumba von Eberhardt vgl. Santiago de Compostela 1000 ans de Pélerinage Européen (Gent 1985). <?page no="309"?> Die Benediktinerabtei von Zselinceszentjakab wurde an der Stelle einer alten und verlassenen, ebenfalls dem Jakobus geweihten Kirche neben den uralten Heilbädern in der Gegend von Kaposvár gegründet. Bereits im Gründungsjahr taten mehr als sechs Familien in den der Abtei angehörenden Bädern Dienst. Die Abtei von Zselinceszentjakab blieb bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, als aufgrund der Türkeneroberungen die wenigen noch verbliebenen Mönche sie verlassen mußten, unter Obhut der Benediktiner. Nach einer Beschreibung aus dem Jahre 1776 waren die mit mittelalterlichen Wandgemälden bedeckten Mauereste der Abtei auf einem Hügel neben Kaposvár, unweit des Flusses Kapos, zu sehen. Als Benediktinerkloster, das große Ländereien und 226 abhängige Familien umfaßte, dürfte Zselinceszentjakab eine größere Abtei gewesen sein, die als Begräbnisstätte für die Stifterfamilie dienen sollte. Vermutlich wurde hier auch kurz nach der Gründung ein Hospital für Kranke eingerichtet; vielleicht diente das Kloster weiterhin auch als Herberge für die in dieser Zeit durch bzw. aus Ungarn nach Jerusalem und Santiago de Compostela ziehenden Pilger. Die ungarischen Urkunden aus dem 11. Jahrhundert geben keinerlei Aufschluß über die Herkunft der Stifter von Zselinceszentjakab. Aus späteren Überlieferungen geht hervor, daß der Gründer aus Bayern nach Ungarn kam, wie Hunderte von anderen Rittern, die schon unter Géza oder später in Begleitung von Gisela, der Frau Stephans des Heiligen, nach Ungarn einwanderten. Betrachtet man jedoch die ungarischen Überlieferungen als historische Tatsache, bedeutete dies, daß diese Verhandlungen während der ersten Phase der Machtkämpfe im Jahre 1063 stattgefunden haben müßten. Ihnen zufolge gilt Botho (Bote) als Gründer, da er während des Kampfes um die Krone zwischen König Salamon (1063-74) und Herzog Géza (König zwischen 1074-1077) vermittelt hatte. Historische Tatsache ist, daß der Name des Pfalzgrafen Botho (1027-1104) aus der Familie der Aribonen in den Jahrzehnten der großen innenpolitischen Krise in Ungarn immer wieder auftaucht: nach dem Tod des Heiligen Stephan, im Zuge der Machtkämpfe der Nachfolger, aber auch bei den häufigen Auseinandersetzungen der Ungarn mit dem römisch-deutschen Reich unter Kaiser Heinrich III. in den westlichen Grenzgebieten. Pfalzgraf Botho war nicht der erste aus dem berühmten bayerischen Adelsgeschlecht, der in Verbindung mit der ungarischen Geschichte steht. Die Aribonen hatten die Geschichte Ungarns schon seit der Landnahme begleitet. Nach dem Tod Kaiser Arnulfs von Kärnten im Jahre 899, als die Ungarn die Ostmark eroberten, verwaltete ein Aribo als Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 299 <?page no="310"?> Markgraf die Gebiete von Oberpannonien. Dieser Aribo überlebte die Niederlage des bayerischen Heeres im Jahre 907 bei Preßburg (Bratislava) nur, weil er in dieser Zeit als Befehlshaber in der kurz zuvor errichteten Grenzgarnison in Ennsburg weilte. Im Jahre 985, unter Kaiser Otto III., übernahm ein Aribo die bayerische Pfalzgrafenwürde von seinem Schwiegervater, der zugleich das Amt des Erzbischofs von Salzburg innehatte. Dieser Aribo stiftete im Jahre 999 zusammen mit seiner Frau Adala das Kloster von Seeon. Im Jahre 1053 verbündeten sich zwei Enkel der Gründer von Seeon, Aribo II., Erzbischof von Mainz, und Botho, Pfalzgraf in Bayern, mit Herzog Konrad von Bayern im Aufstand gegen Kaiser Heinrich III. Der Aufstand schlug fehl und Konrad floh begleitet von den Aribo-Brüdern nach Ungarn. Die Geschicke des jüngeren Aribo zwischen 1053 und 1060 sind nicht bekannt. Sicher ist nur, daß er sich 1060 mit dem Markgrafen Wilhelm von Meißen an den Kämpfen zwischen König Andreas und dessen Bruder Béla auf Andreas Seite beteiligte. Die Deutschen und Andreas erlitten eine Niederlage, doch Béla verhielt sich ungewöhnlich großzügig gegenüber den deutschen Rittern - er ließ sie frei und verheiratete ungarischen Quellen zufolge seine Tochter mit dem Grafen Wilhelm von Weimar. Dementsprechend läßt sich vermuten, auch wenn dies nicht urkundlich belegt ist, daß sich der König auch Botho gegenüber als großzügig erwies, der vermutlich seit einigen Jahren in Ungarn heimisch gewesen war und für seine Dienste von König Andreas größere Ländereien erhalten hatte. Auf einer dieser Ländereien in Zselinceszentjakab gründete er im Jahre 1061 ein Familienkloster. Wie bereits dargelegt wurde das Kloster im Jahre 1061 fertiggestellt, jedoch wird die Errichtung eines Klosters, gerade in einem innenpolitisch instabilen Ungarn, jahrelang gedauert haben. Daher liegt die Vermutung nahe, daß die Grundsteinlegung von Zselinceszentjakab zwischen 1055 und 1056 erfolgte. Dabei handelt es sich um die Jahre, in denen Botho, nach dem fehlgeschlagenen Aufstand Konrads in Bayern, in Deutschland als Geächteter lebte und dort neben seinem Pfalzgrafenamt auch seinen Lehnbesitz und Teile seines Eigenbesitzes verloren hatte. In dieser Situation ist die Gründung eines Familienklosters im fernen Ungarn für Botho, der in dieser Zeit Judith, die Witwe Herzog Konrads, ehelichte, durchaus denkbar und logisch. Daß Botho später nach Deutschland zurückkehrte und seine letzte Ruhe im Kloster Theres fand, ist eine andere Geschichte. Heinrich III. begnadigte im Jahre 1056 die am Aufstand Beteiligten und gab den Aribonen einige Ländereien zurück. Zu welchem Zeitpunkt Botho Ungarn verließ, ist in den Urkunden nicht zu belegen. Es ist lediglich bekannt, daß er 1070 „Graf von Bo- 300 Lajos Kakucs <?page no="311"?> tenstein“ genannt wird, später als Gesandter Heinrichs IV. sich wiederholt bei den aufständischen Sachsen aufhielt und 1091 mit Bischof Erpo von Münster eine Pilgerreise nach Palästina unternahm. Für die Gründung des Klosters von Zselinceszentjakab spricht, neben der schon genannten Pilgerreise nach Palästina, auch die Tradition der Aribonen, die bereits im süddeutschen Raum eine Reihe von Klöstern gestiftet hatten (Seeon, Millstatt und Göss). Der Schutzpatron der Aribonen war seit langem der Heilige Lambert von Lüttich, jedoch läßt sich eine gewisse Bindung zur Verehrung des Jakobus bei den Pfalzgrafen bereits seit dem 9. Jahrhundert entdecken, als der Name Jakob in dieser Familie außergewöhnlich häufig zu finden war. Es kann angenommen werden, daß Pfalzgraf Botho, der Gründer von Zselinceszentjakab, zu Jakobus eine andere, nahezu persönliche Bindung hatte. Bei dem Familienkloster in Seeon wie auch bei den anderen von den Aribonen getätigten Klostergründungen handelt es sich um Benediktinerabteien. Die Aribonen waren im 11. Jahrhundert Anhänger der großen Reformbewegung, die von Cluny ausging. Im Kloster Seeon, wo vermutlich auch der Pfalzgraf Botho seine Jugendzeit verbrachte, war schon am Anfang des 11. Jahrhundert die Jakobusverehrung und die Pilgerreise nach Compostela sehr verbreitet gewesen. Dies bezeugt die spätmittelalterliche Grabplatte des Abtes Eberhard, der im Jahre 1004 verstarb. Sie wurde einige Jahrhunderte nach dem Tod des legendären Abtes, zwischen 1438 und 1442, unter dem damaligen Abt Wilhelm Höpt angefertigt. Wie lebendig die Erinnerung im Kloster Seeon auch noch im 15. Jahrhundert an die Santiago-Wallfahrten des legendären Eberhard war, zeigt eine Darstellung des Abtes auf der Grabplatte - im klassischen, aber schichten Pilgergewand mit Hut und Pilgerstab. Leider fehlen unwiderlegbare, schriftliche Beweise dafür, welche Ziele der Stifter von Zselinceszentjakab mit der Gründung seiner Abtei verfolgt. Gerade weil die schriftliche Überlieferung aus dem 11. Jahrhundert sehr dürftig ist, muß im Zusammenhang mit der Verbreitung des Jakobuskultes in Ungarn auch auf andere Möglichkeiten hingewiesen werden. Wie bereits gesehen, gehörte die erste, Jakobus geweihte Kirche in Ungarn dem Benediktinerorden. Die Benediktiner, die zur karolingischen Zeit eine wichtige Rolle bei der Christianisierung der Awaren gespielt hatten, waren in Ungarn bereits zu Gèzas Zeit sehr aktiv. Später kamen mit der bayerischen Prinzessin und Gemahlin des Stephan viele Brüder des Ordens nach Ungarn (Giselas Erzieher war ein Benediktiner, Bischof Wolfgang von Regensburg), und sie sollten bei der Christianisierung Ungarns und dem Aufbau christlicher Einrichtungen eine überragende Rolle spielen. Unter den ersten ungarischen Bischöfen Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 301 <?page no="312"?> waren Anastasius von Gran, Mauritius von Pécs (Fünfkirchen), Astrik von Kalocsa und Gerhard von Cenad Mitglieder des Benediktinerordens. Das erste Benediktinerkloster in Ungarn wurde in Pannonhalma (Martinsberg) 1002 eingeweiht, erhielt von Stephan die gleichen Rechte, die das Mutterkloster von Montecassino besaß, und unterstand unmittelbar der Gerichtsbarkeit des Heiligen Stuhls. Im 11. Jahrhundert entstanden in Ungarn neben Pannonhalma noch weitere 15 Benediktinerklöster als königliche Stiftungen - man könnte sagen, daß die erste Periode der ungarischen Kirche einen monastischen Charakter hatte. Im 11. Jahrhundert schloß die Reihe der neu gegründeten Benediktinerabteien in Ungarn mit der großartigen Stiftung von Somogyvár, wo der ungarische König Ladislaus 1091 ein Tochterkloster der südfranzösischen Abtei St. Gilles errichtete. Die Somogyvárer Gründung bildete eine bewußte Neuorientierung der Kirchenpolitik Ladislaus in Anlehnung an die durch Cluny repräsentierten Reformideen. Bei der Gründung im Jahre 1091 waren neben dem ungarischen König und dem päpstlichen Gesandten Teuzo auch der Abt Odilo von St. Gilles und die Mönche von Somogyvár, die über ein Jahrhundert lang ausschließlich französischer Herkunft waren, anwesend und legten ihr Gelübde auf die Mutterabtei von St. Gilles ab. Am Ende des 11. Jahrhunderts existierten in Ungarn neben Pannonhalma und Somogyvár noch weitere 13 Benediktinerklöster als königliche Stiftungen. Bis zur Jahrhundertwende stieg die Zahl der Benediktiner Klöster in Ungarn auf 80. Die benediktinischen Cluniazenser spielten eine bedeutende Rolle im ungarischen Kirchenleben. Für die Verbreitung des Jakobuskultes in Ungarn ist wichtig, daß die Kirche vom Zselinceszentjakab, wie wir schon gesehen haben, von Benediktinern betrieben wurde. Ob im 11. Jahrhundert außer Zselinceszentjakab noch weitere Benediktinerklöster nach Jakobus benannt waren, können wir nicht mehr mit Sicherheit behaupten. Auffällig ist in dieser Hinsicht lediglich die Ò-Buda Gegend, das spätere Ujlak, wo breits im 11. Jahrhundert eine nach Jakobus benannte Ortschaft, auf ungarisch Szent Jakabfalva, zu finden ist, dessen Pfarrkirche ursprünglich eine Jakobus geweihte königliche Kapelle war 14 . 302 Lajos Kakucs 14 Dezsö D ERCSÉNYI , Budapest müemlékei (Kunstdenkmäler in Budapest, Budapest 1991) 3; János K ARÁCSONYI , A magyar nemzetségek a 14.század közepéig II.-III. Kötet (Die ungarischen Sippen bis Mitte des 14. Jahrhunderts) (Budapest 1901); Tibor G EREVICS , Magyarország románkori emlékei (Romanische Kunst in Ungarn) (Budapest 1938); András K UBINYI , Die Anfänge Ofens (Osteuropastudien der Hochschulen des Landes Hessen 60, Berlin 1972); im 14. Jahrhundert existiert in der Ge- <?page no="313"?> Was die Verbreitung von Kirchen und Kapellen mit einem Jakobuspatrozinium im südosteuropäischen Raum betrifft, konzentrierten sich nach unseren bisherigen Erkenntnissen, die meisten Jakobuspatrozinien bis Mitte des 11. Jahrhunderts auf den bayrisch-österreichischen Raum mit Schwertpunkt Oberbayern. Um so interessanter ist die Tatsache, daß zu dieser Zeit auch in Ungarn eine dem Jakobus gewidmete Benediktinerabtei, existierte. Außer Zselinceszentjakab und Ò-Buda sind keine weiteren Überlieferungen, die über derartige Benennungen bis Ende des XII. Jahrhunderts im damaligen Ungarn berichtet, bekannt. Indirekt spricht für die Präsenz der Jakobusverehrung im Ungarn des 12. Jahrhunderts die Gründung der Benediktinerabtei in Csatár, wo in einer gemäß der Stiftungsurkunde aus dem Jahre 1137 dem Apostel Peter gewiehten Abteikirche zu den verschiedenen Kleinoden, Reliquien des Heiligen Kreuzes, des Grabes Christi, der Heilige Jungfrau Maria, des Erzengels Michael, Johannes des Täufers, des heiligen Apostels Peter, Johannes und Jakobus gehörten. Die zum Geschlecht der Gutkeled gehörenden Gründer, Jáki Márton und seine Frau Magdalene, stifteten der Benediktinerabtei aus Csatár neben den erwähnten Reliquien kostbare Kleider und ein in der Salzburger Schule geschaffenes Meßbuch, welches in der Fachliteratur unter dem Namen „Admonter Bibel“ bekannt ist 15 . Im 13. Jahrhundert stieg die Zahl der dem Jakobus geweihten Kirchen und Kapellen in Ungarn erneut sprunghaft. In diesem Jahrhundert treten neben den königlichen und herrschaftlichen Patronatskirchen erstmals auch bischöfliche oder bürgerliche Stiftungen in der Reihe der Jakobuspatrozinien in den Vordergrund. Die Benediktiner verloren bei Klostergründungen ihre bisherige Monopolstellung, bei neuen Stiftungen treten nun andere Orden wie zum Beispiel die Zisterzienser, die Prämonstratenser und die Pauliner in den Vordergrund. Zahlenmäßig jedoch dominierten weiterhin die Jakobuskirchen und -kapellen, deren Stifter dem ungarischen Hochadel entstammten, die zu dieser Zeit immer größere Bedeutung im politischen Leben das Landes spielten. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts, noch vor dem großen Mongoleneinfall, wurde eine weitere Kirche in Ungarn dem Jakobus geweiht. Von der in Lébény gegründeten Benediktinerabtei ist lediglich die dem Apostel Jakobus geweihte Kirche erhalten, die heute noch eine der ältesten und Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 303 gend von Buda auf der heutigen Csepel Insel ein Zisterzienserkloster, das nach dem hl. Jakobus benannt war (Monumenta Romana. Episcopus Vespremiensis. Tom. II., Budapest 1899). 15 Vgl. C SÓKA (wie Anm. 4) S. 85f. <?page no="314"?> bedeutendsten romanischen Bauten in Ungarn darstellt. Die dreischiffige Pfeilerbasilika mit halbkreisförmigen Apsiden wurde am Ende des 12. Jahrhunderts, der ungarischen Kirchentradition entsprechend, mit zwei mächtigen Westtürmen und erhöhter Westempore nach französischem Vorbild erbaut. Die Stifter, die Brüder Pot, Graf von Moson und Csépan, Graf von Bács, entstammten dem mächtigen Geschlecht der Györ, das unter König Andreas II. hohe staatliche Ämter bekleidete. Im Jahre 1202 stellten die Stifter das Kloster von Lébény unter die Obhut der Benediktinerabtei von Pannonhalma. Ihre Verfügung wurde im Jahre 1208 durch eine königliche Urkunde bestätigt 16 . Das 13. Jahrhundert war in Ungarn die Zeit des Aufstiegs der großen Adelsfamilien zur politischen Macht. Als Symbol ihrer Macht und ihres Reichtums stifteten und errichteten immer mehr Adelige eigene Familienklöster, die auch als Begräbnisstätte für ihre Familienangehörigen dienten. Oftmals wurden in diesen Familienklöstern Benediktiner untergebracht, die gemäß dem Willen des Stifters neben den Totenmessen für die Verstorbenen auch den Pfarrdienst für die dem Herrschaftsgut angehörenden Dörfer leisteten. Adelskirchen in Ungarn waren im 13.-14. Jahrhundert sehr zahlreich, einige von ihnen wie die westungarische Abteikirche von Ják und die sich in Siebenbürgen befindenden Harina (deutsch Mönchsdorf, rumänisch Herina) und Ákos (rumänisch Acis) weisen starke bauliche Ähnlichkeiten mit der Abteikirche von Lébény auf. Die Abteikirche von Ják stammt aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. In einer Urkunde aus dem Jahre 1223 wird bereits ein Abt erwähnt, doch die Weihe der Kirche und die königliche Urkunde folgten erst 1256. Der Bau der Benediktinerabtei von Ják mit der dem hl. Georg geweihten dreischiffigen Kirche wurde unter starkem nordfranzösischem Einfluß um 1220 begonnen. Ihr Stifter, der Graf Nagy Márton, war Angehöriger des Adelsgeschlechtes der Ják, dessen Familienmitglieder zu den bedeutendsten Adelsfamilien Ungarns zählten und große Ländereien in den Grafschaften Sopron, Vas und Zala besaßen. Unmittelbar neben der Abteikirche steht der nach Jakobus benannte Karner, welcher nach Meinung des ungarischen Historikers Tomás Bogyai als Pfarrkirche für die umliegenden Gemeinden Verwendung fand und zur gleichen Zeit wie die Abteikirche erbaut wurde. Unserer Meinung nach diente das obere Stockwerk des Karners von Ják wie die Turm- oder Ga- 304 Lajos Kakucs 16 Leander B ARCZA , A lébényi középkori bencés templom és apátság (Die mittelalterliche Benediktiner Abteikirche von Lébény) (Györ 1929). <?page no="315"?> lerieemporen bei einigen romanischen und frühgotischen Bauten in Ungarn, Polen und Tschechien als Refugium oder Herberge für Pilger 17 . Bei einer weiteren Jakobuskirche in Ungarn, die im 12. Jahrhundert als Familienbegräbnisstätte erbaut wurde, handelt es sich um eine einschiffige spätromanische Backsteinkirche mit rechteckiger Apsis und mit für die ungarischen Grundherrenkirchen spezifischen, mächtigen Westtürmen und Emporen. Die kleine Ortschaft Àrpás, wo die Kirche noch heute steht, war schon im 11. Jahrhundert wegen seiner verkehrsgünstigen Lage bekannt geworden. In einer königlichen Urkunde aus dem Jahre 1251 wird ausdrücklich festgelegt, daß die Einnahmen aus dem Brückenzoll von Àrpás zusammen mit den Zinsen aus den 800 Joch Ackerland dem hier existierenden Kloster zustanden. Die Stifter des Klosters, Graf Móric, der in der Schlacht am Sajó im Jahre 1241 dem ungarischen König Béla IV. das Leben rettete, und sein Bruder Márk hatten die königliche Urkunde zwar erst im Jahre 1251 erhalten, aber die zum Prämonstratenserkloster im benachbarten Csorna gehörende Abtei von Àrpás existierte bereits seit einigen Jahren 18 . Die vierte und damit letzte Kirche in Ungarn, die ein Jakobus-Patrozinien trägt, wurde im 13. Jahrhundert als Familiengrabstätten in Zala erbaut. Nach den „Monumenta Romana. Episcopatus Vespremiensis“ wurde die dem Jakobus gewidmete Klosterkirche aus Bakonyszentjakab im Jahre 1290 vom Grafen Laurentius, der dem Rathold-Geschlecht angehörte, gegründet. Emil Kisban vertritt jedoch in seinem Werk über die Pauliner in Ungarn die Meinung, daß die später zu den Pauliner gehörende Abteikirche bereits 1260 zu der der Rathold Familie gehörenden Laurentius Kesei gegründet wurde. Der Paulinerorden ist der einzige Eremitenorden, der seinen Ursprung im mittelalterlichen Ungarn hat. Das Einsiedlerleben in Ungarn hat große Tradition. Unter den ersten Eremiten des Landes fanden sich einige Persönlichkeiten des ungarischen Kirchenlebens aus der Zeit der Christianisierung des Landes während der Herrschaft des hl. Stephan, wie z. B. Günther, ein Schwager Stephans, ein Einsiedler mit Namen Gerhard und die in der Nyitraer Gegend lebenden Mönche Zoerard und Benedikt. Bevorzugte Orte der Eremiten in Ungarn stellten die wenig besiedelten Gebirge des Grenzgebietes zu Polen, Pilis und Bakony im Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 305 17 Tamás B OGYAY , Normannische Invasion - Wiener Bauhütte - Ungarische Romanik (Forschungen zur Kunstgeschichte und christliche Archäologie 2, Baden-Baden 1954). 18 Floris R OMER , Az árpási Szent Jakabrol elnevezett prépostság (Die nach dem hl. Jakobus benannte Abteikirche von Àrpás), Györi Történelmi és Régészeti Füzetek, Györ 2 (1863), 3 (1865), 4 (1866-1869). <?page no="316"?> Landesinneren und Mecsek im Süden dar. Die erste Nachricht über den Paulinerorden in Ungarn geht auf das Jahr 1250 zurück, als der Domkapitular von Gran, der hl. Özséb (Eusebius), zusammen mit sechs weiteren Eremiten aus der Gegend von Pilis im Kloster von Piliskeresztur eine neue Gemeinschaft gründete. In Keresztur, wo sie ihre jährliche Versammlung abhielten, waren die Eremiten aus Pilis zuerst als Fratres heremitae S. Crucis bekannt. Seinen späteren Namen, Ordo Fratrum S. Pauli Primi Eremitae, erhielt der ungarische Orden nach der päpstlichen Approbation 1308. Der Paulinerorden in Ungarn erfuhr nach dem Tod des ehemaligen ungarischen Dominikaners Paulus Ungarorus, der zu Beginn des 13. Jahrhunderts in Bologna als Professor an der dortigen Universität kanonisches Recht lehrte, großen Aufwind. 1381 wurden die Gebeine des hl. Paulus von Theben von Venedig in das neu erbaute Paulinerkloster in Budaszentlörinc gebracht, wo sich seit 1309 das neue Zentrum des Ordens befand. Im 14. Jahrhundert etablierten und betreuten die Pauliner in Ungarn, Kroatien, der Slowakei und in Polen mehrere Wallfahrtsorte, unter anderem das später weltberühmte Czestochowa. Anfang des 13. Jahrhunderts wurde eines der zahlreichen Paulinerklöster aus der Bakonyer und der Piliser Gegend dem hl. Jakobus geweiht. 1263, als der Graner Bischof Paul einen Versuch unternahm, die in seinem Bistum befindlichen Paulinerklöster neu zu organisieren, fertigte er aus diesem Anlaß eine Liste an, die ein Paulinerkloster in Szent Jakob erwähnte. Vermutlich handelte es sich hierbei um die zum Paulinerorden gehörende Jakobuskirche aus dem 13. Jahrhundert, die in der Bakonyer Gegend zwischen Tapolca und Veszprém urkundlich erwähnt wird. Die Urkunde stammt von Abt Uros, der zwischen 1207 und 1242 die Benediktinerabtei von Martinsberg (Pannonhalma) leitete und Andreas II. auf seinem Feldzug nach Palästina begleitete. Den Überlieferungen Uros zufolge hatte dieser 1218 eine bereits existierende Eremitenkapelle in Bakonyszentjakab bauen und erweitern lassen und zusammen mit 80 Joch Ackerland unter die Verwaltung der Benediktinerabtei von Martinsberg gestellt. Aus den erhaltenen Akten ist bekannt, daß Abt Uros von Martinsberg als strenger Verwalter von Abteigütern langjährige Streitigkeiten mit Pächtern und Hörigen der Abteikirche ausfocht. Dennoch könnte seine Aussage über die Klostergründung in Bakonyszentjakab durch König Andreas II. der Wahrheit entsprechen. Die Größe und die Qualität des Baus überschritten den Bedarf der armen Pauliner am Anfang des 13. Jahrhunderts weit. Diese Vermutungen wurden 1984 in einer Abhandlung über die Architektur der Pauliner in Ungarn bestätigt. Der Verfasser, der ungarische Architekt Tamás Guzs- 306 Lajos Kakucs <?page no="317"?> ik, vertritt die Ansicht, daß es sich in Bakonyszentjakab um eine Gründung von 1218 handelt, die im Zusammenhang mit der zweiten Reise Andreas II. ins Heilige Land steht 19 . Ein Vierteljahrhundert vor der Piliser Klostergründung durch Eusebius wurde im Mecsek Gebirge im südlichen Ungarn 1225 eine größere Einsiedelei gegründet. Sie geht auf eine Initiative des damaligen Bischofs Bertalan (Berthold) (1219-1252) von Pécs (Fünfkirchen) zurück, der die dort zerstreut lebenden Eremiten zusammenführte und ein Kloster mit Sitz in Üreg gründete. Die Jakobus geweihte Klosterkirche wurde später namengebend für das angrenzende Gebirge. Die Pauliner blieben bis 1334 in Üreg und zogen dann aufgrund der unsicheren Lage ins naheliegende Patacs um. Nach der Türkenherrschaft gelang es den Paulinern nicht, ihr ehemaliges Kloster zurückzuerwerben. Das relativ gut erhaltene Gebäude wurde wiederhergestellt und diente bis zum Ende des XVIII. Jahrhunderts als Kloster und anschließend als Wohngebäude. Bischof Bertalan (Berthold) stellte in der ersten Hälfte des XIII. Jahrhunderts eine herausragende Persönlichkeit des ungarischen Kirchenlebens dar. Überlieferungen zufolge war er französischer Abstammung und studierte in Cluny, wo auch sein Vater begraben wurde. Vermutlich kam Bertalan (Berthold) 1215, in dem Jahr, als Violante den ungarischen König Andreas II. heiratete, in Begleitung der Tochter des zukünftigen „Lateinischen Kaiser“ Peter von Courtenay nach Ungarn. Neben seiner Tätigkeit als Bischof von Pécs (Fünfkirchen) stand Bertalan (Berthold) jahrzehntelang als Berater und Gesandter Andreas II. sehr nahe. Im königlichen Auftrag reiste Bertalan zwischen 1219 und 1235 viermal nach Spanien, um die Heirat zwischen Andreas’ Tochter Violante (1219- 1251) mit König Jakob I. von Aragón (1213-1276) zu vermitteln. Während seiner zweiten Reise nach Aragón 1234 besuchte Bertalan das Grab seines Vaters in Cluny und verfaßte bei diesem Anlaß sein eigenes Testament, in welchem er ausdrücklich bestimmte, daß sein Grab in Cluny angelegt werden sollte. Nach einer langen und erfolgreichen Amtszeit verzichtete er 1252 auf sein Amt als Bischof von Pécs und zog sich als einfacher Mönch nach Cluny zurück, wo er verstarb. Die Gründung des Jakobusklosters in Üreg 1225 erfolgte im Anschluß an die erste Reise Bertalans nach Spanien - so gesehen darf ein di- Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 307 19 Monumenta Romana. Episcopus Vespremiensis. Tom. II., Budapest 1899; Emil K IS - BÁN , A magyar pálosrend története (Die Geschichte der Pauliner in Ungarn) (Budapest 1938); Tamás G UZSIK , Kritische Fragen zur frühen Paulinerarchitektur in Ungarn (Die Pauliner - wissenschaftliche Arbeiten aus dem Burgenland 70, Eisenstadt 1984). <?page no="318"?> rekter Zusammenhang zwischen dieser Reise und dem Anfang der Jakobusverehrung in der Gegend von Pécs nicht ausgeschloßen werden. Es kann jedoch auch nicht übergangen werden, daß die Verehrung des Heiligen in dieser Gegend bereits vor Bertalans Zeit heimisch geworden war. Dafür spricht die Tatsache, daß Bertalans Vorgänger im Amt, der zwischen 1186 und 1218 amtierende Bischof Kalán, als Gesandter König Bélas III. (1172-1196) an den aragonesischen Hof reiste, wo er die Heirat zwischen König Imre II. (1196-1204) mit Konstanze von Aragón, Tochter Alfons’ II., vermittelte. Die ungarischen Überlieferungen schweigen darüber, ob Bischof Kalán bei diesem Anlaß auch das Jakobusgrab in Santiago de Compostela besuchte. Berücksichtigt man hingegen, daß er vor seinem Tod eine Pilgerreise nach Jerusalem plante, liegt die Vermutung nahe, daß er auf seiner zwanzig Jahre zurückliegenden Fahrt einen Besuch nach Santiago de Compostela unternommen haben könnte 20 . Neben der bereits erwähnten Klostergründung von Üreg deutet auch eine kleine Kapelle, die sich in der Altstadt von Pécs unweit des ehemaligen Bischofpalastes befand, auf die Verbreitung des Jakobuskultes in der Pécser Diözese im 13. Jahrhunderts. Aufgrund seiner christlichen Vergangenheit wurde Pécs (Fünfkirchen) unter Stephans Herrschaft zu einem der ältesten Zentren des christlichen Lebens in Ungarn. Die dem Apostel Peter geweihte Bischofskirche von Pécs (Fünfkirchen), in der König Peter 1046 seine letzte Ruhestätte fand, wurde als königliche Stiftung unter Stephans Nachfolger Peter (1038-1041) erbaut. Sie wurde 1064 von einem verheerenden Brand vernichtet. Die zweite, heute noch existierende Bischofskirche wurde im 12. Jahrhundert errichtet. Dokumentarisch läßt sich nicht mit letzter Sicherheit belegen, wann die heute nicht mehr existierende Jakobuskapelle in der ehemaligen Bischofsburg von Pécs geschaffen wurde. Die Lage der ehemaligen Jakobuskapelle in der Altstadt, in der Nähe der sogenannten „Hospesen“, den von Wallonen und Lombarden bewohnten Stadtteilen, kann als ein Indiz dafür gelten, daß sie schon im 12., spätestens jedoch im 13. Jahrhundert als Friedhofskapelle gedient haben dürfte. Die im heutigen Rumänien gelegene Stadt Nagyvárad (rumänisch Oradea, deutsch Großwardein) bildet die zweite bischöfliche Residenz in Ungarn. Dort war sehr früh eine Kirche mit einem Jakobuspatrozini- 308 Lajos Kakucs 20 Imre H ENSZELMANN , Pécsnek középkori régisége (Die mittelalterlichen Altertümer aus Pécs) 1-3 (Pest 1869-1873); István S ZENTKIRÁLYI , A Jakabhegyi remeteház és könyvtára (Die Bücherei der Einsiedelei von Jakabhegy), Közlemények a Pécsi Erzsébet-tudományegyetem könyvtárából 29 (1934) S. 2. <?page no="319"?> um entstanden. Nach der Landnahme gründeten die Ungarn in den Gebieten östlich der Theiß ihr erstes Zentrum im strategisch wichtigen Körös-Tal, 14 km nördlich vom heutigen Nagyvárad, in der alten Festung von Bihar (Biharia) aus der Völkerwanderungszeit. Nachdem die Kumanen 1068 Bihar niedergebrannt hatten, gründete der später heiliggesprochene König Ladislaus das heutige Nagyvárad und ließ dort 1093 eine Bischofskirche errichten. Die Anfänge der Jakobusverehrung in der östlichen Tiefebene Ungarns begannen vermutlich noch zu der Zeit, als sich der Bischofsitz in Bihar befand. Nach dem Heidenaufstand 1047 wurde der ehemalige Domherr Leodwin aus Verdun als Bischof nach Bihar berufen. Noch im selben Jahr krönte er Andreas zum König. Während der langen Amtszeit von Leodwin entstand ein sehr enger Kontakt zwischen Nagyvárad und Lothringen. Aus lothringischen Quellen wird ersichtlich, daß Leodwin 1064 zu Besuch nach Namur kam und der dortigen Albanuskirche die Reliquien der hll. Georg und Nikolaus schenkte, welche 1018 König Stefan aus Durazzo nach Ungarn geholt haben soll. Nach diesem Besuch kamen vermutlich die ersten Einwohner aus Flandern in die Gegend von Nagyvárad. Heute läßt sich nicht mehr mit Sicherheit sagen, ob sie, Bischof Leodwin persönlich oder aber die Italiener, die sich in Nagyvárad niedergelassen hatten, für die Entstehung des Jakobuskultes verantwortlich waren. Gewiß ist nur, daß im Jahre 1332 in dem Stadtteil von Nagyvárad, der schon 1215 Villa Latinorum Waradiensis genannt wurde, eine dem Jakobus geweihte Pfarrkirche existierte, deren Priester Adalbert 80 Garas als Kirchenzehnt bezahlte. Daß sich die Jakobusverehrung in Nagyvárad nicht auf diese Kirche allein begrenzt war, zeigt die im 14. Jahrhundert neu erbaute Bischofskirche, in der einer von 40 Altären dem Jakobus gewidmet wurde. Wahrscheinlich breitete sich von der Bischofstadt die Jakobusverehrung ins Umland aus. In einem großen Umkreis von Nagyvárad werden Jakobuskirchen erwähnt: 1296 in Tulogd, 1332 in Körösgyéres (heute Sacuieni und Girisu de Cris in Rumänien) und 1329 in Biharugra 21 . Auch wenn die erste schriftliche Erwähnung einer Jakobuskirche in Nagyvárad erst 1332 verzeichnet wird, neigen wir dazu, zu behaupten, daß sich die Verehrung des Jakobus hier wie auch in anderen mittelalter- Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 309 21 Zum Jakobuskult in der Gegend von Nagyvárad vgl. Vincze B UNYITAY , A váradi püspökség története alapitásátol a jelenkorig (Die Geschichte des Bistums Varad von Anfang bis zum Gegenwart) 1 (Nagyvárad 1883); C SÓKA (wie Anm. 15); Georgius G Y - ÖRFFY , Geographia historica Hungariae tempore stirpis Arpadianae 1 (Budapest 1963), S. 684-686. <?page no="320"?> lichen Städten in Ungarn, Polen und in Tschechien auf die Einflüsse aus Westeuropa, in diesem Fall speziell aus dem Maas-Rhein-Gebiet, zurückführen läßt. Wir wissen, daß ein nach Jakobus benanntes Benediktinerkloster 1015 von Bischof Baldrich II. in Lüttich gegründet wurde. Anfänglich stand diese Gründung in keinerlei Beziehung zum Kult des Jakobus des Älteren - das auf die Werder gebaute Kloster wurde nach dem Herrenbruder, nach dem jüngeren Apostel Jakobus benannt. Nach späterer Tradition wurde der jüngere Jakobus, auch „der Gerechte“ genannt, der im Jahre 62 in Jerusalem mit eine Walke totgeschlagen wurde, überall im christlichen Europa als Patron der Tuchmacher verehrt. Nachdem die ersten nichtspanischen Pilger aus Santiago de Compostela zurückgekehrt waren, wurden in mehreren Textilzentren Europas, die zu Ehren von Jakobus dem Jüngeren erbauten Klöster, Kirchen und Kapellen nach Jakobus dem Älteren umgewidmet. Dies geschah vielleicht auch in Lüttich, als 1056 der Mönch Robert und mehrere Bürger aus dem Jakobuskloster nach Santiago de Compostela pilgerten und von dort mit Reliquien des heiligen Jakobus zurückkehrten. 1076 wurde vielleicht deshalb als Schutzheiliger des Klosters nun Jakobus der Ältere genannt. Nach diesem „Wechsel“ können wir damit rechnen, daß allmählich in anderen Tuchmacherzentren (und davon existierten nach Hektor Ammann allein im Rhein-Maas-Gebiet über 150) immer mehr Kirchen Jakobus dem Älteren geweiht oder umgeweiht wurden 22 . Wie dieser Prozeß in Ungarn aussah, wird noch dargestellt, zuvor aber möchten wir darauf hinweisen, daß es im gesamten ost- und südosteuropäischem Raum eine enge Verbindung zwischen Flandern bzw. zwischen der von dieser Gegend ausgehenden Textilverarbeitung und der Jakobusverehrung gab. Ein erstes Beispiel hierfür stammt aus dem adriatischen Raum, wo in Dubrovnik schon im 11. Jahrhundert eine nach Jakobus benannte Benediktinerabtei existierte. Dubrovnik war nicht nur ein überaus wichtiger Ausgangspunkt für die in Richtung Konstantinopel führende Handelstraße, sondern auch eines der aktivsten Textilzentren des östlichen Mittelmeerraumes. Dasselbe Bild bot sich in Polen oder in Tschechien. In Schlesien lag ein bekanntes Zentrum für die frühere Jakobusverehrung in der Gegend um Wrocl / aw (Breslau) und Nysa (Neiße), wo sich während des 11. und 12. Jahrhundert eine starke, durch die aus Flandern eingewanderten Fachkräfte geförderte 310 Lajos Kakucs 22 Vgl. Dr. Carl P LATNER , Die Jahrbücher von Sanct Jacob in Lüttich (Leipzig 1870); Jacques S TIENNON , Le voyage des Liégeois á Saint-Jaques de Compostelle en 1056, in: Melanges Felix R OUSSEAU , Etudes sur l´histoire du pays mosan en moyen age (Bruxelles 1958), S. 353-581. <?page no="321"?> Textilindustrie entwickelte. Ähnlich sah es auch im mährischen Brno (Brünn), dessen im Jahre 1220 erbaute Pfarrkirche Jakobus gewidmet war und wo, einem städtischen Protokoll aus 1271 zufolge, alle „Teutonen“ oder „Gallier“, die in der Stadt wohnten, der Jakobuskirche angehörten 23 . Verfolgt man die Entwicklung des ungarischen Städtewesens, bildet die erste Hauptstadt des Königreiches Esztergom (Gran) den Ausgangspunkt weiterer Überlegungen. Dort lebten im 12. Jahrhundert die fremden Kaufleute südlich der königlichen und erzbischöflichen Burg in dem Teil der Stadt, der vicus Latinorum genannt wurde, wo 1156 eine Kirche mit einem Nikolauspatrozinium existierte. Direkte Hinweise auf eine dem Jakobus geweihte Kirche finden sich in der königlichen Stadt erst im Jahre 1372, jedoch war Esztergom schon zu Stephans Zeiten ein wichtiges Zentrum der Pilgerfahrt ins Heilige Land. Neben den Pilgern, die nach 1018 immer zahlreicher nach Jerusalem zogen, versammelten sich im 12. Jahrhundert verschiedentlich Kreuzzugsheere in Esztergom, unter ihnen der französische König Ludwig VII. (1147) oder der Kaiser Friedrich I. Barbarossa (1189) mit dem ungarischen Herrscher. Wie wichtig Esztergom für die Jerusalempilger und Kreuzfahrer war, zeigen uns neben den zahlreichen Kirchen und Klöstern die Sitze einiger Ritterorden, die traditionsgemäß die Notleidenden, die Pilger und die Reisenden unterstützen oder betreuten. Beginnen wir die Auflistung mit der bereits erwähnten Nikolauskirche und der Anmerkung, daß der Heilige aus Myra im mittelalterlichen Ungarn, wie übrigens im gesamten osteuropäischen Raum, als Patron der Händler, Reisenden und natürlich auch der Wallfahrer verehrt wurde. Neben dieser Kirche kann in Esztergom das an der aus Wien kommenden Landstraße gebaute Stephaniterkloster in Verbindung mit den Wallfahrten bringen. Der Stephaniterorden wurde im Jahre 1150 nach dem Beispiel der Templer als ein selbständiger ungarischer Hospitalorden von König Géza II. gegründet. Die Gründung des nach der Augustinerregel lebenden Ordens wurde im Jahre 1187 durch Papst Urban III. approbiert. Innerhalb kurzer Zeit wurden neben dem Mutterhaus in Esztergom Niederlassungen in Visegrad, Buda und im Ausland, in Akko und Jerusalem, gegründet. Der Orden betrieb Spitäler in Esztergom und Buda. In einem östlichen Vorort von Esztergom, unweit der Kreuzung der Handelstraßen, befand sich 1181 eine dem Lazarus Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 311 23 Wolfgang L IBAL , Dalmatien (München 1990); Zygmunt S WIECHOWSKI , Romanische Kunst in Polen (Leipzig 1984), S. 30-37; Erhard G ORYS , Tschechische Republik (Köln 1994). <?page no="322"?> geweihte Kirche, deren Lage zeigt, daß es dort ein Hospiz für die mit ansteckenden Krankheiten infizierten Pilger gab. Neben den genannten Kirchen und Spitälern war die Pilgerbetreuung in Esztergom eine wichtige Aufgabe der ansässigen Templer- und Johanniterorden. Östlich der königlichen Burg am Fuß des Thomas Berges neben einer Heilwasserquelle stand das Ordenshaus der Johanniter mit einem dazugehörenden Spital. Daß Esztergom schon ab dem 13. Jahrhundert eine bedeutende Station für die nach Santiago de Compostela reisenden Pilger war, zeigen die Kirchen, die nach Maria Magdalena (1264), Ägidius (1272) und Jakobus (1372) benannt worden sind 24 . Neben Esztergom spielte das im Landesinneren gelegene Székesfehérvár (Stuhlweisenburg), das schon zu Lebzeiten Stephans zur königlichen Residenz ernannt worden war, eine entscheidende Rolle im ungarischen Städteleben; Székesfehérvár wurde nach 1018 zur zweiten Hauptstadt des ungarischen Königreiches. Im von fremden Kaufleuten bewohnten Stadtteil befand sich im Mittelalter direkt neben der königlichen Burg und unweit der königlichen Basilika eine dem Jakobus geweihte Kirche. Die Bedeutung Székesfehérvárs für die Pilger verdeutlicht das Ordenshaus der Johanniter, das seit 1151 in einem südlichen Vorort der königlichen Burg existierte. Nördlich der königlichen Burg in der Civitas Exterior stand seit 1215 eine Nikolauskirche mit angegliedertem Hospital. Nach dem Mongolensturm wurde die ehemalige königliche Burg abgetragen und unter der Herrschaft Bélas IV. eine neue Königstadt gebaut. Neben der neuen königlichen Residenz stiftete im 15. Jahrhundert der aus Florenz stammende Condotiere Filipo Scolari (1369-1427), der unter König Sigismund von Luxemburg (1387-1437) als Graf von Temes den Kampf gegen die Türken organisierte, eine dem Jakobus gewidmete Kapelle. Überlieferungen zufolge ließ Scolari diese Kapelle mit Werken des berühmten italienischen Künstlers Masolino (Tomasso de Cristofono Fini 1383-1440) schmücken. Hier wurde im Jahre 1427 der verstorbene Graf Filipo Scolari begraben. Leider blieb 312 Lajos Kakucs 24 Zwar wird die Verbreitung des Nikolauskultes in Osteuropa als ein Beweis für die Verbindungen dieser Region mit Bari interpretiert, aber wie schon Edith E NNEN (vgl. Anm. 52) andeutete, begann die Verehrung des Nikolaus in Europa eigentlich in St. Nicolas-de-Port in Frankreich früher als in Bari. Da die französische Stadt an dem Fluß der Meurthe im 13. Jahrhundert eines der bedeutendsten Tuchmacherzentren in Europa war, können wir nicht ausschließen, daß die Verehrung des Nikolaus durch Händler und Tuchmacher aus Frankreich nach Osteuropa mitgebracht wurde. Zu den Kirchen und Hospizen in Esztergom vgl. Korai magyar történeti lexikon (9.-14. Század) (Ungarns frühmittelalterliches Lexikon [9.-14.Jahrhundert]) (Budapest 1994). <?page no="323"?> nach der Türkenzeit kein mittelalterliches Gebäude aus Székesfehérvár erhalten 25 . Die dritte Hauptstadt der ungarischen Könige war nach dem XIII. Jahrhundert Ò-Buda (Altofen) geworden, wo neben der schon erwähnten Jakobuskirche 26 mehrere Klöster, Kirchen und Spitäler den Pilgern zu Diensten waren. Die Stephaniter unterhielten im XII. Jahrhundert in Buda neben der damaligen Donau Fähre (gegenüber der Margareteninsel) ein Haus, dem ein Spital angegliedert war. Wo das heutige Lukács Bad liegt, verwalteten die Johanniter eine dem Heiligen Geist geweihte Kirche und ein Spital. Nördlich davon, außerhalb der Stadtmauern müssen wir die Spuren der ehemaligen Lazaruskirche suchen. Im 13. Jahrhundert stand in der Gegend des heutigen Gellért-Bades ein bürgerliches Krankenhaus, das nach der hl. Elisabeth benannt wurde 27 . Weiterhin kann man im 13. Jahrhundert eine Jakobuskirche in der Bischofstadt Eger (Erlau) erschließen. Ihre Entstehung steht vermutlich in enger Verbindung mit dem Eintreffen eines Kanonikers aus Verdun. Durch seine Vermittlung ließen sich in der Stadt und deren Umgebung Siedler aus Flandern nieder. Die erstmals im XIII. Jahrhundert erwähnte Jakobuskirche in Eger und deren Spital lagen nördlich der Bischofsburg im italienischen Viertel. Nach einer päpstlichen Urkunde von 1240 handelte es sich um eine Pfarrkirche, die ursprünglich unter bischöflicher Hoheit stand und deren Hospiz stets im Dienste der Armen und Kranken stand. Im Anschluß an den Mongolensturm wurde die zerstörte Stadt und auch diese Gebäude wiederaufgebaut. Nach Informationen des päpstlichen Zehntenregisters aus den Jahren 1332-1337 existierte in Eger neben der nach Johannes dem Täufer benannten Bischofskathedrale Kirchen mit Nikolaus- und Jakobuspatrozinien. Wahrscheinlich blieb das nach dem Mongolensturm wiederaufgebaute Hospiz auch weiterhin für die Armen und Kranken bestimmt. Wie stark die Pflege der Bedürftigen in Eger weiterlebte, verdeutlicht eine 1888 verfasste Abhandlung über das Frauenspital in Eger, dessen Ursprung die Autoren im ehema- Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 313 25 Jakab R UPP , Magyarország helyrajzi története fö tekintettel az egyházi intézetekre (Lokalhistorische Geschichte Ungars in bezug auf kirchliche Institutionen) 1-3 (Kötet Pest/ Buda 1870-1876); Gusztáv W ENZEL , Okmánytár Ozorai Pipo történetéhez (Dokumente zur Ozorai-Pipos-Zeit), in: Történeti-Tár (Budapest 1884); Korai magyar történeti lexikon (wie Anm. 24). 26 Vgl. Anm. 14. 27 Wie in Deutschland so auch in Ungarn: Jahrhundertlang existierte keine alleinige königliche Residenz, trotzdem gab es in Esztergom, Székesfehérvár und später in Buda schon Königsburgen und ab dem 15. Jahrhundert kann Buda die Hauptstadt der Magyaren genannt werden. Zu der Lage der Kirche vgl. Anm. 24. <?page no="324"?> ligen Jakobus-Armenspital suchen. Der von hier ausgehende Jakobuskult hatte tiefe Spuren im Bistum hinterlassen. Laut einer Studie von 1987 wurden vor der Türkenzeit im Bistum Eger acht Kirchen dem Jakobus geweiht; statistisch gesehen lagen damit die Jakobuspatrozinien an siebter Stelle, vor den sonst in Ungarn sehr beliebten Nationalheiligen wie Ladislaus und Elisabeth. Später wurde in Eger Jakobus als Patron der Hutmacher verehrt; auf einem Zunftpokal aus dem 19. Jahrhundert wird er mit einer Mischung der Attribute Jakobus’ des Älteren (mit dem „Pilgerhut“, wie die Autoren sagen) und Jakobus’ des Jüngeren (mit einem Schlagholz in der Hand) dargestellt 28 . In bezug auf die Verbreitung des Jakobuskultes in den Bischofstädten des mittelalterlichen Ungarn finden sich im Zentrum des von den Türken zerstörten Erzbistums Kalocsa keinerlei Hinweise auf Spuren des Pilgerheiligen. Da Kalocsa nur bis zum 12. Jahrhundert den Kern des Erzbistums bildete und den Vorrang spätestens unter der Herrschaft des als „Bücherfreund“ benannten König Kálmán (1095-1116) Bács übergab, muss auch Bács für eventuelle Spuren des Jakobuskultes in Betracht gezogen werden. Zwar finden sich im heute zu Serbien gehörenden Bács (Bac) keine Jakobuspatrozinien, doch existierte hier neben der vielbefahrenen Handlerstraße bereits 1234 ein von den Zisterziensern betreutes Spital, das nach Meinungen einiger Forscher zuvor im Besitz der dort ansässigen Templern war 29 . Bleiben wir noch eine Weile in Südungarn, in dem vom hl. Gellert gegründeten Csanáder Bischofssitz (rumänisch Cenad), dessen nach dem hl. Georg benannte Kathedrale im 14. Jahrhundert umgebaut wurde. Nach dem Umbau besaß die Kathedrale mehrere prunkvolle Altäre. Vor dem Jakobusaltar betete am 01. Dezember 1400 Papst Bonifatius IX. und gewährte denjenigen Ablaß, die den Altarbau unterstützt hatten 30 . Im mittelalterlichen Südwestungarn, im heutigen Kroatien, lag die von Ladislaus gegründete Zagreber Diözese. In Zagreb selbst wurde in einer Urkunde von 1250 auf der nach Ägidius benannten Insel Sava ein 314 Lajos Kakucs 28 Vgl. Johannes Bapt. T KALCIC , Monumenta historica episcopatus Zagrabiensis saecula 12. et 13. 1-2 (Zagrab 1873-74); Augustinus T HEINER , Vetera monumenta Hungariam sacram illustrantia 1-2 (Rom 1859-1860); Jusztin A KANTISZ und Kabos K AN - DRA , Az alapitványi nöi korház és ápoló intézet vázlatos története (Kurze Geschichte des Frauenspitals in Eger) (Eger 1888); Gergely C SIFFÁRI , Egri céhemlékek (Zunftdenkmäler in Eger) (Eger 1982); Béla K OVÁCS , Az egri egyházmegye története 1596-ig (Die Geschichte des Bistums Eger bis zum Jahre 1596) (Eger 1987). 29 Vgl. Anm. 24. 30 Koloman J UHÁSZ , Das Tschanad-Temeswarer Bistum in Spätmittelalter (1307-1552) (Paderborn 1964). <?page no="325"?> zu Ehren des Jakobus geweihtes Zisterzienserkloster erwähnt. König Béla IV. wies den Zisterziensern ein Stück Land zu, woraus sich schließen läßt, daß das Kloster bereits vor 1250 existierte. Die kleine Insel Sava, auf der das Kloster lag, wurde ab 1258 in allen Urkunden nur als Insula S. Jacobi erwähnt 31 . Wie aus einer Prozeßakte aus dem Jahre 1291 hervorgeht, besaß der Zisterzienserorden von Zagreb ein Bad, das die geschäftsüchtigen Mönche an städtische Bürger verpachtet hatten. Nach Überlieferungen von 1275 wurden in einer Kapelle der Zagreber Stephanuskirche Reliquien des jüngeren und älteren Jakobus aufbewahrt 32 . Seit dem 12. Jahrhundert nahm Zagreb einen sehr bedeutenden Platz im osteuropäischen Wallfahrtswesen ein. Hierfür sprechen die erwähnten Jakobuspatrozinien und die städtischen Krankenhäuser, die Antonius, Elisabeth und Petrus geweiht waren. Der Lage nach zu urteilen, waren die ersten eher bürgerliche Hospitäler gewesen, das dritte aber, das sich vor dem Stadttor befand, war für Leprakranke reserviert. Zudem war Zagreb seit dem 13. Jahrhundert ein wichtiger Stützpunkt der ungarischen Templer gewesen. Nach ungarischen Quellen besaß der Orden in Stadtnähe eine größere Niederlassung, und die Ritter überwachten mit weiteren Ordenshäusern in Dalmatien die nach Rom, Jerusalem und Santiago de Compostela führenden Pilgerwege. Nach der Auflösung des Ordens wurde das Templerhaus in Zagreb von den dort ansässigen Johannitern übernommen 33 . Die Zagreber Diözese gehörte bis 1852 zu dem Erzbistum Kalocsa, aber während des Mittelalters gab es im dalmatischen Raum weiterhin die Erzbistümer Split, Zadar und Dubrovnik mit elf Diözesen, die jedoch nur zeitweise unter die ungarische Kirchenadministration fielen. In diesem Tatbestand spiegelte sich die sehr komplizierte politische Lage des Küstenlandes wider, das trotz Autonomiestrebungen während des Mittelalters wechselseitig zum angrenzenden Venedig, zu Byzanz oder zu Ungarn gehörte. Diese Situation änderte sich im 16. Jahrhundert, als die Türken fast die gesamte adriatische Küste eroberten, wo nach 1538 nur Split und Sibenik unter christlicher (venezianischer) Hoheit blieben. Vor der Eroberung durch die Türken waren in den drei dal- Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 315 31 Ferenc L. H ERVAY , Repertorium Ordinis Cisterciensis in Hungaria (Biblioteca Cisterciensis 7, Rom 1984); Klaus Detlev G ROTHAUSEN , Entstehung und Geschichte Zagrebs bis zum Ausgang des 14. Jahrhunderts (Wiesbaden 1967). 32 Vgl. Tivadar O RTVAY , Magyarország egyházi földleirása a XIV. század elején a pápai tizedjegyzékek alapján feltüntetve (Geographische Aufnahme der ungarischen Kirchen am Ende des 14. Jahrhundert nach päpstlichen Zehntenregistern) 1-2 (1891-92). 33 Vgl. József T ÖRÖK , Szerzetes-és Lovagrendek Magyarországon (Monastische und Ritterorden in Ungarn) (Budapest 1990). <?page no="326"?> matischen Erzbistümern mehrere Jakobuspatrozinien entstanden. Ihre Auflistung beginnen wir mit Dubrovnik, wo bereits zu Beginn des 13. Jahrhunderts eine dem Jakobus gewidmete Benediktinerabtei gegründet wurde. Diese Sveti Jakov na Visnjici befindet sich heute noch neben dem ehemaligen östlichen Stadttor Ploce auf einem Geländevorsprung ins Meer. Von Ploce aus führten die Handelstraßen ins Hinterland des Balkans und von den Felsen aus verfolgten die Bewohner die Schiffe, die als Zeichen bedingungsloser Unterwerfung bis 1804 einmal jährlich mit Steuern (harac) und Geiseln nach Konstantinopel fuhren. Ab dem 14. Jahrhundert knüpften Dubrovnik und die anderen Hafenstädte entlang der Adria gute Beziehungen zu dem im westlichen Mittelmeer aktiver werdenden Aragón. In diesen Beziehungen nahm der aragonesische Herrscher Ferdinand II., der im Jahre 1490 den Händlern aus Dubrovnik großzügige Privilegien in den zur aragonesischen Krone gehörenden Ländern gewährte, eine wesentliche Platz ein. In diesem Jahrzehnt stellte die aragonesische Kanzlei mehrere Geleitbriefe an verschiedene, als „griechisch“ bezeichnete Personen wie Andreas Catán 1493 und Francisco de Arguiro 1497 aus, die Pilgergruppen nach Santiago de Compostela begleiteten. Leider gibt es keine sicheren Anhaltspunkte für die Herkunft der Pilger, da Dubrovnik jedoch sehr gute Beziehungen zu Aragón hatte, können wir vermuten, daß es sich um Santiago Wallfahrer handelte, die vom osteuropäischen Hinterland über dalmatische Häfen nach Spanien reisten 34 . Das zweite wichtige Zentrum der Jakobusverehrung im adriatischen Raum war die Hafenstadt Zadar und ihre Umgebung. Zadar war bereits im 10. Jahrhundert eine starke, unabhängige Stadt, deren Kaufleute im gesamten östlichen Mittelmeerraum Handel trieben. Im Jahre 1145 wurde die damals unter venezianischer Herrschaft stehende Stadt zum Metropolitansitz erhöht - vermutlich wurde in dieser Zeit die prächtige Kathedrale erbaut. In ihr wird heute noch neben den Reliquien der hll. Christophorus, Demetrius und Osiris auch ein Kapselreliquiar des hl. Jakobus aufbewahrt. Leider habe ich nur Fotos von dem im Erzbischöflichen Museum aufbewahrten Reliquiar zu sehen bekommen, und so kann ich nicht mit Sicherheit behaupten, ob es sich um ein Jakobus dem 316 Lajos Kakucs 34 Zu Dubrovnik und den Geleitbriefen vgl. Wolfgang L IBAL , Dalmatien - Stadtkultur und Inselwelt an der jugoslawischen Adriaküste (München 1990); Frederico U DINA und Mercedes C OSTA , Documents relatifs aus Balkans 13-19 ss. conserves de la Couronne D’Aragón (Barcelone. Sofia 1987); für die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Dubrovnik und Aragón vgl. Momcilo S PREMIC , Dubrovnik i Aragonci 1442-1495 (Belgrad 1971). <?page no="327"?> Älteren zugehöriges Reliquiar handelt. Die vorhandene Inschrift SCS + Jakobus und der sich in Begleitung von Andreas und Paul befindende Jakobus deuten jedoch darauf hin, daß es sich hier tatsächlich um ein aus dem 11. Jahrhundert stammendes Reliquiar zu Ehren Jakobus des Älteren handelt. Nach Schätzungen von Kunsthistorikern wurde das aus vergoldetem Silber gefertigte, frühkarolingische und byzantinische Formen zeigende Reliquiar in einer Werkstatt von Zadar geschaffen 35 . Zadar mit seiner wunderschönen Donatuskirche aus dem 9. Jahrhundert besitzt nicht nur ein seltene monumentale Bauten des frühen Mittelalters, sondern war bereits im 11. Jahrhundert ein bedeutendes Zentrum des Benediktinerordens im adriatischen Raum. Südlich von Zadar, im Hinterland von Biograd na Moru, in der kleinen Ortschaft Vrana befand sich eine sehr alte Benediktinerabtei, die schon Anfang des 12. Jahrhunderts wegen andauernder Kämpfe zwischen Venedig und Ungarn aufgegeben wurde. Als Nachfolger der Benediktiner hatten sich in Vrana wahrscheinlich schon Mitte des 12. Jahrhunderts Templer niedergelassen. Noch ist unklar, ob die sich hier ansiedelnden Ordensmitglieder schon von Beginn an dem ungarischen Ordenszweig angehörten; fest steht nur, daß die Niederlassung von Vrana wichtige Teile der Hafenanlagen von Biograd na Moru kontrollierte. In einer Urkunde von 1166 gewährte der ungarische König Stephan III. den Templern von Biograd na Moru die gleichen Privilegien, die der Orden bereits vom kroatischen König erhalten hatte. Das bedeutet aber, daß sich die Templer zwischen 1115 und 1125 in Vrana niedergelassen haben mußten, als Biograd na Moru für eine kurze Zeit unabhängig von Venedig, Ungarn und Byzanz war. Seit dem 13. Jahrhundert spielte das Templer-Priorat von Vrana eine überragende Rolle in der ungarischen Geschichte. Als der Orden in Ungarn aufgelöst wurde, kam es unter die Obhut der Johanniter, und der Prior von Vrana hatte bis 1918 eine sehr wichtige Position im ungarischen Staatswesen. Nördlich von Zadar in Bojisce (neben Nin) gründeten die Templer schon 1186 eine bedeutende Niederlassung, der auch ein Spital angehörte. Die Templergründungen in der Gegend von Zadar zeigen, daß der Orden schon ab der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts die aus dem adriatischen Raum nach Rom, Jerusalem und Santiago de Compostela führenden Pilgerwege kontrollierte 36 . Bei der Hafenstadt Sˇ ibenik handelt es sich um eine weitere bedeutende Stadt im adriatischen Raum mit bemerkenswerten Jakobustraditio- Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 317 35 Janez H ÖFLER , Die Kunst Dalmatiens vom Mittelalter bis zur Renaissance (800- 1520) (Graz 1989). 36 Zu den Templern im dalmatischen Raum vgl. Anm. 32. <?page no="328"?> nen. Sˇ ibenik war das jüngste selbständige mittelalterliche Bistum an der adriatischen Küste. Als im Jahre 1298 Sˇ ibenik zur Bischofsstadt wurde, benutzten die Bischöfe noch ein Jahrhundert lang die örtliche Jakobuskirche als Kathedrale. Für die neue Bischofskirche wurden der Grundstein 1431 gelegt; die Steinskulpturen der Apostel Jakobus und Petrus, die damals die Baldachinfialen des Seitenportals schmückten, befinden sich heute im Kirchenmuseum hl. Barbara von Sˇ ibenik und werden von Spezialisten als die ersten Arbeiten des Kathedralenbauers Georgis von Sˇ ibenik gewertet. Der kräftige, mit einem buschigen Bart versehene und mit einer Toga bekleidete barfüßige Jakobus hält in seiner rechten Hand einen Pilgerstab, seine Pilgertasche ist mit einer Muschel verziert 37 . Die Jakobus-Kathedrale in Sˇ ibenik deutet darauf hin, wie wichtig Sˇ ibenik und der gesamte adriatische Raum für die nach Jerusalem, Rom und Santiago de Compostela pilgernden ungarischen, polnischen und tschechischen Menschen nach dem Vordringen der Türken in den Balkan wurde. Aus dem 14. und 16. Jahrhundert sind in der ungarischen Fachliteratur mehrere nach Rom oder nach Jerusalem reisende Pilger namentlich bekannt. Über die Fahrt des Franziskaners Pécsváradi Gábor und des Kanonikers János Lászai existieren ausführliche Reisebeschreibungen. Lászai, der zusammen mit dem Ulmer Dominikaner Felix Fabri und dem Mainzer Kanoniker Bernhard Breitenbach 1483 von Venedig aus ins Heilige Land aufbrach, kehrte nach einer mehrmonatigen Orientreise erst 1484 nach Dubrovnik zurück 38 . Interessante Spuren der Jakobusverehrung kann man auch in der Ortschaft Ciovo in der Gegend von Trogir antreffen. Dort befindet sich in einer Kirche ein fünfteiliges Polyptychon, in dessen Mitte ein geschnitztes Relief des hl. Jakobus steht. Das heute im Trogirer Dommuseum aufbewahrte Kunstwerk stammt von der Hand des Malers Blasius von Trogir aus dem Jahre 1436, der sich auch mit Bildschnitzerei beschäftigte 39 . In ganz Dalmatien und insbesondere in Istrien finden sich mehrere kleinere, Jakobus geweihte Pfarrkirchen und Friedhofkapellen. Die älteste von ihnen scheint die Jakobuskirche in Dvigrad, östlich von Rovinoj, zu sein. Dvigrad und Barban, wo ebenfalls eine Pfarrkirche mit einem Jakobuspatrozinium stand, liegen neben den alten Wegen, die zu den Hafenstädten Porec und Rovinj führten. Die alte, vermutlich aus 318 Lajos Kakucs 37 Vgl. H ÖFLER (wie Anm. 35). 38 Über die Reise Lászais vgl. Fratris Felicis Fabri Evagatorium in Terrae Sanctae, Arabiae et Egypti peregrinationem 1-3, hg. von Konrad Dietrich H ASSLER (Bibliothek des literarischen Vereins in Stuttgart, Stuttgart 1843-1849). 39 Vgl. H ÖFLER (wie Anm. 35). <?page no="329"?> dem 12. Jahrhundert stammende Jakobuskirche aus Dvigrad scheint sehr interessant zu sein. Dvigrad, im 11. Jahrhundert von Venezianern gegründet, hatte im Mittelalter eine bewegte Geschichte. Im 14. Jahrhundert zerstörten die Ragusaner die Stadt, im 16. Jahrhundert erfolgte eine weitere Zerstörung durch die Uskoken aus Senj; nach der Pestepidemie 1630 verließen die vielgeprüften Einwohner die Stadt für immer. Inmitten der Ruinenstadt kann man heute die Reste der alten Jakobuskirche sehen, die zusammen mit der in der Friedhofskapelle von Nova Vas Porecˇ aufbewahrten spätromanischen Jakobus-Holzstatue sehr frühe Beweise für die Jakobusverehrung in Istrien darstellen 40 . Im 15. Jahrhundert gründeten die italienischen Benediktiner im heutigen Opatija die Abtei San Giacomo, von der heute nur die Kirche erhalten ist. Man kann annehmen, daß einige Pilgerwege aus Slowenien sehr früh durch Istrien führten. Dafür sprechen die Templer Spitäler aus Vizinada (Ende des 11. Jahrhunderts? ), Piran 1222 und Koper 1245. Das neue Aufflammen des Jakobuskultes in Slowenien gegen Ende des 16. Jahrhunderts könnte mit der Türkengefahr in Zusammenhang gebracht werden. In dieser Zeit wurde in Ljubljana eine dem Jakobus geweihte Barockkirche erbaut. Neben Ljubljana handelte sich bei dem im Drava Tal liegende Ptuj (Pettau), das im Mittelalter im Besitz der Bischöfe von Salzburg war, um ein weiteres Zentrum der Jakobusverehrung in Slowenien. Unweit von Pettau im heutigen Ptujska Gora steht die berühmte Wallfahrtskirche Maria Neustift. Hier befindet sich eine Steinplastik des Jakobus mit fehlender rechter Hand, doch die schöne Jakobusmuschel auf dem Hut läßt die Verbindung zur Wallfahrt nach Compostela klar erkennen 41 . Wie bekannt und verbreitet diese Pilgerfahrt in der heutigen westslowenischen Gegend sein mußte, zeigt das berühmte „Hühnerwunder“ im Codex Calixtinus; die Erzählung wurde als eine Lokalgeschichte vom Pilgerweg in Spanien auf eine Pilgerfahrt zu dem sich im slowenisch-italienisch-österreichischen Dreieck befindlichen Gnadenort Maria Luschari übertragen 42 . Die Betrachtung des dalmatischen Raumes sollte nicht beendet werden, ohne zu erwähnen, daß im 16. Jahrhundert neben Jakobus überall Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 319 40 Vanda E KL , Gothic Sculpture in Istria (Zagreb 1982). Der 120 cm großen polychromen Holzstatue fehlen die Hände. Die Holzskulptur des heiligen Jakobus aus Porec, mit langem Bart, wirkt wie eine alttestamentarische Prophetengestalt. 41 Joze A NDERLIC , Kunst in Slowenien: Architektur, Malerei und Plastik im Sakralbereich (Wien, München 1985). 42 Vgl. Biserka B ELICZA , Croatien Gerontology from the Ancient Times to the Seventeenth Century (Zagreb 2001); Leopold K RETZENBACHER , Pilgerfahrt nach Maria Lutschari, Südostdeutsches Archiv 3 (1960) S. 87-100. <?page no="330"?> in Europa der hl. Rochus als Patron der Pilger in den Vordergrund trat. Im adriatischen Raum bildet der Dom von Korcˇ ula ein Beispiel dafür; dort ist auf dem Tympanon über dem Eingag zur Rochus-Kapelle ein dynamischer Rochus mit muschelverzierter Pelerine zu sehen 43 . Nach der Sichtung der Spuren im adriatischen Raum kommen wir für kurze Zeit zu den noch nicht betrachteten mittelalterlichen Diözesen in Nord-Ungarn zurück, und beginnen mit der Suche nach den Jakobus Patrozinien in mittelalterlichen Vác. Das nördlich von Budapest neben einem strategischen Donaufurt liegende Vác war bereits zu Beginn des 11. Jahrhunderts Bischofsitz. Der Mongolensturm zerstörte Vác fast vollständig. Nach 1241 wurde die Stadt durch die ansässigen Deutschen wiederaufgebaut - seitdem hieß der nördliche Stadtteil die deutsche, der südliche die ungarische Stadt. Der älteste Hinweis auf den Jakobuskult ist ein 1319 erwähntes, dem Jakobus gewidmetes Augustinerkloster. Daß dieses Kloster vielleicht für die Betreuung der auf den vielbefahrenen Straßen wandernden Pilger gegründet wurde, mag die maßgebliche Beteilgung der Augustiner unterstreichen, zu deren Aufgaben diese Betreuung gehörte. Wie wichtig Vác für die mittelalterlichen Wallfahrten gewesen sein mußte, zeigt neben dem schon genannten Jakobus-Kloster die im nördlichen Vorort liegende Heilig-Geist-Kirche und die im südlichen Stadtteil neben dem ehemaligen Bischofpalast erbaute Heilig-Kreuz-Kirche. Beide Patrozinien sind charakteristisch für die kirchlichen Einrichtungen, die neben den in das Heilige Land führenden Pilgerstraßen entstanden. Gleichzeitig zeigt uns das neben einem Donauübergang gelegene Jakobuskloster, daß Vác ein Treffpunkt der nach Santiago de Compostela reisenden Wallfahrer war 44 . Vergleichbar zu Vác präsentiert sich die Lage der Spitäler der mittelalterlichen Stadt Györ. Das an einer Wegkreuzung liegende ehemalige römische Arrabona, dort wo die Flüsse Rába, Rábca und Klein Donau zusammentreffen, hatte als königliche Festung schon bald nach der Landnahme eine wichtige Rolle in Westungarn. König Stephan begründete neben der schon zu Gézas Zeiten gebauten Festung im Jahre 1009 die nach der Heiligen Jungfrau benannte bischöfliche Kathedrale. Györ gehörte im 11. Jahrhundert zu den ungarischen Ortschaften, wo einer Wegbeschreibung aus dem Jahre 1034 zufolge den nach Jerusalem ziehenden Pilgern Unterkunft gewährt wurde. Wo genau im mittelalterlichen Györ diese Einrichtung lag, läßt sich nicht mehr erschließen, da der Mongolensturm 1242 die Stadt vernichtete. Vermutlich lag das Kloster 320 Lajos Kakucs 43 Die dalmatischen Insel (Rab-Hvar-Korcula) (Wien 1935). 44 Vgl. Anm. 24. <?page no="331"?> westlich der damaligen Stadt vor dem Rába-Übergang, dort, wo später ein der hl. Katharina gestiftetes Johanniter-Hospiz erwähnt wird. In der Stadt selbst, südlich der Kathedrale, wurde eine dem Lazarus geweihte Pfarrkirche erwähnt - wahrscheinlich gab es dort eine Anstalt für Leprakranke. Ende des 13. Jahrhundert existierte am Esztergomer Weg neben dem östlichen Stadttor von Györ ein Franziskanerkloster, das der hl. Elisabeth geweiht war, wo sich - wie die Namenspatronin schon vermuten läßt - wohl ein Armenhospiz befand. Im mittelalterlichen Györ gab es auch eine Jakobuskirche. Leider ist über deren Entstehung und genaue Lage nichts Näheres überliefert. Es ist jedoch bekannt, daß sie neben einer nach Jakobus benannten Straße lag und den Überlieferungen zufolge eine der ältesten von Györ war. Diese Kirche hat die kurze türkische Besetzung der Stadt aus den Jahren 1595-98 unbeschadet überstanden. Eine Papsturkunde aus dem Jahre 1641 gewährte denjenigen Ablaß, die am 25. Juni die Kirche besuchten. Vermutlich führte die genannte Györer Straße früher in Richtung Àrpás, wo wie bereits aufgezeigt 1251 ein Jakobuskloster gegründet wurde. In einer Urkunde von 1403 wird nördlich von Àrpás neben der nach Györ führenden Straße eine damals schon verlassene, nach Jakobus benannte Ortschaft erwähnt 45 . Zwar wurde die Anfang des 12. Jahrhunderts gegründete Nyitraer Diözese als eines der ältesten Kirchenzentren des mittelalterlichen Ungarn gegründet, in der Bischofstadt ist jedoch keine dem Jakobus geweihte kirchliche Einrichtung bekannt. Dennoch hatte die neben dem Berg Zobor gelegene Stadt Nitra schon Anfang des 11. Jahrhunderts eine sehr enge Beziehung zu osteuropäischen Pilgerfahrten. III. Die Jakobuskirchen im heutigen Siebenbürgen Das von den Karpaten umschlossene Siebenbürgen gehörte bis 1918 zu Ungarn, das es Ende des 9. Jahrhunderts in Besitz nahm. Wie bereits dargelegt, herrschte in Siebenbürgen, als Großfürst Géza die erste Kontakte mit dem Westen suchte, der zweite Mann der ungarischen Stammeshierarchie, der nach seiner Funktion Gyula genannt wurde. Sein Sitz lag in Gyulafehérvár (rumänisch Alba Julia, deutsch Weißenburg, später Karlsburg). Nach Gézas Tod versuchte der in Siebenbürgen herrschende Gyula sich nach Byzanz zu orientieren. Dies führte zu Konflikten mit König Stephan, der nach seinem Sieg im Jahre 1009 Gyulafehérvár Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 321 45 Vince B EDY , A györi székesegyház története (Die Geschichte der Györer Kathedralenkirche) (Györ 1936); vgl. R UPP (wie Anm. 25). <?page no="332"?> einen Bischofsitz stiftete. Da Siebenbürgen auch nach Stephans Sieg von den aus dem östlichen Raum kommenden feindlichen Reiterheeren bedroht war, siedelten die Könige von Ungarn hier Grenzwächter an, unter denen die sogenannten Székler am bekanntesten waren. Nach der Sicherung der Grenzen förderte König Géza II. (1141-1162) im südlichen Grenzgebiet von Siebenbürgen die Niederlassungen deutscher Siedler. Die erhaltenen Dokumente geben wenig Informationen über deren Herkunft: In den ältesten Urkunden werden sie als Flandrer bezeichnet, in späteren Dokumenten jedoch meist als Sachsen. Zwar erhielten die Siedler eine Reihe von Rechten, doch scheiterte die Errichtung eines eigenen neuen Bistums am Widerstand des Bischofs von Siebenbürgen. Stattdessen wurde für die Siedlergebiete noch vor 1191 eine unmittelbar dem Papst unterstehende Propstei mit Sitz in Hermannstadt (rumänisch Sibiu, ungarisch Nagyszeben) errichtet. 1211 berief der ungarische König Andreas II. den Deutschen Orden zur Sicherung der Grenzgebiete im Karpatenbogen ins Burzenland. Zunächst errichteten die Ritter in diesem Gebiet einige Burgen, im Anschluß ließ man ihnen zur Weiterführung ihrer Tätigkeit in damaligen Kumanien freie Hand in einem großen Gebiet zwischen Milkow und Donau. Die Mitglieder des Deutschen Ordens versuchten ihr Gebiet unmittelbar der Oberhoheit des Papstes zu unterstellen. Dies führte zum Konflikt mit Andreas II., der im Jahre 1225 den Orden aus Ungarn vertrieb. Die Bewohner der unter dem Deutschen Orden entstandenen Siedlungen wurden von dieser Auseinandersetzung wie auch die übrigen Sachsensiedlungen in Siebenbürgen verschont. 1224 erweiterte Andreas die Rechte der Siedler in einem Freibrief, dem sogenannten Andreanum, das bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts die rechtliche Basis für die deutschen Ansiedler in Siebenbürgen darstellte (Grund- und Bodenfreiheit, Richter- und Pfarrerwahl, ab 1477 freie Wahl der Beamten; außerdem durfte bis Ende des 18. Jahrhunderts kein Adeliger auf Königsboden, dem genannten Sachsengebiet, seßhaft werden). Über die Patrozinien der sächsischen Pfarrkirchen in Siebenbürgen sind in den letzten Jahrzehnten mehrere Arbeiten erschienen. Die bisherigen Forschungsergebnisse wurden von Gustav Gündisch ergänzt und neu bewertet: Ihnen zufolge waren von 130 ermittelten Patrozinien der mittelalterlichen sächsischen Kirchen 29 der Jungfrau Maria, 17 Nikolaus, neun Martin und fünf Jakobus gewidmet. Jakobus läge damit in der Patrozinienhierarchie im siebenbürgischen Sachsen zusammen mit Petrus und Katharina an sechster Stelle 46 . Natürlich können diese Ergeb- 322 Lajos Kakucs 46 Vgl. G ÜNDISCH (wie Anm. 3). <?page no="333"?> nisse wie auch die anderen aus dem mittelalterlichen Ungarn nicht alle Kirchenpatrozinien vollständig erfassen - der Mongolensturm 1241 und die häufigen Türkenkriege zerstörten Tausende von Dörfern samt ihren Kirchen und Klöstern. Der wirtschaftliche Aufschwung im Anschluß an den Mongolensturm erfolgte in Siebenbürgen erst während der langen Herrschaften der Könige aus den Häusern Anjou (1308-1387) und Luxemburg (1387-1437), unter denen die alten Privilegien der Marktflecken erneuert und erweitert wurden; deutsche Kaufleute kontrollierten nun den Fernhandel zwischen Adria und Schwarzem Meer. Der Aufstieg der Fernkaufleute wurde vom Aufstieg Nikolaus als Schutzpatron der Händler und Reisenden in zahlreichen Kirchen, Kapellen und Altären in vielen Marktflecken in Siebenbürgen begleitet. Statistisch gesehen wurden von 17 Kirchen des sächsischen Gebiets in Siebenbürgen mit einem Nikolauspatrozinium zwei in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts und zwölf in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts errichtet; die Entstehung der drei weiteren läßt sich nicht mit Sicherheit einordnen. Zwar kann man nicht alle Nikolaus-Patrozinien mit der Siebenbürgen durchlaufenden Fernhandelstraße und dem Wallfahrtsweg in Verbindung bringen, aber gerade der Flügelaltar von Braller (ungarisch Brullya, rumänisch Bruia) veranschaulicht, wie eng der Patron der Kaufleute aus Kleinasien mit dem Schutzpatron der Pilger verbunden war. Die der Heiligen Jungfrau geweihte Pfarrkirche der ehemaligen deutschen Siedlung Braller wurde erstmals 1337 erwähnt. Der Nikolausaltar von Braller gehörte zu den 27 Flügelaltären der mittelalterlichen siebenbürgischen Sachsengebiete. Die Festtagsseite des Flügelaltars zeigt auf vier Tafeln die vier bekannten Szenen der Nikolauslegende, unter denen die Rettung der Pilger aus Seenot besonders erwähnenswert ist. Mehr Verbundenheit mit den Pilgerfahrten stellt die Werktagseite des Altars her, wo den hll. Jakobus und Rochus als Schutzherren der Pilger und Wallfahrer ein besonderer Platz neben den zwei heiligen Arpadenkönigen Stephan und Ladislaus sowie zwölf weiteren Heiligen zugewiesen ist. Ein weiterer Altar im siebenbürgischen Sachsengebiet, auf dem Jakobus der Ältere dargestellt wird, ist der Andreasaltar aus Heldsdorf (ungarisch Höltövény, rumänisch Halchiu). Im Mittelalter waren die Fuhrleute aus Heldsdorf im Fernhandel tätig. Der prächtige Andreasaltar wurde wahrscheinlich von Schirmer, einem Großkaufmann aus Kronstadt gestiftet, dessen Sohn nach erfolgreichem Universitätsstudium in Wien kurz vor der Reformationszeit zum Pfarrer in Heldsdorf gewählt wurde. Im Mittelpunkt des 8 x 7,7 Meter großen Altars steht eine Chri- Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 323 <?page no="334"?> stusskulptur aus Holz, umarmt von den vier Evangelisten. In der Predella des Altars stehen fünf Rundplastiken (Petrus, Moses, Abraham, Aaron und Paulus). Die Festtagsseite des Altars besteht aus vier größeren Tafelbildern, von denen drei die Hinrichtung der Apostel Petrus, Andreas und Jakobus darstellen. Neben den Martyrien ist der Namenspatron des Altars mit einem Tafelbild, auf dem er einen frommen Bischof vor der Versuchung durch den Teufel rettet, dargestellt. Die Szene mit der Hinrichtung des Jakobus befindet sich im unteren linken Teil der Festtagsseite des Altars und präsentiert den knienden Apostel vor der Enthauptung. Der zu der „Donauschule“ gehörende Künstler des Andreasaltars zeigt einen Jakobus ohne jede Andeutung auf seine Eigenschaften als Patron der Wallfahrer. Auch die ständige Präsenz eines Turbanträgers in den Bildszenen sollte nicht als ein Hinweis auf Spanien, sondern als Andeutung auf das siebenbürgische Zeitgeschehen (Türkengefahr) interpretiert werden 47 . In den siebenbürgischen Sachsengebieten gab es bereits einige Kapellen und Kirchen, die Jakobus geweiht waren. Von den in der Fachliteratur bekannten fünf Kirchen befinden sich drei (Jakobsdorf, Scharosch und Reps) in der Nähe der großen Handelstraße. Jakobsdorf (ungarisch Jakabfalva, rumänisch Iacobeni) liegt zwischen Schäßburg und Agnetheln. Die Vorgänger der heutigen Jakobuskirche wurden schon 1309 erwähnt. Wegen der Türkeneinfälle wurde die alte Kirche im 15. Jahrhundert zu einer Wehrkirche umgebaut. Ihr Name stammt wahrscheinlich aus dieser Zeit. Erwähnenswert ist, daß Jakobsdorf in der Nähe einer der ältesten deutschen Siedlungen aus Siebenbürgen nahe Schäßburg (ungarisch Segesvár, rumänisch Sighisoara) liegt, dessen dem Nikolaus geweihte Pfarrkirche 1300 erbaut wurde. In Schäßburg deuten die vier mittelalterlichen Hospize, von denen eines in Obhut der Zisterzienser war, auf die hier verlaufenden Pilgerwege. Die Patrone der Hospize, Heilig Geist, Antonius und Lazarus, deuten auf Spitäler hin, die im Dienst der Pilger standen 48 . Der Vorläufer der Nikolauskirche in Scharosch (ungarisch Nagysáros, rumänisch Soars) war eine Saalkirche aus dem 13. Jahrhundert. Es ist nicht bekannt, wie die alte Kirche in dem bereits 1206 als Villa Sarosch benannten ehemaligen fränkischen Siedlerdorf hieß. Nikolaus als Kirchenpatron wird erstmals 1449 erwähnt, als die alte Kirche aufgrund der Türkengefahr umgebaut wurde. Die dritte 324 Lajos Kakucs 47 Gisela und Otmar R ICHTER , Siebenbürgische Flügelaltäre (Innsbruck 1992). 48 Gustav T REIBER , Mittelalterliche Kirchen in Siebenbürgen (München 1971); vgl. auch Anm. 24. <?page no="335"?> Jakobuskirche an der Handelstraße liegt in Reps (ungarisch Köhalom, rumänisch Rupea) wo schon im XIV. Jahrhundert eine königliche Burg erwähnt ist 49 . Neben den drei Jakobuskirchen, die in der Nähe der Handelstraße liegen, gab es im mittelalterlichen Sachsengebiet noch die Jakobuskirchen in Deutsch-Pien und Billak. Die Jakobuskirche in Deutsch-Pien (ungarisch Alsópián, rumänisch Pianul de Jos) wurde namentlich erst 1485 erwähnt. Vermutlich handelte es sich auch hier um einen durch die Türkengefahr herbeigeführte neue Namensgebung, da die turmlose, flach gedeckte Pfeilerbasilika aus Deutsch-Pien bereits im 12. Jahrhundert erbaut wurde. Unklar ist, ob die stark umgebaute Kirche vor der Reformationszeit Jakobusstatuen oder -altäre besaß - heute deutet in der schmucklosen Kirche nichts auf Spuren der Jakobusverehrung hin. Um so interessanter ist die Jakobus gestiftete Pfarrkirche aus dem nordsiebenbürgischem Billak (ungarisch Bilak, rumänisch Domnesti). Das in der Nähe der nach Moldavien führenden Handelsroute liegende Billak (in anderen Dokumenten auch Attelsdorf genannt) wird erstmals 1246 erwähnt, als der ungarische König Béla IV. deutsche Einwohner ansiedelte. Die heute noch existierende Jakobuskirche wurde 1437 gebaut. In den letzten Jahrzehnten haben die ehemaligen deutschen Einwohner die Ortschaft aufgegeben und sind nach Deutschland ausgewandert. Nach Angaben des rumänischen Pfarrers hatten die Rumänen vor Ort die Kirche den Deutschen abgekauft und sie in den letzten Jahren innerlich und äußerlich den Ritualien der orthodoxen Kirchen angepaßt. Die Jakobusmuscheln, die die Eingangssäulen der Kirche zieren und durch den Umbau nicht beschädigt wurden, sind ein seltener Beweis dafür, daß der Jakobuskult im Ostkarpatenbogen im 14. Jahrhundert heimisch waren 50 . Zwar gehörten die folgenden Ortschaften mit Jakobuspatrozinien nicht zu den Sachsengebieten in Siebenbürgen, dennoch sollen sie hier als solche behandelt werden. Die erste zu betrachtende Kirche liegt im nordsiebenbürgischen Jakobsdorf (ungarisch Szászszentjakab, rumänisch Saniacob), dessen Pfarrer 1332 im päpstlichen Zehntenverzeichnis als Bernardus de Villa Jacobi sacerdos erwähnt wurde. Ein Dokument aus dem Jahre 1456 nennt die Ortschaft Zenthiacob. Die ursprüngliche, vermutlich aus dem 14. Jahrhundert stammende Kirche ging 1862 in Flammen auf. Die Einwohner errichteten eine neue Kirche, die nach der Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 325 49 Vgl. wie oben Anm. 48. 50 Martin W EISS , 740 Jahre Billak in Siebenbürgen (Augsburg 1986). <?page no="336"?> Emigration der deutschen Bevölkerung 1973 von Rumänen erworben wurde. Überlieferungen zufolge war die 1862 abgebrannte Kirche jahrhundertlang ein Wallfahrtsort für die in der Gegend lebende katholische Bevölkerung 51 . IV. Eine Jakobuskirche in der Walachei Die im folgenden betrachtete Jakobuskirche liegt streng genommen außerhalb der Grenzen des mittelalterlichen Ungarn in einer Ortschaft in der Walachei, die von Deutschen gegründet wurde. Die Ortschaft Campulung Muscel (deutsch Langenau, ungarisch Hoszúmezö) wurde in vielen mittelalterlichen Dokumenten als Longo Campo erwähnt und ist an der Handelsstraße, die von Kronstadt in Richtung Seidenstraße führt, gelegen. Campulung Muscel wurde wohl Anfang des XIII. Jahrhunderts als befestigter Ort von dem im Burzenland angesiedelten Deutschen Orden begründet. Nachdem die Ordensritter die Gegend verlassen mußten, blieben die hier angesiedelten Händler, von denen viele aus Kronstadt stammten, in der Stadt. Sie gründeten die dem Jakobus geweihte Pfarrkirche. Die archäologischen Ausgrabungen der letzten Jahrzehnte zeigen, daß in Campulung eine kleinere kapellenartige Jakobuskirche bereits kurz nach dem Mongolensturm im Jahre 1242 existierte. In ihr wurde 1300 der damalige Bürgermeister von Campulung begraben. Seine Grabplatte mit der Inschrift Hic sepultus est comes Laurencius de Longo Campo, pie me(m)orie Anno D(omi)ni MCCC ist noch heute erhalten. Diese kleine Kirche wurde nach dem Türkeneinfall im Jahre 1427 erweitert und eine neue, 22 m lange und 9 m breite, gotische Kirche erbaut, die bis Mitte des 19. Jahrhunderts im Mittelpunkt des städtischen Lebens stand. Mit dem Umbau der alten Kirche wurden auch die Kirchenpatrozinien erweitert. Informationen über das neue Patrozinium sind durch eine Glocke aus dem Jahre 1525 erhalten, deren Inschrift den hl. Jakobus und die hl. Anna nennt. Derselben Quelle kann man auch entnehmen, daß die Kirche im Besitz des Franziskanerordens war. 1350 ließen sich auch Dominikaner in Campulung nieder, die zu dieser Zeit im Gefolge der ungarischen Frau des Fürsten Nicolae Alexandru (1352-1364) in die als Hauptstadt der Walachei dienende Stadt gekommen waren. Nach ungarischen Quellen betrieben die Dominikaner ne- 326 Lajos Kakucs 51 Maria und Wilhelm S CHMIDT , Heimatbuch der Gemeinde Jakobsdorf in Nordsiebenbürgen (Ludwigsburg 1989). <?page no="337"?> ben ihrer Abtei in Campulung auch ein der hl. Elisabeth gestiftetes Klosterhospiz. Es stellt sich die Frage, weshalb die Pfarrkirche von Campulung Mitte des 13. Jahrhunderts nach Jakobus benannt wurde. Eine unmittelbare „Mitnahme“ der Schutzheiligen aus Siebenbürgen darf man mit großer Wahrscheinlichkeit ausschließen, da in dieser Zeit in Kronstadt oder in anderen sächsischen Orten in Siebenbürgen noch keine Jakobuspatrozinien vorhanden waren. Es bleibt die Vermutung, daß die Entstehung der Jakobuskirche in Campulung in engem Zusammenhang mit der Kirchenpolitik der ungarischen Könige steht. Bekanntlich blieben nach der Trennung der Ost- und Westkirche 1054 der Balkan und die Gebiete, die östlich und südlich der Karpaten lagen, unter der Oberhoheit der byzantinischen orthodoxen Kirche. Im 11. Jahrhundert verbreitete sich auf dem gesamten Balkan die Lehre der Bogomilen, die im 12. und 13. Jahrhundert eine gefährliche Ausbreitung in Norditalien und Südfrankreich fand. In dieser Situation versuchten die Päpste Innozenz III. (1198-1216) und Honorius III. (1216-1227) alle Kraft der lateinischen Kirche gegen die orthodoxe Ostkirche und besonders gegen das Ketzerturm zu bündeln. Parallel zur Bekämpfung der Waldenser und Katharer in Italien und Frankreich unterstützte die Kirche die spanische Reconquista, die im Jahre 1212 einen großen Sieg über die Muslime bei Las Navas de Tolosa erzielte. Zu dieser günstigen politischen Lage traten die Beschlüsse des vierten Laterankonzils von 1215, die die Bekämpfung der Ketzer institutionalisierten und die Gründung des Dominikanerordens vorbereiteten. Von den kirchlichen Maßnahmen gegen die Ketzerei blieb die ungarische Kirche und das Königshaus nicht unberührt. Papst Innozenz III. forderte in einem Brief vom 11. Oktober 1200 den ungarischen König Imre (1196-1204) auf, energische Schritte gegen die Ketzerbewegungen in Ungarn, Dalmatien und Bosnien zu unternehmen. Schon Imres Vorgänger, Béla III. (1172-1196), hatte nach seiner Heirat 1186 mit Margarete, der Tochter des französischen Königs Ludwig VII., die Zisterzienser in Ungarn stark unterstützt. In Imres Regierungsjahren und den folgenden Jahrzehnten wurden den Zisterziensern die Leitung der Missionstätigkeit südlich und östlich der Karpaten in Ungarn übertragen. Diese wurde von einer Reihe Klostergründungen begleitet. Zu diesen Gründungen zählten die Abteien Egres (Igris; 1179) und Kerz (Cîrt¸a; 1202), im heutigen Rumänien Toplica (heute Topusko; 1208) und Pétervárad (heute Petrovaradin; 1234) in Kroatien und Serbien. Die Vermutung, daß die Jakobuskirche in Campulung mit der Missionstätigkeit der Zisterzienser im damaligen Kumanien in Verbindung stand, wird unterlegt durch die geographische Lage der Abtei von Kerz, Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 327 <?page no="338"?> die an der Handelsstraße zwischen Hermannstadt und Kronstadt als Ausgangspunkt für einen schwerbefahrbaren, aber strategisch sehr wichtigen Weg durch die Karpaten in Richtung der späteren Hauptstadt der mittelalterlichen Walachei, Curtea de Arges¸, lag. Daß die Zisterzienser im Kumanenland mit den dort aktiv gewordenen Deutschen Orden in Verbindung standen, zeigt eine Urkunde von 1225, als Papst Honorius III. im Konflikt der Ordensritter mit Andreas II. zu vermitteln suchte und zu diesem Zweck die Äbte aus Egres und Kerz nach Kumanien sandte. Nach 1220 wurden die Zisterzienser in ihrer Missionstätigkeit in Kumanien allmählich von den Dominikanern abgelöst, denen es gelang, den Kumanenfürst Barc zu taufen und mit Sitz im heutigen Milcov (Rumänien) ein Bistum zu gründen. Wahrscheinlich wurden in dieser Zeit auch die Zisterzienser in Campulung durch Dominikaner und im 15. Jahrhundert durch Franziskaner verdrängt. Für einen anderen Ursprung der Jakobusverehrung in Campulung spricht die seltsame Analogie, die zwischen der Jakobuskirche in Campulung und der gleichnamigen Kirche im frühmittelalterlichen Lüttich existierte. Nach unseren Informationen handelt es sich bei Lüttich um die einzige Stadt in Europa, in der nach 1030 die Bürger ihre Bürgermeister und Stadträte traditionsgemäß in einer dem Jakobus geweihten Bürgerkirche wählten. Über ähnliche Gewohnheiten kann auch aus Campulung berichtet werden, wo seit dem Beginn des städtischen Wesens bis 1822, als die Stadtautonomie abgeschafft wurde, die in der Jakobuskirche versammelten Bürger am dritten Sonntag nach Ostern ihren Bürgermeister wählten. Natürlich könnte man sagen, es handele sich nur um einen seltsamen Zufall, doch sollte nicht vergessen werden, daß Campulung an der in den Orient führenden großen Handelstraße lag, wo schon im 11., spätestens jedoch im 12. Jahrhundert Tuchhändler aus Flandern tätig waren. Interessanterweise spricht auch der zweite Name der Pfarrkirche in Campulung, die nach der schon erwähnten Glockeninschrift von 1525 den Namen des Jakobus und der Anna trägt, für die Lütticher Verbindung. In den siebenbürgischen Sachsengebieten wird das Patrozinium der Anna nur einmal in Schaas (ungarisch Segesd, rumänisch Saes) als unsicheres Patrozinium bezeugt. Aus Studien von Edith Ennen ergibt sich, daß die Verehrung der Anna in Westeuropa erst nach 1500 häufiger wird, als die Gebeine der Heiligen aus Mainz nach Düren gebracht (eigentlich entwendet) wurden. Danach wird in Düren der große überregionale Jahrmarkt im Zusammenhang mit der Patrozinienfeier in der Annakirche abgehalten. Das gleiche Phänomen kann man auch in Campulung beobachten, wo nach Ausweis der Chronik des Schäßburger Stadtschreibers aus dem 17. Jahrhundert der jährliche Jahrmarkt, der 328 Lajos Kakucs <?page no="339"?> einen ganzen Monat dauerte, ein Treffpunkt für die Händler aus ganz Europa war. Welche von den zwei oben genannten Erklärungen für das Jakobuspatrozinium in Campulung verantwortlich sein könnte, sollte für die Geschichte der Pilgerfahrten nur eine zweitrangige Bedeutung haben. Entscheidend ist die Tatsache, daß an der alten Handelstraße in Richtung Donaumündung und Bosporus, wo ab dem 12. Jahrhundert neben Händlern zahlreiche Pilger und Kreuzritter unterwegs waren, im 13. Jahrhundert eine Jakobuskirche und später ein Armenhospiz entstanden. Ob in dieser Zeit zwischen Campulung und Konstantinopel noch andere Pilgerherbergen oder Hospize existierten, läßt sich schwer beurteilen. Es sollten jedoch einige in irgendeiner Form existiert haben, da dieser Weg die Funktion einer Handelsroute bis in moderne Zeiten behielt 52 . V. Weitere Jakobuspatrozinien in Siebenbürgen Bisher wurden lediglich die Jakobuskirchen in ländlichen Gegenden der Sachsengebiete Siebenbürgens erwähnt. Es finden sich im vorreformatorischen Siebenbürgen aber auch einige Jakobuspatrozinien im städtischen Bereich, in deutschen wie auch in ungarischen Gebieten. Die Auflistung soll in den Sachsengebieten mit einer sehr interessanten Jakobuskapelle in Mühlbach beginnen. Mühlbach (ungarisch Szászsebes, rumänisch Sebes) liegt im südwestlichen Siebenbürgen, südlich des Flusses Mieresch an der Kreuzung zweier wichtiger Handelstraßen. Es zählt zu den ältesten deutschen Siedlungen in Siebenbürgen. Die ursprüngliche dreischiffige Marienkirche in Mühlbach, urkundlich bereits seit 1200 belegt, wurde durch den Mongolensturm im Jahre 1241 so zerstört, daß sie komplett erneuert werden mußte. Der erste Teil des Neubaus erfolgte zwischen 1250 und 1260 unter Ausführung der Zisterzienser von Kerz; wegen finanzieller Schwerigkeiten dauerte der Bau bis weit ins 14. Jahrhundert. Gleichzeitig mit dem Kirchenbau wurde in der Stadt auch ein Dominikanerklo- Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 329 52 Siebenbürgische Chronik des Schäßburger Stadtschreibers Georg Kraus 1608-1665, zitiert nach: Pál B INDER , Közös multunk (Gemeinsamer Ursprung) (Bukarest 1982); Pavel C HIHAIA , Monuments gothiques dans les anciennes résidences de Valachie, Revue Roumaine d’histoire de l’art 2 (1965) S. 73-74; Hans P ETRI , Zur Entstehung der Stadt Campulung in Rumänien, Südostdeutsches Archiv 14 (1971) S. 47-55; Edith E NNEN , Gesammelte Abhandlungen zum europäischen Städtewesen und zur rheinischen Geschichte, hg. von Georg D ROEGE u. a. (Bonn 1977) <?page no="340"?> ster gegründet, das schriftlich erst im Jahre 1322 erwähnt wird. In einer Urkunde von 1382 wurde in Mühlbach neben der Pfarre und der Dominikanerkirche auch eine Jakobuskapelle erwähnt. 1382 spendete ein Bürger mit Namen Konch der Jakobuskapelle testamentarisch einen Betrag von 150 Floren, für damalige Zeiten eine sehr große Summe. Die Kapelle ist eine ehemalige Friedhofskapelle und steht auch heute noch so, daß die auf einem Außenpfeiler des Chors stehende Jakobusstatue genau auf die Altarstelle der zur linken gelegenen Kapelle blicken kann. Der Heilige ist an seinem Pilgerstab und an den Muschelverzierungen auf Hut und Gewand gut erkennbar. Nach Meinung des Kunsthistorikers Gheorghe Arion aus Klausenburg entstand diese Statue Ende des 14. Jahrhunderts, wurde also zeitgleich mit dem Chor angefertigt. In den Jahren 1961-64, als der Bukarester Kunsthistoriker Rau Heitel im Chorbereich der gotischen Pfarrkirche Konsolidierungsarbeiten durchführte, fand er unter der rechten Seite des Chores die Reste einer aus dem 13. Jahrhundert stammenden Jakobus-Friedhofskappelle. Vergleicht man die zweistöckige Jakobuskapelle in Mühlbach mit den gleichnamigen Kapellen aus dem bayerischen Raum, speziell mit der Kapelle aus Unterschondorf, kann man die Behauptung aufstellen, daß auch die Mühlbacher Kapelle Übernachtungsmöglichkeiten für Pilger geboten haben könnte - nicht nur für die durch Mühlbach nach Jerusalem ziehenden Wallfahrer, sondern auch für die Besucher der hiesigen Marienkirche, welche nach lokalhistorischer Tradition im Mittelalter ein vielbesuchter Marien-Wallfahrtort war 53 . Östlich von Mühlbach auf der großen Handelstraße liegt das ehemalige Zentrum der Sachsen Siebenbürgens, der Sitz des vom ungarischen König ernannten Sachsengrafen, das mittelalterliche Hermannstadt (ungarisch Nagyszeben, rumänisch Sibiu). Die ersten Siedler ließen sich in Hermannstadt vermutlich gegen 1150 unter König Géza II. nieder. Ihre kirchliche Organisation wurde schnell aufgebaut, ein Dokument von 1191 spricht von einer vom siebenbürgischen Bischof unabhängigen Propstei. Die erste städtische Pfarrkirche, die nach der Heiligen Jungfrau benannte dreischiffige romanische Basilika, wurde 1241 von Mongolen zerstört. Nach dem Mongolensturm wurde die Stadt rasch wiederaufgebaut, die neue gotische Kirche, die heutige evangelische Stadtpfarrkirche, wurde im 14. Jahrhundert, die reich ausgestaltete Vorhalle im 16. Jahrhundert fertiggestellt. Neben der genannten Pfarrkirche in 330 Lajos Kakucs 53 Victor R OTH , Beiträge zur Kunstgeschichte Siebenbürgens (Straßburg 1914); Gheorghe A RION , Sculptura gotica in Transilvania (Die gotischen Statuen aus Siebenbürgen) (Cluj 1974). <?page no="341"?> Hermannstadt existierte bereits 1234 ein nicht mehr lokalisierbares Prämonstratenserkloster, ab 1241 ein Dominikanerkloster; letzteres befand sich außerhalb der Stadtmauer. Am Ende des 13. Jahrhunderts wird in Hermannstadt ein bürgerliches Heilig-Geist-Hospiz erwähnt, wo neben den einheimischen Armen auch die „Fremden“ aufgenommen wurden. Dieses Hospiz stand nördlich der heutigen Pfarrkirche. Die Südseite der Jakobus-Friedhofskapelle existiert heute noch. Heute ist die Kapelle verschwunden, aber auf einem Pfeiler des Chores steht wie auch in Mühlbach eine Jakobusstatue im Pilgergewand mit muschelverziertem Hut und Pilgerstab. Im Hermannstädter Brukenthal-Museum wird desweiteren eine hölzerne Jakobusstatue aufbewahrt. Leider ist nicht bekannt, woher die aus Lindenholz gefertigte, farbige, 153 cm große Statue stammt, die nach Meinung des Budapester Kunsthistorikers Dénes Radocsay, zwischen 1520 und 1530 gefertigt wurde 54 . Der letzte Halt an der großen Handelstraße in Siebenbürgen war Kronstadt (ungarisch Brassó, rumänisch Brasov). Dieser Ort liegt an der Kreuzung mehrerer Landstraßen vor der wichtigsten Paßstraße, die durch die Südkarpaten in den Orient führt. Kronstadt spielte im 13. Jahrhundert eine wichtige Rolle als Zentrum von 14 deutschen Gemeinden im Burzenland. Noch vor dem Mongolensturm gab es dort eine Prämonstratenserabtei. Nach dem Angriff wurde die dreischiffige Bartholomäusbasilika durch die Zisterzienserwerkstatt von Kerz erbaut. Das Wahrzeichen des heutigen Kronstadt, die sogenannte Schwarze Kirche, wurde in der Blütezeit des Fernhandels im 15. Jahrhundert vollendet. Neben den genannten Kirchen existierten in Kronstadt mehrere Kapellen, von denen sich die älteste, die Leonardkapelle, neben der ehemaligen Burg auf dem Kapellenberg befand. Ausgrabungen von 1934 zufolge stand diese mehrmals umgebaute Kapelle neben dem Eingangstor der Burg und stammt vermutlich aus dem 13. Jahrhundert. Als im Jahre 1455 die alte Burganlage abgetragen wurde, mußte auch die Leonardkapelle verschwinden. Der Graner Erzbischof Dyonisius gab seine Zustimmung zu diesem Akt unter der Bedingung, daß die Kronstädter in ihrer neugebauten Pfarrkirche einen Altar dem Heiligen weihen müßten, wo auch die Sakralgegenstände aus der ehemaligen Kapelle ihren Platz finden sollten. Da die Leonardpatrozinien nicht nur im damaligen Siebenbürgen, sondern auch in Ungarn nahezu unbekannt waren, stellt sich die Frage, Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 331 54 Vgl. Anm. 52 sowie Dénes R ADOCSAY , A középkori Magyarország faszobrai (Mittelalterliche Holzstatuen in Ungarn) (Budapest 1967). <?page no="342"?> ob zwischen der kleinen Kapelle vom Karpatenbogen und dem mächtigen Schutzpatron der Gefangenen aus Limoges eine Verbindung nachzuweisen ist. Bekanntlich hatte sich der aus einer hochrangigen merowingischen Adelsfamilie stammende Leonard als Eremit an einen kleinen Ort im Limousin zurückgezogen. Er befreite zahlreiche Menschen aus der Gefangenschaft der aquitanischen Herzöge, deshalb wurde er nach seinem Tod 559 als Heiliger verehrt. Leonards Ruhm als Gefangenenbefreier verbreitete sich während der Kreuzzüge im gesamten Europa; die kleine Kapelle im heutigen Saint-Léonard-de-Noblat wurde durch großzügige Spenden der ehemaligen Gefangenen, unter anderem Boemund I., Fürst von Antiochien (1098-1111) oder auch dem englischen König Richard Löwenherz (1157-1199) zu einer Wallfahrtskirche ausgebaut. Im mittelalterlichen Ungarn kam Leonard als Namensstifter in kleineren Ortschaften im Norden des Landes nur zweimal vor. Im Gegensatz zu diesen Ortschaften liegt die Leonardkapelle in Kronstadt an einem Ort mit vielen Kontakten zum Orient, an der Grenze zwischen dem organisierten Staatsgebiet und dem von Reitervölkern beherrschtem Umland, wo es aufgrund jahrhundertlanger kriegerischer Auseinandersetzungen sicherlich wiederholt zu Gefangenenaustausch kam oder aus der Gefangenschaft befreite Menschen eintrafen. Daher ist es vorstellbar, daß die Leonardkapelle in Kronstadt wie ihr berühmter Namenspatron in Frankreich ein Gnadenort für denjenigen war, der aus der Gefangenschaft befreit worden war. Daß Kronstadt tatsächlich ein besonderer Platz für diese Menschen war, bezeugen einige Dokumente der vatikanischen Archive, die im 16. Jahrhundert das Antoniushospiz in Kronstadt als eine Anlaufstelle für die aus türkischer Gefangenschaft entkommenen Christen nennen 55 . Neben der genannten Leonardkapelle sprechen für die mittelalterlichen Wallfahrten aus Kronstadt oder dem Burzenland auch andere kirchliche Einrichtungen oder Dokumente, darunter unter anderem die mittelalterlichen Kapellen von Kronstadt, von denen zwei, die Martinuskapelle von 1395 und die Jakobuskapelle von 1342, als konkrete Hinweise für die nach Santiago de Compostela führenden Pilgerwege und Pilgerreisen interpretiert werden können. Über die Martinuskapel- 332 Lajos Kakucs 55 Nach unseren bisherigen Kenntnissen werden in Südosteuropa die ersten Leonardpatrozinien im Jahre 1130 in Graz - vgl. Handbuch der historischen Stätten Österreichs 1: Donauländer und Burgenland, hg. von Karl L ECHNER (Stuttgart 1971) und in Böhmen in Citov im Jahre 1210 - vgl. Romanik in Böhmen, hg. von Erich B ACH - MANN (München 1977) erwähnt. Zu der Leonardkapelle in Kronstadt vgl. Géza E NTZ , Erdély èpitészete a 11-13. Században (Die Baukunst Transsilvaniens im 11-13. Jahrhundert) (Kolozsvár 1994) und P ÁSZTOR (wie Anm. 2). <?page no="343"?> le liegen nahezu keine Informationen vor - außer daß sie in der Altstadt nicht weit von der Bartholomäuskirche entfernt stand und wohl gleichzeitig mit der Prämonstratenserabtei 1235 erbaut wurde. Aus einer städtischen Urkunde von 1342 wird jedoch ersichtlich, daß die Jakobuskapelle eine bürgerliche Stiftung war. Die Stifter Nicolaus Cresche und seine Gattin Margarete bestätigten in der genannten Urkunde, daß sie die Hälfte einer Mühle dem Peter-und-Paulus-Kloster schenkten, mit der Auflage, daß die Mönche dieses Klosters in der von ihnen gestifteten Jakobuskirche (in anderen Dokumenten wird sie als Kapelle bezeichnet) jährlich für ihr Seelenheil eine Messe läsen. Das im Dokument erwähnte Dominikanerkloster wurde 1323 gegründet und befand sich in der Altstadt; die Jakobuskapelle lag nach einem Dokument aus dem 15. Jahrhundert außerhalb der Stadtmauern. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Stifter der Kapelle Santiago-Pilger waren; die Wahrscheinlichkeit hierfür ist durchaus gegeben, denn in mindestens zwei Kronstädter Dokumenten aus dem 15. Jahrhundert finden sich konkrete Hinweise auf die Wallfahrten. Das erste stammt aus dem Jahre 1463, als der ehemalige Stadtrichter von Kronstadt, Graef Petrus, neben großzügigen Spenden an die städtischen Spitäler eine Summe von 100 Gulden für eine Pilgerfahrt ins Heilige Land stiftete. Konkrete Hinweise auf Wallfahrten nach Santiago de Compostela entdeckt man in einer Liste aus dem Jahre 1493, wo als Sühnewallfahrtziele der Priester aus dem Burzenland neben Aachen, Rom und Jerusalem auch Santiago de Compostela genannt wird. Einen anschließender Hinweis für die Santiago-Pilgerfahrten von Kronstädtern stellt die Jakobusstatue auf einem Strebepfeiler des Chores der Schwarzen Kirche dar. Sie kann auf 1440-1450 datiert werden. Ihr fehlt der rechte Arm, aber auf dem Hut und dem Schal kann man die Jakobusmuschel erkennen 56 . Zu den Städten, deren mittelalterliche Pfarrkirchen dem Jakobus geweiht wurden, gehört auch die ehemalige „Hauptstadt“ von Siebenbürgen, Kolozsvár (deutsch Klausenburg, rumänisch Cluj). Nach der Landnahme gehörte die ehemalige römische Siedlung Napoca nicht zu den administrativen Zentren des ungarischen Staates. Im 11. Jahrhundert lag das bedeutendste administrative Zentrum des Samosch Tales in Kolozsmonostor (rumänisch Cluj - Manastur), wo im Jahre 1068 eine sehr bedeutende Benediktinerabtei gegründet wurde. Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 333 56 Richard S CHULLER , Pilgerfahrten im Mittelalter aus Ungarn und dem Siebenbürger Sachsenlande nach berühmten Gnadenorten, in: Festschrift Friedrich Teutsch (Hermannstadt 1931) S. 307-323; Maja P HILIPPI , Die Bürger von Kronstadt im 14. und 15. Jahrhundert (Wien 1986); R OTH (wie Anm. 53). <?page no="344"?> Kolozsvár als befestigte Siedlung wurde nach Meinung des Historikers Elek Jakab erst Ende des 12. Jahrhunderts aus mehreren kleinen Ortschaften gegründet. Eine dieser Ortschaften wurde nach Jakobus benannt. Die Erinnerung an diese Ortschaft wurde bis zum 19. Jahrhundert durch einen Teil der Stadtgemarkung, der man den Namen des Heiligen gegeben hatte, überliefert. Nach dem Mongolensturm werden am Ende des 13. Jahrhunderts die ersten deutschen Siedler, vermutlich Flamen in Kolozsvár angesiedelt. Sie errichteten ihre Siedlung, die spätere Altstadt des genannten Ortes, neben dem ehemaligen römischen Lager. Ihr erster Friedhof lag dort, wo sich heute das Stadtzentrum mit der nach dem Erzengel Michael benannten gotischen Kirche befindet. Hier haben die Siedler ihre erste dem Jakobus gestiftete Friedhofskapelle erbaut. Nach einer Beschreibung von 1734 war diese Friedhofskapelle schon zu Beginn des 14. Jahrhunderts zu klein für die Altstadtbevölkerung geworden: Um für die unter freiem Himmel zusammenkommenden Gläubigen predigen zu können, mußte am südlichen Teil der Kapelle eine nischenartige Öffnung für die Kanzel eingebaut werden. Da dies nicht die ideale Lösung für einen Kirchenbesuch darstellte, wurde die kleine Kapelle am Ende des 16. Jahrhunderts für 600-700 Menschen ausgebaut. Gleichzeitig wurde ab 1316 an einem neuen gotischen Gotteshaus gebaut; aufgrund finanzieller Schwerigkeiten wurde es erst Anfang des 15. Jahrhundert, der neugotische nördliche Turm erst Mitte des XIX. Jahrhunderts fertiggestellt. Im 15. Jahrhundert war die Zahl der ungarischen Einwohner so groß geworden, daß sie ab 1458 die gleichen Rechte wie deutsche Siedler erhielten. Ab 1458 wurde die Stadt in Jahren mit geraden Zahlen von einem ungarischen Bürgermeister geleitet, in ungeraden Jahren von einem deutschen Bürgermeister. Nach 1568 wurde diese Regelung von den zur Reformation übergetretenen Gemeinden so ausgelegt, daß in den Jahren, in denen die Ungarn den Bürgermeister stellten, die Ungarn die Michaelskirche benutzten, die Deutschen die kleine Jakobuskirche. In den Jahren mit deutschem Bürgermeister verhielt es sich umgekehrt. Die Altstadtkirche mit dem Jakobuspatrozinium ist auf einer aus dem Jahre 1696 stammenden Stadtkarte zu sehen. Vermutlich wurde diese Kirche 1697 von einem Feuer so beschädigt, daß sich ein Wiederaufbau nicht mehr lohnte 57 . 334 Lajos Kakucs 57 Jakab E LEK , Kolozsvár története (Die Geschichte Klausenburgs) 1 (Buda 1870); Lajos K ELEMEN , Müvészettörténeti Tanulmányok (Kunstgeschichtliche Abhandlungen) 2 (Bukarest 1982); György G AAL , Kalauz a régi és új Kolozsvárhoz (Wegweisser zu dem alten und neuen Klausenburg) (Kolozsvár 1992). <?page no="345"?> Neben den erwähnten Kirchen und Kapellen existierten im mittelalterlichen Siebenbürgen noch einige kleinere Ortschaften mit Jakobus- Patrozinien wie z. B. Marosgombás (rumänisch Gimbas) aus dem Jahre 1303, Mezöbö (rumänisch Boian) aus dem Jahre 1303, Marosszentjakab (rumänisch Sinjacob) aus dem Jahre 1300(? ), Kászonszentjakab (rumänisch Iacobeni) aus dem Jahre 1567, die inzwischen stark umgebaut oder verschwunden sind. Einen besonderen Platz unter den siebenbürgischen Kirchen nimmt die Pfarrkirche von Homorodjánosfalva (deutsch Eisdorf, rumänisch Ionesti) ein, deren spätgotisches Kirchenschiff eine in Siebenbürgen seltene Verzierung aufweist: eine Jakobusmuschel als Schlußstein aus dem Jahre 1522. Die Spuren eines dem Jakobus gestifteten Eremitenklosters kann man anhand der auffälligen Kombination des Ortschaftsnahmen Remete (rumänisch Ramet, deutsch Einsiedel-) mit einem Bachnamen (ungarisch Jakabpataka) westlich des heutigen Enyed (rumänisch Aiud, deutsch Straßburg am Mieresch) aus dem Jahre 1324 nachvollziehen. Neben den schon erwähnten mittelalterlichen Jakobusdarstellungen aus Siebenbürgen sollen noch zwei weitere Erwähnung finden. Die erste ist eine kleine Salvator-Kapelle bei Csiksomlyó (heute Miercurea Ciuc), dem größten Marienwallfahrtsort Siebenbürgens: Dort steht Jakobus (mit Hut und Pilgerstab) in Begleitung von Philippus, eine häufige Kombination im mittelalterlichen Ungarn. Die Heiligen sind in der 1456 gebauten Salvator-Kapelle (errichtet nach dem großen Sieg der Ungarn gegen die Türken im Kampf bei Belgrad) in einer Holztafelmalerei in Begleitung der Mutter Gottes, Stephans und Ladislaus dargestellt. VI. Gelence oder das Wunder des Gehängten 58 Die Präsentierung des Hühnerwunders aus Siebenbürgen wurde mit Absicht aus der Reihe der bisherigen Jakobusdarstellungen herausgenommen, da es sich bei dieser Wandmalerei aus dem 14. Jahrhundert um Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 335 58 Zu Gelence vgl. József H USZKA , Magyar szentek a Székelyföldön a 15-16. században (Ungarische Heilige im Szeklerland im 15.-16. Jahrhundert), in: Archeologiai Èrtesitö (1886, Nachdruck in: Ódon E RDÉLY , (Alt Siebenbürgen) Band II Budapest 1986) S. 64-77; György T ARCAI , Az Àrpádház szentjei (Die Heiligen aus der Arpadendynastie) (Esztergom 1930, Nachdruck Budapest 1993); K. Sebestyén József, A gelencei menyezet és karzatfestemények (Die Wand- und Kassettengemälde aus Gelence), in: Emlékköny Kelemen Lajos születésének nyolcvanadik évfordulojára (Kolozsvár 1957); Virgil Vatasianu, Consideratii asupra iconografiei picturilor murale gotice din Transilvania (Bemerkungen zu der Ikonographie der gotischen Wandgemälden in Sieeine <?page no="346"?> Seltenheit handelt, deren Ikonographie sehr vielschichtig ist. Gelence (deutsch Gelentz, rumänisch Ghelinta) liegt buchstäblich inmitten der Karpaten in einem kleinen Flußtal östlich der Stadt Kézdivásárhely (deutsch Szekler Neumarkt, rumänisch Targu Secuiesc). Wie schon der deutsche Name der Stadt zeigt, befinden wir uns im Land der Szekler, ein Volk, das schon unter den Königen der Arpadendynastie in Siebenbürgen mit der Aufgabe, die Ostgrenzen zu sichern, angesiedelt wurde. Gelence gehört zu den ersten Székler Siedlungen in den Ostkarpaten. Die heute noch erhaltene gotische Kirche stammt aus dem 14. Jahrhundert. Als die Kirche 1934 restauriert wurde, kamen die Überreste eines halbkreisförmigen Chores zum Vorschein, der zu den Vorgängern der heutigen Kirche gehörte und nach dem Mongolensturm gebaut wurde. Wie bei den meisten mittelalterlichen Kirchen aus Siebenbürgen waren die inneren Wände der Pfarrkirche aus Gelence mit Malereien versehen. Viele Fresken haben die Witterungen über die Jahrhunderte nur deshalb überstanden, weil sie zur Reformationszeit mit dicken Kalkschichten übertüncht wurden. So war es auch bei der Pfarrkirche in Gelence, wo die Fresken erst 1882 vom Kunsthistoriker József Huszka entdeckt wurden. Leider haben die Renovierungsarbeiten, die im 17. und 18. Jahrhundert meist durch lokale Kräfte durchführt wurden, die ursprünglichen Fresken größtenteils zerstört. Als Huszka 1882 die Fresken freigelegte und im Jahre 1885 seine Arbeit erstmals veröffentlichte, betonte er in seinen Untersuchungen, daß die Abschnitte der Ladislaus-Legende, die den Kampf gegen die Kumanen und den Zweikampf Ladislaus mit dem Kumanenreiter behandeln, für viele mittelalterliche Kirchen aus den Szeklergebieten ikonographisch am bedeutendsten sind. Weiterhin erwähnte er - wie auch andere Historiker, die sich nach Huszka mit den Fresken von Gelence beschäftigten -, daß neben Ladislaus auch die zur Arpadendynastie gehörenden oder ihr verwandten Heiligen in der Bildthematik einen sehr wichtigen Platz einnahmen. 336 Lajos Kakucs Siebenbürgen), Buletinul Monumentelor Istorice 3 (1970); Dénes R ADOCSAY , Wandgemälde im mittelalterlichen Ungarn (Budapest 1977); K RETZENBACHER (wie Anm. 41); Bernhard G RAF , Oberdeutsche Jakobsliteratur. Eine Studie über den Jakobuskult in Bayern, Österreich und Südtirol (München 1991); Helmuth F LACHENECKER , St. Jakob und die irischen Benediktiner, in: Der Jakobuskult in Süddeutschland, hg. von Klaus H ERBERS und Dieter B AUER (Jakobus-Studien 7, Tübingen 1995) S. 151-167; Ingeborg M EYER -S ICKENDIEK , Gottes gelehrte Vaganten: die Iren im frühen Europa (Düsseldorf 1996); Jan VAN H ERWAARDEN , Der Apostel Jakobus in der mittelniederländischen Literatur, in: Der Jakobuskult in „Kunst“ und „Literatur“, hg. von Klaus H ERBERS und Robert P LÖTZ (Jakobus Studien 9, Tübingen 1998) S. 141-185. <?page no="347"?> An der Nordwand des Schiffes von Gelence finden sich Szenen aus der Ladislauslegende wie zum Beispiel das Gelöbnis des Königs, den Aufmarsch der ungarischen Reiter, die Schlacht und die Verfolgung des Kumanenreiters, der ein ungarisches Mädchen gefangen hält sowie der Zweikampf Ladislaus mit dem Kumanen. In der unteren Reihe sind Szenen aus dem Passionszyklus zu sehen wie der Einzug in Jerusalem, das Abendmahl, die Fußwaschung, Christus vor Pilatus, die Geißelung und die Kreuzigung. An der Südwand des Schiffes über der Tür sind das Jüngste Gericht und Szenen der Kreuzigung dargestellt. Man begegnet unter anderem auch Freskenteilen mit der thronenden Maria und Bildern aus dem Leben der hl. Margarete. An der Westwand der Kirche befinden sich die Fragmente, die Teile der Jakobus- und Kolomanlegenden darstellen. Aufgrund eines nachträglich eingebauten Fensters im oberen und einer Tür im unteren Bereich des westlichen Teils des Schiffes haben sich die Fresken aus dem 14. Jahrhundert nur teilweise erhalten. Die obere Reihe zwischen Fenster und Chormauer ist 3,6 Meter lang und in drei Felder aufgeteilt. Ursprünglich war das linke von ihnen betitelt, doch aus dem ehemaligen Text ist nur noch ein Bruchteil, nämlich „S. IACOBU“, zu lesen. Hier wird das sogenannte „Hühnerwunder“ präsentiert. Auch der Mittelteil trug ursprünglich eine Inschrift von der heute nur der Ausschnitt „OLOMAN“ (Coloman) zu sehen ist. Neben der Darstellung des gehängten Koloman ist Jakobus zweimal präsentiert, zum einen in kniender Haltung, während er den Gehängten in den Armen hält, und zum anderen stehend und betend, vor sich ein Pilgerstab und ein Pilgerhut. Das dritte Feld wurde durch den Einbau des Fensters im 18. Jahrhundert stark beschädigt - erhalten ist die Darstellung einer gekrönten Frau, vermutlich Margarete, die einen Blumenkranz als Symbol des Martyrium einer Person übergibt, deren Bild durch den Fensteranbau so stark zerstört wurde, daß nur am Pilgerstab zu vermuten ist, daß es sich hierbei um Koloman handelt. Vom unteren Teil der Fresken blieb nur wenig erhalten. Vollständig zerstört sind der linke Teil und die Köpfe der vier Personen aus dem rechten Teil, wo eine aufgebahrte Person zu sehen sind. Für ein besseres Verständnis der Bildsprache der Fresken von Gelence mit Bezug auf ungarische Heilige muss auf einige Besonderheiten der ungarischen Geschichte hingewiesen werden. Nach langen und erfolgreichen Jahrzehnten unter Stephan ist die Geschichte Ungarns zwischen 1038 und 1077 von turbulenten inneren Kämpfen und ständigen Auseinandersetzungen mit Nachbarn geprägt. Nach jahrzehntelangen Unruhen begann im Jahre 1077 die Herrschaft des Ladislaus, die eine 22- Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 337 <?page no="348"?> jährige Konsolidierung für das im Christentum noch nicht vollständig gefestigte Ungarn bedeutet. Bereits zu der Zeit, als Ladislaus als Herzog und Thronanwärter unter seinem Onkel Salamon (1063-1074) zunehmend mit der Verwaltung Bihars und Siebenbürgens beauftragt war, kam es zu schweren Kämpfen mit den Kumanen. Im Jahre 1068 konnte das unter der Führung des Ladislaus stehende ungarische Heer einen bedeutenden Sieg über die in Siebenbürgen eingedrungenen Kumanen erringen - diese Heldentaten des jungen Herzogs blieben in der ungarischen Mythologie und im Volksglauben verankert. Nach diesem militärischen Erfolg siedelte Ladislaus an der Ostgrenze Ungarns Székler an - diese Volksgruppe verehrte über Jahrhunderte und sogar bis heute Csaba, den Sohn des Hunnenkönigs Attila, und Ladislaus. Daher finden sich häufig die Taten des Ladislaus als Hauptmotiv bei Wandmalereien der Szekler Kirchen. Neben Ladislaus war Margarete in ganz Ungarn, nicht nur in den Szeklergebieten, eine beliebte Figur der mittelalterlichen Wandmalereien. Bei vielen ihrer Darstellungen, wie auch in Gelence, mischen sich Hinweise oder Eigenschaften von drei verschiedenen Persönlichkeiten: Margarete von Antiochia ( 270), Margarete von Schottland (1046-1093) und Margarete aus Ungarn (1242-1270). Sie alle haben mehr oder weniger intensive Beziehungen zur ungarischen Geschichte. Folgt man der Thurocz-Chronik aus dem 15. Jahrhundert, hatte die 270 als Märtyrerin verstorbene Margarete von Antiochia nur insofern etwas mit Ungarn zu tun, als ihre Kopfreliquien 1217 als einziger Erfolg des ungarischen Kreuzzuges Andreas II. nach Ungarn gelangten. Margarete von Schottland war nach ungarischen Quellen die Tochter von Agatha, einer Nichte Stephans. Sie heiratete den zeitweilig in Ungarn lebenden englischen Herzog Edward. Die Herzöge Edmund und Edward waren Söhne König Edmunds, der bis 1016 ohne Erfolg gegen Knut den Großen (995-1035) kämpfte. Nach dem Sieg der Dänen flohen Edmunds Kinder zunächst nach Rußland und 1028 nach Ungarn. Im ungarischen Exil verstarb Edmund, und Edward kehrte 1057 mit seiner Frau, der Ungarin Agatha, und ihrem gemeinsamen Kind, der zehnjährigen Margarete, nach England zurück. Kurze Zeit später wurde Edward ermordet, und Agatha versuchte 1068 mit ihrer Tochter nach Ungarn fliehen. Ein Sturm trieb jedoch das Schiff nach Schottland, wo Margarete später König Malcolm III. heiraten sollte. Margarete war schon zu Lebzeiten als gottesfürchtige Frau bekannt. Im Jahre 1251 wurde sie kanonisiert. Margarete und Malcolm III. hatten zwei Kinder, David und Koloman, der ebenfalls heiliggesprochen wurde. 338 Lajos Kakucs <?page no="349"?> Die dritte Margarete in der Reihe der Heiligen war eine Tochter König Bélas IV. Nach dem Vorbild ihre Tante Elisabeth von Thüringen lebte sie als einfache Dominikanerin in einem Kloster auf der heutigen Donauinsel Margarete in Budapest. Die Darstellungen des Ladislaus und der Margarete sind in vielen mittelalterlichen Fresken in Ungarn anzutreffen, während Abbildungen des Jakobus und des Kolomans, die weiteren Personen auf dem beschriebenen Wandbild, ausschließlich in Gelence zu finden sind. Der Grund für dieses Phänomens liegt in einer Verwechselung. Wie Huszka und nachfolgend auch andere Kunsthistoriker vermuteten, handelt es sich in Gelence bei der Darstellung des Koloman um das Vertauschen von zwei historischen Personen, die zwar nicht zur gleichen Zeit lebten, aber beide in den Kreis der frühmittelalterlichen anglo-iro-schottischen und ungarischen Beziehungen einzuordnen sind. Die Auftraggeber der Wandmalereien von Gelence im 14. Jahrhundert wünschten Koloman darzustellen - also den Sohn des schottischen Königs Malcolm III. und seiner Frau Margarete, die als eine zu der Arpadendynastie gehörende Heilige angesehen wurde. Soweit jedoch bekannt ist, stand dieser in keiner Verbindung zu den Wallfahrten. Wer könnte jedoch dieser Koloman sein, der der Bildersprache von Gelence zufolge mit den Wallfahrten und dem Jakobus in Verbindung gebracht wurde? Aus der Chronik Thietmars von Merseburg (975-1018), wird ersichtlich, daß während der Magyareneinfälle im Donauraum bei Stockerau am 16. Juli 1012 ein Jerusalempilger namens Koloman als böhmischer Spion verdächtigt und aufgehängt wurde. Nach Aussage von Thietmar begingen ungarische Holzfäller diese Tat. Tatsache ist, daß in den Jahren 1014-1016 ein ungarisches Heer in der Gegend von Wien operierte. Es kämpfte gegen die in Mähren eingedrungenen polnischen Streitkräfte unter dem Fürsten Boleslaw Chrobry (992-1025). Man kann davon ausgehen, daß der in diesem Zusammenhang als Spion verdächtigte schottische Pilger von den Ungarn erhängt wurde - ungarischen Quellen zufolge geschah dies jedoch nicht 1012, sondern erst 1016. Nach einer Melker Legende wurde der unverweste Leichnam Kolomans 1014 auf Weisung des Markgrafen Heinrich I. in das Kloster Melk überführt. Die ungarische Überlieferung besagt hingegen, daß der Tote zunächst nach Veszprém und erst nach dem Tod Stephans 1038 nach Melk überführt wurde. Abgesehen von diesen Texten existiert eine weitere, mittelalterliche ungarische Überlieferung, der zufolge der tote Wallfahrer aus Schottland als der Sohn Margaretes von Schottland angesehen wurde. So gesehen läßt sich nachvollziehen, daß Koloman in Begleitung des Apostels Jakobus auf den Fresken in Gelence zu sehen ist. Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 339 <?page no="350"?> Es stellt sich die Frage, um wen es sich bei dem in Stockerau ermordeten Koloman handelt und wie er noch vor der Eröffnung der Pilgerwege nach Jerusalem durch den ungarischen König Stephan 1018 nach Mitteleuropa kam? Im Grunde war er kein Schotte, sondern ein Ire. Bis zum 12. Jahrhundert jedoch nannte man die Iren und Pikten allgemein Schotten. Koloman gehörte wie Tausende seiner Landsleute zu den Pilgern, die nach alter irischer Tradition die Insel verließen und als Pilgermönche eine entscheidende Rolle bei der Christianisierung Europas spielten. Auf ihrem Weg nach Jerusalem waren die irischen Mönche vermutlich viel früher als bisher angenommen dem großen Handelsweg entlang des Rheines und der Donau nicht nur bis Regensburg, sondern bis zur adriatischen Küste oder durch den Balkan und Anatolien nach Palästina gefolgt. Der in Stockerau bei Wien getötete Koloman war ein Sohn des Hochkönigs von Tara, Maolsheachlein II., der zwischen 1014 und 1024 ganz Irland regierte. Als Koloman seine Heimat verließ, herrschten dort schwere Thronkämpfe. Später schickte sein Vater einen Boten, Gotthalm, mit dem Auftrag, Koloman zu suchen, nach Europa. Ironie des Schicksals: Gotthalm kam bis Melk und starb dort am 26. Juli 1019, ohne zu erfahren, daß Koloman bereits tot war. Koloman bekam in Melk ein prunkvolles Grabmal und wurde bis ins 16. Jahrhundert als Landespatron von Niederösterreich verehrt. Seine Verehrung verbreitete sich im Mittelalter auch nach Süddeutschland und Ungarn. Die sterblichen Überreste des königlichen Boten Gotthalm werden in der Krypta der Stiftskirche von Melk aufbewahrt. Das Wunder des Gehängten oder das Hühnermirakel ist zweifelsohne die meistverbreitete Legende auf dem Jakobusweg nach Santiago de Compostela. Die älteste Version des Mirakels, die auch in der Legenda aurea erzählt wird, spielt sich im Jahre 1080 in der Gegend von Toulouse ab. In späteren Versionen wurde die Handlung nach Santo Domingo de la Calzada verlegt und von dort aus aufgrund des spektakulären Hühnerkäfigs in der dortigen Kirche im ganz Europa verbreitet. Nach der ersten Version übernachteten zwei deutsche Pilger, Vater und Sohn, auf dem Weg nach Santiago in einer Herberge in Toulouse. Der habgierige Wirt erstrebte ihr Geld und steckte deshalb nachts einen Pokal in den Ranzen des Sohnes. Anschließend verklagte er die Gäste wegen Diebstahls. Der Sohn wurde aufgrund des gefundenen Gegenstandes als Dieb überführt. Er wurde sofort gehängt. Der Vater reiste weiter nach Santiago de Compostela und kehrte 36 Tage später wieder nach Toulouse zurück. Als er die Stelle, an der sein Sohn gehängt wurde, erreichte, sah er, daß sein Sohn noch lebte, da er - wie der Sohn dem Vater mitteilte - in 340 Lajos Kakucs <?page no="351"?> die Obhut des hl. Jakobus gelangt war. Als der Vater dies hörte, verlangte er von dem Richter die Freilassung seines Sohnes. Der Richter, der am Mittagstisch verweilte, verspottete den Vater und sprach: „Euer Sohn ist so lebendig wie die gebratenen Hühner auf meinem Tisch.“ Dann geschah der Legende nach das Hühnerwunder: Der Hahn und die Henne flogen unversehrt vom Tisch auf. Als der Richter das Wunder sah, eilte er zum Galgen, befreite den unschuldigen Sohn und ließ den Wirt hängen. Durch die Wallfahrer, die nach Santiago pilgerten, wurde das Galgenwunder in verschiedenen Versionen im Europa verbreitet. Zahlreiche Kirchen und Kapellen wurden mit Szenen des Hühnermirakels verziert. In Richtung Osteuropa sind mehrere literarische Versionen aus der südöstlichen Alpenregion bei Lokalwallfahrten bekannt. Nach einer deutschen Version aus dem 14. Jahrhundert kamen die betreffenden Pilger aus Böhmen. Interessant sind auch die Darstellungen des Hühnermirakels, die nach Bernhard Graf im bayerischen Raum erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Lengries, Willig und Gotzing nachweisbar sind. Gleiches kann auch über die Hühnermirakeldarstellungen aus Österreich berichtet werden, wo die Szenen des gehängten Pilgers zuerst auf einem Flügelaltar von Tiffen von 1521 erschienen. Nach bisherigen Erkenntnissen handelt es sich bei den Fresken von Gelence chronologisch um die ersten, die in Mittel- und Osteuropa das Hühnerwunder darstellen. Betrachtet man jedoch diese Fresken, stellt man fest, daß nur einige Elemente des Hühnermirakels erscheinen. Die Auftraggeber hatten nicht die Absicht, das Galgenwunder aus Toulouse oder Santo Domingo de la Calzada zu kopieren. Sie wollten lediglich den Teil des Mirakels darstellen, in welchem Jakobus als Patron der Pilger den gehängten Koloman hält. Der Maler nutzte den Hahn aus der Legende als Symbol, und dementsprechend zeigt der erste Teil des Bildes die Szene mit dem gedeckten Tisch des Richters, den fliegenden Hahn und Jakobus erhobenen Händen. Der sehr stark beschädigte dritte Teil stellt Margarethe von Schottland dar, wie sie ihrem Sohn symbolisch den Märtyrerkranz überreicht. Die Vermutung liegt nahe, daß die Fresken im Originalzustand aus mehreren Teile bestanden. Seit 1882 haben sich Kunsthistoriker auch mit dem anonymen Künstler der Fresken von Gelence intensiv beschäftigt. Während der rumänische Kunsthistoriker Virgil Vatasianu die byzantinischen Elemente hervorhebt und dadurch auf einen möglichen Einfluß der orthodoxen Welt hinweisen möchte, betonten die meisten Autoren, daß der Maler aus italienischen Malerkreisen stamme. Er sei in den Reihen der Künst- Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 341 <?page no="352"?> ler zu suchen, die mit dem Anjoukönig Karl Robert aus Italien nach Ungarn gekommen sind. Auf die Zugehörigkeit des Malers zu den italienischen Künstlerkreisen deuten die Farben, die elegante Linienführung der Konturen und die lebendig gestalteten Köpfe der Heiligen. Die bisherigen Forschungen lassen nicht erkennen, daß die Fresken aus Gelence oder die Pfarrkirche selbst im Zusammenhang mit den Pilgerreisen nach Santiago de Compostela oder Jerusalem stehen könnten. VII. Jakobusspuren in der heutigen Slowakei Im Mittelalter war die heutige Slowakei ein Teil Ungarns. Aus diesem Grund soll hier über einige Aspekte der Pilgerfahrten im allgemeinen und über die Verbreitung des Jakobuskultes im damaligen Oberungarn im speziellen gesprochen werden. In der ungarischen Fachliteratur fehlen entsprechende Hinweise über die nördlichen Verbindungswege der Straße, die aus den polnischen und tschechischen Gebiete durch Ungarn in Richtung Jerusalem und Rom und seit dem Ende des 11. Jahrhunderts auch nach Santiago de Compostela führten. Eine Erklärung hierfür wäre, daß die meisten Klöster in Nordungarn im Jahre 1241 durch den Mongolensturm vernichtet wurden und nach dem Verlust Jerusalems im Jahre 1244 die Nord-Süd-Pilgerstraßen in Ungarn einen Großteil ihrer Bedeutung verloren. Daß die Nord-Süd-Pilgerstraßen in Ungarn schon im 11. Jahrhundert befahren wurden, zeigt der Weg Kolomans 1016 und die Lage einiger Benediktinerabteien wie Bakonybél, Zalavár und Zobor, die alle bereits durch Stephan begründet wurden. Die letztere, nach Hippolyt benannte Abtei am Fuß des Berges Zobor lag neben der uralten Bernsteinstraße, die den Ostseeraum mit der Adria verband. Schon vor der Abteigründung lebten in Zobor einige Einsiedler, unter anderem die später heiliggesprochenen Andreas und Zoerard, die nach altungarischen Überlieferungen aus Polen oder anderen Quellen zufolge aus dem adriatischen Raum nach Ungarn kamen. Zobor ist nicht das einzige Kloster in Ungarn, dessen Gründer aus dem slawischen Raum kamen. Wir wissen, daß bereits an der Gründung der Benediktinerabtei von Pannonhalma Mönche aus Brˇevnov beteiligt waren. Ob Pannonhalma, Zobor oder andere Benediktinerabteien im osteuropäischen Raum schon Anfang des 11. Jahrhunderts im Dienst der Pilger standen, ist anhand der Überlieferung nicht zu klären. Die guten Verbindungen zwischen dem ungarischen und slawischen Christentum blieben auch während der Herrschaft des Ladislaus erhalten. Als dieser 342 Lajos Kakucs <?page no="353"?> im Jahre 1091 in Zagreb ein Bistum gründete, berief er einen der slawischen Sprache mächtigen Priester aus Prag auf den Bischofstuhl. Bereits 1078, als Ladislaus Schwester Eufemia den Herzog Otto aus Mähren heiratete, wurde südöstlich von Olomouc (Olmütz), in der Gegend von Kromeriz (Kremsier), in Hradisko ein Prämonstratenserkloster gegründet. Nach einem ungarischen Verzeichnis von 1235 gehörte das von Graf Lampert ( 1132) gegründete Kloster Bozok (heute Bzovík in der Slowakei) dem Kloster Hradisko. Es ist bekannt, daß Lampert ein Schwager von Ladislaus war. Wir erwähnen diese spezielle Verbindung zwischen den beiden Klöstern, da eine spanische Quelle vom Anfang des 12. Jahrhunderts besagt, daß eine Gruppe von ungarischen und mährischen Rittern, die nach Santiago de Compostela pilgerten, sich an der Erneuerung des Klosterhospizes Santa Cristina am Somport-Pass beteiligten. Den spanischen Quellen zufolge haben die Ritter auch in ihrer Heimat Hospize für die Pilger gegründet 59 . Leider läßt sich für diese Zeit kein Hospiz aus dem mährisch-ungarischen Grenzgebiet benennen, doch die Hospitalgründungen in Admont 1074, bei Pyrhn 1120, Vöcklabruck 1134, Esztergom 1150, Semmering 1160, Bojisce 1186 und an der Drau 1191 zeigen, daß zu dieser Zeit gewaltige Pilgerströme über die Donauübergänge von Esztergom, Wien, Melk und Linz in Richtung der Alpenpässe unterwegs waren. Daß es sich hierbei nicht nur um Rompilger, sondern auch um Santiagopilger handelte, könnten die zahlreichen Jakobus-, Ägidius-, Leonhard- und Martinuspatrozinien veranschaulichen, die zwischen Mittelpolen und dem Arlbergpass zu finden sind 60 . Unseren Untersuchungen zufolge ist der Ausgang der aus dem heutigen Südpolen in Richtung Wien und Kärnten gehenden Pilgerstraßen in der Gegend von Breslau (Wrocl / aw), Neisse (Nysa) und Zobten (Sobótka) zu suchen. Die heutige barocke Stadtpfarrkirche in Zobten stammt vermutlich von 1148, als Papst Eugen III. die Gründung eines Augustiner-Chorherrenstiftes bestätigte 61 . Interessanterweise sind alle drei Städte mit früheren Jakobuskirchen von den aus Flandern kommenden Tuchmachern geprägt. Auf ihrem Weg gen Süden konnten die schlesischen Jakobuspilger in Glatz (Klodzko) rasten, wo die Johanniter seit 1194 eine Niederlassung hatten, und wo in der 1264 umgebauten Dekanatskirche noch heute eine bemalte Jakobus-Kapelle zu finden ist. Zumindest einer der schlesischen Jakobuswege erreichte über die Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 343 59 Antonio D URAN G UIDOL , El hospital de Somport entre Aragón y Bearn (siglos XII y XIII) (Zaragoza 1986). 60 Nur in Kärnten sind mehr als 16 Jakobuskirchen attestiert. 61 Janus C ZERWINSKI und Mariola M ALEREK , Breslau und Umgebung (Dülmen 1992). <?page no="354"?> Grenzstation Jakobsthal (Jakuszyce) die Gegend von Liberec (Jablonice). Von hier aus bis nach Prag sind mittelalterliche Jakobuskirchen in Jitschin (Jicin), Teltsch (Telc) und Libis zu finden. Selbst in Prag stiftete König Wenzel I. ein dem Jakobus geweihtes Kloster. Doch die ältesten Jakobusspuren in Mittelböhmen sind nicht in der Hauptstadt selbst, sondern östlich von Prag in Sázava und im Labe-Tal zu suchen. Im Labe-Tal lassen sich neben den gotischen Jakobuskirchen aus Nymburk, Kolin und Kutna Hora (Kuttenberg) in dem kleinen Dorf Jakub die ältesten Spuren der Jakobusverehrung in Osteuropa entdecken. Die einschiffige romanische Kirche aus Jakub wurde 1165 von Maria, der Witwe von Miroslav gestiftet, der den Premysliden verwandt war. Überlieferungen zufolge waren bei der Einweihung König Wladislaw II., Königin Judith und der Prager Bischof Daniel anwesend. Der Apsissaal mit Westturm, zusätzlichem Turm und Galerieemporen ist selbst unter den zahlreichen Emporenkirchen in Böhmen eine Seltenheit. Einzigartig in ganz Osteuropa sind die romanischen Skulpturen auf der Südwand des Schiffes. Oberhalb des Portals, dessen Tympanon Christus als Weltenrichter zeigt, liegt ein Obergeschoss und in dessen Zentrum ein Relief mit Jakobus und den knienden Söhnen der Stifterin, Paul und Slavibor. Die anderen Reliefs stellen nach Meinung der Kunsthistoriker rechts des Apostels einen Bischof, links einen Ritter und einen Abt dar. Uneinigkeit herrscht darüber, ob die Reliefs und insbesondere die Platte mit Jakobus unter südfranzösischem oder lombardischem Einfluß entstanden sind. Viele neigen zu der Behauptung, daß die Platte mit der Jakobusdarstellung der Stifterin von ihrem verstorbenem Gatten Miroslav aus Norditalien mitgebracht wurde, als dieser 1158 mit Herzog Wladislaw von Böhmen im Heer Kaiser Friedrichs I. Barbarossa an der Eroberung Mailands teilnahm 62 . Zwar ist Jakobus in Jakub ohne die spezifischen Pilgerattribute dargestellt, aber die meisten Historiker bezweifeln nicht, daß es sich hierbei um Jakobus den Älteren handelt. Die romanischen Malereien aus der nahegelegenen Jakobuskirche bei Stribrna Skalice (Silberskalitz), wo Fragmente der Jakobuslegende und die Darstellung seiner Enthauptung zu erkennen sind, zeigen die Verbreitung des Jakobuskultes im 12. Jahrhundert in der Gegend von Jakub 63 . Zur Stärkung der Jakobusverehrung in Mittelböhmen haben wohl auch die Johanniter beigetragen, die gegen Ende des 12. Jahrhunderts in 344 Lajos Kakucs 62 Pavel K ROUPA , Pruzkum Jizniho pruceli lodi kostela sv. Jakuba v Jakubu u Kutne Hory, Pruzkumy Památek 1 (1997) S. 3-25. 63 Romanik in Böhmen, hg. von Erich B ACHMANN (München 1977). <?page no="355"?> Prag und ab 1243 in Strakonice (Strakonitz) Niederlassungen gründeten. Während Prag, Strakonice und Prachatice (Prachatitz) mit ihren Jakobuskirchen die in Richtung Linz ziehenden Pilgerwege prägen, liegen andere Jakobuspatrozinien wie Jihlava (Iglau; 1250) und Brno (Brünn; 1220) auf parallel verlaufenden Pilgerwegen. Gerade die Straße durch Brno und die östlichen Straßen waren diejenigen, die auch in Richtung Jerusalem von den Pilgern benutzt wurden. Neben den von der Gegend von Wrocl / aw (Breslau) und Sobotka ausgehenden Pilgerstraßen gab es in Polen einen anderen in südlicher Richtung verlaufenden Weg, dessen Ausgang in der Gegend von Krakau und Sandomierz zu suchen ist. Da die Datierung des 1226 stark umgebauten Jakobusklosters von Sandomierz Schwierigkeiten aufwirft (einige vermuten, daß es schon vor 1200 existierte), kann man annehmen, daß die Ägidiuskirche in Inowlodz bei der Verbreitung des Jakobuskultes in den südöstlichen Teilen Polens eine Vorreiterrolle gespielt hat. Wie bereits erwähnt, müssen bei der Suche die mittelalterlichen Pilgerwege in Osteuropa, die Jakobus- und Ägidius-, Leonard- und Martinuspatrozinien in Betracht gezogen werden. Mehr noch, abgesehen von der Benediktinerabtei von Zselinceszentjakab können die anderen Jakobuspatrozinien aus Südosteuropa wie die Jakobuskirche von Tiffen nur unter Vorbehalt als Gründungen des 11. Jahrhunderts angesehen werden. Das Ägediuskloster in Somogyvár und die gleichnamige Kirche in Inowlodz sind hingegen zweifellos im XI. Jahrhundert gestiftet worden. Zu der Gründung der Ägidiuskirche aus Inowlodz liefert ein polnischer Chronist des 12. Jahrhunderts einige interessante Daten. Nach Gallus Anonymus entsandte Wladislaw Hermann (1080-1102) eine Gesandtschaft nach Saint-Gilles, um geistliche Fürbitte für einen Nachfolger zu erwirken. Die Geburt des späteren, als Boleslav Schiefmund bekannten König Boleslaw III. 1086 hatte Wladislaw Hermann dazu veranlaßt, vermutlich noch im selben Jahr in Inowlodz die heute noch existierende Kirche zu Ehren des Ägidius zu stiften 64 . Vermutlich nahm König Ladislaus durch polnische Verbindungen erste Kontakte zur Abtei von Saint-Gilles auf. Oder suchten die mit Cluny rivalisierenden Mönche aus der Provence einen geeigneten Stützpunkt für die Ausdehnung ihres Einflusses auf den osteuropäischen Raum? Für das letztere spricht die Anwesenheit des Abtes Odilo aus Saint-Gilles bei der Gründungsfeier in Somogyvár im Jahre 1091. Inwieweit Somogyvár die Verbreitung des Ägidiuskultes in Osteuropa vorangetrieben hat, ist leider Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 345 64 S WIECHOWSKI (wie Anm. 23). <?page no="356"?> nicht bekannt. Tatsache ist, daß bis Ende des XIII. Jahrhunderts zahlreiche Ägidiuskirchen in Polen, in Inowlodz, Wrocl / aw und Krakau, in Tschechien, in Nymburk, Trebon (Wittingau) und Mühlhausen (Mileskovo), im mittelalterlichen Ungarn in Poprad, Bardejov, Esztergom, Somogyvár und Zagreb, in Österreich in Vöcklabruck, Graz, Lungau, Klagenfurt und Tamsweg entstanden sind. Trotz zahlreicher Neugründungen wurde in allen Akten der Mutterabtei Somogyvár in der Hierarchie immer gleich nach Saint Gilles erwähnt 65 . Der von Inowlodz ausgehenden Straße, auf der die Pilgern zum Grabe des Ägidius nach Saint-Gilles pilgerten, dürften Krakau und Rabka gefolgt haben. Von Rabka aus gab es zwei Möglichkeiten: eine in Richtung Poprad und eine zweite in Richtung Bardejov. Die Varianten trafen sich in Somogyvár; von dort aus führten die Wege durch Zagreb in Richtung Adria und der Alpenpässe. Die aus dem südpolnischen Raum kommenden Jakobus- und Ägidiuspilger folgten im mittelalterlichen Oberungarn den wichtigsten Durchgangstraßen entlang den Flüssen Váh, Nitra, Zitava, Hron, Ipoly und Hornad. Die aus Breslau und Olmütz kommende Straße erreichte Ungarn bei Trencin, wo ungarischen Quellen zufolge schon 1042 eine befestigte Grenzanlage existierte. In der Nähe Trencins neben den uralten Heilwasserquellen von Trencintepla ließen sich bereits 1060 Benediktiner nieder, die später die Abtei von Szkalka gründeten. Die zweite größere Benediktinerniederlassung in der Gegend wurde 1075 von Géza I. in Hronsky Benadik (ungarisch Garamszentbenedek) gegründet. Die dritte Benediktinerabtei in der heutigen Westslowakei liegt im heutigen Velky Klíz (ungarisch Apátkolos) und wurde von König Ladislaus gegründet. Alle diese Klöster lagen in der Nähe von Heilwasserquellen und dienten wohl den durchreisenden Pilgern als Zufluchtsorte. Neben den erwähnten Benediktinerabteien könnten die Pilger in den romanischen Kirchen, die mit doppelten dreischiffigen Räumen ausgestattet sind, von Diakovce (ungarisch Deáki; 1090) und Bina (ungarisch Bény; 1217), Unterkunft gefunden haben 66 . Daß die Jakobusverehrung in der Mittelslowakei gepflegt wurde, zeigen einige mittelalterliche Kunstgegenstände, deren Themen Szenen aus den Jakobus-Legenden sind. Beginnen wir die Aufzählung von Norden, in der kleinen Ortschaft Mosovce (ungarisch Mossóc), die im 14. Jahrhundert ein wichtiges Handelszentrum war. Hier stand bis 1912 346 Lajos Kakucs 65 Ferencz B AUMGARTEN , A Saint Gillesi apátság összekötetései Magyarországgal (Die Verbindungen des Abtei Saint Gilles mit Ungarn), Századok 5 (1906) S. 389-411. 66 Anezka M ERHAUTOVA , Romanische Kunst in Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Jugoslawien (Wien, München 1974). <?page no="357"?> eine zweischiffige gotische Kirche, deren wertvoller spätgotischer Flügelaltar allerdings nach den Heiligen Jakobus und Philippus benannt wurde. In der Altarmitte befanden sich die Statuen des Jakobus mit Pilgerzeichen und des Philippus mit großem Kreuz, die heute im Museum der benachbarten Stadt Martin (Turz-St-Martin) zu sehen sind. Südlich von Mosovce, im Hron Tal, liegt in Hronsky Benadik eine der schönsten Benediktinerabteien, die im mittelalterlichen Ungarn erbaut wurden. Wie schon gesehen wurde Hronsky Benadik als königliche Stiftung im Jahre 1075 von König Géza I. gegründet. Die ursprünglich dreischiffige romanische Kirche ist in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts stark umgebaut worden. Aus dieser Zeit sind nur wenige spätgotische Stücke erhalten geblieben. Eine davon ist das reich verzierte Grab Christi, das heute im Keresztény Múzeum (Christliches Museum) in Esztergom aufbewahrt ist. Es wird von den 12 Aposteln bewacht, unter denen Jakobus mit muschelverziertem Hut dargestellt ist. Eine andere Jakobusdarstellung, die heute in Esztergom aufbewahrt wird, stammt aus dem benachbarten Zitava Tal aus Zlaté Moravce (ungarisch Aranyosmarót). Zlaté Moravce war im Frühmittelalter ein wichtiges Zentrum der Goldgewinnung in Oberungarn, seine gotische Kirche ging zugrunde, die neue wurde 1785 erbaut. Wahrscheinlich wurde damals der großartige Flügelaltar zerlegt; eine Tafel, auf die Enthauptung des Jakobus dargestellt ist, wird seit 1911 in Esztergom aufbewahrt. Der in weißer Kleidung kniende Jakobus aus Zlate Moracvce wird nicht als Schutzpatron der Pilger präsentiert. Der dritte Jakobus-Altar, der Flügelaltar aus Swäty Jakub (ungarisch Szentjakabfalva, deutsch Jakobsdorf), stammt aus dem Hron-Tal, aus der Gegend von Banska Bystrica (Neusohl). Der Flügelaltar von Swäty Jakub kam mit der Sammlung des Bischofs Ipolyi Arnold (1823-1886) in das Esztergomer Museum. Heute besteht der Flügelaltar aus 8 Tafeln, aber im vorigen Jahrhundert existierte nach Ipolyis Beschreibungen ein weiteres Mittelbild des Altars, das Jakobus darstellte. Über den Künstler, der den Altar schuf, kann nichts Näheres gesagt werden; in der Fachliteratur wird er der Meister von Jakabfalva bezeichnet. Nach der Beschreibung von Professor Radocsay 67 gehörte der Maler zu den Künstlern, die in der Zips tätig waren; er dürfte sein Werk 1480 angefertigt haben. Thematisch zeigt es eine große Verwandtschaft mit dem von Friedrich Herlin geschaffenen Zwölbotenaltar in Rothenburg ob der Tauber. Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 347 67 Dénes R ADOCSAY , A középkori Magyarország táblaképei (Mittelalterliche Tafelmalereien in Ungarn) (Budapest 1955). Der Flügelaltar von Swäty Jakub wurde 1985 in Gent und in Santiago de Compostela 1991 ausgestellt. <?page no="358"?> Die ersten zwei Tafeln des Flügelaltars aus Swäty Jakub zeigen die Enthauptung Jakobus in Jerusalem in Anlehnung an die Legenda aurea. Die erste Tafel zeigt die Konvertierung des Josias, die zweite die Enthauptung des Jakobus. Die dritte und vierte Tafeln präsentieren einen Teil der Translatio, die auf dem Berg Ilianus gefangenen Ochsen, die den Leichnam des Apostels vor den Palasthof der Königin Lupa in Richtung Santiago de Compostela tragen. Der vierte Teil zeigt den aufgebahrten Leichnam mit seinen Jüngern und der Königin Lupa. Die letzten vier Tafeln des Flügelaltars bilden Szenen aus dem „Galgen-“ oder „Hühnerwunder“ ab. Im Vordergrund der ersten Tafel ist die Ankunft der Pilger, Vater und Sohn, zu sehen, im Hintergrund ist die nächtliche Szene dargestellt, als der Wirt einen Becher im Mantelsack versteckt. Die zweite Tafel zeigt die Verurteilung des Sohnes und den Abschied der Vaters. Die dritte Tafel zeigt im Vordergrund die Szene, als der Vater zum Tisch des Richters eilt und ihm vom noch lebenden Sohn berichtet, im Hintergrund sieht man den gehängten Jüngling. Die vierte Tafel zeigt den Richtplatz, als der Sohn vom Galgen genommen wird. Die durch die Täler von Váh, Nitra, Zitava und Hron in Richtung Esztergom verlaufenden Straßen kamen aus Mähren. Ihr Ausgang ist entlang der Ipoly und Hernand, eindeutig in der Gegend von Krakau und Sandomierz zu suchen. Besonderes reich an Pilgerspuren scheint die aus Krakau durch Nowy Targ und die Tatra Gebirge, bei Dunajec in Richtung Poprad führende alte Straße zu sein. Der Talweg vom Dunajec ist ein alter Durchgangsweg mit einer früheren ungarischen Grenzfestung. In ungarischen Quellen wird dieses Tal öfter als Antoniter-Tal bezeichnet, ein Hinweis auf eine frühere Niederlassung des Antoniterordens, dessen Spuren in letzter Zeit auch durch archäologische Funde bestätigt wurden. Das heutige Cerveny Klastor (Rotes Kloster) am Fuß des Dreikronenberges ist ein Nachfolger des ehemaligen Antoniterklosters und wurde 1307 zur Sühne erbaut - nach einem Urteil des Zipser Gespans, nachdem der Stifter mit Name Kakas im Streit ein Mitglied der Familie Görgey erschlagen hatte 68 . Im Mittelalter hatten sich in diesen Gebieten der heutigen Slowakei, die damals Zips (ungarisch Szepes, slowakisch Spis) genannt wurden, viele Deutsche niedergelassen. Die reichen Bergstädte wie Schemnitz (Banska Stiavnica), Kremnitz (Kremnica), Altsohl (Zvolen), Neusohl (Banska Bystrica) und die Handelsstädte Bardejov, Presov, Levoca (Leutschau) und Kosice hatten einen beachtlichen Anteil deutscher Bevölkerung. Auf den durch die Zips verlaufenden Handelstraßen waren 348 Lajos Kakucs 68 Ernst H OCHBERGER , Slowakei. Reisehandbuch und Kunstführer (Sinn 1990). <?page no="359"?> wahrscheinlich schon vor dem Mongolensturm Pilger aus Südostpolen nach Jerusalem, Rom und Santiago de Compostela unterwegs. Für die nach Santiago de Compostela ziehenden Pilger sprechen nicht nur typische Ortsnamen wie Jakubany (östlich von Cerveny Klastor) sondern auch die dem hl. Martin geweihte große Klosterabtei von Spisska Kapitula, die 1209 gestiftet wurde. Für die Betreuung der Pilger, die durch die Gegend der Zips kamen, wurde 1288 in Dravce (deutsch Drauz, ungarisch Szepesdaróc) unweit von Levoca das erste Antoniterkloster des damaligen Ungarns gegründet. Neben dem Kloster befand sich seit 1313 ein großes Krankenhaus und ein Hospiz, wo allen Reisenden Unterkunft gewährt wurde. Das Kloster von Dravce war die Hauptniederlassung der Antoniter in Ungarn; von hier aus wurden die anderen Niederlassungen in Bratislava, Sighisoara und Brasov gegründet 69 . Neben den schon erwähnten Klöstern in der Zips existieren zahlreiche Spuren wie Kirchen, Altäre, Statuen und Bilder, die die mittelalterliche Jakobusverehrung dokumentieren. Beginnen wir die Aufzählung mit der in unmittelbarer Nähe des Roten Klosters liegenden kleinen Ortschaft Lomnicka (deutsch Kleinlomnitz, ungarisch Kislomnic), dessen 1300 erbaute romanische Kirche eine Pilgerstatue von Jakobus beherbergt 70 . Östlich von Lomnicka, auf der Handelstraße, liegt die Kleinstadt Bardejov (deutsch Bartfeld, ungarisch Bártfa), wo 1245 ein Zisterzienserkloster gegründet wurde. An der Stelle der Abtei wurde Anfang des 15. Jahrhunderts die dreischiffige Ägidiuskirche mit zwölf reichverzierten Altären gebaut. Auf dem Kreuzigungsaltar kann man die Jakobusstatue bewundern; der in farbigen Kleidern gehüllte Apostel hält in der rechten Hand eine Muschel 71 . In der ländlichen Gegend zwischen Bardejov und der Handelstadt Presov können zwei Orte mit Jakobusspuren identifiziert werden. Der erste ist Sabinov (ungarisch Kisszeben), wo in der gotischen Kirche an der Kirchenwand eine Statue des Jakobus, eine Arbeit von Meister Paul aus Leutschau, zu sehen ist 72 . Sabinow bildete im Mittelalter mit Velky Saris und Presov einen losen Verband. Nach Überlieferungen des ungarischen Kirchenhistorikers Rupp in Velky Saris (ungarisch Nagysáros) gab es bereits 1200 eine dem Jakobus geweihte Pfarrkirche 73 . Wie stark die Jakobusverehrung in der Gegend von Sabinov verankert war, ver- Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 349 69 Vgl. P ÁSZTOR (wie Anm. 2). 70 Vgl. H OCHBERGER (wie Anm. 67). 71 Vgl. wie oben Anm. 67. 72 Vgl. R ADOCSAY (wie Anm. 54). 73 Vgl. R UPP (wie Anm. 25). <?page no="360"?> deutlichen die drei Ortsnamen Jakovany, Jakobuva Vol´a und Jakubovany, die im Umkreis von 10 km von Sabinov zu finden sind. Nach Velky Saris folgen wir der alten Handelstraße in Richtung Kosice (deutsch Kaschau, ungarisch Kassa). In Kosice selbst läßt sich keine Jakobuskirche finden, doch im städtischen Museum wird ein muschelverzierter Jakobuskopf aufbewahrt 74 . Südlich von Kosice an der ungarische Grenze in Tornaszentjakab gab es schon 1273 eine dem Jakobus geweihte Kirche 75 . Von hier aus verlief die mittelalterliche Pilgerstraße in Richtung der Donauübergänge in Buda und Vác - sie wird von der Jakobuskirche und dem Hospiz in Eger sowie der Jakobuskirche in Szentjakab (heute Szurdokpüspöki, nördlich von Gyöngyös; 1332) und dem Jakobuskloster von Vác markiert 76 . Östlich des Hornad-Tals gibt es nur einen einzigen Hinweis auf eine mittelalterliche Jakobuskirche. Überlieferungen zufolge existierte in der Gegend von Ternove (heute Ukraine) 1307 eine Paulinerkirche, die nach Jakobus benannt wurde 77 . Westlich des Hornad-Tals auf der Handelstraße zwischen Poprad und Presov, in der Stadt Levoce (deutsch Leutschau, ungarisch Löcse) befindet sich die schönste spätgotische Pfarrkirche in der Zips mit einem spätgotischen Marienaltar von Paul von Leutschau, der heute den größten Schnitzaltar der Welt darstellt. Nach mittelalterlichen Urkunden war Levoce schon 1271 die Hauptstadt der Zipser Gespanschaft, aber ihre erste Pfarrkirche, wie auch die Ausgrabungen bestätigen, daß vorher eine romanische Basilika aus dem 12. Jahrhundert vorhanden war. Der ungarische Historiker Henszelman datierte schon 1878 den Bau der ersten Jakobuskirche in Leutschau auf das Jahre 1200 78 . Vermutlich wurde die erste Kirche durch den Mongolensturm 1241 zerstört. Im 14. Jahrhundert gelangte die Stadt durch polnischen Transithandel zu Reichtum, zwischen 1332 und 1500 wurde die heutige gotische Jakobuskirche ausgebaut. Von unschätzbarem kunsthistorischen Wert sind die 15 gotischen Altäre der Kirche. Der bedeutendste Beweis der Jakobusverehrung ist der von Paul von Leutschau erschaffene Hauptaltar, der zwischen 1507- 1517 errichtet wurde. Wie nirgends in Osteuropa wird Jakobus am Hauptaltar viermal ins Bild gesetzt. In der Mitte des Schreines stehen die 350 Lajos Kakucs 74 Amt für Denkmalschutz. Budapest-Fotothek Aufnahme Nr. 001.897. 75 Vgl. G YÖRFFY (wie Anm. 21). 76 Ebd. 77 Ebd. 78 Imre H ENSZELMANN , Löcsének régiségei (Die Altertümer aus Leutschau) (Monumenta Hungariae Archaeologica 3,2, Budapest 1878). <?page no="361"?> drei überlebensgroßen Plastiken der Madonna (2,50 m), des Jakobus und des Johannes des Evangelisten (2,3 m). Jakobus steht zur rechten Seite der Mutter Gottes und ist wie ein älterer kräftiger Mann dargestellt, bekleidet mit einem muschelbesetztem Hut, Mantel und Wanderschuhen; in der linken Hand hält er einen Wanderstab. Die zweite Jakobusdarstellung befindet sich auf der Festtagseite des Flügelaltars in der oberen linken Tafel; dort wird die Szene des Apostel-Abschiedes dargestellt. Im Vordergrund stehen vier Apostel: Jakobus, Andreas, Petrus und Johannes, die zur Reise bereit sind. In der linken Gruppe erkennt man Jakobus mit Pilgerattributen, wie er sich gerade von Andreas verabschiedet. Die sich darunter befindliche Tafel ist die dritte Darstellung Jakobus’, die die Szene der Enthauptung zeigt. Hier trägt der kniende Apostel seinen muschelverzierten Hut, hinter ihm steht der Henker, der wie auch in anderen zeitgenössischen ost- und mitteleuropäischen Tafelbildern als ein Hinweis auf die Türkengefahr einen Turban trägt. In der Predella des Altares ist das Letzte Abendmahl abgebildet, wo Jakobus mit einem großen Pilgerhut zu sehen ist, wie er einen runden Brotlaib schneidet. Außer auf dem Hauptaltar ist Jakobus als Pilgerpatron an den Anna-, Maria-Schnee- und Corvinusaltären beziehungsweise auf dem Predella des Weihnachtsaltars zu sehen. Neben den zahlreichen Jakobusdarstellungen sind die Pilgerideale auch in den Malereien des Seitenschiffes zu sehen, wo die sieben Werke der Barmherzigkeit und die sieben Todsünden dargestellt werden. Diese Szenen sind durch Spruchbandtexte erläutert, zum sechsten Werk der Barmherzigkeit: „Beherbergen der Reisenden“ heißt es „gank her yn das haws meyen, durch got du ellendir pylgerym“. 79 Resumen: La intención de este trabajo es presentar la historia de la cristianización de Hungría, así como la terminación de iglesias húngaras según el modelo arquitectónico europeo de la época, que tuvieron lugar bajo el dominio de los primeros reyes de la dinastía „Árpád“. Los primeros conventos, cuyos nombres provenían del Santo Santiago, se comprobaron ya en el siglo XI. En el siglo XIII el número de los conventos aumenta brusca y repentinamente. A los fundadores de estos conventos - que tradicionalmente habían sido reyes húngaros, miembros de la nobleza y obispos - se sumaron Der mittelalterliche Jakobuskult in Ungarn 351 79 Vgl. H OCHBERGER (wie Anm. 67). Zu der Jakobuskirche in Leutschau vgl. Alena G AIL -P RCHAL , Der Hochaltar der Jakobskirche zu Leutschau (München 1975); Johanna VON H ERZOGENBERG , Die Jakobuskirche in Leutschau/ Levoca, Zips/ Spis (Slowakei), eine gotische Schatzkammer, in: Der Jakobuskult in Süddeutschland (wie Anm. 58) S. 271-283. <?page no="362"?> valones y lombardos llamados „huéspedes“. Los manufactureros de tela, oriundos de la región entre los ríos Rin y Mosa, tuvieron un papel decisivo en la propagación del culto jacobeo en la Hungría medieval y en otros países de la Europa central y oriental. En los siglos XII y XIII las resoluciones del cuarto Concilio Lateranense (1215) contribuyeron a la propagación del culto jacobeo en Hungría, después de que sus reyes iniciaran gestiones decisivas para luchar contra los herejes en Hungría, Dalmacia y Bosnia. El autor presenta numerosos patronatos de Santiago, Egidio y Leonardo además de poblaciones templarias y sanjuanistas (en las que se encuentran casas de profesos, hospitales y hospicios). Igualmente expone representaciones de Santiago originarias de Polonia, la República Checa, Eslovaquia, Austria, Hungría, Rumanía, Croacia y Eslovenia que pueden ser interpretadas como indicadores de los caminos a Roma, Jerusalén o del peregrinaje hacia Santiago. 352 Lajos Kakucs <?page no="363"?> Das Jakobspatrozinium in Sachsen Eine Problemanzeige G ERHARD G RAF Patrozinien werden von Menschen aus bestimmtem Anlaß gewählt, und es bedarf dazu eines speziellen christlich-kulturellen Umfeldes, in dem sich diese Wahl vollzieht. Das Gebiet des heutigen Sachsen hat, verglichen mit den deutschen Landschaften jenseits des Limes und noch westlich der Saale, erst verspätet den Anschluß an die Kultur des christlichen Abendlandes gefunden. Die Eroberung von 929 durch König Heinrich I. traf auf kleine sorbische Wohngaue inmitten riesenhafter Flächen ungebrochener Wildnis. In diesem Gebiet lebten insgesamt ungefähr 40.000 Menschen, für die es noch 100 Jahre später in einer großmaschigen Kirchenstruktur nur eine mangelhafte Einbindung in das Christentum gab. Die ebenfalls östlich von Neiße und Oder allmählich fortschreitende Christianisierung bewirkte zwar, daß sich die anfängliche Randlage relativierte, doch besonders das Gebiet zwischen Weißer Elster und Neiße behielt noch bis gegen 1100 überwiegend seinen unerschlossenen Charakter. Bedeutung hatte auch in dieser frühen Zeit schon ein Fernweg, der von Frankfurt über Erfurt nach Leipzig und weiter über Wurzen, Strehla, Bautzen und Görlitz nach Schlesien führte. Von dieser Fernverbindung abzweigend oder sie kreuzend gingen südwärts mehrere beschwerliche Wege, auch Steige genannt, durch den Urwald und das Gebirge erklimmend hinein nach Böhmen. Es war dann dem 12. Jahrhundert vorbehalten, die Landschaft des heutigen Sachsens zu erschließen und ihr das Gesicht zu verleihen, das sie jetzt noch weithin trägt. Rodungen brachten Dörfer und Städte. Der Zustrom aus dem deutschen Altsiedelland vermehrte den Bestand der Bevölkerung um das Zehnfache. Als Ergebnis dieser Zeit rückte das Land zwischen Saale und Neiße in jene geographische und kulturelle Mittlerposition, die zu einem Merkmal sächsischer Geschichte wurde. Angesichts dieser Entwicklung verwundert es nicht, wenn unter den überlieferten Patrozinien von Kirchen und Kapellen sich solche herausheben, <?page no="364"?> die den Verlauf von Wegen markieren. Das gilt häufig für den Weihenamen des heiligen Martin, der, denkt man an Burgen und kleine Herrensitze, von Kriegern und Ministerialen als Schutzpatron angerufen wurde. Noch deutlicher trifft es zu auf das Patrozinium des heiligen Nikolaus, der Kaufleuten Beistand leisten sollte. Und natürlich gehört Jakobus der Ältere dazu als Patron der Pilger und aller, die in der Fremde unterwegs sind. Allerdings ergibt eine patrozinienkundliche Erhebung zumindest für Sachsen, daß am Ende des Mittelalters für Nikolaus annähernd 100, für Jakobus dagegen nur etwa 30 Beispiele angeführt werden können. Sie stammen jeweils aus verschiedenen Jahrhunderten, und besonders bei Jakobus ist die Anordnung auf der Landkarte wenigstens auf den ersten Blick mehr verwirrend als informativ. Nachträgliche Erklärungen haben es deshalb nicht immer einfach, und auch die zumeist rasch gestellte Frage nach möglichen Routen eines Jakobsweges wird man, solange nicht eine solide Forschung stattgefunden hat, notgedrungen nur zurückhaltend zu beantworten haben. Insofern soll auch nachstehend nicht mehr als eine lediglich veranschaulichende Information zu den derzeit bekannten Jakobspatrozinien in Sachsen versucht werden. Um die folgende Lektüre zu erleichtern, wird empfohlen, dabei eines der gängigen Kartenwerke, etwa einen Autoatlas, zur Verdeutlichung zu benutzen. Die frühesten Belege des Jakobspatroziniums stammen noch aus der Zeit vor dem großen Landesausbau. Eine ziemlich genaue Fixierung hat sich diesbezüglich erhalten in der Gründung des Pegauer Klosters St. Jakob 1096 durch Wiprecht von Groitzsch (gest. 1124). Zwar hat die spätere Überlieferung dem Bericht vielleicht legendäre Züge beigemischt: In einer von Wiprechts Fehden sei die Jakobskirche in Zeitz zerstört worden. Daraufhin habe er eine Sühnewallfahrt nach Santiago de Compostela unternommen, das Pegauer Kloster eingerichtet, und ebenfalls sei die Zeitzer Kirche neu erbaut, doch nun dem heiligen Nikolaus geweiht worden. Diese mögliche Ausschmückung verdeckt im Kern nicht, daß sich offenbar mit Zeitz und Pegau zwei Stützpunkte einer Route abzeichnen, die sich nachweislich nach Nordosten in weiteren Etappen verfolgen läßt. Zu nennen ist zunächst Leipzig. Hier ist die Jakobskirche zwischen den Furten von Weißer Elster und Pleiße gewiß älter als das um 1136 begründete Schottenkloster St. Jakob in Erfurt, das als Besitzer der Leipziger Jakobsparochie zuerst urkundlich 1226 auftaucht. Nach Osten gerichtet, schließt sich als folgende Station Wurzen an der Mulde an, ein Übergang der erwähnten großen Straße Frankfurt - Schlesien. Man möchte nun außerdem Jakobsthal, gelegen gegenüber dem anderen Übergang bei Strehla an der Elbe, gern hinzunehmen, nur entsteht in 354 Gerhard Graf <?page no="365"?> diesem Fall - außer der hemmenden Flußüberquerung - eine Entfernung von immerhin etwa 40 km. Auf sich daraus ergebende Fragen wird nochmals zurückzukommen sein. Zu überlegen ist freilich im Hinblick auf die frühen Verhältnisse, ob man das Jakobspatrozinium um 1100 in unserem Gebiet einfach nur mit dem Pilgerwesen in Beziehung setzen sollte. Deshalb sollte man, wie einst schon Walter Schlesinger, erwägen, daß es Kaufleute waren, die für sich und andere Reisende Stützpunkte unter dem Schutz des älteren Jakobus einrichteten. Ebenfalls könnte man auf diese Weise das Jakobspatrozinium in Meißen unterhalb der Burg an der Elbe und in der Vorburg von Burg Colditz, einer der Residenzen des Wiprecht von Groitzsch, erklären. Daß man mit einer Beziehung zu den Fernkaufleuten zu rechnen hat, ist nicht nur in Zeitz zu vermuten, wo die Jakobskirche sich zur Nikolaikirche wandelte. Praktisch ergibt sich diese Beziehung überall dort, wo an einem Ort die beiden Patrozinien zu verzeichnen sind. Eine aufhellende Forschung dazu, die Gemeinsames und Trennendes sowie die zeitliche Abfolge beider Patrozinien in Sachsen untersucht, ist dringend vonnöten. Vorerst scheint nur sicher, daß beide Weihenamen, zumal wenn sie nebeneinander an einem Ort anzutreffen sind, den Hinweis auf einen Fernweg beinhalten. Das läßt sich deutlich erkennen in Pegau, Leipzig, Colditz oder Meißen und ist auch später während des Landesausbaues, der zusätzliche Straßen bringt, zu beobachten. Vermutlich am eindrücklichsten werden diese neuen Verhältnisse durch die sogenannte Frankenstraße markiert. Sie bekam rückblickend ihren Namen nach der Herkunft der Siedler, die sie benutzten, und entwickelte sich durch das Vogtland und entlang des Erzgebirgsfußes über den Elbtalkessel hinaus bis in die Oberlausitz. Auf diesem Wege haben Wilsdruff, westlich von Dresden, Freiberg, Chemnitz und östlich von Zwickau das Mülsental mit seinen benachbart liegenden Orten St. Jacob und St. Niclas wiederum beide Patrozinien nebeneinander. Das eigentlich Interessante ist hier jedoch weniger das Faktum der Doppelung, das wir schon kennen, sondern der darin beispielhaft enthaltene Hinweis, daß ein neu erschlossener Fernweg offensichtlich eine zusätzliche Route des Jakobsweges bieten könnte. Insgesamt kann der verstreute Befund von Jakobspatrozinien allerdings die Anbindung an die großen Straßen selten direkt belegen. Natürlich gab es, wie eben beschrieben, diese Verknüpfung. Aber gerade Mülsen St. Jacob zeigt, daß der Weg hier nicht über Zwickau genommen wurde. Vielmehr wendete er sich abkürzend nach Südwesten. War das häufiger der Fall: eine eigene Wegeführung, die nicht identisch ist mit je- Das Jakobspatrozinium in Sachsen 355 <?page no="366"?> ner der großen Straßen? Pesterwitz, südlich von Dresden, Gundorf, westlich von Leipzig und zugleich Ausgangspunkt einer breiten Auenpassage, und, in derselben Funktion, Oberthau westlich von Schkeuditz könnten jedenfalls alle in die sachlich gleiche Richtung weisen. Diese Beobachtung eines anscheinend variablen Wegenetzes läßt sich noch weiter vertiefen. Verwenden kann man dafür die bereits erwähnte Distanz Jakobsthal - Wurzen von ungefähr 40 km. Die Unterbrechung könnte, wiewohl ein Jakobspatrozinium nicht überliefert ist, in Dahlen, auf der Hälfte des Weges, gelegen haben. Gleichfalls sind aber noch zwei nach Südwesten abgehende Wege in Betracht zu ziehen: Einmal ist das der Weg nach Lonnewitz mit dortiger Jakobskirche, östlich nahe von Oschatz, und nächster Stützpunkt mag das Jakobshospital in Döbeln (Nikolaikirche) gewesen sein. Zum anderen ist aber auch eine Variante zu beachten, die sich nach der Jakobskirche in Mahlis, östlich von Mutzschen, richtet und sich von da aus mit dem folgenden Abschnitt nach Colditz (außerdem eine Nikolaikirche) gewendet haben könnte. Übrigens fällt die südlich von Colditz feststellbare Häufung des Jakobspatroziniums auf: in Tautenhain die Kirche, in Geithain (Nikolaikirche) das Hospital, in Obergräfenhain die Kirche und ebenso in Lunzenau, dort zudem mit mittelalterlicher früher Muldenbrücke. Das bereits zitierte Dahlen lenkt aber nochmals auf einen weiteren Gesichtspunkt. Das Hospital bei der dortigen Frauenkirche (älter wahrscheinlich eine Nikolaikirche und topographisch eine eigene Anlage am Rande der Stadt) macht es vorstellbar, daß Jakobspilger an sich zwar in eigenen Stützpunkten rasteten, Hospitäler unter anderer Schutzherrschaft aber ebenfalls in Anspruch nahmen. Ein ergänzendes Beispiel begegnet in Leipzig. Neben der außerhalb der Mauern liegenden Jakobssiedlung, die sich als Grundbesitz des Erfurter Schottenklosters gegen die Stadt abgrenzte, erbaute Markgraf Dietrich der Bedrängte von Meißen vor 1212 das Georgenhospital. 1439 ist beiläufig die Beherbergung von Pilgern genannt. War sie hier von vornherein vorhanden, und findet sich in Sachsen das Jakobspatrozinium teilweise so verstreut, weil weit öfter Hospitäler anderen Weihenamens die Jakobspilger betreuten? Rudimentär an die Überquerung der Gebirgspässe nach Böhmen erinnern Zittau und vielleicht (Bad) Gottleuba, südlich von Pirna. In Gottleuba hat das Jakobspatrozinium daneben noch eine speziellere Erklärung. Vermittelt wurde es, wie ebenfalls im nordöstlich von Pirna gelegenen Neustadt, von Neusiedlern aus Freiberg, die ihren Heiligen mitbrachten, als sie zur Erschließung des Bergbaus herangezogen wurden. Eine heimatliche Freiberger Beziehung besitzt offenbar auch die Jakobskirche in Niederau, östlich von Meißen. 356 Gerhard Graf <?page no="367"?> Abschließend sei noch auf sechs Beispiele des Jakobspatroziniums aufmerksam gemacht, die möglicherweise sämtlich in einer Beziehung zur Wallfahrt gestanden haben, jetzt aber nicht näher erläutert werden sollen: Berthelsdorf, südwestlich von Görlitz; Ortrand, eine Tagesreise östlich vom erwähnten Jakobsthal; das Pilgerspital in Dresden; Königswalde, östlich von Werdau; südwestlich von Chemnitz Stollberg im Erzgebirge und auf dem Wege nach Hof Oelsnitz im Vogtland. Eine Besonderheit bietet zu guter Letzt Kamenz in der Oberlausitz an der großen westöstlichen Straße: Hier bestand ursprünglich eine Kirche, die Philippus und dem jüngeren Jakobus geweiht war; nach einem Brand erbaute man an anderer Stelle vor 1225 eine Marienkirche. Außerdem gab es jedoch einst auch eine Jakobskapelle. Schaut man auf den Befund zurück, so erweist er sich ohne Frage als anregend; doch wird zugleich deutlich, daß eine eigentliche Bearbeitung noch aussteht. Die Eigenschaft als Wegepatrozinium verlangt, daß man nicht nur Routen im sächsischen Raum zu rekonstruieren hat, sondern daß dieses Wegenetz seinerseits nach allen vier Himmelsrichtungen einzubinden ist. Umgekehrt geht das jedoch nicht ohne landesgeschichtliche Forschung, weil erst die Summe der Einzelbefunde Linien und Eindeutiges erfassen läßt. Dabei sind nachgewiesene Jakobspatrozinien noch weiter zu interpretieren. So ist weder ausgeschlossen, daß sich die Zahl, wie beispielhaft gezeigt, weiter vermehren kann; noch ist andererseits sicher, ob der mehrfache Nachweis einer Glocke ein Kirchenpatrozinium sicher belegt (Berthelsdorf, Gundorf, Obergräfenhain, Oberthau). Und schließlich: Auch wenn man für den sächsischen Bereich zumindest von der Landkarte her keine Mühe hätte, alle Beispiele des Jakobspatroziniums mit der Pilgerfahrt in Verbindung zu bringen, so wird man vermutlich doch gut beraten sein, öfter und richtiger von einer Mehrfachfunktion auszugehen. Daß der ältere Jakobus wie in Chemnitz Schutzherr der Neustadt wird, begegnet zur gleichen Zeit, d. h. nach 1200, in vielen anderen Fällen nördlich und östlich von Sachsen. Und besonders anschaulich für die Vielfalt eines Patroziniums ist das von (Bad) Gottleuba: Der Beleg des Patroziniums ergibt sich aus der Glocke, und der Weihename wird erklärlich aus dem wiederholt zu beobachtenden Vorgang, daß Bürger Freibergs ihren Heimatheiligen mit in die Fremde nahmen. Überlegenswert ist aber auch die Tatsache, daß es sich bei (Bad) Gottleuba um den Ausgangsort für die Überwindung des Gebirgsweges nach Böhmen handelt. Doch sogar die sprichwörtlichen Hochwassernöte im Gottleubatal könnten eine Rolle gespielt haben. Hier, aber auch bei anderen Orten, entsteht der Eindruck, daß man den älteren Jakobus deshalb schätzte, weil man von ihm die lokale Bewah- Das Jakobspatrozinium in Sachsen 357 <?page no="368"?> rung von Weg und Steg, von Feld und Aue erhoffte. Auch der heilige Nikolaus ist übrigens in Sachsen teilweise mit diesem Wunsch angerufen worden. Ohne Klärung offener Detailfragen lassen sich jedoch verläßliche Aussagen zum Ganzen nicht machen. Es handelt sich, soviel ist jetzt bereits abzusehen, jedenfalls um ein weites Feld, das die Beschäftigung mit dem Jakobspatrozinium in Sachsen zu bearbeiten haben wird. Literatur: Herbert H ELBIG , Untersuchungen über die Kirchenpatrozinien in Sachsen auf siedlungsgeschichtlicher Grundlage (Historische Studien 361, Berlin 1940) (historische Einbindung teilweise überholt). Walter S CHLESINGER , Kirchengeschichte Sachsens im Mittelalter, 2 Bde. (Mitteldeutsche Forschungen 27, I/ II, Köln/ Graz 1962). Karlheinz B LASCHKE , Geschichte Sachsens im Mittelalter (Berlin 1990) (dort weitere Literatur). Handbuch der historischen Stätten Deutschlands 8: Sachsen, hg. von Walter S CHLESIN - GER (Stuttgart 1965, Neudruck 1990). Gerhard G RAF , Nikolaikirchen in Sachsen, in: Vergessene altdeutsche Gemälde (Veröffentlichung des Museums der bildenden Künste Leipzig), hg. von Herwig G U - RATZSCH (Heidelberg 1997) S. 124-130. D ERS ., Peterskirchen in Sachsen. Ein patrozinienkundlicher Beitrag zum Land zwischen Saale und Neiße bis in den Ausgang des Hochmittelalters (Europäische Hochschulschriften III, 834, Frankfurt/ Main usw. 1999). Resumen: La distribución de patrocinios en Sajonia está muy marcada por la colonización de los siglos XII y XIII. Santiago aparece nada menos que treinta veces - en poblaciones comerciales, hospitales, puentes (posiblemente también pasos por zonas húmedas). Además fue transferido por mineros de Freiberg a sus nuevos lugares de trabajo. A veces se encuentran patrocinios de Santiago en hospitales de peregrinos, pero estos igualmente podían estar dedicados a otros santos. Todavía faltan estudios complementarios, especialmente sobre las zonas lindantes septentrionales. 358 Gerhard Graf <?page no="369"?> Bf. - Bischof bibl. - biblisch D. - Diözese dt. - deutsch Dyn. - Dynastie Ebf. - Erzbischof Ebtm. - Erzbistum Fl. - Fluß Gf. - Graf Gfs. - Grafschaft hl. - Heilige/ er Hz. - Herzog Jh. - Jahrhundert K. - König Kgn. - Königin Kl. - Kloster Ks. - Kaiser Ksn. - Kaiserin N./ n. - Nord(en)/ nördlich O. - Ort O./ ö. - Ost(en)/ östlich P. - Papst poln. - polnisch(e, er, es, en) rum. - rumänisch S./ s. - Süd(en)/ südlich sh. - siehe ung. - ungarisch(e, er, es, en) W./ w. - West(en)/ westlich Register der Orts- und Personennamen bearbeitet von S USANNE B URKERT Das Register erfaßt neben dem Haupttext auch alle Namen aus den Anmerkungen, sofern sie nicht in bibliographischen Angaben enthalten sind. Ebenfalls nicht berücksichtigt sind moderne Autoren, Namen in den spanischen Zusammenfassungen, Bildlegenden, Schaubildern und tabellarischen Zusammenstellungen. Nicht aufgenommen wurde weiterhin Jakobus. Mittelalterliche Personen (bis Anfang/ Mitte 16. Jahrhundert) werden unter dem Vornamen angeführt. Personen und Orte aus Quellenzitaten sind kursiv gesetzt; auf die moderne Schreibweise wird jeweils verwiesen. Alternative Stichworte werden in Klammern beim Hauptstichwort vermerkt. Die Lage von Orten wird nur dann erläutert, wenn sie nicht im Duden (Wörterbuch geographischer Namen, Mannheim 1966) aufgeführt sind. Polnische, ungarische und rumänische Orte wurden unter dem geläufigsten Namen verschlagwortet, entsprechende Namen in anderen Sprachen sind in Klammern vermerkt. Dabei musste dem Gebrauch der jeweiligen Autoren gefolgt werden. Ortsbzw. Stadtteile sind unter dem entsprechenden Ort angeführt. Adjektive werden den entsprechenden Substantiven (z. B. „polnisch“ zu „Polen“), Personenbezeichnungen den entsprechenden Toponymen zugeordnet (z. B. „Pole“ zu „Polen“). Datenangaben beziehen sich bei Amtsträgern auf ihre Regierungszeit und wurden hinter dem entsprechenden Amt vermerkt; Lebensbzw. Sterbedaten sind entsprechend gekennzeichnet; bei Pilgern wurden Ziel und Datum nach Möglichkeit hinter der Person in Klammern vermerkt. Patrozinien sind unter dem entsprechenden Heiligen angeführt. Der Hinweis f. bei Seitenzahlen bezieht sich stets auf die Folgeseite, der Hinweis ff. stets nur auf die beiden nachfolgenden Seiten. Im Register werden folgende Abkürzungen verwendet: <?page no="370"?> Aachen, O. 13, 35, 76, 233, 240f., 244-251, 256, 333 Aarau, O. 182 Aaron, bibl. Gestalt 324 Abenberg, Abinberch, O. s. von Nürnberg, 192, 194 Abendland (Okzident) 177, 180, 185-188, 227, 289, 292, 353 Abraham, bibl. Gestalt 324 Abramowice, O. 128, 131 Acis, sh. Ákos Adala, Stifterin des Kl. Seeon 300 Adalbero, Bf. von Würzburg (1045-1085) 193, 198, 223 Adalbert Vojteˇ ch, hl., Bf. von Prag (983-997) 110, 114, 122, 292, 294, 297 Adalbert, Priester in Nagyvárad (13. Jh.) 309 Adam, bibl. Gestalt 259, 264 Adam Krafft (†1508/ 09), Bildhauer 262 Adam von Be˛ dków, Meister des Pontifikale von Bf. Strze˛ pin´ ski (15. Jh.) 108 Adelheid von Luden, Stifterin für Kl. Ebrach (12. Jh.) 196 Adelsheim, O. 226 Ademar von Chabannes (988-1034), Geschichtsschreiber 188 Admont, O. 343 Ado von Vienne, Ebf. (859/ 60-875), Geschichtsschreiber 187 Adria 310, 315-318, 320, 323, 340, 342, 346 Afrika (Nordafrika) 36, 137, 139, 179 Agatha, Nichte K. Stephans I. von Ungarn (11. Jh.) 338 Ägidius, hl. 312, 314, 343, 345f., 349 Agnes Finger(in) (Pilgerreise nach Rom und Jerusalem 1476/ 77), Görlitzer Witwe 274f. Agnetheln, O. 324 Ägypten 36 Aiud, sh. Enyed Ajtony, ung. Würdenträger (11. Jh.) 290f. Akko(n), O. 84, 311 Ákos (rum. Acis), O. nö. von Großwardein 304 Alba Julia, sh. Gyulafehérvár Albanien 293 Albanus, hl. 309 Albert Rinsmul der Ältere (13. Jh.) 211 Albert von Stade († nach 1265), Abt (seit 1232), Chronist 28, 32ff. Albertshofen, O. bei Würzburg 208 Albrecht von Sachsen (Pilgerreise nach Rom und Jerusalem 1476/ 77), Hz. 274 Aldhelmus von Malmesbury (†709), Abt (seit 675), Bf. von Sherborne 178, 181, 186 Alemania (Alemannisch) 168, 183, 186f. Alexander Soltan (adlige Ritter- und Hofreise 1467-1469), litauisch-ruthenischer Adeliger 58 Alfons II. (†842), K. von Asturien 23 Alfons III., K. von Asturien (866-910) 178f. Alfons VI., K. von Kastilien und León (1072-1086) 294 Alfons II., K. von Aragón (1162-1196) 308 Allersberg, O. 208 Al-Mansur bi Ila¯ h (†1002), faktischer Herr von al-Andalus seit 978 294 Alpen 31, 34, 139f., 142, 181, 341, 343, 346 Alsópián, sh. Deutsch-Pien Altdorf, O. bei Nürnberg 194, 207 Altenburg, O. 47 Altenmünster, O. nw. von Augsburg 220 Altenstadt, O. 206 Altmannshausen, sh. Bibart Altsohl (Zvolen), O. 348 Amberg, O. 206 Ambrosius (Ambrosianisch), hl., Bf. von Mailand (374-397) 141 Ammerthal, O. bei Amberg 206 Amorbach, O. 213 Amrhein 220 Ananius (Agnan) († im 1. Jh.), hl. 297 Anastasius von Gran, Bf. (1001-1036/ 39) 302 Anastasius, Benediktinermönch im Kl. Brˇ evnov (10. Jh.) 292 Anatolien 295, 340 Andreas, Apostel 122, 139, 144f., 147, 176ff., 220, 192, 317, 323f., 351 Andreas (heiliggesprochen 1083), Einsiedler 297, 342 Andreas I., K. von Ungarn (1046-1060) 296ff., 300, 309 Andreas II., K. von Ungarn (1205-1235) 304, 307, 322, 328, 338 Andreas aus Ostoleka (Geleitbrief 1404), Sohn des gleichnamigen Woiwoden von Masovien 88 360 Register der Orts- und Personennamen <?page no="371"?> Andreas Catán, Begleiter von Pilgergruppen nach Compostela (15. Jh.) 316 Andres, Kl. von 188 Anjou, Dyn. (angevinisch) 10, 70, 85f., 323, 342 Anna von Cilli (†1416), Kgn. von Polen, Ehefrau Ladislaus’ II. 88 Anna, hl. 102, 104, 251, 326, 328, 351 Ansbach, O. 195f., 202f., 208, 217 Antiochia, O. 338 Antoine de la Sale (1385-1460), französischer Dichter 90 Antonio Bonfini, Historiker (15. Jh.) 298 Antoniter, Orden 348f. Antoniter-Tal, Talweg vom Dunajec 348 Antonius, hl. 208, 315, 324, 332 Antoniushave, O. 256 Apollonia, hl. 216 Apátkolos, sh. Velky Klíz Aquileia 287 Aquitanien 332 Aracs (dt. Aratsch, rum. Novi Becej) 292 Aragón, O. 5f., 9f., 12, 15, 58, 85, 87ff., 161, 307f., 316 Aranyosmarót, sh. Zlaté Moravce Aratsch, sh. Aracs Arca Marmarica (Arcis Marmoricis), O., an dem sich das Jakobusgrab befinden sollte 23 Aribo II., Ebf. von Mainz (1021-1031) 300 Aribonen, Adelssippe im bayerisch-österreichischen Raum 14, 298f., 300f. Arlberg, O. 343 Armenien 57, 140 Arno, Bf. von Würzburg (855-892) 46 Arnau, O. 63 Arnd Polemann (Altermann), Stralsunder Testator (15. Jh.) 248 Arnold (von) Harff (niederrheinischer Santiagopilger 1496-1498) 28f. Arnstein (a. d. Wern), O. 227 Arnulf von Kärnten, ostfrk. K., Ks. (887-899) 299 Árpád († nach 907), führende Gestalt der ung. Landnahme 288 Arpaden, Dyn. 290, 323, 336, 339 Àrpás, O. und Kl. 305, 321 Arrabona, römische Siedlung, Ursprung des heutigen O. Györ, sh. Györ Artelshofen, O. auf der Fränkischen Alb 216 Arzlohe, O., Gemeinde Pommelsbrunn im Nürnberger Land 207 Aschaffenburg, O. 203, 221, 226f. - St. Agatha, Pfarrei in Aschaffenburg- West 221 Asien 288 Astrik (Asrik), Abt von Pécsvàrad, Ebf. von Kalocsa (1000-1034/ 1046) 291f., 302 Asturien (Nordasturien) 1, 8, 20-23, 77, 142 Attelsdorf, sh. Billak Attila, Herrscher des hunnischen Großreiches (434-453) 338 Auenstein, O. 216 Auerbach, O. 195 Augsburg, O. 36, 38, 72, 198, 202, 204f., 233, 288 August II., der Starke, Kürfürst von Sachsen (1694-1733), K. von Polen (1697-1706, 1709-1733) 49 Augustiner, Orden 311, 320, 343 Aurach, Fl. 204 Avignon, O. 35, 85, 87 Awaren, asiatisches Reitervolk 287, 301 Bács (Bac), O. 304, 314 Bad Kissingen, O. 211 Bad Orb, O. 203 Bad Wimpfen am Neckar, O. 202 Badanachgau, begrenzt von Main, Welz und Tauber 198 Baden-Württemberg 183 Bakony, O. 305f. Bakonybél, O. 292, 342 Bakonyszentjakab, O. 305ff. Baldrich II., Bf. in Lüttich (11. Jh.) 310 Balduin, Gf. (11. Jh.) 296 Balkan 14, 66, 289, 293, 316, 318, 327, 340 Balthasar Salfeldter, Eheman der Benigna Horschel (15. Jh.) 272 Baltikum 36 Bamberg, O. 191-195, 199f., 203, 206, 210, 213, 217, 219, 223, 225f. Barnabas († 61 n. Chr.), hl. 145 Banska Bystrica (Neusohl), O. 347f. Barban, O. in Istrien 318 Barbara, hl. 109f., 318 Barc, Kumanenfürst 328 Bardejov (dt. Bartfeld, ung. Bártfa), O. 346, 348f. Register der Orts- und Personennamen 361 <?page no="372"?> Bari, O. 171, 247, 312, Barnim VI. (†1405), Hz. von Pommern 250 Bártfa, sh. Bardejov Bartfeld, sh. Bardejov Barthélemy Bonis de Montauban (Rompilger 1350) 28, 35 Bartholomäus, hl. 79, 96, 122, 144f., 147, 214, 333 Bartholomäus, Apostel 139 Bartholomäus Scultetus (1540-1614), Görlitzer Astronom und Mathematiker 272 Bartosz der Ältere, aus Wesemborg 90 Basel, O. (Baselland) 33, 182 Basileios II., byzantinischer Ks. (976-1025) 290 Baudouin, Gf. von Guines, vermutlich Gründer des Kl. Andres (11. Jh.) 188 Bautzen, O. 47, 52, 271, 353 Bayern (Altbayern, Oberbayern) 14, 83, 101, 146, 183, 185, 187, 289, 290f., 296, 299ff., 303, 330, 341 Bayonne, O. 38 Bayreuth, O. 170, 203f., 206, Beata Maria V., sh. Maria Beda Venerabilis (673/ 74-735), Mönch und Gelehrter 181 Beilngries, D. 222 Béla I., K. von Ungarn (1060-1063) 297, 300 Bela III., K. von Ungarn (1172-1196) 308, 327 Béla IV., K. von Ungarn (1235-1270) 305, 312, 315, 325, 339 Belgien 101, 295 Belgrad, O. 335 Benedikt, hl. 182, 255, 297 Benedikt (heiliggesprochen 1083), Eremit 297, 305 Benedikt XIII. (Pedro de Luna), P. (1394- 1417) 89 Benediktbeuren, Kl. 182 Benediktiner 116, 129, 141, 181, 184, 194-197, 213, 223, 289, 291f., 294f., 298f., 301-304, 306, 310, 316f., 319, 324, 345ff. Benigna Horschel, Görlitzer Bürgerstochter (15. Jh.) 270ff., 278 Bény, sh. Bina Berching, D. 216, 222 Berg, O. bei Hof 211 Bern, O. 37, 72 Bernard Maciejowski, Bf. (17. Jh.) 101, 119 Bernbrunn, O. im Landkreis Heilbronn 226 Bernd Heket (Hecht), Stralsunder Testator (15. Jh.) 237 Berneck, O. 195 Bernhard von Breydenbach (Bernhard Breitenbach) (Pilgerreise ins Heilige Land 1483) 14, 265, 318 Bernhard von Clairvaux, Mönch, Abt (1115-1153) und Prediger 102 Berolzheim, O. bei Weißenburg (Bayern) 217 Bertalan (Berthold), Bf. von Pêcs (1219-1252) 307f. Berthelsdorf, O. sw. von Görlitz 357 Berthold Frikko, Stifter in Eichstätt (14. Jh.) 205 Berthold von Sternberg, Bf. von Würzburg (1267-1287) 197 Bertold von Regensburg (um 1210-1272), franziskanischer Prediger 255 Besançon, Ebtm. 182 Bestwina, O. 124, 127, 130f. Beudorf, O. in Moldawien 215 Beuvron, O. 188 Bial / ystok, D. 117 Bibart (Markt), O. 207 Biberach, O. 202 Biecz, O. 87 Bielsko-Z˙ ywiec, D. in Polen 131 Bihar (Biharia), O. 296, 309, 338 Biharugra, O. nahe Nagyvárad 309 Bildhausen, Zisterzienserkl. in der D. Würzburg 199 Bilina, O. 48 Billak (ung. Bilak, rum. Domnesti, dt. Attelsdorf), O. nö. von Klausenburg 325 Bimbach, O. bei Fulda 226 Bina (ung. Bény), O. 346 Binsbach, O. bei Schweinfurt 221 Biograd na Moru, O. 317 Biskupice, O. 87 Blasius Börer, Baumeister (15. Jh.) 276 Blasius von Trogir, Maler (15. Jh.) 318 Bludenz, O. im Vorarlberg 182 Bludesch, O. im Vorarlberg 182 Bobbio, Kl. in Oberitalien 141 Bodensee 25 362 Register der Orts- und Personennamen <?page no="373"?> Bodstedt, O. an der Ostsee 250 Boemund I., Fürst von Antiochien (1098-1111) 332 Boente, O. 179 Bogomilen, Bogumilen, dualistische Häretiker 289, 327 Bogucice, O. 124, 128-131 Böhmen (Mittelböhmen) 17, 47f., 52, 64, 67, 69, 71, 73, 76, 91, 165202, 278, 339, 341, 344, 353, 356f. Boian, sh. Mezöbö Bojisce, O. neben Nin 317, 343 Bolesl / av III. Krzywousty (Schiefmund), Fürst von Polen (1107/ 08-1138? ) 345 Bolesl / aw I. Chrobry, K. von Polen (992-1025) 47, 339 Bologna, O. 176, 306 Bonifaz (Bonifatius), hl. 182, 184, 190, 215 Bonifaz VIII. (Benedetto Caetani), P. (1294-1303) 244 Bonifaz (Bonifatius) IX., P. (1389-1404) 314 Boritz/ Merschwitz, Elbquerung in Sachsen 46 Bosnien 327 Bosporus 329 Botho (†1104), Pfalzgf. („Gf. von Botenstein“) 299-301 Bozen, O. 33 Bozok, Kl. (heute Bzovík in der Slowakei) 343 Braller (ung. Brullya, rum. Bruia), O. in Siebenbürgen 323 Brasov, sh. Kronstadt Brassó, sh. Kronstadt Bratislava (Preßburg), O. 300, 349 Braunschweig, O. 182f. Bremen, O. 184, 226 Brenner, Alpenpass 32ff. Breslau (Wrocl / aw), O. 17, 37f., 52, 59, 72, 78, 91, 97, 99, 104f., 108f., 149, 165, 262, 310, 343, 345f. Bretagne 181, 295 Brˇevnov, Kl., heute in Prag 292, 342 Briege, O. 89 Brigitta, hl. 255 Britische Inseln, sh. England Brixen, O. 180 Brno (dt. Brünn), O. 311, 345 Brück, O. 219 Brückenau, O. 220 Brügge, O. 8, 28f., 36f., 39 Bruia, sh. Braller Brullya, sh. Braller Brünn, sh. Brno Bruno, hl., Benediktinermönch aus Sankt Gallen, ung. Bf. (ab 972) 289, 292 Brüssel, O. 37, 90 Brüx (Most), O. 48 Brzeg (Brieg), O. 99 Brzesko, O. 128-131 Buch, O. 220 Buchbach (Markt), O. bei Landshut 182 Büchenberg, Bergwerk im Harz 226 Buda (Ó-Buda, Altofen), O. 77, 302f., 311, 313, 350 Budapest, O. 320, 331, 339 Budaszentlörinc, Kl. 306 Bühl, O. 210 Bukarest, O. 330 Bulgarenreich 288ff., 293, Burghasloch, O. bei Bamberg 211 Burgpreppach, O. in Unterfranken 204 Burgund 58, 142, 186, 188, 294 Burgwindheim, O. bei Bamberg 197, 211 Burkhard(t), hl. 193, 196 Burzenland 322, 326, 331ff. Buttendorf, O., Gemeinde Markt Roßtal im Landkreis Fürth 215 Buttenheim, O. bei Bamberg 204 Byzanz („Turkis“, Bezeichnung für Byzanz in Ungarn) 141, 177, 286-290, 293, 297, 315, 317, 321, 327, 341 Cahors, O. 176 Calixtus, Märtyrer (†222) 139 Caltagirone, O. 189 Campulung Muscel (dt. Langenau, ung. Hoszúmezö), Longo Campo, O. 15, 326-329 Canterbury, O. und Ebtm. 30, 31, 35, 247, 254 Castell, Gf.en 197 Castellare, O. 189 Cenad, sh. Csánad Cerceda, O. 179 Cerveny Klastor (Rotes Kloster) 348f. Ceuta, O. an der Nordspitze Marokkos 90 Cham, O. am Zuger See 182 Champagne 33 Chaucer, Geoffrey (1340-1400), englischer Dichter 65 Register der Orts- und Personennamen 363 <?page no="374"?> Chazaren, nomadisches Türkvolk 286, 288 Chemnitz, O. 49, 51, 53, 355, 357 Chemnitzfluß, Fl. 47 Choszczna, O. 79 Christiansdorf, ursprüngliche Siedlung der Stadt Freiberg 53 Christophorus, hl. 129, 143, 148, 180, 184, 316 Christus/ Christi, sh. Jesus Ciovo, O. 318 Cîteaux, Orden von, sh. Zisterzienser Clavijo, O. in Kastilien 130 Clawes Bolte, Stralsunder Testator (15. Jh.) 237 Clawes Hegher, Stralsunder Testator (15. Jh.) 248 Clawes Quastenberch, Stralsunder Testator (15, Jh.) 249 Clawes Sarnyn, Stralsunder Testator (16. Jh.) 256 Clawes Vruwendorp, Stralsunder Testator (14. Jh.) 238 Clemens de Mokrsko (Reise nach Compostela 1379), Hofmann Ludwig I. von Ungarn und Polen 85 Clemens VI. (Pierre Roger), P. (1342- 1352) 244 Clemens VII. (Robert von Genf), Gegenp. (1378-1394) 86 Clemens, Kastellan von Radom (14. Jh.) 86f. Cluj, sh. Kolozsvár Cluj-Manastur, sh. Kolozsmonostor Cluny, Cluniazenser, Kl. und Kl.verband 187f., 193, 212, 222, 293f., 301f., 307, 345 Coburg, O. 204, 206 Colditz, O. und Burg 355f. Compostela, sh. Santiago de Compostela Conches, Kl. in der D. Evreux 188 Córdoba, O. 71, 180 Cornelius, hl., P. (†253) 139 Cornwall, Region 181 Cort Schunemann, Stralsunder Testator (15. Jh.) 237 Corvinus, hl. 351 Creußen, O. s. von Bayreuth 206 Csaba, Sohn des Hunnenk. Attila 338 Csanád (rum. Cenad), O. 289, 292, 295, 297, 302, 314 Csanád, Heerführer Stephans I. von Ungarn 291 Csatár, O. bei Großwardein 303 Csépan, Gf. von Bács (Anfang 13. Jh.) 304 Csepel Insel, Donauinsel in der Gegend von Buda 303 Csiksomlyó (heute Miercurea Ciuc), O. 335 Csorna, O. 305 Curtea de Arges¸, O. 328 Custenlohr, O. im Kreis Uffenheim (Mittelfranken) 219 Cyprianus, hl. 139 Cythera, mythische Insel 170 Czersk, Teilfürstentum in Masovien 87 Czerwin´ sk (Mazowsze), O. 96f. Czestochowa (dt. Tschernstochau), O. 306 Da˛brówka, O. bei Zba˛szyn 80 Dagobert I., merowingischer K. (623/ 29-638) 189 Dahlen, O. bei Wurzen 356 Dalmatien 14, 298, 315-319, 327 Dalowice, O. 88 Damian de Goes, portugiesischer Chronist und Botaniker (16. Jh.) 91 Dänemark 63, 241, 289, 338 Daniel, Bf. von Prag (1148-1167) 344 Dankwart, Karol, Künstler (16./ 17. Jh.) 102 Danzig (Gdan´ sk), O. 72, 78, 80, 99, 169, 235 Daßwang, O. in der Oberpfalz 219 David, bibl. Gestalt 140 David, Sohn K. Malcolms III. von Schottland (11. Jh.) 338 Dax, O. 204 Deáki, s. Diakovce Deining, O. 196 Demetrius, hl. 316 Desiderius, Bf. von Cahors (630-655) 176 Dettelbach, O. bei Würzburg 219, 224 Dettwang, O. bei Rothenburg ob der Tauber 202, 205, 211f. Deutenbach, O. bei Nürnberg 216 Deutscher Orden (Deutschorden) 10, 60, 68f., 86, 89, 110, 130, 212, 224, 322, 326, 328 Deutschland (Deutsches Reich, Norddeutschland Oberdeutschland, Süddeutschland, Südwestdeutschland Mitteldeutschland, Niederdeutschland, 364 Register der Orts- und Personennamen <?page no="375"?> Heiliges Römisches Reich, „Teutonen“) 1, 4, 6, 9, 11f., 15, 17, 29, 31, 33, 36f., 39, 52f., 59, 71ff., 77, 79, 87, 91, 163ff., 168, 180f., 183-187, 200, 218, 222, 226, 234f., 239, 259, 261, 273f., 286, 290ff., 297, 300f., 311, 313, 320, 322-326, 329, 331, 334, 336, 340f., 348 Deutsch-Pien (ung. Alsópián, rum. Pianu de Jos), O. bei Vintu de Jos (Rumänien) 325 Deventer, O. 32 Diakovce (ung. Deáki), O. 346 Dietershan, O. bei Fulda 226 Diethfurt, D. 219 Dietrich der Bedrängte, Markgf. von Meißen (†1221) 356 Dietrich Kemesse, Stralsunder Testator (14. Jh.) 237 Dietrich von Kotzau, verm. Sifter (10. Jh.) 205 Dietrich, Freund → Johannes de Rakens 245 Döbeln, O. 356 Dohna, O. 48 Dollnstein, O. bei Eichstätt 210 Domnesti, sh. Billak Dominikaner, Dominikanerinnen, Orden 79, 116, 126, 306, 318, 326-331, 333, 339 Dominikus, hl. 116 Domonkos, Ebf. von Esztergom (11. Jh.) 291 Donatus, hl. 317 Donau, Fl. 290, 293, 313, 320, 322, 329, 339f., 343, 350 Dorf Allendorf, O., heute als Allendorf Ortsteil von Bad Salzungen 226 Drau, Fl. 343 Drauz, sh. Dravce Dravce (dt. Drauz, ung. Szepesdaróc), O. in der Slowakei 349 Dreikronenberg, Berg 348 Dresden, O. 37, 49, 274f., 355ff., Drohiczyn, D. 117 Dubrovnik (Ragusa), O. 15, 310, 315f., 318f. Dunajec, O. 348 Dunin von Skrzynno, Schreiber und späterer Vizekanzler des K. Ladislaus II. Jagiello (etwa 15. Jh.) 89 Dunzendorf, O. bei Niederstetten im Main-Tauber-Kreis 226 Durazzo (heute Durres in Albanien), O. 293, 309 Düren, O. 247, 328 Dürrenmungenau, O. bei Ansbach 211 Durres, sh. Durazzo Dvigrad, Ruinenstadt in Istrien (bei Kanfanar) 318f. Dyonisius Széchy, Ebf. von Gran (1440-1465) 331 Eberhard (†1004), Abt von Kl. Seeon 301 Eberhard Zentgraff, Rektor der Ewigvikarie im Spital zu Neustadt/ Saale (15. Jh.) 213 Ebermannstadt, O. 206, 215 Ebern, O. 204 Ebing, O. n. von Bamberg 199 Ebrach, O. und Zisterzienserkl. 196f. Ebro, Fl. 20 Echternach, Kl. 190 Edmund II. Ironside (†1016), K. von England 338 Edmund, Sohn des englischen K. Edmund Ironside 338 Edward, (the Exile) (†1057), Sohn des englischen K. Edmund Ironside 338 Effeldorf, O. bei Würzburg 220 Eger (Cheb), O., Egerland 47f., 207 Eger (Erlau), O. 313f., 350 Egilbert, Bf. von Bamberg (1139-1146) 195 Egres (Igris), Kl. 327f. Ehingen, O. in der D. Wassertrüdingen 196 Eibelstadt, O. 204 Eibenstock, O. 47 Eichstätt, O. und D. 191-194, 196, 198, 205f., 216, 219, 225 Einsiedel, sh. Remete Einsiedeln (Eensedelingen, Ensedelen), O. und Kl. 35, 233, 237, 241, 244, 246f., 249, 256 Eisdorf, sh. Homorodjánosfalva Eixen, O. zwischen Rostock und Stralsund 256 Ekkebert von Gorze (†1076), Mönch in Gorze, Abt von Münsterschwarzach 193, 195, 200, 223 Elbe, Fl. 41, 46, 354f. Elbersberg, O. in der Fränkischen Schweiz 198 Elbertsroth, O. bei Ansbach 208 Register der Orts- und Personennamen 365 <?page no="376"?> Elipandus, Ebf. von Toledo (750 - nach 798) 20 Elisabeth Lokietek, Kgn. von Ungarn (1320-1342) Regentin in Polen (1370-1380) 85f. Elisabeth von Thüringen, hl. 104f., 222, 313ff., 321, 327, 339 Ellingen, O. 215 Ellwangen, O. 199 Elsaß 184, 253 Elster, Fl. 46 Emerich (auch Emmerich, Emrich), Familie 268 Emmeram, hl. 287, 296 Emmerich, hl., Sohn K. Stephan I. von Ungarn (11. Jh.) 292, 295, 297 Emsing, O. bei Nürnberg 215 Enchenreuth, O. w. von Hof 207 Engelberg, O. 216 England (Britische Inseln, Südwestengland) 29, 31, 39, 58, 60, 73, 77, 84, 87, 90f., 143, 165f., 168, 178, 181, 254, 332, 338 Ennsburg, Grenzfestung bei Linz 300 Enyed (rum. Aiud, dt. Straßburg am Mieresch), O. s. von Klausenburg 335 Erfurt, O. 37, 52, 184, 353f., 356 Erhard Etzlaub (†1532), Nürnberger Kartograph, Mathematiker und Astronom 36f., 39 Erhard Reuwich, Buchdrucker und Graphiker (15. Jh.) 14, 265, 267 Erhard, hl. 205 Erich Lassota von Steblau (1581), schlesischer Adliger 59,165 Erkenbrechtshausen, Stadtteil von Crailsheim 199 Erlangen, O. 210 Ermland 98, 101 Erpo (Palästinapilger 1091), Bf. von Münster (1085-1097) 301 Erzgebirge 52, 355, 357 Eschenau, O. 206 Eschenbach, O. 182, 195, 206 Esrom, Zisterzienserkl. 63 Esztergom (Gran), O. 291, 296, 302, 306, 311ff., 321, 331, 343, 346ff. Etainhus, O. in der Normandie 188 Etzelskirchen, O. im Landkreis Höchstadt/ Aisch 195 Eufemia, Schwester K. Ladislaus von Ungarn (11. Jh.) 343 Eugen III., P. (1145-1153) 343 Eulogius, hl. 215 Europa (Alteuropa, Nordeuropa, Osteuropa, Südosteuropa, Westeuropa, Mitteleuropa, Zentraleuropa) 7f., 16, 20, 24f., 27, 29f., 33, 36-39, 58-61, 63, 67ff., 70, 73, 75f., 83, 89, 90f., 93, 97, 115, 120, 124, 142, 152, 159-168, 170- 173, 175, 180, 201f., 227f., 231, 233, 285, 288f., 292ff., 297, 303, 310ff., 315f., 320f., 328f., 332, 340ff., 344f., 350f. Eusebius, Bf. von Cäsarea (260/ 64-339/ 40), Theologe und Historiograph 115 Eusebius, Gründer des Piliser Kl. 307 Evermarus von Friesland († ca. 700), hl. 186 Evreux, D. 188 Ewald (Enwolde, Enwoldesche, St. Enwolde), hl. 237, 247, 249f., 252f. Exeter, O. 143 Exsen, O. 256 Fahrenbach, O. ö. von Heidelberg 226 Fatal, mozarabischer Bf. im Kl. Samos (9. Jh.) 180 Felicitas, hl. 139 Felix Fabri (Reise ins Heilige Land 1483), Dominikaner aus Ulm 318 Ferdinand I., K. von Aragón (1412-1416) 89 Ferdinand II., K. von Aragón (1479- 1504/ 16) 316 Feucht, O. 204 Feuchtwangen, D. 216 Filip Jasmierski, Magnat in Ruthenien (15. Jh.) 90 Filipo Scolari (†1427), Condottiere, Gf. von Temes 312 Finisterre, Kap im NW. der Iberischen Halbinsel 23, 65 Fischbach, O. 214 Fladungen, sh. Heufurt Flandern 31, 36, 166, 168, 310, 313, 322, 328, 334, 343 Fleury, Abtei von 188 Florenz, O. 312 Florian von Mokrsko, Bf. von Krakau (1367-1380) 86 Florus von Lyon († um 860), Theologe, Diakon 187 Fontana, Baltazar, Stukkateur (17./ 18. Jh.) 102 366 Register der Orts- und Personennamen <?page no="377"?> Fontáo (Pontevedra), O. 180 Forchheim, O. 210 Formade, O. 179 Francisco de Arguiro, Begleiter von Pilgergruppen nach Compostela (15. Jh.) 316 Franken (Frankenland, Frankenstraße, Frankenwald, Oberfranken, Ostfranken, Mainfranken) 13, 20, 49, 51ff., 52, 140, 175f., 182, 189-193, 200ff., 204, 206, 212, 214, 217f., 222-225, 228, 287f., 297, 324, 355, Frankfurt am Main, O. 52, 78 Frankfurt an der Oder, O. 353f. Franko, Domherr von Verdun, Bf. in Siebenbürgen (Mitte 11. Jh.) 296 Frankreich (Nordfrankreich Südfrankreich) 28f., 31f., 34, 36, 58, 69, 73, 77, 85, 87, 90f., 159f., 162f., 165, 168, 170, 172, 180, 214, 292f., 295, 297, 302, 304, 307, 311, 312, 327, 332, 327, 344 Franz Xaver (Franz Xavier), hl. 102, 218 Franziskaner (Minoriten), Orden 199, 321, 326, 328 Frechulf, Bf. von Lisieux (ca. 823-853) 187 Freiberg, O. 48f., 51, 53, 355, 356, 357 Freising, O. 143, 145, 181, 205 Friedrich der Jagiellone, Kardinal (15. Jh.) 149 Friedrich Herlin (†1500), Holzschnitzer 347 Friedrich I. Barbarossa, Ks., K. (1152- 1190) 311, 344 Friedrich III., Ks., K. (1435-1493) 91 Friedrich, Hochmeister des Deutschen Ordens und Kurfürst von Sachsen (1498-1510) 110 Friesland 178, 186 Frihuriod, O. in der D. Bamberg 203 Fritzlar, O. 184 Frühbuß (Prˇ ebuz), O. 47 Fulda, O. 35, 195, 205, 226 Fulko Nerra (Pilger 1002), Gf. von Anjou 295 Fünfkirchen, sh. Pecs Fünfstetten, O. n. von Donauwörth 216 Furth, O. 43 Gabriel Tetzel (Pilgerreise durch Europa 1465-67), Nürnberger Ratsherr 90 Gadheim, O. 197 Galicien 8, 14, 19ff., 23ff., 69, 83, 115, 177, 179f., 189, 227, 231 Galilea 114 Gallien (Gallia, Nordgallien) 138, 140, 142, 163, 176ff., 182f., 186, 295, 311 Gallus Anonymus, Benediktiner, Chronist (12. Jh.) 345 Gallus, hl. 296 Garmszentbenedek, sh. Hronsky Benadik Gaukönigshofen, O. bei Würzburg 198, 226 Gdan´ sk, sh. Danzig Gebhard, Gf. (11. Jh.) 296 Gebsattel, O. im Landkreis Ansbach 202 Geiselwind, O. bei Würzburg 226 Geithain, O. 356 Gelence (dt. Gelentz, rum. Ghelinta), O. in Siebenbürgen 15, 335ff., 341f. Gelentz, sh. Gelence Gelre, Herold der Hzge. von Geldern (14. Jh.) 65 Gemünden am Main, O. 198, 207 Genf, O. 37, 52 Genfer See 31 Gent, O. 78, 347 Georg Emerich (Jerusalemreise 1465), ab 1483 Bürgermeister von Görlitz 14, 262, 268-272, 274f., 277f. Georg Holtzpuger, Nürnberger Bürger, Stifung 1490 216 Georg von Podiebrad (Podeˇ brad), K. von Böhmen (1458-1471) 90, 271f. Georg, hl. 79, 130, 216, 304, 309, 314, 356 Georgis von Sˇ ibenik, Kathedralbaumeister (15. Jh.) 318 Gepiden 287 Gerabronn, O. 215 Gerhard Kannemaker, Stralsunder Testator (14. Jh.) 238 Gerhard von Cenad, (Gellert, hl.), Bf. von Csanád (um 1030-1046) 295ff., 302, 314 Gerhard von Sagrado (Szent Gellért), Benediktinermönch (11. Jh.) 292 Gerhard Zwolle, Stralsunder Testator (14. Jh.) 248 Gerhard, Einsiedler (11. Jh.) 305 Gerlach, Propst aus dem Würzburger Raum 227 Germanen (germanisch) 178 Geroldsgrün, O. w. von Hof 211 Gerolzhofen, O. 203 Register der Orts- und Personennamen 367 <?page no="378"?> Getreu, hl. 217 Getrud de Celle, Stralsunder Testatorin (14. Jh.) 249 Géza I., K. von Ungarn (1074-1077) 297ff., 346f. Géza II., K. von Ungarn (1141-1162) 311, 322, 330 Géza, Großfürst von Ungarn (972-997) 289-293, 296, 299, 301, 320f. Ghelinta, sh. Gelence Giebl / o, O. 128, 131 Gilles li Muisis (†1352), Abt des belgischen Kl. St. Martin in Tournai, Historiograph 28, 35 Gimbas, sh. Marosgombs Gisela (985-1060), Kgn. von Ungarn, Frau Stephans I. 290f., 296, 299, 301 Glatz (Klodzko), O. 268, 343 Gleißenberg, O. im Oberpfälzer Wald 211 Gliwice (Gleiwitz), D. 131 Gl / usk, O. bei Lublin 109 Gl / uszyna, O. nahe Posen 79, 109 Gnesen (Gniezno), O. 11, 85, 86, 98, 107, 117, 120, 122, 124f., 129, 139, 143, 146, 149 Gniewosz aus Dalowice (Geleitbrief 20.11.1404) 88 Gniewosz der Ältere aus Dalowice, Unterkämmerer von Krakau (14. Jh.) 88 Godekin Huxel, Stralsunder Testator (14. Jh.) 249 Goiriz, O. in Galicien 179 Gollachostheim, O., Gemeinde Gollhofen, sö. von Würzburg 207 Golme, „Colmen“, O. 237, 246-249 Góra Ropczycka, O. 128f., 131 Görgey, ung.e Familie 348 Görkau (Jirkov), O. 48 Görlitz, O. 13, 14, 38, 52, 78, 259-262, 266-269, 271f., 274f., 277f., 353, 357 Gorze, Kl. 183, 193f., 196, 222f. Gos´cików-Paradyz (Paradis, Ziemia Lubuska), O. 103 Göss, Kl. 301 Gostyn, O. 87 Goten (Westgoten) 20f., 142, 287 Gottesburen, O. 248 Gottfried von der Bretagne (Jerusalempilger etwa 1002-1010) 295 Gottfried von Hohenlohe-Brunneck, Stifter (14. Jh.) 210 Gottfried von Wida, Stifter (14. Jh.) 97 Gotthalm, Bote des Maolsheachlein II. von Tara (11. Jh.) 340 Gottleuba (Bad), O. s. von Pirna 356f. Gottschalk Ernst, Stralsunder Testator (15. Jh.) 254 Gottschalk Ludenscheid, Stralsunder Testator (14. Jh.) 248 Gotzing, O. 341 Grabfeld, Landschaft in Unterfranken 219 Graef Petrus, Stadtrichter von Kronstadt (15. Jh.) 333 Gran, sh. Esztergom Granada, O. 89 Graz, O. 332, 346 Greding, O. 206, 215 Gregor der Große, hl., P. (590-604) 30 Gregor VII., P. (1073-1085) 193 Gregor von Tours, hl., Bf. (573 - nach 593) 177 Gregor XII., P. (1406-1415) 255 Greifswald, O. 160 Greßhausen, O., Gemeinde Gädheim, Landkreis Haßberge 219 Grete Willeken, Stralsunder Testatorin (14. Jh.) 237 Griechenland 58, 177, 289, 316 Grimou, Alexis (1678-1733), französischer Maler 170 Grodno, O. in Nordpolen 102 Großenhain, O. im NO. Sachsens 52 Großer Sankt Bernhard, Pass 32 Großheubach, O. 216 Großlangheim, O. im Landkreis Kitzingen 215 Großostheim, O. 221 Großwardein, sh. Nagyvárad Grzebsk (Masovien), O. in der Provinz Warszawa 125 Guines, O. bei Calais 188 Gumbertus, hl. 195, 208 Günching, O. ö. Neumarkt in der Oberpfalz 221 Gundekar II., Bf. von Eichstätt (1057- 1075) 193ff. Gundorf, Ortsteil von Böhlitz-Ehrenberg, w. von Leipzig 356f. Günther, Schwager Stephans I. von Ungarn (11. Jh.) 305 Gunzenhausen, O. 212, 216 Gutkeled, ung. Geschlecht 303 368 Register der Orts- und Personennamen <?page no="379"?> Guttenberg, O. bei Altötting 210 Gützingen, O. s. von Würzburg 220 Gyöngyös, O. 350 Györ (dt. Raab), O. 320f. Györ, ung. Geschlecht 298, 304 György, Ebf. von Kalocsa (11. Jh.) 296 Gyula (Stephanos), ung. Fürst (10. Jh.) 288ff. Gyulafehérvár (rum. Alba Julia, dt. Weißenburg, später Karlsburg), O. 321 Habsburg, Dyn. 65, 165, 167 Hadrian, hl. (ung. Adorján) 297 Hafenlohr, O. im Spessart 203 Hafenpreppach, O. und Schloß im Landkreis Haßberge 207 Hahot, Kl. 292 Halchiu, sh. Heldsdorf Hall, O. 185, 199 Halle, O. 52 Ham, Kl. 188 Hamberg, O. ö. von Klagenfurt 219 Hamburg, O. 32, 78, 234, 241, 248 Hammelburg, O. 190, 215, 221 Han, Hermann, Maler (17. Jh.) 102 Hans I. von Guttenberg, Stifter 1352 210 Hans Klese, Stralsunder Testator (15. Jh.) 237, 249 Hans von Mergenthal (Rom- und Jerusalempilger 1476/ 77) 274 Hans von Ruden (Pilger 1377), Patrizier 79 Hardenberge 250 Harina (Mönchsdorf, rum. Herina), O. 304 Hartmann Schedel (†1514), Arzt, Humanist, Chronist aus Nürnberg 100 Häslabronn, O. bei Lehrberg 203 Haßbergen, O. im Kreis Nienburg (Niedersachsen) 204 Haßfurt, O. 203, 220 Hedenus, Hz. von Thüringen (8. Jh.) 190 Héder, ung. Adelsfamilie 290 Hedwig (1374-1399), Kgn. von Polen 88 Heidenheim, O. im Landkreis Gunzenhausen 216 Heilbronn, O. und Kl. 213, 216 Heilige Jungfrau (Heilige Jungfrau Maria, Heilige Mutter), sh. Maria Heiliges Land, sh. Palästina Heilsbronn, Kl. bei Ansbach 197 Heinrich III. von Berg, Bf. von Würzburg (1192-1197) 196 Heinrich von Mainz, Weihbf. (15. Jh.) 216 Heinrich I., ostfrk.-dt. K. (919-936) 53, 353 Heinrich II. der Zänker, Hz. von Bayern (955-976, 985-995) und Kärnten (989-995) 290 Heinrich II., K., Ks. (1002-1024) 195, 199, 289f., 294 Heinrich III., K., Ks. (1039-1056) 296f., 299, 300 Heinrich IV., K., Ks. (1053/ 54-1106) 301 Heinrich IV., K. von England (1399- 1413) 60 Heinrich von Grosmont (†1361), Hz. von Lancaster 68f. Heinrich I. (†1018), Markgf. von Österreich 339 Heinrich Brun, Stralsunder Testator (14. Jh.) 255 Heinrich Butzekow, Stralsunder Testator (14. Jh.) 237 Heinrich Dubbermann, Stralsunder Testator (15. Jh.) 255 Heinrich Frame, Stralsunder Testator (16. Jh.) 256 Heinrich Kusvelt, Stralsunder Testator (15. Jh.) 238 Heinrich Langeneek, Stralsunder Testator (14. Jh.) 248 Heinrich Lappelan, Stralsunder Testator (15. Jh.) 237 Heinrich Somerstorp, Stralsunder Testator (14. Jh.) 244 Heinrich Vridach, Stralsunder Testator (14. Jh.) 237 Heldsdorf (ung. Höltövény, rum. Halchiu), O. im No. des Burzenlandes 323 Hence Broseyus, Stralsunder Testator (13. Jh.) 236 Henneberg, Gf.engeschlecht (16. Jh. ausgestorben) 211, 226 Hennegau, Gfs. der s. Niederlande 69 Herbolzheim, O. 226 Hergolshausen, O., Gemeinde Waigolshausen, s. von Schweinfurt 221 Herina, sh. Harina Herlheim, sh. Schlüchtern Hermann Anton Maria von Chlingensperg (1615-1755), Jurist 221 Register der Orts- und Personennamen 369 <?page no="380"?> Hermann I., Bf. von Bamberg (1065-1075) 194f., 200 Hermann der Lahme von der Reichenau (†1054), Dichter, Gelehrter, Geschichtsschreiber 187 Hermann Künig von Vach (Santiagopilger 1485) 28f., 35, 37 Hermann Ponate, Stralsunder Testator (14. Jh.) 248 Hermann Specht, Stralsunder Testator (14. Jh.) 248 Hermann Strelow, Stralsunder Testator (14. Jh.) 238 Hermann von Redwitz, Errichter der Jakobuskapelle von Küps (1303) 210 Hermann von Vestenberch, fränkischer Adliger (13. Jh.) 211 Hermannstadt (rum. Sibiu, ung. Nagyszeben), O. 322, 330f., 328, Hernand, Fl. 348 Herodes I. Agrippa, K. von Judäa (41-44) 115, 141, 154f. Herolz, O. 226 Herreth, O. n. von Bamberg 210 Herrieden, O. 208 Herrnsberg, O. 206 Herrnsdorf, O. bei Bamberg 196 Herzogenaurach, O. 199 Herzogenbusch, O. 247, 254 Heuberg, O. 208 Heufurt, Stadtteil von Fladungen an der Rhön 205 Heylewich Brasche, Stralsunder Testator (14. Jh.) 238 Hieronymus, hl. 23, 216 Hierotheos, byzantinischer Mönch und Bf. (10. Jh.) 288 Hildburghausen, O. 216 Hille Langhedorpesche, Stralsunder Testator (14. Jh.) 248 Hiltpoltstein, O. 208 Himmelspforten, Kl. bei Stade 196 Himmelstadt, O. bei Würzburg 196 Hinrick Vresen (Pilger nach Wilsnack 1415) 254 Hinrik de Werden, Stralsunder Testator (14. Jh.) 238 Hinrik Qwekel, Ratsherr in Stralsund (15. Jh.) 247 Hippolytus (†nach 235), Märtyrer 139, 342 Hirsau, Kl. im Schwarzwald 195, 198, 223 Hispania, sh. Spanien Höchberg, O. 222 Höchstadt/ Aisch, O. 195, 198, 203 Hof, O. 47, 49, 200f., 204, 211, 357 Hofheim, O. 204 Hohebach, O. im Landkreis Künzelsau 196f. Hohenberg, O. 198f. Hohenlohe, Gfs. 212 Hollstadt, O. bei Schweinfurt 199 Höltövény, sh. Heldsdorf Holzhausen, O. 226 Holzkirchen, Kl. 203 Homorodjánosfalva (dt. Eisdorf, rum. Ionesti), O. 335 Honorius III., P. (1216-1227) 327f. Hont-Pázmány, ung. Adelsfamilie 290 Horbering, O. im Rottal 182 Hornad, Fl. 346, 350 Horschel, Familie in Görlitz 270f. Hoszúmezö, sh. Campulung Muscel Hrabanus Maurus (um 780-856), Mönch, Gelehrter und Abt in Fulda, Ebf. von Mainz (seit 847) 180, 186 Hrabisicˇ e (Riesenburger), urspr. Burggf. von Bilina und Kämmerer des K. von Böhmen 48 Hradisko, Kl. bei Olomouc 343 Hron, Fl. 346ff. Hronsky Benadik (ung. Garmszentbenedek), O. 346f. Hünfeld, O. 226 Hunnen 287 Iacobeni, sh. Jakobsdorf Iacobeni, sh. Kászonszentjakab Iberische Halbinsel (Pyrenäenhalbinsel) 8, 20, 22, 57ff., 65f., 69, 71, 78f., 142, 168, 179, 186, 224 Ibrahim Ibn Jacub (Reise von Magdeburg nach Prag 965 bzw. 973), Araber 47 Igensdorf, O. bei Nürnberg 206 Ignatius von Loyola, hl. 102, 218 Ilianus, Berg 348 Imre (Emmerich) II., K. von Ungarn (1196-1204) 308, 327 Ingelram, Burgherr von Lillers 188 Ingolstadt, O. 216, 221 Innozenz III., P. (1198-1216) 327 Innsbruck, O. 33, 65 Inowlodz, O. 345f. Ionesti, sh. Homorodjánosfalva 370 Register der Orts- und Personennamen <?page no="381"?> Ipoly, Fl. 346, 348 Ipolyi Arnold (1823-1886), Bf. 347 Iria Flavia, O. bei Santiago de Compostela 23, 142 - Santa Eulalia de Iria, O. 23 Iring von Reinstein, Bf. von Würzburg (13. Jh.) 212 Irland 168, 178, 181, 190, 340 Irmelshausen-Höchheim, O. 206 Isaia, bibl. Gestalt 23 Isidor von Sevilla, Ebf. von Sevilla (599/ 600-636), Kirchenvater 142, 180f. Island 31, 32, 35, 39 Israel 103, 148, 150 Istrien 318f. Italien (Norditalien, Oberitalien Süditalien) 15, 24, 33, 36, 39, 84, 86, 140, 143, 151, 165f., 168, 171, 181, 218, 288, 292, 295, 297, 309, 312f., 319, 327, 341f., 344 Ittelhofen, O., Gemeinde Seubersdorf, Altmühltal 216 Jacob Grulle, Stralsunder Bürger (15. Jh.) 254 Jacob Weinrich, Görlitzer Bürger (15. Jh.) 275 Jacobus Cztan (Reise nach Compostela 1379), Hofmann Ludwig I., K. von Ungarn und Polen 85 Jagiello, K. von Polen (1386-1434), nach seiner Taufe Wl / adysl / aw/ Ladislaus 60, 88f., 98 Jagiellonen, Dyn. 3, 70, 144, 165 Ják, O. 304 Jakabfalva, sh. Jacobsdorf Jakabfalva, O. am Rand des Tatra Gebirges 347 Jakabpataka, O. 335 Jáki Márton, aus dem Geschlecht der Gutkeled, Stifter der Benediktinerabtei von Csatár 303 Jakob Herder, Stralsunder Testator (15. Jh.) 237 Jakob I., K. von Aragón (1213-1276) 307 Jakob Raschauer, Weihbf. von Eichstätt (15. Jh.) 216 Jakob Sobieski (Reise durch Westeuropa 1607-1613), Kastellan von Krakau 59, 167f. Jakob Wujek, poln. Jesuitenpater und Autor (16. Jh.) 154 Jakob Wuste (Vust), Stralsunder Testator (16. Jh.) 237 Jakobany, O. 350 Jakobsdorf (ung. Jakabfalva, rum. Iacobeni), O. 324 Jakobsdorf (ung. Szászszentjakab, rum. Saniacob), Zenthiacob, O. 325 Jakobsdorf, sh. Swäty Jakub Jakobsrettenbach, O. 181 Jakobsthal (Jakuszyce), O. 344, 354, 356f. Jakobus aus Drzewica, miles hispanicus (15. Jh.) 90 Jakobus Cztan von Kobylany (Geleitbrief 1379 für Compostela), Magnat in Großpolen 85ff. Jakobus de Voragine (†1298), Dominikaner, Verfasser der Legenda aurea 115 Jakobus S´ winka, Bf. von Gnesen (1283- 1313) 107f. Jakub (Geleitbrief 1404), Höfling Ks. Sigismunds 88 Jakub, O. 344 Jakubany, O. 39 Jakubovany, O. im w.en Tatra-Gebirge 350 Jan Dl / ugosz (†1480), poln. Historiker 119, 128f. Jan Faruref von Garbow (Empfehlungsbrief um 1409), Höfling Ks. Sigismunds 89 Jan Pilik von Sierpc von Masovien (Geleitbrief 1380), Truchseß von Gostyn 87 Jan Tarnowski (Pilgerfahrt 1518/ 19), poln. Adliger 84, 91 János Lászai (Pilgerfahrt ins Heilige Land 1483/ 84), Kanoniker 318 Janus I., Hz. von Masovien und Fürst von Warschau und Czersk (Ende 14. Jh.) 87 Jean de Blois, holländisch-hennegauischer Magnat (14. Jh.) 69 Jerusalem (Hierusalem) 1, 5f., 13f., 24, 31f., 100, 102, 115, 140f., 154f., 196, 224, 240, 247f., 255, 259-262, 264, 267, 272-275, 278, 292-295, 299, 310f., 315, 317f., 320, 330, 333, 337, 339f., 342, 345, 348f., 349 Jerzy Radziwil / l / , Kardinal (1595-1599) 119 Jesuiten, Orden 102, 152, 218, 220f., 224 Register der Orts- und Personennamen 371 <?page no="382"?> Jesus (Christus, Salvator) 84, 99ff., 104, 107, 114, 130, 144f., 150, 176f., 190, 245, 259, 260ff., 264f., 267, 295, 303, 323/ 4, 335, 337, 344, 347 Jihlava (Iglau), O. 345 Jitschin (Jicin), O. 344 Jobst Watzenrieder, Kanoniker, Stifter der Pfarrei Elbersroth 1446 208 Jodokus, hl. 199, 213, 248 Johannes, Apostel, Bruder des Jacobus 104, 139, 140, 144f.,177, 227, 303, 351 Johannes, Evangelist 99, 109, 114, 117, 122, 193, 351 Johannes, Patrozinien 79, 176, 197, 203, 212, 214f. Johannes XII., P. (955-964) 289 Johannes Paul II., P. (seit 1978) 172 Johannes Tzimiskes, byzantinischer Ks. (969-976) 289 Johann I., K. von Böhmen (1311-1346) 278 Johann III. Sobieski, K. von Polen (1674- 1696) 166 Johannes der Täufer (Johannes Baptista, Joannis Babtiste, Santi), hl. 100f., 109, 122, 137, 145, 176, 191, 193, 195, 255, 303, 313 Johannes von Gott, Spitalheiliger 218 Johannes III. von Eich, Bf. von Eichstätt (1445-1464) 210 Johannes von Meißen, Bf. 275 Johann Apengheter, Künstler (14. Jh.) 97 Johann Kallmünzer, Stifter (15. Jh.) 215 Johann Kargowe, Stralsunder Testator (14. Jh.) 248 Johann Pezinger, Maler von Kulmbach (15. Jh.) 219 Johann Ruberstorp, Stralsunder Testator (14. Jh.) 248 Johann Schwerin, Stralsunder Testator (14. Jh.) 238 Johann von Redwitz, Errichter der Jakobuskapelle von Küps (1303) 210 Johannes de Beke, Stralsunder Testator (14. Jh.) 244 Johannes de Raken, Stralsunder Testator (14. Jh.) 245 Johannes Dl / ugosz, poln. Chronist (16. Jh.) 108 Johannes Thuróczy (†1490), ung. Chronist 338 Johanniter, Ritterorden 312f., 315, 317, 321, 343f. Jokobuva Vol’a, O. 350 Joppe (Jaffa, Haifa), O. 142 Jörg Gail, Augsburger Schulmeister und Notar (Verfasser des Raißbüchlins 1563) 8, 36, 38 Joseph, hl. 137 Josias, hl. 348 Judas Thaddäus, Apostel 122, 129, 139, 144f., 146, 192 Judea 115 Judith von Schweinfurt, Ehefrau Konrads I., Hz. von Bayern (11. Jh.) 300 Judith, Kgn. von Böhmen, Ehefrau K. Wladislaws II. (12. Jh.) 344 Juditten, O. bei Königsberg 63 Julian, hl. 176 Julius I., P. (337-352) 146 Julius Echter von Mespelbrunn, Fürstbf. von Würzburg (1573-1617) 203, 219f. Kadenzhofen, O. bei Neumarkt in der Oberpfalz 207 Kakas, Stifter des Cerveny Klastor (1307) 348 Kalán, Bf. von Fünfkirchen (1186-1218) 308 Kalisch, O. 60, 68 Kálmán, K. von Ungarn (1095-1116) 314 Kalocsa, O. 291, 296, 302, 314f. Kamenz, O. in der Oberlausitz 52, 357 Kapos, Fl. 299 Kaposvár, O. 298f. Karl der Große, K. der Franken (768- 814) und Langobarden (774-814), Ks. (800-814) 20, 22, 76, 142, 287 Karlmann, fränkischer Hausmeier (741- 747) 197f. Karl Robert von Anjou, K. von Ungarn (1308-1342) 342 Karl VI., K. von Frankreich (1380-1422) 89 Karl Heinrich Ritter von Lang (†1835), Historiker 185 Karlsburg, sh. Gyulafehérvár Karlstadt, O. 196, 213, 221 Karlstein, O. 64 Kärnten 299, 343 Karolinger (karolingisch) 21, 143, 189, 206f., 223, 301, 317 372 Register der Orts- und Personennamen <?page no="383"?> Karpaten (Ostkarpaten, Karpatenbogen) 321f., 327, 328, 332, 336, Karsten Sarnow (Rompilger 1390) 254f. Kaschau, sh. Kosice Kasimir III. der Große, K. von Polen (1333-1370) 60, 69, 86, 106 Kassa, s. Kosice Kastilien 87f., 160 Kastl, D. 195 Kászonszentjakab (rum. Iacobeni), O. 335 Katharer 327 Katharina Schweltz, Görlitzer Bürgerin (15. Jh.) 275 Katharina, hl. 117,122, 129, 198, 207, 219, 253, 321f. Katowice (Kattowitz), D. 131 Kaubenheim, O. sö. von Würzburg 217 Kaukasus (Westkaukasus) 286 Kazimierz, O., später Stadtteil von Krakau 124, 127f. Kelten (Keltisch) 141, 181 Kenz, O. bei Barth an der Ostsee 250f. Keresztur, O. 306 Kerz (Cîrt‚a), Kl. 327ff., 331 Kézdivásárhely (dt. Szekler Neumarkt, rum. Targu Secuiesc), O. 15, 336 Kidron, Fl. 260 Kielce, O. in der Wojwodschaft Swietokzyskie 106, 109, 131 Kiew, O. 83 Kilian, hl. 190f., 206, 208, 212 Kipfenberg, Burg im Altmühltal 210 Kirchehrenbach (Kirchenehrenbach), O. sö. von Coburg 210, 215 Kirchrüsselbach, sh. Igensdorf Kirchschönbach (Kirchbucheich [? ]), O. w. von Bamberg 215 Kislomnic, sh. Lomnica Kissingen, O. 205 Kisszeben, sh. Sabinov Kitzingen, O. 199, 215 Klagenfurt, O. 346 Klarissen, Orden 129 Klausenburg, sh. Kolozsvár Klein Donau, Fl. 320 Kleinasien 177, 323 Klein-Gnadenthal, Pfarrei in Hohebach 197 Kleinlomnitz, sh. Lomnica Kleinpolen, L. 60, 84, 90, 107, 124, 129 Kleinrheinfeld, O. bei Schweinfurt 221 Knut der Große (995-1035), K. von Dänemark, Norwegen und England 338 Koblenz, O. 262 Kobolzell, sh. Rothenburg o. d. Tauber Köhalom, sh. Reps Kolin, O. 344 Köln, O. 33, 90, 116, 146 Kol / obrzeg (Kolberg), O. 97, 100 Koloman (Coloman), hl. 15, 295, 337ff., 342 Koloman, Sohn des Hochk. von Tara, Maolsheachlein II., Regent von Irland (1014-1024) 340f. Kolozsmonostor (rum. Cluj-Manastur), Kl. bei Kolozsvár 333 Kolozsvár (dt. Klausenburg, rum. Cluj, urspr. Napoca), O. 330, 333f. Komburg, O. 199 Komburg-Rothenburg, Gfen von 202 Komotau (Chomutov), O. 47 Konch, Bürger von Mühlbach (14. Jh.) 330 Königsberg, O. 36, 63, 69, 163 Königsbrück, O. 52 Königsfeld, O. 206 Königshofen, O. 198, 219 Königswalde, O. ö. von Werdau 357 Konrad I., Hz. von Bayern (1049-1053) 300 Konrad Reiter von Herrnsberg, Stifter (14. Jh.) 206 Konstantin, hl. 288 Konstantin VII. Porphyrogennetos, byzantinischer Ks. (905/ 912-959), Geschichtsschreiber 288 Konstantinopel, O. 288, 293, 310, 329 Konstanz, O. 89 Konstanze II. (†1222), Kgn. von Ungarn und Sizilien, Ksn. 308 Koper, O. 319 Koppány, ung. Würdenträger (11. Jh.) 290, 292 Korcˇ ula, O. 320 Körös, Fl. 309 Körösgyéres (heute Sacuieni und Girisu de Cris in Rumänien), O. 309 Kosice (dt. Kaschau, ung. Kassa), O. 348, 350 Koszalin-Kol / obrzeg (Köstlin-Kolberg), D. 97 Kotuszów, O. 124, 127, 129, 131 Register der Orts- und Personennamen 373 <?page no="384"?> Kraft (Gf. von Hanau), Würzburger Domherr (14. Jh.) 215 Krakau (Kraków, Caracobia, Cracobia, Cracovia), O. 4f., 10f., 16, 37f., 52, 60f., 68f., 72, 74, 77f., 83f., 86, 88, 91, 105, 108f., 113, 119f., 122ff., 127-131, 144, 147, 149f., 155f., 160f., 166, 168f., 172, 228, 346, 348 Krakau-Kazimierz (Kraków-Kazimierz), O. 123, 128, 130 Kremnitz (Kremnica), O. 348 Krim 286 Krima (Krimov), O. im Erzgebirge 47 Kroatien 288, 306, 314, 317, 327 Królówka, O. sö. von Krakau 127-131 Kromeriz (Kremsier), O. 343 Kronach, O. 206, 210 Kronstadt (ung. Brassó, rum. Brasov), O. 323, 326ff., 331ff., 349 Krussow, O. 251 Kruszwica, O. 97 Kujavien 85 Kulm (Chlumec), O. 48 Kulmbach, O. 219 Kumanien 309, 322, 327f., 336ff. Künzelsau, O. 197 Küps, O. sö. von Coburg 210 Kursachsen 42 Kutna Hora (Kuttenberg), O. 344 Kyrill, († vor 1182), russischer Mönch, Bf. von Turov (ab ca. 1169) 288 La Coruña, O. 91 Labe, Fl. 344 La˛d (Lond), O. an der Warthe 106f. Ladislaus I. der Heilige, K. von Ungarn (1077-1095) 15, 297f., 302, 309, 314, 323, 335-339, 342f., 345f. Ladislaus II. Jagiello, sh. Jagiello Lambach, O. 193 Lambertus, Lambert, hl. 286, 301 Lampert von Hersfeld (†1081), Geschichtsschreiber 194 Lampert, Gf., Schwager Ladislaus’ I. von Ungarn (11. Jh.) 343 Landwüst, O. s. von Plauen 47 Langenau, sh. Campulung Muscel Langenfeld, O. 207 - Ostermühle, Pfarrei Langenfeld 207 Langenzenn, O. 208 Langheim, O. ö. von Coburg 197f. Langobarden 287 Las Navas de Tolosa, O. 327 Lauda, O. 205, 211 Lauf, O. 207, 213, 217 Laurentius, Gf., Gründer der Kirche von Bakonyszentjakab (1290) 305 Laurentius, hl. 117 Lausanne, O. 37f., 86, 182 Lausitz 271 Lazarus, hl. 311, 313, 321, 324 Le Puy, O. 25 Lébény (Leiden), O. ö. von Ödenburg 303f. Lechfeld, O. 288 Legnica (Legnitz), D. 96, 117 Lehrberg, O. bei Ansbach 203 Leidersbach, O. s. von Aschaffenburg 222 Leipzig, O. 37f., 46, 52, 70, 268f., 271, 353-356 Leisnig, O. 48 Lengfurt, O. w. von Würzburg 203 Lengries, O. 341 Leo von Rozˇ mital (Reise durch Europa 1465-67), böhmischer Adliger 90f. Leo, Bf. aus Jerusalem (Ende 5. Jh.) 24 Leodwin, Domherr von Verdun, Bf. von Bihar (Mitte 11. Jh.) 296, 309 León, Königreich, O. und D. 22, 25, 52 Leonard (Leonhard, Leonhardt), hl. 129, 213, 331f., 343, 345 Lettgenbrunn, O. ö. von Frankfurt a. M. 226 Leutenbach, Burg 210 Leutschau, sh. Levoce Levoce (dt. Leutschau, ung. Löcse), O. 348-350 Levedien, Gebiet zwischen Don und Dnjepr 286 Lez´ nica Wielka, O. n. von Lodz (Polen) 79 Liberec (Jablonice), O. 344 Libis, O. 344 Lichtenfeld, O. 210, 217 Liebards, O. 226 Ligurisches Meer 31 Lillers, O. 188 Limoges, O. 25, 332 Limousin, Region in Zentralfrankreich 332 Linz, O. 343, 345 Lipocha, unbest. O. im Ebtm. Krakau 168f. 374 Register der Orts- und Personennamen <?page no="385"?> Lipprichhausen, O. bei Würzburg 207 Lisieux, O. 187 Lissabon, O. 91 Litauen (Lituania) 58, 64, 68, 83, 171 Ljubljana, O. 319 Lohr am Main (Pflochsbach), O. 196, 223 Lohrbach, O. nw. von Heilbronn 227 Löhriet, O. 222 Loire, Fl. 177f., 227 Lombardei 90, 308, 344 Lomnica (dt. Kleinlomnitz, ung. Kislomnic), O. im Tatra Gebirge 349 Lonnewitz, sh. Oschatz Lorenz von Bibra, Fürstbf. (16. Jh.) 208 Loret(t)o, O. 91, 151 Lösce, sh. Levoce Lothringen 15f., 116, 170, 186, 292, 296, 309 Lough Derg, O. in Irland 65 Lübeck, O. 35f., 76, 78, 205, 231, 238f., 241, 244, 246, 248ff., 254, 256 Lubia˛z´ , O. 130 Lubin´ S´ laski, O. 105 Lublin, O. 78, 94, 109, 114, 119, 131, 151 Lubsza, O. 128f., 131 Ludomy, O. bei Szamotul / y (Polen) 80 Ludwig I., der Fromme, K., Ks. (813/ 814-840) 191, 287 Ludwig I. der Große, K. von Ungarn (1342-1382), K. von Polen (1370- 1382) 10, 16, 60, 85f., 89, 161 Ludwig VII., K. von Frankreich (1137- 1180) 311, 327 Ludwig XIV., K. von Frankreich (1661- 1715) 167 Ludwig XV., K. von Frankreich (1723- 1774) 170 Ludwig II., poln. Hz., Fürst von Briege (15. Jh.) 89 Ludwig von Wida, Stifter (14. Jh.) 97 Ludwig von Windeheim, Zisterziensermönch (13. Jh.) 197 Lugo, Provinz in Galicien in Galicien 178ff. Luitpold, Ebf. von Mainz (1051-1059) 184 Lukas, Evangelist, hl. 122, 145, 176 Lungau, O. 346 Luni, O. n. von Pisa 31 Lunzenau, O. 356 Lupa, legendäre Kgn. 348 Lusowo, O. bei Posen 79 Lutteren, O. 249 Lüttich, O. 15, 116, 189, 286, 296, 301, 310, 328 Luxemburg 15, 185 Luxemburger, Dyn. 323 Luxeuil, O. 142 Lyon, O. 38, 52, 187 Maas, Fl. 286, 296, 310 Maastricht, O. 76, 247, 286 Machern, O. in Sachsen 46 Machthilshausen, O. 208 Madrid, O. 167 Magdalena, hl. 210, 221 Magdalene, aus dem Geschlecht der Gutkeled, Stifterin der Benediktinerabtei von Csatár 303 Magdeburg, O. 52, 289 Magyaren 313, 339 Mahlis, O., ö. von Mutzschen 356 Mähren 289, 339, 343, 348 Maidbronn, Kl.. in der D. Würzburg 197 Mailand, O. 176, 344 Main, Fl. 52, 192f., 203f., 208, Mainstockheim, O. bei Würzburg 208 Mainz, O. 184, 216, 226, 265, 296, 318, 328 Malcolm III., K. von Schottland (1057[? ]- 1093) 338f. Maolsheachlein II., Hochk. von Tara, Regent von Irland (1014-1024) 340 Marbach, O. 216 Marcin Bielski (†1575), poln. Chronist 155 Margarete, hl. 15, 337f. Margarete von Antiochia, hl. 338 Margarete (†1412), Kgn. von Norwegen, Reichsverweserin von Dänemark 63 Margarete (†1093), Kgn. von Schottland, Frau Malcolm III. 338f., 341 Margarete, Tochter K. Ludwig VII. (12. Jh.) 327 Margarete aus Ungarn (†1270), Tochter K. Bélas IV. 338f. Margarete Zeger, Stralsunder Testatorin (16. Jh.) 251 Margarete, Gattin des Nicolaus Cresche 333 Margarethe, Tochter des Görlitzer Bürgermeisters Paul Rinkengießer 268 Margarete, Donauinsel in Budapest 313, 339 Register der Orts- und Personennamen 375 <?page no="386"?> Maria (Mariä, Muttergottes, Gottesmutter, Madonna, Beata Maria V., Heilige Jungfrau) 96-99, 100ff., 104ff., 109f., 122, 130, 137, 147, 156, 176, 178, 182, 184, 197, 211f., 215, 219-222, 244f., 250ff., 294f., 297, 303, 320, 322f., 329f., 335, 337, 350f., 357 Maria, Witwe des Miroslav (12. Jh.) 344 Maria Luschari, Wallfahrtso. bei Tarvis in Oberkärnten 319 Maria Magdalena, bibl. Gestalt 122, 312 Maria Neustift, O. 319 Marienburg, O. und Burg 10, 69, 86, 110 Marinus, hl. 332, 343 Márk, Stifter des Kl. von Àrpás (13. Jh.) 305 Markteinersheim, O. sö. von Würzburg 207 Markterlbach, O. 208 Marktheidenfeld, O. 203 Marktschorgast, O. 195 Markus, hl., Evangelist 122, 145 Marloffstein, Burg 210 Marosgombs (rum. Gimbas), O. 335 Marosszentjakab (rum. Sinjacob), O. bei Ludus 335 Marosvár (später Csanád, heute Cenad in Rumänien), sh. Csanád Marseille, O. 178 Martin (Martinus), hl. 51, 117, 122, 176, 182, 191, 198, 217, 291, 296, 322, 345, 354 Martin I., K. von Aragón (1396-1410) und Sizilien (1409-1410) 88f. Martin Ketzel (Jerusalemreise, Rückkehr 1472), Nürnberger Patrizier 262 Martin Knake, Stralsunder Testator (16. Jh.) 256 Martin Kroger, Stralsunder Testator (16. Jh.) 251 Martin Lauterbach, Onkel der Benigna Horschel 271f. Martin Luther (†1546), Reformator 274 Martin Scharffenberger, Herausgeber eines Gebetbuches in Krakau (16. Jh.) 108 Martin Schleife, Görlitzer Bürger (15. Jh.) 271f. Martin, O. (Turz-St-Martin) 347 Martinsberg, sh. Pannonhalma Masolino (Tomasso de Cristofono Fini, 1383-1440), Künstler 312 Masovien (Masowien) 5, 10, 16f., 58, 60, 77, 87ff. Mateusz, poln. Ritter (beteiligt an der Eroberung von Ceuta 1436) 90 Mathias Berndes (1503 verpflichtet zu einer Reise nach Compostela) 254 Mathias Darne, Bürgermeister von Stralsund (15. Jh.) 248 Matthäus (Matthias, Mathias), Apostel 139, 144f., 147 Matthäus, Evangelist 122, 155 Mattheus Paris (†1259), englischer Historiograph und Hagiograph 28, 34 Matthias, hl. 15 Mauritius von Pecs, Bf. (11. Jh.) 302 Mauritius, hl. 130 Mechthild von Brandenburg (Pilgerfahrt nach Trier nach 1367) 249 Mecsek-Gebirge 292, 306f. Meiningen, O. 205f. Meißen, Mark 53 Meißen, O. 48, 275f., 355f. Melk, Kl. 339f., 343 Mellrichstadt, O. 205 Mendhausen, O. im Kreis Hildburghausen (Thüringen) 206 Mera, O. 179 Mergentheim, O. 212 Merowinger (Merowingisch) 176, 332 Merseburg, O. und D. 184, 204 Merten van der Sal (Pilgerauftrag nach Golme 1377) 248 Mespelbrunn, O. 203 Metz, O. 176, 296 Meurthe, Fl. 312 Mezöbö (rum. Boian), O. bei Ludus 335 Michael, hl. 176, 200, 209, 216, 303, 334 Michelfeld, Kl. 195, 217 Michelsberg, Kl. bei Bamberg 193, 195, 199, 223 Miechów, Kl. 101, 129 Mieresch, Fl. 292, 329 Mieronice, O. 127f., 131 Mieronice, Wojwodschaft Kielce, O. 106 Milcov, Fl. in Ostrumänien 322, 328 Millstatt, Kl. 301 Miltenberg, O. 203 Milz, Fl. 206 Minden, O. 32 Minoriten, sh. Franziskaner 376 Register der Orts- und Personennamen <?page no="387"?> Miroslav, 1158 an der Eroberung Mailands im Heer des Hz. Wladislaw von Böhmen beteiligt 344 Mistelbach, O. 206 Mittelmeer 36, 66, 69, 177, 293, 310, 316 Mittelsinn, O. 227 Mittwitz, O. in Oberfranken 206 Modlos, sh. Oberleichtersbach Mogil / a, O. bei Krakau 108 Mogilno, O. 130 Moldavien 325 Mönchsdorf, sh. Harina Mondoñedo, O. 179 Mongolen, Nomadenstamm 303, 312f., 320, 323, 326, 329, 330f., 334, 336, 342, 349f. Montauban, O. 35 Montecassino, Kl. 291f., 302 Monti, Innocenty, Maler (17. Jh.) 102 Monti, Karol, Künstler (16./ 17. Jh.) 102 Mora˛g, O. im Ermland 101 Móric, Gf., Stifter des Kl. von Àrpás (13. Jh.) 305 Mosel, Fl. 97 Moses, bibl. Gestalt 324 Moskau, O. 36, 91 Moson, heute Komitat Györ-Moson- Sopron 304 Mosovce (ung. Mossóc), O. im Bezirk Banska Bystrica (Neusohl) 346f. Mossóc, sh. Mosovce Mszczuj von Skrzynno (Geleitbrief 1414), Starost von Opoczyn 89 Mühlbach (ung. Szászsebes, rum. Sebes), O. 329ff. Mühlhausen (Mileskovo), O. 346 Mulde, Fl. 46, 354, 356 Mülsen Sankt Jacob, O. 355 Mülsental 355 Münnerstadt, O. 191, 210, 220 Münster, O. 226, 301 Münsterschwarzach, Kl. 184, 200 Mursa (Osiejek in Kroatien), O. 288 Mutzschen, O. 356 Myra, O. 311 Nagelsberg, O. nö. von Heilbronn 227 Nagy Márton, Gf., Stifter der Benediktinerabtei von Ják (um 1220) 304 Nagysáros, sh. Scharosch Nagysáros, sh. Velky Saris Nagyszeben, sh. Hermannstadt Nagyvárad (rum. Oradea, dt. Großwardein), O. 298, 308f. Naila, O. 211 Namur, O. 309 Nankendorf, O. in der Fränkischen Schweiz 206f. Napoca, römische Siedlung, sh. Kolozsvár Napoleon Bonaparte, Ks. der Franzosen (1804-1814/ 15) 171 Naumburg, O. 52, 202 Navarra, Königreich 294 Neapel, O. 86 Neckar, Fl. 202 Neckarsulm, O. 216 Neiße, O. und Fl., sh. Nysa Neudrossenfeld, O. bei Bayreuth 197 Neuenmuhr, heute Muhr am See, O. bei Gunzenhausen 212 Neuherberg, O. bei München 227 Neumarkt/ Oberpfalz, O. 206f., 215 Neumarkt-Land, D. 194, 207 Neusohl, sh. Banska Bystrica Neustadt an der Saale, O. 193, 199, 213, 222 Neustadt, nö. von Pirna, O. 356 Neustetten, O. 212, 227 Neutra, sh. Nyitra Nickel Horschel, Görlitzer Bürger (15. Jh.) 271f. Nickrisch, O., heute Hagenwerder, Voro. von Görlitz 272 Nicolae Alexandru (†1364) 326 Nicolaus Cresche, Stifter einer Jakobuskapelle in Kronstadt (1342) 333 Nicolaus von Gostyn, Woiwode von Kalis (13. Jh.) 85 Nicopolis, O. 88 Niederau, O. 356 Niederbieber, O. 227 Niederlande 60, 69, 163, 166, 273 Niederlothringen 296 Niedermirsberg, O. bei Ebermannstadt 215 Niedersachsen 185 Niederschönefeld, O. bei Rain am Lech 198 Niederstetten, O. 211 Niegardów, O. s. von Kielce 109, 123f., 127ff., 131 Nikodemia, O. 140 Nikolas von Munkathvera, isländischer Abt (Mitte 12. Jh.) 27, 31f., 34 Register der Orts- und Personennamen 377 <?page no="388"?> Nikolaus (Klaus) Schoke, Hamburger Ratmann (Anfang 15. Jh.) 248 Nikolaus Suleke (Pilgerauftrag nach Rom 1324) 236 Nikolaus von Popplau (Reise durch Europa 1483-86) Hofmann Ks. Friedrichs III. 6, 59, 71, 91, 165 Nikolaus, hl. 15, 43, 51, 79, 117, 122, 129, 185, 195, 201, 206f., 252, 261f., 309, 311ff., 322ff., 354ff., 358 Nilkheim, sh. Aschaffenburg Nin, O. 317 Nitra, sh. Nyitra Nollendorf (Naklérˇov), O. s. von Pirna 48 Nordsee 235, 288 Normandie 187, 187, 189, 227, 188, Normannen 188 Norwegen 36, 83 Notker Balbulus von Sankt Gallen (†912), Dichter, Gelehrter 180, 186f. Nova Vas Porecˇ , O. an der Adriaküste Kroatiens 319 Novi Becej, sh. Aracs Nowgorod, O. 96 Nowy Sa˛cz, O. 129 Nowy Targ, O. 348 Nürnberg, O. 35, 37f., 49, 52, 72, 90, 166, 202, 204, 206, 212f., 216f., 262 - Ebracherhof 217 Nussbühl, O. n. von Donauwörth 216 Nyitra (dt. Neutra, heute Nitra), O. 287, 291, 296, 305, 321, 346, 348 Nymburk, O. 344, 346 Nysa (Neiße), O. und Fl. 94, 109, 130, 310, 343, 353 Oberbuchfeld, O. bei Neumarkt in der Oberpfalz 196 Obereschenbach, sh. Hammelburg Ober-Gräfenhain, O. nw. von Chemnitz 356f. Oberkotzau, O. 205 Oberlausitz 52, 261, 355, 357 Oberleichtersbach, O. 227 Obermichelbach, O. bei Höchstadt/ Aisch 198f. Obernbreit, O. bei Aschaffenburg 208 Oberpfalz 195, 206 Oberrhein 38 Obersinn, O. 207 Oberthau, O. w. von Schkeuditz 356f. Oberwildflecken, sh. Wildflecken Oberzell, O. in Oberschwaben 198 Oberzenn, O. n. von Ansbach 208 Obra (Großpolen), O. 103 Oder, Fl. 353 Odilo von Cluny (†1048), hl., Abt 291, 294f. Odilo, Abt von Saint-Gilles (11. Jh.) 302, 345 Odoario, Bf. von Lugo (ca. 740-786) 179 Oelsnitz, O. im Vogtland 357 Ofilón, Abt (9. Jh.) 180 Öhringen, O. 212 Olomouc (Olmütz), O. 343 Olsztyn, Olsztyn-Redykajny (Allenstein), O. 98, 101 Onoguren, türkischer Volksstamm 287 Opatija, O. 319 Opatowiec, O. 123, 126, 128f., 131 Oradea, sh. Nagyvárad Orient 177, 289, 328, 331f. Orlagau 204 Ornbau (Arenburen), O. 194, 208 Ortrand, O. 357 Oschatz, O. 356 Osiris, hl. 316 Osmanisches Reich 167 Österreich (Niederösterreich) 88, 90, 166, 193, 259, 319, 340f., 346, 303 Ostritz, O. 259 Ostrow Lednicki, Friedhofsinsel zwischen Posen und Gnesen 85, 125 Ostsee 9, 16, 64, 77, 79f., 124, 235, 342 Ottensoos, O. bei Nürnberg 207 Otto I. der Große, K., Ks. (936-973) 289 Otto II., K., Ks. (967/ 973-983) 289f. Otto III., K., Ks. (983-1002) 290, 300 Otto IV., K., Ks. (1198-1218) 212 Otto I., hl., Bf. von Bamberg (1102-1139) 195, 197, 223 Otto I., Bf. von Eichstätt (1182-1195) 196 Otto aus Mähren, Hz. (11. Jh.) 343 Otto von Dernbach, Gf. (17. Jh.) 221 Otto (Otho, Botho, Acha, Atha), Stifter, Gf. von Somogy 298 Otto von Gauberstadt, Stifter (14. Jh.) 211 Ottonen, Dyn. 139, 146 Oudry, Jean-Baptiste (1686-1755), französischer Maler 170 Oviedo, O. 23, 171 Özséb (Eusebius), hl. 306 378 Register der Orts- und Personennamen <?page no="389"?> Palästina (Heiliges Land) 36, 58, 63f., 66, 83f., 91, 152, 262, 265, 301, 306f., 311, 318, 320, 333, 340 Palczowice, O. 124, 128, 131 Pal / ecznica, O. 123f., 127, 129, 131 Pannonhalma (Martinsberg), O. 291f., 302, 304, 306, 342 Pannonien (Oberpannonien) 287ff., 291, 293, 300 Paris, O. 25, 37, 78, 83, 165f. Passau, O. 78, 143, 204, 287 Paszek (Geleitbrief für Compostela 1380), genannt Zlodziej aus Biskupice, Sohn des Kastellan von Biecz 87 Patacs, Berg in Ungarn 307 Patrick, hl. 65 Paul II., P. (1464-71) 271 Paul, Bf. von Gran (13. Jh.) 306 Paul Rinkengießer, Görlitzer Bürgermeister (15. Jh.) 268 Paul von Leutschau, Schnitzer (16. Jh.) 349f. Paul, Sohn des Miroslav (12. Jh.) 344 Pauliner, Orden 14, 303, 305ff. Paulus, Paul, Apostel 33, 99, 117, 122, 139f., 144f., 147, 176, 192, 205, 216, 238, 276, 297, 317, 324 Paulus Ungarorus (†1242), Kanonist und Professor in Bologna, Missionar in Ungarn 306 Paulus von Theben (†341), hl., erster christlicher Mönch 306 Pawel Pilik (Geleitbrief 1404), Masovier, Sohn des Jan Pilik 88 Pawel von Radzanow (Geleitbrief 1380), Vexillifer von Warschau 87 Pawel, Woiwode von Masovien (15. Jh.) 88 Pe˛ ciszewo (dt. Waltersdorf), O. im Regierungsbezirk Königsberg 98 Pécs (Fünfkirchen, Sopianae), O. 287, 302, 307f. Pécsvàrad, Kl. im Mecsek-Gebirge 291f., 297 Pécsváradi Gábor (Pilger), Franziskaner 318 Pegau, O. bei Merseburg 54, 184, 354f. Pegnitz, O. 198 Pelayo, galicischer Mönch 142 Pelplin, O. 101ff. Perch, sh. Tuntenhausen Perpetua, hl. 139 Perpignan, O. 89 Péry (dt. Püderich), O. 182 Pesne, Antoine (1683-1757), französischer Maler 170 Pesterwitz, O. s. von Dresden 356 Peter von Courtenay, Ks. des Lateinischen Kaiserreiches von Konstantinopel (1204-1219) 307 Peter Orseolo, K. von Ungarn (1038- 1041, 1044-1046) 308 Peter IV., K. von Aragón und Valencia, Gf. von Barcelona, Hz. von Athen und Neopatras (1336-1387) 85 Peter aus Drzewica, miles gallicus (15. Jh.) 90 Peter Fasbender (Pilgerfahrt ins Heilige Land 1492/ 93), Koblenzer Bürger 262 Peter Rindfleisch (Pilgerreise 1506/ 07), Breslauer Patrizier 59, 165, 262 Peter Suchenwirt († vor 1407), Herold und Spruchdichter 65 Petersberg, O. 216 Pétervárad (heute Petrovaradin), Abtei 327 Petrus (Peter), Apostel 79, 99, 105, 114, 117, 122, 139f., 143ff, 147, 176ff., 182, 189, 192f., 199, 205, 209, 214, 238, 262, 276f., 297, 303f. 315, 318, 322, 324, 333, 351 Petrus, der Beichtiger Johannes de Rakens 245 Pfäfers, Kl. 182 Pfersdorf, O. bei Zeulenroda 205 Pflochsbach, sh. Lohr am Main Philipp II., K. von Spanien (1556-1598) 166 Philipp von Rathsamshausen, Bf. von Eichstätt (1306-1322) 198 Philippe de Mézières (†1405), königlicher Ratgeber und Prinzenerzieher 69 Philippus, Apostel 122, 139, 144ff., 196, 204, 222, 335, 347, Pianu de Jos, sh. Deutsch-Pien Piasten, Dyn. 107 Picardie, Region in Nordfrankreich 248 Piekielnik, O. in Polen 131 Pikten, Stamm in Britannien 340 Pilis, Gebirge, O., Kl. 305ff. Piliskeresztur, O. 306 Piotr Skarga (†1612), poln. Jesuit, Prediger am Hof, Rektor der Jesuitenakademie in Vilnius 152, 154 Register der Orts- und Personennamen 379 <?page no="390"?> Piotr Tomicki, Bf. von Krakau (1524- 1535) 108 Pippin I. (†639/ 40), frk. Hausmeier 211 Pippin (†811), Sohn Karls des Großen 287 Piran, O. 319 Pirna, O. 356 Pisa, O. 31 Pius II. (Enea Silvio de Piccolomini), P. (1458-1464) 271 Pius V., P. (1566-1572) 145 Plattensee (Balaton) 288 Plauen, O. 47 Pleiße 46, 354 Ploce, O. 316 Pl / ock, O. 11, 77, 87, 96f., 144 Podegrodzie (Sa˛cz), O. 126, 129, 131 Polen (Polonia,Polaco, Bolonia, Altpolen Südostpolen, Südpolen, Mittelpolen Kleinpolen, Großpolen) 1, 4-7, 9-12, 14-17, 27, 29, 37f., 38, 52, 58ff., 64, 66-69, 71, 73, 75ff., 79f., 83-91, 93-96, 98f., 101, 105ff., 114, 114, 116f., 120, 124f., 126, 130, 137, 139, 143, 146, 149- 157, 159-162, 164-173, 259, 289, 297, 305f., 310, 318, 339, 342f., 345f., 349f. Pölling, O. in der D. Neumarkt-Land 194 Pommelsbrunn, sh. Arzlohe Pommerellen, L. 60 Pommern 11, 13, 110, 231, 245, 252f. Pompadour, Marquise de, Jeanne Antoinette de Poisson (†1764) 170 Pontianus (†236), hl., Märtyrer 139 Pontevedra, O. in Galicien 180 Pontius Pilatus, römischer Präfekt in Judäa (26-36 n. Chr.) 261f., 337 Pontos, Gebiet am Schwarzen Meer 286 Popah, sh. Buchbach Poppenhausen, O. bei Schweinfurt 205 Poprad, O. 346, 348, 350 Porec, O. 318f. Porto, O. 78 Portugal 79, 88, 90f., 116, 165f. Posen (Poznan´ ), O. 5, 37f., 58, 83-86, 93, 109, 129, 166 Pot, Gf. von Moson, Stifter der Benediktinerabtei von Lébény (Anfang 13. Jh.) 304 Prachatice (Prachatitz), O. 345 Prag, O. 38, 52, 64, 77f., 90, 166, 292, 297, 343ff. Prämonstratenser (Prémontré), Orden 198, 223, 303, 305, 331, 333, 343 Prappach, O., Gemeinde Haßfurt 199 Premysliden, Dyn. 344 Presov, O. 348ff. Preßburg, sh. Bratislava Presseck, O. im Frankenwald 207 Preßnitz (Prˇisecnicˇe), O. 47 Preußen 9, 63f., 66ff., 77ff., 163 Pribina, Fürst in Pannonien (830/ 40-860) 287 Probol / owice, O. 123f., 127, 129, 131 Provence 345 Pruj (Pettau), O. 319 Przecl / aw, O. 109 Ptolemäus, Claudius P. (†110 n. Chr.), Gelehrter 163 Ptujska Gora, O. 319 Püchau, sh. Machern Püderich, sh. Péry Purschenstein, Schloß in Neuhausen im Erzgebirge 48 Pyrenäen 25, 178, 183 Pyrhn, Berg 343 Quedlinburg, O. 183, 289 Querfurt, O. 292 Raab, sh. Györ Rába, Fl. 320f. Rabanessa, O. 176 Rábca, Fl. 320 Rabka, O. 346 Raciechowice, O. bei Krakau 127, 129, 131 Radom, O. 109, 131 Radulf, Hz. von Thüringen (seit 634) 189 Radulf Glaber (†1047), Mönch und Geschichtsschreiber 295 Ragusa, sh. Dubrovnik Rain am Lech, O. 198 Raitenbuch, O. 210 Ramet, sh. Remete Ramiro I., K. von Asturien (842/ 843-850) 130, 180 Randersacker, O. 227 Rappach, O., Gemeinde Bretzfeld, Hohenlohekreis 212 Rathold, ung. Geschlecht 305 Rattelsdorf, O. bei Nürnberg 199 Ravenna, O. 291 Rechtern-Limpurg-Speckfeld, Gf.en von 211 380 Register der Orts- und Personennamen <?page no="391"?> Regensburg, O. 183, 200, 204ff., 296, 340 Reichenau, Kl. 180-183, 186f. Reims, O. 33 Reinhardsachsen, sh. Walldürn Reitzenhain, O. 47 Reitzenstein, Herren von 211 Remete (rum. Ramet, dt. Einsiedel), O. bei Temesvar 335 Remigius (†533), hl., Bf. von Reims 190f. Remse, O. im Kreis Chemnitzer Land 47 Reps (ung. Köhalom, rum. Rupea), O. 324f. Reuchelheim, sh. Arnstein (a. d. Wern) Reulbach, O. 227 Reußendorf, O. 219f. Reval, O. und Festung an der Nordküste Estlands 234 Rhein, Fl. 33, 52, 192, 286, 296, 310, 340 Rheinland 83, 143, 166 Rhône, Fl. 177f., 227 Richard, hl. 292 Richard I. Löwenherz, K. von England (1189-1199) 332 Richard III. (†1028), Hz. der Normandie 188 Riegelstein, Burg 210 Riga, O. und D. 36, 240 Robert, Bruder des Hz. Richard (Normandie) (11. Jh.) 188 Robert, Lütticher Benediktinermönch (11. Jh.) 189, 310 Rocamadour (Razamedun), O. s. von Cahors 244, 247f. Rochlitz, O. 48 Rochus, hl. 197, 320, 323 Rodenbach, O. bei Aschaffenburg 227 Roger I. von Sizilien (um 1031-1101), Großgf. von Sizilien, Gf. von Kalabrien 189 Roger II., K. von Sizilien (1130-1154) 189 Roger von Tosny (Santiagopilger 1018) 188 Rom, O. 1, 8, 13, 20, 27, 29-33, 35f., 39, 54, 58, 66, 76, 83f., 87, 115, 139, 142-146, 151, 159f., 163, 171, 177, 188f., 194, 205, 233, 235f., 238, 240, 244-248, 251, 254ff., 260, 274f., 287-291, 315, 317f., 333f., 342f., 349 Roncesvalles, O. 87 Rontenelle, Kl. 292 Rosenheim, O. 181 Roßtal, O. 215 Rostock, O. 241 Rothenburg ob der Tauber, O. 185, 202, 205, 212, 227, 347 Röthlein, O. 221 Rotinpah, sh. Jakobsrettenbach Rottal, Landschaft in Bayern 182 Rottenberg, O. bei Aschaffenburg 220 Rottenburg, O. 205 Rouen, O. 166 Rovinoj, O. 318 Rübenau, O. sö. von Chemnitz 48 Rudna i Suszec, O. 129 Rudno, O. 128f., 130f. Rügen 234 Rugendorf, O. bei Bayreuth 205 Rumänien 289, 308f., 325-328, 341 Rupea, sh. Reps Rußland 12, 36, 57, 160, 172, 338 Ruthenien 58, 90, 124 Rzeszów, O. zwischen Krakau und Lemberg 131 Saale, Fl. 353 Saalfeld, O. 204 Sabinov (ung. Kisszeben), O. 349f. Sachsen 9, 15f., 31f., 41, 44-47, 49-54, 110, 193, 208, 301, 322-325, 327-330, 353-358 Saes, sh. Schaas Sailauf, O. bei Aschaffenburg 220 Sajó, Fl. 305 Salamon, K. von Ungarn (1063-74) 297ff., 338 Salome, bibl. Gestalt 114 Salvator, sh. Jesus Salzburg, O. 143, 180, 287, 300, 303, 319 Salzgitter, O. 184 Samaria 115 Sambia 110 Samos, Kl. 180 Samosch, Fl. 333 Saint, San, Sankt, Santo, Sin-, St., Szent - Saint Denis, Kl. 96 - Saint Gilles, Kl. 297f., 302, 345f. - Saint-Léonard-de Noblat, O. ö. von Limoges 332 - Saniacob, sh. Jakobsdorf - San Giacomo, Kl. 319 - Sankt Gallen, O. und Kl. 143, 180, 182, 186f., 289, 296 - Santa Cristina de Somport, Kl. 343 Register der Orts- und Personennamen 381 <?page no="392"?> - Santo Domingo de la Calzada, O. w. von Logroño 340f. - Sinjacob, sh. Marosszentjakab - St. Johannisboten, Bruderschaft in Eixen 256 - St. Marienthal, Zisterzienserkl. bei Ostritz 259 - St. Niclas, sh. Mülsen - St. Nicolas-de-Port, lothringischer Wallfahrtso. 312 - St-Germain-des-Prés, O. 141 - Szent Jakabfalva, O. 302 - Szent Jakob, sh. Bihar - Szentjakabfalva, sh. Swäty Jakub - Szentjakav (heute Szurdokpüspöki), O. 350 Sancho III. Garcés el Mayor, K. von Navarra (1004-1035) 294 Sandivogius von Schubyn, Starost von Krakau (13. Jh.) 85 Sandomierz, O. 79, 101, 119, 123f., 126, 128f., 131, 345, 348 Sanka, O. 131 Santiago de Compostela (Santiago, Compostela), O. 1, 4ff., 8f., 12f., 19f., 22-25, 27-32, 35-39, 52, 54, 57f., 66, 72, 75-78, 80, 83-91, 93f., 115, 124ff., 130, 142, 150ff., 154ff., 159f., 161-173, 178f., 182-189, 193f., 200f., 209, 214, 217, 222, 224, 228, 231, 233ff., 237, 240, 244, 246f., 250, 254, 256, 262, 285, 299, 301, 308, 310, 312, 315-319, 332f., 340-343, 347ff., 354 Santiago de Louredo, O., Gemeinde Saviñáo, Provinz Lugo 179 Santiago de Meilán, O. 179 Sarolta, Tochter des Gyula (10. Jh.) 289 Sasin von Smardzew, Kastellan von Wyszogrod (14. Jh.) 87f. Sava, Insel 314f. Saviñáo, O. 179 Sayda, O. 48 Sázava, O. 344 Schaas (ung. Segesd, rum. Saes), O. in Siebenbürgen 328 Schainbach, O., Gemeinde Wallhausen, s. von Würzburg 215 Schaprode, O. auf der Insel Rügen 236 Scharosch (ung. Nagysáros, rum. Soars), O., ehemals Villa Sarosch 324 Schäßburg (ung. Segesvár, rum. Sighisoara), O. 324, 328, 349 Scheinfeld, O. 207 Schemnitz (Banska Stiavnica), O. 348 Schimborn, O. bei Aschaffenburg 204 Schirmer, Großkaufmann aus Kronstadt (15. Jh.) 323 Schkeuditz, O. 356 Schlesien (Niederschlesien) 11f., 109f., 124, 165, 171, 274, 310, 343, 353f. Schlettau, O. 47 Schlüchtern, O. bei Fulda 197 Schlüsselau, Kl. in der D. Bamberg 198 Schmalkalden, O. 227 Schönbach, O. 204 - Eltmann, Pfarrei in Schönbach 204 Schönberg, O. in der D. Altdorf 194, 207 Schonenbrunnen, Burg 197 Schottland 183f., 187, 199f., 223, 228, 338ff., 354, 356 Schraudenbach, sh. Werneck (Markt) Schwabach, O. 194 Schwäbisch Hall, O. 199 Schwarzach, O. und Kl. 193, 196, 200, 215, 223 Schwarzbach, Kl. 198 Schwarzes Meer 124, 286, 323 Schweden 127, 220 Schweinfurt, O. 204, 219ff. Schweiz 52, 72 Scibor aus Sciborzyce (Geleitbrief 1405), Kujaver von Geburt, Vertrauter des Ks. Sigismund 88 Sebastian Fabian Klonowic, Ratsherr, Schöffe und Bürgermeister von Lublin (Ende 15. Jh.) 151f., 155 Sebastian Mequi (Santiagopilger 1677) 167 Sebastian Piskorski, Priester (17. Jh.) 102 Sebastian, hl. 213 Secundus von Alexandria, Priester und Märtyrer (4. Jh.) 184 Se˛ dziejowice, O. 124, 127, 129, 131 Sebastian Ilsung (Santiagopilger 1446-1448), Augsburger Patrizier 233 Sebes, sh. Mühlbach Seeon, Kl. in Oberbayern 14, 300f. Segesd, sh. Schaas Segesvár, sh. Schäßburg Seifriedsburg, sh. Gemünden am Main Semmering, O. 343 Senior, verm. Kl.gründer (vor 812) 179 Senj, O. 319 Serbien 314, 327 382 Register der Orts- und Personennamen <?page no="393"?> Servatius, hl. 247, 286 Sevilla, O. 36 Sherborne, O. 186 Sibenik, O. 315, 317f. Sibiu, sh. Hermannstadt Siebenbürgen (Nordsiebenbürgen) 14ff., 288, 290, 296, 304, 321-325, 324f., 327-331, 333, 335f., 338 Siemiechów, O. nö. von Neusandez (Polen) 103 Siena, O. 32 Sierpc, O. 87 Sigeric, Ebf. von Canterbury (990-994) 27, 30f., 34 Sighisoara, sh. Schäßburg Sigismund I., röm.-dt. Ks., K. von Ungarn und Böhmen (1387-1437) 10, 16, 88f., 312 Silardi, Stifter (1744) 208 Simon Albimontanus-Bial / skorski (†1615), Verfasser eines Epitaph 12, 156 Simon von Cyrene, bibl. Gestalt 261 Simon, Apostel 122, 129, 139, 144ff., 192 Sinai 65, 84, 272 Sindlbach („Sittenbach“), O. bei Neumarkt in der Oberpfalz 195 Sirmium (heute Sremska Mitrovice), O. in Serbien 287f. Sisnandus, Bf. von Iria Flavia (ca. 879- 919) 178 Sissach, O. im Baselland 182 Sixtus IV. (Francesco della Rovere), P. (1471-1484) 244 Sizilien 189, 228 Skandinavien 31, 73, 178, 205 Skarga, O. 153 Skaryszew, O. 127ff., 131 Skaryszewo, O. bei Radom 109 Skierniewice, O. 79 Slavibor, Sohn des Miroslav (12. Jh.) 344 Slawen, Slaven 189, 204, 225, 287ff., 342f. Slowakei (Mittelslowakei, Westslowakei) 88, 287, 306, 319, 324f., 346, 348 Slowenien 14, 319 Soars, sh. Scharosch Sobótka (Zobten), O. 109, 343, 345 Soest, O. 80 Soisdorf, O. nö. von Fulda 227 Somogy, O. 14, 298 Somogyvár, O. 298, 302, 345f. Somport, Pass 343 Sonnefeld, O. ö. von Coburg 206 Sopron (Scrabantia), O. und Gfs. 287, 304 Sorben (Sorbisch) 53, 353 Sorö, Kl. 63 Sosnka, O. (Polen) 124, 129 Sosnów, O. s. von Tarnopol 131 Spal / a, Nebenfl. zur Wisl / a 93 Spanien (Hispania, Nordwestspanien, Nordspanien Südspanien) 8, 15, 19-25, 36f., 78f., 85, 88, 90f., 97, 115f., 130, 142, 154f., 165ff., 177-180, 180f., 184, 186f., 202, 218, 222, 285, 288, 294, 307, 310, 316, 319, 324, 327, 343 Spessart 203f. Spisska Kapitula, O. bei Levoca (Slowakei) 349 Split, O. und Ebtm. 315 Stade, O. 32f., 35 Stadtschwarzach, sh. Schwarzach am Main Stadtsteinach, O. 205, 207, 215 Staffelstein, O. 199, 210 Stanisl / aw (Stanislaus), hl., Bf. von Krakau (1071-1079) 84, 117, 122, 130 Stanislaus I. Leszczynski, K. von Polen (1704-1709) 170 Stanislaus de Vederkere (Reise nach Compostela 1379), Höfling Ludwigs I. von Ungarn und Polen 85 Stanisl / aw Ciolek, lateinischer Dichter, Vizekanzler des K. Jagiello (14./ 15. Jh.) 88 Stanisl / aw Samostrzelnik, Zisterzienser aus Mogil / a bei Krakau (15. Jh.) 108 Stasko von Vederkere (Pilgerfahrt 1378) 86 Staufer, Dyn. 9, 16, 53, 201, 205 Steigerwald 203 Stein, D. 216 Steinau, O. 227 Stephan (Stephanus, Stefan), hl., Erzmärtyrer 140, 145, 176f., 181f., 193, 197, 209, 220, 296, 315 Stephan I. der Heilige, K. von Ungarn (1001-1038) 289-297, 299, 301f., 305, 308f., 311f., 320-323, 335, 337f., 340, 342 Stephan III., K. von Ungarn (1162-1172) 317 Stephaniter, Orden 311, 313 Sterburg (Stederburg), O. 184 Sternberg, O. 250f., 256 Register der Orts- und Personennamen 383 <?page no="394"?> Stettin, O. 108, 109, 241 Stöckenburg, Burg in Vellberg bei Schwäbisch Hall 227 Stockerau, O. 295, 339f. Stollberg, O. sw. von Chemnitz 357 Strakonice (Strakonitz), O. 345 Stralsund, O. 13, 35, 78, 231, 234, 236, 238-241, 244-247, 249, 251, 253-256 Straßburg, O. 28, 38, 166 Straßburg am Mieresch, sh. Enyed Sträßel, O. 43 Strehla, O. 46f., 353f. Stribrna Skalice (Silberskalitz), O. 344 Strzemien´ , poln. Familie 127 Strze˛ pin´ ski, Bf. von Krakau (1451-1457) 108 Süllberg, O. 184 Sulzbach, O. 222 Susa, O. 33 Suszec, O. am Anschlußpunkt des Hochlands von Pszczyna und dem Plateau von Rybnik 130f. Sven Godwinenson (Jerusalempilger, etwa 1002-1010) 295 Swäty Jakub (ung. Szentjakabfalva, dt. Jakobsdorf), O. 347f. Swenthoslaus Paluka de Schubyn (Reise nach Compostela 1379), Höfling Ludwigs I. von Ungarn und Polen 85 S´ wierze, O. 128f., 131 Sylvester II., P. (999-1003) 291 Szamotul / y, O. 80 Szászsebes, sh. Mühlbach Szászszentjakab, sh. Jakobsdorf Szávaszentdemeter (Mitrovic), O. 289 Szczaworyz˙ , O. 124, 129, 131 Szczecin, sh. Stettin Székesfehérvár (Stuhlweisenburg), O. 294, 312f. Székler Neumarkt, sh. Kézdivásárhely Székler 322, 336, 338 Szepesdaróc, sh. Dravce Szkalka, O. 346 Szombathely (Savaria), O. 287 Szydl / owiec, O. 105 Szymon Bialogorski (Santiagopilger) 167 Szymon Rudnicki, Bf. (17. Jh.) 101 Tagmersheim, O. sw. von Eichstätt 198 Taldáos (Lugo), O. 180 Taleke Kummerow, Stralsunder Testatorin (15. Jh.) 248f. Taleke Lutkeman, Stralsunder Testatorin (14. Jh.) 248 Taleke Lutkeman, Stralsunder Testatorin (15. Jh.) 256 Tamsweg, O. 346 Tannenberg, O. 88, 98 Tapolca, O. 306 Tara, O. 340 Tarnów, O. 103, 131 Targu Secuiesc, sh. Kézdivásárhely Tatra, Gebirge 348 Tauber, Fl. 202, 205 Tautenhain, O. im Bezirk Leipzig 356 Te˛ kity (Tenkiten), O. in Sambia 110 Teltsch (Telc), O. 344 Templer, Ritterorden 311f., 314f., 317, 319 Teodomirus, Bf. von Iria Flavia (ca. 800), Entdecker des Grabes des Jakobus 22f., 180 Teuchatz, O. bei Bamberg 204 Teuschnitz, O. 198 Teuzo, päpstlicher Gesandter (11. Jh.) 302 Thaddäus (Sancte Thadee), Apostel 144f. Thalau, O. sö. von Fulda 227 Thann, O. 76, 240f., 244, 246f., 249f., 253, 256 Thebäer, Märtyrer 184, 197 Theiß, Fl. 287, 292, 309 Theobald, hl., sh. Ewald Theoderich, Kaghan der Awaren (8./ 9. Jh.) 287 Theophanu, Ksn. (973-991), Ehefrau Ottos II. 290 Theres, Kl. bei Schweinfurt 300 Thidemann Coldehove, Stralsunder Testator (14. Jh.) 248, 255 Thietmar, Bf. von Merseburg, (1009- 1018), Chronist 46f., 206, 339 Thobis Gildehus (Canterburypilger 1420) 254 Thomas, Apostel 139, 144f., 145, 147, 149, 176, 192 Thomas von Aquin (†1274), hl. 116 Thorn, sh. Torun´ Thüringen 47, 189f., 339 Thurndorf, O. am Fuß des Kitschenrains (Frankenjura) 219 Thürriegel, fränkisches Adelsgeschlecht 210 Tideke Rickeldes, Stralsunder Testator (15. Jh.) 248 Tiefenbach, O. 216 384 Register der Orts- und Personennamen <?page no="395"?> Tiffen, O. nw. von Klagenfurt 341, 345 Tihany, O. 297 Tilman von Gameren, poln.-niederländischer Architekt (17. Jh.) 102 Tirol 185, 225 Tobias Ghildehus, Ratsherr von Stralsund (15. Jh.) 247 Töging, O. 222 Toplica (heute Topusko), Kl. 327 Tormás, Urenkel von Árpád 288 Tornaszentjakab, O. 350 Torun´ (Thorn), O. 37f., 101, 109 Toskana 29 Toulouse, O. 37, 176f., 340f. Tournai, O. 35 Tours, O. 25 Trebon (Wittingau), O. 346 Trencin, O. 346 Trencintepla, O. 346 Tréport, O. 188 Trient, O. 219, 225 Trier, O. 183, 233, 248f. Trogir, O. 318 Trossenfurt, O. 204 Troyes, O. 33, 35 Trzebnica (Trebnitz, Schlesien), O. und Kl. 96, 125 Tschechien 90, 259, 305, 310, 318, 342, 346 Tschernstochau, sh. Czestochowa Tschirn, O. bei Teuschnitz 198 Tuchów, O. 127ff., 131 Tulogd, O. 309 Tuntenhausen, O. im Landkreis Rosenheim 181 Turin, O. 33 Türkei 36 Tydeman van Verden, Stralsunder Testator (14. Jh.) 244 Tyniec, O. 116, 129, 146 Udalrich von Bamberg (†1164), Dompropst 200 Uechtelhausen, O. im Kreis Schweinfurt 219 Uffenheim, O. 207 Ühlfeld (Markt), O. n. von Bamberg 202 Ujlak, O. (Ungarn) 302 Ullitz, O. ö. von Pilsen 43, 47 Ulm, O. 37, 318 Ulrich Erker, Nürnberger Bürger (15. Jh.) 216 Ulsenheim, O. sö. von Würzburg 208 Ungarn (Nordungarn, Oberungarn, Südungarn, Südwestungarn, Westungarn) 7, 10, 14-17, 67, 69f., 73, 76f., 85-88, 124, 161, 165, 285f., 288-315, 317f., 320-323, 325ff., 329f., 331-335, 337-340, 342f., 346-349 Unter-Neubrunn, O. im Thüringer Wald 216, 227 - Eisfeld, Pfarrei in Unter-Neubrunn 216 Unterschondorf, O. bei München 330 Untersteinach, O. bei Kulmbach 210 Urban Emerich, der Jüngere, Görlitzer Bürger (15. Jh.) 268, 271 Urban Emerich, Görlitzer Bürger (15. Jh.) 268, 270f., 273f. Urban III., P. (1185-1187) 311 Urban VI., P. (1261-1264) 86 Üreg, O. sw. von Neutra 307f. Uros, Abt von Pannonhalma (1207-1242) 306 Urphar, O. bei Wertheim 203, 212 Urphertshofen, O. 208 Uskoken, flüchtige Serben und Bosniaken (16. Jh.) 319 Usuardus, Mönch in St-Germain-des- Pres, Hagiograph und Grammatiker (9. Jh.) 141 Utrecht, O. 32 Vác, O. 320, 350 Vacha, O. 35 Vadstena, O. 247, 255 Váh, Fl. 346, 348 Valencia, O. 36 Valentin Echter, ließ die Pfarrkirche in Kirchschönbach neu errichten (Ende 16. Jh.) 215 Valentin, hl. 216 Vas, Gfs. 304 Vasbühl, O. im Kreis Schweinfurt 220 Veit Stoß, Holzschnitzer (15. Jh.) 105 Velburg, D. 221 Velky Klíz (ung. Apátkolos), O. bei Topolcany (Slowakei) 346 Velky Saris (ung. Nagysáros), O. 349f. Venantius Fortunatus, Bf. von Poitiers (599-600) 177 Venedig, O. 28, 36, 64, 78, 84, 272, 306, 315, 315-319 Vérbulcsú (†955), ung. Stammesfürst 288 Verdun, O. 295f., 309, 313 Versbach, O. 197 Register der Orts- und Personennamen 385 <?page no="396"?> Veszprém, O. 291, 306, 339 Vevey, O. 31 Vidin, O. 290 Viereth, O. bei Bamberg 203 Villainville, O. im Canton de Criquetotl’Esneval (Normandie) 188 Villingen, O. 260 Vilnius, sh. Wilna Vilouriz, O. in Galicien 179 Vincentius Ferrer (†1419), hl. 218 Violante von Courtenay, Ehefrau K. Andreas’ II. von Ungarn (13. Jh.) 307 Violante von Ungarn (1216-1251), Kgn. von Aragón 307 Virgilius Maro, lateinischer Grammatiker (7./ 8. Jh.) 177 Virnsberg, O. w. von Nürnberg 212 Visegrád, O. 289, 311 Vitus, hl. 197 Vizinada, O. bei Porec (Istrien) 319 Vöcklabruck, O. 343, 346 Vogtland 48, 355, 357 Voigdehagen, Stadtkreis Stralsund 236 Vorarlberg 182 Vrana, O. 317 Wachenroth, O. s. von Bamberg 211 Wachthof, Pfarrei Wissing 222 Waclaw Saszek, Begleiter von Leo von Rozˇ mital auf seiner Reise (1465-67) 90 Waigolshausen, O. n. von Würzburg 221 Walachei 14f., 326, 328 Walahfrid Strabo (808/ 809-849), Benediktinermönch und Abt der Reichenau, Dichter und Gelehrter 181 Waldbach, O. 212 Waldenser 245, 327 Wales 181 Walldüren, O. im Odenwald 227 Wallonen 308 Walter Krämer, Stralsunder Testator (15. Jh.) 253 Waltersdorf, sh. Pe˛ ciszewo Warschau (Warszawa), O. 5, 80, 87, 99, 105, 155 Warthe, Fl. 106 Wartislaw IX. (†1457), Hz. von Pommern 251 Wartmannsroth, O. im Landkreis Bad Kissingen 221 Wassertrüdingen, O. 196 Watteau, Jean-Antoine, französischer Künstler (18. Jh.) 170 Wegefarth, O. im Landkreis Freiberg (Sachsen) 43 Weichsel, Fl. 122 Weichtungen, O. 220 Weihenzell, O. bei Ansbach 202 Weinsberg, O. 216 Weiße Elster, Fl. 353f. Weißenburg, O. 210, 215, 219 Weißenburg, sh. Gyulafehérvár Weißrußland 102 Welkers, O. s. von Fulda 227 Wels-Lambach, österreichisches Geschlecht 193 Wemding, O. 216 Wenzel Emerich, Görlitzer Bürger (15. Jh.) 271 Wenzel I., K. von Böhmen (1230-1253) 344 Werdau, O. 357 Werden, O. 181 Werder, Fl. 310 Wermerichshausen, sh. Münnerstadt Werneck (Markt), O. im Landkreis Schweinfurt 222 Wertheim, O. 203 Wesemborg, O. 90 Westfalen 185 Westheim, O. 227 Wettinus, Mönch der Reichenau (9. Jh.) 181 Wie˛ cl / awice, O. bei Krakau 109, 123f., 127, 129, 131 Wiekowo, O. 79 Wien, O. 37f., 59, 65, 91, 323, 339f., 343 Wierzbie˛ ta von Paniewice, Starost in Großpolen zur Zeit Kasimirs des Großen (4. Jh.) 106f. Wiesen, O. 204 Wiesent, Fl. 207f. Wiesenthal, O. 227 Wiesentheid, O. 221 Wigbert (†732/ 738), hl., angelsächsischer Missionar, Abt von Fritzlar 184 Wildenholz, O. 216 Wildflecken, O. s. von Fulda 227 Wilfard, Stralsunder Testator (14. Jh.) 237 Wilhelm V. der Große, Hz. von Aquitanien (995-1030) 188 Wilhelm von Habsburg, Hz. (14. Jh.) 88 Wilhelm IV. Taillefer (†1028, Jerusalempilger 1026), Gf. von Angoulême 295 386 Register der Orts- und Personennamen <?page no="397"?> Wilhelm von Meißen, Markgf. (11. Jh.) 300 Wilhelm von Weimar, Gf. (11. Jh.) 300 Wilhelm Höpt, Abt von Seeon (15. Jh.) 301 Wilhelmine (†1758), Markgräfin von Bayreuth 170 Wilken van Struncken, Stralsunder Testator (14. Jh.) 245 Willemund (†1062), Abt von St. Burkhard 196 Willibrord, hl. 190 Willig, O. 341 Willigis, Ebf. von Mainz (975-1011) 291 Wilmershof, O. 208 Wilna, O. 36, 83, 152 Wilsdruff, O. w. von Dresden 355 Wilsnack, O. 13, 76, 233f., 244, 246-249, 251, 253f., 256 Winchester, O. 143 Windeheim, O. und Burg 197 Winrich von Kniprode (um 1310-1382), Hochmeister des Deutschen Ordens (ab 1351) 69 Winsbach, O. 211 Wiprecht von Groitzsch (†1124, Santiagopilger 1088/ 89), Markgf. von Meißen und in der Lausitz 54, 184, 354f. Wismar, O. 241 Wissing, Pfarrei in der D. Berching 222 Wladisl / aw I. Hermann, Fürst von Polen (1080-1102) 345 Wladisl / aw II. Wygnaniec, Fürst von Polen (1138-1146) 344 Wladislaw von Böhmen, Hz. (12. Jh.) 344 Wl / adysl / aw Jagiel / l / o, sh. Jagiel / l / o Wl / ocl / awek, O. 97 Wójtowa, O. in der s. Provinz von Rzesow (Polen) 103 Wolfgang, hl., Bf. von Regensburg (972- 994) 109, 301 Wolfram von Grumbach, Bf. von Würzburg (1322-1333) 198, 211 Wrocimowice, O. 86 Wrocl / aw, sh. Breslau Wulf Grube, Stralsunder Testator (15. Jh.) 254 Würgau, O. bei Bamberg 216 Würzburg, O. und D. 190f., 193, 196f., 200, 205, 212- 215, 218f., 220, 222-227 - Haug, Stift 197 Wurzen, O. 46, 52, 353f., 356 Wynallt Hallbrugge, Knecht (15. Jh.) 254 Wyszogrod, O. 87 Zabrze, O. 104 Zachäus, Missionar in Ungarn (10. Jh.) 289 Zadar, auch Zara, O. 315ff. Zagreb, O. 298, 314f., 343, 346 Zala, Komitat in Ungarn 304f. Zalavár, Kl. 342 Zalavàr, O. 292, 297 Zamos´ c´ -Lubaczów, D. 117 Zawisza von Garbow, poln. Ritter (15. Jh.) 89 Zba˛szyn (Bentschen), O. 80 Zbylut de Schubyn, Bf. von Kujavien (14. Jh.) 85 Zebedäus, bibl. Gestalt 114 Zeil, O. am Main 204 Zeitz, O. 54, 354f. Zeno (†380), Bf. von Verona 150 Zeuzleben, O. sw. von Schweinfurt 222 Zieleniec, O. 98 Zielien (Österreich) 88 Ziemowit IV. (†1426), Hz. von Masovien 87 Zips, Landschaft in der Slowakei 15, 347-350 Zisterzienser, Zisterzienserinnen, Orden 11, 14, 16, 63, 102f., 106f., 110, 196-199, 223, 303, 314f., 324, 327ff., 331, 349 Zitava, Nebenfl. der Neutra 346ff. Zittau, O. 356 Zlaté Moravce (ung. Aranyosmarót), O. 347 Zobor, Berg und Kl. 321, 342 Zobten, sh. Sobótka Zoerard (1083 heiliggesprochen), Eremit 297, 305, 342 Zschopau, O. und Fl. 48 Zselinceszentjakab, O. 14, 298-303, 345 Zudar, Halbinsel im S. der Insel Rügen 234, 236 Zuger See 182 Zürner, Adam Friedrich (†1742), Pfarrer und Landverweser in Sachsen 42, 49 Zwickau, O. 47, 49, 355 Register der Orts- und Personennamen 387 <?page no="399"?> Gunter Narr Verlag Tübingen Postfach 2567 · D-72015 Tübingen · Fax (07071) 752 88 Kulturwissenschaft Luís Manuel Calvo Salgado Die Wunder der Bettlerinnen Krankheits- und Heilungsgeschichten in Burgos und Santo Domingo de la Calzada (1554-1559) Jakobus-Studien 11, 2000, 540 Seiten, 39,-/ SFr 64,50 ISBN 3-8233-4011-5 Wunderheilungen gehörten zum Alltagsleben im Spanien des 16. Jahrhunderts. Wunder wurden erzählt, aufgezeichnet, gedruckt, gelesen und vorgelesen. Aus zwei lokalen Wallfahrtsorten am Jakobsweg, Burgos und Santo Domingo de la Calzada, stammen die hier untersuchten Wunderberichte. Im ersten Teil befaßt sich die Studie mit den Wundererzählungen aus einem 1554 gedruckten Buch, die dem Kruzifix des Burgaleser Augustinerklosters zugeschrieben wurden. Der sozialhistorische Kontext und vor allem die geschlechts- und schichtenspezifischen Aspekte stehen dabei im Vordergrund der Analyse. Den zweiten Teil bildet eine Mikrogeschichte von fünf Wunderheilungen aus Santo Domingo de la Calzada. Zwischen 1556 und 1559 fanden mehrere Prozesse zur Überprüfung des Wahrheitsgehalts dieser Wunder statt. Fünf Frauen, vier davon aus sehr armen Verhältnissen, gaben an, auf wunderbare Weise vom Lokalheiligen geheilt worden zu sein. Ihre Aussagen und diejenigen zahlreicher Zeugen geben Auskunft über Alltagsgespräche, Körpervorstellungen, soziale Probleme und das Verständnis von den Wallfahrten. Klaus Herbers (Hrsg.) Stadt und Pilger Soziale Gemeinschaften und Heiligenkult Jakobus-Studien 10, 1999, XIV, 248 Seiten, zahlr. Abb., 24,-/ SFr 40,50 ISBN 3-8233-4010-7 Die Beziehungen zwischen Heiligenkulten und der Entstehung von Siedlungen und Städten ist ein Thema, das die Erfassung des Raumes betrifft. Inwieweit prägten Pilgerfahrten die Entstehung und die Gestaltung von Städten? Inwieweit wirkten Heiligenkulte auf die innere topographische und soziale Struktur von Siedlungen und Städten? Diesen Aspekten wird von verschiedener Seite her nachgegangen und dabei insbesondere auch erstmals der österreichische Raum stärker in den Blick genommen.